Die Transparenz der Europäischen Union: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission [1 ed.] 9783428512843, 9783428112845

Transparenz ist nicht nur ein Modewort, sondern wichtige Charakteristik einer jeden demokratischen Regierungsform. Frank

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Die Transparenz der Europäischen Union: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission [1 ed.]
 9783428512843, 9783428112845

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Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Band 146

Die Transparenz der Europäischen Union Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission

Von

Frank Riemann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

FRANK RIEMANN

Die Transparenz der Europäischen Union

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von J o s t D e l b r ü c k, R a i n e r H o f m a n n und A n d r e a s Z i m m e r m a n n Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht

146

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Rudolf Bernhardt Heidelberg

Eibe H. Riedel Universität Mannheim

Christine Chinkin London School of Economics

Allan Rosas Court of Justice of the European Communities, Luxemburg

James Crawford University of Cambridge

Bruno Simma Universität München

Lori F. Damrosch Columbia University, New York

Daniel Thürer Universität Zürich

Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva

Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin

Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Die Transparenz der Europäischen Union Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission

Von

Frank Riemann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 3-428-11284-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Meinen Eltern und Claudia

Vorwort Diese Arbeit wurde im Januar 2003 fertig gestellt und im Frühjahr 2003 von der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Januar 2003 berücksichtigt1. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann, für die beispielhafte Betreuung, die ich genossen habe. Herrn Prof. Dr. Delbrück danke ich herzlich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Weiterhin danke ich der Studienstiftung des deutschen Volkes für die Aufnahme meines Forschungsvorhabens in ihre Promotionsförderung und dem Bundesministerium des Innern für den gewährten Druckkostenzuschuss. Diese Arbeit beruht auf der Unterstützung vieler. Wertvolle Anregungen erhielt ich in Gesprächen mit Marc Maes und Véronique Janssen, Mitarbeiter im Generalsekretariat der Europäischen Kommission, Martin Bauer, Mitarbeiter im Juristischen Dienst des Rates, Heidi Hautala, finnische Abgeordnete im Europäischen Parlament sowie Cary Coglianese, Professor an der Kennedy School of Government, Harvard University. Besonders danken möchte ich ferner meinen Freunden Torsten Volkholz, Ulrich Wölker, Daniel Dittert, Elke Schmidt und Sabine Witte. Vor allem aber gilt der Dank meinen Eltern, die mir auf meinem Weg stets aufmunternde und ermutigende Begleiter waren und natürlich meiner Claudia, die mir nicht nur als liebevolle Partnerin, sondern auch mit wertvollen Anregungen und hilfreicher Kritik zur Seite stand. Ihnen widme ich diese Arbeit. Kiel/Cambridge (Mass.), im Mai 2003

1

Frank Riemann

Das am 6. März 2003 ergangene Urteil des EuGH in der Rs. C-41/00 P, Interporc/Kommission II (noch nicht in amtlicher Sammlung), bestätigt die im 2. Teil dieser Arbeit unter A. III. 1. a) dargelegte Auffassung des Verfassers, wonach die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Artikels 255 EGV keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz der Tranzparenz anerkannte, dem sich Vorgaben für die Ausgestaltung der Zugangsregelungen hätten entnehmen lassen; siehe dazu insbesondere Rdnr. 43 des Urteils.

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Teil 1 Grundlegung zum Zugangsrecht A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nationalstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weltweite Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitgliedstaaten der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutionen der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

23 23 23 25 29

B. Funktionen eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts . . . . . . . . . . . . . I. Stärkung der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Demokratie und Öffentlichkeit aus nationaler Perspektive . . . . . . . . a) Beteiligungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beteiligung der Öffentlichkeit über Wahlen hinaus . . . . . . . bb) Nutzen eines Rechts auf Zugang zu Dokumenten . . . . . . . . b) Kontrollöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwartungen an eine kontrollierende Öffentlichkeit . . . . . . . bb) Kontrollanforderungen und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit auf verschiedene Demokratiemodelle . . . . . . . . . 2. Übertragung der Erkenntnisse auf die europäische Ebene . . . . . . . . . a) Demokratie auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäische Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beteiligungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kontrollöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentlichkeit und Entscheidungseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stärkung des Vertrauens in die Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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40 41 43 45 46 54 60 62 66 68 72 73 79 79 91 94 97 98 103

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Inhaltsverzeichnis

Teil 2 Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nationale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internationale Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirtschaftliche und finanzielle Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kriminalitätsbekämpfung und Inspektionstätigkeiten . . . . . . . . . . . e) Berufsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Interne Willensbildung und Funktionsfähigkeit der Verwaltung . . 2. Private Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privatsphäre und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sensible Geschäftsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung zur Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Systematische und teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 255 EGV – Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes? . a) Rechtslage vor dem Amsterdamer Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtslage seit dem Amsterdamer Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Transparenzprinzip in Art. 1 Abs. 2 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Zugangsgrundrecht in Art. 42 EU-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung zur systematisch-teleologischen Auslegung . . . . . IV. Gesamtergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104 106 110 110 110 111 111 112 112 113 113 114 114 114 116 117 117 123 123 125 129 133

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dokument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dokumentenzugang oder Informationszugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dokumente Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit der Abschaffung der Urheberregel . . . . . . . . . . . . . . b) Mitgliedstaaten als Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Dritte als Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erstreckung auf alle Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erstreckung auf alle Säulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausnahmen vom Zugangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Charakteristika und Systematik der Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung der Neufassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 134 135 135 136 139 142 147 150 150 152 153 155 155 155 155 161

. . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis b) Allgemeine Vorgaben für die Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teilweiser Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliche Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verteidigung und militärische Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Internationale Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privatsphäre und Integrität des Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzgut und Schutzinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis von Transparenz und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinschaftsrechtliche Datenschutzbestimmungen . . . . . . . . . . 4. Geschäftliche Interessen und geistiges Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gerichtsverfahren und Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beziehung zu nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gerichtsverfahren vor Gemeinschaftsgerichten . . . . . . . . . . . b) Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltsprüfung und Dauer des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenwärtige Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zukünftige Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsverletzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Interne Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Laufende und zukünftige Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sensible Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Ungeschriebene Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweitantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verhältnis zum Recht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162 165 166 167 169 171 174 176 176 178 180 187 195 195 195 197 200 202 203 204 204 206 212 214 215 220 229 232 232 234 238 241 242 242

C. Die Geschäftsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Auslegung des Vorbehalts in Art. 255 Abs. 3 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Probleme der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 D. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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251 252 256 256 258 263

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Inhaltsverzeichnis III. Rechtsschutz für Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dritte Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dritte, die nicht Urheber sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitgliedstaaten als Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

264 264 268 268

E. Verhältnis zu speziellen Zugangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 I. Zugangsrechte für Verfahrensbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Weitere Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 F. Zugang zu Dokumenten anderer Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Von Organen geschaffene Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 II. Andere Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Anhang: Verordnung (EG) 1049/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABl. Ann.Eur.Adm.Publ. AöR BGBl. BGH BGHZ BT-Drs. Bull. EG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE CDE CED CMLR CYELS DCSI DÖV DuD DVBl. ebd. EELR EG EGKSV, EGKS-Vertrag EGMR EGV a. F. EGV n. F. EGV, EG-Vertrag EIoP ELJ ELR ELRep EMRK EPL

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Annuaire Européen d’Administration Publique Archiv des öffentlichen Rechts Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundestagsdrucksache Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Cahiers de Droit Européen Cuadernos Europeos de Deusto Common Market Law Review Cambridge Yearbook of European Legal Studies Diritto Comunitario e degli Scambi Internazionali Die öffentliche Verwaltung Datenschutz und Datensicherheit Deutsches Verwaltungsblatt ebenda European Environmental Law Review Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte alte (Maastrichter) Fassung des EG-Vertrags neue (Amsterdamer) Fassung des EG-Vertrags Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Integration online Papers European Law Journal European Law Review European Law Reporter Europäische Menschenrechtskonvention European Public Law

14 ESR EU EuG EuGH EuGRZ Euratom-Vertrag EUV, EU-Vertrag EuZW EWGV FIJL Fn. GASP GewArch GG GJ GRUR ICLQ IJEL IJLI Jb Staats- u. Verwaltungswiss. JBL JCMS JDI JZ KJ KritV MJ MLR NJ NJW NTER NVwZ PSQ PVS RDCE Rdnr. Rec. Dalloz Sir. Jur. RMC RMUE Rs.

Abkürzungsverzeichnis European Security Review Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Fordham International Law Journal Fußnote Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Gewerbearchiv Grundgesetz Gaceta jurídica de la Unión Europea y de la Competencia Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International and Comparative Law Quarterly Irish Journal of European Law International Journal of Legal Information Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft Journal of Business Law Journal of Common Market Studies Journal du Droit International Juristenzeitung Kritische Justiz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Maastricht Journal of European and Comparative Law Modern Law Review Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nederlands tijdschrift voor Europees recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Political Science Quarterly Politische Vierteljahresschrift Revista de Derecho Comunitario Europeo Randnummer Recueil Dalloz Sirey Jurisprudence Revue du Marché commun et de l’Union européenne Revue du Marché Unique Européen Rechtssache

Abkürzungsverzeichnis Slg. Statewatch Bull. UIG UIR UNECE VerwArch VG VGH vgl. VVDStRL VwBlBW VwGO VwVfG YEL ZaöRV ZEuS ZfF ZfP ZfSoz ZJI ZParl ZPol ZRP

15

(Entscheidungs)Sammlung Statewatch Bulletin Umweltinformationsgesetz Umweltinformationsrichtlinie United Nations Economic Commission for Europe Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Yearbook of European Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für das Fürsorgewesen Zeitschrift für Politik Zeitschrift für Soziologie Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Politikwissenschaft Zeitschrift für Rechtspolitik

„A popular government, without popular information, or the means of acquiring it, is but a Prologue to a Farce or a Tragedy – or perhaps both. Knowledge will forever govern ignorance, and a people who mean to be their own Governors must arm themselves with the power which knowledge gives.“ (James Madison)

Einleitung Glasnost ist das weltbekannte Motto, unter dem Michail Gorbatschow die Sowjetunion Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu einem anderen Staat machte. „Glasnost, die Strategie der geistigen Öffnung, Transparenz und Wahrhaftigkeit, entfesselte ungeahnte Kräfte des Wandels.“1 Diesem Wandel, dies sollte als persönliche Anmerkung hier erlaubt sein, ist es letztlich auch zu verdanken, dass ich diese Arbeit schreiben kann, obgleich ich auf der östlichen Seite des deutschen „eisernen Vorhangs“ geboren wurde. Glasnost ist das russische Wort für Offenheit. Gorbatschow nutzte es, um zu beschreiben, dass die von ihm initiierte Reformpolitik in der Sowjetunion, die ebenfalls berühmt gewordene Perestroika, unter umfassender Information und Beteiligung der Bevölkerung vollzogen werden sollte. Nun hat sich das russische Wort Glasnost, obwohl es ein bekanntes und sehr positiv besetztes Wort ist, nicht besonders geeignet, um als weltweites Schlagwort für eine offene und verständliche Ausübung öffentlicher Gewalt zu dienen. Diese Rolle wuchs vielmehr einem anderen Begriff zu, nämlich dem der Transparenz2. Dieses Wort wurde zwar nicht von allen freudig aufgegriffen. Noch zu Beginn der neunziger Jahre sagte Jean Rivero mit einem gewissen Widerwillen: „Transparence, . . . Je n’aime pas beaucoup les mots flous, et celui-là n’a évidemment pas la précision que nous souhaitons pour les termes juridiques“3. Verhindern konnte solche Skepsis den Siegeszug 1 Theo Sommer, Laudatio anlässlich der Verleihung des Gerd-Bucerius-Förderpreises Junge Presse Osteuropas am 18. Mai 2001, DIE ZEIT, 21. Mai 2001, Rubrik Medien. 2 Zum Zusammenhang zwischen Glasnost und Transparenz, vgl. auch Lenoir, Conclusion, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne, S. 255 (255). 3 Rivero, Rapport de synthèse, in: La transparence administrative en Europe, Ann.Eur.Adm.Publ. 1990, S. 307 (307).

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Einleitung

der Transparenz als Begriff und als Konzept in Europa und in der gesamten Welt allerdings nicht. Die Europäische Union hat sich die Transparenz seit dem Vertrag von Maastricht aus dem Jahre 1992 auf die Fahnen geschrieben. In der Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte des Vertrags heißt es: „Die Konferenz ist der Auffassung, daß die Transparenz des Beschlußverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt.“4 Diese Erkenntnis gab den Startschuss zu einer kontinuierlichen Entwicklung des Transparenzgedankens auf europäischer Ebene. Inzwischen ist die Transparenz aus dem Vokabular der Institutionen nicht mehr wegzudenken5. Recht hatte Rivero allerdings mit seiner grundsätzlichen Feststellung. In der Tat handelt es sich bei der Transparenz um einen schillernden, facettenreichen Begriff6. Sein Wortlaut weckt Konnotationen von gläsernen Amtsstuben und Sitzungssälen7. Der Begriff der Transparenz wird allgemein synonym mit dem der Offenheit verwendet8. Man könnte versuchen, ganz präzise zu sein und eine Abstufung zwischen beiden Begriffen herauszuarbeiten. So ist beispielsweise ein nur transparentes Fenster weniger durchlässig als ein offenes. Diesem Verständnis zu folgen hieße, einen Unterschied zwischen der bloßen Sichtbarkeit und der Zugänglichkeit von Vorgängen zu machen9. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich eine solch feinsinnige Differenzierung auf Dauer verlässlich etablieren kann. 4

ABl. 1992, Nr. C 191, S. 101. Vgl. Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der EU, S. 31, der bei einer im Mai 1999 durchgeführten Abfrage der europäischen Rechtsdatenbank CELEX für den Begriff „Transparenz“ etwa 2200 Treffer zählte, darunter über 500 Rechtsakte. 6 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (41). 7 Rivero, Rapport de synthèse, in: La transparence administrative en Europe, Ann.Eur.Adm.Publ. 1990, S. 307 (307): „maison de verre“; Peters, The Politics of Bureaucracy, S. 297: „goldfish bowl“; ähnlich Curtin, Democracy, Transparency and Political Participation, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 107 (108): „The term ,transparency‘ evokes the image of clear panes of glass through which the sunshine (or light) can beam in an unrestrained fashion“; ebenso Jahr, Transparenz- und Publizitätspflichten für Unternehmen, S. 18: „Durchscheinen“, „Durchsichtigkeit“. 8 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (103); House of Lords, Public Access to EU Documents, Report, S. 7; Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (141). 9 Vgl. Lodge, Transparency and Democratic Legitimacy, JCMS 1994, S. 343 (365 f.). 5

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Abgesehen davon, dass Visionen von der gläsernen Verwaltung nicht auf jeden beruhigend wirken, helfen sie bei der näheren Bestimmung dessen, was Transparenz wirklich leisten soll, kaum weiter. Deirdre Curtin und Herman Meijers haben demgegenüber sehr treffend beschrieben, worum es im Kern geht, nämlich um: „the possibility for everyone to acquire knowledge of government activities by granting access to the fora where public decisions are taken and by making available information carriers (documents and other visual or auditive instruments), in which these decisions are recorded and which provide insight into the preparation of these decisions.“10

Eine Transparenz in diesem Sinne lässt sich nicht durch eine isolierte Maßnahme schaffen, sondern es handelt sich um einen umfassenden, ganzheitlichen Ansatz11. Bezogen auf die Europäische Union dienen ihrer Verwirklichung beispielsweise die Informationspolitik der Organe12, die Öffentlichkeit von Debatten in Rat und Parlament13, die Begründung und Veröffentlichung von Rechtsakten14, die Meinungsfreiheit öffentlicher Bediensteter15, eine verständliche Gesetzgebung16, klare Entscheidungsstrukturen und Kompetenzen17 sowie eine breite Konsultation der Öffentlichkeit vor dem Erlass wichtiger Rechtsakte18. 10 Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (393). 11 Siehe dazu insgesamt O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (404 f.); Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (285 f.); Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (903); Tomkins, Transparency and the Emergence of a European Administrative Law, YEL 2000, S. 217 (219 f.); Piris, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 88 (90). 12 Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (149). 13 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (103); Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 1, Rdnr. 35. 14 Vgl. Art. 253, 254 EGV; Mandt, Bürgernähe und Transparenz im politischen System der Europäischen Union, ZfP 1997, S. 1 (7). 15 Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (340). Dies beinhaltet den Schutz so genannter whistle-blower, das heißt Bediensteter, die Missstände innerhalb ihrer Behörde an die Öffentlichkeit bringen. 16 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the Citizens, S. 29 (41); eingehender dazu Simon, La lisibilité du droit communautaire, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne: mythe ou principe juridique?, S. 79 ff. 17 Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (142); Schroeder, Demokratie, Transparenz und die Regierungskonferenz, KritV 1998, S. 423 (425 f.). Mähring, Das Transparenzdefizit der Europäischen Union, StW&StP 1998, S. 315 (316) spricht insoweit treffend vom „Dschungel der Verträge“; ebenso Rideau, Jeux

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Neben diesen Instrumenten ist aber auch ein weiteres von besonderer Bedeutung, nämlich das in dieser Arbeit untersuchte Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe. Damit ist nicht das Recht von Verfahrensbeteiligten gemeint, Einsicht in Akten zu nehmen, um ihre Verteidigungsrechte effektiv wahrnehmen zu können. Es geht vielmehr um ein Recht für Jedermann, sich ohne Angabe von Gründen einen Einblick in die Grundlagen der Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene zu verschaffen. Ein solches Dokumentenzugangsrecht ist nicht mehr als ein Teil dessen, was insgesamt als ein transparenter Entscheidungsprozess bezeichnet werden kann. Es ist aber auch nicht weniger als das. Ohne den Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten ist Transparenz in der Union nur unvollkommen verwirklicht19. Sie ist die notwendige Ergänzung zur Publizität20, das heißt der Verpflichtung der öffentlichen Gewalt zur aktiven Information. Diese Informationspolitik ist zweifellos von überragender Wichtigkeit21. Sie bleibt aber in Umfang und Inhalt immer von den Organen gesteuert und kann damit das Bedürfnis nach einer unabhängigen, nicht beeinflussbaren Informationsquelle nicht beseitigen22. Der am 1. Mai 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam hat der besonderen Bedeutung des Dokumentenzugangsrechts auf primärrechtlicher Ebene Rechnung getragen. Nicht nur heißt es seitdem in Art. 1 Abs. 2 des EU-Vertrags, dass die Entscheidungen in der Union möglichst offen getroffen werden sollen, sondern gemäß Art. 255 Abs. 1 des EG-Vertrags hat nunmehr auch jeder Bürger der Union23 ein allgemeines Zugangsrecht zu Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission. Alle drei Organe hatten zwar schon zuvor Zugang zu ihren Dokumenten gewährt. Dies geschah aber auf der unbefriedigenden rechtlichen Grundlage von Geschäftsordnungsbestimmungen. d’ombres et de lumières en Europe, in: ders., La transparence dans l’Union européenne, S. 1 (8). 18 Twomey, Entscheidungsbesprechung EuG Carvel & Guardian/Rat, CMLR 1996, S. 831 (838, 841); Chiti, The Right of Access to Community Information under the Code of Practice, EPL 1996, S. 363 (370). 19 Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (811). 20 Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (149). 21 Einen Überblick über entsprechende Initiativen der europäischen Institutionen gibt Thomson, The Emergence of the Transparency Theme, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 1 (2 ff.). 22 Vgl. Dyrberg, El acceso público a los documentos y las autoridades comunitarias, RDCE 1997, S. 377 (380); Roberts, Structural Pluralism and the Right to Information, S. 11. 23 Genauer heißt es dort „jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Sitz in einem Mitgliedstaat“.

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Die nähere Ausgestaltung des Zugangsrechts hatte Art. 255 EGV einem Sekundärrechtsakt von Rat und Parlament sowie den Geschäftsordnungen der Organe überlassen. Am 30. Mai 2001 wurde auf dieser Grundlage die Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission verabschiedet24. Sie erlangte am 3. Dezember 2001 Geltung, ebenso wie die Modifikationen der Geschäftsordnungen, mit denen die jeweiligen Organe den Zugang im Einzelnen ausgestalten. Schließlich kommt die besondere Bedeutung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten auch darin zum Ausdruck, dass ihm in der auf dem Gipfel von Nizza von den Organen feierlich proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union ein eigener Artikel gewidmet wurde25. Meine Untersuchung bezieht sich vor allem auf zwei Fragen, die damit zugleich die Gliederung der Arbeit bestimmen: Erstens sollen die Funktionen, die ein Dokumentenzugangsrecht für die breite Öffentlichkeit erfüllen kann, herausgearbeitet werden. Nach einer einleitenden Darstellung der Entwicklung des Dokumentenzugangsrechts auf internationaler und europäischer Ebene werde ich mich deshalb mit der These auseinandersetzen, das Dokumentenzugangsrecht diene der Stärkung des demokratischen Prinzips und könne das Vertrauen der Bürger in die europäischen Institutionen fördern26. Nur wenn sich anhand dieser Untersuchung aufzeigen lässt, dass das Dokumentenzugangsrecht geeignet ist, die ihm zugewiesenen Funktionen zu erfüllen, gewinnt die Betonung eines solchen Rechts wirkliches Gewicht. Zweitens soll das neue Recht, das den Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission bestimmt, einer eingehenden Analyse unterzogen werden. Gegenstand dieser Untersuchung ist die im Mai 2001 verabschiedete Verordnung 1049/2001. Als Maßstab werden die primärrechtliche Gewährleistung des Art. 255 EGV und die dahinter stehenden Prinzipien dienen. Der Vergleich mit den Vorläuferregelungen zur Verordnung 1049/2001 wird dabei die Frage beantworten, ob der Amsterdamer Vertrag im Ergebnis einen Fortschritt im Hinblick auf die Aktenöffentlichkeit der Organe bewirkt hat. 24

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission; ABl. 2001, Nr. L 145, S. 43. Nachfolgend wird die Bezeichnung VO 1049/01 beziehungsweise Verordnung 1049/ 2001 verwendet. 25 ABl. 2000, Nr. C 364, S. 1; vgl. dort Art. 42 „Recht auf Zugang zu Dokumenten“. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird im Folgenden auch als EU-Charta bezeichnet. 26 Vgl. zum Beispiel die bereits erwähnte Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Maastricht; ABl. 1992, Nr. C 191, S. 101.

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Vorrangiges Augenmerk wird dabei naturgemäß auf die Ausnahmen vom grundsätzlichen Recht auf Dokumentenzugang gelegt werden. Diese haben schon bisher die Rechtsprechung zu den genannten Beschlüssen der Organe bestimmt und waren auch beherrschendes Thema im Entstehungsprozess der neuen Verordnung. Besonderes Wesensmerkmal der Ausnahmetatbestände ist es, dass sie zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten. Es versteht sich von selbst, dass sich der Rückgriff auf unbestimmte Rechtsbegriffe in einem abstrakt-generellen Rechtsakt nicht vermeiden lässt. Umso wichtiger ist es dann aber, Prinzipien zur Auslegung dieser Rechtsbegriffe zu ermitteln, um diese mit den Geboten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Einklang zu bringen. Besondere Beachtung wird dabei natürlich auch die zu den bisher geltenden Beschlüssen der Organe ergangene, inzwischen schon recht umfangreiche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz finden. Den letzten Schwerpunkt wird die Untersuchung des Rechtsschutzes gegen einen verweigerten Dokumentenzugang bilden. Die Wirksamkeit eines Rechts auf Zugang zu Dokumenten ist entscheidend abhängig von dem damit verbundenen effektiven Rechtsschutz. In diesem Zusammenhang wird außerdem auf den Rechtsschutz Dritter einzugehen sein, der auf eine Verweigerung des Dokumentenzugangs gerichtet ist. Das Zugangsrecht erstreckt sich nämlich nicht nur auf Dokumente, die von den drei Organen erstellt wurden, sondern auch auf solche, die sich im Besitz der Organe befinden, jedoch von Dritten stammen. Diese Dritten können ihrerseits legitime Interessen an der Verweigerung des öffentlichen Zugangs haben, die eines wirksamen Schutzes bedürfen.

Teil 1

Grundlegung zum Zugangsrecht Der erste Teil der Arbeit wird sich nach einem Überblick über die Entwicklung des Dokumentenzugangsrechts auf nationaler, internationaler und europäischer Ebene im Schwerpunkt der Frage zuwenden, worauf sich die Forderung nach einem solchen Recht stützen lässt, mit anderen Worten, welchen Nutzen es stiften kann.

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten Die Erläuterung der Entwicklung des allgemeinen Dokumentenzugangsrechts wird in einem ersten Schritt die Ebene der Staaten und in einem zweiten die Europäische Union selbst in den Blick nehmen.

I. Nationalstaaten Die folgende Darstellung der Entwicklung des Zugangsrechts auf nationalstaatlicher Ebene wird die Mitgliedstaaten der Europäischen Union getrennt von den übrigen Staaten behandeln, da hinsichtlich möglicher Folgerungen aus der vorgefundenen Rechtslage für die Europäische Union zwischen beiden Gruppen von Staaten natürlich ein „Relevanzgefälle“ besteht. 1. Weltweite Entwicklung Das Recht auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Gewalt ist inzwischen fast schon ein universelles Recht geworden. Mehr als vierzig Staaten auf der Welt haben bereits Gesetze verabschiedet, die den Zugang zu öffentlichen Akten regeln; in mehr als dreißig weiteren Staaten laufen entsprechende Gesetzgebungsverfahren1. Inzwischen existieren Informations1 So für den Stand Juli 2002 Banisar, Freedom of Information and Access to Government Records around the world, Juli 2002, Overview, S. 2. Diese Veröffentlichung bietet einen hervorragenden und aktuellen Überblick über den weltweiten Entwicklungsstand des Dokumentenzugangsrechts.

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

freiheitsgesetze auf allen Kontinenten, nachdem Südafrika als erster afrikanischer Staat im Jahre 2000 einen Promotion on Access to Information Act verabschiedete2. Außerhalb Europas haben insbesondere die Vereinigten Staaten und Kanada Vorbildcharakter erworben, was den Zugang der Öffentlichkeit zu Behördenakten betrifft. Der zum US-Bundesrecht gehörende Freedom of Information Act3 geht auf das Jahr 1966 zurück4 und ermöglicht den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung auf Bundesebene. Das Gesetz erfuhr seitdem mehrere Änderungen. So wurde es beispielsweise 1974 als Reaktion auf den Watergate-Skandal deutlich effektiver ausgestaltet5. Als die moderne Datenverarbeitung zunehmend Einzug in die Amtsstuben hielt und das Volumen elektronisch gespeicherter Informationen rasant anstieg, wurden 1996 mit dem Electronic Freedom of Information Act6 Dokumente in elektronischer Form in den Zugangsanspruch einbezogen. Auch die einzelnen Bundesstaaten haben für ihre Behörden entsprechende Gesetze geschaffen7. Kanada kann ebenfalls auf eine lange Tradition der Informationsfreiheit zurückblicken8. Der kanadische Access to Information Act stammt aus dem Jahre 1983 und betrifft, wie in den Vereinigten Staaten, allein die Bundesebene. Auch in Kanada haben jedoch sämtliche Provinzen entsprechende Zugangsrechte geschaffen. Bemerkenswert ist am kanadischen Zugangsrecht vor allem, dass zu seiner Überwachung eine spezielle Behörde geschaffen wurde, der Information Commissioner9. Der Commissioner nimmt für den Bereich des Dokumentenzugangs eine vergleichbare Aufgabe wahr, wie sie in Deutschland die Datenschutzbeauftragten versehen und hat eine diesen vergleichbare unabhängige Stellung. Er prüft Beschwerden über verwehrten Zugang und gibt Empfehlungen an Behörden. Er kann jedoch keine bindenden Entscheidungen treffen. Diese bleiben vielmehr den Gerichten vorbehalten. 2 Siehe dazu Banisar, Freedom of Information and Access to Government Records around the world, Juli 2002, S. 36. 3 5 USC § 552 (1966); Für weitere Informationen siehe die Internetseite des US-Justizministeriums zum Freedom of Information Act; www.usdoj.gov/oip/ foi-act.htm. 4 Der Act trat am 4. Juli 1967 in Kraft. 5 Burkert, Informationszugangsrechte in Europa, in: Heymann, Informationsmarkt und Informationsschutz in Europa, S. 86 (87 f.). 6 Siehe http://www.epic.org/open_gov/efoia.html. 7 Banisar, Freedom of Information and Access to Government Records around the world, Juli 2002, S. 43. 8 Näher dazu Banisar, Freedom of Information and Access to Government Records around the world, Juli 2002, S. 9. 9 Siehe dessen Internetseite http://www.infocom.gc.ca/.

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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Gerade das Beispiel Kanadas zeigt aber auch, dass das Dokumentenzugangsrecht selbst nach jahrzehntelangem Bestand keine unangreifbare Selbstverständlichkeit geworden ist, sondern sich in Situationen, die Bedrohungen für die nationale Sicherheit darstellen, immer wieder neu behaupten muss10. Kurz nachdem das Nachbarland USA von den Terroranschlägen des 11. September 2001 getroffen worden war, wurde der kanadische Access to Information Act noch im November desselben Jahres durch den Terrorism Act geändert11. Nach der nunmehrigen Regelung kann der Attorney General die Freigabe von Dokumenten zum Zwecke des Schutzes der internationalen Beziehungen sowie der nationalen Verteidigung und Sicherheit untersagen. Eine gerichtliche Überprüfung dieser Untersagung findet nur eingeschränkt statt. Der ursprüngliche Vorschlag der Regierung sah sogar vor, eine gerichtliche Überprüfung der Anordnung ganz auszuschließen12. Ein solcher, im Wesentlichen quantitativer, Überblick verrät natürlich noch nicht, wie effektiv die Informationsfreiheitsgesetze, die sich zunehmend in der Welt ausbreiten, tatsächlich sind. Dennoch dürfte bereits auf dieser Grundlage die Aussage zulässig sein, dass international der Zugang der Bürger zu staatlichen Informationen immer mehr zu einem Merkmal guten Regierens wird13. 2. Mitgliedstaaten der Europäischen Union Auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewähren in ihrer weit überwiegenden Zahl Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Gewalt14. In 10 So auch Burkert, Einige Anmerkungen zur Effektivierung von Akteneinsichtsrechten, in: Lenk, Neue Informationsdienste im Verhältnis von Bürger und Verwaltung, S. 115 (123 f.). 11 Eine Entwicklung, die auch in Deutschland in Form der sog. „Anti-Terror-Pakete“, vorgeschlagen von Bundesinnenminister Schily, zu spüren war. Dazu näher Nolte, Die Anti-Terror-Pakete im Lichte des Verfassungsrechts, DVBl. 2002, S. 573. 12 Banisar, Freedom of Information and Access to Government Records around the world, Juli 2002, S. 9. 13 Vgl. Carcassonne, Le trouble de la transparence, Pouvoirs 2001, S. 17 (17): „Qui se veut respectable se doit d’être transparent.“ 14 Die in den jeweiligen Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften sind bereits umfangreich mit genauen Nachweisen dokumentiert worden; auf diese Überblicke wird, soweit nicht anders angegeben, für die folgenden Ausführungen Bezug genommen: Europäische Kommission, Vermerk des Generalsekretariats vom 9. September 2000, Überblick über die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu Dokumenten, Az. SG.B.2/VJ/CD D(2000); Europäisches Parlament, The principle of transparency: a comparative overview on the legislation of the EUMember States and the rules applied by Community institutions, Working Paper POLI 106 EN; Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 15 (Fn. 16); Schlussanträge des Generalan-

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

zwölf der fünfzehn Mitgliedstaaten bestehen Regelungen, die ein Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu amtlichen Dokumenten vorsehen. In sieben dieser zwölf Staaten ist das Zugangsrecht unmittelbar auf die Verfassung gestützt. Es handelt sich dabei um die nordischen Länder Schweden und Finnland sowie um die Niederlande, Belgien, Spanien, Portugal und Griechenland. In fünf weiteren Mitgliedstaaten, nämlich Irland, Italien, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Dänemark, hat das Zugangsrecht eine allein einfachgesetzliche Basis. Darüber hinaus hat Österreich einen allgemeinen Informationsanspruch des Bürgers gegenüber der öffentlichen Gewalt in seiner Verfassung verankert. Dieser gewährt jedoch nur einen Anspruch auf Auskunft durch die Behörden, nicht dagegen auf Zugang zu den Dokumenten selbst15. Allein zwei Mitgliedstaaten kennen noch kein allgemeines Informationsfreiheitsrecht; neben Luxemburg ist dies nur noch die Bundesrepublik Deutschland. In Deutschland gibt es derzeit auf Bundesebene kein Gesetz, das der Öffentlichkeit ein allgemeines Zugangsrecht zu Dokumenten der öffentlichen Gewalt gewährt. Im Jahre 1998 hat jedoch Brandenburg als erstes Bundesland ein zuvor bereits in Art. 21 Abs. 4 der Landesverfassung16 begründetes allgemeines Akteneinsichtsrecht gesetzlich ausgestaltet17. Diesem Beispiel folgten mit noch weiter gehenden Gesetzen Berlin18, Schleswig-Holstein19 und Nordrhein-Westfalen20. Dagegen haben die Landesparlamente in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Sachsen gegen walts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 54 (Fn. 25) und 57 (Fn. 28–30); Banisar, Freedom of Information and Access to Government Records around the World, Juli 2002; Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungverfahren der Europäischen Union, S. 336 ff.; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 229 ff.; O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (425 f.); Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 1 (1). 15 Europäische Kommission, Vermerk des Generalsekretariats vom 9. September 2000, Überblick über die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu Dokumenten, Az. SG.B.2/VJ/CD D(2000), S. 1. 16 Art. 21 der brandenburgischen Landesverfassung ist mit „Recht auf politische Mitgestaltung“ überschrieben. Sein Absatz 4 lautet: „Jeder hat nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.“ 17 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) vom 10. März 1998; GVBl. Brandenburg I 1998, S. 46. 18 Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (IFG) vom 15. Oktober 1999, GVBl. Berlin 1999, S. 561. 19 Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein (IFG-SH) vom 9. Februar 2000, GVOBl. Schleswig-Holstein 2000, S. 166.

