Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht: Einwirkungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts auf die Grenzen gerichtlicher Kontrolle [1 ed.] 9783428531905, 9783428131907

Nach § 4 UmwRG können - abweichend von § 46 VwVfG - umweltrechtliche Entscheidungen wegen einzelner Verfahrensfehler ger

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Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht: Einwirkungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts auf die Grenzen gerichtlicher Kontrolle [1 ed.]
 9783428531905, 9783428131907

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 83

Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht Einwirkungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts auf die Grenzen gerichtlicher Kontrolle

Von Anna-Maria Schlecht

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ANNA-MARIA SCHLECHT

Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wo l f g a n g G r a f Vi t z t h u m in Gemeinschaft mit M a r t i n H e c k e l, K a r l - H e r m a n n K ä s t n e r Fe r d i n a n d K i r c h h o f, H a n s v o n M a n g o l d t M a r t i n N e t t e s h e i m, T h o m a s O p p e r m a n n G ü n t e r P ü t t n e r, B a r b a r a R e m m e r t Michael Ronellenf itsch, Christian Seiler sämtlich in Tübingen

Band 83

Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht Einwirkungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts auf die Grenzen gerichtlicher Kontrolle

Von Anna-Maria Schlecht

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-13190-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/2009 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Mai 2009 berücksichtigt werden. Mein aufrichtiger Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Barbara Remmert für ihre engagierte Betreuung. Mit ihrer Gesprächsbereitschaft, ihren wertvollen Hinweisen und ihrem stets motivierenden Interesse hat sie die Entstehung dieser Arbeit entscheidend gefördert. Herrn Prof. Dr. Martin Nettesheim sei für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine hilfreichen Anmerkungen gedankt. Mein Dank gebührt zudem Herrn Prof. Dr. Michael Eichberger für die Anregung zur Bearbeitung dieses wichtigen Themas. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum danke ich für die Aufnahme der Dissertation in die Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht. Für das Korrekturlesen danke ich Herrn Dr. Mischa Lauer und Herrn Florian Merz. Mein herzlicher Dank gilt meinen Eltern sowie Christine und Thomas für ihre Unterstützung. Tübingen, im September 2009

Anna-Maria Schlecht

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Die Anpassung des deutschen Umweltrechts an völker- und gemeinschaftsrechtliche Entwicklungen

17

Das Umweltrecht als Referenzgebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts . . .

17

II. § 4 UmwRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

III. Die bisherige Rechtslage im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

IV. Ziel und Verlauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

I.

2. Kapitel Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

34

Die Verfahrensfehlerlehre bis zum Erlass des § 4 UmwRG . . . . . . . . . . . . . . .

34

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand des § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Merkmal der Kausalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Merkmal der Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Anwendung des § 46 VwVfG auf Ermessensentscheidungen . . . . 2. Folgen von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absolute Verfahrensfehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 40 42 44 50 54

III. Der Ausschluss der isolierten Anfechtbarkeit von Verfahrensfehlern nach § 44a VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

I.

IV. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern in der Rechtsprechung des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Die Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Die Rechtsprechung zur unterlassenen oder fehlerhaften UVP vor Erlass des § 4 UmwRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 V. Konsequenzen der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . .

68

8

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

70

Der Begriff des Verwaltungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren als Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsakte als Verfahrensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 71 75

II. Die Bedeutung des Verfahrens im Lichte der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Entscheidung in der Sache . . . . . . . 2. Hypothetischer Nachvollzug der Entscheidung durch die Gerichte . . . . . .

77 78 81

III. Bedeutungslosigkeit des Verwaltungsverfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

I.

4. Kapitel

I.

Verfahrensfehler als Kontrollproblem

87

Umfang und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

II. Umweltrechtliche Entscheidungen zwischen Eigenständigkeit der Verwaltung und umfänglicher gerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezifika umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachlassende Steuerung und materielle Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Richtigkeitsgewähr durch Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Verfahrensgedanke im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompensationsfunktion des Verfahrensrechts in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . a) Neubestimmung der Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensfehler als Indiz für einen Abwägungsmangel . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen einer veränderten Verfahrenskontrolle auf das Niveau der materiellen Kontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 98 102 107 107 113 116 118 123 129

III. Verstärkte Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. Kapitel Einwirkungen der Aarhus-Konvention auf die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern I.

138

Die Bedeutung der Aarhus-Konvention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Die dritte Säule der Aarhus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Inhaltsverzeichnis 2. Auswirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung des Art. 9 Abs. 2 AK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 9 Abs. 2 AK in Abgrenzung zu den anderen Klagerechten des Art. 9 AK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 9 Abs. 2 AK im Zusammenhang mit den anderen Verfahrensrechten der Aarhus-Konvention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bedeutung der in der Aarhus-Konvention gewährten Verfahrensrechte für die materielle Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Historische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Vorbehalt zugunsten des innerstaatlichen Rechts: Auslegung der Aarhus-Konvention nach Sinn und Zweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

144 146 147 149 149 150 152 157 158

III. Ergebnis: Verpflichtungen des Art. 9 Abs. 2 AK. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6. Kapitel

I.

Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

163

Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . 1. Reduzierte materielle Kontrolldichte in der Rechtsprechung des EuGH . 2. Die Behandlung von Verfahrensfehlern durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . . a) Die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensfehlerfolgen in anderen Mitgliedstaaten der EG . . . . . . . . . . c) Vergleich der Unbeachtlichkeitsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensfehlerfolgen als Problem gerichtlicher Kontrolldichte . . . . . . . .

164 165 168 169 173 175 177

II. Zugang zu Gerichten nach den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften der Aarhus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie und Klagerechtsrichtlinie . . . . . . . . . . 2. Die Kompetenz der EG zur Regelung von Rechtsschutzfragen . . . . . . . . . a) Kompetenz aus der völkerrechtlichen Umsetzungspflicht der EG? . . . b) Die Kompetenz der EG im Bereich des Umweltrechts. . . . . . . . . . . . . . c) Kompetenz der EG zum Erlass von Vorschriften zur Regelung des Gerichtszugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten als Kompetenzschranke? . . e) Kein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung der Umsetzungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang der Rügemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegung der Gemeinschaftsrechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verpflichtungen aus den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakten . . . .

179 179 180 181 183 185 187 190 192 192 194 195

III. Anpassungsdruck auf das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Gemeinschaftsrechtliches Verfahrensverständnis im Umweltrecht . . . . . . . 195

10

Inhaltsverzeichnis 2. Stellenwert des Verfahrens im Vergleich zum deutschen Recht. . . . . . . . . . 3. Verstößt § 46 VwVfG gegen den Effektivitätsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Effektivitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung des § 46 VwVfG auf originär gemeinschaftsrechtliche Verfahrensrechte?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Fall der unterlassenen oder fehlerhaften UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenzen für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 198 199 201 203 205 207

7. Kapitel Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern I.

209

Anpassung an die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK und der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

II. Möglichkeiten der Rezeption des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine vollständige Übernahme des gemeinschaftsrechtlichen Systems . . . 2. Keine Beschränkung der Reformen auf gemeinschaftsrechtlich geregelte Rechtsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anpassung innerhalb einer Zone rechtlicher Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . .

212 212 212 215

III. Bedenken gegen § 46 VwVfG im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 IV. Vorgaben für eine Verfahrensfehlerlehre im Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 8. Kapitel

I.

Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch § 4 UmwRG

222

Kritik an § 4 UmwRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung auf Fälle der unterlassenen UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Frage nach dem Regelungsstandort als Frage der Integrationsoffenheit des deutschen Verwaltungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht . . b) Bereichsspezifische Ausnahme von § 46 VwVfG?. . . . . . . . . . . . . . . . . .

223 224 226 227 228

II. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 9. Kapitel Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht I.

231

Auslegung des § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Rechtfertigungsgrund des § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Das Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Inhaltsverzeichnis II. Kriterien zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Art des Verfahrensfehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Art des verletzten Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vorgaben des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielles Recht als Verhaltens- und Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung nach gebundenen und Ermessensentscheidungen: Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf unbestimmte Rechtsbegriffe?. . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wesentlichkeit im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wesentlichkeit der verletzten Verfahrensvorschrift im Referentenentwurf des UmwRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Elemente des Wesentlichkeitskriteriums im Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss des hypothetischen Nachvollzugs von Entscheidungen . . . b) Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Entscheidungsgrundlagen c) Herausbildung abstrakter allgemeingültiger Merkmale . . . . . . . . . . . . . . d) Vermutung für das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers . . e) Stärkung verwaltungsbehördlicher Entscheidungskompetenz . . . . . . . . f) Sicherung einer gemeinschaftsrechtlich konvergenten Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzestechnische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 238 239 241 243 243 246 255 255 256 256 258 258 260 260 261 262 263 265

IV. Ergebnis: Neubestimmung des § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 10. Kapitel Zusammenfassung und Ausblick

269

Anhang I: Vertragstext der Aarhus-Konvention in amtlicher deutscher Übersetzung. Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Anhang II: Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EGRichtlinie 2003/35/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen nach Kirchner/Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl. 2003, Berlin, außer: Aarhus-Konvention

Aarhus-Vertragsgesetz

Abfallrahmenrichtlinie

ABl. EG AK allg. bzw. CMLRev ders. dies. dt. EAG Bau

Ed.; Eds.

EG

Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25.6.1998 (UN/ECE Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters), englischer Text und amtliche deutsche Übersetzung abgedruckt im Aarhus-Vertragsgesetz vom 9.12.2006, BGBl. II S. 1251, 1252 ff. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 9.12.2006, BGBl. II S. 1251 Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle, ABl. EG 1975 Nr. L 194 S. 47, zuletzt geändert durch die RL 96/350/EG, ABl. EG 1996 Nr. L 135 S. 32 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, seit 1.2. 2003 Amtsblatt der EU (zitiert: ABl. EG Jahr, Nr., S.) Aarhus-Konvention allgemein, allgemeines beziehungsweise Common Market Law Review (Zeitschrift) derselbe dieselbe, dieselben deutsch, deutsches Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau) vom 24.6. 2004, BGBl. I S. 1359 bei englischsprachiger Literatur: 1. Edition (Auflage) 2. Editor(s) (Herausgeber) 1. Europäische Gemeinschaft 2. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957 in der konsolidierten Fassung nach

Abkürzungsverzeichnis

EGMR EGV Einl. EPL Erklärung von Rio

EU

EUDUR eur. EurUP EUV EVwVerfG FFH-RL

GK GS IFG ILM IVU-RL

JEEPL KlagerechtsrichtlinieEntwurf no.

13

dem Vertrag von Nizza vom 26.2.2001, ABl. EG 2002 Nr. C 325/33 (neue Zitierweise) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957 (alte Zitierweise) Einleitung Environmental Policy and Law (Zeitschrift) Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung vom 14.6.1992 (Rio Declaration on Environment and Development), abgedruckt in ILM 31 (1992), 876, deutscher Text abgedruckt in: Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltpolitik, Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro – Dokumente –, S. 43 1. Europäische Union 2. Vertrag über die Europäische Union vom 7.2.1992 in der konsolidierten Fassung nach dem Vertrag von Nizza vom 26.2.2001, ABl. EG 2002 Nr. C 325/5 (neue Zitierweise) Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht europäisch, europäisches Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht Vertrag über die Europäische Union vom 7.2.1992 (alte Zitierweise) Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, 1963 (2. Aufl.) Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) vom 21.5.1992, ABl. EG 1992 Nr. L 206 S. 7 Gesamtkommentar Gedächtnisschrift Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vom 5.9.2005, BGBl. I S. 2722 International Legal Materials Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24.9.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. EG 1996 Nr. L 257 S. 26 Journal for European Environmental and Planning Law Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, KOM (2003) 624 endg. Number

14 Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL

SUP SUPG

SUP-RL

u. a. u. ä. UGB Umweltaudit-VO

Umweltinformations-RL

Umweltinformations-RL a. F. UmwRG

UN/ECE UN/ECOSOC UVP-RL

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 9.12.2006, BGBl. I S. 2819 Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 91/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. EG 2003 Nr. L 156 S. 17 Strategische Umweltprüfung Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG vom 25.6.2005, BGBl. I S. 1746 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme vom 27.6.2001, ABl. EG 2001 Nr. L 197 S. 30 und andere und ähnliche, und ähnliches Umweltgesetzbuch (Referentenentwurf (UGB 2009) vom 19.11.2007) Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29.6.1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, ABl. EG 1993 Nr. L 18 S. 1 Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG, ABl. EG 2003 Nr. L 41 S. 26 Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7.6.1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABl. EG 1990 Nr. L 158 S. 56 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG – Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – vom 7.12. 2006, BGBl. I S. 2816 United Nations Economic Commission for Europe, UNWirtschaftskommission für Europa United Nations Economic and Social Council, Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EG 1985 Nr. L 175 S. 40

Abkürzungsverzeichnis Verb. Rs. Vorbem. VR Wasserrahmenrichtlinie

WVK

zit.

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Verbundene Rechtssachen Vorbemerkung Verwaltungsrundschau Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. EG 2000 Nr. L 327 S. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969, BGBl. 1985 II S. 926, für die Bundesrepublik am 20.8.1987 in Kraft getreten (Bek. v. 26.11. 1987, BGBl. II S. 757) zitiert

1. Kapitel

Die Anpassung des deutschen Umweltrechts an völker- und gemeinschaftsrechtliche Entwicklungen I. Das Umweltrecht als Referenzgebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts Fragen des Umweltschutzes gewinnen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an Bedeutung.1 Folglich entwickelt sich auch das Umweltrecht im innerstaatlichen Bereich ebenso wie auf völker- und gemeinschaftsrechtlicher Ebene immer mehr zu einem Rechtsbereich von zentraler Bedeutung, in dem grundlegende rechtliche Konflikte wie der Umgang mit Risiken und Prognosen und die damit verbundene Frage nach der rechtlichen Handhabung der Kategorie Zukunft sichtbar werden.2 Dabei stellt das Umweltrecht aufgrund der Vielfalt der erfassten Umweltmedien wie Wasser, Luft, Boden und Biosphäre sowie deren Wechselwirkungen untereinander und im Verhältnis zum Menschen3 zunächst eine alle Bereiche des Rechts erfas1

Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 1, listet als einige der dringendsten Umweltprobleme die Klimaerwärmung, die Ausdünnung der Ozonschicht, die Wüstenbildung, die Verschmutzung der Meere, die drohende Vernichtung der Regenwälder und die Ausbeutung der Meeresressourcen auf. Vgl. auch Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 1 ff.; Epiney in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20a Rn. 1 ff. Das wachsende Interesse der Öffentlichkeit an umweltrelevanten Zusammenhängen belegt die öffentliche Berichterstattung und Diskussion über Ursachen und Bekämpfung des fortschreitenden Klimawandels. Laut einer von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer in der Zeit vom 11. bis 13. Dezember 2007 durchgeführten Umfrage sehen von 1352 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten, die repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in ganz Deutschland sind, 83 Prozent der Befragten den Klimawandel als ernst zu nehmendes Problem an. Vgl. den im Internet veröffentlichten Artikel vom 14.12.2007 unter http://politbarometer.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,7133783,00. html, letzter Aufruf am 18.5.2009. Zum Klimaschutz u. a. Schmidt-Preuß, JZ 2000, 581, 589 f. 2 Vgl. Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 165 ff. Da der moderne, postindustrielle demokratische Staat die Unversehrtheit der Umwelt zu einem wesentlichen Ziel und Maßstab seines Handelns macht, kann er als Umweltstaat gekennzeichnet werden. Vgl. Kloepfer in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 745, 746 f.; Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 30 ff. Steinberg, ZUR 1999, 126, spricht vom ökologischen Umbau der Rechtsordnung; ebenso Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 48.

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1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

sende Querschnittsmaterie dar.4 Kerngebiet des Umweltrechts ist allerdings das öffentliche Umweltrecht5 als das Sonderrecht staatlicher Umweltschutzaktivitäten,6 zu dem Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, Gewässerschutzrecht, Immissionsschutzrecht, Strahlenschutzrecht, Abfallrecht, Gefahrstoffrecht, Bodenschutzrecht sowie Klima- und Atmosphärenschutzrecht zählen.7 Dieses zum besonderen Verwaltungsrecht8 gehörende Umweltrecht bildet inzwischen einen ausdifferenzierten, dogmatisch eigenständigen Teilbereich des öffentlichen Rechts.9 Dabei beeinflusst das Umweltrecht als so genanntes Referenzgebiet des besonderen Verwaltungsrechts wiederum die Ausformung und Entwicklung der Lehren des allgemeinen Verwaltungsrechts.10 Die Referenzgebiete des 3 Vgl. den in der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG verwendeten Umweltbegriff. Dazu Caspar in: Koch, Umweltrecht, § 2 Rn. 97; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 7; Wolf, Umweltrecht, Rn. 15; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 7. Vgl. ferner die den verschiedenen Umweltgesetzen vorangestellten Umweltdefinitionen in § 1 Nr. 1 BWaldG, § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG, § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG, §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 BImSchG. Zu den verschiedenen Umweltbegriffen Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 14 ff.; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 1. 4 Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 29 f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 59; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 4; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 27; Wolf, Umweltrecht, Rn. 9. Für das gemeinschaftsrechtliche Umweltrecht ebenso Epiney, Umweltrecht, S. 9. 5 Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 28, ausführlich Rn. 178 ff.; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 6. Ferner Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 313. 6 Begriff bei Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 60; ferner Wolf, Umweltrecht, Rn. 4. 7 Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 61. 8 Verwaltungsrecht bezeichnet das Sonderrecht der hoheitlich handelnden öffentlichen Verwaltung, vgl. Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 1; abweichend Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 54. Zum Begriff der öffentlichen Verwaltung Ehlers in: Erichsen/ders., Allg. Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 4 ff., 11 ff.; Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 16 ff.; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 46 ff.; Mayer, Dt. Verwaltungsrecht Bd. 1, S. 7; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 2 ff., 6; Forsthoff, Verwaltungsrecht Bd. 1, S. 1 ff.; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 536. 9 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 34. Nach Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 11, ist dieser Prozess der Ausdifferenzierung des Umweltrechts mit der weitgehenden Erfassung der Umweltschutzgüter und der umweltrelevanten Gefahrenquellen sowie den Bemühungen um seine Kodifizierung in einem Umweltgesetzbuch nunmehr abgeschlossen. 10 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 14 ff.; Hoffmann-Riem, ebd., S. 115, 117; ders. in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 9, 16; Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 1243; Voßkuhle in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Verwaltungsrecht I, § 1 Rn. 45; von Danwitz, Verwaltungsrechtl. System, S. 60 f.; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 4.

I. Umweltrecht als Referenzgebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts

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besonderen Verwaltungsrechts als „[. . .] diejenigen Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts, die das Fallmaterial und die Beispiele für die allgemeinen Aussagen des Rechts abgeben [. . .]“, können wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des allgemeinen Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensrechts geben.11 Das Umweltrecht stellt gegenwärtig ein besonders bedeutsames Referenzgebiet dar.12 Grund dafür ist zunächst, dass sich im Umweltrecht die Konstellationen besonders signifikant abgebildet finden, die das moderne Verwaltungsrecht vor seine größten Herausforderungen stellen. Damit sind in erster Linie die Multipolarität13 und Komplexität umweltrechtlicher Entscheidungslagen und der dabei notwendige Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessenpositionen gemeint, die die planende und gestaltende Verwaltung von der klassischen Eingriffsverwaltung unterscheiden.14 Weitere Ursache für die Bedeutung des Referenzgebiets Umweltrecht ist, dass im Umweltrecht die systemverändernden Einflüsse des internationalen Rechts auf das deutsche Recht besonders deutlich werden.15 Maßgeblich sind zunächst die Einwirkungen des europäischen Gemeinschaftsrechts, das 11 Definition bei Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 1 Rn. 13. Ähnlich Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 4. Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 9, 16, spricht vom besonderen Verwaltungsrecht als einem möglichen Innovationspool des allgemeinen Verwaltungsrechts. Zum Begriff und zur Bedeutung von Referenzgebieten Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 1 Rn. 12 ff.; Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115 ff.; Voßkuhle in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Verwaltungsrecht I, § 1 Rn. 43 ff. 12 Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 54; Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 118 ff.; Schmidt-Aßmann, ebd., S. 11, 26; ders. in: FS Ipsen, S. 305, 306; Di Fabio in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 199; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 267; ders., EurUP 2005, 154, 158. Zum Umweltrecht als Referenzgebiet Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 3 Rn. 6 ff. Beispiele für Rechtsfiguren, die ihren Ursprung im Umweltrecht hatten, sind die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften oder informale Instrumente wie Selbstverpflichtungserklärungen. Vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154, 158. Überdies hat das Umweltrecht das bisher bipolare Verwaltungsrecht um die spezifisch umweltrechtlichen multipolaren Konfliktlagen erweitert. Vgl. Thieme, DÖV 1996, 757, 759. 13 Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490, versteht unter multipolaren Konfliktlagen Situationen, in denen kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht aufeinanderprallen. 14 Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 34 f. Die einseitige Ausrichtung des VwVfG auf die klassische gesetzesvollziehende Verwaltung kritisiert SchmidtAßmann, NVwZ 2007, 40, 41 f. Zur gegenwärtigen Umorientierung der hierarchisch strukturierten Verwaltung zu einer kooperativen, gesellschaftliche Akteure einbeziehenden Verwaltung Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 369 ff. Zur Modernisierung der Verwaltung im Wandel der Staatsfunktionen auch Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27. 15 Steinberg, AöR 120 (1995), 549, 588; Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 49.

20

1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

mit seiner Vielzahl umweltrechtlicher Richtlinien16 die konkrete innerstaatliche Ausgestaltung des Umweltrechts sowie des Verwaltungsverfahrensrechts beeinflusst17 und zugleich mit den Geltungsanforderungen allgemeiner gemeinschaftsrechtlicher Rechtsgrundsätze die Europäisierung dieser Rechtsbereiche weiter vorantreibt.18 Zudem wirkt auch das Umweltvölker16 Bedeutende Richtlinien des Umweltrechts sind die UVP-RL, die Umweltinformations-RL, die FFH-RL und die IVU-RL sowie die Abfallrahmenrichtlinie und die Wasserrahmenrichtlinie. Vollständiger Überblick über die umweltrechtlichen Normen der EG bei Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 175 EGV Rn. 141–437. Übersicht über die Richtlinien, die Einfluss auf das Verwaltungsverfahrensrecht haben, bei P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Einl. Rn. 135 ff. Zum europäischen Umweltrecht aus der Vielzahl der Literatur Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 2005; Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, 2003; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 77 ff. 17 Vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 6 Rn. 143; ders., NVwZ 2007, 40, 42 f.; Hufen, JuS 1999, 313, 314 f.; Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154, 158. Zur Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 129 ff.; Bonk/Schmitz, ebd., § 1 Rn. 18 ff.; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, Einl. Rn. 56 ff.; Riedl in: Obermayer, VwVfG, Einl. Rn. 108 ff.; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 17 ff.; sowie ferner die Beiträge in: Hill/Pitschas, Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, 2004. Zur Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 80 ff.; Schwarze, NVwZ 2000, 241; Hirsch, VBlBW 2000, 71; Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996. Zur Europäisierung des Umweltrechts Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 39; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 95 ff., § 4 Rn. 5; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 433 ff.; Steinberg, AöR 120 (1995), 549 sowie die Beiträge in Erbguth, Europäisierung des nationalen Umweltrechts: Stand und Perspektiven, 2001; ferner Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67, 121 f.; Bonk/ Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 204a f.; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 1 Rn. 54. 18 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 74; Di Fabio in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 199, 200. Ebenso Schlacke, ZUR 2004, 129, 130, ihr folgend Werres, DVBl 2005, 611, 612: Umweltrecht als Motor der europäischen Integration. Das Schlagwort der Europäisierung bezeichnet die Beeinflussung, Überlagerung und systematische Umformung der innerstaatlichen Ordnung in allen Rechtsbereichen durch europäisches Gemeinschaftsrecht. Begriff bei Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 1 Rn. 50; von Danwitz, DVBl 1998, 421; Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154, 155. Nach Wahl, Der Staat 38 (1999), 495, 514, bewirkt die Europäisierung eine neue Phase der Entwicklung des gesamten Öffentlichen Rechts. Zur Europäisierung des Verwaltungsrechts Schoch, Die europäische Perspektive des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, in: SchmidtAßmann/Hoffman-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279; ders., Die Verwaltung Beiheft 2, S. 135; Scheuing in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 279, 289 ff.; Schmidt-Aßmann in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 487, 488 ff.; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 396 ff. Dabei wirkt nicht nur das Gemeinschaftsrecht auf das nationale Recht ein, sondern es bestehen vielmehr zwischen beiden Rechtsordnungen wechselseitige Einflüsse. Vgl.

I. Umweltrecht als Referenzgebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts

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recht durch wichtige Beiträge zur Entwicklung und Ausdifferenzierung rechtlicher Umweltschutzinstrumente zunehmend auf das deutsche Umweltrecht und damit auch auf das deutsche Verwaltungsrecht ein.19 Seit den in den Jahren 1972 in Stockholm20 und 1992 in Rio21 abgehaltenen Umweltkonferenzen der Vereinten Nationen hat sich das Umweltvölkerrecht zu einem eigenständigen Gebiet des Völkerrechts entwickelt, das in einem umfassenden und differenzierten System völkerrechtlicher Verträge und dazugehöriger Protokolle nahezu den gesamten Bereich des Umweltrechts normativ erfasst.22 Inwieweit die vom Völker- und Gemeinschaftsrecht geforderte Notwendigkeit effektiven Umweltschutzes die Reform allgemeiner verwaltungsrechtlicher Lehren beeinflusst,23 zeigt sich beispielhaft an der erst kürzlich erlassenen Vorschrift des § 4 UmwRG24. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. CXII; Alber in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 445, 446 sowie die Berichte von Zuleeg und Rengeling in VVDStRL 53 (1994), 154 und 202. 19 Vgl. Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 49; Schmidt-Preuß, JZ 2000, 581, 589 f.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 4; Di Fabio in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 199, 200. Zur Entwicklung des Umweltvölkerrechts Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 19 ff.; Hobe, Völkerrecht, S. 511 ff. Die Anzahl bi- und multilateraler Übereinkommen hat seit der UN-Umweltkonferenz von Stockholm im Jahr 1972 stetig zugenommen. Zur zentralen Bedeutung völkerrechtlicher Verträge als internationales Umweltschutzinstrument Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 77 ff. 20 Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt (United Nations Conference on Human Environment, UNCHE), 5. bis 16. Juni 1972 in Stockholm, Schweden. 21 Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED), 3. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro, Brasilien. 22 Vgl. Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 307. Zentrale Beispiele bedeutender ausdifferenzierter umweltvölkerrechtlicher Übereinkommen sind das UN/ECERahmenübereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung (ECE Framework Convention on Long Range Transboundary Air Pollution) von 1979, im Internet unter http://www.unece.org/env/lrtap/full%20text/1979.CLRTAP. e.pdf, mit seinen zahlreichen Protokollen (zu finden unter http://www.unece.org/ env/lrtap/status/lrtap_s.htm) sowie das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change) von 1992, im Internet unter http://unfccc.int/resource/docs/convkp/con veng.pdf, mit dem Kyoto Protokoll von 1998, zu finden unter http://unfccc.int/ resource/docs/convkp/kpeng.pdf, letzter Aufruf jeweils am 18.5.2009. 23 So Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 120; ähnlich Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 54 sowie § 4 Rn. 5; Walter, EuR 40 (2005), 302, 303: Im modernen Umweltrecht spiegle sich die verwaltungsrechtliche Debatte über moderne Gestaltungen des Verwaltungsverfahrens wider. Ähnlich Hill in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 273, 277: das Umweltrecht sei „[. . .] Motor moderner Rechts- und Verfahrensentwicklung [. . .]“. 24 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 7.12.2006, BGBl. I S. 2816. Grund-

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1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

II. § 4 UmwRG Mit dem Erlass des § 4 UmwRG setzt die Bundesrepublik Deutschland in erster Linie die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG25 in deutsches Recht um.26 Zugleich erfüllt Deutschland aber damit seine Verpflichtung aus dem umweltvölkerrechtlichen UN/ECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 199827, der so genannten Aarhus-Konvention. Dieses Übereinkommen verpflichtet seine Vertragsparteien, Mitgliedern der Öffentlichkeit Rechte auf Zugang zu Umweltinformationen (Art. 4 und 5 AK), auf Beteiligung an umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren (Art. 6 bis 8 AK) sowie auf Zugang zu gerichtlichen oder anderweitigen Überprüfungsverfahren in Umweltangelegenheiten (Art. 9 AK) zu gewähren.28 Mit ihrem Inkraftlegend zum UmwRG Ziekow, NVwZ 2007, 259; Radespiel, EurUP 2007, 118; Schwertner, EurUP 2007, 124; Schlacke, NuR 2007, 8; Almeling, Aarhus-Konvention, S. 193 ff.; zu § 4 UmwRG dies., Aarhus-Konvention, S. 201 ff. Der endgültigen Fassung des UmwRG gingen folgende inhaltlich voneinander abweichende Gesetzentwürfe voraus: Referentenentwurf vom 21.2.2005, abgedruckt in Durner/Walter, Spielräume, S. 171 ff., sowie der Regierungsentwurf vom 4.9.2006, BTDrucks. 16/2495. Zum Referentenentwurf bereits Knopp, ZUR 2005, 281, 283 f. 25 Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 91/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. EG 2003 Nr. L 156 S. 17. 26 Vgl. Radespiel, EurUP 2007, 118, 119; Schlacke, ZUR 2009, 80, 81. 27 UN/ECE Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters. Die Aarhus-Konvention wurde auf der 4. Umweltministerkonferenz „Umwelt für Europa“ der UN-Wirtschaftskommission für Europa – einer Unterorganisation des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen UN/ECOSOC – verabschiedet, die vom 23. bis zum 25. Juni 1998 im dänischen Aarhus stattfand. 28 Die Aarhus-Konvention wurde bis heute von 39 Staaten sowie von der EG unterzeichnet und von 40 Staaten ratifiziert oder anderweitig anerkannt. Vgl. die Auflistung aller Vertragsparteien der Konvention unter http://www.unece.org/env/pp/ ctreaty.htm, letzter Aufruf am 18.5.2009. Die BRD unterzeichnete das Übereinkommen am 21.12.1998 als einer der letzten Staaten und ratifizierte es am 15.1.2007. Ratifikation bedeutet die Hinterlegung einer Urkunde, der in der Regel ein innerstaatliches Zustimmungsverfahren vorausgeht, denn um innerstaatliche Bindungen zu entfalten, bedarf die Aarhus-Konvention als völkerrechtlicher Vertrag nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG einer Geltungsanordnung des innerstaatlichen Rechts. Diese Zustimmung erfolgte im Fall der Aarhus-Konvention durch Art. 1 des Aarhus-Vertragsgesetzes. Zum Verhältnis des Völkerrechts zum innerstaatlichen Recht sowie zum grundsätzlichen Antagonismus zwischen dualistischen und monistischen Theorien Hobe, Völkerrecht, S. 231 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 71 ff.; Kunig in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rn. 28 ff. Überblick

II. § 4 UmwRG

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treten am 30. Oktober 2001 ist die Aarhus-Konvention für die Vertragsparteien völkerrechtlich verbindlich.29 Damit sind die Vertragsparteien verpflichtet, die Aarhus-Konvention in innerstaatliches Recht umzusetzen.30 Die Bundesrepublik Deutschland hat die Aarhus-Konvention am 21. Dezember 1998 unterzeichnet und nach dem Erlass verschiedener Umsetzungsgesetze am 15. Januar 2007 ratifiziert.31 Die bei der Umsetzung in deutsches Recht ebenfalls zu beachtenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben resultieren daraus, dass auch die EG Vertragspartei der Aarhus-Konvention ist32 und daher Richtlinien zur Umsetzung des Übereinkommens erlassen hat.33 Im Mittelpunkt der die Umsetzung in Deutschland begleitenden Diskussion standen besonders Fragen der in Art. 9 AK geregelten Verpflichtung, Umweltverbänden und natürlichen Personen weitreichenden Zugang zu behördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahren in Umweltangelegenheiten zu eröffnen.34 Nach Art. 9 Abs. 2 AK müssen die Vertragsparteien dabei die gerichtliche Kontrolle umweltrechtlicher Entscheidungen hinsichtlich ihrer materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen über die Regelungen der Aarhus-Konvention bei Almeling, Aarhus-Konvention, S. 29 ff. 29 Zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Graf Vitzthum in: ders., Völkerrecht, 1. Abschnitt, Rn. 118; Hobe, Völkerrecht, S. 218 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 716 ff.; Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 10 Rn. 29. Zum Grad der rechtlichen Verbindlichkeit der Aarhus-Konvention Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 249 ff. Ferner Butt, Umweltinformation, S. 112; Schink, EurUP 2003, 27. 30 Vgl. Art. 3 Abs. 1 AK. Auch wenn den Vertragsparteien die Wahl der Umsetzungsmodalitäten überlassen bleibt, besteht jedenfalls ein völkerrechtlicher Primäranspruch auf Erfüllung der Umsetzungspflicht. Vgl. Kunig in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rn. 44. 31 Vgl. http://www.unece.org/env/pp/ctreaty.htm, letzter Aufruf am 18.5.2009. 32 Die EG hat die Aarhus-Konvention am 25. Juni 1998 unterzeichnet und am 17. Februar 2005 ratifiziert. Vgl. http://www.unece.org/env/pp/ctreaty.htm, letzter Aufruf am 18.5.2009. Zur Verpflichtung der EG, durch den Erlass entsprechender Rechtsakte für die Umsetzung der Aarhus-Konvention in den Mitgliedstaaten zu sorgen, Epiney, ZUR 2003, 176, 182. 33 Zur Umsetzung dieser Richtlinien ist Deutschland als Mitgliedstaat der EG unabhängig von der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Aarhus-Konvention selbst verpflichtet, vgl. Art. 10 EG; so auch Schink, EurUP 2003, 27, 28; Butt, Umweltinformation, S. 113. Bei den Richtlinien zur Umsetzung der Aarhus-Konvention handelt es sich im Wesentlichen um die Umweltinformations-RL 2003/4/EG, die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL 2003/35/EG sowie die noch im Entwurf vorliegende Klagerechtsrichtlinie KOM (2003) 624 endg. 34 Die Befugnis des Bundes zur Umsetzung der dritten Säule der Aarhus-Konvention ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, der dem Bund die Kompetenz zur Regelung des gerichtlichen Verfahrens zuschreibt. Vgl. von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 278.

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1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

Rechtmäßigkeit gewährleisten. Diese ausdrückliche Forderung nach gerichtlicher Kontrolle des Verfahrens wirft die – im Weiteren noch zu klärende – Frage auf, ob sich aus Art. 9 Abs. 2 AK die Vorgabe einer strengen Sanktionierung von Verfahrensfehlern im Umweltrecht, regelmäßig durch Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen, ableiten lässt.35 In Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK sowie seiner gemeinschaftsrechtlich ergangenen Umsetzungsakte36 bestimmt daher § 4 UmwRG37, dass die Aufhebung bestimmter umweltrechtlicher Entscheidungen verlangt werden kann, wenn eine erforderliche UVP oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit38 nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist.39 Damit normiert die Vorschrift für Verstöße gegen die UVP-Pflicht eine Abweichung von der grundsätzlich geltenden Regelung des allgemeinen Verwaltungsrechts in § 46 VwVfG40.41 Danach kann die 35 Zur Bedeutung und Auslegung des Art. 9 Abs. 2 AK im 5. Kapitel unter II. Zu den von Art. 9 Abs. 2 AK aufgeworfenen Problemen exemplarisch Lecheler, GewArch 51 (2005), 305; Ekardt, NuR 2006, 221; Alleweldt, DÖV 2006, 621; Ziekow, NVwZ 2007, 259; Ewer, NVwZ 2007, 267; Kment, NVwZ 2007, 274. 36 Art. 9 Abs. 2 AK wird in erster Linie von der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL umgesetzt, die wichtige Vorschriften der UVP-RL 85/337/EWG und der IVU-RL 96/61/EG ändert. 37 Vgl. dazu Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264 ff.; Radespiel, EurUP 2007, 118, 119; Schwertner, EurUP 2007, 124, 127. Ferner Schlacke, NuR 2007, 8. 38 Die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP ergibt sich aus § 3a UVPG i. V. m. der Anlage 1 des UVPG, die Verpflichtung zur Durchführung einer Vorprüfung des Einzelfalls aus § 3c UVPG i. V. m. der Anlage 1 des UVPG. Das UVPG wurde erlassen zur Umsetzung der UVP-RL. 39 Diese Regelung gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG auch bei Klagen von Individualklägern. Zudem bleibt nach § 4 Abs. 1 S. 2 UmwRG die Möglichkeit der Heilung des Fehlers und der Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens zu diesem Zweck unberührt. Zum Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler nach dem UmwRG Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264 ff.; Radespiel, EurUP 2007, 118, 119; Schwertner, EurUP 2007, 124, 127. Auch das für 2009 geplante Umweltgesetzbuch enthält in seinem aktuell vorliegenden Referentenentwurf (UGB 2009) vom 19.11.2007 in § 43 eine Regelung zur Behandlung von Fehlern bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften, die bis auf die redaktionellen Verweisungen und die zusätzliche Bezugnahme auf die §§ 80 bis 83 UGB wörtlich § 4 UmwRG entspricht. Vgl. die Begründung des Bundesumweltministeriums zum Referentenentwurf vom 19.11.2007, S. 93, im Internet unter http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ugb1_allgem_ vorschriften_begruendung.pdf; der Referentenentwurf selbst findet sich im Internet unter http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ugb1_allgem_vor schriften.pdf, letzter Aufruf jeweils am 18.5.2009. 40 Die Arbeit bezieht sich der Einfachheit halber auf § 46 VwVfG des Bundes. Dies ist trotz der nach § 1 Abs. 3 VwVfG grundsätzlich vorrangigen Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder vertretbar, da diese inhaltlich oder wörtlich dem VwVfG des Bundes entsprechen. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Einf. Rn. 6, § 1 Rn. 1; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 4; Wolff/

II. § 4 UmwRG

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Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Auch nach der Rechtsprechung des BVerwG führen Verfahrensfehler nur dann zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn der Fehler für die Entscheidung kausal gewesen ist, wenn also nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde ohne den Fehler eine andere Entscheidung getroffen hätte (so genannte Kausalitätsrechtsprechung).42 Solange von einem materiell richtigen Ergebnis auszugehen ist, werden Verfahrensfehler im deutschen Verwaltungsrecht somit grundsätzlich als weitgehend unbeachtlich hingenommen43 und nur selten sanktioniert.44 Verlangt Art. 9 Abs. 2 AK aber – wie zu zeigen sein wird – die regelmäßige Sanktionierung von Verfahrensverstößen, widerspricht die Behandlung von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG und nach dessen Anwendung durch die Gerichte den Anforderungen der Aarhus-Konvention.45 Die Anpassung der Rechtslage in Deutschland an die Aarhus-Konvention und ihre gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte erfordert daher jedenfalls eine Modifikation des § 46 VwVfG und führt somit zu Veränderungen im allgemeinen Verwaltungsrecht, vorerst beschränkt auf den Bereich des UmBachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 4 f.; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 9. Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der VwVfGe von Bund und Ländern Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 60 ff. 41 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 9. Die Abweichung von § 46 VwVfG für Verstöße gegen UVP-Vorschriften wird vorgeschlagen bei Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5c. 42 So die Formulierung in BVerwGE 100, 238, 250, 252. Vgl. ferner BVerwGE 100, 370, 379; 75, 214, 228; 69, 256, 270. Aus neuerer Zeit BVerwGE 122, 207, 213. Zur konkreten Möglichkeit einer anderen Entscheidung BVerwGE 106, 81; BVerwG NVwZ 1996, 1011; BVerwG NVwZ 1997, 994; BVerwG NVwZ 1999, 67. 43 Vgl. Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 336 f. 44 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5. Der Begriff der Sanktionierung meint die gerichtlichen und verwaltungsinternen Aufhebungsmöglichkeiten verfahrensfehlerhafter Entscheidungen, während der Begriff der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern eine Rechtsregel bezeichnet, die eine Ausnahme von der – regulären – Sanktionierung normiert und daher als Relativierung der Verfahrensfehlerfolgen bezeichnet werden kann. So die Definitionen bei Hufen, Fehler, Rn. 495, 498. Siehe auch Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 697. 45 Zur Unvereinbarkeit der an der Unbeachtlichkeitsvorschrift des § 46 VwVfG ansetzenden kausalitätsorientierten deutschen Verfahrensfehlerlehre mit Art. 9 Abs. 2 AK u. a. Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Ekardt, NVwZ 2006, 55; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58; Schlacke, NuR 2004, 629, 632; dies., ZUR 2004, 129; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266. Im Hinblick auf die Kausalitätsrechtsprechung ferner Feldmann in: Rengeling, EUDUR, § 34 Rn. 165; Schink, EurUP 2003, 27, 36.

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1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

weltrechts.46 Die Ausnahmeregelung des § 4 UmwRG scheint also zu Recht ergangen zu sein. Da allerdings fraglich ist, ob die Vorschrift den Anforderungen der Aarhus-Konvention und des zu ihrer Umsetzung erlassenen Gemeinschaftsrechts genügt,47 bleibt trotz der Regelung des § 4 UmwRG die Frage offen, welche konkreten Anforderungen Art. 9 Abs. 2 AK und seine gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte an das deutsche Recht stellen. Welche Auswirkungen Art. 9 Abs. 2 AK infolgedessen auf die Verfahrensfehlerlehre im deutschen Recht zeitigt, kann nur vor dem Hintergrund der nationalen Rechtslage ermittelt und bewertet werden, in die das Übereinkommen umgesetzt wurde.48

III. Die bisherige Rechtslage im deutschen Recht Die von der Aarhus-Konvention ausgehenden Einwirkungen treffen im deutschen Recht auf eine sowohl in den Grundzügen als auch in den Einzelheiten höchst umstrittene Verfahrensfehlerdogmatik. In der gesetzlich angeordneten weitgehenden Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern für die Aufhebungsentscheidung tritt die Annahme einer dienenden Funktion des Verfahrensrechts zutage, die die korrekte Einhaltung der Verfahrensgarantien als wenig erheblich für die Richtigkeit einer Verwaltungsentscheidung ansieht.49 Eine auf die materielle Richtigkeit ausgerichtete deutsche Rechtstradition, die sich insbesondere in der Rechtsprechung des BVerwG zeigt, vernachlässigt damit die dagegen in weiten Teilen der Verwaltungsrechtslehre formulierte grundlegende Einsicht in die Interdependenz zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht und in die zentrale Bedeutung des Verfahrensrechts für die Verwirklichung und Konkretisierung des materiellen Rechts.50 Diese 46

Ebenso Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 14. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 75 Rn. 56. Zweifel an der Europarechtskonformität des UmwRG bei Kment, NVwZ 2007, 274, 277 f.; Schlacke, NuR 2007, 8, 13 ff.; dies., ZUR 2009, 80, 82; Radespiel, EurUP 2007, 118, 122; Schmidt/Kremer, ZUR 2007, 57, 62; siehe ferner Ewer, NVwZ 2007, 267, 274; Schwertner, EurUP 2007, 124, 126. 48 Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 118; Epiney/Scheyli, Umweltvölkerrecht, S. 177; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 249. Ähnlich Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 316. 49 Begriff der dienenden Funktion des Verfahrens bei Sachs in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 10; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 9; Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 14; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 1 Rn. 38. Vgl. ferner Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 270; Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41. Kritik an der fehlenden rechtlichen Differenziertheit dieser Formel bei Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 24 in Fn. 18. 50 So wird der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ein Defizit verfahrensrechtlichen Denkens vorgeworfen (vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 47

III. Die bisherige Rechtslage im deutschen Recht

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„Entwertung der Verfahrensgarantien“51 durch § 46 VwVfG führt zu großen dogmatischen Problemen, die sich insbesondere im Bereich des Umweltrechts zeigen. Umweltrechtliche Rechtsakte ergehen häufig in Form von Genehmigungs- oder Zulassungsentscheidungen über Vorhaben oder Tätigkeiten, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Beispiele solcher umweltrelevanter Vorhaben sind der Bau und Ausbau von Verkehrswegen, der Betrieb von größeren Anlagen der chemischen sowie der metall- und mineralverarbeitenden Industrie, von Abfallverwertungs- und -beseitigungsanlagen sowie Anlagen zur Behandlung von Abwasser, der Betrieb von Erdöl- und Erdgasförderanlagen, Raffinerien, Steinbrüchen und Tagebau, von Kraftwerken und von Anlagen zum Transport von Energie und Rohstoffen sowie der Betrieb von größeren Anlagen zur Tierhaltung.52 Es ist geradezu ein Charakteristikum solcher umweltrelevanter Entscheidungen, dass hierbei das Interesse des Einzelnen an wirtschaftlicher Betätigung und damit verbunden das Interesse der Allgemeinheit an wirtschaftlicher Entwicklung oder, bei staatlich initiierten Projekten, das Interesse des Staates an der Sicherung von Infrastruktur mit dem Interesse Einzelner oder ganzer Bevölkerungsgruppen an einer intakten Umwelt sowie dem Schutz der menschlichen Gesundheit vor schädigenden Umwelteinflüssen kollidieren. Außerdem sind umweltrechtliche Entscheidungen von unsicheren Tatsachengrundlagen, notwendigen Prognosen und komplexen multipolaren Interessenlagen gekennzeichnet, die von der Behörde in der Regel umfangrei21, 41 f., 51; Steinberg, DÖV 1996, 221, 231; ferner Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 23 f.; Wegener, ZUR 1996, 324, 325; Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 288), da das BVerwG auf der Richtigkeitsgewähr des materiellen Rechts beharre, obwohl auch von Seiten des BVerfG mehrmals die richtigkeitssichernde Funktion des Verfahrens herausgestellt wurde; beispielhaft BVerfGE 53, 30, 65 (Mühlheim-Kärlich); dazu Redeker, NJW 1980, 1593. Diese Diskrepanz zwischen verfassungsrechtlicher Wertschätzung und einfachrechtlichem Nachrang des Verwaltungsverfahrens gegenüber dem materiellen Recht bezeichnet Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 42, als „gespaltene[s] Wertebewusstsein“ der deutschen Verwaltungskultur. Vgl. schon die Kritik bei Rupp in: FS Bachof, S. 151, 163. Dieser bezeichnet auf S. 164 die Unerheblichkeit von Verfahrensverstößen für die Richtigkeit der inhaltlichen Entscheidung als „[. . .] eigenartig theorie- und praxisferne Grundthese“. Zur materiellen Richtigkeit als Maßstab behördlichen Handelns Goerlich, Grundrechte, S. 343 f. 51 So Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 4; ähnlich Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 36. 52 So die Aufzählung der Vorhaben, die nach Art. 6 Abs. 1 AK erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, in Anhang I der Aarhus-Konvention. Vergleichbare Auflistungen umweltrelevanter Vorhaben finden sich in Anlage 1 des UVPG sowie in den Anhängen I und II der UVP-RL, die jeweils eine Aufzählung aller Vorhaben enthalten, die unter die UVP-Pflicht fallen.

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1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

che Wertungen und Abwägungen über Nutzen und Risiken des infrage stehenden Vorhabens und somit über teilweise noch in der Zukunft liegende Ereignisse erfordern.53 Das Ergebnis einer solchen Entscheidung ist aufgrund der Vielzahl an Faktoren, aus denen sich die Entscheidung zusammensetzt, kaum vorhersehbar und kann daher immer weniger vollständig gesetzlich determiniert werden.54 Es ist daher zweifelhaft, ob die widerstreitenden Interessen und komplexen Probleme des Umweltrechts allein durch materielle Regelungen überhaupt noch sinnvoll zu einem von den Beteiligten auch akzeptierten Ausgleich gebracht werden können. Zu überlegen ist vielmehr, ob eine umweltrechtliche Entscheidung ihre Richtigkeit und Akzeptanz nicht eher durch die Einhaltung von Verfahrensregelungen gewinnen kann, die die vollständige Ermittlung der notwendigen Daten und Informationen sichern, die Beteiligung von Behörden, Betroffenen und Verbänden koordinieren und durch zeitliche Vorgaben den Entscheidungsverlauf strukturieren. Eine Entwicklung in Richtung eines solchen prozeduralen Umweltrechts geht gegenwärtig vor allem vom europäischen Gemeinschaftsrecht aus, das dem korrekten Verfahren als Garant für die materielle Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses einen hohen Stellenwert einräumt und insbesondere im Umweltrecht die Entscheidungsrichtigkeit zunehmend durch verfahrensrechtliche Instrumente zu sichern sucht.55 Entsprechend der gemeinschaftsrechtlichen Bedeutung des Verfahrensrechts wird dessen Einhaltung vom EuGH strikt kontrolliert.56 Dagegen erfordert im deutschen Recht das bei der gerichtlichen Kontrolle von Verfahrensfehlern angewendete Merkmal der Kausalität eine Beurteilung des behördlichen Verhaltens für den Fall eines fehlerfreien Verfahrens,57 so dass die Gerichte ohne Durchführung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens eine hypothetische Entscheidung über das Ergebnis des von der Verwaltung durchzuführenden Entscheidungsprozesses treffen.58 Eine derartige Ersetzung der Verwaltungsentscheidung durch die nachvollziehende Gerichtsentscheidung ist allerdings problematisch, da nicht sicher ist, ob und inwieweit die Gerichte die komplexen, teilweise hochtech53 Zu der das Umweltrecht prägenden Unsicherheit hinsichtlich der Ermittlung und Berechenbarkeit der Datengrundlagen sowie der Kausalzusammenhänge und Wechselwirkungen und den daraus folgenden rechtlichen Problemen von Verantwortlichkeit und Risikoabschätzung Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 6 ff. 54 Vgl. Steinberg, ZUR 1999, 126: Die Unbestimmtheit der Umweltgesetze sei ein wesentliches Merkmal des Umweltrechts. 55 Vgl. Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134 f.; Hufen, JuS 1999, 313, 314 f. Hinsichtlich des Umweltrechts kritisch dazu Kloepfer, NVwZ 2002, 645, 652. 56 Vgl. Schoch, VBlBW 1999, 241, 249. 57 Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 83; Hufen, Fehler, Rn. 629. 58 Vgl. Wegener, ZUR 1996, 324, 325 f.

III. Die bisherige Rechtslage im deutschen Recht

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nischen umweltrechtlichen Verwaltungsentscheidungen im Gerichtsverfahren nachträglich rekonstruieren können.59 Der Zusammenhang zwischen der Bedeutung des Verfahrensrechts und seiner Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte wirft die Frage nach der generellen Kontrollkompetenz der Gerichte hinsichtlich umweltrechtlicher Entscheidungen auf. Der Umfang der gerichtlichen Kontrolldichte in Bezug auf die Verfahrensrechtmäßigkeit steht dabei in wechselseitiger Beziehung zu der Befugnis der Gerichte zur Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen in materieller Hinsicht.60 Die Verfahrensfehlerlehre kann folglich als kompetentielles Kontrollproblem verstanden werden, dem eine wesentliche Aussage über das Verhältnis der gerichtlichen Kontrolle zur Erstentscheidungsbefugnis der Verwaltung zu entnehmen ist.61 Beispielsweise führte nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG eine fehlende oder fehlerhaft durchgeführte UVP kaum zur Aufhebung der Entscheidung.62 Gerade die UVP aber ist das zentrale umweltrechtliche Verfahrensinstrument der Behörde zur Ermittlung und Bewertung aller für die Entscheidung erforderlichen Informationen und Tatsachen, so dass die Gerichte im Grunde ohne die korrekte Durchführung eines UVP-Verfahrens nicht entscheiden können, ob die Entscheidung bei Vermeidung des Verfahrensfehlers genau so ausgefallen wäre. Die als Ausnahme zu § 46 VwVfG in § 4 UmwRG angeordnete Aufhebung der Entscheidung bei Verstößen gegen UVP-Recht ist daher auf den ersten Blick konsequent. Es scheint also, als sei mit Erlass des UmwRG den Anforderungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts Genüge getan, insbesondere, weil § 4 UmwRG auch der Forderung nach einer Modifikation der 59 Epiney/Sollberger, Zugang, S. 88. Problematisch ist auch, ob die Vorstellung der Ersetzbarkeit des Verwaltungsverfahrens durch das Gerichtsverfahren mit Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie mit dem Gewaltenteilungsprinzip zu vereinbaren ist. Vgl. die Kritik bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 307 f. 60 Der Begriff der Kontrolldichte bezeichnet die Abgrenzung der Verantwortungsund Zuständigkeitsbereiche von Verwaltung einerseits und Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits. Vgl. Ossenbühl in: FS Redeker, S. 55, 56. Zur gerichtlichen Kontrolldichte auch Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9, 28 ff. 61 So zum Beispiel Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 116; Krebs, Kontrolle, S. 80; ders., DVBl 1984, 109, 112; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 176; SchmidtAßmann, VVDStRL 34 (1976), 221, 251. 62 In BVerwGE 100, 238, 250, 252, „A 60“, geht das BVerwG davon aus, dass Fehler bei der Durchführung einer UVP oder das Fehlen einer UVP grundsätzlich unbeachtlich sind, wenn nicht die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde bei korrekter Durchführung der UVP eine andere Entscheidung getroffen hätte. Ebenso BVerwGE 100, 370, 379, „Eschenrieder Spange“, sowie BVerwGE 122, 207, 209. Anders dagegen die Vorinstanz zu BVerwGE 100, 238, OVG Koblenz, NVwZ 1995, 1025. Siehe dazu Wegener, ZUR 1996, 324, 325.

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1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG vor allem in Bezug auf die bisher fehlende Sanktionierung von Fehlern bei der UVP mehr Gewicht verleiht.63 Allerdings wirft die weder in Art. 9 Abs. 2 AK noch in den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien zur Umsetzung der Aarhus-Konvention vorgesehene Beschränkung der neuen Regelung auf den Fall der vollständig fehlenden UVP im Hinblick auf die generelle Bedeutung des Verfahrensrechts in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren die Frage auf, ob die Regelung des § 4 UmwRG zur Umsetzung der Aarhus-Konvention sowie der in Umsetzung der Aarhus-Konvention ergangenen Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL ausreicht. Zweifelhaft bleibt auch, ob die Vorschrift die mit der Anwendung des § 46 VwVfG im Umweltrecht verbundenen Probleme zu beseitigen vermag, da eine auf diese Weise punktuell ansetzende Regelung kaum zu einer sinnvollen verwaltungsrechtlichen Systembildung beitragen können wird.

IV. Ziel und Verlauf der Untersuchung Aus diesen Gründen will die vorliegende Arbeit ermitteln, ob die Besonderheiten umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren eine Neubestimmung der Grenzen gerichtlicher Kontrolle im Hinblick auf Verfahrensfehler im Umweltrecht erfordern. Gründe für diese Annahme sind dabei zum einen in den von der Aarhus-Konvention und vom Gemeinschaftsrecht ausgehenden Veränderungen, zum anderen in der Dogmatik des deutschen Umwelt- und Verwaltungsrechts selbst zu suchen. Darum ist zunächst zu prüfen, auf welche Rechtslage hinsichtlich der Behandlung von Verfahrensfehlern im deutschen Verwaltungsrecht die Aarhus-Konvention und die zur ihrer Umsetzung ergangene Vorschrift des § 4 UmwRG treffen. Dazu wird im 2. Kapitel eine systematische Darstellung der sowohl in § 46 VwVfG gesetzlich angeordneten als auch in der verwaltungsgerichtlichen Kausalitätsrechtsprechung entwickelten Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Hinblick auf die Aufhebung der Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgenommen.64 Davon ausgehend soll in den Kapiteln 3 und 4 ermit63 Vgl. Feldmann in: Rengeling, EUDUR, § 34 Rn. 165. Rechtsprechung bezüglich der europäischen und nationalen Umsetzungsakte der Aarhus-Konvention bleibt abzuwarten. Erste Entscheidungen zur Umweltinformations-RL sind VGH Kassel, Beschluss vom 4.1.2006 – 12 Q 2828/05, NVwZ 2006, 1081 sowie Beschluss vom 16.3.2006 – 12 Q 590/06, NVwZ 2006, 951. Das erste Urteil zu Verfahrensfehlern nach der Aarhus-Konvention erging mit OVG Münster, NuR 2006; mit dem neuen § 4 UmwRG setzen sich als eine der ersten Gerichte auseinander VGH Kassel, Urteil vom 24.9.2008 – 6 C 1600/07.T, ZUR 2009, 87; OVG-Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.9.2008 – 2 M 146/08, UPR 2009, 199 (LS). Weitere Rechtsprechung zum neuen UmwRG bei Schlacke, ZUR 2009, 80, 81. 64 Dieser Bereich wird als der repressive Teil der Verfahrensfehlerlehre bezeichnet, im Unterschied zum präventiven Teil, der die isolierte Geltendmachung von

IV. Ziel und Verlauf der Untersuchung

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telt werden, welche Konsequenzen diese Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern für den Stellenwert des Verwaltungsverfahrens sowie für die gerichtliche Kontrolle umweltrechtlicher Entscheidungen zeitigt. Im Anschluss daran wird herausgearbeitet, welche konkreten Verpflichtungen für das deutsche Recht aus der Aarhus-Konvention und den zu ihrer Umsetzung ergangenen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts resultieren. Dazu werden in den Kapiteln 5 und 6 die Vorschriften des Art. 9 Abs. 2 AK sowie der in Umsetzung der Aarhus-Konvention in die UVP-RL und die IVU-RL eingefügten Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL daraufhin ausgelegt, ob diese Vorschriften Vorgaben hinsichtlich der Sanktionierung von Verfahrensfehlern enthalten. Dabei ist zu erwarten, dass die verfahrensrechtliche Ausprägung der Aarhus-Konvention eine den Erfordernissen des Umweltrechts angepasste gerichtliche Kontrolle fordert, die die Funktion des Verfahrens im Umweltrecht stärker berücksichtigt und im Sinne der Gewaltenteilung sowohl der Kontrollfunktion der Judikative als auch der Entscheidungsfunktion der Exekutive gerecht wird. Ausgehend von den bis dahin gewonnenen Erkenntnissen wird in Kapitel 7 herausgearbeitet, welche konkreten Vorgaben an eine Behandlung von Verfahrensfehlern zu stellen sind, die sowohl den Ansprüchen der AarhusKonvention und des Gemeinschaftsrechts als auch den Anforderungen gerecht wird, die das deutsche Recht selbst an die Behandlung von Verfahrensfehlern im Umweltrecht stellt. Kapitel 8 behandelt daran anschließend die Frage, ob die Umsetzung der völker- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch § 4 UmwRG den zuvor entwickelten Vorgaben entspricht. Dabei ist neben der Europa- und Völkerrechtskonformität des § 4 UmwRG auch zu untersuchen, ob die gesetzliche Verortung der Ausnahmeregelung in einem umweltrechtlichen Spezialgesetz die kohärente, gemeinschaftsrechtsfreundliche und systematische Fortentwicklung der Verfahrensfehlerlehre gewährleisten kann, zu der die völker- und gemeinschaftsrechtlichen Impulse das deutsche Verwaltungs- und Umweltrecht auffordern. Wie bereits erwähnt, ist zu vermuten, dass § 4 UmwRG im Hinblick auf die Anforderungen an eine allgemein strengere Sanktionierung von Verfahrensfehlern im Umweltrecht in mehrfacher Hinsicht ungenügend ist. Insbesondere ist anzunehmen, dass die aufgrund der innovativen Rolle des Referenzgebiets Umweltrecht zu erwartende Ausstrahlungswirkung der anstehenden umweltrechtlichen Entwicklungen in das allgemeine Verwaltungsrecht eine generelle, systematische Neuordnung der Verfahrensfehlerlehre im allgemeinen Verwaltungsrecht erfordert, da nur so eine systematische Steuerung und Fortentwicklung des allgemeinen Verwaltungsrechts – auch und gerade im Verfahrensfehlern betrifft. Vgl. Schmidt-Aßmann in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 213; Bülow, Relativierung, S. 23.

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1. Kap.: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts

Hinblick auf die harmonische und einheitliche Aufnahme europäischer Rechtsgedanken65 – gewährleistet werden kann.66 Daher wird in Kapitel 9 schließlich nach Möglichkeiten gesucht, § 46 VwVfG selbst für den Bereich des Umweltrechts so zu modifizieren, dass die Vorschrift den spezifischen umweltrechtlichen Anforderungen an die gerichtliche Verfahrenskontrolle gerecht wird. Zu denken ist dabei zum einen an eine veränderte, engere Auslegung der Norm, zum anderen aber auch an eine ausdrückliche Gesetzesänderung für den Bereich des Umweltrechts. Zu prüfen wird dabei sein, ob ein Tatbestandsmerkmal gefunden werden kann, das die Auslegung und Anwendung des § 46 VwVfG im Umweltrecht an die Forderungen der Aarhus-Konvention und an die Spezifika umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren anzupassen vermag. Das 10. Kapitel bietet zuletzt einen zusammenfassenden Überblick über die untersuchten Probleme und die vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Begründung der vielfach vertretenen Annahme, Verfahrensfehler müssten im Umweltrecht stärker sanktioniert werden.67 Eine wesentliche Stütze findet diese These neben den Einwirkungen der Aarhus-Konvention und des europäischen Gemeinschaftsrechts in den bestehenden Zweifeln daran, dass die nachvollziehende gerichtliche Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen im Umweltrecht bei der Prüfung der Kausalität von Verfahrensfehlern sowohl der Komplexität der kontrollierten Entscheidungen als auch, damit einhergehend, der notwendig begrenzten Fähigkeit der Gerichte, diese zu kontrollieren, Rechnung tragen kann. Wichtiger als die Frage, wie im technisch hochkomplexen Bereich des Umweltrechts Sicherheit erreicht werden kann, ist schließlich die Überlegung, wie eine Rechtsordnung mit Unsicherheit rechtlich umgeht. Es ist daher anzunehmen, dass die richtigkeitssichernde Funktion des Verfahrens65 Werden die Strukturen des deutschen Rechts nicht ausreichend flexibel zur Aufnahme der europäischen Rechtsgedanken ausgestaltet, kann die fortschreitende Beeinflussung durch Gemeinschaftsrecht zu Brüchen in der Rechtsordnung führen. Vgl. Classen, Europäisierung, S. 3, 8. 66 Zur Fortentwicklung des allgemeinen Verwaltungsrechts P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 30 ff. 67 Siehe unter anderem Schink, EurUP 2003, 27, 36; Bunge, ZUR 2004, 141, 146; Louis, NuR 2004, 287, 290; Schlacke, NuR 2004, 629, 632; dies., ZUR 2004, 129; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Ekardt, NVwZ 2006, 55 f.; ders., NuR 2006, 221, 228; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58. Für eine weitgehende Beachtlichkeit von Verstößen gegen die UVP bereits Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 379; Hufen, Fehler, Rn. 7 f.; Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 286; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 48; Feldmann in: Rengeling, EUDUR, § 34 Rn. 165. Für die weitere Anwendung der Kausalitätsrechtsprechung auf die UVP dagegen Siems, NuR 2006, 359, 362; Hien, NVwZ 1997, 422, 424.

IV. Ziel und Verlauf der Untersuchung

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rechts in komplexen umweltrechtlichen Entscheidungen eine Neubestimmung der Grenzen der gerichtlichen Kontrolle bei der Überprüfung der Verfahrensrechtmäßigkeit notwendig macht.68 Bei der Prüfung dieser These ist der Einsicht zu gedenken, dass – in den Worten Ossenbühls – „[. . .] sich Lösungen nicht in dauerhaften Erkenntnissen, sondern vielmehr in stets neu zu bestimmenden Grenzorientierungen kristallisieren“.69

68 So auch Schoch, VBlBW 2000, 41, 43. Vgl. ferner auch Di Fabio in: Blümel/ Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 199, 206 f. 69 So Ossenbühl in: FS Redeker, S. 55, 56, im Hinblick auf die Bestimmung der gerichtlichen Kontrolldichte. Vgl. ferner Schmidt-Aßmann in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 56 f.

2. Kapitel

Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht I. Die Verfahrensfehlerlehre bis zum Erlass des § 4 UmwRG § 4 UmwRG bestimmt, dass bei einer unterlassenen UVP oder einer unterlassenen Vorprüfung des Einzelfalls die verfahrensfehlerhafte Entscheidung abweichend von § 46 VwVfG aufzuheben ist. Die Vorschrift greift als Ausnahmeregelung zu § 46 VwVfG somit in das komplizierte Gefüge der Verfahrensfehlerlehre im deutschen Recht ein. Um feststellen zu können, ob die Neuregelung erforderlich und sinnvoll ist, sind zwei Überlegungen notwendig: Zum einen muss ermittelt werden, welche Anforderungen die Aarhus-Konvention und ihre gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte tatsächlich an das deutsche Recht stellen, da nur so beurteilt werden kann, ob § 4 UmwRG den völker- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspricht. Zum anderen muss untersucht werden, wie die Verfahrensfehlerlehre im deutschen Verwaltungs- und Umweltrecht ausgestaltet ist, um eine Aussage darüber treffen zu können, wie die Neuregelung sich in die Systematik des Verwaltungsverfahrensrechts eingliedert. Bevor die Arbeit in den Kapiteln 5 und 6 die Anforderungen der AarhusKonvention und des Gemeinschaftsrechts untersucht, wird im Folgenden daher zunächst dargestellt, wie Fehler im Verwaltungsverfahren1 im deutschen Recht behandelt werden.2 Ziel der Darstellung ist es zu ermitteln, welche Aussagen der Verfahrensfehlerlehre zum einen über die Bedeutung des Verfahrens im deutschen Verwaltungsrecht und insbesondere im Umweltrecht sowie zum anderen über das Verhältnis von Verwaltungsverfahren und ge1 Der Begriff des Verfahrensfehlers wird in der vorliegenden Untersuchung in Abgrenzung zu inhaltlichen Fehlern verwendet und umfasst daher auch Form- und Zuständigkeitsfehler. Vgl. Bettermann in: FS Ipsen, S. 271 f. 2 Zur Behandlung von Verfahrensfehlern grundlegend Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 2002; Gerhardt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 413; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695; Czajka in: Czajka/Hansmann/ Rebentisch, 25 Jahre BImSchG, S. 507; Breuer in: FS Sendler, S. 357; Bettermann in: FS Ipsen, S. 271; systembildend Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986.

I. Die Verfahrensfehlerlehre bis zum Erlass des § 4 UmwRG

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richtlicher Verfahrenskontrolle entnommen werden kann. Dabei interessieren im Rahmen der vorliegenden Arbeit insbesondere die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern in umweltrechtlichen Verwaltungsverfahren nach § 46 VwVfG und die Frage, wie das BVerwG mit der Unbeachtlichkeit derartiger Verfahrensfehler umgeht. Das allgemeine Verwaltungsrecht regelt die Folgen von Verfahrensfehlern in den §§ 45, 46 VwVfG.3 § 45 VwVfG legt fest, dass bestimmte Verfahrens- oder Formfehler durch Nachholung der entsprechenden Verfahrenshandlung bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden können.4 Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.5 Ergänzend bestimmt § 44a VwGO, dass Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können.6 Ihre gegenwärtige Fassung erhielten die §§ 45, 46 VwVfG im Zuge der so genannten Beschleunigungsgesetzgebung.7 § 46 VwVfG soll demzufolge auch der Förderung von Ver3 Weitere spezialgesetzliche Fehlerfolgenregelungen für Verfahren des besonderen Verwaltungsrechts sind zum Beispiel §§ 214 ff. BauGB und §§ 41, 42 SGB X. Vgl. ferner § 75 Abs. 1a VwVfG für Abwägungsmängel im Planfeststellungsverfahren. Zum Verhältnis der §§ 45, 46 VwVfG Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 11; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 14, 39; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 151; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 23; OVG Münster, NVwZ-RR 1995, 314. 4 Vgl. zu § 45 VwVfG die Kommentierungen bei Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45; Meyer in: Knack, VwVfG, § 45; ferner Hufen, Fehler, Rn. 595 ff.; Hatje, DÖV 1997, 477; sowie die grundlegende Untersuchung von Martin, Heilung von Verfahrensfehlern im Verwaltungsverfahren, 2004, S. 23 ff. 5 Vgl. zu § 46 VwVfG Hufen, Fehler, Rn. 625 ff.; Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 149 ff. Zu § 46 VwVfG in seiner alten Fassung Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 100 ff.; Hufen, NJW 1982, 2160, 2166. Parallelvorschriften zu § 46 VwVfG sind § 127 AO und § 42 SGB X. Die Notwendigkeit dieser Parallelvorschriften ergibt sich daraus, dass aufgrund der verfahrensrechtlichen Besonderheiten im Bereich der Finanz- und der Sozialverwaltung diese beiden Sachgebiete nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 4 VwVfG vom Anwendungsbereich des VwVfG ausgenommen wurden. Vgl. P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 68. 6 Zu § 44a VwGO grundlegend Eichberger, Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen: Ein Beitrag zur Dogmatik, Auslegung und Verfassungsmäßigkeit des § 44a VwGO, 1986. Siehe ferner die Kommentierungen bei Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a; Geiger in: Eyermann, VwGO, § 44a. Kritik an § 44a VwGO bei Hufen, Fehler, Rn. 633 ff. 7 Neben dem Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (GenBeschlG) vom 12.9.1996, BGBl. I S. 1354, stellt auch das Sechste Gesetz zur Ände-

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

fahrensökonomie und Beschleunigung dienen.8 Die Vorschrift gehört seit Erlass des VwVfG im Jahre 1976 und insbesondere seit ihrer Änderung durch das Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz9 im Jahr 1996 zu den umstrittensten Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts.10 rung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1.11.1996, BGBl. I S. 1626, ein wichtiges Gesetz der Beschleunigungsgesetzgebung dar. Überblick bei P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 23a ff.; Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 20 ff.; Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583; Hufen, JuS 1999, 313, 315; siehe auch noch Badura in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 34 Rn. 11. Allgemein zur Beschleunigungsgesetzgebung Erbguth, Die Vereinbarkeit der jüngeren Deregulierungsgesetzgebung im Umweltrecht mit dem Verfassungs- und Europarecht, 1999; Ziekow (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, 1998; Bonk, NVwZ 1997, 320; Stüer, DVBl 1997, 326; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955; Jäde, UPR 1996, 361. Positiv zur Beschleunigungsgesetzgebung Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 589; ders. in: Rengeling, Beschleunigung, S. 51. Kritik bei Erbguth, UPR 2000, 81; Sodan, DVBl 1999, 729; Steinbeiß-Winkelmann, DVBl 1998, 809; Hufen, JuS 1999, 313; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101; Schenke, NJW 1997, 81, 86; Bracher, DVBl 1997, 534; Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 115 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 7 f. Eine Relativierung der juristischen Kritik aus ökonomischer Sicht nimmt Gawel vor in DÖV 1999, 281. 8 Vgl. BTDrucks. 13/1445, S. 6; ferner Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 9 und § 46 Rn. 1; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 2; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 63; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 49 Rn. 51; Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 774; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 1; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 42; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 42; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 150. Kritik an der Charakterisierung der Norm als Ausprägung des Effizienzprinzips bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 244 ff. 9 § 46 VwVfG wurde in seiner heutigen Fassung durch Art. 1 Nr. 4 GenBeschlG eingeführt, vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 2, 25; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 2. Zur Entstehungsgeschichte Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447, 448. Die Änderungen wurden auch in die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder übernommen. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 6; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 191; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 4; Schmitz/Olbertz, NVwZ 1999, 126, 130. In Berlin, Rheinland-Pfalz und Sachsen gelten die Änderungen des GenBeschlG aufgrund dynamischer Verweisungsregelungen ohnehin, vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 192. 10 So Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 1; Sachs in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 4; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 10 f.; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 377; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 239; Schenke, DÖV 1986, 305. Rechtspolitische Kritik an § 46 VwVfG a. F. bei Maurer, JuS 1976, 485, 492; Rupp in: FS Bachof, S. 151, 158 ff.; Krebs, DVBl 1984, 109, 113; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 379 ff.; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 44 ff. Aus der neueren Literatur Kritik an § 46 VwVfG bei Hufen, Fehler, Rn. 628 ff., Rn. 586 ff.; ders., JuS 1999, 313; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 6; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 49 Rn. 51 ff.; Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 14; Niedobitek, DÖV

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG § 46 VwVfG lautet: „Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.“

Um vermeidbare Verfahrensverlängerungen und überflüssige Zweitverfahren zu verhindern, soll also – so offenbar die Konzeption der Norm – ein inhaltlich richtiger Verwaltungsakt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers oder eines Verstoßes gegen die örtliche Zuständigkeit aufgehoben werden können.11 Der Verstoß ist zumindest im Hinblick auf die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung unbeachtlich.12

2000, 761, 765, 768; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147. Zustimmend dagegen Ronellenfitsch in: Rengeling, Beschleunigung, S. 51, 63 ff.; ders., NVwZ 1999, 583. Auch Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 43, hält insgesamt die differenzierende Regelung der Folgen der Verfahrensfehler durch das VwVfG für „eine noch vertretbare Lösung“. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 46 VwVfG bei Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 11 mit Hinweis auf BVerfGE 84, 59 (LS); Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 4; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 4 f.; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5 f.; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 63; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 709; Hufen, Fehler, Rn. 626, 628; Sodan in: Ziekow, Beschleunigung, S. 107, 122 ff.; Erbguth, UPR 2000, 81, 87 f.; Bonk, NVwZ 2001, 636, 641; ders., NVwZ 1997, 320, 324, 326, 330. Siehe dazu BVerwGE 98, 126, 130. Für § 46 VwVfG a. F. ebenso Schenke, VVDStRL 41 (1983), 276; ders., DÖV 1986, 305, 316; Grimm, NVwZ 1985, 865, 872. Ähnlich auch bereits Krebs, DVBl 1984, 109, 116, der auf das erhöhte Risiko einer Grundrechtsverletzung bei Verfahrensfehlern abstellt. Für Verfassungsmäßigkeit aber letztendlich Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 3; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 586 f.; Bonk, NVwZ 1997, 320, 326; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958. Siehe ferner Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 10. Auch § 46 VwVfG a. F. galt letztlich als verfassungsgemäß. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 5; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 19; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 45. 11 Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 2a, 4; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 246 f.; Bonk, NVwZ 1997, 320, 324. Siehe auch schon den Musterentwurf EVwVerfG 1963, Einzelbegründung zu § 36, S. 162. 12 Kritisch zu der Annahme, § 46 VwVfG führe zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern, Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 268 f.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

1. Tatbestand des § 46 VwVfG Ein Verfahrensfehler im Sinne des § 46 VwVfG ist jede Verletzung einer – außenrechtsverbindlichen – Vorschrift, die das Verfahren von seiner Eröffnung bis zur abschließenden Entscheidung der Behörde, also bis zum Erlass des Verwaltungsakts, betrifft.13 § 46 VwVfG erfasst alle Verfahrens- und Formfehler sowie Mängel der örtlichen Zuständigkeit, auch soweit sie in vorrangigen Fachgesetzen normiert sind.14 Die analoge Anwendung der Norm auf die sachliche Zuständigkeit oder die Verbandszuständigkeit ist ebenso wenig möglich15 wie ihre Anwendung auf materielle Fehler.16 13 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 16; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 20; ferner Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 21; Hufen, Fehler, Rn. 499; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 96. Jedenfalls muss es sich um die Verletzung von Rechtsvorschriften zum Verwaltungsverfahren handeln, vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 20; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 301. Die das Verfahren betreffenden Normen des VwVfG sind §§ 9–30 VwVfG sowie die Vorschriften über besondere Verfahrensarten in den §§ 63–71 VwVfG. § 46 VwVfG gilt im Anwendungsbereich des VwVfG und damit für Verwaltungsakte, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nach dem VwVfG erlassen wurden. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 6; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 3. Damit ist § 46 VwVfG auch auf Planfeststellungsbeschlüsse anwendbar. Vgl. Sachs in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 79; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 6; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 85. Ausgeschlossen ist die Anwendung des § 46 VwVfG aber, wenn der Verfahrensfehler bereits nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit führt. Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 13; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 21; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 22. 14 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 21; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 19; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 6, 14, 16; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 5; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 16 f.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 21; Bülow, Relativierung, S. 376. Zur Anwendung des § 46 VwVfG auf § 35 Abs. 4 GewO vgl. OVG Münster GewArch 25 (1979), 331. Weitere Beispiele für Verfahrensfehler bei Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 679 ff.; Hufen, Fehler, Rn. 135, 205, 255, 316. Beispiele für Formfehler bei Hufen, Fehler, Rn. 292; Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 685. Die fehlende örtliche Zuständigkeit ist eigentlich schon von dem Begriff Verfahrensvorschriften erfasst, vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 40 f.; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 21 ff. Zu möglichen Fehlern im Planfeststellungsverfahren Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 585 f., mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 364 ff. 15 Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 19; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 14; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 21; Bülow, Relativierung, S. 377. 16 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 9; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 4; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 19; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 6. Bedenklich ist daher die Übertragung des § 46 VwVfG auf Fehler eines Abwägungsvorgangs. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 38 unter Hinweis auf BVerwGE 74, 109, 113 f. Vgl. § 17 Abs. 6c S. 1 FStrG sowie § 75 Abs. 1a S. 1 VwVfG, die eine dem § 46 VwVfG ähnliche

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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Auch kann § 46 VwVfG nicht angewendet werden, wenn der Verfahrensfehler zugleich materielles Recht verletzt.17 Entsprechend der tatbestandlichen Beschränkung des § 46 VwVfG auf Verwaltungsakte sind für die vorliegende Arbeit nur Verfahrensfehler beim Erlass von Verwaltungsakten von Interesse, so dass Verfahrensfehler bei der administrativen Normgebung oder beim Abschluss von Verwaltungsverträgen nicht berücksichtigt werden. Im Umweltrecht können insbesondere Verfahrensfehler durch mangelhafte Sachaufklärung seitens der Behörde relevant sein.18 Zudem treten dort – ebenso wie in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts – oft Verfahrensfehler bei der Entscheidung über die Akteneinsicht nach § 29 VwVfG19 sowie Verfahrensfehler durch Nichtbeteiligung20 und durch die Verletzung des Anhörungsrechts nach § 28 VwVfG21 auf.22 Die Verletzung von AnhöRegelung gerade für Abwägungsfehler treffen. Nach Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 586, lassen sich materielle und Verfahrensfehler allerdings häufig nicht eindeutig voneinander trennen. 17 Vgl. Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 15; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 21; Bülow, Relativierung, S. 377. Ferner Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 15, der eine Verletzung materiellen Rechts in folgenden Fällen annimmt: Fehlen der Sachlegitimation der Behörde, insbesondere bei Fehlen der erforderlichen Ermächtigung zum Erlass des betreffenden Verwaltungsakts (vgl. BVerwGE 90, 25, 32), bei Fehlen eines auch nach materiellem Recht erforderlichen Antrags (vgl. OVG Münster NVwZ 1986, 576, 577 f.; VGH Kassel NVwZ-RR 1994, 342, 343 f.) und bei Fehlen der nach materiellem Recht erforderlichen Zustimmung eines Drittbetroffenen oder eines öffentlichen Rechtsträgers, zum Beispiel einer Gemeinde nach § 36 BauGB. 18 Beispiele bei Hufen, Fehler, Rn. 135; Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 680. 19 Auflistung bei Hufen, Fehler, Rn. 255; Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 684. Ein gängiger Verfahrensfehler ist die unberechtigte Verweigerung der Akteneinsicht. Dazu Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 21. 20 Vgl. Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 683: Auch die unterlassene Beteiligung einer von Gesetzes wegen zu beteiligenden Behörde stelle einen Verfahrensfehler dar. 21 Auflistung bei Hufen, Fehler, Rn. 205; weitere Beispiele bei Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 683. Anhörungsfehler stellen in der Praxis die häufigsten Verfahrensfehler dar, vgl. Hufen, Fehler, Rn. 206. Zur unterbliebenen Anhörung VG Meiningen ThürVBl 1994, 116; allgemein zur Anhörung Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 20; Ehlers, Jura 1996, 617; ders., Die Verwaltung 37 (2004), 255, 262. Die Bedeutung der Anhörungs- und Begründungsrechte für den Investor betonen Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958. 22 Allgemein zu Verfahrensrechten Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 20 ff.; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 11 ff. Von Bedeutung ist noch das Recht auf Beratung und Auskunft nach § 25 S. 2 VwVfG, vgl. Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 263; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 23. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Anhörungs- und des Akteneinsichtsrechts Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 1 Rn. 8 ff.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

rungs- und Informationspflichten ist vor allem aufgrund der häufigen Drittwirkung umweltrechtlicher Entscheidungen von Bedeutung.23 Beispielsweise können Naturschutzverbände nur unzulänglich Einsicht in Sachverständigengutachten erhalten haben24 oder als Beteiligte sogar von vornherein übersehen und so um ihr Beteiligungsrecht gebracht worden sein.25 Daher werden in der Praxis insbesondere Verstöße gegen die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der UVP gerügt.26 Generell ist die fehlerhafte Durchführung oder das gänzliche Fehlen einer förmlichen UVP als zentrales Element umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren ein schwerer, in seinen Auswirkungen umstrittener Verfahrensfehler.27 a) Zum Merkmal der Kausalität Im Unterschied zur Heilungsvorschrift des § 45 VwVfG erfordert der Tatbestand des § 46 VwVfG weder ein nachträgliches Einwirken auf die verfahrensfehlerhafte Entscheidung noch die sichere Erreichung eines fehlerfreien Zustands.28 Der Verfahrensfehler gilt vielmehr als unbeachtlich für die gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsakts, wenn eine Beeinflussung der Sachentscheidung durch den Verfahrensfehler offensichtlich nicht vorliegt.29 Zentrales Merkmal der Vorschrift ist damit der Einfluss oder die Kausalität des Verfahrensfehlers.30 23 Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 37; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 12. Vgl. dazu Entscheidungen zu Großvorhaben wie zum Beispiel OVG Lüneburg NVwZ 1985, 506; BVerwGE 69, 256. Zu den Voraussetzungen der Geltendmachung von Verfahrensmängeln für den Drittbetroffenen vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 37; Hufen, Fehler, Rn. 539 ff.; VGH Mannheim VBlBW 1992, 304, 305. 24 Vgl. BVerwG NVwZ-RR 1997, 606; BVerwG NVwZ 1998, 395. 25 Vgl. BVerwG NVwZ 1998, 279. 26 Vgl. BVerwG NVwZ 1996, 381; BVerwGE 102, 331, 336 ff. Zur Öffentlichkeitsbeteiligung nach der UVP-RL und im UVPG Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 195 ff. 27 Vgl. dazu BVerwGE 122, 207; BVerwG NVwZ-RR 1998, 300; BVerwGE 100, 238; 100, 370; BVerwG Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97; BVerwG Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 102; BVerwG NVwZ 1994, 688, 690; OVG Koblenz NVwZ 1995, 1025; VGH München DVBl 1994, 1198. Vgl. diesbezüglich auch § 4 UmwRG. 28 Vgl. Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 704; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 45, 47. 29 Kritik an der unklaren Ausdrucksweise der Norm bei Rupp in: FS Bachof, S. 151; ebenso Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 88. 30 So auch die Intention des Gesetzgebers, vgl. BTDrucks. 13/3995, S. 8 (zu Nr. 4). Vgl. ferner Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 22; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 705 f.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 254 f. Nach Bau-

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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Die Kausalität des § 46 VwVfG ist im Grunde genommen eine fehlende Kausalität:31 Liegt keine Beeinflussung der abschließenden Sachentscheidung vor, wird die Rechtsfolge des § 46 VwVfG ausgelöst. Die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung kann dann nicht allein wegen eines Verfahrensfehlers beansprucht werden. Umgekehrt ist bei Vorliegen einer Kausalität zwischen der Verletzung einer Verfahrensvorschrift und der Entscheidung in der Sache der Aufhebungsanspruch in jedem Fall gegeben. Allerdings wird der Gegenstand der Kausalität bei § 46 VwVfG nicht einheitlich bestimmt, was auch an der mangelnden Unterscheidung zwischen der fehlenden Kausalität des Verfahrensmangels und der Alternativlosigkeit der getroffenen Entscheidung liegt.32 Die übliche Bestimmung der Kausalität als conditio sine qua non ist hier nicht einschlägig, da der Verfahrensfehler gerade nicht ursächlich für die tatsächlich getroffene Entscheidung gewesen sein darf.33 Das Merkmal der Kausalität bei § 46 VwVfG wird unterschiedlich beschrieben. Nach der Begründung des Gesetzgebers dient das Kriterium der fehlenden Kausalität des Verfahrensfehlers der Feststellung, ob die Behörde bei Vermeidung des Verfahrens- oder Formfehlers dieselbe Entscheidung getroffen hätte.34 Ebenso kann das Kausalitätskriterium als Frage danach verstanden werden, ob der Verfahrensfehler als Ursache für die Sachentscheidung von so geringem Gewicht war, dass auch bei seiner Vermeidung, das heißt bei seinem Hinwegdenken, jede mögliche Entscheidungsalternameister ist die Kausalität, verstanden als fehlende Ergebnisrelevanz oder fehlendes Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, sowohl Tatbestandsvoraussetzung als auch Legitimationsgrundlage für den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs, ebd., S. 256. Zum Unterschied zwischen Einfluss und Kausalität Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 26, 28 ff.; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 372. 31 So auch Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 41; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 171. Ungenau Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 706; Bonk, NVwZ 1997, 320, 325: § 46 VwVfG verlange die Kausalität des Verfahrensfehlers für die Entscheidung. 32 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 22. Ebenfalls von der Bestimmung der Kausalität zu unterscheiden ist die Ausscheidung unwesentlicher Verfahrensfehler. Diese führen nach umstrittener und wohl veralteter Ansicht schon nicht zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, wenn der Verfahrensfehler schon gar nicht kausal für die getroffene Entscheidung gewesen sein kann. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 23; Bülow, Relativierung, S. 344 ff. 33 Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 23; für § 46 VwVfG a. F. schon Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 21; Bettermann in: FS Ipsen, 271, 279; VG Köln NJW 1981, 780 f. Anders aber das BVerwG zum Beispiel in BVerwGE 100, 238, 250; 61, 45, 49 f.; nicht eindeutig BVerwGE 87, 62, 71. 34 BTDrucks. 13/3995, S. 8. Damit nähert sich § 46 VwVfG n. F. der Rechtsprechung des BVerwG, die abweichend von § 46 VwVfG danach fragt, ob die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde bei Vermeidung des Fehlers eine andere Entscheidung getroffen hätte. Vgl. BVerwGE 100, 238, 250; 61, 45, 49 f.; 87, 62, 71.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

tive ausgeschlossen werden kann.35 Diese Bestimmung der Kausalität als Beziehung zwischen dem Fehler und der Möglichkeit von Entscheidungsalternativen legt des Weiteren die Überlegung nahe, ob die konkrete Möglichkeit eines Einflusses des Fehlers auf eine hypothetische Sachentscheidung bestand, die sich zugunsten des Anfechtenden von der tatsächlich getroffenen Entscheidung unterscheiden würde.36 Die Kausalität wird verneint, wenn keine andere Entscheidung für den anfechtenden Dritten günstiger hätte sein können.37 Aufgrund der Ähnlichkeit der hier angeführten Definitionen kommt es auf die genaue Formulierung des Kausalitätskriteriums nicht an. Als wesentliche Konsequenz ist jedenfalls festzuhalten, dass die Feststellung der Kausalität in allen Fällen eine hypothetische Beurteilung des behördlichen Verhaltens im Falle eines fehlerfreien Verfahrens durch das Gericht erfordert.38 b) Zum Merkmal der Offensichtlichkeit Um diese hypothetische Beurteilung im Rahmen der Kausalitätsfeststellung auf ein Mindestmaß zu beschränken und jede Vorläufigkeit, Subjektivität und fehlende Gewissheit daraus auszuschließen, muss offensichtlich sein, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.39 Das Merkmal der Offensichtlichkeit knüpft an den nicht eindeutig bestimmbaren Bezugspunkt der Kausalität an und ist daher ebenfalls umstritten.40 Fest steht, dass in jedem Fall nicht der Verfahrensfehler selbst offensichtlich sein muss.41 Vielmehr wird die Offensichtlichkeit bei § 46 VwVfG auf den fehlenden Einfluss des Verfahrensfehlers auf die getroffene Entscheidung 35

Vgl. Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 104. So Sodan, DVBl 1999, 729, 734 f.; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28. Diese Auslegung deutet ebenfalls auf die Rechtsprechung des BVerwG hin. 37 Vgl. Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 24; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28; OVG Bautzen SächsVBl 1997, 60, 63. 38 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 83. Zur schwierigen Feststellbarkeit der – fehlenden – Kausalität Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 706. 39 Vgl. BRDrucks. 422/1/94, S. 5 f.; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 84; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 281. 40 Vgl. die unterschiedlichen Formulierungen bei Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 32; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 85; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 37; Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447, 467 f. Darstellend Bülow, Relativierung, S. 388 f. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 34, unterscheidet ausdrücklich die fehlende Kausalität vom fehlenden Einfluss und nimmt an, dass sich die Offensichtlichkeit auf den fehlenden Einfluss beziehe. 41 Dies unterscheidet § 46 VwVfG von der Regelung über die Erheblichkeit von Abwägungsmängeln nach § 75 Abs. 1a S. 1 VwVfG, wonach der Abwägungsmangel selbst offensichtlich sein muss, sowie von den §§ 42 S. 1, 44 Abs. 1 VwVfG, § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 36

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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bezogen.42 Der Fehler hat dann die Entscheidung offensichtlich nicht beeinflusst, wenn die Behörde ohne den Verfahrensfehler, das heißt bei korrekter Durchführung des Verwaltungsverfahrens, genau die gleiche Entscheidung getroffen hätte.43 Daraus folgt umgekehrt, dass schon bei der Möglichkeit einer anderen Entscheidung der Behörde bei richtiger Durchführung des Verfahrens der Aufhebungsanspruch ohne Weiteres besteht.44 Da das Merkmal der Offensichtlichkeit den Anwendungsbereich des § 46 VwVfG auf Fälle zweifelsfrei feststehender fehlender Kausalität des Verfahrensfehlers beschränken soll, wird die Offensichtlichkeit im Allgemeinen so interpretiert, dass die fehlende Kausalität objektiv für einen verständigen, unvoreingenommenen Beobachter ohne Weiteres ersichtlich sein muss.45 Daher wird üblicherweise gefordert, das Gericht müsse den hypothetischen Willen der Behörde ohne tiefgründige und aufwändige Untersuchungen eindeutig feststellen können.46 Ist die eindeutige Feststellung der Entscheidungsabsichten der Behörde nicht möglich, ist der fehlende Einfluss auf die Sachentscheidung nicht offensichtlich.47 Allerdings bleibt das Gericht trotz der Einschränkung durch das Offensichtlichkeitskriterium gezwungen, einen Nachweis des hypothetischen BeRn. 85; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 707; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 104. Zu § 75 Abs. 1a VwVfG Gromitsaris, ebd., 105 ff. 42 So Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 34; Bülow, Relativierung, S. 389. Die fehlende Kausalität des Fehlers für die Sachentscheidung fordern dagegen Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 85; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 706 f.; Erbguth, UPR 2000, 81, 87; Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447, 467; Sodan, DVBl 1999, 729, 734; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 104; Schmitz/ Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958; Bonk, NVwZ 1997, 320, 326. Die Unterscheidung zwischen mangelndem Einfluss und fehlender Kausalität bleibt aber unklar. 43 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 85; Hufen, Fehler, Rn. 628; ähnlich Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 34. Umgekehrt war der Fehler dann von Einfluss, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Fehler die Entscheidung in der Sache anders ausgefallen wäre. Vgl. Sodan, DVBl 1999, 729, 735; Bonk, NVwZ 1997, 320, 326. Zur konkreten Möglichkeit einer anderen Entscheidung BVerwGE 69, 256, 269 f.; ferner OVG Bautzen SächsVBl 1997, 60, 63. 44 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 27; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 707; Bülow, Relativierung, S. 390. 45 So Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 10 unter Berufung auf Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 34; ferner Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 29; Schäfer in: Obermayer, § 46 Rn. 32; Sodan, DVBl 1999, 729, 734. 46 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 86; Erbguth, UPR 2000, 81, 87. Siehe auch BRDrucks. 422/1/94, S. 5 f. Nach Hufen, Fehler, Rn. 627, macht die notwendige Spekulation über die Offensichtlichkeit die Norm in der Praxis schwer anwendbar. 47 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 89; Erbguth, UPR 2000, 81, 87; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958. Ähnlich Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 29.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

hördenwillens zu erbringen. Ungeklärt ist daher, wie bei der Anwendung des § 46 VwVfG vermieden werden kann, dass die Gerichte über mögliche Entscheidungsabsichten der Behörden bei Vermeidung des Verfahrensfehlers spekulieren und ihre eigene Einschätzung an Stelle des Behördenwillens setzen.48 Schließlich gelten als eindeutig rekonstruierbar lediglich die Fälle so genannter rechtlicher Alternativlosigkeit, in denen feststeht, dass die getroffene Entscheidung trotz des Verfahrensfehlers die einzige inhaltlich rechtmäßige Entscheidung ist, die getroffen werden durfte.49 Aus diesem Grund wird teilweise angenommen, das Kriterium der Offensichtlichkeit solle die umstrittene Ausdehnung des § 46 VwVfG n. F. auf Ermessensentscheidungen begrenzen.50 c) Die Anwendung des § 46 VwVfG auf Ermessensentscheidungen Nach § 46 VwVfG a. F. konnte die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung nicht beansprucht werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Der Aufhebungsanspruch entfiel damit in Fällen, in denen die Verwaltung trotz des Fehlers rechtlich bereits auf die getroffene Entscheidung festgelegt war.51 Diese rechtliche Alternativlosigkeit liegt nach überwiegender Ansicht lediglich bei gebundenen Entscheidungen vor.52 Da eine rechtlich gebundene Entscheidung nach den 48 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 86. Vgl. ferner Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Erbguth, UPR 2000, 81, 87 f.; Jäde, UPR 1996, 361, 362. 49 Vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 24; ebenso OVG NW NWVBl 1989, 250, 252. Anders Wahl, NVwZ 1991, 409, 416. 50 So Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 7 f.; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 49 Rn. 54. Ob § 46 VwVfG n. F. bei einer solch strikten Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals tatsächlich die Aufhebung von Ermessensentscheidungen auszuschließen vermag, wird daher bezweifelt von Erbguth, UPR 2000, 81, 87; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 90; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 25 f. Einen erweiterten Anwendungsbereich des § 46 VwVfG n. F. nehmen aber an Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 27; Sodan, DVBl 1999, 729, 734. Siehe ferner die gesetzgeberische Begründung in BTDrucks. 13/3995, S. 8. Ein systematisches Verständnis der komplizierten Vorschrift erschließt sich nur in Abgrenzung zu ihrer vorherigen Fassung. 51 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 2; Hufen, Fehler, Rn. 628: In diesen Fällen fehle der aufgrund des Verfahrensfehlers bestehende Sanktionsanspruch. Ferner BVerwGE 61, 45, 49 f. 52 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 58; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 2; Bonk, NVwZ 1997, 320, 325; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 150; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 103; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 245 f.; für § 46 VwVfG a. F. Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 26; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 23; Hill, Das fehlerhafte Ver-

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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Vorschriften des materiellen Rechts in der Sache nicht anders hätte erlassen werden dürfen, hat die Einhaltung oder Verletzung des Verfahrens auch offensichtlich keinen Einfluss auf die inhaltlich rechtmäßige Entscheidung.53 Daher wird bisher auch nach § 46 VwVfG n. F. die Aufhebung eines lediglich verfahrensfehlerhaften Verwaltungsaktes bei gebundenen Entscheidungen als grundsätzlich ausgeschlossen angesehen.54 Zusätzlich zu diesem bisherigen Anwendungsbereich soll § 46 VwVfG n. F. ausweislich seiner gesetzgeberischen Begründung auch Entscheidungen erfassen, die keinen rechtlich alternativlos festliegenden Inhalt haben, womit in erster Linie Ermessensentscheidungen gemeint sind.55 Dies wird auch aus dem Wortlaut der Norm geschlossen, da der von § 46 VwVfG n. F. vorausgesetzte Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Entscheidung in der Sache nur bei bestehenden Ermessensspielräumen, bei denen der Inhalt einer Entscheidung nicht vollständig rechtlich vorgegeben und damit nicht rechtlich alternativlos ist, überhaupt denkbar sei.56 Der Wortlaut des § 46 fahren, S. 110; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 378 f.; Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 278; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 46; Grimm, NVwZ 1985, 865, 871. Vgl. die Darstellung bei Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 249 ff., 261 ff. 53 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 30 f.; Schwarz in: Fehling/Kastner/ Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 26; ähnlich Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 62; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 150. 54 Vgl. Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 28; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 765. Die Anwendung des § 46 VwVfG sei in den Fällen rechtlicher Alternativlosigkeit unproblematisch, vgl. Hufen, JuS 1999, 313, 318; ders., Fehler, Rn. 628. Kritisch zur ausnahmslosen Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf gebundene Entscheidungen dagegen Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 31; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 115 ff. Für eine eingeschränkte Anwendbarkeit des § 46 VwVfG bei unbestimmten Rechtsbegriffen Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 46. Siehe ferner Sachs in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 65. 55 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs in BTDrucks. 13/3995, S. 8. Ferner Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 27; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 79; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 9; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 705; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 171; Erbguth, UPR 2000, 81, 87; Sodan, DVBl 1999, 729, 734; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 150; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 103; Bonk, NVwZ 1997, 320, 325. Ermessensentscheidungen werden jetzt von § 46 VwVfG auch dann erfasst, wenn keine Ermessensreduzierung auf Null vorgenommen wird, vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 6. Anderer Ansicht Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 32; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64; Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 20; Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 774: § 46 VwVfG betreffe nur gebundene Verwaltungsakte, keine Ermessensakte. Ablehnend auch BRDrucks. 422/1/94, S. 4, 26 f. 56 Vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

VwVfG n. F. entspricht weitgehend dem im Gesetzgebungsverfahren gestrichenen Zusatz des § 36 EVwVerfG 1963 bzw. § 36 EVwVfG 1970, der sich anerkanntermaßen auf Ermessensentscheidungen bezog.57 Während nach § 46 VwVfG a. F. in der Regel die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Ermessensentscheidung verlangt werden konnte, da nach der Natur des Ermessens grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass die Behörde eine andere Entscheidung in der Sache hätte treffen können,58 ist nach § 46 VwVfG n. F. die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Ermessensentscheidung nur noch in den Fällen möglich, in denen nicht offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.59 Kann ein Einfluss auf das Abwägungsergebnis dagegen ausgeschlossen werden, ist der Verfahrensfehler jetzt auch bei einer Ermessensentscheidung unbeachtlich.60 Das ist bei Ermessensentscheidungen der Fall, bei denen die Behörde auch bei Vermeidung des Fehlers dieselbe Entscheidung getroffen hätte.61 Durch diese Vorgabe führt § 46 VwVfG n. F. das Kriterium der Kausalität ein.62 57

Vgl. den Musterentwurf EVwVerfG 1963, Einzelbegründung zu § 36, S. 162 f. Ebenso Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 1; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 103 f.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 125. Die Kritik an der damals nicht übernommenen Fassung war in erster Linie in der Notwendigkeit von Kausalitätserwägungen bei der Feststellung des fehlenden Einflusses begründet. Vgl. Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447, 448; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 81; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 24; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 125. 58 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 66; Grimm, NVwZ 1985, 865, 871; BVerwGE 62, 108, 116. 59 Anders seit neuestem Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 32: bei Ermessensentscheidungen seien Verfahrens-, Form- und Zuständigkeitsfehler grundsätzlich relevant. 60 Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 29; OVG Bautzen SächsVBl 1997, 60, 63. 61 Vgl. BTDrucks. 13/3995, S. 8; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 82; Hufen, JuS 1999, 313, 318; Sodan, DVBl 1999, 729, 734. Darunter fallen wie bisher auch die Fälle, in denen eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Vgl. Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264; Erbguth, UPR 2000, 81, 87. Für § 46 VwVfG a. F. schon Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 23; Grimm, NVwZ 1985, 865, 871; BVerwGE 62, 108, 116; BVerwG NVwZ 1988, 525, 526. Grund dafür sei das fehlende Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen hinsichtlich der Aufhebung, wenn es zur getroffenen Entscheidung keine rechtliche Alternative gebe, vgl. Pünder, ebd., Rn. 64. Problematisch ist aber, dass auch die Reduzierung des Ermessens kein vorgegebenes Ergebnis, sondern ein durch Verfahrensbestimmungen beeinflussbarer Vorgang ist. So auch Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 27. 62 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 2a. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 238, 262, benutzt dagegen den Begriff der konkreten Ergebnisrelevanz.

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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Gegen die Anwendung des § 46 VwVfG auf Ermessensentscheidungen ist allerdings einzuwenden, dass sich die notwendige Feststellung der Ergebniskausalität bei komplexen und offenen Ermessensentscheidungen nachträglich nicht eindeutig treffen lässt, da aufgrund des eingeräumten Entscheidungsspielraums nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Falle eines korrekten Verfahrens eine andere Entscheidung getroffen worden wäre.63 Schließlich überträgt der Gesetzgeber der Verwaltung gerade dann Ermessens- und Abwägungsspielräume, wenn die zu treffende Entscheidung nicht offensichtlich feststeht.64 In diesen Fällen sind Verfahrensrechte dazu da, die Entscheidungsfindung zu steuern und die inhaltlich noch unbestimmte Entscheidung zu beeinflussen.65 Daher kann ein Verfahrensfehler gerade bei Ermessensentscheidungen ein deutliches Indiz für einen materiellen Fehler darstellen. Zum Beispiel kann eine fehlende Anhörung dazu führen, dass das Ermessen falsch ausgeübt, mehrere Beteiligte ungleich behandelt oder der Schutzbereich eines Grundrechts verkannt wurde.66 Beruft sich die Behörde im Rahmen des § 46 VwVfG bei komplexen Ermessensentscheidungen wie beispielsweise Planfeststellungen darauf, dass das Ergebnis auch bei korrektem Verfahren nicht anders ausgefallen wäre, liegt es eher nahe, der Behörde einen Abwägungsausfall durch eine Vorabfestlegung und damit die fehlerhafte Handhabung ihres behördlichen Ermessens zu unterstellen.67 Da diese Einwände für die grundsätzliche Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern bei Ermessensentscheidungen sprechen,68 bestehen berechtigte Zweifel daran, ob die An63 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 6, 66, 79; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 32; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64 f.; Hufen, Fehler, Rn. 628 f. Daher könne nachträglich auch nicht mehr zuverlässig festgestellt werden, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst habe. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 125; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 103 f. 64 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 626; ders., JuS 1999, 313, 318; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 125; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 103 f. 65 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 628 f.; ders., JuS 1999, 313, 318; Pünder in: Erichsen/ Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64. Ähnlich von Danwitz, DVBl 1993, 425; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47; Steinbeiß-Winkelmann, DVBl 1998, 809; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 126, 478; BVerwG NVwZ 1999, 1218, 1219; sowie die abweichende Beschlussempfehlung des Umweltausschusses des Bundesrats in BRDrucks. 422/1/94, S. 4, 27. Für Risikoentscheidungen so auch Di Fabio, Risiko, S. 468. Schon die Beschränkung des § 46 VwVfG a. F. auf gebundene Entscheidungen wurde mit der begrenzten gerichtlichen Kontrollkompetenz der Verwaltungsgerichte bei Ermessensentscheidungen begründet, die den Eigenwert des Verwaltungsverfahrens betone und daher eine prozessuale Kompensation des Verwaltungsverfahrens ausschließe. Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 46. 66 So Hufen, JuS 1999, 313, 315. 67 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 629; ders., JuS 1999, 313, 319. 68 Vgl. Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 27.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

wendung des § 46 VwVfG auf Ermessensentscheidungen mit der Struktur des Ermessens vereinbar ist.69 Daher wird in Fällen so genannter faktischer Alternativlosigkeit70 die Behauptung der Behörde, sie hätte auch ohne den Verfahrensfehler nicht anders entschieden, in der Regel als nicht ausreichend erachtet.71 Um eine bloße Spekulation über den Entscheidungsablauf seitens des Gerichts zu vermeiden, müssten bei Ermessensentscheidungen zusätzliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verfahrensfehler zweifelsfrei ohne jeden Einfluss auf die Entscheidung in der Sache geblieben sei.72 Faktische Alternativlosigkeit könne daher eigentlich nur bei Entscheidungen vorliegen, bei denen sich der Verfahrensfehler schon rein rechnerisch nicht auf das Ergebnis ausgewirkt haben könne oder bei denen eine Anhörung keine weiteren Erkenntnisse gebracht hätte.73 Die Möglichkeit faktischer Alternativlosigkeit bei Ermessensentscheidungen wird aber zum Teil auch ganz abgelehnt.74 In Fällen der faktischen 69 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 81; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64; BRDrucks. 422/1/94, S. 4, 26 f. Auch verfassungsrechtliche Bedenken daher bei Sachs, ebd., § 46 Rn. 6, 81; Hufen, Fehler, Rn. 628 f.; ders., JuS 1999, 313, 315; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64; Erbguth, UPR 2000, 81, 86 ff.; Sodan, DVBl 1999, 729, 738. 70 Bereits bei § 46 VwVfG a. F. war strittig, ob sich die Norm auf Fälle rechtlicher Alternativlosigkeit beschränkte oder auch in Fällen faktischer bzw. tatsächlicher Alternativlosigkeit anzuwenden war. Vgl. dazu Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 24; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 379 ff. Dafür die wohl h. M. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 59; Hufen, Fehler, Rn. 628 f.; ders., JuS 1999, 313, 318. Für § 46 VwVfG a. F. so schon Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 23; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 48; Wahl, NVwZ 1991, 409, 416; Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 276; OVG NW NWVBl 1989, 250, 252. Dafür spricht, dass es im auf die Richtigkeit der Entscheidung ausgerichteten Verwaltungsrecht nicht auf die Möglichkeit einer zwar bestehenden, aber womöglich rechtswidrigen Entscheidungsalternative ankommen kann. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 60 f. Ferner Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 26: Eine Festlegung auf die tatsächliche Alternativlosigkeit würde die Schutzfunktion des Verfahrensrechts weiter vermindern. In der Praxis reduzierte sich die Problematik des § 46 VwVfG a. F. allerdings auf die Frage, ob eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung vorlag, vgl. BVerwGE 65, 287, 289. 71 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 626. Die faktische Alternativlosigkeit wurde von der Rechtsprechung eingeführt, vgl. ders., Rn. 625, unter Hinweis auf BVerwGE 75, 214, 228. 72 Vgl. Hufen, JuS 1999, 313, 318 f. Siehe dazu vorgängig a) und b). 73 Vgl. Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447, 466; Hufen, JuS 1999, 313, 319. Anders Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 24: tatsächliche Alternativlosigkeit, wenn der Verstoß im konkreten Fall nicht kausal für die Entscheidung war oder sein konnte.