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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die Einführung solcher Gesetze gestimmt21. Auf Bundesebene gibt es ein Zugangsrecht ohne erforderlichen Nachweis eines besonderen Interesses nur im Bereich des Umweltrechts. Hier gilt das in Umsetzung der europäischen Umweltinformationsrichtlinie (UIR)22 erlassene Umweltinformationsgesetz (UIG)23. Darüber hinaus bestehen ein Aktenzugangsrecht für am Verwaltungsverfahren Beteiligte gemäß § 29 VwVfG24 und schließlich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung des Zugangsantrags für diejenigen, die sonst ein berechtigtes Interesse am Dokumentenzugang geltend machen können25. Die neu gewählte Bundesregierung war im Jahre 1998 mit dem Vorhaben angetreten, ein Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene einzuführen26. Ein entsprechender Referentenentwurf wurde auch im Dezember 2000 vom zuständigen Bundesministerium des Innern verabschiedet27 und stand ab Juni 2001 sechs Wochen lang im Internet zur Diskussion28. Im Herbst 2001 wurde deutlich, dass die Gespräche im Bund und mit den Ländern eine schnelle Einigung über eine abschließende Textfassung un20 Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, IFG NRW) vom 27. November 2001, GVBl. NRW 2001, S. 806. 21 Banisar, Freedom of Information around the World, Update 2002, S. 7. 22 Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt; ABl. 1990, Nr. L 158, S. 56. 23 Verkündet gemäß Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 90/313/ EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt vom 8. Juli 1994, BGBl. I 1994, S. 1490. Das UIG trat am 16. Juli 1994 in Kraft und gilt derzeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2001, BGBl. I, S. 2208. 24 § 29 VwVfG ist Ausdruck des „Prinzips der beschränkten Aktenöffentlichkeit“; Schwab, Das Recht auf Akteneinsicht, S. 20 f. Zu besonderen Zugangsrechten etwa in Planfeststellungs- oder Anlagengenehmigungsverfahren, siehe König, Das Umweltinformationsgesetz – ein Modell für mehr Aktenöffentlichkeit?, DÖV 2000, S. 45 (47). Kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren, stehen den Prozessbeteiligten spezielle Akteneinsichtsrechte zur Seite, vgl. § 100 VwGO. Für einen Überblick über weitere landesrechtliche Informationsansprüche vgl. auch Sokol, Datenschutz versus Informationszugang, DuD 1997, S. 380 (380). 25 BVerwGE 30, S. 154 (160); 61, S. 15 (22); 69, S. 278 (279 f.) Für einen allgemeinen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung plädiert Nolte, Die Herausforderungen für das deutsche Recht der Akteneinsicht durch europäisches Verwaltungsrecht, DÖV 1999, S. 363 (369 ff.). 26 Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998, 14. WP, Ziff. IX, Nr. 13; Schubert, Recht auf Informationszugang, DuD 2001, S. 400 (402). 27 Siehe http://www.bmi.bund.de/Annex/de_3096/Entwurf_eines_Informationsfreiheitsgesetzes_IFG_ mit_Begruendung.pdf. 28 Vgl. Presseerklärung des Bundesministeriums des Innern vom 6. Juni 2001, http://www.staat-modern.de/presse/info/pm060601.htm.

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

möglich machten. Auseinandersetzungen gab es vor allem über Umfang und Reichweite der Ausnahmen. Weitere Fortschritte gab es vor der Bundestagswahl im Herbst 2002 nicht mehr. Immerhin formuliert auch die aktuelle Koalitionsvereinbarung der wieder gewählten Bundesregierung das Ziel, ein Informationsfreiheitsgesetz zu verabschieden29. Es ist allerdings derzeit nicht verlässlich absehbar, wann ein Gesetzesvorschlag im Bundestag eingebracht werden wird30. In Europa treffen folglich nicht nur unterschiedliche Ausgestaltungen des Dokumentenzugangsrechts aufeinander, sondern auch Rechtstraditionen, wie sie verschiedener kaum sein könnten. In Schweden besteht ein Dokumentenzugangsrecht bereits seit 1766. Der Riksdag31 verabschiedete in jenem Jahr das Gesetz über die Freiheit der Presse32, das unter anderem in seinem 2. Kapitel regelte, dass offizielle Dokumente jedermann, der dies begehrte, unverzüglich und ohne Gebühr zugänglich zu machen sind. Diese weltweit erste Regelung ihrer Art33 begründete das, was heute immer wieder als die nordische Tradition der Offenheit und Transparenz bezeichnet wird. Der Geltungsbereich des schwedischen Dokumentenzugangsanspruchs erstreckte sich im Übrigen zur Zeit seiner Schaffung nicht nur auf das Territorium des heutigen Schwedens, sondern auch auf das Finnlands, das damals unter schwedischer Herrschaft stand34. Das mehrfach geänderte Pressefreiheitsgesetz35 ist zudem seit längerem in der schwedischen Verfassung36 verankert37. 29

Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 23. Oktober 2002, 15. WP, Ziff. VIII, „Demokratische Beteiligungsrechte und Datenschutz“: „Die Verwaltung soll für die Bürgerinnen und Bürger transparenter werden. Deshalb bringen wir ein Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesbehörden ein, das dem Grundsatz des freien Zugangs zu öffentlichen Daten und Akten Geltung verschafft.“ 30 Die Informationen zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens beruhen auf einer Auskunft des Bundesministeriums des Innern vom 18. November 2002. Einen aktuellen Überblick über die Entwicklung des Dokumentenzugangsrechts auf Bundesund Landesebene bietet die Internetseite von Prof. Hermann Hill (Speyer): http:// www.hfv-speyer.de/hill/Akteneinsicht.htm. 31 Schwedisches Parlament. 32 Auf schwedisch Tryckfrihetsförordningen. 33 Öberg, EU Citizen’s Right to Know, CYELS 1999, S. 303 (304 f.) erläutert, dass die Verabschiedung dieses Gesetzes einem Regierungswechsel „after a long period [. . .] marked by widespread corruption, censorship, administrative secrecy and abuse of power by the bureaucracy“ zu verdanken war und nennt sie „a historical accident, entrenched in the prevailing political context of that time“. 34 Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (316, Fn. 121). 35 Zu nennen sind insbesondere die Änderungen in den Jahren 1949 und 1976. 36 Dort Kapitel 1 § 3. 37 Näher Petrén, Die Aktenöffentlichkeit in Schweden, VerwArch 1958, S. 323 (323).

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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Die jüngste Regelung besteht im Vereinigten Königreich, wo im November 2000 nach fast 20-jährigen Anstrengungen die Freedom of Information Bill verabschiedet wurde38. Der Regierung wurde eine fünfjährige Frist zur Umsetzung des Gesetzes eingeräumt, die wohl auch weitgehend ausgeschöpft werden wird39. Das neue Gesetz wird den bis dahin geltenden Code of Practice on Access to Government Information von 199440 ablösen. Dessen Defizit besteht erstens darin, dass regelmäßig nur ein Anspruch auf Auskunft, nicht aber auf Zugang zu den Originaldokumenten gewährt wird41 und zweitens, dass dieser Anspruch nicht gerichtlich durchsetzbar ist42.

II. Institutionen der Europäischen Union Die enorme Ausbreitung, die das Dokumentenzugangsrecht nicht nur weltweit, sondern gerade auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gefunden hat, konnte natürlich an der gemeinschaftlichen Rechtsordnung nicht spurlos vorübergehen. Die Kommission hatte noch 1974 erklärt, dass sie für die Gewährleistung einer transparenten Rechtsetzung die bestehenden Informations- und Bekanntmachungspflichten für ausreichend halte und darüber hinaus keinen Regelungsbedarf sehe43. In den kommenden Jahren gab es aber auf verschiedenen Ebenen gewichtige Anstöße zur Schaffung einer Aktenöffentlichkeit. Insbesondere sind insoweit die Initiativen des Europarates zur Schaffung eines Zugangs zu Behördenakten als Teil eines Systems der umfassenden Informationsfreiheit hervorzuheben. 38 Zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. Austin, Freedom of Information: The Constitutional Impact, in: Jowell, The Changing Constitution, S. 319 (365 ff.). 39 Nach Auskunft des Lord Chancellor gegenüber dem britischen Parlament am 13. November 2001 ist eine schrittweise Einführung geplant, die im Januar 2005 abgeschlossen werden soll; vgl. http://www. parliament.the-stationery-office.co.uk/ pa/ld199900/ldhansrd/pdvn/lds01/text/11113-03.htm#11113-03_star0. 40 Eine geänderte Fassung trat 1997 in Kraft. 41 Außerdem enthielt er einen besonders umfangreichen Ausnahmenkatalog, vgl. Austin, Freedom of Information: The Constitutional Impact, in: Jowell, The Changing Constitution, S. 319 (357 f.), der aber an späterer Stelle (S. 369 ff.) auch feststellt, dass die Freedom of Information Bill in dieser Hinsicht keine Fortschritte bringt. 42 Immerhin ist eine Beschwerde zum Parliamentary Commissioner for Administration (PCA) möglich, die sich insgesamt offenbar als effektives Instrument erwiesen hat, Austin, Freedom of Information: The Constitutional Impact, in: Jowell, The Changing Constitution, S. 319 (356, 359). Banisar, Freedom of Information around the World, Update 2002, S. 10, verweist allerdings auf zwei Fälle aus dem November 2001, in denen die Regierung sich der – nicht bindenden – Beschwerdeentscheidung des Commissioners widersetzte. 43 Stellungnahme der Kommission vom 1. Februar 1974, ABl. 1974, Nr. C 22, S. 12.

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

Entsprechende Empfehlungen gaben die Parlamentarische Versammlung im Jahre 197944 und das Ministerkomitee im Jahre 198145. Auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaften bestand der erste Schritt jedoch zuerst nur darin, den Zugang der Allgemeinheit zu den Archiven der Gemeinschaften zu regeln46. In Entschließungen aus den Jahren 198447 und 198848 griff das Europäische Parlament die Vorstöße des Europarates wieder auf und sprach sich für die Schaffung eigener Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Zugang zu ihren Dokumenten aus. Erst die frühen neunziger Jahre sahen verstärkte Bemühungen, das Beschlussverfahren in der Gemeinschaft für den Bürger transparenter zu gestalten. Den Anfang bildeten wie so häufig politische Willensbekundungen. Die erste greifbare Weichenstellung in Richtung größerer Transparenz erfolgte im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht im Frühjahr 199249. Es war jedoch noch ein vorsichtiger erster Schritt. Das Transparenzprinzip schaffte nicht ad hoc den Sprung in den Vertragstext, wie es vor allem die Niederlande gefordert hatten50, sondern wurde lediglich in die Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte des Vertrags aufgenommen. In dieser Erklärung bringt die Regierungskonferenz ihre Auffassung deutlich zum Ausdruck, wonach Transparenz51 zwei überragend wichtige Funktionen in der Gemeinschaft erfüllen kann: die Stärkung des demo44 Empfehlung der parlamentarischen Versammlung des Europarates Nr. 854/ 1979 vom. 1. Februar 1979. 45 Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates Nr. R (81) 19 vom 25. November 1981. 46 Entscheidung der Kommission 359/83/EGKS, ABl. 1983, Nr. L 43, S. 14 und Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 354/83 des Rates vom 1. Februar 1983 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. 1983, Nr. L 43, S. 1. 47 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 1984; ABl. 1984, Nr. C 172, S. 176. 48 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Januar 1988; ABl. 1988, Nr. C 49, S. 174. 49 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 47. 50 Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (319); Curtin, Democracy, Transparency and Political Participation, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 107 (108); Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (419 f.). 51 Curtin, The Constitutional Structure of the Union, CMLR 1993, S. 17 (18) beklagt, dass gerade die intergouvernementalen Verhandlungen im Vorfeld des Maastrichter Vertrags alles andere als transparent gewesen seien. Die Transparenz der Regierungskonferenzen wurde allerdings nachfolgend deutlich verbessert; Schroeder, Demokratie, Transparenz und die Regierungskonferenz, KritV 1998, S. 423 (434 f.).

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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kratischen Charakters der Organe auf der einen und des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Verwaltung auf der anderen Seite. Die Kommission wurde aufgefordert, dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorzulegen, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen besser für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten52. Obwohl die Erklärung Nr. 17 im Gegensatz zu der von einigen befürworteten primärrechtlichen Regelung keine Rechtswirkungen erzeugte, wurde ihr dennoch große Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere die Rechtsprechung nahm immer wieder in Urteilen, die den Zugang zu Dokumenten betrafen, auf diese Erklärung Bezug, um später erlassenen rechtsverbindlichen Vorschriften besonderes Gewicht zu verleihen53. Das Ziel einer offenen und bürgernahen Gemeinschaft wurde auf nachfolgenden Tagungen des Europäischen Rates bekräftigt. Zum Abschluss der Tagung des Europäischen Rates von Birmingham im Oktober 1992 gaben die Staats- und Regierungschefs eine Erklärung mit dem Titel „Eine bürgernahe Gemeinschaft“ ab, in der sie die Notwendigkeit hervorhoben, die mit Gemeinschaft und Union verbundenen Vorteile den Bürgern zu vermitteln und die Gemeinschaft dazu transparenter zu gestalten54. Auf seiner Tagung in Edinburgh im Dezember 1992 nahm der Europäische Rat erneut zur Transparenz in der Gemeinschaft Stellung. Beide Erklärungen erfolgten nicht zuletzt unter dem Eindruck der zuvor gescheiterten ersten Volksabstimmung über den Beitritt Dänemarks zum Maastrichter Vertrag55. Däne52 Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Maastricht: „Die Konferenz ist der Auffassung, daß die Transparenz des Beschlußverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt. Die Konferenz empfiehlt daher, daß die Kommission dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen.“; ABl. 1992, Nr. C 191, S. 101; dazu auch Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (419 f.). 53 Siehe beispielsweise EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 2; Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 22; EuG, Rs. T-123/99, JT’s Corporation/Kommission, Slg. 2000, S. II-3269, Rdnr. 50; Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 1. Gerade die letztgenannte Entscheidung zeigt stellvertretend für viele andere, dass die Rechtsprechung die Erklärung, obwohl nicht rechtlich verbindlich, in den „Rechtlichen Rahmen“ einordnet, der die Entscheidung bestimmt. 54 Bull. EG 10/1992, S. 9. 55 Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (319 f.); Hayes-Renshaw/Wallace, The Council of Ministers, S. 66 f.; Brunmayr, The Council’s policy on Transparency, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 69 (70), vgl. auch Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (148); Edwards, National sovereignty vs integration?, in: Richardson, European Union. Power and Policy-Making, S. 127 (142). Dänemark bildete mit

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

mark hatte dazu auch im Vorfeld des Gipfels von Edinburgh das Memorandum „Dänemark in Europa“ an alle Mitgliedstaaten gerichtet, in dem es unterstrich, dass die Unterstützung der Bevölkerung für das europäische Projekt Offenheit und Transparenz in der Beschlussfassung der Gemeinschaft voraussetze. Dieses Dokument nahm der Rat von Edinburgh ausdrücklich zur Kenntnis56 und beschloss, sich um eine entsprechende Regelung zu bemühen. Zugleich wurde die Forderung von Birmingham an die Kommission bekräftigt, bis zum Frühjahr 1993 erste Maßnahmen zur Verbesserung des Informationszugangs für die Öffentlichkeit zu ergreifen57. Die Kommission kam diesem Auftrag weitgehend fristgerecht nach. Im Mai 1993 richtete die Kommission die Mitteilung „Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Gemeinschaftsorgane befinden“ an den Rat, das Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss58. Diese Mitteilung entstand als Ergebnis einer rechtsvergleichenden Analyse über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten in den Mitgliedstaaten und in einigen Drittländern. Die Kommission kam darin zu dem Schluss, dass der Zugang zu den Dokumenten auf Gemeinschaftsebene erweitert werden müsse, um der Rechtslage in der überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten zu entsprechen. Dieser allgemeinen Erkenntnis folgte in der im Juni 1993 veröffentlichten Mitteilung „Transparenz in der Gemeinschaft“59 eine Aufstellung von Grundprinzipien, die für den Zugang zu Dokumenten gelten sollten und der Vorschlag, eine entsprechende interinstitutionelle Vereinbarung zu schaffen. Der im gleichen Monat tagende Europäische Rat von Kopenhagen nahm diese Mitteilungen zur Kenntnis und forderte Rat und Kommission auf, ihre Bemühungen im Einklang mit dem Grundsatz, dass die Bürger möglichst umfassenden Zugang zu Informationen erhalten sollten, fortzusetzen60. Der nächste wichtige Schritt folgte alsbald: Im Dezember 1993 billigten der Rat und die Kommission einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten, der die Grundsätze für den Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates festseiner Skepsis gegenüber der europäischen Entwicklung keine Ausnahme. Auch in Frankreich war die Volksabstimmung nur knapp für den Vertrag ausgegangen, und der hypothetische Ausgang in Ländern, in denen eine Volksabstimmung nicht durchgeführt werden musste, wurde von vielen als durchaus unsicher eingeschätzt; vgl. Weiler, The European Union Belongs to its Citizens, ELR 1997, S. 150 (150). 56 Europäischer Rat, Edinburgh, Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 12. Dezember 1992, Teil B, Dok.Nr. SN/456/92, S. 56. 57 Bull. EG 12/1992, S. 7. 58 ABl. 1993, Nr. C 156, S. 5. 59 ABl. 1993, Nr. C 166, S. 3. 60 Bull. EG 6/1993, S. 16.

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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legte61. Der Kodex als solcher stellte allerdings lediglich eine interinstitutionelle Vereinbarung dar. Er begründete selbst noch keinerlei subjektive Rechte62. Dennoch hatte der Verhaltenskodex entscheidende Bedeutung für die weitere Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane. Er schrieb bereits ausdrücklich einen Grundsatz fest, der der prägende Maßstab in der Folgezeit werden sollte: den Grundsatz, dass der Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der Kommission und des Rates ein möglichst umfassender sein soll. Außerdem bildete der Kodex zwar selbst noch keine Quelle subjektiver Rechte, er formte aber die Basis für weitere Maßnahmen, die dann solche Rechte begründeten63. So enthielt der Kodex einen Auftrag an Kommission und Rat, binnen eines Monats jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der im Kodex enthaltenen Grundsätze zu treffen. Der Rat kam dieser Verpflichtung als erste Institution am 20. Dezember 1993 nach, indem er den Beschluss 93/731/EG64 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten fasste65. Als rechtliche Grundlage diente Art. 151 Abs. 3 a. F. (jetzt: Art. 207 Abs. 3) EGV, also die Ermächtigung des Rates, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Der entsprechende Beschluss der Kommission folgte eineinhalb Monate später66. Er war ebenfalls auf die Geschäftsordnungsermächtigung gestützt, die für die Kommission in 61

ABl. 1993, Nr. L 340, S. 41. Im Folgenden mit Verhaltenskodex bezeichnet. Geiger, EGV, Art. 255, Rdnr. 5; EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnrn. 25–27; Gautier, Entscheidungsbesprechung EuGH Niederlande/Rat, JDI 1997, S. 501 (502). 63 Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (180); Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (79); EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 26. 64 Beschluss 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten, ABl. 1993, Nr. L 340, S. 43; geändert durch Beschluss 96/705/Euratom, EGKS, EG des Rates vom 6. Dezember 1996, ABl. 1996, Nr. L 325, S. 19; geändert durch Beschluss 2000/527/EG des Rates vom 14. August 2000, ABl. 2000, Nr. L 212, S. 9. Im Folgenden mit Zugangbeschluss des Rates bezeichnet. 65 Vgl. auch den ergänzenden Verhaltenskodex des Rates „betreffend den Zugang der Öffentlichkeit zu Protokollen und Protokollerklärungen des Rates in seiner Rolle als Gesetzgeber“, Bulletin EG 10/1995; dazu Dreher, Transparenz und Publizität bei Ratsentscheidungen, EuZW 1996, S. 487 (487 ff.). 66 Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten, ABl. 1994, Nr. L 46, S. 48; geändert durch Beschluss 96/567/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 19. September 1996, ABl. 1996, L 247, S. 45. Im Folgenden mit Zugangsbeschluss der Kommission bezeichnet. Vgl. auch die Mitteilung 94/C 67/03 der Kommission über die Verbesserung des Zugangs zu den Dokumenten, ABl. 1994, Nr. C 67, S. 5. 62

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

Art. 162 Abs. 2 a. F. (jetzt: Art. 218) EGV geregelt ist. Während der Zugangsbeschluss des Rates den Verhaltenskodex nur in den Erwägungsgründen erwähnt und im Übrigen eine eigenständige, wenn auch weitgehend inhaltsgleiche, Regelung trifft, nimmt der Zugangsbeschluss der Kommission in seinem Artikel 1 den in seinem Anhang wiedergegebenen Verhaltenskodex förmlich an. Bemerkenswert ist, dass das Parlament erst 1997 seinen Beschluss über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Parlaments fasste67. Das Bild des Parlaments als ständiger Vorreiter in Sachen Transparenz, das allzu oft gezeichnet wird, findet also nicht in jeder Hinsicht eine Entsprechung in der Realität68. Schließlich stellten auch die übrigen Institutionen mit Ausnahme des Europäischen Gerichtshofes Regeln über den Zugang zu ihren Dokumenten auf69. Dies war nicht zuletzt dem Engagement des Europäischen Bürgerbeauftragten zu verdanken70, der eine umfassende Untersuchung aller bestehenden Zugangsregelungen durchführte und damit einen gewissen Druck auf die Nachzügler ausübte71. Zusätzlichen Auftrieb erhielt die Entwicklung zu einer transparenteren Gemeinschaft durch den Beitritt Schwedens und Finnlands zur Europäischen Union im Jahre 199572. Aus der Sorge heraus, seine fortschrittlichen 67 Beschluss 97/632/EGKS, EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 10. Juli 1997 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, ABl. 1997, Nr. L 263, S. 27. Im Folgenden mit Zugangsbeschluss des Parlaments bezeichnet. 68 Ein weiteres Beispiel für eine zweifelhafte Transparenzpraxis des Parlaments wird in Bezug auf die neuen Geschäftsordnungen diskutiert, vgl. dazu unten „Teil 2, C. Die Geschäftsordnungen“. 69 Siehe dazu den Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament vom 15. Dezember 1997 (616/PUBAC/F/IJH), ABl. 1998, Nr. C 44, S. 9 sowie den Bericht des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments vom 2. Juli 1998, Dok.Nr. C4-0157/98, Berichterstatterin Astrid Thors. 70 Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (326). 71 Jahresbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten 1996, Pkt. 3.6., ABl. 1997, Nr. C 272, S. 1. Die Ergebnisse der Untersuchung sind im Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament vom 15. Dezember 1997 (616/PUBAC/F/IJH), ABl. 1998, Nr. C 44, S. 9, dokumentiert, aufgrund dessen das Parlament die Resolution ABl. 1998, Nr. C 292, S.170 verabschiedete. Vgl. auch den Bericht des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments vom 2. Juli 1998, Dok.Nr. C4-0157/98, Berichterstatterin Astrid Thors. Siehe zu dieser Initiativuntersuchung des Bürgerbeauftragten ferner Söderman, The Role and Impact of the European Ombudsman, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 75 (78 ff.); Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 264 ff. 72 Hayes-Renshaw/Wallace, The Council of Ministers, S. 67; Westlake, Maastricht, Edinburgh, Amsterdam, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 127 (137); Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 3.

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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Transparenzstandards könnten durch den Beitritt zur Union in Frage gestellt werden, verband Schweden mit seiner Beitrittsakte eine Erklärung, in der es betonte, dass der öffentliche Zugang zu offiziellen Dokumenten ein fundamentales und unabänderliches Prinzip in Schweden bleibe73. Eine ähnliche, wenn auch etwas kompromissbereitere Erklärung gab Finnland ab74. Die Aktivitäten konzentrierten sich in dieser Zeit vor allem darauf, dem Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten der Institutionen ein festeres Fundament im Gemeinschaftsrecht zu geben. Die bis dahin bestehende Basis wurde von vielen als unzureichend angesehen. Hinsichtlich der nordischen Staaten ist diese Haltung aufgrund der Bedeutung, die das Recht auf Zugang zu offiziellen Dokumenten dort genießt, leicht verständlich. Da in Schweden und Finnland das Dokumentenzugangsrecht ein Bürgerrecht von Verfassungsrang ist, musste beiden Ländern dessen gemeinschaftsrechtliche Verortung in den Geschäftsordnungen der Organe unakzeptabel erscheinen. Aber die Kritik kam nicht allein aus dem hohen Norden Europas. Sehr aktiv waren in dieser Sache wiederum die Niederlande, die es auch nicht bei politischer Kritik und Einflussnahme beließen, sondern versuchten, ihrer Rechtsauffassung vor dem Europäischen Gerichtshof Gehör zu verschaffen. Unterstützt vom Europäischen Parlament beantragten sie, der Gerichtshof möge den Verhaltenskodex sowie den Beschluss 93/731/EG des Rates über den Zugang zu seinen Dokumenten für nichtig erklären. Begründet sei die Klage vor allem, weil der Rat die Dokumentenzugangsbestimmungen auf eine ungenügende rechtliche Grundlage, nämlich die Geschäftsordnungsbefugnis, gestützt habe. Ein subjektives Recht, das hier gewährt werden sollte, könne nicht auf rein internen Regeln beruhen, zumal es sich beim Dokumentenzugangsrecht um ein Grundrecht handele75. 73 Die Mitgliedstaaten nahmen diese Erklärung nüchtern zur Kenntnis und erklärten, sie gingen davon aus, dass Schweden den diesbezüglichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in vollem Umfang nachkommen werde; vgl. Erklärung des Königreichs Schweden zur Öffentlichkeit der Verwaltung und Antworterklärung der Union, Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABl. 1994, Nr. C 241, S. 397; ferner Nordling, Address to the colloquium, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 123 (123 f.). 74 Erklärung der Republik Finnland zur Transparenz, Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABl. 1994, Nr. C 241, S. 397. Durch diese Erklärung, in der Finnland auch seine Pflichten als Mitglied der Union anerkannte, sahen sich die Mitgliedstaaten nicht zu einer Antwort herausgefordert. 75 Vgl. EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 31; siehe auch Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (429 f.) Außerdem rügte die Klägerin noch, der Rat habe das institutionelle Gleichgewicht zwischen den Organen verletzt, in

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

Der Gerichtshof erklärte die Klage, soweit sie sich gegen den Verhaltenskodex richtete, für unzulässig, da Gegenstand der Nichtigkeitsklage nur rechtswirksame Organakte sein könnten und der Verhaltenskodex nicht zur Erzeugung von Rechtswirkungen bestimmt gewesen sei. In Bezug auf den Zugangsbeschluss des Rates war die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Der Gerichtshof erkannte zwar in der geschilderten Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten und den Initiativen auf Unionsebene im Vorfeld des angefochtenen Beschlusses eine „immer stärkere Betonung des Rechts des einzelnen auf Zugang zu den Dokumenten“76. Daraus leitete der Gerichtshof aber allein die Folgerung ab, dass der Rat sich berechtigt fühlen durfte, seine bisherige Praxis der Geheimhaltung aufzugeben und den Zugang zu seinen Dokumenten zu ermöglichen. Solange der Gemeinschaftsgesetzgeber keine allgemeinen Regelungen über den Dokumentenzugang aufgestellt habe, müssten die Organe entsprechende Regelungen auf Grundlage ihrer Geschäftsordnungsbefugnisse treffen. Solche Maßnahmen der internen Organisationsgewalt, so der Gerichtshof, könnten bei entsprechender Bestimmung auch Außenwirkung entfalten und subjektive Rechte begründen77. Das abweisende Urteil des Gerichtshofes stellte allerdings keinen wirklichen Misserfolg für die Befürworter einer Fortentwicklung des Dokumentenzugangsrechts dar. Das Verfahren rückte dieses Recht wieder in den Blickpunkt des Interesses und gab ihm zusätzliche Impulse auf politischer Ebene, die bald Wirkung zeigten. Schließlich erhielten die Niederlande in gemeinsamer Initiative mit anderen Staaten78 die Gelegenheit, das zu erreichen, was sie noch auf dem Gipfel von Maastricht und vor dem Gerichtshof in Luxemburg erfolglos angestrebt hatten. Während der niederländischen Ratspräsidentschaft wurde 1997 die Transparenz mit dem Vertrag von Amsterdam primärrechtlich verankert. In Art. 1 Abs. 2 des EU-Vertrags wurde ein Gebot der möglichst offenen Entscheidungsfindung aufgenommen, daneben wurde der EG-Vertrag um einen neuen Art. 255 erweitert. Dieser gewährt in seinem ersten Absatz ein Recht auf Zugang zu Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission für jeden Unionsbürger sowie alle sonst in der Union ansässigen natürlichen und juristischen Personen. Dieses Recht steht unter dem Vorbehalt der näheren Ausgestaltung dem er eine Regelung von diesem Gewicht ohne Beteiligung des Parlaments getroffen habe, vgl. EuGH, a. a. O., Rdnr. 32. 76 EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 36. 77 EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 37 f.; Zur Maßgeblichkeit der intendierten Außenwirkung bei Geschäftsordnungsregelungen siehe auch schon EuGH, Rs. C-69/89, Nakajima/Rat, Slg. 1991, S. I-2069, Rdnrn. 49 f.; Rs. C-137/92 P, Kommission/BASF, Slg. 1994, S. I-2555, Rdnrn. 75 f. 78 Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 11.

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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durch nachfolgende Sekundärrechtsakte. Art. 255 Abs. 2 EGV stellt dazu das Gebot auf, dass die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher und privater Interessen geltenden Einschränkungen für das Zugangsrecht binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags vom Rat im Verfahren der Mitentscheidung (Art. 251 EGV) festzulegen sind. Sonderbestimmungen für einzelne Organe sollen diese gemäß Art. 255 Abs. 3 EGV jeweils in ihren Geschäftsordnungen regeln. Der Vertrag von Amsterdam trat am 1. Mai 1999 in Kraft, und damit wurde auch die zweijährige Frist für den Sekundärrechtsakt nach Art. 255 Abs. 2 EGV in Lauf gesetzt. Es gelang den Organen auch nahezu, diese Frist einzuhalten. Am 30. Mai 2001 verabschiedeten Rat und Parlament die Verordnung (EG) Nr. 1049/01 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission79. Zusammen mit den bis dahin modifizierten Geschäftsordnungen der Organe80 erlangte die neue Verordnung am 3. Dezember 2001 Geltung. Vorausgegangen war ein kontrovers geführter Gesetzgebungsprozess: Mehr als drei Jahre nach der Unterzeichnung des Vertrags von Amsterdam und immerhin noch mehr als anderthalb Jahre nach dessen Inkrafttreten zauberte die Kommission – man kann es wirklich kaum anders beschreiben – am 26. Januar 2000 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Regelung des Dokumentenzugangs, gestützt auf Art. 255 Abs. 2 EGV, aus dem Hut81. Anders als dies etwa beispielhaft vom Vereinigten Königreich im Rahmen seines Gesetzgebungsvorhabens für ein Dokumentenzugangsrecht 79

ABl. 2001, Nr. L 145, S. 43. Europäisches Parlament: Beschluss (2001)2135(REG) des Europäischen Parlaments vom 13. November 2001 zur Anpassung der Geschäftsordnung des Parlaments an die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission; vgl. ABl. 2002, Nr. C 140 E, S. 24 sowie Beschluss 2001/C 374/01 des Präsidiums vom 28. November 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, ABl. 2001, Nr. C 374, S. 1. Rat: Beschluss 2001/840/EG des Rates vom 29. November 2001 zur Änderung der Geschäftsordnung des Rates, ABl. 2001, Nr. L 313, S. 40. Dieser Beschluss ist abgelöst worden durch den Beschluss 2002/682/EG, Euratom des Rates vom 22. Juli 2002 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung, ABl. 2002, Nr. L 230, S. 7. Kommission: Beschluss 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. 2001, Nr. L 345, S. 94. 81 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission; Dok.Nr. KOM(2000) 30 endg., ABl. 2000, Nr. C 177, S. 70. Diese Version des Vorschlags wurde am 21. Februar 2000 durch eine neue Fassung ersetzt, Dok.Nr. KOM(2000) 30 endgültig/2. Diese Arbeit bezieht sich ausschließlich auf die aktualisierte Fassung des Vorschlags, der mit Entwurf Zugangsverordnung bezeichnet wird. 80

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

vorgeführt wurde82 und auch vom Konvent zur Erarbeitung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union83 praktiziert worden ist, gab es während der Erarbeitung dieses Kommissionsvorschlages keine öffentliche Konsultation84, das heißt jedenfalls keine, die die Kommission initiiert hätte85. Bezeichnenderweise wurden auch im Kommissionsvorschlag Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit nicht im Rahmen der Punkte aufgeführt, von denen sich die Kommission bei der Erarbeitung leiten ließ86. Dabei hätte es vor allem an Stellungnahmen der Nichtregierungsorganisationen nicht gemangelt. Auf Seiten dieser Organisationen löste das Vorgehen der Kommission erhebliches Unverständnis aus87. Das Generalsekretariat, welches den Vorschlag für die Dokumentenzugangsverordnung erarbeitete, stand nämlich gleichzeitig mit den Nichtregierungsorganisationen in Gesprächen über die 82

Ein Überblick über das Konsultationsverfahren im Vorfeld der Freedom of Information Bill findet sich unter http://www.lcd.gov.uk/foi/pubconrp.htm. 83 Vgl. Schwarze, Der Grundrechtsschutz für Unternehmen in der Europäischen Grundrechtecharta, EuZW 2001, S. 517 (520); Alber/Widmaier, Die EU-Charta der Grundrechte und ihre Auswirkungen auf die Rechtsprechung, EuGRZ 2000, S. 497 (498). Auch im Rahmen des aktuellen Europäischen Konvents zur Zukunft der Europäischen Union erhält die Zivilgesellschaft vielfältige Möglichkeiten zur Information und Diskussion, vgl. http://europa.eu.int/futurum/forum_convention/index_de. htm. 84 Dass bereits das Zustandekommen des Amsterdamer Vertrags keine breite Debatte in der Öffentlichkeit ermöglichte beklagt Schneider, Europäische Integration im Wandel, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 8 (29). 85 Zwar meinte Kommissionspräsident Romano Prodi in einem Zeitungsartikel, dass immerhin ein vorbereitendes Diskussionspapier im Vorfeld des Vorschlags weit verbreitet worden sei und Gegenstand breiter Kritik geworden sei, die die Kommission bei der Erarbeitung des Vorschlags berücksichtigt habe, vgl. Prodi, Let’s Be Crystal Clear, Wall Street Journal Europe, 9. März 2000, S. 11. Allerdings geschah die Verbreitung offenbar nicht auf Veranlassung der Kommission, sondern es schien sich vielmehr um ein „leaked document“ zu handeln, das die Organisation Statewatch zirkuliert hatte, vgl. Statewatch, „Brussels stitch-up“ threatens right of access to EU documents, European Information, Juli 1999, S. 2 (3); ebenso Ian Harden in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 84, Frage 131. Unabhängig davon könnte man ohnehin die Zirkulation eines Diskussionspapiers auf einer Konferenz, die die Kommission nicht einmal selbst einberufen hatte, wohl kaum als genügende Einladung zur öffentlichen Debatte bezeichnen. 86 Entwurf Zugangsverordnung, Begründung Punkt 2, S. 2 f. 87 Vgl. die Stellungnahmen in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Report, S. 15. Die Kommission hatte zur Entschuldigung angeführt, dass sie durch den Rücktritt der Santer-Kommission unter erheblichen zeitlichen Druck bei der Erarbeitung des Vorschlages gekommen sei, der eine breite öffentliche Diskussion nicht zugelassen hätte.

A. Entwicklung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

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zukünftige Zusammenarbeit, in denen gerade Konsultationspflichten eine große Rolle spielten88. Nachdem der Vorschlag der Kommission noch Ende Januar 2000 an das Europäische Parlament übermittelt worden war, zeigte sich schnell, dass er in dieser Form vom Parlament nicht akzeptiert werden würde. Mitte November 2000 nahm das Parlament den von Michael Cashman erstatteten Bericht an, in dem zahlreiche Änderungen am Vorschlag der Kommission gefordert wurden89. Üblicherweise hätte das Parlament dies als Ergebnis seiner ersten Lesung festgehalten, die Reaktionen von Rat und Kommission erwartet und über diese in einer zweiten Lesung beraten. Gegebenenfalls wäre dann anschließend der Vermittlungsausschuss anzurufen gewesen. Unter dem Termindruck, den nicht nur Art. 255 Abs. 2 EGV, sondern auch die französische und nachfolgend die schwedische Ratspräsidentschaft ausübten, folgte stattdessen ein Bemühen um eine schnelle Einigung ohne weitere Lesungen und Einschaltung des Vermittlungsausschusses. Im Ergebnis einer Serie von informellen und nichtöffentlichen Trilogsitzungen90 von Parlament, Rat und Kommission wurde ein Kompromisstext ausgearbeitet. Am 3. Mai 2001 gab das Parlament seine zustimmende Stellungnahme als Ergebnis der ersten Lesung zu dem gefundenen Kompromiss ab. Der Rat erzielte am 14. Mai 2001 ein politisches Einvernehmen über den Inhalt der Verordnung in ihrer geänderten Fassung und nahm am 28. Mai 2001 den geänderten Vorschlag an91. Schließlich wurde er am 30. Mai 2001 durch das Parlament und den Rat unterzeichnet. Diese Eile blieb nicht ohne Kritik. Mehrere Abgeordnete des Parlaments missbilligten, wie der normalerweise in einem solchen Fall anzurufende Vermittlungsausschuss durch die informellen Trilogsitzungen ersetzt worden war und verweigerten vor allem deshalb der Vorlage ihre Zustimmung. Dies ist nicht etwa nur eine rein verfahrensrechtliche Betrachtung, sondern auf der Erfahrung begründet, dass sich im Vermittlungsausschuss oftmals noch recht weit reichende Änderungen am geplanten Rechtsakt von Seiten des Parlaments durchsetzen lassen92. 88 John Hontelez (European Environmental Bureau) in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 63, Frage 71. 89 Bericht des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten vom 27. Oktober 2000, Teil 1: Legislative Entschließung, Dok.Nr. A5-0318/2000. 90 Immerhin werden die Arbeitsdokumente für diese Sitzungen vom Rat zugänglich gemacht. 91 2349. Tagung des Rates Bildung und Jugend am 28 Mai 2001; Dok.Nr. PRES/ 01/179 vom 28. Mai 2001. 92 Vgl. Statewatch, European Parliament votes for „deal“ with Council, Statewatch Bull. 2/2001, S. 21 (21–23).

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

Parallel zu dieser primär- und sekundärrechtlichen Entwicklung fand das Recht auf Zugang zu Dokumenten der europäischen Institutionen auch noch auf einer anderen Ebene Beachtung und Würdigung. Die im Dezember 2000 auf der Tagung des Europäischen Rates in Nizza feierlich proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält in Artikel 42 ein mit Art. 255 Abs. 1 EGV bis auf den Schrankenvorbehalt identisches Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. So wie sich das Zugangsrecht auf der politischen und rechtlichen Ebene weiterentwickelte, wuchs auch die Zahl derjenigen, die davon Gebrauch machten93. Während die Kommission noch für die drei Jahre 1994–96 insgesamt 989 Anträge verzeichnete, waren es allein 1997 bereits 756. Nach 602 Anträgen im Jahr 1998 sank die Zahl im Jahr 1999 auf 408 und stieg 2000 wieder auf 481. Noch deutlicher wird der aufsteigende Trend beim Rat. Dort stellten 1998 noch ganze 338 Personen einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten. 1999 waren es schon 889, gefolgt von 1294 im Jahr 2000 und 1234 für das Jahr 2001. Die Zahl der beantragten Dokumente betrug 1998 noch 3984; 2001 waren es schon 7950. Den starken Anstieg in der Zahl der Anträge ab 1999 führt der Rat auf die Einrichtung seines seit dem 1. Januar 1999 zugänglichen elektronischen Registers94 zurück, mit dessen Hilfe Dokumente nunmehr gut recherchierbar sind95.

B. Funktionen eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts Womit lässt sich dieser Siegeszug der Transparenz und insbesondere des Dokumentenzugangsrechts erklären? „Transparency – not just a vogue word“ betitelte Bo Vesterdorf, damals Präsident des Europäischen Gerichts erster Instanz, einen Aufsatz zu diesem Thema96. In der Tat ist der Ruf nach Transparenz und damit auch das Streben nach Öffnung staatlicher Akten für den Zugang durch die breite Öffentlichkeit oft dem Verdacht ausge93 Die Statistiken sind über die Internetseiten der Generalsekretariate der Organe abrufbar. 94 Siehe http://register.consilium.eu.int/. 95 Rat der Europäischen Union, Dritter Bericht über die Durchführung des Beschlusses 93/731/EG des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (1998–1999) vom 22. Dezember 2000, Dok.Nr. 13275/00, S. 2. Beim Lesen der Statistik ist außerdem zu beachten, dass das Register zunehmend auch ein unmittelbares Herunterladen der Dokumente ohne vorherigen Antrag ermöglicht. Eine Zugangsstatistik fiele damit sicherlich noch weit positiver aus als eine bloße Antragsstatistik. 96 Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902.

B. Funktionen eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts

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setzt gewesen, eine Modeerscheinung zu sein97. Die Bedeutung der nun folgenden Diskussion darüber, welchen Nutzen das Dokumentenzugangsrecht stiften kann, darf daher nicht unterschätzt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob man zu dessen flammenden Befürwortern gehört oder ihm skeptisch oder gar ablehnend gegenübersteht. Die zwei wesentlichen Funktionen, die der Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Organe mit Blick auf die europäischen Institutionen erfüllen soll, kommen bereits deutlich in der Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Maastricht zum Ausdruck und sind seitdem oft wiederholt worden98. Es handelt sich dabei einerseits um die Stärkung des demokratischen Charakters der europäischen Institutionen und andererseits um die Festigung – und in vieler Hinsicht sicher auch erst Bildung – des Vertrauens der Öffentlichkeit in deren Tätigkeit. Diese Zweckbestimmung soll im Folgenden auf ihre Tragfähigkeit überprüft werden.

I. Stärkung der Demokratie Nicht nur in den Rechtsakten selbst99, sondern auch in der Rezeption100 wird immer wieder betont, dass dem Recht auf Zugang zu Dokumenten eine herausragende Bedeutung für die Demokratie, beziehungsweise das de97 Harlow, Freedom of Information and Transparency as Administrative and Constitutional Rights, CYELS 1999, S. 285 (295): „fashionable term“; Wallace, Transparency and the legislative process in the European Union, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne: mythe ou principe juridique?, S. 113 (113): „It remains to be seen whether transparency [. . .] is simply a label for a passing concern“; Tchakaloff, Les obligations communautaires des Etats membres en matière de transparence, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne: mythe ou principe juridique?, S. 175 (175): „concept à la mode“; vgl. auch Tomkins, Transparency and the Emergence of a European Administrative Law, YEL 2000, S. 217 (220): „buzzword“. Tomkins stellt allerdings sogleich klar: „There are several reasons why transparency in all its various guises should be taken seriously, should be defended, indeed celebrated as a fundamental expectation of the emerging European polity.“ 98 Siehe die Erwägungsgründe zum Verhaltenskodex; ferner EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 39; Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnr 36; Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 66; Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (186). 99 Siehe den zweiten Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz, und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6 des EU-Vertrags und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind.“

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

mokratische Prinzip in Europa zuwachse. Diese zumeist apodiktisch vorgetragene Sichtweise verdient eine eingehendere Diskussion, zumal mit dem Begriff Demokratie auf der Ebene von Gemeinschaft und Union zweifellos nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit gearbeitet werden kann, wie das innerhalb der Mitgliedstaaten der Fall ist. Soll die Bedeutung eines bestimmten Rechts für die Demokratie auf europäischer Ebene erörtert werden, können die hergebrachten, für den Nationalstaat entwickelten Untersuchungskriterien zwar nicht unbesehen herangezogen werden101, sondern es muss zwangsläufig den rechtlichen wie tatsächlichen Besonderheiten Rechnung getragen werden, die die Ausprägung des supranationalen demokratischen Prinzips aufweist102. Dies heißt aber nicht, dass man sich von vertrauten Kategorien völlig lösen sollte, zumal sicherlich gesunde Zweifel gegenüber denjenigen berechtigt sind, die behaupten, dies könne ihnen tatsächlich gelingen. Es soll daher durchaus das in der nationalen Verfassungsordnung wurzelnde Verständnis vom Gehalt des Demokratieprinzips in die folgende Untersuchung einbezogen werden. In dem Bemühen, die gebotenen Differenzierungen zwischen nationaler und europäischer Ebene für die eigene Untersuchung und den Leser nachvollziehbar zu gestalten, wird zunächst ermittelt, welche Bedeutung dem Recht 100 EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 35; Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 24; EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 66; Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat Slg. 1996, S. I-2169, Rdnrn. 14 ff., 19; Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 52 f.; Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (916); Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (810); Rodríguez Iglesias, Zur „Verfassung“ der Europäischen Gemeinschaft, EuGRZ 1996, 125 (130); Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255 Rdnr. 1; Blanchet, Le Traité d’Amsterdam, RTDE 1997, S. 915 (924); Storr, Das Transparenzprinzip als allgemeines Rechtsprinzip in der Europäischen Union, in: Hanns-Martin Schleyer Stiftung, Europa als Union des Rechts – eine notwendige Zwischenbilanz im Prozeß der Vertiefung und Erweiterung, S. 248 (248). 101 So bereits Kaiser, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstruktur in den internationalen Gemeinschaften, VVDStRL 23 (1966), S. 1 (27); Badura, ebd., S. 34 (38 und 97 f. – Leitsätze); zustimmend Böckenförde, Welchen Weg geht Europa?, in: ders., Staat, Nation, Europa, S. 68 (90); Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 104; Evers, Das demokratische Dilemma der europäischen Union; in: Stiftung Mitarbeit, Wieviel Demokratie verträgt Europa?, S. 11 (14 f.); vgl. auch Dahrendorf, Krisen der Demokratie, S. 36 f. 102 Klein, Die Zukunft der Europäischen Union und die Identität ihrer Mitgliedstaaten, in: Magiera/Meesen/Meier, Politik und Recht, S. 103 (105 f.) Dass der Begriff Demokratie auf verschiedene Herrschaftsmodelle Anwendung finden kann, stellte schon Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 127, fest; ihm zustimmend Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 156 und Fn. 27, a. A. Isensee, Abschied der Demokratie vom Demos, Festschrift Mikat, S. 705 (706).

B. Funktionen eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts

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auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Gewalt nach den für die Bundesrepublik Deutschland anerkannten Demokratiegrundsätzen zukommt. In einem zweiten Schritt wird erörtert werden, inwieweit sich die gewonnenen Erkenntnisse auf die europäische Ebene übertragen lassen. Dieser Gang der Untersuchung bietet sich für die hier relevant werdende Ausprägung der Demokratie in besonderer Weise an, denn wie es Jürgen Gerhards formuliert hat, kann man „die Entstehung und Funktionsbestimmung nationaler Öffentlichkeit als Bezugsrahmen wählen, um Funktionen und Probleme einer europäischen politischen Öffentlichkeit herauszuarbeiten“103. Genau die von Gerhards aufgeworfene Frage nach der Rolle der Öffentlichkeit im demokratischen System wird im Folgenden näher zu behandeln sein, denn das hier erörterte Dokumentenzugangsrecht ist ein Recht für die breite Öffentlichkeit104. Es steht jedermann zu, unabhängig davon, ob er persönlich von dem jeweiligen Vorgang betroffen ist. Um die letztlich entscheidende Frage beantworten zu können, ob ein Dokumentenzugangsrecht, das der Öffentlichkeit eingeräumt wird, die Demokratie stärkt, muss zunächst einmal näher bestimmt werden, welche Aufgabe der Öffentlichkeit im demokratischen System überhaupt zuwächst. 1. Demokratie und Öffentlichkeit aus nationaler Perspektive Wenn im Folgenden von der Öffentlichkeit die Rede ist, so wird diese nicht nur als Forum, sondern vor allem auch als Akteur gesellschaftlicher Diskurse verstanden105, die außerhalb des Arkanbereichs der Politik stattfin103 Jürgen Gerhards, Westeuropäische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, ZfSoz 1993, S. 96 (98). 104 So regelt auch die Verordnung 1049/2001 ausweislich ihres Titels „den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten“. 105 Siehe Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9 (26). Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (419) versteht die Öffentlichkeit ebenfalls als aktives Element: „Einschaltung der Öffentlichkeit“; ebenso ausweislich des Aufsatztitels Schrader, Das Recht der Öffentlichkeit, sich zu informieren, DVBl. 2000, S. 1110 sowie von Schwanenflügel, Das Öffentlichkeitsprinzip des EG-Umweltrechts, DVBl. 1991, S. 93 (93). Auch die Verordnung 1049/2001 geht von diesem Verständnis aus, heißt sie doch bereits Verordnung „über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten“. Vielfach wird eine engere Definition verwendet, die nur auf die Sphäre und nicht auf die Akteure abstellt, vgl. etwa Kleinsteuber, Öffentliche Meinung, in: Nohlen, Wörterbuch Staat und Politik, S. 467. Schmidt, The role and the realities of public opinion, in: Rieu, European Democratic Culture, S. 130 (142), schlägt vor, die Sphäre mit „Öffentlichkeit“ und die darin handelnden Akteure als „Publikum“ zu bezeichnen. Für die hier geführte Diskussion dürften sich aber selbst bei Zugrundelegung des engeren Verständnisses keine Unterschiede ergeben. Darüber hinaus kann Öffentlichkeit natürlich als Eigenschaft verstanden werden. Etwas ist zum Beispiel öffentlich, wenn es bekannt oder

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

den106 und Grundlage für die Bildung der öffentlichen Meinung sind107. Öffentlichkeit meint nicht notwendig die Gesellschaft als Ganzes, sondern ebenso Teile von ihr108. Öffentlichkeit lässt sich nicht (mehr) an einen Ort binden109 oder in bestimmte Organisations- und Institutionalisierungsgrade einordnen110. Sie tritt heute formalisiert zum Beispiel durch Verbände oder auch informell-spontan, etwa als Bürgerinitiative, oder als noch loserer Zusammenschluss auf. Sie kann einen beachtlichen organisatorischen Unterbau aufweisen oder sich ohne einen solchen ad hoc formieren. Ihr Teilnehmerkreis kann beschränkt oder offen sein, die Artikulation professionell vermittelt oder unmittelbar direkt111. Prüft man die Funktionen eines Dokumentenzugangsrechts für die Öffentlichkeit, so bietet sich eine grundsätzliche Einteilung danach an, ob die Öffentlichkeit aktiven Einfluss auf die Staatsgewalt nimmt, sich also an deren Ausübung beteiligt, oder ob sie als Beobachter, das heißt in einer eher passiven Rolle, die Staatsgewalt lediglich kontrolliert und nur durch aufgedeckte Missstände aktiviert wird112. eine Kenntnisnahme zumindest jederzeit möglich ist, vgl. Weber-Fas, Das kleine Staatslexikon, S. 347. Zu den verschiedenen Bedeutungen des Begriffes „Öffentlichkeit“ auch Smend, Zum Problem des Öffentlichen und der Öffentlichkeit, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, S. 462 ff. 106 Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 58; Maaßen/Decker, Normative Konzeptionen von politischer Öffentlichkeit, in: Decker, Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Teil 1, S. 51 (65). 107 Naßmacher, Politikwissenschaft, S. 41; Habermas, Öffentlichkeit; in: ders., Kultur und Kritik, S. 61 (61). 108 Habermas, Öffentlichkeit, in: Fraenkel/Bracher, Staat und Politik, S. 220 (220): „Ein Stück Öffentlichkeit konstituiert sich in jedem Gespräch, in dem sich Privatleute zu einem Publikum versammeln.“; in diese Richtung offenbar auch BVerfGE 20, S. 162 (175) – Spiegel. 109 Anders als in der Antike, wo Ort der Öffentlichkeit die Agora, also der Marktplatz war, wird sie heute vielfach über Medien an beliebigen Orten hergestellt, Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 58. 110 Vgl. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 435 f. 111 Siehe dazu näher Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (118). 112 Die gleiche Zweiteilung verwenden Schuppert, Demokratische Legitimation jenseits des Nationalstaates, in: Heyde/Schaber, Demokratisches Regieren in Europa?, S. 65 (73): „Öffentlichkeit als Mitgestalter und Mitkontrolleur“; Söderman, Rede an der Humboldt-Universität Berlin am 19. Juni 2001: „to ensure the accountability of public authorities and to participate effectively in the on-going public debate which is part of a healthy democracy“; vgl. ferner den zweiten Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001; § 1 IFG-Berlin: „Zweck des Gesetzes ist es, [. . .] über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen“; Section 3 des finnischen Act on Openness of Government Activities von 1999: „to provide private individuals and corporations with an opportunity

B. Funktionen eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts

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a) Beteiligungsöffentlichkeit Die Suche nach den Möglichkeiten, die sich der Öffentlichkeit bieten, wenn sie sich aktiv an der staatlichen Willensbildung beteiligen will, muss ihren Anfang in Art. 20 GG nehmen. In dessen erstem Absatz ist die Geltung des Demokratieprinzips in der Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben. Der zweite Absatz erläutert, was damit gemeint ist: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Satz 1)113. Das bedeutet nichts anderes, als dass sich jede staatliche Gewalt in Form und Inhalt ihrer Ausübung vom Willen des Volkes herleiten, beziehungsweise sich auf diesen zurückführen lassen muss114. Diese Legitimation ist auf verschiedene Weise herstellbar; nicht die Form entscheidet, sondern ein bestimmtes Legitimationsniveau115. Wenn es darum geht zu ermitteln, wie die Öffentlichkeit an der Ausübung staatlicher Gewalt beteiligt ist, fällt in unserer repräsentativen Demokratie der Blick natürlich zuerst auf Wahlen116. Diese finden auf allen Ebeto monitor the exercise of public authority and the use of public resources, to freely form an opinion, to influence the exercise of public authority“; Bleckmann, Das europäische Demokratieprinzip, JZ 2001, S. 53 (57); Kadelbach, Verwaltungskontrollen im Mehrebenen-System der Europäischen Gemeinschaft, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 205 (220); Maaßen/Decker, Normative Konzeptionen von politischer Öffentlichkeit, in: Decker, Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Teil 1, S. 51 (76); Petrén, Die Aktenöffentlichkeit in Schweden, VerwArch 1958, S. 323 (332); ähnlich König, Das Umweltinformationsgesetz – ein Modell für mehr Aktenöffentlichkeit?, DÖV 2000, S. 45 (50); Dahrendorf, Fundamentale und liberale Demokratie, in: ders., Erneuerung der Demokratie, S. 31 (37); Graf Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 251. Natürlich ist diese Einteilung nicht immer trennscharf möglich. Beide Funktionen können zusammenhängen und ineinander verschränkt sein; Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (118 f.). 113 Vgl. auch den bekannten Satz Abraham Lincolns, Demokratie sei „government of the people, by the people, and for the people“, Gettysburg address vom 19. November 1863, in: Basler, Lincoln. His Speeches and Writings, S. 734; Art. 2 Abs. 5 der Verfassung Frankreichs von 1958: „gouvernement du peuple, par le peuple et pour le peuple“; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 (Demokratie), Rdnr. 1: „Demokratie meint eine politische Herrschaftsorganisation, die vom Gedanken der Selbstherrschaft der Mitglieder des politischen Verbandes geprägt ist: die der Herrschaftsordnung Unterworfenen sollen zugleich deren Schöpfer sein.“ Zu den Schwierigkeiten bei der genaueren Definition der Demokratie, vgl. Sartori, Demokratietheorie, S. 11 ff.; Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 11 mit weiteren Nachweisen. 114 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 291; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 (Demokratie), Rdnr. 77; Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 325 f. 115 BVerfGE 83, S. 60 (72) – Ausländerwahlrecht; 89, S. 155 (182) – Maastricht; Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20, Rdnr. 21 f.; Streinz, Europarecht, Rdnr. 283a.

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nen statt und zwar sowohl für die Legislative, etwa bei der Wahl des Bundestages, als auch für die Exekutive, wie bei der Direktwahl eines Bürgermeisters. aa) Beteiligung der Öffentlichkeit über Wahlen hinaus Auch in einer repräsentativen Demokratie ist jedoch die Einflussnahme der Bürger auf die Ausübung der Staatsgewalt nicht auf den in längeren Abständen stattfindenden Gang zur Wahlurne beschränkt117. Zweifellos ist die Möglichkeit zu wählen, beziehungsweise abzuwählen, für sich genommen ein scharfes Schwert, aber es kann nur relativ selten gezückt werden und ermöglicht außerdem zumeist keine sehr differenzierte Einflussnahme, sondern nur die Wahl zwischen verschiedenen programmatischen Paketlösungen118. Schließlich muss ein über die Wahlen hinausgehender demokratischer Einfluss auf die staatliche Willensbildung auch von jenen begrüßt werden, die im Repräsentativsystem nicht das Ideal, sondern nur den besten Kompromiss unter den demokratischen Systemen für große Flächenstaaten sehen119. Dieser Kompromiss würde sich dann streng genommen als eine Einschränkung der Demokratie in ihrer Urform darstellen, die nicht weiter reichen sollte als nötig120. 116 Vgl. auch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG: „Sie [die Staatsgewalt, Anm. F.R.] wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ 117 Simon, Der Verfassungsstreit um den Maastricht-Vertrag, in: Stiftung Mitarbeit, Wieviel Demokratie verträgt Europa?, S. 59 (67 f.): Das Demokratieprinzip erschöpft sich nicht im Wahlrecht der Staatsbürger, „sondern bedeutet, daß die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt verläuft“; Schmitt, Verfassungslehre, S. 242; Fraenkel, Möglichkeiten und Grenzen politischer Mitarbeit der Bürger in einer modernen parlamentarischen Demokratie, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 261 (275); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 77; Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, S. 29 (43). 118 Vgl. Maaßen/Decker, Normative Konzeptionen von politischer Öffentlichkeit, in: Decker, Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Teil 1, S. 51 (65); von Brünneck, Die öffentliche Meinung in der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (251). 119 So beispielsweise Detjen, Pluralistische Demokratie oder pluralistische Republik?, Festschrift Steffani, S. 27 (30 f.); Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 198; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 204 ff.; Dahl, Dilemmas of Pluralist Democracy, S. 13; ähnlich Adrian, Demokratie als Partizipation, S. 76 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 260; Turiaux, UIG, Vor § 1, Rdnr. 9; a. A. Graf Kielmansegg, Das Experiment der Freiheit, S. 43 ff.; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 (Demokratie), Rdnr. 78. 120 Nach von Brünneck, Die öffentliche Meinung in der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (251) wirkt die sogleich näher diskutierte öffentliche Meinung als „plebiszitäre Relativierung des demokratischen Repräsentativprinzips“.

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Die Wahlentscheidung wird dementsprechend ergänzt durch verschiedene weitere Möglichkeiten der Einflussnahme, die sich der Öffentlichkeit bieten121. Dies beinhaltet zunächst sämtliche Formen direkter Demokratie. Dazu kann man zunächst Volksabstimmungen oder -begehren zählen. Diese sind in Deutschland nur auf Ebene der Länder vorgesehen; in anderen Staaten Europas spielen sie dagegen eine weitaus bedeutendere Rolle. Viel weiter fortgeschritten als die direkte Beteiligung der Bürger an der legislativen Gewalt ist ihre Einbindung in Verwaltungsentscheidungen, wie zum Beispiel durch den Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren nach § 73 VwVfG. Gesetzgeberisches Ziel dieser Form der Bürgerbeteiligung auf dezentraler Ebene ist es, das demokratische Element in der Exekutive zu stärken122. Neben diesen Formen direkter Beteiligung der Bürger an den staatlichen Entscheidungsprozessen gibt es mittelbare, aber deswegen nicht weniger wirksame Möglichkeiten der Einflussnahme. So kann die öffentliche Gewalt durch den Einfluss der öffentlichen Meinung dazu gebracht werden, sich bestimmter Themen anzunehmen und sie gegebenenfalls auch in der einen oder anderen Richtung zu entscheiden123. Das Bundesverfassungsgericht hält dies in der ersten Entscheidung Parteienfinanzierung deutlich fest: „Das Volk bringt jedoch seinen politischen Willen nicht nur durch Wahlen und Abstimmungen zum Ausdruck. Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung, der Bildung der „öffentlichen Meinung“ [. . .]. Die öffentliche Meinung, deren Entstehung hier nicht näher zu charakterisieren ist [. . .], beeinflußt die Entschlüsse der Staatsorgane.“124 121 Siehe dazu den Überblick bei Waschkuhn, Demokratietheorien, S. 74 f.; ebenso Maaßen/Decker, Normative Konzeptionen von politischer Öffentlichkeit, in: Decker, Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Teil 1, S. 51 (65). 122 Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (148); Fisahn, Kampf gegen Windmühlen?, NJ 1996, S. 63 (68). 123 Vgl. Fraenkel, Parlament und öffentliche Meinung, in: ders. Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 204 (205); Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 34; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 20, Rdnr. 448; von Brünneck, Die öffentliche Meinung in der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (251); ähnlich Steffani, Parlamentarische Demokratie, in: ders., Parlamentarismus ohne Transparenz, S. 17 (40); BVerfGE 44, S. 125 (139 f.) – Öffentlichkeitsarbeit; BVerfG, NJW 1993, S. 2432 (2432) – Straftaten von Atomwaffengegnern: „Insbesondere steht es ihr frei, Einfluß auf die öffentliche Meinung zu nehmen in der Hoffnung, daß auf diesem Wege eine öffentliche Meinung entsteht, die den Einsatz von atomaren Waffen ablehnt mit der Folge, daß eine Bundesregierung diesen Standpunkt künftig übernimmt und in praktische Politik umsetzt.“

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

Die gewählten Repräsentanten können und sollen also nicht isoliert von ihrer Umwelt arbeiten, sondern in ständigem Meinungsaustausch mit der Öffentlichkeit bleiben, um – wie es Hiltrud Naßmacher treffend feststellt – „sich immer wieder bestätigen zu lassen, daß sich ihre Tätigkeit nicht gegen die Bürger wendet, sondern ihre Herrschaft auf Zustimmung der Beherrschten beruht.“125 Es gilt also in demokratischen Systemen, eine möglichst breite Zustimmung der Regierten zum Handeln der Regierenden zu erreichen126. Damit aus dem Einfluss der öffentlichen Meinung auf die Entscheidungsfindung nicht am Ende Fremdbestimmung wird, sichert beispielsweise Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG das Prinzip des freien Mandats verfassungsrechtlich ab127. Wenn die staatliche Gewalt ihr Handeln an den herrschenden sozialethischen und politischen Auffassungen ausrichtet128, so liegt darin ein Stück Mitbestimmung der Bürger, das seine Grundlage im demokratischen Prinzip findet129. Das Bundesverfassungsgericht hat dies – im Kontext der Pressefreiheit – im Spiegel-Urteil bestätigt: 124 BVerfGE 20, S. 56 (98 f.) – Parteienfinanzierung. Vgl. auch Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249 (256), der betont, dass sich gesellschaftliche Willensbildung und staatliche Entscheidung(sfindung) nicht trennen und verselbständigen lassen. 125 Naßmacher, Politikwissenschaft, S. 43; ebenso Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 340; Grimm, Politische Parteien, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 14, Rdnr. 28; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 34. 126 Naßmacher, Politikwissenschaft, S. 43. 127 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 38, Rdnr. 27; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38, Rdnr. 46; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38, Rdnrn. 136 f. Daneben will Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auch einseitigen Druck von Partikularinteressen von den Abgeordneten nehmen („Vertreter des ganzen Volkes“); Trute, in: Münch/Kunig, GG, Art. 38, Rdnr. 77; vgl. auch Luhmann, Öffentliche Meinung, in: ders., Politische Planung, S. 9 (29): „Öffentliche Meinung kann den Herrscher nicht beherrschen und auch nicht ersetzen. Sie kann ihm nicht vorschreiben, wie er herrschen solle. Ihr Verhältnis zur Herrschaftsausübung ist kein Verhältnis von Ursache und Wirkung, sondern ein Verhältnis von Struktur und Prozeß. Ihre Funktion liegt nicht in der Durchsetzung des Willens – des Volkswillens, jener Fiktion des schlichten Kausaldenkens –, sondern in der Ordnung von Selektionsleistungen.“ 128 Diese Beziehung wird vor allem mit den Begriffen „Responsivität/Responsiveness“, „Resonanz“ und „Rückkopplung“ beschrieben, vgl. Mandt, Bürgernähe und Transparenz im politischen System der Europäischen Union, S. 1 (5); Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 45 f.; Alemann, Responsive Democracy – ein Lob dem Mittelmaß?, ZParl 1981, S. 438–440 (439); eingehender dazu Brettschneider, Öffentliche Meinung und Politik, S. 16 ff. 129 Sarcinelli in: Andersen/Woyke, Handwörterbuch des politischen Systems, S. 411 (411): „Die ö.M. [öffentliche Meinung, Anm. F.R.] ist eine zentrale Kategorie für die Bestimmung der Legitimität demokratischer Herrschaft.“; Turiaux, UIG, Einl, Rdnr. 129; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 260 und 178 f., der darin sogar ein „Element unmittelbarer Demokratie“ erblickt. Auch wenn zuzugeben ist, dass die Einflussnahme der Bürger über die öffentliche Meinung unmittelbarer mit

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„In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Sie faßt die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab der im Volk tatsächlich vertretenen Auffassungen messen können.“130

Ein Modell der Öffentlichkeitsbeteiligung, welches sich allerdings als Fundament allein auf die kontinuierlich politisch interessierten, informierten, aktiven Bürger stützt und davon ausgeht, dass diese repräsentativ für die gesamte Gesellschaft seien, muss sich zweifellos den Einwand der Realitätsferne entgegenhalten lassen131. Und selbst für den Bürger, der die genannten Kriterien erfüllt, werden angesichts der Komplexität, die viele staatliche Entscheidungen heute kennzeichnet132, Information und kompetente Meinungsäußerung immer schwerer133. Dies kann zur Folge haben, dass die Partizipation auf diejenigen beschränkt bleibt, „die Informationen, der staatlichen Entscheidung verknüpft ist als die Einflussnahme über die Wahl des Entscheidungsträgers, so ist sie doch zugleich weniger unmittelbar als etwa ein Volksentscheid. Um diese Differenzierung nicht zu verwischen, wurde hier die Einordnung der öffentlichen Meinung als Mittel direkter Demokratie gemieden. Gleichzeitig soll damit klargestellt werden, dass keine unbedingte Ausrichtung an einer „flatternden Kompaßnadel im Wellengang der Stimmungsdemokratie“ (von Beyme, Die politische Klasse im Parteienstaat, S. 205) erstrebt wird. 130 BVerfGE 20, S. 162 (175) – Spiegel. 131 Laufer, Die demokratische Ordnung, S. 159: „Wie wir aus der Kenntnis der menschlichen Natur wissen, beteiligt sich auch in der demokratischen Ordnung nicht die gesamte Aktivbürgerschaft mit Lust und Sachverstand an den politischen Geschäften, sondern nur eine verschwindend kleine Minderheit.“; ebenso Lippmann, The Phantom Public, S. 24 f.: „the citizen gives but a little of his time to public affairs, has but a casual interest in facts and but a poor appetite for theory“; Rivero, Rapport de synthèse, in: La transparence administrative en Europe, Ann.Eur.Adm.Publ. 1990, S. 307 (317): „le public manque d’enthousiasme et de curiosité“; ferner Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (150 f.); ähnlich Dahrendorf, Fundamentale und liberale Demokratie, in: ders., Erneuerung der Demokratie, S. 31 (34, 37). Ein Beleg dafür ist nicht zuletzt die vielfach enttäuschende Beteiligung der Bürger an Wahlen und Abstimmungen. 132 Zu dem Problem, dass Entscheidungen heutzutage immer komplizierter werden und selbst die Regierenden sich „in die Hände“ von Experten begeben müssen, Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 354 ff.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 59 ff. 133 Insofern stimmt die von Popper, Alles Leben ist Problemlösen, S. 225 zitierte Äußerung des Perikles: „Wenn auch nur wenige von uns imstande sind, eine Politik zu entwerfen oder durchzuführen, so sind wir doch alle imstande, eine Politik zu beurteilen.“ nur noch sehr bedingt, vgl. auch Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 58 f.

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

Konstellationen, Verbindungen, Stimmzahlen und nicht zuletzt sich selbst politisch auszuwerten verstehen“134. Wenn Ideale – schon per definitionem – nicht erreichbar sind, heißt das aber noch nicht, dass eine Annäherung unversucht bleiben sollte135. Viele Defizite, die einer eigenständigen unmittelbaren politischen Aktivität der breiten Öffentlichkeit entgegenstehen, können durch Medien, Parteien und Interessengruppen zu einem beachtlichen Teil ausgeglichen werden. Die Medien sind vom Bundesverfassungsgericht im Spiegel-Urteil gerade wegen ihres Beitrages zur öffentlichen Meinungsbildung als „für die moderne Demokratie unentbehrlich“ bezeichnet worden136. Die Medien, so das Gericht, bilden das Spektrum der Meinungen ab, dessen Kenntnis für die eigene Meinungsbildung unverzichtbar ist, und geben durch eigene Stellungnahmen gleichzeitig bereits eine gewisse Orientierung. Sie sind dank ihrer im Vergleich zum einzelnen Bürger überlegenen Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung und -bewertung in der Lage, komplexe Zusammenhänge verständlich aufzubereiten. Sie können eine öffentliche Diskussion nicht nur in ihrer Entstehung anregen, sondern sie auch in Gang halten137. Schließlich sind sie auch wichtige Foren der Artikulation, ohne die eine öffentliche Meinung überhaupt nicht denkbar wäre138. Ebenso wie die Medien unterstützen auch die politischen Parteien die öffentliche Meinungsbildung in entscheidender Weise139. Art. 21 Abs. 1 134

Luhmann, Öffentliche Meinung, in: ders., Politische Planung, S. 9 (26). So auch Präve, Legitimation durch Anerkennung, DÖV 1991, S. 18 (22) in ähnlichem Zusammenhang: „Statt von Utopie sollte aber besser von Hoffnung gesprochen werden, denn eine Annäherung an eine Idee zu versuchen ist besser, als sie ganz aufzugeben oder zu verwerfen.“ 136 BVerfGE 20, S. 162 (174) – Spiegel; vgl. auch BVerfGE 103, S. 44 (74) – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen: „Die Bürger wären überfordert, würden sie versuchen, die Vielzahl von Ereignissen und die Vielfalt von möglichen Themen und Sichtweisen persönlich aufzunehmen; stattdessen vertrauen sie auf Medien. Die Träger herausgehobener gesellschaftlicher Verantwortung wie Politiker sind ebenfalls vielfach auf die Wahrnehmung einer medienvermittelten Realität angewiesen. Erfahrungen, Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster werden in erheblichem Umfang durch die Medien vermittelt.“; Gerhards, Westeuropäische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, ZfSoz 1993, S. 96 (98): „Dabei ist Öffentlichkeit in der modernen Gesellschaft empirisch in erster Linie eine massenmedial hergestellte Öffentlichkeit“. 137 BVerfGE 20, S. 162 (174) – Spiegel; BVerfG, NJW 1961, 547 (552) – Rundfunk: „Der Rundfunk ist mehr als nur ,Medium‘ der öffentlichen Meinungsbildung; er ist ein eminenter ,Faktor‘ der öffentlichen Meinungsbildung.“; Naßmacher, Politikwissenschaft, S. 41. 138 Schmitt, Verfassungslehre, S. 246. 139 BVerfGE 20, S. 56 (99, 101) – Parteienfinanzierung; 41, S. 399 (416) – Wahlkampfkostenerstattung; ebenso schon Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demo135

B. Funktionen eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts

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Satz 1 GG weist ihnen ausdrücklich die Aufgabe zu, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von Funktionen, die Parteien erfüllen140. Für die öffentliche Meinungsbildung schaffen Parteien wichtige Grundlagen durch eine Förderung der politischen Bildung und Aufrufe zur Beteiligung am politischen Leben. Sodann sammeln sie Ansichten und Interessen, strukturieren und veröffentlichen sie141. In diesem Prozess findet auch bereits ein erster Interessenausgleich statt. Parteien sind aber nicht nur ein Sammelbecken für Interessen, sondern auch für politisch Interessierte142. Bürger werden dabei zu politischen Handlungseinheiten gebündelt, und ihnen wird ein wirksamer Einfluss auf das staatliche Geschehen sowohl im Rahmen der Wahl als auch im tagtäglichen politischen Geschehen ermöglicht143. Während diese Vermittlerrolle144 der Parteien anfangs noch mit der Metapher des „Sprachrohrs“145 umschrieben wurde, das die Meinung des Volkes auf den politischen Entscheidungsebenen zu Gehör bringt, ist nunmehr davon die Rede, dass die Funktion der Parteien in der Transformation des Volkswillens in den Staatswillen bestehe146. Die Bezeichnung als Transformator ist vor allem deswegen sehr treffend, weil sie ein Spezifikum der Parteien betont. Parteien nehmen eine „Zwitterstellung“147 ein. Sie wirken einerseits am politischen Willensbildungsprozess im Volk mit und stellen andererseits die politischen Funktionsträger. Somit ist in der Tat eine „ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen“148 gewährleistet und die Umsetzung des Volkswillens in Entscheidungen staatlicher Organe möglich149. kratie, S. 19 f.; vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 1 Parteiengesetz: „Die Parteien sind ein verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“ 140 Vgl. § 1 Abs. 2 und 3 Parteiengesetz. 141 Tsatsos, Die politischen Parteien in der Grundgesetzordnung, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, Parteiendemokratie in Deutschland, S. 133 (139 f.). Diese Funktionen werden mit den Begriffen „Interessenselektion, -aggregation und -artikulation“ umschrieben; vgl. Oberreuter, Politische Parteien, in: Mintzel/Oberreuter, Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, S. 15 (28 ff.). 142 Laufer, Die demokratische Ordnung, S. 159. 143 Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 21, Rdnr. 4. 144 Grimm, Politische Parteien, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 14, Rdnr. 12. 145 BVerfGE 20, S. 56 (101) – Parteienfinanzierung; 1, S. 208 (224) – SSW. 146 Streinz, in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Abs. 1, Rdnr. 21; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21, Rdnr. 22. 147 Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 333. 148 § 1 Abs. 2 Parteiengesetz. 149 Die Effektivität dieses Einflusses ist natürlich abhängig von den Mehrheitsverhältnissen.