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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Alternativlosigkeit kommt dem Gericht die Aufgabe der Beurteilung zu, wie die Entscheidung der Behörde bei einer unterstellten richtigen Durchführung des Verfahrens ausgefallen wäre.75 Es wird kritisiert, diese müsse notwendigerweise hypothetisch bleiben, denn schließlich könne selbst bei einer nur unwesentlichen Beeinflussung der Rechtsposition des Klägers bei unterstellter Berücksichtigung des Verfahrensbelangs nicht vorab entschieden werden, ob die fehlende Beeinflussung offensichtlich war, da darüber eben erst der tatsächliche Verfahrensablauf entscheide.76 Aus diesen Gründen soll § 46 VwVfG n. F. dahingehend ausgelegt werden, dass der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs in der Regel nur in Fällen rechtlicher Alternativlosigkeit angenommen werden darf.77 Demzufolge käme die Norm bei Entscheidungen mit Ermessens-, Beurteilungs- und Abwägungsspielraum kaum zur Anwendung.78 Diese Auslegung der Norm könnte dem Willen des Gesetzgebers, § 46 VwVfG n. F. auf Ermessensentscheidungen zu erstrecken, widersprechen. Weitreichender und problematischer ist aber die Frage, ob die rechtliche Alternativlosigkeit einer Entscheidung lediglich anhand der Unterscheidung zwischen gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen bestimmt werden kann. Beispielsweise stellt die in der Rechtsfolge gebundene immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 BImSchG diese Differenzierung insofern infrage, als hier die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe der Verwaltung auf Tatbestandsseite ebenfalls weite Beurteilungsspielräume eröffnet.79 Es ist daher nicht ent74 Vgl. Breuer in: FS Sendler, S. 357, 381 f. Kritisch auch Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 26. 75 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 629. 76 Vgl. Krebs, DVBl 1984, 109, 112; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 83; Hufen, Fehler, Rn. 628 f. Dieser spricht von einem hypothetischen Rückspulen des Entscheidungsprozesses, das letztlich spekulativ bleibe. Siehe auch Breuer in: FS Sendler, S. 357, 381: eine „ebenso prekäre wie dubiose Prüfung“. 77 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 626; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 46; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 262; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 382; Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 279. Für einen Ausschluss des Aufhebungsanspruchs auch bei faktischer Alternativlosigkeit dagegen Sachs in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 82 f.; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 27 f.; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 25; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958. 78 Vgl. Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 46. Für die grundsätzliche Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern bei Ermessensentscheidungen nach § 46 VwVfG n. F. auch Bülow, Relativierung, S. 388. In BVerwGE 60, 297, 307 nahm auch das BVerwG an, dass in einem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Ermessensspielraum der Behörde Verfahrensfehler zur Aufhebung der Entscheidung führen. Dazu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 255. 79 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rn. 147; Wolf, Umweltrecht, Rn. 843: so genannte Freiraumthese; ferner Rn. 874, 897. Ähnlich Rupp in: FS Bachof, S. 151,

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

schieden, ob die Unterscheidung von gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen grundsätzlich genügend Aussagekraft besitzt, um zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG beitragen zu können. Darauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit zurückzukommen sein.80 2. Folgen von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG Aus der Fehlerhaftigkeit einer Verwaltungsentscheidung kann nicht zwingend auf die rechtliche Folge des Fehlers geschlossen werden, da der Gesetzgeber hinsichtlich der Sanktionierung von Verfahrensfehlern einen Gestaltungsspielraum hat.81 Grundsätzlich erfordern die Beachtung und effektive Durchsetzung des Verfahrensrechts, dass Verfahrensfehler überhaupt Folgen zeitigen.82 Da die Vielfalt möglicher Fehlerquellen eine dem jeweiligen Fehler angemessene und daher unterschiedlich strenge Sanktionierung verlangt,83 bewegen sich die gesetzlichen Folgen von Verfahrensfehlern 164. Kritik an der als willkürlich qualifizierten Unterscheidung zwischen unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen bei § 46 VwVfG aus Sicht des Gemeinschaftsrechts bei Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 297 f. 80 Siehe im 9. Kapitel unter II. 3. b). 81 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; ders. in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 36; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 239; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 21; Schnapp/ Cordewener, JuS 1999, 39, 40; Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 289. Zu Folgen von Verfahrensfehlern grundsätzlich Hufen, Fehler, Rn. 492 ff. Das Grundgesetz enthält keine Aussage darüber, welche Folgen einer fehlerhaften Entscheidung zugeschrieben werden sollen, vgl. Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 36. Grundsätzliche Frage ist, ob materielle und Verfahrensfehler gleich behandelt werden sollen, vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 38. Dabei bestehen für eine unterschiedliche Behandlung durchaus einleuchtende Gründe, vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 711. Die Vorschriften der §§ 45, 46 VwVfG behandeln Verfahrensmängel jedoch als eine Art „Mängel minderen Ranges“, so Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 7. 82 Vgl. Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 699. Zwar gibt es in jeder Rechtsordnung bestimmte Verfahrensfehler, die auf das Ergebnis überhaupt keinen Einfluss haben. Andererseits existiert auch meist ein Kern unantastbarer Verfahrensregeln, deren Verletzung in jedem Fall zur Aufhebung führt. Vgl. dazu Kment, EuR 41 (2006), 201, 204 f.; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1292; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 323. 83 Vgl. Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 699; Schmidt-Preuß in: FS Maurer, S. 777, 786, der etwas undeutlich formuliert: „Selbstverständlich wäre es unbefriedigend, wenn Verfahrensrechtsverstöße a priori sanktionslos blieben. Andererseits kann nicht außer Acht gelassen werden, welche Konsequenzen eine ‚Kassationsautomatik‘ in concreto hätte.“

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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zwischen Nichtigkeit, Anfechtbarkeit84 und Aufhebbarkeit85 der Entscheidung sowie Heilung und Unbeachtlichkeit des Fehlers.86 Ein in seinen subjektiven Rechten Verletzter kann im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsakts verlangen, wenn dieser gegen höherrangiges Recht verstößt, deshalb rechtswidrig ist, und daraus die Verletzung des infrage stehenden subjektiven Rechts folgt.87 Auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften führt dabei grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit des verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakts.88 Verfahrensfehler lösen also einen materiellen Aufhebungs84

Der prozessuale Begriff der Anfechtbarkeit bedeutet, dass gegen eine Entscheidung (noch) ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann. Vgl. Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 679; Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 8. 85 Die Aufhebbarkeit als verfahrensrechtlicher Begriff betrifft die Frage, ob ein Verwaltungsakt bestandskräftig ist oder ob er vom Verwaltungsgericht oder von der Widerspruchsbehörde aufgehoben werden darf. Vgl. Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 679; Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 8. 86 Vgl. Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 1; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 39, 40; Hufen, Fehler, Rn. 499 ff., insbesondere 504 ff., 511 ff.; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 679. 87 Vgl. dazu die Formulierung des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO sowie die Kommentierungen bei Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113; Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 113; Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, § 113. Vgl. ferner Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 697; Hufen, Fehler, Rn. 628; Krebs, DVBl 1984, 109; P. Stelkens/U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 41. Zur Verbindung zwischen § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO und § 46 VwVfG Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 102 ff. Die Aufhebung ist an die Verletzung eines subjektiven Rechts gekoppelt und daher nicht zwangsläufig notwendige Folge der Rechtswidrigkeit, vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5. Auch das Rechtsstaatsprinzip verlangt nicht die Aufhebung einer zwar fehlerhaft zustande gekommenen, im Ergebnis aber richtigen Entscheidung. So für § 46 VwVfG a. F. Bonk, NVwZ 1997, 320, 325. 88 So Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 4, 35; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 38; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 697; Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 265; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 3; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 373 f.; Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 289 f.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 103; Krebs, DVBl 1984, 109, 110; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 242 f. Zur Diskussion ausführlich Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 137 ff.; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 5 ff. Anderer Ansicht das BVerwG in BVerwGE 75, 214, 228: Ein Verfahrensfehler führe nur zur Rechtswidrigkeit einer Entscheidung, wenn sich der Mangel auf die Entscheidung ausgewirkt haben könne. Einschränkend auch Bonk/Schmitz in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 53: Verfahrensfehler führten nur zu einer relativen Rechtswidrigkeit. Ähnlich eine Ansicht in der Literatur, die annimmt, nur wesentliche Verfahrensfehler hätten auch die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge. Deutlich Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 12: So genannte Bagatellfehler lösten nicht die Rechtswidrigkeit, sondern lediglich die Möglichkeit der Berichtigung nach § 42 VwVfG aus. Siehe für Mängel in der Bestimmtheit P. Stelkens/U. Stelkens in:

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

anspruch des in seinen Rechten Verletzten aus, den dieser in einem Widerspruchs- bzw. Anfechtungsverfahren geltend machen muss.89 An diesen Aufhebungsanspruch knüpft die Rechtsfolge des § 46 VwVfG an.90 Nach überwiegender Ansicht schließt § 46 VwVfG bei Vorliegen eines unbeachtlichen Verfahrensfehlers den materiellen Anspruch auf Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts aus.91 Dabei bleibt der Verwaltungsakt fehlerhaft und damit rechtswidrig.92 Die Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers ist systematisch damit eine Ausnahme von der regelmäßigen Sanktion der Aufhebung.93 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37 Rn. 31; für Begründungsmängel dies., § 39 Rn. 41. Löse der Verfahrensfehler nicht die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts aus und sei insofern also unwesentlich, sei § 46 VwVfG von vornherein gar nicht anwendbar. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 21; Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447, 459 ff.; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 242 ff. 89 Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 679, 680. Dogmatisch ergibt sich der materiellrechtliche Aufhebungsanspruch aus den Grundrechten. Grundlegend dazu Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 6 ff., 9 ff., 21 ff., mit weiteren Nachweisen auf S. 8 in Fn. 38. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO setzt das Bestehen des materiellen Aufhebungsanspruchs voraus und kann diesen gerade nicht begründen. Vgl. Remmert, VerwArch 88 (1997), 112, 120 f.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 9 f. 90 Es wird angenommen, dass der Anwendungsbereich des § 46 VwVfG damit auf die verwaltungsgerichtliche Anfechtung sowie den Anspruch auf Rücknahme nach § 48 VwVfG begrenzt sei. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 11. Anderer Ansicht Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 36, der § 46 VwVfG lediglich bei der Anfechtung eines Verwaltungsakts anwenden will. Jedenfalls hindere die Norm die Behörde nicht, im Rahmen des § 48 VwVfG im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens über die Aufhebung zu entscheiden. So Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 13; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 40. Dazu auch Hufen, Fehler, Rn. 632. 91 Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 35; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 1, 41; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 1, 11; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 11; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 4, 34; Pünder in: Erichsen/ Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 66; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 704; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 55; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 809; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 47; Hufen, Fehler, Rn. 628, 631; ders., JuS 1999, 313, 319; ders., Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 9; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 241; Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 265; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 243 f. Für § 46 VwVfG a. F. schon Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 10; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 45; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 102 f.; Schenke, DÖV 1986, 305, 311; Krebs, DVBl 1984, 109 ff. 92 So Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 1, 41; Schenke, DÖV 1986, 305, 306 ff.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 25; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 1; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 704; Erbguth, Allg. Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 19; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 133 ff., 143.

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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Nicht abschließend geklärt ist, wie der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs gegen den verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakt nach § 46 VwVfG rechtlich zu begründen ist. Der Wortlaut des § 46 VwVfG „Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes [. . .] kann nicht allein deshalb beansprucht werden [. . .]“ lässt aufgrund der Bezugnahme auf die Aufhebung jedenfalls nicht wie zum Teil vertreten darauf schließen, dass § 46 VwVfG bereits die subjektive Rechtsverletzung des Betroffenen ausschließe.94 Eine Darstellung der Diskussion kann allerdings an dieser Stelle dahingestellt bleiben, da die Rechtsfolge des Ausschlusses des Aufhebungsanspruchs im Ergebnis überwiegend anerkannt ist.95 In prozessualer Hinsicht ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 VwVfG die auf den Verfahrensfehler 93

Hufen, Fehler, Rn. 493 ff. Überblick über die Beschränkungen und den Ausschluss des materiellen Aufhebungsanspruchs bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 221 ff. 94 So aber Krebs, DVBl 1984, 109, 111; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 1; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 11; Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 265; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 43; Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 107 f.; wohl auch Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158. Aus der Rechtsprechung BVerwGE 61, 256, 276; 65, 287, 289 f.; 88, 286, 288. Nicht ganz eindeutig Hufen, Fehler, Rn. 631; ders., JuS 1999, 313, 314; Badura in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 38 Rn. 35 und 36; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 103 f., 406, 408. Nach Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 212, geht diese Auffassung auf die Begründung des Musterentwurfs von 1963 zurück, vgl. EVwVerfG 1963, Einzelbegründung zu § 36, S. 162. Gegen diese Ansicht Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 289: „Das ist handgreiflich unrichtig!“. Ablehnend auch Schenke, DÖV 1986, 305, 307 ff., unter Rückgriff auf den Wortlaut des § 46 VwVfG; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 55; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 25; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 212 ff., 215; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 48. Differenzierend Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 241 f. 95 So unter anderem Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 1 f. Hinsichtlich der rechtlichen Begründung dieser Rechtsfolge wird diskutiert, ob § 46 VwVfG den Aufhebungsanspruch bereits in seiner Entstehung und damit auf tatbestandlicher Ebene ausschließe oder lediglich seine Geltendmachung hemme, d.h. die Rechtsfolgenseite des Aufhebungsanspruchs berühre. Letzteres nehmen an Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 151; Schöbener, Die Verwaltung 33 (2000), 447, 479 ff. Ähnlich wohl auch Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 55. Für § 46 VwVfG a. F. schon Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 45; Schenke, DÖV 1986, 305, 307, 311; Ule/Laubinger, § 58 Rn. 25. Weitere Nachweise bei Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 103 in Fn. 51. Nicht eindeutig Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27, der in § 46 VwVfG eine Begrenzung der subjektiven Rechtsmacht sieht, Fehler des Verwaltungsakts durchzusetzen. Ablehnend Krebs, DVBl 1984, 110, der annimmt, dass § 46 VwVfG bei den Tatbestandsmerkmalen des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ansetze. Für die Anknüpfung an der Entstehung des Aufhebungsanspruches sprechen sich ebenfalls aus Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 103 f.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 244. Zustimmend Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 241. Zum Streitstand Schenke, DÖV 1986, 305, 306 ff.; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 151.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

gestützte Klage zulässig, aber unbegründet.96 Das Gericht muss die Klage zurückweisen.97 3. Absolute Verfahrensfehler Keine Anwendung soll § 46 VwVfG finden, wenn die verletzte Verfahrensvorschrift so gewichtig ist, dass ihre Verletzung einen so genannten absoluten Verfahrensfehler darstellt.98 Dies ist der Fall, wenn die Verfahrensvorschrift bestimmten Beteiligten in ihrem Interesse99 oder im Interesse einer besonderen Befriedungs- und Konsensfunktion100 eine vom Ausgang des Verfahrens unabhängige, selbstständig durchsetzbare Verfahrensposition einräumt.101 Ein absolutes Verfahrensrecht kann insbesondere bei spezialge96 Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 43; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 42; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 35; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 11; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 30; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 66; Hufen, JuS 1999, 313, 319; differenzierend Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 3: bei offensichtlichem Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 VwVfG fehle bereits die Klagebefugnis. Bei Entscheidung über die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts steht dem Gericht kein Ermessen zu, vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 15. 97 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 631. Die prozessuale Rechtsfolge des § 46 VwVfG zeigt den Charakter der Norm als Schnittstelle zwischen Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz. Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 45; Hufen, Fehler, Rn. 492; Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 211 f.; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101. 98 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 32; Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 283 f.; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 383 ff. Die Begriffe werden im Rahmen des § 46 VwVfG uneinheitlich verwendet. Es ist die Rede von Verstößen gegen absolute Verfahrensrechte, vgl. Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 6, sowie von absoluten Verfahrensfehlern, vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 18; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 22; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 65; Bonk, NVwZ 1997, 320, 325. Vgl. Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 283: „absolute Anfechtungsgründe oder absolute Verfahrensmängel“. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 32, spricht von einem absoluten Aufhebungsgrund. Zu absoluten Verfahrensfehlern ders., ebd., § 45 Rn. 135 ff.; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 284 ff. 99 Vgl. BVerwGE 41, 58, 64 f.; 44, 235, 239; BVerwG NJW 1981, 239, 240. 100 Begriff bei Ossenbühl, NJW 1981, 375, 378, der diese für atomrechtliche Verfahrensvorschriften ablehnt. 101 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 18; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 31; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 6; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 105. Ferner BVerwGE 9, 69, 72 f.; 11, 195, 205 f.; 28, 268, 269 f.; 41, 58, 64; 56, 230, 233. Ein absoluter Aufhebungsgrund liegt nicht schon bei Grundrechtsrelevanz der Verfahrensvorschrift vor. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 33; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 20; Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 17; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 6. Für einen absoluten Verfahrensfehler

II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG

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setzlichen, den § 46 VwVfG verdrängenden Vorschriften gegeben sein.102 Ausdrücklich geregelte absolute Aufhebungsgründe sind zum Beispiel nach § 42 Abs. 2 SGB X die Verletzung der Anhörungspflicht103 sowie im Umkehrschluss aus § 46 VwVfG Mängel der sachlichen und instanziellen Zuständigkeit.104 Auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts kann wegen des Effektivitätsgrundsatzes ein absoluter Aufhebungsgrund sein.105 bei Grundrechtsrelevanz der Verfahrensvorschrift dagegen Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 14; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 21; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 115. Dazu Bergner, Grundrechtsschutz, S. 290 ff. 102 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 33; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 15. Als absolute Verfahrensvorschrift wurde zum Beispiel § 29 BNatSchG a. F. qualifiziert, vgl. BVerwGE 105, 348, 353 f.; BVerwGE 87, 62. Dazu Ziekow, VerwArch 91 (2000), 483, 492 ff.; Sachs in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 34; Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 265; Bonk, NVwZ 1997, 320, 325; anderer Ansicht Dolde, NVwZ 1991, 961. Nach BVerwG NVwZ 2002, 1103, 1105, begründet die Verletzung des Beteiligungsrechts aber dann nicht mehr den Erfolg der Klage, wenn dem Verband die Möglichkeit der naturschutzrechtlichen Verbandsklage eröffnet ist, die eine materiell-rechtliche Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses einschließt. Bestätigend BVerwG NVwZ 2003, 1120 (LS). Vgl. dazu Dolde, NVwZ 1991, 960, 962 f.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 314 mit Rechtsprechungsnachweisen. Ein absoluter Aufhebungsgrund ist ferner die Verletzung des § 36 BauGB, so VGH München GewArch 37 (1991), 238, 239; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 6. Dagegen Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 314 f., mit der Begründung, bei einem Verstoß gegen das gemeindliche Einvernehmen sei ein Aufhebungsanspruch der Gemeinde vielmehr deswegen immer gegeben, weil diese im Fall ihrer Übergehung der Möglichkeit beraubt wurde, durch Sicherungsmittel auf den Bauantrag zu reagieren, so dass der Verfahrensfehler nie offensichtlich ohne Einfluss auf die Sachentscheidung gewesen sein kann. Dies stellt dogmatisch aber eine andere Begründung als die des absoluten Verfahrensfehlers dar. Vgl. auch OVG Lüneburg DVBl 1981, 644, 647 und 1984, 229, 235. 103 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 34; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 65; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 285. Zu § 42 S. 2 SGB X Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 374 f. Gegen die Einordnung des § 42 S. 2 SGB X als absoluten Aufhebungsgrund Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 311 ff.: § 42 S. 2 SGB X regele lediglich, dass Satz 1 nicht anwendbar sei, dass also der Aufhebungsanspruch im Fall eines Anhörungsfehlers lediglich nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Verwaltungsakt offensichtlich nicht auf dem Fehler beruht. Deswegen regele Satz 2 nicht die Frage, ob der Verwaltungsakt in diesen Fällen stets aufzuheben ist. Schließlich könne der Aufhebungsanspruch auch aus anderen Gründen wie zum Beispiel aufgrund des dolo agit-Grundsatzes ausgeschlossen sein. 104 Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 46; in der Sache wohl ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 23. 105 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 20; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 17; anderer Ansicht Papier, DVBl 1993, 809, 814.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

III. Der Ausschluss der isolierten Anfechtbarkeit von Verfahrensfehlern nach § 44a VwGO Neben § 46 VwVfG beinhaltet § 44a S. 1 VwGO eine weitere Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle von Verfahrensfehlern.106 Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.107 Folge des § 44a VwGO ist zum einen die Beschränkung der Verwaltungsgerichte auf nachträglichen statt verfahrensbegleitenden Rechtsschutz.108 Zum anderen schließt § 44a VwGO die selbstständige Anfechtung fehlerhafter Verfahrenshandlungen109 praktisch aus. Damit soll eine mehrfache Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in derselben Sache vermieden werden. Ziel des § 44a VwGO ist es also, im Sinne von Verfahrensökonomie und Verfahrensbeschleunigung die Verzögerung und Erschwerung von Verwaltungsverfahren durch die isolierte Anfechtung von Verfahrensakten zu verhindern.110 Rechtlich wird diese Beschränkung damit 106 Zu § 44a VwGO Eichberger, Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen, 1986; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26; ferner Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a; Geiger in: Eyermann, VwGO, § 44a. Kritisch zu § 44a VwGO Hufen, Fehler, Rn. 633 ff.; Bergner, Grundrechtsschutz, S. 162 ff. Einen engen Zusammenhang mit §§ 45, 46 VwVfG nehmen an Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 2; Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 3; Ziekow in: Sodan/ Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 8 f. 107 Ob § 44a VwGO eine eigenständige negative Sachbescheidungsvoraussetzung oder eine einschränkende Sonderregelung zum allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis normiert, ist nicht geklärt. Vgl. Geiger in: Eyermann, VwGO, § 44a Rn. 1; Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 7. Für § 44a VwGO als spezielle Ausprägung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 14. Jedenfalls stelle die Vorschrift eine Sachurteilsvoraussetzung dar, deren Tatbestand im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geprüft wird, so Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264 unter Berufung auf BVerwGE 115, 373, 379. 108 Vgl. Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 5; ders., NVwZ 2005, 263, 264. 109 Verfahrenshandlungen sind dabei alle im Lauf eines Verwaltungsverfahrens ergehenden Maßnahmen, die nach Ansicht der Verwaltung das Verfahren fördern, ohne es abzuschließen, vgl. Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 8; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264. Beispiele für Verfahrenshandlungen bei Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 10; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26: Die Ablehnung eines Beweisantrags, die Bestellung oder Ablehnung eines Vertreters, die Verweigerung der Akteneinsicht, die Ablehnung eines Befangenheitsantrags. 110 Vgl. Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 6; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 3 f.; ders., NVwZ 2005, 263, 264; Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 4; Maurer, Allg. Verwal-

III. Anfechtbarkeit von Verfahrensfehlern nach § 44a VwGO

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begründet, dass dem isoliert gegen eine Verfahrenshandlung Klagenden das Rechtsschutzbedürfnis fehle.111 Schließlich stehe noch gar nicht fest, ob die Entscheidung am Ende von Nachteil für den Antragsteller sein werde.112 Dabei ist allerdings auf die Gefahr hinzuweisen, dass wegen eines Verfahrensfehlers das ganze Verfahren erneut abgewickelt werden muss, obwohl der Verstoß während des Verfahrens zu vermeiden gewesen wäre.113 Besteht beispielsweise im Zulassungsverfahren Unklarheit über die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP, ist es aufgrund § 44a VwGO nicht möglich, im Rahmen des noch laufenden Verfahrens eine gerichtliche Klärung über die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP zu erlangen.114 Insbesondere bei der Akteneinsicht und beim rechtlichen Gehör kann zudem erst die korrekte Vornahme der Verfahrenshandlung dem Betroffenen Aufschluss darüber geben, ob die spätere Anfechtung Erfolg versprechend ist.115 Daher wird eine verfassungskonforme Auslegung116 des § 44a VwGO gefordert, die der Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG entspricht.117 Demnach soll das Rechtsschutzinteresse für die tungsrecht, § 19 Rn. 26; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 68; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 43; Hufen, Fehler, Rn. 633; Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 266. Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 2, bezeichnet den damit bezweckten Vorrang der Verfahrensökonomie als Anachronismus. Aus der Rechtsprechung zu § 44a VwGO vgl. nur BVerwG NVwZ-RR 1997, 663; OVG Koblenz NVwZ-RR 2003, 374 (LS). 111 Vgl. Geiger in: Eyermann, VwGO, § 44a Rn. 1; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26. 112 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 44. 113 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26; Hufen, Fehler, Rn. 634; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 45 f.; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 226; Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628. Ähnlich Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 4. Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 181, fordert bei Entscheidungen über komplexe Großvorhaben, im Gegensatz zu § 44a VwGO den Beteiligten gerade möglichst oft sowie rechtzeitig Gelegenheit zu geben, Verfahrensfehler rechtzeitig zu rügen und gegebenenfalls gerichtlich klären zu lassen. 114 Vgl. Kment, NVwZ 2007, 274, 275. 115 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26; Hufen, Fehler, Rn. 634; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 39; VGH München NVwZ 1990, 775, 777; BVerfG NJW 1991, 415. 116 Zumindest wird eine begrenzte Anwendung der Norm gefordert. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 37. 117 Vgl. Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 16 f.; ders., NVwZ 2005, 263, 265; Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 5; Hufen, Fehler, Rn. 637; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 227. Anderer Ansicht Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 17: Die Bindung an die Entscheidung in der Sache stelle keine unzumutbare Verkürzung des Rechtsschutzes dar. Zur Vereinbarkeit der Norm mit Art. 19 Abs. 4 GG Eichberger, Die Einschränkung des Rechtsschutzes, S. 224.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

Geltendmachung von Verfahrensrechten dann nicht eingeschränkt werden können, wenn behördlichen Verfahrenshandlungen ein eigenständiger Belastungsgehalt zukommt, der mit dem Angriff der Sachentscheidung nur unzureichend gerügt werden kann.118 Eigenständige prozedurale Rechte wie zum Beispiel der Umweltinformationsanspruch nach § 3 UIG oder der allgemeine Informationsanspruch nach § 1 IFG müssten danach ebenso isoliert geltend gemacht werden können wie Verfahrensrechte von nicht anfechtungsbefugten Personen.119

IV. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern in der Rechtsprechung des BVerwG Da in erster Linie die Verwaltungsgerichte im Rahmen von Anfechtungsklagen über die Aufhebung eines verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakts entscheiden, bestimmen diese auch wesentlich über den Umfang, in dem Verfahrensfehler sanktioniert werden.120 Die vom BVerwG in seiner Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern entwickelten Maßstäbe unterscheiden sich dabei erheblich von den Vorgaben des § 46 VwVfG. In erster Linie kommen in der gerichtlichen Praxis zwar die planfeststellungsrechtlichen Sonderregelungen für Verfahrensfehlerfolgen wie § 17 Abs. 6c S. 2 FStrG, § 20 Abs. 7 S. 2 AEG, § 10 Abs. 8 S. 2 LuftVG, § 19 Abs. 4 S. 2 und § 29 Abs. 8 PBefG zur Anwendung. Nach diesen Normen führt der Verfahrensfehler nur dann zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn er nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann.121 Diese Vorschriften bezwecken, dass der mit viel Aufwand zustande gekommene Planfeststellungsbeschluss nicht wegen eines behebbaren Fehlers aufgehoben und neu erlassen werden muss. Allerdings bestimmen diese Normen auch, dass die Vorschrift des § 46 VwVfG unberührt bleibt. Kann der Verfahrensfehler also nicht durch 118 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 246; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 18; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 227. Dies ist vor allem bei Verfahrensrechten der Fall, die grundrechtliche Positionen enthalten. Vgl. Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 17; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 52 ff. Ziekow, ebd., qualifiziert diese Auslegung als verfassungsrechtlich gebotene Ausnahme von § 44a S. 1 VwGO. 119 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 246; Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 20. 120 Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 38, 41 ff., 44 ff. 121 Dieser Grundsatz der Planerhaltung findet sich auch in den Vorschriften über die Folgen von Abwägungsmängeln. Siehe § 75 Abs. 1a VwVfG und seine Parallelvorschriften in § 214 Abs. 3 S. 2, 2. HS BauGB, § 17 Abs. 6c S. 1 FStrG, § 41 Abs. 6 S. 2 StrWG Schleswig-Holstein, § 54a Abs. 2 Nr. 2 LNatSchG SchleswigHolstein a. F., § 2b Abs. 3 S. 2 RegBkPlG Brandenburg.

IV. Verfahrensfehler in der Rechtsprechung des BVerwG

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ein ergänzendes Verfahren behoben werden, bleibt den Gerichten zu prüfen, ob die Aufhebung der Entscheidung nach § 46 VwVfG ausgeschlossen ist. Bei dieser Prüfung orientieren sich die Gerichte an den vom BVerwG entwickelten Kriterien der Kausalitätsrechtsprechung. 1. Die Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG Schon vor der Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts im VwVfG im Jahr 1976 hielt die Rechtsprechung bestimmte Verfahrensmängel für unbeachtlich, solange die Entscheidung sachlich richtig war.122 Nach Erlass des VwVfG stellte das BVerwG in erweiternder Auslegung des § 46 VwVfG bereits auf die Kausalität des Verfahrensfehlers ab, lange bevor das Kausalitätserfordernis durch die Änderung des § 46 VwVfG im Zuge der Beschleunigungsgesetzgebung in die Norm übernommen wurde.123 Nach 122 Vgl. Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 774; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 43. Eine rechtshistorische Darstellung findet sich bei Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 167 ff. und 253 ff. Die Unbeachtlichkeit begründete das BVerwG später mit dem Ausschluss des Aufhebungsanspruchs oder damit, dass schon die Rechtswidrigkeit der verfahrensfehlerhaften Entscheidung ausgeschlossen sei. Vgl. aus der früheren Rechtsprechung BVerwGE 19, 216, 221: Nicht jeder formelle Mangel führe schon zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung. Ähnlich BVerwGE 27, 295, 301. Ferner BVerwGE 24, 23, 32 f.: Aus der Rechtswidrigkeit folge noch nicht ohne Weiteres, dass die Entscheidung aufgehoben werden müsse. Unentschieden BVerwGE 56, 230, 233. In BVerwGE 75, 214, 228 führte der Verfahrensfehler nur dann zur Rechtswidrigkeit einer Entscheidung, wenn sich der Mangel auf die Entscheidung ausgewirkt haben konnte. Dazu Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 3: „Das ist falsch.“ Ebenso Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 265. Da § 46 VwVfG wie gezeigt lediglich den Aufhebungsanspruch des Betroffenen ausschließt und die Rechtswidrigkeit einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung unberührt lässt, geht die Annahme, ein Verfahrensmangel führe nicht zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung, über den Wortlaut der Norm hinaus. Vgl. Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 265. 123 Die Entscheidungen BVerwGE 69, 256, 269 f.; 75, 214, 228; 78, 280, 284 stellen darauf ab, ob sich der Verfahrensmangel auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat. Dies ist der Fall, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Dazu Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 6; Hufen, Fehler, Rn. 625; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 10; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 202; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 44; Bülow, Relativierung, S. 381. Vgl. auch BTDrucks. 13/3995, S. 8. Siehe zur Entwicklung des Kausalitätskriteriums durch die Rechtsprechung neben den bereits genannten Entscheidungen ferner BVerwG, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 379; BVerwGE 69, 256, 266, 270. Die Rechtsprechung nahm zunächst an, nur ein wesentlicher Verfahrensfehler führe zur Aufhebung einer Prüfungsentscheidung. Im weiteren Verlauf wich die Rechtsprechung weiter vom Gesetzeswortlaut ab und nahm Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers auch dann an, wenn die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen nicht anders ausgefallen wäre. Nach Hufen, Fehler, Rn. 625, wurde das

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

der infolgedessen so genannten Kausalitätsrechtsprechung führen Verfahrensfehler nur zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn der Fehler für die Entscheidung kausal gewesen ist. Der Fehler ist dabei kausal, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen hätte.124 Obwohl die Rechtsprechung sich zur Feststellung der Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers wie § 46 VwVfG n. F. des Kriteriums der Kausalität bedient, weichen ihre Maßstäbe doch erheblich von den gesetzlich normierten ab.125 § 46 VwVfG schließt die Aufhebung des verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakts nur bei offensichtlich vorliegender fehlender Kausalität des Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung aus. Die Norm versucht den Ausnahmecharakter der Unbeachtlichkeit also durch eine doppelte VerneiKriterium der Kausalität zwischen Fehler und tatsächlicher Entscheidung in pragmatischer Umgehung des Gesetzeszwecks von der Rechtsprechung eingeführt. Vgl. auch Bülow, Relativierung, S. 383. 124 So die Formulierung in BVerwGE 100, 238, 252; für § 17 Abs. 6c FStrG so auch BVerwGE 100, 370, 379. Ebenso schon BVerwGE 75, 214, 228; 69, 256, 270; BVerwG NVwZ 1988, 527, 530; BVerwG Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97; BVerwG NVwZ-RR 1996, 253; BVerwG NVwZ 1999, 67. Zuletzt BVerwGE 122, 207, 213; 130, 83, 94. Obergerichtlich ebenso OVG Bautzen SächsVBl 1997, 60, 63. Zur konkreten Möglichkeit einer anderen Entscheidung BVerwGE 69, 256, 269 f.; 106, 81; BVerwG NVwZ 1996, 1011; BVerwG NVwZ 1997, 994; BVerwG NVwZ 1999, 67. Zur Rechtsprechungsentwicklung Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 253 ff. Kritik an der Kausalitätsrechtsprechung bei Breuer in: FS Sendler, S. 357, 380 ff., insbesondere S. 381 f.; Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 129b ff. Kritik am Kriterium der konkreten Kausalität bei Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 261 ff. 125 Vgl. Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 265; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 709: die Vorschrift spiele in der verwaltungsgerichtlichen Praxis eine lediglich nachgeordnete Rolle. Noch deutlicher war die Abweichung hinsichtlich § 46 VwVfG a. F., da es nach dieser Norm nicht darauf ankam, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in irgendeiner Weise beeinflusst hat, sondern lediglich darauf, ob er die Entscheidung beeinflussen konnte, weil sie gesetzlich nicht vollständig determiniert war. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 264. Anders Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 299, der anführt, dass „[. . .] allein die leitsatzartige Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der ‚konkreten Möglichkeit‘ noch nicht als Beleg für eine zu weitreichende Rechtsprechung angeführt werden [. . .]“ könne. Als Beleg für die zum Teil strenge Sanktionierung von Verfahrensfehlern seitens des BVerwG führt Baumeister ein Urteil des BVerwG an, in dem das Gericht die konkrete Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung bereits dadurch verwirklicht sah, dass ein befangener Beamter am Erlass des Planfeststellungsbeschlusses beteiligt war. Siehe BVerwG NVwZ 1988, 527, 530. Das Urteil allein vermag allerdings die generell großzügige Behandlung von Verfahrensverstößen durch das BVerwG nicht zu widerlegen, denn schließlich sind es doch gerade die wiederholten „leitsatzartige[n] Formulierung[en]“, die eine Rechtsprechungstradition begründen und belegen.

IV. Verfahrensfehler in der Rechtsprechung des BVerwG

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nung zu sichern: ist nicht offensichtlich, dass der Verfahrensfehler sich nicht auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben kann, wird die Entscheidung regulär aufgehoben.126 Grundsätzlich ist daher von einer Vermutung für einen Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung auszugehen.127 Auf diese doppelte Sicherung verzichtet die Rechtsprechung, indem sie die verfahrensfehlerhafte Entscheidung nur im Falle einer positiv feststellbaren Kausalität des Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung aufhebt.128 Anders als § 46 VwVfG fragt die Rechtsprechung also nach der tatsächlichen Ursächlichkeit des Fehlers für die getroffene Sachentscheidung und nicht nach der Möglichkeit eines Einflusses des Fehlers auf die Sachentscheidung.129 Bereits der von der Rechtsprechung gewählte Wortlaut macht deutlich, dass die eigentlich reguläre Folge der Aufhebung des verfahrensfehlerhaften, rechtswidrigen Verwaltungsakts vom Regelfall zur Ausnahme wird, die nur noch bei Vorliegen besonderer qualifizierender Umstände greift.130 Während es überdies nach dem Wortlaut des § 46 VwVfG der Behörde obliegt, nachzuweisen, dass der Verfahrensfehler sich nicht auf die Entscheidung ausgewirkt hat,131 ist es nach der Kausalitätsrechtsprechung in der Regel der Kläger, der beweisen muss, dass bei Beachtung des Verfahrensrechts die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung bestand.132 Da bei Ermessens- und Planungsentscheidungen dieser Nachweis schwer gelingt, 126 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 280; Bülow, Relativierung, S. 386. 127 Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 27. 128 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 264. Vgl. die Formulierung in BVerwGE 130, 83, 95, es bestünde „[. . .] kein Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte nach Durchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung eine andere Entscheidung getroffen hätte“ (Hervorhebung von Verfasserin). Dem Verfahrensfehler kommt also nur bei einer „Perpetuierung in der Sachentscheidung“ Bedeutung zu. So Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266, hinsichtlich § 46 VwVfG; hinsichtlich der Rechtsprechung ebenso Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 264. 129 So für § 46 VwVfG Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28. 130 Ähnlich Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 264. 131 Vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 33, 40; Sachs in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 2; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 104; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 151; Bülow, Relativierung, S. 386. 132 Vgl. Ekardt, NuR 2006, 221, 223; Alleweldt, DÖV 2006, 621, 627 unter Hinweis auf BVerwGE 69, 256, 269 f.; 75, 214, 228; 100, 238, 252. Vgl. ferner Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 263 ff., 266 für die Fälle der unterlassenen UVP. Dass diese positive oder negative Relevanzprüfung prozessual zu einer unterschiedlich verteilten Beweislast führt, weist ders. für das französische Recht nach auf S. 195.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

kann der Kläger die Aufhebung einer Entscheidung aufgrund eines Verfahrensfehlers praktisch nicht erreichen.133 Das von § 46 VwVfG zumindest im Normtext noch gewahrte Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern wird von der Kausalitätsrechtsprechung umgekehrt. Die von der Rechtsprechung angewendeten Unbeachtlichkeitsregeln führen folglich in erheblich weiterem Umfang zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern als § 46 VwVfG. Die bewusste Abweichung von der gesetzlichen Vorgabe des § 46 VwVfG zeigt sich ferner auch in der vom BVerwG herangezogenen Begründung der konkreten Kausalität durch allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts.134 So verweist das BVerwG darauf, dass das Verfahrensrecht in erster Linie dazu diene, der Behörde vollständige Informationen zu vermitteln und ihr dadurch eine abgewogene Entscheidung zu ermöglichen.135 Das Kriterium der konkreten Kausalität wird mit dieser der behördlichen Sachverhaltsermittlung dienenden Funktion von Verfahrensrecht insofern in Zusammenhang gebracht, als die Feststellung der rechtlichen Möglichkeit einer anderen rechtmäßigen Entscheidung nur abhängig von der dem jeweiligen konkreten Einzelfall zugrunde liegenden Sachlage getroffen werden könne, die durch Behörde und Gericht ermittelt werden müsse.136 Die abstrakte Betrachtung, ob eine rechtlich zulässige Entscheidungsalternative bestand, wird als für den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs nicht ausreichend angesehen.137 Das Kriterium der konkreten Kausalität geht 133

Alleweldt, DÖV 2006, 621, 627. Kritisch auch Ekardt, NuR 2006, 221, 223. So zum Beispiel BVerwGE 75, 214, 230. Dazu Hufen, Fehler, Rn. 625; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 261, 263, 266 unter Hinweis auf Hien, NVwZ 1997, 422, 424, der das Zögern der Gerichte, eine in jahrelangem Arbeitsfleiß erarbeitete und in einer Fülle von Akten dokumentierte mögliche Lösung eines planerischen oder anderen Problems wegen eines Verfahrensfehlers „vom Tisch zu wischen“, mit einer – unbestimmten – praktischen Vernunft der Richter erklärt. Fisahn kritisiert daher, eine wirkliche Begründung für das Kausalitätskriterium bleibe das BVerwG schuldig; ebd., S. 258, 261. Ähnlich Breuer in: FS Sendler, S. 357, 380. 135 Vgl. BVerwGE 75, 214, 230. Kritik an diesem überkommenen Verständnis der Funktion von Verfahrensrecht bei Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 260. Dieser moniert, dass die Funktion der Beteiligungsrechte als vorgelagerter Grundrechtsschutz aufgrund des hohen Werts der Grundrechte eigentlich dazu führen müsse, dass bereits die abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung ausreiche, um zur Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung zu gelangen. 136 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 293; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 145. 137 So zum Beispiel BVerwG NVwZ 1999, 1218 f., wo das BVerwG auch bei einer gebundenen Entscheidung die Möglichkeit des Beruhens der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler anerkannt hatte. Dazu Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 293. Zur Begründung führt Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 295 f., weiter an, dass nicht jede im Einzelfall noch so fern liegende abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung die Anwendung des § 46 VwVfG ausschließen dürfe, da 134

IV. Verfahrensfehler in der Rechtsprechung des BVerwG

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folglich in seinen Voraussetzungen und seinen Auswirkungen wesentlich über § 46 VwVfG hinaus.138 2. Die Rechtsprechung zur unterlassenen oder fehlerhaften UVP vor Erlass des § 4 UmwRG In konsequenter Fortführung der Kausalitätsrechtsprechung hielt das BVerwG bis zum Inkrafttreten des UmwRG auch einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften der UVP bei fehlender Ergebniskausalität für unbeachtlich.139 Die aus dem Gemeinschaftsrecht stammende UVP140 ist ein vor das eigentliche verwaltungsbehördliche Genehmigungsverfahren gezogenes Prüfverfahren, durch welches frühzeitig und umfassend die Auswirkungen eines konkreten umweltrelevanten Vorhabens141 auf Menschen, Tiere und sonst ein Ausschluss des Aufhebungsanspruchs nach § 46 VwVfG praktisch nur selten in Betracht käme. Dieses Argument ist abzulehnen, da die Auslegung einer Norm nicht davon abhängen darf, ob eine bestimmte Auslegung zu einer häufigen oder nicht so häufigen Anwendung der Norm führt, denn schließlich hat der Gesetzgeber das Gesetz nicht mit Vorgaben hinsichtlich einer bestimmten Häufigkeit der Anwendung versehen. 138 Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 265 f. Dies zeigt das BVerwG selbst durch die von ihm gewählte Formulierung „Das Kausalitätserfordernis findet seine rechtliche Stütze in der [. . .] Vorschrift des § 46 VwVfG [. . .]“ (Hervorhebung von Verfasserin). Kritik am Erfordernis der konkreten Kausalität formuliert Breuer in: FS Sendler, S. 357, 379 ff., insbes. 381 f. 139 Die Anwendung der herkömmlichen Verfahrensfehlerlehre auf die UVP resultiert auch aus dem Fehlen von Sanktionsvorschriften im UVPG. Vgl. Steinberg, DÖV 1996, 221, 222. Kritik bei Erbguth, NuR 1997, 261 f. Zur gerichtlichen Kontrolle der UVP Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 135 ff. Zur Bedeutung der gerichtlichen Kontrolle für die Wirksamkeit der UVP Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 101 ff. Ausführlich zu UVP und Kausalitätsrechtsprechung dies., UVPG, Einl. Rn. 129 ff.; Hien, NVwZ 1997, 422. 140 UVP-RL 85/337/EWG, umgesetzt durch das UVPG vom 12.2.1990, BGBl. I S. 205. 141 Eine detaillierte Auflistung aller UVP-pflichtigen Vorhaben enthält die Anlage 1 zum UVPG. Darunter fallen zum Beispiel Anlagen der Wärmeerzeugung, Anlagen zur Bearbeitung von Rohstoffen, Anlagen der chemischen Industrie und der Mineralölindustrie, Anlagen zur Erzeugung von Nahrungs-, Genuss- und Futtermitteln, Abfallverwertungs- und Beseitigungsanlagen, Anlagen zur Lagerung von Stoffen und Zubereitungen, Kernenergieanlagen, Abfalldeponien, wasserwirtschaftliche Vorhaben, Verkehrsvorhaben, verschiedene bauliche Vorhaben sowie Leitungsund andere Anlagen. Damit muss eine UVP bei den meisten umweltrechtlichen Genehmigungsentscheidungen verpflichtend durchgeführt werden. Siehe auch Dietrich/ Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 92 f. Von der UVP zu unterscheiden ist die Strategische Umweltprüfung (SUP), die nach § 2 Abs. 4, 5 UVPG bei der Aufstellung und Änderung von Plänen und Programmen durchgeführt werden muss. Siehe auch §§ 14 ff. UVPG sowie das SUPG und das EAG Bau.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen, sowie auf Kultur- und Sachgüter ermittelt, beschrieben und bewertet werden, vgl. § 1 Nr. 1 UVPG.142 In Deutschland gilt die UVP nach § 2 Abs. 1 S. 1 UVPG als unselbstständiger Teil von Verwaltungsverfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen.143 Dieser verfahrensrechtliche Charakter der UVP144 veranlasste das BVerwG bisher, die UVP seiner Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern zu unterwerfen. Ein Verfahrensfehler in Form einer fehlerhaft durchgeführten oder gänzlich unterlassenen förmlichen UVP ist nach der Kausalitätsrechtsprechung daher nur beachtlich, 142

Vgl. Haneklaus in: Hoppe, UVPG, Vorbem. Rn. 5; Steinberg, DÖV 1996, 221; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 91; Epiney, Umweltrecht, S. 206; Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 375. Zur UVP eingehend Feldmann in: Rengeling, EUDUR, § 34; ferner Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 63 Rn. 15 ff.; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 90 ff. Zu den einzelnen Verfahrensabschnitten Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 21 ff.; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 36; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 46; Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134. Das Ergebnis des Ermittlungsvorgangs muss nach §§ 1 Nr. 2, 12 UVPG bei der behördlichen Zulassungsentscheidung berücksichtigt werden. Vgl. dazu Bohne in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 217, 239 ff. 143 Vgl. BVerwGE 100, 238, 246 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 63 Rn. 19; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 73; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 10, 16; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 102. Die UVP ist daher keine gesonderte Art von Verwaltungsverfahren, sondern wird in bestehende Verfahren integriert, Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 34, 36; Sparwasser/Engel/ Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 10. Die UVP kann beispielsweise Bestandteil immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren oder von Planfeststellungsverfahren für Deponien nach § 31 KrW-/AbfG sein. Vgl. auch Remmert, Dienstleistungen, S. 74 in Fn. 261. 144 Den rein verfahrensrechtlichen Charakter der UVP stellt das BVerwG heraus in BVerwGE 100, 238, 243 f.; BVerwGE 100, 370, 376. Aus der Literatur ferner Haneklaus in: Hoppe, UVPG, Vorbem. Rn. 4, 7; Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485, 486, 488 ff.; Schink, NuR 2003, 647, 649; Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134; Epiney, Umweltrecht, S. 216. Zum Verfahrensbezug der UVP Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 6 ff. Siehe auch die Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks. 11/3919, S. 27. Strittig ist aber, inwieweit die UVP einen auch materiell-rechtlichen Gehalt aufweist. Dafür VGH München DVBl 1994, 1198, 1200; OVG Koblenz NVwZ 1995, 1025; Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 74; Wolf, Umweltrecht, Rn. 892; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 30; Epiney, Umweltrecht, S. 211; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 94; Peters, UPR 1994, 93 und 281; Erbguth, NuR 1997, 261, 265; Steinberg, DÖV 1996, 221, 228; Walter, EuR 40 (2005), 302, 316; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 46; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266; Lange, DÖV 1992, 780, 781, 786 ff.; Feldmann, UPR 1991, 127. Zumindest für § 12 UVPG so auch Beckmann in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 2. Vgl. auch die Beschlussempfehlung des Umweltausschusses in BTDrucks. 11/5532, S. 38.

IV. Verfahrensfehler in der Rechtsprechung des BVerwG

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wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensverstoß die Entscheidung anders ausgefallen wäre.145 Diese Behandlung der fehlerhaften oder unterlassenen UVP hat allerdings schon früher Widerspruch erfahren. In Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des BVerwG wurde vereinzelt in vorinstanzlichen obergerichtlichen Entscheidungen den Klagen gegen das Fehlen einer förmlichen UVP aufgrund fehlerhafter Abwägung stattgegeben.146 Dabei legte der VGH München an die Kausalität von Verfahrensfehlern einen gegenüber der Rechtsprechung des BVerwG verschärften Maßstab an, indem er feststellte, dass das Unterbleiben einer an sich erforderlichen UVP nur dann nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führe, wenn sich ausschließen lasse, dass der Verfahrensfehler zu einem Abwägungsmangel geführt haben könnte.147 Eine unterbliebene UVP indiziert folglich nach dieser Rechtsprechung in der Regel einen Fehler im Abwägungsvorgang.148 In seinen darauf folgenden Urteilen gestand das BVerwG zwar zu, dass aus dem Fehlen einer UVP grundsätzlich eine Rechtsverletzung resultieren könne, da die UVP der Ermittlung und Bewertung der betroffenen Umweltbelange diene und damit Bestandteil des Abwägungsvorgangs sei.149 Die Leistungen der UVP gingen aber trotz ihrer Bedeutung für die Strukturie145 Grundlegende Urteile dieser Rechtsprechung sind das Urteil vom 25. Januar 1996, 4 C 5.95 („A 60“), abgedruckt in BVerwGE 100, 238, und das Urteil vom 21. März 1996, 4 C 19.94 („Eschenrieder Spange“), abgedruckt in BVerwGE 100, 370, die beide das Fehlen einer förmlichen UVP bei einem straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren bezüglich Autobahnen betreffen; bestätigend das Urteil vom 18. November 2004, 4 CN 11.03, abgedruckt in BVerwGE 122, 207, zum Fehlen einer förmlichen UVP bei einem planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan. Vgl. ferner BVerwG Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97; BVerwG Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 102; BVerwG NVwZ 1994, 688, 690; BVerwG NVwZ 2003, 1120, 1121. Zuletzt bestätigend BVerwGE 130, 83, 95, allerdings beschränkt auf Genehmigungsverfahren, die vor Erlass der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL eingeleitet wurden. Zur gerichtlichen Kontrolle der UVP Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 123 ff. 146 Vgl. OVG Koblenz NVwZ 1995, 1025 (vorinstanzlich zu BVerwGE 100, 238); VGH München DVBl 1994, 1198, 1199 f. (vorinstanzlich zu BVerwGE 100, 370). Dazu Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 137 f.; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 359 ff. Zustimmend Steinberg, DÖV 1996, 221, 226 ff. Dieser kritisiert allerdings mit guten Gründen die daraus gezogene Konsequenz des VGH München, den Beklagten zur nachträglichen Durchführung einer UVP zu verpflichten, ebd., S. 227. Vgl. dazu ferner Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 125 f. 147 VGH München DVBl 1994, 1198, 1199 f. Siehe auch Hien, NVwZ 1997, 422, 424. Diese Formel wird auch in der Rechtsprechung zu Fehlern im Prüfungsverfahren angewendet. Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 268 mit Nachweisen. 148 Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 361. 149 Vgl. BVerwGE 100, 238, 240.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

rung des Abwägungsvorgangs nicht über die bereits bestehenden Anforderungen des Abwägungsgebotes hinaus.150 Folglich könne aus dem Fehlen der UVP nicht geschlossen werden, dass abwägungserhebliche Umweltbelange tatsächlich nicht beachtet wurden, da die unterlassene UVP nicht zwingend die Fehlerhaftigkeit der Abwägung zur Folge haben müsse.151 Zudem hielt das BVerwG einen Abwägungsmangel nach § 17 Abs. 6c FStrG nur für erheblich, wenn ihm Ergebniskausalität zukomme, was die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung voraussetzt.152 Das bedeute für die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers wiederum, dass auch die Verletzung von UVP-Vorschriften nur von Einfluss auf das Abwägungsergebnis sei, wenn die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die Planfeststellungsbehörde bei korrekter Durchführung der UVP eine andere Entscheidung in der Sache getroffen hätte.153 Das Fehlen der erforderlichen UVP könne für sich gesehen jedenfalls nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen, solange dies keinen – materiellen – Mangel in der Abwägung zur Folge habe.154 Diesen Mangel hätten die Kläger aber nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Diese Formulierung zeigt erneut, dass die Kausalitätsrechtsprechung in der Praxis dem Kläger die Darlegungslast für die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung aufbürdet und somit das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt.155 Auch unter dem Blickwinkel der Entwicklung des Kriteriums der konkreten Möglichkeit einer anderen Entscheidung ist dessen weitreichende Anwendung auf ganz unterschiedliche Rechtsbereiche und Fallgestaltungen bedenklich.156 Zunächst wandte das BVerwG das Kriterium in einem Fall an, 150

BVerwGE 100, 238, 247; 100, 370, 376. BVerwGE 100, 238, 246 f.; 100, 370, 376. Zustimmend Peters/Balla, UVPG, Einl. Rn. 67. Im vorliegenden Fall lehnte das Gericht einen Abwägungsfehler auch deswegen ab, weil die Außerachtlassung eines abwägungsrelevanten Umweltbelangs jedenfalls nicht ausreichend dargelegt worden sei, vgl. BVerwGE 100, 238, 247 f. 152 BVerwGE 100, 238, 250; BVerwGE 100, 370, 379 f. 153 Vgl. BVerwGE 100, 238, 252; zuvor schon BVerwG Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97; zur unterlassenen Planauslegung BVerwG NVwZ 1999, 67; zum Beteiligungsrecht eines Naturschutzvereins BVerwG NVwZ 2003, 1120, LS und S. 1121. Kritisch zu dieser Rechtsprechung Schink, NuR 1998, 176; Erbguth, UPR 2003, 324; Scheidler, NVwZ 2005, 863, 866 f. 154 BVerwGE 100, 238 (LS 4). Siehe dazu Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 265. 155 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 266. Anders dagegen VGH München DVBl 1999, 1198, der die Darlegungslast der Behörde zuschreibt. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 362. Kritik bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 299, der diese Anforderungen zumindest für die Fälle der unterlassenen UVP für überzogen hält. 156 Gegen die unbesehene Übertragung des Arguments der ausgeschlossenen Alternativentscheidung auf unterschiedliche Fallgestaltungen daher Fisahn, Öffentlich151

IV. Verfahrensfehler in der Rechtsprechung des BVerwG

67

in dem das Gericht die Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Behörde überprüfen musste, der lediglich zwei Entscheidungsalternativen zuließ.157 In einem derart gelagerten Fall kann die Frage nach einer anderen möglichen Entscheidung unproblematisch beantwortet werden, da bei einer auf zwei Möglichkeiten beschränkten Entscheidungssituation die Vollständigkeit der erforderlichen Tatsachenermittlung vom Gericht ebenso nachprüfbar ist wie die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs. Eine solch eindeutige Konstellation ist allerdings in den für das Umweltrecht charakteristischen Beteiligungsverfahren mit anschließender Abwägungsentscheidung selten gegeben.158 So erkennt auch das BVerwG in einer neueren Entscheidung grundsätzlich an, dass die planungsrelevanten Umweltbelange in der Abwägung nicht wie sonstige Belange berücksichtigt werden dürften, wenn der spezifischen Funktion des UVP-Verfahrens für den Abwägungsprozess Genüge geleistet werden solle.159 Diese bestehe darin, dass die UVP die Umweltauswirkungen eines Vorhabens nicht einzeln, sondern in gebündelter Form und damit mit ihrem ganzen Gewicht in die Abwägung einstelle.160 Dadurch erhalte der Abwägungsvorgang eine veränderte Struktur, die in Bezug auf die Umweltbelange zu einer erhöhten Richtigkeitsgewähr beitrage.161

keitsbeteiligung, S. 172. Dieser kritisiert die fehlende Folgenreflexion des BVerwG und die fehlende systematische Einordnung des von der Rechtsprechung entwickelten Arguments. 157 BVerwGE 19, 216, 221 f. In dem Verfahren ging es um die Zwangspensionierung eines Beamten und damit um eine Entscheidung, die sich in der Auswahl zwischen lediglich zwei Entscheidungsalternativen für die Behörde erschöpft. Dazu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 168 ff. 158 So Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 170. 159 BVerwGE 122, 207, 210. 160 So auch Wegener, ZUR 1996, 324, 325. 161 BVerwGE 122, 207, 211 f.; so auch schon BVerwGE 100, 238, 246; 100, 370, 376. Ebenso Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 33; Schink, NuR 2003, 647, 649; Epiney, Umweltrecht, S. 206; Wegener, ZUR 1996, 324, 325. Im Ergebnis schließt das BVerwG bei konkreter Betrachtungsweise trotzdem die Möglichkeit aus, dass das Fehlen einer förmlichen UVP im Sinne des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB von Einfluss auf das Entscheidungsergebnis gewesen sein könne, da die vorgetragenen Abwägungsmängel in der Gesamtschau keine wesentliche Rolle spielten; vgl. BVerwGE 122, 207, 209. Ähnlich die Entscheidung BVerwGE 130, 83, 96, die zwar das Fehlen der UVP-typischen Vorab-Bündelung der Umweltbelange feststellt, sogleich aber darauf hinweist, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Bündelung das Gewicht der Umweltbelange so verstärkt hätte, dass diese sich in der Abwägung gegen die für das Vorhaben ins Feld geführten Belange hätten durchsetzen können.

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2. Kap.: Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht

V. Konsequenzen der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern Es wurde gezeigt, dass § 46 VwVfG die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften, aber materiell rechtmäßigen Entscheidung in weitem Umfang einschränkt. Auch das BVerwG hält Verfahrensfehler im Hinblick auf die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung für größtenteils unbeachtlich. Nach § 44a VwGO ist zudem bereits die Möglichkeit der Erhebung einer Klage ausgeschlossen, die sich lediglich gegen eine Verletzung von Verfahrensvorschriften richtet. Insbesondere das Zusammenwirken von § 44a VwGO mit § 46 VwVfG162 führt dazu, dass ein Verfahrensfehler insgesamt ohne wirksame Sanktion bleiben kann, weil die Entscheidung bei vermuteter sachlicher Richtigkeit entweder schon nicht isoliert angefochten oder aber nicht wegen des Verfahrensfehlers aufgehoben werden kann.163 So blieb bisher auch die unterbliebene oder fehlerhafte UVP nach der Kausalitätsrechtsprechung ohne Folgen, weil Verstöße gegen die Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts für den Erfolg einer Klage gegen ein UVP-pflichtiges Vorhaben grundsätzlich nicht entscheidend sind.164 Die Vorschrift des § 4 UmwRG scheint dieser Rechtsprechung nun die Grundlage zu entziehen, indem sie anordnet, dass das Fehlen einer förmlichen UVP stets zur Aufhebung der Entscheidung führt. Dies wirft allerdings die Frage auf, welche Gründe für eine strengere Fehlersanktionierung gerade bei der UVP sprechen. Kann vielmehr gezeigt werden, dass im Umweltrecht dem Verwaltungsverfahren und dem Verfahrensrecht auch außerhalb des UVP-Verfahrens eine bedeutende Rolle zukommen, könnte dies Anlass sein, die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Umweltrecht generell auszuweiten. Schließlich weisen die insbesondere in der Verwaltungsrechtslehre geäußerte grundlegende Kritik und die seit Erlass des VwVfG andauernde Auseinandersetzung mit der Unbeachtlichkeitsvorschrift des § 46 VwVfG165 darauf hin, dass Funktion und Bedeutung des Verwaltungs162

So Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 4. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 45; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 68; Hufen, Fehler, Rn. 633 ff., 635. Ferner Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 3; Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628. Deutliche Kritik bei Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 2; ders., NVwZ 2005, 263, 264. Dagegen hält Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 68, diese Rechtsfolge für verfassungsrechtlich noch hinnehmbar. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 267 f., wendet sich gegen die verbreitete Annahme, § 46 VwVfG schließe regelmäßig die Sanktionierung von Verfahrensfehlern aus, da neben der Aufhebung weitere Sanktionen wie die Feststellung der Rechtswidrigkeit möglich blieben. 164 Schink, NuR 1998, 173, 179. Ähnlich Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 267. 163

V. Konsequenzen der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern

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verfahrens weitaus differenzierter zu beurteilen sind, als die Behandlung verfahrensrechtlicher Vorschriften nach § 46 VwVfG und in der gerichtlichen Verfahrenskontrolle insbesondere des BVerwG vermuten lässt.166 Zur Prüfung dieser These ist im Folgenden zunächst der Frage nachzugehen, welche Aussage über den Stellenwert des Verwaltungsverfahrens der weitgehenden Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern bei der gerichtlichen Aufhebungsentscheidung entnommen werden kann und inwieweit dieses Verfahrensverständnis einer differenzierten Betrachtung der Funktion und Bedeutung des Verwaltungsverfahrens insbesondere im Umweltrecht gerecht wird, ehe sich die Untersuchung im Anschluss der Frage zuwendet, welche dogmatische Rechtfertigung für oder gegen eine weitgehende Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht anzuführen sein kann.

165

Zur Kritik an § 46 VwVfG siehe die Nachweise in Fn. 79. Insoweit bezeichnend der Titel des Aufsatzes von Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, „Der Verfahrensgedanke im allgemeinen Verwaltungsrecht. Anspruch und Wirklichkeit nach 15 Jahren VwVfG“. Dazu im 4. Kapitel unter II. 3. a). 166

3. Kapitel

Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens In jeder Verfahrensordnung ist die Frage nach Verstößen gegen Verfahrensvorschriften von grundlegender Bedeutung. Für die Folgen von Verfahrensfehlern gilt generell, dass einerseits nicht jede Folgenmaximierung zu einer Verbesserung der Verfahrenssituation beiträgt, während andererseits Fälle klarer Verfahrensverstöße nicht sanktionslos bleiben dürfen.1 Damit bewegt sich die Verfahrensfehlerlehre im Spannungsfeld von Verwaltungseffizienz, Gesetzesbindung und Bestandserhalt von Entscheidungen.2 Die Folgen, die Verfahrensfehlern eingeräumt werden, treffen also eine wesentliche Aussage über das Selbstverständnis einer Verfahrensordnung sowie über die Stellung des Verfahrensrechts im Verhältnis zum materiellen Recht.3 Die weitgehende Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG und in der Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG bietet dabei Grund zu der Annahme, dass zumindest Gesetzgeber und Rechtsprechung dem Verwaltungsverfahrensrecht eine weitaus geringere Bedeutung für die Steuerung staatlicher Entscheidungsprozesse zuweisen als dem materiellen Verwaltungsrecht.4 Dafür kann zum einen angeführt werden, dass das Merk1 Vgl. Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 44. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 290, spricht insofern von einem Feld konfligierender Zielvorstellungen, in dem sich die Verfahrensfehlerfolgenlehre bewege. 2 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 212; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 45 Rn. 1 und § 46 Rn. 10; Sodan, DVBl 1999, 729, 736; Bonk, NVwZ 1997, 320, 324. Vgl. ferner Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 16. Zum Spannungsverhältnis von Rechtsbindung der Verwaltung und Verfahrenseffizienz Niedobitek, DÖV 2000, 761, 762 ff. 3 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 1; Hufen, Fehler, Rn. 8; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 51. Schmidt-Preuß in: FS Maurer, S. 777, 786, zählt die angemessene Behandlung von Verfahrensfehlern daher zu den grundlegenden Aufgaben des allgemeinen Verwaltungsrechts. Vgl. ferner Bonk, NVwZ 1997, 320, 324: Die gesetzliche Behandlung von Verfahrensfehlern als Kernbereich des Verwaltungsverfahrensrechts. 4 Sogar von einer in der Fehlerfolgenregelung des VwVfG liegenden „Geringschätzung“ des Verwaltungsverfahrensrechts sprechen Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 4; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 765; ebenso Steinberg, DÖV 1996, 221, 231, hinsichtlich der Rechtsprechung zur unterlassenen oder fehlerhaften UVP; ähnlich Eh-

I. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens

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mal der Kausalität die Gerichte bei der Prüfung von Verfahrensfehlern dazu zwingt, hypothetische Entscheidungsabläufe der eigentlich zuständigen Behörde nachzuvollziehen und damit das ursprüngliche Verwaltungsverfahren zu ersetzen. Zum anderen deutet die in § 46 VwVfG und § 44a VwGO sichtbare gesetzgeberische Tendenz, Verfahrensfehlern nur nachzugeben, wenn sie sich auf die materiell-rechtliche Entscheidung ausgewirkt haben können, darauf hin, dass dem materiellen Recht ein Vorrang gegenüber dem als dienend angesehenen Verwaltungsverfahrensrecht eingeräumt wird.5 Die Erörterung dieser These erfordert zunächst, den hier zugrunde gelegten Begriff des Verwaltungsverfahrens zu definieren.6

I. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens 1. Verfahren als Entscheidungsprozess Ein rechtliches Verfahren stellt einen planmäßigen Entwicklungsprozess dar, der auf die Gestaltung oder Feststellung von materiellen Rechten, Pflichten oder Rechtslagen durch eine förmliche oder nichtförmliche Entscheidung7 als rechtliches Ergebnis des Verfahrens gerichtet ist.8 Dementlers, Die Verwaltung 31 (1998), 53 f. Einen „Nachrang des Verfahrensrechts“ gegenüber dem materiellen Recht konstatieren Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 36; Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41. Von einer „de lege lata [. . .] schwachen Position“ des Verfahrensrechts spricht Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264. Differenziert Bergner, Grundrechtsschutz, S. 300: dem Verfahrensrecht komme eine „[. . .] komplementäre Funktion in Bezug auf das materielle Recht [. . .]“ zu. 5 Vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 9; Geiger in: Eyermann, VwGO, § 44a Rn. 1; Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 3; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26; Hufen, Fehler, Rn. 633. Verfassungsrechtlich begründete Kritik an der Verkürzung des Rechtsschutzes aus verfahrensökonomischen Gründen bei Terhechte in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwGO, § 44a Rn. 4; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 2; Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 5; Hufen, Fehler, Rn. 634 f. Zur Frage der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht Terhechte, ebd., Rn. 8. 6 Zum Verwaltungsverfahren grundlegend Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118. 7 Zum Charakter staatlicher Entscheidungen Krebs, Kontrolle, S. 31 ff., 33 f. 8 Vgl. Badura in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 33 Rn. 7. Ferner Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 5 und S. 195; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 28 f.; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 18; Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489; Heinrich A. Wolff, VR 1996, 367. Luhmann, Legitimation, S. 40, betont insbesondere die Ungewissheit des Entscheidungsausgangs, die nicht durch eine mechanische Abfolge alternativloser Vorgänge, sondern durch selektive Entscheidungen der Verfahrensbeteiligten nach und nach strukturiert und damit aufgelöst werde. Ähnlich Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 772. Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 33: Entscheidung als se-

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

sprechend bezeichnet die Legaldefinition des § 9 VwVfG als Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrags gerichtet ist, einschließlich des Erlasses des Verwaltungsaktes oder des Abschlusses des öffentlich-rechtlichen Vertrags.9 Diese Definition erfasst weder diejenigen verwaltungsrechtlichen Verfahren, die nicht im Erlass eines Verwaltungsakts oder im Erlass eines öffentlich-rechtlichen Vertrages münden,10 noch die in verwaltungsrechtlichen Gesetzen außerhalb des VwVfG kodifizierten Verwaltungsverfahren.11 In einer grundlegenden Entscheidung zur Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG a. F. definiert quenzhafte Folge von Teilentscheidungen. Daher kann staatliche Entscheidung sowohl als abgeschlossenes Ergebnis eines Entscheidungsprozesses als auch als dessen Teilstück und somit als lediglich relativer Endpunkt eines in sich abgeschlossenen Entscheidungsprozesses verstanden werden. Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 33; Remmert, Dienstleistungen, S. 15 mit Fn. 13. Ähnlich Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 150. Kritisch zur Ausrichtung des Verfahrensbegriffs auf eine Entscheidung Laubinger in: König/Merten, Verfahrensrecht, S. 47, 53. 9 Damit liegt dem VwVfG ein eher materieller Verfahrensbegriff zugrunde. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 6. Verfahren des VwVfG sind das nicht-förmliche Verfahren, das förmliche Verfahren, das Planfeststellungsverfahren und das Rechtsbehelfsverfahren. Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 19 Rn. 11 ff.; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 3 ff. Das so genannte Massenverfahren bei Anlagengenehmigungen großen Ausmaßes stellt demgegenüber rechtlich kein gesondertes Verfahren dar. Maurer, ebd., Rn. 7. 10 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 2; Heinrich A. Wolff, VR 1996, 367, 368. Keine Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG sind also andere auf den Erlass außenwirksamer Maßnahmen gerichtete Verfahren der öffentlichen Verwaltung wie Normsetzungsverfahren, privatrechtliches Verwaltungshandeln, Verfahren zum Erlass von Verwaltungsvorschriften, verwaltungsinterne Verfahren und Realakte. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 7 f.; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 2; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rn. 3, § 19 Rn. 9. Diese Verfahren werden aber als Verwaltungsverfahren im weiteren Sinne betrachtet. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 7 f.; Hufen, Fehler, Rn. 10, 426 ff., insbes. Rn. 427 ff., 446 ff., 476 ff., 488 ff.; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 1; Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 8; Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 122. Kritik an der Beschränkung des VwVfG auf lediglich zwei Handlungsformen bei Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 11; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 33 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 72. Ferner Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41. 11 Vgl. Bonk/Schmitz, VwVfG, § 1 Rn. 21; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 2; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 7. Verfahren außerhalb des VwVfG sind das Vollstreckungsverfahren, das Ordnungswidrigkeitenverfahren, das Verfahren nach der AO und das Sozialverfahren nach SGB AT und SGB X mit der Legaldefinition in § 8 SGB X. Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 394. Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 10, erwähnt ferner die fachgesetzlichen Verfahrensregelungen des BImSchG, des AtG und des AsylVfG.

I. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens

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das BVerfG daher als Vorschriften über das Verwaltungsverfahren jedenfalls solche gesetzlichen Bestimmungen, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungsund Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln.12 Diese Definition enthält den Gedanken, dass das Verwaltungsverfahrensrecht das Zustandekommen einer Verwaltungsentscheidung und nicht deren Ergebnis regelt.13 In gleicher Weise begreifen auch andere Begriffsbestimmungen Verwaltungsverfahren beispielsweise als „[. . .] Erzeugungsmittel des Verwaltungsprodukts [. . .]“14, als „[. . .] auf den Erlass einer Entscheidung, die Vornahme einer sonstigen Maßnahme oder den Abschluss eines Vertrages gerichtete Tätigkeit der Verwaltungsbehörden [. . .]“15, als „[. . .] planvoll geordnete Vorgänge der Informationsgewinnung und -verarbeitung, die der Hervorbringung administrativer Entscheidungen dienen [. . .]“16 oder, allgemeiner, als „[. . .] Verwirklichungsmodus des Verwaltungsrechts [. . .]“.17 Diese begriffliche Anbindung des Verwaltungsverfahrens an das Zustandekommen einer Entscheidung ist insofern zutreffend, als 12 BVerfGE 55, 274, 320 f. unter Hinweis auf BVerfGE 37, 363, 390. Vgl. dazu Dittmann in: Sachs, GG, Art. 84 Rn. 9 ff.; Lerche in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 33. Vgl. den formalen Verfahrensbegriff Bettermanns, VVDStRL 17 (1959), 118, 119: Verwaltungsverfahren ist das Verfahren der Verwaltungsbehörden. Ähnlich Remmert, Dienstleistungen, S. 16. 13 Vgl. Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 21, 39; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 6; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rn. 3; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 26; Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 123. Dafür wird das Bild des Verwaltungsverfahrens als Weg zum Ziel der behördlichen Entscheidung verwendet, so Schmidt-Preuß in: FS Maurer, S. 777, 785; ders., NVwZ 2005, 489; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 1; ferner die Formulierung in BVerfGE 37, 363, 390. Kritik an der Fixierung auf die Hervorbringung einer Entscheidung bei Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 320 f. 14 Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 41. 15 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 1. 16 Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 1; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 1. Vgl. auch Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 288; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 193 ff.; Hufen, Fehler, Rn. 46 ff.; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 23 f. Ähnlich Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 30, 41. 17 Vgl. Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 153. Zustimmend Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 24. Ähnlich auch Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 12: Prozess der Rechtsverwirklichung. Beispielsweise hat das Verwaltungsverfahrensrecht die Handlungs- und Organisationsformen bereitzustellen, mithilfe derer das materielle Verwaltungsrecht

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

staatliche Verwaltungstätigkeit das „[. . .] Ergebnis eines vorangehenden prozesshaften Ablaufs [. . .]“ ist.18 Nach den angeführten Definitionen könnte auf den ersten Blick der Verfahrensbegriff auf den der staatlichen Entscheidung vorangehenden prozesshaften Ablauf beschränkt bleiben. Ein solcher Verfahrensbegriff stellt dem die Entscheidung vorbereitenden Verfahren die Normen des materiellen Verwaltungsrechts gegenüber.19 Indem diese die Voraussetzungen festlegen, unter denen Behörden und Bürgern bestimmte Rechte und Pflichten zustehen, sollen sie bestimmen, wie das Ergebnis inhaltlich auszufallen hat.20 Aus dieser Trennung des Entscheidungsprozesses in den Verfahrensteil als Vorbereitung der Entscheidung und den materiellen Teil als eigentliche inhaltliche Entscheidung folgt der Gedanke, dass das Verfahren der Vorbereitung der Entscheidung dient und damit eine dem materiellen Recht untergeordnete Rolle einnimmt.21 Es ist jedoch fraglich, ob der Begriff der staatlichen Entscheidung lediglich die inhaltliche Entscheidung als Ergebnis des vorangehenden Entscheidungsprozesses erfasst. Denn jede staatliche Entscheidung lässt sich als „[. . .] – relativer – Endpunkt eines auf eine Alternativenwahl zulaufenden, prozesshaften Vorganges der Sammlung, Auswahl und Bewertung von Informationen mit dem Ziel der konkretisierenden Umsetzung von Normzwecken in die soziale Wirklichkeit [. . .]“ beschreiben.22 Nach diesem Verständnis bleibt die staatliche Entscheidung – in Abgrenzung zur Tathandlung – in der prozesshaften Abfolge der Konkretisierung und Realisierung von Staatszwecken nicht auf einen bestimmten Punkt fixiert.23 Entscheiden verwirklicht werden kann. So Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 104, 499 f., 504. 18 Remmert, Dienstleistungen, S. 14. Bader, Verwaltungsverfahren und materielles Recht, S. 21, bezeichnet das notwendige schrittweise Abarbeiten von Konflikten als Grundproblemlage des öffentlichen Rechts. 19 So Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 123. Vgl. die Abgrenzung bei Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 12. 20 Vgl. Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 39; Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 3; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rn. 2, 7 f.; Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 123. Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 12: Das materielle Recht liefert den Entscheidungsmaßstab. 21 Vgl. Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41. Kritisch Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 629, der den Verfahrensbegriff stärker auf die Entscheidung ausrichtet. 22 Siehe insbesondere Krebs, Kontrolle, S. 27 f.; Remmert, Dienstleistungen, S. 15 mit ausführlicher Begründung. Der Gedanke der Konkretisierung und Verwirklichung von Staatszwecken durch die Verwaltung findet sich etwa bei Erichsen, VerwArch 70 (1979), 249, 255. Auch Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 40 f., sieht die Entscheidung als durch das Moment der Auswahl charakterisiert.

I. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens

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umfasst vielmehr sowohl den Vorgang des Entscheidens als auch das Entscheidungsergebnis selbst, woraus der prozesshafte Charakter staatlichen Entscheidens resultiert.24 Das auf diesen Entscheidungsablauf bezogene Verfahren bezeichnet daher nicht nur die Vorbereitung der Entscheidung, sondern den gesamten Entscheidungsprozess selbst, der einer staatlichen Tätigkeit vorangeht.25 2. Verwaltungsakte als Verfahrensziel Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist der Begriff des Verwaltungsverfahrens auf solche Verfahren einzugrenzen, auf die § 46 VwVfG anzuwenden ist. Da § 46 VwVfG das Bestehen eines Verwaltungsakts voraussetzt,26 sind hier nur umweltrechtliche Entscheidungsverfahren von Interesse, die im Erlass eines Verwaltungsakts münden.27 Die Vielzahl umweltrechtlich relevanter Planungsentscheidungen,28 die nicht als Verwaltungsakt erge23

Krebs, Kontrolle, S. 28. Ebenso Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 45; Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 629; Siegel, Entscheidungsfindung, S. 35. 24 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 31; Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 43; Siegel, Entscheidungsfindung, S. 35. So auch schon Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 139: „Die für den Vollzug des Gesetzes erforderliche Realisierung, Konkretisierung, und Individualisierung der hypothetischen Regelung in der abstrakten und generellen Norm bedingt nicht nur ein Verfahren, sondern ist ein Verfahren, eine Prozedur [. . .]“. Ähnlich Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 149: Verwaltungsverantwortung als Entscheidungsprozess. 25 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 98; Remmert, Dienstleistungen, S. 16; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 193. Ferner Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 288: Verfahren als Entscheidungsverfahren. Siehe auch Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 149 f.: Der Entscheidungsprozess setze sich aus dem Verfahren der Entscheidungsfindung und der Entscheidung als formalisiertem Verfahrensabschluss zusammen. Ähnlich Hufen, Fehler, Rn. 8, 46: Verwaltungsverfahren als Prozess der Herstellung verbindlicher Entscheidungen und somit der Entstehung von Recht. Vgl. ferner Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 629. 26 § 46 VwVfG gilt für Verwaltungsakte, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nach dem VwVfG erlassen wurden. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 6; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 3. 27 Umweltrechtliche Entscheidungsverfahren unterliegen grundsätzlich den Vorschriften des VwVfG, soweit sie im Erlass eines Verwaltungsakts oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrags münden. Darüber hinaus erfahren umweltrechtliche Entscheidungsverfahren aber auch spezielle Ausprägungen durch fachgesetzliche Regelungen. Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 2 f. 28 Bei der umweltrechtlichen Planung ist zu unterscheiden zwischen der spezifisch umweltrechtlichen Fachplanung, die gerade der Durchsetzung von Umweltbelangen dient (zum Beispiel Schutzgebietsausweisungen nach §§ 22 ff. BNatSchG, Luftreinhalte- und Lärmminderungspläne nach §§ 47, 47a BImSchG, Abfallwirtschaftspläne nach § 29 KrW-/AbfG; vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 21;

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

hen,29 wird im vorliegenden Zusammenhang nicht behandelt. Bedeutsam ist aber die umweltrelevante Planung, die auf die Zulassung bestimmter Vorhaben wie den Bau von Straßen, Schienenwegen, Bundeswasserstraßen und Flughäfen gerichtet ist. Sie erfordert zumeist die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nach §§ 72 ff. VwVfG, vgl. §§ 17 FStrG, §§ 18 ff. AEG, §§ 14 ff. WaStrG, § 8 LuftVG.30 An dessen Ende erfolgt die Genehmigung des raumbezogenen Vorhabens ebenfalls durch einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG.31 Umweltrechtlich relevant sind zudem Genehmigungsentscheidungen über die Zulässigkeit großer Industrieanlagen.32 Da diese Anlagen in der Regel potentiell umweltgefährdend sind, stehen ihre Errichtung und ihr Betrieb unter dem Vorbehalt einer Erlaubnis für den meist privaten Betreiber. Bei dieser so genannten Kontrollerlaubnis handelt es sich um ein präventives Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 25; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 100), und der raumbezogenen Gesamtplanung, bei der Umweltschutzbelange lediglich als ein Abwägungsbelang unter anderen in die Entscheidung einbezogen werden (zum Beispiel die Bauleitplanung, § 1 Abs. 1 und 6 BauGB). Vgl. dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 7, 19 ff.; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 63 ff.; Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9 ff.; Schmidt/ Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 24 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 88 ff., 106 f. 29 Beispielsweise wird der gemeindliche Bebauungsplan nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung erlassen. Zur Umweltplanung gehören ferner zum Beispiel die Umweltprogramme von Bundes- und Landesregierungen, vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 20. 30 Vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 25; Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ ders., Kontrolle, S. 9 ff.; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 3; Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 99. Siehe nur §§ 28 Abs. 1, 41 Abs. 1 PBefG; § 31 Abs. 2 S. 1 WHG; § 41 Abs. 3 FlurbG; § 52 Abs. 2a S. 1 BBergG; §§ 2 ff. MBPlG; vgl. zudem § 31 Abs. 2 S. 1 KrW-/AbfG und §§ 9b Abs. 1 S. 1, 9a Abs. 3 AtG für spezifisch umweltrechtliche Planungen. Die Umweltrelevanz des Planfeststellungsrechts beschreiben Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 73 f. 31 Vgl. Bonk/Neumann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 72 Rn. 4, § 74 Rn. 17 ff.; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 2, 13. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 29 siedelt die Planfeststellung daher im Übergangsbereich zwischen Planung und administrativer Kontrolle an. Zu umweltrechtlich relevanten Planfeststellungsverfahren Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 63 ff. 32 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9 f. Beispielhafte Auflistung solcher Großanlagen in Anlage 1 der UVP-RL. Zur schwierigen Abgrenzung von Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 29; Schmidt-Aßmann, ebd., S. 9, 14 f.; Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 97 ff., 99 f. Auch das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren gilt als zwischen förmlichem Verwaltungsverfahren und Planfeststellungsverfahren angesiedelt. Vgl. Wolf, Umweltrecht, Rn. 887.

II. Die Bedeutung des Verfahrens

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Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.33 Dabei wird lediglich die Übereinstimmung des Vorhabens mit den rechtlichen Vorgaben geprüft. Sind diese erfüllt, hat der Antragsteller einen Anspruch auf die Erteilung der Kontrollerlaubnis, die daher eine gebundene Verwaltungsentscheidung ist.34 Die Genehmigung ergeht dabei ebenfalls in Form eines Verwaltungsakts nach § 35 S. 1 VwVfG.35 Umweltrechtliche Entscheidungsverfahren, die im Erlass eines Verwaltungsakts münden, sind also das einfache und das förmliche Genehmigungsverfahren36 sowie das Planfeststellungsverfahren.37 Auf diese Arten von Entscheidungsverfahren beschränkt sich die vorliegende Arbeit. Der hier zugrunde gelegte Begriff des Verwaltungsverfahrens ist folglich enger als der des § 9 VwVfG.

II. Die Bedeutung des Verfahrens im Lichte der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern Die Aussage, die der Behandlung von Verfahrensfehlern über den Stellenwert des Verwaltungsverfahrens im deutschen Recht zu entnehmen ist, lässt sich aus zwei Perspektiven bestimmen, nämlich aus dem Verhältnis des Verfahrensrechts zum materiellen Recht und aus seinem Verhältnis zur gerichtlichen Kontrolle.

33 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 46 ff., 55; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 63; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 30; Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 33. Im Gegensatz dazu kann bei einer generell als umweltschädlich eingestuften und daher verbotenen Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung erteilt werden, ohne dass darauf ein Anspruch besteht, so genanntes repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt, vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 31. Allgemein werden die gesetzlichen Genehmigungs- und sonstigen Verfahren, die der Ausübung einer potentiell umweltgefährdenden Tätigkeit vorgeschaltet sind, als Eröffnungskontrollen bezeichnet, vgl. Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 74; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 62. 34 So zum Beispiel § 6 Abs. 1 BImSchG. Vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 26; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 55; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 65. 35 Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 71. 36 Der wichtigste Fall umweltrechtlicher Anlagenzulassung ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach §§ 4 und 6 BImSchG. 37 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 69; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 89 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 2; Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 63. Auf Planfeststellungsbeschlüsse ist § 46 VwVfG anwendbar. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 79; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 6; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 85.

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

1. Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Entscheidung in der Sache Nach § 46 VwVfG und in der Rechtsprechung des BVerwG zu Verfahrensfehlern werden Fehler im Verfahrensablauf nicht losgelöst vom materiellen Recht beurteilt und sanktioniert. Der Kausalitätszusammenhang zwischen dem Verfahrensfehler und seiner möglichen Auswirkung auf die Entscheidung in der Sache richtet das Verwaltungsverfahrensrecht vielmehr gerade auf das inhaltliche Ergebnis einer Entscheidung als das Ziel des Verwaltungsverfahrens aus.38 Nach diesem Verständnis dient das Verwaltungsverfahrensrecht der Durchsetzung und Verwirklichung des materiellen Rechts im Sinne der Hervorbringung einer sachlich richtigen Entscheidung.39 Aus dieser Ausrichtung des Verfahrens auf das Ergebnis der Verwaltungstätigkeit und seiner inhaltlichen Aussage als punktueller, abschließender Größe40 wird zum Teil gefolgert, dass dem Verwaltungsverfahren lediglich eine Hilfsfunktion gegenüber dem materiellen Recht zukomme.41 Die Einhaltung der Verfahrensregeln verfolge neben der Verwirklichung der materiellen Rechtmäßigkeit keinen eigenständigen Zweck.42 So hat der Gesetzgeber auch nur in Ausnahmefällen unabhängig von einer materiellrechtlichen Betroffenheit bestehende Verfahrensrechte erlassen.43 Dem Verfahren wird daher herkömmlich eine dienende Funktion gegenüber dem materiellen Recht zugeschrieben.44 Diese dienende Funktion des Verfahrens38

Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 7, 9; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; Stelkens in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 44a Rn. 3; Hufen, Fehler Rn. 586; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 49 Rn. 51; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 57; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 169; Schmitz/Olbertz, NVwZ 1999, 126, 129; Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 336 f.; Bonk, NVwZ 1997, 320, 322, 324; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958; zuletzt Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41. Siehe ferner VGH Mannheim VBlBW 1988, 302; BVerwG NVwZ-RR 1998, 22, 23; BTDrucks. 13/1445, S. 6. 39 Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490. 40 Dies konstatiert Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 193. Ähnlich Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Hufen, Fehler, Rn. 586; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 336 f. 41 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 8; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 26; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 25; Pöcker, DÖV 2003, 980. Dagegen Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490. Allerdings unterstreicht gerade das von Schmidt-Preuß in: FS Maurer, S. 777, 785 verwendete Bild des Verfahrensrechts als Weg zum Ziel der administrativen Sachentscheidung dessen Hilfsfunktion. 42 Vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Bonk, NVwZ 1997, 320, 322. So auch die Rechtsprechung, vgl. nur BVerwGE 92, 258, 261. 43 Vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5. Dazu gehören beispielsweise die bereits behandelten absoluten Verfahrensrechte.

II. Die Bedeutung des Verfahrens

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rechts zeigt sich gerade in der unterschiedlichen Bedeutung von Verfahrensfehlern und materiellen Fehlern für den Bestand der Entscheidung.45 Diese dienende Funktion des Verfahrensrecht ist aber nicht im Sinne der Kausalitätsrechtsprechung so weitgehend zu verstehen, dass Verfahrensbeteiligungen keinen Selbstzweck erfüllten, sondern Schutz lediglich im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung einer materiell-rechtlichen Rechtsposition gewährten.46 Denn zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht besteht weniger eine derartige Unterordnung als vielmehr eine Wechselbezüglichkeit, da nach Auffassung weiter Teile der Verwaltungsrechtslehre dem Verfahrensrecht in seiner Gewährleistungsfunktion für die rechtliche und sachliche Entscheidungsrichtigkeit eine wesentliche Rolle zukommt.47 Gerade aus der dienenden Funktion des Verfahrens ergebe sich eine Vermutung richtiger Sachentscheidung als Folge praktizierter Prozeduren.48 Beispielsweise soll das Verwaltungsverfahren zur Erreichung des verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Verwaltungshandelns49 der Behörde 44

Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 7, 9; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 9; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 169; Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 222; Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 ff.; VGH Mannheim NVwZ 1986, 663, 664; NuR 1989, 388, 389. Kritisch Hufen, Fehler, Rn. 586 ff.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 201 ff.; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 142 ff.; Rupp in: FS Bachof, S. 151, 163 ff.; Steinberg, DÖV 1982, 619, 620. Gegen die dienende Funktion als dogmatische Grundlage der eingeschränkten Sanktionierung von Verfahrensfehlern Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 38. 45 Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 7, 9; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; Gerhardt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 413, 415; Hufen, Fehler, Rn. 8, 586; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 336 f.; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 42 f., 139, 146 f.; Pöcker, DÖV 2003, 980; Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41. So auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des GenBeschlG, BTDrucks. 13/1445, S. 6. 46 Vgl. Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 264 mit Rechtsprechungsnachweisen. Von einer „Unterordnung“ des Verfahrensrechts unter das materielle Verwaltungsrecht sprechen daher kritisch Hufen, Fehler, Rn. 587; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 139; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 282; Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41. 47 Dazu im 4. Kapitel unter II. 3. a). Gegen eine aus der dienenden Funktion folgende Unterordnung des Verfahrensrechts u. a. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 8; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490. 48 Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490. 49 Der Grundsatz der Verwaltungseffektivität leitet sich aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 83 ff. GG her. Vgl. Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 19. Ein Beispiel für dessen einfachgesetzliche Ausgestaltung ist § 10 S. 2 VwVfG. Während die Effektivität des Rechts dessen Steuerungskraft meint, bezieht sich die Effizienz des Rechts auf die Zweck-Mittel-Relation zwischen der Erreichung eines materiellen

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

durch Informationserhebung und Informationsverarbeitung die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen für die Hervorbringung einer verbindlichen Verwaltungsentscheidung verschaffen.50 Mittel der Informationsgewinnung sind Anhörungsrechte und Mitwirkungspflichten der am Verfahren beteiligten oder davon betroffenen Bürger, wie sie zum Beispiel die §§ 9, 14i UVPG, § 10 Abs. 3 und 4 BImSchG, §§ 3, 4a BauGB vorsehen.51 Die anhaltend fehlende Sanktionierung von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG und der Kausalitätsrechtsprechung führt jedoch dazu, dass diese dem Verwaltungsverfahren inhärente Richtigkeitsgewähr weitgehend bedeutungslos wird. Infolgedessen ist die Abhängigkeit der Entscheidungsrichtigkeit von einem korrekt durchgeführten Verwaltungsverfahren immer weniger ersichtlich.52 Wesentliche und in der Verwaltungsrechtslehre grundsätzlich kritisierte Konsequenz der fehlenden Sanktionierung von Verfahrensfehlern aufgrund des § 46 VwVfG ist daher die normative Abwertung und Relativierung der Verfahrensgarantien und ihrer Bindungs- und Schutzfunktion.53 Es soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Unbeachtlichkeit Ziels mit dem geringst möglichen Ressourceneinsatz, vgl. Hoffmann-Riem in: ders./ Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 11, 17, 19 ff.; Schmidt-Aßmann in: dies., Effizienz, S. 245 ff.; von Mutius, NJW 1982, 2150, 2151. Anders wohl Riedl in: Obermayer, VwVfG, Einl. Rn. 90. Die der Effizienz dienenden Verfahrensrechte listet Pünder auf in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 16. 50 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Einl. Rn. 13; Schmidt-Preuß in: FS Maurer, S. 777, 785; ders., NVwZ 2005, 489; Hufen, Fehler, Rn. 46: Verwaltungsverfahren als Informations- und Entscheidungsprozess. In erster Linie den Aspekt der Informationsgewinnung betont auch die Definition bei Schmidt-Aßmann in: Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 1: Verwaltungsverfahren als planvoll geordnete Vorgänge der Informationsgewinnung und -verarbeitung, die in der Verantwortung eines Trägers öffentlicher Verwaltung ablaufen und der Hervorbringung administrativer Entscheidungen dienen. Ebenso Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 23 f.; Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 1. 51 Weitere zentrale Funktion von Verwaltungsverfahren ist somit die Artikulation von Belangen und Positionen, vgl. Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489. 52 Ähnlich Sodan, DVBl 1999, 729, 738. Ferner Schwarz in: Fehling/Kastner/ Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 9. 53 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 7 und § 46 Rn. 4, 6 f.; Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 4; Schwarz in: Fehling/ Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 1; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 2; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 9; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 63; Bull/ Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 774; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 171; Hufen, Fehler, Rn. 584; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 12 f.; Geis in: Ziekow, Handlungsspielräume, S. 97, 110; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 5 ff.; Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264; Bonk, NVwZ 1997, 320, 325 f., 330; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 107; Schnapp/ Cordewener, JuS 1999, 147, 151. Ferner auch schon Rupp in: FS Bachof, S. 151, 159; Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 1. Vgl. auch BTDrucks. 13/1445,

II. Die Bedeutung des Verfahrens

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von Verfahrensfehlern tatsächlich, wie vermutet, die Verwaltung veranlasst, die Verfahrens- und Formvorschriften weniger streng anzuwenden und möglicherweise bestimmte Verfahrensschritte bewusst zu unterlassen.54 Schließlich stellt allein die Möglichkeit einer missbräuchlichen Verwendung des § 46 VwVfG noch nicht dessen Rechtmäßigkeit infrage. Feststellbar ist jedoch, dass die Missachtung rechtlich verpflichtender Verfahrensvorschriften55 beispielsweise aufgrund der Vernachlässigung rechtzeitiger Information zu unerkannten Fehlentscheidungen führen und so die Qualität von Verwaltungsentscheidungen erheblich beeinträchtigen kann.56 Die präventive Funktion des Verwaltungsverfahrens, die Rechtsverwirklichung zu prägen und auszuformen, wird in diesem Fall beeinträchtigt.57 2. Hypothetischer Nachvollzug der Entscheidung durch die Gerichte Die rechtskonkretisierende, gestaltende Funktion des Verwaltungsverfahrens wird durch das Merkmal der Kausalität im Rahmen des § 46 VwVfG S. 6. Siehe auch Sodan, DVBl 1999, 729, 737 f.: Mit den Neuregelungen bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er der Verwaltung den Rechtsbruch nicht verübeln möchte, was ein verheerendes Signal für die Rechtstreue der Verwaltung darstelle und zu einer weitgehenden Relativierung der Rechtsbindung der Verwaltung führe. Zu § 46 VwVfG a. F. schon Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 45. Positiv gegenüber diesen Vorschriften dagegen Ronellenfitsch in: Rengeling, Beschleunigung, S. 51, 65: Die Überbetonung des Verfahrensgedankens sei gebrochen. 54 So Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5 („Entdisziplinierung der Verwaltung“); Bonk, NVwZ 1997, 320, 326, 330; Laubinger in: König/Merten, Verfahrensrecht, S. 47, 66; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 1; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 49 Rn. 52; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 491; Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 147, 150 f.; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 109; ähnlich Niedobitek, DÖV 2000, 761, 766. Gegen diese Annahme Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 271 ff. Siehe ferner die abweichende Beschlussempfehlung des Umweltausschusses des Bundesrats, BRDrucks. 422/1/94, S. 4, 26 f. 55 Vgl. P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 22; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 8. Vgl. ferner die Kritik an den §§ 45, 46 VwVfG bei Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 6; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8 und 10 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 4 f.; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 42; Hufen, Fehler, Rn. 586, 628 ff., 629; Sodan in: Ziekow, Beschleunigung, S. 197, 122 ff.; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 323 ff.; Bonk, NVwZ 1997, 320, 326; Sodan, DVBl 1999, 729, 737. 56 Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 774; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 81. Siehe auch BRDrucks. 422/1/94, S. 4, 26 f. 57 Vgl. Geis in: Ziekow, Handlungsspielräume, S. 97, 110.

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

und in der Rechtsprechung des BVerwG zudem insofern eingeschränkt, als dieses die Gerichte dazu zwingt, eine Aussage darüber zu treffen, wie die behördliche Entscheidung bei korrekter Durchführung des Verwaltungsverfahrens ausgefallen wäre.58 Diese Feststellung bleibt aber notwendig hypothetisch, da das behördliche Verfahren nicht mehr nachträglich unter Vermeidung des Verfahrensfehlers durchgeführt wird.59 Vor allem im Umweltrecht ist das Verwaltungsverfahren aber die wesentliche Sicherung für die korrekte Ermittlung aller umweltrechtlichen Belange.60 So bietet insbesondere das Verfahren der UVP die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Belange der Umwelt möglichst umfassend und wirkungsvoll in Planungs- und Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden.61 Während in früheren Zulassungsverfahren Umweltaspekte nur punktuell auf einzelne Umweltmedien bezogen und zugleich mit anderen, auch gegenläufigen Belangen geprüft und sogleich saldiert wurden, will die UVP durch ein gestuftes Verfahren die Umweltauswirkungen eines Vorhabens in ihrer Gesamtheit gebündelt ermitteln, zusammenstellen und bewerten, bevor diese mit den sonstigen Auswirkungen des Projekts und den übrigen materiellen Anforderungen der Vorhabengenehmigung konfrontiert werden.62 Aufgrund dieser Bündelung werden die Umweltauswirkungen in ihrem ganzen Gewicht und nicht nur in der Summe von Einzelbelastungen erkennbar, und es können Wechselwirkungen zwischen Umweltauswirkungen Berücksichtigung finden.63 Die Beachtung der Umweltaspekte im Entscheidungs58 Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 38. 59 Nachweise der Kritik bei Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 270 f. 60 Dabei wird nicht verkannt, dass auch Gerichtsschutz sich in einem rechtlichen Verfahren vollzieht, vgl. Schmidt-Aßmann in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 1, 29; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489. Der grundlegende, in der verfassungsrechtlichen Funktionenordnung begründete Unterschied zwischen Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren besteht jedoch darin, dass das Verwaltungsverfahren eine Erstentscheidung der Behörde als Verwirklichung des materiellen Rechts erarbeitet, während das Verwaltungsgerichtsverfahren für den Ausschnitt der bis zum Gericht gelangten Fälle eine Zweitkontrolle durch das neutrale, unabhängige Gericht gewährleistet; vgl. Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 631; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 23. Da Gegenstand der vorliegenden Arbeit nicht die dabei erfolgende eigenständige Entscheidungsgenerierung der Gerichte, sondern deren Funktion der Kontrolle vorausgegangener Verwaltungsentscheidungen ist, wird in diesem Rahmen auf die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens nicht näher eingegangen. 61 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 32. Ähnlich auch Schink, NuR 2003, 647, 649. Zur Bedeutung der UVP für die Abwägung ders., NuR 1998, 173; Erbguth, NuR 1997, 261, 265. 62 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 33; ferner Schink, NuR 2003, 647, 649; Epiney, Umweltrecht, S. 206.

II. Die Bedeutung des Verfahrens

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prozess wird dabei auch durch die Ausgestaltung der UVP als Vorabprüfung sichergestellt, die das Bewusstsein für den Umweltschutz schärft, bevor sich der behördliche Entscheidungsprozess zugunsten des Vorhabens verfestigt hat.64 Sowohl durch dieses Frühzeitigkeitsgebot als auch durch seine „Wissensgenerierungsfunktion“65 trägt das UVP-Verfahren wesentlich zur Entwicklung der materiell richtigen Entscheidung bei.66 Treffen nun die Verwaltungsgerichte bei der Kontrolle UVP-pflichtiger Entscheidungen im Sinne des Kausalitätsmerkmals eine Entscheidung über das hypothetische Verfahrensergebnis bei korrektem Verfahrensablauf, bedeutete dies bisher die – verkürzte – Durchführung einer Art „Ersatz-UVP“ seitens des Gerichts.67 Infolgedessen scheint es, als ob das Gerichtsverfahren das ursprüngliche Verwaltungsverfahren ersetzen und die Entscheidung des Gerichts an Stelle der Entscheidung der Verwaltung treten könnte.68 Diese Überlagerung des Verwaltungsverfahrens durch das gerichtliche Verfahren ist aber insofern unberechtigt, als fraglich ist, ob der Richter stets eine bessere Entscheidung treffen kann als die sachnähere Verwaltung, die in der Regel das spezialisiertere Wissen, detailliertere Fallkenntnis sowie unter Umständen das besser ausgestaltete Verfahren besitzt.69 Schließlich widerspricht die Form des Verfahrens als „ergebnisoffener Entscheidungsprozess“70 der der Kausalitätsrechtsprechung zugrunde liegenden Vorstellung, dass die Gerichte genau diesen Entscheidungsablauf der Verwaltung rekonstruieren71 63

Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 33; Wegener, ZUR 1996, 324, 325. 64 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 33; Schink, NuR 2003, 647, 649; Wegener, ZUR 1996, 324, 325. Die UVP verwirklicht damit das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip, vgl. Haneklaus in: Hoppe, UVPG, Vorbem. Rn. 2; Appold, ebd., § 1 Rn. 18 ff.; Epiney, Umweltrecht, S. 206. 65 Begriff bei Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 27. 66 VGH München DVBl 1994, 1198, 1200; vgl. auch Wegener, ZUR 1996, 324, 325. 67 Erbguth, NuR 1997, 261, 267; Wegener, ZUR 1996, 324, 325 f. 68 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 83; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 381. Kritisch auch entgegen der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung OVG NW NWVBl 1989, 250, 253. Deutlich Classen, NJW 1995, 2457, 2461. 69 Vgl. Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245, 278. Beispielsweise hat das BVerwG im Bereich des Atomrechts auf eine hypothetische Prognose in Bezug auf die Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung verzichtet, allerdings ohne § 46 VwVfG anzusprechen, BVerwGE 106, 115, 122, 128. Kritisch auch Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 589 f. 70 Begriff bei Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 336; ähnlich Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 632. 71 Begriff „Rekonstruktion des Entscheidungsvorganges“ bei Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 2a.

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

und bei richtiger Rechtsanwendung zum gleichen, richtigen Ergebnis wie die Verwaltung gelangen könnten.72 Auch führt die netzartige Verknüpfung von Verfahrensschritten im Verwaltungsverfahren zu einer komplexen, variablen Kausalstruktur, die in bestimmten Verfahrensabschnitten der Behörde zu veränderten Problemsichten verhilft oder Teilergebnisse festschreibt.73 Das Gericht, das nachträglich feststellt, zu welchem Ergebnis die korrekte Durchführung des Verfahrens geführt hätte, geht dagegen zwangsläufig bereits von dem nach Durchführung des Verfahrens erreichten höheren Erkenntnisstand aus, so dass es ihm unmöglich ist, den Entscheidungsprozess ebenso unvoreingenommen zu durchlaufen wie die Behörde.74 Die hypothetische Entscheidung des Gerichts ist daher gegenüber der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung ein aliud, das die Durchführung des Verwaltungsverfahrens nicht ersetzen kann.75 Auch aus diesen Gründen wird die § 46 VwVfG zugrunde liegende Ersetzbarkeit des Verwaltungsverfahrens durch das Gerichtsverfahren von weiten Teilen der deutschen Verwaltungsrechtslehre als bedenklich im Hinblick auf die eigenständige Funktion des Verwaltungsverfahrens angesehen.76 Dies gilt nicht nur für die jetzt von § 4 UmwRG erfassten Fälle, in denen die Durchführung eines speziellen Verwaltungsverfahrens wie der UVP gänzlich unterblieben ist, sondern auch für das Unterlassen einzelner Verfahrensschritte wie der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen 72 Vgl. Breuer in: FS Sendler, S. 357, 381; VGH München DVBl 1994, 1198, 1200 f., der fordert, dass infolgedessen sich die Gerichte zumindest bei einer unterlassenen UVP mit hypothetischen Erwägungen zurückhalten müssten. 73 Vgl. schon Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 197 f. 74 Nach Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 130, resultiert schon aus der Tatsache, dass gerichtliche Kontrolle erst nach Durchführung eines Entscheidungsprozesses erfolgen kann, eine Begrenzung gerichtlicher Kontrolle, da die Gerichte den Zeitverzug gegenüber den bereits das verwaltungsbehördliche Verhalten steuernden Normen nicht mehr aufholen können. 75 Vgl. Krebs, DVBl 1984, 109, 113 f. Ähnliche Zweifel bei Erichsen, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 41 (1983), 279. Auch Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 156, 160 f., stellt fest, dass das von einer – nicht durch Vorverhandlungen geprägte und durch Vorfestlegungen beeinträchtigte – entwicklungsoffenen ex ante-Sicht geprägte Verwaltungsverfahren im Verhältnis zum gerichtlichen Verfahren nichts Vorgelagertes ist. Siehe zudem aus neuerer Zeit Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 148. Diese führt als Beleg für die fehlende funktionale Äquivalenz des Verwaltungsverfahrens die im Zuge der Beschleunigungsgesetzgebung vorgenommenen Änderungen des Verwaltungsprozessrechts wie die Stärkung des Einzelrichterprinzips (§ 6 Abs. 1 S. 1 VwGO) und die Beschränkung verwaltungsgerichtlicher Rechtsmittel (§ 124 Abs. 1 VwGO) an, ebd., S. 148 ff. 76 Vgl. nur Krebs, DVBl 1984, 109, 114; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 148; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 307 f.; Sachs in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 77.

III. Bedeutungslosigkeit des Verwaltungsverfahrens?

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des UVP-Verfahrens. Beispielsweise könnten aufgrund fehlender Öffentlichkeitsbeteiligung im UVP-Verfahren auch abwägungserhebliche Faktoren nicht erkannt worden sein. Auch im Hinblick auf die lediglich fehlerhafte UVP können die Gerichte die Aufhebung der Entscheidung also im Grunde nicht mit der Begründung verneinen, dass die behördliche Prüfung trotz eines Verstoßes gegen UVP-Vorschriften alle wesentlichen Punkte behandelt habe.77

III. Bedeutungslosigkeit des Verwaltungsverfahrens? Es ist anzunehmen, dass die in der fehlenden Sanktionierung von Verfahrensfehlern durch § 46 VwVfG und durch die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Ausdruck kommende Auffassung, verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften seien für die Entscheidung über den Bestand der Verwaltungsentscheidung von weit geringerer Relevanz als die Vorschriften des materiellen Verwaltungsrechts,78 der Bedeutung und Funktion des Verwaltungsverfahrens in staatlichen Entscheidungsprozessen nicht angemessen ist. Die hier verwendete Definition des Verwaltungsverfahrens erstreckt das Verfahren auf den gesamten Entscheidungsprozess, der einer staatlichen Verwaltungstätigkeit vorangeht, und folglich auch auf das Entscheidungsergebnis.79 Die darin anklingende Wechselbezüglichkeit zwischen Verfahren und Ergebnis, zwischen verfahrensmäßiger Ermittlung aller wesentlichen Belange und deren inhaltlicher Gewichtung und Abwägung schließt es aus, das Verfahren in einer solchen Weise getrennt vom materiellen Recht zu betrachten, wie dies § 46 VwVfG und die Kausalitätsrechtsprechung tun. 77 So aber die Argumentation in BVerwGE 100, 238, 247 f.; ebenso Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 711. Wie hier aber auch Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 27. Gegen den Maßstab der konkreten Kausalität spricht überdies auch, dass bei Abwägungsentscheidungen die Gewichtung der Abwägungsgesichtspunkte grundsätzlich der richterlichen Kontrolle entzogen ist. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 262 f. Vgl. dazu ferner Grimm, NVwZ 1985, 865, 866 f. 78 Vgl. Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 4; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 765; Steinberg, DÖV 1996, 221, 231. Kahl bezeichnet die gegenwärtige Phase des Verfahrensrechts als „Phase der weitgehenden Verfahrensmarginalisierung“, wobei die Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG sowie die Einführung des § 46 VwVfG n. F. durch den Gesetzgeber ursächlich für die „Bagatellisierung der Verfahrensrechte“ und der „Entwertung des Verfahrensrechts“ gewesen seien, ebd., S. 6 f. Von einer „Abwertung des Verfahrensrechts und Verfahrensschutzes“ durch § 46 VwVfG spricht Ehlers, Die Verwaltung 31 (1998), 53 f.; ähnlich Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 4: „[. . .] erhebliche Entwertung der Verfahrensgarantien [. . .]“. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 270, stellt fest, § 46 VwVfG könne dazu führen, dass Verfahrensrecht als Recht minderer Relevanz angesehen werde. 79 Siehe in diesem Kapitel unter I. 1.

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3. Kap.: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens

Die gegen die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern vorgebrachte Kritik erfordert daher eine Neubestimmung der gerichtlichen Verfahrenskontrolle, die sich zumindest ansatzweise durch die Anwendung des neuen § 4 UmwRG vollziehen wird. Um die bevorstehenden Veränderungen in das bestehende verwaltungsrechtliche System einordnen zu können, wird im folgenden Kapitel die Bedeutung der Verfahrensfehlerlehre im System der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle vor Erlass des § 4 UmwRG dargestellt. Anschließend wird untersucht, inwieweit die spezifische Funktion umweltrechtlicher Verwaltungsverfahren und, vielleicht sogar gravierender, die Verpflichtungen aus der Aarhus-Konvention Gründe dafür liefern, dass Verfahrensfehler in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren entgegen der bisherigen Rechtslage zur gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsakts führen müssen. Dabei ist besonderer Wert auf die Frage zu legen, ob es ausreicht, die Sanktionierung von Verfahrensfehlern auf die Fälle der unterlassenen UVP zu beschränken, wie dies § 4 UmwRG anordnet, oder ob vielmehr die gesetzliche Anordnung einer generellen Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Umweltrecht erforderlich ist.