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Neben den politischen Parteien dient eine Vielzahl von anderen Vereinigungen dazu, Interessen zu bündeln und an die politische Entscheidungsebene zu vermitteln. Die Freiheit, sich zu solchen Vereinigungen zusammenzuschließen, ist verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützt150. Sie können sich spontan und thematisch sowie zeitlich begrenzt zum Beispiel als Bürgerinitiativen bilden. Von besonderer Bedeutung sind Interessenverbände, die als kontinuierliche Interessenvertretungen mit sehr unterschiedlichem Organisationsgrad und Einflusspotential in ihrer Gesamtheit ein breites thematisches Spektrum abdecken151. Die Formenvielfalt der Interessenvertretungen kann von Gewerkschaften über Bauernverbände bis zu Umweltschutzorganisationen reichen. Auch wenn eine Interessenvertretung für Partikularinteressen zweifellos einfacher zu organisieren ist und sicherlich derzeit auch organisiert ist152, heißt das nicht, dass dies für allgemeine Interessen nicht möglich wäre. Gerade das Beispiel des Allgemeininteresses an der Erhaltung der Umwelt hat gezeigt, dass solche Anliegen vielfältige Formen der Artikulation bis hin zur Aufnahme in die Programme von Volksparteien finden können153. Neben der Funktion der Meinungsbündelung können auch diese Organisationen einen Beitrag dazu leisten, komplizierte Entscheidungen verständlicher zu machen und vorzubewerten. Da Interessengruppen sich im Gegensatz zu Volksparteien thematisch auf einen bestimmten Bereich konzentrieren, haben sie einerseits die Möglichkeit, Interessen gezielter an staatliche Entscheidungsträger heranzutragen154, diesen andererseits aber auch das in der heutigen Zeit zunehmend wichtige Expertenwissen zur Verfügung zu stellen155. 150 Art. 9 Abs. 1 GG regelt die „allgemeine“ Vereinigungsfreiheit; für Parteien gilt die „besondere“ Vereinigungsfreiheit des Art. 21 GG; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21, Rdnr. 1. Wegen des engen Parteibegriffes gilt Art. 9 Abs. 1 GG aber für die so genannten „Rathausparteien“ und natürlich auch für Bürgerinitiativen, Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 9, Rdnr. 2. 151 Vgl. Schiller, Parteien und Interessenverbände, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, Parteiendemokratie in Deutschland, S. 459 f. 152 Ähnlich Heinze/Voelzkow, Interessengruppen, in: Andersen/Woyke, Handwörterbuch des politischen Systems, S. 235. 153 Schmidt, Demokratietheorien, S. 158; anders noch der Befund Ernst Forsthoffs zu Beginn der sechziger Jahre: „Es gibt Interessen, die so allgemein sind, daß sie nicht nur keinen gesellschaftlichen Patron finden können, sondern sogar die gesellschaftlichen Patrone entgegenstehender partikularer Interessen gegen sich haben. Das aktuelle Beispiel dafür ist das Interesse der Allgemeinheit an der Reinigung von Wasser und Luft von industrieller Verschmutzung.“, Forsthoff, Die Bundesrepublik Deutschland. Umriß einer Realanalyse, Merkur 1960, S. 807 (813). 154 Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 9, Rdnr. 2. 155 Schiller, Parteien und Interessenverbände, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, Parteiendemokratie in Deutschland, S. 474 f.; Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 333; Grimm, Verbände, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 15, Rdnr. 5.

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Natürlich ist gerade diese Form der gezielten Einflussnahme durch Partikularinteressen auf den staatlichen Entscheidungsprozess fortwährend misstrauisch beobachtet worden. Die von Theodor Eschenburg bereits in den fünfziger Jahren aufgeworfene Frage, ob man von einer „Herrschaft der Verbände“156 in Deutschland sprechen könne, hat dieser einige Jahrzehnte später jedoch selbst verneint157. Wie Heinz Laufer es treffend auf den Punkt brachte: „Ihre Aktivität im demokratischen Prozeß ist ein belebendes Element der Demokratie; ihre Tätigkeit dient einerseits der Vorbereitung des politischen Handelns, andererseits dem ,Glück‘ der von ihnen Vertretenen. Solange sich ihr Selbstverständnis dahingehend bescheidet, daß sie nicht die Erfüllung ihrer Interessen als existenznotwendig für die Gesamtgesellschaft darstellen, solange ist ihr Wirken legitim. Werden diese Grenzen überschritten, ist es Aufgabe der politischen Amtsinhaber, der Parteien und schließlich aller Bürger, solchem Verhalten Einhalt zu gebieten.“158

Dies impliziert allerdings die Forderung an die Inhaber politischer Ämter, im Zuge der Rezeption der über intermediäre Strukturen an die Regierenden herangetragenen Meinungen zu prüfen, inwieweit diese tatsächlich einen breiteren Konsens oder nur Interessen kleiner Gruppen widerspiegeln. Der Einfluss einer Meinung darf nicht nur davon abhängen, wie laut oder beständig sie artikuliert wird159. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu beachten, dass alle wichtigen Auffassungen prinzipiell die gleiche Chance haben müssen, bei den Entscheidungsträgern Gehör zu finden160 und es schließlich keinen privilegierten Zugang zu den Zentren der Macht geben darf161. Es besteht nicht nur die Verpflichtung162, sondern durchaus 156

Theodor Eschenburg, Herrschaft der Verbände?, Stuttgart 1955. Eschenburg, Das Jahrhundert der Verbände, S. 125 ff.; ebenso Heinze/Voelzkow, Interessengruppen, in: Andersen Woyke, Handwörterbuch des politischen Systems, S. 237. 158 Laufer, Die demokratische Ordnung, S. 181. 159 Diese Gefahr überproportionalen Einflusses droht nicht nur im Hinblick auf den klassischen Lobbyismus, sondern zum Beispiel auch bei Bürgerinitiativen, vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 179; Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 141 f., 151; Sartori, Demokratietheorie, S. 97: „Millionen von Demonstranten sind nicht das Volk (solange viel mehr Millionen Bürger stumm bleiben).“ (Hervorhebung im Original). 160 Dass es damit nicht immer zum Besten bestellt war, illustriert die Kritik von Ismayr, Der deutsche Bundestag, S. 322: „So hatte gegen Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre die weitgehende Ausgrenzung grundlegender Kritik und Alternativen der Ökologie- und Friedensbewegung aus parlamentarischen Debatten den Bundestag geschwächt und die parlamentarische Demokratie an den Rand einer Glaubwürdigkeitskrise geführt.“; ähnlich Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 161. 161 von Beyme, Interessengruppen in der Demokratie, S. 136, spricht in diesem Zusammenhang von einer „Verstopfung der Kommunikationskanäle“, wenn zu viele bei zu wenigen Gehör finden wollen. 157

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

auch die Möglichkeit für Entscheidungsträger, die öffentliche Meinung genauer zu bestimmen und dabei auch die Meinung derer zu erfragen, die sie nicht von selbst – etwa in Form von Petitionen – an den Staat herantragen. Ein wichtiges und zunehmend ausgereifteres Mittel zur aktiven Meinungserforschung steht zum Beispiel in Form der Demoskopie zur Verfügung163. bb) Nutzen eines Rechts auf Zugang zu Dokumenten Für die so verstandene Rolle der Öffentlichkeit im demokratischen System spielt der Zugang zu Informationen eine entscheidende Rolle. Die effektive Teilnahme des Bürgers am staatlichen Willensbildungsprozess setzt seine auf genügender Information beruhende rationale Entscheidungsfähigkeit voraus164. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Beteiligung an Wahlen165 als auch für den darüber hinausreichenden Einfluss, wie er soeben erörtert worden ist166. Eine Wahlentscheidung sollte vom Bürger im Idealfall auf Basis reiflicher Überlegung getroffen werden. Während dies bei auf der politischen Bühne neuen Kandidaten noch keine besondere Rolle spielt167, sind vor allem für die Entscheidung, ob einem bereits zuvor gewählten Kandidaten erneut das Vertrauen ausgesprochen werden soll oder nicht, Informationen 162 Vgl. Hennis, Meinungsforschung und repräsentative Demokratie, S. 64: „Zu erkennen, was öffentliche Meinung ist und will, zu bestimmen, ob ihr gefolgt werden soll oder nicht, ist im Verfassungsstaat eine der verantwortlichen Aufgaben der Regierenden.“ 163 Oberndörfer, Politische Meinungsforschung und Politik, in: ders., Wählerverhalten in der Bundesrepublik Deutschland, S. 13 (25 f.); Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 178 f.; Decker, Politische Meinungsforschung in der Bundesrepublik Deutschland, ZPol 2001, S. 31 (50 ff.) zeigt auf, dass die wachsende Bedeutung der Demoskopie nicht notwendig zu einer opportunistischeren Einstellung der Politiker führen muss. Vgl. auch Naßmacher, Politikwissenschaft, S. 43 f.; von Brünneck, Die öffentliche Meinung in der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (251). 164 Scheuner, Das repräsentative Prinzip in der modernen Demokratie, in: Staatstheorie und Staatsrecht, S. 245 (245 f.); Dubach, Das Recht auf Akteneinsicht, S. 302; Velten, Transparenz staatlichen Handelns und Demokratie, S.17; Schindel, Recht auf Information, DuD 1989, S. 591 (592); BVerfGE 44, S. 125 (147) – Öffentlichkeitsarbeit; ähnlich Turiaux, UIG, Einl, Rdnr. 129. 165 Vgl. Adorno, Meinungsforschung und Öffentlichkeit, in: ders., Gesammelte Schriften, S. 532 (533): „nur wenn öffentlich ist, worüber die Staatsbürger abzustimmen haben, ist Demokratie denkbar.“ 166 Schwan, Aktengeheimnis oder Aktenöffentlichkeit, S. 92; Söderman, Rede an der Universität Lund am 5. April 2001. 167 Hier hilft bestenfalls Vertrauen, vgl. Popper, Alles Leben ist Problemlösen, S. 225.

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aus seinem bisherigen Tätigkeitsbereich wichtig168. Diese werden durch ein Recht auf Einsicht in offizielle Dokumente besser zugänglich169. Für die öffentliche Meinungsbildung ist ein Dokumentenzugangsrecht von ebenso großer, wenn nicht sogar von noch größerer Bedeutung. Es lässt sich eine Pyramide aufstellen, deren Fundament die Informationsgewinnung bildet und die sich nach oben fortsetzt über die individuelle Meinungsbildung und -äußerung und die schließlich im Wege des gesellschaftlichen Diskurses in der Bildung der öffentlichen Meinung gipfelt170. Das Bundesverfassungsgericht hat die freie Meinungsäußerung als für die Demokratie „schlechthin konstituierend“ bezeichnet171, eine Bedeutung, die gleichermaßen für die Informationsgewinnung als Basis dieser Kommunikation gelten muss172. In anderen Staaten wird deshalb auch betont, dass das Dokumentenzugangsrecht einen Teil der Informationsfreiheit bildet, die ihrerseits notwendige Bedingung der freien Meinungsbildung und -äußerung ist173, von der aus sich die Brücke zur demokratischen Mitbestimmung der Bürger schlagen lässt174. Diese Sichtweise überzeugt. Das Dokumentenzu168 Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 31 f.; Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 60; Söderman, Rede an der Universität Lund am 5. April 2001. 169 In diesem Sinne auch Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (43); O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (406); Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (810). 170 Dies erklärt die besondere Bedeutung der so genannten „Kommunikationsgrundrechte“ für die Demokratie, vgl. Dreier, in: ders., GG, Art. 20 (Demokratie), Rdnr. 74. 171 Grundlegend BVerfGE 7, S. 198 (208) – Lüth, seitdem st. Rspr. vgl. BVerfGE 12, S. 113 (125) – R. Schmid; 35, S. 202 (221 f.) – Lebach; 59, S. 231 (266). 172 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 352 f.; BVerfGE 27, S. 71 (81 f.) – Einfuhrverbot, stellt deshalb auch ausdrücklich Meinungs- und Informationsfreiheit in ihrer Bedeutung für die freiheitliche Demokratie auf eine Stufe; ebenso Herzog in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II, Rdnr. 84; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 5, Rdnr. 14; in diesem Sinne auch Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 32. 173 So beispielsweise in Schweden; vgl. Art. 1 des 2. Kapitels des Pressefreiheitsgesetzes: „In order to encourage the free interchange of opinion and the enlightenment of the public, every Swedish subject shall have free access to official documents.“ Den engen Zusammenhang von Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit betont auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhoff, Bonner Kommentar, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnrn. 32 und 318; Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (338); ähnlich O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (405). 174 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (7 f.); Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (336); Advisory Group on Openness in the Public Sector, Report 1999, Pkt. 1.10: „Freedom of Information empowers citizens in that they can obtain information which allows them to participate more fully in the decision-making process.“

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

gangsrecht ist nicht nur Selbstzweck175, sondern soll dazu dienen, andere Freiheiten mit Leben zu erfüllen und letztlich demokratische Aktivitäten zu ermöglichen176. Der damit befürworteten Einbindung des Dokumentenzugangsrechts in den grundrechtlichen Bereich steht es nicht entgegen, dass die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltene Gewährleistung der Informationsfreiheit nur die Freiheit umfasst, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten und mit dieser Begründung auch Aktenzugangsbegehren der Öffentlichkeit von den Gerichten regelmäßig eine Absage erteilt worden ist177. Mit dieser Rechtsprechung haben die Gerichte lediglich klargestellt, dass ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle nicht zur verfassungsrechtlich geschützten Informationsfreiheit gehört178 und dass das Bestimmungsrecht des Informationsinhabers über die Zugänglichkeit respektiert wird179. Damit kann die Entscheidung, eine Informationsquelle nicht zu eröffnen, kein Grundrechtseingriff sein180. Diese Argumentation greift jedoch nur, solange es noch kein allgemeines Dokumentenzugangsrecht gibt. In dem Moment, wo der Gesetzgeber aber staatliche Vorgänge der breiten Öffentlichkeit ohne besondere Voraussetzungen zugänglich macht, schafft er gleichzeitig eine allgemein zugängliche Informationsquelle, die in den Schutzbereich der Informationsfreiheit fällt181. Denn allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle bereits dann, wenn sie dazu geeignet und bestimmt ist, einem individuell nicht abgrenzbaren Personenkreis Informationen zu verschaffen182. Genau diese Eignung und unter anderem auch diese Bestimmung 175

So auch für den Zugang zu Umweltinformationen Turiaux, UIG, § 1, Rdnr. 1. In diesem Sinne auch Curtin, Open Decision-Making and EU (Political) Citizenship, in: O’Keeffe/Twomey, Legal Issues of the Amsterdam Treaty, S. 71 (73); Larsson, How Open Can a Government Be?, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 39 (41). 177 BVerfG, NJW 1986, S. 1243 (1243) – Akteneinsicht zu Forschungszwecken; BVerwGE 61, S. 15 (22); 47, S. 247 (252); BVerwG, NJW 1983, S. 2954 (2954); VG Ansbach, GewArch 1995, S. 202 (202); VG München, ZfF 1967, S. 186 (186). 178 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rdnr. 16; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/ Graßhoff, Bonner Kommentar, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 338; Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rdnr. 25; Bieber, Informationsrechte Dritter im Verwaltungsverfahren, DÖV 1991, S. 857 (866). 179 Geiger, Die Grundrechte der Informationsfreiheit, in Festschrift Arndt, S. 119 (125); Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, in: Benda/Maihofer/ Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 7, Rdnr. 23. 180 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rdnr. 20; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 101 f. 181 BVerfGE 103, S. 44 (61) – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen; Bundesministerium des Innern, Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vom 20. Dezember 2000, Begründung, A. Allgemeiner Teil, I. Zielsetzung, S. 11; in diesem Sinne auch Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 91 und Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rdnr. 16. 176

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erhalten Behördenakten, wenn sie Gegenstand eines Zugangsanspruchs für die Allgemeinheit werden183. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fordert damit kein Recht auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten, schützt es aber, wenn es gewährt wird. Maßgeblich dürfte hierfür bereits ausnahmsweise die rechtliche und nicht erst die tatsächliche Zugänglichkeit der Dokumente sein184. Zwar ist es ganz herrschende Auffassung, dass sich die Allgemeinzugänglichkeit einer Informationsquelle nach den tatsächlichen und nicht nach den rechtlichen Gegebenheiten richtet185. Der Anwendungsbereich dieser Regel ist aber auf den Fall zu begrenzen, dass eine tatsächlich zugängliche Informationsquelle durch rechtliche Vorschriften unzugänglich gemacht werden soll. Insoweit ist es in der Tat notwendig, auf die tatsächliche Zugänglichkeit abzustellen, will man nicht dem Staat die Möglichkeit zuerkennen, den Schutzbereich der Informationsfreiheit per Gesetz zu bestimmen186. Das Bundesverfassungsgericht formuliert die abwehrrechtliche Ausrichtung dieses Ansatzes deutlich: „Rechtsnormen, die den Informationszugang regulieren, umgrenzen nicht den Schutzbereich der Informationsfreiheit, sondern sind als grundrechtsbeschränkende Normen an der Verfassung zu messen.“187 Soweit der Staat jedoch einen Informationszugang durch Gesetz gewährt, gibt es keinen ersichtlichen Grund, nicht schon an diese rechtliche Gewährung anzuknüpfen, zumal im Regelfall Recht und Praxis in der Staatstätigkeit einander entsprechen sollten. Diese Betrachtung scheint auch das Bundesverfassungsgericht zu teilen, das in einer jüngeren Entscheidung zu Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen feststellte: „Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet.“188 182 BVerfGE 27, S. 71 (83 f.) – Einfuhrverbot; 90, S. 27 (32) – Satellitenantenne; st.Rspr. 183 A.A. ohne nähere Begründung VGH Mannheim, NVwZ 1998, S. 987 (990); Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhoff, Bonner Kommentar, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 340. 184 A.A. VGH Mannheim, NVwZ 1998, S. 987 (990). 185 BVerfGE 27, S. 71 (83 f.) sowie S. 104 (108) – Einfuhrverbot; 90, S. 27 (32) – Satellitenantenne; Wollenteit, Informationsrechte des Forschers im Spannungsverhältnis von Transparenzforderungen und Datenschutz, S. 41; Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II, Rdnr. 89; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 44; Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rdnr. 23. 186 Vgl. dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II, Rdnr. 89; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 44; Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rdnr. 23. Ein vergleichbares Problem stellt sich hinsichtlich des Schutzbereichs der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. 187 BVerfGE 90, S. 27 (32) – Satellitenantenne (Hervorhebung durch Verfasser). 188 BVerfGE 103, S. 44 (61) – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen.

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In dieser Frage lässt sich eine Parallele zu den Grundbüchern und öffentlichen Registern ziehen. Soweit der Zugang zu diesen grundsätzlich allgemein möglich ist189, unterfällt er dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG190. Zwar heißt es insoweit, dass der Staat, der den Zugang gewähre, diesen ohne Eingriff in das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch wieder ausschließen könne191. Damit wird jedoch wiederum nur dem freien Bestimmungsrecht des Informationsinhabers Rechnung getragen192, seine Informationen für die Allgemeinheit zu öffnen oder nicht. Das heißt, dass ein Gesetz über den Dokumentenzugang ohne Grundrechtseingriff aufgehoben oder eingeschränkt werden könnte. Wird dagegen allgemein ein voraussetzungsloser Zugang zu Behördenakten gesetzlich gewährt, verletzt eine nach Maßgabe des entsprechenden Gesetzes unberechtigte Zugangsverweigerung aber Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension193. Daneben kann das Dokumentenzugangsrecht die öffentliche Meinungsbildung noch unter einem weiteren Gesichtspunkt stärken. Eine wichtige Eigenschaft des Meinungsbildungsprozesses soll nämlich seine Offenheit für alle sein194. Daraus folgt, dass es keine Monopolisierung oder Vermachtung der Information als Grundlage dieses Prozesses geben darf195. Getreu dem Spruch „Wissen ist Macht“ wäre anderenfalls die Folge, dass ein Einfluss auf staatliche Entscheidungen schon prinzipiell nicht mehr vom Volk als 189

Vgl. dazu Giesen, Grundrecht auf Informationszugang, DuD 1997, S. 588

(590). 190 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhoff, Bonner Kommentar, GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rdnr. 339; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II, Rdnr. 59; Geiger, Die Grundrechte der Informationsfreiheit, in Festschrift Arndt, S. 119 (125 f.); a. A. Schmitt Glaeser, Das Grundrecht auf Informationsfreiheit, Jura 1987, S. 567 (571). 191 Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 5, Rdnr. 23; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 45. 192 Man darf allerdings die Frage aufwerfen, inwieweit ein informationelles Bestimmungsrecht speziell der Exekutive überhaupt besteht, wenn letztlich der Gesetzgeber per Informationsfreiheitsgesetz über die Zugänglichkeit der Behördenakten entscheiden kann. 193 Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgte, müsste man stattdessen wohl regelmäßig einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen ungleicher oder gar willkürlicher Anwendung der Zugangsregeln bejahen. Im Hinblick auf die Gewährleistung des Art. 3 Abs. 1 GG meint Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 30, dass es in einem solchen Fall des zusätzlichen Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 GG eigentlich nicht bedürfe. Dies ist aber ein wenig überzeugendes Argument, mit dem man im Übrigen den Sinn vieler freiheitsrechtlicher Gewährleistungen in Frage stellen könnte. 194 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnrn. 159 f.; vgl. auch Habermas, Öffentlichkeit, in: ders., Kultur und Kritik, S. 61 (61). 195 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 326 f.

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Ganzem, sondern nur von mächtigeren Teilen desselben ausgeübt werden könnte. Ein Dokumentenzugangsrecht kann dieser Gefahr entgegenwirken. Es schafft eine weitere und nicht monopolisierbare Informationsquelle, deren Zugänglichkeit nicht zuletzt unabhängig von finanzieller Leistungsfähigkeit ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass Transparenz eine grundlegende Voraussetzung dafür bildet, dass die Medien ihre oben beschriebene bedeutende Rolle im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung erfüllen können196. Dem kann man auch nicht ernsthaft mit dem Einwand begegnen, Medienvertreter würden ohnehin eher andere Informationsquellen als das Dokumentenzugangsrecht nutzen. Es kann kein Argument gegen die Eröffnung einer allgemein zugänglichen Informationsquelle sein, dass Einzelne dieselben Informationen über privilegierte Zugänge leichter erfahren können197. Zum einen ist bei diesen Alternativquellen unklar, inwieweit sie nicht ebenfalls zu einer Informationsvermachtung – hier innerhalb der Medienlandschaft – und undurchsichtigen Beziehungsgeflechten zwischen Medien und Informationsquellen führen. Zum anderen sollen auch die von den Medien weitergegebenen Informationen grundsätzlich ihrerseits überprüfbar bleiben, ohne dass dies durch den Quellenschutz in zu breitem Maße verhindert werden dürfte198. Gerade der soeben genannte Gesichtspunkt, dass der Einfluss auf die Staatsgewalt nicht in den Händen weniger konzentriert sein darf, gewinnt an Bedeutung in einer Zeit, in der die repräsentative Demokratie zunehmend durch eine sogenannte „Verhandlungsdemokratie“199 ergänzt – manche sagen sogar verdrängt – wird. Mit Verhandlungsdemokratie wird die Praxis der Exekutive verstanden, staatliche Entscheidungen mit privaten Akteuren auszuhandeln. Dabei verhandelt die Exekutive nicht nur innerhalb des klassischen Spektrums ihrer Entscheidungsformen. Ergebnis solcher Verhandlungen sind nämlich oft auch Zusagen über bestimmte gesetzliche Regelungen oder der Verzicht auf solche200. Dem an den Verhandlungen nicht beteiligten Parlament kommt im Regelfall nur noch eine Ratifikations196

Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 241. Davis, Access to and Transmission of Information, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 121 (123 f.). 198 Auch die Medien selbst sehen es als großen Vorteil an, verschiedene, voneinander unabhängige Informationsquellen zu haben, vgl. Carvel, Request for Documents of the Council, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 53 (54). 199 Sehr instruktiv dazu Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung, Verhandlungsdemokratie? Politik des Möglichen – Möglichkeiten der Politik, Protokoll des 120. Bergedorfer Gesprächskreises, Hamburg, 2001; vgl. auch Grimm, Verbände, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 15, Rdnrn. 9 ff. 200 Kritisch dazu Grimm, Verbände, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 15, Rdnr. 21. 197

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rolle zu, soll die verhandelnde Regierung nicht durch die parteigleiche Parlamentsmehrheit desavouiert werden201. Die Situation ähnelt insoweit der beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge. Neben zahlreichen Vorteilen solcher Verhandlungen, wie beispielsweise Effizienz und Akzeptanz in Bereichen, die eine zwangsweise Durchsetzung nicht zulassen, bringen sie nicht zu vernachlässigende Gefahren mit sich. Dazu gehört nicht nur der bereits beschriebene Bedeutungsverlust des Parlaments zugunsten der Exekutive, sondern auch die Intransparenz der Verhandlungen und der Umstand, dass noch nicht einmal alle potentiell vom Verhandlungsergebnis Betroffenen, geschweige denn das gesamte Volk, auf diese Verhandlungen Einfluss nehmen können202. Sicher ist, dass sich der weitere Vormarsch der Verhandlungsdemokratie nicht aufhalten lässt203. Speziell solche Verhandlungsergebnisse, die auf eine allgemeingültige Regelung hinauslaufen, dürfen aber nicht ohne jede Möglichkeit zur öffentlichen Debatte entstehen. Alle Anstrengungen müssen sich deshalb darauf konzentrieren, die Geltung demokratischer Prinzipien, das meint vor allem öffentlichen Einfluss und Kontrolle, im Hinblick auf diese Prozesse weitestmöglich zu sichern204. Neben Publizitätspflichten205 kann dabei auch das Dokumentenzugangsrecht helfen, das der Öffentlichkeit Zugang zu Protokollen, Grundlagenmaterial und ähnlichem verschaffen sollte. Auch wenn es beispielsweise anzuerkennen sein sollte, dass die Verhandlungen selbst nicht vor laufenden Kameras stattfinden können, so muss der Arkanbereich in jedem Fall so klein wie möglich gehalten werden. b) Kontrollöffentlichkeit Neben der bis hierhin beschriebenen aktiv teilnehmenden Rolle der Öffentlichkeit ist diese auch ein wichtiges Kontrollinstrument. Die Kontrolle der Staatsgewalt ist ein grundlegendes Prinzip eines demokratischen Staatswesens206. Für die Bundesrepublik Deutschland belegt dies nicht zuletzt die herausgehobene, und im Vergleich zu anderen Staaten auch he201 Vgl. Benz, Verhandlungssysteme und Mehrebenen-Verflechtung im kooperativen Staat, in: Festschrift Ellwein, S. 83 (90). 202 Partikularinteressen können so überproportionales Gewicht gegenüber dem Gemeinwohl erlangen, vgl. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20, Rdnr. 77. 203 In diesem Sinne auch Grimm, Verbände, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 15, Rdnrn. 21, 24; Benz, Verhandlungssysteme und Mehrebenen-Verflechtung im kooperativen Staat, in: Festschrift Ellwein, S. 83 (97). 204 Vgl. Decker, Politische Meinungsforschung in der Bundesrepublik Deutschland, ZPol 2001, S. 31 (64 f.). 205 Vgl. dazu Grimm, Verbände, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 15, Rdnr. 23.

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rausgehobenere Stellung, die der Judikative als reiner Kontrollinstanz durch das Grundgesetz zugewiesen wird207. Gerade das Beispiel der Judikative, die zum einen kein Selbsteintrittsrecht hat und zum anderen meist nur von bestimmten, dazu berechtigten Personen angerufen werden kann, zeigt aber auch, dass Kontrolle nicht dort monopolisiert werden kann208. Sie wird denn auch auf einer Vielzahl von Ebenen, mit einer Vielzahl von Mitteln und durch verschiedenste Kontrollsubjekte ausgeübt209. Das Bedürfnis nach einer weiteren Diversifikation der Kontrolle durch Einbeziehung des public eye210 ist nicht zuletzt von der Erkenntnis getragen, dass die Aufgabe allein durch die klassischen Kontrollorgane – gemeint ist damit insbesondere das Parlament – nicht mehr bewältigt werden kann211. 206

Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Festschrift Müller, S. 379 (380, 384); EGMR, Urteil vom 9. Juni 1998, 41/1997/825/1031, Incal/Türkei, Rdnr. 54: „In a democratic system the actions or omissions of the government must be subject to the close scrutiny not only of the legislative and judicial authorities but also of public opinion.“; Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (391). Die Kontrolle der Staatsgewalt weist auch starke Bezüge zum Rechtsstaatsprinzip auf; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 11. Vgl. ferner die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland nicht durch eine strikte Trennung der Gewalten, sondern vielmehr durch ein Ineinandergreifen derselben und eine daraus folgende gegenseitige Kontrolle und Mäßigung gekennzeichnet sei, BVerfGE 3, S. 225 (227) – Gleichberechtigung. 207 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Verfahren der abstrakten und konkreten Normenkontrolle, die es in für verkündete Gesetze zum Beispiel in Frankreich nicht gibt. Auch gegenüber der Exekutive ist der Kontrollmaßstab strenger als in anderen Ländern, die der Verwaltung einen weiteren Ermessensund Beurteilungsspielraum zugestehen. 208 Vgl. Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit, EuR 1998, S. 734 (734). 209 Insofern ist es nicht ganz zutreffend, wenn die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Kontrollaufgaben als „out-sourcing“ oder „Privatisierung“ von Kontrolle eingeordnet wird, vgl. dazu etwa Turiaux, UIG, Vor § 1, Rdnrn. 8 f. Die Kontrolle soll nicht von den bisher zuständigen Kontrollorganen auf die Öffentlichkeit übertragen werden, sondern die Öffentlichkeit soll als zusätzliche Kontrollinstanz neben die bereits vorhandenen treten und diese ergänzen; vgl. Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im Europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 38; Lequesne, La transparence: vice ou vertu des démocraties?, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne, S. 11 (17): „addition de contrôles spécialisés et diffus“. 210 Dazu schon Burke, An Appeal from the New to the Old Whigs (1791), S. 104. 211 Vgl. dazu Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (418 f.); König, Das Umweltinformationsgesetz – ein Modell für mehr Aktenöffentlichkeit?, DÖV 2000, S. 45 (51); von Arnim, Grundfragen der Kontrolle von Gesetzgebung und Verwaltung, DÖV 1982, S. 917 (918 f., 922 f.); Schäfer, Demokratische Kontrolle der öffentlichen Verwaltung als Strategie, Die Verwaltung 1993, S. 39 (54); Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im Europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 35.

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Das grundsätzliche Recht der Bürger, den Staat zu kontrollieren und bei Bedarf zu kritisieren, ergibt sich unmittelbar aus dem Umstand, dass die Staatsgewalt ihre Legitimität von den Bürgern in ihrer Gesamtheit ableitet212, und sie ist „notwendige Folge der Realisierung von Demokratie als mittelbarer und repräsentativer Demokratie [. . .], indem Kontrolle an die Stelle von eigentlich geforderter Selbstentscheidung tritt“213. Auch der verfassungsrechtliche Stellenwert der Kommunikationsgrundrechte liefert einen deutlichen Beweis dafür, dass die Kontrolle der öffentlichen Gewalt durch die öffentliche Meinung zu den Strukturmerkmalen unseres Staatswesens gehört214. aa) Erwartungen an eine kontrollierende Öffentlichkeit Das Ziel der Stärkung öffentlicher Kontrolle war in vielen Ländern wesentliches Argument für die Einführung eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts215. Es besteht eine enge Verbindung zwischen der Forderung nach mehr Transparenz und dem Wunsch nach einer Staatsgewalt, die dem Bürger gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet ist216. Dem Ruf nach öf212 O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (406); Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (391); Velten, Transparenz staatlichen Handelns und Demokratie, S. 16; vgl. auch Fraenkel, Parlament und öffentliche Meinung, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 204 (228): „Nach der Trustlehre herrscht das Volk, indem es seine Regierung kontrolliert“. 213 Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 204, 183 ff. 214 Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (419); König, Das Umweltinformationsgesetz – ein Modell für mehr Aktenöffentlichkeit?, DÖV 2000, S. 45 (51). 215 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (8) für das Beispiel der Niederlande; Swedish Ministry of Justice, The Right of Access to Official Documents in Sweden, S. 1 für Schweden; vgl. auch Marcic, Die Öffentlichkeit als Prinzip der Demokratie, Festschrift Arndt, S. 267 (290): „Die Kontrolle ist ja der Sinn der Öffentlichkeit als allgemeiner Zugänglichkeit sämtlicher Staatsakte.“; zum Misstrauen als Ansatzpunkt für Verwaltungskontrolle Schäfer, Demokratische Kontrolle der öffentlichen Verwaltung als Strategie, Die Verwaltung 1993, S. 39 (51 ff.). 216 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (41); Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (391); Ronnenberger, Kommunikationspolitik, Bd. I, S. 116; Debbasch, Introduction, in: La transparence administrative en Europe, Ann.Eur.Adm.Publ. 1990, S. 11 (11), der auf Art. 15 der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte von 1789 verweist, in dem es heißt: „Die Gesellschaft hat das Recht, von jedem öffentlichen Beamten Rechenschaft über seine Amtsführung zu fordern.“; ähnlich Marcic, Die Öffentlichkeit als Prinzip der Demokratie, Festschrift Arndt, S. 267 (290 f.).