4. Kapitel

Verfahrensfehler als Kontrollproblem Bisher ist deutlich geworden, dass die Behandlung von Verfahrensfehlern an die Frage rührt, in welchem Umfang die Verwaltungsgerichte das behördliche Verwaltungsverfahren kontrollieren dürfen.1 Damit stellt sich die Verfahrensfehlerlehre als Kontrollproblem dar.2 Da Kontrolle jede staatliche Entscheidung als notwendiges Entscheidungselement mitbestimmt,3 erweist sich ihre Bedeutung für die verfassungsrechtliche Funktionengliederung4 darin, dass sie dieses Gefüge von Entscheidungskompetenzen auch als 1 So Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 116; offenbar auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 25. Es ist wesentliches Merkmal der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Abgrenzung zur Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, dass Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Kontrolle Entscheidungen und Maßnahmen anderer durch Verfassung oder Gesetz geschaffener Staatsorgane oder Behörden sind. Vgl. Redeker, DÖV 1971, 757, 762; Ossenbühl in: FS Redeker, S. 55, 57. Ferner Krebs, Kontrolle, S. 72 f., 93 f., 98: Die kompetentielle Begrenzung der gerichtlichen Kontrollbefugnis ist Ausfluss unserer Verfassungsordnung insofern, als der Rechtsschutzauftrag auch in Abgrenzung zum Vorbehaltsbereich der Verwaltung bestimmt werden muss. Die Frage, wie viel die Gerichte von der angegriffenen Entscheidung kontrollieren dürfen, stellt daher das grundlegende Merkmal verwaltungsgerichtlicher Kontrolle dar. 2 Vgl. Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 176; Krebs, Kontrolle, S. 80; SchmidtAßmann, VVDStRL 34 (1976), 221, 251; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 115 ff., 121. Zum grundlegenden funktionalen Zusammenhang von Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlicher Kontrolle Schwarze, Der funktionale Zusammenhang von Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz, 1974; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht, 2004; Gerhardt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 413; Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 66; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 24 ff. sowie Rn. 248 ff.; ders. in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 197 ff. Klassisch Ule, DVBl 1957, 597; Bachof, DVBl 1958, 6. 3 Grundlegend Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984. Siehe insbesondere S. 27 ff., 34. 4 Die in Art. 20 Abs. 2 GG verankerte verfassungsrechtliche Funktionengliederung ist ein komplexes Prinzip von Gewaltentrennung und Gewaltenverschränkung. Vgl. dazu ausführlich Stern, Staatsrecht Band II, § 36; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 476 ff.; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, S. 99 ff.; Scheuner, Kontrolle, S. 28 ff. Ferner Krebs, Kontrolle, S. 41 ff.; Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 42.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

Frage der Verteilung von Kontrollkompetenzen erklärt.5 Die gerichtliche Kontrolldichte, das heißt die Frage nach dem Umfang, in dem Verwaltungsentscheidungen vom Gericht nachzuprüfen sind,6 beruht also auf der Zuteilung von Entscheidungskompetenzen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Funktionengliederung und -zuordnung.7 Die Verfahrensfehlerlehre betrifft demnach die Frage, wie die Verantwortung für staatliches Verfahrenshandeln auf Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit verteilt werden soll.8

I. Umfang und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen Die Kontrolle potentiell individualrechtsverletzender Verwaltungsentscheidungen ist Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Dies ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, der den Schutz subjektiver Rechte durch einen Anspruch des Berechtigten auf vollständige richterliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gewährleistet.9 Im System des subjektiven Individualrechtsschutzes10 besteht dieser 5 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 42, 45; Scheuner, Kontrolle, S. 28; ebenso Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 45. 6 So die Definition von Redeker, DÖV 1971, 757. Zur Kontrolldichte Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 17 ff.; SchmidtAßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 181 ff.; ders. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 180 ff.; ders., DVBl 1997, 281. Ferner Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116. Badura in: FS Bachof, S. 169, 184, beschreibt Kontrolldichte als die Frage, ob sich das Gericht einer selbstständigen, nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungs- und Entscheidungsbefugnis der Verwaltung gegenüber sieht. 7 Vgl. die Begründung und Ausarbeitung dieses Gedankens bei Krebs, Kontrolle, S. 41 ff., 81. Ähnlich Badura in: FS Bachof, S. 169 f., 186. Ferner Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 160; Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 121. Zu diesem so genannten funktionellrechtlichen Ansatz auch Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1031 f. Laut Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 24, entspricht die Orientierung an der gewaltenteiligen Funktionengliederung auch der Rechtstradition der EG und ihrer Mitgliedstaaten. Die gewaltenteiligen Aspekte des Verwaltungsprozessrechts werden mit den Schlagworten „Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit“ umschrieben. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 57 mit einer Vielzahl weiterer Nachweise. Zur Kontrolle als Element einer Begrenzung der Staatsmacht auch Scheuner, Kontrolle, S. 7 ff. 8 Vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 73a; P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 35; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 4; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 271; Kopp in: Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung, S. 146, 151 f. 9 Vgl. unter anderem BVerfGE 15, 275, 282; 78, 214, 226; 84, 34, 49; 84, 59, 77. Ferner Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116; Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 65; Sachs in: ders., GG, Art. 19 Rn. 145; Schmidt-

I. Umfang und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle

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Anspruch auf umfassende gerichtliche Kontrolle allerdings nur, soweit der von Art. 19 Abs. 4 GG gewährte Schutz subjektiver Rechte eine umfassende Kontrolle verlangt.11 Die Ausrichtung der gerichtlichen Kontrolle auf den Schutz subjektiver Rechte erfordert im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom Kläger daher den Nachweis, dass eine Norm verletzt wurde, die zumindest auch dem Schutz seiner Interessen zu dienen bestimmt ist.12 Das Verwaltungsgericht prüft folglich nur die Einhaltung von Normen, die dem Kläger subjektive öffentliche Rechte vermitteln,13 Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 183; ders. in: Schwarze/ Schmidt-Aßmann, Kontrolle, S. 9, 28; ders. in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 59, 183; Gerhardt in: dies., VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 22; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 3; Redeker, DÖV 1971, 757, 758; Epiney/ Sollberger, Zugang, S. 62, 399; Classen, Europäisierung, S. 10; ders., NJW 1995, 2457, 2459. Da der lückenlose Rechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 GG auch Rechtsschutz gegen verwaltungsinterne Akte, Drittrechtsschutz und vorläufigen Rechtsschutz gewährleistet, kann man von einem nahezu perfekten Rechtsschutz sprechen, so Classen, Europäisierung, S. 3. Kritik an der durch Art. 19 Abs. 4 GG ausgelösten „Verrechtlichungskultur“ bei Franßen, DVBl 1998, 413, 418 f. Zur Kritik des Art. 19 Abs. 4 GG Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 50 ff. 10 Dazu Wahl in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 42 Abs. 2 Rn. 11 ff., 14 f. 11 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116, 153. Die Bindung der Kontrolle an die Verletzung subjektiver Rechte stellt also eine Grenze des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG dar, vgl. Schmidt-Aßmann in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 59. 12 Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118. Diese Formel wird als Schutznormtheorie bezeichnet, vgl. ders., ebd., Rn. 127 ff.; Wahl in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 42 Abs. 2 Rn. 94 ff. Nach der so genannten „Elfes-Rechtsprechung“ des BVerfG, Urteil vom 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 41 wurde der Adressat einer staatlichen Entscheidung in der Regel als klagebefugt angesehen, da jeder finale staatliche Eingriff zumindest eine Verletzung des Adressaten in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG nach sich ziehen könne. Diese Lehre wird in der neueren Literatur deswegen kritisiert, weil nicht jede Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Rechts zwangsläufig eine Grundrechtsverletzung darstellt. Vgl. Wahl/Schütz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 48. Zur rechtlichen Stellung des „Dritten“ Wahl in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 42 Abs. 2 Rn. 66 ff. 13 Aus der Systementscheidung für den subjektiven Rechtsschutz folgt, dass sowohl die Erhebung als auch die Begründetheit einer verwaltungsgerichtlichen Klage von der – möglichen – Verletzung des Klägers in einem subjektiven Recht abhängig sind. Vgl. §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 S. 1, 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. So Wahl/Schütz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 10; vgl. auch Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 33. Zum daraus resultierenden so genannten Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Rechtsverstoß und subjektiver Rechtsverletzung Wahl/Schütz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 48; Gerhardt, ebd., Vorbem. § 113 Rn. 4 und § 113 Rn. 11 ff.; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 156 ff.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

dies allerdings in rechtlicher und tatsächlicher Weise umfassend.14 Nach diesem Grundsatz der vollständigen gerichtlichen Kontrolle muss das Gericht das Gesetz selbst auslegen und gegebenenfalls die Auslegung der Verwaltung korrigieren, den Sachverhalt selbst feststellen und die Subsumtion selbst vornehmen.15 Die Gerichte sind dabei grundsätzlich nicht an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen gebunden.16 Den Verwaltungsgerichten kommt also prinzipiell im Rahmen der von ihnen ausgeübten Kontrolle die letztverbindliche Entscheidungskompetenz zu.17 Die gegenwärtige Ausgestaltung der gerichtlichen Verfahrenskontrolle im deutschen Recht hat in der Verwaltungsrechtslehre die berechtigte Frage aufkommen lassen, ob die beschriebene Überlagerung des Verwaltungsverfahrens durch das Gerichtsverfahren die Erstentscheidungskompetenz und die Eigenständigkeit der Verwaltung unangemessen einschränkt.18 Da das Gericht aufgrund seiner Letztentscheidungskompetenz dazu befugt ist, die einzig richtige Entscheidung festzustellen, werden aufgrund des § 46 VwVfG die Fehler des Verwaltungsverfahrens vom Gerichtsverfahren über14 Wahl in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 42 Abs. 2 Rn. 2. 15 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 183; ders. in: Schwarze/Schmidt-Aßmann, Kontrolle, S. 9, 28 f.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 129; für das Umweltrecht Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 156. Auch unbestimmte Rechtsbegriffe sind grundsätzlich voll überprüfbar. Vgl. Sachs in: ders., GG, Art. 19 Rn. 146; Gerhardt in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 19. 16 Vgl. BVerfGE 84, 34, 49 f.; 84, 59, 77; 85, 36, 57 f. Ferner Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 183. 17 Vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 176; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 116. An der Letztentscheidungskompetenz hielt vor allem das BVerwG lange Zeit strikt fest, vgl. die Nachweise bei Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Fn. 229. Ferner Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 139 f. Grenzen des von Art. 19 Abs. 4 GG geforderten vollumfänglichen Rechtsschutzes setzt die Bindung der Kontrolle an die Verletzung subjektiver Rechte und an die Maßstäbe des Rechts. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 59. 18 Vgl. die Diagnose der Gerichtsgeprägtheit der Gewaltenteilung bzw. des Verwaltungsverfahrens bei Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 59, 211; Classen, Europäisierung, S. 3 f., 38; ders., NJW 1995, 2457, 2460 f.; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 37 f.; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 139 f. Ferner Franßen in: FS Zeidler I, S. 429, 445; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 156; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 222. Eine „schwache[. . .] Verwaltung in Deutschland“ konstatiert auch Bülow, Relativierung, S. 418. Die sich ständig intensivierende Kontrolltätigkeit der Gerichte gegenüber der Verwaltung konstatiert schon Püttner in: Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung, S. 131 f.

I. Umfang und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle

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holt.19 Die verbreitete Annahme, die Funktion des Verwaltungsverfahrens könne ebenso gut durch ein verwaltungsgerichtliches Verfahren verwirklicht werden,20 führt dazu, dass das Gerichtsverfahren das Verwaltungsverfahren nicht kontrolliert, sondern ersetzt.21 Diese Ersetzbarkeit des Verwaltungsverfahrens durch das Gerichtsverfahren ist auch im Konzept der einzig richtigen Entscheidung bereits angelegt, da aufgrund der Determiniertheit der Entscheidung die Unterschiedlichkeit von administrativem Entscheidungsverfahren und gerichtlichem Kontrollverfahren theoretisch nicht auf die Entscheidungsrichtigkeit einwirken kann.22 Diese Überformung und Ersetzung der Verwaltungsentscheidung durch eine umfassende gerichtliche Kontrolle stößt zu Recht auf Kritik.23 Denn schließlich setzt Kontrolle etwas Vorhandenes voraus, das auf seine Über19 So Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 176; ders., Risikobewertung, S. 41, 72; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 222. Von einer Überlagerung des Verwaltungsverfahrens durch die verwaltungsgerichtliche Kontrolle aufgrund der eingeschränkten Relevanz von Verfahrensfehlern für die Aufhebung der Sachentscheidung spricht Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 140 f. Vgl. dazu auch Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 75; Classen, NJW 1995, 2457, 2461. 20 Vgl. BVerwGE 24, 23, 32 f.; 44, 17, 21 f.; 45, 351, 357; 61, 45, 47 ff.; 91, 262, 270. Vgl. Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 176: Das Gerichtsverfahren stelle sich als „besseres Verwaltungsverfahren“ dar. Kritisch auch Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 97. Nach Classen, Europäisierung, S. 38, führt bisher der Grundsatz der uneingeschränkten Überprüfung dazu, dass „[. . .] in Deutschland der Verwaltungsrichter für die Verwaltung denkt [. . .]“. 21 So deutlich Classen, NJW 1995, 2457, 2461; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 117; Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 44. Siehe auch Wahl, NVwZ 1991, 409, 415; ders., VVDStRL 41 (1983), 151, 175; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 222: das Gerichtsverfahren überhole das Verwaltungsverfahren, wie dies auch im Verpflichtungsurteil der Fall sei. 22 Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 350. Ähnlich Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 288: Der Eigenwert des Verwaltungsverfahrens kann sich dort nicht entfalten, wo die Gerichte nach dem Maßstab vollständiger Rechtsanwendungskontrolle verfahren. 23 Schon Kissel, NJW 1982, 1777, 1781 kritisiert, die selbstständige Staatsgewalt Verwaltung stehe unter einem totalen Richtervorbehalt. Vgl. ferner Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 588, der es für problematisch hält, wenn Rechtskontrolle durch eine übertriebene Kontrolldichte zur Sozial- und Umweltgestaltung mutiere. Zur „gerichtsgeprägten Gewaltenteilung“ Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 59, 211, unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4, 93 und 100 GG, sowie ders., DVBl 1997, 281, 283. Zur Dominanz der Verwaltungsgerichte gegenüber der Verwaltung auch Classen, Europäisierung, S. 3 f., 38; ders., NJW 1995, 2457, 2460 f.; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 222; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 156; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 139 f.; kritisch Sendler, NJW 1994, 1518. Die „Gerichtsgeprägtheit des Verwaltungsverfahrens“ bemängelt ferner Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 37 f. Zur Entscheidung der Verwaltung in eigener Sache Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 212 ff.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

einstimmung mit rechtlichen Maßstäben verglichen wird.24 Kontrolle kann folglich eine Entscheidung nicht durch eine andere ersetzen, sondern sie nur an einem gemeinsamen höheren Maßstab messen.25 Aus diesem Grund ist es im Rahmen der funktionalen Aufgabenzuweisung nach der verfassungsrechtlichen Funktionengliederung problematisch, wenn die Gerichte anstelle der sachnäheren Verwaltung über die inhaltliche Richtigkeit einer Entscheidung befinden, deren Entstehungsprozess sie nicht vollumfänglich wiederholen können.26 Fraglich ist daher, wie die Grenzen gerichtlicher Kontrolle zu bestimmen sind. Die Kompetenzzuordnung nach der verfassungsrechtlichen Funktionengliederung vollzieht sich nicht starr und schematisch. Vielmehr muss abhängig von den wechselnden staatlichen Aufgaben eine verhältnismäßige Zuordnung von Rechtsschutz und verwaltungsbehördlicher Gemeinwohlkompetenz getroffen werden.27 Denn schließlich ist auch der Rechtsschutzauftrag des Art. 19 Abs. 4 GG unter Beachtung des Gesamtgefüges der Verfassung und der Kompetenzzuweisungen an Legislative und Exekutive zu bestimmen.28 In einer funktionell gegliederten Verfassungsordnung ist die Letztentscheidungskompetenz der Gerichte folglich in bestimmten Fällen zugunsten eines Vorbehaltsbereichs der Verwaltung begrenzt, den die Gerichte nur eingeschränkt kontrollieren dürfen.29 24 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 8 ff. mit Nachweisen; Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 283; Bachof, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 34 (1976), 107; Schwarze, DVBl 1974, 893, 894. So auch die Definition bei Krebs, Kontrolle, S. 34: „[. . .] Kontrolle [. . .] als der auf die (Mit-)Bestimmung einer Entscheidung gerichtete Vergleich eines Soll-Wertes mit einem Ist-Wert.“ Dabei kann – wie bei der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen – auch eine Entscheidung selbst Gegenstand von Kontrolle sein, die dann aber lediglich auf ihre Maßstabsgemäßheit kontrolliert wird, ebd. in Fn. 215 sowie S. 54 f. Ähnlich Scheuner im Hinblick auf den Begriff der Verantwortung in: FS Müller, S. 379, 391 f. 25 Vgl. Scheuner, Kontrolle, S. 11; Krebs, Kontrolle, S. 10. Ebenso Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1, 5. 26 Vgl. Classen, NJW 1995, 2457, 2461. Ähnlich schon Redeker, DÖV 1971, 757, 758. Als Problem der Gewaltenteilung wird die Kontrolldichte auch verstanden von Püttner in: Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung, S. 131, 141; Kopp, ebd., S. 146, 156. 27 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 96, unter Hinweis auf Häberle, Öffentliches Interesse, S. 681. Ebenso Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 56; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 160; Pitschas in: Blümel/ Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 43. 28 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 93 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 20.4.1982, 2 BvL 26/81, NJW 1982, 2425: Die Verfassung als Sinngefüge, dessen Gewährleistungen so auszulegen sind, dass anderen Verfassungsnormen und -grundsätzen nicht Abbruch getan wird. Zustimmend Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1. Ähnlich Badura in: FS Bachof, S. 169. Art. 19 Abs. 4 GG trägt somit auch den Charakter einer Zuständigkeitsvorschrift, vgl. Herzog, NJW 1992, 2601, 2603.

I. Umfang und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle

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Die Bestimmung der gerichtlichen Kompetenzgrenze kann bereichsspezifische Unterschiede aufweisen, da die angemessene Gewichtung von Rechtsschutz und Vorbehaltsbereich der Verwaltung von den jeweiligen Rechtsschutzbedürfnissen und der Befähigung der Verwaltung zu eigenverantwortlicher Sachwalterschaft abhängig ist, die je nach Rechtsbereich variieren können.30 Da die Maßstäbe zur Bestimmung der Kompetenzgrenzen dementsprechend unbestimmt sind, obliegt es dem Gesetzgeber, diese zu konkretisieren.31 Diese Konkretisierung erfolgt durch die gesetzgeberische Einräumung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen der Verwaltung, bei denen sich die Grenzen verwaltungsgerichtlicher Überprüfung in einer Reduzierung der gerichtlichen Kontrollkompetenz ausdrücken.32 Die richterliche Kontrolle ist daher vor allem bei normativ eröffneten33 Ermes29 Vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 117 ff.; Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9, 29; ders., DVBl 1997, 281, 283; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 160; Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 65; ders., Kontrolle, S. 94; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 400. Vgl. auch Kissel, NJW 1982, 1777, 1778. Zur Beschreibung lässt sich der ursprünglich auf das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative gemünzte Begriff des Vorbehaltsbereichs der Verwaltung verwenden, so Krebs, Kontrolle, S. 93 unter Zitierung von Erichsen, VerwArch 70 (1979), 249 und Häberle, Öffentliches Interesse, S. 698. Ferner Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 116. So wurde im Fall einer atomrechtlichen Genehmigungsentscheidung angenommen, die nach Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich umfassende Rechtmäßigkeitsüberprüfung dürfe – auch aufgrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes – nicht so tiefgehend sein, dass die Einschätzung der Gerichte die Entscheidung der originär zuständigen Behörde ersetze. Vgl. die grundlegende Sasbach-Entscheidung, BVerfGE 61, 82, 115, sowie dieser folgend das Wyhl-Urteil des BVerwG, BVerwGE 72, 300, 316. Ebenso Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 60; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 61 f.; Sendler in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 975, 987 f. 30 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 96; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 119. 31 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 96; Badura in: FS Bachof, S. 169, 170 f. 32 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 92 ff.; Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 183; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 117 ff.; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 188 ff.; Classen, NJW 1995, 2457, 2459; Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 120; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 155. Siehe dazu BVerwGE 39, 197, 203 ff.; 72, 300, 316 f. Die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle bei Ermessensentscheidungen werden durch die Vorschrift des § 114 VwGO verdeutlicht. Vgl. Gerhardt in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 20. 33 Nach der so genannten normativen Ermächtigungslehre ist notwendige Voraussetzung für Ausnahmen vom Grundsatz der Vollkontrolle, dass die administrativen Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume normativ eröffnet sind. Siehe dazu vor allem BVerfGE 61, 82, 111 (so genannte Sasbach-Entscheidung). Vgl. ferner Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 125; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 168; Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 72; Schmidt-Aßmann in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185; ders. in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 189. Ferner Geis in: Ziekow, Handlungsspielräume, S. 97, 105.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

sens-, Planungs- und Beurteilungsspielräumen34 der Verwaltung begrenzt.35 Diese Begrenzung gerichtlicher Kontrolle ergibt sich nicht aus dem Fehlen rechtlicher Kontrollmaßstäbe, da die Ausübung von Staatsgewalt nur rechtsgeleitet geschehen darf, so dass rechtliche Maßstäbe stets bestehen.36 VielDie Frage, wann ein Gesetzestatbestand die Verwaltung zur Letztentscheidung ermächtigt, ist nach der normativen Ermächtigungslehre durch die Auslegung der Norm zu beantworten. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 187. Badura in: FS Bachof, S. 169, 171, spricht insofern von der „Schlüsselstellung des Gesetzes“. 34 Spielräume der Verwaltung treten sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite auf. Diese Handlungsspielräume lassen sich wie folgt klassifizieren: Ermessen der öffentlichen Verwaltung und behördliche Beurteilungsspielräume, Ermächtigung zu untergesetzlicher Normgebung insbesondere zur Ausfüllung so genannter Standardisierungsspielräume (insbesondere durch Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften), legislative Optimierungsgebote (zum Beispiel § 50 BImSchG, § 2 ROG) und Zielvorgaben (zum Beispiel § 1 BImSchG, § 1 AtG, § 1 BNatSchG). Ermessen kann dabei verstanden werden als Rechtsfolgeermessen oder in weiterem Sinne als Bezeichnung für jegliche Form behördlichen Handlungsspielraums, insbesondere bei tatbestandlich eröffneten Beurteilungsspielräumen. Vgl. dazu Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 111 ff. Beurteilungsspielräume werden der Verwaltung ausnahmsweise bei der Auslegung und Subsumtion unbestimmter Rechtsbegriffe zugestanden. Vgl. Sachs in: ders., GG, Art. 19 Rn. 146. Im Vergleich zum Ermessen ist die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs im Grundsatz gerichtlich voll überprüfbar. Allerdings wurden mit der Zeit zunehmend Ausnahmen zugelassen (zum Beispiel bei Prüfungsentscheidungen). Vgl. dazu Erichsen, DVBl 1985, 22, 23 f.; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 115 f. 35 Vgl. Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 65; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118, 122, 125; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 29 ff.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 734 ff.; Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 183 ff., 185; ders. in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9, 30 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 35; BVerfGE 61, 82, 111; 88, 40, 56. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 188 ff., unterscheidet die Typen administrativer Letztentscheidungskompetenz in das Verwaltungsermessen, Beurteilungsermächtigungen im engerem Sinne, Einschätzungsprärogativen, Prognoseermächtigungen, Rezeptionsbegriffe, Technikklauseln, Planungsermessen und Normsetzungsermessen. Vgl. auch die Einteilung bei Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 111 ff. Hinsichtlich möglicher materieller Ermessensfehler unterliegt jedoch auch die Ermessensausübung einer strengen Kontrolle, vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 123; Classen, NJW 1995, 2457, 2459 unter Hinweis auf BVerwGE 74, 165, 173; 84, 93, 100 f. Markante Beispiele für die Probleme bei der Überprüfung von Ermessensspielräumen in BVerwGE 85, 323; BVerfG (Kammer) NJW 1993, 917; BVerwGE 94, 64. Im Umweltrecht nehmen die Gerichte insbesondere bei den so genannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften sowie bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe einen Beurteilungsspielraum der Verwaltung an. Vgl. Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 156; Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 61 ff., 65. 36 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 70 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 209 ff. Ebenso Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), 221, 230 f.: Die heutige Verwaltung kenne

I. Umfang und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle

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mehr ist die Frage nach den Grenzen gerichtlicher Kontrolle im Wesentlichen eine Kompetenzfrage.37 Bei einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle darf das Gericht die Entscheidung des staatlichen Organs nicht durch seine eigene ersetzen.38 Als Folge dieser unvollständigen Entscheidungsmaßstäbe ist nicht das inhaltliche Ergebnis Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle, sondern zunehmend das Verfahren als Entscheidungsprozess selbst.39 Damit entspricht die Verfahrenskontrolle insofern dem verfassungsrechtlichen Rechtsschutzauftrag des Art. 19 Abs. 4 GG, als sie sowohl die notwendige Eigenverantwortlichkeit des kontrollierten Staatsorgans – hier der Verwaltung – bei Ermessens- und Beurteilungsspielräumen wahren als auch die verminderte inhaltliche Ergebniskontrolle teilweise kompensieren kann.40 Die Relativierung der Verfahrenskontrolle durch § 46 VwVfG und durch die Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG wird demzufolge im Hinblick auf die Eigenständigkeit der Verwaltung umso bedenklicher, je mehr das Verfahren zur Ausgestaltung der gesetzgeberisch unvollkommen programmierten Entscheidung41 beiträgt.42 Denn in diesen Fällen kann die Aufgabe keine gesetzesfreien Räume mehr, sondern nur unterschiedliche Dichtegrade der gesetzlichen Determinierung ihres Handelns. So sind auch Ermessensentscheidungen keine rechtlich ungebundenen Entscheidungen, da die Pflicht zur normgemäßen Ermessensausübung eine Rechtspflicht ist. Dazu auch Krebs, Kontrolle, S. 74 ff., 78 f., unter Hinweis auf Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, S. 41. Vgl. auch Häberle, Öffentliches Interesse, S. 698: Die Anerkennung eines Vorbehalts der Verwaltung schaffe keinen rechtsfreien Raum. 37 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 68 ff., 80 f. Dieser weist im Folgenden nach, dass eine solche Begrenzung der gerichtlichen Kontrollkompetenz abgesehen von der Einräumung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen zum Beispiel durch das Erfordernis der Verletzung in einem subjektiven Recht bewirkt werden kann, ebd., S. 88 ff. Ähnlich Erichsen, DVBl 1985, 22, 24; Badura in: FS Bachof, S. 169, 186. Anders aber noch Rupp, Grundfragen, S. 212 und 220, der die begrenzte gerichtliche Kontrolle bei Ermessensspielräumen auf die taktvolle Persönlichkeit des Richters zurückführt. 38 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 97. Somit liegt die Letztentscheidungskompetenz in diesen Fällen bei der Verwaltung. Vgl. Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 155; Bader, Verwaltungsverfahren und materielles Recht, S. 21. 39 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 97 f.; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 171. 40 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 98 f. Ähnlich ders., DVBl 1984, 109, 113. Die in diesen Fällen gesteigerte Bedeutung der korrekten Durchführung des Verwaltungsverfahrens betonen auch Häberle, Öffentliches Interesse, S. 698; Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 20; Geis in: Ziekow, Handlungsspielräume, S. 97, 106. 41 Nach Erichsen, DVBl 1985, 22, 23, ist die zweifelsfreie Determination von Rechtssätzen schon aus sprachlichen Gründen nicht möglich, so dass Rechtsanwendung stets ein nicht vollständig nachvollziehbarer, selektierender Prozess ist. 42 Bedenken gegen den Eingriff des Gerichts in den originären Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Verwaltung im Hinblick auf die verfassungsrechtliche

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

des Verwaltungsverfahrens, die Sachrichtigkeit der zu treffenden Entscheidung zu sichern, nicht in gleichwertiger Weise durch das gerichtliche Verfahren erfüllt werden.43 Das von § 46 VwVfG vorausgesetzte hypothetische Urteil kann das Gericht nur fällen, wenn ihm die Befugnis zur letztverbindlichen Entscheidung zukommt.44 Die Anwendung des § 46 VwVfG muss also in den Fällen eingeschränkt werden, in denen das Gericht keine Kompetenz zur vollumfänglichen und letztverbindlichen Entscheidung besitzt, weil ein Vorbehaltsbereich der Verwaltung zur eigenverantwortlichen und abschließenden Entscheidung besteht.45 Das lässt es als überaus fraglich erscheinen, ob die Ausweitung des § 46 VwVfG n. F. auf Ermessensentscheidungen mit dieser begrenzten Kontrollkompetenz der Gerichte zu vereinbaren ist. Ehe darauf im weiteren Verlauf der Arbeit zurückzukommen ist, ist hier aber zunächst die Folgerung von Bedeutung, dass auch die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG ein durch die verfassungsrechtliche Funktionengliederung bestimmtes Kompetenzproblem ist.46 FragFunktionengliederung äußert Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 271. Ebenso hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung der UVP Erbguth, NuR 1997, 261, 262; Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 132. Zuvor schon Breuer in: FS Sendler, S. 357, 381. Die gerichtliche Wahrnehmung von Verwaltungsbefugnissen widerspricht auch der in BVerwGE 100, 370, 372 f. erwähnten Zurückhaltung der Gerichte bei möglichen ergänzenden Verfahren nach § 17 Abs. 6c FStrG. 43 Vgl. Krebs, DVBl 1984, 109, 113 ff.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 217 ff.; Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 196. Vorbehalte auch bei Meyer, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 41 (1983), 257. Ähnlich die Kritik bei Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 83; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 381. Erbguth, UPR 2000, 81, 87, fordert daher größtmögliche Zurückhaltung bei der Annahme einer hypothetischen Entscheidung. Auch Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 589, wendet sich gegen die Vorstellung, dass Verwaltungsgerichte die besseren Verwaltungsbehörden seien, denn letztere seien immer noch sachnäher und daher originär zur Planungsentscheidung befugt. Umgekehrt darf die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch nicht zu einem „Reparaturbetrieb der Verwaltung“ gemacht werden. Vgl. Franßen, DVBl 1998, 413, 420. 44 Vgl. Krebs, DVBl 1984, 109, 112; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 116. 45 So Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 117 ff., 119; Bettermann, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 41 (1983), S. 256; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 177; Krebs, DVBl 1984, 109, 112. Rechtstheoretische Herleitung dieses Gedankens bei Krebs, Kontrolle, S. 81 ff., 92 ff. Nach Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 119 ff., muss der Aufhebungsanspruch auch dann gegeben sein, wenn besondere schutzwürdige Interessen des Betroffenen an einem fehlerfreien Verfahren gerade vor der Verwaltung bestehen, zum Beispiel weil eine bestimmte sachliche Prüfung besonderen fachkundigen Behörden übertragen ist, vgl. BVerwGE 46, 356 (LS), oder wenn es zur abschließenden Sachaufklärung einer mit besonderen Mitteln ausgestatteten Behörde bedarf. In diesen Fällen sei das Gericht nicht zur Herstellung von Spruchreife befugt und dürfe den Aufhebungsanspruch daher nicht ausschließen. Die Entscheidung müsse folglich aufgehoben und zur fehlerfreien Wiederholung an die Verwaltung zurückverwiesen werden. Siehe auch Erichsen, DVBl 1985, 22, 26.

II. Umweltrechtliche Entscheidungen

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lich ist, wie sich diese Kompetenzzuteilung im konkreten Fall, hier im Umweltrecht, vollzieht.

II. Umweltrechtliche Entscheidungen zwischen Eigenständigkeit der Verwaltung und umfänglicher gerichtlicher Kontrolle Bereichsspezifische Besonderheiten, die die Abgrenzung von Rechtsschutzauftrag und Eigenständigkeit der Verwaltung beeinflussen können, finden sich im Rechtsgebiet des Umweltrechts in besonderer Weise.47 Im Folgenden wird daher die These erörtert, dass die spezifische Gestalt umweltrechtlicher Entscheidungen eine Modifikation der gerichtlichen Kontrollkompetenzen erfordert.48 Ausschlaggebend für diese Annahme ist die Überlegung, dass der oft hohe prognostische Gehalt umweltrechtlicher Entscheidungen und die dabei bestehenden Planungsspielräume eine besondere Sachkunde der Verwaltung sowie qualifizierte Entscheidungsverfahren erfordern,49 so dass die Kontrollkompetenz der Gerichte in diesen Fällen zugunsten einer verstärkten Letztentscheidungsbefugnis der sachverständigen Verwaltung begrenzt werden muss.50

46 Vgl. Krebs, DVBl 1984, 109, 112. Ferner den Diskussionsbeitrag von Bettermann, VVDStRL 41 (1983), 256: Kernfrage des § 46 VwVfG sei, ob der Fall von einem Verwaltungsgericht voll durchentscheidbar sei. Ähnlich Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 116, 121: § 46 VwVfG könne sinnvoll nur in Abgrenzung zu Funktion und Bedeutung gerichtlicher Kontrolle interpretiert werden. 47 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 34. Zu dieser Entwicklung trägt auch die zunehmende Sektoralisierung des Rechts durch umweltspezifische Sonderregelungen des Völker- oder Gemeinschaftsrechts wie der Aarhus-Konvention und der UVP-RL bei. Dazu Walter, EuR 40 (2005), 302. 48 So mahnten die Präsidenten des BVerwG angesichts des bei komplexen umweltrechtlichen Verwaltungsentscheidungen erforderlichen hohen Verfahrensaufwands sowie der erheblichen Fachkompetenz von Seiten der Verwaltung die Verwaltungsrichter immer wieder, ihre Kontrolle zurückhaltend auszuüben, der Verwaltung einen Entscheidungsspielraum zu belassen und nicht über den beantragten Kontrollumfang hinauszugehen. Vgl. Hien, DVBl 2004, 909; Franßen, SächsVBl 1993, 35, 37; Sendler, NJW 1994, 1518; ders., DVBl 1982, 923, 932; Werner, DVBl 1957, 221, 226 f. Zu den Grenzen gerichtlicher Kontrolle bei komplexen Verwaltungsvorgängen Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1, 6. 49 Vgl. Ossenbühl in: FS Redeker, S. 55, 64 ff., 66; Schmidt-Aßmann in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 188. 50 Vgl. Rupp, Grundfragen, S. 215 unter Hinweis auf Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, S. 42 ff. Die Eigenständigkeit der Verwaltung in diesem Fällen betont auch Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 188; siehe auch ders. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 184.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

1. Spezifika umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren Die im Umweltbereich getroffenen Verwaltungsentscheidungen betreffen typischerweise multipolare, komplexe Konfliktlagen, zu deren Bewältigung die klassische verwaltungsrechtliche zweiseitige Grundkonstellation,51 in der sich Bürger und Staat, private Freiheitsausübung und staatliche Gemeinwohlverwirklichung gegenüberstehen, nicht ausreicht.52 Mögliche Beteiligte umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren53 sind neben der entscheidenden Behörde und dem Vorhabenträger als privatem Umweltnutzer beispielsweise die Nachbarn als individuell Betroffene möglicher Umweltauswirkungen, die betroffene Öffentlichkeit, vor allem in Form von Umweltschutzverbänden, sowie andere Träger öffentlicher Belange wie zum Beispiel Kommunen, die mit der Verwirklichung eines Vorhabens eigene Ziele wie Wirtschaftsförderung und Entwicklung verfolgen.54 Da die 51 Die klassische, subordinationsrechtlich ausgerichtete, gesetzesvollziehende Verwaltung des VwVfG unterliegt Veränderungen auch durch die gegenwärtige Entwicklung hin zu einer kooperativen, um Akzeptanz bemühten, beteiligungsoffenen Verwaltungsführung. Vgl. dazu die rechtsnormative Erfassung der Begriffe Kooperation, Konsens und Akzeptanz bei Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 30. Ferner Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41 f.; Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 371 f.; Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 5; Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 1224 ff., 1226; Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 121. Der Gedanke einer „vertrauensvollen Kooperation“ zwischen Behörde und Bürger findet sich bereits in der Brokdorf-Entscheidung des BVerfG, BVerfGE 69, 315, 354 ff. 52 Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 34 f.; Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590, 594 ff. Zur aufgrund fortschreitender technischer und wissenschaftlicher Entwicklungen zunehmenden Technisierung der Rechtsordnung, die auch die rechtlichen Verfahren immer komplexer und zeitaufwendiger werden lässt, vgl. Classen, Europäisierung, S. 5; Wolf, Umweltrecht, Rn. 172. Gründe dafür bei P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 32 ff.; Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 1224. Ferner Ronellenfitsch in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 305 ff. 53 Umweltrechtlich relevant ist dabei die zunehmende Anzahl von Großprojekten, die verwaltungsrechtlich als so genannte Massenverfahren mit einer Vielzahl beteiligter Interessenvertreter und Betroffener sowie Behörden durchgeführt werden. Vgl. Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 5. Aktuelle Beispiele für solche Massenverfahren sind die Planfeststellungen zum Flughafen Berlin-Schönefeld, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 – 4 A 1001/04, NVwZ 2006, 1055 und 4 A 1075/04, NVwZ 2006, 927 und OLG Brandenburg NVwZ 1999, 1142, sowie zur Airbus Start- und Landebahnverlängerung in Hamburg, vgl. dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 21.11.2005 – 2 Bs 19/05, NVwZ 2006, 1076. Siehe auch Deutsch, NVwZ 2006, 878, zu Entscheidungen des BVerwG zum Flughafen BerlinSchönefeld. 54 Beispielhaft sind im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren beteiligt der Antragsteller, § 10 Abs. 1 S. 3 BImSchG (beziehungsweise der Vorhaben-

II. Umweltrechtliche Entscheidungen

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privaten und allgemeinwohlorientierten Interessen55 dabei erheblich voneinander und auch untereinander abweichen, besteht eine so genannte „multipolare Konfliktlage“.56 Die Schwierigkeit, die widerstreitenden Interessen zu einem Ausgleich zu bringen, wird durch die komplexe und oft ungewisse Tatsachengrundlage verstärkt, auf der umweltrechtliche Entscheidungen notgedrungen beruhen.57 Der Begriff der Umwelt bezeichnet ein komplexes, übergreifendes Wirkungsgefüge mit vielfältigen Interdependenzen und Synergismen, bei dem Inhalt und Umfang der vorhandenen Daten, die involvierten Interessen sowie die zu erwartenden Auswirkungen kaum endgültig bestimmt werden können.58 Die Entscheidung über die Zulassung technisch komplizierter, raumgestaltender und umweltgefährdender Vorhaben erfordert daher ein notwendigerweise komplexes Verfahren.59 Komplexe Entscheidungsverfahren weisen aufgrund des zumeist technisch komplizierten Sachträger, § 5 S. 1 UVPG), betroffene Dritte, § 10 Abs. 2 S. 2 BImSchG, sowie die beteiligten Behörden, § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG (siehe auch §§ 7 und 8 UVPG). Ferner fordert § 2 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 9 UVPG generell die Einbeziehung der Öffentlichkeit in das UVP-Verfahren. 55 Vgl. zu diesen gegenläufigen Interessen im Umweltrecht Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 28. Deutlich Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 25: Umweltschädiger und Umweltgeschädigte. 56 Begriff bei Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490; dieser unterscheidet weiter zwischen kehrseitigen Konfliktlagen, in denen sich aktive Gestaltungsinteressen und passive Verschonungsinteressen gegenüberstehen, und wechselbezüglichen Konfliktlagen, die aufgrund vielfältiger kapazitätsbezogener Zugangsinteressen nach einer Auswahl- und Verteilungsentscheidung verlangen. Übergeordnete Kriterien zur Entscheidung solcher Konflikte lassen sich dabei aus rechtlichen Relevanzsystemen nicht ableiten, vgl. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 20. 57 Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 123 f., weist zutreffend darauf hin, dass die Entscheidungsgrundlagen für die Regelung zukünftiger Konflikte in der Gegenwart zwangsläufig ungewiss seien. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 15 ff., unterscheidet diesbezüglich Wissens- und Bewertungsprobleme. 58 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 27; Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 18. Zu komplexen Verfahren siehe auch Steinberg, DÖV 1982, 619. Bereits 1976 bezeichnet Schmidt-Aßmann komplexe Verwaltungsentscheidungen als Brennpunkte der derzeitigen Verwaltungssituation, VVDStRL 34 (1976), 221, 224. 59 Vgl. Holznagel in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 205, 209. Vgl. zu komplexen Entscheidungen Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590, 593 ff.; ders., DÖV 1997, 433, 438; Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 98 f. Komplexe Verfahren dienen der Konkretisierung einer Entscheidungssituation, die durch einen zumeist technisch komplizierten Sachverhalt, durch die Einbeziehung verschiedener, häufig widerstrebender Behörden sowie durch die Beteiligung einer Vielzahl von Bürgern mit gegenläufigen Interessen gekennzeichnet ist. Vgl. Holznagel in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 205, 209 f.; Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 98. Sowohl das Planfeststellungsverfahren als auch das Genehmigungsverfahren gelten als Beispiele für komplexe Verfahren. Vgl. Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 98.

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verhalts, der ungesicherten und unüberschaubaren Datenmenge60 und der damit verbundenen gegenläufigen Interessen von Bürgern und Behörden einen hohen Klärungs- und Abwägungsbedarf auf.61 Daher ist die Erschließung von Erkenntnis und Information zum Beispiel durch die Beteiligung der Öffentlichkeit ein wesentliches Element dieser Verfahren.62 Der Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen von Umweltnutzern und Umweltbetroffenen sowie zwischen Umwelt- und anderen Interessen wie wirtschaftlicher Entwicklung, Stabilität, technologischem Fortschritt und sozialer Sicherheit muss dabei grundsätzlich durch den Gesetzgeber gewährleistet werden.63 Konsequenz der beschriebenen komplexen, technisch anspruchsvollen und teilweise auf ungewissen Tatsachengrundlagen basierenden Entscheidungslagen im Umweltrecht ist aber, dass die konkret zu treffende inhaltliche Entscheidung im Einzelfall nicht im Vorfeld abstrakt-generell und zugleich im Detail gesetzlich geregelt werden kann.64 Eine detaillierte Regelung würde Normen erfordern, die aufgrund ihres hohen Grades an Spezifizierung mit der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung nicht mithalten könnten. Umweltrecht muss als Risikorecht aber in der Lage sein, den technischen Erkenntnisfortschritt normativ zu erfassen.65 Ge60

Zu Wissensproblemen im Umweltrecht Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 16 ff. Diese hält besonders das Prognosewissen für mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, da das Fehlen linearer Kausalzusammenhänge im Umweltrecht die Berechenbarkeit von Entwicklungen schwierig macht. 61 Vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 6 Rn. 107. Beispielhaft für die Vielzahl an abwägungserheblichen Faktoren und Umweltbelangen die Formulierung in § 2 Abs. 1 S. 1 UVPG: Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern. 62 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 28; ders., VBlBW 2000, 45, 49. Nach Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 196, wohnt der Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen des UVP-Verfahrens aber auch ein Element subjektiver Bewertung inne, mit dem die Mangelhaftigkeit technischer Methoden zur Ermittlung des tatsächlich noch oder nicht mehr Umweltverträglichen ausgeglichen werden soll. 63 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 25. Ähnlich Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 98; Lecheler, GewArch 51 (2005), 305. Schmidt-Aßmann in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 193, nimmt dabei auch eine gesteigerte Verteilungsverantwortung der Verwaltung an. 64 Vgl. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 52; Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 123 f.; Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137, 148 f.; grundsätzlich so auch schon Grimm, NVwZ 1985, 865, 866 im Hinblick auf die planende und gestaltende Verwaltung. 65 Vgl. Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 48; Badura in: FS Bachof, S. 169, 173. Ähnlich Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 26; Cloosters, Rechtsschutz

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setzestechnisch greifen umweltrechtliche Normen daher zum Beispiel durch Verweise auf technische Maßstäbe in hohem Maße auf ausfüllungsbedürftige, von der Verwaltung zu konkretisierende Rechtsbegriffe zurück, die aufgrund ihrer Offenheit an die technische Entwicklung anpassungsfähig sind.66 Diese häufig konkretisierungsbedürftigen Aufträge des Umweltrechts werden zum Beispiel durch das Planungsermessen bei umweltrelevanten Planungsentscheidungen gekennzeichnet.67 Umweltrechtliche Gesetze stellen sich daher nicht als vollständige Entscheidungsgrundlagen, sondern als von der konkreten rechtlichen Situation abhängige konkretisierungsbedürftige Rahmenvorgaben dar. Die Verantwortung zwischen technischem Sachverstand und politischer Risikoverantwortung wird damit dem Gesetzgeber teilweise entzogen und in den Bereich der Verwaltung verlagert.68 In diesem Dritter, S. 93. Die sich gegenwärtig vollziehende Wandlung vom Wohlfahrtsstaat zum Präventivstaat führt in der rechtlichen Dogmatik zu einer verstärkten Relevanz von Risikovorsorge, Risikomanagement und der Verteilung von Risiken, aufgrund der sich auch die Kommunikation, Partizipation und Kooperation zwischen Verwaltung und Bürger zur Ermittlung und Mediation von Risiken verändern. Vgl. auch Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 33 f. Aus soziologischer Perspektive meint der von Beck geprägte Begriff der Risikogesellschaft den gesellschaftlichen Wandel von der Industriegesellschaft mit der sozialen Frage nach der gerechten Verteilung von Reichtum zu einer Gesellschaft, deren dringendstes Problem die Verteilung der Risiken ist, die als Nebenfolgen von Industrialisierung und Technisierung auftreten. Vgl. Beck, Risikogesellschaft, S. 25 ff. Damit einher geht aufgrund des steigenden Sicherheitsbedürfnisses der Gesellschaft die Entwicklung des Staates zu einem Vorsorgestaat. Vgl. dazu Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 2 f., 5. 66 Vgl. Badura in: FS Bachof, S. 169, 172 f.; dazu auch Wolf, Umweltrecht, Rn. 38, 42 f.; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 41; Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 26 ff.; Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 123 f. Beispiele sind die unbestimmten Rechtsbegriffe „Stand der Technik“ in § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BImSchG oder „Stand von Wissenschaft und Technik“ in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Vgl. dazu ferner Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 1, 7, 12, 14; Grimm, NVwZ 1985, 865, 866; BVerfG NJW 1991, 2005 f. Schenke, VBlBW 1982, 313, 314, spricht von blankettartigen Begriffen. Die Notwendigkeit eines generell höheren Generalisierungs- und Abstraktionsgrads normativer Regelungen begründet bereits Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 169 f. 67 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 30. Ferner Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 66; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 12. 68 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 30; Schuppert, ebd., S. 65, 78 f.; Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 38 f.; Steinberg, ZUR 1999, 126; Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 93; Grimm, NVwZ 1985, 865, 866; Sondervotum Simon/Heußner, BVerfGE 53, 69, 76, zur Entscheidung BVerfGE 53, 30 (Mühlheim-Kärlich). Kritik bei Erichsen, DVBl 1985, 22, 28. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 12, stellt darüber hinaus auch die Verlagerung von Konkretisierungsaufgaben in den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit fest.

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Sinne stellt schon Badura fest: „Das Gesetz als Grundlage der Beaufsichtigung großtechnischer Anlagen, der raumbezogenen Planung und städtebaulichen Ordnung und der Wirtschaftsverwaltung ist – nicht durchgehend, aber in wesentlichen Regelungsbereichen – Auftrag und Richtlinie für die Verwaltungsbehörde, deren selbstständige Beurteilung und Gestaltung das Kernstück der gesetzlich zugewiesenen Entscheidungsvollmacht ist.“69 2. Nachlassende Steuerung und materielle Richtigkeit Konsequenz der inhaltlichen Offenheit und Unbestimmtheit materieller umweltrechtlicher Normen ist deren nachlassende Steuerungskraft.70 Ein von allen Beteiligten akzeptierter Ausgleich zwischen der Vielzahl gegenläufiger und miteinander verwobener Interessen bei multipolaren und komplexen Konfliktlagen kann nicht mehr im Einzelnen gesetzlich vorgegeben, sondern lediglich durch eine Abwägung im Einzelfall zwischen den verschiedenen durch die Entscheidung berührten Rechtsgütern erreicht werden, die in den Entscheidungsbereich der rechtsanwendenden Behörde fällt.71 Im selben Maße, in dem die Steuerungskraft der gesetzgeberischen Entscheidung nachlässt, verliert diese aber auch ihren konfliktlösenden Wert. Das materielle Recht droht damit seine Fähigkeit zur Legitimation staatlicher Entscheidungen zu verlieren. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass umgekehrt das Bedürfnis nach Steuerung zunimmt.72 So sollen gesellschaft69 Badura in: FS Bachof, S. 169. Siehe auch Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137, 151; Steinberg, ZUR 1999, 126, 127. 70 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 13; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 109, 121, 157; Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 123 f.; vgl. ferner Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 28; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn 12; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139; Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 49; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 74; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 762. Belege für die abnehmende Steuerungskraft des Gesetzes sind die häufige Änderung von Gesetzen, die zunehmende Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Ersetzung konditionaler durch finale Normstrukturen. Vgl. Aschke, ebd., S. 122 f. Gründe für die nachlassende Steuerung werden nachgewiesen bei Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 65, 78 ff. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 13, führt die reduzierte rechtliche Programmierung in erster Linie auf bestehende Wissensdefizite und Wissensunsicherheit zurück. Grundlegend zum Begriff der Steuerung Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert, Reform, S. 65, 68 ff. 71 Vgl. Steinberg, ZUR 1999, 126, 127. Ähnlich Winter in: Rechtsschutz im Umweltrecht, S. 100, 114. Nach Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert, Reform, S. 65, 83, gründet Steuerung durch Recht nicht primär auf dem materiell-rechtlichen Gehalt des steuernden Gesetzes, sondern hängt von einer Zusammenschau von Organisation, Verfahren, Programm und Programmanwendung ab. 72 Dies nimmt Aschke an in: FS Zezschwitz, S. 109, 123 f. Vgl. bereits Grimm, NVwZ 1985, 865, 866: Der Gewissheitsverlust im Recht resultiere nicht aus dem

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liche und rechtliche Konflikte nicht mehr lediglich mit einem ordnungsrechtlichen und konfliktbeseitigenden, sondern mit einem vorsorgenden und konfliktvermeidenden Instrumentarium gelöst werden.73 Insbesondere dem Umweltrecht als Risikorecht kommt die Aufgabe zu, künftigen Konflikten und Gefahren vorzubeugen, da die frühzeitigere und umfassendere Erkennbarkeit von Risiken74 auch die an den Staat gestellten Schutzansprüche erweitert.75 Die nachlassende Steuerungskraft des materiellen Rechts bei gleichzeitig steigenden Erwartungen an Steuerung gibt Anlass zu der Frage, ob im Umweltrecht die einzig richtige materielle Entscheidung überhaupt noch erreicht werden kann.76 Es wird angenommen, dass die notwendig durch Menschen vorgenommene Anwendung und Auslegung des Rechts so weVersagen des Gesetzgebers, sondern aus der objektiven Gegebenheit veränderter Staatsaufgaben. 73 Vgl. bereits Sondervotum Simon/Heußner, BVerfGE 53, 69, 76 f., zur Entscheidung BVerfGE 53, 30 (Mühlheim-Kärlich); Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 123. 74 Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 124: Mit der frühzeitigen Erkennung von Risiken werde „ein wachsender Bereich unsicheren Wissens [. . .] rechtlich erheblich.“ Die wachsende Erkennung von Risiken basiert wiederum auf der Zunahme des Wissens, vgl. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 15. 75 So auch Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 33 f. Beispiele für diese vorsorgende Steuerung sind die rechtliche Steuerung räumlicher Nutzungen durch das Planungs- und Raumordnungsrecht und die zunehmende Bedeutung des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips. Vgl. Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 123. Das Vorsorgeprinzip ist eines der grundlegenden Prinzipien des Umweltrechts und findet sich normativ zum Beispiel in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, §§ 1, 12 UVPG, § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, §§ 1, 7 BBodSchG, § 1 Nr. 1GenTG. Danach müssen über das klassische Gefahrenabwehrrecht hinausgehend bereits Vorkehrungen gegen nur mögliche, zukünftige Gefahren getroffen werden. Vgl. dazu BVerwG NVwZ 2004, 610; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 11 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 8 ff.; Wolf, Umweltrecht, Rn. 51 ff. 76 Dagegen Jestaedt in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 7 ff. Kritisch auch Luhmann, Legitimation, S. 203. Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 76, spricht im Hinblick auf die durch juristische Interpretation gewonnene Richtigkeit der Ergebnisse von einer Fiktion und einer „Lebenslüge der Juristen“. Vgl. ferner Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 1: Die Zweifel an der einzig richtigen Entscheidung lägen neben der abnehmenden Steuerungskraft materieller gesetzlicher Vorgaben auch in der zunehmend begrenzten inhaltlichen Gerichtskontrolle begründet. Zur Kritik am Dogma der einzig richtigen Entscheidung schon Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 346 ff., S. 353; Kaufmann, Rechtsgewinnung, S. 1 ff. Nach Kaufmann, S. 17, liegt die Unbestimmtheit der Entscheidung dabei nicht primär an der Begrenztheit der Erkenntnismöglichkeiten, sondern in den Unterschieden zwischen Empirischem und Normativem und damit in der Sache selbst begründet. Kritik bei Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 161 in Fn. 121: Das Recht kenne keine „richtigen“, sondern nur rechtmäßige Entscheidungen. In der neueren Dogmatik tritt an die Stelle der Entscheidungsrichtigkeit daher zunehmend

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sentlich vom Ablauf des Entscheidungsprozesses bestimmt werde, dass die Vorstellung, am Ende zu der einzig richtigen Entscheidung zu gelangen, „[. . .] sowohl erkenntnistheoretisch wie praktisch falsch ist.“77 Diese Annahme basiert insofern auf zutreffenden Überlegungen, als die Gesetzesanwendung durch die Verwaltung nicht bloße formal-logische Subsumtion ist, an deren Ende das bereits im Gesetz beschlossene einzig richtige Ergebnis steht.78 Beispielsweise kann bei einem konkretisierungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff dem materiellen Gesetz die richtige Verwaltungsentscheidung nicht durch schlichte Deduktion entnommen werden.79 Die Rechtsanwendung, verstanden als Prozess zur Entwicklung einer Entscheidung, erfordert vielmehr ein rechtsproduktives Zutun des Gesetzesanwenders durch einen nach Art und Umfang unterschiedlichen Akt administrativen Eigenrechts.80 Abhängig von den tatsächlichen Verhältnissen und rechtlichen Vorgaben besitzt die Verwaltung daher einen eigenen Anteil an der Konkretisierung administrativer Handlungsaufträge81 und damit am Prozess der Begriff der Optimierung, vgl. Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590, 599; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139; Riedel, VVDStRL 58 (1999), 181. 77 Rupp in: FS Bachof, S. 151, 164; ihm folgend Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 261 f. Vgl. auch Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 92 f.; Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245, 277; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 106: es gebe nur mehrere brauchbare oder mehrere vertretbare Entscheidungen; siehe auch S. 161. Luhmann, Legitimation S. 203, hält das Vorhandensein mehrerer vertretbarer Lösungen für ein typisches Kennzeichen verwaltungsrechtlicher Entscheidungslagen. 78 Vgl. Jestaedt in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 7: Die Gesetzesbindung der Verwaltung sei keine mechanistisch-kausale Steuerung der Verwaltung durch den Gesetzgeber im Sinne eines Ursache-Wirkungs-Modells. Siehe auch Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 182; Kaufmann, Rechtsgewinnung, S. 12 f., 54 ff.; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 166. Ferner Steinberg, ZUR 1999, 126, 127: Im Umweltrecht vollzieht sich eine Ablösung des Subsumtionsmodells durch das Abwägungsmodell. 79 Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47; Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 92. 80 Vgl. Jestaedt in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 9; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 343: Rechtsanwendung als Rechtsschöpfung. Insbesondere bei komplexen Verwaltungsverfahren müssen unbestimmte normative Rechtsgrundlagen wie unbestimmte Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite sowie Ermessensspielräume auf der Rechtsfolgenseite oft erst durch die Verwaltung im Einzelfall konkretisiert werden. Vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 38 ff.; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 343; Wolf, Umweltrecht, Rn. 197 ff. Zu Handlungsspielräumen der Verwaltung siehe die Beiträge in: Ziekow (Hrsg.), Handlungsspielräume der Verwaltung, 1998. Siehe auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 140 ff., 145 ff. Zur Abgrenzung der Begriffe Ermessen und Beurteilungsspielraum Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 186. 81 Vgl. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 167; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 152: Verwaltung als Verwirklichung von Staatszwecken.

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der Rechtserzeugung.82 So steht der Verwaltungsakt schon in der Verwaltungsrechtslehre Otto Mayers nur soweit unter dem Gesetz, wie der Vorbehalt des Gesetzes reicht, und ist in den ihm frei gelassenen Lücken selbst öffentliche Gewalt, so dass er aus sich selbst heraus rechtlich bestimmend wirkt.83 Schließlich ist auch die gegenwärtige Rechtsordnung als rechtsquellenpluraler, gestuft arbeitsteiliger und schöpferischer Prozess der Konkretisierung und Individualisierung von Recht organisiert.84 Denn die unterschiedlich verstandenen Prozesse von Rechtssetzung und Rechtsanwendung stellen sich letztlich als zwei Seiten einer Medaille dar: Da auf jeder hierarchischen Stufe neues Recht in Bindung an bestehendes altes Recht gewonnen wird, wird auf jeder Stufe sowohl Recht gesetzt als auch Recht angewendet.85 Das Gesetz dirigiert somit zwar die Verwaltung, determiniert diese aber nicht vollumfänglich,86 so dass ihr zunächst eine Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung steht.87 82 Vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 38; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 1; Jestaedt in: dies., Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 7 ff.; Erichsen, VerwArch 70 (1979), 249, 255; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 161 f. Ebenso Hufen, Fehler, Rn. 8, 46, für das Verwaltungsverfahren als Prozess der Herstellung verbindlicher Entscheidungen. 83 Vgl. Mayer, Dt. Verwaltungsrecht, S. 97 ff.: Während der Richter als viva vox legis vollständig unter dem Gesetz steht und sein Urteil durch Anwendung des Rechtssatzes auf den Tatbestand findet, ist der Verwaltungsakt mehr als bloße Auslegung des Gesetzes, er ist „[. . .] eigene Erwägung des Gemeinwohles [. . .], der Billigkeit, der Zweckmäßigkeit.“ Kritisch dazu Rupp, Grundfragen, S. 9 ff. 84 Vgl. Krebs, DVBl 1984, 109, 111: Im Hinblick auf die Distanz der abstrakten Norm zur konkreten Wirklichkeit bedeute Rechtsanwendung Rechtskonkretisierung. Dazu ders., Kontrolle, S. 27 f.; zur Aufgliederung des rechtskonkretisierenden Entscheidungsprozesses in Teilentscheidungen ders., S. 33. Ferner Erichsen, VerwArch 70 (1979), 249, 255; ders., DVBl 1985, 22; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 45 ff., 136 ff.; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 346 ff., 353; Kaufmann, Rechtsgewinnung, S. 1; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 38; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 106. 85 Vgl. Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 343; Jestaedt in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 8; Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 256. Grundlegende Darstellung bei Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 231 ff., 233; ders., Reine Rechtslehre, S. 228 ff., 239 ff., 266 ff. Nach Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 240, ist Rechtsanwendung zugleich Rechtserzeugung. Siehe auch Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 164. 86 Vgl. Jestaedt in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 9. Auch das Grundgesetz erkennt die eigenständige Funktion der Verwaltung an, der als vollziehender Gewalt Eigenrecht zukommt. Vgl. Jestaedt, ebd., § 10 Rn. 7. Zur Eigenständigkeit der Verwaltung Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 57 f.; ders., Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 136 ff. 87 Vgl. Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 49; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 1. Kritik an der formal-logischen Subsumtionsmethode bei Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 137 ff.; Kaufmann, Rechtsgewinnung, S. 1 ff.

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Trotzdem ist abzulehnen, dass es mehrere richtige Entscheidungen geben könnte. Rechtlich kann die richtige Entscheidung nur die rechtmäßige Entscheidung sein,88 rechtmäßig ist aber nur die Entscheidung, die nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Stehen der Verwaltung mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung, bleibt sie weiterhin zur Auswahl zwischen diesen verpflichtet.89 Aufgrund der umfassenden Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG ist diese Alternativenwahl an keinem Punkt des staatlichen Entscheidungsprozesses willkürlich, sondern vollzieht sich stets am Maßstab des Rechts.90 Denn die zu treffende Auswahl zwischen mehreren Entscheidungsalternativen muss sich an der höherrangigen Rechtspflicht orientieren, die Entscheidungsalternative auszuwählen, die den der Norm innewohnenden Normzweck am besten verwirklicht. Es besteht folglich eine Rechtspflicht, die bestmögliche Entscheidung zu treffen.91 Die rechtsgeleitete Auswahl zwischen möglichen Entscheidungen kann aber nur zur Rechtmäßigkeit einer Entscheidung führen.92 Da die Rechtsbindung keine vollständige Gesetzesbindung erfordert,93 führen auch die nachlassende Steuerungskraft umweltrechtlicher Normen und die Einräumung von Handlungs- und Entscheidungs88 So Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 161 in Fn. 121; ebenso Steinberg, DÖV 1982, 619, 620: Richtigkeit als das Fehlen von Normverstößen. Ähnlich Erichsen, DVBl 1985, 22, 26. Anders dagegen Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590, 599; ders. in: ders./Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 9, 27: Richtigkeit als bestehend aus Rechtmäßigkeit, Optimalität und Akzeptabilität. Anders auch Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 370; Siegel, Entscheidungsfindung, S. 57. 89 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 32: Entscheidung als Wahl zwischen Alternativen. 90 So Krebs, Kontrolle, S. 69 ff.; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 174. Ferner auch Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 706, der von der vollständigen inhaltlichen Determinierung der Verwaltungsentscheidung durch das Gesetz ausgeht, die wiederum die Grundlage für eine ebenso vollständige gerichtliche Überprüfung der Entscheidung darstelle. Anders Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 152 f., der die Verwaltungsverantwortung auch durch meta-juristische Zwecksetzungen bestimmt sieht. Dies ist abzulehnen, da auch die Abwägung zwischen politischen, ökonomischen, sozialen und anderen Zwecken stets ein rechtsgeleiteter Vorgang bleibt und der Staat in seinem Handeln keinen außerrechtlichen Maßstäben folgen darf. 91 Ähnlich Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 132 f. 92 Ungenau ist daher die verbreitete Ansicht, in Fällen beschränkter gerichtlicher Kontrolle prüfe die Verwaltung lediglich, ob die getroffene Entscheidung rechtmäßig sei, enthalte sich aber der Bewertung, ob die getroffene Entscheidung auch die beste sei. So aber neben anderen Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 262. Abzulehnen ist daher auch die bei Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 133 vorgenommene Unterscheidung „zwischen der bloßen Rechtmäßigkeit im Sinne der Vermeidung von (sanktionierbaren) Fehlern und der ‚Richtigkeit‘ im Sinne der [. . .] optimierenden Wahrnehmung des Handlungsauftrags“. 93 Krebs, Kontrolle, S. 72 f.

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spielräumen der Verwaltung nicht zur inhaltlichen Richtigkeit mehrerer Entscheidungen.94 3. Richtigkeitsgewähr durch Verfahren Die Suche nach der richtigen als der bestmöglichen Entscheidung stellt sich folglich nicht als Rechtsproblem, sondern vielmehr als Erkenntnisproblem dar. Da die Ermittlung der tatsächlichen Umstände des Sachverhalts, die Interpretation des gesetzlichen Tatbestandes sowie die Subsumtion und Bewertung immer auch von subjektiven Umständen in der Person des Erkennenden und Bewertenden abhängt und diese Schritte im Sinne des berühmten Hin- und Herwanderns des Blicks zwischen Sachverhalt und Tatbestand sich gegenseitig beeinflussend vollziehen, sind Abweichungen in einem rechtlichen Erkenntnisprozess nicht vermeidbar.95 Das wirft die Frage auf, durch welche rechtlichen Instrumente der Ablauf dieses Erkenntnisprozesses gedanklich strukturiert und somit die richtige Auswahl unter den gegebenen Alternativen gesichert werden kann, wenn das materielle Recht seine maßstabsbildende Kraft verliert. An diesem Punkt ist auf die gesteigerte Bedeutung des Verfahrensrechts bei infolge der technischen Entwicklung zunehmend erforderlichen Spielräumen der Verwaltung zurückzukommen.96 a) Der Verfahrensgedanke im öffentlichen Recht Gegenläufig zur fortgesetzten Zurückdrängung des Verfahrensrechts durch den Gesetzgeber97 und die Kausalitätsrechtsprechung unterliegt das deutsche Verwaltungsrecht seit längerem Veränderungen, die aus einer zu94 Im Ergebnis so auch Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 46 f. Als Beleg der Existenz der einzig richtigen Entscheidung gelten die Verpflichtungs- und Leistungsurteile (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO), die dem Bürger das ihm von der Verwaltung Verweigerte gewähren und damit auch von der Ersetzbarkeit des Verwaltungsverfahrens durch das Gerichtsverfahren ausgehen. Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 706 f. Die einzig richtige Entscheidung hängt damit wiederum auch davon ab, wer zur letztverbindlichen Entscheidung befugt ist. Ähnlich Kment, EuR 41 (2006), 201, 232: Gibt es das eine richtige Ergebnis, stellt sich die Frage, ob es durch ein Gericht bestimmt werden kann oder nur durch ein korrektes Verfahren. 95 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 115. 96 Vgl. bereits Sondervotum Simon/Heußner, BVerfGE 53, 69, 76, zur Entscheidung BVerfGE 53, 30 (Mühlheim-Kärlich): „Wahrscheinlich lässt sich nur über das Verfahrensrecht verhindern, dass der Bereich zwischen Recht und Technik zum juristischen Niemandsland wird.“ 97 Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695 f. unter Hinweis insbesondere auf die Beschleunigungsgesetzgebung sowie entsprechende Regelungen des Baurechts.

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nehmenden Prozeduralisierung der öffentlich-rechtlichen Dogmatik resultieren und zu einer Aufwertung des verfahrensrechtlichen Denkens geführt haben.98 Da die dem VwVfG zugrunde liegende Verfahrenskonzeption auf die klassische, einseitig gesetzesvollziehende Verwaltungstätigkeit ausgerichtet ist, die mit einer mechanistischen Gesetzesvollzugsvorstellung und einer dementsprechend dienenden Funktion des Verfahrensrechts auskommt,99 wurden die wesentlichen Anstöße für die Entstehung einer prozeduralen Dogmatik durch das BVerfG und die Verwaltungsrechtslehre unter Rückgriff auf Verfassungsrecht und auf allgemeine Verwaltungsgrundsätze entwickelt.100 Eine wesentliche Stärkung erfuhr der Verfahrensgedanke zum einen durch die weitere Ausbildung des Grundrechtsschutzes durch Verfahren 98

Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 27 ff. Die Gegenläufigkeit dieser Entwicklung bezeichnet Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, als „[. . .] Spannungslage zwischen Aufwertung des Verfahrens und Einschränkung der Sanktionierung von Verfahrensfehlern [. . .]“. Die Entwicklung nachzeichnend Schmidt-Aßmann in: FS Erichsen, S. 207. Schmidt-Aßmann benennt als prägende Ausgangspunkte der Prozeduralisierung der öffentlich-rechtlichen Dogmatik die Staatsrechtslehrertagungen der Jahre 1971, 1972 und 1982 mit den wegweisenden Referaten von Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, Bachof und Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30 (1972), 193 und 245 sowie von Wahl und Pietzcker, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, VVDStRL 41 (1983), 151 und 193, infolgedessen der Verfahrensgedanke die ihm bis heute eignende „Produktivkraft“ ausgebildet habe. Vgl. Schmidt-Aßmann, ebd., S. 208 ff. sowie bereits in: Lerche/Schmitt Glaeser/SchmidtAßmann, Verfahren, S. 1, 3 in Fn. 1. Ähnlich Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 5 („Verfahrensoptimismus“). Grundlegend zum Verfahrensgedanken im öffentlichen Recht Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118; Ossenbühl, NVwZ 1982, 465; Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990; Eder in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 155; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21; vgl. ferner Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert, Reform, S. 65. Aus rechtssoziologischer Perspektive systembildend Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1993. Zum Verfahrensgedanken aus der neueren Verwaltungsrechtslehre Gralf-Peter Calliess, Prozedurales Recht, 1999; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166 ff.; Laubinger in: König/Merten, Verfahrensrecht, 2000; Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, 2002; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht, 2004. Zur Problemlösungskapazität prozeduralen Umweltrechts Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, 1996, insbes. S. 58 ff. 99 Vgl. Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 272. Nachweise bei Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 41 f., der bemängelt, dass wesentliche Problemfelder des heutigen Verwaltungsrechts wie das Vergabewesen, die administrative Planung sowie die Informations- und die Risikoverwaltung im VwVfG nicht geregelt seien. Eine differenzierte Analyse der Umsetzung des Verfahrensgedankens im VwVfG findet sich bei Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 33 ff. Ziekow, NVwZ 2005, 263, konstatiert eine „legalistische Tradition“ der Verwaltung. 100 Daher auch die Bewertung von Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 26, dass mit der Stärkung des Grundrechtsschutzes durch Verfahren lediglich bestehende

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in der Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere durch die Mühlheim-Kärlich-Entscheidung vom 20.12.1979.101 Von Interesse ist hier allerdings vor allem die Tatsache, dass sich zum anderen ausgehend von einem Paradigmenwechsel in der Verwaltungsrechtslehre – von der klassischen Auffassung von Verwaltung als Vollziehung zu einer Auffassung von Verwaltungstätigkeit als Steuerung von Gestaltungsprozessen102 – eine entsprechend differenzierte103 Betrachtung der Funktion und Wirkungsweise des Defizite in der verfahrensrechtlichen Dogmatik abgebaut worden seien und insofern erst einmal die Normallage eingekehrt sei. 101 So auch Schenke, DÖV 1986, 305. In diesem Urteil bekräftigte das BVerfG seine Auffassung, dass Grundrechtsschutz weitgehend auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken sei und dass die Grundrechte demgemäß nicht nur das gesamte materielle, sondern auch das Verfahrensrecht beeinflussen, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung ist, so BVerfGE 53, 30, 65; zuvor bereits BVerfGE 35, 79 (Hochschul-Urteil); 46, 325 (Zwangsversteigerung); 52, 380 (schweigender Prüfling); außerdem BVerfGE 65, 1 (Volkszählung). Zum Grundrechtsschutz durch Verfahren Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, 86 ff.; Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, 1974; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, 1981; Laubinger, VerwArch 73 (1982), 60; Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, 1984; Grimm, NVwZ 1985, 865; Bergner, Grundrechtsschutz durch Verfahren, 1998; zusammenfassend Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 791 ff. Zum Mühlheim-Kärlich-Urteil u. a. Ossenbühl, DÖV 1981, 1; Redeker, NJW 1980, 1593; kritisch Dolde, NVwZ 1982, 65. 102 Vgl. Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245, 253 ff., 259, 289. Prägend Schuppert, Verwaltungswissenschaft als Steuerungswissenschaft, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Schuppert, Reform, S. 65. Der von Schuppert geprägte Begriff der Bereitstellungsfunktion des Rechts beschreibt dabei die Tatsache, dass das Recht nicht mehr detaillierte Handlungsvorgaben an die Akteure gibt, sondern eine rechtliche Infrastruktur in Form von Rechtsformen, Entscheidungstypen und eines funktionstauglichen Verfahrens bereitstellt, die insgesamt die Erreichung der vorgegebenen Ziele sichern soll; daraus ergibt sich das Verständnis von Recht als Hilfe zur Entscheidung bzw. von Verwaltungsrechtswissenschaft als Handlungs- und Entscheidungswissenschaft. Vgl. dazu Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert, Reform, S. 65, 96 ff.; ders., Verwaltungswissenschaft, S. 148 f.; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 353 ff.; zusammenfassend Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Verwaltungsrecht I, § 1 Rn. 9 ff., 15 ff.; ferner zuletzt Appel und Eifert, Das Verwaltungsrecht zwischen klassischem dogmatischem Verständnis und steuerungswissenschaftlichem Anspruch, VVDStRL 67 (2008), 226, 241 ff. und 286, 293 ff.; Siegel, Entscheidungsfindung, S. 17 ff. Damit eng verknüpft ist die Frage nach der Innovationsoffenheit des Verwaltungsrechts; vgl. Hoffmann-Riem, Ermöglichung von Flexibilität und Innovationsoffenheit im Verwaltungsrecht – Einleitende Problemskizze –, in: ders./Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 9; ders. in: Hill/Hof, Wirkungsforschung, S. 239 mit Beispielen für Steuerungsinstrumente auf S. 241 ff. 103 Nach Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 630, gibt es keine allgemeine rechtswissenschaftliche Verfahrenslehre, vielmehr lediglich die rechtswissenschaftliche Beschäftigung mit den einzelnen Verfahrensarten.

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Verwaltungsverfahrens als Steuerungsmechanismus staatlicher Entscheidungsfindung ausbildete.104 Der infolgedessen kontinuierliche Bedeutungsgewinn des Verfahrensgedankens gründet sich dabei vor allem in dessen Eignung, die aus der soeben am Beispiel des Umweltrechts skizzierten nachlassenden Bestimmtheit gesetzgeberischer Steuerung bei gleichzeitigem Leistungszuwachs verteilender, sozialgestaltender Verwaltung entstehenden Defizite staatlicher Entscheidungsfindung zu kompensieren.105 Bezeichnenderweise war es das im beschriebenen Sinne von ungewissen, prognostischen und technisch komplexen Tatsachengrundlagen geprägte Atomrecht, in welchem das BVerfG im Mühlheim-Kärlich-Urteil hervorhob, dass der nach § 1 Nr. 2 AtG bezweckte Schutz des Bürgers vor den Gefahren der Nutzung der Atomenergie nicht nur durch im AtG normierte materiell-rechtliche Voraussetzungen für den Betrieb eines Atomkraftwerkes, sondern auch verfahrensrechtlich durch das Erfordernis der Durchführung eines formalisierten Genehmigungsverfahrens unter Beteiligung der gefährdeten Bürger verwirklicht werde.106 Auch aufgrund der dahinter stehenden zunehmenden Verantwortungsverlagerung vom Staat auf gesellschaftliche Akteure zur Ausfüllung entstehender Entscheidungs- und Bewertungsspielräume bei multipolaren Konfliktlagen und zunehmend knappen Ressourcen107 wird ebenso für andere Bereiche verteilender, leistender und gestaltender Verwaltung spätestens seit den 1970er Jahren die immer gewichtigere Rolle des Verwaltungsverfahrens bei der Konkretisierung gesetzlicher Rahmenvorgaben erkannt.108 104 Vgl. Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 271 ff.; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166. Zu den Steuerungszielen von Verfahren des nationalen Rechts Siegel, Entscheidungsfindung, S. 55 ff. Nachweise zum prozeduralen Charakter von Entscheidungsfindung bei Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 40 ff. Weitere wesentliche Aspekte dieser Entwicklung des Verfahrensrechts sind der Gedanke des konsensualen (grundlegend dazu Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990) bzw. kooperativen Verwaltungsrechts sowie der Gedanke der Akzeptanz als Ziel des Verwaltungsverfahrens. Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 30 f.; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166. 105 So Schmidt-Aßmann in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 1, 7 f., 12 f.; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 28; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695. Die kompensatorische Funktion des Verfahrensrechts konstatieren auch Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 158; Schenke, DÖV 1986, 305, 306; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 55; Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166; Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 272; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 14. 106 BVerfGE 53, 30, 58 f. Weitere Ursache der Aufwertung des Verfahrensgedankens ist folglich auch die Einsicht in die Notwendigkeit eines in das Verwaltungsverfahren vorverlagerten Rechtsschutzes; vgl. Grimm, NVwZ 1985, 865, 867; Schenke, DÖV 1986, 305 f.; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 25 ff. 107 Vgl. Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 169.

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Denn bei einer größeren Anzahl möglicher Entscheidungen109 kommt es für die richtige Auswahl aus den Entscheidungsalternativen zunächst wesentlich darauf an, alle infrage kommenden Alternativen zu ermitteln und zu prüfen. Auch die bei komplexen Entscheidungen zu berücksichtigende Vielzahl abwägungserheblicher Belange muss in erster Linie korrekt und vollständig ermittelt werden, um die Richtigkeit und Ausgewogenheit des materiellen Ergebnisses gewährleisten zu können.110 Die Ermittlung aller wesentlichen Informationen und Daten vollzieht sich dabei anhand verfahrensrechtlicher Regelungen wie beispielsweise der Vorgaben zur Beteiligung der Öffentlichkeit, der betroffenen Behörden sowie der Träger öffentlicher Belange.111 Insofern tragen Verfahrensregelungen dazu bei, die Komplexität der gegebenen Entscheidungslage zu reduzieren.112 Auch die weitere Auswahl gegebener Entscheidungsalternativen und die dazu erforderliche Abwägung betroffener Belange werden durch verfahrensrechtliche Regelungen strukturiert.113 Indem das Verwaltungsverfahrensrecht die behördlichen Entscheidungsabläufe ordnet, die Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungsstellen koordiniert und die Einbeziehung der betroffenen Bürger regelt, steuert es den Rechtserzeugungs- und -konkretisierungsprozess der Verwaltung in ganz erheblichem Maße.114 Die Herausarbeitung der 108 Vgl. Grimm, NVwZ 1985, 865, 866. Eine Wiederbelebung des Verwaltungsverfahrensrechts wird vorangetrieben unter anderem von Ziekow, NVwZ 2005, 263; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489. Gegenwärtig ist es in erster Linie das europäische Gemeinschaftsrecht, das die weitere Profilierung des Verfahrensrechts forciert. Zur Entwicklung des Verfahrensrechts unter europäischem Einfluss Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1; Schmidt-Aßmann in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 487. 109 Zum Beispiel können für ein Vorhaben mehrere alternative Standorte zulässig sein. 110 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 49. 111 Calliess, NJW 2003, 97, 101 nimmt an, dass eine großzügige Beteiligung der Öffentlichkeit und damit auch der sachverständigen Verbände die angesichts materiell nur schwach determinierter und determinierbarer Vorgaben des Gesetzgebers begrenzte gerichtliche Kontrolldichte prozedural kompensieren kann. Vgl. für die Beteiligung der betroffenen Behörden § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG, § 5 S. 2 bis 5 UVPG und § 73 Abs. 2 VwVfG sowie für die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit § 73 Abs. 6 VwVfG und § 9 Abs. 1 UVPG. 112 Vgl. Steinberg, DÖV 1982, 619, 620; Schuppert in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Schuppert, Reform, S. 65, 107. Aus rechtssoziologischer Perspektive ebenso Luhmann, Legitimation, S. 39. 113 Vgl. Grimm, NVwZ 1985, 865, 871: Verfahrensgarantien versuchen die Ergebnisherstellung so zu organisieren, dass trotz fehlender Ergebnisprogrammierung grundrechtsverträgliche Ergebnisse erzielt werden. 114 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 58; Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 272; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg.

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materiell richtigen Entscheidung ist daher wesentlich auf ihre rechtliche Strukturierung durch die einwandfreie Anwendung der Verfahrensvorschriften angewiesen.115 Diese Verfahrensabhängigkeit des materiellen Verwaltungsrechts nimmt dabei in dem Maße zu, in dem der Grad seiner gesetzlich bestimmten normativen Konkretheit und Verbindlichkeit abnimmt.116 Damit kommt dem Verwaltungsverfahren vor allem bei Ermessens-, Beurteilungs- und Planungsspielräumen eine über eine dienende Funktion hinausgehende eigenständige Bedeutung für die Rechtskonkretisierung und die Entwicklung des Entscheidungsergebnisses zu, die den Verlust der Steuerungskraft des Gesetzes im Hinblick auf die inhaltliche Entscheidung kompensiert.117 Das Verfahrensrecht überzeugt also auch insofern, als es somit zugleich als Ordnungsmodell für die staatliche Funktionengliederung und das Verhältnis von Staat und Gesellschaft zu fungieren vermag.118 Die Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 1. Die verfahrensrechtliche Strukturierung staatlicher Entscheidungsfindung kann sich dabei durch Elemente der Gliederung, Stufung, Problemermittlung, Verständigung, Abstimmung und Bündelung vollziehen. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 1, 12. 115 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 46 ff.; Rupp in: FS Bachof, S. 151, 164 f.; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 153 f.; Grimm, NVwZ 1985, 865, 866; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 143 f. Ungenau ist daher die Annahme bei Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490, die Anwendung des verfahrensrechtlichen Instrumentariums könne sich lediglich an dem zu verwirklichenden materiellen Entscheidungsprogramm ausrichten. 116 Vgl. Grimm, NVwZ 1985, 865, 866; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47; Schmidt-Aßmann in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 1, 11; Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 632; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 83 f., 121; Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 273; Pöcker, DÖV 2003, 980, 982. Die Verfahrensabhängigkeit des Verwaltungsrechts belegt aus rechtstatsächlicher Sicht die Untersuchung von Bader, Verwaltungsverfahren und materielles Recht in der Praxis, 1990, S. 8, 13 f., 161 f. 117 Vgl. Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 14; Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 632; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 2; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 271; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 155 f.; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 144; Pöcker, DÖV 2003, 980, 982; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 25; Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137, 150; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 293 f., 106; Schmidt-Aßmann in: Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 34; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 202; Krebs, DVBl 1984, 109, 116; Schenke, VBlBW 1982, 313, 314. Siehe auch Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 38 f.; Bader, Verwaltungsverfahren und materielles Recht, S. 14 Weitergehend Bleckmann, Dogmatik, S. 406: Das Rechtsstaatsprinzip gestatte schon die Einräumung von Ermessensspielräumen nur, wenn hinreichende Verfahrensgarantien für die Richtigkeit der Entscheidung bestünden. 118 Schmidt-Aßmann in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 1, 7 f., 12 f.

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dementsprechend differenzierte Funktion verfahrensrechtlicher Strukturierung zeigt sich exemplarisch am Beispiel umweltrechtlicher Verwaltungsverfahren. b) Kompensationsfunktion des Verfahrensrechts in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren Herausragendes Beispiel für die Bedeutung des Verfahrens in umweltrechtlichen Entscheidungsprozessen sind die UVP sowie generell der gemeinschaftsrechtlich begründete Ausbau von Beteiligungsrechten im Verwaltungsverfahren, unter anderem durch die IVU-RL.119 Indem sie die Ermittlung und Berücksichtigung aller umweltrelevanten Belange im Vorfeld einer Entscheidung durch die Einhaltung bestimmter Verfahrensschritte sichern, gehen die Verfahrensgarantien der UVP über eine dienende Hilfsfunktion hinaus.120 Aufgrund seiner Bedeutung für die Entwicklung einer sachrichtigen Entscheidung übernimmt das Verfahrensrecht in den maßstabsschwachen komplexen Entscheidungs- und Planungsverfahren des Umweltrechts eine kompensatorische Funktion.121 Dabei kompensiert das Verfahrensrecht auch den Verlust der legitimierenden Kraft des materiellen Rechts.122 In der pluralistischen Gesellschaft besteht auch im Bereich des Umweltrechts kein intersubjektiver inhaltlicher Grundkonsens zwischen Umweltnutzern und Umweltschützern mehr darüber, was als recht und billig empfunden wird.123 Selbst wenn man den mitt119 Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302. Zur IVU-RL Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 386 ff. 120 Der VGH München, DVBl 1994, 1199, 1201, spricht hinsichtlich der UVP von einer Anreicherung materieller umweltrechtlicher Maßstäbe durch verfahrensrechtliche Aspekte unter dem Stichwort der „Prozeduralisierung von Umweltbelangen“. Ein Eigenwert des Verfahrens wird allerdings abgelehnt von Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 9. 121 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 1, 7; ders., VBlBW 2000, 45, 49; Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 265; Schenke, DÖV 1986, 305, 306, sowie ders., Diskussionsbeitrag, in VVDStRL 41 (1983), 276. Ferner Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 55: „kompensatorischer Funktionszuwachs der Verwaltung“. Vgl. ferner Wolf, Umweltrecht, Rn. 147: Aufgrund der planerischen Gestaltungsfreiheit ergebe sich auch die rechtliche Steuerung planungsrechtlicher Entscheidungen verstärkt aus verfahrensrechtlichen Regelungen. Kritisch dagegen Pöcker, DÖV 2003, 980, 983: Die vermeintlich kompensatorische Funktion des Verfahrensrechts stelle letztlich nichts anderes dar als eine Sicherung der Einhaltung der materiellen Grenzen der Abwägung. 122 So Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 28; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 158; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 14.

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lerweile vorhandenen Konsens über die grundsätzliche Notwendigkeit von Umweltschutz zugrunde legt, ist über Umfang sowie Art und Weise von Umweltschutz in den seltensten Fällen Einigkeit erzielbar.124 Auch die materiell richtige Entscheidung legitimiert sich nicht mehr über einen inhaltlichen Grundkonsens, sondern darüber, ob die Alternativenwahl rechtlich einwandfrei durchgeführt wurde. Das führt dazu, dass selbst die materiell richtige umweltrechtliche Entscheidung aufgrund der ihr innewohnenden widerstreitenden Interessen und der sachlichen Komplexität des Entscheidungsinhalts von den Betroffenen meist nur noch als mühsam ausgehandelter Kompromiss empfunden wird.125 Dieser vom Einzelnen notwendig als kompromisshaft angesehene Charakter umweltrechtlicher Entscheidungen führt aber weiter zu der Einsicht, dass das inhaltlich für den Einzelnen nicht überzeugende Ergebnis von den Beteiligten dennoch akzeptiert126 werden muss, sofern es als Ergebnis eines gemeinsam betriebenen Entwicklungs- und Optimierungsprozesses wahrgenommen wird.127 Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass der Entscheidungsbetroffene an diesem Prozess beteiligt war, ihm die involvierten Interessen und das Zustandekommen der Entscheidung offengelegt wurden und er seine Position zumindest als Element der Abwägung im ausgehandelten Ergebnis entdecken kann.128 Diese Prämisse kann nur durch die Einhaltung 123

Siehe noch Zippelius in: FS Larenz, S. 293, 296. Allerdings dürfte das Bestehen zumindest eines umweltrechtlichen Grundkonsenses bereits zur Zeit des Artikels von Zippelius im Jahr 1973 zweifelhaft gewesen sein, wie die in diesen Jahren heftig geführten Rechtsstreitigkeiten über die Genehmigungsverfahren für Atomkraftwerke belegen. Vgl. den Beitrag von Hufen in: Ziekow, Handlungsspielräume, S. 114. 124 Vgl. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 20. 125 Vgl. Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 172; ähnlich Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 273. 126 Nach Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 1 Rn. 11, fordert das Demokratieprinzip, die Akzeptanz einer Entscheidung durch die Bürger zu erreichen. Ebenso Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 133 f. Ähnlich Schmidt-Aßmann in: Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 4: Aufgabe des Verwaltungsverfahrens sei auch die Vermittlung von Einsehbarkeit. Ferner Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 815. Die Entscheidungsakzeptanz gilt auch als wesentlicher Faktor zur Vermeidung gerichtlicher Verfahren. Vgl. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 14; Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 198. Vgl. außerdem Sondervotum Simon/Heußner, BVerfGE 53, 69, 81 f., zur Entscheidung BVerfGE 53, 30 (Mühlheim-Kärlich). 127 Vgl. Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 212; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 168. Ähnlich Hoffmann-Riem, AöR 119 (1994), 590, 599 f.: Die Verwaltungsentscheidung muss als zumindest richtig zustande gekommene Entscheidung akzeptiert werden. Zur Herstellung von Verbindlichkeit als zentrales Ziel von Verfahren Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 629. 128 So Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 14; Schenke, VBlBW 1982, 313, 315; Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Re-

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entsprechender Verfahrensgarantien erfüllt werden.129 Denn die Bereitschaft des Bürgers, eine Verwaltungsentscheidung zu akzeptieren, hängt auch davon ab, ob er die zur Problemlösung geschaffenen Entscheidungsstrukturen als problemadäquat ansieht.130 Der inhaltlich unmögliche Konsens wird so von einem Konsens über die Verfahrensinstrumente des Rechtsstaats abgelöst.131 Verfahrensrechtliche Vorgaben gewinnen im Umweltrecht also zentrale Bedeutung für die Sicherung einer rechtmäßigen staatlichen Entscheidung als rechtsgeleitete Alternativenwahl.132 Dem Verfahren als Prozess der Rechtskonkretisierung kommt ein hoher Eigenwert zu, weil es die Abwägung zwischen gegenläufigen Vorstellungen und Interessen strukturiert und damit dem Auffinden der rechtmäßigen, verstanden als der bestmöglichen Entscheidung dient. Damit übernimmt das Verwaltungsverfahren verstärkt eine rechtskonkretisierende, rechtsschöpfende und konfliktlösende Funktion,133 die es zunehmend gleichrangig neben das materielle Recht treten form, S. 115, 134; ders., AöR 119 (1994), 590, 623; ähnlich Winter in: Rechtsschutz im Umweltrecht, S. 100, 114. Ebenso Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 169: wurde die Entscheidung unter Beteiligung aller Betroffenen entwickelt, genüge sie „[. . .] dem Ideal der diskursiven Richtigkeit“. Luhmann, Legitimation, S. 214 f. lehnt allerdings zum Beispiel die Begründungspflicht als Beispiel für die legitimierende Wirkung des Verfahrens ab, da die Begründung hauptsächlich als Verbindungsglied zur anschließenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle diene. Auch die legitimierende Funktion von Partizipationsrechten wird bestritten, vgl. Schmitt Glaeser in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 35, 49. Kritik auch bei Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 31 f.: Die Akzeptanz einer möglicherweise inhaltlich falschen Entscheidung könne nicht das rechtliche Ziel des Verwaltungsverfahrens sein. 129 Vgl. Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 1; Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 134; Appel, VVDStRL 67 (2008), 226, 272. 130 Vgl. Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 212. 131 Prägnant Schenke, DÖV 1986, 305, 306: die Verfahrensgerechtigkeit trete an die Stelle der Ergebnisrichtigkeit. Ähnlich Schmidt-Aßmann in VBlBW 2000, 45, 49: Verfahrensrichtigkeit statt nicht erreichbarer materieller Richtigkeit; vorsichtiger dagegen noch in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren, S. 1, 14: Ergebnisrichtigkeit sei nicht einfach durch Verfahrensrichtigkeit ersetzbar. So auch Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 28. Vgl. ferner Hufen, Diskussionsbeitrag, in: Ziekow, Handlungsspielräume, S. 114; Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 48; Rupp in: FS Bachof, S. 151, 165. 132 In diesem Sinne Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 74; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 1; Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 168. Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 99, stellt einen besonderen Bedarf nach verfahrensrechtlicher Strukturierung fest. Vgl. ferner ders. in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 632. 133 Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 106. Zur Konfliktbewältigungsfunktion des Verfahrensrechts auch Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 349.

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lässt.134 Da die Verwaltung an Recht und Gesetz und damit – soweit vorhanden – auch an dessen materielle Maßstäbe gebunden ist, reicht die bloße Verfahrensrichtigkeit zwar nicht aus, um eine belastende Entscheidung dem Bürger gegenüber zu rechtfertigen.135 Sie kann auch weder ein inhaltlich absolut richtiges Ergebnis garantieren136 noch eine inhaltlich falsche Entscheidung zu einer richtigen Entscheidung machen.137 Dass die Verfahrensgarantien deswegen ohnehin nutzlos sind, mag für die Fälle richtig sein, in denen die materielle Richtigkeit sowohl unproblematisch erreichbar als auch mehr oder weniger vollständig nachprüfbar ist. Problematisch bleiben jedoch die Fälle, in denen die materielle Richtigkeit entweder bereits im Vorfeld der Entscheidung oder nachträglich durch das kontrollierende Gericht nicht eindeutig festzustellen ist, weil beispielsweise das zur Ermittlung der richtigen Entscheidung notwendige Verfahren wie in den Fällen der unterbliebenen förmlichen UVP138 vollständig fehlt.139 4. Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern Daher nimmt auch schon der VGH München in bereits erwähntem Urteil an, dass der aus dem vollständigen Fehlen einer förmlichen UVP resultierende Verfahrensfehler einen Abwägungsmangel indiziere, der zur Aufhebung und Zurückverweisung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung führe.140 In seiner Begründung lehnt das Gericht den hypothetischen Nach134 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 5: Das Verfahrensrecht sei dazu da, die komplementären Steuerungsaufgaben von Verfahren und materieller Rechtserkenntnis herauszuarbeiten. Grundsätzliche Zweifel bei Zippelius in: FS Larenz, S. 293, 295 ff.: Legitimierende Kraft des Rechts müsse die inhaltliche Gerechtigkeit als Konsens der Rechtsgemeinschaft darüber sein, was als recht und billig empfunden werde. Andernfalls könnten auch Entscheidungen einer Diktatur legitimiert sein, sofern sie nur in einem ordnungsgemäßen Verfahren ergangen seien. Dagegen ist einzuwenden, dass eine Diktatur, die rechtsstaatliche Anforderungen an das Verfahren einhält, nur schwer denkbar ist. Kritik daher auch bei Rupp in: FS Bachof, S. 151, 163 ff.; Steinberg, DÖV 1982, 619, 620 f. 135 Siehe BVerfGE 54, 53, 67 f. Ebenso Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 28; Pünder in: Erichsen/Ehlers, § 12 Rn. 12: Art. 20 Abs. 3 GG verlange grundsätzlich die formelle und materielle Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung. 136 Vgl. Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 162, 217. 137 Vgl. Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 629; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 9. 138 Siehe dazu im 2. Kapitel unter IV. 2. 139 Die Bedeutung des Verwaltungsverfahrens bei begrenzter Kontrolle der Gerichte bezeichnet Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 287, als „alte[. . .] Erkenntnis“. 140 VGH München, Urteil vom 5.7.1994, DVBl 1994, 1198. Siehe dazu im 2. Kapitel unter IV. 2.

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vollzug des UVP-Verfahrens im Rahmen der Kausalitätsprüfung aufgrund der eigenständigen Bedeutung der UVP als Richtigkeitsgewähr für das inhaltliche Ergebnis ab.141 Aufgrund der durch die UVP bewirkten „Prozeduralisierung der Umweltbelange“ stellten behördlicher Ermittlungsauftrag und behördliche Bewertungsbefugnis sich als ein Abwägungselement dar,142 zu dessen Nachvollzug das Gericht nicht befugt sei, da die gesetzlich besonders angeordneten, differenzierten Ermittlungspflichten der UVP in erster Linie von den Behörden erfüllt werden müssten. Da die Konkretisierung materieller umweltrechtlicher Maßstäbe zunächst in die Hände der Verwaltung gegeben sei, verbiete es sich, Auftrag und Möglichkeiten des Verwaltungsverfahrens zu umgehen.143 Gerade ein spezialisiertes, der Ermittlung aller erheblichen Abwägungsbelange dienendes Verwaltungsverfahren wie die UVP müsse überhaupt stattgefunden haben, bevor das Gericht eine Nachermittlungspflicht bezüglich der Grundlagen der Abwägung treffe.144 Daher muss angenommen werden, dass die Normierung eines besonderen Verwaltungsverfahrens zur Konkretisierung eines gesetzlich beabsichtigten Ergebnisses bereits dazu führen kann, dass der Verwaltung die letztverantwortliche Entscheidungskompetenz zukommen soll.145 Nimmt man die richtigkeitssichernde Funktion des Verfahrens ernst, ist diese Indizwirkung zwangsläufig, weil der Verfahrensfehler auf die mangelhafte Gewährleistung der Entscheidungsrichtigkeit hinweist.146 Es wurde bereits gezeigt, dass die Fähigkeit des Gerichts als Zweit-Entscheider zur Nachprüfung des Entscheidungsergebnisses umso stärker beeinträchtigt ist, je mehr das Verfahrensrecht auf das Entscheidungsergebnis einwirkt. Die Beeinflussung des materiellen Ergebnisses durch einen Fehler im Entscheidungsverfahren ist dabei umso wahrscheinlicher, je weniger das Entschei141 Vgl. VGH München DVBl 1994, 1198, 1199. Dazu Hien, NVwZ 1997, 422, 424; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 360 f. So auch OVG Koblenz NVwZ 1995, 1025 (LS): Seien die verfahrensrechtlichen Anforderungen der UVP eingehalten, könne dies aufgrund der damit verbundenen Richtigkeitsgewähr vielmehr als Indiz für die Einhaltung der auch materiellen Anforderungen des UVPG gelten. 142 VGH München DVBl 1994, 1198, 1201 (Hervorhebung von Verfasserin). 143 VGH München DVBl 1994, 1198, 1201. Dazu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 361. 144 VGH München DVBl 1994, 1198, 1201. Dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 378. Aus anderen Gründen nimmt auch Pöcker, DÖV 2003, 980, 986 f. an, dass die Bestimmung des richtigen Ergebnisses nicht länger verfahrensextern vorgenommen werden kann. 145 So schon Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 120. 146 Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 104. Ähnlich Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 42; Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 706. Schon vor Erlass des VwVfG wurde in der Regel unterstellt, dass der Verwaltungsakt durch einen Verfahrensfehler beeinflusst und daher auch inhaltlich fehlerhaft war, vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht Bd. 1, S. 229 ff., 235 f.

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dungsergebnis bereits materiell-rechtlich determiniert ist.147 Dies ist bei UVP-pflichtigen Entscheidungen des Umweltrechts der Fall, da diese in der Regel unbestimmte Rechtsbegriffe beinhalten148 oder der Behörde ein Planungsermessen einräumen. Diese mögliche Einwirkung des Verfahrensrechts auf das materielle Recht setzt aber zunächst die Grundannahme voraus, dass Verfahrensrecht und materielles Recht überhaupt zwei voneinander unterscheidbare Kategorien bilden und dass ein in einer Norm enthaltenes rechtliches Gebot eindeutig als verfahrensrechtlich bestimmt werden kann.149 Es ist jedoch fraglich, ob diese Zuordnung bei umweltrechtlichen Entscheidungen noch in dieser Deutlichkeit getroffen werden kann. a) Neubestimmung der Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht? Bereits bisher kann die Abgrenzung von materiellem und Verfahrensrecht nicht immer eindeutig vorgenommen werden,150 denn einzelne Vorschriften können sowohl materiell-rechtlichen als auch verfahrensrechtlichen Inhalt haben.151 Ob eine Rechtsnorm dem materiellen oder dem Verfahrensrecht 147

So schon Grimm, NVwZ 1985, 865, 872; Krebs, Kontrolle, S. 98. Auch bei den in der Rechtsfolge gebundenen Genehmigungsentscheidungen bestehen Beurteilungsspielräume insofern, als die Genehmigungstatbestände oft unbestimmte Rechtsbegriffe aufweisen, zu deren Ausfüllung es einer Beurteilung der Verwaltung bedarf. Vgl. nur §§ 4 und 6 BImSchG. 149 Die begriffliche Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht gilt als grundlegendes Prinzip der deutschen Rechtsordnung. Vgl. Pöcker, DÖV 2003, 980. Insbesondere im Bereich der Verfahrensfehlerfolgen spielt diese Abgrenzung eine wesentliche Rolle, da der Gesetzgeber unterschiedliche Rechtsfolgen an die Verletzung von materiellem oder Verfahrensrecht knüpft. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 222. Für Verwirkung und Präklusion so auch Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 12. 150 Vgl. Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 39; Clausen in: Knack, VwVfG, Vor § 9 Rn. 27; Lerche in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 38 ff.; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 20; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 222; Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1135; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 83. Ebenso schon Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 120 ff.; ders. in: GS Jellinek, S. 361, 363. Zur Abgrenzung von materiellem Verwaltungsrecht zu Verwaltungsverfahrensrecht Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2; Schmidt-Aßmann in: Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 5. Die unterschiedlichen Abgrenzungsversuche belegen die Schwierigkeit, eine Rechtsnorm eindeutig als materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich zu qualifizieren. Darstellung verschiedener Abgrenzungsversuche bei Neuser, Gesetzgebungskompetenzen, S. 75 ff.; Versuch einer Neubestimmung bei Heinrich A. Wolff in VR 1996, 367. 151 Vgl. BVerfGE 37, 363, 391; 55, 274, 321. Dies nehmen Kopp/Ramsauer, VwVfG, Einl. Rn. 13, für §§ 48 ff. und 54 ff. VwVfG und für Handlungen wie den 148

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zuzuordnen ist, kann beispielsweise nach ihrem Regelungsinhalt oder aber auch nach der Sichtweise der zu der jeweiligen Entscheidung berufenen Person beurteilt werden.152 Ein anderer Abgrenzungsversuch definiert Verfahrensrecht als das Recht, das seinen Rechtsgrund aus Sicht des Bürgers in einer Rechtsschutzfunktion und aus Sicht der Verwaltung in einer Effektivitätsfunktion hat.153 Auch wird vorgeschlagen, als materielles Recht solche Rechtsvorschriften zu qualifizieren, die unmittelbar dem jeweils zu verwirklichenden Rechtsgut dienen, während Verfahrensrecht der Verwirklichung des Rechtsguts nur mittelbar diene.154 Die gängigste und greifbarste Unterscheidung ist die oben verwendete Abgrenzung danach, ob die infrage stehende Vorschrift eher die Entstehung einer Entscheidung oder den Inhalt einer Entscheidung betrifft.155 Veränderungen der Abgrenzung zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und materiellem Verwaltungsrecht können sich aus den Wandlungen der Staatsaufgaben im Bereich der Verwaltung ergeben.156 Dabei belegt die im Jahr 1994 in das Grundgesetz eingefügte Staatszielbestimmung157 des Erlass eines Verwaltungsakts an. Siehe auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 58 Rn. 12; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rn. 7. 152 Vgl. Heinrich A. Wolff, VR 1996, 367. Zum Beispiel ist das Verwaltungsverfahrensrecht aus der Sicht des über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung urteilenden Gerichts materielles Recht, da es den Inhalt seiner gerichtlichen Entscheidung und nicht deren Zustandekommen betrifft. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 222. 153 Neuser, Gesetzgebungskompetenzen, S. 82 ff., 84. Kritik an dieser Theorie bei Heinrich A. Wolff, VR 1996, 367, 369. 154 Vgl. Heinrich A. Wolff, VR 1996, 367, 369 f. Der Vorteil dieser Theorie liege zum einen darin, dass sie die Gemeinsamkeit von materiellen und Verfahrensvorschriften betone, die beide als Sollensnormen das tatsächliche Verhalten eines Normadressaten steuern wollen. Zum anderen könne man damit die Tatsache anerkennen, dass Entscheidungsprozesse sowohl auf einer Wechselbeziehung zwischen materiellem und Verfahrensrecht als auch auf einer Verbindung zwischen materiellen und verfahrensrechtlichen Gedanken beruhen können. Vgl. Heinrich A. Wolff, VR 1996, 367, 369 f. 155 So Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 225; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 20. Vgl. auch Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 489 f.; Lerche in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 30 ff. Prägend die bildhafte Unterscheidung bei Merkl, Allg. Verwaltungsrecht, S. 213: Verfahrensrecht sei der Weg, das materielle Recht das Ziel. 156 So das BVerfG in einer Entscheidung zur Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG, BVerfGE 55, 274, 320. 157 So Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a Rn. 17, 32 f.; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 20a Rn. 12; Sommermann in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20a Rn. 1; Steinberg, NJW 1996, 1985, 1990. Anders Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 20a Rn. 23: „Umweltstaatsprinzip“; Jarass in: ders./Pieroth, GG, Art. 20a Rn. 1: „Rechtsprinzip“. Die inhaltliche Konkretisierung der Staatszielbestimmung ist Aufgabe der zuständigen Staatsorgane, vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 20a Rn. 46; Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a Rn. 35.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

Art. 20a GG,158 nach der der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung schützt, die zunehmende Bedeutung der staatlichen Aufgabe Umweltschutz.159 Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Verankerung der Staatsaufgabe Umweltschutz und, weitaus wichtiger, aufgrund der Bedeutung des Verfahrensrechts bei umweltrechtlichen Entscheidungen stellt sich die Frage, ob die herkömmliche Abgrenzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht im Umweltrecht noch eine zutreffende Differenzierung gewährleistet oder ob eine Neubestimmung erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer Neubestimmung wird in der Diskussion darüber deutlich, inwieweit Vorschriften der UVP auch einen materiellen Gehalt aufweisen.160 Dabei besteht über den verfahrensrechtlichen Charakter der UVP weitgehend Einigkeit.161 Dafür spreche, dass die UVP keine materielle Modifikation der fachrechtlichen Zulassungsnormen verlange, sondern in § 12 UVPG auf die Maßgeblichkeit der geltenden – materiellen – Gesetze verweise.162 Auch der Verzicht auf materielle Maßstäbe für die Ge158 Art. 20a GG wurde eingefügt durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994, BGBl. I S. 3146. Zu Art. 20a GG Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 148 ff.; Bernsdorff, NuR 1997, 328; vgl. auch die Kommentierungen bei Jarass in: ders./Pieroth, GG; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG; Scholz in: Maunz/Dürig, GG; Murswiek in: Sachs, GG; Sommermann in: von Münch/Kunig, GG. 159 Art. 20a GG enthält einen umfassenden, an den Staat gerichteten Auftrag, zum Schutz der Umwelt tätig zu werden sowie schädigende Eingriffe in die Umwelt zu unterlassen. Vgl. Epiney in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20a Rn. 57; Jarass in: ders./Pieroth, GG, Art. 20a Rn. 5; Murswiek in: Sachs, GG, Art. 20a Rn. 18, 33 ff.; Sommermann in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20a Rn. 11; SchulzeFielitz in: Dreier, GG, Art. 20a Rn. 50 ff. Die Notwendigkeit von Umweltschutz begründen eindringlich u. a. Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 1 ff.; Epiney in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20a Rn. 1 ff.; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, Einführung. 160 Diese Frage ist auch im europäischen Recht nicht abschließend geklärt. Dabei ist fraglich, ob die UVP-RL selbst überhaupt zwischen verfahrens- und materiellrechtlichen Anforderungen unterscheidet. Vgl. Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 381. 161 Den verfahrensrechtlichen Charakter der UVP nehmen an Haneklaus in: Hoppe, UVPG, Vorbem. Rn. 4, 7; Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134; Epiney, Umweltrecht, S. 216; Steinberg, AöR 120 (1995), 549, 551; Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485. Für eine Qualifikation der UVP als reines Verfahrensrecht ferner BVerwGE 100, 238, 243 f.; 100, 370, 376; VGH Mannheim NuR 1993, 277, 278 (Hervorhebung von Verfasserin). In der Literatur ebenso Schink, NuR 2003, 647, 649; ders., NuR 1998, 173, 179; Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485 ff., 489: „Primat des Fachrechts“. Dagegen Wolf, Umweltrecht, Rn. 892. Zum Verfahrensbezug der UVP Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 6 ff.; Schink, NuR 2003, 647, 649 f.; Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485.