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fentlicher Kontrolle liegen dabei verschiedene Annahmen beziehungsweise verfolgte Zwecke zugrunde217. Zunächst ist dies die Annahme, dass Macht korrumpiere – und zwar selbst im demokratischen Rechtsstaat218. In der Tat ist Korruption ein immer wieder auftretendes Phänomen auf allen Ebenen des Staates. Ein Zugangsrecht der Öffentlichkeit zu Behördenakten kann sicher allein derartige Machenschaften nicht verhindern. Dass es dazu aber jedenfalls einen wichtigen Beitrag leisten kann, folgt schon aus dem von Woodrow Wilson treffend beschriebenen Zusammenhang von Heimlichkeit und Korruption: „Everybody knows that corruption thrives in secret places, and avoids public places, and we believe it a fair presumption that secrecy means impropriety“219. Man kann mit einiger Zuversicht davon ausgehen, dass das Dokumentenzugangsrecht die Hemmschwelle aufgrund der erhöhten Entdeckungsgefahr anzuheben geeignet ist220. Dem kann auch nicht etwa mit der Skepsis entscheidend begegnet werden, dass Korruptionstatbestände kaum aktenkundig gemacht würden. Zahlreiche Fälle in der Vergangenheit haben gezeigt, dass sich Spuren durchaus auch in den Akten selbst und nicht etwa nur in persönlichen Unterlagen der betreffenden Amtsträger finden ließen221. Darüber hinaus erhofft man sich von erhöhter Transparenz eine verbesserte Entscheidungsfindung222. Kontrolle dient danach also nicht allein der Verhinderung staatlicher Machtmissbräuche, sondern ist zugleich eine „an 217 Nach Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 350, geht es zum einen um die Verhinderung des Missbrauchs öffentlicher Gewalt und zum anderen um die Minimierung von Irrtümern (falschen Entscheidungen). 218 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (8); Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (337). 219 Wilson, Let there be light, in: ders., The New Freedom, S. 75 (76); ebenso Mead, Special Providence, S. 50: „secrecy provides an environment in which corruption and treason can flourish“; Schrader, Das Recht der Öffentlichkeit, sich zu informieren, DVBl. 2000, S. 1110 (1112); damit übereinstimmend aber vor zu optimistischen Erwartungen an die Öffentlichkeit warnend Fraenkel, Demokratie und öffentliche Meinung, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 232 (237). 220 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (44); ders., CMLR 1999, S. 157 (158), Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1059); Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 12; ähnlich Velten, Transparenz staatlichen Handelns und Demokratie, S. 43 ff. 221 Sicherlich werden sich in den Akten keine direkten Hinweise etwa auf persönliche Zahlungen an einen Beamten finden lassen, aber gerade im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe geben Unregelmäßigkeiten in den dokumentierten Vorgängen oft Hinweise, an die eine weiter gehende Ermittlung anknüpfen kann, vgl. beispielsweise den Bericht „Kein Zweifel, die Unterlagen wurden gefälscht“ in der Frankfurter Rundschau vom 28. September 1996, S. 24.

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der Förderung staatlicher Aufgabenerfüllung orientierte Tätigkeitskontrolle“223. Dies betrifft zunächst den Inhalt der Entscheidung und ihrer Grundlagen224. Dazu gehören aber auch die Effizienz der Entscheidungsfindung225, die Vermeidung von Willkür226 und die Beachtung der Prinzipien eines rechtmäßigen Verwaltungsverfahrens227. Gerade das Verfahren, das anders als das Ergebnis meist nicht sichtbar wird, lässt sich nur mit Hilfe eines Aktenzugangs überprüfen228. In diesen Zusammenhang lässt sich schließlich auch das legitime Interesse des Bürgers stellen, die korrekte und sinnvolle Verwendung öffentlicher Mittel zu kontrollieren229. Vor allem im Hinblick auf das Argument, die Offenheit der Entscheidungsvorgänge wirke sich positiv auf die Effizienz aus, regt sich Widerspruch230. So wird vorgebracht, dass ein Amtsträger, der immer mit einer 222 So hieß es auch schon in den Begründungserwägungen zur Richtlinie 90/313/ EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABl. 1990, Nr. L 158, S. 56: „Der Zugang zu umweltbezogenen Informationen im Besitz der Behörden wird den Umweltschutz verbessern.“; dazu auch BVerwGE 108, S. 369 (373); Röger, UIG, § 1, Rdnr. 3; Advisory Group on Openness in the Public Sector, Report 1999, Pkt. 1.10: „unnecessary secrecy in government leads to arrogance in governance and defective decision-making [. . .] Increasing the capacity of citizens to question decisions can lead to a sharper focus to the work of the public sector and improved decision-making. This in turn should bring an increase in efficiency and a deepening of democracy.“ 223 Wegener, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 1, Rdnr. 17; in diesem Sinne auch Turiaux, UIG, Einl, Rdnr. 125; Storr, Das Transparenzprinzip als allgemeines Rechtsprinzip in der Europäischen Union, in: Hanns-Martin Schleyer Stiftung, Europa als Union des Rechts – eine notwendige Zwischenbilanz im Prozeß der Vertiefung und Erweiterung, S. 248 (248); Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit, EuR 1998, S. 734 (734). 224 Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im Europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 36. 225 Swedish Ministry of Justice, The Right of Access to Official Documents in Sweden, S. 1. 226 Swedish Ministry of Justice, The Right of Access to Official Documents in Sweden, S. 2. 227 Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (815); Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (158); in diesem Sinne auch O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (406); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (8). 228 Wegener, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 4, Rdnr. 18. 229 Verkörperung hat dieses Interesse unter anderem in der Institution der Rechnungshöfe gefunden, vgl. dazu auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9 (20 f.). 230 So beispielsweise von Peters, The Politics of Bureaucracy, S. 297: „Although it is certainly important that the public have access to relevant information about administration, working in a goldfish bowl can rarely be as efficient as working in private.“

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Überprüfung seines Handelns rechnen müsse, in dem Bemühen, sich mehrfach abzusichern, zögerlicher entscheiden231 und unnötige Ressourcen in Anspruch nehmen würde. Außerdem könnten umfangreiche und ständige Einsichtsgesuche die Behörden über die Maßen beschäftigen und von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten. Gerade das Überlastungsargument ist vor dem Hintergrund der auf nationaler und internationaler Ebene gemachten Erfahrungen zu widerlegen, wo Dokumentenzugangsrechte nicht zu einer die Verwaltung lähmenden Flut von Anträgen geführt haben232. Zu beachten ist insoweit auch, dass das Dokumentenzugangsrecht im Regelfall die Behörden schon deshalb nicht in besonderer Weise belastet, da es, wie noch genauer aufgezeigt werden wird, allein um die Herausgabe bereits vorliegender Dokumente geht und nicht um darüber hinausgehende allgemeine Informationspflichten233. Dass Beamte nun besonders zögerlich in ihren Entscheidungen werden würden, bleibt eine Vermutung, für die es ebenfalls keine Anhaltspunkte gibt234. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die hier untersuchte Form von Kontrolle – wie übrigens viele andere Formen auch235 – ihre Wirkung vor allem auf der psychologischen Ebene entfalten soll. Es soll bei jedem Amtsträger das Bewusstsein dafür erzeugt und aufrechterhalten werden, dass seine Tätigkeit zwar nicht wirklich beständig im Lichte der Öffentlichkeit stattfindet, aber doch zumindest jederzeit in dieses gezogen werden könnte236. Um den daraus folgenden präventiv-disziplinierenden Effekt geht 231 Wild, Der Ombudsmann in Deutschland, S. 150; Turiaux, UIG, Einl, Rdnr. 126 spricht von einem „nicht unbeträchtlichen, psychologischen Druck“, der gerade bei unpopulären Entscheidungen auf dem Amtswalter lasten könne, welcher ständig mit einer Akteneinsicht rechnen müsse. 232 Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit, EuR 1998, S. 734 (745); Breidenbach/Palenda, Das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg, NJW 1999, S. 1307 (1308); Turiaux, UIG, Vor § 1, Rdnr. 16 mit weiteren Nachweisen; Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (196); Schindel, Recht auf Information, DuD 1989, S. 591 (595); Petrén, Die Aktenöffentlichkeit in Schweden, VerwArch 1958, S. 323 (328). 233 Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (158); Turiaux, UIG, § 4, Rdnr. 19; Schröder, Auskunft und Zugang in Bezug auf Umweltdaten als Rechtsproblem, NVwZ 1990, S. 905 (908). 234 Vgl. Larsson, How Open Can a Government Be?, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 39 (51). 235 Siehe etwa Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 78 f. für die Gerichtsöffentlichkeit. 236 In diesem Sinne Naßmacher, Politikwissenschaft, S. 42: „Für die Herrschenden wird die öffentliche Meinung zur ständigen Bedrohung, weil sie dadurch unter ständiger Kontrolle stehen und die Gefahr der Aufdeckung von Skandalen besteht.“; ähnlich Dahrendorf, Krisen der Demokratie, S. 51: „die schlichte Tatsache, dass jeder, der möchte, Zugang zu den Informationen haben kann, gewährleistet poten-

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

es weit mehr als um eine umfassende repressive Aufdeckung aller Missstände237. Dass für diese Kontrolle, soll sie ihre Wirkung nachhaltig entfalten, die effektive Möglichkeit des umfassenden Einblicks in die mit den Vorgängen in Zusammenhang stehenden Dokumente von grundlegender Bedeutung ist, kann kaum ernsthaft bezweifelt werden238. bb) Kontrollanforderungen und Öffentlichkeit Wie Eberhard Schmidt-Aßmann herausgearbeitet hat, muss die Kontrolle der öffentlichen Gewalt folgenden Anforderungen genügen: Sie muss eine hinreichende Effektivität erreichen239, sie muss das Verbot der Einmischungsaufsicht beachten240 und schließlich bei Fremdkontrollen eine Distanz zum Kontrollobjekt bewahren241. Prüft man die Kontrolle der staatlichen Gewalt durch ein allgemeines Dokumentenzugangsrecht an diesen Prinzipien, so lassen sich durchaus befriedigende Ergebnisse verzeichnen. Wenige Probleme ergeben sich bei der Kontrolle durch die Öffentlichkeit naturgemäß hinsichtlich der beiden letztgenannten Maximen, nämlich zum einen, dass das Kontrollsubjekt die Distanz zum Kontrollobjekt wahren tiell eine Form der Kontrolle durch das Volk.“; Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 612; König, Das Umweltinformationsgesetz – ein Modell für mehr Aktenöffentlichkeit?, DÖV 2000, S. 45 (51); Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit, EuR 1998, S. 734 (741). 237 In diesem Sinne auch Petrén, Die Aktenöffentlichkeit in Schweden, VerwArch 1958, S. 323 (332); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (8); Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (336); Velten, Transparenz staatlichen Handelns und Demokratie, S. 43 f. 238 Lenaerts/van Nuffel, Constitutional Law of the European Union, Rdnr. 13-014; Fischer, Das Demokratiedefizit bei der Rechtsetzung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 133; Zürn, Über den Staat und die Demokratie im europäischen Mehrebenensystem, PVS 1996, S. 27 (41); Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (811); Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit, EuR 1998, S. 734 (735 f.); Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 19; Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 203; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 354 f.; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38, Rdnr. 42. 239 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9 (40 f.); ähnlich auch Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 377 f.; Austin, Freedom of Information: The Constitutional Impact, in: Jowell, The Changing Constitution, S. 319 (320). 240 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9 (38 f.). 241 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9 (44); ebenso Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Festschrift Müller, S. 379 (392).

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muss242 und zum anderen, dass das Verbot der Einmischungsaufsicht als Ausprägung der Gewaltenteilung, zu der auch ein gewisses Maß an Selbständigkeit der Gewalten untereinander gehört, zu beachten ist. Nähere Betrachtung verdient daher allein die Forderung, dass Kontrolle ein hinreichendes Maß an Effektivität erreichen muss. Dies könnte beim Dokumentenzugangsrecht fraglich sein, wenn es maßgeblich darauf ankäme, dass eine umfassende Aktenkontrolle stattfindet und möglichst jedes Fehlverhalten aufgedeckt wird. Die Öffentlichkeit wird nämlich ihr Dokumentenzugangsrecht immer eher spontan und punktuell wahrnehmen243. Zum einen können aber insofern wiederum Medien244, genannt sei hier nur das Stichwort „investigativer Journalismus“245, und Interessengruppen246 einen Beitrag dazu leisten, Defizite in Kontrollmöglichkeiten und -bereitschaft der Bürger auszugleichen. Daneben wird die breite öffentliche Kontrolle auch in wirksamer Weise ergänzt durch die punktuell-individuelle Kontrolle247, die Verfahrensbeteiligte dank ihres oft gesteigerten Kontrollinteresses und 242 Wie Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (418) und von Arnim, Grundfragen der Kontrolle von Gesetzgebung und Verwaltung, DÖV 1982, S. 917 (919) anmerken, liegt hier ein wesentliches Problem der parlamentarischen Kontrolle. Wegen der engen Verschränkung von Regierung und Parlamentsmehrheit falle die Kontrollfunktion allein der Opposition zu. 243 Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (195); ähnlich Lippmann, The Phantom Public, S. 62. 244 Naßmacher, Politikwissenschaft, S. 41 f.; Laufer, Die demokratische Ordnung, S. 184. Der besondere Einfluss der Medien auf die öffentliche Meinungsbildung sowohl im Hinblick auf deren Partizipations- als auch Kontrollfunktion lässt einige davon sprechen, sie seien die „vierte Gewalt“ im Staat, vgl. Kegley Jr./Wittkopf, American Foreign Policy, S. 317; Bleckmann, Das europäische Demokratieprinzip, JZ 2001, S. 53 (57). 245 Die herausragende Stellung der investigativen Medien bei der demokratischen Kontrolle staatlicher Gewalt wurde jüngst wieder in eindrucksvoller Weise anlässlich des Todes Rudolf Augsteins gewürdigt, der sein Nachrichtenmagazin schon früh als „Sturmgeschütz der Demokratie“ begriff, siehe dazu die Beträge in DER SPIEGEL, Heft 46/2002. 246 Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit, EuR 1998, S. 734 (742) verweist zum Beispiel auf die Wächterfunktion der Umweltverbände im Bereich des Vollzuges des Umweltrechts. 247 Hinzu treten noch vielfältige Formen der Verwaltungskontrolle und zwar sowohl externe durch Gerichte beziehungsweise Parlamente als auch interne, zum Beispiel in Form der Aufsicht durch übergeordnete Behörden oder Eigenkontrollen. Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9 (34) spricht insoweit von einer „zunehmenden Pluralisierung des Kontrollsystems“. Ähnlich Schröder, Staatstheoretische Aspekte einer Aktenöffentlichkeit im Verwaltungsbereich, Die Verwaltung 1971, S. 301 (305). Die Kontrolle durch die Öffentlichkeit soll damit nicht die klassischen Verantwortungs- und Kontrollstrukturen ersetzen, sondern sie ergänzen und in ihrer

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mit Hilfe umfassender Rechtsschutz- und Informationsansprüche ausüben. Zum anderen ist, wie bereits dargestellt, keine lückenlose Kontrolle notwendig. Die Kontrolle erfolgt vielmehr als Bewusstseinssteuerung248 und ist in ihrer Effektivität in erster Linie davon abhängig, in welchem Maße der Amtsträger die Möglichkeit des Aktenzugangs in sein Bewusstsein aufgenommen hat249. Darüber lässt sich aus der deutschen Erfahrung, die ein solches Dokumentenzugangsrecht nur beschränkt und erst seit kurzem kennt, wenig sagen. Aus Schweden wird dagegen berichtet, dass ein solches Bewusstsein in der Tat bestehe250. Ein großer Vorteil des Dokumentenzugangsrechts gegenüber etwa einem Auskunftsrecht besteht zudem darin, dass es weniger Möglichkeiten für Verschleierungen bietet, da die Dokumente grundsätzlich ungefiltert und unbearbeitet herauszugeben sind251. Selbst wenn auch dabei Manipulationen möglich bleiben, können diese jedoch leichter entdeckt werden. c) Anwendbarkeit auf verschiedene Demokratiemodelle Roman Herzog ist also zuzustimmen, wenn er sagt: „Demokratie lebt von Transparenz und sichtbarer Verantwortung“252. Sowohl für die Herstellung von Transparenz als auch für die Zurechnung von Verantwortung ist das Dokumentenzugangsrecht eine wichtige Ergänzung der aktiven Offenlegung von Vorgängen durch die öffentliche Gewalt253. Herzogs Befund, Effizienz positiv beeinflussen; Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit, EuR 1998, S. 734 (746). 248 Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 325 (354). 249 Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (193). 250 Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (812). Zur Bedeutung des gesellschaftlich gewachsenen „Informationsklimas“ für die Effektivität von Einsichtsrechten siehe auch Burkert, Einige Anmerkungen zur Effektivierung von Akteneinsichtsrechten, in: Lenk, Neue Informationsdienste im Verhältnis von Bürger und Verwaltung, S. 115 (128); Priebe, Anmerkungen zur Verwaltungskultur der Europäischen Kommission, Die Verwaltung 2000, S. 379 (401); Carvel, Request for Documents of the Council, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 53 (66). 251 Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (158); Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (411 f.); Röger, UIG, § 4, Rdnr. 20; Wegener, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 4, Rdnr. 18; Turiaux, UIG, § 4, Rdnr. 17. 252 Herzog, Rede am 18. Mai 1998 zum 150. Jahrestag der ersten deutschen verfassungsgebenden Versammlung in der Paulskirche, abgedruckt in: Frankfurter Rundschau, 19. Mai 1998, S. 19. 253 Lafay, L’accès aux documents du Conseil de l’Union, RTDE 1997, S. 37 (44).

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nämlich dass Transparenz der Verwirklichung der Demokratie diene, beansprucht Geltung unabhängig davon, welcher Demokratietheorie man nahe steht. Alle Demokratietheorien sind sich zumindest darin einig, dass die Staatsgewalt prinzipiell vom Volk ausgehen soll, wenn sie auch regelmäßig nicht von diesem unmittelbar, sondern durch gewählte Repräsentanten ausgeübt wird. Soweit die verschiedenen Theorien sich hinsichtlich der Rolle, die sie der Öffentlichkeit im demokratischen System zusprechen, unterscheiden, hält sie doch keine Auffassung für unwesentlich. Im Kern geht es eher um die Gewichtung der Kontroll- gegenüber der Partizipationsfunktion254, wie anhand von drei zentralen Ansätzen unserer Zeit, nämlich der Elitentheorie, der Partizipationstheorie und der Pluralismustheorie255 kurz und damit natürlich auch vereinfacht erläutert werden soll256. Die Elitentheorie betrachtet Demokratie weniger als Regierung des Volkes, sondern vielmehr als „Regierung des Volkes durch eine aus dem Volk hervorgegangene Elite“257. Einem unmittelbaren Einfluss der Öffentlichkeit auf die Regierung steht diese Theorie ablehnend gegenüber258, vor allem da die Öffentlichkeit regelmäßig nicht in der dafür notwendigen Weise informiert sei259. Die Elite, der das Volk grundsätzlich vertrauen soll, kommuniziert mit den Regierten daher in erster Linie, um seine Tätigkeit bekannt zu machen und nicht, um sicherzustellen, dass ihre Maßnahmen auch die Zustimmung der Allgemeinheit finden260. Diese Beschränkung auf eine Einbahnstraßen-Kommunikation in Richtung Bürger erschwert zwar die Partizipation, ermöglicht aber immerhin Kontrolle261. Diese Kontrolle dient in 254

Siehe dazu auch Sarcinelli, Öffentliche Meinung, in Andersen/Woyke, Handwörterbuch des politischen Systems, S. 411 (411 f.), der dies mit Blick auf verschiedene europäische Staaten aufzeigt. 255 Diese Auswahl lehnt sich an Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 16 an. In anderen Darstellungen, beispielsweise bei Schmidt, Demokratietheorien, S. 115 ff., finden sich darüber hinaus weitere Ansätze. Diese beruhen jedoch teilweise auf Kombinationen der hier dargestellten Theorien, wie etwa die „Komplexe Demokratietheorie“ Fritz Scharpfs, vgl. dazu auch ders., Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 92. Bei anderen Theorien ist es nicht eindeutig, ob sie wirklich eigenständig sind oder nicht vielmehr Spielarten anderer Theorien, vgl. dazu näher Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 16 (Fn. 27). 256 Vgl. zur Funktion der Öffentlichkeit in demokratietheoretischer Einordnung auch die hervorragende und ausführlichere Darstellung bei Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 60–202. 257 Duverger, Die politischen Parteien, S. 431; Schmidt, Demokratietheorien, S. 118. 258 Siehe Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 427. 259 Vgl. Lippmann, The Phantom Public, S. 39, 70 f., ähnlich Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 59 ff. 260 Es steht also die Publizität und nicht die Rückkopplung im Vordergrund, die als wesentliches Mittel der Partizipation identifiziert wurde, Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 72, 118.

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erster Linie dazu, dem Volk eine Beurteilung der durch die Eliten wahrgenommenen Verantwortung zu ermöglichen, auf deren Basis es schließlich darüber entscheidet, ob der politischen Führung weiterhin das Vertrauen geschenkt werden soll oder es Anlass für personelle Veränderungen gibt262. Für die Partizipationstheorie ist die Einbindung der Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse von besonderer Bedeutung263. Dabei geht es zum einen darum, den Einfluss des Souveräns auf das Ergebnis des staatlichen Entscheidungsprozesses zu sichern. Zum anderen sieht die Partizipationstheorie aber in der politischen Beteiligung der Bürger auch einen „Wert an sich“264, der Mündigkeit und Selbstbestimmung fördert265. Nicht nur das Resultat zählt also, sondern ebenso der dahin führende Prozess266. Der öffentliche Diskursprozess bildet schließlich eine aufgeklärte öffentliche Meinung267. Speziell der Entwicklung dieses Prozesses widmet sich die bedeutende Weiterentwicklung in Richtung einer deliberativen Theorie, die die Partizipationstheorie in jüngerer Zeit durch Jürgen Habermas erfahren hat268 und die Manfred Schmidt so zusammenfasst: „Deliberative Politik ist eine Form der Willensbildung und Verständigung über öffentliche Angelegenheiten, die ihre legitimierende Kraft aus der Struktur derjenigen Meinungs- und Willensbildung gewinnt, die die Erwartung aller erfüllen kann, daß ihre Ergebnisse vernünftig sind. Dieser Auffassung zufolge liegt die 261 Vgl. Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 72. Gerade wegen der fehlenden Möglichkeit der Partizipation wächst der Kontrolle besonderes Gewicht zu. 262 Vgl. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 432; Sartori, Demokratietheorie, S. 164, Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 72; vgl. auch ders., a. a. O. S. 99, wonach es für die Elitentheorie zwingend notwendig sei, „. . . daß die Verantwortung der Eliten nicht diffus ist, sondern daß eine Verknüpfung von Verantwortung mit Personen, also handelnden Akteuren vorgenommen werden kann.“ 263 Curtin, Open Decision-Making and EU (Political) Citizenship, in: O’Keeffe/ Twomey, Legal Issues of the Amsterdam Treaty, S. 71 (74). 264 Habermas, Politische Beteiligung – ein Wert „an sich“? in: ders., Kultur und Kritik, S. 9 (11): „Demokratie arbeitet an der Selbstbestimmung der Menschheit, und erst wenn diese wirklich ist, ist jene wahr. Politische Beteiligung wird dann mit Selbstbestimmung identisch sein.“ 265 Bachrach, Theorie demokratischer Elitenherrschaft, S. 119: „Die Mehrheit der Individuen kann nur durch eine aktivere Partizipation an bedeutsamen Entscheidungen des Gemeinwesens Selbstbewußtsein gewinnen und ihre Fähigkeiten besser entfalten. Das Volk hat daher im allgemeinen ein doppeltes politisches Interesse – Interesse an den Endresultaten und Interesse am Prozeß der Partizipation.“ 266 Schmidt, Demokratietheorie, S. 172; Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 160. 267 Habermas, Faktizität und Geltung, S. 347; Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 173. 268 Vgl. Habermas, Drei normative Modelle der Demokratie: Zum Begriff deliberativer Politik, in: Münkler, Herfried, Die Chancen der Freiheit, S. 11–24.

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Pointe eines demokratischen Verfahrens, wie z. B. dasjenige des Mehrheitsprinzips, nicht nur darin, daß die Mehrheit herrscht, sondern vielmehr im Vorgang der Meinungsbekundung, der Erörterung, der Aussprache und dem Bemühen, andere zu überzeugen.“269

Mit der Betonung des Diskurses rückt die Partizipationstheorie gleichzeitig die Untersuchung der Strukturen in den Vordergrund, die eine diskursive Beteiligung ermöglichen. Da die herkömmlichen Medien als entscheidende Schwachstelle eine monologische Struktur aufwiesen, erforschten Vertreter dieser Theorie früh die diskursiven Potentiale neuer Medien270. Der Aspekt der Kontrolle, der hier immer im Sinne von Fremdkontrolle gebraucht wurde, tritt naturgemäß bei einem Konzept, das auf Selbstbestimmung beruht, in den Hintergrund. Etwas weniger in die eine oder andere Richtung tendierend, sondern schon ihrem Namen nach alle Aspekte berücksichtigend, stellt sich schließlich die Pluralismustheorie dar. Pluralisten stellen die Vielgliedrigkeit von Staat und Gesellschaft in den Vordergrund271. Sie nehmen insbesondere auch diejenigen intermediären Institutionen in den Blick, die zwischen Gesellschaft und Staat vermitteln, wie Parteien und Interessengruppen, und sehen dabei nicht nur die von diesen ausgehenden Gefahren, sondern auch deren stabilisierende Funktion272. Der pluralistische Demos-Begriff konzentriert sich auf die „Angehörigen der in den verschiedenartigsten Körperschaften, Parteien, Gruppen, Organisationen und Verbänden zusammengefaßten Mitglieder einer differenzierten Gesellschaft, von denen erwartet wird, daß sie sich jeweils mit Erfolg bemühen, auf kollektiver Ebene zu dem Abschluß entweder stillschweigender Übereinkünfte oder ausdrücklicher Vereinbarungen zu gelangen, d.h. aber mittels Kompromissen zu regieren.“273

Darin kommt zugleich ein weiterer wichtiger Ansatz der Pluralismustheorie zum Ausdruck. Er betont die kontinuierliche Reform durch den Konflikt vielfältiger Ideen und Meinungen, der schließlich in einem konsensfähigen Kompromiss als bestmöglicher aller durchsetzbaren Lösungen gipfelt und die weitere Richtung bestimmt274. Für diese Form der demokratisch-respon269

Schmidt, Demokratietheorien, S. 176. Grundlegend war insoweit das Werk von Benjamin Barber, Strong Democracy. Participatory Politics for a New Age, Berkeley 1984; eingehender dazu Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 165–167 sowie S. 175–200. 271 Schmidt, Demokratietheorien, S. 151, 153. 272 Schmidt, Demokratietheorien, S. 154 f. 273 Fraenkel, Strukturanalyse der modernen Demokratie, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 326 (345). 274 Vgl. Fraenkel, Demokratie und öffentliche Meinung, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 232 (248 f.), der allerdings auch betont, dass zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des pluralistischen Gemeinwesens nur 270

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siven Demokratie ist eine zur Partizipation durch Diskussion bereite und fähige Öffentlichkeit eine Grundvoraussetzung275. Von Bedeutung ist aber auch die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, da der beschriebene Konkurrenzkampf sich nicht allein auf Inhalte, sondern ebenso auf die Person des Entscheidungsträgers erstreckt276. Insgesamt gilt sowohl für die Beteiligungsöffentlichkeit als auch für die Kontrollöffentlichkeit, dass ihre Aktivitäten durch rechtliche Vorschriften nicht befohlen werden können, sondern vom freiwilligen Engagement ihrer Mitglieder abhängen277. Das Recht kann jedoch immerhin eine wichtige Voraussetzung dafür schaffen. Dabei ist denen, die mit dem Blick in die Vergangenheit zukünftige Defizite im Einfluss der Öffentlichkeit auf die Staatsgewalt vorhersagen, zu entgegnen, dass diese Perspektive für eine Prognose nur bedingt tauglich ist. Es geht in vielerlei Hinsicht gerade darum, der Öffentlichkeit neue, gewandelte Funktionen zuzuweisen278. Was speziell die Bundesrepublik betrifft, ist zudem Arnulf Baring zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, dass für den Einfluss der Öffentlichkeit die Berliner Republik deutlich bessere Aussichten als ihre Bonner Vorgängerin bietet, so dass an die Zukunft insoweit berechtigte Erwartungen geknüpft werden können279. 2. Übertragung der Erkenntnisse auf die europäische Ebene Im Folgenden ist nun zu untersuchen, inwieweit das Dokumentenzugangsrecht die ihm in der nationalen Demokratie zuwachsenden Funktionen auch auf europäischer Ebene wahrnehmen kann oder ob deren Besonderheiten eine grundsätzlich andere Betrachtung und Rechtfertigung bedingen. wenige, besonders wichtige Fragen in einem breiten öffentlichen Diskurs behandelt werden können. 275 Vgl. Waschkuhn, Demokratietheorien, S. 85. Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 138 f. spricht von der Öffentlichkeit als „Resonanzboden gesellschaftlicher Konflikte“. 276 Waschkuhn, Demokratietheorien, S. 85. Die Kontrolle und Transparenz als ihre Voraussetzung betont auch Steffani, Parlamentarische Demokratie, in: ders., Parlamentarismus ohne Transparenz, S. 17 (41). 277 von Weizsäcker, Gedanken in einer freien Gesellschaft, in: Gräfin Dönhoff/ Markl/von Weizsäcker, Eliten und Demokratie, S. 97 (98 f.). 278 Schmidt-Aßmann, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht, DVBl. 1993, S. 924 (933); König, Das Umweltinformationsgesetz – ein Modell für mehr Aktenöffentlichkeit?, DÖV 2000, S. 45 (51); Wegener, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 1, Rdnr. 18. 279 Baring, Was bedeutet und was braucht die Berliner Republik?, in: Gräfin Dönhoff/Markl/von Weizsäcker, Eliten und Demokratie, S. 243 (245 f.).

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a) Demokratie auf europäischer Ebene Das demokratische Prinzip beansprucht auch auf europäischer Ebene Geltung. Dies folgt nicht nur aus der ausdrücklichen Festlegung des Art. 6 Abs. 1 EUV, nach der die Europäische Union auf den Grundsätzen der Demokratie beruht280. Auch ohne eine solche ausdrückliche Festlegung hätte sich die Geltung des Demokratieprinzips bereits aus der Überlegung ergeben, dass die Union von den gemeinsamen Verfassungstraditionen ihrer Mitgliedstaaten geprägt ist281. Sämtliche Mitgliedstaaten sind demokratisch strukturiert282, und auch für neu hinzukommende Mitglieder ist ein demokratisches Staatswesen eine wesentliche Voraussetzung, um in die Union aufgenommen werden zu können283. Außerdem beschränkt sich die Tätigkeit der Gemeinschaft nicht auf die zwischenstaatliche Ebene, sondern wirkt auch unmittelbar auf die Bürger ein284. Die Gemeinschaft bedarf daher prinzipiell demokratischer Strukturen, unabhängig davon, wie diese im Einzelnen gestaltet werden285. Bei der Etablierung dieser Strukturen sind 280

Vgl. auch die Präambel zum EU-Vertrag: „In dem Wunsch, Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter zu stärken, damit diese in die Lage versetzt werden, die ihnen übertragenen Aufgaben in einem einheitlichen institutionellen Rahmen besser wahrzunehmen.“ Zu weiteren früheren Bekenntnissen der EG/ EU zur Demokratie vgl. die Nachweise bei Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 67, Fn. 4. 281 Zum Demokratieprinzip als allgemeiner gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz, Zuleeg, Demokratie in der Europäischen Gemeinschaft, JZ 1993, S. 1069 (1069 ff.); Ress, Parlamentarische Legitimierung, in: Gedächtnisschrift Geck, S. 625 (640 ff.); ders., Die Bedeutung der Rechtsvergleichung für das Recht internationaler Organisationen, ZaöRV 1976 S. 227 (247 ff.); Bleckmann, Das Demokratieprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: ders., Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 159 (159 ff.); Huber, Die Rolle des Demokratieprinzips im europäischen Integrationsprozeß, Jb. Staats- u. Verwaltungswiss., Band 6 (1992/93), S. 179 (180 f.); Klein, Entwicklungsperspektiven für das Europäische Parlament, EuR 1987, S. 97 (100); Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlaments, S. 263 ff.; Classen, Maastricht und die Verfassung, ZRP 1993, S. 57 (59); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 89 ff.; Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 323 ff.; Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 67. Besondere Bedeutung kommt insoweit auch den Urteilen des EuGH, Rs. 138/79, SA Roquette Frères/Rat, Slg. 1980, S. 3333, Rdnr. 33 und Rs. 139/79, Maizena GmbH/Rat, Slg. 1980, S. 3393, Rdnr. 34, zu. 282 Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 90. 283 Vgl. Art. 49 Abs. 1 EUV. 284 Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 137 f., 140; EuGH, Rs. 26/62, van Gend & Loos, Slg. 1963, S. 3 (25); BVerfGE 89, S. 155 (175) – Maastricht; Piazolo, Zum Demokratieprinzip in der Europäischen Union, S. 43. 285 Piazolo, Zum Demokratieprinzip in der Europäischen Union, S. 44; Klein, Entwicklungsperspektiven für das Europäische Parlament, EuR 1987, S. 97 (100); Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 321; Böckenförde, Welchen Weg geht Europa?, in: ders., Staat, Nation, Europa, S. 68 (89); Seeler, Die Legitimation

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die Mitgliedstaaten zum Erfolg verurteilt, denn eine Integrationssperre oder gar die Rückkehr zum herkömmlichen und unabhängigen Nationalstaat kommt als Ausweg nicht ernsthaft in Betracht286. Mit diesen Zielvorgaben und Strukturaussagen ist jedoch noch nicht gesagt, dass die Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der Demokratie dieselben sind, wie sie eingangs für den Nationalstaat entwickelt wurden. Der Maßstab, an dem die europäische Demokratie gemessen wird, ist insbesondere abhängig vom zugrunde liegenden integrationstheoretischen Ansatz, das heißt im Wesentlichen von der Antwort auf die Frage, wie viel von dem, was den Nationalstaat kennzeichnet, auf die europäische Ebene übertragen werden kann und soll. Dabei muss hier jedoch das Modell der europäischen Herrschaftsordnung nicht umfassend und unter jedem Aspekt beleuchtet werden, sondern wiederum nur im Hinblick darauf, welche Rolle der Öffentlichkeit darin zuwächst. In dem Maße, wie sich außerdem zeigen lässt, dass die Herstellung demokratischer Strukturen und die Schaffung von Transparenz nach jeder der Integrationstheorien bedeutsam sind, kann die schwer zu treffende Entscheidung darüber, welcher Theorie der Vorzug zu geben ist, in den Hintergrund treten. Die Theorien, die die europäische Integration zu erklären suchen, werden gemeinhin in drei Hauptströmungen unterteilt, nämlich in einen föderalistischen, einen funktionalistischen und einen intergouvernementalen Ansatz. Zusätzlich soll hier noch der so genannte Konstitutionalismus als neuere Strömung in die Betrachtung einbezogen werden287. des hoheitlichen Handelns der EG/EU, EuR 1998, S. 721 (728). Gefordert ist wiederum ein „gewisses Legitimationsniveau“, BVerfGE 83, S. 60 (72) – Ausländerwahlrecht; 89, S. 155 (182) – Maastricht. Vgl. auch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG: „Zur Verwirklichung eines Vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.“ (Hervorhebung durch Verfasser). Zuleeg, Demokratie ohne Volk oder Demokratie der Völker?, in: Drexl/Kreuzer/Scheuning, Europäische Demokratie, S. 11 (12) folgert aus Art. 23 GG kompromisslos: „Einer Europäischen Union ohne Demokratie darf sich also der deutsche Staat nicht anschließen.“ 286 Klein, Integrationsoffenheit des Modells eines Staatenverbundes, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 107 (122 f.); Bryde, Die bundesrepublikanische Volksdemokratie als Irrweg der Demokratietheorie, StW&StP 1994, S. 305 (307 f.); ähnlich Classen, Europäische Integration und demokratische Legitimation, AöR 1994, S. 238 (259). 287 Die nachfolgende Darstellung der Integrationstheorien ist bewusst auf das für die hier zu diskutierende Frage notwendige Maß verkürzt. Für einen ausführlicheren Überblick sei auf die hervorragenden Darstellungen bei Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 178–220 und Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 103–223 verwiesen.