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wichtung der Umweltbelange in der Abwägung belege den rein verfahrensrechtlichen Charakter der UVP.163 Schließlich ziele auch die UVP-RL nicht darauf ab, den materiellen Inhalt einer UVP-pflichtigen Entscheidung zu beeinflussen, sondern sei ergebnisneutral.164 Für einen darüber hinausgehenden materiell-rechtlichen Gehalt der UVPVorschriften wird allerdings angeführt, dass die UVP durch die neuartige Methode der Ermittlung und Bewertung von Umweltbelangen die materiellen Abwägungsmaßstäbe konkretisiere und ihnen dadurch eine höhere Transparenz und Rationalität verschaffe.165 Die verfahrensrechtliche Einwirkung auf die Strukturen des materiellen Rechts werde durch die Bewertungs- und Berücksichtigungspflicht des § 12 UVPG (vgl. Art. 3, 8 UVPRL) verdeutlicht, durch welche die in der UVP ermittelten Belange Eingang in die materielle Abwägung finden.166 Auch wenn dabei eine ausdrückliche Gewichtungsvorgabe für Belange des Umweltschutzes fehle, erführen diese doch durch die spezifische, formelle Neustrukturierung des Abwägungsvorgangs167 als umweltinterne, integrative, die Wechselbeziehungen berücksichtigende Bewertung einen erheblichen Gewichtszuwachs.168 Überdies 162 So die Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks. 11/3919, S. 27. Ferner Schink, NuR 2003, 647, 649; Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485, 489. Eine solche Modifikation resultiere auch nicht aus der Berücksichtigungspflicht des § 12 UVPG, vgl. BVerwGE 100, 238, 243 f. unter Hinweis auf BTDrucks. 11/3919, S. 27. 163 Vgl. Haneklaus in: Hoppe, UVPG, Vorbem. Rn. 8; BVerwGE 100, 238, 243; Schink, NuR 2003, 647, 649. Auch der Bezug auf den Vorsorgebegriff in § 12 UVPG begründe aufgrund der zu weichen Formulierung keinen materiellen Charakter der UVP. Vgl. Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485, 489. 164 BVerwGE 100, 238, 243. Es wird nicht ganz klar, was rechtlich daraus folgt, wenn der UVP aufgrund effektiver Ermittlung der Umweltauswirkungen und eines hohen Informationsniveaus aber immerhin eine praktische Ergebniswirksamkeit bescheinigt wird. So Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485, 492. 165 Deswegen sei der UVP die Funktion einer „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ zuzuschreiben, vgl. VGH München DVBl 1994, 1198, 1200; zuvor schon VGH München NuR 1993, 285, 286. 166 Vgl. VGH München DVBl 1994, 1198, 1200 f.; Erbguth/Schink, UVPG, § 12 Rn. 19; Beckmann in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 2; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 46; Epiney, Umweltrecht, S. 211; Wolf, Umweltrecht, Rn. 892; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266; Erbguth, NuR 1997, 261, 265; Lange, DÖV 1992, 780, 781. Ebenso aber auch Schink, NuR 2003, 647, 649. Siehe auch Scheuing in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 289, 346. Ferner Steinberg, DÖV 1996, 221, 227 f.; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 81 f.: Die UVP sichere den Umweltbelangen gerade durch deren isolierte Prüfung und Bewertung eine bessere Artikulationschance. 167 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 81. 168 Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302, 316; Erbguth, NuR 1997, 261, 265. In ähnlicher Weise wird angenommen, dass der „gesamthafte[. . .] Ansatz“ der UVP den Gehalt unbestimmter Rechtsbegriffe verstärke. So die Beschlussempfehlung des

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wird auch der Verweis auf eine wirksame Umweltvorsorge in § 12 UVPG als Beleg für eine materiell-rechtliche Dimension der UVP bewertet.169 In dieser Diskussion ist allerdings nicht immer eindeutig zu erkennen, ob UVP-Vorschriften selbst als materiell-rechtlich qualifiziert werden170 oder lediglich die materiell-rechtlichen Auswirkungen des UVP-Rechts auf die Entscheidung in der Sache beschrieben werden sollen.171 Hier genügt es aber zu zeigen, dass die Verfahrensvorschriften der UVP insofern eine verstärkte Bedeutung für die inhaltliche Sachrichtigkeit einer umweltrelevanten Entscheidung aufweisen, als die durch die UVP gewonnenen Informationen aufgrund ihrer Vollständigkeit und aufgrund des speziellen Verfahrens der Informationsgewinnung eine höhere Qualität besitzen.172 Zudem ist die UVP schließlich trotz des Verzichts auf materielle Standards kein ergebnisAusschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beim Gesetzgebungsverfahren des UVPG, BTDrucks. 11/5532, S. 31, insbesondere S. 38: „Durch die Änderung wird der materielle Regelungsgehalt des Gesetzes im Sinne einer medienübergreifenden, integrativen UVP deutlicher gemacht.“ Ebenso Pünder in: Erichsen/ Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 46. Feldmann, UPR 1991, 127, 130 f., sieht den materiell-rechtlichen Gehalt wohl hauptsächlich im medienübergreifenden Ansatz der UVP begründet. Ebenso Steinberg, AöR 120 (1995), 549, 551 f. 169 Peters, UPR 1994, 93 und 281; Lange, DÖV 1992, 780, 781. Zum Widerspruch zwischen dem Verweis auf die geltenden Gesetze und der Erwähnung des Vorsorgegrundsatzes in § 12 UVPG vgl. Beckmann in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 5, 67 ff. 170 So entgegen dem BVerwG VGH München DVBl 1994, 1198, 1200; OVG Koblenz NVwZ 1995, 1025; Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 74; Wolf, Umweltrecht, Rn. 892; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 30; Epiney, Umweltrecht, S. 211; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 94; Peters, UPR 1994, 93 und 281; Erbguth, NuR 1997, 261, 265; Steinberg, DÖV 1996, 221, 228; Walter, EuR 40 (2005), 302, 316; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 46; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266; Lange, DÖV 1992, 780, 781, 786 ff.; Feldmann, UPR 1991, 127. Vgl. weiter Storm/Bunge, Handbuch der UVP, Stand: August 2006, 0600 (§ 12) Rn. 1, 3; Schink, NuR 1998, 173. Nicht ganz deutlich Peters/Balla, UVPG, Einl. Rn. 67: es handle sich bei der UVP mit Blick auf die Bewertungsmaßstäbe nicht nur um bloßes Verfahrensrecht. Zumindest für § 12 UVPG so auch Beckmann in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 2. Vgl. auch die Beschlussempfehlung des Umweltausschusses in BTDrucks. 11/5532, S. 38. 171 Unklar zum Beispiel Steinberg, AöR 120 (1995), 549, 551: „Gewisse materielle Elemente [. . .]“; Scheuing in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 289, 346: „[. . .] materielle Teilgarantie durch das Berücksichtigungsgebot [. . .]“. 172 Vgl. Wolf, Umweltrecht, Rn. 892. Dagegen BVerwGE 100, 370, 376 f.: Die Leistungsfähigkeit der UVP werde überschätzt, da die UVP weder eine vollständige Erfassung aller auch nur erdenklichen Umweltauswirkungen noch einen umfassenden Kompromiss und die Klärung ungelöster Probleme erfordere. Vielmehr ziele sie lediglich auf die Beurteilung der erheblichen, hauptsächlichen Umweltauswirkungen unter Berücksichtigung des allgemeinen Kenntnisstandes und der allgemein anerkannten Methoden. Vgl. auch BVerwGE 98, 339, 358 f.; 100, 238; Hien, NVwZ 1997, 422, 426.

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neutrales Instrument, sondern verfolgt ausweislich der Erwägungsgründe der UVP-RL das – materielle – Ziel eines verbesserten Umweltschutzes.173 Damit verdeutlicht die UVP den gemeinschaftsrechtlichen Ansatz, materiellen Umweltschutz durch Verfahrensregelungen zu erreichen. Prägnant formuliert: „Die verfahrensrechtliche Konzeption ist ihrer Ausrichtung nach materielles Umweltrecht.“174 Am Beispiel der UVP wird hiermit sichtbar, dass das Verfahrensrecht im Sinne des „Umweltschutz durch Verfahren“ eine zunehmend materielle Zielrichtung einnimmt.175 Kennzeichnend für diese zunehmende Prozeduralisierung des Rechts ist die Tatsache, „[. . .] dass die Regulierung zwar am Modus und nicht am Resultat der Entscheidung ansetzt, dass aber durch die Regulierung des Modus auf die Resultate eingewirkt wird.“176 Das Verfahrensrecht dient nicht mehr der Verwirklichung und Durchsetzung bereits bestimmter Entscheidungen, sondern sichert die Konstituierung von Entscheidungen.177 Der prozedurale Ansatz kann aufgrund dessen langfristig zu einer Überwindung der Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht führen, denn „[. . .] durch die Akzentuierung der inhaltsprägenden Wirkungen von Verfahren wird die strikte Trennung von Modus und Resultat ebenso hinfällig wie die Trennung von Mittel und Zweck.“178 Fraglich bleibt, wie sich die sich verändernde Abgrenzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht in der gerichtlichen Kontrolle von Verfahrensrecht niederschlagen wird. b) Verfahrensfehler als Indiz für einen Abwägungsmangel Es wurde deutlich, dass die Übergänge zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht im Umweltrecht fließend sind, da das Verwaltungsverfahren insbesondere im Umweltrecht dazu dient, die komplementären Steuerungsaufgaben von Verfahren und materieller Rechterkenntnis herauszuarbeiten. 173 Vgl. nur die Erwägungsgründe der UVP-RL. Ferner Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 62. 174 Walter, EuR 40 (2005), 302, 316. Ähnlich im Hinblick auf das Planungsrecht Pöcker, DÖV 2003, 980, 987. Siehe ferner Bader, Verwaltungsverfahren und materielles Recht, S. 14: „Die Verfahrensrichtigkeit wird zur Sachrichtigkeit.“ 175 Vgl. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 55. 176 Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 54. 177 Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 55. 178 Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 55. Ebenso Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 5, der den Sinn der kategorialen Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht überhaupt infrage stellt, sowie für das Planungsrecht Pöcker, DÖV 2003, 980 ff. Anderer Ansicht Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 490.

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Die Bedeutung des Verfahrensrechts sollte folglich nicht pauschal beurteilt werden. Vielmehr gilt es für Verfahrensvorschriften abhängig von ihrer Funktion für den gesamten Verfahrensablauf zu prüfen, inwiefern ihnen ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zukommt. Beispielsweise kommt im Sozialrecht als Rechtsgebiet der Leistungsverwaltung dem Anhörungsrecht des Betroffenen ein besonders hoher Stellenwert zu, da die Behörde auf die Anhörung zur Entscheidung über die Gewährung von Sozialleistungen unbedingt angewiesen ist. Daher nimmt der dem § 46 VwVfG sonst wörtlich entsprechende § 42 SGB X179 in Satz 2 die Anhörung von der Unbeachtlichkeit aus.180 Auch im Umweltrecht ist zu überlegen, ob die Bedeutung von Verfahrensrechten für den Entscheidungsprozess181 eine differenzierte Behandlung von Verfahrensfehlern erfordert.182 Die Bestimmung einer adäquaten Fehlerfolge setzte dann eine gründliche Analyse der jeweiligen Verfahrensnorm voraus.183 Da zum Beispiel die Vorschriften der UVP über die Öffentlichkeitsbeteiligung materiell-rechtliche Funktionen übernehmen, indem sie die aufgrund der Vielzahl von Verfahrensbeteiligten und Entscheidungsbetroffenen unmögliche materielle Richtigkeit für alle Beteiligten durch die Ermittlung und Berücksichtigung der Belange aller Betroffenen kompensieren,184 verlangen die UVP-Vorschriften strikte und ausnahmslose Be179 In der Fassung durch das Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21.12.2001, BGBl. I S. 1983. 180 Demzufolge ist eine Verletzung der Anhörungspflicht im Sozialverwaltungsverfahren immer beachtlich und führt zur Aufhebung des Verwaltungsakts. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 114; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 65; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 42 mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung des BSG. Ausdrücklich BSGE 70, 133, 136: Rechtsverstöße auf dem Weg zu einem Verwaltungsakt können größeres Gewicht haben als Verstöße gegen Vorschriften, die den Inhalt des Verwaltungsakts betreffen. 181 Die Möglichkeit einer unterschiedlichen Relevanz von Verfahrensvorschriften erkennen auch die Befürworter des § 46 VwVfG an, wenn sie freilich in anderer Absicht argumentieren, dass die Schutzwirkungen der Verfahrensrechte der nachträglichen Durchsetzung „nur im Falle einer nachvollziehbaren Möglichkeit, dass die Beteiligung nicht nur einen wirkungslosen Formalismus darstellte, [. . .]“ bedürften. Vgl. Siems, NuR 2006, 359, 362. Umgekehrt lässt sich daraus argumentieren, dass in allen Fällen, in denen Verfahrensrechte deutlich über einen solchen wirkungslosen Formalismus hinausgehen, eine Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers aufgrund der sonst weitgehend ausgeschalteten Schutzwirkungen des Verfahrensrechts nicht geduldet werden kann. 182 Für § 44a VwGO so auch Eichberger, Die Einschränkung des Rechtsschutzes, S. 260 f. Vgl. ferner Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 36. 183 Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 37.

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achtung.185 Das schließt es aus, die unterbliebene oder fehlerhafte UVP wie einfaches Verfahrensrecht der Unbeachtlichkeitsregel des § 46 VwVfG zu unterwerfen.186 Folgerichtig fordert § 4 UmwRG die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung, wenn eine erforderliche UVP oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls fehlt. Dagegen wurde vor Erlass des § 4 UmwRG eingewandt, die nicht durch die UVP gewonnene Information sei nicht per se qualitativ minderwertig, so dass die kausalitätsorientierte Frage zulässig sei, ob durch die fehlende UVP tatsächlich wesentliche Gesichtspunkte vernachlässigt wurden oder ob die fehlenden Informationen anderweitig vorlagen.187 In diesem Fall hätte die unterlassene UVP keine Auswirkung auf die getroffene Entscheidung. Ebenso wird versucht, das Kausalitätserfordernis damit zu rechtfertigen, dass es unverhältnismäßig sei, wenn zum Beispiel der Nachbar einer immissionsschutzrechtlich relevanten, genehmigungsbedürftigen Anlage die Aufhebung der Genehmigung einzig wegen eines Verfahrensfehlers erreichen könne, der feststellbar auf die materielle Entscheidung ohne jede Auswirkung geblieben ist.188 Dem ist entgegenzuhalten, dass nach den bisherigen Ausführungen eine fehlende oder fehlerhafte UVP kein nur vergleichsweise 184 Ähnlich der Gedanke in BVerwGE 92, 258, 261 f.: Hier überlegt das Gericht, ob das Beteiligungsrecht eines anerkannten Naturschutzverbandes nach §§ 58 Abs. 1 S. 1, 60 Abs. 2 S. 1 BNatSchG ausnahmsweise eine Klagebefugnis rechtfertigen könnte, wenn dieses Beteiligungsrecht Ausdruck dafür wäre, dass dem Verband die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in besonderer Weise anvertraut sind. Obwohl das BVerwG dies in der Folge ablehnt, lässt sich der Argumentation der Gedanke einer materiell-rechtlichen Anreicherung des Beteiligungsrechts entnehmen. 185 Vgl. Gellermann, DÖV 1996, 433, 443. 186 Vgl. Steinberg, DÖV 1996, 221, 228; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 711; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 378. Für die Anwendung des § 46 VwVfG auf die UVP dagegen Peters/Balla, UVPG, Einl. Rn. 67. Vgl. noch VGH München NVwZ 1996, 284, 288; VGH Mannheim NVwZ 1996, 304, 306: Die Nichteinhaltung der Verfahrensbestimmungen des UVPG könne für sich genommen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen. 187 Hien, NVwZ 1997, 422, 426. 188 Beispiel bei Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 491. Vgl. auch Siems, NuR 2006, 359, 362. Ferner Hien, NVwZ 1997, 422, 424: Es sei unangemessen, den in den Unmengen an von mühevoller substantieller Behördenarbeit zeugender Akten enthaltenen Wert wegen eines vergleichsweise geringen Verfahrensfehlers durch die Entscheidungsaufhebung für umsonst zu erklären. Hien hält letztendlich das Erfordernis der konkreten Kausalität aus prozessökonomischen Gründen für gerechtfertigt, da eine rein formelle Überprüfung dazu führe, dass der Kläger erneut klagen müsste, um eine materielle Überprüfung zu erreichen. Die konkrete Kausalität konzentriere somit den Streitstoff auf die wesentlichen Punkte. Noch weitergehend Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 589: Was nütze das Aufspüren von Fehlern, wenn der Kläger durch diese eben nicht in seinen Rechten verletzt sei?

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geringer Verfahrensfehler ist.189 Zudem wurde die Annahme, dass in einem umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren eindeutig feststellbar ist, ob ein Verfahrensfehler kausal oder nicht kausal für die materielle Entscheidung war, bereits mit dem Gedanken widerlegt, dass gerade diese Kausalität im Umweltrecht aufgrund der Komplexität des Entscheidungsprozesses ohne eingehende Untersuchungen schwer oder kaum feststellbar ist. Der Kausalitätsbegriff muss daher bei der Kontrolle der umweltrechtlichen Rechtskonkretisierungsprozesse der Verwaltung bereits seine Funktion verfehlen. Der Maßstab für die gerichtliche Beurteilung von Verfahrensfehlern bei der UVP muss also ihrer tatsächlichen Bedeutung für die Abwägung angepasst werden. Die UVP dient zwar der Ermittlung des Abwägungsmaterials, dennoch würde es dem besonderen Konzept der UVP nicht gerecht, die Aufhebung einer UVP-pflichtigen Entscheidung an das Vorliegen eines Abwägungsmangels zu koppeln.190 Denn während die vom BVerwG gestellte Frage nach konkreten ergebnisrelevanten Abwägungsdefiziten auf dem klassischen Verfahrensmodell einer gleichzeitigen Ermittlung des gesamten Abwägungsmaterials beruht, macht die durch die gestufte Prüfung und Bündelung aller Umweltbelange von der UVP intendierte Artikulationschance für Umweltbelange eine nachträgliche Ermittlung ihrer hypothetischen Auswirkungen in einem korrekt durchgeführten Verwaltungsverfahren durch das Gericht unmöglich.191 Bei der gerichtlichen Kontrolle der UVP muss daher auf hypothetische Erwägungen im Rahmen der Kausalitätsprüfung weitgehend verzichtet werden.192 Anstatt die Sachentscheidung nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Missachtung oder Fehlgewichtung abwägungserheblicher Belange infolge der unterbliebenen UVP aufzuheben, ist entsprechend dem prozeduralen Grundkonzept der UVP-RL unter Zurücknahme hypothetischer Erwägungen in der unterbliebenen UVP vielmehr ein 189 Auch der gemeinschaftsrechtliche Stellenwert der UVP schließt es aus, diese als einfaches Verfahrensrecht zu qualifizieren und den gleichen Fehlerfolgen zu unterwerfen. Vgl. dazu OVG Koblenz NuR 2005, 474, 476; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 711. Schließlich sieht auch das Gemeinschaftsrecht für Verfahrensfehler nicht unterschiedslos die gleichen Sanktionen vor. Ungenau Epiney, Umweltrecht, S. 210: Der effektive Schutz der Beteiligungsrechte bei der UVP spreche eher dafür, dass ein fehlerhaftes UVP-Verfahren nicht rechtmäßig sein könne. 190 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 276. Anders Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 29, der vorschlägt, dass Verfahrensfehler, die wie die Öffentlichkeitsbeteiligung der Ermittlung des relevanten Abwägungsmaterials dienen, nur dann zur Aufhebung der Entscheidung führen sollen, wenn sie zu einem Abwägungsfehler geführt haben, der auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. 191 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 82; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 276. 192 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 276.

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Indiz für eine fehlerhafte Abwägung zu sehen, ohne dass der Kläger eine konkrete Fehlermittlung oder Fehlgewichtung der Umweltbelange nachweisen muss.193 Die Entscheidungserheblichkeit einer unterlassenen oder fehlerhaften UVP darf dann nur abgelehnt werden, wenn sich positiv ausschließen lässt, dass dieser Verfahrensmangel zu Abwägungsmängeln geführt hat.194 § 4 UmwRG setzt diese Vorgabe jedenfalls insofern um, als die Vorschrift davon auszugehen scheint, dass bei einer fehlenden UVP unter keinen Umständen mehr im Sinne des § 46 VwVfG angenommen werden kann, dieser Fehler habe die Entscheidung nicht beeinflusst. Dieser Kontrollansatz wird dem Verfahrenskonzept der UVP eher gerecht als die vom BVerwG zugrunde gelegte Frage nach der konkreten Möglichkeit einer anderen Entscheidung.195 Auch das BVerwG hatte in einer neueren Entscheidung immerhin zugegeben, dass bei dem Versäumnis, die Umweltbelange in gebündelter Form den anderen Belangen gegenüberzustellen, die konkrete Möglichkeit eines anderen Abwägungsergebnisses – und damit eines Abwägungsmangels – jedenfalls nicht leichthin von der Hand zu weisen sei: „Je größeres Gewicht den Belangen des Umweltschutzes im Interessengeflecht der Abwägung zukommt, desto eher ist davon auszugehen, dass sich methodische Unzulänglichkeiten bei der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG auf das Planungsergebnis ausgewirkt haben können.“196 In dieser Formulierung ist die indizierende Wirkung einer unterlassenen UVP zu erkennen, denn wenn ein Umstand nicht leichthin von der Hand zu weisen ist, erfordert es einigen argumentativen Aufwand, diesen zu entkräften. Damit spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den fraglichen Umstand. 193 Vgl. VGH München NuR 1993, 285, 286; DVBl 1994, 1198, 1200; OVG Koblenz NVwZ 1995, 1025 (LS). Zustimmend Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 27. So auch Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 81 f.; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 276 f. Bereits Grimm, NVwZ 1985, 865, 872, stellt fest, dass die Wahrscheinlichkeit eines Einflusses des Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung mit sinkender materiellrechtlicher Bindung des Verwaltungshandelns steigt. 194 Vgl. VGH München NuR 1993, 285, 286; DVBl 1994, 1198, 1201; Erbguth, NuR 1997, 261, 267; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 277. Es wird vorgeschlagen, diese Auslegung entgegen der gesetzgeberischen Intention auch auf § 46 VwVfG zu übertragen, obwohl die Anwendung des § 46 VwVfG auf den Vorbehaltsbereich der Verwaltung überhaupt schon fraglich sei. Vgl. Erbguth, NuR 1997, 261, 267; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 30 ff.; Wegener, ZUR 1996, 324, 325; Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 132 f. 195 Ebenso Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 276. 196 BVerwGE 122, 207, 213 und LS. Ähnlich bereits Grimm, NVwZ 1985, 865, 872: mit sinkender materiell-rechtlicher Bindung des Verwaltungshandelns steige die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verfahrensfehler mitbestimmend für die Sachentscheidung war.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

Ein weiterer Vorteil dieses Kontrollansatzes ist die Tatsache, dass damit umfangreiche materielle Ermittlungen des Gerichts zur Feststellung der Kausalität des Verfahrensfehlers vermieden werden könnten.197 Dies verbessert die Effizienz des Gerichtsverfahrens und vermindert die Überlastung der Gerichte.198 Es ist gegenwärtig offen, ob abweichend von der Kausalitätsrechtsprechung im Umweltrecht Verfahrensfehler in Zukunft verstärkt als Indiz für Abwägungsfehler betrachtet werden müssen mit der Folge, dass eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung in der Regel aufgehoben werden muss. Für den Fall der unterbliebenen UVP oder der unterbliebenen Vorprüfung des Einzelfalls wurde dies zwar zwischenzeitlich gesetzlich festgelegt, so dass das BVerwG nach Erlass des § 4 UmwRG seine Rechtsprechung diesen Vorgaben anpassen muss. Fraglich ist allerdings, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen eine förmliche UVP zwar durchgeführt wurde, aber verfahrensfehlerhaft war. Unterbleibt zum Beispiel die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der UVP, fehlt ein zentraler Bestandteil des UVP-Verfahrens, ohne dass dieser Verfahrensfehler nach § 4 UmwRG zur Aufhebung der Entscheidung führt. Es bleibt daher zu klären, ob die Beschränkung der Regelung auf den punktuellen Fall der unterbliebenen UVP der generellen Bedeutung des Verfahrensrechts in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren gerecht wird. Problematisch ist dabei auch, dass § 4 UmwRG aufgrund der Beschränkung auf eine einzelfallbezogene Ausnahme kein Differenzierungskriterium für die Abgrenzung unbeachtlicher von beachtlichen Verfahrensfehlern anbietet. Damit bleibt die Norm eine dogmatische Erklärung dafür schuldig, warum die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern in Fällen der unterlassenen UVP eingeschränkt werden muss. Aufgrund dessen muss im weiteren Verlauf der Arbeit noch untersucht werden, ob § 4 UmwRG den hier entwickelten Anforderungen an eine den Spezifika des Umweltrechts angepasste Verfahrensfehlerlehre entspricht. Bevor dazu geprüft wird, welche Vorgaben für eine umweltspezifische Verfahrensfehlerlehre aus der Aarhus-Konvention und dem Gemeinschaftsrecht resultieren, bleibt allerdings noch zu überlegen, in welchem Verhältnis die gerichtliche Kontrolle des Verfahrens zur Kontrolle des materiellen Rechts steht, und welche Veränderungen der materiellen Kontrolle aufgrund der gegenwärtigen Veränderungen bei der Kontrolle von Verfahrensfehlern zu erwarten sein können. 197 Bereits Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 42 kritisiert, dass die Feststellung, ob nach § 46 VwVfG der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat, Ermittlungen des Verwaltungsgerichts erfordere, die den angestrebten prozessökonomischen Entlastungseffekt fraglich machten. Ähnlich Hufen, Fehler, Rn. 585: Jedenfalls führe die bisherige Zurückdrängung der Bedeutung des Verwaltungsverfahrens durch die Fehlerfolgenlehre niemals zu einer Entlastung der Gerichte, eher das Gegenteil sei der Fall. 198 Die Überlastung der Verwaltungsgerichte wurde schon konstatiert von Sendler in DVBl 1982, 923; jetzt erneut ders. in DÖV 2006, 133.

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c) Auswirkungen einer veränderten Verfahrenskontrolle auf das Niveau der materiellen Kontrolle Jegliche Modifikation der Verfahrensfehlerlehre muss berücksichtigen, dass die gerichtliche Verfahrenskontrolle nicht ohne Weiteres ausgeweitet werden kann, ohne Auswirkungen auf das Niveau der materiellen Kontrolldichte zu zeitigen. In der Regel geht eine starke Verfahrenskontrolle mit einer reduzierten materiellen Kontrolldichte einher, ebenso wie umgekehrt eine hohe materielle Kontrolldichte die Zurücknahme verfahrensrechtlicher Kontrolle bedingt.199 Die hohe materielle Kontrolldichte im deutschen Rechtsschutz beruht auf dessen Ausrichtung auf den Schutz subjektiver Rechte. Nach Art. 19 Abs. 4 GG200 steht demjenigen der Rechtsweg offen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wurde.201 Im somit verfassungsrechtlich 199

So wird im französischen objektiven Rechtsschutzsystem vorwiegend die Richtigkeit des Verfahrens überprüft, während sich die Gerichte mit inhaltlichen Vorgaben gegenüber der Verwaltung weitgehend zurückhalten. Vgl. dazu SchmidtAßmann, DVBl 1997, 281, 284; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 100 ff., 133 f.; Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 173 ff., 178; Classen, Europäisierung, S. 7, 38; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 698; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 279 f.; Woehrling in: Rechtsschutz im Umweltrecht, S. 73, 74 f. Grund dafür ist das größere Vertrauen in die Verwaltung als Verkörperung demokratisch legitimierter Hoheitsgewalt, der eine besondere Durchsetzungsmacht gegenüber dem Einzelnen zugestanden wird; beispielsweise existieren in Frankreich erst seit neuerer Zeit auch subjektive Verfahrensrechte wie Begründungspflichten und Anhörungsrechte, da die demokratische Legitimation der Verwaltung aufgrund der Förmlichkeiten der Verwaltung traditionell als hoch eingeschätzt wird. Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 698 f.; Classen, Europäisierung, S. 7; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 302. Siehe auch Schwarze, DÖV 1996, 771, 773 für das englische Verwaltungsprozessrecht; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 280 und Epiney/Sollberger, Zugang, S. 251 für Dänemark. Rechtsvergleichend ausführlich Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 698 ff. Zum Verhältnis zwischen materieller und Verfahrenskontrolle auch Goerlich, Grundrechte, S. 344 f. 200 Art. 19 Abs. 4 GG ist die wichtigste verfassungsrechtliche Vorgabe für die Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Neben objektiven Gehalten enthält Art. 19 Abs. 4 GG in erster Linie ein Grundrecht auf subjektiven Rechtsschutz. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 7 ff.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 39 ff.; Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 49; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 3. 201 Damit enthält die Norm eine Rechtsschutzgewähr dahingehend, dass zum Schutz subjektiver Rechte ausnahmslos gerichtlicher Rechtsschutz gegen Akte der Exekutive gewährt wird. Vgl. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 3; Wolf, Umweltrecht, Rn. 362; Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9, 23. Zum Begriff der öffentlichen Gewalt, gegen deren Akte Rechtsschutz garantiert wird, Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 45 ff., insbesondere Rn. 52 ff.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 40 ff. Die Hand-

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

garantierten System subjektiven Individualrechtsschutzes202 hängen sowohl der Zugang zu Gericht als auch der Umfang der gerichtlichen Kontrolle davon ab, ob eine Verletzung in einem subjektiven Recht geltend gemacht werden kann bzw. tatsächlich vorliegt.203 Verwaltungsgerichtlich einklagbar sind folglich nur subjektiv-rechtliche Rechtspositionen.204 Ein subjektives Recht ist die einem Subjekt durch eine Rechtsnorm, einen Vertrag, eine Zusicherung oder durch einen früheren Verwaltungsakt zuerkannte Rechtsmacht, von einem anderen ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu fordern.205 Das Bestehen eines subjektiven Rechts ergibt sich nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, sondern aus dem Wortlaut oder durch Auslegung der jeweiligen Norm.206 lungsform der Verwaltung spielt für den Zugang zu den Gerichten keine Rolle, Rechtsschutz ist also gegen alle Handlungsformen der Verwaltung wie Verwaltungsakte, Rechtsverordnungen, Satzungen, Pläne zu erlangen. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 66; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 55. 202 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8; SchulzeFielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8 f., 60; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 32. 203 Siehe §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Vgl. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 273; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116 f.; Krebs, Kontrolle, S. 106; Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 6 ff.; Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 18; Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 71, 82 ff.; Sachs in: ders., GG, Art. 19 Rn. 126; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 32 ff.; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 35; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 33; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 356; Winter in: Rechtsschutz im Umweltrecht, S. 100; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 283 f. Es ist das entscheidende Merkmal des subjektiven Individualrechtsschutzes, dass es nicht nur auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung, sondern auf das Vorliegen einer individuellen Rechtsverletzung ankommt. Vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 72. Zu gemeinschaftsrechtlichen Überlagerungen der Verletztenklage siehe die Studien von Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, und Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997. 204 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 359. 205 Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 61; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118; Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 83; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 276. Zum subjektiven Recht allgemein Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116 ff.; Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 60; Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 83 ff.; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 273 ff.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 495 ff. 206 Vgl. Sachs in: ders., GG, Art. 19 Rn. 128 f.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 61 f.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 36; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 497. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118, spricht insofern von einer spezifischen Normativität des subjektiven Rechts.

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Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO begrenzt den Zugang zu Gericht, indem sie voraussetzt, dass der Kläger geltend macht, durch staatliches Handeln oder Unterlassen in seinen Rechten verletzt zu sein.207 Dies ist der Fall, wenn nach dem Vortrag des Klägers zumindest die Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte besteht.208 Eine Verletzung in eigenen Rechten ist dann möglich, wenn die als verletzt gerügte Vorschrift nicht nur im Allgemeininteresse besteht, sondern zumindest auch den Schutz individueller Interessen bezweckt, und der Kläger dem geschützten Personenkreis angehört.209 Anders ausgedrückt müssen die individuellen Belange des Klägers in dem von der Verwaltung angewendeten Gesetz rechtlich mit abgesichert worden sein.210 Da diese Voraussetzung auch für Verfahrensvorschriften gilt, gewähren diese in der Regel kein selbstständig durchsetzbares subjektives öffentliches Recht.211 Die Verletzung von Verfahrensvorschriften berechtigt daher grundsätzlich auch nur zur Klage, wenn die Möglich207 Vgl. zur Klagebefugnis Redeker/von Oertzen, VwGO, § 42 Rn. 14 ff. Die Klagebefugnis entspricht damit der Gewährleistung subjektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 72; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8, 116 ff.; Sachs in: ders., GG, Art. 19 Rn. 126. 208 So die ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwGE 18, 154, 157; 36, 192, 199 f.; 54, 99, 100; 95, 133. Ferner Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 93; Sodan in: ders./Ziekow, VwGO, § 42 Rn. 379; Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 20. 209 So genannte Schutznormlehre. Vgl. BVerwGE 1, 83 f.; 41, 58, 63 f.; 55, 280, 285; 66, 307, 308 ff.; 92, 313, 317. Aus der Literatur dazu Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 62; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118 f., 127 ff.; Wahl/Schütz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 45 ff.; Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 86 f.; Jörg Schmidt, ebd., § 113 Rn. 18; Sodan in: ders./Ziekow, VwGO, § 42 Rn. 386 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 78 ff., 83 ff.; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 42 Rn. 102; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 276; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 359; Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 20; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 210. Vgl. dazu ferner Wahl in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 42 Abs. 2 Rn. 94 ff. Nach Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 133 ff., 134, ergibt sich nach der Schutznormlehre ein subjektives öffentliches Recht aus einer objektiv-rechtlichen Bestimmung des öffentlichen Rechts, die für den Betroffenen günstige Rechtswirkungen entfaltet und zumindest auch den Zweck hat, den Betroffenen zu begünstigen, und es ihm ermöglichen soll, sich auf diese Begünstigung zu berufen. 210 So Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9, 27; ähnlich Redeker/ von Oertzen, VwGO, § 42 Rn. 102. 211 Auch die Verletzung subjektiver Verfahrensrechte begründet keinen Aufhebungsanspruch, solange das Verfahrensrecht nicht selbst zum Schutzbereich eines Grundrechts zählt. Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 206. Differenziert Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 14; Sparwasser/ Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 14 ff. Vgl. ferner Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 149 ff. Zu den einzelnen Fallgruppen drittschützender Verfahrensrechte Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 360 ff.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

keit besteht, dass gleichzeitig auch materielle Rechtspositionen verletzt wurden.212 Eine Ausnahme ist bei den so genannten absoluten Verfahrensrechten anerkannt, mit denen der Gesetzgeber ausdrücklich ein unabhängig von materiellen Positionen durchsetzbares subjektives Verfahrensrecht einräumt.213 Im System subjektiven Individualrechtsschutzes setzt auch die Begründetheit der verwaltungsgerichtlichen Klage voraus, dass der objektive Rechtsverstoß einen spezifischen Bezug auf das infrage stehende subjektive Recht des Klägers aufweist.214 Bei Verstößen gegen Verfahrensvorschriften kann ein solcher Rechtswidrigkeitszusammenhang nur angenommen werden, wenn die jeweilige Verfahrensvorschrift einen subjektiv-rechtlichen Schutzgehalt aufweist und dieser zudem in typischem, konkret-spezifischem Bezug zu der geschützten materiell-rechtlichen Position des Klägers steht.215 Aus mehreren Gründen scheint es konzeptionell zwingend, mit der Geltend212 Vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 97; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 95; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 206, 212; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 371 f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 26; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 57; Bülow, Relativierung, S. 415; BVerwGE 44, 235, 240; 61, 256, 275; BVerwG DVBl 1973, 217, 219; DVBl 1983, 183, 184; DVBl 1993, 1149 ff.; VGH München NVwZ 1993, 906. Für die verfahrensrechtliche Dimension von Grundrechten so auch Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 72. 213 Vgl. Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 14; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 95; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 502; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 15; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 33; ferner Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 206 f. Absolute Verfahrensrechte sind nach Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 157, allerdings selten. Zu den absoluten Verfahrensrechten gehören § 6 LuftVG und § 29 Nr. 4 BNatSchG a. F.; ob § 61 BNatSchG n. F. ein Klagerecht gewährt, ist strittig. 214 So genannter Rechtswidrigkeitszusammenhang. Vgl. dazu Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 156; Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 61; Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 4; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 113 Rn. 7; Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 18; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 207 ff. Ferner die ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. nur BVerwGE 48, 56, 66; 54, 328, 332. Zu den Schwierigkeiten des Rechtswidrigkeitszusammenhangs im Planungsrecht vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 160 ff.; zu Schwierigkeiten bei Drittklagen Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 357 f. 215 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 157; Wahl in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 42 Abs. 2 Rn. 72 ff.; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 357, 359. Deutlich BVerwGE 85, 368, 373: „Das Verfahren dient dem Schutz Dritter nur insofern, als es gewährleisten soll, dass die materiell-rechtlichen Schutzvorschriften eingehalten werden.“ Kritisch Hufen, Fehler, Rn. 568 ff.

II. Umweltrechtliche Entscheidungen

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machung der Verletzung subjektiver Rechte in der Klagebefugnis auch eine weitgehend vollständige Überprüfung der Verwaltungsentscheidung zu verbinden.216 Zuerst gebietet der hohe Stellenwert subjektiver Rechte zur Erlangung wirksamen Schutzes deren umfängliche gerichtliche Prüfung.217 Eine derart umfassende Kontrolle ist für die Gerichte wiederum nur deswegen möglich, weil die Klagebefugnis die Anzahl der Klagen von vornherein begrenzt.218 Ginge das hohe materielle Kontrollniveau mit einem weiten Zugang zu Gericht im Sinne einer objektiven Rechtskontrolle einher, bestünde die Gefahr der Verknappung der Ressource Rechtsschutz.219 Da sich die hohe Kontrolldichte kaum aufrechterhalten ließe, wenn der gerichtliche Zugang erweitert würde, bestehen also wechselseitige konzeptionelle und praktische Abhängigkeiten zwischen der Frage der Kontrolldichte als Problem des gerichtlichen Prüfungsumfangs und der Frage nach den Bedingungen des Gerichtszugangs.220 Dieser spezifische Zusammenhang veranlasst Classen zu der Aussage: „Das deutsche Recht geht von Extremen aus. Entweder wird gar kein Rechtsschutz gewährt, oder es wird ein Rechtsschutz von nirgends sonst erreichter Intensität gewährt.“221 Es wurde bereits gezeigt, dass in Fällen, in denen der Umfang gerichtlicher Kontrolle gegenüber dem Umfang staatlicher Rechtsbindung eingeschränkt ist, die Kontrolle des Verwaltungsverfahrens diese Minderung des Kontrollumfangs teilweise kompensieren kann.222 Stärker noch lässt der be216

Vgl. Epiney/Sollberger, Zugang, S. 301. Diese Konnexität zwischen Gerichtszugang und Kontrolldichte im gesamten europäischen Ausland stellt auch Kahl fest, VerwArch 95 (2004), 1, 33. Vgl. ferner Schoch in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 284; Classen, Europäisierung, S. 4 f.; Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 73; Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1035 f. Da Art. 19 Abs. 4 GG sowohl den Grundsatz vollständiger Rechtskontrolle als auch den des Individualrechtsschutzes enthält, ist die Frage müßig, ob nicht umgekehrt die dichte materielle Kontrolle aus dem Individualrechtsschutz resultiert. 217 Vgl. Epiney/Sollberger, Zugang, S. 86. 218 Vgl. Epiney/Sollberger, Zugang, S. 87. 219 Vgl. Classen, Europäisierung, S. 4; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 87. Grund dafür wäre die Überlastung der Gerichte bei „doppelt“ ausgeweitetem Rechtsschutz. Vgl. Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 33. 220 Diese Verbindung weisen Epiney/Sollberger nach in ihrer rechtsvergleichenden Untersuchung im europäischen Raum „Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht. Rechtsvergleich, völker- und europarechtliche Vorgaben und Perspektiven für das deutsche Recht“ von 2002. Sie stellen fest, dass eine Verengung des gerichtlichen Zugangs in der Regel mit einer höheren Kontrolldichte einhergeht. Ebd., S. 87, 301. 221 So Classen, Europäisierung, S. 190. Kritisch von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 282, der fragt, was denn eine Klagebefugnis für jedermann wert sei, wenn dabei die materielle Rechtsanwendung nur noch kursorisch geprüft würde.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

schriebene Zusammenhang zwischen dem Schutz subjektiver Rechte und der gerichtlichen Kontrolldichte eine Reduzierung der materiellen Rechtskontrolle bei Beurteilungsspielräumen der Verwaltung nur zu, wenn zugleich die dem Einzelnen eingeräumten Verfahrensgarantien stärker kontrolliert und sanktioniert werden.223 Dann verlangt der gezeigte Zusammenhang zwischen Verfahrenskontrolle und materieller Kontrolle aber auch eine Einschränkung der hohen materiellen Kontrolle für die Fälle, in denen die Bedeutung des korrekt durchgeführten Verwaltungsverfahrens dessen verstärkte Kontrolle durch das Gericht verlangt.224 Daher lässt sich auch das Dogma der dienenden Funktion des Verfahrensrechts nur dann modifizieren, wenn Abstriche an der materiellen Kontrolldichte zugelassen werden.225 Beispielsweise erfordert bei mehrpoligen Rechtsverhältnissen der notwendige Ausgleich aller konträren, aber gleichgeordneten Interessen durch eine Verteilungsentscheidung der Verwaltung die Begrenzung der Kontrolldichte, um den widerstreitenden Interessen einen inhaltlich ausgewogenen Rechtsschutz zu gewähren.226 Auch die am Beispiel der UVP belegte zunehmend schwierige Abgrenzung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht hat zur Folge, dass sich mögliche Veränderungen in der Behandlung von Verfahrensfehlern notwendig auch auf den Gesamtumfang gerichtlicher 222 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 97 ff. Für das französische Recht Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 230 f. 223 Vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 73a; Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 66 f.; Wahl, Risikobewertung, S. 41, 85. 224 So auch die Forderung bei Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; ders., VBlBW 2000, 45, 51; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 376; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 266. Vgl. ferner Franßen, DVBl 1998, 413, 420 f. Aufgrund des ausgewogenen Systems gerichtlicher Kontrolldichte ist anerkannt, dass die geforderte Steigerung von Verfahrenskontrollen nur bei gleichzeitiger Reduzierung materieller Kontrolle verwirklicht werden kann. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1032, 1048; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1288; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 301; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 266. Kritisch dagegen Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 47: Die durch Einflüsse des Umwelt- und Technikrechts sowie des europäischen Gemeinschaftsrechts verursachte gegenwärtige Entwicklung hin zu einer Zurücknahme der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte könnte zu einer rechtsstaatlich problematischen Schwächung des Verwaltungsrechtsschutzes führen. 225 So Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158. Diesbezüglich hat Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 50 ff., 57, bereits nachgewiesen, dass Art. 19 Abs. 4 GG einer Modifikation des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes zugunsten einer verstärkten Verfahrenskontrolle nicht im Wege steht. 226 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 22; Geis in: Ziekow, Handlungsspielräume, S. 97, 105.

III. Verstärkte Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern

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Überprüfung auswirken.227 Wie sich diese Neubestimmung der gerichtlichen Kontrolldichte vollziehen wird, hängt auch von den Anforderungen der Aarhus-Konvention und ihrer gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften ab. Auf diese Frage wird daher nach der Untersuchung der Aarhus-Konvention zurückzukommen sein.

III. Verstärkte Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren Aus diesen Ausführungen folgt, dass die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung im Umweltbereich vermehrt zugelassen werden muss, insbesondere im Fall der unterlassenen oder fehlerhaften UVP.228 Die Forderung, „[. . .] Verwaltungsverantwortung nicht nur im formalen Verfahrensabschluss, sondern im kompletten Entscheidungsvorgang zu kontrollieren [. . .]“,229 resultiert dabei nicht nur aus dem gezeigten Verständnis von Verfahren als Einheit von Entscheidungsprozess und Entscheidung selbst. Gegen die gegenwärtige Ausgestaltung der Verfahrenskontrolle spricht auch das Ausmaß, in dem das Gerichtsverfahren das Verwaltungsverfahren ersetzt, denn es ist zweifelhaft, wie das Gerichtsverfahren den als „Prozess umfassender Informationsverarbeitung, komplexer Problemanalyse und Problemlösung“230 verstandenen staatlichen Entscheidungsprozess nachvollziehend ersetzen können soll.231 Die Relativierung von Verfahrensfehlern 227 Ähnlich Bülow, Relativierung, S. 430. Dabei gilt die Annahme von Krebs in DVBl 1984, 109, 114, aufgrund des bestehenden Zusammenhangs zwischen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sei zu erwarten, dass die Lockerung verwaltungsrechtlicher Sanktionen nicht ohne Rückwirkung auf die Belastung der Gerichte bleibe, auch in umgekehrter Richtung. 228 Dafür auch OVG Münster, Urteil von 27.10.2005, Az. 11 A 1751/04, NuR 2006, 320. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 98 ff., weist auf die wesentliche Rolle hin, die die Gerichte bei der praktischen Ausgestaltung der US-amerikanischen UVP einnahmen. Dadurch habe die US-amerikanische Rechtsprechung die Effektivität der UVP wesentlich erhöht. 229 Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 150 mit einer Vielzahl weiterer Nachweise. Ebenso Krebs, Kontrolle, S. 97 f. 230 Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145, 149. 231 Zweifel auch bei Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 148; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 307 f. Der Gedanke der Kompensierbarkeit des Verwaltungsverfahrens durch das gerichtliche Verfahren findet sich in § 45 Abs. 2 VwVfG wieder, der die Nachholung unterbliebener Verfahrenshandlungen noch bis zur letzten Tatsacheninstanz eines gerichtlichen Verfahrens gestattet. Ebenso schon BVerwGE 24, 23, 32: Die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung hänge davon ab, ob der Verfahrensverstoß einen durch das gerichtliche Verfahren nicht mehr korrigierbaren Einfluss auf den angefochtenen Verwaltungsakt haben konnte.

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4. Kap.: Verfahrensfehler als Kontrollproblem

durch ihre Unbeachtlichkeit beeinträchtigt damit die Eigenständigkeit der Verwaltung und die Funktionentrennung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichten erheblich.232 Richtig verstanden kann Kontrolle nicht eine Entscheidung durch eine andere ersetzen, sondern sie nur an einem gemeinsamen höheren Maßstab messen.233 Die Begrenzung gerichtlicher Kontrollkompetenz ist daher insbesondere dort notwendig, wo aufgrund eingeschränkter gesetzlicher Determinierung Entscheidungsspielräume bestehen. In solchen besonders im Umweltrecht bestehenden Entscheidungslagen treten verfahrensrechtliche Gewährleistungen an die Stelle einer nicht mehr vollständig vorgegebenen materiellen Richtigkeit. Diese eigenständige Bedeutung des Verfahrensrechts muss sich in der verstärkten gerichtlichen Kontrolle und Sanktionierung von Verfahrensvorschriften niederschlagen.234 Dafür ist neben der verfahrensrechtlichen Strukturierung der Entscheidungsfindung auch der Umfang der Kontrollfähigkeit der Gerichte anzuführen, da deren Verpflichtung zur Ausübung einer rein rechtlichen Kontrolle235 sie eher zur Überprüfung des Verfahrens als originär der Verwaltung zustehender Wertungsentscheidungen befähigt.236 Es sprechen also gute Gründe dafür, die gerichtliche Inhaltskontrolle im Bereich des Umweltrechts zugunsten einer stärkeren Verfahrenskontrolle zu reduzieren.237 Unstreitig ist dabei infolge des Erlasses des § 4 UmwRG zunächst, dass § 46 VwVfG bzw. das Kriterium der konkreten Möglichkeit 232 Vgl. Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 171. Siehe auch Krebs, DVBl 1984, 109, 114. Zur Eigenständigkeit der Verwaltung auch Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 174 ff. 233 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 10. 234 Für die Beteiligungsrechte so Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 373 f. Zutreffend Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 707: Stelle man die Doktrin der einzig richtigen Entscheidung infrage, müsse sich die Gerichtskontrolle zwangsläufig stärker auf die Einhaltung des Verfahrens richten. 235 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Schwarze/ders., Kontrolle, S. 9 ff., 28; ders. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 12. 236 Vgl. Sondervotum Simon/Heußner, BVerfGE 53, 69, 82, zur Entscheidung BVerfGE 53, 30 (Mühlheim-Kärlich). Direkter Herzog, NJW 1992, 2601, 2604: sei nicht zu erwarten, dass die Gerichtsentscheidung in gleich hoher Sachqualität wie die vorangegangene Verwaltungsentscheidung ergehe, müssten sich die Gerichte in richterlicher Zurückhaltung üben. 237 So Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 169. Für die Reduzierung der materiellen Kontrolle mit anderer Begründung auch Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 589. Diese Überlegung existiert bereits seit langem, vgl. nur Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 61 ff.; Grimm, NVwZ 1985, 865, 867; Sondervotum Simon/Heußner, BVerfGE 53, 69, 82, zur Entscheidung BVerfGE 53, 30 (Mühlheim-Kärlich) sowie zu ebendieser Entscheidung Redeker, NJW 1980, 1593, 1598. Vgl. aus der neueren Literatur Schmidt-Aßmann,

III. Verstärkte Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern

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einer anderen Entscheidung auf Fehler bei der Durchführung einer UVP nicht mehr oder nur noch eingeschränkt angewendet werden dürfen. Damit einhergehend muss die intensive gerichtliche Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit bei Entscheidungen, die einer UVP-Pflicht unterliegen und daher in besonderer Weise durch Verfahrensvorschriften strukturiert sind, reduziert werden.238 Zu klären bleibt allerdings noch, inwieweit die Verfahrensfehlerlehre auch für weitere umweltrechtliche Verfahrensverstöße modifiziert werden muss, denn schließlich beschränkt sich die Bedeutungssteigerung des umweltrechtlichen Verfahrensrechts und seine daraus folgenden verwaltungsprozessualen Konsequenzen nicht auf den in § 4 UmwRG geregelten Fall der unterlassenen UVP. Vielmehr könnte die kompensatorische Funktion des Verfahrensrechts auch für weitere umweltrechtliche Verfahrensvorschriften eine strengere Sanktionierung von Verfahrensfehlern fordern. Auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen im Umweltrecht kann möglicherweise ein Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen werden, so dass auch in diesen Fällen die verstärkte Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen sowie eine entsprechend reduzierte materielle Kontrolle erforderlich sein könnten. Wie diese veränderte Anwendbarkeit des § 46 VwVfG rechtlich umgesetzt werden kann und ob § 4 UmwRG diese Überlegungen in ausreichender Weise umsetzt, wird an späterer Stelle geprüft. Zuvor ist zu untersuchen, ob sich auch aus der AarhusKonvention oder aus dem gemeinschaftsrechtlichen Umweltrecht Argumente gegen die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Umweltrecht nach § 46 VwVfG und nach der Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG ergeben.

DVBl 1997, 281, 287 f.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 32 f.; kritisch Riedel, VVDStRL 58 (1999), 181, 211 ff. mit weiteren Nachweisen. 238 Nach Classen, NJW 1995, 2457, 2463 f., ist die Verringerung der Kontrolldichte auch deswegen angezeigt, da der Anspruch einer vollständigen rechtlichen und tatsächlichen Überprüfung oft die Möglichkeiten des Verwaltungsgerichts übersteigt.

5. Kapitel

Einwirkungen der Aarhus-Konvention auf die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern I. Die Bedeutung der Aarhus-Konvention Die vornehmlich verfahrensrechtlichen Regelungskomplexe der Information, Öffentlichkeitsbeteiligung und des Gerichtszugangs – die so bezeichneten drei Säulen der Aarhus-Konvention – sollen nach Art. 1 AK das Recht eines jeden Menschen und künftiger Generationen schützen, in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben.1 Dabei liegt die Bedeutung der Aarhus-Konvention darin, dass sie anerkannte Grundsätze des Umweltvölkerrechts aufgreift und rechtlich weiterentwickelt.2 Einzelne Verpflichtungen der Aarhus-Konvention finden sich bereits in früheren umweltvölkerrechtlichen Dokumenten wie dem auf der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm3 im Jahre 1972 verabschiedeten Aktionsplan für die menschliche Umwelt4 oder der von den 1 Die menschliche Gesundheit ist folglich materielles Schutzgut der Aarhus-Konvention, vgl. Fisahn, ZUR 2004, 136. Damit wird das Recht auf ein Leben in einer gesunden Umwelt erstmalig im Völkerrecht verankert. Vgl. Brady, EPL 28 (1998), 70. 2 Dies zeigt sich in der Bezugnahme auf völkerrechtliche Dokumente in Erwägungsgrund 1 bis 4 der Präambel der Aarhus-Konvention. Vgl. auch Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 316; Werres, DVBl 2005, 611, 612; Jendroska, JEEPL 2005, 12; Jeder, UTR 62 (2002), 145, 147; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128; Buck/Verheyen in: Koch, Umweltrecht, § 1 Rn. 62. Zur umweltvölkerrechtlichen Bedeutung der Aarhus-Konvention vgl. Annan in: Stec/Casey-Lefkowitz/Jendroska, Implementation Guide, Vorwort: Die Aarhus-Konvention sei „[. . .] the most ambitious venture in the area of ‚environmental democracy‘ so far undertaken under the auspices of the United Nations“ und „[. . .] a giant step forward in the development of international law in this field“. Weitere Gründe für die Bedeutung der AarhusKonvention bei Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273; Walter, EuR 40 (2005), 302, 306; Schlacke, NuR 204, 629, 633; Zschiesche, ZUR 2001, 177. 3 Die United Nations Conference on Human Environment (UNCHE) war die erste globale Umweltkonferenz, auf der erstmals die grundsätzliche Verpflichtung der Völker niedergelegt wurde, die Umwelt zu schützen und zu verbessern. Vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 8 Rn. 2; Butt, Umweltinformation, S. 1; Heintschel von Heinegg in: Rengeling, EUDUR, § 23 Rn. 5; differenziert Sparwasser/Engel/ Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 63.

I. Die Bedeutung der Aarhus-Konvention

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Vereinten Nationen 1982 verabschiedeten Weltcharta für die Natur5. Insbesondere nimmt die Aarhus-Konvention aber die in der auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung6 im Jahr 1992 verabschiedeten Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung7 niedergelegten Leitlinien einer modernen Umweltpolitik auf.8 Grundsatz 10 der Erklärung von Rio hebt die Rolle der Öffentlichkeit für einen effektiven Umweltschutz hervor: „Umweltfragen werden am besten unter Beteiligung aller betroffenen Bürger auf der jeweiligen Ebene behandelt. Auf nationaler Ebene erhält jeder einzelne angemessenen Zugang zu den im Besitz der öffentlichen Verwaltungen befindlichen Informationen über die Umwelt, einschließlich Informationen über Gefahrstoffe und gefährliche Tätigkeiten in ihren Gemeinden, sowie die Möglichkeit, sich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Die Staaten erleichtern und fördern die öffentliche Bewusstseinsbildung und die Beteiligung der Öffentlichkeit, indem sie Informationen in großem Umfang verfügbar machen. Wirksamer Zugang zu Rechts- und Verwaltungsverfahren, einschließlich der Abhilfe und des Rechtsbehelfs, wird gewährt.“

Im Unterschied zu der völkerrechtlich nicht bindenden Erklärung von Rio9 normiert die Aarhus-Konvention nun erstmals völkerrechtlich verbind4

Action Plan for the Human Environment, UN Doc A/Conf. 48/14/Rev1 vom 16. Juni 1972, abgedruckt in ILM 11 (1972), 1416, 1421 ff. In diesem Dokument wurde erstmals die Forderung nach Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die Umwelt erhoben. Vgl. von Danwitz, NVwZ 2004, 272 f.; Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 13; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 222. Deutlich Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 156: die Aarhus-Konvention sei „[. . .] the first environmental treaty to incorporate and strengthen the language of principle 1 [of the Stockholm Declaration].“ 5 World Charter for Nature, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen durch GV-Res. 37/7 vom 28. Oktober 1982, abgedruckt in ILM 22 (1983), 455; Grundsätze 15, 16, 18 und 23. 6 Die United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) fand vom 3. bis zum 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro, Brasilien, statt. Dazu Johnson, The Earth Summit: The United Nations Conference on Environment and Development (UNCED), 1993. Siehe auch Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 25. 7 Rio Declaration on Environment and Development vom 14.6.1992, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen durch GV-Res. 47/190 vom 22. Dezember 1992, abgedruckt in ILM 31 (1992), 876. 8 Butt, Umweltinformation, S. 2; Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 311; Wates, JEEPL 2005, 2, 7. Zur Rio-Konferenz und ihren Ergebnissen auch Sparwasser/ Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 66 ff., sowie Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 29 ff., dessen Bewertung kritisch ausfällt. 9 Die Erklärung von Rio gilt daher als völkerrechtliches „soft law“. Vgl. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 38; Heintschel von Heinegg in: Rengeling, EUDUR, § 23 Rn. 8; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 25. Vgl. Kofi Annan, Vorwort zu Stec/CaseyLefkowitz/Jendroska, The Aarhus Convention – an Implementation Guide, im Internet unter http://www.unece.org/env/pp/acig.htm, letzter Aufruf am 18.5.2009: „[The

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

liche Verpflichtungen, Bürgern Rechte auf Umweltinformation, auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten zu gewähren.10 Die im Vergleich zu anderen umweltvölkerrechtlichen Dokumenten recht präzise formulierten Verpflichtungen der Aarhus-Konvention11 greifen dabei in traditionell der innerstaatlichen Rechtsordnung vorbehaltene Bereiche wie die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens und des individuellen Rechtsschutzes ein, indem sie wirksame Durchsetzungsmechanismen für die individualrechtlichen Ansprüche auf behördliche Information, Beteiligung an staatlichen Entscheidungsprozessen und Zugang zu Gerichten fordern.12

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht Die erste und zweite Säule der Aarhus-Konvention enthalten weitreichende, über die traditionelle verwaltungsrechtliche Systematik hinausgehende Informations- und Beteiligungsansprüche am Verwaltungs- und Gerichtsverfahren.13 Dennoch werden diese Vorgaben der Aarhus-Konvention Aarhus Convention] is by far the most impressive elaboration of principle 10 of the Rio Declaration [. . .].“ 10 Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 3; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 312; Werres, DVBl 2005, 611, 612; Jendroska, JEEPL 2005, 12; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128; Jeder, UTR 62 (2002), 145, 146; Zschiesche, ZUR 2001, 177. Ähnlich Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 252. Es wird angenommen, damit begründe die Aarhus-Konvention auf völkerrechtlicher Ebene erstmals Individualrechte für die Bürger. So Walter, EuR 40 (2005), 302, 306, der diese Tatsache für einen „Paradigmenwechsel im Umweltvölkerrecht“ hält. Ähnlich Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273; Zschiesche, ZUR 2001, 177. Allerdings kann völkerrechtlich nur die Verpflichtung der Vertragsparteien normiert werden, ihren Bürgern diese Rechte im innerstaatlichen Recht einzuräumen. 11 Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 11; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 228. 12 Vgl. Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 11; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 249; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 593. Generell bewirkt das Umweltvölkerrecht gegenwärtig eine zunehmende Einschränkung der innerstaatlichen Hoheitsgewalt. Vgl. Epiney/Scheyli, Umweltvölkerrecht, S. 161 f. Im Hinblick auf die Stärkung der umweltrechtlichen Verfahrensrechte durch die Aarhus-Konvention wird das Übereinkommen als „[. . .] driving force behind the strengthening of procedural environmental rights throughout Europe and Central Asia [. . .]“ bezeichnet, so Wates in: JEEPL 2005, 2. 13 Zum Umweltinformationsanspruch nach der Aarhus-Konvention grundlegend Butt, Die Ausweitung des Rechts auf Umweltinformation durch die Aarhus-Konvention, 2001; zur Umweltinformations-RL ders., NVwZ 2003, 1071; Schrader, ZUR 2004, 130. Zur Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren nach der Aarhus-Konvention Fisahn, ZUR 2004, 136; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 234 ff.; Schink, EurUP 2003, 27, 31 ff.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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auf das deutsche Recht in nur geringem Maße einwirken, da diese grundlegenden Änderungen dort aufgrund des bereits eingeführten Umweltinformationsanspruches14 sowie bestehender Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Entscheidungen15 zum großen Teil schon stattgefunden haben. Die ersten beiden Säulen der Aarhus-Konvention führen also weniger zu grundlegenden Änderungen als zu inhaltlichen Erweiterungen der bestehenden Ansprüche.16 Hinsichtlich der von der Aarhus-Konvention eingeführten Regelungen des Gerichtszugangs im Umweltrecht ist dagegen umstritten, wie sich die momentan stattfindenden und weiter zu erwartenden Einwirkungen auf das System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Umweltrecht auswirken werden. 1. Die dritte Säule der Aarhus-Konvention Art. 9 AK verpflichtet die Vertragsstaaten, weitreichenden Zugang zu behördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahren in Umweltangelegenheiten zu gewähren, damit die Beachtung des materiellen und verfahrensrechtlichen Umweltrechts eingeklagt werden kann.17 Dabei sieht Art. 9 AK sowohl Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung der Beteiligungs- und Informationsansprüche als auch die gerichtliche Geltendmachung anderer Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften vor. Nach Art. 9 Abs. 1 AK hat jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr Antrag auf Umweltinformation nach Art. 4 AK nicht rechtmäßig behandelt wurde, Zugang zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren. Art. 9 Abs. 2 AK verpflichtet zur Gewährung von Rechtsschutz zur Überprüfung von Entscheidungen, für die die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 AK sowie sonstige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten. Art. 9 Abs. 3 AK soll schließlich Mitgliedern der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, 14 § 3 Abs. 1 S. 1 UIG. Das UIG wurde zur Umsetzung der Umweltinformations-RL a. F. 90/313/EWG erlassen und zur Umsetzung der neuen Umweltinformations-RL 2003/4/EG und der Art. 4 und 5 AK geändert durch das Gesetz zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22.12.2004, BGBl. I S. 3704. Vgl. dazu Walter, EuR 40 (2005), 302, 305. Vgl. zudem die Informationspflichten der Behörden nach §§ 10 ff. UIG oder § 31 BImSchG. 15 Wichtig ist dabei vor allem die Beteiligung der Öffentlichkeit bei UVP-pflichtigen Entscheidungsverfahren nach §§ 9 ff. UVPG. Siehe ferner zum Beispiel § 3 BauGB. 16 So für den Umweltinformationsanspruch Zschiesche, ZUR 2001, 177, 178. Siehe auch http://www.bmu.de/buergerbeteiligungsrechte/die_aarhus-konvention/doc/2608. php, letzter Aufruf am 18.5.2009. 17 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

die gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Überprüfung von Handlungen und Unterlassungen ermöglichen, die gegen sonstige umweltrechtliche Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verstoßen.18 Darüber hinaus statuiert Art. 9 Abs. 4 AK allgemeine Anforderungen an eine effektive und faire Ausgestaltung des Rechtsschutzes, während Art. 9 Abs. 5 AK dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit über die Möglichkeit gerichtlicher oder anderweitiger Überprüfungsverfahren zu informieren und die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen für den Gerichtszugang zu erwägen. Es ist umstritten, welche Anpassungen die Umsetzung des Art. 9 AK im deutschen Rechtsschutzsystem erfordert.19 Mit einer beachtlichen Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur ist allerdings anzunehmen, dass der Aarhus-Prozess grundlegende systematische Änderungen bei Kernelementen des deutschen Verwaltungsrechts wie der Schutznormlehre oder der Kausalitätsrechtsprechung erzwingt.20 Diskutiert wird dabei vor allem auch, inwieweit Art. 9 Abs. 2 AK die Vertragsstaaten zur Einführung einer umweltrechtlichen Verbandsklage verpflichtet.21 Dagegen fordert Art. 9 Abs. 1 18 So auch die Unterscheidung bei Epiney, ZUR 2003, 176, 178; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532. Vgl. ferner Walter, EuR 40 (2005), 302, 332; Durner, ZUR 2005, 285, 286. Der Verweis auf die Kriterien des innerstaatlichen Rechts ermöglicht es den Vertragsstaaten zum Beispiel, nur solchen Umweltverbänden die Befugnis zur gerichtlichen Überprüfung zu verleihen, deren satzungsmäßiger Zweck der Umweltschutz ist. Vgl. Stec/Casey-Lefkowitz/Jendroska, Implementation Guide, S. 131. 19 So erkennen von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 278, 282 und Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 495 keinen erheblichen Änderungsbedarf des deutschen Rechts aufgrund der Aarhus-Konvention. Unabhängig vom zwingenden Änderungsbedarf könne das Übereinkommen allerdings einen Impuls für eine sinnvolle, systematisch und qualitativ kohärente Weiterentwicklung des deutschen Rechtsschutzes im Umweltrecht liefern. So von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 279. 20 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532; dies., EurUP 2004, 128; Ekardt, NVwZ 2006, 55 f.; Schink, EurUP 2003, 27, 36; Feldmann in: Rengeling, EUDUR, § 34 Rn. 165; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58; Schlacke, ZUR 2004, 129; dies., NuR 2004, 629; Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 319; Zschiesche, ZUR 2001, 177, 181 f.; Bunge, ZUR 2001, 141, 144. Kritisch von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 282; Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033. 21 Zur Forderung der Aarhus-Konvention nach Einführung der umweltrechtlichen Verbandsklage Calliess, EurUP 2003, 7, 13; Gellermann, NVwZ 2006, 7; Alleweldt, DÖV 2006, 621, 623 ff.; Schlacke, NuR 2004, 629; Schink, EurUP 2003, 27, 34 ff.; Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033; Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 40 f. Ferner Ekardt, NVwZ 2006, 55; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532; Durner, ZUR 2005, 285; Ziehm, JEEPL 2005, 287; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 280 ff.; Louis, NuR 2004, 287; Epiney, ZUR 2003, 176; Zschiesche, ZUR 2001, 177; Scheyli, AVR 38 (2000), 217. Umstritten ist vor allem die Frage, ob eine umfassende altruistische Verbandsklage für den gesamten Umweltbereich eingeführt werden muss – so Ekardt, NVwZ 2006, 55; wohl auch Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532 ff.; dagegen Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 496; Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033,

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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AK keine wesentlichen Änderungen des deutschen Rechts, da hier die Verletzung des Informationsanspruchs als Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts in Übereinstimmung mit der deutschen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO unproblematisch den Zugang zu Gericht eröffnet.22 Auch ist anzunehmen, dass das deutsche Rechtsschutzsystem die Forderung des Art. 9 Abs. 4 AK nach einem angemessenen, effektiven, auch vorläufigen Rechtsschutz und nach fairen, gerechten, zügigen und nicht übermäßig teuren Verfahren bereits erfüllt, da die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit der umfassenden Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die VwGO im Grunde die Vorgaben des Art. 9 Abs. 4 AK in Deutschland ausreichend sichert.23 1040; Jeder, UTR 62 (2002), 145, 169; letztere hält deswegen auch die Einführung des Art. 10a UVP-RL und des Art. 15a IVU-RL für nicht geboten – oder ob diese auf solche Vorhaben beschränkt werden kann, die unter die Beteiligungsvorschriften des Art. 6 AK fallen. Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302, 333; Durner, ZUR 2005, 285, 287; Schink, EurUP 2003, 27, 35 f.; Zschiesche, ZUR 2001, 177, 182. Ob diese Ansätze sich im Ergebnis unterscheiden, bleibt offen, da die in Anhang 1 der Aarhus-Konvention aufgelisteten beteiligungspflichtigen Vorhaben nahezu den ganzen Umweltbereich erfassen. Daraus folgt die Frage, inwiefern die Einführung eines unbeschränkten Verbandsklagerechts für Umweltverbände im deutschen Recht langfristig zu einer Einschränkung oder Veränderung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO und damit zu Veränderungen im System des subjektiven Individualrechtsschutzes führen wird. Dazu Epiney, NVwZ 1999, 485; dies., ZUR 2003, 176; Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033; Schlacke, NuR 2004, 629; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532; von Danwitz, NVwZ 2002, 272; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 494; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29. Ferner Louis, NuR 2004, 287, 289; Ekardt, NVwZ 2006, 55; Alleweldt, DÖV 2006, 621, 626. Gegen eine Modifikation der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489, 495; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 278 ff.; Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033, 1040. Generell zur umweltrechtlichen Verbandsklage Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 24 ff.; Calliess, NJW 2003, 97; Epiney, NVwZ 1999, 485. Zur Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 269 ff. Zu beachten ist die inzwischen ergangene Rechtsprechung zur Frage des Verbandsklagerechts nach der Aarhus-Konvention, vgl. VG Berlin, Urteil vom 6.5.2004, NuR 2005, 127. 22 So von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 278; Louis, NuR 2004, 287, 289; Jeder, UTR 62 (2002), 145, 167; Schink, EurUP 2003, 27, 35; Butt, NVwZ 2003, 1071, 1074 in Fn. 31. Deutlich Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532: Wenn Verfahrensansprüche auf Information tatsächlich bestehen, sind diese nach deutschem Recht auch einklagbar. 23 Vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265; ders., EurUP 2005, 154, 156; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 276; Jeder, UTR 62 (2002), 145, 166; Louis, NuR 2004, 287, 290. Vgl. die Möglichkeiten vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a, 123 VwGO sowie die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe im Verwaltungsprozess nach § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO und der Beratungshilfe nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BerHG. Prozesskostenhilfe wird auch vom Implementation Guide als möglicher Mechanismus zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 4 AK vorgeschlagen, siehe Stec/CaseyLefkowitz/Jendroska, Implementation Guide, S. 134. Zu den Vorgaben des Art. 19

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

2. Auswirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern Einen in der rechtswissenschaftlichen Literatur zur Aarhus-Konvention bisher wenig diskutierten,24 aber bedeutsamen Rechtsschutzaspekt enthält Art. 9 Abs. 2 AK: „Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, daß Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, (a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Art. 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Abs. 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.“25

Aus dem Wortlaut der Bestimmung und aus der Zielsetzung der AarhusKonvention wird gefolgert, dass bei Bestehen der Klagebefugnis dem Kläger die volle gerichtliche Überprüfung des gesamten materiellen Umweltrechts sowie des Verfahrensrechts gewährt werden müsse.26 Daher wirft Art. 9 Abs. 2 AK die Frage auf, welche Folgen die Vorschrift für die eingeschränkte Kontrolle und Sanktionierung von Verfahrensfehlern im deutschen Recht haben könnte.27 Dabei wird angenommen, die kausalitätsorientierte Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht und die daraus resultierende weitAbs. 4 GG hinsichtlich der Eröffnung und Wirksamkeit des Rechtsweges SchmidtAßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 229 ff., insbesondere Rn. 233, 242; hinsichtlich vorläufigen und vorbeugenden Rechtsschutzes Rn. 273 ff. Kritisch im Hinblick auf die in Art. 9 Abs. 4 AK geforderte Zügigkeit ist allenfalls die Verfahrensdauer verwaltungsgerichtlicher Prozesse. Vgl. Louis, NuR 2004, 287, 290. Siehe die Verurteilungen der BRD wegen zu lange dauernder Gerichtsverfahren (Art. 6 EMRK) durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in EGMR sér. A 27, § 111 – König v. Germany, Application no. 6232/73, Urteil vom 28. Juni 1978; A 51 §§ 88 und 93 – Eckle v. Germany, Application no. 8130/78, Urteil vom 15. Juli 1982. Die lange Verfahrensdauer konstatieren auch Sendler, DÖV 2006, 133; Ehlers, DVBl 2004, 1441, 1447; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 262. 24 So die Feststellung von Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265. 25 Hervorhebung von Verfasserin. 26 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Schink, EurUP 2003, 27, 36. 27 Vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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gehende Abschirmung umweltrechtlicher Verfahrensfehler gegen jegliche gerichtliche Sanktionierung seien mit den Anforderungen der Aarhus-Konvention, namentlich mit Art. 9 Abs. 2 AK, nicht zu vereinbaren.28 Denn Art. 9 Abs. 2 AK verlange die weitgehende Beachtlichkeit eines Verfahrensfehlers bei umweltrechtlichen Entscheidungen,29 der Verfahrensfehler müsse also in der Regel zur Aufhebung der Entscheidung führen.30 Daraus wird gefolgert, § 46 VwVfG dürfe zumindest im Umweltrecht nicht mehr angewendet werden.31 Ferner müsse das BVerwG seine Rechtsprechung zunächst jedenfalls in Bezug auf die bisher fehlende Sanktionierung von Fehlern bei der UVP überprüfen und gegebenenfalls ändern.32 Es wird weiter angenommen, dass diese Veränderungen in der Behandlung von Verfahrensfehlern auch Auswirkungen auf den materiellen Prüfungsumfang bei der gerichtlichen Überprüfung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, das heißt auf die gerichtliche Kontrolldichte insgesamt, zeitigen werden.33 Da der Anwendungsbereich der Aarhus-Konvention auf Umweltangelegenheiten begrenzt ist, verlangt Art. 9 Abs. 2 AK nach übereinstimmender Ansicht keine generelle Aufhebung des § 46 VwVfG, so dass im Zuge der Umsetzung der Aarhus-Konvention dessen Anwendung lediglich im Bereich des Umweltrechts eingeschränkt werden müsste.34 Auch die Kausalitätsrechtsprechung müsste zunächst lediglich in den Klageverfahren aufgegeben werden, die in den Anwendungsbereich der UVP-RL und der IVU-RL fallen.35 Die Beschränkung der zu erwartenden Veränderungen auf den Bereich des Umweltrechts führt allerdings zu der im späteren Verlauf der Ar28 So Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Ekardt, NVwZ 2006, 55; ders., NuR 2006, 221, 228; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58; Schlacke, NuR 2004, 629, 632; dies., ZUR 2004, 129. Im Hinblick auf § 44a VwGO ebenso Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 2. 29 Ekardt, NuR 2006, 221, 228. 30 Siehe Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265; Schlacke, NuR 2004, 629, 632; ähnlich Louis, NuR 2004, 287, 290. Zweifel äußert Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628. 31 So Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Ekardt, NVwZ 2006, 55; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58; Schlacke, NuR 2004, 629, 632. Ausdrücklich fordert Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266, dass Deutschland entweder § 46 VwVfG opfern oder § 44a VwGO aufheben müsse. Für letzteres auch Schlacke, NuR 2004, 629, 632. 32 Vgl. Feldmann in: Rengeling, EUDUR, § 34 Rn. 165. 33 Dazu Ekardt, NuR 2006, 221. 34 Vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 267. Entsprechend erklärt das zur Umsetzung des Art. 9 AK ergangene UmwRG in § 4 Abs. 1 lediglich das Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder das Fehlen einer erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit abweichend von § 46 VwVfG für beachtlich. 35 Vgl. Schink, EurUP 2003, 27, 36.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

beit noch zu behandelnden problematischen Frage, ob ein solcher bereichsspezifischer Ansatz rechtsdogmatisch sinnvoll ist.36 Zu prüfen ist, ob Art. 9 Abs. 2 AK eine rechtlich zwingende Verpflichtung der Vertragsparteien zur Sanktionierung von Verfahrensfehlern enthält, die die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern bei umweltrechtlichen Entscheidungen infrage stellt. Um dies zu ermitteln, wird die Vorschrift im Folgenden nach den geltenden Auslegungsregeln ausgelegt.37 3. Auslegung des Art. 9 Abs. 2 AK Art. 9 Abs. 2 AK verlangt nach seinem Wortlaut von den Vertragsstaaten sicherzustellen, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit bestimmter Entscheidungen anzufechten. Weder Art. 9 Abs. 2 AK noch andere Bestimmungen des Übereinkommens enthalten eine explizite Aussage, inwieweit Verfahrensfehler durch Gerichte sanktioniert werden müssen.38 Eine dahingehende Verpflichtung kann der Norm also höchstens durch Auslegung entnommen werden. Da die Aarhus-Konvention ein völkerrechtlicher Vertrag ist, sind dabei die in Art. 31 WVK rechtsverbindlich kodifizierten Regeln zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge zu beachten.39 Die WVK ist zwar nicht direkt auf die Aarhus-Konvention anwendbar, da diese aufgrund der Unterzeichnung durch die EG nicht wie von der WVK vorausgesetzt einen Vertrag zwischen Staaten darstellt. Die in der WVK normierten Auslegungsregeln stellen aber kodifizierte Rechtssätze des Völkergewohnheitsrechts dar und können deshalb als solche für die Auslegung der Aarhus-Konvention entsprechend herangezogen werden.40 36 Zur Frage, ob bei der Umsetzung der Aarhus-Konvention eine „sektorspezifische Sonderlösung für das Umweltrecht“ gewählt werden soll, vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154. Eine solche kann zu der problematischen Frage führen, wie das Verhältnis von allgemeinem und speziellem Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht zu bestimmen ist, vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 267. Zu weiteren möglichen Konsequenzen einer solchen Sektoralisierung des nationalen Rechts Walter, EuR 40 (2005), 302, 334 ff. 37 Zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11. 38 Vgl. Fisahn, ZUR 2004, 136, 140. 39 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969, BGBl. 1985 II S. 926, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 20.8.1987, Bek. vom 26.11.1987, BGBl. II S. 757. Vgl. Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rn. 11; Graf Vitzthum in: ders., Völkerrecht, 1. Abschnitt Rn. 123.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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Nach dem bei der Auslegung von Völkerrecht geltenden objektiven Ansatz hat sich die Auslegung völkerrechtlicher Verträge an der Norm zu orientieren,41 so dass zunächst die wörtliche Auslegung gemäß der üblichen Bedeutung des Begriffs herangezogen wird.42 Da sich die übliche Bedeutung eines Begriffs häufig erst aus dem systematischen Zusammenhang der Norm ergibt, ist zudem auf die systematische Auslegung zurückzugreifen.43 Schließlich gebietet der objektive Ansatz, auch bei der teleologischen Auslegung Ziel und Zweck der Konvention stets dem Vertragstext selbst sowie der Präambel und eventuellen Anhängen zu entnehmen.44 Dabei ist keine Auslegungsmethode den anderen gegenüber vorrangig, die verschiedenen Methoden sind vielmehr Teil eines einheitlichen Auslegungsprozesses.45 a) Auslegung nach dem Wortlaut Nach dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 AK muss eine Entscheidung wegen ihrer verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit angefochten werden können. Eine ausdrückliche Regelung, zu welchen konkreten Folgen die Anfechtung einer rechtswidrigen Entscheidung führt, ist der Aarhus-Konvention aber nicht zu entnehmen.46 Damit verpflichtet die Norm die Vertragsparteien zunächst nur dazu, dem Bürger bei Verfahrensfehlern überhaupt Rechtsschutz zu gewähren.47 Allerdings könnte die Verwendung des Begriffs „anfechten“ darauf hindeuten, dass nach Art. 9 Abs. 2 AK Verfahrensfehler regelmäßig durch die Aufhebung der kontrollierten Entscheidung sanktioniert werden sollen. Im deutschen Recht ist Anfechtung grundsätzlich als Beseitigung zu verstehen. So führt die Anfechtung einer Willenserklärung nach § 142 Abs. 1 BGB dazu, dass diese als von Anfang an nichtig anzusehen und somit vollständig beseitigt ist. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der mit der verwaltungs40 Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 38 f. Völkergewohnheitsrecht gilt auch für die EG als Völkerrechtssubjekt, vgl. Epiney, EuZW 1999, 5, 6; Gilsdorf, EuR 31 (1996), 145, 146. 41 So genannter „textual approach“, vgl. Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rn. 5. 42 So genannte „ordinary meaning rule“, vgl. Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rn. 6; Graf Vitzthum, in: ders., Völkerrecht, 1. Abschnitt Rn. 123. 43 Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rn. 8. Nach Art. 31 Abs. 2 WVK gehört zum „context“ der Vertrag in seiner Gesamtheit samt Anlagen und Präambel. 44 Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rn. 10. 45 Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rn. 12. 46 Vgl. Epiney, ZUR 2003, 176, 179. 47 Vgl. Fisahn, ZUR 2004, 136, 140.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

gerichtlichen Anfechtungsklage angegriffen wird, wird nach §§ 42 Abs. 1 1. Alt., 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufgehoben, soweit er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Der Begriff der Anfechtung der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit einer Entscheidung in Art. 9 Abs. 2 AK impliziert daher, dass die gerichtliche Überprüfung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung ebenfalls zu deren Aufhebung führen können muss. Mit einem weniger deutlich auf Beseitigung gerichteten Rechtsbegriff bliebe der deutsche Vertragstext auch hinter dem englischen Originalwortlaut der AarhusKonvention zurück, der in Art. 9 Abs. 2 AK den Begriff „to challenge“, das heißt „anfechten“, verwendet.48 Zwar führt die Anfechtbarkeit einer Entscheidung nicht automatisch zu deren Aufhebbarkeit. Allerdings muss die Anfechtungsmöglichkeit zumindest dazu führen, dass die Überprüfung der Verfahrensrechtmäßigkeit überhaupt eine Folge haben kann, „[. . .] zumindest im Sinne eines untechnisch verstandenen Fortsetzungsfeststellungsinteresses oder einer Vermeidung von Wiederholungen“.49 Das angerufene Gericht muss daher die Möglichkeit haben, die verfahrensfehlerhafte Entscheidung aufzuheben oder zumindest ihre Rechtswidrigkeit festzustellen, da andernfalls das eingeräumte Klagerecht weitgehend wertlos ist.50 Fraglich ist, ob der Begriff der Anfechtung in der Aarhus-Konvention auf die Aufhebung der Entscheidung oder die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit zielt. Für die Folge der Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung spricht, dass ebenso wie im deutschen Verwaltungsrecht auch in Rechtssystemen anderer Staaten eine rechtswidrige Entscheidung regelmäßig vom Gericht aufgehoben wird.51 Dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 AK lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass entgegen dieser üblichen Rechtsfolge sich die von der Aarhus-Konvention geforderte gerichtliche Überprüfung bereits in der Feststellung der Rechtswidrigkeit erschöpfen soll. Dieses Ergebnis wird damit untermauert, dass Art. 9 Abs. 2 AK gleichermaßen die Überprüfung der materiell-rechtlichen wie der verfahrensrecht48 „To challenge“ kann zwar auch „bezweifeln“ oder „Einwendungen erheben“ meinen. Der Kontext des den Gerichtszugang regelnden Art. 9 AK lässt allerdings lediglich die Bedeutung „anfechten“ zu. 49 So Fisahn, ZUR 2004, 136, 140 unter Heranziehung von BVerwGE 105, 348, 354. In diesem Urteil lehnt das BVerwG die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf das naturschutzrechtliche Beteiligungsrecht der Umweltverbände ab und stellt fest: „Das deswegen den anerkannten Naturschutzverbänden zur Geltendmachung ihres Beteiligungsrechts zustehende Recht zur Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses würde entwertet, wenn ein Verstoß gegen das Beteiligungsrecht gemäß § 46 VwVfG sanktionslos bleiben könnte.“ 50 Vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265; Schink, EurUP 2003, 27, 36; Schlacke, NuR 2004, 629, 632. 51 Siehe für das französische Recht Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 157.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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lichen Rechtmäßigkeit fordert.52 Da anzunehmen ist, dass die Aarhus-Konvention wie allgemein üblich davon ausgeht, die gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen könne zur Aufhebung einer materiell rechtswidrigen Entscheidung führen, müsste der Wortlaut des Übereinkommens Anhaltspunkte dafür enthalten, dass dies bei verfahrensrechtswidrigen Entscheidungen nicht so sein solle. Dies ist nicht der Fall. Die im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 AK ausgedrückte Gleichrangigkeit von materiell-rechtlicher und Verfahrenskontrolle weist also darauf hin, dass die verfahrensrechtliche Überprüfung genauso wie die materielle Überprüfung zur Sanktionierung eines Verfahrensverstoßes durch Aufhebung der Entscheidung führen können muss.53 Mangels einer ausdrücklichen Regelung lässt sich dies allerdings nicht allein aus dem Wortlaut entnehmen. Zu prüfen ist daher weiter, ob sich aus der systematischen Betrachtung des Art. 9 Abs. 2 AK Hinweise auf die von der Aarhus-Konvention geforderten Folgen von Verfahrensfehlern ergeben. b) Systematische Auslegung Das Klagerecht des Art. 9 Abs. 2 AK ist in zweierlei Hinsicht in das Gesamtgefüge des Übereinkommens eingebettet. Zum einen sind die Klagerechte des Art. 9 AK Bestandteil des Konzepts, dem Bürger Rechte einzuräumen, die er zum Schutz der Umwelt geltend machen kann. Sie stehen somit im Zusammenhang zu den anderen in der Aarhus-Konvention eingeräumten Verfahrensrechten.54 Zum anderen muss speziell Art. 9 Abs. 2 AK in Abgrenzung zu den in Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 AK gewährten Klagerechten verstanden werden. aa) Art. 9 Abs. 2 AK in Abgrenzung zu den anderen Klagerechten des Art. 9 AK Im Unterschied zu Art. 9 Abs. 1 AK enthält Art. 9 Abs. 2 AK keine Begrenzung des Prüfungsgegenstands und Prüfungsumfangs. Während Abs. 1 sich ausdrücklich auf die Nichtbeachtung, die fälschliche Ablehnung, die unzulängliche Beantwortung oder die anders fehlerhafte Bearbeitung des 52

Vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266. Die vorrangige Erwähnung der materiellrechtlichen Rechtmäßigkeit ist dem Charakter der Aufzählung geschuldet und kann nicht als Hinweis auf die Priorität materieller Kontrolle verstanden werden. 53 Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266; ebenso Louis, NuR 2004, 287, 290; Ekardt, NVwZ 2006, 55. 54 Die drei Säulen der Aarhus-Konvention stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern stützen und ergänzen sich gegenseitig. Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 38.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

Antrags auf Umweltinformation bezieht, verpflichtet Art. 9 Abs. 2 AK die Vertragsparteien generell zur Überprüfung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit. Art. 9 Abs. 3 AK enthält dagegen noch weniger Vorgaben hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs und verlangt lediglich die Einräumung von verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren, um Handlungen und Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verstoßen.55 Aus dem Vergleich von Abs. 2 mit Abs. 1 und 3 ist jedenfalls ersichtlich, dass Art. 9 Abs. 2 AK eine umfassende, nicht auf bestimmte Rechte beschränkte gerichtliche Überprüfung verlangt.56 Allerdings ergibt sich aus dieser Forderung noch kein Hinweis darauf, inwieweit diese Verfahrenskontrolle zu einer Sanktionierung von Verfahrensfehlern führen muss. bb) Art. 9 Abs. 2 AK im Zusammenhang mit den anderen Verfahrensrechten der Aarhus-Konvention Betrachtet man die Klagerechte der Aarhus-Konvention in Bezug auf den Umweltinformationsanspruch (Art. 4 und 5 AK) und die Öffentlichkeitsbeteiligung (Art. 6 bis 8 AK), scheinen die Klagerechte zunächst der Durchsetzung dieser Verfahrensrechte zu dienen. Art. 9 Abs. 1 AK gewährt explizit Zugang zu Gericht bei einer Verletzung des Umweltinformationsanspruchs. Auch Art. 9 Abs. 2 AK bezieht sich auf die Überprüfung von Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen, für die Art. 6 AK57 – also die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren – sowie sonstige Bestimmungen des Übereinkommens gelten. Offenbar soll auch diese Vorschrift mindestens die gerichtliche Einklagbarkeit der Verletzung von Beteiligungsrechten sichern. Bei genauerem Hinsehen lässt der Wortlaut der Norm aber im Unklaren, ob Art. 9 Abs. 2 AK nur die gerichtliche Überprüfung von Verletzungen des Beteiligungs55 Aus diesem Grund ist Art. 9 Abs. 3 AK als ein allgemeines Überprüfungsrecht für die Öffentlichkeit zu verstehen. Vgl. Durner, ZUR 2005, 285, 286. 56 Anders Epiney/Sollberger, Zugang, S. 327; Epiney, Umweltrecht, S. 203 f.: wenn die Aktivlegitimation an ein von nationalem Recht bestimmtes Interesse geknüpft, d.h. eingeschränkt werden darf, müsse auch der Prüfungsumfang in dieser Hinsicht eingeschränkt werden dürfen. Ablehnend Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265: Der Zusammenhang zwischen Zugang und Kontrollintensität sei eine lediglich positivrechtliche Besonderheit des deutschen Rechts, die nicht auf einem zwingenden Grund beruhe. 57 Alle unter Art. 6 AK fallenden Entscheidungen sind im Anhang der AarhusKonvention aufgeführt. Nach Art. 6 Abs. 1 b) AK fallen darüber hinaus nach den Maßgaben innerstaatlichen Rechts auch solche Entscheidungen unter Art. 6 AK, die zwar nicht im Anhang aufgeführt sind, aber dennoch erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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rechts selbst vorsieht58 oder ob die Bestimmung eine umfängliche, über die Verletzung von Beteiligungsrechten hinausgehende Überprüfung für alle Entscheidungen eröffnet, die unter die Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung fallen.59 Die Begrenzung der gerichtlichen Überprüfung auf die Verletzung von Beteiligungsrechten wird pauschal damit begründet, dass Art. 9 Abs. 2 AK Rechtsschutz zur Durchsetzung der in Art. 6 AK etablierten Beteiligungsund auch Informationsrechte gewähre.60 Allerdings kann dem Wortlaut nicht entnommen werden, dass lediglich Entscheidungen angefochten werden können, bei denen das Beteiligungsrecht der betroffenen Öffentlichkeit verletzt wurde. Würde Art. 9 Abs. 2 AK nur die Verletzung von Beteiligungsrechten für anfechtbar halten, wäre der Hinweis auf die Anfechtung der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit überflüssig, da es sich schließlich bei den Beteiligungsrechten in aller Regel um Verfahrensrechte handelt.61 Auch der Vergleich mit dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 AK spricht für die weite Auslegung des Art. 9 Abs. 2 AK. Nach Art. 9 Abs. 1 AK soll jede Person, die der Ansicht ist, ihr nach Art. 4 AK gestellter Antrag auf Informationen sei nicht beachtet, fälschlicherweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder sonst nicht angemessen behandelt worden, Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren haben. Im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 AK gewährt die Vorschrift also ausdrücklich Gerichtszugang bei Verletzung des in Art. 4 AK gewährleisteten Informationsrechts.62 Hätte Art. 9 Abs. 2 AK den Gerichtszugang auf die Verletzung des Beteiligungsrechts beschränken wollen, hätte eine Formulierung nahe gelegen, die der des Art. 9 Abs. 1 AK entspricht. Da eine solche Formulierung nicht gewählt wurde, ist anzunehmen, dass Art. 9 Abs. 2 AK die gerichtliche Über58

So die Ansicht von Jeder, UTR 62 (2002), 145, 166, 168; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 276; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532; Jendroska, JEEPL 2005, 12, 18. Ebenso BRDrucks. 100/01, Beschluss des Bundesrats, S. 2, 7 f. Ferner Butt, Umweltinformation, S. 63 f. Unklar Zschiesche, ZUR 2001, 177, 181: „[. . .] Verletzungen, die aus der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren (Art. 6) resultieren.“ Undeutlich auch Stec/Casey-Lefkowitz/Jendroska, Implementation Guide, S. 125: Art. 9 Abs. 2 AK „[. . .] provides review procedures relating to public participation under Art. 6 and other relevant provisions of the convention.“ 59 So wohl Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 244: „[. . .] die inhaltliche oder verfahrensmäßige Rechtmäßigkeit einer in den Anwendungsbereich des Art. 6 fallenden Entscheidung selbst.“ Die parallele Frage lautet, ob lediglich die Einhaltung der „sonstigen Bestimmungen dieses Übereinkommens“ überprüft wird oder ob alle unter die Aarhus-Konvention fallenden Entscheidungen umfänglich überprüft werden sollen. 60 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 140; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 276; Jendroska, JEEPL 2005, 12, 18. 61 Ähnlich Walter, EuR 40 (2005), 302, 332. 62 Ebenso Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 243.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

prüfung nicht auf die Verletzung des Beteiligungsrechts beschränkt.63 Die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit des Art. 9 Abs. 2 AK gewährt daher die vollständige Überprüfung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, bei der nach Art. 6 AK eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist.64 Art. 9 Abs. 2 AK übernimmt also eine über die klageweise Verwirklichung und Durchsetzung des Beteiligungsrechts hinausgehende Funktion, wobei der Umfang der gerichtlichen Überprüfung jedenfalls auch die Anfechtung etwaiger Verletzungen des Beteiligungsrechts nach Art. 6 AK umfasst. Aus dieser Tatsache resultieren jedoch ebenfalls noch keine Vorgaben für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern. cc) Bedeutung der in der Aarhus-Konvention gewährten Verfahrensrechte für die materielle Entscheidung Zu überlegen ist, ob sich aus dem systematischen Gesamtzusammenhang des Übereinkommens Hinweise darauf ergeben, in welchem Umfang Verfahrensfehler gerichtlich sanktioniert werden sollen. Möglicherweise könnte aus der Ausgestaltung und Bedeutung der Verfahrensrechte gefolgert werden, dass nach der Aarhus-Konvention Verfahrensrechtsverletzungen nicht ohne Weiteres als unbeachtlich qualifiziert werden können.65 Dies ist dann 63 Vgl. dazu Walter, EuR 40 (2005), 302, 332; ders. in: Durner/Walter, Spielräume, S. 7, 30; Durner, ZUR 2005, 285, 286 f. 64 So Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 46 f., 49; Epiney, ZUR 2003, 176, 179; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 244; Durner, ZUR 2005, 285, 286 f.; Schink, EurUP 2003, 27, 35; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 293; Schlacke, NuR 2004, 629, 632; Walter, EuR 40 (2005), 302, 332. Ebenso wohl auch Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 319: „[. . .] die umweltbezogenen Entscheidungen selbst, für die nach Art. 6 eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist, von einem Gericht [. . .] überprüfen zu lassen.“ Auch der Gemeinschaftsgesetzgeber versteht Art. 9 Abs. 2 AK in dieser Weise, vgl. Erwägungsgrund 9 der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL. Vgl. ferner Fisahn, ZUR 2004, 136, 140: Eine Einschränkung auf Verfahrensfehler, die ausschließlich die Mitwirkungsrechte des Verbandes (§ 61 II Nr. 3 BNatSchG) verletzen, sehe die Konvention nicht vor. Für die Verbandsklage ebenso Gellermann, NVwZ 2006, 7, 8. Nicht deutlich Zschiesche, ZUR 2001, 177, 181 f. Die Annahme, die Beteiligungsrechte nach Art. 7 und 8 AK bezüglich Plänen, Programmen, Politiken bzw. exekutiver Vorschriften oder sonstiger normativer Instrumente seien nicht Gegenstand der Überprüfung nach Art. 9 Abs. 2 AK, ist dagegen plausibel, wenn man davon ausgeht, dass die von Art. 9 Abs. 2 AK erfassten Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen jedenfalls keine Pläne, Programme oder normative Vorschriften umfassen. Vgl. Macrory/Turner, CMLRev 39 (2002), 489, 518. 65 Es wurde bereits gezeigt, dass wenigstens das Verfahrensinstrument der UVP aufgrund seiner Bedeutung für das materiell-rechtliche Ergebnis bei der Sanktionierung von Verfahrensfehlern nicht wie herkömmliches Verfahrensrecht Kausalitätserwägungen unterworfen werden kann. Siehe dazu im 4. Kapitel unter III.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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der Fall, wenn den Verfahrensrechten der Aarhus-Konvention typischerweise eine besondere Bedeutung für die materielle Richtigkeit der Entscheidung zukommt, die es ausschließt, die fehlerhafte oder unterlassene Durchführung des Verfahrensschritts für unbeachtlich zu erklären. Zunächst ist zu prüfen, ob die Ausgestaltung des Öffentlichkeitsbeteiligungsrechts nach Art. 6 AK Hinweise auf die Behandlung von Verfahrensfehlern enthält.66 Ein erster Anhaltspunkt könnte dabei die Verpflichtung des Art. 6 Abs. 4 AK sein, die Öffentlichkeitsbeteiligung frühzeitig zu einem Zeitpunkt durchzuführen, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden kann. Schließlich kann die Öffentlichkeitsbeteiligung ihre Funktion, die vollständige Einbeziehung umweltrelevanter Informationen in den Entscheidungsprozess zu sichern,67 nur erfüllen, wenn sie verfahrensmäßig korrekt vor Erlass der Entscheidung durchgeführt wird. Auch die in Art. 6 Abs. 8 AK statuierte Pflicht, das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Entscheidung angemessen zu berücksichtigen, verlangt nach einer Abwägung, die sich grundsätzlich noch auf das Ergebnis auswirken können muss.68 Aus diesen Vorgaben folgt zunächst, dass damit die Nachholung der unterlassenen Öffentlichkeitsbeteiligung ausgeschlossen ist.69 Darüber hinaus ist zu überlegen, ob die zentrale Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung für das Entscheidungsergebnis erfordert, dass die fehlerhafte oder unterbliebene Beteiligung sanktioniert und die verfahrensfehlerhafte Entscheidung aufgehoben wird. Die Öffentlichkeitsbeteiligung fördert zum einen die Transparenz des behördlichen Verfahrens, zum anderen die Effektivität des Entscheidungsprozesses, da durch den wechselseitigen Meinungsaustausch zwischen der Öffentlichkeit und der Verwaltung zum Beispiel die Untauglichkeit eines Vorhabens schneller erkannt, kostspielige Fehler vermieden und Probleme schneller gelöst werden können.70 Aufgrund der Nutzung des spezifischen Sachverstands von Umweltschutzorga66 Zur Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 234 ff. Zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Fachplanung Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 606, 611. 67 Vgl. Erwägungsgrund 16 der Präambel. 68 Vgl. Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 41. 69 Ebenso wird angenommen, die im Wells-Urteil des EuGH (Rs. C-201/02, Slg. 2004 I-723, Rn. 62 ff.) für zulässig und erforderlich gehaltene nachträgliche Durchführung einer UVP genüge nicht der von Art. 6 Abs. 4 AK geforderten Öffentlichkeitsbeteiligung zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind. Vgl. Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628 f. 70 Vgl. von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273. Zu den Funktionen der Öffentlichkeitsbeteiligung grundlegend Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 209 ff. Nach Wahl/Dreier trägt die Öffentlichkeitsbeteiligung damit sogar zur Beschleunigung von Verwaltungsverfahren bei, NVwZ 1999, 606, 611.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

nisationen kann die erweiterte Öffentlichkeitsbeteiligung darüber hinaus zu qualitativ besseren Ergebnissen sowie zur effektiveren Umsetzung von Entscheidungen führen, wie dies auch Erwägungsgrund 9 der Präambel hervorhebt.71 Diese Annahme hängt mit der in Erwägungsgrund 16 formulierten Erkenntnis zusammen, welch große Bedeutung der vollständigen Einbeziehung umweltbezogener Überlegungen in staatliche Entscheidungsverfahren zukommt und wie notwendig es daher ist, dass Behörden über genaue, umfassende und aktuelle Informationen über die Umwelt verfügen. Die Sammlung und Erlangung dieser Informationen wird durch die Durchführung einer umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung gesichert, die demzufolge wesentlich für die Richtigkeit der zu treffenden Entscheidung ist.72 Die substanzielle Einflussnahme der Öffentlichkeit und des Einzelnen auf das Verfahren und dessen Ergebnis führt damit letztlich auch zu einem besser kontrollierten und akzeptierten Verfahrensergebnis.73 Da das Klagerecht des Art. 9 Abs. 2 AK auch diese richtigkeitssichernde Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung sichert, wäre es widersprüchlich, die Verwirklichung des umfassend eingeräumten Verfahrensrechts durch eine Beschränkung der bestehenden Rüge- und Sanktionsmöglichkeiten zu erschweren.74 Schließlich gilt auch im Rahmen der Aarhus-Konvention die Aussage, dass auch das beste Verfahrensrecht seine Aufgabe nicht erfüllen kann, wenn die Gerichte nicht über seine Einhaltung wachen.75 Die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung und die Notwendigkeit ihrer Verwirklichung sprechen daher gegen die Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung. Auch der Umweltinformationsanspruch der ersten Säule trägt nach Erwägungsgrund 9 der Präambel zu verbesserten Entscheidungen bei, etwa indem er die Behörden zu mehr Transparenz und Verantwortlichkeit ver71 Von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273 f. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist dabei die unmittelbare Möglichkeit, das Umweltinformationsrecht zu realisieren, da der Bürger bei der Beteiligung an Genehmigungsverfahren die ihm bekannten Informationen sinnvoll einbringen kann. Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 61. 72 Kritisch dazu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 210 f. 73 Vgl. von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 210 f. Für die Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren ebenso Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 606, 611. Von Danwitz weist in NVwZ 2004, 272, 274, weiter auf die Rechtsschutzfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung hin: Da diese auch der Gewährung rechtlichen Gehörs dient, trägt sie außerdem zu einem vorverlagerten (Grund-)Rechtsschutz und möglicherweise zu einer Entlastung der Verwaltungsgerichte bei. Ebenso Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 209. 74 Vgl. schon Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 51. Ähnlich Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628. 75 So für das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht Kopp, Verfassungsrecht, S. 267.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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anlasst.76 Insgesamt geht die Aarhus-Konvention also jedenfalls davon aus, dass die von ihr geschaffenen Verfahrensrechte einem materiellen Ziel dienen. Dieses Ziel ist nach den Erwägungsgründen 6 und 7 sowie nach der Zielformulierung des Art. 1 AK das menschliche Wohlbefinden und die menschliche Gesundheit sowie die Sicherung grundlegender Menschenrechte wie des Rechts auf Leben. Wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Rechts auf Leben und anderer grundlegender Menschenrechte ist das Recht jedes Menschen, in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben.77 Da dafür ein angemessener Schutz der Umwelt unabdingbar ist, besteht die Pflicht, die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern.78 Zur Wahrnehmung dieser Rechte und zur Erfüllung dieser Pflicht müssen Bürger nach Erwägungsgrund 8 Zugang zu Informationen, ein Recht auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten haben. Damit verzichtet die Aarhus-Konvention vollständig auf materielle Umweltschutzstandards wie Höchstgrenzen für Umweltbelastungen und sucht stattdessen die Sicherung materiellen Umweltschutzes durch verfahrensrechtliche Gewährleistungen zu erreichen.79 Somit gründet das Überein76

Vgl. Erwägungsgründe 10 und 11 der Präambel. Vgl. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 143, 147 ff., 186. Siehe auch die abweichende Meinung des Richters Weeramantry im Gabçikovo-Nagymaros-Fall, IGH, Urteil vom 25. September 1997, Ungarn/Slowakei, abgedruckt in ILM 37 (1998), 162, 206: „The protection of the environment is [. . .] a vital part of contemporary human rights doctrine, for it is a sine qua non for numerous human rights such as the right to health and the right to life itself. It is scarcely necessary to elaborate on this, as damage to the environment can impair and undermine all the human rights spoken of in the Universal Declaration and other human rights instruments.“ 78 Erwägungsgrund 7 der Präambel. 79 Parallelen zu diesem Ansatz finden sich sowohl in der UVP als auch in der Rechtsprechung des EGMR. Dieser hat in den letzten Jahren zunehmend die Bedeutung der Menschenrechte für den Schutz des Einzelnen vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen herausgearbeitet, vgl. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 586 sowie Rn. 672; ferner Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 160 ff. Dabei hat er neben grundlegenden materiellen Schutznormen der EMRK wie dem Recht auf Leben nach Art. 2 EMRK, dem Schutz des Privatlebens und dem Recht auf Achtung der Wohnung nach Art. 8 EMRK sowie dem Recht auf Eigentum nach Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls auch Verfahrensrechte wie das Recht auf Information nach Art. 10 EMRK und das Recht auf Zugang zu innerstaatlichen Gerichtsverfahren nach Art. 6 EMRK dazu herangezogen, Rechte des Einzelnen gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu begründen. Vgl. dazu die zentralen Entscheidungen des EGMR in den Fällen Lopez Ostra/Spanien (Serie A, Nr. 303-C, EuGRZ 22 (1995), 531 ff.), Guerra u. a./Italien (Bericht der Kommission vom 29.6.1996 und Urteil des EGMR vom 19.2.1998, Reports 1998, Nr. 64, S. 210 und 238) sowie Zander/ Schweden (Urteil des EGMR vom 25.11.1993, Serie A, Nr. 279-B, EuGRZ 22 77

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

kommen den Schutz der Umwelt auf bereits bestehende verfahrensrechtliche Menschenrechte.80 Aus umweltvölkerrechtlicher Sicht ist dies deswegen von Vorteil, weil die Frage nach der angestrebten Beschaffenheit der Umwelt kulturell abhängig unterschiedlich beantwortet wird und daher auf völkerrechtlicher Ebene kaum präzise als universelles materielles Recht formuliert werden kann.81 Verfahrensrechte tragen demgegenüber effektiver zum Schutz der Umwelt bei, weil sie international einheitliche Verfahrensstandards setzen und zugleich in unterschiedlichen Rechtssystemen kontextabhängig und flexibel wirken.82 Die verfahrensrechtliche Überprüfung durch das Gericht genießt zwar aus diesen Gründen noch keinen Vorrang gegenüber der materiellen Kontrolle. Jedenfalls spricht die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Aarhus-Konvention aber dafür, dass Verstöße gegen Verfahrensvorschriften nicht weniger streng kontrolliert und sanktioniert werden dürfen als materiell-rechtliche Verstöße. Die Bedeutung der Verfahrensrechte für die Richtigkeit umweltrechtlicher Entscheidungen erfordert nach der Systematik der Aarhus-Konvention eine verstärkte Ausrichtung der gerichtlichen Kontrolle auf das Verfahrensrecht und eine eher zurückhaltende Kontrolle der materiellen Entscheidung, denn eine regelmäßige Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern würde die von der Aarhus-Konvention geschaffenen Verfahrensgarantien weitgehend entwerten. In der Ausgestaltung der Verfahrensrechte finden sich folglich systematische Argumente dafür, Verfahrensfehler grundsätzlich als beachtlich zu qualifizieren und eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung aufzuheben. (1995), 535). Zum Fall Guerra u. a./Italien vgl. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 161 f. Zum Fall Lopez Ostra/Spanien vgl. Churchill in: Boyle/Anderson, Environmental Protection, S. 89, 94 f. Zur Auslegung bestehender Menschenrechte auf einen umweltschützenden Gehalt hin Anderson in: Boyle/Anderson, Environmental Protection, S. 1, 7 f. Siehe dazu auch Churchill in: Boyle/Anderson, Environmental Protection, S. 89 ff. mit Nachweisen weiterer Rechtsprechung. 80 Vgl. Anderson in: Boyle/Anderson, Environmental Protection, S. 1, 9; Boyle, ebd., S. 43, 59 f.; Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 146. Nach diesen bilden die verfahrensrechtlichen Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte die wesentliche Grundlage für den Schutz der Umwelt durch die Menschenrechte, vgl. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 147 ff., 186. Aus diesem Grund wird der Aarhus-Konvention auch eine wichtige Bedeutung für die Weiterentwicklung des ökologischen Menschenrechtsschutzes in Europa zugeschrieben. Vgl. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 593. 81 Vgl. Anderson in: Boyle/Anderson, Environmental Protection, S. 1, 9. 82 Vgl. Anderson in: Boyle/Anderson, Environmental Protection, S. 1, 9 f. Zu weiteren Vorteilen Boyle, ebd., S. 43, 62. Aus diesem Grund wird Verfahrensrechten auf internationaler Ebene teilweise sogar ein höherer Stellenwert eingeräumt, wenngleich diese umweltschützende materielle Standards nicht vollständig ersetzen können. Vgl. Anderson, ebd., S. 1, 9 f.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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c) Historische Auslegung Überdies könnte die Entstehungsgeschichte der Aarhus-Konvention Aufschluss darüber geben, ob nach den Motiven und Zielen der an den Vertragsverhandlungen Beteiligten verfahrensfehlerhafte Entscheidungen aufgehoben werden sollen.83 Wesentliche Merkmale der Entstehungsgeschichte sind die intensive Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen84 an der Ausarbeitung der Vertragsentwürfe sowie in geringerem Maße auch die Beeinflussung des Vertragsinhalts durch die deutsche Verhandlungsdelegation.85 Die umfassende Beteiligung umweltschützender Nichtregierungsorganisationen am Entstehungsprozess der Aarhus-Konvention86 ist zwar ein weiterer Anhaltspunkt dafür, für wie wichtig die Aarhus-Konvention die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren erachtet.87 Darüber hinausgehende Hinweise auf Art und Umfang der Sanktionierung von Verfahrensfehlern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung sind dieser Tatsache aber nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Rolle der deutschen Verhandlungsdelegation wird der von dieser ausgeübte Druck kritisiert, mit dem erreicht wurde, dass in zen83

Zur Entstehungsgeschichte Brady, EPL 28 (1998), 69; Wates, JEEPL 2005,

7 ff. 84 Nach völkerrechtlichem Verständnis sind NGOs internationale Organisationen nichtgewerblicher und nichtstaatlicher Art, die nicht von Staaten gegründet wurden und keine Völkerrechtssubjektivität besitzen, und die zur Verfolgung bestimmter ideeller Zwecke wie der Wahrung der Menschenrechte oder der Verbesserung des Umweltschutzes über Staatsgrenzen hinweg wirken. NGOs selbst verstehen sich als Vertreter des öffentlichen Interesses. Vgl. dazu Hobe, Völkerrecht, S. 159 ff.; ferner Klein in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, Rn. 18. Die wesentlichen Vorzüge von NGOs liegen in ihrer Expertise, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Flexibilität gegenüber staatlichen Institutionen. Vgl. Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 311. Allgemein zur Bedeutung von NGOs im Umweltrecht Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 3 Rn. 42 ff. 85 Zu den Debatten bei den Vertragsverhandlungen Brady, EPL 28 (1998), 69 ff., 73 sowie insbesondere in Fn. 22. Siehe auch Almeling, Aarhus-Konvention, S. 77 f. 86 Bei der Entstehung der Aarhus-Konvention waren die europäischen NGOs nicht nur von Anfang an beteiligt am Verhandlungsprozess, sie trieben vielmehr den Entwicklungsprozess der Aarhus-Konvention maßgeblich voran. Vgl. dazu Zschiesche, ZUR 2001, 177; Butt, Umweltinformation, S. 122 f.; Wates, JEEPL 2005, 2, 9 f. 87 Vgl. Wates, JEEPL 2005, 2, 10: „Perhaps it was considered that it would not make sense to negotiate a convention on public participation without there being a significant measure of participation in the negotiating process. There may also have been a perception that the environmental organizations, as the sub-set of the public most likely to exercise its rights under the Convention, were in some sense the main ‚clients‘ of the process.“ Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 65 f., bezeichnet NGOs als „watch dogs“ auf umweltrechtlichen Konferenzen, die zwar nicht demokratisch legitimiert seien, aber für Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung sorgten.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

tralen Punkten wie dem Gerichtszugang Rücksicht auf das deutsche Rechtssystem genommen und zum Beispiel in Art. 9 Abs. 2 AK die Geltendmachung einer Rechtsverletzung als Zugangskriterium eingeführt wurde.88 Es kann zwar vermutet werden, dass die deutsche Verhandlungsdelegation den von der Aarhus-Konvention ausgehenden Anpassungsdruck für das deutsche Recht erkannt und daher die Auswirkungen auf das deutsche Recht durch die Anerkennung des Erfordernisses einer Rechtsverletzung sowie durch die Formulierung von Vorbehalten zugunsten des innerstaatlichen Rechts zu begrenzen versucht hat.89 Allein diese Tatsache lässt aber keine rechtlich relevanten Rückschlüsse für eine bestimmte Auslegung des Art. 9 Abs. 2 AK hinsichtlich der Folgen von Verfahrensfehlern zu. Denn wenn auch aufgrund des Widerstands der deutschen Delegation zu vermuten ist, dass die AarhusKonvention ursprünglich im Vergleich zum deutschen Recht noch weiter gehende Regelungen vorsah, kommt es für die Ermittlung der tatsächlichen Verpflichtungen doch lediglich auf den letztlich vereinbarten Vertragstext an. Die historische Auslegung führt also im Hinblick auf Umfang und Folgen der gerichtlichen Kontrolle von Verfahrensfehlern zu keinem Ergebnis. d) Der Vorbehalt zugunsten des innerstaatlichen Rechts: Auslegung der Aarhus-Konvention nach Sinn und Zweck Allerdings ist fraglich, ob die Aarhus-Konvention überhaupt verpflichtende Vorschriften zur Ausgestaltung der gerichtlichen Kontrolle treffen kann, da Art. 9 Abs. 2 AK einen umfassenden Ausgestaltungsvorbehalt zugunsten des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten enthält: „Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher [. . .]“.90 Wie weit dieser Vorbehalt reicht, ist nicht eindeutig zu bestimmen.91 Möglicherweise könnte aber nach diesem Vorbehalt den Ver88 Vgl. Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033, 1040. Kritik äußerten vor allem umweltschützende NGOs. Der deutschen Verhandlungsdelegation wurde insbesondere angelastet, dass sie sich zunächst weigerte, die Konvention zu unterzeichnen, obwohl vor allem beim Zugang zu Gericht aus Rücksicht auf deutsche Positionen weitgehende Ausstiegs- und Vorbehaltsklauseln aufgenommen wurden. Die NGOs sowie einige Regierungsvertreter bezeichneten dieses Vorgehen der deutschen Delegation als „adding insult to injury“. Vgl. Zschiesche, ZUR 2001, 177, 178. 89 Die in der Aarhus-Konvention vereinbarten Vorbehalte und Ausstiegsklauseln sind Ergebnis der intensiven Verhandlungen um Art. 9 Abs. 2 AK. Entgegen der Annahme der deutschen Verhandlungsdelegation dürften diese die Umsetzung in nationales Recht aber eher erschweren als erleichtern. So Jeder, UTR 62 (2002), 145, 167; Zschiesche, ZUR 2001, 177, 181. 90 Hervorhebung von Verfasserin. 91 Die Vorbehaltsklausel wurde schon von den Verhandlungsdelegationen unterschiedlich ausgelegt. Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 68.

II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht

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tragsstaaten auch die Regelung der Folgen der gerichtlichen Überprüfung überlassen bleiben. Dafür spricht, dass dieser Vorbehalt gleich zu Beginn des Abs. 2 steht und daher eine vor die Klammer gezogene Einschränkung für den gesamten Absatz darstellt. Erstreckt sich der Vorbehalt umfassend auf die Ausgestaltung der gerichtlichen Überprüfungsverfahren,92 ist anzunehmen, dass der von der Aarhus-Konvention verwendete Begriff der Anfechtung den Vertragsstaaten keine Vorgaben hinsichtlich der konkreten Folgen einer rechtswidrigen Entscheidung zu setzen vermag. In diesem Fall ist es möglich, im innerstaatlichen Recht die Verfahrenskontrolle abweichend von der materiellen Kontrolle auszugestalten und eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung nicht in allen Fällen aufzuheben. Dabei stellt sich die Frage, ob auch solche innerstaatlichen Rechtsvorschriften vom Ausgestaltungsvorbehalt gedeckt sind, die dem Sinn und Zweck der Aarhus-Konvention widersprechen. So soll die ebenfalls dem innerstaatlichen Recht überlassene Bestimmung des ausreichenden Interesses nach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 S. 1 AK im Einklang mit dem Ziel erfolgen, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Erfordert der Sinn und Zweck der Aarhus-Konvention, einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, in der Regel die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung, kann der Vorbehalt zugunsten des innerstaatlichen Rechts jedenfalls nicht dazu genutzt werden, dieses Ziel durch gegenläufige Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zu unterlaufen.93 Dies eröffnet den Blick auf den Sinn und Zweck des Übereinkommens. Daher ist im Folgenden zu prüfen, ob der der Aarhus-Konvention zugrunde liegende Zweck die grundsätzliche Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern verlangt. Dies ist der Fall, wenn die von dem Übereinkommen angestrebte Stärkung und Durchsetzung umweltrechtlicher Verfahrensrechte es erfordert, eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung im gerichtlichen Verfahren aufzuheben. Hinweise auf die Ziele der Aarhus-Konvention könnte zunächst die Präambel enthalten. Nach Art. 31 Abs. 1 WVK ist ein völkerrechtlicher Vertrag in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen, wobei nach Art. 31 Abs. 2 WVK zum Zusammenhang der Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen eines Vertrags 92 So wohl Durner, ZUR 2005, 285, 290, denn nach diesem erstreckt sich der Vorbehalt in Art. 9 Abs. 2 AK auf die Beschränkung der Klagemöglichkeit auf umweltrechtliche Entscheidungen, auf Vorgaben hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte, auf das Erfordernis eines Widerspruchsverfahrens, auf Klagefristen, die Präklusion, die Heilung oder Nachbesserung von Verwaltungsentscheidungen sowie die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern. Es wird noch zu prüfen sein, inwieweit dem zuzustimmen ist. 93 Vgl. auch Schmidt/Kremer, ZUR 2007, 57, 61.

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

gehört.94 Damit ist die Präambel der Aarhus-Konvention trotz rechtlicher Unverbindlichkeit eine erstrangige Auslegungs- und Verständnisquelle für den Sinn und Zweck des Übereinkommens.95 Die Präambel weist zunächst auf die Bedeutung des Schutzes der Umwelt für die Ausübung grundlegender Menschenrechte wie des Rechts auf Leben hin.96 Zur Ausübung des Rechts und der Pflicht jedes Menschen, die Umwelt zu schützen, hält die Aarhus-Konvention es für unabdingbar, dem Bürger Rechte auf Zugang zu Umweltinformationen, auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren einzuräumen.97 Damit verfolgt das Übereinkommen das Ziel, den materiellen Umweltschutz durch verfahrensrechtliche Regelungen zu stärken, so dass die in der Aarhus-Konvention gewährten Verfahrensrechte wesentlich für die Verwirklichung materieller Rechte sind. Aufgrund dieser Bedeutung betont die Präambel weiter die Wichtigkeit, der Öffentlichkeit Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen zu gewähren, um deren berechtigte Interessen zu schützen und das Recht durchzusetzen.98 Die effektive Durchsetzung von Verfahrensrechten hängt aber wesentlich von deren Einklagbarkeit ab. Damit kann nicht nur die formale Möglichkeit gemeint sein, Verfahrensrechtsverstöße in einem gerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Vielmehr impliziert die Durchsetzung des Verfahrensrechts, dass Verfahrensrechtsverstöße auch sanktioniert werden, da der Geltungsanspruch einer Norm reduziert ist, wenn ein Verstoß gegen die Norm folgenlos bleibt. In gleicher Weise erfordert auch der Schutz der berechtigten Interessen der Bürger einen Rechtsschutz, der sich nicht in der formalen Geltendmachung von Verfahrensrechten erschöpft. Zwar ist damit noch nichts darüber gesagt, ob Verfahrensfehler unterschiedslos in jedem Fall zur Aufhebung einer Entscheidung führen müssen oder ob es ausreicht, dass Verfahrensfehler grundsätzlich die Aufhebung der Entscheidung nach sich ziehen können. Der Ansatz der Aarhus-Konvention, materiellen Umweltschutz gerade durch Verfahrensregelungen erreichen zu wollen, lässt aber jedenfalls darauf schließen, dass Verfahrensrecht nicht wesentlich anders gerichtlich kontrolliert werden darf als materielles Recht. In der Weise, in der die Aarhus-Konvention auf materielle Regelungen verzichtet und die – auch materielle – Richtigkeit der Entscheidung davon abhängig macht, ob durch effektive verfahrensrechtliche Instrumente die Er94 Vgl. Heintschel von Heinegg in: Ipsen, Völkerrecht, § 11 Rn. 9; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 777. 95 Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 38 f. 96 Vgl. Erwägungsgrund 6 der Präambel. 97 Vgl. Erwägungsgründe 7 und 8 der Präambel. 98 Vgl. Erwägungsgrund 18 der Präambel.

III. Ergebnis: Verpflichtungen des Art. 9 Abs. 2 AK

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mittlung aller wesentlichen Informationen sichergestellt wurde,99 erinnert sie an das gemeinschaftsrechtliche Instrument der UVP. Auch für die UVP wurde nachgewiesen, dass die fehlende Sanktionierung von Verstößen gegen UVP-Vorschriften der Bedeutung des UVP-Verfahrens als materielle Richtigkeitsgewähr nicht gerecht wird.100 Ähnliches gilt für die AarhusKonvention, deren verfahrensrechtlichem Ansatz es widerspricht, gerade im zentralen Punkt des Gerichtszugangs die Kontrolle von Verfahrensfehlern gegenüber der Kontrolle materieller Fehler einzuschränken. Ferner spricht auch die sorgfältige Ausgestaltung des Umweltinformationsanspruchs sowie des Öffentlichkeitsbeteiligungsrechts in der AarhusKonvention gegen die Unbeachtlichkeit von Verfahrensverstößen, denn es ist kaum anzunehmen, dass die Aarhus-Konvention einerseits offenkundig für wesentlich erachtete, detailliert geregelte Verfahrensrechte gewährt und andererseits zugleich davon ausgeht, dass ein Verstoß gegen diese Verfahrensrechte ohne Sanktion bleiben soll.101 Schließlich würde die fehlende Sanktionierung von Verfahrensfehlern auch dem Ziel der Aarhus-Konvention zuwiderlaufen, einen Beitrag zur Verringerung vorhandener Mängel bei der Durchsetzung von Umweltvorschriften zu liefern, um dadurch ein hohes Maß an Umweltschutz zu erreichen.102 Daher müssen nach dem Sinn und Zweck der Aarhus-Konvention Verfahrensfehler in gerichtlichen Überprüfungsverfahren in der Regel ebenso zur Aufhebung der Entscheidung führen wie materielle Fehler.

III. Ergebnis: Verpflichtungen des Art. 9 Abs. 2 AK Es wurde gezeigt, dass die Aarhus-Konvention keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Kontrolle und Sanktionierung von Verfahrensfehlern enthält. Die Auslegung des Übereinkommens lässt allerdings den Schluss zu, dass die Klagerechte der Aarhus-Konvention gleichermaßen die Durchsetzung der materiellen wie der Verfahrensrechte sichern. Dabei schließt es der durch eine systematische und teleologische Betrachtung bewiesene verfahrensrechtliche Ansatz des Übereinkommens aus, die Verletzung von Verfahrensvorschriften als regelmäßig unbeachtlich für den Bestand der Entscheidung zu qualifizieren. Auch der Verweis darauf, dass die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK nur im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften gelten, rechtfertigt keine 99

Vgl. zum Beispiel Erwägungsgründe 8, 9 und 16 der Präambel. Siehe dazu im 4. Kapitel unter III. 101 Vgl. Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628. 102 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534. 100

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5. Kap.: Einwirkungen der Aarhus-Konvention

andere Annahme. Der Vorbehalt zugunsten des innerstaatlichen Rechts dient vielmehr dazu, den Mitgliedstaaten die aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme notwendige Flexibilität hinsichtlich der Wahl der zu verwendenden Umsetzungsmittel zu gewähren.103 Er kann nicht so verstanden werden, dass der Inhalt der Verpflichtungen vollständig dem innerstaatlichen Recht überlassen bleibt, denn dies widerspräche dem Ziel der Konvention, verfahrensrechtliche Mindeststandards zu etablieren und diese effektiv durchzusetzen.104 Die konkrete Ausgestaltung der Informations- und Beteiligungsrechte sowie deren Absicherung durch entsprechende Klagerechte zeigen, dass es der Aarhus-Konvention nicht gleichgültig ist, in welchem Maße die von ihr postulierten Rechte auf innerstaatlicher Ebene durchsetzbar sind. Indem die Aarhus-Konvention die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, die völkerrechtlich etablierten Rechte auf innerstaatlicher Ebene zu gewährleisten, nimmt sie bewusst in zuvor nicht da gewesener Weise Einfluss auf die Ausgestaltung von Kernbereichen des innerstaatlichen Rechts wie des Verwaltungsverfahrensrechts und des Verwaltungsprozessrechts.105 Daraus folgt, dass innerstaatliche Vorschriften die an anderer Stelle erhobenen grundsätzlichen Forderungen der Aarhus-Konvention nicht unterlaufen dürfen. Nach Art. 9 Abs. 2 AK müssen folglich Verfahrensfehler im Umweltrecht grundsätzlich ebenso wie materielle Fehler zur Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung führen. Bevor die Arbeit sich nun der Untersuchung zuwendet, zu welchen konkreten Änderungen dieses Ergebnis das deutsche Recht veranlassen wird, muss das europäische Gemeinschaftsrecht als weitere wichtige Quelle struktureller Modifikationen im deutschen Rechtssystem in den Blick genommen werden. Im nächsten Kapitel werden daher die Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts untersucht, die sich nicht zuletzt aus den Richtlinien ergeben, die die EG zur Erfüllung ihrer eigenen Verpflichtungen aus der AarhusKonvention erlassen hat.

103

Der Vorbehalt erstreckt sich danach auf die Art des Rechtsakts (zum Beispiel Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften), die systematische Stellung der Umsetzungsnorm (zum Beispiel im speziellen oder allgemeinen Recht) und die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe. So im Hinblick auf die erste Säule der Aarhus-Konvention Butt, Umweltinformation, S. 68 ff. Dieser Gedanke kann entsprechend auf die dritte Säule übertragen werden. Anders allerdings Durner, ZUR 2005, 285, 290, siehe Fn. 113. 104 Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 69 f. 105 Vgl. Butt, Umweltinformation, S. 120; Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 249; Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 93 ff. sowie S. 161.

6. Kapitel

Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts Eine bedeutende Beeinflussung des deutschen Umwelt- und Verwaltungsrechts1 geht gegenwärtig von den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften aus, die die EG als Vertragspartei der Aarhus-Konvention zur Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen erlassen hat. Während die erste Säule der Aarhus-Konvention durch die Umweltinformations-RL2 umgesetzt wird, dienen die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL3 sowie die SUP-RL und die Wasserrahmenrichtlinie der Umsetzung der zweiten Säule der Aarhus-Konvention.4 1 Zur Europäisierung des deutschen Umwelt- und Verwaltungsrechts Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 1 Rn. 54 sowie Kap. 6 Rn. 143; ders., NVwZ 2007, 40, 42 f.; Hufen, JuS 1999, 313, 314 f.; Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154, 158; P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 129 ff.; Bonk/Schmitz, ebd., § 1 Rn. 18 ff. sowie Rn. 204a f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Einl. Rn. 56 ff.; Riedl in: Obermayer, VwVfG, Einl. Rn. 108 ff.; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 17 ff.; Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67, 121 f.; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 80 ff.; Schwarze, NVwZ 2000, 241; Hirsch, VBlBW 2000, 71; Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 39; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 95 ff., § 4 Rn. 5; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 433 ff.; Steinberg, AöR 120 (1995), 549 sowie die Beiträge in Erbguth, Europäisierung des nationalen Umweltrechts: Stand und Perspektiven, 2001. 2 Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, ABl. EG 2003 Nr. L 41 S. 26. Bei der aufgehobenen Richtlinie handelt es sich um die Umweltinformations-RL a. F. 90/313/EWG. Zur Umsetzung der ersten Säule der Aarhus-Konvention in der Umweltinformations-RL und im UIG Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 175 EGV Rn. 128 ff.; Schink, EurUP 2003, 27, 29 ff.; Schrader, ZUR 2004, 130; Jeder, UTR 62 (2002), 145, 157 ff.; Butt, Umweltinformation, S. 127 ff. und 143 ff. 3 Richtlinie 2003/35/EG. Die Richtlinie wird vereinzelt auch mit „Aarhus-Richtlinie“ bezeichnet, so Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29. Zur Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL Jeder, UTR 62 (2002), 145, 162 ff.; Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 175 EGV Rn. 131 f.; Werres, DVBl 2005, 611; Fisahn, ZUR 2004, 136. 4 Die SUP-RL 2001/42/EG und die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG enthalten in erster Linie Vorschriften zur Umsetzung des Art. 7 AK. Vgl. Schink, EurUP 2003, 27, 33; Jendroska, JEEPL 2005, 12, 17.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

Die dritte Säule der Aarhus-Konvention soll hauptsächlich durch die im Entwurf vorliegende Klagerechtsrichtlinie5 umgesetzt werden.6 Diese gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften stehen im Zusammenhang mit den allgemeinen Strukturen des europäischen Gemeinschaftsrechts.7 Die hier interessierende Frage, inwieweit die inzwischen erfolgte Umsetzung der Gemeinschaftsrechtsvorschriften durch § 4 UmwRG generellen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entspricht, erfordert daher zu ermitteln, wie Verfahrensfehler grundsätzlich durch die Gemeinschaftsgerichte behandelt werden und welche konkreten Verpflichtungen hinsichtlich der Behandlung von Verfahrensfehlern die gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften der Aarhus-Konvention enthalten. Dabei ist anzunehmen, dass aufgrund des hohen Stellenwerts des Verfahrensrechts im Gemeinschaftsrecht Verfahrensfehler in der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte anders behandelt werden als im deutschen Recht8 und das deutsche Recht daher gesteigertem Anpassungsdruck unterliegt.

I. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht Der EG-Vertrag enthält keine dem § 46 VwVfG entsprechende, ausdrückliche Regelung über die Folgen von Verfahrensfehlern. Vielmehr wurden die Grundsätze der Behandlung von Verfahrensfehlern im Wesentlichen von der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte entwickelt.9

5 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 24. Oktober 2003, KOM (2003) 624 endg., auch Aarhus-Richtlinie genannt. Zur Entwicklung der Klagerechtsrichtlinie Dross, ZUR 2004, 152. 6 Außerdem hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft vorgelegt, KOM (2003) 622 endg., so genannte Aarhus-Verordnung. 7 Das Gemeinschaftsrecht hat bereits die Entstehung und den Inhalt der AarhusKonvention wesentlich beeinflusst. Für den Umweltinformationsanspruch und die Öffentlichkeitsbeteiligung so Schmidt-Aßmann in: FS Ipsen, S. 305, 317; für den Umweltinformationsanspruch ebenso Scheyli, AVR 38 (2000), 217, 221; ferner Jendroska, JEEPL 2005, 12, 13 f. Umgekehrt hängen die Umsetzung und Weiterentwicklung der Aarhus-Konvention wesentlich von den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakten ab. Vgl. Jendroska, JEEPL 2005, 12, 14 ff., 17. 8 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 586; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 323 ff. 9 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 21, 60.

I. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht

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1. Reduzierte materielle Kontrolldichte in der Rechtsprechung des EuGH Die zentrale Rechtsschutznorm des Gemeinschaftsrechts ist Art. 220 Abs. 1 EG, der dem EuGH und dem EuG die Aufgabe zuteilt, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages zu sichern.10 Im Unterschied zum Schutz subjektiver Rechte im deutschen Recht ist der gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutz damit als objektive Rechtskontrolle ausgestaltet.11 Folge davon ist, dass die Gemeinschaftsgerichte die Gemeinschaftsorgane nicht wie die deutschen Verwaltungsgerichte im Wege der Verpflichtungsklage12 zu einer bestimmten Maßnahme verpflichten können,13 sondern lediglich die Rechtswidrigkeit einer Handlung oder Unterlassung feststellen.14 Entsprechend dieser Ausgestaltung der gerichtlichen Kontrolle überprüft der EuGH zwar die Interpretation von Normen sowie bei unmittelbar an10

Vgl. dazu Oppermann, Europarecht, § 5 Rn. 113; Streinz, Europarecht, Rn. 566. Vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. LXXXVIII; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 284. Es wird angenommen, dass der gemeinschaftsrechtliche objektive Rechtsschutz auf den Einfluss des französischen kassatorischen Verwaltungsprozessrechts mit seiner objektiven Rechtskontrolle der Verwaltung zurückzuführen ist. Vgl. Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 220 EGV Rn. 2; ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. LXXXIX; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 279; Bleckmann, Dogmatik, S. 128; Classen, Europäisierung, S. 7, 38; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 215; Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1039. Zum französischen Verwaltungsrechtsschutz im Umweltrecht Woehrling, NVwZ 1999, 502; ders. in: Rechtsschutz im Umweltrecht, S. 73 ff. Allgemein zum französischen Rechtsschutzsystem ders., NVwZ 1998, 462. Inzwischen nimmt allerdings auch die Bedeutung des subjektiven Individualrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht zu. Vgl. Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 393. 12 Zum Prüfungsmaßstab bei Verpflichtungsklagen nach § 113 Abs. 5 VwGO Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 113 Rn. 398 ff.; Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 33 ff. 13 Vgl. Classen, Europäisierung, S. 7, 38; ders., NJW 1995, 2457, 2461. Eine Ausnahme dürfte die unbeschränkte Ermessenskontrolle im Verfahren der pleine juridiction nach Art. 229 EG sein, in dem der EuGH eine Entscheidung nach eigenem Gutdünken treffen kann. Vgl. Bülow, Relativierung, S. 157 f.; Gaitanides in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 229 EG Rn. 8 f., 13 ff. 14 Bei der Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG weist der EuGH das Begehren auf eine positive Entscheidung in der Regel mit der Begründung zurück, dass das Gericht sich nicht an die Stelle der Verwaltung setzen dürfe. Ebenso stellt der EuGH bei der Untätigkeitsklage die Handlungspflicht der Verwaltung fest, ohne Vorgaben für die vorzunehmende Handlung zu machen. Vgl. dazu EuGH Rs. C-412/92 P, Slg. 1994 I-3757, Rn. 27 ff. (Meskens); ferner Dörr in: Sodan/Ziekow, VwGO, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 98; Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 217; Classen, Europäisierung, S. 7, 24 f., 38; ders., NJW 1995, 2457, 2461. 11

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

wendbaren Vorschriften auch deren Subsumtion, hält sich aber bei Normen, die eines konkretisierenden Rechtsaktes bedürfen, in seiner Überprüfung zurück.15 Aus dem auf eine objektive Rechtskontrolle begrenzten Kontrollauftrag des Art. 220 EG folgt auch, dass der EuGH nur zu einer eingeschränkten Ermessensüberprüfung ermächtigt ist.16 Wo aufgrund der technischen oder wirtschaftlichen Komplexität der Entscheidung oder aufgrund größerer Sachkunde der Verwaltung dieser die Entscheidung vorbehalten bleiben soll, maßt sich der EuGH kein eigenes Urteil an, sondern kontrolliert primär die korrekte Einhaltung des Verfahrens.17 Ein Grund für die reduzierte materielle Kontrolldichte der Gemeinschaftsgerichte ist die teilweise Unbestimmtheit und Konkretisierungsbedürftigkeit europäischer Sekundärrechtsakte, die aufgrund der politisch oft schwierigen Verhandlungen zwischen verschiedenen Organen der EG und der Mitgliedstaaten häufig in Form kompromisshafter Harmonisierungsverpflichtungen formuliert werden.18 Dabei greifen EG-Richtlinien auch auf prozedural gesteuerte Optimierungsstrategien und Rahmensetzungen zurück, 15 Vgl. Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 245 f.; Classen, NJW 1995, 2457, 2460. 16 Vgl. EuGH Rs. 131/82, Slg. 1983 S. 2801, Rn. 10 (Angelini); dazu auch Pache, DVBl 1998, 380, 382, 384 ff. Nach Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 65, hat der EuGH der Rüge des Ermessensmissbrauchs bisher nur selten nachgegeben. Zur Kontrolldichte des EuGH bei Ermessensentscheidungen siehe die ausführliche Rechtsprechungsanalyse bei Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 287–488. Zu beachten ist, dass der Begriff des Ermessens gemeinschaftsrechtlich nicht in Abgrenzung zu unbestimmten Rechtsbegriffen, sondern vielmehr als genereller Ausdruck verwaltungsrechtlicher Entscheidungsspielräume verwendet wird. Vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 280 f. 17 Ein prägnanter Beispielsfall ist das Urteil TU München, EuGH Rs. C-269/90, Slg. 1991 I-5469, Rn. 13 ff. Vgl. ferner EuGH Rs. 191/82, Slg. 1983 S. 2913, Rn. 30 (Fediol/Kommission); EuGH Rs. 2/80, Slg. 1980 S. 3107, Rn. 11 f. (Dautzenberg). Anders wohl EuGH Rs. 24/79, Slg. 1980 S. 1743, Rn. 14 (Oberthür). Vgl. dazu Schoch, VBlBW 1999, 241, 249; ders. in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 283; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 20, mit weiteren Nachweisen in Fn. 139; Pache, DVBl 1998, 380, 383; Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 284; Classen, NJW 1995, 2457, 2460 f.; Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 190; Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 283. Für die Nichtigkeitsklage ebenso Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 56. Das Konzept der objektiven Rechtskontrolle führt daher zu einer faktischen Stärkung der Administrativfunktion. Vgl. Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 38. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht von Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 283, die gerichtliche Nachprüfung sei dort begrenzt, wo „[. . .] zulässige außer-rechtliche Erwägungen [. . .]“ die Verwaltungsentscheidung bestimmten, denn nach hier vertretener Auffassung ist exekutives Entscheiden stets rechtlich bestimmt. 18 So im Hinblick auf Umweltrichtlinien Breuer in: Erbguth, Europäisierung, S. 87, 102 f. Ebenso für die Verträge als europäisches Primärrecht Schwarze, Abs-

I. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht

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weil diese aufgrund der Wertepluralität in der EG weitaus konsensfähiger als konditional formulierte Normprogramme sind.19 Angesichts dieser eingeschränkten materiellen Bestimmtheit von Entscheidungen aufgrund nachlassender Bindungswirkung materieller Gesetzesprogramme soll die Lösung inhaltlicher Konflikte, der Ausgleich widerstreitender Interessen und die Richtigkeit und Entscheidungsgerechtigkeit des gefundenen Ergebnisses vornehmlich durch ein korrektes, faires Verfahren erreicht werden, in dem alle Beteiligten die Chance erhalten, durch Darstellung und Begründung ihrer Interessen zu einer optimalen Entscheidungsfindung beizutragen.20 Die begrenzte materielle Steuerungskraft europäischer Normen fordert also zum Ausgleich eine strikte Beachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften21 und infolgedessen auch eine strenge Kontrolle und Sanktionierung von Verfahrensfehlern.22

traktion, S. 152. Von einer relativen Maßstabsarmut des Europarechts spricht Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 347. 19 Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 349 f. 20 Vgl. dazu P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 27; Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 37 f.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 9 f.; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287; Barth/Demmke/ Ludwig, NuR 2001, 133, 134 f.; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 48 f.; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 309 ff.; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 365 ff.; Hufen, JuS 1999, 313, 320; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 282 ff. Daraus wird vereinzelt geschlossen, der EuGH tendiere zu einem materiell-rechtlichen Verständnis von Verfahrensnormen. Vgl. Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 190. Kritik an der Funktion des Verfahrensrechts als Richtigkeitsgarant im Umweltrecht bei Kloepfer, NVwZ 2002, 645, 652. 21 Vgl. Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 190; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 10; Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 37. 22 Vgl. EuGH Rs. C-269/90, Slg. 1991 I-5469, Rn. 13 f. (HZA München/TU München). So auch Schwarze, NVwZ 2000, 241, 250. Ferner dazu ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. LXXXIV; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 283, 298; Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 37; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 373. Insgesamt kontrollieren die Gerichte die Einhaltung des Verfahrens strenger als früher, vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. LXXXV, der dies anhand der Entwicklung der Rechtsprechung zum Akteneinsichtsrecht belegt. Die ausgeprägte Verbindung des Verfahrensrechts zur gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung zeigt auch die Tatsache, dass die Gemeinschaftsgerichte auch weitreichende Klagerechte unabhängig vom Bestehen einer materiellen Betroffenheit einräumen, um bestehende Verfahrensrechte durchsetzbar zu machen. Siehe dazu die Nachweise bei Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1153 f. Kritisch zur Auswertung der Rechtsprechung, die sich auf die Rezeption einzelner, inhaltlich nur begrenzt erfasster Judikate gründe, Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 277.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

2. Die Behandlung von Verfahrensfehlern durch den EuGH Die zentrale Regelung über die Folgen von Verfahrensfehlern findet sich in Art. 230 Abs. 2 EG. Danach stellt die Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Rahmen der Nichtigkeitsklage einen Klagegrund dar, der nach Art. 231 Abs. 1 EG grundsätzlich die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zur Folge haben kann.23 Folglich kann von vornherein nur die Verletzung einer wesentlichen Verfahrens- oder Formvorschrift zur Aufhebung der erlassenen Entscheidung führen.24 Wesentlich ist eine Verfahrensvorschrift dabei in erster Linie, wenn ihre Verletzung geeignet ist, den Inhalt der Rechtshandlung zu beeinflussen.25 23

Vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1367. Vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1367 f.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 22; Bülow, Relativierung, S. 60; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 67; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 283. Zum Begriff der wesentlichen Formvorschriften nach Art. 230 Abs. 2 EG unter ausführlicher Analyse der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung Bülow, Relativierung, S. 63 ff.; ferner Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 60; Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 102 f.; sowie die Urteile EuGH Rs. 18/57, Slg. 1959 S. 89, 114 ff. (Nold/Hohe Behörde); EuGH Rs. 80/63, Slg. 1964 S. 837, 869 f. (Degreef/ Kommission); EuGH Rs. 8/66 u. a., Slg. 1967 S. 99, 125 (Cimenteries u. a./Kommission); EuGH Rs. 21/70, Slg. 1971 S. 7, 18, Rn. 36–41 (Rittweger/Kommission). Nach Art. 231 Abs. 1 EG führt die Verletzung wesentlicher Formvorschriften zwar zur Nichtigkeit des Rechtsaktes. Die daraufhin ergehenden Urteile des EuGH haben allerdings Kassationscharakter, so dass der Gerichtshof die Entscheidung aufheben kann. Vgl. Bülow, Relativierung, S. 235 f. 25 Vgl. EuGH Rs. 117/81, Slg. 1983 S. 2191, Rn. 7 (Geist/Kommission); EuGH Rs. 30/78, Slg. 1980 S. 2229, Rn. 26 (Distillers Company). So auch Bülow, Relativierung, S. 66 mit ausführlicher Rechtsprechungsanalyse auf S. 67 ff.; Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 60; Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 103; Ehricke in: Streinz, EUV/EGV, Art. 230 EGV Rn. 73; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 67; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 178; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5a; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 22; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 327. Verfahrensverstöße wurden danach sowohl bei rechtlicher Alternativlosigkeit der Entscheidung als unbeachtlich angesehen als auch bei Ermessensentscheidungen, die aus tatsächlichen Gründen nicht anders hätten ausfallen können. Vgl. EuGH Rs. 9/76, Slg. 1976 S. 1415, Rn. 10 f. (Morello); EuGH Rs. 259/85, Slg. 1987 S. 4393, Rn. 13 (Frankreich/Kommission); EuGH Rs. C-301/87, Slg. 1990 I-307, Rn. 31 (Frankreich/Kommission); EuGH Rs. C-142/87, Slg. 1990 I-959, Rn. 48 (Belgien/Kommission – Tubemeuse). Zur Kontroverse um die richtige Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Verletzung wesentlicher Formvorschriften Bülow, Relativierung, S. 80 ff., 91 ff. Der EuGH berücksichtigt bei der Frage der Wesentlichkeit auch, ob durch den Verfahrensfehler die Verteidigungsrechte des Betroffenen eingeschränkt wurden. Vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1369. Abzulehnen ist aber die Annahme, dem EuGH komme es für die Einordnung einer Formvorschrift als wesentlich auf den Schutzzweck der fraglichen Norm für den Betroffenen an. Bülow, Relativierung, S. 75 ff., weist nach, 24

I. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht

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a) Die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern Trotzdem differenziert auch der EuGH zwischen verschiedenen Fehlerfolgen.26 Ähnlich der Regelung des § 46 VwVfG betrachtet die Gemeinschaftsrechtsprechung bestimmte Verfahrensfehler als unbeachtlich, wenn feststeht, dass sich der Verfahrensverstoß nicht auf die Entscheidung ausgewirkt hat.27 Damit kennt auch der EuGH die Frage nach der Kausalität eines Verfahrensfehlers für die Entscheidung.28 Eine Entscheidung soll dann nicht aufgehoben werden, wenn das inhaltliche Ergebnis auch bei rechtmäßigem Verfahren identisch ausgefallen wäre.29 dass der individualschützende Charakter einer Verfahrensvorschrift für den EuGH keine Frage der Wesentlichkeit der Formvorschrift, sondern vielmehr eine Frage der Klageberechtigung ist. 26 Vgl. Rengeling/Gellermann, UTR 36 (1996), 1, 29 f.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 22; Kment, EuR 41 (2006), 201, 207. 27 Vgl. Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 67; Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1373; Bülow, Relativierung, S. 238; Kment, EuR 41 (2006), 201, 207 sowie 233 mit Rechtsprechungsnachweisen. Siehe nur EuGH Rs. 30/78, Slg. 1980 S. 2229, Rn. 26 (Distillers Company); EuGH Rs. 117/81, Slg. 1983 S. 2191, Rn. 7 (Geist/Kommission). Zur Kausalität des Verfahrensfehlers vgl. EuGH Rs. C-301/87, Slg. 1990 I-307, Rn. 31 (Frankreich/Kommission). Die Ausnahmen von der generellen Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern unterscheidet Bülow, Relativierung, S. 238 wie folgt: Unbeachtlichkeit wegen mangelnder konkreter Ergebnisrelevanz, Unbeachtlichkeit bei rechtlich gebundenen Entscheidungen und Unbeachtlichkeit wegen Zweckerreichung. Die neuere Rechtsprechung lehnt aber eine eingehende Kausalitätsprüfung ab, da die Sachverhaltsaufklärung Sache des Verwaltungsverfahrens sei und vom Gericht nicht nachgeholt werden könne. Vgl. EuG Rs. T-36/91, Slg. 1995 II-1847, Rn. 108, 113 (ICI/Kommission); EuG Rs. T-30/91, Slg. 1995 II-1775, Rn. 98, 103 (Solvay/Kommission); EuG Rs. T-346/94, Slg. 1995 II-2841, Rn. 39 (France-aviation/Kommission): Die Verletzung der Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren kann in dem gerichtlichen Verfahren nicht mehr geheilt werden, das sich auf eine richterliche Kontrolle beschränkt, die nur im Rahmen der geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmittel erfolgt, und das daher eine vollständige Aufklärung des Falles im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht vollständig ersetzen kann. 28 Vgl. EuGH Rs. C-301/87, Slg. 1990 I-307, Rn. 31 (Frankreich/Kommission); parallel dazu EuG Rs. T-30/91, Slg. 1995 II-1775, Rn. 98, 103 (Solvay/Kommission); EuGH Rs. 259/85, Slg. 1987 S. 4393, Rn. 13 (Frankreich/Kommission); EuGH verb. Rs. C-329/93, C-62/95 und C-63/95, Slg. 1996 I-5151, 5220 (BRD/ Kommission); ferner EuG Rs. T-16/91 RV, Slg. 1996 II-1827 (Rendo/Kommission). Ebenso die Bewertung bei Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 377; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 284; Bülow, Relativierung, S. 321. 29 Vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1372 ff. sowie Bülow, Relativierung, S. 309, 325 ff. unter Hinweis auf die Entscheidungen EuGH Rs. 117/81, Slg. 1983 S. 2191, Rn. 7 (Geist/Kommission) und EuGH Rs. 30/78, Slg. 1980 S. 2229, Rn. 26 (Distillers Company) sowie weiteren Rechtsprechungsnachweisen. Siehe ferner EuGH verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

Insofern unterscheidet sich die Behandlung von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht strukturell nicht grundlegend von der deutschen Verfahrensfehlerlehre.30 Unterschiede bestehen allerdings insofern, als der EuGH in der Regel die Wesentlichkeit der verletzten Verfahrensvorschrift annimmt, insbesondere bei Verletzungen des Anhörungs- und des Begründungsrechts31 sowie der Beteiligungsrechte.32 In diesen Fällen ist nach dem EuGH nicht auszuschließen, dass bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften die Entscheidung anders ausgefallen wäre.33 Bei Ermessensentscheidungen halten sich die Gemeinschaftsgerichte hinsichtlich einer hypothetischen Rekonstruktion der Entscheidung deutlich zurück. Besteht die Möglichkeit, dass die Verletzung der Formvorschrift Auswirkungen auf die Ausübung des Ermessens haben konnte, hebt der EuGH die Entscheidung vielmehr auf, ohne die Kausalität des Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung näher zu untersuchen.34 Der Ausschluss der Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen ist folglich die Ausnahme und nicht – wie vor deutschen Gerichten – der Regelfall.35 Demzufolge sind Verfahrensfehler im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich beachtlich.36 Zudem unterscheidet sich der Kausalitätsbegriff des und C-219/00 P, Slg. 2004 I-123, Rn. 71 ff. (Aalborg Portland u. a.); EuG Rs. T-6/89, Slg. 1991 II-1623, Rn. 44 (Enichem Anic); EuG Rs. T-7/89, Slg. 1991 II-1711, Rn. 56 (Hercules Chemicals). 30 Vgl. Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264. Ebenso Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 377 f.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 281 ff., 284. 31 Vgl. Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 105, 109 ff. Ferner Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 67; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 23, jeweils mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen. 32 Vgl. Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 61; Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 104 f.; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264. 33 Vgl. Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 61. 34 So Bülow, Relativierung, S. 322. Umgekehrt hat der EuGH es bisher stets abgelehnt, bei Ermessensentscheidungen überhaupt die Erheblichkeit des festgestellten Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung zu prüfen. Vgl. Bülow, Relativierung, S. 335. 35 So auch Bülow, Relativierung, S. 101, 322 f.: Dem Kriterium der konkreten Ergebnisrelevanz komme eine weit geringere praktische Bedeutung zu als seine Behandlung in der Literatur vermuten lasse. Kritisch andererseits auch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 284 ff., 286, der moniert, dass entgegen weit verbreiteter Annahmen das Recht der Fehlerfolgen durch den EuGH noch nicht ansatzweise geklärt sei und sich daher jede Schlussfolgerung auf eine Regel zur Verfahrensfehlerlehre verbiete, insbesondere aber die hier gezogene Folgerung, der EuGH gehe in der Regel von der Wesentlichkeit des Verfahrensverstoßes aus. 36 Vgl. Classen, NJW 1995, 2457, 2459; Schoch in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 299; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287; Kment, EuR 41 (2006), 201, 207. Vgl. aus den vielen nur die folgenden Entscheidungen des EuGH zu Anhörungs- und Begründungsmängeln: EuGH Rs. 294/81, Slg. 1983 S. 911, Rn. 19 (Control Data); Rs. C-269/90, Slg. 1991 I-5469 (HZA München/TU

I. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht

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EuGH auch hinsichtlich seines Prüfungsmaßstabs von dem deutscher Gerichte.37 Während der EuGH nur die geltend gemachten Klagegründe und diese auch lediglich in rechtlicher Hinsicht überprüft,38 kann der deutsche Richter aufgrund seiner Pflicht zur vollständigen Sachverhaltsermittlung verbunden mit der ausgeprägten Prüfungskompetenz nach § 86 VwGO auch aus den tatsächlichen Gegebenheiten auf die Kausalität des Fehlers schließen.39 In den vom EuGH entschiedenen Fällen konnte dieser zudem allein aufgrund der ihm bekannten Verfahrensabläufe eine andere Sachentscheidung ausschließen, so dass der Verfahrensfehler bereits äußerlich erkennbar nicht kausal für die Sachentscheidung gewesen sein konnte.40 Inzwischen lehnt die Gemeinschaftsrechtsprechung eine eingehende Kausalitätsprüfung mit der Begründung ab, dass die Sachverhaltsaufklärung Sache des Verwaltungsverfahrens sei und vom Gericht nicht nachgeholt werden könne: „Die Verletzung der Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren kann in dem gerichtlichen Verfahren nicht mehr geheilt werden, das sich auf eine richterliche Kontrolle beschränkt, die nur im Rahmen der geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmittel erfolgt, und das daher eine vollständige Aufklärung des Falles im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht vollständig ersetzen kann“.41 So ist das Eigenverwaltungsrecht München); EuG Rs. T-346/94, Slg. 1995 II-2841 (France-aviation/Kommission); EuGH Rs. 111/83, Slg. 1984 S. 2323, Rn. 18 ff. (Picciolo/EP); EuGH verb. Rs. 64, 71 bis 73 und 78/86, Slg. 1988 S. 1399, Rn. 53 (Sergio u. a./Kommission); Rs. 222/86, Slg. 1987 S. 4097, Rn. 14 ff. (UNECTEF/Heylens). Siehe dazu auch Wahl, DVBl 2003, 1285, 1290; Gornig/Trüe, JZ 2000, 395, 397; dies., JZ 2000, 446, 448; Classen, Europäisierung, S. 192 ff.; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 365 f. 37 Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 208. Dazu Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 22 ff. 38 Vgl. EuG Rs. T-171/94, Slg. 1995 II-2413, Rn. 98 (Descom Sales Manufacturing/Rat). Siehe auch Kment, EuR 41 (2006), 201, 208; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 394. 39 Kment, EuR 41 (2006), 201, 208; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 328 f.; Bülow, Relativierung, S. 101 f. 40 Vgl. Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 24; Kment, EuR 41 (2006), 201, 207; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 327 f. Diese Fallkonstellation kann als zum Kriterium der tatsächlichen Alternativlosigkeit gehörend angesehen werden. Vgl. Bülow, Relativierung, S. 327. Diese nimmt allerdings im Weiteren an, dass sich das Kriterium der tatsächlichen Alternativlosigkeit oder konkreten Ergebnisrelevanz auf unwesentliche Formvorschriften beschränkt, so dass die Verletzung wesentlicher Formvorschriften weiterhin zur grundsätzlichen Aufhebung der Entscheidung führt, vgl. ebd. S. 329 f., 333 ff., 416. Folglich dient die tatsächliche Alternativlosigkeit im Gegensatz zum deutschen Recht eher der ausnahmsweisen Begründung von Klagen in Fällen unwesentlicher Verfahrensfehler, die sonst nicht zur Aufhebung führten. Vgl. Bülow, Relativierung, S. 408 f., 416. 41 Vgl. EuG Slg. 1995 II-1851, Rn. 108, 113 (ICI/Kommission); EuGH Slg. 1995 II-1775, Rn. 98, 103 (Solvay/Kommission); EuG Slg. 1995 II-2841, Rn. 39 (Franceaviation/Kommission).

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

der EG auch bei der Heilung von Verfahrensmängeln – im Gegensatz zu § 45 VwVfG und §§ 214 ff. BauGB – äußerst zurückhaltend.42 Verletzungen der Begründungspflicht43, des rechtlichen Gehörs44 oder des Akteneinsichtsrechts führen zur Aufhebung der Entscheidung.45 Eine Fehlerheilung im gerichtlichen Verfahren ist gemeinschaftsrechtlich nicht möglich.46 Da das Gericht sich vor dem Hintergrund der begrenzten Kontrollbefugnis der Gemeinschaftsgerichte gegenüber der vorausgegangenen Verwaltungsentscheidung nicht an die Stelle der Verwaltung setzen darf, erklärt es 42

Wahl, DVBl 2003, 1285, 1290; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 299. Vgl. Gornig/Trüe, JZ 2000, 395, 397; Classen, Europäisierung, S. 192 ff.; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 365 ff. Ferner EuGH verb. Rs. C-329/93, C-62/95 und C-63/95, Slg. 1996 I-5151, 5220 (BRD/ Kommission). In den seltenen Fällen, in denen der EuGH wie in Rs. 294/81, Slg. 1983 S. 911, Rn. 19 (Control Data) ausnahmsweise die Möglichkeit einer Heilung angenommen hat, zieht das Gericht zur Rechtfertigung aber jedenfalls nicht die Begriffe der Beschleunigung und Effektivität des Verwaltungsverfahrens, des Erhalts von Entscheidungen und der Rechtssicherheit heran, mit denen im deutschen Recht die Heilungsvorschriften dogmatisch begründet werden. Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 232. Eine Heilung hat das Gericht vielmehr wie in EuGH Rs. 85/76, Slg. 1979 S. 461, Rn. 14 f. (Hoffmann-La Roche) deswegen zugelassen, da dies den Betroffenen in diesem Fall nicht in seinen Verteidigungsmöglichkeiten einschränkte. Vgl. Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 1370; Bülow, Relativierung, S. 396. Zu Heilungsmöglichkeiten bei der Verletzung wesentlicher Formvorschriften dies., ebd., S. 239 ff. 43 Vgl. zur Begründungspflicht EuGH Rs. C-269/90, Slg. 1991 I-5469, Rn. 27 (HZA München/TU München); EuGH Rs. 222/86, Slg. 1987 S. 4097, Rn. 14 ff. (UNECTEF/Heylens); EuGH Rs. 111/83, Slg. 1984 S. 2323, Rn. 18 ff. (Picciolo/ EP). 44 Wichtig hierzu das Urteil EuG Rs. T-346/94, Slg. 1995 II-2841 (France-aviation/Kommission). Ferner auch EuGH Rs. C-269/90, Slg. 1991 I-5469, Rn. 25, 28 (HZA München/TU München); EuGH EuZW 1994, 603 Rn. 39. 45 Vgl. Gornig/Trüe, JZ 2000, 446, 448; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 372. Laut Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 12, stellen Anhörungs- und Begründungsmängel im Gemeinschaftsrecht absolute Verfahrensfehler dar. 46 Vgl. EuG Rs. T-30/91, Slg. 1995 II-1775, Rn. 98, 103 (Solvay/Kommission). Zudem Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 102; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 20 f. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. Eine Fehlerheilung im gerichtlichen Verfahren hat der EuGH aber ausnahmsweise zugelassen in EuGH verb. Rs. 64, 71 bis 73 und 78/86, Slg. 1988 S. 1399, Rn. 53 (Sergio u. a./Kommission); EuGH Rs. 294/81, Slg. 1983 S. 911, Rn. 19 (Control Data); EuGH Rs. 85/76, Slg. 1979 S. 461, Rn. 14 f. (Hoffmann-La Roche). Vor allem letzteres Urteil stieß gemeinschaftsrechtlich auf heftige Kritik. Siehe die deutliche Stellungnahme des GA Warners in der Rs. 30/78, Slg. 1980 S. 2229, 2297 f. (Distillers Company), der kritisiert, eine solche Haltung liefe darauf hinaus, dass die Kommission ungestraft wesentliche Formvorschriften verletzen könnte, weil der betroffene Kläger entweder den Gerichtshof nicht anrufen würde oder aber im Falle einer Anrufung der Fehler im Gerichtsverfahren geheilt werden könne.

I. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht

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einen Verfahrensfehler auch nicht mit dem Einwand für unbeachtlich, dass sich zusätzliche Angaben des Klägers auf die Entscheidung in der Sache nicht ausgewirkt hätten.47 Trotz der Möglichkeit der ausnahmsweisen Unbeachtlichkeit von Verfahrensverstößen geht das Gemeinschaftsrecht also grundsätzlich davon aus, dass Aufschluss über das Ergebnis nur das ordnungsgemäß durchgeführte Verfahren geben kann und sich demzufolge jede Spekulation seitens des Gerichts über ein hypothetisches Ergebnis verbietet.48 Diese Zurückhaltung seitens der Gemeinschaftsgerichte resultiert aus deren Achtung vor der Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung insbesondere im Ermessensbereich.49 b) Verfahrensfehlerfolgen in anderen Mitgliedstaaten der EG Auch in den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten der EG ist die gerichtliche Kontrolle offenbar generell stärker auf die Einhaltung des Verfahrensrechts ausgerichtet.50 Wie gezeigt geben die Verwaltungsgerichte im französischen objektiven Rechtsschutzsystem der Verwaltung keine Handlungsvorgaben, sondern prüfen, ob die Verwaltung richtig gehandelt hat.51 Dabei spielt die Kontrolle der Einhaltung von Verfahrensrechten eine grö47 So Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 299 f. 48 Nach Ansicht des EuGH kann die richterliche Kontrolle die vollständige Aufklärung eines Sachverhalts im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht ersetzen. Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 702; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 9 f.; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 373; Bülow, Relativierung, S. 101 f.; Kment, EuR 41 (2006), 201, 233. Siehe dazu EuG Rs. T-30/91, Slg. 1995 II-1775, Rn. 98, 103 (Solvay/Kommission). 49 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 336. 50 Vgl. Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 284; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 133 f.; Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 349. Ebenso Schwarze, DÖV 1996, 771, 773 für das englische Verwaltungsprozessrecht; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 280 und Epiney/Sollberger, Zugang, S. 251 für Dänemark. Rechtsvergleichend ausführlich Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 698 ff. 51 Vgl. Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 178; Classen, Europäisierung, S. 7, 38; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 698; Riedel, VVDStRL 58 (1999), 181, 189; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 279; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 76 f. Die bloß kassatorische Befugnis französischer Verwaltungsgerichte wird durch das Fehlen einer Verpflichtungsklage belegt, vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 347. Vgl. im Gegensatz dazu den gerichtlichen Prüfungsmaßstab bei Verpflichtungsklagen nach § 113 Abs. 5 VwGO. Grund für die fehlenden Handlungsvorgaben französischer Gerichte ist das traditionell größere Vertrauen in die Verwaltung als Verkörperung demokratisch legitimierter Hoheitsgewalt, der eine besondere Durchsetzungsmacht gegenüber dem Einzelnen zukommen müsse. Aufgrund dessen existieren in Frankreich auch erst seit neuerer Zeit subjektive Verfahrensrechte wie Be-

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

ßere Rolle als im deutschen Rechtsschutzsystem, da die Gerichte im Rahmen des der Anfechtungsklage entsprechenden „recours pour excès de pouvoir“ die Verwaltungsentscheidung auf ihre Vereinbarkeit mit sämtlichen Normen des objektiven Rechts zu prüfen und bei einem Normverstoß aufzuheben haben, was auch bei Verfahrensrechten gilt.52 Grundsätzlich führen Form- und Verfahrensfehler daher zur Aufhebbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.53 Auch im englischen Verwaltungsrecht wird Verfahrensrechten eine gesteigerte Bedeutung zugewiesen.54 Obwohl insgesamt die Gerichtskontrolle von Verwaltungsentscheidungen als schwächer ausgeprägt gilt,55 ist entsprechend dem Gedanken der „fair administration“ als Grundaussage der englischen Verwaltungsrechtsordnung die „procedural impropriety“, also der nicht ordnungsgemäße Ablauf eines Verwaltungsverfahrens, ein zentraler Überprüfungsgrund.56 Trotzdem findet sich auch der Gedanke der Unbeachtlichkeit bei fehlender Kausalität des Verfahrensfehlers in vielen Rechtsordnungen.57 In Frankreich können Verfahrensfehler nach der Lehre von der Wesentlichkeit des gründungspflichten und Anhörungsrechte. Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 698 f.; Classen, Europäisierung, S. 7. 52 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 329, mit prägnanten Beispielen auf S. 334 ff.; Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 284. 53 Vgl. Fromont in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 73, 81. 54 Epiney/Sollberger, Zugang, S. 204; Bergner, Grundrechtsschutz, S. 300; Riedel, VVDStRL 58 (1999), 181, 203. Gründe dafür sind zum einen die Entwicklung des englischen Verwaltungsrechts aus dem Verwaltungsverfahrensrecht, vgl. Schwarze, DÖV 1996, 771, 773, zum anderen das Fehlen des Amtsermittlungsgrundsatzes, vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 700 f. Bergner, Grundrechtsschutz, S. 297, 299, sieht zudem einen Zusammenhang zwischen dem fragmentarischen Charakter des englischen Verfahrensrechts und der daraus folgenden Unverzichtbarkeit der Richtigkeitsgewähr durch Verfahren. 55 Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 699. Zu den geschichtlichen Hintergründen Epiney/Sollberger, Zugang, S. 159 ff.; Riedel, VVDStRL 58 (1999), 181, 199 ff. 56 Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 141; Schwarze, DÖV 1996, 771, 773; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 203 ff., 211; Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 284. Daneben gibt es noch die eher materiell-rechtlichen Überprüfungsgründe der „illegality“, bei welcher die Verwaltungsentscheidung die von der Ermächtigungsnorm gesetzten Grenzen überschreitet, deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht erfüllt oder mit dem durch die Ermächtigung verfolgten Ziel unvereinbar ist, sowie der „irrationality“, die im Allgemeinen die Frage erfasst, ob die Verwaltung die ihr zustehenden Befugnisse korrekt ausgeübt hat. Vgl. Schwarze, ebd.; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 199 ff. 57 Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 700. Ebenso Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 281 ff.; Bülow, Relativierung, S. 420 f. Trotz vereinzelter Annahmen unbeachtlicher Verfahrensfehler bei fehlender Kausalität erfährt das Unbeachtlichkeitsmerkmal allerdings zum Beispiel im englischen Verwaltungsrecht eine eher zurückhaltende Anwendung. Nachweise bei Bergner, Grundrechtsschutz, S. 293 ff.

I. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht

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Verfahrensfehlers unbeachtlich sein, wenn ein Einfluss des Fehlers auf die Sachentscheidung ausgeschlossen werden kann, was in erster Linie bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen der Fall ist.58 Bei Ermessensentscheidungen sind Verfahrensfehler also grundsätzlich wesentlich und führen zur Aufhebung.59 Auch den Fall der unterlassenen oder fehlerhaften UVP beurteilen die französischen Verwaltungsgerichte dabei anhand der Wesentlichkeit des Verfahrensmangels, wobei das völlige Fehlen einer UVP als wesentlicher Verfahrensmangel gilt und stets zur Aufhebung der Sachentscheidung führt.60 In Österreich wird eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung ebenfalls nur bei einem wesentlichen Verfahrensmangel aufgehoben, das heißt, wenn dieser möglicherweise von Einfluss auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids war.61 Die Frage der Wesentlichkeit wird dabei nicht abstrakt anhand der verletzten Norm, sondern konkret nach den Umständen des Falles festgestellt.62 In der Schweiz folgt aus einer Verletzung des weit verstandenen Anspruchs auf rechtliches Gehör unabhängig vom Einfluss des Fehlers auf den Inhalt der Entscheidung stets deren Aufhebung.63 c) Vergleich der Unbeachtlichkeitsregeln Grundsätzlich gehen also weder das Gemeinschaftsrecht noch die anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen noch das deutsche Recht davon aus, dass jeder Verfahrensverstoß um jeden Preis durch die Aufhebung der entsprechenden Entscheidung sanktioniert werden muss. Allerdings unterscheidet sich das Kriterium, nach dem beachtliche von unbeachtlichen Verfahrensfehlern unterschieden werden, in diesen Rechtsordnungen grundlegend. Während das Gemeinschaftsrecht mit der Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Verfahrensvorschriften eine normbezogene Differenzierung vornimmt, bei der aufgrund der generellen Bedeutung wesentli58 So Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 699; Fromont in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 73, 81 f. Dazu Epiney/Sollberger, Zugang, S. 135 f. Grundlegend zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im französischen Verwaltungsrecht Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 156 ff. 59 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 420 f. 60 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 379; Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 218, 232 f.; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 210. Im französischen Recht führt das gänzliche Unterlassen einer gesetzlich angeordneten Verfahrenshandlung als absoluter Verfahrensfehler stets zur Aufhebung der Entscheidung, vgl. Ladenburger, S. 207 f. 61 Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 701, unter Hinweis auf Oberndorfer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 172, 174 f. Ebenso Bülow, Relativierung, S. 421. 62 Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 701. 63 Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 701, unter Hinweis auf Häfelin/Müller, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1993, Rn. 1328 f.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

cher Formvorschriften für die Entwicklung der Sachentscheidung deren Verletzung grundsätzlich zur Aufhebung der Entscheidung führen muss, bildet die Frage nach den Auswirkungen des Verfahrensfehlers auf die konkrete Sachentscheidung im Einzelfall das zentrale Kriterium der deutschen Verfahrensfehlerfolgenlehre.64 Gewichtiger als die begriffliche Verschiedenheit der Anknüpfungspunkte zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler ist allerdings der Vergleich des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Verfahrensfehlern. Im Gemeinschaftsrecht gelten die meisten Verfahrensvorschriften als wesentlich, so dass ihre Verletzung grundsätzlich zur Aufhebung der Entscheidung führt. Ausnahmen sind möglich, wenn der Verfahrensfehler nachweislich ohne Einfluss auf die Sachentscheidung war. Bei der Kontrolle von Ermessensentscheidungen garantiert allerdings die im Hinblick auf den begrenzten Kontrollauftrag des Richters von den Gemeinschaftsgerichten ausgeübte Zurückhaltung bei der Nachprüfung behördlicher Ermessensausübung, dass Verfahrensfehler im Ermessensbereich der Verwaltung stets zur Aufhebung der Entscheidung führen.65 Überdies kann festgestellt werden, dass das Gemeinschaftsrecht Verletzungen zentraler Verfahrensrechte wie Anhörungsmängel deutlich strenger sanktioniert als das deutsche Recht.66 Im deutschen Recht dreht dagegen die doppelte Verneinung im Wortlaut des § 46 VwVfG den originären Ausnahmecharakter der Vorschrift solcherart um, dass nun die verfahrensfehlerhafte Entscheidung nur noch aufgehoben wird, wenn der fehlende Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung nicht offensichtlich ist. Indem die Vorschrift damit davon ausgeht, dass Verfahrensfehler das Ergebnis generell nicht beeinflussen, wird die Unbeachtlichkeit eines Verfahrensverstoßes zur Regel.67 Obwohl, wie gezeigt, auch andere mitgliedstaatliche Rechtsordnungen die Frage nach dem Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung kennen, besteht der wesentliche Unterschied zum deutschen Recht darin, dass diese Rechtsordnungen die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung 64 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 405. Diese vergleicht im Weiteren aber das Wesentlichkeitskriterium im Gemeinschaftsrecht mit den unwesentlichen Verfahrensfehlern des deutschen Rechts, die nach umstrittener Ansicht schon nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führen sollen. Dieser Vergleich ist aber methodisch nicht ganz korrekt, da die Kriterien zwar gleich heißen, jedoch unterschiedliche dogmatische Funktionen erfüllen: Während die Wesentlichkeit auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts über die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung entscheidet, dient das Wesentlichkeitskriterium im deutschen Recht dazu, bereits die Rechtswidrigkeit verfahrensfehlerhafter Entscheidungen auszuschließen. Die Kriterien sind damit funktional im Grunde nicht vergleichbar. 65 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 409. 66 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 412. 67 So auch Bülow, Relativierung, S. 406.

I. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht

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als grundsätzliche Folge wesentlicher Verfahrensfehler ansehen und nicht wie das deutsche Recht die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern zur Regel erheben.68 3. Verfahrensfehlerfolgen als Problem gerichtlicher Kontrolldichte Diese Ausführungen zeigen, dass sowohl in den dargestellten Rechtsordnungen als auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene Fragen der gerichtlichen Kontrollkompetenz ausschlaggebend für die strenge oder weniger strenge Kontrolle und Sanktionierung von Verfahrensfehlern sind.69 So kann im Gemeinschaftsrecht die Heilung eines Verfahrensfehlers nicht in einem Verfahren vorgenommen werden, das die getroffene Entscheidung nur eingeschränkt überprüfen darf.70 Als Begründung führt der EuGH hierfür an, dass die richterliche Kontrolle eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts durch die Behörde nicht ersetzen könne.71 Insbesondere bei komplexen Verwaltungsverfahren wie im Bereich wirtschaftspolitischer Entscheidungen oder der Durchführung von UVP-Verfahren überprüft der EuGH lediglich die korrekte Durchführung des Verfahrens.72 In ähnlicher Weise erklärt die Rechtsprechung in der Schweiz die Heilung bei Mängeln der Begründung, der Akteneinsicht und der Anhörung unter der Voraussetzung für zulässig, dass dies in einem Verfahren geschieht, das eine gleich umfängliche Prüfung erlaubt wie das Verwaltungsverfahren.73 68 Den Widerspruch der Verfahrensfehlerlehre im deutschen Recht zum Stellenwert des Verfahrensrechts im Gemeinschaftsrechts konstatieren Ehlers, Die Verwaltung 37 (2004), 255, 260; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 79; Schmidt-Aßmann in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 36; Hoffmann-Riem in: dies., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 347; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 711; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 19 ff.; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287. Bülow, Relativierung, S. 406 f. weist darauf hin, dass der Nachrang des Verfahrensrechts in Sinne einer dienenden Funktion in den Begründungen der Gemeinschaftsgerichte nicht auftaucht. Schoch in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 284, bezeichnet diese Divergenz als konzeptionelle Konfliktlage. 69 Vgl. Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 282 f. Ähnlich Bülow, Relativierung, S. 405. 70 Vgl. Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 705 f. 71 Vgl. Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 102 unter Hinweis auf EuG Rs. 30/91, Slg. 1995 II-1775, Rn. 103 sowie Rs. 32/91, Slg. 1995 II- 1825, Rn. 53 (beide Solvay/Kommission) sowie EuG Rs. 36/91, Slg. 1995 II-1847, Rn. 108 (ICI/ Kommission). 72 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 422. 73 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 420; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 701, unter Hinweis auf Häfelin/Müller, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1993, Rn. 1329.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

Im französischen Verwaltungsrecht wird die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern mangels konkreter Ergebnisrelevanz dahingehend kritisiert, dass die Auswirkungen eines Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung vom Gericht praktisch kaum festgestellt werden könnten, weil diese Feststellung eine hypothetische und daher notgedrungen spekulative und beliebige Rekonstruktion der behördlichen Entscheidungsgründe erfordere, die auch zu erheblicher Rechtsunsicherheit beim Kläger führe.74 Diese Bewertung macht deutlich, dass auch in den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten die gerichtliche Behandlung von Verfahrensfehlern als Kompetenzproblem gilt.75 Ebenso erkennen die Gemeinschaftsgerichte die Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung unter der Voraussetzung an, dass die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden.76 Die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte entscheidet demzufolge auch im Gemeinschaftsrecht über den Grad der Eigenständigkeit der Verwaltung.77 Dieses Ergebnis führt zu der Erkenntnis, dass die unterschiedlichen Fehlerfolgenregime im deutschen und im Gemeinschaftsrecht keine systematisch unvereinbaren Rechtskonzepte, sondern graduell unterschiedliche Ausprägungen des notwendigen Ausgleichs zwischen gerichtlicher Kontrolle und Bestandserhalt einer Entscheidung darstellen.78 Denn der der Verfahrensfehlerlehre zugrunde liegenden Frage nach der Kontrollkompetenz der Gerichte und damit verbunden der kompetentiellen Abgrenzung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit kommt auf der Ebene des europäischen Gemeinschaftsrechts eine ähnlich wichtige Bedeutung zu wie im deutschen Recht. Die Annahme einer möglichen Konvergenzzone79 der beiden Rechtsordnungen könnte wiederum für die Frage von Bedeutung sein, wie das deutsche Recht notwendige Anpassungen an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben bewältigen wird.80 Vorgaben für 74

Nachweise bei Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 193. Ähnlich Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 315. 76 Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 349. 77 Vgl. Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 283. 78 So die These von Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 377 f. Dagegen spricht, dass das im deutschen Recht verwendete Argument des Ausgleichs zwischen Rechtsschutz und Effizienz des Verwaltungsverfahrens in den Urteilsbegründungen der Gemeinschaftsgerichte kaum eine Rolle spielt. Vgl. Bülow, Relativierung, S. 394 f. Eine Annäherung an die deutsche Kontrolldichtedogmatik sieht Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 284, dagegen in der neuerdings verstärkten Kontrollintensität im französischen und englischen Recht. 79 Begriff bei Wahl, DVBl 2003, 1285, 1291, 1293. 80 Darauf wird im 7. Kapitel der Arbeit noch zurückzukommen sein. 75

II. Zugang zu Gerichten nach der Aarhus-Konvention

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eine Anpassung des innerstaatlichen Rechts im Hinblick auf die Kontrolle von Verfahrensfehlern enthalten jedenfalls die gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte der Aarhus-Konvention, die im Folgenden zu untersuchen sind.

II. Zugang zu Gerichten nach den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften der Aarhus-Konvention Regelungen über den Gerichtszugang enthalten in erster Linie die der Umsetzung der zweiten Säule dienende Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL sowie der Klagerechtsrichtlinie-Entwurf.81 1. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie und Klagerechtsrichtlinie Zur Umsetzung der dritten Säule der Aarhus-Konvention und insbesondere des Art. 9 Abs. 2 AK sind durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL in die UVP-RL ein Art. 10a sowie in die IVU-RL ein gleichlautender Art. 15a eingefügt worden, die beide fast wortgleich mit Art. 9 Abs. 2 AK sind:82 „Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. [. . .]“

Auch der Klagerechtsrichtlinie-Entwurf gewährt in Art. 4 einen weitreichenden Zugang zu Gerichten: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu Verfahren in Umweltangelegenheiten erhalten, die auch einen vorläufigen Rechtsschutz umfassen, um die verfahrens- oder materiellrechtliche Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten oder der Unterlassung von Verwaltungsakten, die gegen eine Umweltrechtsvorschrift verstoßen, anzufechten, soweit sie (a) ein ausreichendes Interesse haben oder 81 Vgl. Ziehm, JEEPL 2005, 287, 295 f. Daneben enthält auch Art. 6 der Umweltinformations-RL Vorschriften über den Zugang zu Gerichten. 82 Vgl. Ziehm, JEEPL 2005, 287, 296; Schink, EurUP 2003, 27, 35.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

(b) eine Rechtsverletzung geltend machen, wenn das Verwaltungsprozessrecht dies als Vorbedingung verlangt. [. . .]“83

Zusätzlich verlangt Art. 5 Klagerechtsrichtlinie-Entwurf, dass so genannte qualifizierte Einrichtungen84 Zugang zu Verfahren in Umweltangelegenheiten erhalten, ohne ein ausreichendes Interesse oder eine Rechtsverletzung nachweisen zu müssen, wenn der in Frage stehende Sachverhalt ihren satzungsgemäß bestimmten Tätigkeitsbereich betrifft.85 Außerdem fordert Art. 3 eine Klagemöglichkeit gegen Privatpersonen, die durch Handlungen oder Unterlassungen gegen Umweltrechtsvorschriften verstoßen. Da der Klagerechtsrichtlinie-Entwurf eine Verbandsklage für ausnahmslos alle Umweltbereiche fordert und auch für die Individualklage einen weiten Zugang zu Gerichten postuliert, geht er inhaltlich über die Vorgaben der AarhusKonvention hinaus.86 Die endgültige Verabschiedung der Klagerechtsrichtlinie ist gegenwärtig aufgrund teils vehementer Widerstände der Mitgliedstaaten nicht sehr wahrscheinlich.87 2. Die Kompetenz der EG zur Regelung von Rechtsschutzfragen Vielfach werden bereits Bedenken gegenüber der Befugnis der EG zur Regelung verwaltungsprozessualer Rechtsschutzfragen geäußert.88 Teilweise wird deren Kompetenz im Hinblick auf den Klagerechtsrichtlinie-Entwurf, insbesondere im Hinblick auf die Einführung der Verbandsklage in Art. 5, sowie im Hinblick auf die durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL geänderten Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL sogar gänzlich bestritten.89 83

Mit der Möglichkeit, die Klagebefugnis von der Geltendmachung einer Rechtsverletzung abhängig zu machen, entspricht Art. 4 Klagerechtsrichtlinie-Entwurf dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 AK. Vgl. Dross, ZUR 2004, 152, 154. 84 Der Begriff der qualifizierten Einrichtungen meint nach Art. 2 Nr. 1 (c) Klagerechtsrichtlinie-Entwurf jede Vereinigung, Organisation oder Gruppe, deren Ziel der Umweltschutz ist und die nach dem Verfahren des Art. 9 anerkannt worden ist. Dieser Begriff umfasst also Umweltschutzverbände. 85 Trotz des im Vergleich zu Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL eindeutigeren Wortlauts hinsichtlich des unbegrenzten Gerichtszugangs von Umweltverbänden sollen diese Bestimmungen inhaltlich mit Art. 5 Klagerechtsrichtlinie-Entwurf übereinstimmen. Vgl. Ziehm, JEEPL 2005, 287, 297. 86 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 129. 87 Vgl dazu Dross, JEEPL 2005, 22 ff., 30. Widerstände stellt auch Jendroska fest in: JEEPL 2005, 12, 19. 88 Kritisch zur Frage der Gemeinschaftskompetenz Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 297 ff.; Walter, EuR 40 (2005), 302, 310 ff., 312 f. 89 Die Kompetenz der EG zur Regelung von Rechtsschutzfragen wird abgelehnt von Jeder, UTR 62 (2002), 145, 147, 169; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 276 ff. Nach von Danwitz, ebd., S. 277, ist die EG lediglich zur Umsetzung der Art. 2 bis 6 AK befugt.

II. Zugang zu Gerichten nach der Aarhus-Konvention

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Im Folgenden ist daher zu prüfen, inwieweit die EG dazu kompetent ist, Vorschriften zur Regelung von Fragen des Gerichtszugangs zu erlassen. a) Kompetenz aus der völkerrechtlichen Umsetzungspflicht der EG? Eine Kompetenz der EG zur Regelung des Gerichtszugangs90 könnte sich zunächst aus der völkerrechtlichen Umsetzungsverpflichtung der EG ergeben.91 Allerdings besteht die Außenkompetenz der EG zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge nach der Lehre der Parallelität von Innen- und Außenkompetenz grundsätzlich im gleichen Umfang wie ihre Innenkompetenz.92 Im Umweltrecht darf die EG völkerrechtliche Verträge folglich nur im Rahmen ihrer umweltrechtlichen Kompetenzen nach Art. 175 i. V. m. Art. 174 EG abschließen.93 Aus der Pflicht zur Umsetzung eines völkerrecht90 Mit diesem Begriff ist sowohl die Frage der Eröffnung des Gerichtszugangs als auch die Frage der Ausgestaltung und des Umfangs der gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten gemeint. 91 So die Begründung des Klagerechtsrichtlinieentwurfs KOM (2003) 624 endg., S. 4. 92 Diese Grundsätze gehen auf die so genannte AETR-Rechtsprechung zurück, siehe EuGH Rs. 22/70, Slg. 1971 S. 263, Rn. 17 (Kommission/Rat – AETR). Vgl. Käller in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 174 EGV Rn. 48; Epiney, Umweltrecht, S. 79 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 97; Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 93; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 132; Walter, EuR 40 (2005), 302, 308. Montini in: Jans, European Convention, S. 69, 71, weist darauf hin, dass aus der Innenkompetenz nicht automatisch eine Außenkompetenz der EG folge (Hervorhebung von Verfasserin). Allerdings können ungeschriebene Außenkompetenzen parallel zu bestehenden Innenkompetenzen existieren, sofern die Innenkompetenzen von der EG bereits ausgeübt wurden. Ist dies nicht der Fall, kann es ungeschriebene Außenkompetenzen nur geben, wenn die Mitgliedschaft der EG im völkerrechtlichen Vertrag zur Erreichung bestimmter Gemeinschaftsziele notwendig ist. Vgl. Montini in: Jans, European Convention, S. 69, 71 ff. unter Hinweis auf EuGH, Gutachten 1/76, Slg. 1977 S. 741, Rn. 3–4 (Stilllegungsfonds); EuGH, Gutachten 2/94, Slg. 1996 I-1759, Rn. 26 (EMRK). Ebenso Heintschel von Heinegg in: Rengeling, EUDUR, § 22 Rn. 20; Gilsdorf, EuR 31 (1996), 145, 148; Wünschmann, Völkerrechtliche Verträge, S. 33. Nach Epiney, Umweltrecht, S. 81 f., besteht nur in diesem Fall eine ausschließliche Kompetenz der EG. Besteht nach diesen Regeln eine Außenkompetenz, kann diese aber jedenfalls nicht weitergehend sein als die in diesem Bereich bestehende Innenkompetenz. 93 Art. 175 i. V. m. Art. 174 EG ist dabei auch die richtige Kompetenzgrundlage für den Abschluss eines internationalen Übereinkommens. Der die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und internationalen Organisationen regelnde Art. 174 Abs. 4 EG stellt nämlich lediglich eine Aufgabenzuweisungsnorm dar und setzt bestehende Kompetenzen voraus, wie die Formulierung „im Rahmen ihrer Befugnisse“ deutlich macht. Vgl. Kahl in: Streinz, EUV/EGV, Art. 174 EGV Rn. 108; Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 174 EGV Rn. 78; Walter, EuR 40 (2005), 302, 309; Metz, Außenbeziehungen, S. 86 f., 91. Siehe dazu auch der EuGH in seinem Gutachten 2/00, Slg. 2001 I-9713, Rn. 43 (Cartagena-Protokoll), mit dem er die diesbezüglich beste-

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

lichen Vertrages kann demnach nicht auf eine Innenkompetenz der EG geschlossen werden, denn begründete schon die völkerrechtliche Umsetzungspflicht eine solche Gemeinschaftskompetenz, hätte die EG stets die Möglichkeit, mit dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages ihre Kompetenzen im Innenverhältnis unzulässig zu erweitern oder neue Kompetenzen in Widerspruch zur ausdrücklichen Kompetenzzuweisung zu schaffen.94 Auch aus der Tatsache, dass die Aarhus-Konvention von der Gemeinschaft als so genanntes gemischtes Abkommen abgeschlossen wurde, an dem sowohl die EG selbst als auch die Mitgliedstaaten beteiligt sind,95 ergibt sich nichts anderes.96 Das Instrument des gemischten Vertrages wird meist in Fällen verwendet, in denen die Kompetenzen zwischen EG und Mitgliedstaaten nicht eindeutig abgegrenzt werden können.97 Könnte aus dem Bestehen eines gemischten Vertrages umgekehrt eine Innenkompetenz der EG – hier zur Regelung des Gerichtszugangs – hergeleitet werden, begründete dies gerade in Fällen unklarer Kompetenzverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten eine Kompetenz der EG, was letztlich das Erfordernis des gemischten Vertrages überflüssig machen würde. Ein solcher Zirkelhende Kontroverse zwischen Kommission und Rat beendete. Vgl. Krämer in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 174 EG Rn. 76 f. Anders wohl Montini in: Jans, European Convention, S. 69, 70, 75, der Art. 174 Abs. 4 EG als „specific EC external competence“ bezeichnet. 94 Vgl. Epiney, EuZW 1999, 5, 7; Walter, EuR 40 (2005), 302, 312. Eine solche Kompetenzbegründung unterliefe das in Art. 5 und 249 EG verankerte Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Dazu Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EGV Rn. 8. 95 Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302, 307; Schmalenbach in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 300 EGV Rn. 30. Siehe dazu Heintschel von Heinegg in: Rengeling, EUDUR, § 22 Rn. 43. Zum gemischten Abkommen auch Herrnfeld in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 310 EGV Rn. 6; Oppermann, Europarecht, § 7 Rn. 22; Streinz, Europarecht, Rn. 486 ff.; Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 101 f.; Gilsdorf, EuR 31 (1996), 145, 160 ff. Walter, EuR 40 (2005), 302, 311 f., gibt zu bedenken, ob sich die Umsetzungskompetenz der EG aus einer erweiterten Auslegungskompetenz des EuGH für bestimmte Verfahrensvorschriften ergeben könnte. Vgl. dazu die Entscheidung EuGH verb. Rs. C-300/98 und C-392/98, Slg. 2000 I-11307, Rn. 37 (Dior). 96 Vgl. dazu Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 132; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 276 f. 97 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 99; Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 102; Walter, EuR 40 (2005), 302, 311 f.; Gilsdorf, EuR 31 (1996), 145, 160; Metz, Außenbeziehungen, S. 145. Dies ist bei den Umweltkompetenzen der EG nach Art. 175, 174 EG der Fall, da es sich um konkurrierende Kompetenzen handelt. Vgl. Kahl in: Streinz, EUV/EGV, Art. 175 EGV Rn. 7; Streinz, Europarecht, Rn. 152; Epiney, Umweltrecht, S. 90; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 35 f. Die Aarhus-Konvention wurde daher zu Recht als gemischtes Abkommen abgeschlossen. Vgl. zu all dem Walter, EuR 40 (2005), 302, 307 ff., 309.

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schluss vermag eine Gemeinschaftskompetenz nicht zu begründen.98 Daher ergibt sich die Kompetenz der Gemeinschaft zur Regelung umweltrechtlicher Rechtsschutzfragen aus der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten.99 b) Die Kompetenz der EG im Bereich des Umweltrechts Die Kompetenz der EG für Regelungen im Bereich des Umweltrechts ergibt sich grundsätzlich aus Art. 175 i. V. m. Art. 174 EG.100 Art. 175 EG gestattet der Gemeinschaft, alle ihr erforderlich erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen, die der Verwirklichung der in Art. 174 EG konkretisierten Ziele der gemeinschaftsrechtlichen Umweltpolitik dienen.101 Fraglich ist, ob die wegen der Verweisung auf Art. 174 EG umfassende Kompetenznorm des Art. 175 EG die EG auch zum Erlass verfahrensrechtlicher Regelungen über den Zugang zu Gerichten berechtigt. Eine grundsätzliche Zuständigkeit für verfahrensrechtliche Regelungen könnte sich zunächst im Umkehrschluss aus Art. 175 Abs. 4 EG ergeben, da nach dieser Norm die Mitglied98

Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302, 312; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 129 f. 99 Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302, 312. Ungeachtet der Kompetenzen im Innenverhältnis ist die EG – ebenso wie die Mitgliedstaaten – völkerrechtlich für die Erfüllung des gesamten Vertrages verantwortlich, da die Kompetenzverteilung nach außen nicht klar erkennbar ist. Vgl. Epiney, ZUR 2003, 176, 181 f.; dies., EuZW 1999, 5, 7; Schmalenbach in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 300 EGV Rn. 31. Anders Walter, EuR 40 (2005), 302, 310 unter Hinweis auf Art. 9 Abs. 4 AK, der eine dynamische Verweisung auf die Kompetenzverteilung im Innenverhältnis enthält. 100 Auf diese Kompetenzgrundlage stützt der europäische Gesetzgeber auch den Erlass der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL (vgl. Erwägungsgrund 1) sowie den Entwurf der Klagerechtsrichtlinie (vgl. KOM (2003), 624 endg., S. 3). 101 Ziele der Umweltpolitik der Gemeinschaft sind nach Art. 174 EG die Erhaltung und der Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, der Schutz der menschlichen Gesundheit, die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen sowie die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler und globaler Umweltprobleme. Dazu Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 26 ff. Art. 174 EG steckt also den sachlichen Umfang ab, innerhalb dessen die EG nach Art. 175 EG zu konkreten Maßnahmen auf dem Gebiet des Umweltrechts ermächtigt ist. Damit stellt Art. 175 EG die eigentliche Rechtsgrundlage für umweltrechtliche Rechtsakte der EG dar. Vgl. Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 175 EGV Rn. 1; Käller in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 175 EGV Rn. 1; Streinz, Europarecht, Rn. 1118; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 83, 88; Epiney, Umweltrecht, S. 56 f.; dies., NVwZ 1999, 485, 491. Eine allgemeine Kompetenz der EG zur Regelung materiellen Umweltrechts ergibt sich bereits aus den Art. 2, 3 l) und 6 EG. Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 78; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 297. Ferner Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht in der EG, S. 60 f.; Geiger, EUV/EGV, Art. 174 EGV Rn. 4.

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staaten nur „[. . .] unbeschadet bestimmter Maßnahmen gemeinschaftlicher Art [. . .]“ für die Durchführung des europäischen Umweltrechts zuständig sind.102 Allerdings wiederholt Art. 175 Abs. 4 EG nur die Grundregel, dass die Mitgliedstaaten für die Durchführung der Umweltpolitik Sorge tragen, und begründet daher keine eigenständige Kompetenz der EG.103 Die Kompetenz zum Erlass verfahrensrechtlicher Regelungen hinsichtlich des Gerichtszugangs könnte sich aber im Sinne einer Annexkompetenz aus der materiellen Umweltkompetenz der EG ergeben.104 Dies ist der Fall, wenn die Regelung verfahrensrechtlicher Durchführungsmaßnahmen unerlässlich für die effektive Verwirklichung der eingeräumten Sachkompetenz ist.105 Schließlich müssen die einem Organ gemeinschaftsrechtlich übertragenen Aufgaben all jene Befugnisse beinhalten, die notwendig sind, um die ihm vertraglich zugewiesenen Aufgaben und Funktionen zu erfüllen.106 Eine gemeinschaftsrechtliche Kompetenz zum Erlass von Verfahrensvorschriften besteht folglich überall dort, wo das materielle Umweltrecht der 102 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 298; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 151. 103 Vgl. Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 175 EGV Rn. 26; Geiger, EUV/EGV, Art. 175 EGV Rn. 9; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 93. Anderer Ansicht daher auch von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277: Art. 175 Abs. 4 EG sei gerade der Beleg dafür, dass die Durchführung des Umweltrechts allein den Mitgliedstaaten zustehe. Jedenfalls gesteht aber auch von Danwitz zu, dass diese Vorschrift einen generellen Ausschluss jeglicher Verfahrensbestimmungen von der Gemeinschaftskompetenz nicht rechtfertigen könne, ebd. 104 Vgl. Lienbacher in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 EGV Rn. 12; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277. Ähnlich Pache in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 177, 193. 105 Vgl. dazu die so genannte implied-powers-Doktrin, nach welcher eine ungeschriebene Kompetenz der EG besteht, sofern ein unzweifelhaft bestehender Kompetenztitel nicht sinnvoll genutzt werden kann, ohne sich auf von seinem Wortlaut nicht erfasste Bereiche zu erstrecken. Vgl. von Bogdandy/Bast in: Grabitz/Hilf, Art. 5 EGV Rn. 14; Lienbacher in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 EGV Rn. 12; Streinz in: ders., EUV/EGV, Art. 5 EGV Rn. 11; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 231; Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134. Siehe die ständige Rechtsprechung seit EuGH Rs. 8/55, Slg. 1955/56 S. 197, 312 (Fédération Charbonnière de Belgique/Hohe Behörde); EuGH Rs. 20/59, Slg. 1960 S. 681, 708 (Italien/Hohe Behörde); EuGH Rs. 165/87, Slg. 1988 S. 5545, Rn. 7 ff. (Kommission/Rat, Zolltarifnomenklatur); EuGH verb. Rs. 281, 283 bis 285, 287/85, Slg. 1987 S. 3203, Rn. 28 ff. (Deutschland u. a./Kommission). 106 Vgl. die Formulierung von Ziehm, JEEPL 2005, 287, 298: „The EU’s competence to act is neither restricted to specific instruments nor does it exclude any.“ Ebenso Epiney/Sollberger, Zugang, S. 348 f.; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149. Siehe auch EuGH Rs. C-240/90, Slg. 1992 I-5383, 5428 f., Rn. 11 (Deutschland/ Kommission). Vgl. ferner Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 7 EGV Rn. 18; Lienbacher in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 EGV Rn. 12; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 86.

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Gemeinschaft ohne die fragliche Verfahrensregelung nicht in sinnvoller, zweckmäßiger und vernünftiger Weise angewendet werden kann.107 c) Kompetenz der EG zum Erlass von Vorschriften zur Regelung des Gerichtszugangs Fraglich ist, ob die in Umsetzung der Aarhus-Konvention erlassenen und geplanten verfahrensrechtlichen Regelungen des Gerichtszugangs unerlässlich für die Durchführung des gemeinschaftsrechtlichen Umweltrechts sind. Dies könnte deswegen der Fall sein, weil ein weitreichender Zugang zu Gerichten zur Durchsetzung des europäischen Umweltrechts und zur Verwirklichung der Ziele des Art. 174 EG erforderlich sein könnte.108 Da die mangelnde Vollzugskontrolle des gemeinschaftsrechtlichen Umweltrechts als eine der wesentlichen Ursachen für dessen Vollzugsdefizit angesehen wird,109 könnte ein umfassender Zugang zu Gerichten für Umweltverbände und Einzelne einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des Vollzugsdefizits leisten.110 107 Vgl. von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277 unter Hinweis auf EuGH Rs. 8/55, Slg. 1955/56 S. 197, 312 (Fédération Charbonnière de Belgique/Hohe Behörde); EuGH Rs. 20/59, Slg. 1960 S. 681, 708 (Italien/Hohe Behörde); EuGH Rs. 25/59, Slg. 1960 S. 743, 781 (interLimburg). Ähnlich Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 86: Eine gemeinschaftsrechtliche Kompetenz zum Erlass von Verfahrensregeln bestehe nur dort, wo „[. . .] sie der Durchsetzung konkreter, im Rahmen zugewiesener Regelungsbereiche wie etwa dem Umweltschutz gesetzter, materieller Rechtsvorschriften dient.“ Vgl. auch Pache in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 177, 193. 108 So die Begründung des europäischen Gesetzgebers im Entwurf der Klagerechtsrichtlinie, KOM (2003), 624 endg., S. 2 f. sowie Erwägungsgrund 1. Vgl. Ziehm, JEEPL 2005, 287, 289, 298; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273; Epiney, NVwZ 1999, 485, 492 ff. Ferner Ekardt/ Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131. 109 Vgl. Ziehm, JEEPL 2005, 287, 289; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 137. Das Vollzugsdefizit wird festgestellt in den Jahresberichten der Europäischen Kommission über die Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts in der Gemeinschaft; siehe beispielhaft den 4. Jahresbericht für das Jahr 2002, SEK (2003) 804 vom 7.7.2003, zu finden im Internet unter http://register.consilium.eu.int/pdf/de/03/st11/st11408de03.pdf, letzter Aufruf am 18.5.2009. Zum Vollzugsdefizit des europäischen Umweltrechts Käller in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 175 EGV Rn. 38; zu dessen Ursachen Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 175 EGV Rn. 30; Scheuing, NVwZ 1999, 475, 476; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 17 ff. Als Vollzug in diesem Sinne gelten die Anwendung des Gemeinschaftsrechts in der Verwaltungspraxis sowie die Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht. Vgl. Calliess, ebd., Art. 175 EGV Rn. 26. Grundlegend die Beiträge in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996. 110 Ebenso Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 17 ff., 25 ff.; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131; Epiney, NVwZ 1999, 485, 492. Unabhängig vom tatsäch-

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Insbesondere die von der Aarhus-Konvention erweiterten Beteiligungsund Informationsrechte können das Ziel eines effektiven Umweltschutzes nur erreichen, wenn ihre Durchsetzbarkeit durch weitgehende Klagerechte sichergestellt ist.111 Diesen Zusammenhang zwischen der Rechtsposition des Einzelnen und deren gerichtlicher Durchsetzbarkeit stellt die AarhusKonvention durch die Bezugnahme auf den Umweltinformationsanspruch nach Art. 4 AK in Art. 9 Abs. 1 AK sowie auf den Anspruch auf Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 AK in Art. 9 Abs. 2 AK dezidiert her.112 Hinsichtlich der Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 AK wird dagegen eingewandt, da dieser lediglich allgemeine Regelungen über den Gerichtszugang in Umweltangelegenheiten enthalte, bestehe kein Unterschied zu der grundsätzlich gegebenen Notwendigkeit, materielles Gemeinschaftsrecht auch gerichtlich durchzusetzen.113 Die EG besitze daher zwar die Kompetenz zur Regelung von Gerichtszugangsfragen zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 1 und 2 AK, nicht jedoch die Kompetenz zum Erlass allgemeiner Regelungen über den Gerichtszugang in Umweltangelegenheiten zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 AK.114 Es ist aber nicht einzusehen, dass die EG zwar zur Regelung des Gerichtszugangs für einzelne umweltrechtliche Verfahrensrechte, nicht aber zum Erlass einer allgemeinen Regelung des Gerichtszugangs für alle betroffenen umweltrechtlichen materiellen Vorschriften und Verfahrensvorschriften kompetent sein soll.115 Dies liefe darauf hinaus, dass die EG den Gerichtszugang in Umweltangelegenheiten jeweils einzeln für verschiedene lichen Ausmaß des gemeinschaftsrechtlichen Vollzugsdefizits im Umweltrecht begründet dieses allein aber noch keine Gemeinschaftskompetenz, da sonst in allen Rechtsbereichen eine generelle Verfahrenskompetenz der Gemeinschaft bestünde. Das wird grundsätzlich für zu weit gehend gehalten, insbesondere wenn diese generelle Kompetenz auch Verfahrensregelungen für rein nationales, nicht im Gemeinschaftsrecht verankertes Recht erfasse. Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302, 315. 111 So von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 273, 277. Vgl. auch Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131. 112 Von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277. 113 Vgl. von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 278. 114 Vgl. von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 278. Anderer Ansicht Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149 ff.; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 132; Ziehm, JEEPL 2005, 287 ff. Dabei gehen Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, sowie von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 276, davon aus, dass die Klagerechtsrichtlinie vor allem der Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 AK diene. Vgl. auch Jendroska, JEEPL 2005, 12, 19. Diese Ansicht ist allerdings abzulehnen, da die Klagerechtsrichtlinie ausweislich ihres dritten Erwägungsgrundes die gesamte dritte Säule der Aarhus-Konvention und somit auch den Gerichtszugang zur Durchsetzung des Umweltinformations- und des Öffentlichkeitsbeteiligungsanspruchs und nicht nur den allgemeinen Gerichtszugangsanspruch nach Art. 9 Abs. 3 AK umsetzt. 115 So auch Epiney, NVwZ 1999, 485, 492.

II. Zugang zu Gerichten nach der Aarhus-Konvention

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umweltrechtliche Verfahrensrechte regeln müsste, was im Hinblick auf die dadurch beeinträchtigte Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit des Rechts nicht vorteilhaft ist. Da die Klagerechtsrichtlinie überdies nach ihrer Begründung der generellen Verwirklichung der umweltpolitischen Ziele des Art. 174 EG dient, weist sie damit ebenso wie die Regelungen zur Durchsetzung des Art. 9 Abs. 1 und 2 AK den erforderlichen spezifischen Sachzusammenhang mit dem materiellen Umweltrecht auf.116 Aus diesen Gründen besitzt die EG die Kompetenz zum Erlass verfahrensrechtlicher Vorschriften über den Zugang zu Gerichten in Umsetzung der AarhusKonvention.117 d) Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten als Kompetenzschranke? Die Kompetenz der EG könnte allerdings durch den so genannten Grundsatz der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie beschränkt werden.118 116

KOM (2003), 624 endg., S. 3. Ebenso Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128,

131. 117 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 130; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 36. Ebenso Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 349; Epiney, NVwZ 1999, 485, 491 f. mit dem Hinweis auf die Verantwortung der EG für eine effektive Verwirklichung der vertraglichen Umweltziele des Art. 174 EG. Weitergehend Ziehm, JEEPL 2005, 287, 298: Bei den Kompetenzen der EG aus Art. 175 EG handle es sich nicht um bloße Annexkompetenzen. Vielmehr stelle der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten anerkanntermaßen ebenso wie der Anspruch auf Umweltinformation und die Öffentlichkeitsbeteiligung ein eigenständiges Regelungsinstrument zur Erreichung eines höchstmöglichen Umweltschutzes dar. Damit werde die Möglichkeit, Fragen des Gerichtszugangs zu regeln, unabhängig von den zugrunde liegenden durchzusetzenden materiellen Rechten im Umweltrecht. Ebenso Pernice/ Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150 f. unter Hinweis auf Art. 10 der Rio-Deklaration und auf das Sechste Umweltaktionsprogramm der EG vom 22.7.2002, ABl. EG 2002 Nr. L 242, S. 1 ff., Erwägungsgrund 15 und Art. 3 Abs. 9 Spiegelstrich 1. Dass der Zugang zu Gerichten inzwischen wesentlicher Bestandteil europäischer Umweltpolitik ist, wird überdies anerkannt von Calliess in: ders./Ruffert, EUV/ EGV, Art. 174 EGV Rn. 1 und Art. 175 EGV Rn. 4, 11; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 35 ff. Vgl. ferner Epiney, NVwZ 1999, 485, 487, 491; Scheuing, NVwZ 1999, 475, 482, 484. 118 Normativer Anknüpfungspunkt der Verfahrensautonomie ist Art. 249 Abs. 3 EG, der den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinien die Wahl der Form und Mittel überlässt. Abweichend sprechen Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134 von der „institutionellen Autonomie“ der Mitgliedstaaten. Gemeinschaftsrechtlich wird statt des in Deutschland üblichen Begriffs des Vollzugs der Begriff der Durchführung von Gemeinschaftsrecht verwendet. Vgl. Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 9 f. Im Folgenden wird der deutschen Literatur folgend der Begriff des Vollzugs beibehalten. Zur Verfahrensautonomie von Danwitz, DVBl 1998, 421; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 231; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht,

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

Nach diesem Grundsatz wenden die Mitgliedstaaten beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts119 und somit auch des europäischen Umweltrechts grundsätzlich mitgliedstaatliches Verfahrensrecht an, soweit das Gemeinschaftsrecht keine Verfahrensvorschriften vorsieht und die Anwendung des nationalen Rechts die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt.120 Art. 175 Abs. 4 EG stellt deklaratorisch fest, dass für die Durchführung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik die Mitgliedstaaten zuständig sind und folglich das anzuwendende Verwaltungsverfahren und das Rechtsschutzverfahren bestimmen.121 Der Grundsatz der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie könnte folglich eine Kompetenzschranke hinsichtlich der Regelung des Gerichtszugangs errichten.122 § 12 Rn. 18. Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 22 ff., lehnt ein solches Prinzip im Ergebnis ab. 119 Der gemeinschaftsrechtliche Verwaltungsvollzug unterteilt sich in den so genannten direkten oder unmittelbaren Vollzug, bei welchem die EG selbst ihr Recht vollzieht, und den indirekten Vollzug, bei dem die Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsrecht durch nationale Organe vollziehen. Vgl. Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 205; Streinz, Europarecht, Rn. 532 ff.; Schmidt-Aßmann, DVBl 1993, 924. Entsprechend dieser Unterscheidung wird das von den Mitgliedstaaten zu vollziehende Recht als Gemeinschaftsverwaltungsrecht, das durch die EG-Organe zu vollziehende Recht dagegen als Eigenverwaltungsrecht bezeichnet. Letzteres stellt aufgrund des dezentralen Vollzugskonzepts bisher die Ausnahme dar; in der Regel wird Gemeinschaftsrecht durch nationale Organe der Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet vollzogen. Vgl. Streinz, Europarecht, Rn. 548 ff.; Schmidt-Aßmann in: FS Häberle, S. 395, 397; Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 4; Ehlers in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 43; Pünder in: dies., Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 18; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 3 Rn. 2 f.; Classen, Europäisierung, S. 23; Epiney, Umweltrecht, S. 155; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 205. Rechtlich leitet sich der Vorrang des indirekten Vollzugs aus dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und dem Subsidiaritätsprinzip ab, vgl. Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 18. Zu dieser Klassifizierung insgesamt Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 205 f.; Ehlers in: Erichsen/ Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 31 ff., 43 ff.; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 57 ff.; ders., Ordnungsidee, Kap. 7 Rn. 12 ff., 17. 120 Grundlegend EuGH verb. Rs. 205 bis 215/82, Slg. 1983 S. 2633, 2665, Rn. 17, 22 (Deutsche Milchkontor). Dazu Alber in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 445, 460. Vgl. ferner EuGH Rs. 39/70, Slg. 1971 S. 49, Rn. 4 (Fleischkontor); EuGH verb. Rs. 21-24/72, Slg. 1971 S. 1107, Rn. 3 und 4 (International Fruit Company); zudem EuGH EuZW 1995, 92, 93 Rn. 21. Vgl. Streinz in: ders., EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 25; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1290; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 13. 121 Vgl. Kahl in: Streinz, EUV/EGV, Art. 175 EGV Rn. 43; Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 175 EGV Rn. 98; Krämer in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 175 EG Rn. 55; Scheuing, NVwZ 1999, 475, 479. Ferner Streinz in: ders., EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 25; Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 4; Käller in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 175 EGV Rn. 33, 36; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 84 f.

II. Zugang zu Gerichten nach der Aarhus-Konvention

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Die grundsätzliche Anerkennung nationaler Verfahrensbestimmungen zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts beruht aber auf der Bindung des mitgliedstaatlichen Rechts an die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.123 Der Grundsatz der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie dient ebenso wie anderes Gemeinschaftsrecht vor allem dessen effektiver Durchführung.124 Da die Effektivität einer Umweltvorschrift aber wesentlich von der Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung abhängt,125 kann dieser Grundsatz nicht im Sinne eines rechtlichen Reservats der Mitgliedstaaten dahingehend verstanden werden, dass die EG zur Regelung von Gerichtszugangsfragen generell nicht befugt sei.126 Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts richtet sich vielmehr nur so weit nach nationalem Recht, wie das Gemeinschaftsrecht keine Verfahrensregelungen vorsieht.127 Die nationale Verfahrensautonomie greift damit im Rahmen gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen allenfalls subsidiär zu gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften ein.128 Folglich ist die mitgliedsstaatliche Verfahrensautonomie weder geeignet, Gemeinschaftskompetenzen zu begründen, noch eine bestehende gemeinschaftsrechtliche Kompetenz zur Regelung umweltrechtlicher Verfahrensbestimmungen zu beschränken.129 Der vollständige Ausschluss verfahrensrechtlicher Kompetenzen würde zudem der finalen Struktur des umweltrechtlichen Gemeinschaftsrechts 122 123

So von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277. Vgl. Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 37; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128,

131. 124 Das ergibt sich aus Art. 10 EG. Vgl. Käller in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 175 EGV Rn. 33, 36; Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 14 ff., 23 f.; Scheuing, NVwZ 1999, 475, 479; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 298. Ähnlich Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 151. 125 Vgl. Epiney, NVwZ 1999, 485, 488, 492; Steinberg, ZUR 1999, 126, 127. 126 Vgl. Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 37; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 298. Fraglich ist aber, ob eine pauschale Zuständigkeit der Gemeinschaft besteht, unabhängig von materiellen Regelungen umweltrechtliches Verfahrensrecht zu erlassen. Dafür Epiney, NVwZ 1999, 485, 492; Calliess, EurUP 2003, 7, 15. Dagegen Walter, EuR 40 (2005), 302, 314 f. Vgl. zudem Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150. 127 Vgl. EuGH verb. Rs. 205 bis 215/82, Slg. 1983 S. 2633, Rn. 17 (Deutsche Milchkontor). Damit stehen der EG vor allem konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen zu. Vgl. Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 29; ferner Gilsdorf, EuR 31 (1996), 145, 150. 128 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131; Epiney, NVwZ 1999, 485, 492. 129 So von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 151; Epiney, NVwZ 1999, 485, 492. So auch Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 22 ff., 25 ff.: die mitgliedstaatliche Verfahrensautonomie betreffe eher die Kollision zwischen bestehenden Normen auf gemeinschaftsrechtlicher und mitgliedstaatlicher Ebene als die Begründung einer gesetzgeberischen Kompetenz.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

nicht gerecht, das selbst nicht zwischen der Setzung und der Durchführung von Recht unterscheidet.130 Das umweltpolitische Regelungskonzept einer prozeduralen Ausrichtung des Rechts führt dazu, dass sich materielles Recht und Verfahrensrecht im Umweltrecht nicht mehr stets eindeutig trennen lassen.131 Die finale Gesamtkonzeption des prozeduralen Umweltrechts spricht daher gegen die generelle Unterscheidung zwischen materiellen und formellen Kompetenzen.132 Vielmehr können gemeinschaftsrechtliche Regelungen für den mitgliedstaatlichen Vollzug bei stark integrierten Politiken der Gemeinschaft wie dem Umweltrecht unerlässlich sein.133 Folglich besitzt die EG die Kompetenz zum Erlass derjenigen Verfahrensvorschriften, die zur Realisierung der Konzeption eines prozeduralen Umweltrechts erforderlich sind, weil bei diesen – wie zum Beispiel bei den Verfahrensrechten der Aarhus-Konvention – eine besondere Verzahnung von materiellem Recht und Verfahrensrecht vorliegt.134 e) Kein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip Allerdings darf die EG nach dem in Art. 5 Abs. 2 EG verankerten Subsidiaritätsprinzip im Bereich einer konkurrierenden Kompetenz nur unter der Voraussetzung tätig werden, dass die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder wegen ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.135 Da das Subsidiaritätsprinzip nur bei einer bereits bestehenden Kompetenz der EG eingreift, kann es nicht zur Begründung einer gemeinschaftsrechtlichen Kompetenz herangezogen werden.136 Das Subsidiaritätsprinzip begrenzt aber gemeinschaftsrechtliche 130 Vgl. Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 11; Walter, EuR 40 (2005), 302, 314; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277. 131 Vgl. Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131. Deutlich Walter, EuR 40 (2005), 302, 316: „Die verfahrensrechtliche Konzeption ist ihrer Ausrichtung nach materielles Umweltrecht.“ 132 Von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277, hält wegen der in den Mitgliedstaaten üblichen Unterscheidung zwischen prozeduralem und materiellem Recht die fehlende Differenzierung der Kompetenzzuweisung allerdings für eine bloße „textliche Unschärfe“. 133 Vgl. Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 231. 134 Vgl. Walter, EuR 40 (2005), 302, 316 f. 135 Vgl. Epiney, Umweltrecht, S. 85 ff., 86; Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 30; Streinz in: ders., EUV/EGV, Art. 5 EGV Rn. 32; Kahl, ebd., Art. 175 EGV Rn. 7; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der EG, S. 36; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 151; Gilsdorf, EuR 31 (1996), 145, 151. Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 107, bezeichnet diese Vorgaben als Negativ- und Positivkriterium. Ebenso Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131 f.

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Kompetenzen, indem es verlangt, dass gemeinschaftsrechtliche Regelungen zur Sicherung der effektiven und einheitlichen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zwingend und unumgänglich erforderlich sein müssen.137 Da aufgrund der verschiedenen gewachsenen Verwaltungsstrukturen in den Mitgliedstaaten in der Praxis die Modalitäten des Vollzugs erheblich voneinander abweichen können, muss das Gemeinschaftsrecht auch konkrete Vorgaben hinsichtlich der Durchführung machen können.138 Ein einheitliches Umweltschutzniveau und einheitliche Vollzugsregelungen leisten Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen und dienen der Verwirklichung des Binnenmarktes, indem sie mögliche aus unterschiedlich hohen Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten resultierende Standortvorteile für Industrieunternehmen verhindern können.139 Die Regelung von Gerichtszugangsrechten durch die EG sichert folglich die Einheit des Gemeinschaftsrechts und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Subsidiarität.140 Im Ergebnis 136 Epiney, NVwZ 1999, 485, 492; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 131 f., unter Hinweis auf das Protokoll Nr. 30 zum EGV über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (1997) in Verbindung mit Art. 311 EG, ABl. EG 2006 Nr. C 321 E S. 0308–0311. Dieses besagt in Nr. 3, dass die Befugnisse, über die die EG aufgrund des Vertrags entsprechend der Auslegung des Gerichtshofs verfügt, vom Subsidiaritätsprinzip nicht infrage gestellt werden, sondern dieses lediglich eine Richtschnur zu deren Ausübung darstellt. Die Kriterien des Subsidiaritätsprinzips gelten ferner nur für Bereiche, für die die Gemeinschaft nicht die ausschließliche Zuständigkeit besitzt. 137 So Pache in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 177, 183. Vgl. auch KOM (2003) 624 endg., S. 9. Das Subsidiaritätsprinzip ist folglich als Kompetenzausübungsregel ausgestaltet. Vgl. Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EGV Rn. 2; Epiney, Umweltrecht, S. 87. Ferner Walter, EuR 40 (2005), 302, 313; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 151; Dross, JEEPL 2005, 22, 23. 138 Vgl. Käller in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 175 EGV Rn. 36. 139 So auch die Begründung des Gemeinschaftsgesetzgebers hinsichtlich des Entwurfs der Klagerechtsrichtlinie, vgl. KOM (2003), 624 endg., S. 2 f. und 4 f. Vgl. ferner Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 132; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 299; Epiney, Umweltrecht, S. 92; Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 174 EGV Rn. 1; Käller in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 175 EGV Rn. 34; Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 159 f. Beispielsweise können Unternehmen, die in Mitgliedstaaten mit hohem Schutzniveau mit kostenintensiven Umweltausgaben belastet sind, Einsparungen erzielen, indem sie ihre Produktion in Mitgliedstaaten mit weniger strengen und weniger teuren Umweltschutzvorschriften verlegen. Diese Praxis des so genannten „Umweltdumpings“ kann den Binnenmarkt beeinträchtigen. Vgl. Calliess in: ders./Ruffert, EUV/EGV, Art. 174 EGV Rn. 1. Zu den wirtschaftlichen Problemen, die aus der Internationalität des Umweltschutzes resultieren, Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 6. 140 Vgl. Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150; Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 159 f. Ebenso Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 132; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 299. Siehe auch Erwägungsgrund 12 der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL. Allgemein für EG-Vorschriften zum Gerichtszugang ebenso Epiney, NVwZ 1999,

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besitzt die EG somit die Kompetenz zur Regelung des Gerichtszugangs in Umweltfragen durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL und die im Entwurf vorliegende Klagerechtsrichtlinie.141 3. Auslegung der Umsetzungsrichtlinien Zu prüfen ist, ob die Vorschriften der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte Vorgaben hinsichtlich der Behandlung von Verfahrensfehlern enthalten. Ebenso wenig wie in Art. 9 Abs. 2 AK finden sich in der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL oder im Klagerechtsrichtlinie-Entwurf ausdrückliche Bestimmungen zu Verfahrensfehlern, so dass den Gemeinschaftsrechtsakten solche Vorgaben lediglich durch Auslegung entnommen werden könnten. Da die EG als Völkerrechtssubjekt verpflichtet ist, ihre Befugnisse unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben, besteht dabei ein Gebot völkerrechtskonformer Auslegung des Gemeinschaftsrechts.142 Die Auslegung der Umsetzungsakte darf also den Verpflichtungen der Aarhus-Konvention nicht widersprechen. a) Umfang der Rügemöglichkeiten Zunächst ist – parallel zu Art. 9 Abs. 2 AK – zu untersuchen, welche Rügegegenstände die von der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL geschaffenen Klagemöglichkeiten umfassen.143 Dabei wird vertreten, aus systematischen Gründen sowie mangels einer Kompetenz der Gemeinschaft zur Regelung der Verbandsklage könnten die UVP-RL und die IVU-RL lediglich eine Klagemöglichkeit hinsichtlich der Verletzung von Beteiligungsrechten an umweltrechtlichen Verfahren gewähren.144 Die Beschränkung der Klage485, 493. Anderer Ansicht von Danwitz, DVBl 1998, 421, 430: Das Verwaltungsund das Gerichtsverfahrensrecht könne keine gemeinschaftsrechtlichen Regelungsbefugnisse kraft Marktrelevanz begründen. 141 So auch Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 132; Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 151; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 297. Allgemein eine EG-Kompetenz zur Regelung des Gerichtszugangs bejaht Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 159. Differenziert von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 277 f., der die gemeinschaftsrechtliche Kompetenz für die Umsetzungsvorschriften des Art. 9 Abs. 3 AK ablehnt. Gegen eine Kompetenz der EG Jeder, UTR 62 (2002), 145, 169. Weitergehend nehmen Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128, 132 f. an, dass auch die europäische Kompetenzkontrolle ausschließlich dem EuGH zusteht. 142 Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 93. 143 Siehe die parallele Diskussion bei Art. 9 Abs. 2 AK im 5. Kapitel unter II. 3. b) bb). 144 Vgl. dazu den Beschluss des Bundesrats in seiner Stellungnahme zur Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL, BRDrucks. 100/01, Beschluss des Bundesrats, S. 2 ff.