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Die föderalistische Konzeption geht davon aus, dass sich die Modelle der nationalen Herrschaftsordnungen auf die europäische Ebene übertragen lassen. Dies geschieht, indem sich die Gemeinschaft der in der Union zusammengeschlossenen Mitgliedstaaten immer weiter zu einem europäischen Bundesstaat verdichtet. Der Ursprung der demokratischen Legitimation liegt nach diesem Modell bei einem europäischen Volk, das diese über das Europäische Parlament vermittelt. Naturgemäß ist für die Anhänger dieser bundesstaatlichen Zielvorstellung der europäischen Integration das Demokratiedefizit der Europäischen Union in erster Linie ein Parlamentsdefizit288. Beheimatet ist diese Konzeption vor allem in den Anfängen der europäischen Integration. Winston Churchill sagte in einer Rede am 19. September 1946 in Zürich: „We must build a kind of United States of Europe.“ Die Erstfassung eines 1969 erschienenen Buches von Walter Hallstein lautete „Der unvollendete Bundesstaat“289. Der Föderalismus ist aber nicht nur von historischem Interesse, sondern er beeinflusst die Debatte über den Fortgang der Integration bis heute. So sagte der deutsche Außenminister Joschka Fischer in seiner Rede an der Humboldt-Universität im Mai 2000 über seine Vision von der Zukunft Europas: „Der letzte Schritt wäre dann die Vollendung der Integration in einer Europäischen Föderation.“290 Folgt man dieser Auffassung, kann zur Beantwortung der Frage nach der Bedeutung und dem Nutzen eines Dokumentenzugangsrechts uneingeschränkt auf die obigen Ausführungen zum Nationalstaat verwiesen werden, da die Vergleichbarkeit beider Ebenen gerade das Wesensmerkmal dieser Theorie ausmacht. Die funktionalistische Betrachtungsweise, die sich eher am tatsächlichen Verlauf der Integration – zumindest in seinen Anfängen – orientiert, sieht demgegenüber überhaupt nicht die Notwendigkeit, in besonderem Maße Demokratie auf europäischer Ebene zu verwirklichen. Für sie stellt die Union lediglich eine Exekutivkooperation der Staaten291 dar, um gemeinsame Aufgaben leichter und besser lösen zu können. Wie beim Bundesstaat tritt zwar mit der europäischen Ebene eine neue, selbständige Ebene neben die der Nationalstaaten, aber nicht, um diese in irgendeiner Weise zu ersetzen. Die Tätigkeit auf der europäischen Ebene soll in erster Linie konsensuale, zweckrationale Sachwaltung und Ausführung dessen sein, was in den 288

Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 159. Die Neufassung aus dem Jahre 1973 trug dann aber schon nurmehr den Titel „Die Europäische Gemeinschaft“; vgl. auch Graf Coudenhove-Kalergi, Die Europäische Nation, 132 ff. 290 Joschka Fischer, Vom Staatenverbund zur Föderation – Gedanken über die Finalität der europäischen Integration, Rede am 12. Mai 2000 an der Humboldt-Universität Berlin. 291 Oppermann, Europarecht, Rdnr. 910 spricht davon, dass diese Auffassung den „unpolitischen (,nüchternen‘) Charakter der EG“ betone. 289

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Teil 1: Grundlegung zum Zugangsrecht

Verträgen bereits festgeschrieben ist. Hierfür wird eine parlamentarisch-demokratische Legitimation nicht in gleicher Weise für notwendig erachtet wie bei politischer Staatstätigkeit292. Umschrieben ist dieses Modell in Hans Peter Ipsens bekannter Charakterisierung der Europäischen Gemeinschaft als „Zweckverband funktioneller Integration“293. Selbst wenn man den Blickwinkel der Anhänger dieser Auffassung aufnähme und in der Gemeinschaft ausschließlich eine Exekutivkooperation erblickte, könnte man doch ihrer Schlussfolgerung nicht beipflichten, dass deshalb demokratische Prinzipien keine Anwendung finden müssten. Wie bereits dargestellt, verlangt Demokratie, dass die Bürger an der Ausübung öffentlicher Gewalt zu beteiligen sind und diese kontrollieren können müssen. Dies bezieht sich unter anderem auf die Exekutivgewalt, auf welcher Ebene sie auch immer stattfinden mag294. Eine „Hochzonung“ von Aufgaben mit dem Ergebnis der Schaffung demokratiefreier Räume ist also unzulässig295. Im Übrigen ist diese Theorie, insbesondere seit Maastricht, auch einem Wandlungsdruck im Hinblick auf die politische Dynamik des europäischen Integrationsprozesses ausgesetzt296. Das Modell der bloßen Exekutivkooperation, wenn es denn je wirklich zutreffend war, kann jedenfalls die gegenwärtigen Entwicklungen nicht mehr hinreichend beschreiben297. Sobald man aber die Grenzen der bloßen Sachwaltung überschreitet, versteht sich selbst nach den Anhängern dieser Ansicht die Anwendbarkeit demokratischer Maßstäbe von selbst. Es lässt sich also in mehrfacher Weise begründen, warum auch 292 Vgl. Ipsen, Fusionsverfassung Europäische Gemeinschaften, S. 60 ff.; dazu auch Schneider, Europäische Integration im Wandel, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 8 (12); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 111; Schroeder, Demokratie, Transparenz und die Regierungskonferenz, KritV 1998, S. 423 (432 f.). 293 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 196 ff.; ders. Fusionsverfassung Europäische Gemeinschaften, S. 53 f. 294 So auch der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Erster Bericht über Anschuldigungen betreffend Betrug, Mißmanagement und Nepotismus in der Europäischen Kommission vom 15. März 1999, Pkt. 9.3.3., S. 132: „Offenheit und Transparenz bedeuten, daß der Beschlußfassungsprozeß auf allen Ebenen für die Öffentlichkeit möglichst zugänglich und nachvollziehbar gestaltet wird.“ (Hervorhebung durch Verfasser). 295 Ähnlich Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (268); BVerfGE 89, S. 155 (172, 184) – Maastricht. 296 Telò, Démocratie internationale et démocratie supranationale en Europe, in: ders., Démocratie et construction européenne, S. 1 (2); Schroeder, Demokratie, Transparenz und die Regierungskonferenz, KritV 1998, S. 423 (433); a. A. Isensee, Integrationsziel Europastaat?, in: Festschrift Everling, Bd. I, S. 567 (583 f.). 297 Schneider, Europäische Integration im Wandel, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 8 (17 f.); Oppermann, Europarecht, Rdnr. 910.

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dieser Ansatz den Nutzen eines Dokumentenzugangsrechts als demokratisches Instrument auf europäischer Ebene nicht in Frage stellen kann. Die intergouvernementale Konzeption298 geht davon aus, dass sich Demokratie derzeit nur begrenzt auf die europäische Ebene übertragen lasse und deshalb maßgeblich von den Mitgliedstaaten vermittelt werde. Dies findet seinen Ausdruck in dem von Paul Kirchhof geprägten und vom Bundesverfassungsgericht in der Maastricht-Entscheidung rezipierten Begriff der Europäischen Union als „Staatenverbund“299. Die Nationalstaaten sind danach bislang als primäre politische Akteure erhalten geblieben300, obwohl ihre Staatlichkeit tief greifenden Wandlungen hin zu einer integrierten Staatlichkeit unterliegt301. Mit dem Fortschreiten des Integrationsprozesses wird dabei die national vermittelte Legitimation zunehmend durch eine europäische, etwa über das Europäische Parlament, unterstützt302. Diese Betrachtungsweise wehrt sich also in erster Linie dagegen, dass eine zu weitgehende Kompetenzverlagerung auf die europäische Ebene stattfindet, solange dort die Voraussetzungen für eine eigenständige demokratische Legitimation noch nicht geschaffen sind303. Diese Auffassung bestreitet nicht etwa, dass die europäische öffentliche Gewalt eine demokratisch legitimierte sein muss; sie fordert dies sogar304. Als wichtige vorrechtliche Voraussetzung dafür wird ein öffentlicher Diskurs in der Gesellschaft betrachtet, aus dem sich die öffentliche Meinung bilden kann, die ihrerseits wie298

Diese Position wird auch „Pluralismus“ genannt, vgl. Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 188 ff. 299 Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der Europäischen Integration, in: Isensee/ders., Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 183, Rdnr. 69; BVerfGE 89, S. 155 (184) – Maastricht. 300 In diesem Sinne auch Böckenförde, Welchen Weg geht Europa?, in: ders., Staat, Nation, Europa, S. 68 (90). 301 Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 111; BVerfGE 89, S. 155 (184) – Maastricht; Heitsch, Die Transparenz der Entscheidungsprozesse als Element demokratischer Legitimation der Europäischen Union, EuR 2001, S. 809 (810); Weiler, Does Europe Need a Constitution?, in: Tinnefeld, Informationsgesellschaft und Rechtskultur in Europa, S. 236 (248) nennt diesen Ansatz die „Not Yet version: Although there is no demos now the possibility for the future is not precluded a priori.“ (Hervorhebungen im Original). 302 Vgl. dazu von Bogdandy, Das Leitbild der dualistischen Legitimation für die europäische Verfassungsentwicklung, KritV 2000, S. 284 (293); Klein, Die Zukunft der Europäischen Union und die Identität ihrer Mitgliedstaaten, in: Magiera/Meesen/Meier, Politik und Recht, S. 103 (107). 303 Vgl. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 44 f. 304 BVerfGE 89, S. 155 (184) – Maastricht: „Das Demokratieprinzip hindert mithin die Bundesrepublik Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer – supranational organisierten – zwischenstaatlichen Gemeinschaft. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist aber, daß eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflußnahme auch innerhalb eines Staatenverbundes gesichert ist.“

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derum Grundlage des politischen Willens wird. Dazu bedarf es der Offenheit der Entscheidungsprozesse der Hoheitsgewalt ausübenden Organe305. Die bedeutende Rolle, die ein Dokumentenzugangsrecht im öffentlichen Meinungsbildungsbildungsprozess spielen kann, wurde bereits ausführlich beschrieben. Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht, wenn man in einem konstitutionalistischen Verständnis die von Ingolf Pernice als Alternative zum Begriff des „Staatenverbundes“ geprägte Bezeichnung der Europäischen Union als „Verfassungsverbund“306 zugrunde legt. Mit dieser Begriffsbildung sollen die europäischen Bürger gegenüber den Staaten als „Legitimationssubjekt und Adressaten jeder öffentlichen Gewalt, als Staatsbürger für ihren Staat, als Unionsbürger für die Europäische Union“307 stärker in den Vordergrund gerückt werden als dies etwa nach dem intergouvernementalen Ansatz geschieht308. Nach dieser Betrachtung kommt der Transparenz, Bürgernähe und Akzeptanz der europäischen Rechtsordnung durch die Bürger eine noch größere Bedeutung als beim intergouvernementalen Ansatz zu309, so dass zumindest für diese Elemente der Demokratie eine möglichst weite Entfaltung auf allen Ebenen des Verfassungsverbundes imperativ ist. Das Dokumentenzugangsrecht ist dafür, wie gezeigt, ein unverzichtbares Instrument. Zusammenfassend lässt sich demnach feststellen, dass für die hier zu beurteilende Frage, nämlich ob ein Dokumentenzugangsrecht die Demokratie auch auf europäischer Ebene stärken kann, nicht erheblich ist, welcher Integrationstheorie man nahe steht. Wie anhand des Nationalstaates aufgezeigt wurde, kann das Recht der Allgemeinheit auf Zugang zu Dokumenten dazu dienen, eine bessere Beteiligung der Bürger an der Ausübung staatlicher Gewalt und eine wirksamere Kontrolle dieser Gewalt zu ermöglichen. Diese Erkenntnis beansprucht auch in Bezug auf die Gemeinschaftsorgane Geltung. Niemand bezweifelt, dass diese Organe öffentliche Gewalt ausüben. Ebenso klar ist, dass diese Gewalt auch unmittelbar den Einzelnen betrifft310. Dabei kann es nicht maßgeblich darauf ankommen, ob diese 305

BVerfGE 89, S. 155 (185) – Maastricht; 97, S. 350 (369) – Währungsunion. Grundlegend Pernice, Die Dritte Gewalt im europäischen Verfassungsverbund, EuR 1996, S. 27 (29 ff.); außerdem ders., Kompetenzabgrenzung im Europäischen Verfassungsverbund, JZ 2000, S. 866 (870 f.). 307 Pernice, Kompetenzabgrenzung im Europäischen Verfassungsverbund, JZ 2000, S. 866 (870). 308 Pernice, Die Dritte Gewalt im europäischen Verfassungsverbund, EuR 1996, S. 27 (30); zustimmend Heitsch, Die Transparenz der Entscheidungsprozesse als Element demokratischer Legitimation der Europäischen Union, EuR 2001, S. 809 (814). 309 Pernice, Kompetenzabgrenzung im Europäischen Verfassungsverbund, JZ 2000, S. 866 (875). 306

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Herrschaftsausübung den Nationalstaaten oder einem wie auch immer zu qualifizierenden europäischen Gebilde zugerechnet wird. Entscheidend ist vielmehr, dass auch im Hinblick auf die europäische öffentliche Gewalt die beiden dargestellten Funktionen des Dokumentenzugangsrechts zum Tragen kommen: Beteiligung der Öffentlichkeit und Kontrolle311. Dieser Befund gilt selbst nach dem funktionalistischen Modell, denn auch eine Kooperation zur Erledigung von Sachaufgaben kann sich weder einer Kontrolle noch sonst jeglicher Einflussnahme durch das ultimative Legitimationssubjekt entziehen. b) Europäische Öffentlichkeit Wenn auch die Ausübung öffentlicher Gewalt auf europäischer Ebene nicht angezweifelt wird, so geschieht dies doch umso mehr in Bezug auf die Frage, ob diese durch ein europäisches Volk legitimiert werden kann312. Für die hier insbesondere untersuchte Beteiligungs- und Kontrollfunktion der Öffentlichkeit ist vor allem die Kritik interessant, die bestreitet, dass es überhaupt eine europäische Öffentlichkeit geben kann, die in der Lage wäre, die genannten Funktionen zu erfüllen. Für die folgende Diskussion wird wiederum auf die bereits verwendete Trennung von Beteiligungs- und Kontrollöffentlichkeit zurückgegriffen. aa) Beteiligungsöffentlichkeit Normativ ist eine Beteiligungsöffentlichkeit im europäischen Primärrecht angelegt. Art. 1 Abs. 2 EU-Vertrag bestimmt, dass die Entscheidungen in der Union „möglichst offen und möglichst bürgernah“ getroffen werden sollen. In diesen wenigen Worten spiegeln sich sowohl der Gedanke der Transparenz als auch das Gebot der Subsidiarität europäischer Herrschaftsausübung wider. Die Verortung der Transparenz in den grundlegenden Bestim310

EuGH, Rs. 26/62, van Gend & Loos, Slg. 1963, S. 3 (25); BVerfGE 89, S. 155 (175) – Maastricht. 311 Ähnlich Bleckmann, Das europäische Demokratieprinzip, JZ 2001, S. 53 (55, 57), der einerseits davon ausgeht, dass die Volkssouveränität noch ein national verankertes Prinzip sei, andererseits aber den unzureichenden europäischen Meinungsbildungsprozess beklagt. Nicht zuletzt wäre es auch beklagenswert, wenn gerade die europäische Integration zur Folge haben sollte, dass die eingangs dargestellten weitreichenden Errungenschaften der Mehrzahl der Mitgliedstaaten im Bereich der Transparenz ausgehöhlt werden; vgl. Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 1 (1); Metten, Request to a Member State for Access to European Information, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 85 (86 f.). 312 Ausführlich dazu statt vieler Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 157 mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

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mungen des EU-Vertrags und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Subsidiaritätsprinzip313 ist kein Zufall. Vielmehr kann beides als Ausdruck des Willens gesehen werden, dem Bürger einen besseren Einblick in die Entscheidungen der öffentlichen Gewalt zu ermöglichen314. Sofern das Subsidiaritätsprinzip greift und die Entscheidungen nah am Bürger getroffen werden, ist der Einblick meist schon durch diese Nähe gesichert, zumal, wie gezeigt, in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten Transparenzregelungen bestehen315. Wird dagegen eine Entscheidung auf europäischer Ebene getroffen, bestimmt das Transparenzprinzip in Art. 1 Abs. 2 EUV, dass sie für den Bürger durchschaubar sein soll. Transparenz- und Subsidiaritätsprinzip korrelieren also insoweit miteinander316. Dass das Bemühen um mehr Transparenz gerade auch eine größere Teilnahme der Bürger an den Tätigkeiten von Union und Gemeinschaft zum Ziel hatte, zeigt sich schon deutlich in einer frühen Erklärung zur Transparenz, nämlich der Erklärung von Birmingham „Eine bürgernahe Gemeinschaft“, in der als Ziel ausgegeben wird, die Gemeinschaft offener zu gestalten, um einen besser informierten öffentlichen Diskurs über ihre Aktivitäten zu gewährleisten317. Dieses Bemühen ist von der Erkenntnis getragen, dass nicht nur die Akzeptanz, sondern ebenso der Antrieb von Seiten der Bürger für die Europäische Union immer wichtiger wird. Die politische Dynamik der fortschreitenden Integration muss sich immer mehr von der „Methode Monnet“, einem top-down-Ansatz, zu einer bottom-up-Variante entwickeln318. Wie es ein langjähriger Weggefährte Jean Monnets, Max Kohnstamm, formulierte: 313 Das in Art. 5 EGV geregelte Subsidiaritätsprinzip ist ein wichtiges Mittel, um die von Art. 1 Abs. 2 EUV geforderte Bürgernähe zu erreichen, vgl. Oppermann, Europarecht, Rdnr. 245. Der Zusammenhang zwischen Art. 1 Abs. 2 und dem Subsidiaritätsprinzip wird auch im letzten Satz der Präambel des EU-Vertrags hergestellt, vgl. dazu weiter Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 1, Rdnr. 27. Eine eingehende Diskussion der Legitimationsfunktion des Subsidiaritätsprinzips unternimmt die Monographie von Frank Ronge, Legitimität durch Subsidiarität. Der Beitrag des Subsidiaritätsprinzips zur Legitimation einer überstaatlichen politischen Ordnung in Europa, Baden-Baden, 1998. 314 Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (141 f.). 315 Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 1, Rdnr. 32. 316 Diese Verbindung stellen auch Stumpf, in: Schwarze, EUV, Art. 1, Rdnr. 30 und Lodge, Democracy in the EU, in: Telò, Démocratie et construction européenne, S. 239 (243) her; ferner Hayes-Renshaw/Wallace, The Council of Ministers, S. 66. 317 Bull. EG 10/1992, S. 9. Den Zusammenhang von Transparenz und aktiver Beteiligung der Bürger am politischen Geschehen betont auch Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (41). 318 Palmer, Openness and Transparency, European Information, April 1999, S. 2 (2); Curtin, Democracy, Transparency and Political Participation, in: Deckmyn/

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„The days of the benevolent conspiracy driving forward the European integration agenda are past. In the future further steps to a closer union will have to be rooted in far greater popular understanding and support and increasingly on the democratic forces of European civil society.“319

Gegen diesen Ansatz wird vorgebracht, dass die europäische Öffentlichkeit und die europäische öffentliche Meinung zu schwach ausgeprägt seien, um die ihr zugedachte Rolle tatsächlich spielen zu können. Es werden also nicht normativ der Sinn und Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung angezweifelt, sondern es wird eine eher empirische Kritik geübt. Das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit wird besonders akzentuiert von denen vorgetragen, die von der Konzeption Carl Schmitts ausgehen, nach der es keine Öffentlichkeit und damit auch keine Demokratie ohne Volk geben kann320 und die außerdem für die Annahme eines Volkes eine besondere Homogenität fordern321, welche sich auf europäischer Ebene nicht nachweisen lasse322. Eine solche Homogenität soll sich dabei nach der klassischen Definition von Hermann Heller darstellen als „ein sozialThomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 107 (111); Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz, DVBl. 1993, S. 629 (633). 319 Zitiert nach Palmer, Openness and Transparency, European Information, April 1999, S. 2 (2); ebenso Lavranos, Besteht wirklich ein Demokratiedefizit in der EG?, KJ 1999, S. 426 (426); Carvel, Request for Documents of the Council, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 53 (56). Dieser Trend ist zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht besonders deutlich geworden, vgl. Seidelmann, Democracy-Building in the European Union, in: Telò, Démocratie et construction européenne, S. 73 (74) und die Erklärung des Europäischen Rates von Birmingham, Bull. EG 10/1992, S. 9 Pkt. I.8. Für Hinweise auf Studien, die einen zunehmenden Einfluss der öffentlichen Meinung auf den Fortgang der europäischen Integration belegen, siehe Thurner, Nationale öffentliche Meinungen und internationale Verhandlungssysteme, in: Hrbek, Die Reform der Europäischen Union, S. 187 (193 f.). 320 Schmitt, Verfassungslehre, S. 243. 321 Homogenität betonen Kirchhof, Europäische Einigung und der Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee, Europa als politische Idee und rechtliche Form, S. 63 (79); ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, in: Isensee/ders., Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 183, Rdnr. 25; Isensee, Abschied der Demokratie vom Demos, Festschrift Mikat, S. 705 (708); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 261 ff. und wohl auch Grimm, Mit einer Aufwertung des Europa-Parlaments ist es nicht getan, Jb Staats- u. Verwaltungswiss., Band 6 (1992/93), S. 13 (15 f.) Vgl. insoweit auch den Begriff der „relativen Homogenität“ bei Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 345, der von BVerfGE 89, S. 155 (186) – Maastricht aufgenommen wurde. 322 Vgl. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, in: Isensee/ders., Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 183, Rdnr. 33: „Demokratie setzt eine Vergemeinschaftung im Staatsvolk voraus.“; ders., Deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: ders./Ehlermann, Deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 11 (14); Isensee, Europa – die politische Erfindung eines Erdteils, in: ders., Europa als politische Idee und

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psychologischer Zustand, in welchem die stets vorhandenen Gegensätzlichkeiten und Interessenkämpfe gebunden erscheinen durch ein Wirbewußtsein und -gefühl, durch einen sich aktualisierenden Gemeinschaftswillen“323. Zahlreiche Stimmen haben demgegenüber zu Recht darauf hingewiesen, dass mit dem klassischen Verständnis Carl Schmitts von der Zusammengehörigkeit von Staat(-svolk) und Demokratie die Idee der europäischen Integration schon grundsätzlich nicht zu erfassen sei324. Diese Kritik lässt sich auch hinsichtlich der im Folgenden untersuchten Aspekte untermauern. Als ein wesentliches Hindernis für das Entstehen eines solchen europaweiten Wir-Bewusstseins wird dabei von einigen die Sprachenvielfalt in der Union betrachtet. Beispielhaft ist hierfür die Argumentation von Peter Graf Kielmansegg: „Es sind Kommunikations-, Erfahrungs- und Erinnerungsgemeinschaften, in denen kollektive Identität sich herausbildet, sich stabilisiert, tradiert wird. Europa, auch das engere Westeuropa, ist keine Kommunikationsgemeinschaft, kaum eine Erinnerungsgemeinschaft und nur sehr begrenzt eine Erfahrungsgemeinschaft. Eurechtliche Form, S. 103 (103, 133); Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz, DVBl. 1993, S, 629 (632); ähnlich auch Dahrendorf, Krisen der Demokratie, S. 36. 323 Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, in: ders., Gesammelte Schriften, S. 421 (428); vgl. auch Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 348. Kritisch zur Inanspruchnahme von Heller durch diese Auffassung Pernice, Carl Schmitt, Rudolf Smend und die europäische Integration, AöR 1995, S. 100 (103 ff.); von Bogdandy, Das Leitbild der dualistischen Legitimation für die europäische Verfassungsentwicklung, KritV 2000, S. 284 (295 f.); Bryde, Die bundesrepublikanische Volksdemokratie als Irrweg der Demokratietheorie, StW&StP 1994, S. 305 (311). 324 Vgl. insbesondere Pernice, Carl Schmitt, Rudolf Smend und die europäische Integration, AöR 1995, S. 100 (109 ff.); Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 31; Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (274); Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 80; König, Die Übertragung von Hoheitsrechten im Rahmen des Europäischen Integrationsprozesses, S. 600 ff.; vgl. auch Steinberg, Grundgesetz und Europäische Verfassung, ZRP 1999, S. 365 (368): „Eine Staats- und Verfassungstheorie, die am Ende des 20. Jahrhunderts den Staat in seinem vor allem im 19. Jahrhundert entwickelten Verständnis des Nationalstaates in ihren Mittelpunkt stellt, erweckt Zweifel hinsichtlich ihres Realitätsgehalts.“ Auch Ipsen, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft Diskussionsbeitrag, VVDStRL 50 (1991), S. 141 (143 f.) plädiert dafür, sich von der Vorstellung zu lösen, die Gemeinschaftsgewalt sei allein durch Übertragung klassischer verfassungsstaatlicher Modelle zu demokratisieren; ebenso Klein, Integrationsoffenheit des Modells eines Staatenverbundes, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 107 (121 ff.); Oberreuter, Gewaltenteilung und Legitimität, S. 126 (127); Oeter, Souveränität und Demokratie als Probleme in der „Verfassungsentwicklung“ der Europäischen Union, ZaöRV 1995, S. 659 (704 ff.); Closa, Some Foundations for the Normative Discussion on Supranational Citizenship and Democracy, in: Preuss/Requejo, European Citizenship, Multiculturalism, and the State, S. 105 (121).

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ropa ist keine Kommunikationsgemeinschaft, weil Europa ein vielsprachiger Kontinent ist – das banalste Faktum ist zugleich das elementarste.“325

Zum gleichen Befund kommt Dieter Grimm und folgert daraus: „Eine europäische Öffentlichkeit und einen breiten öffentlichen Diskurs auf europäischer Ebene wird es deswegen noch auf längere Sicht nicht geben“326. Dagegen lässt sich zunächst im Hinblick auf das Dokumentenzugangsrecht einwenden, dass die Sprachenproblematik bei dieser Form der Informationsgewinnung keine besondere Rolle spielt. Es geht nicht darum, dass Bürger Dokumente der europäischen Institutionen, in welche ihnen Einblick gewährt wird, nicht verstehen könnten. Zahlreiche Dokumente des Parlaments und des Rates und zum Teil auch die der Kommission sind in alle oder zumindest in viele Sprachen der Mitgliedstaaten übersetzt327. Außerdem gibt es jedenfalls regelmäßig eine französische und eine englische Sprachfassung. Diese Sprachen werden von einer Vielzahl der Europäer verstanden328, und selbst für den Sprachunkundigen sollte Hilfe bei der Übersetzung leicht zu erlangen sein329. In diesem Zusammenhang ist auch auf die 325 Graf Kielmansegg, Integration und Demokratie, in: Jachtenfuchs/Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 47 (55). Vgl. zu weiteren Stimmen, die das Bestehen einer europäischen Kommunikationsgemeinschaft anzweifeln, die Nachweise bei Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 142, Fn. 369. 326 Grimm, Mit einer Aufwertung des Europa-Parlaments ist es nicht getan, Jb Staats- u. Verwaltungswiss., Band 6 (1992/93), S. 13 (16); ders., Braucht Europa eine Verfassung?, in: Tinnefeld, Informationsgesellschaft und Rechtskultur in Europa, S. 211 (225 f.). Ebenso, zumindest mit Blick auf die Gegenwart, Graf Kielmansegg, Integration und Demokratie, in: Jachtenfuchs/Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 47 (S. 57 f.); ähnlich Scharpf, Föderalismus und Demokratie in der transnationalen Ökonomie, in: von Beyme/Offe, Politische Theorie in der Ära der Transformation, S. 211 (225). 327 In diesem Sinne auch Kluth, Europa der Bürger oder Europa der Bürokraten? – Transparenz und Bürgernähe in der Europäischen Union nach dem Amsterdamer Vertrag, in: ders., Die europäische Union nach dem Amsterdamer Vertrag, S. 73 (78). 328 Vgl. Europäische Kommission, Eurobaromètre No. 54 Special, Les Européens et les langues, 2001, S. 9, 15–17: Danach sprechen 41% der Europäer Englisch als Fremdsprache. Der Anteil derjenigen, die ihre Sprachkenntnisse als gut einschätzen, ist unter der jüngeren Bevölkerung besonders hoch, so dass die Sorgen Grimms und Graf Kielmanseggs bezüglich unüberwindbarer Sprachbarrieren ein Stück weit auch eine Generationenfrage sein dürften. Aus der Statistik ergibt sich ebenfalls, dass diejenigen, die Französisch als Muttersprache sprechen, nicht zu denen mit den besten Englischkenntnissen gehören. Rechnet man danach diejenigen mit guten Englischkenntnissen und diejenigen, die Französisch als Muttersprache sprechen, zusammen, so lässt sich in der Tat die Aussage stützen, dass ein Großteil der Europäer zumindest entweder Englisch oder Französisch versteht. 329 Ähnlich Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 143. Es ist im Übrigen nahe liegend, dass der fortschreitende Entwicklungsstand der Technik in nicht allzu ferner Zukunft Computer-Übersetzungsprogramme zur Verfügung stellen wird, die den Namen wirklich verdienen.

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Rolle von Nichtregierungsorganisationen hinzuweisen, die dabei unterstützend tätig werden können. Einige von ihnen, wie etwa Statewatch, veröffentlichen übersetzte Dokumente auf ihren Internetseiten. Sicherlich kann nicht bezweifelt werden, dass eine europäische Öffentlichkeit noch nicht in gleicher Weise ausgeprägt ist wie die nationalen Öffentlichkeiten 330. Es erscheint jedoch unzutreffend, daraus zu schlussfolgern, dass es darum auch der Bereitstellung der Mittel, mit denen eine solche Öffentlichkeit üblicherweise arbeitet, nicht bedarf. Denn es ist nicht etwa so, dass kein Grund für die Annahme bestünde, dass eine europäische Öffentlichkeit entstehen, beziehungsweise dort, wo sie bereits existiert, gestärkt werden kann331. Wie es Jürgen Habermas treffend beschrieb: „Nichts spricht jedenfalls a fortiori dagegen, daß sich, sofern der politische Wille da ist, in einem ökonomisch, gesellschaftlich und administrativ längst zusammenwachsenden Europa, welches sich zumal auf einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund und die geteilte historische Erfahrung des glücklich überwundenen Nationalismus stützen kann, der politisch notwendige Kommunikationszusammenhang herstellen kann, sobald er verfassungsrechtlich angebahnt wird.“332

In die gleiche Richtung weisen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Maastricht-Urteil. Danach können sich die tatsächlichen, vorrechtlichen Bedingungen, für den öffentlichen, die politische Willensbildung gestaltenden Diskurs, „soweit sie noch nicht bestehen, im Verlauf der Zeit im institutionellen Rahmen der Europäischen Union entwickeln. Eine solche Entwicklung hängt nicht zuletzt davon ab, daß die Ziele der Gemeinschaftsorgane und die Abläufe ihrer Entscheidungen in die Nationen vermittelt werden.“333

Das Bundesverfassungsgericht erwähnt als Schritt in diese Richtung ausdrücklich die Bestrebungen der Europäischen Union nach mehr Transparenz, namentlich die entsprechenden Erklärungen der Regierungskonferenzen von Birmingham und Edinburgh334, die den Anfang der Entwicklung 330

Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 716; Glotz, Integration und Eigensinn, in: Stiftung Mitarbeit, Wieviel Demokratie verträgt Europa?, S. 47 (49). 331 Ähnlich König, Die Übertragung von Hoheitsrechten im Rahmen des Europäischen Integrationsprozesses, S. 610 f.; Böckenförde, Welchen Weg geht Europa?, in: ders., Staat, Nation, Europa, S. 68 (93). 332 Habermas, Eine Diskussionsbemerkung zu Dieter Grimm: Braucht Europa eine Verfassung?, in: Tinnefeld, Informationsgesellschaft und Rechtskultur in Europa, S. 231 (235); vgl. auch von Brünneck, Die öffentliche Meinung in der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (261); Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 85 f.; Klein, Die Europäische Union und ihr demokratisches Defizit, in: Festschrift Remmers, S. 195 (206); Schwarze, Das Staatsrecht in Europa, JZ 1993, S. 585 (589). 333 BVerfGE 89, S. 155 (185) – Maastricht. 334 BVerfGE 89, S. 155 (185) – Maastricht.

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eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts auf europäischer Ebene bildeten. In Fortsetzung dieser Logik sollten also der europäischen Öffentlichkeit die Voraussetzungen für eine Beteiligung am europäischen politischen Prozess geschaffen werden, unabhängig davon, ob sie bereits besonders ausgeprägt ist335. Das Recht kann insoweit eine wichtige Katalysator- und Integrationsfunktion übernehmen336. Die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit kann sich übrigens durchaus schnell vollziehen, denn der politische Dialog muss von den Völkern Europas nicht neu erfunden werden, sondern gehört zu deren langjähriger nationalstaatlicher Tradition337. Dass eine Öffentlichkeit grundsätzlich auch über Sprachgrenzen hinweg organisierbar ist, zeigen Beispiele aus multilingualen Staaten wie der Schweiz oder Belgien338, obwohl natürlich zuzugeben ist, dass die Europäische Union – zumal im Zuge der Erweiterung – vor gänzlich anderen integratorischen Herausforderungen steht als diese Länder. Es sei schließlich noch darauf hingewiesen, dass auch aus völkerrechtlicher Sicht die Homogenität keine Voraussetzung für ein Staatsvolk ist339. Es ist weder die Zugehörigkeit zu einer einzigen Nation noch eine ethnische, religiöse oder sprachliche Identität erforderlich340; 335 Classen, Europäische Integration und demokratische Legitimation, AöR 1994, S. 238 (257); ähnlich Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (442). 336 Vgl. La Torre, European Identity and Citizenship, in: Preuss/Requejo, European Citizenship, Multiculturalism, and the State, S. 87 (104); Schmidt-Aßmann, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts: einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 9 (28 f.); allgemein dazu Carstens, Das Recht als Instrument der Einigung Europas, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Beitrag des Rechts zum Europäischen Einigungsprozeß, S. 23; Schwarze, Das Recht als Integrationsinstrument, Liber Amicorum Pierre Pescatore, S. 637 (643 f.). 337 von Brünneck, Die öffentliche Meinung der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (261). 338 Glotz, Integration und Eigensinn, in: Stiftung Mitarbeit, Wieviel Demokratie verträgt Europa?, S. 47 (49, 52); Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (278); Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 236 f.; Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 82 f.; dazu auch Böckenförde, Die Schweiz – ein Vorbild für Europa?, in ders., Staat, Nation, Europa, S. 25 (25 ff.) Für weitere Beispiele siehe auch Mancini, Europe: The Case for Statehood, in: ders., Democracy and Constitutionalism in the European Union, S. 51 (59 f.). Dieser Vergleich erscheint auch unter dem Gesichtspunkt sinnvoll, dass das „Erfolgsrezept“ dieser Staaten in der Bewahrung verschiedener Sprachen, Kulturen und Identitäten liegt; eben das, was Europa unter dem Motto „Einheit in Vielfalt“ erstrebt, vgl. Piazolo, Zum Demokratieprinzip in der Europäischen Union, S. 48; zweifelnd Siedentop, Demokratie in Europa, S. 24. 339 So zutreffend Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 79 ff. 340 König, Die Übertragung von Hoheitsrechten im Rahmen des Europäischen Integrationsprozesses, S. 603 f.