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rechte auf die Verletzung von Beteiligungsrechten soll dabei vor allem dazu dienen, das bestehende System des subjektiven Individualrechtsschutzes vor Veränderungen zu bewahren.145 Zur Begründung wird angeführt, dass die Umweltinformations-RL in Umsetzung des Art. 9 Abs. 1 AK systemkonform den Zugang zu Gerichten auch nur in Bezug auf Informationsrechte regle.146 Der Vergleich mit der Umweltinformations-RL greift als Argument aber deswegen nicht, weil diese der Umsetzung des Art. 9 Abs. 1 AK dient, der im Unterschied zu Art. 9 Abs. 2 AK die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung explizit nur bei einer Verletzung des Umweltinformationsanspruchs nach Art. 4 AK einräumt. Da Art. 9 Abs. 2 AK dagegen wie gezeigt die vollumfängliche Überprüfung aller verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Vorschriften gewährt, ist kein Grund ersichtlich, warum Art. 10a UVP-RL in Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK die gerichtliche Prüfung auf die Verletzung von Beteiligungsrechten begrenzen sollte.147 Parallel zu Art. 9 Abs. 2 AK legt der Verweis auf die Bestimmungen der Öffentlichkeitsbeteiligung vielmehr nur den Kreis der gerichtlich überprüfbaren Entscheidungen fest.148 Während die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL also lediglich Gerichtszugang für die unter die Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung fallenden Entscheidungen gewährt, eröffnet der Klagerechtsrichtlinie-Entwurf nach Art. 3, 4 und 5 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 f) im Sinne eines weiten Zugangs zu Gerichten für Umweltverbände und Individualkläger Zugang zu allen Verfahren in Umweltangelegenheiten.149 Voraussetzung für eine gerichtliche Überprüfung ist nach Art. 3 und 4 Abs. 1 Klagerechtsrichtlinie-Entwurf lediglich, dass der angefochtene Ver145 Vgl. BRDrucks. 100/01, Beschluss des Bundesrats, S. 2, 7 f. In diesem Sinn ist auch der Hinweis auf die in der Richtlinie formulierten Vorbehalte zugunsten des innerstaatlichen Rechts zu verstehen, ebd., S. 1 f.: „Der Bundesrat begrüßt es, dass zahlreiche Vorschriften des Richtlinienvorschlags unter dem ausdrücklichen Vorbehalt des innerstaatlichen Rechts stehen. Diese Einschränkungen wurden wörtlich aus der Aarhus-Konvention übernommen und sollen klarstellen, dass die innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsstruktur in Mitgliedstaaten, die – wie Deutschland – bereits umfassende Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung haben, unangetastet bleiben soll.“ 146 BRDrucks. 100/01, Beschluss des Bundesrats, S. 8. 147 Vgl. Bunge, ZUR 2004, 141, 143 f., der dies damit begründet, dass nach Art. 8 UVP-RL ebenso wie nach Art. 9 Abs. 2 i. V. m. Art. 6 Abs. 8 AK mit dem Begriff der zu überprüfenden Entscheidung die abschließende Behördenentscheidung gemeint sei. Demzufolge müsse gegen die gesamte Entscheidung und nicht nur gegen die Verletzung von Beteiligungsrechten Rechtsschutz gewährt werden. 148 So Durner, ZUR 2005, 285, 287; Bunge, ZUR 2004, 141, 144. 149 Vgl. Ekardt, NVwZ 2006, 55; Ekardt/Pöhlmann, EurUP 2004, 128; Pernice/ Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150 f.

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waltungsakt gegen eine Umweltrechtsvorschrift verstößt.150 Ist dies der Fall, fordert Art. 4 dann allerdings eine umfassende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Überprüfung.151 Zu prüfen ist, ob die verfahrensrechtliche Überprüfung auch eine regelmäßige Sanktionierung von Verfahrensfehlern verlangt. b) Auslegung der Gemeinschaftsrechtsakte Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL entsprechen bis auf kleine Abweichungen dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 AK, so dass die Überlegungen zur Auslegung des Art. 9 Abs. 2 AK bei deren Auslegung entsprechend gelten.152 Somit muss auch nach Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL der effektive Schutz berechtigter Interessen in der Regel zur Aufhebung der angegriffenen, rechtswidrigen Entscheidung führen.153 Schließlich ergibt sich aus Wortlaut und Ziel dieser Vorschriften, dass das Gemeinschaftsrecht auch die Möglichkeit eröffnen will, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.154 Auch der durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL geänderte Art. 6 Abs. 4 der UVP-RL räumt der betroffenen Öffentlichkeit das Recht ein, Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offen stehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird.155 Die darin zutage tretende zentrale Bedeu150 Dass die gerichtliche Kontrolle nach der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL und dem Klagerechtsrichtlinie-Entwurf sich auf die Überprüfung umweltrelevanter Entscheidungen beschränkt, ist angesichts der thematischen Begrenzung der AarhusKonvention auf umweltschützende Normen sowie der grundsätzlich begrenzten Kompetenz der EG plausibel. Vgl. Durner in: Durner/Walter, Spielräume, S. 64, 82 f.; Epiney, Umweltrecht, S. 203 f. Gegen eine Begrenzung der gerichtlichen Rüge- und Kontrollbefugnis auf umwelt- und naturschutzrechtliche Belange Schlacke, NuR 2004, 629, 632. 151 Vgl. Gellermann, NVwZ 2006, 7, 9; Bunge, ZUR 2004, 141, 144. 152 Ähnlich Ziekow, EurUP 2005, 154, 156. Siehe dazu im 5. Kapitel unter II. 3. 153 Vgl. Schink, EurUP 2003, 27, 36; Bunge, ZUR 2004, 141, 142. Letzterer weist allerdings darauf hin, dass bestimmte Fehler auch anders als durch Aufhebung der Entscheidung kompensiert werden können, zum Beispiel indem die Behörde zur Nachholung einer fehlenden oder fehlerhaften Verfahrenshandlung veranlasst wird. Aufgrund dessen wird eingewandt, dass das gerichtliche Überprüfungsverfahren nicht zwingend zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müsse, wenn durch die Nachholung der Verfahrenshandlung die Beachtung der Umweltrechtsvorschriften sichergestellt werden könne. So Ewer, NVwZ 2007, 267, 274 unter Hinweis auf das Wells-Urteil des EuGH, Rs. C-201/02, Slg. 2004 I-723, Rn. 62 ff., 65. In diesem Urteil bezeichnet der EuGH die Aussetzung einer erteilten Genehmigung zum Zwecke der Durchführung einer zuvor unterlassenen UVP als Maßnahme, die dem Unterlassen einer UVP abhelfen könne. 154 So Schlacke, NuR 2004, 629, 632; Bunge, ZUR 2004, 141, 142. 155 Ähnlich auch der geänderte Art. 15 Abs. 1 sowie Anhang V Nr. 3 der IVU-RL.

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tung der Einhaltung der Verfahrensvorschriften auch zum vorgesehenen, korrekten Verfahrenszeitpunkt schließt es aus, nachträglich darüber zu entscheiden, ob die Durchführung eines Verfahrensschrittes so unwesentlich war, dass der Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift als unbeachtlich qualifiziert werden kann. 4. Verpflichtungen aus den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakten Die gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte der Aarhus-Konvention, namentlich die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL und der KlagerechtsrichtlinieEntwurf, gehen somit ebenso wie die Aarhus-Konvention davon aus, dass regelmäßige Folge eines Verfahrensfehlers dessen Aufhebung ist. Zwar treffen die Richtlinien keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Behandlung von Verfahrensfehlern, so dass die durch Auslegung gewonnenen Argumente angreifbar bleiben. Gleichwohl ergibt sich aus dem expliziten Zusammenhang der Richtlinien mit den Vorgaben der Aarhus-Konvention, dass die geforderte verfahrensrechtliche Kontrolle umweltrechtlicher Vorschriften die Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen impliziert. Zudem spricht auch die in der Aarhus-Konvention und in den europäischen Umsetzungsvorschriften verwirklichte Konzeption von Verfahrensrechten als Rechte Einzelner gegen die Folgenlosigkeit von Verfahrensverstößen, denn wenn eine Verfahrensvorschrift der Einbeziehung von Interessen betroffener Personen dienen soll, muss ihre Verletzung grundsätzlich die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung nach sich ziehen können.156

III. Anpassungsdruck auf das deutsche Recht Das in der Behandlung von Verfahrensfehlern durch den EuGH und in den Vorschriften zur Umsetzung der Aarhus-Konvention zutage tretende Verfahrensverständnis des Gemeinschaftsrechts zeitigt Auswirkungen auf das deutsche Recht. 1. Gemeinschaftsrechtliches Verfahrensverständnis im Umweltrecht Das verfahrensorientierte Konzept des Gemeinschaftsrechts tritt insbesondere im europäischen Umweltrecht deutlich zutage, wo umweltrechtliche 156 Ähnlich Epiney/Sollberger, Zugang, S. 396, 398, 406; Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 61.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

Rechtsakte zur Bewältigung komplexer Entscheidungsstrukturen bei Planungs-, Risiko- und Vorsorgeentscheidungen sowie daraus resultierender Interessenkonflikte auf verfahrensrechtliche Instrumente zurückgreifen.157 Verfahrensinstrumente wie die Beteiligung einer informierten und mitwirkungsbereiten Öffentlichkeit158 sowie Vorklärungs- und Folgenprüfungsverfahren wie die UVP ermöglichen die vorbeugende Steuerung und Strukturierung riskanter Bereiche und können damit die Ungewissheit hinsichtlich umweltrechtlicher Risiken und die tatbestandliche Offenheit materieller Rechtsmaßstäbe im Umweltrecht rechtlich zu bewältigen helfen.159 Diese gegenwärtig stattfindende „Prozeduralisierung des Rechts“ im Gemein157 Vgl. Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 37. Siehe beispielhaft Art. 2 ff. UVP-RL, die präzise verfahrensrechtliche Vorgaben zur Ausgestaltung der UVP festsetzen. Vorgaben zur Information der Öffentlichkeit enthalten auch der geänderte Art. 6 Abs. 2 und 3 UVP-RL sowie der geänderte Art. 15 IVU-RL. Art. 3 der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL führt ferner die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Vorbereitung und Ausarbeitung von Plänen und Programmen ein. Zur gemeinschaftsrechtlichen Bedeutung des Verfahrens zur Sicherung materieller Gerechtigkeit siehe auch Schoch in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 282, 284; P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn. 27; Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134 f.; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287; Battis, Allg. Verwaltungsrecht, S. 48 f.; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 309 ff.; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 365 ff.; Hufen, JuS 1999, 313, 320. 158 Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein Grundkonzept des europäischen Umweltrechts. Weitere zentrale Grundsätze des europäischen Umweltrechts sind das in der IVU-RL verwirklichte Prinzip des integrierten Umweltschutzes sowie das Konzept der – mit wirtschaftlichen Anreizen verbundenen – Verfahrensprivatisierung, welches beispielhaft in der Umweltaudit-VO sowie darüber hinaus in der UVP-RL und der SUP-RL sowie der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL verwirklicht wird. Vor allem die zunehmende Verlagerung der Lösung von Umweltproblemen in den Handlungs- und Verantwortungsbereich privater Akteure bedingt den Einsatz von Steuerungsinstrumenten, die im Vergleich zu herkömmlichen regulativen Instrumenten flexibler wirken und gesellschaftliche Kräfte mit einbeziehen. Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 1, 3 f.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 145; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 9 Rn. 2. Zum Zugang zu Umweltinformationen ferner Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 38 ff. 159 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 2, unter Hinweis auf die Umweltgutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen 2000 (Tz. 65 ff.) und 1998 (Tz. 234 ff., 266 ff., 370 ff., 844 ff.), in denen die Bedeutung prozeduraler Steuerung betont wird. Der damit verbundene Gedanke, dass die Stärkung von Verfahrensrechten des Einzelnen auch der Verbesserung des materiellen Umweltschutzes dient, findet sich ausdrücklich in den Begründungserwägungen weiterer Umweltrechtsakte. Vgl. Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 168; ders., Rechte des Einzelnen, S. 191, unter Hinweis auf die vierte Begründungserwägung der Umweltinformations-RL. Ferner konkretisieren Verfahrensinstrumente wie die UVP auch den umweltrechtlichen Vorsorgegrundsatz. Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 5; Schmidt-Aßmann/Ladenbur-

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schaftsrecht wird durch den stetigen Ausbau partizipativer und verfahrensrechtlicher Instrumente des Umweltschutzes weiter vorangetrieben.160 2. Stellenwert des Verfahrens im Vergleich zum deutschen Recht Der deutliche Gegensatz zwischen dem verfahrensrechtlichen Denken des Gemeinschaftsrechts und der Unterordnung des Verfahrensrechts unter das Ziel der materiell-rechtlich einzig richtigen Entscheidung im deutschen Recht161 ist strukturell in den jeweiligen Rechtstraditionen verankert: Während die Vorherrschaft des materiellen Rechts auf deutscher Seite mit der traditionell ordnungsrechtlich begründeten Kontrollverantwortung der Behörden, einer konditionalen Normstruktur sowie der damit einhergehenden vollständigen Rechtsanwendungskontrolle erklärt werden kann, liegt die gemeinschaftsrechtliche Dominanz verfahrensrechtlicher Anforderungen in der finalen Normstruktur des Gemeinschaftsrechts mit reduzierter materieller Steuerung begründet.162 Das zeigt sich auch im Postulat des medienübergreifenden, integrierten und daher abwägungsoffenen Umweltschutzes und der Bevorzugung von Umweltqualitätszielen gegenüber den harten Technikstandards des deutschen Rechts auf europäischer Ebene.163 Dazu passt, dass das funktionale europäische Rechtsschutzmodell im Gegensatz zum strikt auf die Verletzung subjektiver Rechte begrenzten deutschen Individualrechtsschutzmodell den Bürger eher im Interesse der Programmverwirkger, ebd., § 18 Rn. 2, 32 f. Vgl. ferner Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 37. 160 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 2; Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67, 122. Ferner Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 10; Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 168. Auch der EGMR weist in seiner neueren Rechtsprechung der verfahrensrechtlichen Komponente für den effektiven Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatund Familienlebens aus Art. 8 EMRK vor schwerwiegenden Umweltbeeinträchtigungen eine bedeutende Rolle zu. Siehe EGMR, Urteil vom 19.02.1998, Beschwerde-Nr. 14967/89, EuGRZ 1999, 188, 191 (Guerra u. a./Italien). 161 Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 210; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287. Nicht geklärt ist, ob es sich bei dieser Gegensätzlichkeit um eine strukturelle Divergenz (Begriff und Darstellung bei Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 19 f. mit weiteren Nachweisen) oder um eine punktuelle Divergenz in Einzelfallregelungen (so Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 362) handelt. 162 Vgl. Breuer in: Erbguth, Europäisierung, S. 87, 104. Vgl. dazu auch die bei Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 283 f. aufgeführten Merkmale des deutschen traditionell-rechtsstaatlichen Verfahrensverständnisses. 163 Vgl. Breuer in: Erbguth, Europäisierung, S. 87, 104; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 283 f.

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lichung mobilisieren will.164 Die von der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL und dem Klagerechtsrichtlinie-Entwurf eingeforderte Kontrolle des Verfahrensrechts betont die europäische Vorstellung eines Bürgers, der durch die Nutzung der ihm eingeräumten Verfahrens- und Klagerechte den korrekten Vollzug des gemeinschaftlichen Umweltrechts überwacht. Das im deutschen Recht immer wieder vorgebrachte Argument, gerade der Respekt vor der mühevollen Arbeit der Verwaltung gebiete den Erhalt komplexer, aufwändiger Entscheidungen und spreche somit für eine eingeschränkte Aufhebbarkeit verfahrensfehlerhafter Entscheidungen,165 ist den Gemeinschaftsgerichten fremd. Indem der EuGH die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung als deren reguläre Konsequenz betrachtet und Verfahrensverstößen nur im Ausnahmefall jeglichen Einfluss auf das Verfahrensergebnis abspricht, betont das Gericht die grundsätzliche Bedeutung der korrekten Durchführung des Verfahrens für die Entwicklung der Entscheidung.166 Somit stärken die Gemeinschaftsgerichte gerade durch die strenge Kontrolle und Sanktionierung des Verfahrensrechts die Bedeutung und den Eigenwert des Verwaltungsverfahrens.167 Anhand der Verfahrensfehlerlehre lässt sich also eindrücklich die unterschiedliche Auffassung von Bedeutung und Funktion des Verfahrens im europäischen und im deutschen Recht belegen.168 3. Verstößt § 46 VwVfG gegen den Effektivitätsgrundsatz? Bevor die Arbeit sich an späterer Stelle der Frage zuwendet, ob § 4 UmwRG eine adäquate Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben leisten kann, muss zunächst ermittelt werden, in welchem konkreten Verhältnis § 46 VwVfG zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts steht. Aufgrund der gezeigten Divergenzen zwischen Ge164

Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 283 f.; Breuer in: Erbguth, Europäisierung, S. 87, 104. Programmatisch der Titel der Studie von Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts – Europäische Impulse für eine Revision der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht, 1997. 165 Vgl. Hien, NVwZ 1997, 422, 424. 166 Vgl. Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134 f. Kritisch Kloepfer, NVwZ 2002, 645, 652. 167 So Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287; Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 134 f. 168 Ebenso Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 20; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287, 1290; ders. in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 362. Kritisch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 287, der die Vergleichbarkeit der Rechtsprechung des EuGH mit der Auslegung des § 46 VwVfG bezweifelt.

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meinschaftsrecht und deutschem Recht bei der Behandlung von Verfahrensfehlern ist fraglich, ob § 46 VwVfG gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspricht.169 Allein die Feststellung, das Gemeinschaftsrecht messe dem Verfahrensrecht eine größere Bedeutung zu als das innerstaatliche Recht, führt allerdings noch nicht zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 46 VwVfG, da die Bedeutung des Verfahrensrechts im systematischen Zusammenhang der jeweiligen Rechtsordnung festgestellt werden muss.170 a) Der Effektivitätsgrundsatz Die Unbeachtlichkeit von Verstößen gegen gemeinschaftsrechtlich begründete Verfahrensrechte könnte aber gegen den so genannten Effektivitätsgrundsatz171 verstoßen.172 Aufgrund der Bedeutung umweltrechtlicher Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts173 ist diese Frage insbesondere im Umweltrecht problematisch.174 Der Effektivitätsgrundsatz ergibt sich aus Art. 10 EG. Danach dürfen die Verfahrensregeln des nationalen Rechts die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.175 Der Effektivitätsgrundsatz begrenzt damit den Grundsatz der mit169 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 79; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 374; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 276. 170 So Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 277. 171 So die Bezeichnung in EuGH Rs. C-343/96, Slg. 1999 I-579, Rn. 25 (Dilexport). Siehe auch Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 79. Der Effektivitätsgrundsatz wird auch als Grundsatz der einheitlichen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts oder als Effizienzgebot bezeichnet, vgl. Hobe, Europarecht, Rn. 359; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 279. 172 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 79; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 279; Rengeling/Gellermann, UTR 36 (1996), 1, 29 f. mit weiteren Nachweisen. 173 Siehe dazu in diesem Abschnitt 1. und 2. Zur europarechtlich fundierten Relevanz immissionsschutzrechtlicher Verfahrensvorschriften ferner OVG Koblenz NuR 2005, 474, 476. 174 Vgl. dazu Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 26 ff.; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1291; Hufen, Fehler, Rn. 628; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 79; Rengeling/Gellermann, UTR 36 (1996), 1, 29 mit weiteren Nachweisen; Gellermann, DÖV 1996, 433, 441; Hien, NVwZ 1997, 422. Ferner BVerwG NVwZ 1996, 788. Im Hinblick auf die UVP so auch Ronellenfitsch in: Rengeling, Beschleunigung, S. 51, 65 f. Ausführlich Schoch in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279 ff., 287 ff., 309 ff. 175 Vgl. Streinz in: ders., EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 26; Hobe, Europarecht, Rn. 359. Bedeutendster praktischer Anwendungsfall ist die Rückforderung von gegen Art. 87, 88 EG verstoßenden europarechtswidrigen Beihilfen entgegen dem Vertrauensschutzgebot des § 48 VwVfG. Vgl. dazu EuGH Rs. 94/87, Slg. 1989 S. 175,

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

gliedstaatlichen Verfahrensautonomie insofern, als die Anwendung des nationalen Rechts die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigen darf.176 Ob dies der Fall ist, muss unter Berücksichtigung der Stellung einer Verfahrensvorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens geprüft werden.177 Da für die Effektivität des nationalen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Kontrolle von Verfahrensfehlern die Frage entscheidend ist, inwieweit Verfahrensfehler zur Aufhebung einer Entscheidung führen können, unterliegt auch die Verfahrensfehlerlehre den Vorgaben des Effektivitätsgrundsatzes.178

Rn. 6 ff. (Kommission/Deutschland – Alcan I); EuGH Rs. C-5/89, Slg. 1990 I-3437, Rn. 12, 19 (Kommission/Deutschland – BUG-Alutechnik); EuGH Rs. C-24/95, Slg. 1997 I-1591, Rn. 27 ff. (Kommission/Deutschland – Alcan II). Dazu Alber in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 445, 462 f. Diese Rechtsprechung wurde anerkannt durch BVerwGE 106, 328 ff. Dörr in: Sodan/Ziekow, VwGO, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 237, betrachtet auch die Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit einer unterlassenen oder fehlerhaften UVP als Anwendungsfall des Grundsatzes, dass gemeinschaftsrechtliche Verfahrensrechte nicht generell sanktionslos bleiben dürften. Dazu ferner Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 26 ff. Allerdings ist grundsätzlich problematisch, dass der Gehalt des Begriffs der praktischen Unmöglichkeit noch nicht endgültig geklärt ist. Vgl. Rengeling/Gellermann, UTR 36 (1996), 1, 29 f.; Gellermann, DÖV 1996, 433, 442. 176 EuGH verb. Rs. 205-215/82, Slg. 1983 S. 2633, Rn. 22 (Deutsche Milchkontor). Vgl. Epiney, Umweltrecht, S. 155; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 308. Neben dem Effektivitätsgrundsatz beschränkt auch der so genannte Äquivalenzgrundsatz den Grundsatz der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie. Vgl. zu all dem Streinz in: ders., EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 25; ders., Europarecht, Rn. 551 ff.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 10, 14; Schroeder, AöR 129 (2004), 3, 23 f.; Scheuing in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 289, 307; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 285; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 89 f.; Pache in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 177, 192; von Danwitz, DVBl 1998, 421, 422. Umfangreiche Rechtsprechungsnachweise bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 278 in Fn. 225. In erster Linie sichern der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts (Vgl. EuGH Rs. C-6/64, Slg. 1964 S. 585, Costa/ENEL) und die Pflicht zur europarechtskonformen Auslegung die einheitliche Wirkung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten. Vgl. Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67, 114; Sparwasser/ Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 138 ff. 177 EuGH Rs. C-312/93, Slg. 1995 I-4615, Rn. 14 (Peterbroek). Nach Bülow, Relativierung, S. 424, kommt es somit wesentlich auf die Funktion der beanstandeten Verfahrensvorschrift im Gefüge der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung an (Hervorhebung im Original). 178 So Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 435.

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b) Anwendung des § 46 VwVfG auf originär gemeinschaftsrechtliche Verfahrensrechte? Zunächst ist festzustellen, dass die Regelung des § 46 VwVfG nicht grundsätzlich gemeinschaftsrechtswidrig sein kann, da wie gezeigt auch das Gemeinschaftsrecht sowie andere mitgliedstaatliche Rechtsordnungen die Frage nach der Kausalität eines Verfahrensfehlers kennen.179 Allerdings kann das bloße Vorliegen einer dem § 46 VwVfG entsprechenden Regelung oder Rechtsprechungspraxis auf Gemeinschaftsebene die Norm noch nicht rechtfertigen, da die unterschiedlichen Zielsetzungen des Gemeinschaftsrechts und des innerstaatlichen Rechts durchaus eine unterschiedliche Behandlung von Verfahrensfehlern verlangen könnten, zum Beispiel weil die Sicherung eines gemeinschaftsweit einheitlichen Vollzugs im Bereich des innerstaatlichen Vollzugs eine striktere Sanktionierung von Verfahrensfehlern erfordert.180 Zumindest dürfte die Verwendung des Kausalitätskriteriums in der Rechtsprechung des EuGH aber als Indiz dahingehend anzuerkennen sein, dass § 46 VwVfG nicht grundsätzlich gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.181 Allerdings dürfen nationale Verfahrensregelungen aber auch nicht dazu führen, dass Verstöße gegen gemeinschaftsrechtliche Verfahrensrechte innerstaatlich generell nicht sanktionierbar sind.182 § 46 VwVfG könnte daher deswegen gegen den gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz verstoßen, weil die Norm den Rechtsschutz gegen belastende Rechtsakte zur Ausführung von Gemeinschaftsrecht zu weit einschränkt.183 Auch der Rechtsschutz dient der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts.184 Da dem Bürger zu diesem Zweck großzügig individuelle Rechte gewährt werden,185 postuliert der EuGH einen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass bestehende subjektive Rechte auch ge179

Vgl. Rengeling/Gellermann, UTR 36 (1996), 1, 29 f.; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 80; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 705. 180 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 280. 181 So Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 281, 288. 182 Vgl. Dörr in: Sodan/Ziekow, VwGO, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 237; Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 435. 183 So auch Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1044. 184 Vgl. Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 702. Zur effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts („effet utile“) durch Gerichte ausführlich Tonne, Effektiver Rechtsschutz durch staatliche Gerichte als Forderung des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1997. Ausprägungen des effet utile sind wiederum der Effektivitäts- und der Äquivalenzgrundsatz. Vgl. Dörr in: Sodan/Ziekow, VwGO, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 226 f. 185 Daher übernimmt der Bürger gemeinschaftsrechtlich eine Doppelfunktion als Wahrer seiner eigenen Rechte und der Interessen des Allgemeinwohls. Vgl. EuGH

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

richtlich durchsetzbar sein müssen.186 Dies gilt auch für Verfahrensrechte.187 Enthält das Gemeinschaftsrecht eine selbstständige Verfahrensposition, muss der vom Betroffenen gegen ihre Verletzung eingelegte Rechtsbehelf auch zur Aufhebung der Entscheidung führen können.188 Die gerichtliche Durchsetzung von Verfahrensrechten und demzufolge die Effektivität des Rechtsschutzes sind allerdings bei fehlender Sanktionierung von Verfahrensverstößen wesentlich erschwert.189 Aus diesem Grund sind nationale Regelungen, die einen Rechtsverstoß sofort für unbeachtlich erklären, europarechtlich bedenklich. Schließlich vermindert die Unbeachtlichkeit des Rechtsverstoßes den aus der Verfahrensvorschrift resultierenden Sanktionsdruck, auf den die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts für ihre erfolgreiche Wirkung auf nationaler Ebene dringend angewiesen sind.190 Dies führt zu einer erheblichen Schwächung der Wirksamkeit gemeinschaftsrechtlicher Regelungen.191 § 46 VwVfG unterscheidet nicht danach, ob eine Verfahrensvorschrift des nationalen Rechts durch Gemeinschaftsrecht veranlasst war oder nicht. Dass demzufolge auch die Verletzung gemeinschaftsrechtlich vorgegebener Verfahrensvorschriften keine Auswirkung auf den Bestand der fehlerhaften Entscheidung hat, führt zur „[. . .] systematischen Sanktionslosigkeit [. . .]“ zentraler Verfahrensnormen des Gemeinschaftsrechts.192 Daher verstößt § 46 VwVfG insoweit gegen den Effektivitätsgrundsatz, als er Verletzungen innerstaatlicher Verfahrensrechte, die auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zurückgehen, für unbeachtlich erklärt.193 Rs. 26/62, Slg. 1963 S. 1, 26 (van Gend & Loos); Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 45 f. Dazu auch Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 26 ff., 60 ff. 186 EuGH Rs. 222/84, Slg. 1986 S. 1651, Rn. 17 ff. (Johnston); Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1043. Der EuGH begründet diesen Rechtsgrundsatz mit nationalen Verfassungstraditionen sowie mit Art. 6 und 13 EMRK. Kritik an dieser Argumentation bei Classen, Europäisierung, S. 33. 187 Vgl. Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1044. 188 Vgl. Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 435. 189 Vgl. dazu Dörr in: Sodan/Ziekow, VwGO, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 236. 190 So Kment, EuR 41 (2006), 201, 204, 235. Ähnlich auch Wahl, DVBl 2003, 1285, 1291. 191 Vgl. Wahl, DVBl 2003, 1285, 1291. 192 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 80; diesen folgend Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 374; ders., DVBl 2003, 1285, 1291. Ähnlich Gellermann, DÖV 1996, 433, 441. Anders Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 279, der hervorhebt, dass die Regelung des § 46 VwVfG keine völlige Sanktionslosigkeit des Verfahrensfehlers bewirke, da der verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakt rechtswidrig und subjektiv rechtsverletzend bleibe. 193 Ebenso Roßnagel in: Koch/Scheuing/Pache, GK-BImSchG, § 10 Rn. 581. Einschränkend Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 297: Zumindest die Anwendung

III. Anpassungsdruck auf das deutsche Recht

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c) Der Fall der unterlassenen oder fehlerhaften UVP Da die Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG über den Wortlaut des § 46 VwVfG noch hinausgeht, könnte insbesondere auch die Rechtsprechung zu den Fällen der fehlerhaften oder unterlassenen UVP gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz verstoßen. Die Anwendung des Kausalitätskriteriums auf die UVP macht diese für die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern weitgehend bedeutungslos, so dass die mangelnde Sanktionierung eines Verstoßes gegen UVP-Vorschriften die Durchsetzung von aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben eingeräumten Rechtspositionen beeinträchtigt.194 Denn die bei der Kausalitätsrechtsprechung vom Gericht nachträglich angestellte Überlegung, ob die fehlende UVP abwägungserheblich war oder nicht, kann die vom Gemeinschaftsrecht geforderte frühzeitige, vor Genehmigungserteilung anzustellende Ermittlung aller abwägungserheblichen Belange195 nicht ersetzen. Indem die Kausalitätsrechtsprechung das Fehlen dieser frühzeitigen Prüfung für unbeachtlich erklärt, nimmt sie dem Verfahrensfehler seine Sanktionsbewehrtheit und verhindert damit die effektive Durchsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Ziels einer vor Genehmigungserteilung durchgeführten UVP. Der Sinn einer frühzeitigen Prüfung wird zunichte gemacht, wenn die Gerichte im Nachhinein entscheiden können, ob die frühzeitige Prüfung überhaupt für das Entscheidungsergebnis relevant gewesen sein kann. Damit wird die europarechtlich geforderte Wirksamkeit der UVP-Vorschriften196 nicht nur unerheblich beeinträchtigt.197 des § 46 VwVfG auf Ermessensentscheidungen sei mit der Garantie gemeinschaftsrechtlich begründeter Verfahrensrechte nicht zu vereinbaren, da der EuGH gerade bei bestehenden Entscheidungsspielräumen verfahrensfehlerhafte Entscheidungen in der Regel aufhebt. Vgl. nur EuGH Rs. C-269/90, Slg. 1991 I-5469, 5500 ff. (HZA München/TU München). Für Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Effektivitätsgrundsatz dagegen Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 288; Siems, NuR 2006, 359, 362; Gellermann, DÖV 1996, 433, 443. 194 So Erbguth, NuR 1997, 261, 264 ff., 266; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 374 f.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 288; Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 437. Vgl. ferner Dörr in: Sodan/Ziekow, VwGO, Eur. Verwaltungsrechtsschutz Rn. 237; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 26 ff. Weitere Kritik an der Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit von Verstößen gegen die UVP-Pflicht auch bei Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 81 f.; Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 300. Das BVerwG hält dagegen die Kausalitätsrechtsprechung für vereinbar mit dem Effektivitätsgrundsatz, vgl. BVerwGE 100, 238, 253. 195 Vgl. Art. 2 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 1 und 6 der UVP-RL. 196 Vgl. das Sechste Umweltaktionsprogramm der EG, Art. 3 Abs. 3 Spiegelstrich 6. 197 So auch Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 27 f.; Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 711; Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 437. Anderer Ansicht das

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

Der Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz könnte sich ferner aus der eingeschränkten Einklagbarkeit von Verstößen gegen UVP-Vorschriften für Drittbetroffene ergeben.198 Diese resultiert nicht nur aus dem begrenzten Gerichtszugang für Drittkläger, sondern auch aus der Schwierigkeit, den hypothetischen Nachweis einer konkret möglichen anderen Entscheidung zu erbringen.199 Wegen der Kombination der erwähnten Hindernisse ist die von der UVP-RL eingeräumte Rechtsstellung in Deutschland kaum zu verwirklichen.200 Immerhin hat das BVerwG bisher noch keine Entscheidung aufgrund einer unterbliebenen oder fehlerhaften UVP aufgehoben, was nicht nur dem gemeinschaftsrechtlichen Telos der UVP widerspricht, sondern auch eine deutliche Abwertung des europäischen Verfahrensgedankens im Umweltrecht darstellt.201 Somit verstößt die Rechtsprechung zur fehlerhaften oder unterlassenen UVP gegen den Effektivitätsgrundsatz.202 Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die intensivere materielle Kontrolle im deutschen Verwaltungsprozess die fehlende Verfahrenskontrolle kompensiert, so dass insgesamt ein angemessen hohes Niveau gerichtlicher Kontrolle zur Durchsetzung des europäischen Rechts gewährleistet wird.203 Da die Kontrolldichte nicht uneingeschränkt maximiert werden kann, ohne die Handlungsfähigkeit der Verwaltung zu gefährden,204 kann schließlich auch die Frage nach einer ausreichenden Kontrolldichte nur in der Gesamtschau von materieller und Verfahrenskontrolle und nur unter Berücksichtigung des komplementären Zusammenhangs zwischen diesen Bereichen beBVerwG, das seine Rechtsprechungspraxis zur unterlassenen UVP für vereinbar mit dem Effektivitätsgrundsatz hält. Vgl. BVerwGE 130, 83, 98. 198 Vgl. dazu Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 106 f.; Erbguth, NuR 1997, 261, 266. 199 Vgl. dazu die ausführliche Kritik bei Erbguth, NuR 1997, 261, 266. 200 Erbguth, NuR 1997, 261, 266. 201 Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 150; Erbguth, NuR 1997, 261, 266; ders., UPR 2003, 321, 324 f. 202 So auch Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 266; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 288. Ähnlich Pietzcker in: FS Maurer, S. 695, 710 f.; Erbguth, NuR 1997, 261, 264 ff., insbesondere 266; ders., NuR 2003, 321, 325; Barth/Demmke/ Ludwig, NuR 2001, 133, 135; Schink, NuR 1998, 173, 174. Hinsichtlich der bisher nicht drittschützenden Wirkung europäischer Verfahrensrechtsvorschriften ebenso OVG Koblenz NuR 2005, 474, 476 f. Noch nicht endgültig geklärt bei Scheuing, NVwZ 1999, 475, 480. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität wird im Ergebnis abgelehnt von Gellermann, DÖV 1996, 433, 443; Siems, NuR 2006, 359, 362. 203 Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287; ders. in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 363. 204 Ein striktes Fehlerfolgenregime und eine dichte materielle Kontrolle sind daher nicht kombinierbar. So auch Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; Sparwasser in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 1017, 1032, 1048; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1288; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 301.

III. Anpassungsdruck auf das deutsche Recht

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antwortet werden. Eine solche Gesamtbetrachtung hätte auch den Vorteil, dass sich damit die Entscheidung darüber erübrigt, ob Verfahren oder Ergebnis größeres Gewicht besitzen.205 Allerdings kann bei verfahrensrechtlichen Instrumenten wie der UVP der Gedanke des Ausgleichs zwischen materieller und Verfahrenskontrolle nicht greifen.206 Da insbesondere die Rechtsprechung in Deutschland einen rein verfahrensrechtlichen Charakter der UVP annimmt, kann bei der Kontrolle der UVP die fehlende Verfahrenskontrolle nicht mit einer verstärkten materiellen Kontrolle ausgeglichen werden. Damit weist die gerichtliche Verwaltungskontrolle in Deutschland ein Kontrolldefizit auf, das gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt. d) Folgen Allerdings muss genau unterschieden werden, ob die Norm selbst oder lediglich ihre extensive Auslegung durch die Rechtsprechung gemeinschaftsrechtswidrig ist.207 Da die Rechtsprechung des BVerwG zur unterlassenen UVP bei Planfeststellungsbeschlüssen keine authentische Auslegung des § 46 VwVfG darstellt, wird teilweise angenommen, dass die Kausalitätsrechtsprechung zwar nicht mit der Auslegung des Kausalitätserfordernisses durch den EuGH zu vereinbaren ist, aber daraus noch keine Aussage hinsichtlich der Gemeinschaftsrechtskonformität des § 46 VwVfG selbst resultiert.208 Es wurde aber bereits gezeigt, dass auch die Vorschrift selbst insoweit gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt, als sie die Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich fundierter Verfahrensrechte erschwert oder vereitelt. Damit genügt es nicht, den Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz lediglich durch eine Rechtsprechungsänderung zu beheben. Grundsätzlich ist im Fall eines Verstoßes gegen den Effektivitätsgrundsatz zunächst eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der entsprechenden Norm gefordert, ehe die Pflicht zur Verwerfung gemeinschaftsrechtswidriger Vorschriften die Anwendbarkeit der Norm ausschließt.209 Die partielle Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 46 VwVfG kann daher durch eine einschränkende 205

So Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287. Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287; ders. in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 363. 207 Nach Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 276, dürften Fälle der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nationaler Regelungen äußerst selten sein. 208 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 288. 209 Vgl. Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 14; Dörr/Lenz, Eur. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 420. Der generelle Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts macht die entgegenstehende Norm des innerstaatlichen Rechts nicht nichtig, sondern verdrängt diese. Vgl. Pernice/Mayer in: Grabitz/Hilf, Art. 220 EGV Rn. 29. 206

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung vermieden werden.210 Danach muss die Verletzung von aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben erlassenen Verfahrensvorschriften, die sonst nach § 46 VwVfG unbeachtlich wäre, unabhängig von einem Einfluss des Fehlers auf die Entscheidung in der Sache stets zur Aufhebung der Entscheidung führen.211 Eine vertretbare Lösung hierfür ist, Verletzungen dieser gemeinschaftsrechtlich fundierten Verfahrensvorschriften als absolute Verfahrensfehler zu betrachten mit der Folge, dass § 46 VwVfG auf diese Verfahrensfehler nicht anwendbar ist.212 Im Hinblick auf die vollständig fehlende UVP oder die fehlende Vorprüfung des Einzelfalls wählt § 4 UmwRG diesen Weg.213 Dabei bleibt aber noch zu klären, ob die Norm den Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz vollständig beheben kann, da sie lediglich für die gänzlich unterlassene UVP sowie die unterlassene Vorprüfung im Einzelfall den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs ausschließt. Verstöße gegen weitere gemeinschaftsrechtlich fundierte Verfahrensrechte des Umweltrechts wie die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des UVP-Verfahrens bleiben daher weiterhin ohne Sanktion. Die gemeinschaftsrechtskonforme Behandlung von Verfahrensfehlern im deutschen Recht könnte daher noch weiter gehende Ausnahmen von § 46 VwVfG oder sogar eine Änderung der Vorschrift selbst erfordern.214 210 Vgl. Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 67; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 13; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 327 ff.; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 367 f.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 25; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1291. Anderer Ansicht Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 177 ff., 187. Für Vereinbarkeit mit dem Effektivitätsgrundsatz auch Gellermann, DÖV 1996, 433, 443; Ronellenfitsch in: Rengeling, Beschleunigung, S. 51, 66. 211 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5a; Epiney/Sollberger, Zugang, S. 406; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 285 ff., 288. Dieser betrachtet die absoluten Verfahrensrechte als den § 46 VwVfG verdrängende Spezialregelungen des vom EuGH geprüften Wesentlichkeitskriteriums. Weitere Beispiele solcher absoluter Verfahrensvorschriften seien die Verfahrensanforderungen des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfenrechts, insbesondere Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG. 212 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 20; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 157. Anderer Ansicht die so genannte Autonomiethese, u. a. Papier, DVBl 1993, 809, 814: § 46 VwVfG gehe europäischen Richtlinien vor. Ablehnend hinsichtlich der Vorschriften der UVP auch Schmidt-Preuß, DVBl 1995, 485, 494. Als Argument ist anzuführen, dass auch die Rechtsprechung des EuGH die den absoluten Verfahrensfehlern des deutschen Rechts vergleichbare Fallgruppe wesentlicher Verfahrensfehler bei Verstößen gegen Verfahrensvorschriften kennt, die gerade zum Schutz des Betroffenen ergangen sind. Vgl. Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 103; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 285. 213 Es wird angenommen, die fehlende UVP gelte nun nach § 4 UmwRG als absoluter Verfahrensfehler. Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 95; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264.

III. Anpassungsdruck auf das deutsche Recht

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4. Konsequenzen für das deutsche Recht Unabhängig davon, ob auch die Anwendung des § 46 VwVfG auf originär innerstaatliches Verfahrensrecht gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt, entfalten die gezeigten Divergenzen zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Recht Anpassungsdruck auf das innerstaatliche Recht.215 Im Umweltrecht drängen die in Richtlinien und Verordnungen normierten Verfahrensinstrumente auf eine Veränderung des Verfahrenskonzepts im deutschen Verwaltungsrecht.216 Infolgedessen wird die grundsätzliche Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht nach der Kausalitätsrechtsprechung und nach § 46 VwVfG vom europäischen Gemeinschaftsrecht infrage gestellt.217 Im Hinblick auf Verfahrensvorschriften, die auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zurückzuführen sind, ist überdies ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz anzunehmen. Diese Analyse behält trotz der neuen Regelung des § 4 UmwRG ihre Gültigkeit, da die Vorschrift sich darauf beschränkt, abweichend von § 46 VwVfG die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern lediglich in zwei eng umgrenzten Einzelfällen anzuordnen. Zu untersuchen ist im Folgenden daher, welche Konsequenzen die beschriebenen Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts im deutschen Recht zeitigen. Dabei ist zum einen zu bedenken, wie die konkreten Verpflichtungen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere nach den Richtlinien zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, im deutschen Recht umgesetzt werden kön214 So Schlacke, NuR 2007, 8, 15. Diese folgert aus der Wells-Entscheidung des EuGH (Rs. C-201/02, Slg. 2004 I-723), dass im Falle einer fehlenden UVP lediglich die Nachholung der UVP diesem Verfahrensmangel abhelfen könne. 215 Ebenso Epiney/Sollberger, Zugang, S. 18. Ähnlich Classen, Europäisierung, S. 2. 216 Vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 6 Rn. 143 f.; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 74. Die geforderte Stärkung des Verfahrensrechts geht dabei auch vom gemeinschaftsrechtlichen Konzept des integrierten Umweltschutzes aus, das allerdings bisher im deutschen Recht nur ungenügend umgesetzt wurde. Vgl. Schmidt-Preuß, JZ 2000, 581, 588; Schmidt-Aßmann/Ladenburger in: Rengeling, EUDUR, § 18 Rn. 32; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 437 ff. Die Forderung nach integrierten, vollständig koordinierten Genehmigungsverfahren im Umweltrecht ist in Art. 7 IVU-RL verankert. 217 Die Unvereinbarkeit der Kausalitätsrechtsprechung mit Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL nehmen an Epiney/Sollberger, Zugang, S. 396; Gellermann, NVwZ 2006, 7, 12; Schlacke, NuR 2004, 629, 632 f.; Schink, EurUP 2003, 27, 36; Louis, NuR 2004, 287, 290. Für Unanwendbarkeit von § 44a VwGO und § 46 VwVfG im von der Aarhus-Konvention umfassten Bereich des Umweltrechts Schlacke, NuR 2004, 629, 632. Kritisch zu den Kriterien, anhand derer die Vereinbarkeit des nationalen Verfahrensrechts mit Gemeinschaftsrecht beurteilt werden soll, Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 277 f.

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6. Kap.: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts

nen. Zum anderen ist das grundsätzliche Problem zu lösen, auf welchen Wegen den Rezeptionsanforderungen des Gemeinschaftsrechts generell Genüge geleistet werden kann. Insbesondere wird geprüft, wie die notwendige Reduzierung der umfänglichen materiellen Kontrolle im deutschen Recht zugunsten einer verstärkten Verfahrenskontrolle mit einer strengeren Sanktionierung von Verfahrensfehlern rechtlich vollzogen werden kann.218 Dabei sind auch die dogmatischen Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die durch die Anwendung des § 46 VwVfG und die Übertragung der Kausalitätsrechtsprechung auf Verfahrensfehler im Umweltrecht bereits unabhängig von den Anforderungen des Völker- und Gemeinschaftsrechts verursacht werden.

218 Siehe Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 311 f. Ähnlich Durner in: Durner/Walter, Spielräume, S. 64, 76.

7. Kapitel

Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern Es ist fraglich, ob § 4 UmwRG zur Umsetzung der Aarhus-Konvention und ihrer gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften ausreicht und zu einer systematischen Fortentwicklung der Verfahrensfehlerlehre im deutschen Recht beiträgt. Zur Beantwortung dieser Frage muss allerdings vorab geklärt werden, wie eine Verfahrensfehlerlehre im Umweltrecht aussehen muss, die in der Lage ist, sowohl die systematischen Brüche und Inkongruenzen des innerstaatlichen Rechts als auch die Anforderungen des Art. 9 Abs. 2 AK und seiner gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte zu verarbeiten und die den gegenwärtigen dogmatischen Schwierigkeiten bei der Behandlung von Verfahrensfehlern in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren gerecht zu werden vermag.

I. Anpassung an die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK und der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsrichtlinien Die Auswirkungen der von Art. 9 Abs. 2 AK und vom Gemeinschaftsrecht geforderten umweltrechtlichen Verfahrenskontrolle auf das deutsche Recht sind immer noch weitgehend ungeklärt.1 Die Anpassung der Verfahrensfehlerlehre an die völker- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfordert aber jedenfalls eine Einschränkung der bisherigen weitgehenden Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht.2 Schließlich wäre es widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber die Verletzung jener Verfahrensrechte in weitem Umfang sanktionslos stellen könnte, zu deren Einräumung ihn die Aarhus-Konvention gerade verpflichtet hat.3 Die Auswir1

Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265; ähnlich Ekardt, NuR 2006, 221. Für eine weitgehende Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern Ekardt, NuR 2006, 221, 228. Vgl. ferner ders., NVwZ 2006, 55; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58; Schlacke, NuR 2004, 629, 632. 3 Prägnant bereits Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 51: „Wenig überzeugend ist jedenfalls eine Gesetzgebung, die erst einmal Rechte einräumt, dann das Verfahren mitunter diffizil ausgestaltet und am Ende – so, als sei alles gar nicht so ernst gemeint gewesen – Verfahrensfehler sanktionslos stellt.“ Ebenso Breuer, Dis2

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7. Kap.: Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern

kungen der Aarhus-Konvention können auch nicht unter Hinweis auf die Umsetzungsspielräume des innerstaatlichen Gesetzgebers mit der Begründung beschränkt werden, die Überprüfung der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit und die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern schlössen sich nicht aus.4 Schließlich wurde gezeigt, dass die Aarhus-Konvention in Art. 9 Abs. 2 AK mit dem Begriff der verfahrensrechtlichen Überprüfung die Sanktionierung von Verfahrensfehlern meint und somit von der grundsätzlichen Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Umweltbereich ausgeht.5 Die weitreichende Anwendung des § 46 VwVfG und der Kausalitätsrechtsprechung auf umweltrechtliche Sachverhalte ist mit Art. 9 Abs. 2 AK daher nicht vereinbar.6 Zudem widerspricht die Norm auch den Vorgaben der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakte, namentlich Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL.7 Verfahrensfehler müssen im Umweltrecht folglich in der Regel zur Aufhebung der Entscheidung führen.8 kussionsbeitrag, VVDStRL 41 (1983), 281; Schenke, VBlBW 1982, 313, 325; Bülow, Relativierung, S. 425; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 768. 4 So aber Walter in: Durner/Walter, Spielräume, S. 7, 38, 64, 68. Ähnlich auch Ewer, NVwZ 2007, 267, 274: die gerichtliche Verfahrenskontrolle müsse nicht zwingend zur Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung führen, wenn dem Verfahrensfehler beispielsweise durch die Nachholung der fehlerhaften Verfahrenshandlung abgeholfen werden könne. 5 Ebenso Ekardt, NuR 2006, 221, 228. 6 Vgl. Bunge, ZUR 2004, 141, 146; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Ekardt, NVwZ 2006, 55; ders., NuR 2006, 221, 228; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58; Schlacke, NuR 2004, 629, 632; dies., ZUR 2004, 129. Im Hinblick auf § 44a VwGO ebenso Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 2. Die vollständige Aufgabe der Kausalitätsrechtsprechung fordert Schink, EurUP 2003, 27, 36. Einschränkend wurde bereits vor Erlass des § 4 UmwRG eingeräumt, zumindest in den Fällen der unterlassenen oder fehlerhaften UVP müsse die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung erreicht werden können. Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 379; Hufen, Fehler, Rn. 7 f.; Prelle, Umsetzung der UVP-RL, S. 286; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 48; Feldmann in: Rengeling, EUDUR, § 34 Rn. 165; Bunge, ZUR 2004, 141, 144. Für die weitere Anwendung der Kausalitätsrechtsprechung auf die UVP dagegen Hien, NVwZ 1997, 422, 424; Siems, NuR 2006, 359, 362. Siems gesteht allerdings zu, dass im Fall einer gänzlich unterlassenen UVP die Möglichkeit eines abweichenden Abwägungsergebnisses nicht schlechthin von der Hand zu weisen sei und daher der Begründungsaufwand des Klägers für den Nachweis der konkreten Möglichkeit einer anderen Entscheidung geringer sein dürfte. 7 Bunge, ZUR 2004, 141, 146; Schlacke, NuR 2004, 629, 632. Anderer Ansicht Gellermann, NVwZ 2006, 7, 12; Siems, NuR 2006, 359, 362. 8 So Ziekow, NVwZ 2005, 263, 265; Schlacke, NuR 2004, 629, 632; Louis, NuR 2004, 287, 290. Dies bestätigt ferner ein Urteil des OVG Münster vom 27.10.2005, Aktenzeichen 11 A 1751/04, abgedruckt in NuR 2006, 320. Darin betonte das Gericht, dass es lediglich aufgrund der noch fehlenden Umsetzung des Art. 10a UVP-RL noch keine Veranlassung sehe, die Rechtsprechung des BVerwG zu Verfahrensfehlern bei der UVP infrage zu stellen. Eine unmittelbare Wirkung der Richt-

I. Anpassung an die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK

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Aus prozessualer Perspektive ist infolgedessen auch die im deutschen Recht gängige Auffassung, ein Verfahrensfehler könne im gerichtlichen Verfahren nur dann zur Aufhebung führen, wenn er zugleich materielles Recht verletze, nicht mit den Vorgaben der Aarhus-Konvention vereinbar.9 Eine lediglich auf die Verletzung umweltrechtlicher Verfahrensvorschriften gestützte Klage muss vielmehr zulässig sein und unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung in der Sache Erfolg haben können, also zumindest zur gerichtlichen Feststellung einer Verletzung der Verfahrensregelungen, wenn nicht sogar zur Aufhebung der Entscheidung führen können.10 Daher muss auch die Geltung des § 44a VwGO im Bereich umweltrechtlicher Entscheidungen eingeschränkt werden.11 Soll die Verpflichtung der Aarhus-Konvention zur Rechtsschutzeröffnung gegen Verfahrensverstöße greifen, darf der Zugang zu Gericht künftig nicht mehr mit dem Hinweis auf die fehlende Durchsetzbarkeit umweltrechtlicher Verfahrenspositionen verweigert werden.12 Die Umsetzung dieser Vorgaben in das deutsche Recht begegnet allerdings Schwierigkeiten.

linienbestimmung lehnte das Gericht zu diesem Zeitpunkt mangels Bestimmtheit ab, da dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung wie die Abschaffung des § 44a VwGO und des § 46 VwVfG zustünden. Vgl. OVG Münster NuR 2006, 320, 322. Ferner auch OVG Koblenz NuR 2005, 474, 476 f. Zur drittschützenden Wirkung von UVP-Vorschriften nach Erlass des UmwRG Kment, NVwZ 2007, 274, 278 f. Kritisch Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628. 9 Vgl. Louis, NuR 2004, 287, 290; Bunge, ZUR 2004, 141, 144; Lecheler, GewArch 51 (2005), 305, 310. Zweifel an der Rechtsprechung des BVerwG äußert im Hinblick auf drittschützende Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts schon OVG Münster, NuR 2006, 320, 322. Bereits Rupp in: FS Bachof, S. 151, 154, bezeichnet die andere Entscheidung in der Sache als conditio sine qua non für die Beachtlichkeit formeller Rügen und damit zugleich als Grund für ihre Unbeachtlichkeit. 10 Vgl. Schink, EurUP 2003, 27, 36; Bunge, ZUR 2004, 141, 144; Schlacke, NuR 2004, 629, 632. Vgl. dazu die Formulierung in Stec/Casey-Lefkowitz/Jendroska, Implementation Guide, S. 128. Ferner auch OVG Münster in NuR 2006, 320, 322. 11 Vgl. Schlacke, NuR 2004, 629, 632; Schink, EurUP 2003, 27, 36; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266. Es wird sogar vorgeschlagen, die in § 4 UmwRG normierte Ausnahmeregelung zu § 46 VwVfG dadurch zu ersetzen, dass abweichend von § 44a VwGO im Umweltrecht isolierte Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen zugelassen werden. Vgl. Alleweldt, DÖV 2006, 621, 629; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 265 f. Neben der Änderung des § 44a VwGO wird auch eine Modifikation der Klagebefugnis dahingehend für erforderlich gehalten, dass auch Verfahrensrechte in den Kreis subjektiver Rechtspositionen aufgenommen werden, zum Beispiel indem sie als absolute Verfahrensrechte qualifiziert werden. Vgl. Bunge, ZUR 2004, 141, 145. 12 Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266 f. So aber BVerwG NVwZ 1996, 381, 387. Kritisch Heitsch, NuR 1996, 453, 455 f. Zu den Voraussetzungen der isolierten Einklagbarkeit von Verfahrensrechten Bunge, ZUR 2004, 141, 145.

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7. Kap.: Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern

II. Möglichkeiten der Rezeption des Gemeinschaftsrechts Problematisch ist dabei im Hinblick auf die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zunächst die prinzipielle Frage, wie das deutsche Recht den Rezeptionsanforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprechen kann, ohne die Aufgabe einer systematisch stimmigen und anpassungsfähigen Fortentwicklung des innerstaatlichen verwaltungsrechtlichen Rechtssystems zu vernachlässigen.13 Bevor mögliche Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Weiterentwicklung der Verfahrensfehlerlehre entworfen werden können, muss daher vorab untersucht werden, welche Möglichkeiten der Rezeption europäischen Rechts grundsätzlich in Betracht zu ziehen sind. 1. Keine vollständige Übernahme des gemeinschaftsrechtlichen Systems Eine kritiklose Übernahme des gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensverständnisses in das deutsche Recht14 ist dabei jedenfalls abzulehnen. Eine schematische Vereinheitlichung der Rechtsordnungen bedeutete einen deutlichen Bruch mit der deutschen Rechtstradition und dem deutschen Rechtsdenken, der nicht nur infolge des Anpassungsbedarfs bei einer Vielzahl von Gesetzen und Rechtsgrundsätzen unübersehbare Folgewirkungen zeitigte, sondern auch die erhaltenswerte Pluralität der Entwicklungskräfte und -ansätze aufgäbe.15 2. Keine Beschränkung der Reformen auf gemeinschaftsrechtlich geregelte Rechtsbereiche Umgekehrt besteht aufgrund der zunächst auf gemeinschaftsrechtlich determinierte Sachverhalte beschränkten Notwendigkeit rechtlicher Harmonisierung die Möglichkeit einer lediglich punktuellen Umsetzung gemeinschaftsrechtlich geforderter Veränderungen.16 So wird angenommen, der Klagerechtsrichtlinie-Entwurf verlange zwingend lediglich die gerichtliche 13 Zu verschiedenen Rezeptionsmodellen von Danwitz, Verwaltungsrechtl. System, S. 394 ff. 14 Vgl. dazu Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 376. 15 Vgl. die Bedenken bei Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 42; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1291. 16 Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 365; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 34. Kritisch Wahl in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 237, 251.

II. Möglichkeiten der Rezeption des Gemeinschaftsrechts

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Überprüfung von auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zurückzuführenden Umweltrechtsvorschriften, da Art. 2 Nr. 1 g) Klagerechtsrichtlinie-Entwurf zum Begriff des Umweltrechts nur Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zähle.17 Ebenso verfolge die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL nur den Zweck, gemeinschaftsrechtlich fundierten Verfahrensregelungen zur Durchsetzung zu verhelfen, da die ersten beiden Begründungserwägungen lediglich auf gemeinschaftsrechtliche Umweltvorschriften Bezug nähmen.18 Dagegen ist einzuwenden, dass Art. 9 Abs. 3 AK, dessen Umsetzung der Klagerechtsrichtlinie-Entwurf dienen soll, die betroffene Öffentlichkeit ausdrücklich zur Anfechtung einer Entscheidung berechtigt, die gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verstößt. Eine Unterscheidung zwischen rein innerstaatlichen und gemeinschaftsrechtlich begründeten Umweltvorschriften ist von der Aarhus-Konvention schon deswegen nicht beabsichtigt, weil nicht alle Vertragsstaaten der Aarhus-Konvention zugleich Mitgliedstaaten der EG sind, und würde daher dem Zweck des Übereinkommens widersprechen, einen möglichst weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Folgerichtig enthalten auch weder Art. 10a UVP-RL noch Art. 15a IVU-RL einen Hinweis auf eine solche Unterscheidung. Vielmehr behält Art. 2 Abs. 2 Klagerechtsrichtlinie-Entwurf es den Mitgliedstaaten vor, in die Definition des Umweltrechts nach Art. 2 Nr. 1 g) auch ausschließlich innerstaatliche Umweltrechtsvorschriften einzubeziehen. Schließlich werden die umweltrechtlichen Entscheidungen, für die der Zugang zu Gerichten eröffnet sein soll, auch durch Vorgaben des 17 So die Argumentation bei Epiney, Umweltrecht, S. 203, die diese Formulierung aber für sprachlich verunglückt hält. Ebenso Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 175 EGV Rn. 133; von Danwitz, NVwZ 2004, 272, 276. Kritik dieser inhaltlichen Begrenzung bei Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150. Dagegen auch Ziehm, JEEPL 2005, 287, 299. Ursprünglich sah der Klagerechtsrichtlinie-Entwurf auch die gerichtliche Überprüfung rein nationalen Umweltrechts vor. Diese Konzeption wurde aber aufgrund der Einwände der Mitgliedstaaten wieder aufgegeben. Vgl. Dross, ZUR 2004, 152, 153 f. In diesem Zusammenhang wird auch angeführt, dass die EG zum Erlass von Gerichtszugangsregelungen zur Durchsetzung rein nationalen Umweltrechts nicht befugt sei. So Epiney, Umweltrecht, S. 203; Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 175 EGV Rn. 133; Gellermann, NVwZ 2006, 7, 9. Ebenso der Beschluss des Bundesrats zur Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL, BRDrucks. 100/01, Beschluss des Bundesrats, S. 2. Anderer Ansicht Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150 f. Siehe dazu im 6. Kapitel unter II. 2. 18 Gellermann, NVwZ 2006, 7, 9, 12. Dieser hält aber innerstaatliche Rechtsvorschriften für zulässig, die der Durchführung und Verwirklichung gemeinschaftsrechtlichen Richtlinienrechts dienen. Somit wäre eine Klage zur Durchsetzung der Beteiligungsrechte nach dem BNatSchG unzulässig, da diese als „Eigenschöpfung des nationalen Rechts“ nicht vom europäischen Ziel motiviert sind, umweltrechtlichen Verfahrensbestimmungen zur Durchsetzung zu verhelfen. Dagegen wäre eine Klage zur Durchsetzung der Beteiligungsrechte des UVPG zulässig, weil das UVPG der Verwirklichung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinienbestimmungen dient.

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7. Kap.: Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern

innerstaatlichen Rechts bestimmt und ausgestaltet. Ebenso bezieht sich die gemeinschaftsrechtliche Zielvorgabe des Art. 174 EG, die gesamte Umwelt zu schützen, nicht nur auf die durch gemeinschaftsrechtliche Sekundärrechtsakte erfassten Umweltaspekte.19 Die aus einer solch punktuellen Umsetzung folgende Aufspaltung des nationalen Verwaltungsrechts in zwei parallele innerstaatliche Rechtsbereiche von originär innerstaatlichem und gemeinschaftsrechtliche Vorgaben umsetzendem Recht20 gefährdet zudem Stimmigkeit und Transparenz der nationalen Rechtsordnung.21 Da die Vielzahl gemeinschaftsrechtlich vorgegebener Regelungen im Umweltbereich und ihre fortschreitende Verzahnung mit bestehendem deutschen Recht eine Differenzierung zwischen rein innerstaatlichem und auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zurückgehendem Verfahrensrecht immer weniger zulässt, wird die Unterscheidung dieser Rechtsbereiche mit der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts zunehmend willkürlich und praktisch kaum noch möglich.22 Die damit verbundenen Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung im Hinblick sowohl auf Verständnis und Akzeptanz rechtlicher Entscheidungen als auch auf deren Kontrolle stellen erhebliche Hindernisse für eine effektive Rechtsdurchsetzung dar.23 Überdies lassen sich die vom Gemeinschaftsrecht zu erwartenden Veränderungen der deutschen Rechtsordnung aufgrund so genannter spill overEffekte nicht auf den direkten Einwirkungsbereich des Gemeinschaftsrechts begrenzen.24 Eine dessen ungeachtet verfolgte Strategie punktueller Mini19

So Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150 f.; Ziehm, JEEPL 2005, 287, 299. Vgl. Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 376 f.; ders., DVBl 2003, 1285, 1291. 21 Vgl. Ziekow, NVwZ 2007, 259, 266. Beispielsweise ist aus Sicht des Klägers kaum vermittelbar, weshalb von den eine umweltrechtliche Entscheidung ausgestaltenden Verfahrensvorschriften eine den Zugang zu Gericht eröffnet und eine andere nicht. Siehe auch Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 368: unerwünschte, weil nicht einleuchtende unterschiedliche rechtliche Behandlung rein innerstaatlicher Sachverhalte und solcher mit gemeinschaftsrechtlichem Bezug. Diese könnte nach den Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG allerdings gerechtfertigt sein. 22 Vgl. Pernice/Rodenhoff, ZUR 2004, 149, 150; Barth/Demmke/Ludwig, NuR 2001, 133, 135. Die weitgehende normative Verkoppelung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht als Netzwerk gegenseitiger Wirkungen und Einflussnahmen konstatiert Schoch, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 135, 136. 23 Vgl. Schlacke, NuR 2004, 629, 634; Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 365. 24 Begriff bei Ehlers, DVBl 2004, 1441, 1451; Badura, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 53 (1994), 244 („Overspill-Effekt“). Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 34, erklärt den Begriff spill over-Effekt als „produktive Modell- und Prägewirkungen in das sonstige Verwaltungsrecht hinein“. Vgl. dazu Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 10, 37; Schoch, ebd., S. 279, 315; Hoffmann20

II. Möglichkeiten der Rezeption des Gemeinschaftsrechts

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malumsetzungen nähme dem deutschen Recht die Chance einer systematischen, die Geschlossenheit des deutschen Rechts bewahrenden Weiterentwicklung.25 Aus diesen Gründen ist die Beschränkung der zur Umsetzung der Aarhus-Konvention vom Gemeinschaftsrecht geforderten Reformen auf Rechtsbereiche europäischen Ursprungs abzulehnen.26 3. Anpassung innerhalb einer Zone rechtlicher Konvergenz Insbesondere in Bezug auf die Divergenz zwischen dem ergebnisorientierten deutschen und dem prozeduralen gemeinschaftsrechtlichen Ansatz kann aber auch auf den Gedanken abgestellt werden, dass beide Rechtsordnungen die rechtliche Steuerung des Verwaltungshandelns trotz der konzeptionellen Unterschiede letztlich auf sich entsprechendem Niveau vornehmen, da das Verfahrensdefizit im deutschen Recht durch einen Überschuss an materieller Kontrolle ausgeglichen wird.27 Eine solche Gesamtbetrachtung von materiellem Recht und Verfahrensrecht trägt der Tatsache Rechnung, dass sowohl das europäische als auch das nationale Recht die rechtmäßige Gestaltung der Lebenswirklichkeit durch rechtsstaatliche Akte gewährleisten, indem sie in unterschiedlicher Intensität ein angemessen hohes Niveau an Verfahrensvorschriften, die Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Sanktionierung rechtswidrigen Handelns garantieren.28 Infolgedessen wären Verfahren und Entscheidung nicht länger als getrennte Prozesse, sondern als einheitliches Ganzes zu betrachten.29 Dies ist insoweit richtig, als rechtliche Verfahren einen wesentlichen Bestandteil rechtlicher Entscheidungen bilden und vom materiellen Teil der Entscheidung nicht strikt getrennt werden können. Soweit daraus allerdings der Schluss gezogen werden soll, Modifizierungen des deutschen VerfahRiem, ebd., S. 317, 365; Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357. Vgl. ferner EuGH Rs C-213/89, Slg. 1990 I-2433, Rn. 18 ff. (Factortame). 25 Vgl. Wahl in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 237, 251. 26 Ebenso Schlacke, NuR 2004, 629, 633 f. 27 Vgl. Wahl in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 237, 251 f.; ders., DVBl 2003, 1285, 1287; ferner Kment, EuR 41 (2006), 201, 210. Wahl betont in DVBl 2003, 1285, 1291, dass Umsetzungsmethoden, die einen Abbau der Divergenzen zwischen deutschem und europäischem Recht fördern wollen, nicht nur das positive Recht, sondern auch die Hintergründe von Rechtsverständnis und Rechtstradition berücksichtigen müssen. 28 Vgl. Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287. 29 Für eine solche Gesamtbetrachtung von Verfahrensrecht und materiellem Recht Wahl, DVBl 2003, 1285, 1287; Kment, EuR 40 (2006), 201, 210. Mit anderer Begründung geht auch Pöcker, DÖV 2003, 980 ff., 987, davon aus, dass Verfahrensrecht und materielles Recht sich im Bereich des Planungsrechts nicht länger kategorial voneinander trennen lassen.

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7. Kap.: Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern

rensrechts seien im Grunde nicht notwendig, greift dieser Ansatz zu kurz. Gerade die weitgehende Verzahnung von Verfahrensrecht und materiellem Recht im Umweltrecht aufgrund der verfahrensrechtlichen Instrumente des Gemeinschaftsrechts macht es notwendig, auch die nicht direkt vom Gemeinschaftsrecht infrage gestellten Grundstrukturen des innerstaatlichen Rechts so zu konzipieren, dass sie für die weiteren Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts anschlussfähig bleiben.30 Von Bedeutung für die systematisch schlüssige Verarbeitung der gemeinschaftsrechtlichen Einwirkungen im Bereich der Verfahrensfehlerlehre ist dabei die Überlegung, dass die unterschiedlichen Fehlerfolgenregime im deutschen Recht und im Gemeinschaftsrecht trotz der dahinter stehenden divergierenden Verfahrenskonzepte letztlich keine systematisch unvereinbaren Rechtskonzepte, sondern graduell unterschiedliche Ausprägungen des in beiden Rechtsordnungen angestrebten Ausgleichs zwischen gerichtlicher Kontrolle und Bestandserhalt einer Entscheidung sind.31 Dieser Ausgleich würde bei einer unterschiedslosen Beachtlichkeit aller Verfahrensfehler unmöglich, so dass eine gewisse Relativierung oder interne Abstufung bei der Behandlung von Verfahrensfehlern unvermeidlich ist.32 Daher ist nach einer Zone rechtlicher Konvergenz33 zu suchen, in der eine Anpassung des deutschen Rechts an die verfahrensrechtliche Ausrichtung des Gemeinschaftsrechts bei gleichzeitiger Respektierung bestehender unterschiedlicher Ausprägungen möglich ist. Eine solche Konvergenz scheint aufgrund der auch 30

Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317,

366. 31 Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 377 f. Dieser weist darauf hin, der Blick auf § 46 VwVfG in seiner vor den Änderungen der Beschleunigungsgesetzgebung geltenden Fassung sowie auf die Behandlung von Verfahrensfehlern vor der Kodifikation des VwVfG zeige, dass die Behandlung von Verfahrensfehlern erst in jüngster Zeit so vehement gegen den europäischen Trend erfolgte. Ebenso Bülow, Relativierung, S. 418. In DVBl 2003, 1285, 1292, führt Wahl diese bewusste Änderung gegen das Gemeinschaftsrecht auch als Argument dafür an, dass die Norm gegen neuerliche Änderungen nicht gefeit sei, denn „wer, wie die damalige Novellierungsgesetzgebung, sich sehenden Auges gegen das europäische Recht stellt, verdient kein besonderes Mitleid, wenn sich herausstellen sollte, dass diese Änderung möglicherweise gegen das europäische Recht verstößt“. Vgl. auch Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 366 ff. 32 Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 377; ders., DVBl 2003, 1285, 1292; Bülow, Relativierung, S. 404. Dies belegt die Tatsache, dass wie gezeigt den meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen der Gedanke der Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers nicht fremd ist, sofern sich der Fehler nicht auf das Ergebnis ausgewirkt haben kann. 33 Ausarbeitung dieses Gedankens bei Wahl, DVBl 2003, 1285, 1291, 1293. Eine Konvergenz der Rechtsordnungen auf der Ebene der Kontrolldichte beobachten Epiney/Sollberger, Zugang, S. 303, 305. Für die Verfahrensfehlerlehre ebenso Bülow, Relativierung, S. 425.

III. Bedenken gegen § 46 VwVfG im deutschen Recht

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vorhandenen Parallelen zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Recht in der Behandlung von Verfahrensfehlern durchaus vorstellbar.34 Sind auch in dieser gemeinschaftsrechtlichen Konvergenzzone weiterhin unterschiedliche Wege vertretbar, wird hinsichtlich der Behandlung von Verfahrensfehlern gleichwohl die gemeinsame Grundposition eher in einer gegenüber dem gegenwärtigen deutschen Recht stärkeren Bedeutung von Verfahrensfehlern zu finden sein.35

III. Bedenken gegen § 46 VwVfG im deutschen Recht Diese Anpassung der Verfahrensfehlerlehre an die grundsätzliche Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht wird ferner insofern nicht länger zu vermeiden sein, als § 46 VwVfG auch in seiner Rezeption im deutschen Recht seit langem erheblichen Vorbehalten begegnet. Wie gezeigt betreffen grundlegende Bedenken die mit der weitgehenden Sanktionslosigkeit von Verfahrensfehlern einhergehende Entwertung des Verfahrensrechts, die dessen Ordnungs- und Schutzfunktion unterläuft.36 Gegen diese Kritik wird vorgebracht, der unbestrittene eigenständige Zweck von Verfahrensvorschriften verlange zur Sanktionierung nicht notwendig die Aufhebung der Entscheidung, da dies zwar eine besonders effektive, aber 34 35

Siehe dazu im 6. Kapitel unter III. 2. Wahl, DVBl 2003, 1285, 1293; vgl. ferner Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40,

43. 36 Siehe dazu bereits im 3. Kapitel unter III. Vgl. ferner Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 63; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 6 f.; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 8; Bull/Mehde, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 774; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 42; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 5 ff.; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 768; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 170; Bonk, NVwZ 1997, 320, 326, 330; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 107; Sodan, DVBl 1999, 729, 737 f. Ferner Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 266: Da ein subjektives Verfahrensrecht auch die Rechtsmacht erfordert, dieses subjektive Interesse durchzusetzen, könnte das Fehlen von Verfahrensfehlerfolgen eine verdeckte Beseitigung des subjektiven Verfahrensrechts darstellen. Bedenken auch bei Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 40; Bedenken gegenüber § 46 VwVfG a. F. schon bei Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 36, 45; Rupp in: FS Bachof, S. 151 ff., insbesondere S. 159: § 46 VwVfG nehme dem gesamten Verwaltungsverfahrensgesetz seine Relevanz. Für Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift dagegen unter anderem Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 3; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 43; Ronellenfitsch, NVwZ 1999, 583, 586 f.; Erbguth, Deregulierung, S. 83; Bonk, NVwZ 1997, 320, 326; hinsichtlich § 46 VwVfG a. F. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 19; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 45; Grimm, NVwZ 1985, 865, 871. Für Verfassungsmäßigkeit bei verfassungskonformer Auslegung Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Schenke, DÖV 1986, 305, 316.

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7. Kap.: Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern

nicht die einzige verfassungsrechtlich mögliche Sanktion sei.37 Da zum einen kein genereller Ausschluss des Aufhebungsanspruchs angeordnet werde und zum anderen der verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakt weiterhin rechtswidrig bleibe, werde der Verfahrensverstoß von § 46 VwVfG auch nicht negiert.38 Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann allerdings ohne den Aufhebungsanspruch kaum als Sanktionierung eines Verfahrensfehlers bezeichnet werden, da weitere mögliche Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts wie die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit sowie daraus entstehende Ersatzansprüche das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen nicht in gleich effektiver Weise verwirklichen wie der Aufhebungsanspruch.39 Damit ist keine Sanktion ersichtlich, die die Durchsetzung eines Verfahrensrechts ebenso durchgreifend sichert wie der Aufhebungsanspruch. Das Argument, die Sanktionierung sei nicht völlig ausgeschlossen, geht überdies insofern an der Wirklichkeit vorbei, als § 46 VwVfG faktisch die Ahndung von Verfahrensrechtsverstößen weitgehend einschränkt.40 Auch das BVerwG hat in einer Entscheidung zur Verletzung des naturschutzrechtlichen Beteiligungsrechts angeführt, das den anerkannten Naturschutzverbänden zur Geltendmachung ihres Beteiligungsrechts zustehende Recht zur Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses würde entwertet, wenn ein Verstoß gegen das Beteiligungsrecht gemäß § 46 VwVfG sanktionslos bleiben könnte.41 Damit bestätigt das BVerwG, dass § 46 VwVfG oder dessen 37 So Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 267, 271, 273. Eine weitere mögliche Sanktion sei die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch das Gericht. Auch Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5, weist darauf hin, dass die Aufhebung nicht die zwangsläufig notwendige Folge der Rechtswidrigkeit sei. Ähnlich Schenke, DÖV 1986, 305, 312 f., der die Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit Art. 19 Abs. 4 GG damit begründet, dass die Norm nicht jeden gerichtlichen Rechtsschutz ausschließe. Vgl. ferner Bonk, NVwZ 1997, 320, 325. 38 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 267, 269, 271. Ähnlich Bonk, NVwZ 1997, 320, 326. Baumeister wendet sich des Weiteren gegen die Annahme, § 46 VwVfG könnte die Behörde zu einem laxeren Umgang mit Verfahrensvorschriften verleiten. Dies sei deswegen nicht der Fall, da es der Behörde im Vorhinein gar nicht möglich sei zu beurteilen, ob ein Verfahrensverstoß auch zu einem Ausschluss des Aufhebungsanspruches führe, so dass die Behörde stets das Risiko der Aufhebungspflicht des verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakts trage. Ebd., S. 271 f. 39 Vgl. Bergner, Grundrechtsschutz, S. 161: rechtliche Sanktionierung von Verfahrensfehlern könne nur dort wirksam werden, wo den Gerichten die Möglichkeit zur Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen zusteht. 40 Ungenau Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 250, der beanstandet, wegen der hohen Anforderungen der Rechtsprechung führten Verfahrensfehler in den seltensten Fällen zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Richtiger dürfte sein, dass Verfahrensfehler selten zur Aufhebung der Entscheidung führen, da auch ein verfahrensfehlerhafter Verwaltungsakt stets rechtswidrig ist.

III. Bedenken gegen § 46 VwVfG im deutschen Recht

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Auslegung durch das Gericht eine Sanktionslosigkeit von Verfahrensverstößen zur Folge hat, die im Hinblick auf die Kontrolle von Verfahrensrecht zu einer Beeinträchtigung der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG führt.42 Des Weiteren wird gegen § 46 VwVfG angeführt, die im Rahmen des § 46 VwVfG vorgenommene – hypothetische – Rekonstruktion des behördlichen Entscheidungsprozesses unterminiere die Bedeutung des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens für die Entwicklung und die Richtigkeit der Entscheidung.43 Diese weder aus der Kontrollperspektive der Verwaltungsgerichte noch aus der Sicht der erstentscheidenden Verwaltung zu rechtfertigende Ersetzung des Verwaltungsverfahrens durch die verwaltungsgerichtlichen Kontrollverfahren ist der wesentliche Grund für die im Verlauf der Untersuchung entwickelte Annahme, dass die aus der uneingeschränkten Anwendung des Kausalitätskriteriums resultierende Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern mit der spezifischen offenen Verfahrenssituation in den komplexen, multipolaren Entscheidungen des Umweltrechts, die umfangreiche Ermittlungen, Wertungen und Abwägungen seitens der Behörde erfordern, nicht vereinbar ist. Diese Problematik stellt sich zum einen bei Ermessensentscheidungen, da die spezifische Struktur des Ermessens gerade eine Beeinflussung des Entscheidungsverlaufs durch Verfahrensregelungen erfordert. Zum anderen ist fraglich, ob die Anwendung des § 46 VwVfG auf unbestimmte Rechtsbegriffe gerechtfertigt ist, da auch unbestimmte Rechtsbegriffe behördliche Wertungen und Beurteilungen erfordern, die ihre vollumfängliche gerichtliche Überprüfung als kaum durchführbar erscheinen lassen. Diese Fragestellungen stellen keine lediglich praktischen Probleme der Anwendung des § 46 VwVfG dar, sondern werfen grundlegende Fragen nach dem Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit auf, die eine Neuausrichtung der verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskontrolle im Umweltrecht notwendig machen.44

41 BVerwGE 105, 348, 354. Die Entscheidung betraf die Frage, ob eine Verletzung des naturschutzrechtlichen Beteiligungsrechts nach § 29 BNatSchG als absoluter Verfahrensfehler zur Aufhebung der Entscheidung führt. Zur Begründung führte das BVerwG aus, dass der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an Naturschutz und Landschaftspflege durch das Verfahrensrecht subjektiviert habe, so dass dem Beteiligungsrecht nun als „qualifiziertes Anhörungsrecht“ eigenständiges Gewicht und absoluter Charakter zukomme. Vgl. BVerwGE 105, 348, 354. 42 Ebenso Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 366. Dieser kritisiert, diese Argumentation müsste bei den Gerichten Zweifel an ihrer Auslegung wecken, da es nicht Absicht des Gesetzgebers war, Verfahrensvorschriften sanktionslos zu stellen. 43 Siehe dazu bereits im 3. Kapitel unter II. 2. und III. 44 So das Ergebnis im 4. Kapitel unter III.

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7. Kap.: Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern

IV. Vorgaben für eine Verfahrensfehlerlehre im Umweltrecht Im Ergebnis gebieten sowohl die Aarhus-Konvention und das Gemeinschaftsrecht als auch die weitgehende Verfahrensabhängigkeit umweltrechtlicher Entscheidungen die grundsätzliche Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht. Bei der Frage, wie diese Beachtlichkeit rechtlich erreicht werden kann, sind verschiedene Vorgaben zu berücksichtigen, die sowohl aus der Aarhus-Konvention und den entsprechenden Richtlinien des Gemeinschaftsrechts als auch aus der Dogmatik des deutschen Verwaltungsrechts selbst resultieren. Inhaltlich muss gewährleistet werden, dass Verfahrensfehler in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren in der Regel zur Aufhebung der Entscheidung führen. Dabei sollte aufgrund der Schwierigkeiten beim hypothetischen Nachvollzug verfahrensfehlerhafter Entscheidungen seitens der Verwaltungsgerichte auf die Anwendung des Kausalitätskriteriums verzichtet werden. Sinnvoll wäre vielmehr der Rückgriff auf ein Tatbestandsmerkmal oder ein Auslegungskriterium, das – anders als das Kausalitätskriterium – eine Vermutung für die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers ausdrückt. Dabei beschränken sich die gegenwärtigen Anforderungen zunächst auf den Bereich des Umweltrechts, so dass eine generelle Modifikation oder gar Abschaffung des § 46 VwVfG nicht notwendig ist.45 Innerhalb des Umweltrechts müssen sich die Veränderungen allerdings auf alle umweltrechtlichen Verfahrensrechte erstrecken. Aufgrund der angestrebten Konvergenz zwischen Gemeinschaftsrecht und dem deutschem Verwaltungs- und Umweltrecht sollten die anstehenden Veränderungen ferner so ausgestaltet sein, dass sie eine gemeinschaftsrechtsfreundliche Weiterentwicklung des umweltrechtlichen Verfahrensrechts gewährleisten, ohne dabei die Rechtstraditionen des deutschen Rechts zu missachten. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, nicht nur punktuelle Änderungen, sondern systematisch sinnvolle und flexible Modifikationen vorzunehmen, die gegebenenfalls eine Verallgemeinerung und Systembildung erlauben. Aufgrund der mit der Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern einhergehenden reduzierten Kontrolldichte ist zudem eine gesetzliche Regelung zu empfehlen, die auch von den Ver45 Die Möglichkeit bereichsspezifischer Besonderheiten in der Verfahrensfehlerdogmatik wird anerkannt von Schmidt-Aßmann in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 212. Möglich wäre dabei, die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG entweder im Bereich der von der Aarhus-Konvention erfassten Entscheidungen oder im gesamten Umweltrecht auszuschließen. Vgl. zu ersterem Schlacke, NuR 2004, 629, 632; zu letzterem Ziekow, NVwZ 2005, 263, 267; Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532, 534; Ekardt, NVwZ 2006, 55; Oestreich, Die Verwaltung 39 (2006), 29, 58.

IV. Vorgaben für eine Verfahrensfehlerlehre im Umweltrecht

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waltungsgerichten in deutlicher Weise die Abkehr von der bisherigen Kausalitätsrechtsprechung einfordert. Dabei wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch darauf zurückzukommen sein, ob eine solche Regelung eher im besonderen oder im allgemeinen Verwaltungsrecht verortet werden sollte. Wie diese Vorgaben rechtstechnisch verwirklicht werden können, bedarf einer differenzierten Betrachtung.46 Zunächst ist festzustellen, dass § 46 VwVfG auch für den Bereich des Umweltrechts nicht gänzlich aufgehoben werden muss.47 Denn da die grundsätzliche Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern nicht notwendig bedeutet, dass jede Unbeachtlichkeit konventionswidrig ist,48 müssen Ausnahmen zum Beispiel bei absolut punktuellen Fehlern möglich bleiben. Daher wäre auch umgekehrt denkbar, Verstöße gegen bestimmte Verfahrensvorschriften wie UVP-Vorschriften oder auch Verfahrensrechte der Aarhus-Konvention als absolute Verfahrensfehler zu qualifizieren, die stets zur Aufhebung der Entscheidung führen.49 In diese Richtung weist der neue § 4 UmwRG. Allerdings gibt es neben dem Erlass einer Ausnahmevorschrift zu § 46 VwVfG noch andere Möglichkeiten, die hier entwickelten Vorgaben rechtlich umzusetzen. So kommt zum Beispiel in Betracht, § 46 VwVfG in enger Weise so auszulegen, dass hypothetische Entscheidungen vermieden werden, durch die sich die Gerichte an die Stelle der Verwaltung setzen. Sollte eine solche Auslegung nicht möglich sein, bliebe nur noch die Möglichkeit, § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts insgesamt zu modifizieren. Der möglichen Neubestimmung des § 46 VwVfG widmet sich die Arbeit nach der vorab zu klärenden Frage, ob § 4 UmwRG den Vorgaben an eine umweltrechtliche Verfahrensfehlerlehre entspricht.

46 Siehe nur die in OVG Münster NuR 2006, 320, 322, aufgezählten Umsetzungsmöglichkeiten. 47 Vgl. dazu OVG Münster NuR 2006, 320, 322; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 266. 48 Vgl. Ekardt, NuR 2006, 221, 228; Alleweldt, DÖV 2006, 621, 628. Eine ausnahmslose Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern entspräche auch nicht der Rechtssituation in anderen Staaten, da in jeder Rechtsordnung bestimmte Verfahrensfehler auf das Ergebnis überhaupt keinen Einfluss haben. Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 204 f.; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1292; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 323. Auch der grundrechtlich geforderte Schutz des von einer umweltrechtlichen Entscheidung Begünstigten verbietet es, eine umweltrechtliche Entscheidung ausnahmslos wegen jedes Verfahrensfehlers aufzuheben. Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158. 49 So der Vorschlag von Bunge, ZUR 2004, 141, 146. Zu absoluten Verfahrensfehlern siehe bereits im 2. Kapitel unter II. 3.

8. Kapitel

Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch § 4 UmwRG Die Umsetzung der Aarhus-Konvention und der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsrichtlinien in das deutsche Recht ist inzwischen abgeschlossen.1 Das UmwRG setzt dabei in erster Linie die Vorgabe der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL um, insbesondere für Umweltverbände einen erweiterten Gerichtszugang bei allen Infrastrukturmaßnahmen und Industrieanlagen zu schaffen, die der UVP-RL und der IVU-RL unterfallen.2 Allerdings steht zu befürchten, dass der in Umsetzung des Art. 9 AK erlassene § 4 UmwRG im Hinblick auf die Behandlung von Verfahrensfehlern im Umweltrecht den völker- und gemeinschaftsrechtlichen sowie den aus der Systematik des deutschen Verwaltungsrechts resultierenden Vorgaben nicht genügt und 1 Die Bundesregierung hat zur Umsetzung der Aarhus-Konvention und der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben neben dem UmwRG folgende Gesetze erlassen: das Gesetz zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22.12.2004, das SUPG sowie das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz, das der Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL und damit der zweiten Säule der Aarhus-Konvention dient. Zum Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz Knopp, ZUR 2005, 281, 282 f. 2 www.bmu.de/buergerbeteiligungsrechte/die_aarhus-konvention/doc/2608.php, letzter Aufruf am 18.5.2009. Siehe auch Schlacke, NuR 2007, 8. Klageberechtigt sind die nach § 3 UmwRG anerkannten in- oder ausländischen Vereinigungen. Einschränkend verlangt § 2 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG die Geltendmachung, dass die Entscheidung oder ihre Unterlassung den Verband in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt. Zur Klageberechtigung nach dem UmwRG Schlacke, NuR 2007, 8, 9 f.; Ewer, NVwZ 2007, 267, 269 ff.; Schwertner, EurUP 2007, 124, 125 f.; Radespiel, EurUP 2007, 118, 119; Kment, NVwZ 2007, 274, 275 ff. Der Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsentscheidungen im Sinne des § 2 Abs. 3 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann, sowie nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG auf die Überprüfung der immissionsschutz-, abfall- und wasserrechtlichen Verfahren, die im deutschen Recht der Anlagenzulassung nach der IVU-RL unterliegen. Siehe dazu Schwertner, EurUP 2007, 124, 125; Schlacke, NuR 2007, 8, 10; Radespiel, EurUP 2007, 118, 120. Dabei stellt § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG klar, dass auch Rechtsbehelfe gegen rechtswidrig unterlassene Verwaltungsverfahren (so genannte Umgehungsfälle) zulässig sind, da sonst die Behörde durch die Nichtdurchführung eines förmlichen Verfahrens oder die Wahl eines anderen Verfahrens die gerichtliche Überprüfbarkeit ausschließen könnte.

I. Kritik an § 4 UmwRG

223

auch nicht zu einer sinnvollen Weiterentwicklung des innerstaatlichen Rechts unter europäischen Vorzeichen beiträgt.

I. Kritik an § 4 UmwRG § 4 UmwRG kann dahingehend verstanden werden, dass die geregelten Verstöße gegen Vorschriften des UVP-Rechts abweichend von § 46 VwVfG als wesentliche Verfahrensfehler anzusehen sind und in der Regel zur Aufhebung der Entscheidung führen.3 Damit setzt die Norm der Kausalitätsrechtsprechung insofern eine Grenze, als die Gerichte die unterlassene UVP nicht mehr als unbeachtlichen Verfahrensfehler qualifizieren können, ohne gegen den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift zu verstoßen.4 Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Aufhebung einer Entscheidung im Fall der fehlenden UVP keine über die Systematik des § 46 VwVfG hinausgehende Ausnahmeregelung darstellt, sondern lediglich die der Bedeutung und Funktion des UVP-Verfahrens angemessene Rechtsfolge gesetzlich festschreibt. Denn da ein spezialisiertes, der Ermittlung aller erheblichen Abwägungsbelange dienendes Verwaltungsverfahren wie die UVP überhaupt stattgefunden haben muss, bevor dem Gericht eine Nachermittlungspflicht im Hinblick auf die Abwägung zukommt,5 müsste die unterlassene UVP schon bei einer konsequenten Anwendung des § 46 VwVfG zur Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung führen.6 Zweifel daran, ob § 4 UmwRG der gegenwärtigen Forderung nach verstärkter Sanktionierung von Verfahrensfehlern gerecht wird, begründen sich 3

So die Begründung des Regierungsentwurfs vom 4.9.2006 in BTDrucks. 16/2495, S. 14. Ebenso Radespiel, EurUP 2007, 118, 121; Schwertner, EurUP 2007, 124, 128. Anders Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 95; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264: die fehlende UVP gelte nun nach § 4 UmwRG als absoluter Verfahrensfehler. 4 So Schlacke, NuR 2007, 8, 13; Kment, NVwZ 2007, 274, 277. Dabei bleibt fraglich, wie die Gerichte die Vorschrift des § 4 UmwRG rezipieren werden, da sie schließlich auch bisher von § 46 VwVfG abweichende Prüfungsmaßstäbe anlegten. 5 So VGH München DVBl 1994, 1198, 1201. 6 Vgl. VGH München DVBl 1994, 1198, 1201. Anders aber das BVerwG in BVerwGE 100, 238, 246 f., 250; 100, 370, 376, 379 f.; 122, 207. Das BVerwG nimmt an, dass auch die fehlende UVP nicht zwingend die Fehlerhaftigkeit der Abwägung zur Folge haben müsse. Auch das vollständige Unterbleiben einer UVP sei nur dann von Einfluss auf das Abwägungsergebnis, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planfeststellungsbehörde bei Durchführung der UVP eine andere Entscheidung in der Sache getroffen hätte. Vgl. BVerwGE 100, 238, 246 f., 252; 100, 370, 376; zuvor schon BVerwG Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97; zur unterlassenen Planauslegung BVerwG NVwZ 1999, 67; zum Beteiligungsrecht eines Naturschutzvereins BVerwG NVwZ 2003, 1120, LS. und S. 1121. Siehe dazu bereits im 2. Kapitel unter IV. 2.

224

8. Kap.: Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch § 4 UmwRG

allerdings zum einen aus der Beschränkung des § 4 UmwRG auf die Fälle der unterbliebenen UVP und der unterbliebenen Vorprüfung des Einzelfalls und zum anderen aus der Regelung des § 4 UmwRG als Norm des besonderen Verwaltungsrechts und somit als bereichsspezifische und punktuelle Ausnahmeregelung zu der im allgemeinen Verwaltungsrecht grundsätzlich geltenden Norm des § 46 VwVfG. 1. Beschränkung auf Fälle der unterlassenen UVP Infolge der Beschränkung der Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen auf die Fälle der gänzlich unterlassenen UVP sowie der unterlassenen Vorprüfung im Einzelfall7 ist eine Übertragung der durch § 4 Abs. 1 UmwRG angeordneten Beachtlichkeit auf andere Verfahrensfehler nicht möglich.8 Demzufolge führen weiterhin weder die fehlerhafte Durchführung einer UVP noch die Verkennung der UVP-Pflicht bei einer fehlerhaft durchgeführten Vorprüfung des Einzelfalls zur Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung.9 Auch der Verstoß gegen die Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Durchführung der UVP kann nicht zur Aufhebung der Entscheidung führen.10 Die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung ist nach § 4 UmwRG vielmehr nur möglich, wenn eine erforderliche förmliche UVP überhaupt nicht durchgeführt wurde.11 Wurde eine 7 Die Vorprüfung des Einzelfalls dient der Feststellung, ob ein Projekt UVPpflichtig ist. Vgl. Jans/von der Heide, Eur. Umweltrecht, S. 377 f. 8 Vgl. Kment, NVwZ 2007, 274, 276; VGH Kassel ZUR 2009, 87 (LS). 9 Vgl. Ziekow, NVwZ 2007, 259, 265; Kment, NVwZ 2007, 274, 275 f.; Schlacke, NuR 2007, 8, 13; Radespiel, EurUP 2007, 118, 121. Zur Lösung der misslichen Situation, dass bei einer fehlerhaft durchgeführten Vorprüfung weder ein Fehler nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG noch ein Fehler nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG vorliegt und eine zu Unrecht unterlassene UVP somit sanktionslos bleiben kann, wird vorgeschlagen, den Kreis der rügefähigen Fehler entsprechend § 3a S. 4 UVPG zu erweitern. Siehe Kment, NVwZ 2007, 274, 276 f. 10 Vgl. Kment, NVwZ 2007, 274, 280. 11 Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Referentenentwurfs vom 21.2.2005 galt es neben dem vollständigen Fehlen einer erforderlichen UVP auch als Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, wenn einer oder mehrere der vorgeschriebenen Verfahrensschritte der UVP nicht durchgeführt wurden. Solche Verfahrensschritte waren nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 a) die Vorlage der entscheidungserheblichen Unterlagen über Umweltauswirkungen des Vorhabens nach § 6 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 bis 4 UVPG, die Beteiligung anderer Behörden nach § 7 S. 1 UVPG, die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung nach § 8 Abs. 1 S. 1 und 3 sowie Abs. 2 und 3 UVPG, die Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 9 UVPG, die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9a Abs. 1 UVPG und die Bewertung der Umweltauswirkungen nach § 12 UVPG, sowie die entsprechenden berg- oder landesrechtlichen Vorschriften. Im Unterschied zum späteren Regierungsentwurf vom 4.9.2006 bezeichnet der Referentenentwurf vom 21.2.2005 die Fallgruppen wesentlicher Ver-

I. Kritik an § 4 UmwRG

225

förmliche UVP inhaltlich fehlerhaft durchgeführt oder wurde eine förmliche UVP unterlassen, im Zulassungsverfahren aber inhaltlich alle erforderlichen Prüfungsschritte einer UVP durchgeführt, gilt weiterhin § 46 VwVfG und der Anspruch auf Aufhebung der Entscheidung bleibt ausgeschlossen.12 Das Gleiche gilt, wenn eine förmliche UVP deswegen unterblieben ist, weil die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls aufgrund eines Fehlers bei der Durchführung fälschlicherweise zum Ergebnis führte, dass eine UVP-Pflicht nicht bestehe. Fraglich ist, ob diese nur begrenzte Erweiterung des Aufhebungsanspruchs nach § 4 UmwRG der von der Aarhus-Konvention und den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften geforderten Beachtlichkeit von Verstößen gegen umweltrelevante Verfahrensrechte entspricht.13 Schließlich erstreckt sich der Geltungsbereich sowohl der Aarhus-Konvention als auch der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL einheitlich auf alle umweltrelevanten Verfahrensrechte und nicht nur auf einzelne Bereiche des Umweltrechts.14 Auch Art. 10a UVP-RL gewährt Umweltverbänden die Möglichkeit, vor Gericht die generelle Überprüfung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit UVP-pflichtiger Entscheidungen zu verlangen.15 Diese sind dabei nicht darauf beschränkt, einzelne ihnen zugewiesene Verfahrensverstöße wie die Unterlassung einer erforderlichen UVP zu rügen, sondern können die Entscheidung an sich einer gerichtlichen Überprüfung zuführen.16 Dabei muss zum Beispiel auch das Fehlen einer Öffentlichkeitsbeteiligung als zentrales Element der UVP als wesentlicher Verfahrensfehler zur Aufhebung der Entscheidung führen können.17 Andernfalls wäre der Rechtsschutz von Umweltverbänden oder betroffener fahrensfehler allerdings nicht als Regelbeispiele, so dass die Aufzählung abschließend gemeint sein dürfte. Siehe Durner/Walter, Spielräume, S. 171, 176. 12 Vgl. Kment, NVwZ 2007, 274, 276; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 265. 13 Kritisch hinsichtlich der Europarechtskonformität des § 4 UmwRG Radespiel, EurUP 2007, 118, 122; Schmidt/Kremer, ZUR 2007, 57, 62. Insgesamt zur Vereinbarkeit des UmwRG mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und der AarhusKonvention Schmidt/Kremer, ZUR 2007, 57, 59 ff. Zweifel an der Vereinbarkeit mit Europarecht bestehen hinsichtlich der Ausgestaltung der Rügebefugnis, der Schutznormakzessorietät, der Maßstäbe für die Begründetheitsprüfung sowie der materiellen Präklusion. Vgl. Schlacke, NuR 2007, 8, 13; Radespiel, EurUP 2007, 118, 121; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 260 f.; Ewer, NVwZ 2007, 267, 274; Schwertner, EurUP 2007, 124, 126. 14 Vgl. Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, S. 11. Dies belegt auch der in Art. 2 Nr. 3 AK definierte umfassende Umweltbegriff der Aarhus-Konvention. Siehe ferner Ziekow, EurUP 2005, 154, 163. 15 Vgl. Bunge, ZUR 2004, 141, 144; Kment, NVwZ 2007, 274, 277. 16 Vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154, 161; Kment, NVwZ 2007, 274, 277. 17 Ebenso Schmidt/Kremer, ZUR 2007, 57, 62; vgl. zudem VGH Kassel ZUR 2009, 87, 89 (Rn. 11).

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8. Kap.: Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch § 4 UmwRG

natürlicher Personen gegen UVP-pflichtige Entscheidungen erheblich eingeschränkt.18 Die Beschränkung beachtlicher Verfahrensfehler durch § 4 UmwRG auf die Fälle der fehlenden UVP sowie der fehlenden Vorprüfung im Einzelfall steht daher in Widerspruch zum Wortlaut der Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL.19 Zwar entspricht es der Rechtsprechung des EuGH, verfahrensfehlerhafte Entscheidungen nur bei der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschränkung auf die genannten Fallgruppen der gänzlich fehlenden UVP und der gänzlich fehlenden Vorprüfung schließt allerdings die Aufhebung einer Entscheidung zum Beispiel bei dem vom EuGH ebenfalls grundsätzlich als wesentlich betrachteten Verstoß gegen Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung weiterhin aus. Die Regelung ist folglich nicht geeignet, die effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten.20 Damit bleibt § 4 UmwRG hinter den Anforderungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts zurück.21 2. Die Frage nach dem Regelungsstandort als Frage der Integrationsoffenheit des deutschen Verwaltungsrechts Überdies wirft die Verortung der Ausnahme zu § 46 VwVfG als Spezialregelung des besonderen Verwaltungsrechts22 Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht auf.23 Die 18

Vgl. VGH Kassel ZUR 2009, 87, 89 (Rn. 11); Schlacke, ZUR 2009, 80, 82. So Kment, NVwZ 2007, 274, 277; Schlacke, NuR 2007, 8, 15; ihr folgend Radespiel, EurUP 2007, 118, 122. Differenzierend Schlacke, ZUR 2009, 80, 82: aus Art. 10a UVP-RL sowie Art. 15a IVU-RL lasse sich nicht ableiten, dass jeder Verfahrensfehler zur Aufhebung der Sachentscheidung führen müsse. 20 So auch Ekardt, NuR 2006, 221; Radespiel, EurUP 2007, 118, 122 f.; im Ergebnis ähnlich Kment, NVwZ 2007, 274, 277. Für gelungen hält die Regelung dagegen Alleweldt, DÖV 2006, 621, 629. Statt der Ausnahmeregelung zu § 46 VwVfG wird alternativ auch vorgeschlagen, abweichend von § 44a VwGO im Umweltrecht isolierte Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen zuzulassen. So Alleweldt, DÖV 2006, 621, 629; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 265 f. 21 Vgl. Radespiel, EurUP 2007, 118, 123; Ekardt, NuR 2006, 221. So wohl auch VGH Kassel ZUR 2009, 87, 89 (Rn. 11), der daher eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 S. 1 UmwRG für bedenkenswert erachtet (Rn. 13). Ekardt, NVwZ 2006, 55, 56, sieht aufgrund der unzulänglichen Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch das UmwRG „[. . .] weiteren Streit vorprogrammiert“. 22 Diese Regelungsverortung wird als sektorspezifische Sonderlösung bezeichnet. Vgl. Ziekow, NVwZ 2005, 263, 267; ders., EurUP 2005, 154; ders., NVwZ 2007, 259; Alleweldt, DÖV 2006, 621, 626. Kritisch Schlacke, NuR 2007, 8, 16. 23 Vgl. dazu Ziekow, EurUP 2005, 154, 157 ff.; Hoffmann-Riem in: ders./ Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115. Zur rechtsgeschichtlichen Entwick19

I. Kritik an § 4 UmwRG

227

Verankerung einer Norm in einem Gesetz des allgemeinen oder des besonderen Verwaltungsrechts trifft eine Aussage darüber, wie der Gesetzgeber die Allgemeingültigkeit oder Generalisierbarkeit dieser Regelung einschätzt. In Bezug auf die Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben entscheidet der Regelungsstandort folglich auch über die Bereitschaft des deutschen Rechts zu einer systematischen, in allgemeine Rechtsbereiche ausgreifenden Rezeption des Gemeinschaftsrechts und stellt somit einen wesentlichen Gradmesser für die Integrationsoffenheit des deutschen Verwaltungsrechts dar.24 a) Das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht Das Verhältnis zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht kann als Korrelationsverhältnis beschrieben werden, in dem das stärker von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen abhängige besondere Verwaltungsrecht für spezifische Problemlagen konkrete Lösungen anbietet, die vom allgemeinen Verwaltungsrecht auf ihre Generalisierbarkeit überprüft und gegebenenfalls in abstrahierter Form als Grundsätze und Institutionen des allgemeinen Verwaltungsrechts übernommen werden.25 Um seine stabilisierende, Rechtssicherheit garantierende Ordnungsfunktion bewahren zu können, muss das allgemeine Verwaltungsrecht daher anpassungsfähig für lung der Unterscheidung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht Groß, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 57, 58 ff. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Aarhus-Konvention weist Walter, EuR 40 (2005), 302, 334 ff., darauf hin, dass ausgehend vom Völkerrecht auch im innerstaatlichen Recht eine so genannte Sektoralisierung des Rechts zu erwarten ist, verstanden als Ausdifferenzierung des Rechts nach einzelnen Sachgebieten mit jeweils unterschiedlichen Regelungs- und Durchsetzungsmechanismen. Diese Sektoralisierung könnte durch die Umsetzung der Aarhus-Konvention in innerstaatliches Recht befördert werden. Dies führt insofern zu rechtlichen Strukturproblemen, als eine Sektoralisierung Kollisionen zwischen einseitig zugunsten des Umweltschutzes und einseitig zugunsten beispielsweise wirtschaftlicher Aspekte ausgestalteten Verfahrensregelungen verursachen könnte, was die Frage aufwirft, wie bei solcherart segmentierten Rechtsbereichen der Ausgleich widerstreitender Interessen stattfinden kann. 24 Vgl. Groß, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 57, 73: Voraussetzung für die Reformfähigkeit des allgemeinen Verwaltungsrechts sei dessen Rezeptionsoffenheit. 25 Vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154, 157; ähnlich Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 4; Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 14; Hoffmann-Riem, ebd., S. 115 f.; Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 9, 16. Kritisch Groß, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 57 f. Grenze dieser notwendigen, Komplexität reduzierenden Vertypung ist das Erfordernis, zur Bewältigung spezifischer Verwaltungsaufgaben spezielle, im besonderen Verwaltungsrecht verortete Lösungen bereitzustellen, die komplementär zum allgemeinen Verwaltungsrecht Steuerungsaufgaben übernehmen können. Vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154, 158.

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8. Kap.: Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch § 4 UmwRG

solche Entwicklungen in den Referenzgebieten des besonderen Verwaltungsrechts bleiben, die über ihre Bedeutung für einzelne Rechtsgebiete hinaus generalisierbar sein können.26 b) Bereichsspezifische Ausnahme von § 46 VwVfG? Somit erfordert auch die Anpassung des deutschen Rechts an die Vorgaben der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts die Beantwortung der grundsätzlichen Frage, wie der normative Regelungsstandort zu wählen ist.27 Fraglich ist daher, wie die durch § 4 UmwRG erfolgte Rezeption der völker- und gemeinschaftsrechtlichen Einflüsse in einem Gesetz des besonderen Verwaltungsrechts und damit als bereichsspezifische Abweichung von der im allgemeinen Verwaltungsrecht grundsätzlich geltenden Norm des § 46 VwVfG zu bewerten ist. Die Verortung verfahrensrechtlicher Regelungen im allgemeinen oder besonderen Verwaltungsrecht hängt auch von deren Nähe zum dazugehörigen materiellen Recht ab.28 Besteht aber keine derart enge Verknüpfung mit dem materiellen Recht des Referenzgebietes, dass sonderverfahrensrechtliche Lösungen erforderlich sind, führt die Vernachlässigung der Integrationsaufgabe des allgemeinen Verfahrensrechts auf die Dauer zu systematischen Brüchen und Intransparenzen.29 Die Regelungsinhalte der Aarhus-Konvention weisen keine solche besondere Koppelung an materielle Spezifika des Umweltrechts auf, da es sich trotz ihrer Umweltbezogenheit um ausschließlich verfahrensrechtliche Regelungen handelt.30 Deren programmatischer Gehalt verlangt vielmehr eine Abbildung im allgemeinen Verwaltungsrecht.31 In Bezug auf § 4 UmwRG ist ferner zu bedenken, dass die dort normierte Ausnahmeregelung die gesetzgeberische Grundentscheidung für eine beschleunigte, investitions- und wirtschaftsfreundliche Ausgestaltung von Genehmigungsverfahren32 für UVP-pflichtige Verfahren und damit für einen Großteil aller umweltrelevanten Verfahren durchbricht.33 Eine solch zentrale Ausnahme zu einer Regelung des allgemeinen Verwaltungsrechts sollte aus 26

Vgl. Groß, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 57, 73; Voßkuhle in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Verwaltungsrecht I, § 1 Rn. 44. 27 Zur Frage nach einer bereichsspezifischen oder einheitlichen gesetzlichen Regelung bei Modifikationen der Verfahrensfehlerlehre Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 477. 28 Vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154, 161. 29 Ziekow, EurUP 2005, 154, 161. Vgl. auch ders., NVwZ 2007, 259, 266. 30 Vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154, 164. 31 Vgl. Ziekow, EurUP 2005, 154, 159. 32 Zur Beschleunigungsgesetzgebung oben im 2. Kapitel unter I. 33 So Ziekow, EurUP 2005, 154, 162.

II. Zwischenergebnis

229

Gründen der Transparenz und Schlüssigkeit der gesetzlichen Systematik nicht in einem bereichsspezifischen Spezialgesetz, sondern im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht verortet werden.34 Schließlich könnten die aus der Aarhus-Konvention und dem Gemeinschaftsrecht kommenden Neuerungen auf strukturell vergleichbare Konfliktlagen übertragbar sein35 und damit längerfristig zu einer Beeinflussung grundlegender Elemente des allgemeinen Verwaltungsrechts führen.36 Will das allgemeine Verwaltungsrecht auch in diesen Situationen des Wandels seine Fähigkeit zur Steuerung nicht verlieren, muss es sich der notwendigen Offenheit und Flexibilität umweltrechtlicher Entscheidungslagen anpassen.37

II. Zwischenergebnis Damit wurde gezeigt, dass beim Erlass des UmwRG die Forderung nach einer Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, die die Fähigkeit des allgemeinen Verwaltungsrechts zu Integration und Systembildung bewahrt, nicht ausreichend beachtet wurde. Abgesehen davon, dass § 4 UmwRG mit seiner Beschränkung auf die Fälle der fehlenden UVP und der fehlenden Vorprüfung im Einzelfall den Vorgaben des Völker- und Gemeinschaftsrechts nicht entspricht, ist die Vorschrift als spezialgesetzliche Ausnahmeregelung zu § 46 VwVfG weit davon entfernt, als verallgemeinerungsfähiger Grundsatz zu weitergehenden Veränderungen in der Dogmatik 34

Generell für die Eingliederung bereichsspezifischer Verfahrensregelungen ins VwVfG auch Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67, 129 ff., 132. Für weitere Rechtsvereinheitlichung auch Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 6; Hufen, Fehler, Rn. 43. Eine weitere Stärkung bereichsspezifischen Rechts beeinträchtigte die Steuerungsleistung des Rechts auch insofern, als aufgrund der Vielzahl verfahrensrechtlicher Normen in unterschiedlichen Gesetzen schon das Auffinden der einschlägigen Norm noch schwieriger als ohnehin würde. 35 So Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532. Diese nehmen an, dass das von der Aarhus-Konvention zunächst betroffene Umweltrecht absehbarerweise eine Breitenwirkung im gesamten Recht entwickle. Ebenso Ekardt, NuR 2006, 221, 222. Eine grundsätzliche Ausstrahlungswirkung der im Umweltrecht stattfindenden Veränderungen ins allgemeine Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht nehmen an Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 54; Hoffmann-Riem in: ders./ Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 116 f.; Steinberg, AöR 120 (1995), 549, 588. Vgl. ferner Hill in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 273, 277. Beispiele für vom Umweltrecht ausgehende Neuerungen des klassischen, allgemeinen Verwaltungsinstrumentariums bei Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ ders./Schuppert, Reform, S. 11, 27 ff. 36 Vgl. Schoch, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 135, 137. 37 Vgl. Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 172 f., 175; von Danwitz, Verwaltungsrechtl. System, S. 62 f.

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8. Kap.: Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch § 4 UmwRG

der Verfahrensfehlerlehre zu führen. Im Hinblick auf die Rezeption des Gemeinschaftsrechts stellt die Vorschrift somit eine sektorspezifische, punktuelle Minimalumsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben dar, die befürchten lässt, dass damit das Ziel einer systematischen Anpassung zugunsten einzelner sektoraler Einbrüche in das verwaltungsrechtliche System aufgegeben wird.38 Soll aber bei der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Prinzipen die Geschlossenheit und Entwicklungsfähigkeit des innerstaatlichen Rechts bewahrt werden, ist eine systematisierende und typisierende Regelung im allgemeinen Verwaltungsrecht vorzuziehen.39 Schließlich entfaltet das vom allgemeinen Verwaltungsrecht bereitgehaltene Angebot trotz der Notwendigkeit bereichsspezifischer Lösungen wichtige Integrations-, Systematisierungs- und Disziplinierungsfunktionen.40 Der punktuellen Ausnahmeregelung des § 4 UmwRG wäre daher eine gesamthafte Umsetzungslösung vorzuziehen gewesen, die den Zusammenhang zwischen § 46 VwVfG und den aufgrund der Besonderheiten des UVP-Verfahrens notwendigen verfahrensrechtlichen Ausnahmeregelungen systematisch zu erklären vermag und überdies offen für die Entwicklung einer umweltrechtlichen Verfahrensfehlerlehre ist. Aus diesem Grund wendet sich die Untersuchung im folgenden Kapitel der Frage zu, wie § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts so modifiziert werden kann, dass eine systematisch konsequente Weiterentwicklung der umweltrechtlichen Verfahrensfehlerlehre in Einklang mit den Vorgaben der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts gewährleistet wird.

38

So Ziekow, EurUP 2005, 154, 160. Nach Wahl in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 237, 251, ist Ergebnis dieser Vorgehensweise die Auflösung des eigenen bisherigen Systems bei gleichzeitigem Verfehlen der Bildung eines neuen. 39 Vgl. dazu Ziekow, EurUP 2005, 154, 160; Wahl in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 237, 251. 40 Ziekow, EurUP 2005, 154, 159.

9. Kapitel

Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht Die zu erwartende Ausstrahlungswirkung des Umweltverfahrensrechts in andere Bereiche des Verwaltungsrechts erfordert also eine Abbildung der anstehenden Veränderungen im allgemeinen Verwaltungsrecht. Daher muss eine Neubestimmung des § 46 VwVfG selbst im Sinne der oben entwickelten Vorgaben vorgenommen werden. Zu diesem Zweck soll zunächst geprüft werden, ob die Anpassung der Verfahrensfehlerlehre an die Spezifika des Umweltrechts durch eine engere Auslegung des § 46 VwVfG ermöglicht werden kann.

I. Auslegung des § 46 VwVfG Eine den spezifischen Entscheidungslagen des Umweltrechts gerecht werdende Auslegungsmöglichkeit des § 46 VwVfG lässt sich am ehesten anhand des Sinn und Zwecks der Vorschrift finden. Die Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm erfordert zunächst die Untersuchung, welcher Rechtfertigungsgrund § 46 VwVfG zugrunde liegt. 1. Rechtfertigungsgrund des § 46 VwVfG § 46 VwVfG wird in verschiedener Weise verstanden.1 So wurde die Neufassung des § 46 VwVfG als Anpassung des Gesetzes an die Kriterien der Rechtsprechung begrüßt.2 Mit der Einführung des Kausalitätskriteriums sei gesetzlich festgelegt worden, dass es auf eine konkrete Betrachtung des Einzelfalls ankomme und daher auf die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung abgestellt werden müsse.3 Wie bereits gezeigt, unterscheidet 1 Vgl. die Darstellung verschiedener Ansichten und Legitimationsversuche zu § 46 VwVfG bei Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 351 ff.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 244 ff. 2 So vor allem Ronellenfitsch in: Rengeling, Beschleunigung, S. 51, 63 ff.; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958. Vgl. BTDrucks. 13/3995, S. 8. Positiv auch Schmitz/Olbertz, NVwZ 1999, 126, 129. Kritisch dagegen Meyer in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 551, 569; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 44. 3 Vgl. Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 104, der das Kriterium offensichtlich fehlender Kausalität als Neuformulierung des Kriteriums der konkreten Möglichkeit

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

sich § 46 VwVfG in seinem Wortlaut aber wesentlich von den Maßstäben der Kausalitätsrechtsprechung.4 Eine sich am Kriterium der konkreten Kausalität orientierende Auslegung ist daher abzulehnen. Auch kann § 46 VwVfG nicht als Ausprägung von Effizienzerwägungen betrachtet werden.5 Schließlich ist der Begriff der Effizienz als Begriff zur Umschreibung einer Zweck-Mittel-Relation stets von anderweitig bestimmten Zielsetzungen abhängig und daher nur von begrenzter Aussagekraft. Er bietet zudem keine sinnvollen Kriterien zur Abgrenzung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Verfahrensfehlern.6 Auch das Verständnis des § 46 VwVfG als Ausprägung des dolo agitGrundsatzes7 kann nicht überzeugen, denn entgegen einer zu § 46 VwVfG einer anderen Entscheidung versteht, da kein Anhaltspunkt bestehe, dass der Gesetzgeber hinter der Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG zurückbleiben wollte. Für das Kriterium der konkreten Kausalität auch Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 277 ff., 278 sowie zuvor schon S. 268 f.; Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27, jeweils mit weiteren Begründungen. Für die Kausalität als Legitimationsgrundlage der Norm ferner Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 254 ff., 436. Dieser versteht die Kausalität aber als Zurechnungsfrage und betrachtet § 46 VwVfG dementsprechend als gesetzliche Regelung des Zurechnungszusammenhangs bei Verfahrensfehlern. 4 Siehe dazu bereits im 2. Kapitel unter IV. 1. 5 So P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 77; Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 11, 41. Vgl. zur Verwaltungseffizienz die grundlegenden Berichte von Wahl und Pietzcker in VVDStRL 41 (1983), 151 und 193. Allerdings kann aus der Zurückführung des § 46 VwVfG n. F. auf die Grundgedanken der Beschleunigung und Ökonomisierung bei Voßkuhle, Die Verwaltung 34 (2001), 347, 348 und bei Clausen in: Knack, VwVfG, vor § 9 Rn. 23, noch nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass alleiniger Rechtfertigungsgrund der Norm der Effizienzgedanke ist. Kritik an der Heranziehung des Effizienzgedankens als Legitimationsgrundlage für § 46 VwVfG bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 245 ff.; Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ ders., Effizienz, S. 245, 262; Schenke, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 41 (1983), 274 f. 6 So die Kritik bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 245 f. 7 So die Begründung sowohl des Gesetzesantrags des Landes Baden-Württemberg vom 10.5.1994, BRDrucks. 422/94, S. 13 (zu Nr. 4), als auch des Gesetzesentwurfs des Bundesrates vom 31.3.1995, BRDrucks. 422/94 (Beschluss), Anlage 1, S. 9 (zu Nr. 5), in der § 46 VwVfG als Ausdruck des Grundsatzes der Unzulässigkeit rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung von Rechten nach § 242 BGB bezeichnet wird. So die wohl herrschende Ansicht zu § 46 VwVfG a. F., vgl. Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 292; Breuer in: FS Sendler, S. 357, 378; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 23; Schenke, DÖV 1986, 305, 314; ders., VBlBW 1982, 313, 325. Zu § 46 VwVfG n. F. ebenso Gerhardt in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 80; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 55; Hufen, Fehler, Rn. 625 f.; ders., JuS 1999, 313, 318; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 103; Niedobitek, DÖV 2000, 761, 765; Laden-

I. Auslegung des § 46 VwVfG

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a. F. verbreiteten Ansicht entsprechen sich der dolo agit-Grundsatz und die Regelung des § 46 VwVfG nicht. Während der Aufhebungsanspruch bei § 46 VwVfG deswegen ausgeschlossen wird, weil im Zeitpunkt der Entscheidung keine andere Sachentscheidung hätte getroffen werden dürfen, fragt der dolo agit-Grundsatz, ob ein Aufhebungsverlangen deswegen scheitern muss, weil zum Zeitpunkt des Aufhebungsanspruchs sogleich wieder die gleiche Sachentscheidung ergehen müsste.8 Er wählt damit einen anderen Beurteilungszeitpunkt.9 Da aus dem dolo agit-Grundsatz auch der Gedanke der Verfahrensökonomie resultiert – verfahrensökonomisch ist der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs schließlich nur, wenn andernfalls nach der Aufhebung der gleiche Verwaltungsakt erneut erlassen werden müsste10 – scheidet auch die Verfahrensökonomie als tragender Grundgedanke des § 46 VwVfG aus.11 Der dogmatische Rechtfertigungsgrund des § 46 VwVfG kann einzig die Letztentscheidungskompetenz des Gerichts sein.12 Dabei erfordert die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Maße sich das Gericht einer selbstständigen und demnach nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsund Entscheidungsbefugnis der Verwaltung gegenüber sieht, eine differenzierte Betrachtung der materiellen Entscheidungsgrundlagen der Verwaltung.13 Im Hinblick auf die Kontrolle von Verfahrensfehlern ist hierbei festburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 247. Kritisch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 249 ff. 8 Vgl. Bettermann in: FS Ipsen, S. 271, 289 ff.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn. 23; Hufen, Fehler, Rn. 625; ders., JuS 1999, 313, 318; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 103; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 64; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5. 9 So die Kritik bei Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 250 f. Vgl. auch Grimm, NVwZ 1985, 865, 871. Allerdings kann der dolo agit-Grundsatz unabhängig von § 46 VwVfG zum Ausschluss des Aufhebungsanspruchs führen, Baumeister, ebd., S. 253. 10 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 254. 11 Anders aber Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 4; Bülow, Relativierung, S. 373. Vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfs vom 6.3.1996, BTDrucks. 13/3995, S. 8, zu Nr. 4 (§ 46), nach der das Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit einen Ausgleich zwischen Verfahrensökonomie und Form- und Verfahrenserfordernissen leistet. Ähnlich bereits der Musterentwurf von 1963, vgl. EVwVerfG 1963, Einzelbegründung zu § 36, S. 162. 12 So Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 176, 264 f.; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47; Krebs, DVBl 1984, 109, 112. Davon gehen anscheinend auch aus Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 25. Siehe bereits im 4. Kapitel unter I. 13 Badura in: FS Bachof, S. 169, 184. Ähnlich Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 129, die spezifische, über allgemeine Überlegungen zur Gewaltenteilung hinausgehende Nachweise wie das Vorliegen zwingender Funktionsgrenzen gerichtlicher Kontrolle fordert, wie sie bei Prüfungsentscheidungen, Risikoentscheidungen und Prognoseentscheidungen bestehen.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

zustellen, dass aufgrund der für das Verwaltungsverfahren typischen entwicklungsoffenen ex ante-Sicht zu Beginn des Verwaltungsverfahrens das Ergebnis im Sinne der einzig richtigen Entscheidung noch nicht feststeht und es im Wesentlichen das ordnungsgemäß durchgeführte Verwaltungsverfahren ist, das die Hervorbringung und Erzeugung der später als richtig erkannten und voll überprüfbaren Entscheidung sichert.14 Damit stellt das Verwaltungsverfahren zwar keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung für das materielle Ergebnis dar.15 Daraus folgt, dass die Verwaltungsgerichte lediglich in den Fällen über die Relevanz eines Verfahrensfehlers für das materielle Ergebnis entscheiden können, in denen ihnen eine Pflicht zum Durchentscheiden zukommt und sie zur abschließenden Entscheidung über das Verfahrensergebnis befugt sind. In Fällen, in denen das einzig richtige Ergebnis nicht vom Verwaltungsgericht bestimmt werden darf, ist dieses dagegen auch nicht in der Lage, die Relevanz eines Verfahrensfehlers für das Ergebnis zu beurteilen, da diese nachträgliche Feststellung eine hypothetische Beurteilung des Entscheidungsergebnisses erfordert, die notwendig spekulativ bleibt.16 Aus dieser Rechtfertigung der Norm folgt für die Auslegung, dass sich in Fällen eingeschränkter gerichtlicher Letztentscheidungskompetenz bei § 46 VwVfG jede statische ex post-Betrachtung verbietet, da diese der Entwicklungsoffenheit des Verfahrens nicht gerecht wird und möglicherweise zu Schlussfolgerungen führt, die lediglich der Erhaltung der Entscheidung dienen.17 Die rechtliche Alternativlosigkeit der Entscheidung kann daher nur angenommen werden, wenn die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung sicher feststeht.18 Dies kann bei gebundenen und bei Ermessensentscheidungen der Fall sein. Umgekehrt kann die Feststellung der inhaltlichen Richtigkeit aber sowohl bei gebundenen als auch bei Ermessensentscheidungen schwierig sein, so zum Beispiel wenn eine gebundene Entscheidung auf Tatbestandsseite unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die von der Behörde durch Wertungen ausgefüllt werden müssen.19 Problematisch ist die Feststellung der inhaltlichen Richtigkeit des Weiteren in Fällen komplexer 14 Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 156, 160 f.; Kment, EuR 41 (2006), 201, 233; Bader, Verwaltungsverfahren und materielles Recht, S. 15. 15 Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47. 16 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 629; Kment, EuR 41 (2006), 201, 233; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 83. 17 Vgl. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47 f. Dazu auch OVG NW NWVBl 1989, 250, 252 f. 18 Zur Frage der rechtlichen Alternativlosigkeit im 2. Kapitel unter II. 1. c). 19 Vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 47; Schenke, DÖV 1986, 305, 315.

I. Auslegung des § 46 VwVfG

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Entscheidungen, da bei diesen das Auffinden des einzig richtigen Ergebnisses wesentlich vom Verlauf des Verwaltungsverfahrens bestimmt wird und somit ohne Durchführung eines entsprechenden Verfahrens kaum festgestellt werden kann. Daraus folgt, dass § 46 VwVfG auf multipolare, komplexe, von Prognosen und Abwägungen geprägte Entscheidungen des Umweltrechts nicht ohne Weiteres anwendbar ist.20 Fraglich ist, wie diesen Schwierigkeiten begegnet werden kann. Keine sachgerechte Lösung ist es, die Anwendung des § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts ganz auszuschließen, da dies der Bedeutung einzelner Verfahrensrechte im konkreten Einzelfall nicht gerecht wird. Denkbar ist es dagegen, durch eine enge Auslegung der Norm die Fälle vom Anwendungsbereich des § 46 VwVfG auszuschließen, in denen die nachträgliche Feststellung der inhaltlichen Richtigkeit durch das Gericht zu kompetentiellen Problemen führt.21 2. Das Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit Diese Einschränkung kann möglicherweise durch eine entsprechend enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Offensichtlichkeit erreicht werden.22 Da der fehlende Einfluss nicht nur möglich sein oder sogar nachweisbar vorliegen, sondern gerade offensichtlich sein muss, ist schließlich die entscheidende Frage für die Anwendung des § 46 VwVfG, wann von einem offensichtlich fehlenden Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung auszugehen ist.23 20

Siehe bereits im 4. Kapitel unter II. 4. sowie III. In ähnlicher Weise verlangt die grundsätzliche Kritik an § 46 VwVfG nach einer Auslegung der Norm, die sicherstellt, dass die Verletzung einer Verfahrensvorschrift nicht ausnahmslos und endgültig folgenlos bleibt. Vgl. Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 4; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 289. Eine verfassungskonforme Auslegung wird jedenfalls für die Fälle gefordert, in denen durch Verstöße gegen zwingendes Verfahrensrecht in Grundrechtspositionen eines Beteiligten eingegriffen worden ist. Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 11; Bonk, NVwZ 1997, 320, 324. 22 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 84, 86; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5, 37; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 353 ff., 354. Vgl. ferner Erbguth, UPR 2000, 81, 87 f.; Jäde, UPR 1996, 361, 362. 23 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 36; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 290. Das Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit ist umstritten. So ist schon nicht geklärt, ob zur Beurteilung der Offensichtlichkeit des fehlenden Einflusses auf die Sicht des Entscheidungsbetroffenen oder eines objektiven, mit der Aktenlage vertrauten Dritten abzustellen ist. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 36; Ziekow, NVwZ 2005, 263, 264. Auf die Sicht eines unvoreingenommenen Betrachters stellt ab Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 34. 21

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

Denkbar wäre dabei, die Offensichtlichkeit dann zu bejahen, wenn es an Anhaltspunkten für einen möglichen Einfluss des Fehlers fehlt.24 Dabei wären der Verlauf und die Komplexität des konkreten Verwaltungsverfahrens, die Sachentscheidung, die rechtlichen Grundlagen einschließlich des Fachrechts, der vorliegende Verfahrensfehler und das Maß der Bindung der Behörde beim Verwaltungsaktserlass in einer Gesamtschau zu beurteilen.25 Die Frage des rechtlichen Bindungsgrads spielt dabei zum Beispiel insofern eine Rolle, als bei einer gebundenen Entscheidung ein Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler nur dann in Betracht kommen kann, wenn der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt bei korrektem Verfahren noch eine Änderung hätte erfahren können.26 Die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung und damit ein entsprechender hypothetischer Kausalverlauf dürfen dabei nicht ganz fern liegend sein.27 Um den Anwendungsbereich des § 46 VwVfG auf zweifelsfreie Fälle fehlender Kausalität zu begrenzen,28 ist aber erforderlich, dass das Gericht den hypothetischen behördlichen Willen ohne tiefgründige und aufwändige Untersuchungen eindeutig feststellen kann.29 Ist der hypothetische Behördenwille objektiv für einen verständigen, unvoreingenommenen Beobachter 24

So Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 296. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 296. 26 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 296. Umgekehrt bleibt bei einem möglicherweise die Sachlage verändernden Verhalten nach dem Offensichtlichkeitskriterium der Aufhebungsanspruch schon dann bestehen, wenn infolge der Änderung der Sachlage eine andere Entscheidung nicht sicher auszuschließen ist. So ders., S. 298. 27 Vgl. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 296 f. Beispielsweise sind bei einer nicht korrekt durchgeführten Anhörung Anhaltspunkte dafür erforderlich, in welcher Weise sich die ordnungsgemäße Anhörung auf das Ergebnis hätte auswirken können, vgl. ders., ebd., S. 298. Es kann also weder alleine auf die Behauptung des Betroffenen ankommen, er hätte sich bei korrektem Verfahrensablauf entsprechend anders verhalten, noch kann die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung von der Behörde mit dem Argument entkräftet werden, die Entscheidung sei so oder so nicht anders ausgefallen. Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 87; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 32; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 297; Hufen, JuS 1999, 313, 318. Nach Hufen, Fehler, Rn. 629, setzt sich die Behörde mit der Behauptung, sie hätte auch ohne den Verfahrensfehler nicht anders entschieden, dem Vorwurf einer unzulässigen Vorabfestlegung und damit eines Abwägungsausfalls aus. Siehe auch Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 83. 28 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 158. 29 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 86, 89; Erbguth, UPR 2000, 81, 87; ders., Deregulierung, S. 84. Zur Frage, ob Offensichtlichkeit vorliegt, wenn deren Feststellung die Durchführung neuer Ermittlungen erfordert, Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 39. Siehe auch BTDrucks. 422/1/94, S. 5 f. Nach Hufen, Fehler, Rn. 627, macht die notwendige Spekulation über die Offensichtlichkeit die Norm in der Praxis nur schwer anwendbar. 25

I. Auslegung des § 46 VwVfG

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nicht ohne Weiteres ersichtlich, ist der fehlende Einfluss auf die Sachentscheidung eben nicht offensichtlich.30 Folglich besteht eine Vermutung für den Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Entscheidung, nach der die Beweislast für den fehlenden Einfluss der Behörde obliegt.31 Das Erfordernis von Anhaltspunkten für einen fehlenden Einfluss des Verfahrensfehlers konterkariert aber diese Vermutung, da dadurch positive Nachweise für eine Tatsache gefordert werden, deren Beweislast eigentlich die Behörde trägt. Daher ist anzunehmen, dass ein Verfahrensfehler dann offensichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung in der Sache geblieben ist, wenn eine Kausalität zwischen Verfahrensfehler und Sachentscheidung nach jeder möglichen Betrachtungsweise auszuschließen und diese Tatsache ohne weitere Ermittlungen für einen unvoreingenommenen Beobachter unschwer zu erkennen ist.32 Insbesondere bei Entscheidungen mit weitem Entscheidungsspielraum ist es allerdings nicht ohne Weiteres offensichtlich, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, weil das Verfahren in diesen Fällen gerade dazu dient, über argumentative Gründe und Gegengründe das Ergebnis zu beeinflussen, indem Bewertungen oder das Gewicht von Belangen und Interessen verändert werden.33 Der durch die enge Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals eingeschränkte Anwendungsbereich der Norm auf Fälle, in denen nach jeder möglichen Betrachtungsweise kein Zweifel verbleibt, dass der Verfahrensfehler ohne Einfluss auf die Sachentscheidung geblieben ist, dient daher nach verbreiteter Ansicht auch dazu, die umstrittene Ausdehnung des § 46 VwVfG n. F. auf Ermessensentscheidungen zu 30

Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 89; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 10 unter Berufung auf Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 34; ferner Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, § 46 Rn. 29; Schäfer in: Obermayer, § 46 Rn. 32; Sodan, DVBl 1999, 729, 734. Siehe auch Erbguth, UPR 2000, 81, 87; Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955, 958. Diese enge Auslegung der Offensichtlichkeit soll den schwierigen oder unmöglichen Nachweis eines hypothetischen Behördenwillens so weit wie möglich durch objektive Kriterien ersetzen. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 354. 31 Vgl. Schäfer in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 33, 40; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28; Gromitsaris, SächsVBl 1997, 101, 104. Vgl. auch Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 2. Insofern ermöglicht dieses Verständnis der Vorschrift auch eine deutliche Abgrenzung zum Kausalitätskriterium der Rechtsprechung, das dem Kläger die Beweislast für die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung auferlegt. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 353 f. 32 Vgl. Ipsen, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 707. Daraus folgt, dass auch nur die Möglichkeit einer anderen Entscheidung der Behörde bei richtiger Durchführung des Verfahrens den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs entfallen lässt. Vgl. dazu auch Bülow, Relativierung, S. 388. 33 So für das Beteiligungsrecht der Öffentlichkeit Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 373 f. Für die Anhörung ebenso Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 479.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

begrenzen.34 Schließlich werden bei Ermessensentscheidungen sowie bei Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum die Gründe für die Entscheidung erst im Verfahren entwickelt, so dass der fehlende Einfluss des Verfahrensfehlers auf das Ergebnis nicht ohne weitere Ermittlungen unschwer zu erkennen sein kann.35 Die geforderte enge Auslegung der Offensichtlichkeit begrenzt daher den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs wie bei § 46 VwVfG a. F. auf Fälle rechtlicher Alternativlosigkeit in Form von gebundenen Entscheidungen. Fraglich ist aber, ob die Unterscheidung zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG ausreicht.36 Schließlich können insbesondere im Umweltrecht auch bei rechtlich gebundenen Entscheidungen Wertungen der Behörde erforderlich sein, die die nachträgliche Feststellung des Einflusses des Verfahrensfehlers auf die Sachentscheidung schwierig oder unmöglich machen, zum Beispiel wenn die Entscheidung die Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs erfordert. Die enge Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals als Instrument zur Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG auf gebundene Entscheidungen kann die Schwierigkeiten bei der nachträglichen Feststellung des Einflusses des Verfahrensfehlers folglich nicht allein bewältigen.

II. Kriterien zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler Dieses Ungenügen des Offensichtlichkeitsmerkmals wirft die Frage auf, ob überhaupt eine generelle Aussage darüber möglich ist, in welchen Fällen Verfahrensfehler offensichtlich ohne Einfluss auf das Ergebnis sind. Zur Untersuchung dieser Frage werden Möglichkeiten geprüft, die Norm durch Kriterien zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler in Abgrenzung zu 34 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 7 f.; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 49 Rn. 54. Ausweislich der Begründung des Gesetzgebers in BTDrucks. 13/3995, S. 8, ist § 46 VwVfG allerdings auf Ermessensentscheidungen anwendbar. Ebenso Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 27; Sodan, DVBl 1999, 729, 734. Anders wohl Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 32. Ob § 46 VwVfG n. F. selbst bei einer strikten Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals tatsächlich die Aufhebung von Ermessensentscheidungen auszuschließen vermag, wird daher bezweifelt von Erbguth, UPR 2000, 81, 87; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 90. 35 Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 628 f. Bei gebundenen Entscheidungen sei die Anwendung der Norm dagegen unproblematisch, da in diesen Fällen der fehlende Einfluss des Verfahrensfehlers stets offensichtlich sei. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 353. 36 Zweifel bei Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27; Krebs, DVBl 1984, 109, 112; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 298; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 111 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 31. Ferner Wolf, Umweltrecht, Rn. 897 im Hinblick auf die planungsrechtlichen materiellen Auswirkungen der UVP.

II. Kriterien zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler

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unbeachtlichen Verfahrensverstößen zu konkretisieren. Dabei ist eine angemessene Abgrenzung zu treffen zwischen der notwendigen Relativierung des Verfahrensrechts bei marginalen Verfahrensfehlern und der Sanktionierung von Verletzungen wichtiger Verfahrensrechte durch Aufhebung der Entscheidung.37 1. Die Art des Verfahrensfehlers Eine Möglichkeit ist zunächst, die Anwendung des § 46 VwVfG von der Art des Verfahrensfehlers abhängig zu machen.38 Zum Beispiel kann davon ausgegangen werden, dass Formfehler in der Regel nur einen geringen Einfluss auf die Sachentscheidung haben,39 während umgekehrt zum Beispiel die Mitwirkung einer befangenen Person ohne Weiteres auf einen Einfluss in der Sache schließen lässt.40 Solche punktuellen Fälle tragen allerdings nicht zur Entwicklung eines systematischen Abgrenzungskriteriums bei, so dass allgemeinere Kriterien gefunden werden müssen. Eine mögliche Differenzierung nach der Art des Verfahrensfehlers ist die Qualifikation bestimmter Fehler als absolute Verfahrensfehler,41 die systematisch eine Ausnahme zum regelmäßigen Ausschluss des Aufhebungsanspruchs nach § 46 VwVfG darstellt. Begründet wird die Annahme absoluter Verfahrensfehler von der Rechtsprechung mit Zielrichtung und Schutzzweck der betroffenen Verfahrensvorschrift, die gerade in der Wahrung des Anhörungs- oder Mitwirkungsrechts selbst liegen müssen, so dass das Verfahrensrecht mit einer eigenen Schutzfunktion ausgestattet ist.42 So hat das 37 Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 204 f.; Wahl, DVBl 2003, 1285, 1292; Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307, 323. 38 So Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 30; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 48 f. 39 Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 30. Dies liegt auch daran, dass schwere Formfehler in der Regel sowieso bereits zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen. 40 So Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 33; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 48 f. Zu den Besonderheiten des Sachaufklärungsmangels Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 300 ff. 41 Siehe zu absoluten Verfahrensfehlern bereits im 2. Kapitel unter II. 3. Rupp in: FS Bachof, S. 151. 155, versteht absolute Verfahrensfehler als diejenigen formellen Gesetzesverstöße, hinsichtlich derer eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung vom Beruhen der Entscheidung auf ihnen besteht. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 286, bemängelt das Fehlen einer stringenten Systematik zu absoluten Verfahrensfehlern im deutschen Recht. Kritisch zur vorschnellen Etikettierung als absolutes Verfahrensrecht Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 315. 42 Vgl. BVerwGE 41, 58, 64; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 31; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 287 f. mit weiteren Nachweisen.

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BVerwG die Qualifizierung eines Verstoßes gegen das naturschutzrechtliche Beteiligungsrecht von Umweltverbänden nach § 29 BNatSchG als absoluten Verfahrensfehler damit gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an Naturschutz und Landschaftspflege durch das Beteiligungsrecht subjektiviert habe und das Beteiligungsrecht infolgedessen keine dienende Funktion gegenüber einem materiellen Recht, sondern eigenständiges Gewicht und absoluten Charakter besitze.43 Die Verletzung eines solchen subjektivierten Beteiligungsrechts kann nicht sanktionslos bleiben, soll das Verfahrensrecht nicht entwertet werden.44 Fraglich ist allerdings, ob eine Unterscheidung zwischen qualifizierten und einfachen Anhörungs- oder sonstigen Verfahrensrechten geeignet ist, die Beachtlichkeit oder Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers zu rechtfertigen. Schließlich ist das Verfahren notwendigerweise stets auf das materielle Ergebnis bezogen, ohne deswegen zum bloßen Selbstzweck zu werden. Diese Überlegung vermag die qualitative Abgrenzung von Anhörungsund sonstigen Verfahrensrechten folglich nicht zu erklären.45 Da die qualitative Unterscheidung verschiedener Verfahrensrechte höchstens aus der Frage resultieren kann, wie das Verfahren auf das Ergebnis zu beziehen ist, wird Ähnlich Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 15, die als absolute Verfahrensfehler Verstöße gegen selbstständige Form-, Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften qualifizieren, die nach ihrem Sinn und Zweck keine bloß dienende Funktion haben, sondern unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung beachtet werden sollen. Anders Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 288 f.: Bei genauer Betrachtung der fraglichen Fallgruppen ergebe sich, dass die unbedingte Sanktionierung absoluter Verfahrensfehler eher der richtigkeitssichernden Funktion des verletzten Verfahrensrechts geschuldet sei. So belege § 42 S. 2 SGB X, dass auch in anderen Bereichen des besonderen Verwaltungsrechts bestimmte Verfahrensrechte aufgrund ihrer wesentlichen Bedeutung für das in diesem Rechtgebiet durchzuführende Verfahren von der Unbeachtlichkeit ausgenommen sind. Ebenso wird aufgrund der richtigkeitssichernden Informationsfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung für die Behörde die Sanktionierung von Verstößen gegen Beteiligungsrechte gefordert, vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 373 f. 43 Vgl. BVerwGE 105, 348, 354. Dazu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 366 ff.; kritisch Ziekow, VerwArch 91 (2000), 483, 500 ff. Da Naturschutzverbände seit Einführung der naturschutzrechtlichen Verbandsklage die Möglichkeit haben, materielle Mängel gerichtlich geltend zu machen, wird angenommen, dass es keine Gründe mehr gebe, die Anwendung des § 46 VwVfG auf das naturschutzrechtliche Beteiligungsrecht auszuschließen. Vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 9; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 314 mit Rechtsprechungsnachweisen. 44 Vgl. auch VGH Kassel ZUR 2009, 87, 89 (Rn. 11). Hinzuweisen ist hier darauf, dass diese Argumentation den Umkehrschluss zulässt, dass das BVerwG allen anderen Verfahrensrechten wie den UVP-Vorschriften, deren Verletzung unbeachtlich bleibt, dienende Funktion zuschreibt. Gerade die Verfahrensrechte der UVP gehen in ihrer Bedeutung für das Entscheidungsergebnis aber deutlich über eine dienende Funktion hinaus. 45 So die Kritik von Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 367.

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vorgeschlagen, dienende Verfahrensrechte als Rechte zu definieren, die auf die Informationsbeschaffung der Behörde gerichtet sind. Dann müsste umgekehrt jede Verletzung eines Verfahrensrechts zur Aufhebung führen, das der Vertretung spezifischer Interessen dient und somit auf die Beteiligten selbst bezogen ist.46 Dem stehen allerdings sowohl die Schwierigkeit einer genauen Abgrenzung als auch die Frage entgegen, ob eine solch punktuelle Ausnahmeregelung zu einer systematischen Auslegung und Anwendung des § 46 VwVfG beitragen kann.47 Gegen das Konzept der absoluten Verfahrensfehler wird überdies vorgebracht, dass es über den Wortlaut und die Intention des § 46 VwVfG hinausgehe.48 Die Differenzierung nach der Art des Verfahrensfehlers reicht folglich zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG nicht aus. 2. Die Art des verletzten Verfahrensrechts Die Abgrenzung nach der Art des Verfahrensfehlers überlagert sich teilweise mit der ähnlichen Überlegung, die Beachtlichkeit von Verfahrensverstößen nach der Art des verletzten Verfahrensrechts zu bestimmen. So ist der Gedanke, dass Verfahrensvorschriften, denen ein eigenständiger Zweck oder Eigenwert zukommt, nicht für unbeachtlich erklärt werden dürfen, Grundlage des Konzepts der absoluten Verfahrensfehler. Einen weiteren Abgrenzungsversuch auf der Grundlage einer systematischen Klassifizierung des verletzten Verfahrensrechts stellt die Einteilung in erfolgsbezogene 46

Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 367. Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 206 f.; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 369. Trotzdem fordert letzterer, dass Verletzungen des Beteiligungsrechts ähnlich einem absoluten Verfahrensfehler aufgrund der eigenständigen Bedeutung der Beteiligung für den diskursiven Entscheidungsprozess nicht sanktionslos bleiben können. Es sollen nur solche Fehler nicht zur Aufhebung der Entscheidung führen, die den diskursiven Prozess unberührt ließen. Verfahrensfehler, die sich dagegen auf die Möglichkeit der diskursiven Vertretung der Interessen und Belange der Beteiligten ausgewirkt haben, führen als absolute Verfahrensfehler stets zur Aufhebung der Entscheidung. Korrekturen in Einzelfällen sind möglich, zum Beispiel wenn weder rechtlich noch faktisch eine alternative Entscheidung möglich gewesen wäre. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 373 ff. 48 So für § 46 VwVfG a. F. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 269. Kritik auch bei Ziekow, VerwArch 91 (2000), 483, 501 f. Dass die Annahme eines absoluten Verfahrensfehlers unabhängig von § 46 VwVfG erfolgt, zeigt sich auch an der Begründung des BVerwG, dass eine eigene Schutzfunktion eines Verfahrensrechts nur dann gegeben sei, wenn die gesetzliche Regelung erkennbar davon ausgeht, dass ein am Verfahren zu beteiligender Dritter allein unter Berufung auf den Verfahrensmangel und also ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache die Aufhebung einer behördlichen Entscheidung soll durchsetzen können. Vgl. BVerwGE 41, 58, 65. 47

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und handlungsbezogene Verfahrensvorschriften dar. Dabei gilt die Verletzung von erfolgsbezogenen Verfahrensvorschriften als relativer Aufhebungsgrund, während der Verstoß gegen handlungsbezogene Verfahrensvorschriften als absoluter Aufhebungsgrund zur Aufhebung der Entscheidung führt.49 Einen ähnlichen Anknüpfungspunkt wählt der Vorschlag, Entscheidungen bei Verfahrensverstößen aufzuheben, die sich – wie Verstöße gegen Ausschluss- und Befangenheitstatbestände sowie gegen die örtliche Zuständigkeit – auf die Entscheidung insgesamt beziehen, da in diesen Fällen die Entscheidung stets auf dem Verfahrensfehler beruht.50 Dagegen sollen Verstöße gegen Verfahrensrechte, die wie die Öffentlichkeitsbeteiligung der Ermittlung des relevanten Abwägungsmaterials dienen, nur dann die Aufhebung der Entscheidung zur Folge haben, wenn sie zu einem Abwägungsfehler geführt haben, der auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist.51 Letztere Unterscheidung stößt im Hinblick auf die ebenfalls der Ermittlung des Abwägungsmaterials dienende UVP allerdings insofern an ihre Grenzen, als es dem Konzept der UVP nicht gerecht wird, die Aufhebung einer UVP-pflichtigen Entscheidung an das Vorliegen eines Abwägungsmangels zu koppeln.52 Überdies werfen diese Ansätze die Frage auf, ob und wie der Charakter und die Funktion des jeweiligen Verfahrensrechts im konkreten Fall eindeutig qualifiziert werden können. Beispielsweise bleibt unklar, wann eine Verfahrensvorschrift als erfolgsbezogen oder handlungsbezogen zu qualifizieren ist oder wann ihr ein bestimmter Eigenwert zukommt.53 Auch die Einordnung als qualifiziertes oder einfaches Verfahrensrecht, das auf die Entscheidung insgesamt bezogen ist oder aber der Ermittlung des Abwägungsmaterials dient, ist insofern schwierig, als Verfahrensrechte gleichzeitig verschiedene Ziele verwirklichen können.54 Eine starre Einteilung würde der Tatsache nicht gerecht, dass einem Verfahrensrecht abhängig vom konkreten Fall unterschiedliche Bedeutung und Funktion zukommen kann. Die Abgrenzung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen 49 So für § 46 VwVfG a. F. Breuer in: FS Sendler, S. 357, 382 ff., 383. Dazu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 268 f. 50 So Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 29. Schließlich kann der Entscheidungsgang einer anderen Behörde oder eines anderen Amtswalters stets zu einer anderen Entscheidung geführt haben, so dass das Gericht die behördliche Entscheidung nicht nachvollziehen kann, ohne über Behördeninterna oder Entscheidungsprozesse der handelnden Personen zu spekulieren. Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 275. Nach Bülow, Relativierung, S. 382, hat sich dieser Abgrenzungsversuch allerdings nicht durchsetzen können. 51 Vgl. Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 29. 52 Vgl. dazu Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 276 f. 53 Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 206 f. 54 Ablehnend auch Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 369.

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Verfahrensfehlern kann folglich nicht ausschließlich anhand des verletzten Verfahrensrechts vorgenommen werden.55 3. Die Vorgaben des materiellen Rechts Die hier beschriebenen Abgrenzungsversuche lenken allerdings den Blick auf die Bedeutung des materiellen Rechts für die Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler. Daher muss die Feststellung, gegen welche Verfahrensgarantien generell sowie im konkreten Fall verstoßen werden kann, ohne die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu berühren, anhand des Zusammenspiels zwischen materiellem und Verfahrensrecht getroffen werden.56 a) Materielles Recht als Verhaltens- und Kontrollmaßstab Materielles Recht ist zugleich Verhaltensmaßstab für die Behörde und Kontrollmaßstab für das Gericht.57 Das materielle Verwaltungsrecht übernimmt somit eine verfahrens- und prozessbezogene Doppelfunktion, die auf der Bindung von Exekutive und Judikative an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG beruht.58 Mit der im Gesetz enthaltenen Wertentscheidung gibt das materielle Verwaltungsrecht sowohl die Art und Weise sowie die Intensität der Steuerung des Verwaltungshandelns59 als auch die normativen Maßstäbe für die Kontrollaufgabe des Richters vor.60 55 Ähnlich die Argumentation bei Bülow, Relativierung, S. 95, im Hinblick auf die im Gemeinschaftsrecht vorgenommene Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Verfahrensvorschriften. 56 Vgl. Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27. 57 Vgl. Bettermann in: GS Walter Jellinek, S. 361, 363; Rupp in: FS Zeidler I, S. 455, 466; Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 115, 125; Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 55; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 81, 155; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 356; Papier, DÖV 1986, 621. 58 Vgl. Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 106 sowie S. 81, 155. Diese entwickelt ausgehend von dieser Scharnierfunktion des materiellen Verwaltungsrechts ein Prinzip der normativen Konnexität von Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht, vgl. S. 496 ff. sowie S. 143 f., 155 ff. Vgl. ferner Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 3 Rn. 11. Zur Bindung des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsprozesses an die Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 197, 200. 59 Vgl. Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 498; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 336 ff. Vgl. auch Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert, Reform, S. 65, 69 f.; Badura in: FS Bachof, S. 169. 60 Vgl. Badura in: FS Bachof, S. 169, 170.

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Gegenwärtig verringern die weitreichende Einräumung von Beurteilungsspielräumen sowie die tatbestandliche Offenheit umweltrechtlicher Normen61 die materielle Steuerungskraft des Gesetzes. Daraus folgt einerseits, dass die Anforderungen an die Konkretisierungsleistung der Verwaltung in dem Maße steigen, in dem die gesetzliche Steuerungsintensität nachlässt.62 Aus der Kontrollperspektive bedeutet dies andererseits, dass trotz der dem Gesetzgeber obliegenden Pflicht, die Kontrollaufgabe des Richters normativ vorzuzeichnen, die Maßstäbe gerichtlicher Kontrolle ungenügend sein können.63 Diese Funktionsgrenzen der gerichtlichen Kontrolle64 werden insbesondere bei einem hohen prognostischen Gehalt der nachzuvollziehenden Entscheidung sowie in den Fällen erreicht, die eine besondere, bei der Exekutive verankerte Sachkunde oder ein qualifiziertes Entscheidungsverfahren erfordern.65 Da die Gerichte die der Verwaltung zustehende Wer-

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Vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert, Reform, S. 11, 30 f. Zur Delegation von Entscheidungsbefugnis an die Verwaltung durch den Gesetzgeber durch die Einräumung weitreichender Beurteilungsspielräume auch Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 65, 78 f., 96 ff.; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 353 ff.; Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 371; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 108 ff., 120 f. unter Hinweis auf Badura in: FS Bachof, S. 169, 171. Grundsätzlich dazu auch Grimm, NVwZ 1985, 865, 866. Generell zur Begrenztheit legislativer Steuerung bei komplexen, gestaltenden Verwaltungsaufgaben Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137, 148 f.; ders., Hierarchische Verwaltung, S. 164 ff.; ferner auch Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 49 f. 62 Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 185; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 166; von Danwitz, DVBl 1993, 422, 425. 63 So Badura in: FS Bachof, S. 169, 170; Pitschas in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 27, 50 f.; vgl. auch Wahl, Risikobewertung, S. 41, 50; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 337 f. Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 122, spricht vom „Verlust der Maßstabsfunktion des Gesetzes“. Deutlich Bachof, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 34 (1976), 107: „Wir unterstellen, wenn wir von der Bindung an das Gesetz sprechen, oft allzu selbstverständlich, daß die anzuwendende Gesetzesnorm hinreichend eindeutig und damit überhaupt bindungsfähig wäre. Sie ist es eben oft nicht. Wie ist das Verhältnis von Gesetzgeber und kontrollierendem Richter dann?“ Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 157, bezeichnet die nachlassende Steuerungskraft materieller Normen als gesetzgeberische Grundwertentscheidung. Umgekehrt nimmt Franßen an in: FS Zeidler I, S. 429, 438, dass der Steuerungsverlust des Gesetzes aus einem ausschließlich auf den Rechtsschutz ausgerichteten Verständnis von Gesetzesvollzug resultiert. 64 Begriff in BVerfGE 84, 34, 50. 65 Vgl. Ossenbühl in: FS Redeker, S. 55, 66. Zu den Funktionsgrenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ders., ebd., S. 64 ff.; Schmidt-Aßmann in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 188; Franßen in: FS Zeidler I, S. 429, 443 ff.

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tung nicht selbst vornehmen dürfen,66 ist in diesen Fällen die materielle Kontrollbefugnis der Gerichte in der Regel eingeschränkt.67 Dieses Defizit in der materiellen Kontrolle kann durch eine verstärkte Verfahrenskontrolle ausgeglichen werden.68 Veränderungen der Steuerungsintensität des materiellen Rechts zeitigen also Auswirkungen auf das Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht.69 Für die Auslegung des § 46 VwVfG stellt sich somit die Frage nach den verwaltungsverfahrensund verwaltungsprozessrechtlichen Reaktionen auf die Einräumung administrativer Handlungsspielräume und die infolgedessen reduzierte Steuerungskraft des materiellen Verwaltungsrechts. Eine grundsätzliche Antwort auf diese Frage ist die Unterscheidung zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen, an die das Verwaltungsverfahrensrecht unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft.70 Zu prüfen ist daher, ob und inwiefern die Unterscheidung zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen zur inhaltlichen Bestimmung des § 46 VwVfG beitragen kann. 66 Siehe schon die Kritik von Redeker, DÖV 1971, 757, 761: das Gericht mache sich selbst zur planenden, gestaltenden, zukunftsbestimmenden Behörde, wenn es sich über die offenen, zukunftsgestaltenden Entscheidungen des Umweltrechts eine vollständige Kontrolle – zum Beispiel auch unbestimmter Rechtsbegriffe – anmaße. 67 So auch Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 49. Dazu bereits im 4. Kapitel unter I. Auch Art. 20a GG ermächtigt die Gerichte nicht dazu, ihre eigene Entscheidung über das richtige Maß des Umweltschutzes an die Stelle der eigentlich zuständigen Verwaltungsbehörde zu setzen, selbst wenn der Umfang der staatlichen Aufgabe Umweltschutz im Einzelnen zu unbestimmt bleibt. Vgl. Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a Rn. 58. 68 Siehe dazu bereits im 4. Kapitel unter II. 3. und 4. Ferner Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 49; Wahl in: Staatslexikon Band 5, Sp. 628, 632. 69 Vgl. Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 104. Grund dafür ist, dass die Steuerungskraft des materiellen Verwaltungsrechts aufgrund der bestehenden Wechselwirkungen zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht bzw. Prozessrecht mit über die Machtverteilung der drei Staatsgewalten zueinander entscheidet. Dies zeigt auch das Gemeinschaftsrecht, in dem beispielsweise die materielle Grundentscheidung für den integrativen Umweltschutz zu ihrer erfolgreichen Verwirklichung sowohl eine Anpassung bestehender Verfahrensregelungen erfordert als auch aufgrund der Vereinheitlichung der Anlagengenehmigung Auswirkungen auf die Gestaltung des umweltrechtlichen Rechtsschutzsystems zeitigt. Siehe dazu Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 404 ff., insbesondere S. 442 und 477. 70 Vgl. §§ 36 Abs. 1, 39 Abs. 1, 40 VwVfG sowie die herkömmliche Auslegung des § 46 VwVfG a. F. Zu den zwischen gebundenen und Ermessensverwaltungsakten unterscheidenden Regelungen des VwVfG Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 121 ff. Als weitere Reaktionen auf behördliche Handlungsspielräume gelten der Erlass von Verwaltungsvorschriften zur Ausfüllung gewährter Handlungsspielräume und zur Gewähr des notwendigen Maßes an Regelorientierung sowie die Verfahrensregelungen zum Erlass dieser untergesetzlichen Normen. Vgl. Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 123 ff., 126.

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b) Abgrenzung nach gebundenen und Ermessensentscheidungen: Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf unbestimmte Rechtsbegriffe? Nach der herkömmlichen Auslegung des § 46 VwVfG a. F. war die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften gebundenen Entscheidung aufgrund ihrer rechtlichen Alternativlosigkeit stets ausgeschlossen, während Verfahrensverstöße bei Ermessensentscheidungen in der Regel zur Aufhebung der Entscheidung führten, da stets eine andere Entscheidung rechtlich möglich gewesen wäre.71 Auch die Auslegung des § 46 VwVfG n. F. orientiert sich am Bindungsgrad der Norm, obwohl der Wortlaut dies nicht eindeutig vorgibt.72 Es wird zum Beispiel angenommen, dass Fehler der örtlichen Zuständigkeit nur bei gebundenen Entscheidungen ohne jeden Einfluss auf die Sachentscheidung geblieben sein können, während bei Ermessensentscheidungen grundsätzlich die Möglichkeit eines Einflusses anzunehmen ist, da eine andere Behörde womöglich zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre.73 Nach diesem Verständnis ist bisher auch die Aufhebung einer gebundenen Entscheidung ausgeschlossen, die einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält.74 Da die Entscheidung rechtlich nicht anders hätte ergehen dürfen, soll die Entscheidung auch dann nicht aufgehoben werden, wenn die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs von der Behörde umfangreiche Ermittlungen und Wertungen erfordert. Auch die Rechtsprechung behandelt Verfahrensfehler bei Entscheidungen mit unbestimmten Rechtsbegriffen generell als unbeachtlich, da sie aufgrund des Grundsatzes vollständiger gerichtlicher Kontrolle die vollständige Ermittlung des Sachverhalts durch das Gericht und die richtige Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs für voll überprüfbar hält.75 Folglich führt die Anwendung des § 46 VwVfG auf 71

Siehe dazu bereits im 2. Kapitel unter II. 1. c). So zum Beispiel noch OVG Münster NuR 2006, 320, 321; Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27. Vgl. dazu Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 259. Gegen die Anwendung des § 46 VwVfG n. F. auf Ermessensentscheidungen Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 122. 73 Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 31. Zum Beispiel kann die örtlich zuständige Behörde aufgrund von bestehendem Wissen und Entscheidungspraxis aus Vorentscheidungen die Alternativen anders beurteilen. 74 Zu unbestimmten Rechtbegriffen vgl. Franßen in: FS Zeidler I, S. 429; Erichsen, DVBl 1985, 22. Zur Entwicklung von Ermessen und unbestimmtem Rechtsbegriff Rupp in: FS Zeidler I, S. 455, 458 ff. 75 So das BVerwG im so genannten Voerde-Urteil im Hinblick auf die Überprüfbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 6 BImSchG, BVerwGE 55, 250, 253 f. Vgl. ferner BVerwGE 65, 287, 289 f.; ebenso BVerwGE 61, 45, 49 f.; 69, 90, 91 f. im Hinblick auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, sowie BVerwGE 90, 25, 35 ff. hinsichtlich der Aufhebung von Bewilligungsbescheiden nach dem BAföG. Ebenso Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietz72

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die gebundene immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung dazu, dass ein Verstoß gegen Vorschriften des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens nur dann zur Aufhebung der Genehmigung führt, wenn die Genehmigung materiell rechtswidrig ist und Rechte des Klägers verletzt.76 Gerade das Beispiel der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wirft allerdings die Frage auf, ob diese Unterscheidung zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen so aufrechterhalten werden kann.77 Denn trotz der in der Rechtsfolge gebundenen Entscheidung ist das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ein komplexes, auf die Bewältigung schwieriger technischer, wirtschaftlicher und ökologischer Sach- und Rechtsfragen gerichtetes Verfahren, das der Strukturierung einer in hohem Maße unbestimmten Sachentscheidung dient.78 Dabei erfordern die im Genehmigungstatbestand enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe wie der Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile und erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft“ in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG oder die Begriffe der ner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 22; für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 117 und § 48 Rn. 43. Anders aber OVG NW NWVBl 1989, 250, 252. Siehe auch Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 183; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 248 ff. Für die Anwendung des § 46 VwVfG auf unbestimmte Rechtsbegriffe auch Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 69 ff.; Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 27. 76 Ebenso die immissionsschutzrechtliche Literatur. Vgl. nur Czajka in: Feldhaus, BImSchG, § 10 Rn. 112, 116; Storost in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 10 Rn. H 2; nicht ganz deutlich Sellner/Reidt/Ohms, Immissionsschutzrecht, 3. Teil, Rn. 80. Anderer Ansicht Roßnagel in: Koch/Scheuing/Pache, GK-BImSchG, § 10 Rn. 581 ff., 584 f., der eine eingeschränkte Anwendbarkeit des § 46 VwVfG im Immissionsschutzrecht fordert. Siehe dazu Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 252; Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 92. 77 Vgl. bereits Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 92 ff. 78 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 251. Insbesondere für den besonderen Fall der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wird aufgrund der tatsächlich bestehenden Entscheidungsspielräume der Verwaltung zum Teil auch ganz abgelehnt, diese wie andere gebundene Entscheidungen als durchgängig tatbestandlich determiniert anzusehen. Schließlich gehörten aufgrund von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auch die Ergebnisse von Ermessens- und Abwägungsentscheidungen zum inhaltlichen Bestand der Genehmigung. Zudem enthielten die der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe dienenden Verwaltungsvorschriften oft lediglich die Aufforderung zur Einzelfallbeurteilung. So Bohne in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 217, 249. Vgl. ferner Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 251, sowie OVG NW NWVBl 1989, 250, 252 f., das im Hinblick auf das Verfahren zur denkmalschutzrechtlichen Unterschutzstellung von Sachen es trotz dessen Ausgestaltung als gebundene Entscheidung ablehnt, das Ergebnis als absolutes, gebundenes Ergebnis zu qualifizieren, so dass das Gericht folgerichtig auch in diesem Fall § 46 VwVfG anwendet.

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„Vorsorge“ und des „Standes der Technik“ in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die Ausfüllung und Wertung dieser Begriffe durch die Behörde.79 Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren weist damit eine erstaunliche tatbestandliche Offenheit auf.80 Da die im Genehmigungstatbestand verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe im Verwaltungsverfahren erst näher konkretisiert werden müssen, wird folglich auch bei unbestimmten, offenen Rechtsbegriffen die materielle Entscheidung prozedural erst hervorgebracht.81 Da diese erforderliche Konkretisierung des Entscheidungsspielraums bei unbestimmten Rechtsbegriffen ebenso von untergesetzlichen Rechtsnormen vorgenommen wird wie bei Ermessensentscheidungen, bestimmt nicht die begriffliche Unterscheidung die tatsächliche Gestalt des der Behörde zustehenden Entscheidungsspielraums.82 Gebundene Genehmigungsentscheidungen mit unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensentscheidungen unterscheiden sich weniger rechtsdogmatisch als sprachlich, sie übernehmen vielmehr funktional äquivalente Aufgaben.83 Es ist anerkannt, dass die Verfahrensrechte bei Ermessensentscheidungen gerade der Beeinflussung des Verfahrensablaufs und somit der Entscheidung dienen.84 Auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren dienen die detaillierten Informations- und Beteiligungsrechte der Ermittlung und Strukturierung des Tatsachenmaterials, das in die Ausfüllung und Wertung des unbestimmten 79 Wahl, Risikobewertung, S. 41, 45 f.; Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 93. Auch die dem Genehmigungstatbestand vorangestellten Legaldefinitionen der zentralen Begriffe in § 3 BImSchG ändern nichts an der grundsätzlichen Konkretisierungsbedürftigkeit der gebundenen Genehmigungsentscheidung, da selbst die Begriffsbestimmungen von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt sind. Vgl. nur die Definition der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. 80 Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 48; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 113; Schenke, DÖV 1986, 305, 316; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 251. Dieser weist darauf hin, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung im französischen Recht eine Ermessensentscheidung ist. Weitere Nachweise bei Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 253 in Fn. 56. 81 Roßnagel in: Koch/Scheuing/Pache, GK-BImSchG, § 10 Rn. 584; Schenke, DÖV 1986, 305, 316; Grimm, NVwZ 1985, 865, 871; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47 f.; Hufen, Fehler, Rn. 8; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 253. 82 Bohne in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 217, 249 f.; Roßnagel in: Koch/Scheuing/Pache, GK-BImSchG, § 10 Rn. 585. 83 Bohne in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 217, 250. Vgl. auch Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 26. 84 Hufen, Fehler, Rn. 628; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 47. Ähnlich von Danwitz, DVBl 1993, 422, 425 f.

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Rechtsbegriffs einfließt.85 Dem Verwaltungsverfahren kommt demzufolge bei technisch komplexen, konkretisierungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffen aufgrund der eingeschränkten maßstabsbildenden Kraft des Gesetzes eine ähnlich kompensatorische Funktion zu wie bei Ermessensentscheidungen.86 Der Unterschied zu einer Ermessensentscheidung ist folglich kein qualitativer, sondern eine graduelle Frage der Gesetzesbindung.87 Daraus folgt, dass auch bei gebundenen Entscheidungen die bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe erforderliche verfahrensrechtliche Konkretisierung im Gerichtsverfahren nicht in adäquater Weise nachgeholt und damit „überholt“ werden kann.88 In komplexen Planungsverfahren, die die Abstimmung konkurrierender Ziele, die Abwägung zwischen unterschiedlichen behördlichen und privaten Interessen sowie die Abschätzung voraussichtlicher Entscheidungsfolgen erfordern, kann die Alternativlosigkeit einer gebundenen Entscheidung mit unbestimmtem Rechtsbegriff also mit gutem Grund bezweifelt werden.89 Aus diesem Grund kann § 46 VwVfG auf gebundene Entscheidungen mit unbestimmten Rechtsbegriffen und Momenten „unechter Abwägung“90 nicht unbeschränkt angewendet werden.91 85 Vgl. Roßnagel in: Koch/Scheuing/Pache, GK-BImSchG, § 10 Rn. 585, der darauf hinweist, dass das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren dazu diene, die Belange Dritter einzubringen. 86 Vgl. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 254 f.; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 136; Sendler in: FS Schlichter, S. 55, 84; von Danwitz, DVBl 1993, 422, 426; Wahl, Risikobewertung, S. 41, 84; Grimm, NVwZ 1985, 865, 871; Schenke, DÖV 1986, 305, 316; ders., VBlBW 1982, 313, 325 f.; Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 94. 87 Vgl. Rupp in: FS Zeidler I, S. 455, 459; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 254; Grimm, NVwZ 1985, 865, 871. Ähnlich bereits Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 223: die Grenze zwischen gebundenen und Ermessensakten stelle eine der durchlässigsten und ungesichertsten im gesamten Recht dar. Kritisch auch Wahl, NVwZ 1991, 409, 416; Franßen in: FS Zeidler I, S. 429, 444; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 188 ff. 88 Vgl. BVerfGE 84, 34, 50: „Unbestimmte Rechtsbegriffe können allerdings wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, daß die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt.“ Siehe dazu auch Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 253 f.; Roßnagel in: Koch/Scheuing/Pache, GK-BImSchG, § 10 Rn. 585; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151, 176 f.; ders., Risikobewertung, S. 41, 83. Auch Meyer in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 31, nimmt an, dass im Hinblick auf Fehler der örtlichen Zuständigkeit auch bei Entscheidungen mit unbestimmtem Rechtsbegriff grundsätzlich die Möglichkeit eines Einflusses besteht, da eine andere Behörde womöglich zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre. Diese Aussage belegt den bei unbestimmten Rechtsbegriffen eingeräumten Bewertungsspielraum der Behörden. 89 So auch Grimm, NVwZ 1985, 865, 871 f.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

Dagegen wird eingewandt, auf die ex ante bestehende Unbestimmtheit der richtigen Entscheidung komme es deswegen nicht an, da die richtige Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs stets diejenige sei, die von den zur Letztentscheidung berufenen Gerichten jeweils als die allein richtige anerkannt werde.92 Dies ist insofern zutreffend, als gerade die Tatsache, dass unbestimmter Rechtsbegriff und Ermessen lediglich in der gerichtlichen Kontrolle zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ein Beleg dafür ist, dass die begrifflichen Unterscheidungen in erster Linie der Kompetenzabgrenzung zwischen Verwaltung und Gerichten dienen.93 Die Justitiabilität unbestimmter Rechtsbegriffe schreibt den Verwaltungsgerichten die Letztentscheidungsbefugnis über das richtige Ergebnis bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe zu und ist damit eine Kompetenzverteilungsregel zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit.94 Allerdings erscheint es gerade fraglich, ob die Letztentscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte bei unbestimmten Rechtsbegriffen im Bereich des Umweltrechts noch gerechtfertigt ist.95 Auch das Gemeinschaftsrecht betrachtet unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensentscheidungen 90

Begriff bei Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 267. So auch Cloosters, Rechtsschutz Dritter, S. 94. Kritik gegen die unbeschränkte Anwendung des § 46 VwVfG auf gebundene Entscheidungen mit unbestimmten Rechtsbegriffen u. a. bei Grimm, NVwZ 1985, 865, 871; Goerlich, Grundrechte, S. 360 f.; Wahl, Risikobewertung, S. 41, 75 f.; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 46. Differenziert Roßnagel in: Koch/Scheuing/Pache, GK-BImSchG, § 10 Rn. 583, 585: § 46 VwVfG ist nicht anwendbar, wenn der Verfahrensfehler Dritte an der Einbringung ihrer Belange in das Verfahren gehindert hat. Nach Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 248, stellt die Frage der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf unbestimmte Rechtsbegriffe den zentralen Streitpunkt der gegenwärtigen Diskussion um die Norm dar. 92 Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 70 f.; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 252. Ebenso Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 253. 93 So Bohne in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 217, 249 f. Ähnlich Wahl, NVwZ 1991, 409; ders., Risikobewertung, S. 41, 42. 94 Vgl. Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 24; Papier, DÖV 1986, 621, 624; Schenke, DÖV 1986, 305, 316; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 292; ebenso Bader, Verwaltungsverfahren und materielles Recht, S. 21; Quaritsch in Blümel/Bernet, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 43, 56. Zentrale Frage ist dabei nach Erichsen, DVBl 1985, 22, 25 f., was die Voraussetzungen für das Vorliegen einer gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsermächtigung sind und warum der Verwaltung in diesen Fällen die Letztentscheidungsbefugnis zustehen soll. Diese Frage muss vom positiven Recht entschieden werden, so Papier, DÖV 1986, 621, 624. 95 Zweifel am Dogma der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit von unbestimmten Rechtsbegriffen bereits bei Franßen in: FS Zeidler, S. 429, 449. Siehe ferner Krebs in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 65; Di Fabio in: Blümel/Pitschas, Verwaltungsverfahren, S. 199, 207; Classen, NJW 1995, 2457, 2463 f.; Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 60; Würtenber91

II. Kriterien zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler

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als gleichrangige Teilaspekte der Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit der Verwaltung, die nicht so streng wie im deutschen Recht voneinander zu trennen sind.96 Entsprechend macht der EuGH die Intensität der gerichtlichen Überprüfung nicht wie die deutschen Gerichte davon abhängig, ob eine Ermessensnorm oder ein unbestimmter Rechtsbegriff vorliegt.97 Unabhängig von einer begrifflichen Einordnung als Tatbestands- oder Rechtsfolgeermessen gesteht der EuGH dem zuständigen Entscheidungsorgan immer dann einen nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Ermessensspielraum zu, wenn ihm die letztverbindliche Entscheidung nicht möglich ist, ohne sich an die Stelle der zuständigen Exekutivbehörde zu setzen.98 Seine Prüfungsbefugnis ist demzufolge in Bereichen mit hoher Sachverhaltskomplexität, die zu Entscheidungen auf Grund von Prognosen und Wertungen ermächtigen, sowie dort eingeschränkt, wo anderen Gemeinschaftsorganen eine größere Sachkompetenz zukommt.99 Aufgrund der im Gemeinschaftsrecht fehlenden Unterscheidung zwischen Ermessen und unbestimmtem Rechtsbegriff wirft auch das Beispiel der UVP die Frage auf, warum der verfahrensrechtlichen Strukturierung von Entscheidungsprozessen abhängig vom Bindungsgrad der jeweiligen Entger, VVDStRL 58 (1999), 139, 164. Differenzierend Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 748 ff. 96 Vgl. dazu EuGH Rs. 183/84, Slg. 1985, S. 3351, 3360 Rn. 23 (Rheingold). Ferner Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 280 f.; ders., Abstraktion, S. 179 f. mit Rechtsprechungsbeispielen; ders., NVwZ 2000, 241, 249; Hirsch, VBlBW 2000, 71, 73 f.; Pache, DVBl 1998, 380, 384; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202, 208; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 364; von Danwitz, Verwaltungsrechtl. System, S. 184, 328; Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 284; Bülow, Relativierung, S. 150 f. 97 Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 280 f., weist nach, dass die deutschen Übersetzungen der EuGH-Urteile unterschiedliche Ausdrücke für Entscheidungsspielräume der Verwaltung aufweisen. So wurde in EuGH verb. Rs. 197 bis 200, 243, 245 und 247/80, Slg. 1981 S. 3211, 3251 Rn. 37 (Ludwigshafener Walzmühle u. a./Rat und Kommission) in der deutschen Übersetzung das Wort „Ermessen“ hinzugefügt, während der französische Urteilstext lediglich von „pouvoir d’appréciation“ (Beurteilungsspielraum) spricht. Dagegen nimmt Bleckmann, Dogmatik, S. 130, an, dass der EuGH bei der Kontrolle von Ermessensentscheidungen und unbestimmten Rechtsbegriffen dem deutschen Modell folgen wird. 98 Vgl. EuGH Rs. 191/82, Slg. 1983 S. 2913, Rn. 30 (Fediol): „Insoweit ist dem Richter die Ausübung derjenigen Kontrolle übertragen, die ihm gewöhnlich angesichts eines Ermessensspielraums der öffentlichen Gewalt zusteht, ohne dass er dabei allerdings in die Würdigung eingreifen kann, die aufgrund der genannten Verordnung den Gemeinschaftsbehörden vorbehalten ist.“ Vgl. auch Bülow, Relativierung, S. 154. 99 Vgl. EuGH Rs. 191/82, Slg. 1983 S. 2913, Rn. 30 (Fediol); dazu Bülow, Relativierung, S. 155 f.; Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 283. Zur Kontrolldichte des EuGH bei Ermessensentscheidungen siehe die ausführliche Rechtsprechungsanalyse bei Schwarze, Eur. Verwaltungsrecht, S. 287 ff.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

scheidung unterschiedliches Gewicht zukommen soll, denn schließlich ist die UVP unterschiedslos auf gebundene und Ermessensentscheidungen anwendbar und entfaltet in beiden Fällen gleichermaßen ihre spezifische Prägung für das Entscheidungs- oder Genehmigungsverfahren.100 Die Unterscheidung zwischen unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen entspricht daher nicht den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts.101 Im deutschen Recht stellt sich folglich die Frage, ob die Unterscheidung zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen aus Sicht der gerichtlichen Kontrolle nicht willkürlich ist. Schließlich unterliegt auch die Ausübung des Ermessens der Bindung an rechtsstaatliche Grundsätze wie der Verhältnismäßigkeit, so dass Ermessens- und Abwägungsentscheidungen keine gänzlich freien, sondern durch rechtliche Kriterien strukturierte, rechtlich gebundene Verwaltungsentscheidungen sind.102 Umgekehrt bleibt der Erlass einer gebundenen Entscheidung ein schöpferischer, rechtskonkretisierender Vorgang, bei welchem nie ganz ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde bei korrekter Einhaltung des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.103 Auch das gänzliche Unterbleiben 100

Bedenken daher bei Hufen, Fehler, Rn. 628. Vgl. Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 312 in Fn. 193. Diese Inkongruenz kann als Aufruf zur Überprüfung einer solchen als gegeben betrachteten Grundannahme der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik betrachtet werden; so Schoch, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 135, 153. Grundsätzliche Zweifel an der Berechtigung und der Europarechtskompatibilität des Instruments der gebundenen Anlagengenehmigung überhaupt äußern Steinberg, AöR 120 (1995), 549, 552 f.; Scheuing in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 289, 346 f. Diese halten die gebundene Genehmigung des deutschen Rechts und die damit einhergehende Einengung auf eine Entscheidungsoption für nicht ohne Weiteres vereinbar mit dem in der UVP enthaltenen planerischen Moment. Ähnlich Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 9, 52: die Einengung auf eine Entscheidungsoption sei anachronistisch. Für Vereinbarkeit der gebundenen Genehmigung mit Gemeinschaftsrecht dagegen Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 1a, 26. 102 Vgl. Krebs, Kontrolle, S. 78 f.; ders., DVBl 1984, 109, 112, jeweils unter Hinweis auf Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, S. 41. Ebenso Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 152; Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 29; Goerlich, Grundrechte, S. 361; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 361 ff., 363; Wickel, UPR 2000, 92, 98. Auch die Ermessensreduzierung auf Null ist ein durch Verfahrensregelungen beeinflussbarer Vorgang. Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 625. 103 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 31; ferner Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 113; Erichsen, DVBl 1985, 22, 26; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 223. Ähnlich Hufen, Fehler, Rn. 414 ff.; Krebs, DVBl 1984, 109, 112; Rupp in: FS Bachof, S. 151, 164. Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137, 152, bezeichnet Ermessen und unbestimmte Rechtsbegriffe daher als bloße Variationen des zentralen Sachverhalts, dass der Exekutive Entscheidungsspielräume zustehen. Siehe auch BVerwGE 39, 355, 362 ff. 101

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der Entscheidung oder die Wahl eines anderen Entscheidungszeitpunkts können als Entscheidungsalternativen im Sinne des § 46 VwVfG gelten.104 Ferner spielt bei gebundenen Entscheidungen die Frage eine Rolle, welche Behörde oder welches Gremium die Entscheidung trifft.105 Damit unterliegt auch eine gebundene Entscheidung Modalitäten, die sie inhaltlich verändern können, insbesondere wenn sie unbestimmte Rechtsbegriffe aufweist.106 Da zudem bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe oft auch sozial- oder wirtschaftspolitische Gestaltungsaufträge berücksichtigt werden müssen, stößt die rechtsgestaltende Aufgabe des Richters insofern an ihre Grenzen, als sie auf eine Kontrolle der rechtlichen Formen und Maßnahmen beschränkt ist und die von der Verwaltung vorzunehmende Aufgabe der Zukunftsgestaltung, Planung, Lenkung und Steuerung nicht übernehmen oder ersetzen kann.107 Insbesondere in den komplexen, technisch anspruchsvollen Verwaltungsverfahren des Umweltrechts stellt die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe eine wertende Entscheidung der Behörde dar, die eine genaue Ermittlung der zugrunde gelegten Daten und Tatsachen erfordert.108 Die aus der hohen Komplexität und Dynamik des Umweltrechts resultierenden Funktionsgrenzen der gerichtlichen Kontrolle bei der Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe erfordern zum Ausgleich adäquate verfahrensrechtliche Regelungen, die den behördlichen Entscheidungsprozess objektivieren und präzisieren sowie den Verwaltungsgerichten die Beurteilung der ihnen zur Kontrolle überantworteten Entscheidungen ermöglichen.109 Die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle sollten sich daher weniger an den begrifflichen Feinheiten bei der Kategorisierung verwaltungsbehördlicher Beurteilungsspielräume orientieren als vielmehr an der Tatsache, dass das Gesetz zugleich Verhaltens- und Kontrollnorm ist und daher von Verwaltung und Gerichten ein jeweils unterschiedlicher Gesetzesvollzug ver104

Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 113. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 113 f. 106 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 113; Wickel, UPR 2000, 92, 98. 107 Vgl. Redeker, DÖV 1971, 757, 760; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 136; Schmidt-Aßmann in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 60, 182. Hinzu kommt, dass der zur Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe erforderliche Sachverstand bei der Verwaltung in der Regel in höherem Maße gegeben sein dürfte als bei den Gerichten. Vgl. Quaritsch in Blümel/Bernet, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 43, 56; ähnlich Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 163. 108 Vgl. den Tatbestand der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in § 6 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 BImSchG. 109 Vgl. Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 136; ferner Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 117. 105

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

langt wird.110 Einschränkungen der gerichtlichen Kontrolle ergeben sich – wie das Beispiel der begrenzten Kontrolle von Prüfungsentscheidungen zeigt – in erster Linie daraus, dass die von den Gerichten zu kontrollierenden Entscheidungen in vielen Fällen von situativen und nicht rekonstruierbaren Umständen geprägt sind, die die Nachholung der Entscheidung durch das Gericht ausschließen.111 Dies kann bei Ermessensentscheidungen ebenso der Fall sein wie bei unbestimmten Rechtsbegriffen.112 Daher kann das Dogma von der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe im Umweltrecht so nicht aufrechterhalten werden.113 Ist folglich die Letztentscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte aufgrund des hohen prognostischen Gehalts umweltrechtlicher Entscheidungen bei der Nachprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe eingeschränkt, muss entsprechend auch die nachvollziehende Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen seitens der Gerichte bei der Anwendung des § 46 VwVfG begrenzt werden.114 Dies folgt zum einen aus der nur eingeschränkt möglichen Feststellung des hypothetischen Entscheidungsergebnisses und zum anderen aus der gesteigerten kompensatorischen Bedeutung des Verfahrensrechts bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe. Im Ergebnis ist daher die Anwendung des § 46 VwVfG auf unbestimmte Rechtsbegriffe, die komplexe Wertungen seitens der Behörde erfordern, im Bereich des Umweltrechts auszuschließen oder zumindest einzuschränken.115 Anhand des Beispiels der 110

Rupp in: FS Zeidler I, S. 455, 466. Vgl. Rupp in: FS Zeidler I, S. 455, 466 f. Siehe auch Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 163 f. 112 Ähnlich Sellner/Reidt/Ohms, Immissionsschutzrecht, 3. Teil Rn. 82: Je größer die Beurteilungsspielräume, desto höher die Anforderungen an die Behörde, wenn sie die Kausalität eines Verfahrensfehlers widerlegen will. 113 Zur Kritik daran ausführlich Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 113 Rn. 24. Eine zumindest sektorale Anerkennung des im Schrifttum bereits seit längerem vertretenen gerichtsfreien Beurteilungsspielraums der Verwaltung bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch das BVerwG beobachtet Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 64 f. Vgl. ferner schon BVerfGE 84, 34, 50. Einschränkend auch Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 188, mit dem Hinweis, dass die Funktionsgrenzen der gerichtlichen Kontrolle sich allerdings stets aus dem normativen Entscheidungsprogramm der Verwaltung ergeben müssen. Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137, 142 f., weist darauf hin, dass die extensive gerichtliche Kontrolle erst in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts damit begonnen habe, durch die volle Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe traditionelle Ermessensspielräume der Exekutive zurückzudrängen und damit die Selbstständigkeit der Verwaltung zu beschneiden. 114 Die Feststellung, dass die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG ein durch die verfassungsrechtliche Funktionengliederung bestimmtes Kompetenzproblem ist, findet sich im 4. Kapitel unter I. 115 Ähnlich bereits Schenke, DÖV 1986, 305, 315. 111

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers

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immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wird somit ersichtlich, dass die Unterscheidung zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen nur eingeschränkt gültig und infolgedessen zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG zwar weiterführend, aber nicht genügend ist.116 4. Zwischenergebnis Es wurde gezeigt, dass weder die enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Offensichtlichkeit noch die Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler anhand der Art des Verfahrensfehlers, der Art des verletzten Verfahrensrechts oder der Abgrenzung zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen sachgerechte Kriterien für eine der spezifischen Verfahrenssituation in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren gerecht werdende Behandlung von Verfahrensfehlern bieten. Die aus der engen Auslegung der Offensichtlichkeit gefolgerte Begrenzung des § 46 VwVfG auf gebundene Entscheidungen reicht zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Norm nicht aus, da auch bei gebundenen Entscheidungen mit unbestimmten Rechtsbegriffen der hypothetische Nachvollzug der Entscheidung seitens der Gerichte kompetenzrechtlich problematisch ist. Die Verwirklichung der hier entwickelten Kriterien für eine umweltspezifische Verfahrensfehlerlehre erfordert daher eine ausdrückliche gesetzliche Änderung des § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts. Dazu wird hier vorgeschlagen, das in der Norm und noch weitgehender in der Rechtsprechung des BVerwG verwendete Kriterium der Kausalität bei der Sanktionierung von Verfahrensfehlern in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren durch das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers zu ersetzen.

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers Zu prüfen ist im Folgenden, wie das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers dogmatisch gerechtfertigt werden kann und welche 116 Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27; Krebs, DVBl 1984, 109, 112; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 298; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 294; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 223; ferner Wolf, Umweltrecht, Rn. 897; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 111 ff. Auch die Rechtsprechung wendet das Kriterium der konkreten Kausalität unterschiedslos auf gebundene und Ermessensentscheidungen sowie auf unterschiedliche Verfahrensfehler an. Vgl. Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 260 f. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 295, weist darauf hin, dass dann aber auch Ermessensentscheidungen nicht generell mit dem Hinweis auf die stets bestehende Möglichkeit einer anderen Entscheidung aufgehoben werden dürften.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

Gründe dafür sprechen, die Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler im Umweltrecht künftig anhand dieses Kriteriums vorzunehmen. 1. Die Wesentlichkeit im Gemeinschaftsrecht Bekannt ist das Kriterium der Wesentlichkeit zunächst aus dem Gemeinschaftsrecht, wo die Gemeinschaftsgerichte die Entscheidung bei der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften aufheben.117 Zur Bestimmung der Wesentlichkeit heranzuziehen sind die Relevanz der verletzten Vorschrift und die Frage, ob ihre Verletzung geeignet ist, den Inhalt der Rechtshandlung zu beeinflussen.118 Obwohl der EuGH bisher auf eine abschließende Definition verzichtet hat, kann aus seiner Rechtsprechung gefolgert werden, dass als wesentlich solche Verfahrensvorschriften gelten, die der Steuerung behördlicher oder legislativer Entscheidungen dienen oder den europäischen Gerichten eine effektive Rechtskontrolle ermöglichen.119 Dabei geht der EuGH in der Regel von der Wesentlichkeit der verletzten Verfahrensvorschrift aus.120 Da der Ausschluss der Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen folglich die Ausnahme ist, unterscheidet sich der Ansatz des Gemeinschaftsrechts zwar nicht strukturell, aber in dem ihm zugrunde liegenden Verständnis und in seinen Auswirkungen erheblich vom deutschen Recht, wo der Ausschluss der Aufhebung nach § 46 VwVfG den Regelfall bildet.121 2. Die Wesentlichkeit der verletzten Verfahrensvorschrift im Referentenentwurf des UmwRG Das deutsche Recht kennt im Rahmen der Verfahrensfehlerlehre ebenfalls den Begriff der Wesentlichkeit.122 So hat auch der Regierungsentwurf des 117

Vgl. Art. 230 EG. Siehe dazu bereits im 6. Kapitel unter I. 1. b). Vgl. ferner Kment, EuR 41 (2006), 201, 208; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 365 f. 118 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 104. Bei der Bestimmung der Wesentlichkeit legen die Gemeinschaftsgerichte einen strengen Prüfungsmaßstab an. Vgl. Kment, EuR 41 (2006), 201, 209; Kokott, Die Verwaltung 31 (1998), 335, 365 f. 119 Vgl. Bülow, Relativierung, S. 104 ff., 107. 120 Vgl. Booß in: Grabitz/Hilf, Art. 230 EGV Rn. 104 f., 109 ff.; Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 61; Pünder in: Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 67; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 23. 121 Kritisch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 284 ff., 286, der moniert, dass entgegen weit verbreiteter Annahmen das Recht der Fehlerfolgen durch den EuGH noch nicht geklärt sei und sich daher jede Schlussfolgerung auf eine Regel zur Verfahrensfehlerlehre verbiete, insbesondere aber die hier gezogene Folgerung, der EuGH gehe in der Regel von der Wesentlichkeit des Verfahrensverstoßes aus. Vor allzu pauschalen Aussagen warnt auch Bülow, Relativierung, S. 413.

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers

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UmwRG123 zunächst versucht, die Vorgaben der Aarhus-Konvention und der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL unter Rückgriff auf das Kriterium der Wesentlichkeit umzusetzen. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Regierungsentwurfs konnte die Aufhebung der Entscheidung bei Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften verlangt werden, die nach § 4 Abs. 1 S. 2 in der Regel vorlag, wenn eine erforderliche UVP oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls nicht durchgeführt wurden.124 Die hier verwendete Regelbeispiel-Methode hätte erlaubt, neben den wörtlich genannten auch solche Verfahrensvorschriften als wesentlich zu qualifizieren, die nach ihrer Bedeutung im konkreten Fall den ausdrücklich genannten Fällen entsprechen. Diese Regelung hätte – entgegen der gesetzlich verwirklichten Fassung in § 4 UmwRG – aufgrund der dabei erforderlichen Gesamtwürdigung auch die gemeinschaftsrechtlich angezeigte Sanktionierung von Verfahrensverstößen wie der fehlerhaft durchgeführten UVP, der fehlerhaft durchgeführten Vorprüfung des Einzelfalls oder der Verletzung von Beteiligungsrechten im Rahmen des UVP-Verfahrens ermöglicht.125 Daher hätte der im Regierungsentwurf des UmwRG vorgesehene Rückgriff auf das Wesentlichkeitskriterium unter Heranziehung einer Regelbeispiel-Methode den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben weit mehr entsprochen als die jetzige Fassung der Norm.126 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Regierungsentwurf des UmwRG nicht wie hier vorgeschlagen auf die Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers abstellt, sondern darauf, ob eine wesentliche Verfahrensvor122 Für die Abgrenzung nach dem Kriterium der Wesentlichkeit schon Rupp in: FS Bachof, S. 151, 168. Auch BVerwG NVwZ 1999, 1218, 1219 begründet die Relevanz einer unterbliebenen Anhörung bei einer gebundenen Entscheidung mit der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers. Als zu unbestimmt wird das Wesentlichkeitskriterium kritisiert von Breuer in: FS Sendler, S. 357, 383. 123 BTDrucks. 16/2495. 124 Vgl. BTDrucks. 16/2495, S. 6. Die Regelbeispiele wurden im Gesetzgebungsverfahren auf Intervention des Bundesrats gestrichen, nachdem dieser zuvor eine vollständige Streichung des § 4 UmwRG verlangt hatte. Vgl. die Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf vom 4.9.2006 in BTDrucks. 16/2931, S. 3 f. sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung auf S. 8. Zum Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens vgl. den Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 11.8.2006 in BRDrucks. 552/06 sowie den Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 16.11.2006 in BRDrucks. 841/06. 125 Vgl. Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264; Kment, NVwZ 2007, 274, 280. 126 Sowohl der Referentenentwurf des UmwRG vom 21.2.2005 als auch der Regierungsentwurf vom September 2006 ordnen die Aufhebung der verfahrensfehlerhaften Entscheidung bei wesentlichen Verfahrensfehlern an. Die Entwürfe unterscheiden sich allerdings dahingehend, dass der Regierungsentwurf vom 4.9.2006 eine Regelbeispiel-Methode verwendet, während der Referentenentwurf vom 21.2.2005 abschließend bestimmt, welche Verfahrensfehler im Sinne der Vorschrift als wesentlich anzusehen sind.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

schrift verletzt wurde. Da aber auch die Verletzung einer als wesentlich erachteten Verfahrensvorschrift im Einzelfall einen im Hinblick auf das Entscheidungsergebnis unwesentlichen Verfahrensfehler darstellen kann, ist auf das umfassendere und genauere Kriterium des wesentlichen Verfahrensfehlers abzustellen, innerhalb dessen die Wesentlichkeit der verletzten Verfahrensvorschrift eines von mehreren Merkmalen zur Bestimmung eines wesentlichen Verfahrensverstoßes bildet. 3. Elemente des Wesentlichkeitskriteriums im Umweltrecht Um festzustellen, ob im Bereich des Umweltrechts das Kriterium der Kausalität durch das der Wesentlichkeit ersetzt werden kann, muss gefragt werden, ob der Begriff der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers die oben gestellten Anforderungen zu erfüllen vermag. a) Ausschluss des hypothetischen Nachvollzugs von Entscheidungen Da § 46 VwVfG letztlich nur durch die Letztentscheidungskompetenz der Gerichte gerechtfertigt werden kann, kann zielführend im Sinne dieser Untersuchung lediglich ein Kriterium sein, das die Fähigkeit und Kompetenz der Gerichte zum Nachvollzug der infrage stehenden Entscheidung sowie die Grenzen gerichtlicher Kontrolle berücksichtigt. Das zu findende Tatbestandsmerkmal muss demzufolge den Gedanken der kompensatorischen Funktion verfahrensrechtlicher Sicherungen bei Entscheidungen mit begrenzter Steuerungskraft des materiellen Rechts abbilden und verdeutlichen, dass in diesen Fällen der hypothetische Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung seitens der Gerichte zugunsten einer erweiterten Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung ausgeschlossen ist. Damit ist es jedenfalls ausgeschlossen, den Zusammenhang zwischen Verfahren und Entscheidungsergebnis anhand der Kausalität und damit von einem Standpunkt ex post zu beurteilen. Die Wahrung der Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung bei Entscheidungen mit begrenzter Steuerungskraft des materiellen Rechts erfordert vielmehr, den Zusammenhang zwischen Verfahren und Ergebnis anhand der Bedeutung des Verfahrensrechts für den Entscheidungsprozess und somit ex ante zu bestimmen. Da das Kriterium der Kausalität eine nachträgliche Betrachtung des Entscheidungsverlaufs vornimmt, vermag es die bereits während des Entscheidungsverlaufs relevant werdende kompensatorische Funktion des Verfahrensrechts nicht zu erfassen. Zunächst scheint zwar auch die Feststellung, ob ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, eine nachträgliche Beurteilung seiner Relevanz für den

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers

259

Entscheidungsverlauf und damit eine hypothetische Entscheidung seitens des Gerichts zu erfordern.127 Allerdings erlaubt das Kriterium der Wesentlichkeit, auch solche Merkmale eines Verfahrensverstoßes zu berücksichtigen, die von vornherein die Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers zu begründen vermögen. Dazu gehören – der Verlauf und die Komplexität des konkreten Verwaltungsverfahrens, – die Funktion der jeweiligen Verfahrensvorschrift im konkreten Entscheidungsverlauf, – die Bedeutung der Verfahrensvorschrift für die Einbeziehung betroffener Bürger und Umweltverbände, – die Bedeutung der Verfahrensnorm für die Zusammenstellung des relevanten Abwägungsmaterials und somit für die Entwicklung und Sicherung der einzig richtigen Entscheidung, – der Grad der rechtlichen Bindung der Behörde beim Verwaltungsaktserlass und die materiell-rechtliche Bestimmtheit und Steuerungskraft der gesetzlichen Entscheidungsgrundlage sowie – das Zusammenspiel zwischen materiellem und Verfahrensrecht128 und die kompensatorische Funktion des Verfahrensrechts bei nachlassenden materiellen Entscheidungsmaßstäben.129 Indem das Kriterium der Wesentlichkeit eine ex ante-Betrachtung von Funktion und Bedeutung umweltrechtlicher Verfahrensrechte ermöglicht, trägt es dazu bei, dass sich die Bedeutung von Verfahrensvorschriften in komplexen Verwaltungsverfahren in der Behandlung von Verfahrensfehlern widerspiegelt. Schließlich ist es aufgrund der notwendig kompensatorischen 127 Daher auch die Kritik von Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 289, das Kriterium der Wesentlichkeit sei als ausfüllungsbedürftiges Kriterium im konkreten Fall zu undeutlich für die Regelung des Ausschlusses des Aufhebungsanspruchs, so dass es dem Gesetzgeber die Zuständigkeit für die Bestimmung der Verfahrensfehlerfolgen entziehe und stattdessen den Gerichten übertrage. Eine solch unklare Rechtslage sei aber mit Schaffung des VwVfG und der Regelung des § 46 VwVfG überwunden worden und solle daher keinesfalls wieder eingeführt werden. Allerdings ist es wie gezeigt gerade das Kriterium der Kausalität, das zu kompetentiellen Unklarheiten im Hinblick auf die Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung bei Entscheidungsund Beurteilungsspielräumen führt. 128 Vgl. Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27. 129 Vgl. die von Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 296, herangezogenen Anhaltspunkte für die Bestimmung offensichtlicher Verfahrensfehler. Siehe auch Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 36: die Systematik der Verfahrensfehlerlehre müsse sich an der Handlungsform, dem Gegenstand und Regelungsgehalt der Entscheidung, der Verfahrensstruktur, der Art und Bedeutung der betroffenen Vorschriften, der Interessenkonstellation der Verfahrensbeteiligten und den flankierenden Sicherungsinstrumenten orientieren.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

Bedeutung bestimmter Verfahrensrechte in komplexen multipolaren Entscheidungsverfahren für die Steuerung des Entscheidungsverlaufs nur folgerichtig, dass bestimmte Verfahrensrechte wie die Vorschriften des UVPG bereits zu Beginn des behördlichen bzw. des gerichtlichen Entscheidungsprozesses als wesentlich qualifiziert werden können und im Falle ihrer Verletzung entsprechend sanktioniert werden. Außerdem vermindert das Wesentlichkeitskriterium damit die Notwendigkeit einer nachträglichen hypothetischen Entscheidung des Gerichts. b) Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Entscheidungsgrundlagen Durch den Rückgriff auf die genannten Merkmale der materiell-rechtlichen Bestimmtheit der gesetzlichen Entscheidungsgrundlage sowie der kompensatorischen Funktion des Verfahrensrechts bei nachlassenden materiellen Entscheidungsmaßstäben ermöglicht das Wesentlichkeitskriterium die Vornahme einer Gesamtbetrachtung von materiellem und Verfahrensrecht, die die maßgebliche Bedeutung des materiellen Rechts für Funktion und Bedeutung des Verfahrensrechts weit deutlicher wiedergibt als das Kausalitätskriterium. Während dieses sich lediglich darauf bezieht, welchen konkreten Einfluss der Verfahrensfehler auf das Ergebnis in der Sache gehabt haben kann, ermöglicht das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers die Einbeziehung von Faktoren, die eine Aussage zum Grad der materiell-rechtlichen Bestimmtheit der gesetzlichen Entscheidungsgrundlage beinhalten. Dabei können die fehlende Steuerungskraft der materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage bei komplexen Verwaltungsverfahren und die kompensatorische Funktion der Verfahrensvorschrift bei der Ermittlung der richtigen Entscheidung ebenso berücksichtigt werden wie der Grad der Bindung der Behörde beim Verwaltungsaktserlass.130 c) Herausbildung abstrakter allgemeingültiger Merkmale Daraus folgt, dass das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers zunächst ausfüllungsbedürftig ist. Von Vorteil gegenüber dem Kriterium der Kausalität ist allerdings, dass das Wesentlichkeitskriterium die Herausbildung abstrakter, systematischer und allgemeingültiger Merkmale zur Bestimmung wesentlicher Verfahrensfehler gestattet, ohne notwendige Anpassungen in konkreten Einzelfällen gänzlich auszuschließen. Die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls darf dabei zwar nicht so weit gehen 130 Vgl. auch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 296; Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 70 Rn. 36.

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers

261

wie bei der gegenwärtigen einzelfallbezogenen Prüfung, ob der Verfahrensfehler die Sachentscheidung möglicherweise beeinflusst haben kann, denn die Rechtsklarheit gebietet, dass der Kläger vor Klageerhebung erkennen kann, welche Verfahrensfehler wesentlich sind und welche nicht.131 Allerdings bleibt es im Rahmen der gefundenen allgemeingültigen Merkmale möglich, den Kreis wesentlicher Verfahrensfehler durch Gesetz oder richterliche Rechtsfortbildung zu erweitern. Zwar kann auch beim Wesentlichkeitskriterium eine allgemeingültige Abgrenzung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Verfahrensfehlern nicht ohne Weiteres getroffen werden. Vorteil des Wesentlichkeitsbegriffs ist aber, dass er im Unterschied zum Kriterium der absoluten Verfahrensfehler schon begrifflich eine der Bedeutung verschiedener Verfahrensrechte angemessene Abstufung und Differenzierung erlaubt, der überdies durch die dabei mögliche Verwendung einer Regelbeispiel-Methode Rechnung getragen werden kann. d) Vermutung für das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers Da Verfahrensfehler in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren in der Regel zur Aufhebung der Entscheidung führen müssen, ist das Kriterium der Wesentlichkeit so auszufüllen, dass eine Vermutung für die Wesentlichkeit eines Verstoßes gegen umweltrechtliche Verfahrensrechte besteht. Schließlich müssen bei umweltrechtlichen Abwägungs- und Ermessensentscheidungen sowie bei umweltrechtlichen Entscheidungen mit komplexen wertungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffen Verfahrensfehler in der Regel als wesentlich qualifiziert werden, da die korrekte Durchführung des Verfahrens von zentraler Bedeutung für den Verlauf des Entscheidungsverfahrens und die Entwicklung der Entscheidung ist. Insbesondere Verstöße gegen Vorschriften des UVP-Rechts müssen grundsätzlich zur Aufhebung der Entscheidung führen, da aufgrund der Bedeutung der UVP für die Sammlung der abwägungsrelevanten Daten und Informationen und somit für die Entwicklung des Verfahrensergebnisses sowie aufgrund der regelmäßigen Komplexität und Multipolarität UVP-pflichtiger Entscheidungsverfahren davon auszugehen ist, dass zunächst jede verfahrensmäßige Unregelmäßigkeit auch zu einem Fehler im Abwägungsergebnis geführt haben kann. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers setzt damit auch die Forderung um, bei komplexen, abwägungs- und wertungsbedürftigen Entscheidungen des Umweltrechts die Verletzung von Verfahrensvorschriften als Indiz für das Vorliegen eines Abwä131

Vgl. Bülow, Relativierung, S. 103 f.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

gungsmangels anzusehen.132 Durch die Möglichkeit, im Einzelfall die Unwesentlichkeit des Verfahrensfehlers feststellen zu können, ist dabei ausreichend sichergestellt, dass bloß punktuelle Verfahrensverstöße – zum Beispiel gegen Verfahrensvorschriften, die im Verfahrensablauf nur eine eng umgrenzte Funktion übernehmen und deren Verletzung sich daher auf diesen nur begrenzt auswirken kann – nicht zwangsläufig zur Aufhebung einer komplexen Entscheidung führen. e) Stärkung verwaltungsbehördlicher Entscheidungskompetenz Infolge der Vermutung für das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers müssen zwar mehr Entscheidungen als bisher aufgrund eines Verfahrensfehlers aufgehoben werden. Umgekehrt kann aber auch aus der korrekten Einhaltung des Verfahrens auf die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung geschlossen werden, so dass das Gericht die Entscheidung in materieller Hinsicht nur bei Zweifeln an der materiellen Rechtmäßigkeit überprüfen muss.133 Solange die Verwaltung sich an die Verfahrensregelungen hält, ist ihr damit ein weiter Entscheidungsfreiraum eröffnet, der zur Stärkung verwaltungsbehördlicher Aufgabenwahrnehmung führt.134 Die strengere Sanktionierung von Verfahrensfehlern stärkt damit die Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung im zukunftsgestaltenden, entscheidungsoffenen Bereich des Umweltrechts. Insofern führt die aus der regelmäßig anzunehmenden Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers folgende weitgehende Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern zu einer zugunsten der Verwaltung veränderten Kompetenzabgrenzung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit und zu einer Stärkung der verwaltungsbehördlichen Entscheidungskompetenz.135 Das Kriterium der Wesentlichkeit trägt folglich dazu bei, im Umweltrecht die funktionellen Grenzen verwaltungsgericht132

So bereits im 4. Kapitel unter II. 4. b). Vgl. auch Schmidt-Aßmann, DVBl 1997, 281, 288 f., der die erforderliche gesteigerte Verfahrenskontrolle insgesamt in ein verändertes, dem Gedanken des „Nacharbeitens“ der Verwaltungsentscheidung verpflichtetes Modell gerichtlicher Abwägungskontrolle einbettet. 134 So Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 316. Ähnlich Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 198: dem Verwaltungsverfahrensrecht komme durch dessen strenge gerichtliche Kontrolle eine Bedeutungssteigerung zu, die im Rahmen des funktionalen Zusammenhangs zwischen Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz die Leistungsfähigkeit beider Verfahren verbessern könnte. 135 Ebenso Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 316: Folge der durch die Reduzierung materieller Kontrolldichte veränderten Kompetenzbestimmung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit werde die Stärkung verwaltungsbehördlicher Aufgabenwahrnehmung sein. Zur Eigenstän133

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers

263

licher Kontrolle im Sinne einer zweckmäßigen Kompetenzverteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit neu zu bestimmen.136 f) Sicherung einer gemeinschaftsrechtlich konvergenten Rechtsentwicklung Aufgrund der Ähnlichkeit des hier vorgeschlagenen Wesentlichkeitskriteriums mit dem in der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte verwendeten Merkmal kann die Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers auch zu einer systematischen und konvergenten Rezeption der gemeinschaftsrechtlichen Einwirkungen auf die Verfahrensfehlerlehre beitragen. Auch von anderer Seite wurden als Ansätze dieser Konvergenz im Bereich der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern die Kriterien der Wesentlichkeit und der Kausalität herangezogen, ergänzt durch eine Binnendifferenzierung nach den Kriterien abstrakt und konkret, also der Anwendung des Kausalitäts- oder Wesentlichkeitskriteriums auf die Norm oder auf den konkreten Fall.137 Dabei wird festgestellt, die verschiedenen europäischen Rechtsordnungen wendeten diese beiden Elemente zur Bestimmung der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern stets kombiniert an, wobei ein Element der „Feinsteuerung“ des mithilfe des anderen Elements gefundenen Ergebnisses diene.138 So wird in Deutschland bei gebundenen Entscheidungen das Kriterium der abstrakten Kausalität, bei Ermessens- und Abwägungsentscheidungen dagegen das Kriterium der konkreten Kausalität verwendet.139 digkeit der Verwaltung Dreier, Die Verwaltung 25 (1992), 137, 148; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 538. 136 Die Forderung nach einem funktionellrechtlichen Ansatz der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle findet sich schon bei Franßen in: FS Zeidler I, S. 429, 443, unter Hinweis auf die Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch das BVerfG, das sich auf die Nachprüfung der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts beschränkt, um nicht zur Superrevisionsinstanz zu werden. Eine funktionen- und aufgabenorientierte Betrachtung des Verwaltungsrechts fordert auch Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 65, 97. Dabei ist der stets normative Charakter der Eigenständigkeit der Verwaltung zu beachten, vgl. SchmidtAßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Einl. Rn. 58. Zu den Auswirkungen der Aarhus-Konvention auf die gerichtliche Kontrolldichte Ekardt, NuR 2006, 221, 223 f. 137 Siehe Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 379 ff.; ders., DVBl 2003, 1285, 1293. Zum Kriterium der Wesentlichkeit in der Rechtsprechung des EuGH siehe bereits im 6. Kapitel unter I. 1. b). 138 Vgl. Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 380; ders., DVBl 2003, 1285, 1292, unter Hinweis auf die Entscheidungen EuGH Rs. 234/84, Slg. 1986 S. 2263, Rn. 30 (Belgien/Kommission); EuGH Rs. 259/85, Slg. 1987 S. 4393, Rn. 13 (Frankreich/Kommission). 139 Wahl, DVBl 2003, 1285, 1293; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 252.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

Um eine Konvergenz des deutschen Rechts mit anderen europäischen Rechtsordnungen und dem Gemeinschaftsrecht herzustellen, wird daher vorgeschlagen, das Kriterium der Kausalität im deutschen Recht auf die Prüfung der abstrakten Kausalität sowohl bei gebundenen als auch bei Ermessensentscheidungen zu vereinheitlichen und das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers zur Korrektur und Nachsteuerung der so gefundenen Ergebnisse zu verwenden.140 Bei gebundenen Entscheidungen führte dies zur in der Regel fehlenden Kausalität des Verfahrensfehlers, wobei zur Korrektur eine ausnahmsweise Beachtlichkeit bei wesentlichen Fehlern anzunehmen wäre.141 Im Bereich von Ermessensentscheidungen müsste dagegen von der grundsätzlichen Kausalität und damit Beachtlichkeit des Fehlers ausgegangen werden, die nur im Falle seiner Unwesentlichkeit korrigiert werden dürfte.142 Folglich stellte die unterlassene oder fehlerhafte UVP bei gebundenen Entscheidungen wie immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsentscheidungen einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der trotz rechtlicher Alternativlosigkeit deswegen zur Aufhebung der Entscheidung führen muss, weil aufgrund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe die hypothetische Bedeutung der fehlerfreien UVP für das Verfahrensergebnis nachträglich nicht sicher festgestellt werden kann. Bei Ermessensentscheidungen führt die Qualifikation der fehlenden UVP als wesentlicher Verfahrensfehler ebenfalls stets zur Aufhebung der unter Verstoß gegen UVP-Vorschriften getroffenen Entscheidung, da umgekehrt eine Korrektur der in der Regel anzunehmenden Kausalität aufgrund der Ergebnisrelevanz der UVP nicht zulässig wäre. Der Gedanke der Konvergenz erscheint für eine systematisch stimmige Weiterentwicklung des deutschen Verwaltungsverfahrensrechts unter europäischen Vorzeichen wie gezeigt am vielversprechendsten, da er im innerstaatlichen Recht Abweichungen und Nuancen erlaubt, sofern diese die Erreichung des gemeinschaftsrechtlich angestrebten Ziels nicht gefährden. Im Rahmen dieser Konvergenzzone ist es das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers, das eine Annäherung an das europäische Gemeinschaftsrecht im Bereich der Verfahrensfehlerlehre ermöglicht. Wird bei der Entscheidung über die Aufhebung einer verfahrensfehlerhaften Verwaltungsentscheidung auf die Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers abgestellt, entspricht dies einer Ansicht, die bereits jetzt zum Kriterium der wesentlichen Form140 So der Vorschlag bei Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 381; ders., DVBl 2003, 1285, 1293. Kritisch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 289. 141 Vgl. Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 381; ders., DVBl 2003, 1285, 1293. 142 Wahl in: Hill/Pitschas, Eur. Verwaltungsverfahrensrecht, S. 357, 381; ders., DVBl 2003, 1285, 1293.

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers

265

vorschrift im Gemeinschaftsrecht vertreten wird.143 Selbst bei einer unterschiedlichen Ausfüllung des Wesentlichkeitsbegriffs durch deutsche und europäische Gerichte bildete aber die Verwendung eines einheitlichen Begriffs in der Verfahrensfehlerlehre gleichsam ein Verbindungsglied, durch das sich eine gegenseitige Beeinflussung, Anpassung und Kritik zwischen der innerstaatlichen und der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsordnung vollziehen kann. Dabei ist das Wesentlichkeitskriterium aber nicht nur zur Korrektur der nach dem Kausalitätskriterium getroffenen Ergebnisse heranzuziehen, sondern sollte das Kausalitätskriterium vielmehr ersetzen. Inwieweit zur Bestimmung der Wesentlichkeit eines Verfahrensfehlers weiterhin auf Kausalitätserwägungen zurückgegriffen werden kann, bleibt hier offen, denn schließlich wird auch zur Feststellung des wesentlichen Formverstoßes im Gemeinschaftsrecht vereinzelt die Überlegung herangezogen, ob der Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift sich im konkreten Fall auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt haben kann.144 4. Gesetzestechnische Umsetzung Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers bietet sinnvolle Ansatzpunkte für eine den Vorgaben der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts sowie den Spezifika umweltrechtlicher Entscheidungslagen gerecht werdende Behandlung von Verfahrensfehlern. Dabei kann im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden, wie das Wesentlichkeitskriterium im Einzelnen auszufüllen ist, da eine solche Kategorisierung in der Regel auch auf die Rezeption einer Norm in der Rechtsprechung zurückgreift. Zu überlegen ist allerdings, wie die hier vorgeschlagenen Änderungen gesetzestechnisch umgesetzt werden können. 143 Vgl. Gaitanides in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 230 EG Rn. 122. Allerdings kann dieser hier zitierten Ansicht entgegengehalten werden, dass sie keine ausreichende Erklärung für die Fälle liefert, in denen der EuGH eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung für nichtig erklärte, ohne näher auf die Kausalität des Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung einzugehen. So die Kritik bei Bülow, Relativierung, S. 84. Entgegen dieser Ansicht auch der EuGH in den Urteilen Rs. C-286/95 P, Slg. 2000 I-2341, Rn. 42 (Kommission/ICI) und verb. Rs. C-287/95 P und C-288/95 P, Slg. 2000 I-2391, Rn. 46 (Kommission/Solvay). 144 So vor allem Schwarze in: ders., EU-Kommentar, Art. 230 EGV Rn. 60. Umgekehrt hat der EuGH teilweise auch Entscheidungen aufgehoben, die auch bei Beachtung der Formerfordernisse mit gleichem Inhalt ergangen wären. Vgl. den Hinweis von GA Fenelly in den Schlussanträgen vom 25.11.1999 in der Rs. C-286/95 P, Slg. 2000 I-2341 Nr. 26 (Kommission/ICI). Zu der Kontroverse um die Auslegung des Begriffs der wesentlichen Formvorschrift im Gemeinschaftsrecht Bülow, Relativierung, S. 80 ff., 84 ff. mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

Dabei ist zum einen die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Änderung des § 46 VwVfG auf den Bereich des Umweltrechts beschränkt bleiben soll. Zum anderen gilt aber die an früherer Stelle erhobene Forderung nach einer Verankerung der anstehenden Veränderungen im allgemeinen Verwaltungsrecht. Zur Lösung dieses prinzipiellen Konflikts zwischen Rechtsvereinheitlichung und Spezifizierung wäre zu überlegen, im VwVfG bereichsspezifische Verfahrensarten zu etablieren, die – wie die Vorschriften des Planfeststellungsverfahrens in §§ 72 ff. VwVfG – die für ein Rechtsgebiet des besonderen Verwaltungsrechts erforderlichen verfahrensrechtlichen Abweichungen im VwVfG kodifizieren.145 Zu denken ist hierbei konkret an die Einführung eines umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens im VwVfG nahe bei den §§ 72 ff. VwVfG, das die zentralen Verfahrensregelungen umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren vereinheitlicht und festschreibt.146 Dadurch würde den Besonderheiten des jeweiligen Fachrechts Rechnung getragen und zugleich die durch die unübersichtliche Normierung in zahlreichen Fachgesetzen entstehende Rechtszersplitterung verhindert.147 Überdies förderte diese Vorgehensweise die Entstehung eines systematischen, anpassungsfähigen und entwicklungsoffenen Verhältnisses zwischen allgemeinem Verwaltungsrecht und den bereichsspezifischen Abweichungen des besonderen Verwaltungsrechts, die gerade auch im Hinblick auf die fortschreitende Europäisierung des Umweltrechts, des allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsverfahrensrechts erstrebenswert ist. Im Hinblick auf die UVP wird bereits seit längerem überlegt, das UVP-Verfahren als zentrale umweltrechtliche Verfahrensart aus Gründen der Transparenz und systematischen Stimmigkeit vollständig in das VwVfG einzugliedern.148 So bliebe die systembildende und ordnende Kraft des Verwaltungsverfahrensrechts trotz der Notwendigkeit bereichsspezifischer Regelungen gewahrt.149 145 So der Vorschlag von Wahl in: Blümel/Pitschas, Reform, S. 88. Ebenso Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67, 132; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 477. Als Beispiele für solche möglichen bereichsspezifischen Verwaltungsverfahren werden Genehmigungsverfahren, Verfahren des Informationszugangs, Vergabeverfahren sowie das UVP-Verfahren genannt. Generell für weitere Rechtsvereinheitlichung auch Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 6. Grund dafür ist, dass die Vielzahl verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen in unterschiedlichen Gesetzen die Steuerungsleistung des Rechts beeinträchtigt, da schon das Auffinden der einschlägigen Norm bei einer weiteren Stärkung bereichsspezifischen Rechts noch schwieriger als ohnehin werden würde. Vgl. Hufen, Fehler, Rn. 43. 146 Für ein Umweltverfahrensrecht auch Ziekow, NVwZ 2005, 263, 267. 147 Vgl. Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67, 133. 148 Dafür Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 63 Rn. 15.