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maßgeblich ist vielmehr allein das rechtlich-formale Band der Staatsangehörigkeit341. Die Aufgabe, den Einfluss der Öffentlichkeit auf die europäische öffentliche Gewalt zu erhöhen, erscheint im Übrigen bereits dann eher lösbar, wenn man als Ziel nicht die Herstellung einer einheitlichen europäischen Öffentlichkeit, sondern ein europäisches Netzwerk von nationalen oder sprachraumbezogenen Öffentlichkeiten in den Blick nimmt. Diese „Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten“ 342 entsteht durch den Diskurs über die Zukunft Europas in den nationalen Arenen, der auch den Interessen der anderen Nationen eine Artikulation ermöglicht343. Analog zum europäischen Mehrebenensystem der öffentlichen Gewalt und zum Mehrebenensystem der Identitäten344 könnte sich so ein Mehrebenensystem der Öffentlichkeiten herausbilden345. Für eine so verstandene europäische Öffentlichkeit spricht zum einen, dass selbst innerhalb der Nationalstaaten regelmäßig nicht eine einzige, einheitliche Öffentlichkeit besteht, sondern ein Netzwerk von sich ständig verändernden Teilöffentlichkeiten 346. Zum anderen entsprechen in dieser Weise differenzierte Öffentlichkeiten eher 341

Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S. 127; Hailbronner, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, Rdnr. 82; Kimminich/Hobe, Völkerrecht, S. 90; Epping, Völkerrechtssubjekte, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 51 (56). 342 Begriff von Gerhards, Westeuropäische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, ZfSoz 1993, S. 96 (102); aufgegriffen und weiterentwickelt von Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 242 f.; in diesem Sinne auch Pernice, Maastricht, Staat und Demokratie, Die Verwaltung 1993, S. 480 f. 343 Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 243; Kühnhardt, Europas Interessen, Die politische Meinung 1999, S. 58 (62); eingehend Habermas, Die postnationale Konstellation und die Zukunft der Demokratie; in: ders., Die postnationale Konstellation, S. 91 (91 ff.). 344 Auch im Bereich der Identitäten geht man davon aus, dass diese nicht einander verdrängen, sondern es Identitäten auf verschiedenen Ebenen gibt; vgl. Hallstein, Der unvollendete Bundesstaat, S. 12: „Auch gibt es wohl [. . .] eine Abstufung des Nationalbewußtseins und des Nationalgefühls. Die politischen Europäer sind nicht, wessen man sie bezichtigt: ,vaterlandslose Gesellen‘. Sie kennen nur neben der engeren Einheit noch ein größeres Vaterland, das europäische.“; ebenso ReeseSchäfer, Supranationale oder transnationale Identität, PVS 1997, S. 318 (326); Candiard, Identités nationales et identité européenne, in: Baerns/Raupp, Transnational Communication in Europe, S. 28 (28 ff.); Schroeder, Demokratie, Transparenz und die Regierungskonferenz, KritV 1998, S. 423 (439). 345 Vgl. Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 83. 346 Grewe, Demokratie ohne Volk oder Demokratie der Völker?, in: Drexl/Kreuzer/Scheuning, Europäische Demokratie, S. 59 (64 f.); Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 235 f.; ähnlich Classen, Europäische Integration und demokratische Legitimation, AöR 1994, S. 238 (256); Ronnenberger, Kommunikationspolitik, Bd. I, S. 117.

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dem Leitbild eines durch Vielfalt und Verschiedenheit reichen Europas als dies beim Streben nach einer homogenisierten Öffentlichkeit der Fall wäre. Das bestehende Netzwerk nationaler Teilöffentlichkeiten347 auf Europa auszudehnen, ist sicherlich eine anspruchsvolle und mit der Erweiterung der Union zunehmend anspruchsvollere Aufgabe. Sie dürfte dagegen nicht unlösbar sein, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass es themenbezogen – etwa in den Bereichen Umweltschutz, Kultur und Wissenschaft – bereits Anzeichen für die Existenz europäisierter Teilöffentlichkeiten gibt348. Schließlich wird bei einer konsequenten Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ein wesentlicher Teil der öffentlichen Tätigkeit dort stattfinden, wo eine hohe Kommunikationsdichte und kein Sprachenproblem bestehen349. Darüber hinaus muss die Meinungsbildung auf europäischer Ebene durch die gleichen Strukturen unterstützt werden, deren zentrale Rolle schon für den nationalen Bereich eingehend herausgearbeitet wurde. Die Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten setzt also zunächst die Entwicklung europäischer Medien oder zumindest stärker europäisierter nationaler Medien voraus350. Wie Jürgen Gerhards treffend feststellte: „Erst wenn über Europa berichtet wird und wenn dies aus einer die nationalstaatliche Perspektive transzendierenden Perspektive geschieht, könnte ein Europa der Bürger entstehen“351. Auf das Modell der europäisierten Teilöffentlichkeiten bezogen, könnte sich die Zielvorgabe für die Medien an dem von Angela Augustin beschriebenen Modell orientieren: „Verschiedene Massenmedien können ein Netz bilden, indem sie aufeinander Bezug nehmen, von den anderen Nachrichten, Meinungen und Kommentare wiedergeben, übernehmen, kommentieren oder kritisieren“352. Daneben kann auch eine europäische, beziehungsweise europäisierte, Parteienlandschaft in gleicher Weise Nutzen stiften wie auf nationaler Ebene353. Aufgabe der politischen Parteien ist es, Interessen europaweit zu 347 von Brünneck, Die öffentliche Meinung in der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (250); Oberreuter, Legitimität und Kommunikation, in: Festschrift Roegele, S. 61 (68). 348 Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 235 f. 349 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 1, Rdnr. 32; Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 238. 350 Glotz, Integration und Eigensinn, in: Stiftung Mitarbeit, Wieviel Demokratie verträgt Europa?, S. 47 (51); Meyer, European Public Sphere and Societal Politics, in: Telò, Démocratie et construction européenne, S. 123 (126); Roberts, Multilateral Institutions and the Right to Information, ELR 2002, S. 255 (275); BVerfGE 89, S. 155 (185) – Maastricht. 351 Gerhards, Westeuropäische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, ZfSoz 1993, S. 96 (99). 352 Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 151.

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aggregieren, zu artikulieren, sie in den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess der europäischen öffentlichen Gewalt einzubringen sowie den Bürgern die europäische Politik zu vermitteln354. So heißt es denn auch deutlich in Art. 191 EGV: „Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewußtsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.“355

Zwar ist nicht zu verkennen, dass europäische politische Parteien die ihnen durch Art. 191 EGV zugewiesenen Aufgaben noch nicht in gleichem Maße erfüllen, wie dies bei den nationalen Parteien in den Mitgliedstaaten der Fall ist. Auch strukturell-organisatorisch ist der Weg von der Parteienkooperation zur Parteienintegration noch nicht vollzogen356. Dies kann aber zu einem wesentlichen Teil bereits damit erklärt werden, dass trotz aller Reformen das Zentrum der Macht auf europäischer Ebene nicht beim Europäischen Parlament, sondern beim Rat liegt, dessen Mitglieder über die nationalen Parlamente legitimiert werden357. Da sich die Entwicklung von Parteien an der Verfassungsentwicklung orientiert358, kann die Herausbildung europäischer Parteien vor allem durch einen Macht- und Bedeutungszuwachs des Europäischen Parlaments gefördert werden359. Immerhin ist aber schon eine starke Europäisierung der nationalen Parteien zu verzeich-

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BVerfGE 89, S. 155 (185) – Maastricht; vgl. auch Tsatsos, Die politischen Parteien in der Grundgesetzordnung, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, Parteiendemokratie in Deutschland, S. 133 (136). 354 Niedermayer, Parteien auf der europäischen Ebene, in: Gabriel/Niedermayer/ Stöss, Parteiendemokratie in Deutschland, S. 443 (453). 355 Wie Art. 21 Abs. 1 GG weist auch Art. 191 EGV den Parteien eine besondere Rolle bei der politischen Willensbildung der Bürger zu, Neßler, Deutsche und europäische Parteien, EuGRZ 1998, S. 191 (193). Ipsen, Die Europäische Union – Zu Reformprogrammen politikwissenschaftlicher Einlassung, in: Festschrift Everling, Bd. I, S. 551 (563), ist allerdings darin zuzustimmen, dass Art. 191 EGV das allumfassende Mandat für die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht mit der gleichen Stringenz zum Ausdruck bringt wie der knappe und uneingeschränkte Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG. 356 Vgl. die Analyse von Niedermayer, Parteien auf der europäischen Ebene, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, Parteiendemokratie in Deutschland, S. 443 (450 ff.); ebenso Augustin, Das Volk der Europäischen Union, S. 145 ff. 357 Neßler, Deutsche und europäische Parteien, EuGRZ 1998, S. 191 (192) sieht hier sogar einen „Teufelskreis der Schwäche“, in dem die Bedeutung des Parlaments durch die ungenügende Ausbildung europäischer Parteien geschwächt wird und das Parlament seinerseits als bedeutungsschwache Einrichtung auch keine Impulse für die Entwicklung einer europäischen Parteienlandschaft geben kann. 358 Jansen, Europäische Parteien, in: Weidenfeld, Europa-Handbuch, S. 395 (398). 359 So auch Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 61 f.

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nen – es gibt kaum eine, deren Programm keine europapolitischen Fragen aufgreift. Schließlich können nichtstaatliche Organisationen und Verbände eine wichtige Brücken- und Mobilisatorfunktion haben360. Solche Organisationen sind zunehmend auf europäischer Ebene aktiv361. Ein gutes Beispiel bot gerade der Entstehungsprozess der neuen Dokumentenzugangsverordnung, bei der sich Bürgerrechtsorganisationen wie Statewatch, aber auch Umweltorganisationen und Medienvereinigungen sehr engagiert zu Wort meldeten362. Auch wenn er nicht wirklich auf das breite Fundament ge360

BVerfGE 89, S. 155 (185) – Maastricht; Curtin, Democracy, Transparency and Political Participation, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 107 (110); Roberts, Multilateral Institutions and the Right to Information, ELR 2002, S. 255 (275). Einen möglichen Demokratisierungseffekt durch den Einfluss organisierter Interessen sehen auch Zürn, Über den Staat und die Demokratie im europäischen Mehrebenensystem, PVS 1996, S. 27 (51); Badura, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstruktur in den internationalen Gemeinschaften, Schlusswort, VVDStRL 23 (1966) S. 139 (140 f.); Lavranos, Besteht wirklich ein Demokratiedefizit in der EG?, KJ 1999, S. 426 (427 f.); ähnlich Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 243. 361 Siehe hierzu die CONECS-Datenbank der Kommission, ein ständig wachsendes Verzeichnis europaweit tätiger Organisationen der Zivilgesellschaft, http://europa.eu.int/comm/civil_society/coneccs/. Einen weiteren Eindruck vermittelt beispielsweise die Teilnehmerliste des Konsultationsforums des Europäischen Konvents, http://europa.eu.int/futurum/forum_convention/organresults_502_de.cfm. Die zumindest bezogen auf allgemein-gesellschaftliche Interessenvertretung noch eher skeptische Bestandsaufnahme von Eising/Kohler-Koch, Inflation und Zerfaserung: Trends der Interessenvermittlung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Streek, Staat und Verbände, S. 175 (195 ff.); sowie Höreth, Die Europäische Union im Legitimationstrilemma, S. 61, Gerhards, Westeuropäische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, ZfSoz 1993, S. 96 (104) bedarf insofern sicherlich der fortgesetzten Überprüfung. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die Verbände sich analog zu der Intensität entwickelt, mit der sich die Gemeinschaften bestimmten Fragen widmen. Wenn die Europäische Gemeinschaft z. B. in zunehmenden Maße Umweltschutz- oder Verbraucherschutzregelungen erlässt, wird dies die auf diesem Gebiet tätigen Verbände zur Aktivität auf europäischer Ebene animieren; vgl. Platzer, Interessenverbände und europäischer Lobbyismus, in Weidenfeld, Europa-Handbuch, S. 410 (421). 362 Sie fanden auch Gehör – wenn auch nicht bei allen europäischen Institutionen, so doch zumindest mittelbar über Anhörungen in den Mitgliedstaaten, vgl. beispielsweise die Anhörung des britischen House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang im Jahr 2000, bei der Nichtregierungsorganisationen gleichberechtigt neben Vertretern der europäischen Organe und Regierungsvertretern aus den Mitgliedstaaten in die Beweisaufnahme einbezogen wurden, siehe dazu die Auflistung in House of Lords, Public Access to EU Documents, Report, S. 51. Im Wesentlichen dürfte aber auch derzeit noch der Befund von Gerhards, Westeuropäische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, ZfSoz 1993, S. 96 (104) zutreffen: „Brüssel ist der Ort der geräuschlosen Lobbies, und nicht der lärmenden Protestakteure.“

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stützt war, welches der Name vermuten ließ, war ein an die Mitglieder des Europäischen Parlaments gerichteter „Open letter from civil society“363 in dieser Sache doch ein ermutigendes Zeichen. Bei der Erfüllung ihrer Mobilisatorfunktion ist das Dokumentenzugangsrecht für diese Organisationen ein wichtiges Hilfsmittel. Wichtig ist darüber hinaus aber auch, dass sich die Gemeinschaftsorgane für die Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen öffnen. Dies gelingt zunehmend besser364, wenngleich, wie gezeigt, der Entstehungsprozess der neuen Dokumentenzugangsverordnung insoweit keine Erfolgsgeschichte war. Natürlich ist trotz allem denen, die Homogenität zur Voraussetzung einer europäischen öffentlichen Meinungsbildung erheben, zuzugestehen, dass ein gewisses „Wir-Bewusstsein“ erforderlich ist. Ein Anreiz, sich partizipatorisch oder kontrollierend am politischen Prozess zu beteiligen, dürfte maßgeblich davon beeinflusst sein, dass man sich in irgendeiner Weise von diesem Prozess berührt fühlt. Nur „was als gemeinsames Anliegen empfunden wird, kann gemeinsam gelöst und gemeinsam verantwortet werden“365. Ein gemeinsames Anliegen kann aus einer unmittelbaren Betroffenheit erwachsen, aber auch – in abgeschwächter Form – wenn eine Identität berührt ist. Insofern ist es wichtig, die europäische Identität zu stärken366. Hier wurde bewusst die Formulierung stärken und nicht schaffen gewählt, denn es spricht viel dafür, dass trotz aller Vielfalt, die sich Europa bisher bewahrt hat und zweifelsohne bewahren wird, eine europäische Identität als „Herkunftseinheit Europas aus gemeinsamer europäischer Geschichte und gemeinsamer kultureller Entwicklung“367 vorhanden368, wenn auch noch ungenügend im Bewusstsein der Europäer verankert ist369. 363

Open letter from civil society on the new code of access to documents of the EU institutions, abgedruckt in Statewatch Bull. 2/2001, S. 22 f. 364 Vgl. zu den entsprechenden Initiativen die Internetseite der Kommission „Die Kommission und die Zivilgesellschaft, http://europa.eu.int/comm/civil_society/ index_de.htm, sowie das Diskussionspapier „Ausbau der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Kommission und Nichtregierungsorganisationen, Januar 2000, Dok.Nr. SG-1999-09318-02-00-DE-TRA-00 (EN). 365 Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (279); ähnlich Scharpf, La démocratie dans les systèmes de négociation, in: Telò, Démocratie et construction européenne, S. 145 (146 f.). 366 Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (279); Lemke, Europa als politischer Raum, KJ 1999, S. 1 (7). 367 Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 154, Ortega y Gasset, Revolt of the Masses, S. 180: „If we were to take an inventory of our mental stock today – opinions, standards, desires, assumptions – we should discover that the greater part of it does not come to the Frenchman from France, nor to the Spaniard from Spain, but from the common European stock [. . .] four-fifths of his spiri-

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bb) Kontrollöffentlichkeit Nicht nur auf staatlicher Ebene, sondern auch für die europäischen Institutionen gilt, dass ihre Tätigkeit der Kontrolle unterliegt. Wie es der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Les Verts/Parlament formulierte, bildet die Europäische Gemeinschaft eine „Rechtsgemeinschaft der Art, daß weder die Mitgliedstaaten noch die Gemeinschaftsorgane der Kontrolle darüber entzogen sind, ob ihre Handlungen im Einklang mit der Verfassungsurkunde der Gemeinschaft, dem Vertrag, stehen“370. Dabei muss wie schon im staatlichen Bereich die institutionalisierte Interorgan- und IntraorganKontrolle durch eine Kontrolle, die von Medien und der öffentlichen Meinung ausgeübt wird, ergänzt werden371. Die Notwendigkeit einer europäischen Kontrollöffentlichkeit bedarf nach mehreren Aufsehen erregenden Skandalen während der letzten Jahre sicherlich keines großen Begründungsaufwandes372. So musste im März 1999 die Kommission unter ihrem Präsidenten Jacques Santer nach Vorwürfen der Korruption, des Nepotismus und der Misswirtschaft zurücktreten373. Zwei Jahre zuvor hatte es bereits ernsthafte Vorwürfe eines Untersuchungsaustual wealth is the common property of Europe.“; ähnlich Siedentop, Demokratie in Europa, S. 285. 368 Ähnlich auch Fells/Niznik, International Journal of Sociology, 22 1–2/SpringSummer 1992, S. 206; Köpke, Was ist Europa, wer Europäer?; in: Köpke/Schmelz, Das Gemeinsame Haus Europa, S. 18 (27 f.); La Torre, European Identity and Citizenship, in: Preuss/Requejo, European Citizenship, Multiculturalism, and the State, S. 87 (103). Zur Bedeutung der Kultur für ein „europäisches Bewusstsein“ vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, S. 170 ff. und den berühmten Ausspruch Jean Monnets: „Si je devais refaire l’Europe, je recommencerais par la culture.“ 369 Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 84 f.; ähnlich auch schon Graf Coudenhove-Kalergi, Die europäische Nation, S. 23. 370 EuGH, Rs. 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, S. 1339, Rdnr. 23; zum Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung im Gemeinschaftsrecht auch Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, S. 456 (459). 371 Vgl. Nicolaysen, Europa als Rechtsgemeinschaft, in: Weidenfeld, EuropaHandbuch, S. 862 (866). 372 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (41 f.); Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1059); Britta Lejon in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Report, S. 12; Astrid Thors in ihrer Rede während einer am 26. April 1999 in Brüssel stattfindenden Konferenz des Europäischen Parlaments zur Transparenz und zum Dokumentenzugang. 373 Vgl. die Rücktrittserklärungen in Bull. EG 3/1999, S. 2. Unmittelbarer Auslöser des Rücktritts war der am 15. März 1999 erschienene Erste Bericht des Ausschusses unabhängiger Sachverständiger über Anschuldigungen betreffend Betrug, Mißmanagement und Nepotismus in der Europäischen Kommission.

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schusses des Parlaments wegen Versäumnissen und Verschleierung im Zusammenhang mit BSE374 gegenüber Rat und Kommission gegeben. Außerdem warf der geplante Wechsel des deutschen Kommissars für Industriepolitik Martin Bangemann als Berater zum spanischen Telefonkonzern Telefónica, der bereits vor seinem Ausscheiden aus dem Amt verhandelt worden war, viele Fragen auf. Auch das Parlament blieb nicht frei von Kritik, hier sei als Stichwort nur die Scheinanwesenheit einiger Abgeordneten während der Straßburger Sitzungswochen genannt. Zwar sind inzwischen auch auf institutioneller Ebene unter dem Eindruck dieser Ereignisse weitreichende Schritte hin zu mehr und effektiverer Kontrolle unternommen worden. So hat die Kommission, gestützt auf ihre Geschäftsordnungsermächtigung, 1999 das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) eingerichtet375. Dessen interne Untersuchungen376 erstrecken sich personell auf alle Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften sowie Mitglieder ihrer Organe. Anders als es der Name des Amtes vermuten lässt, ist die Untersuchungskompetenz des Amtes nicht auf Betrugsfälle beschränkt, sondern erfasst alle rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften und darüber hinaus auch sonstige schwerwiegende Verstöße, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit für die Gemeinschaften stehen und disziplinarrechtlich oder strafrechtlich geahndet werden können377. 374 BSE (=Bovine Spongiforme Enzephalopathie) ist auch unter dem Namen „Rinderwahnsinn“ bekannt geworden. Es handelt sich um eine der Schafkrankheit Scrapie verwandte Erkrankung von Rindern, die im Verdacht steht, beim Menschen das unheilbar zum Tode führende Creutzfeldt-Jakob-Syndrom auslösen zu können. Zu Beginn der neunziger Jahre waren insbesondere im Vereinigten Königreich zahlreiche Fälle von BSE aufgetreten. Nachdem bereits die britische Regierung alles getan hatte, um das Problem zu verschweigen beziehungsweise zu verharmlosen, gerieten auch Rat und Kommission in den Verdacht, keine ausreichenden Maßnahmen zum Schutz der europäischen Bürger zu ergreifen. Speziell der Kommission warf der zur Prüfung dieser Vorgänge eingesetzte Untersuchungsausschuss des Parlaments vor, durch Obstruktion und Verschleierung die Arbeit des Ausschusses behindert zu haben. Vgl. dazu im Einzelnen den Bericht des Nichtständigen Untersuchungsausschusses für BSE des Europäischen Parlaments vom 7. Februar 1997, Berichterstatter Manuel Medina Ortega, Dok. Nr. A4-0020/97. 375 Beschluss 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 28. April 1999 zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. 1999, Nr. L 136, S. 20. 376 Daneben hat das Amt auch die Befugnis zu externen Untersuchungen in Mitgliedstaaten und Drittstaaten, vgl. Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. 1999, Nr. L 136, S. 1. 377 Vgl. Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 und den sechsten Erwägungsgrund des Beschlusses 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 28. April 1999 zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. 1999, Nr. L

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Diese institutionalisierte Kontrolle ersetzt jedoch nicht eine kritische Öffentlichkeit. Dazu muss nicht einmal spekuliert werden, inwieweit die Vorschriften über die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Amtes tatsächlich die nötige Distanz zum Kontrollobjekt und die hinreichende Effektivität der Kontrolle gewährleisten. Entscheidend ist vielmehr die bereits erwähnte Erkenntnis, dass Kontrolle vor allem von der Pluralität ihrer Mechanismen lebt und durch diese volle Wirksamkeit erreicht. Nur die Summe zahlreicher und unberechenbarer Kontrollen durch verschiedene Kontrolleure verspricht wirklichen Erfolg. In Bezug auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit werden Nichtregierungsorganisationen und Medien auch auf europäischer Ebene eine entscheidende Rolle spielen, um Missstände „im Namen des Bürgers“ aufzudecken und die europäische Bevölkerung dafür zu sensibilisieren378. Abschließend soll allerdings noch betont werden, dass das Bedürfnis nach einer öffentlichen Kontrolle der europäischen Institutionen nicht auf die „Skandalöffentlichkeit“ 379 beschränkt ist. Es geht nicht allein um den Kampf gegen Misswirtschaft und Korruption, sondern zum Beispiel auch um die kritische Überwachung des Einflusses partikularer380 oder nicht demokratisch legitimierter Interessen381. Besonders die Vertretung wirtschaftlicher Interessen ist auf europäischer Ebene in beachtlichem Maße ausgeprägt und zeichnet sich durch rege Aktivitäten und enorme Budgets aus382. Auch hier gilt wiederum, dass Interessengruppen wichtige Funktionen, wie Information und Bereitstellung von Expertenwissen, erfüllen können383 und deshalb nicht verteufelt werden sollten. Allerdings ist eine Kontrolle gebo136, S. 20; sowie ferner Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. 1999, Nr. L 136, S. 1. 378 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (40): „kind of well-informed ,early warning mechanism‘, helping to stimulate and focus public deliberations“. 379 Häberle, Europäische Verfassungslehre, S. 150. 380 Gemeint sind hier vor allem organisierte Interessenvertretungen (lobbies); Fischer, Das Demokratiedefizit bei der Rechtsetzung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 134; Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 389. 381 Dies spielt vor allem im Hinblick auf Nichtregierungsorganisationen eine Rolle, Zürn, Über den Staat und die Demokratie im europäischen Mehrebenensystem, PVS 1996, S. 27 (51). Vgl. auch BVerfGE 83, S. 60 (74) – Ausländerwahlrecht zum Einfluss der Vertreter gesellschaftlicher Interessen auf staatliche Tätigkeit: „Verdichtet sich indes die unverbindliche, bloß beratende Teilhabe an der Verwaltung zur Mitentscheidung [. . .], so wird staatliche Herrschaft ausgeübt, die stets demokratisch, d.h. vom Staatsvolk, legitimiert sein muß“. 382 Schaber, Transparenz und Lobbying in der Europäischen Union, S. 266 (271). 383 Schaber, Transparenz und Lobbying in der Europäischen Union, S. 266 (270).

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ten, um sicherzustellen, dass der Einfluss von Partikularinteressen nicht über das gesunde Maß hinaus wächst384. Dazu gehört auch das Problem, das bereits an früherer Stelle unter dem Stichwort „Informationsvermachtung“ angesprochen worden ist. Es ist ein offenes Geheimnis, dass gerade in Brüssel Journalisten und Vertreter organisierter Interessen ein undurchsichtiges Geflecht inoffizieller und privilegierter Informationskanäle nutzen385. Das Dokumentenzugangsrecht eröffnet die Möglichkeit, diesen Informationsvorsprung zumindest zu einem gewissen Teil abzubauen. cc) Öffentlichkeit und Entscheidungseffizienz Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass nicht alle gleichermaßen sorgenfrei auf die Einführung eines umfassenden Transparenzregimes auf europäischer Ebene blicken. So wird vorgebracht, die Forderung nach Transparenz speziell des Rates vernachlässige den besonderen Charakter der dortigen Entscheidungsfindung. In der Tat ist zwar nach allgemeiner Auffassung die Europäische Gemeinschaft keine klassische internationale Organisation, dennoch handelte sie in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht wie eine solche386. Diplomatische Prinzipien387 wie Vertraulichkeit, Verhandlungen hinter verschlossenen Türen388 und eine so genannte „Korridorpolitik“ beherrschten das Bild389. Es wird die Auffassung vertreten, dass diese Prinzi384 Vgl. Lequesne, La transparence: vice ou vertu des démocraties?, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne, S. 11 (17). 385 Vgl. Dyrberg, El acceso público a los documentos y las autoridades comunitarias, RDCE 1997, S. 377 (387). 386 Piris, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 88 (88 f., 93); vgl. auch Dinan, Ever Closer Union, S. 255: „In its defense, the Council could legitimately claim that it is not only the EU’s colegislator, but also an intergovernmental negotiating forum.“; Hayes-Renshaw/Wallace, The Council of Ministers, S. 271. 387 Mead, Special Providence, S. 50: „Diplomacy has always been a secret art; its most inspired practitioners have loved the darkness and fled the light.“; vgl. auch Bailey/Daws, The Procedure of the UN Security Council, S. 53. 388 Wallace, Making multilateral negotiations work, in: Wallace, The dynamics of European Integration, S. 213 (226); Mancini, Europe: The Case for Statehood, in: ders., Democracy and Constitutionalism in the European Union, S. 51 (64); Sobotta, Entscheidungsbesprechung Carvel & Guardian/Rat, EuZW 1996, S. 157 (157); Dahrendorf, Plädoyer für die Europäische Union, S. 222 f. 389 Huber, Demokratie ohne Volk oder Demokratie der Völker?, in: Drexl/Kreuzer/Scheuning, Europäische Demokratie, S. 27 (50 f.); Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (43); Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 11; Meyer, Exploring the EU’s Communication Deficit, JCMS 1999, S. 617 (630); Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (293); Dahrendorf, Plädoyer für die Europäische Union, S. 222 f.; Lamprecht, Untertan in Europa

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pien für die Entscheidungsfindung im Rat sogar von einer gewissen Notwendigkeit seien390. So würden die bisherigen Integrationsfortschritte zu einem großen Teil darauf beruhen, dass Mitgliedstaaten bei Verhandlungen im Rat – meist gegen Zugeständnisse im Hinblick auf andere Entscheidungen – von der Position abgewichen wären, die sie gegenüber der nationalen Öffentlichkeit eingenommen hätten391. Dieses Einlenken geschehe unter der Voraussetzung, dass es nach außen nicht erkennbar werde und damit Rechtfertigungsdruck vermieden werde392. Es wird hier also ein Konflikt zwischen Transparenz und Effektivität der Normgebung gesehen393. Andere sind skeptisch gegenüber einer uneingeschränkten Öffnung der formellen – Über den Mangel an Demokratie und Transparenz, NJW 1997, S. 505 (505); Edwards, National sovereignty vs integration?, in: Richardson, European Union. Power and Policy-Making, S. 127 (143): „deals hammered out in the traditional ,smokefilled rooms‘“. 390 Siehe beispielsweise Höreth, Die Europäische Union im Legitimationstrilemma, S. 276; Brunmayr, The Council’s policy on Transparency, in: Deckmyn/ Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 69 (69); ähnlich Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (928). Deutlich formuliert dies auch der Rat selbst in seinem Vorbringen in EuG, Rs. T-194/94, Carvel & Guardian/Rat, Slg. 1995, S. II-2765, Rdnr. 52; dazu Campbell, Access to European Community Official Information, ICLQ 1997, S. 174 (176). 391 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von package-deals und linkage diplomacy, vgl. Dinan, Ever Closer Union, S. 265. Eine Einigung kann dann erzielt werden, wenn sich die Bilanz aus Gewinnen und Zugeständnissen für alle Seiten als akzeptabel darstellt, Benz, Verhandlungssysteme und Mehrebenen-Verflechtung im kooperativen Staat, in: Festschrift Ellwein, S. 83 (89); ähnlich Wallace, Making multilateral negotiations work, in: Wallace, The dynamics of European Integration, S. 213 (224), die von „Reziprozität“ spricht. 392 Höreth, Die Europäische Union im Legitimationstrilemma, S. 276; vgl. auch Westlake, Maastricht, Edinburgh, Amsterdam, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 127 (130); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 387 f. sowie Benz, Verhandlungssysteme und Mehrebenen-Verflechtung im kooperativen Staat, in: Festschrift Ellwein, S. 83 (89), der darauf hinweist, dass es vielfältige Belege dafür gebe, dass „Verhandlungspartner, die der politischen Kontrolle durch Gremien unterliegen, härter verhandeln, eher auf ihren Ausgangspositionen beharren und höhere Forderungen stellen bzw. weniger konzessionsbereit sind als unabhängige Akteure.“ 393 Constantinesco, Entscheidungsbesprechung EuG Carvel & Guardian/Rat, JDI 1996, S. 464 (467); Wallace, Transparency and the legislative process in the European Union, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne: mythe ou principe juridique?, S. 113 (119 f.); vgl. auch Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (149, 150); ablehnend Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (360 ff.); Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 1, Rdnr. 39. Auch in Art. 207 Abs. 3 Satz 2 EGV ist dieses Spannungsverhältnis angesprochen, wenn es dort heißt, dass der Rat umfassenderen Zugang zu Legislativdokumenten gewähren soll, dabei jedoch die Wirksamkeit des Beschlussfassungsverfahrens zu wahren ist.

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Beratungen, da dies nur eine Verlagerung der kritischen Streitpunkte in informelle und damit wiederum der Öffentlichkeit verschlossene Foren zur Folge hätte394. Dieses Bemühen um die Erhaltung der Entscheidungsspielräume für einzelne Mitgliedstaaten kann jedoch letztlich nicht einseitig zu Lasten demokratischer Strukturen verfolgt werden395. Die Gemeinschaft übt öffentliche Gewalt aus, die auch den Einzelnen betrifft396. Demokratiefreie diplomatische Räume sind damit grundsätzlich unvereinbar397, denn aus Kontrollfreiheit wird leicht Verantwortungsfreiheit398. Ingolf Pernice ist zuzustimmen, wenn er sagt: „So sehr die Öffentlichkeit im Ministerrat den Ablauf der letztentscheidenden Verhandlungen genieren mag, so unentbehrlich ist sie – anders als bei der Diplomatie internationaler Konferenzen – in einem Legislativorgan, das demokratischer Kontrolle unterliegen soll, so wirksam wird sie schließlich sein für die Bildung einer europäischen öffentlichen Meinung.“399

Der durch den Amsterdamer Vertrag in den EG-Vertrag aufgenommene Art. 207 Abs. 3 EGV versucht, eine Balance zwischen dem Transparenzund dem Effektivitätsinteresse zu schaffen. Es heißt dort, dass der Rat im Rahmen seiner gesetzgeberischen Tätigkeit einen besonders weitgehenden Zugang zu seinen Dokumenten gewähren soll, gleichzeitig aber die Wirksamkeit des Beschlussfassungsverfahrens gewahrt bleiben muss. Dieses Maß größtmöglicher Transparenz ist regelmäßig neu zu bestimmen und an veränderte Umstände anzupassen. So ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass komplizierte package-deals im Zuge der Erweiterung der Union ohnehin immer weniger möglich würden und zudem die Ausdehnung des 394 Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (928); Dinan, Ever Closer Union, S. 256: „working lunch“; Höreth, Die Europäische Union im Legitimationstrilemma, S. 276; Mandt, Bürgernähe und Transparenz im politischen System der Europäischen Union, ZfP 1997, S. 1 (14); Sherrington, The Council of Ministers, S. 171; Lodge, Transparency and Democratic Legitimacy, JCMS 1994, S. 343 (346 f.) unter Verweis auf den belgischen Außenminister Willy Claes. Für die nationale Verwaltung ebenso Giesen, Grundrecht auf Informationszugang, DuD 1997, S. 588 (590). 395 Vgl. Dahrendorf, Plädoyer für die Europäische Union, S. 218, der dafür plädiert, Demokratie und Effizienz gleichzeitig zu realisieren. 396 Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S.137 f., 140; EuGH, Rs. 26/ 62, van Gend & Loos, Slg. 1963, S. 3 (25); BVerfGE 89, S. 155 (175) – Maastricht; Piazolo, Zum Demokratieprinzip in der Europäischen Union, S. 43. 397 Klein, Entwicklungsperspektiven für das Europäische Parlament, EuR 1987, S. 97 (100); ders., Die Europäische Union und ihr demokratisches Defizit, in: Festschrift Remmers, S. 195 (200). 398 Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (273). 399 Pernice, Maastricht, Staat, Demokratie, Die Verwaltung 1993, S. 449 (485).