III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers

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Innerhalb dieses umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist eine Vorschrift denkbar, deren Wortlaut sich an der im Regierungsentwurf ursprünglich vorgesehenen Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 UmwRG orientiert. Die Vorschrift könnte wie folgt formuliert werden: „Abweichend von § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts auch bei wesentlichen Verfahrensverstößen verlangt werden. Ein wesentlicher Verfahrensverstoß liegt in der Regel vor, wenn – eine erforderliche UVP oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls nicht oder fehlerhaft durchgeführt wurden oder – gegen eine sonstige Verfahrensvorschrift des Umweltrechts verstoßen wurde, insbesondere wenn die Einhaltung der Verfahrensvorschrift gemeinschaftsrechtlich gefordert ist.“

Indes ist abzuwarten, welche Veränderungen von der Kodifikation des Umweltrechts in dem für das Jahr 2009 geplanten einheitlichen Umweltgesetzbuch (UGB) ausgehen werden.150 Hinsichtlich der Behandlung von Verfahrensfehlern im Umweltrecht sieht der aktuell vorliegende Referentenentwurf (UGB 2009) vom 19.11.2007 in § 43 UGB eine Regelung vor, die § 4 UmwRG entspricht. Sollte diese Vorschrift wie geplant erlassen werden, bliebe auch nach Verabschiedung des UGB die Frage nach der adäquaten Behandlung von Verfahrensfehlern im Umweltrecht weiter offen und zu diskutieren. 149

Kahl in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 67,

133 f. 150 Für die Bündelung allgemeiner umweltverfahrensrechtlicher Regelungen in einem Umweltgesetzbuch Schlacke, NuR 2007, 8, 16; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 267. Zur Entwicklung des UGB siehe die Begründung des Bundesumweltministeriums zum Referentenentwurf des Umweltgesetzbuchs (UGB 2009) vom 19.11.2007, S. 6 ff., im Internet unter http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ ugb1_allgem_vorschriften_begruendung.pdf, letzter Aufruf am 18.5.2009. Zum UGB auch Helberg in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 32 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 40 ff.; Lottermoser, UPR 2007, 401. Nach dem vorläufigen Scheitern der Kodifikation des Umweltrechts aufgrund fehlender Gesetzgebungskompetenzen des Bundes wurden im Zuge der Föderalismusreform die Kompetenzen des Bundes erweitert, um die Zuständigkeit des Bundes für den Erlass des UGB zu begründen. Vgl. dazu Schmidt/Kahl, Umweltrecht, § 1 Rn. 6; Kloepfer, NuR 2006, 1; sowie die Begründung des Bundesumweltministeriums zum Referentenentwurf des Umweltgesetzbuchs (UGB 2009) vom 19.11.2007, S. 7 f., Fundstelle siehe oben. Nachdem eine Einigung über die Inhalte des UGB zu Beginn des Jahres 2009 erneut scheiterte, ist die Verabschiedung des UGB gegenwärtig wieder in weite Ferne gerückt. Vgl. dazu die Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums Nr. 033/09 vom 01.02.2009, im Internet unter http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/ 43013.php, letzter Aufruf am 12.09.2009. Zu aktuellen Bemühungen um zumindest teilweise Vereinheitlichung des Umweltrechts siehe die Pressemitteilung Nr. 233/09 vom 10.07.2009, im Internet unter http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktu elle_pressemitteilungen/pm/44560.php, letzter Aufruf am 12.09.2009.

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9. Kap.: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht

IV. Ergebnis: Neubestimmung des § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts Die geforderte Abkehr von § 46 VwVfG lässt sich weder durch eine Ausnahmeregelung wie die des § 4 UmwRG noch durch eine veränderte Auslegung der Norm im Bereich des Umweltrechts erreichen. Erforderlich ist vielmehr die gesetzliche Änderung der Vorschrift durch eine Regelung des allgemeinen Verwaltungsrechts, die die weitgehende Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren sicherstellt. Dazu ist das Kriterium der Kausalität in § 46 VwVfG durch das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers zu ersetzen. Dieses Kriterium ermöglicht, von vornherein die kompensatorische Bedeutung des Verfahrensrechts in den maßstabsschwachen, komplexen Entscheidungen des Umweltrechts zu berücksichtigen, und gewährleistet zudem eine mit Gemeinschaftsrecht konvergente Weiterentwicklung des deutschen Verwaltungsund Umweltrechts. Das Kriterium der Wesentlichkeit ist damit nicht nur eine geringfügige Erweiterung des Kausalitätskriteriums oder eine bloße Ausnahme zu der nach § 46 VwVfG regelmäßig ausgeschlossenen Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen. Trotzdem verliert nach der hier vertretenen Neuausrichtung der Verfahrensfehlerlehre das Kausalitätskriterium nicht völlig seine Berechtigung, denn wie bisher auch wäre die Entscheidung stets aufzuheben, wenn der Verfahrensfehler für die Entscheidung eindeutig kausal im Sinne von ursächlich war. Umgekehrt läge unabhängig von § 46 VwVfG schon kein wesentlicher Verfahrensfehler vor, wenn dieser in keiner Weise kausal für das Ergebnis geworden sein kann, weil nachweislich ausgeschlossen ist, dass ohne den Verfahrensverstoß eine andere als die getroffene Entscheidung ergangen wäre.151 Da das Wesentlichkeitskriterium aber die Einbeziehung weiterer Faktoren in die Bestimmung des Einflusses des Verfahrensfehlers auf das Entscheidungsergebnis erlaubt und damit die Verfahrensfehlerlehre sensibel für die Problemlagen des gegenwärtigen Umweltrechts und anpassungsfähig an geforderte Veränderungen macht, führt die Rückbesinnung auf die Wesentlichkeit zu grundlegenden Änderungen der bestehenden Verfahrensfehlerdogmatik.

151

Vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 25 ff.

10. Kapitel

Zusammenfassung und Ausblick Es wurde gezeigt, dass die Verfahrensfehlerlehre im deutschen Recht für den Bereich des Umweltrechts im Sinne einer stärkeren Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern modifiziert werden muss – dies auch, aber nicht nur aufgrund der Einwirkungen der Aarhus-Konvention.1 Zwar geht die AarhusKonvention davon aus, dass Verfahrensfehler im Umweltrecht regelmäßig zur Aufhebung einer Entscheidung führen müssen, und fordert damit eine weit strengere Sanktionierung von Verfahrensfehlern als gegenwärtig im deutschen Recht vorgenommen wird. Wichtigere Gründe für die weitgehende Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Umweltrecht finden sich aber in der Systematik des deutschen Verwaltungsrechts selbst und in den sich dort gegenwärtig vollziehenden Veränderungen.2 Im Umweltrecht ist die rechtliche Behandlung von Risiken eine der zentralen rechtsdogmatischen Fragen.3 Infolge der wachsenden rechtlichen Bedeutung des Faktors Ungewissheit und der Komplexität und Multipolarität der Interessenlagen wird die herkömmliche konditionale Steuerung behördlichen und staatlichen Handelns zunehmend von einer finalen Programmierung abgelöst.4 Dabei stellt die Pluralität zu erreichender Zielvorgaben die Verwaltung vor die Aufgabe, möglicherweise widerstreitende Elemente eines rechtlich bestimmten Zielkatalogs gleichermaßen zu realisieren.5 Folgen dieser Entwicklung sind die nachlassende normative Bestimmtheit und 1

Im Ergebnis ebenso Ekardt, NuR 2006, 221, 228. Siehe dazu die thesenartigen Stichworte bei Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 369 ff. 3 Vgl. dazu die Ausführungen im 4. Kapitel unter II. 1. 4 Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 371; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 124. Zur Bereitstellungsfunktion des Rechts Schuppert in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform, S. 65, 96 ff.; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 353 ff. 5 Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 369 f. Dieser weist dabei auf die erforderliche Umorientierung der bisher hierarchisch strukturierten Verwaltung zu einer kooperativen, dezentralen, gesellschaftliche Akteure einbeziehenden Verwaltung hin, die durch eine Vernetzung der Interaktionsbeziehungen die Mehrebenenverwaltung im europäischen Rechtsraum sinnvoll gestaltet und zur Verwirklichung der europäischen Integration beiträgt. 2

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10. Kap.: Zusammenfassung und Ausblick

die demzufolge nachlassende Steuerungskraft des materiellen Verwaltungsrechts. Bei der Erfüllung rechtlicher Zielvorgaben und Optimierungsgebote durch die Verwaltung kommt dem Verfahren als Instrument der Konkretisierung und Strukturierung von Entscheidungsabläufen eine wichtige Rolle zu. Verfahrensrechtliche Instrumente sollen durch die Gewährleistung von Verfahrensgerechtigkeit das Fehlen der gesetzlich nicht mehr vollständig bestimmbaren materiellen Gerechtigkeit kompensieren.6 Das mit dieser Entwicklung verbundene Schlagwort des prozeduralen Rechts oder der Prozeduralisierung des Rechts geht dabei über das klassische Verständnis von Verfahrensrecht im Sinne von Vorschriften über Verfahren, Zuständigkeit und Form hinaus.7 Der Begriff des prozeduralen Rechts beschreibt vielmehr eine verfahrensmäßige Strukturierung von Entscheidungsprozessen, bei der durch die Regulierung des Verfahrens als Entscheidungsmodus auf das Resultat der Entscheidung eingewirkt wird.8 Die Präferenzen und Selektionskriterien sind dabei nicht wie bei einer kausalen, rationalen Entscheidung vorgegeben, sondern werden – zum Beispiel aufgrund der wesentlichen Bedeutung von Informationen – im Lauf des Verfahrens erzeugt, verändert und bewertet.9 Durch die Beeinflussung des Entscheidungsinhalts durch Verfahrensregelungen wird prozedurales Recht zu einem zentralen Faktor für die Konstituierung von Entscheidungen.10 6 Steinberg, ZUR 1999, 126; Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139, 167. Dies geschieht beispielsweise durch die Verhinderung einseitiger Optimierung zugunsten des stärkeren Beteiligten. Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 371. 7 Vgl. Steinberg, ZUR 1999, 126. Siehe die Definition prozeduralen Rechts bei Gralf-Peter Calliess, Prozedurales Recht, S. 180; ferner Eder in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 155. Zur Bedeutung prozeduralen Rechts als „reflexives Recht“ zur umweltgerechten Selbststeuerung gesellschaftlicher Subsysteme Teubner, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 68 (1982), 13, 28, 42 f., 49 f.; Teubner/ Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 29. 8 Vgl. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 54. 9 So die Sicht von Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 48. 10 Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 55. Ähnlich Grimm, NVwZ 1985, 865, 867; ferner Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 371 f.; Aschke in: FS Zezschwitz, S. 109, 121, die die Bedeutung der Verfahrensrichtigkeit, der Akzeptabilität, der Durchsetzbarkeit und der Gemeinschaftsrechtsfreundlichkeit einer Entscheidung als wesentliche Bestandteile ihrer Rechtmäßigkeit betonen. Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, S. 55, weist darauf hin, dass dieser prozedurale Ansatz langfristig zu einer Überwindung der Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht führen kann, denn „durch die Akzentuierung der inhaltsprägenden Wirkungen von Verfahren wird die strikte Trennung von Modus und Resultat ebenso hinfällig wie die Trennung von Mittel und Zweck.“

10. Kap.: Zusammenfassung und Ausblick

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Diese Veränderungen bringen ein verändertes Verständnis von der Rolle und Bedeutung des Verfahrens hervor, das zu einer Ausweitung der Verfahrenskontrolle und zu einer Zurücknahme der materiellen gerichtlichen Kontrolle führt.11 In den Fällen, in denen das Gericht nicht sicher feststellen kann, ob die Entscheidung inhaltlich richtig ist, weil der Behörde Bewertungsspielräume zustehen, muss die Letztentscheidungsbefugnis bei der Behörde verbleiben.12 Das Gericht bleibt folglich auf die Überprüfung des Verfahrensrechts beschränkt. Infolgedessen müssen Verfahrensfehler in komplexen umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren mit Abwägungs- und Beurteilungsspielräumen, in denen das Verfahrensrecht die begrenzte Steuerungskraft des materiellen Rechts kompensiert, in der Regel zur Aufhebung der Entscheidung führen, unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung handelt.13 Erst recht muss dann die extensive Anwendung des Kausalitätskriteriums durch die Rechtsprechung so modifiziert werden, dass Verfahrensfehler im Umweltrecht nicht länger derart weitreichend als unbeachtlich qualifiziert werden können. Die neu erlassene Vorschrift des § 4 UmwRG versucht, diese Vorgaben durch die Bestimmung umzusetzen, dass umweltrechtliche Entscheidungen aufzuheben sind, wenn eine erforderliche UVP oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls nicht durchgeführt worden ist. Aufgrund der Beschränkung auf die Fälle der gänzlich unterbliebenen UVP reicht § 4 UmwRG zur Umsetzung der völker- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben allerdings nicht aus. Überdies vermag die Vorschrift die Frage nach der angemessenen Behandlung von Verfahrensfehlern bei umweltrechtlichen Entscheidungen auch nicht grundsätzlich und systematisch zu beantworten. Die Lösung dieses Problems ist daher vielmehr in einer Neubestimmung des § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts zu suchen. Dazu ist auf das dem deutschen Recht bereits bekannte Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers zurückzugreifen. Das Wesentlichkeits11 Vgl. Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann/ders., Eur. Verwaltungsrecht, S. 317, 373; ebenso die Forderung bei Epiney/Sollberger, Zugang, S. 432. 12 Siehe schon die von Püttner in: Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung, S. 131, 132, 144, provokant gestellte Frage, ob Rechtsstaat wirklich notwendigerweise bedeuten müsse, dass immer den Gerichten das letzte Wort zukomme; schließlich seien die Verwaltungsgerichte im Gegensatz zur Verwaltung nicht unmittelbar demokratisch legitimiert und unterlägen keiner weiteren Kontrolle. Ferner Schwarze, DVBl 1974, 893, 898. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der deutschen Rechtsprechung die hier geforderte Zurückhaltung bei der Kontrolle von originär in den Entscheidungsbereich der Verwaltung fallenden Entscheidungen durchaus nicht fremd ist, wie das BVerfG mit der Beschränkung auf die Nachprüfung so genannten spezifischen Verfassungsrechts zeigt. Vgl. Wolfgang Meyer in: von Münch/Kunig, GG, Art. 93 Rn. 8. 13 Ebenso Epiney/Sollberger, Zugang, S. 436.

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10. Kap.: Zusammenfassung und Ausblick

kriterium bietet sich zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehlern deswegen an, da es die Berücksichtigung wichtiger Merkmale umweltrechtlicher Verwaltungsverfahren wie der Steuerungsintensität des materiellen Rechts, der Einräumung von Beurteilungsspielräumen und der Bedeutung des Verfahrensrechts im konkreten Verfahrensverlauf erlaubt.14 Der wesentliche Unterschied zum gegenwärtigen Kriterium der fehlenden Kausalität des Verfahrensfehlers für das Entscheidungsergebnis ist dabei, dass das Wesentlichkeitskriterium in seiner hier vorgeschlagenen Interpretation eine Vermutung für die Wesentlichkeit und damit für die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers etabliert und dadurch die von den gegenwärtigen Entwicklungen des Umweltrechts geforderte weitgehende Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern sicherstellt. Zur Durchsetzung der vorgeschlagenen Änderungen sind insbesondere die traditionell zur verwaltungsgerichtlichen Systembildung15 berufenen Verwaltungsgerichte aufgefordert, nach systematischen Lösungen für die gegenwärtigen Veränderungen im Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu suchen. Die gegenwärtig im Zuge der Ökologisierung und der Internationalisierung des Verwaltungsrechts16 stattfindenden Wandlungsprozesse verlangen über die Abkehr von der bundesverwaltungsgerichtlichen Kausalitätsrechtsprechung hinaus eine auch auf verwaltungsgerichtlicher Ebene geführte Auseinandersetzung mit der Frage nach einer Neujustierung der Verwaltungskontrolle, die den veränderten Verfahrensbedingungen im Umweltrecht gerecht wird. Dabei ist aufgrund der zunehmend prozedural gesteuerten Entwicklung von Entscheidungen erforderlich, die Kontrolldichte von einer umfassenden materiellen Kontrolle auf eine strenge Verfahrenskontrolle zu verlagern. Denn der Erlass der bereichsspezifischen Ausnahmeregelung des § 4 UmwRG bliebe ebenso wie die hier vorgeschlagene Modifikation des § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts ohne weitere praktische Wirkung, wenn die Verwaltungsgerichte sich ihrer systembildenden Aufgabe verschlössen und die gegenwärtigen Veränderungen lediglich als punktuelle Abweichungen in der überkommenen Systematik der verwaltungsgerichtlichen Verfahrensfehlerlehre auffassten. Da das Wesentlichkeitskriterium auch in der Rechtsprechung des EuGH zur Qualifizierung beachtlicher Verfahrensfehler verwendet wird, ermöglicht 14 Zum Beispiel wird argumentiert, gerade die eigenständige Bedeutung von Verfahrensrechten wie dem Anhörungsrecht oder der Öffentlichkeitsbeteiligung an der Entscheidungsfindung in Prozessen mit weitem Entscheidungsspielraum müsse dazu führen, dass eine fehlerhafte Beteiligung nicht sanktionslos bleibe. So Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 373 f.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 479. 15 Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 50. 16 So die Begriffe bei Schmidt-Aßmann, VBlBW 2000, 45, 48 f.

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der Rückgriff auf diesen Begriff auch die notwendige Konvergenz des deutschen Verfahrensrechts mit den Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts. Schließlich entspricht die bei der hier vorgeschlagenen Anwendung des Wesentlichkeitskriteriums erzielte Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG der gemeinschaftsrechtlich geforderten generellen Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern.17 Da die weitgehende Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern auch im deutschen Recht grundsätzlicher Kritik begegnet, ist das deutsche Umweltrecht, das selbst lange Zeit für die Entwicklung des europäischen Umweltrechts prägend war, dabei keineswegs systemfremden Eingriffen seitens des Gemeinschaftsrechts ausgesetzt.18 Die Zweifel an der Vorschrift des § 46 VwVfG und an der dienenden Funktion des Verfahrensrechts in Deutschland zeigen, dass die Aarhus-Konvention und ihre gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsrichtlinien vom deutschen Verwaltungsrecht keine systematisch unmögliche Integrationsleistung verlangen.19 Die völker- und gemeinschaftsrechtlichen Impulse müssen vielmehr als Aufforderung zu einer systematisch kohärenten und gemeinschaftsrechtsfreundlichen Weiterentwicklung des deutschen Verwaltungs- und Umweltrechts verstanden und dementsprechend umgesetzt werden. Daher wird die Anpassung des nationalen Rechts an das Gemeinschaftsrecht weiter auf breiter Ebene stattfinden.20 Diese Integrationsoffenheit des deutschen Verwaltungsrechts gestattet umgekehrt auch eine Beeinflussung des Gemeinschaftsrechts und damit eine Annäherung beider 17

Vgl. Wahl, DVBl 2003, 1285, 1293. Vgl. Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 174. Beispiele solcher traditionell bereits diskutierter Rechtsinstitute sind die Diskussion um die Berechtigung des subjektiven öffentlichen Rechts sowie die bereits seit den 1970er Jahren und damit lange vor Einführung der UVP durch die EG in Deutschland diskutierte Umweltverträglichkeitsprüfung. Vgl. Cupei, UVP, 1986, S. 1, 35 ff. Hinsichtlich der Diskussion um das subjektive öffentliche Recht im Umweltrecht siehe die Nachweise bei Wegener in: Lübbe-Wolff, Vollzug, S. 145, 147 in Fn. 11. Hinsichtlich der Beteiligung von Verbänden an Verwaltungsverfahren sowie der Verbandsklage finden sich bereits (im Ergebnis allerdings abgelehnte) Überlegungen bei Ule/Laubinger, Gutachten B zum 52. Deutschen Juristentag Wiesbaden 1978, S. B 96 ff. 19 Vgl. Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 35, der darauf hinweist, zur Integration der durch die Einwirkungen der Aarhus-Konvention und die Entwicklungen des Gemeinschaftsrechts indizierten Veränderungen des deutschen verwaltungsrechtlichen Systems in das deutsche Rechtssystem stünden sowohl das Instrument der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung als auch die Weiterentwicklung der herkömmlichen Rechtsvorstellungen zur Verfügung. 20 Vgl. Schoch in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Eur. Verwaltungsrecht, S. 279, 315; Hirsch, VBlBW 2000, 71, 75. Entsprechend wurde die bekannte Sentenz Bachofs von Kahl in: VerwArch 95 (2004), 1, 37 folgendermaßen abgewandelt: „Verwaltungsrechtsdogmatik ist europäisch oder sie ist nicht.“ Die Einbeziehung des europäischen Rechts in die deutsche Verwaltungsrechtsdogmatik wurde bereits gefordert von Bachof in VVDStRL 30 (1972), 193, 236 f. 18

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10. Kap.: Zusammenfassung und Ausblick

Rechtsordnungen,21 was schließlich zu der Hoffnung berechtigt, dass die Aarhus-Konvention und ihre gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften die Herausbildung eines gemeinsamen europäischen Verwaltungsrechts, eines „ius commune europaeum“,22 um ein weiteres Stück voran bringen werden.

21 So Hirsch, VBlBW 2000, 71, 75; ferner Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 28, im Hinblick auf die deutsche Schutznormlehre; sowie Schwarze, NVwZ 2000, 241, 249 f. für den Bereich der gerichtlichen Kontrolldichte. 22 Begriff bei Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 28. Für die Kodifikation eines allgemeinen Verwaltungsrechts auf Gemeinschaftsebene Schoch, Die Verwaltung Beiheft 2, S. 135, 154.

Anhang I

Vertragstext der Aarhus-Konvention in amtlicher deutscher Übersetzung Mit Österreich und der Schweiz abgestimmte Fassung Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten Die Vertragsparteien dieses Übereinkommens – unter Hinweis auf Grundsatz 1 der Erklärung von Stockholm über die Umwelt des Menschen; auch unter Hinweis auf Grundsatz 10 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung; ferner unter Hinweis auf die Resolution 37/7 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 28. Oktober 1982 über die Weltcharta für die Natur und auf die Resolution 45/94 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1990 über die Notwendigkeit, eine gesunde Umwelt für das Wohl der Menschen zu sichern; unter Hinweis auf die Europäische Charta Umwelt und Gesundheit, die am 8. Dezember 1989 auf der ersten Europäischen Konferenz über Umwelt und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation in Frankfurt am Main (Deutschland) verabschiedet wurde; in Bekräftigung der Notwendigkeit, den Zustand der Umwelt zu schützen, zu erhalten und zu verbessern und eine nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung zu gewährleisten; in der Erkenntnis, dass ein angemessener Schutz der Umwelt für das menschliche Wohlbefinden und die Ausübung grundlegender Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Leben, unabdingbar ist; ferner in der Erkenntnis, dass jeder Mensch das Recht hat, in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben, und dass er sowohl als Einzelperson als auch in Gemeinschaft mit anderen die Pflicht hat, die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern; in Erwägung dessen, dass Bürger zur Wahrnehmung dieses Rechts und zur Erfüllung dieser Pflicht Zugang zu Informationen, ein Recht auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten haben müssen, und in Anbetracht der Tatsache, dass sie in dieser Hinsicht gegebenenfalls Unterstützung benötigen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können;

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

in der Erkenntnis, dass im Umweltbereich ein verbesserter Zugang zu Informationen und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren die Qualität und die Umsetzung von Entscheidungen verbessern, zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten beitragen, der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, und es den Behörden ermöglichen, diese Anliegen angemessen zu berücksichtigen; mit dem Ziel, die Verantwortlichkeit und Transparenz bei Entscheidungsverfahren zu fördern und die öffentliche Unterstützung für Entscheidungen über die Umwelt zu stärken; in der Erkenntnis, dass es wünschenswert ist, Transparenz in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu erzielen, und mit der Aufforderung an die gesetzgebenden Körperschaften, die Grundsätze dieses Übereinkommens in ihren Verfahren umzusetzen; auch in der Erkenntnis, dass sich die Öffentlichkeit der Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltbezogenen Entscheidungen bewusst sein, freien Zugang zu ihnen haben und wissen muss, wie sie genutzt werden können; ferner in der Erkenntnis der wichtigen Rolle, die einzelne Bürger, nichtstaatliche Organisationen1 und der private Sektor im Umweltschutz spielen können; in dem Wunsch, die Umwelterziehung zu fördern, um das Verständnis für die Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung zu vertiefen und um das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit für Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung haben, zu schärfen sowie deren Beteiligung an diesen Entscheidungen zu unterstützen; in Kenntnis der Wichtigkeit, in diesem Zusammenhang von den Medien und von elektronischen oder anderen, künftigen Kommunikationsformen Gebrauch zu machen; in der Erkenntnis der Bedeutung einer vollständigen Einbeziehung umweltbezogener Überlegungen in staatliche Entscheidungsverfahren und der daraus folgenden Notwendigkeit, dass Behörden über genaue, umfassende und aktuelle Informationen über die Umwelt verfügen; in Anerkennung dessen, dass Behörden über Informationen über die Umwelt im öffentlichen Interesse verfügen; mit dem Anliegen, dass die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben soll, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird; in Kenntnis der Wichtigkeit, den Verbrauchern geeignete Produktinformationen zu geben, damit sie eine sachkundige, am Umweltschutz orientierte Auswahl treffen können; in Anerkennung der Sorge der Öffentlichkeit über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt und in Erkenntnis der Notwendigkeit einer größeren Transparenz und stärkeren Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren in diesem Bereich; 1

A: Nichtregierungsorganisationen.

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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in der Überzeugung, dass die Durchführung dieses Übereinkommens zur Stärkung der Demokratie in der Region der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE) beitragen wird; im Bewusstsein der Rolle, welche die ECE hierbei spielt, und unter Hinweis unter anderem auf die ECE-Leitlinien über den Zugang zu Informationen über die Umwelt und die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren im Umweltbereich, die in der auf der dritten Ministerkonferenz „Umwelt für Europa“ am 25. Oktober 1995 in Sofia (Bulgarien) angenommenen Ministererklärung gebilligt wurden; eingedenk der einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, das am 25. Februar 1991 in Espoo (Finnland) beschlossen wurde, des Übereinkommens über die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Industrieunfällen und des Übereinkommens zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen, die beide am 17. März 1992 in Helsinki (Finnland) beschlossen wurden, sowie anderer regionaler Übereinkünfte; in dem Bewusstsein, dass die Annahme dieses Übereinkommens einen Beitrag zur weiteren Stärkung des Prozesses „Umwelt für Europa“ und zu den Ergebnissen der im Juni 1998 in Aarhus (Dänemark) stattfindenden vierten Ministerkonferenz geleistet haben wird – sind wie folgt übereingekommen: Artikel 1 Ziel Um zum Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen, gewährleistet jede Vertragspartei das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen. Artikel 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Übereinkommens 1. bedeutet „Vertragspartei“, soweit sich aus dem Wortlaut nichts anderes ergibt, eine Vertragspartei dieses Übereinkommens; 2. bedeutet „Behörde“ a) eine Stelle der öffentlichen Verwaltung auf nationaler, regionaler und anderer Ebene; b) natürliche oder juristische Personen, die aufgrund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, einschließlich bestimmter Pflichten, Tätigkeiten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt, wahrnehmen;

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

c) sonstige natürliche oder juristische Personen, die unter der Kontrolle einer unter Buchstabe a oder Buchstabe b genannten Stelle oder einer dort genannten Person im Zusammenhang mit der Umwelt öffentliche Zuständigkeiten haben, öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen; d) die Einrichtungen aller in Artikel 17 näher bestimmten Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind. Diese Begriffsbestimmung umfasst keine Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln; 3. bedeutet „Informationen über die Umwelt“ sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über a) den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; b) Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung sowie Tätigkeiten oder Maßnahmen, einschließlich Verwaltungsmaßnahmen, Umweltvereinbarungen, Politiken, Gesetze, Pläne und Programme, die sich auf die unter Buchstabe a) genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Kosten-Nutzen-Analysen und sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die bei umweltbezogenen Entscheidungsverfahren verwendet werden; c) den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, Bedingungen für menschliches Leben sowie Kulturstätten und Bauwerke in dem Maße, in dem sie vom Zustand der Umweltbestandteile oder – auf dem Weg über diese Bestandteile – von den unter Buchstabe b) genannten Faktoren, Tätigkeiten oder Maßnahmen betroffen sind oder betroffen sein können; 4. bedeutet „Öffentlichkeit“ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen; 5. bedeutet „betroffene Öffentlichkeit“ die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben 2 nichtstaatliche Organisationen , die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse. Artikel 3 Allgemeine Bestimmungen (1) Jede Vertragspartei ergreift die erforderlichen Gesetzgebungs-, Regelungs- und sonstigen Maßnahmen, einschließlich Maßnahmen zur Harmonisierung der Be2

A: Nichtregierungsorganisationen.

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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stimmungen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen über Informationen, Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Gerichten, sowie geeignete Maßnahmen zum Vollzug, um einen klaren, transparenten und einheitlichen Rahmen zur Durchführung dieses Übereinkommens herzustellen und aufrechtzuerhalten. (2) Jede Vertragspartei bemüht sich, sicherzustellen, dass öffentlich Bedienstete und Behörden der Öffentlichkeit Unterstützung und Orientierungshilfe für den Zugang zu Informationen, zur Erleichterung der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und für den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten geben. (3) Jede Vertragspartei fördert die Umwelterziehung und das Umweltbewusstsein der Öffentlichkeit insbesondere in Bezug auf die Möglichkeiten, Zugang zu Informationen zu erhalten, sich an Entscheidungsverfahren zu beteiligen und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu erhalten. (4) Jede Vertragspartei sorgt für angemessene Anerkennung und Unterstützung von Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, und stellt sicher, dass ihr innerstaatliches Rechtssystem mit dieser Verpflichtung vereinbar ist. (5) Dieses Übereinkommen lässt das Recht einer Vertragspartei unberührt, Maßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, die einen weitergehenden Zugang zu Informationen, eine umfangreichere Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und einen weitergehenden Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten ermöglichen, als dies aufgrund dieses Übereinkommens erforderlich ist. (6) Dieses Übereinkommen verlangt keine Verdrängung geltender Rechte auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. (7) Jede Vertragspartei fördert die Anwendung der Grundsätze dieses Übereinkommens bei internationalen umweltbezogenen Entscheidungsverfahren sowie im Rahmen internationaler Organisationen in Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen. (8) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass Personen, die ihre Rechte im Einklang mit diesem Übereinkommen ausüben, hierfür nicht in irgendeiner Weise bestraft, verfolgt oder belästigt werden. Diese Bestimmung berührt nicht die Befugnis innerstaatlicher Gerichte, in Gerichtsverfahren angemessene Gerichtskosten zu erheben. (9) Im Rahmen der einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens hat die Öffentlichkeit Zugang zu Informationen, die Möglichkeit, an Entscheidungsverfahren teilzunehmen, und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, ohne dabei wegen Staatsangehörigkeit, Volkszugehörigkeit oder Wohnsitz benachteiligt zu werden; eine juristische Person darf nicht aufgrund ihres eingetragenen Sitzes oder aufgrund des tatsächlichen Mittelpunkts ihrer Geschäftstätigkeit benachteiligt werden.

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung Artikel 4 Zugang zu Informationen über die Umwelt

(1) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass die Behörden nach Maßgabe der folgenden Absätze dieses Artikels und im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Öffentlichkeit Informationen über die Umwelt auf Antrag zur Verfügung stellen; hierzu gehören, wenn dies beantragt wird und nach Maßgabe des Buchstaben b), auch Kopien der eigentlichen Unterlagen, die derartige Informationen enthalten oder die aus diesen Informationen bestehen; dies geschieht a) ohne Nachweis eines Interesses; b) in der erwünschten Form, es sei denn, i)

es erscheint der Behörde angemessen, die Informationen in anderer Form zur Verfügung zu stellen, was zu begründen ist, oder

ii) die Informationen stehen der Öffentlichkeit bereits in anderer Form zur Verfügung. (2) Die in Absatz 1 genannten Informationen über die Umwelt werden so bald wie möglich, spätestens jedoch einen Monat nach Antragstellung zur Verfügung gestellt, es sei denn, der Umfang und die Komplexität der Informationen rechtfertigen eine Fristverlängerung auf bis zu zwei Monate nach Antragstellung. Der Antragsteller wird über jede Verlängerung sowie über die Gründe hierfür informiert. (3) Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn a) die Behörde, an die der Antrag gerichtet ist, nicht über die beantragten Informationen über die Umwelt verfügt; b) der Antrag offensichtlich missbräuchlich ist oder zu allgemein formuliert ist oder c) der Antrag Material betrifft, das noch fertiggestellt werden muss, oder wenn er interne Mitteilungen von Behörden betrifft, sofern eine derartige Ausnahme nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist oder gängiger Praxis entspricht, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe dieser Informationen zu berücksichtigen ist. (4) Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf a) die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, sofern eine derartige Vertraulichkeit nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist; b) internationale Beziehungen, die Landesverteidigung oder die öffentliche Sicherheit; c) laufende Gerichtsverfahren, die Möglichkeit einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten, oder die Möglichkeit einer Behörde, Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art durchzuführen; d) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, sofern diese rechtlich geschützt sind, um berechtigte wirtschaftliche Interessen zu schützen. In diesem Rahmen

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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sind Informationen über Emissionen, die für den Schutz der Umwelt von Bedeutung sind, bekanntzugeben; e) Rechte auf geistiges Eigentum; f) die Vertraulichkeit personenbezogener Daten und/oder Akten in Bezug auf eine natürliche Person, sofern diese der Bekanntgabe dieser Informationen an die Öffentlichkeit nicht zugestimmt hat und sofern eine derartige Vertraulichkeit nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist; g) die Interessen eines Dritten, der die beantragten Informationen zur Verfügung gestellt hat, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein oder verpflichtet werden zu können, sofern dieser Dritte der Veröffentlichung des Materials nicht zustimmt, oder h) die Umwelt, auf die sich diese Informationen beziehen, wie zum Beispiel die Brutstätten seltener Tierarten. Die genannten Ablehnungsgründe sind eng auszulegen, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe sowie ein etwaiger Bezug der beantragten Informationen zu Emissionen in die Umwelt zu berücksichtigen sind. (5) Verfügt eine Behörde nicht über die beantragten Informationen über die Umwelt, so informiert sie den Antragsteller so bald wie möglich darüber, bei welcher Behörde er ihres Erachtens die gewünschten Informationen beantragen kann, oder sie leitet den Antrag an diese Behörde weiter und informiert den Antragsteller hierüber. (6) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass für den Fall, dass Informationen, die aufgrund des Absatzes 3 Buchstabe c und des Absatzes 4 von der Bekanntgabe ausgenommen sind, ohne Beeinträchtigung der Vertraulichkeit der dieser Ausnahme unterliegenden Informationen ausgesondert werden können, die Behörden den jeweils nicht von dieser Ausnahme betroffenen Teil der beantragten Informationen über die Umwelt zur Verfügung stellen. (7) Die Ablehnung eines Antrags bedarf der Schriftform, wenn der Antrag selbst schriftlich gestellt wurde oder wenn der Antragsteller darum ersucht hat. In der Ablehnung werden die Gründe für die Ablehnung des Antrags genannt sowie Informationen über den Zugang zu dem nach Artikel 9 vorgesehenen Überprüfungsverfahren gegeben. Die Ablehnung erfolgt so bald wie möglich, spätestens nach einem Monat, es sei denn, die Komplexität der Informationen rechtfertigt eine Fristverlängerung auf bis zu zwei Monate nach Antragstellung. Der Antragsteller wird über jede Verlängerung sowie über die Gründe hierfür informiert. (8) Jede Vertragspartei kann ihren Behörden gestatten, für die Bereitstellung von Informationen eine Gebühr zu erheben, die jedoch eine angemessene Höhe nicht übersteigen darf. Behörden, die beabsichtigen, eine derartige Gebühr für die Bereitstellung von Informationen zu erheben, stellen den Antragstellern eine Übersicht über die Gebühren, die erhoben werden können, zur Verfügung, aus der hervorgeht, unter welchen Umständen sie erhoben oder erlassen werden können und wann die Bereitstellung von Informationen von einer Vorauszahlung dieser Gebühr abhängig ist.

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung Artikel 5 Erhebung und Verbreitung von Informationen über die Umwelt

(1) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass a) Behörden über Informationen über die Umwelt verfügen, die für ihre Aufgaben relevant sind, und dass sie diese Informationen aktualisieren; b) verbindliche Systeme geschaffen werden, damit Behörden in angemessenem Umfang Informationen über geplante und laufende Tätigkeiten, die sich erheblich auf die Umwelt auswirken können, erhalten; c) im Fall einer unmittelbar bevorstehenden, durch menschliche Tätigkeiten oder natürliche Ursachen hervorgerufenen Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt den möglicherweise betroffenen Mitgliedern der Öffentlichkeit unverzüglich und ohne Aufschub alle einer Behörde vorliegenden Informationen übermittelt werden, welche die Öffentlichkeit in die Lage versetzen könnten, Maßnahmen zur Vermeidung oder Begrenzung des durch die Gefahr verursachten Schadens zu ergreifen. (2) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass die Behörden im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Öffentlichkeit Informationen über die Umwelt auf transparente Art und Weise zur Verfügung stellen und dass ein effektiver Zugang zu Informationen über die Umwelt besteht; dazu gehört unter anderem, dass a) sie die Öffentlichkeit ausreichend über Art und Umfang der den zuständigen Behörden vorliegenden Informationen über die Umwelt, über die grundlegenden Bedingungen, unter denen diese zur Verfügung gestellt und zugänglich gemacht werden, und über das für deren Erlangung maßgebliche Verfahren informiert; b) sie praktische Vorkehrungen trifft und beibehält wie zum Beispiel i)

das Führen öffentlich zugänglicher Listen, Register oder Datensammlungen;

ii) die Verpflichtung öffentlich Bediensteter, die Öffentlichkeit in dem Bemühen um Zugang zu Informationen aufgrund dieses Übereinkommens zu unterstützen, sowie iii) die Benennung von Kontaktstellen und c) sie gebührenfreien Zugang zu den Informationen über die Umwelt gewährt, die in den unter Buchstabe b) Ziffer i) genannten Listen, Registern oder Datensammlungen enthalten sind. (3) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass Informationen über die Umwelt zunehmend in elektronischen Datenbanken, die der Öffentlichkeit über die öffentlichen Telekommunikationsnetze leicht zugänglich sind, zur Verfügung stehen. Zu den in dieser Form zugänglichen Informationen sollte folgendes gehören: a) die in Absatz 4 genannten Berichte über den Zustand der Umwelt; b) Texte von Umweltgesetzen oder von Gesetzen mit Umweltbezug; c) soweit angemessen Politiken, Pläne und Programme über die Umwelt oder mit Umweltbezug sowie Umweltvereinbarungen und

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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d) sonstige Informationen in dem Umfang, in dem die Verfügbarkeit dieser Informationen in dieser Form die Anwendung innerstaatlichen Rechts, das dieses Übereinkommen umsetzt, erleichtern würde, sofern diese Informationen bereits in elektronischer Form zur Verfügung stehen. (4) Jede Vertragspartei veröffentlicht und verbreitet in regelmäßigen Abständen von nicht mehr als drei oder vier Jahren einen nationalen Bericht über den Zustand der Umwelt, der Angaben über die Qualität der Umwelt und über Umweltbelastungen enthält. (5) Jede Vertragspartei ergreift im Rahmen ihrer Rechtsvorschriften Maßnahmen, um unter anderem folgendes zu verbreiten: a) Gesetze und politische Dokumente, wie zum Beispiel Dokumente über Strategien, Politiken, Programme und Aktionspläne mit Umweltbezug, sowie auf verschiedenen Ebenen der öffentlichen Verwaltung erstellte Berichte über Fortschritte bei ihrer Umsetzung; b) völkerrechtliche Verträge, Übereinkünfte und Vereinbarungen zu Umweltfragen und c) soweit angemessen sonstige wichtige internationale Dokumente zu Umweltfragen. (6) Jede Vertragspartei ermutigt die Betreiber, deren Tätigkeiten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, die Öffentlichkeit regelmäßig über die Umweltauswirkungen ihrer Tätigkeiten und Produkte zu informieren, soweit angemessen im Rahmen freiwilliger Systeme wie des Umweltzeichens, des Öko-Audits oder sonstiger Maßnahmen. (7) Jede Vertragspartei a) veröffentlicht die Tatsachen und Tatsachenanalysen, die ihres Erachtens bei der Ausarbeitung wichtiger umweltpolitischer Vorschläge relevant und wesentlich sind; b) veröffentlicht verfügbares erläuterndes Material über ihren Umgang mit der Öffentlichkeit in Angelegenheiten, die unter dieses Übereinkommen fallen, oder macht dieses Material auf andere Art und Weise zugänglich und c) stellt in geeigneter Form Informationen über die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben oder die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt durch alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung. (8) Jede Vertragspartei entwickelt Strukturen, um sicherzustellen, dass der Öffentlichkeit ausreichende Produktinformationen zur Verfügung gestellt werden, welche die Verbraucher in die Lage versetzen, eine sachkundige, am Umweltschutz orientierte Auswahl zu treffen. (9) Jede Vertragspartei ergreift Maßnahmen, um schrittweise und gegebenenfalls unter Berücksichtigung internationaler Entwicklungen ein zusammenhängendes, landesweites System von Verzeichnissen oder Registern zur Erfassung der Umweltverschmutzung in Form einer strukturierten, computergestützten und öffent-

284

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung lich zugänglichen Datenbank aufzubauen; diese Datenbank wird anhand von standardisierten Berichten erstellt. Ein derartiges System kann Einträge, Freisetzungen und Übertragungen bestimmter Stoff- und Produktgruppen, einschließlich Wasser, Energie und Ressourcenverbrauch, aus bestimmten Tätigkeitsbereichen in Umweltmedien sowie in Behandlungs- und Entsorgungsstätten am Standort und außerhalb des Standorts umfassen.

(10) Dieser Artikel lässt das Recht der Vertragsparteien unberührt, die Bekanntgabe bestimmter Informationen über die Umwelt nach Artikel 4 Absätze 3 und 4 abzulehnen. Artikel 6 Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten (1) Jede Vertragspartei a) wendet diesen Artikel bei Entscheidungen darüber an, ob die in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden; b) wendet diesen Artikel in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht auch bei Entscheidungen über nicht in Anhang I aufgeführte geplante Tätigkeiten an, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können. Zu diesem Zweck bestimmen die Vertragsparteien, ob dieser Artikel Anwendung auf eine derartige geplante Tätigkeit findet; c) kann – auf der Grundlage einer Einzelfallbetrachtung, sofern eine solche nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist – entscheiden, diesen Artikel nicht auf geplante Tätigkeiten anzuwenden, die Zwecken der Landesverteidigung dienen, wenn diese Vertragspartei der Auffassung ist, dass sich eine derartige Anwendung negativ auf diese Zwecke auswirken würde. (2) Die betroffene Öffentlichkeit wird im Rahmen umweltbezogener Entscheidungsverfahren je nach Zweckmäßigkeit durch öffentliche Bekanntmachung oder Einzelnen gegenüber in sachgerechter, rechtzeitiger und effektiver Weise frühzeitig unter anderem über folgendes informiert: a) die geplante Tätigkeit und den Antrag, über den eine Entscheidung gefällt wird; b) die Art möglicher Entscheidungen oder den Entscheidungsentwurf; c) die für die Entscheidung zuständige Behörde; d) das vorgesehene Verfahren, einschließlich der folgenden Informationen, falls und sobald diese zur Verfügung gestellt werden können: i)

Beginn des Verfahrens;

ii) Möglichkeiten der Öffentlichkeit, sich zu beteiligen; iii) Zeit und Ort vorgesehener öffentlicher Anhörungen; iv) Angabe der Behörde, von der relevante Informationen zu erhalten sind, und des Ortes, an dem die Öffentlichkeit Einsicht in die relevanten Informationen nehmen kann;

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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v) Angabe der zuständigen Behörde oder der sonstigen amtlichen Stelle, bei der Stellungnahmen oder Fragen eingereicht werden können, sowie der dafür vorgesehenen Fristen und vi) Angaben darüber, welche für die geplante Tätigkeit relevanten Informationen über die Umwelt verfügbar sind; e) die Tatsache, dass die Tätigkeit einem nationalen oder grenzüberschreitenden Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt. (3) Die Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung sehen jeweils einen angemessenen zeitlichen Rahmen für die verschiedenen Phasen vor, damit ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um die Öffentlichkeit nach Absatz 2 zu informieren, und damit der Öffentlichkeit ausreichend Zeit zur effektiven Vorbereitung und Beteiligung während des umweltbezogenen Entscheidungsverfahrens gegeben wird. (4) Jede Vertragspartei sorgt für eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden kann. (5) Jede Vertragspartei sollte, soweit angemessen, künftige Antragsteller dazu ermutigen, die betroffene Öffentlichkeit zu ermitteln, Gespräche aufzunehmen und über den Zweck ihres Antrags zu informieren, bevor der Antrag auf Genehmigung gestellt wird. (6) Jede Vertragspartei verpflichtet die zuständigen Behörden, der betroffenen Öffentlichkeit – auf Antrag, sofern innerstaatliches Recht dies vorschreibt – gebührenfrei und sobald verfügbar Zugang zu allen Informationen zu deren Einsichtnahme zu gewähren, die für die in diesem Artikel genannten Entscheidungsverfahren relevant sind und zum Zeitpunkt des Verfahrens zur Öffentlichkeitsbeteiligung zur Verfügung stehen; das Recht der Vertragsparteien, die Bekanntgabe bestimmter Informationen nach Artikel 4 Absätze 3 und 4 abzulehnen, bleibt hiervon unberührt. Zu den relevanten Informationen gehören zumindest und unbeschadet des Artikels 4 a) eine Beschreibung des Standorts sowie der physikalischen und technischen Merkmale der geplanten Tätigkeit, einschließlich einer Schätzung der erwarteten Rückstände und Emissionen; b) eine Beschreibung der erheblichen Auswirkungen der geplanten Tätigkeit auf die Umwelt; c) eine Beschreibung der zur Vermeidung und/oder Verringerung der Auswirkungen, einschließlich der Emissionen, vorgesehenen Maßnahmen; d) eine nichttechnische Zusammenfassung der genannten Informationen; e) ein Überblick über die wichtigsten vom Antragsteller geprüften Alternativen und f) in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften die wichtigsten Berichte und Empfehlungen, die an die Behörde zu dem Zeitpunkt gerichtet wurden, zu dem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 informiert wird.

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

(7)

In Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, alle von ihr für die geplante Tätigkeit als relevant erachteten Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen in Schriftform vorzulegen oder gegebenenfalls während einer öffentlichen Anhörung oder Untersuchung mit dem Antragsteller vorzutragen.

(8)

Jede Vertragspartei stellt sicher, dass das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Entscheidung angemessen berücksichtigt wird.

(9)

Jede Vertragspartei stellt sicher, dass die Öffentlichkeit, sobald die Behörde die Entscheidung gefällt hat, unverzüglich und im Einklang mit den hierfür passenden Verfahren über die Entscheidung informiert wird. Jede Vertragspartei macht der Öffentlichkeit den Wortlaut der Entscheidung sowie die Gründe und Erwägungen zugänglich, auf die sich diese Entscheidung stützt.

(10) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass bei einer durch eine Behörde vorgenommenen Überprüfung oder Aktualisierung der Betriebsbedingungen für eine in Absatz 1 genannte Tätigkeit die Absätze 2 bis 9 sinngemäß und soweit dies angemessen ist Anwendung finden. (11) Jede Vertragspartei wendet nach ihrem innerstaatlichen Recht im machbaren und angemessenen Umfang Bestimmungen dieses Artikels bei Entscheidungen darüber an, ob eine absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt genehmigt wird. Artikel 7 Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen, Programmen und Politiken Jede Vertragspartei trifft angemessene praktische und/oder sonstige Vorkehrungen dafür, dass die Öffentlichkeit, nachdem ihr zuvor die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt worden sind, in einem transparenten und fairen Rahmen während der Vorbereitung umweltbezogener Pläne und Programme beteiligt wird. In diesem Rahmen findet Artikel 6 Absätze 3, 4 und 8 Anwendung. Die zuständige Behörde ermittelt die Öffentlichkeit, die sich beteiligen kann, wobei die Ziele dieses Übereinkommens zu berücksichtigen sind. Jede Vertragspartei bemüht sich im angemessenen Umfang darum, Möglichkeiten für eine Beteiligung der Öffentlichkeit an der Vorbereitung umweltbezogener Politiken zu schaffen. Artikel 8 Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung exekutiver Vorschriften und/oder allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher normativer Instrumente Jede Vertragspartei bemüht sich, zu einem passenden Zeitpunkt und solange Optionen noch offen sind eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung während der durch Behörden erfolgenden Vorbereitung exekutiver Vorschriften und sonstiger allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher Bestimmungen, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, zu fördern. Zu diesem Zweck sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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a) Für eine effektive Beteiligung ausreichende zeitliche Rahmen sollten festgelegt werden; b) Vorschriftenentwürfe sollten veröffentlicht oder anderweitig öffentlich zugänglich gemacht werden, und c) die Öffentlichkeit sollte unmittelbar oder über sie vertretende und beratende Stellen die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung wird so weit wie möglich berücksichtigt. Artikel 9 Zugang zu Gerichten (1) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat. Für den Fall, dass eine Vertragspartei eine derartige Überprüfung durch ein Gericht vorsieht, stellt sie sicher, dass die betreffende Person auch Zugang zu einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder Zugang zu einer Überprüfung durch eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, hat. Nach Absatz 1 getroffene endgültige Entscheidungen sind für die Behörde, die über die Informationen verfügt, verbindlich. Gründe werden in Schriftform dargelegt, zumindest dann, wenn der Zugang zu Informationen nach diesem Absatz abgelehnt wird. (2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, (a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht3 einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten. 3

A: Verwaltungsverfahrensrecht.

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation4, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können. Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. (4) Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich. (5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern. Artikel 10 Tagung der Vertragsparteien (1) Die erste Tagung der Vertragsparteien wird spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens einberufen. Danach finden ordentliche Tagungen der Vertragsparteien mindestens alle zwei Jahre statt, es sei denn, die Vertragsparteien haben etwas anderes beschlossen oder eine Vertragspartei ersucht schriftlich um einen früheren Termin; allerdings muss dieses Ersuchen innerhalb von sechs Monaten, nachdem es vom Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa allen Vertragsparteien mitgeteilt wurde, von mindestens einem Drittel der Vertragsparteien unterstützt werden. 4

A: Nichtregierungsorganisation.

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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(2) Auf ihren Tagungen überprüfen die Vertragsparteien auf der Grundlage regelmäßiger Berichterstattung durch die Vertragsparteien ständig die Durchführung dieses Übereinkommens; vor diesem Hintergrund a) überprüfen sie die Politiken sowie rechtliche und methodische Konzepte für den Zugang zu Informationen, für die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und für den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Hinblick auf ihre weitere Verbesserung; b) tauschen sie Informationen über ihre Erfahrungen aus dem Abschluss und der Durchführung zweiseitiger und mehrseitiger Übereinkünfte oder sonstiger Vereinbarungen aus, die für die Zwecke dieses Übereinkommens von Belang sind und deren Vertragsparteien eine oder mehrere von ihnen sind; c) erbitten sie gegebenenfalls die Dienste der zuständigen ECE-Gremien sowie sonstiger zuständiger internationaler Gremien und Fachausschüsse für alle Fragen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Zwecke dieses Übereinkommens; d) setzen sie, wenn sie dies für notwendig erachten, Nebengremien ein; e) erarbeiten sie gegebenenfalls Protokolle zu diesem Übereinkommen; f) prüfen sie nach Artikel 14 Vorschläge zur Änderung dieses Übereinkommens und nehmen sie an; g) prüfen und treffen sie zusätzliche Maßnahmen, die sich zur Erfüllung des Zwecks dieses Übereinkommens als notwendig erweisen könnten; h) beraten sie auf ihrer ersten Tagung eine Geschäftsordnung für ihre Tagungen und für die Tagungen von Nebengremien und beschließen sie durch Konsens; i) überprüfen sie auf ihrer ersten Tagung ihre Erfahrungen bei der Durchführung des Artikels 5 Absatz 9 und prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind, um das in dem genannten Absatz erwähnte System unter Berücksichtigung internationaler Vorgänge und Entwicklungen weiterzuentwickeln; dazu gehört die Ausarbeitung eines angemessenen Instruments betreffend Register oder Verzeichnisse zur Erfassung der Umweltverschmutzung, das diesem Übereinkommen als Anhang beigefügt werden könnte. (3) Die Tagung der Vertragsparteien kann, soweit notwendig, die Schaffung finanzieller Regelungen auf der Grundlage einer Konsensentscheidung prüfen. (4) Die Vereinten Nationen, deren Sonderorganisationen, die Internationale Atomenergie-Organisation und alle nach Artikel 17 zur Unterzeichnung dieses Übereinkommens berechtigten Staaten oder Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, sowie alle zwischenstaatlichen Organisationen, die in den Bereichen, auf die sich dieses Übereinkommen bezieht, qualifiziert sind, haben die Berechtigung, als Beobachter an den Tagungen der Vertragsparteien teilzunehmen. (5) Jede nichtstaatliche Organisation5, die in den Bereichen, auf die sich dieses Übereinkommen bezieht, qualifiziert ist und die den Exekutivsekretär der Wirt5

A: Nichtregierungsorganisation.

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung schaftskommission der Vereinten Nationen für Europa über ihren Wunsch informiert hat, bei einer Tagung der Vertragsparteien vertreten zu sein, hat die Berechtigung, als Beobachter teilzunehmen, wenn nicht mindestens ein Drittel der auf der Tagung anwesenden Vertragsparteien dagegen Einwände erhebt.

(6) Für die Zwecke der Absätze 4 und 5 sieht die in Absatz 2 Buchstabe h) genannte Geschäftsordnung praktische Vorkehrungen für das Zulassungsverfahren sowie andere einschlägige Bestimmungen vor. Artikel 11 Stimmrecht (1) Jede Vertragspartei dieses Übereinkommens hat eine Stimme, sofern nicht in Absatz 2 etwas anderes bestimmt ist. (2) Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration üben in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, welche Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind. Diese Organisationen üben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt. Artikel 12 Sekretariat Der Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission für Europa erfüllt folgende Sekretariatsaufgaben: a) Er beruft die Tagungen der Vertragsparteien ein und bereitet sie vor; b) er übermittelt den Vertragsparteien Berichte und sonstige Informationen, die er aufgrund dieses Übereinkommens erhalten hat und c) er nimmt sonstige ihm von den Vertragsparteien zugewiesene Aufgaben wahr. Artikel 13 Anhänge Die Anhänge dieses Übereinkommens sind Bestandteil des Übereinkommens. Artikel 14 Änderungen des Übereinkommens (1) Jede Vertragspartei kann Änderungen dieses Übereinkommens vorschlagen. (2) Der Wortlaut einer vorgeschlagenen Änderung dieses Übereinkommens wird dem Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission für Europa schriftlich vorgelegt; dieser übermittelt ihn allen Vertragsparteien spätestens neunzig Tage vor der Tagung der Vertragsparteien, auf der er zur Beschlussfassung vorgeschlagen wird.

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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(3) Die Vertragsparteien unternehmen alle Bemühungen, um über alle vorgeschlagenen Änderungen dieses Übereinkommens eine Einigung durch Konsens zu erzielen. Sind alle Bemühungen, einen Konsens zu erreichen, ausgeschöpft und wurde hierbei keine Einigung erzielt, so wird die Änderung notfalls mit Dreiviertelmehrheit der auf der Tagung anwesenden und abstimmenden Vertragsparteien beschlossen. (4) Nach Absatz 3 beschlossene Änderungen dieses Übereinkommens übermittelt der Verwahrer allen Vertragsparteien zur Ratifikation, Genehmigung oder Annahme. Änderungen dieses Übereinkommens, bei denen es sich nicht um Änderungen eines Anhangs handelt, treten für die Vertragsparteien, die sie ratifiziert, genehmigt oder angenommen haben, am neunzigsten Tag nach dem Eingang der Notifikation ihrer Ratifikation, Genehmigung oder Annahme durch mindestens drei Viertel dieser Vertragsparteien beim Verwahrer in Kraft. Danach treten sie für jede andere Vertragspartei am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem diese Vertragspartei ihre Urkunde über die Ratifikation, Genehmigung oder Annahme der Änderungen hinterlegt hat. (5) Jede Vertragspartei, die eine Änderung eines Anhangs zu diesem Übereinkommen nicht genehmigen kann, notifiziert dies dem Verwahrer schriftlich innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der Übermittlung des Änderungsbeschlusses. Der Verwahrer notifiziert allen Vertragsparteien unverzüglich den Eingang jeder derartigen Notifikation. Eine Vertragspartei kann jederzeit ihre frühere Notifikation durch eine Annahme ersetzen; für diese Vertragspartei treten die Änderungen dieses Anhangs mit Hinterlegung einer Annahmeurkunde beim Verwahrer in Kraft. (6) Eine Änderung eines Anhangs tritt zwölf Monate nach ihrer in Absatz 4 vorgesehenen Übermittlung durch den Verwahrer für die Vertragsparteien in Kraft, die dem Verwahrer keine Notifikation nach Absatz 5 vorgelegt haben, sofern nicht mehr als ein Drittel der Vertragsparteien eine derartige Notifikation vorgelegt hat. (7) Im Sinne dieses Artikels bedeutet „anwesende und abstimmende Vertragsparteien“ die Vertragsparteien, die anwesend sind und eine Ja- oder Neinstimme abgeben. Artikel 15 Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen des Übereinkommens Die Tagung der Vertragsparteien trifft durch Konsensentscheidung Regelungen über eine freiwillige, nichtstreitig angelegte, außergerichtliche und auf Konsultationen beruhende Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Übereinkommens. Diese Regelungen lassen eine angemessene Einbeziehung der Öffentlichkeit zu und können die Möglichkeit beinhalten, Stellungnahmen von Mitgliedern der Öffentlichkeit zu Angelegenheiten im Zusammenhang mit diesem Übereinkommen zu prüfen.

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung Artikel 16 Beilegung von Streitigkeiten

(1) Entsteht eine Streitigkeit zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens, so bemühen sich diese, durch Verhandlung oder andere für die Streitparteien annehmbare Mittel der Streitbeilegung eine Lösung herbeizuführen. (2) Bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung dieses Übereinkommens oder beim Beitritt zu ihm oder jederzeit danach kann eine Vertragspartei dem Verwahrer schriftlich erklären, dass sie für eine nicht nach Absatz 1 beigelegte Streitigkeit eines der folgenden Mittel der Streitbeilegung oder beide gegenüber jeder anderen Vertragspartei, welche dieselbe Verpflichtung übernimmt, als obligatorisch anerkennt: a) die Vorlage der Streitigkeit beim Internationalen Gerichtshof; b) ein Schiedsverfahren nach dem in Anhang II festgelegten Verfahren. (3) Haben die Streitparteien beide in Absatz 2 genannten Mittel der Streitbeilegung anerkannt, so darf die Streitigkeit nur dem Internationalen Gerichtshof vorgelegt werden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. Artikel 17 Unterzeichnung Dieses Übereinkommen liegt am 25. Juni 1998 in Aarhus (Dänemark) und danach bis zum 21. Dezember 1998 am Sitz der Vereinten Nationen in New York für die Mitgliedstaaten der Wirtschaftskommission für Europa, für Staaten, die nach den Nummern 8 und 11 der Entschließung 36 (IV) des Wirtschafts- und Sozialrats vom 28. März 1947 bei der Wirtschaftskommission für Europa beratenden Status haben, und für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die aus souveränen Staaten, welche Mitglieder der Wirtschaftskommission für Europa sind, gebildet werden und denen ihre Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für die von dem Übereinkommen erfassten Angelegenheiten, einschließlich der Zuständigkeit, über diese Angelegenheiten Verträge zu schließen, übertragen haben, zur Unterzeichnung auf. Artikel 18 Verwahrer6 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen nimmt die Aufgaben des Verwahrers7 dieses Übereinkommens wahr.

6 7

CH: Depositar. CH: Depositars.

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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Artikel 19 Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt (1) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Unterzeichnerstaaten und die Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration. (2) Dieses Übereinkommen steht vom 22. Dezember 1998 an für die in Artikel 17 genannten Staaten und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zum Beitritt offen. (3) Jeder nicht in Absatz 2 genannte Staat, der Mitglied der Vereinten Nationen ist, kann dem Übereinkommen mit Genehmigung der Tagung der Vertragsparteien beitreten. (4) Jede in Artikel 17 genannte Organisation, die Vertragspartei dieses Übereinkommens wird, ohne dass einer ihrer Mitgliedstaaten Vertragspartei ist, ist durch alle Verpflichtungen aus dem Übereinkommen gebunden. Ist ein Mitgliedstaat oder sind mehrere Mitgliedstaaten einer solchen Organisation Vertragspartei des Übereinkommens, so entscheiden die Organisation und ihre Mitgliedstaaten über ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen. In diesen Fällen sind die Organisation und die Mitgliedstaaten nicht berechtigt, die Rechte aus dem Übereinkommen gleichzeitig auszuüben. (5) In ihren Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden erklären die in Artikel 17 genannten Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Übereinkommen erfassten Angelegenheiten. Diese Organisationen teilen dem Verwahrer8 auch jede wesentliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit. Artikel 20 Inkrafttreten (1) Dieses Übereinkommen tritt am neunzigsten Tag nach dem Tag der Hinterlegung der sechzehnten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft. (2) Für die Zwecke des Absatzes 1 zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der Organisation hinterlegten Urkunden. (3) Für alle in Artikel 17 bezeichneten Staaten oder Organisationen, die nach Hinterlegung der sechzehnten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde dieses Übereinkommen ratifizieren, annehmen oder genehmigen oder ihm beitreten, tritt das Übereinkommen am neunzigsten Tag nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch den Staat oder die Organisation in Kraft. 8

CH: Depositar.

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung Artikel 21 Rücktritt

Eine Vertragspartei kann jederzeit nach Ablauf von drei Jahren nach dem Tag, an dem dieses Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist, durch eine an den Verwahrer9 gerichtete schriftliche Notifikation von dem Übereinkommen zurücktreten. Der Rücktritt wird am neunzigsten Tag nach dem Tag des Eingangs der Notifikation beim Verwahrer10 wirksam. Artikel 22 Verbindliche Wortlaute Die Urschrift dieses Übereinkommens, dessen englischer, französischer und russischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben. Geschehen zu Aarhus (Dänemark) am 25. Juni 1998. Anhänge Anhang I Liste der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a genannten Tätigkeiten (1) Energiebereich – Mineralöl- und Gasraffinerien; – Vergasungs- und Verflüssigungsanlagen; – Wärmekraftwerke und andere Verbrennungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von mindestens 50 Megawatt (MW); – Kokereien; – Kernkraftwerke und andere Kernreaktoren einschließlich der Demontage oder Stilllegung solcher Kraftwerke oder Reaktoren11 (mit Ausnahme von Forschungseinrichtungen zur Erzeugung und Bearbeitung von spaltbaren und brutstoffhaltigen Stoffen, deren Höchstleistung 1 kW thermische Dauerleistung nicht übersteigt); – Anlagen zur Wiederaufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe;

9

CH: Depositar. CH: Depositar. 11 Kernkraftwerke und andere Kernreaktoren gelten nicht mehr als solche, wenn der gesamte Kernbrennstoff und andere radioaktiv kontaminierte Komponenten auf Dauer vom Standort der Anlage entfernt wurden. 10

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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– Anlagen • mit dem Zweck der Erzeugung oder Anreicherung von Kernbrennstoffen; • mit dem Zweck der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe oder hochradioaktiver Abfälle; • mit dem Zweck der endgültigen Beseitigung bestrahlter Kernbrennstoffe; • mit dem ausschließlichen Zweck der endgültigen Beseitigung radioaktiver Abfälle; • mit dem ausschließlichen Zweck der (für mehr als 10 Jahre geplanten) Lagerung bestrahlter Kernbrennstoffe oder radioaktiver Abfälle an einem anderen Ort als dem Produktionsort. (2) Herstellung und Verarbeitung von Metallen – Röst- oder Sinteranlagen für Metallerz einschließlich sulfidischer Erze; – Anlagen für die Herstellung von Roheisen oder Stahl (Primär- oder Sekundärschmelzung) einschließlich Stranggießen mit einer Kapazität von mehr als 2,5 t pro Stunde; – Anlagen zur Verarbeitung von Eisenmetallen durch i)

Warmwalzen mit einer Leistung von mehr als 20 t Rohstahl pro Stunde;

ii) Schmieden mit Hämmern, deren Schlagenergie 50 Kilojoule pro Hammer überschreitet, bei einer Wärmeleistung von über 20 MW; iii) Aufbringen von schmelzflüssigen metallischen Schutzschichten mit einer Verarbeitungskapazität von mehr als 2 t Rohstahl pro Stunde; – Eisenmetallgießereien mit einer Produktionskapazität von über 20 t pro Tag; – Anlagen i)

zur Gewinnung von Nichteisenrohmetallen aus Erzen, Konzentraten oder sekundären Rohstoffen durch metallurgische, chemische oder elektrolytische Verfahren;

ii) zum Schmelzen, einschließlich Legieren, von Nichteisenmetallen, darunter auch Wiedergewinnungsprodukte (Raffination, Gießen usw.) mit einer Schmelzkapazität von mehr als 4 t pro Tag bei Blei und Kadmium oder 20 t pro Tag bei allen anderen Metallen; – Anlagen zur Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen durch ein elektrolytisches oder chemisches Verfahren, wenn das Volumen der Wirkbäder 30 m3 übersteigt. (3) Mineralverarbeitende Industrie – Anlagen zur Herstellung von Zementklinkern in Drehrohröfen mit einer Produktionskapazität von über 500 t pro Tag oder von Kalk in Drehrohröfen mit einer Produktionskapazität von über 50 t pro Tag oder in anderen Öfen mit einer Produktionskapazität von über 50 t pro Tag; – Anlagen zur Gewinnung von Asbest und zur Herstellung von Erzeugnissen aus Asbest; – Anlagen zur Herstellung von Glas einschließlich Anlagen zur Herstellung von Glasfasern mit einer Schmelzkapazität von über 20 t pro Tag;

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Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung – Anlagen zum Schmelzen mineralischer Stoffe einschließlich Anlagen zur Herstellung von Mineralfasern mit einer Schmelzkapazität von über 20 t pro Tag; – Anlagen zur Herstellung von keramischen Erzeugnissen durch Brennen, und zwar insbesondere von Dachziegeln, Ziegelsteinen, feuerfesten Steinen, Fliesen, Steinzeug oder Porzellan mit einer Produktionskapazität von über 75 t pro Tag und/oder einer Ofenkapazität von über 4 m3 und einer Besatzdichte pro Ofen von über 300 kg/m3.

(4) Chemische Industrie Herstellung im Sinne der Kategorien von Tätigkeiten unter Nummer 4 bedeutet die Herstellung der unter den Buchstaben a bis g genannten Stoffe oder Stoffgruppen durch chemische Umwandlung im industriellen Umfang: a) Chemieanlagen zur Herstellung von organischen Grundchemikalien wie i)

einfachen Kohlenwasserstoffen (linearen oder ringförmigen, gesättigten oder ungesättigten, aliphatischen oder aromatischen);

ii)

sauerstoffhaltigen Kohlenwasserstoffen wie Alkoholen, Aldehyden, Ketonen, Carbonsäuren, Estern, Acetaten, Ethern, Peroxiden, Epoxiden;

iii)

schwefelhaltigen Kohlenwasserstoffen;

iv)

stickstoffhaltigen Kohlenwasserstoffen wie Aminen, Amiden, Nitroso-, Nitro- oder Nitratverbindungen, Nitrilen, Cyanaten, Isocyanaten;

v)

phosphorhaltigen Kohlenwasserstoffen;

vi)

halogenhaltigen Kohlenwasserstoffen;

vii) metallorganischen Verbindungen; viii) Basiskunststoffen (Polymeren, Chemiefasern, Fasern auf Zellstoffbasis); ix)

synthetischen Kautschuken;

x)

Farbstoffen und Pigmenten;

xi)

Tensiden;

b) Chemieanlagen zur Herstellung von anorganischen Grundchemikalien wie i)

Gasen wie Ammoniak, Chlor oder Chlorwasserstoff, Fluor oder Fluorwasserstoff, Kohlenstoffoxiden, Schwefelverbindungen, Stickstoffoxiden, Wasserstoff, Schwefeldioxid, Phosgen;

ii)

Säuren wie Chromsäure, Flusssäure, Phosphorsäure, Salpetersäure, Salzsäure, Schwefelsäure, Oleum, schwefeligen Säuren;

iii)

Basen wie Ammoniumhydroxid, Kaliumhydroxid, Natriumhydroxid;

iv)

Salzen wie Ammoniumchlorid, Kaliumchlorat, Kaliumkarbonat, Natriumkarbonat, Perborat, Silbernitrat;

v)

Nichtmetallen, Metalloxiden oder sonstigen anorganischen Verbindungen wie Kalziumkarbid, Silicium, Siliciumkarbid;

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

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c) Chemieanlagen zur Herstellung von phosphor-, stickstoff- oder kaliumhaltigen Düngemitteln (Einnährstoff- oder Mehrnährstoffdüngern); d) Chemieanlagen zur Herstellung von Ausgangsstoffen für Pflanzenschutzmittel und von Bioziden; e) Anlagen zur Herstellung von Grundarzneimitteln unter Verwendung eines chemischen oder biologischen Verfahrens; f) Chemieanlagen zur Herstellung von Explosivstoffen; g) Chemieanlagen, in denen chemische oder biologische Verfahren zur Herstellung von Zusatzstoffen in Eiweißfuttermitteln, Fermenten und anderen Eiweißstoffen angewandt werden. (5) Abfallbehandlung – Anlagen zur Verbrennung, Verwertung, chemischen Behandlung oder Deponierung gefährlicher Abfälle; – Müllverbrennungsanlagen für Siedlungsmüll mit einer Kapazität von über 3 t pro Stunde; – Anlagen zur Beseitigung ungefährlicher Abfälle mit einer Kapazität von über 50 t pro Tag; – Deponien mit einer Aufnahmekapazität von über 10 t pro Tag oder einer Gesamtkapazität von über 25.000 t, mit Ausnahme der Deponien für Inertabfälle. (6) Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Leistung von mehr als 150.000 Einwohnerwerten. (7) Industrieanlagen zur Herstellung von a) Zellstoff aus Holz oder anderen Faserstoffen; b) Papier und Pappe, deren Produktionskapazität 20 t pro Tag übersteigt. (8) a) Bau von Eisenbahn-Fernverkehrsstrecken und Flughäfen12 mit einer Startund Landebahngrundlänge von 2.100 m und mehr; b) Bau von Autobahnen und Schnellstraßen13; c) Bau von neuen vier- oder mehrspurigen Straßen oder Verlegung und/oder Ausbau von bestehenden ein- oder zweispurigen Straßen zu vier- oder mehrspurigen Straßen, wenn diese neue Straße oder dieser verlegte und/oder ausgebaute Straßenabschnitt eine durchgehende Länge von 10 km oder mehr aufweisen würde.

12 „Flughäfen“ im Sinne dieses Übereinkommens sind Flughäfen nach der Begriffsbestimmung des Abkommens von Chicago von 1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation – Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt – (Anhang 14). 13 „Schnellstraßen“ im Sinne dieses Übereinkommens sind Schnellstraßen nach der Begriffsbestimmung des Europäischen Übereinkommens vom 15. November 1975 über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs (AGR).

298 (9)

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung a) Wasserstraßen und Häfen für die Binnenschifffahrt, die für Schiffe mit mehr als 1.350 t zugänglich sind; b) Seehandelshäfen, mit Binnen- und Außenhäfen verbundene Landungsstege (mit Ausnahme von Landungsstegen für Fährschiffe) zum Laden und Löschen, die Schiffe mit mehr als 1.350 t aufnehmen können.

(10) Grundwasserentnahme- oder künstliche Grundwasserauffüllungssysteme mit einem jährlichen Entnahme- oder Auffüllungsvolumen von mindestens 10 Mio. m3. (11) a) Bauvorhaben zur Umleitung von Wasserressourcen von einem Flusseinzugsgebiet in ein anderes, wenn durch die Umleitung Wassermangel verhindert werden soll und mehr als 100 Mio. m3 pro Jahr an Wasser umgeleitet werden; b) in allen anderen Fällen Bauvorhaben zur Umleitung von Wasserressourcen von einem Flusseinzugsgebiet in ein anderes, wenn der langjährige durchschnittliche Wasserdurchfluss des Flusseinzugsgebiets, dem Wasser entnommen wird, 2.000 Mio. m3 pro Jahr übersteigt und mehr als 5 Prozent dieses Durchflusses umgeleitet werden. In beiden Fällen wird der Transport von Trinkwasser in Rohren nicht berücksichtigt. (12) Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu gewerblichen Zwecken mit einem Fördervolumen von mehr als 500 t pro Tag bei Erdöl und von mehr als 500.000 m3 pro Tag bei Erdgas. (13) Stauwerke und sonstige Anlagen zur Zurückhaltung oder dauerhaften Speicherung von Wasser, in denen über 10 Mio. m3 Wasser neu oder zusätzlich zurückgehalten oder gespeichert werden. (14) Öl-, Gas- und Chemikalienpipelines mit einem Durchmesser von mehr als 800 mm und einer Länge von mehr als 40 km. (15) Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Geflügel oder Schweinen mit mehr als a) 40.000 Plätzen für Geflügel; b) 2.000 Plätzen für Mastschweine (Schweine über 30 kg) oder c) 750 Plätzen für Säue. (16) Steinbrüche und Tagebau auf einer Abbaufläche von mehr als 25 Hektar oder Torfgewinnung auf einer Fläche von mehr als 150 Hektar. (17) Bau von Hochspannungsfreileitungen für eine Stromstärke von 220 kV oder mehr und mit einer Länge von mehr als 15 km. (18) Anlagen zur Lagerung von Erdöl, petrochemischen oder chemischen Erzeugnissen mit einer Kapazität von 200.000 t und mehr. (19) Sonstige Tätigkeiten: – Anlagen zur Vorbehandlung (zum Beispiel Waschen, Bleichen, Merzerisieren) oder zum Färben von Fasern oder Textilien, deren Verarbeitungskapazität 10 t pro Tag übersteigt;

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

299

– Anlagen zum Gerben von Häuten oder Fellen mit einer Verarbeitungskapazität von mehr als 12 t Fertigerzeugnissen pro Tag; a) Anlagen zum Schlachten mit einer Schlachtkapazität (Tierkörper) von mehr als 50 t pro Tag; b) Behandlungs- und Verarbeitungsanlagen zur Herstellung von Nahrungsmittelerzeugnissen aus i) tierischen Rohstoffen (mit Ausnahme von Milch) mit einer Produktionskapazität von mehr als 75 t Fertigerzeugnissen pro Tag; ii) pflanzlichen Rohstoffen mit einer Produktionskapazität von mehr als 300 t Fertigerzeugnissen pro Tag (Vierteljahresdurchschnittswert); c) Anlagen zur Behandlung und Verarbeitung von Milch, wenn die eingehende Milchmenge 200 t pro Tag übersteigt (Jahresdurchschnittswert); – Anlagen zur Beseitigung oder Verwertung von Tierkörpern und tierischen Abfällen mit einer Verarbeitungskapazität von mehr als 10 t pro Tag; – Anlagen zur Oberflächenbehandlung von Stoffen, Gegenständen oder Erzeugnissen unter Verwendung organischer Lösungsmittel, insbesondere zum Appretieren, Bedrucken, Beschichten, Entfetten, Imprägnieren, Kleben, Lackieren, Reinigen oder Tränken, mit einer Verbrauchskapazität von mehr als 150 kg Lösungsmitteln pro Stunde oder von mehr als 200 t pro Jahr; – Anlagen zur Herstellung von Kohlenstoff (Hartbrandkohle) oder Elektrographit durch Brennen oder Graphitieren. (20) Jede Tätigkeit, die nicht durch die Nummern 1 bis 19 erfasst ist, wenn für sie eine Öffentlichkeitsbeteiligung aufgrund eines Verfahrens zur Umweltverträglichkeitsprüfung nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. (21) Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a dieses Übereinkommens findet keine Anwendung auf die genannten Vorhaben, wenn sie ausschließlich oder hauptsächlich zur Forschung, Entwicklung und Erprobung neuer Methoden oder Produkte über einen Zeitraum von weniger als zwei Jahren durchgeführt werden, es sei denn, sie würden wahrscheinlich erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesundheit haben. (22) Jede Änderung oder Erweiterung von Tätigkeiten unterliegt Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a dieses Übereinkommens, wenn sie für sich betrachtet die Kriterien/Schwellenwerte in diesem Anhang erreicht. Jede sonstige Änderung oder Erweiterung von Tätigkeiten unterliegt Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b dieses Übereinkommens.

Anhang II Schiedsverfahren (1) Wird eine Streitigkeit einem Schiedsverfahren nach Artikel 16 Absatz 2 dieses Übereinkommens unterworfen, so teilt die Vertragspartei oder teilen die Vertragsparteien dem Sekretariat den Gegenstand des Schiedsverfahrens mit und geben insbesondere die Artikel des Übereinkommens an, deren Auslegung oder

300

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung Anwendung strittig ist. Das Sekretariat leitet die eingegangenen Mitteilungen an alle Vertragsparteien des Übereinkommens weiter.

(2)

Das Schiedsgericht besteht aus drei Mitgliedern. Sowohl die antragstellende(n) Partei(en) als auch die andere(n) Streitpartei(en) bestellen einen Schiedsrichter; die so bestellten Schiedsrichter ernennen einvernehmlich den dritten Schiedsrichter zum Präsidenten des Schiedsgerichts. Dieser darf weder Staatsangehöriger einer der Streitparteien sein, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet einer dieser Parteien haben, im Dienst einer derselben stehen noch in anderer Eigenschaft mit der Sache befasst gewesen sein.

(3)

Ist der Präsident des Schiedsgerichts nicht binnen zwei Monaten nach Bestellung des zweiten Schiedsrichters ernannt worden, so ernennt der Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission für Europa den Präsidenten auf Antrag einer der Streitparteien binnen weiterer zwei Monate.

(4)

Bestellt eine der Streitparteien nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags einen Schiedsrichter, so kann die andere Partei den Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission für Europa davon in Kenntnis setzen; dieser ernennt den Präsidenten des Schiedsgerichts binnen weiterer zwei Monate. Nach seiner Ernennung fordert der Präsident des Schiedsgerichts die Partei, die noch keinen Schiedsrichter bestellt hat, auf, diese Bestellung binnen zwei Monaten vorzunehmen. Kommt die Partei dieser Aufforderung innerhalb dieser Frist nicht nach, so unterrichtet der Präsident den Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission für Europa, der die Bestellung binnen weiterer zwei Monate vornimmt.

(5)

Das Schiedsgericht trifft seine Entscheidungen nach Maßgabe des Völkerrechts und dieses Übereinkommens.

(6)

Ein nach diesem Anhang gebildetes Schiedsgericht gibt sich eine Verfahrensordnung.

(7)

Das Schiedsgericht entscheidet über verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Fragen mit der Mehrheit seiner Mitglieder.

(8)

Das Schiedsgericht kann zur Feststellung der Tatsachen alle geeigneten Maßnahmen ergreifen.

(9)

Die Streitparteien erleichtern die Arbeit des Schiedsgerichts; insbesondere werden sie ihm mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln a) alle sachdienlichen Schriftstücke vorlegen, Erleichterungen einräumen und Auskünfte erteilen und b) die Möglichkeit geben, soweit nötig Zeugen oder Sachverständige zu laden und ihre Aussagen einzuholen.

(10) Die Parteien und die Schiedsrichter wahren die Vertraulichkeit aller während des Verfahrens vor dem Schiedsgericht vertraulich erhaltenen Mitteilungen. (11) Das Schiedsgericht kann auf Antrag einer der Parteien einstweilige Schutzmaßnahmen empfehlen. (12) Erscheint eine der Streitparteien nicht vor dem Schiedsgericht oder unterlässt sie es, sich zur Sache zu äußern, so kann die andere Partei das Gericht ersu-

Anhang I: Text der Aarhus-Konvention in deutscher Übersetzung

301

chen, das Verfahren fortzuführen und seine endgültige Entscheidung zu fällen. Abwesenheit oder das Versäumnis einer Partei, sich zur Sache zu äußern, stellt kein Hindernis für das Verfahren dar. (13) Das Schiedsgericht kann über Gegenklagen, die mit dem Streitgegenstand unmittelbar im Zusammenhang stehen, verhandeln und entscheiden. (14) Sofern das Schiedsgericht nicht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls etwas anderes beschließt, werden die Kosten des Gerichts, einschließlich der Vergütung seiner Mitglieder, von den Streitparteien zu gleichen Teilen getragen. Das Gericht verzeichnet alle seine Kosten und legt den Parteien eine Schlussabrechnung vor. (15) Hat eine Vertragspartei dieses Übereinkommens ein rechtliches Interesse an dem Streitgegenstand und kann sie durch die Entscheidung des Falles berührt werden, so kann sie mit Zustimmung des Gerichts dem Verfahren beitreten. (16) Das Schiedsgericht fällt seinen Schiedsspruch binnen fünf Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem es gebildet wurde; hält es jedoch eine Verlängerung dieser Frist für notwendig, so soll diese fünf Monate nicht überschreiten. (17) Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts ist mit einer Begründung zu versehen. Er ist endgültig und für alle Streitparteien bindend. Das Schiedsgericht übermittelt den Schiedsspruch den Streitparteien und dem Sekretariat. Dieses leitet die eingegangene Mitteilung an alle Vertragsparteien dieses Übereinkommens weiter. (18) Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Auslegung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs können von jeder Partei dem Schiedsgericht, das den Schiedsspruch gefällt hat, oder, falls dieses Gericht nicht befasst werden kann, einem anderen Gericht, das zu diesem Zweck auf die gleiche Weise gebildet wird wie das erste, unterbreitet werden.

Anhang II

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 7. Dezember 2006, BGBl. I S. 28161 § 1 Anwendungsbereich (1)

1

Dieses Gesetz findet Anwendung für Rechtsbehelfe gegen

1. Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach a) dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, b) der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder c) landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann; 2. Genehmigungen für Anlagen, die nach der Spalte 1 des Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen einer Genehmigung bedürfen, gegen Entscheidungen nach § 17 Abs. 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, gegen Erlaubnisse nach den §§ 2, 7 Abs. 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes in Verbindung mit den auf Grund von § 7 Abs. 1 Satz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes erlassenen landesrechtlichen Vorschriften sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse für Deponien nach § 31 Abs. 2 des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes. 2

Dieses Gesetz findet auch Anwendung, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach Satz 1 getroffen worden ist. 3 § 15 Abs. 5 und § 16 Abs. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung bleiben unberührt. 4 Die Sätze 1 und 2 gelten nicht,

1 Das Gesetz dient der Umsetzung von Artikel 3 Nr. 7 und Artikel 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. EU Nr. L 156 S. 17).

Anhang II: Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz

303

wenn eine Entscheidung im Sinne dieses Absatzes auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist. (2) Dieses Gesetz gilt auch im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone oder des Festlandsockels im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799, 1995 II S. 602). § 2 Rechtsbehelfe von Vereinigungen (1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung 1. geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, 2. geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und 3. zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. (2)

1

Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn 1. sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt, 2. sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und 3. über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.

2

Bei einer ausländischen Vereinigung gelten die Voraussetzungen der Nummer 3 als erfüllt. 3 Mit der Bestandskraft einer die Anerkennung versagenden Entscheidung wird der Rechtsbehelf unzulässig. (3) Hat die Vereinigung im Verfahren nach § 1 Abs. 1 Gelegenheit zur Äußerung gehabt, ist sie im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die sie im Verfahren nach § 1 Abs. 1 nicht oder nach den geltenden Rechtsvorschriften nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können. (4)

1

Ist eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder

304

Anhang II: Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz hätte erlangen können. 2 Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. 3 Für Bebauungspläne gilt § 47 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.

(5)

1

Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet,

1. soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sind, verstößt und der Verstoß Belange des Umweltschutzes berührt, die zu den von der Vereinigung nach ihrer Satzung zu fördernden Zielen gehören, 2. in Bezug auf Bebauungspläne, soweit die Festsetzungen des Bebauungsplanes, die die Zulässigkeit eines UVP-pflichtigen Vorhabens begründen, gegen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und Rechte Einzelner begründen, verstoßen und der Verstoß Belange des Umweltschutzes berührt, die zu den von der Vereinigung nach ihrer Satzung zu fördernden Zielen gehören. 2

Bei Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen. § 3 Anerkennung von Vereinigungen

(1)

1

Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. 2 Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung 1. nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert, 2. im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist, 3. die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen, 4. gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 der Abgabenordnung verfolgt und 5. den Eintritt als Mitglied, das in der Mitgliederversammlung volles Stimmrecht hat, jeder Person ermöglicht, die die Ziele der Vereinigung unterstützt; bei Vereinigungen, deren Mitglieder ausschließlich juristische Personen sind, kann von der Voraussetzung nach Halbsatz 1 abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt.

3

In der Anerkennung ist der satzungsgemäße Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt, zu bezeichnen. 4 Ein als Naturschutzverein nach dem Bundesnaturschutzgesetz oder nach landesrechtlichen Vorschriften anerkannter Verein gilt zugleich als anerkannt nach Satz 1. (2)

1

Die Anerkennung wird durch das Umweltbundesamt ausgesprochen. 2 Sie kann auch öffentlich bekannt gemacht werden.

Anhang II: Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz

305

§ 4 Fehler bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften (1)

1

Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 kann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften 1. erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder 2. erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit

nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. 2 § 45 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften bleiben unberührt; die Möglichkeit der Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens zur Heilung eines Verfahrensfehlers bleibt unberührt. (2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von Absatz 1 die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung. § 5 Übergangsvorschrift Dieses Gesetz gilt für Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen; Halbsatz 1 findet keine Anwendung auf Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1, die vor dem 15. Dezember 2006 Bestandskraft erlangt haben. § 6 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

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307

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Sachverzeichnis § 46 VwVfG – Anwendbarkeit 145, 201 ff., 206, 235 ff., 238 – Auslegung 205 f., 231 ff., 234, 268 – Ausnahme 221, 223, 229, 268 – Bedenken 217 ff. – Gemeinschaftsrechtswidrigkeit 198 ff., 205 – Neubestimmung 231 ff. Aarhus-Konvention 22, 138 ff. – Anwendungsbereich 145, 225 – Auslegung 146 ff. – Auswirkungen auf das deutsche Recht 140 ff., 144 ff., 209 ff. – Bedeutung 138 ff. – Entstehung 157 f. – Präambel 159 f. – Sinn und Zweck 158 ff. – Umsetzung ins deutsche Recht 142 f., 209 ff., 222 – Umsetzung ins Gemeinschaftsrecht 23, 163, 179 ff., 192 ff., 195 Abwägung 65 ff., 100, 102, 114 f. – Abwägungsbelange 111, 203 – Abwägungsfehler 65, 116, 126 ff., 242, 261 Akzeptanz 28, 114 f., 214 Alternativlosigkeit 249 – faktische 48 f. – rechtliche 44 f., 48 f., 234, 238, 246, 264 Anfechtung 51, 56 ff., 146, 148, 213 – Folgen 146 f. – verfahrensfehlerhafter Entscheidungen 56 ff., 146 Anfechtungsklage 51, 58, 148, 174

Anhörung 39 f., 47, 55, 80, 124, 170, 175 f. Atomrecht 110 Aufhebung verfahrensfehlerhafter Entscheidungen 25, 35, 51 f., 58, 137, 175, 200, 242 – bei Ermessensentscheidungen 46, 246 ff. – bei fehlerhafter UVP 29, 65 f., 85, 116, 125 f., 223 ff., 242, 261, 264 – bei gebundenen Entscheidungen 45, 246 ff. – bei wesentlichen Verfahrensfehlern 267 – im Gemeinschaftsrecht 168, 170, 172, 176, 194 f., 206 – im Umweltrecht 24, 135, 210, 220 – nach § 46 VwVfG 37, 44 – nach Art. 9 AK 145, 148 f., 161 f. – nach der Kausalitätsrechtsprechung 60 ff. – von Verwaltungsakten 35, 37, 40, 51 Aufhebungsanspruch 41, 43 f., 49, 51 ff., 218, 225, 233, 238 Begründetheit der verwaltungsgerichtlichen Klage 53 f., 132, 211 Beschleunigungsgesetzgebung 35 Beteiligung siehe Öffentlichkeitsbeteiligung Beurteilungsspielraum 49, 94 (Fn. 34), 94 f., 112, 134, 238, 244 dolo agit-Grundsatz 232 f. Effektivitätsgrundsatz 55, 198 ff. Effizienz 79 (Fn. 49) 232

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Sachverzeichnis

Entscheidung 38, 215 f. – einzig richtige 90 f., 103 f., 106, 234, 259 – gebundene 44 f., 49, 77, 175, 234, 236, 238, 245 ff., 252, 255, 263 f. – Genehmigungsentscheidung 27, 64, 76, 248, 264 – Gerichtsentscheidung 28, 40, 83 – hypothetische 42, 49, 71, 82 ff., 170, 178, 221, 234, 254, 259 f. – in der Sache 78 ff., 122, 206, 233, 237 – komplexe 27, 33, 98, 99 f., 102, 111, 114, 126, 166, 198, 219, 234 f., 259 f., 261 f. – multipolare 27, 98, 102, 235, 260 f. – Planungsentscheidung 61, 75, 101, 196 – staatliche 74 f., 85, 88, 102, 115 – umweltrechtliche 27, 77, 97 ff., 114, 118, 141, 213, 219, 235, 261 – UVP-pflichtige 118, 121, 228, 261 – verfahrensfehlerhafte 37, 61, 68, 128, 148, 162, 198, 223 f., 226, 156, 165 – Verwaltungsentscheidung 73, 83, 88 ff., 174, 252, 254 Entscheidungskompetenz siehe Kompetenz Entscheidungsverfahren 75, 91, 97, 128, 140, 154, 244, 252, 255, 261 – umweltrechtliche 30, 75, 77, 98 ff., 113 ff., 135 ff., 220, 266 Erklärung von Rio 139 Ermessen 46 f., 94 (Fn. 34 und 35), 170, 173, 219, 250 f., 252 Ermessensentscheidung 44 ff., 96, 170, 175 f., 219, 234, 237 f., 252, 261, 264 – Abgrenzung zu gebundenen Entscheidungen 49, 238, 245 ff., 252, 254 f. – verfahrensfehlerhafte 46 f., 175 Ermessensspielraum 47, 49, 93 ff., 112, 251

EuGH 165 f., 168 ff., 177, 198, 201, 251 Europäisierung 20 (Fn. 18) Funktionengliederung, verfassungsrechtliche 87 f., 92, 96, 112 Gemeinschaftsrecht 28, 170, 175 f., 189, 192, 194, 197, 201 f., 220, 250 f. – Durchführung 188 f., 191, 226 – Einwirkungen auf das deutsche Recht 19 f., 163 ff., 178, 195, 207, 209 f., 214, 216, 220 – gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 205 f. – rechtliche Konvergenz 178, 215 ff., 220, 263 f., 268, 273 – Rezeption 212 ff., 227, 230 – Unterschiede zum deutschen Recht 175 ff., 197 ff., 216 f., 252, 256 – Verfahrensverständnis 195 ff., 212 – Vollzugsdefizit 185 gemischtes Abkommen 182 Genehmigungsentscheidung siehe Entscheidung Genehmigungsverfahren 77, 110 – immissionsschutzrechtliches 247 f. – umweltrechtliches 266 f. Gerichtsentscheidung siehe Entscheidung Gerichtsverfahren 83, 88 ff., 135, 171 Gerichtszugang 22 f., 130 f., 133, 140, 141 ff., 144 ff., 150 f., 155, 158 ff., 179 ff., 193, 211, 213, 222 Gesetzesbindung 106, 243, 249 Gewaltenteilung siehe Funktionengliederung Heilung von Verfahrensfehlern 35, 40, 51, 171 f., 177 Immissionsschutzrecht 18, 49, 125, 247 f., 255, 264

Sachverzeichnis Informationsanspruch siehe Umweltinformation Informationsgewinnung siehe Verfahren; Umweltverträglichkeitsprüfung Interesse 27, 54, 99 f., 114, 167, 240 Interessenausgleich 99 f., 102, 134, 167 IVU-RL 113, 179, 192, 194, 210, 213, 226 Kausalität 78, 125 f., 219, 220, 231, 258, 263 f., 265, 268 – eines Verfahrensfehlers 28, 40 ff., 46, 59, 61, 65, 128, 169 ff., 174, 201, 237, 263 f. – fehlende 41, 43, 60, 236, 264, 272 – konkrete 62, 232, 263 Kausalitätsrechtsprechung 25, 30, 59 ff., 68, 70, 79, 80, 83, 85, 95, 128, 142, 145, 203, 205, 207 f., 210, 221, 223, 232 – Begriff 59 f. Klagebefugnis 131, 133, 143 f. Klagerechte 148, 149 f., 154, 161, 192 f. Klagerechtsrichtlinie 164, 179 f., 187, 192 f., 195, 198, 212 f. Kompetenz 87 f., 90, 92, 95 f., 171, 178 – Annexkompetenz 184 – Außen- und Innenkompetenz 181 f. – Erstentscheidungskompetenz 29, 90 – Kompetenzgrenze 93 – Kompetenzschranke 188 – Kompetenzverteilung 92, 97 ff., 250, 262 f. – Kontrollkompetenz 29, 88, 93, 96, 97, 136, 177 f. – Letztentscheidungskompetenz 90, 92, 96, 97, 117, 173, 178, 223, 234, 250, 254, 258, 262 – umweltrechtliche Kompetenz der EG 180 ff., 183, 190 Kontrolldefizit 205, 245

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Kontrolldichte 87 f., 133 f., 145, 177 f., 204 – Begriff 29 (Fn. 60), 88 – materielle 129, 133 – reduzierte materielle 134, 165 ff., 220, 251 Kontrolle, gerichtliche 29, 87 ff., 178, 246, 250 – Grenzen 88 ff., 93 ff., 136, 244, 253 f. – im Gemeinschaftsrecht 165 ff., 169, 177 f. – materielle 129 ff., 134, 137, 204 f., 215, 245, 271 f. – nach der Aarhus-Konvention 23 f., 147 ff., 161 – Neubestimmung 86, 219, 262 f., 271 – objektive Rechtskontrolle 133, 165 f. – Verfahrenskontrolle 87, 90 f., 95, 129 ff., 135 f., 169 ff., 173 ff., 177, 198, 204 f., 219, 245, 271 f. – von Ermessensentscheidungen 93 f., 166, 176, 254 – von UVP-pflichtigen Entscheidungen 63 ff., 83, 126, 205 – von Verfahrensfehlern 56, 59 ff., 167, 169 ff., 177, 203, 233 f. Kontrollkompetenz siehe Kompetenz Mühlheim-Kärlich-Urteil 27 (Fn. 50), 109 f. Nichtigkeitsklage 168 Nichtregierungsorganisationen 157 Öffentlichkeitsbeteiligung 111, 139, 141, 157, 196, 242 – an Entscheidungsverfahren 67, 79, 100, 110, 140, 150 – Beteiligte umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren 98, 102, 114, 124

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Sachverzeichnis

– Beteiligungsrechte 40, 113, 150 ff., 161 f., 170, 218 f., 240, 248 – im Umweltrecht 100, 139, 196 – in UVP-Verfahren siehe Umweltverträglichkeitsprüfung – nach der Aarhus-Konvention 138 ff., 140, 150 ff., 153 f., 157, 160 f., 186 – Verletzung von Beteiligungsrechten 150 ff., 170, 192 f., 218 f., 240, 242 Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 22, 163, 179, 180, 192 ff., 222, 225 Offensichtlichkeit 25, 35, 42 ff., 46 f., 60 f., 176, 235 ff., 255 Planfeststellung 47, 58 – Planfeststellungsbeschluss 58, 65 f., 205, 218 – Planfeststellungsverfahren 76 f., 266 Planung 19, 66, 76, 102, 127, 253 – Planungsentscheidung siehe Entscheidung – Planungsermessen 101, 118 – Planungsverfahren 82, 113, 249 Prozeduralisierung 108, 117, 123, 190, 196 f. Rechtmäßigkeit 144, 179 – materielle 148 f., 211, 262 – Verfahrensrechtmäßigkeit 146, 148 Rechtsanwendung 104 f. Rechtsbindung der Verwaltung 106, 243, 252 Rechtsetzung 105, 190 Rechtsschutz 56, 92 f., 95, 129 ff., 218 – effektiver 57, 142, 202 – in der EG 165 ff., 180, 197, 201 f. – nach der Aarhus-Konvention 142 ff., 147, 158, 160, – Rechtsschutzbedürfnis 57, 93 – subjektiver Individualrechtsschutz 88 ff., 129 ff., 193, 197

Rechtswidrigkeit 147 f., 165 – des verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakts 51 f., 218 Referenzgebiet 228 – Begriff 19 – Umweltrecht als Referenzgebiet 18 ff. Regelbeispiel 257, 261 Richtigkeit 26, 79 f., 91 f., 106, 117, 160, 167 – durch Verfahren 67, 80, 95 f., 107 ff., 111 ff., 115 ff., 161 – materielle 59, 68, 79, 83, 92, 102 ff., 112 ff., 122, 136, 153, 234 f., 243 – Verfahrensrichtigkeit 116 Richtigkeitsgewähr 67, 80, 83, 107 ff., 117 Sanktionierung 25 (auch Fn. 44), 50, 136 f., 149, 161, 167, 177, 198, 201 f., 210, 215, 217 ff., 223, 257, 262 – fehlende 30, 80, 85, 144 f., 161, 202 Sasbach-Entscheidung 93 (Fn. 29 und 33) Sozialrecht 124 Steuerung 70, 102 f., 167, 196, 197, 215, 243, 245, 256, 269, 272 – durch Verwaltungsverfahren 109 f. – nachlassende 102 f., 106, 110, 112, 244 f. subjektive Rechte 51, 88 f., 129 ff., 201 – Begriff 130 subjektive Rechtsverletzung 51, 53, 129 ff., 132 f., 143, 158 Subsidiaritätsprinzip 190 ff. Umwelt 27, 99, 138, 155 f., 214 – Begriff 99 – Umweltauswirkungen 27, 63, 67, 82, 98

Sachverzeichnis – Umweltbelange 65 ff.,82, 117, 121, 126 f. Umweltgesetzbuch 267 Umweltinformation 139 f., 150 – Umweltinformationsanspruch 58, 141, 143, 150 f., 154, 160 f., 186 – Umweltinformationsrechte siehe Umweltinformationsanspruch – Zugang zu Umweltinformation 22, 138, 155, 160 Umweltinformations-RL 163, 193 Umweltrecht 17 ff., 39, 82, 97, 100, 115, 123, 162, 207, 209, 216, 220, 238, 254, 269 – als Referenzgebiet 18 ff. – Begriff 17 f., 213 – der EG 181 ff., 184 f., 189 f., 195 ff., 207 – öffentliches 18 – prozedurales 28, 190, 195 f. Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) 221, 256 f. – § 4 UmwRG 22, 34, 68, 125, 127 f., 136, 221, 222 ff. Umweltschutz 17 f., 21, 83, 114, 120 f., 123, 127, 139, 149, 155 f., 161, 186, 191, 197, 214 – durch Verfahren 123, 155, 160 Umweltverbände 23, 40, 98, 153 f., 185, 193, 218, 222, 225, 240, 259 Umweltverträglichkeitsprüfung 63 f., 113, 123, 161, 177, 203, 242, 251 f., 264 – Berücksichtigungspflicht 82 f., 121 – Bündelungswirkung 67, 82 f., 126 – Ermittlung von Umweltbelangen 80, 117 – Fehlen einer förmlichen UVP 40, 64 ff., 68, 116, 125, 175, 203 ff., 206, 223, 224 ff. – materiellrechtlicher Charakter 120 ff. – Öffentlichkeitsbeteiligung 40, 84 f., 124, 128, 206, 224 ff., 257

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– und Abwägung 65 ff., 116 f., 121, 126 f., 203, 261 f. – und Kausalität 125 – UVP-Pflicht 57, 228 – UVP-Verfahren 266 f. – verfahrensfehlerhafte 40, 64 ff., 125, 128, 203 ff. – verfahrensrechtlicher Charakter 64, 120 f. – Vorprüfung des Einzelfalls 125, 206, 225 f. Umweltvölkerrecht 20 f., 138, 156 Unbeachtlichkeit siehe Verfahrensfehler Unbestimmter Rechtsbegriff 104, 219, 234, 246 ff. UVP siehe Umweltverträglichkeitsprüfung UVP-RL 121, 123, 126, 179 f., 194, 210, 213, 225 f. Verbandsklage 23, 142, 180, 192 – allgemeine 142, 180 – naturschutzrechtliche 55 (Fn. 102), 240 (Fn. 43) Vereinte Nationen 21, 138 f. Verfahren – als Entscheidung 70 ff., 75, 215 f. – Begriff 71 – dienende Funktion 26, 71, 78 f., 108, 113, 134, 240, 273 – Grundrechtsschutz durch Verfahren 108 f. – Informationsgewinnung durch Verfahren 62, 73, 80 f., 100, 111, 154, 160 f., 241, 270 – Kompensationsfunktion 113 ff., 249, 259 – Umweltschutz durch Verfahren 123, 155 f., 160 f. Verfahrensarten, bereichsspezifische 266 Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten 187 ff. Verfahrensfehler 25, 40, 42

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Sachverzeichnis

– Abgrenzung beachtliche und unbeachtliche 128, 175 f., 238 ff., 261 – absolute 54 f., 206, 221, 239 ff. – Art 239 f. – Begriff 38 f. – Einfluss auf die Sachentscheidung 78 ff., 176, 178, 235 ff., 242 – Folgen 35, 50 ff., 58, 70, 164, 173 ff., 195 – im Gemeinschaftsrecht 164 ff., 168 ff., 176, 201 f. – im Umweltrecht 39 f., 267 – Sanktionierung 25 (Fn. 44), 68, 80, 85, 161, 167, 201, 203, 210, 218, 262, 269 – Unbeachtlichkeit 25 (auch Fn. 44), 34 ff., 46 f., 58 ff., 68 f., 70, 116 f., 144 ff., 161, 164 ff., 169 f., 174 f., 207, 209 ff., 263 – Wesentlichkeit 174 f., 177, 223, 225, 255 ff., 271 f. Verfahrensfehlerlehre 26, 30 (Fn. 64), 34 ff., 70, 176, 198, 200, 212, 216 f., 263, 268, 269 – als Kompetenzproblem 177 f. – als Kontrollproblem 87 ff., 177 f. – im Umweltrecht 209 ff., 220 ff., 231 ff., 255 Verfahrensrecht 26, 50, 62, 107 ff., 112, 124 f., 144, 154, 188, 214, 217, 270 – Abgrenzung zum materiellen Recht 118 ff., 123, 190, 215 f. – dienende Funktion siehe Verfahren – Kompensationsfunktion 110, 113 ff., 259, 268 – Verhältnis zum materiellen Recht 70, 78 ff., 243 f., 259 Verfahrensrechte 47, 58, 78, 156, 173 f., 209, 239 – absolute 132 – Arten 241 ff. – der Aarhus-Konvention 149 ff., 160 f., 190

– Durchsetzung 160 f., 202, 218 – gemeinschaftsrechtliche 176, 199, 201 ff. – umweltrechtliche 225 Verfahrensvorschriften 124, 131, 206, 242 – der UVP 63, 68, 122, 221 – des Gemeinschaftsrechts 55, 176, 189 – umweltrechtliche 137, 199 – Verstöße 51, 63, 68, 71, 81, 131 f., 156 – wesentliche 175 f., 256 f. Verwaltung 19, 47, 88, 92 f., 96, 101, 104 f., 108 ff., 124, 166, 172, 173, 269 – Abgrenzung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit 92 ff., 97 ff., 178, 219, 250, 253, 262 f., 272 – Eigenständigkeit 90, 95, 97, 102, 136, 178, 251 – Letztentscheidungsbefugnis 97, 117, 173, 178, 258, 262 Verwaltungsakt 37 ff., 72, 75 ff., 105, 130, 174, 218, 236 – Aufhebung siehe dort – rechtswidriger 51 f., 147, 218 – verfahrensfehlerhafter 44 f., 52, 58, 60, 218 Verwaltungsentscheidung siehe Entscheidung Verwaltungsgerichte 58, 83, 88 f., 165, 173, 234, 250 Verwaltungsprozessrecht 162, 245 Verwaltungsrecht 107 f., 142, 163, 273 f. – allgemeines 18 f., 35, 224, 226 ff., 230, 231, 266, 268 – Begriff 18 (Fn. 8) – besonderes 18 f., 224, 226 ff., 266 – englisches 174 – französisches 178 – materielles 70, 74, 112, 228, 243 – Verhältnis allgemeines und besonderes 226 ff., 266

Sachverzeichnis Verwaltungsrechtslehre 68, 79 f., 84, 90, 105, 108 f. Verwaltungsverfahren 70 ff., 78 f., 81 f., 83 f., 90 f., 110 ff., 115 ff., 135, 171, 174, 198, 219, 233 f., 249 – Begriff 71 ff. – im Umweltrecht 113, 253, 259 – komplexe 99, 113, 177, 259 Verwaltungsverfahrensrecht 19, 59, 71, 73, 78, 111, 119, 162, 266 f. – Abgrenzung zum materiellen Verwaltungsrecht 118 ff. – allgemeines 229 Völkerrecht 31, 146 f., 159, 181 f., 192

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Wesentlichkeit – einer Verfahrensvorschrift siehe Verfahrensvorschrift – eines Verfahrensfehlers siehe Verfahrensfehler

Zugang – zu Gerichten siehe Gerichtszugang – zu Umweltinformationen siehe Umweltinformation Zulässigkeit – der verwaltungsgerichtlichen Klage 54, 211 – von Vorhaben 64, 76

SUMMARY Paragraph 4 of the German Environmental Appeals Act (UmwRG) allows to challenge administrative decisions in the field of environmental law for breaches of procedural law without the requirement to proof that the procedural error had an influence on the content of the decision. The regulation, differing from the general provision on procedural errors in paragraph 46 of the Administrative Procedures Act, refers to the obligations set by the UN / ECE Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters (Aarhus Convention) and its EC transformation acts such as the EC directive 2003 / 35 / EC regarding public participation. Both the Aarhus Convention and EC environmental law require strict sanctions for breaches of procedural regulations in the area of environmental law, whereas in German law procedural errors, pursuant to paragraph 46 of the Administrative Procedures Act, remain widely without any consequences when it comes to a formal review of administrative decisions. The thesis aims to prove the necessity of a fundamental change in the scope of judicial review of the procedural legality of environmental decisions. By an analysis of the treatment of procedural errors in German administrative law, followed by a detailed examination of the obligations arising from the Aarhus Convention and the directive 2003 / 35 / EC, the study shows that the implementation of the Aarhus Convention into national law requires an adjustment of paragraph 46 of the Administrative Procedures Act, which has not yet found termination with the initiation of paragraph 4 of the Environmental Appeals Act.

RÉSUMÉ D’après § 4 de la nouvelle loi sur les recours en droit de l’environnement (UmwRG), des décisions en matière de droit de l’environnement peuvent être annulées par des contentieux administratifs à cause de certaines violations des règles de l’étude de l’impact sur l’environnement sans qu’il nécessite la preuve que l’erreur de procédure ait influencé le contenu de la décision. Motif de cette règlementation – ce qui est dérogatoire à la règle générale en droit administratif allemand de § 46 de la loi sur la procédure administrative – fut l’engagement de l’Allemagne dans l’application de la UN / ECE Convention sur l’accès à l’information, la participation du public au processus décisionnel et l’accès à la justice en matière d’environnement (Convention d’Aarhus) et la Directive de la participation du public 2003 / 35 / CE. La Convention d’Aarhus autant que le droit communautaire demandent que des erreurs de procédure en matière de droit de l’environnement soient sanctionnées strictement. Par contre, des erreurs de procédure sont en droit allemand selon § 46 de la loi sur la procédure administrative dans une large mesure peu considérées à l’égard de l’annulation de décisions administratives. La thèse essaie à montrer, au travers d’une analyse du traitement des erreurs de procédure en droit allemand par la loi et la jurisprudence et au travers d’un examen des directives de la Convention d’Aarhus et du droit communautaire la transformant, que les spécificités des décisions en droit de l’environnement exigèrent une rédétermination fondamentale des limites du contrôle judiciaire de procédure en droit de l’environnement. L’adaptation du système juridique allemand à la Convention d’Aarhus et au droit communautaire demande par conséquent une modification de § 46 de la loi sur la procédure administrative pour la matière du droit de l’environnement, qui n’est pas abouti par le décret de § 4 de la loi sur les recours en droit de l’environnement.