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Mehrheitsprinzips neue Formen der strukturierteren Koalitionsbildung erwarten lasse400. Diese Entwicklungen könnten zunehmend das Bedürfnis nach Geheimhaltung entfallen lassen. Schließlich spricht viel dafür, dass sich insgesamt die größere Transparenz der Entscheidungsprozesse eher als Motor denn als Bremse erweisen und Ralf Dahrendorf Recht behalten wird, der schon in den siebziger Jahren schrieb: „Wenn die europäischen Dinge sich in mancher Hinsicht festgerannt haben, liegt der Grund, so meine ich, weniger in der Ineffizienz der Entscheidungsprozesse als darin, dass der frische Wind staatsbürgerlicher Kritik nicht hineinblasen kann in die klimatisierten Räume, in denen Entscheidungen getroffen werden.“401

3. Zusammenfassende Bewertung Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass das Recht auf Zugang zu Dokumenten eine wichtige Rolle bei der Stärkung der ihrerseits für die Demokratie unverzichtbaren Einbindung der Öffentlichkeit in die Ausübung öffentlicher Gewalt spielen kann. Dies gilt im Nationalstaat ebenso wie für die spezifische Ausprägung, die die Demokratie auf europäischer Ebene gefunden hat. Es ist danach zweifellos richtig, dass Demokratie ohne Transparenz und Publizität der Entscheidungsprozesse nicht denkbar ist402. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Debatte um ein Demokratiedefizit in der Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene, das, so ist man sich wohl inzwischen einig, durch eine Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments allein nicht behoben werden kann. In vielen Fällen, in denen ein solches Demokratiedefizit beklagt wird, handelt es sich auch nicht so sehr um eine Kritik an strukturell unzureichender Legitimation. Es geht vielmehr um den Vorwurf intransparenter Entscheidungsfindung. Mit anderen Worten: Das Demokratiedefizit ist oft ein Transparenzdefizit403. Wenn diesem Transparenzdefizit entgegengewirkt wird, sind zwar nicht alle Probleme der demokratischen Legitimation, die mit der Ausübung hoheitlicher 400 Wallace, Negotiations and Coalition in the European Community, Government and Opposition 1985, S. 453 (471). 401 Dahrendorf, Plädoyer für die Europäische Union, S. 219. 402 Dreher, Transparenz und Publizität bei Ratsentscheidungen, EuZW 1996, S. 487 (487); Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1059). 403 Schmidt-Aßmann, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts: einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 9 (28); Oeter, Souveränität und Demokratie als Probleme in der „Verfassungsentwicklung“ der Europäischen Union, ZaöRV 1995, S. 659 (703); Schuppert, Demokratische Legitimation jenseits des Nationalstaates, in: Heyde/Schaber, Demokratisches Regieren in Europa?, S. 65 (68).

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Gewalt durch europäische Institutionen verbunden sind, überwunden, aber es wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung404. Der Umstand, dass die europäische Öffentlichkeit noch nicht in genügendem Maße ausgeprägt ist, um die ihr zugewiesenen Funktionen gegenwärtig zufrieden stellend erfüllen zu können, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um die Frage, ob die Öffentlichkeit dazu dienen kann, ein etwaiges institutionelles Demokratiedefizit auf europäischer Ebene auszugleichen. Dies ließe sich in der Tat nur dann bejahen, wenn eine solche Öffentlichkeit bereits ausreichend nachweisbar wäre. Prüft man dagegen, ob ein Dokumentenzugangsrecht ein sinnvolles Instrument für die – sei es auch noch in der Entwicklung befindliche – europäische Öffentlichkeit ist, so kann dies weitgehend unabhängig von empirischen Befunden geschehen405.

II. Stärkung des Vertrauens in die Institutionen Neben einer Stärkung der Demokratie steht hinter der Einführung des Dokumentenzugangsrechts vor allem die Hoffnung, eine wesentliche Voraussetzung für ein steigendes Vertrauen der Unionsbürger in die Organe zu erreichen406. Kommissionspräsident Romano Prodi brachte die dahinter stehende Überlegung folgendermaßen auf den Punkt: „Where there is no transparency there is no trust. And without the trust of ordinary people the Commission cannot fulfil the tasks it faces.“407 404 Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1059); Lenz, in: Bergmann/Lenz, Amsterdamer Vertrag, Kapitel 10: Transparenz, Rdnr. 16. 405 Diese Betrachtungsweise wird gestützt durch Larsson, How Open Can a Government Be?, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 39 (41), der betont, dass es keine Theorie gebe, die das genaue Maß an Transparenz vorgebe, das erforderlich sei, um von einer Demokratie sprechen zu können. 406 Geiger, EGV, Art. 255, Rdnr. 1; Hetmeier in: Lenz, EGV, Art. 255, Rdnr. 1; Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (158); O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (406); Lenaerts/van Nuffel, Constitutional Law of the European Union, Rdnr. 13-014; Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (11); Storr, Das Transparenzprinzip als allgemeines Rechtsprinzip in der Europäischen Union, in: Hanns-Martin Schleyer Stiftung, Europa als Union des Rechts – eine notwendige Zwischenbilanz im Prozeß der Vertiefung und Erweiterung, S. 248 (248). Mit dieser Zielsetzung betritt die Gemeinschaft kein Neuland, sondern sie lag beispielsweise auch der US-Gesetzgebung zugrunde, vgl. Schröder, Staatstheoretische Aspekte einer Aktenöffentlichkeit im Verwaltungsbereich, Die Verwaltung 1971, S. 301 (313). 407 Prodi, Let’s Be Crystal Clear, Wall Street Journal Europe, 9. März 2000, S. 11.

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Vertrauen ist dabei jedoch nicht nur Selbstzweck, sondern soll in erster Linie dazu dienen, die Akzeptanz der Entscheidungen der Organe durch die Bürger zu sichern408. In freiheitlich demokratischen Gesellschaften, auf denen sich auch die Gemeinschaft gründet, ist die Akzeptanz des Rechts eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Rechtsordnung409. Akzeptanz meint hier allerdings auch, dass Entscheidungen nicht allein deshalb respektiert werden sollen, weil sie von einer Autorität gefällt wurden und zwangsweise durchgesetzt werden können, sondern vor allem weil sie verständlich und richtig erscheinen410. Nicht „Gesetzesgehorsam statt Gesetzesakzeptanz“411, sondern Gesetzesgehorsam aufgrund von Gesetzesakzeptanz muss die Forderung richtigerweise lauten412. Die Bürger müssen dazu erfahren können, aus welchen Gründen Maßnahmen für erforderlich gehalten wurden und warum sie gerade auf der betreffenden Ebene entschieden werden mussten413. In dieser Hinsicht ergänzt das Dokumentenzugangsrecht die Begründungspflicht gemäß Art. 253 EGV. Da jedoch der Bürger nicht in der Lage sein wird, alle Entscheidungen auf ihre Nachvollziehbarkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen, muss die Akzeptanz zu einem großen Teil auch auf einem Vertrauen in die Entscheidungsträger ruhen. Ein gewisses Maß an Vertrauen ist denknotwendig im repräsentativen System414, und wird, wie Niklas Luhmann herausgearbeitet hat, in einer immer komplexeren und sich schneller wandelnden Welt, die der Einzelne immer weniger selbst erfassen kann, zunehmende Bedeutung erlangen415. Die Anforderungen an das Vertrauen der Bürger 408 Den engen Zusammenhang von Akzeptanz und Vertrauen betont auch Hill, Akzeptanz des Rechts, JZ 1988, S. 377 (377); vgl. ferner Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im Europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 36. 409 Hill, Akzeptanz des Rechts, JZ 1988, S. 377 (377). 410 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (43, 51); ebenso Hill, Akzeptanz des Rechts, JZ 1988, S. 377 (377), der von „Einsicht der Betroffenen“ spricht. 411 So lautet der Titel eines Aufsatzes von Heribert Röken in DÖV 1989, S. 54. 412 Präve, Legitimation durch Anerkennung, DÖV 1990, S. 18 (21 f.); Czybulka, Akzeptanz als staatsrechtliche Kategorie?, Die Verwaltung 1993, S. 27 (29): „Frage einer freiwilligen Befolgung“. 413 Pernice, Maastricht, Staat und Demokratie, Die Verwaltung 1993, S. 449 (485); Klein, Die Zukunft der Europäischen Union und die Identität ihrer Mitgliedstaaten, in: Magiera/Meesen/Meier, Politik und Recht, S. 103 (105). 414 Jäckel, Über das Vertrauen in der Politik, in: Haungs, Politik ohne Vertrauen?, S. 31 (32); Marsh, Introduction, in: ders., Public access to government-held information, S. 1 (5). Dies gilt insbesondere dort, wo Mehrheitsentscheidungen getroffen werden; vgl. Kluth, Europa der Bürger oder Europa der Bürokraten? – Transparenz und Bürgernähe in der Europäischen Union nach dem Amsterdamer Vertrag, in: ders., Die europäische Union nach dem Amsterdamer Vertrag, S. 73 (81). 415 Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion der sozialen Komplexität, S. 17.

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dürfen dabei allerdings nicht zu hoch gehängt werden. Eine „aufgeklärte laizistische Skepsis“416 gegenüber Institutionen kennzeichnet die Haltung der Bürger auch auf nationaler Ebene417, getreu der Maxime John Lockes: „you entrust government to those you distrust“, ohne dass darin eine Entfremdung von Bürgern und Institutionen zu sehen wäre418. Außerdem gilt es auch gerade ein gewisses Maß an Misstrauen zu bewahren, ohne das es auch an einer Bereitschaft zur Kontrolle fehlen würde. Uneingeschränktes Vertrauen wird leicht missbraucht419. Dieses erforderliche Mindestmaß an Misstrauen ist nicht zuletzt im System der Gewaltenteilung institutionalisiert420. Wie fügt sich nun das Dokumentenzugangsrecht in dieses Bild ein? Man könnte argumentieren, dass es in erster Linie ein Kontrollinstrument ist, also nicht ein Ausdruck des Vertrauens, sondern eher des Misstrauens421. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass die beruhigende Wirkung des Dokumentenzugangsrechts hier wie im Rahmen der Kontrolle mehr auf dem potentiellen denn dem tatsächlichen Einsatz beruht. Es geht – und hier wird der direkte Zusammenhang deutlich – um das Vertrauen darauf, dass „derjenige, der seine Entscheidung öffentlich zugänglich macht, sie so getroffen hat, daß er das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen braucht“422. Es handelt sich dabei vor allem um ein Vertrauen in die Eigenschaften des Verfahrens, nämlich seine Öffentlichkeit. Ein solches Vertrauen in Institutionen und Verfahren ist geeignet, das immer vorhandene Misstrauen in die Entscheidungsträger als Personen zu kompensieren423. Die jederzeitige 416

Döring, Aspekte des Vertrauens in Institutionen, ZfSoz 1990, S. 73 (88). Nach einer im Jahr 2002 im Auftrag des Weltwirtschaftsforums durchgeführten Gallup-Umfrage zum Thema „Wem vertrauen Sie?“ gaben weltweit nur 50% der Bürger an, ihren Regierungen zu vertrauen, hinsichtlich der Legislative waren es sogar nur knapp 40%. In Deutschland liegt das Vertrauen jeweils bei etwa 50%; vgl. dazu den Artikel „Vertrauen ist gut, die Armee ist besser“, DIE WELT, 14. November 2002, Rubrik Deutschland. 418 Näher dazu Döring, Aspekte des Vertrauens in Institutionen, ZfSoz 1990, S. 73 ff.; Jäckel, Über das Vertrauen in der Politik, in: Haungs, Politik ohne Vertrauen?, S. 31 (33), der von einem legitimen Nebeneinander von Vertrauen und Misstrauen spricht. 419 Jäckel, Über das Vertrauen in der Politik, in: Haungs, Politik ohne Vertrauen?, S. 31 (34). 420 Schwan, Politik ohne Vertrauen?, in: Haungs, Politik ohne Vertrauen?, S. 9 (19 f.). 421 Vgl. Ronnenberger, Kommunikationspolitik, Bd. I, S. 116. 422 Schröder, Staatstheoretische Aspekte einer Aktenöffentlichkeit im Verwaltungsbereich, Die Verwaltung 1971, S. 301 (314). 423 Schwan, Politik ohne Vertrauen?, in: Haungs, Politik ohne Vertrauen?, S. 9 (26); Jäckel, Über das Vertrauen in der Politik, in: Haungs, Politik ohne Vertrauen, S. 31 (39). 417

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Möglichkeit zur Kontrolle, die das Dokumentenzugangsrecht eröffnet, wirkt damit schon als solche vertrauensbildend424. Diesen Zusammenhang sah bereits Jeremy Bentham, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts feststellte: „In those political communities, in which this check is in its greatest vigour, the condition of the members, in all ranks and classes taken together, is, by universal acknowledgement, the happiest.“425 Für die Akzeptanz, um die es hier letztlich geht, gilt aber auch das, was in Bezug auf das Demokratiedefizit bereits gesagt wurde: Größere Transparenz und insbesondere ein Dokumentenzugangsrecht sind allein noch kein Allheilmittel. Fehlende Akzeptanz kann viele Ursachen haben, von denen Transparenz nur einigen entgegenwirken kann426. Man kann Entscheidungen ablehnend gegenüberstehen, weil sie einem im Ergebnis nicht akzeptabel erscheinen. In einem solchen Fall wird auch eine transparente Entscheidungsfindung an dieser Einstellung nichts ändern. Bei vielen anderen Entscheidungen, die in Brüssel speziell im Bereich der Harmonisierung getroffen werden, stellen sich die Bürger zu Recht die Frage, ob es dieser Entscheidungen überhaupt bedarf427. Man muss nicht unbedingt die berühmt-berüchtigte Standardkrümmung einer Banane428 heranziehen, um dafür Beispiele zu finden. Hier ist nicht in erster Linie Transparenz gefragt, sondern kritische Überprüfung des Aufgabenkataloges der Gemeinschaft429. 424 Vgl. auch Turiaux, UIG, Vor § 1, Rdnr. 15 und Einl, Rdnr. 129: „Es wird dem Verdacht vorgebeugt, daß ohne Wissen der Bevölkerung und über ihren Kopf hinweg Entscheidungen von allgemeinem Interesse getroffen werden.“ 425 Bentham, On the Liberty of the Press, and Public Discussion, S. 13. 426 Vgl. die von Hill, Akzeptanz des Rechts, JZ 1988, S. 377 (378 ff.) benannten „akzeptanzbildenden Faktoren“: Transparenz der Rechtsentstehung, Zustimmung zum Rechtsinhalt, Darreichungsform des Rechts, Art der Rechtsvermittlung, Art des Rechtsvollzuges. 427 Seidelmann, Democracy-Building in the European Union, in: Telò, Démocratie et construction européenne, S. 73 (80). Auch Böckenförde, Die Nation – Identität in Differenz, in, ders. Staat, Nation, Europa, S. 34 (57) betrachtet die „unitarisierende normative Überregulierung der Brüsseler Bürokratie“ als Hindernis für eine Identifikation der Bürger mit Europa. 428 Siehe Anhang I, Pkt. II. A. der Verordnung (EG) Nr. 2257/94 der Kommission vom 16. September 1994 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Bananen, Amtsblatt Nr. L 245 vom 20. September 1994, S. 6, wonach Bananen in allen Güteklassen „frei von [. . .] anormaler Krümmung der Finger“ sein müssen. 429 Dieses Problem wird von Schneider, Leitbilder zu europäischen Integration, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 65 (90 f.), in Anlehnung an Hennis, Legitimität. Zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, in: Kielmansegg, Legitimationsprobleme politischer Systeme, S. 9 (24 f.) unter dem Stichwort „sachliche Legitimation“ des Handelns der Gemeinschaft behandelt. Vgl. dazu auch Gerhards, Westeuropäische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit, ZfSoz 1993, S. 96 (103).

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Schließlich muss das Subsidiaritätsprinzip konsequent angewendet werden, um den Bürgern das Gefühl zu geben, auch in einem sich vereinigenden Europa Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben zu können430, damit der Befund von Ernst-Wolfgang Böckenförde nicht Gültigkeit behält, der sagte: „Die Brüsseler Administration wird von den Völkern und Menschen als eine große Maschinerie wahrgenommen, als etwas Fernes und ihnen Fremdes, dessen Regelwerke sich über sie legen, nicht aber irgendwie von ihnen ausgehen.“431 In vielen anderen Fällen kann jedoch die Transparenz des Entscheidungsverfahrens und der Entscheidungsgrundlagen einen Beitrag zur Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die europäischen Institutionen und damit zur Akzeptanz leisten. Neben der unverzichtbaren übersichtlicheren Gestaltung von Verfahren, Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten432 spielt dabei die tatsächliche und potentielle Überprüfbarkeit einzelner Entscheidungen durch den Zugang zu amtlichen Dokumenten eine zentrale Rolle433. Dieser Zusammenhang wird nicht nur auf europäischer Ebene hergestellt, sondern ist auch im Rahmen nationaler Gesetzgebungsvorhaben, die Dokumentenzugangsrechte zum Gegenstand haben, erkannt worden434.

430 Dahl, A Democratic Dilemma, PSQ 1994, S. 23 (33): „The larger scale of decisions need not lead inevitably to a widening sense of powerlessness, provided citizens can exercise significant control over decisions on the smaller scale of matters important to their daily lives.“ 431 Böckenförde, Welchen Weg geht Europa?, in: ders., Staat, Nation, Europa, S. 68 (91); ähnlich Garzón Clariana, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 110 (122); Lamprecht, Untertan in Europa – Über den Mangel an Demokratie und Transparenz, NJW 1997, S. 505 (505); von Brünneck, Die öffentliche Meinung in der EG als Verfassungsproblem, EuR 1989, S. 249 (258). Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 289, weist spitz darauf hin, dass es schon im Ansatz Bedenken begegne, wenn sich in den Verträge lediglich „Majestäten, königliche Hoheiten und Präsidenten zur Integration bekennen“, nicht aber „Wir, die europäischen Völker . . .“. 432 Diese sind selbst für den im Europarecht beschlagenen Beobachter oft nur schwer zu durchschauen, Höreth, Die Europäische Union im Legitimationstrilemma, S. 274. 433 Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 612; Dubach, Das Recht auf Akteneinsicht, S. 76, ähnlich Schubert, Recht auf Informationszugang, DuD 2001, S. 400 (402); Turiaux, UIG, Vor § 1, Rdnr. 15 und Einl., Rdnr. 129. 434 Im Rahmen der Erarbeitung der Freedom of Information Bill in Großbritannien stellte die Advisory Group on Openness in the Public Sector, Report 1999, Pkt. 1.10 fest: „The perception of excessive secrecy has become a corrosive influence in the decline of public confidence in government.“

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III. Ergebnis Die vorstehende Untersuchung hat ergeben, dass ein allgemeines Recht auf Zugang zu Dokumenten der europäischen Organe durchaus geeignet ist, positive Wirkungen in den ihm zugewiesenen Funktionen zu erzielen. Es ermöglicht der Öffentlichkeit sowohl eine gestaltende als auch eine kontrollierende demokratische Einflussnahme auf die Ausübung europäischer öffentlicher Gewalt. Schließlich kann es in der Tat dazu beitragen, das Vertrauen in die Institutionen zu stärken und so die Akzeptanz der von diesen getroffenen Entscheidungen erhöhen. Inwieweit aus diesem abstrakten Befund auch Realität werden kann, hängt insbesondere von zwei Faktoren ab. Einer von diesen Faktoren soll hier nicht weiter untersucht werden, nämlich wie effektiv die europäische Öffentlichkeit ihre beschriebene wichtige Rolle auch tatsächlich annehmen und ausfüllen wird. Der zweite Faktor wird jedoch im Folgenden näher analysiert. Es handelt sich dabei um die Frage, wie das Dokumentenzugangsrecht konkret ausgestaltet ist.

Teil 2

Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten Der Inhalt der Regeln, die die Ausübung des Rechts im Einzelnen bestimmen, ist entscheidend dafür, inwieweit das Recht auf Dokumentenzugang seine Funktionen effektiv erfüllen kann. Damit ist nicht in erster Linie die Klarheit und Verständlichkeit dieser Regeln angesprochen, obwohl ein erster Schritt in Richtung Transparenz sicherlich bereits durch transparente Vorschriften über den Dokumentenzugang unternommen ist1. Es geht vielmehr darum, ob die konkreten Zugangsregeln eine effektive und umfassende Ausübung des Rechts ermöglichen oder ob sie durch eine Vielzahl offensichtlicher wie versteckter Ausnahmen die praktische Wirksamkeit des Zugangsrechts beeinträchtigen.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV Als Maßstab für diese Analyse kommt dabei zuvorderst die Gewährleistung des Art. 255 Abs. 1 EGV in Betracht, an der sich die Sekundärrechtsakte, die diese Gewährleistung näher ausgestalten, messen lassen müssen2. Wie es der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung formuliert, ist das Primärrecht „Grundlage, Rahmen und Grenze“3 des von diesem abgeleiteten Sekundärrechts. Die in Art. 255 EGV für die Ausgestaltung der Sekundärrechtsakte enthaltenen Vorgaben sind im Wege der Normauslegung zu ermitteln. Bei dieser Auslegung ist den Eigenheiten Rechnung zu tragen, die die Auslegung europäischen Rechts gegenüber den aus dem nationalen Recht vertrauten 1 Rivero, Rapport de synthèse, in: La transparence administrative en Europe, Ann.Eur.Adm.Publ. 1990, S. 307 (317): „Il faut que la transparence ne soit pas formulée en termes opaques.“ 2 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 7; Söderman, The Role and Impact of the European Ombudsman, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 75 (83). Die Verantwortung der Rechtsprechung zur Prüfung und Interpretation des aufgrund von Art. 255 EGV erlassenen Sekundärrechts betont Ragnemalm, The Community Courts and Openness, CYELS 1999, S. 19 (25). 3 EuGH, Rs. 24/75, Petroni, Slg. 1975, S. 1149, Rdnrn. 11/13; Rs. 26/78, Viola, Slg. 1978, 1771, Rdnrn. 9/14; Rs. 93/81, Knoeller, Slg. 1982, S. 951, Rdnr. 9.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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Maßstäben kennzeichnen. Der Gerichtshof greift zwar grundsätzlich methodisch auf das von den Mitgliedstaaten in langer Rechtstradition entwickelte Auslegungsinstrumentarium zurück; er ist jedoch auch gezwungen, es an den Charakter des Gemeinschaftsrechts und die Umstände seiner Entstehung anzupassen4. Neben den Besonderheiten, die für die einzelnen Auslegungsgrundsätze gelten und auch jeweils dort angesprochen werden sollen, sind zwei grundlegende Eigenschaften des Gemeinschaftsrechts zu betonen, die große Auswirkungen auf die Auslegung haben: seine Eigenständigkeit und seine Dynamik. Der Europäische Gerichtshof hat seit jeher den eigenständigen Charakter des Gemeinschaftsrechts betont, das als autonome Rechtsordnung neben die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten trete5. Eng mit dieser Eigenständigkeit verknüpft ist die Forderung, dass die Gemeinschaftsrechtsordnung einen einheitlichen Gehalt gegenüber all jenen bewahren muss, für die sie gilt6. Aus all dem folgt für die Auslegung von Normen des Gemeinschaftsrechts, dass ihr Inhalt grundsätzlich unabhängig, das heißt ohne Bezugnahme auf das Recht einzelner Mitgliedstaaten zu ermitteln ist7. Es soll damit vor allem vermieden werden, dass jeder Mitgliedstaat selbst bestimmen kann, welche Bedeutung gemeinschaftsrechtliche Begriffe in seinem Rechtskreis haben8. Unter dem dynamischen Charakter des Gemeinschaftsrechts wird nicht nur verstanden, dass es sich in passiver Weise an veränderte soziale und wirtschaftliche Verhältnisse anpasst. Der Begriff meint zugleich eine dem Gemeinschaftsrecht innewohnende aktive Dynamik, die auf eine Verwirklichung der Integrationsziele gerichtet ist9 und damit zugleich finalen Cha4 Vgl. Hirsch, Im Namen des Volkes, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 167 (173 f.); Kohler-Gehrig, Europarecht und nationales Recht – Auslegung und Rechtsfortbildung, JA 1998, S. 807 (808). 5 EuGH, Rs. 6/64, Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, S. 1253 (1270). Das heißt jedoch nicht, dass das Gemeinschaftsrecht isoliert vom Recht der Mitgliedstaaten besteht, sondern es existieren starke Verflechtungen, die nicht zuletzt die bekannten Vorrangfragen aufwerfen, Rodríguez Iglesias, Gedanken zum Entstehen einer Europäischen Rechtsordnung, NJW 1999, S. 1 (8). Weiter dazu Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 22 ff. 6 EuGH, verb. Rs. C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Slg. 1991, S. I-415, Rdnr. 26. 7 Bleckmann, Europarecht, Rdnrn. 552 f., 557; EuGH, Rs. C-449/93, Rockfon, Slg. 1995, S. I-4291, Rdnr. 25; EuG, Rs. T-264/97, D/Rat, Slg. ÖD 1999, S. II-1, Rdnr. 27. 8 Potacs, Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S 19; EuGH, Rs. 53/81, Levin, Slg. 1982, S. 1035, Rdnr. 11. 9 Bleckmann, Teleologie und dynamische Auslegung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, in: ders., Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 17

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

rakter aufweist10. Sie kommt in den Vertragsformulierungen, die viele Wollens- und Zielbestimmungen enthalten, deutlich zum Ausdruck11. Für die Auslegung bedeutet dies, dass eine Norm des Gemeinschaftsrechts nicht rückbezogen auf ihren Erlasszeitpunkt, sondern unter Berücksichtigung ihres „Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift zu interpretieren“12 ist.

I. Wortlautauslegung Wie im nationalen Recht gilt auch für das Gemeinschaftsrecht, dass der Wortlaut der Norm den Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet13. Diese Auslegungsmethode begegnet dabei auch im Gemeinschaftsrecht natürlich dem aus dem nationalen Recht hinlänglich bekannten Problem, dass der Wortlaut, zumal der von grundsätzlichen Normen, allein meist noch keine eindeutige Interpretation ermöglicht. Im Gemeinschaftsrecht kommen darüber hinaus Umstände hinzu, die die Wortlautauslegung in ihrer Bedeutung noch weiter in den Hintergrund drängen. So stellen die in den Rechtsakten gewählten Formulierungen oft das Ergebnis eines nach längeren Verhandlungen gefundenen taktischen Formelkompromisses dar14. Solche Kompromisse führen regelmäßig dazu, dass ein ursprünglich vielleicht noch klarer und auslegungsfähiger Wortlaut eines Rechtsetzungsvorschlages durch immer neue Änderungen unverständlich oder mehrdeutig wird. Dies kann unbewusst, aber durchaus auch bewusst geschehen, etwa um verschiedenen Verhandlungspartnern die Möglichkeit einzuräumen, hinterher ihre jeweilige Position aus dem gefundenen Kompromiss „herauslesen“ zu können15. Dies ist zwar auch auf nationaler Ebene kein grundsätzlich unbekanntes Phänomen, aber es tritt natürlich bei fünfzehn Verhandlungspartnern aus unterschiedlichen Staaten, die über (34 ff.); Isensee, Integrationsziel Europastaat?, in: Festschrift Everling, Bd. I, S. 567 (567 f.). 10 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 66 f., 984; Pitschas, Europäische Integration als Netzwerkkoordination komplexer Staatsaufgaben, Jb. Staats- u. Verwaltungswiss., Band 8 (1995), S. 379 (380); nach Schuppert, Zur Staatswerdung Europas, StW&StP 1994, S, 35 (35) ist die Gemeinschaft deshalb „immer auf dem Weg irgendwo hin“ (Hervorhebung im Original). 11 Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 152 f. 12 EuGH, Rs. 283/81, CILFIT, Slg. 1982, S. 3415, Rdnr. 20. 13 Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 539; Oppermann, Europarecht, Rdnr. 682; EuGH, Rs. 53/81, Levin, Slg. 1982, S. 1035, Rdnr. 9. 14 Grundemann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 236. 15 Grundemann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 236.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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Rechtsakte im Rat abstimmen, verschärft auf. Eine eindeutige Auslegung wird schließlich auch dadurch erschwert, dass die Verträge in den verschiedenen Sprachen aller Mitgliedstaaten gefasst sind16, wobei jede Sprachfassung gleichermaßen verbindlich ist17. Was lässt sich nun unter Beachtung dieser Einschränkungen dem Wortlaut des Art. 255 EGV entnehmen? Die Vorschrift lautet wie folgt: (1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen sind. (2) Die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher und privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechts auf Zugang zu Dokumenten werden vom Rat binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam gemäß dem Verfahren des Artikels 251 festgelegt. (3) Jedes der vorgenannten Organe legt in seiner Geschäftsordnung Sonderbestimmungen hinsichtlich des Zugangs zu seinen Dokumenten fest.

Der erste Absatz verleiht damit bereits seinem Wortlaut nach unzweifelhaft ein Recht auf Zugang zu Dokumenten. Es ist jedoch in seinem Anwendungsbereich eindeutig beschränkt auf Dokumente des Europäischen Parlaments, des Rates sowie der Kommission und kann damit keine Geltung für Institutionen beanspruchen, die diesen Organen nicht in irgendeiner Form zuzurechnen sind. Daneben wird es nur Bürgern der Union sowie allen darüber hinaus in der Union ansässigen natürlichen und juristischen Personen gewährt. Bürger aus Drittstaaten können sich also nicht darauf berufen. Außerdem stellt Art. 255 Abs. 1 EGV das Recht auf Dokumentenzugang im gleichen Atemzug, in dem es gewährt wird, unter den Vorbehalt der näheren Ausgestaltung durch Sekundärrechtsakte gemäß der Absätze 2 und 3. Die Formulierung im zweiten Absatz, wonach die Einschränkungen des Zugangsrechts der Rechtfertigung durch private und öffentliche Interessen bedürfen, stellt einen Schutz gegen eine nicht mit derartigen Interessen begründbare – und mithin willkürliche – Beschränkung dar18. Es ist davon 16

Vgl. Ahlt, Europarecht, S. 38; Hirsch, Im Namen des Volkes, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 167 (173); Oppermann, Europarecht, Rdnr. 683; Grundemann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 236. Es ist in einem solchen Fall eine einheitliche Bedeutung für alle Mitgliedstaaten unter Heranziehung der verschiedenen Sprachfassungen zu ermitteln, vgl. Hobe, Europarecht, Rdnr. 148. 17 Art. 53 EUV, Art. 314 EGV. Potacs, Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S 10. Dies gilt auch für die Auslegung, vgl. EuGH, Rs. C-296/95, The Queen/Commissioners of Customs, Slg. 1998, S. I-1605, Rdnr. 36; Rs. 283/81, CILFIT, Slg. 1982, S. 3415, Rdnr. 18. 18 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 285.

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auszugehen, dass der Begriff „Einschränkungen“ eine abschließende Rechtfertigung für Regelungen darstellt, die den Zugang zu bestimmten Dokumenten ausschließen19. Bei den daneben genannten „allgemeinen Grundsätzen“ dürfte es sich danach allenfalls um Verfahrensregelungen und dergleichen handeln. Neben diesem Schutz des Zugangsrechts vor willkürlicher Aushöhlung sind aber Art. 255 EGV auch gewisse Regelungsgebote zu entnehmen. Im Verhältnis zu dem Geschäftsordnungsvorbehalt gemäß Art. 255 Abs. 3 EGV enthält Art. 255 Abs. 2 EGV den Auftrag, sämtliche Grundsätze festzulegen, die gleichermaßen für alle Organe gelten sollen. Dies folgt zwingend aus der Verwendung des Begriffs „allgemeine Grundsätze“ in Art. 255 Abs. 2 EGV gegenüber dem der „Sonderbestimmungen“ in Art. 255 Abs. 3 EGV. Wie bereits angedeutet, enthält Art. 255 Abs. 2 EGV darüber hinaus die exklusive Kompetenz zur Bestimmung der „Einschränkungen“ des Zugangsrechts20. Die Ausgestaltung der Ausnahmetatbestände und sonstigen Beschränkungen bleibt damit einer gemeinsamen Entscheidung21 von Parlament und Rat vorbehalten22 und kann nicht den einzelnen Organen zur Regelung in ihren Geschäftsordnungen überlassen werden23. Außerdem ist Art. 255 Abs. 2 EGV auch ein Gebot zu entnehmen, bestimmte private und öffentliche Interessen zu schützen. Die Ermächtigung zur Festlegung der Einschränkungen ist als Auftrag und nicht als Möglichkeit formuliert24. Das fundamentale Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe kann nämlich in seiner uneingeschränkten Ausübung andere, 19 Ähnlich Curtin, Open Decision-Making and EU (Political) Citizenship, in: O’Keeffe/Twomey, Legal Issues of the Amsterdam Treaty, S. 71 (79). 20 Nordling, Address to the colloquium, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 123 (126); Garzón Clariana, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 110 (113). 21 Es bleibt unverständlich, warum Harlow, Freedom of Information and Transparency as Administrative and Constitutional Rights, CYELS 1999, S. 285 (295 f.), meint, der Vorbehalt in Art. 255 Abs. 2 EGV bestehe nur zugunsten des Rates. 22 Man kann hierin durchaus einen Ansatz erblicken, der dem deutschen Wesentlichkeitsgedanken entspricht, nach dem besonders wesentliche Regelungen durch das Parlament zu treffen sind. Wenn Oberreuter, Gewaltenteilung und Legitimität, S. 126 (129) meint, dass sich der „Wesentlichkeitsgrundsatz“ auf europäischer Ebene geradezu umkehren lasse: „Mit der Bedeutung der Aufgabe sinkt die parlamentarische Beteiligung daran.“; ebenso Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (272), so ist dies ein Befund, der glücklicherweise im Zuge der Ausweitung des Mitentscheidungssystems immer weniger Geltung beansprucht. 23 Curtin, Democracy, Transparency and Political Participation, in: Deckmyn/ Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 107 (114 f.) Zur Reichweite des Vorbehalts in Art. 255 Abs. 3 EGV siehe auch unten „C. Die Geschäftsordnungen“.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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ebenso fundamentale Rechte und Interessen beeinträchtigen25. Es wäre demnach unzulässig, wenn die Sekundärrechtsakte keinerlei Regelungen zur Sicherung kollidierender privater und öffentlicher Interessen enthielten26. Diesen Hintergrund gilt es immer im Blick zu behalten: Die Einschränkungen zum Zugangsrecht sind keine „obstacles sur le chemin de la vérité“27, sondern Schutzvorschriften für andere Rechtsgüter. Sicherlich ist bei den in Betracht kommenden schützenswerten Interessen zu differenzieren. Einige davon werden zwingend und uneingeschränkt Schutz gebieten, bei anderen ist das nicht der Fall. Selbst wenn ein Interesse als so schützenswert angesehen wird, um grundsätzlich in den Katalog der Einschränkungen aufgenommen zu werden, wird weiter zu prüfen sein, in welchem genauen Umfang dieses Interesse des Schutzes bedarf. An dieser Stelle sollen bereits diejenigen Interessen öffentlicher und privater Natur kurz vorgestellt werden, die nach zahlreichen rechtsvergleichenden Untersuchungen regelmäßig in internationalen Vorschriften zum Dokumentenzugangsrecht von Ausnahmetatbeständen geschützt werden28. Hin24 Guggenbühl, A Miracle Formula or an Old Powder in a New Packaging? Transparency and Openness after Amsterdam, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 9 (10); Von diesem Verständnis geht offenbar auch das Gericht erster Instanz in EuG, Rs. T-191/99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, Rdnr. 48 aus. 25 de Salins, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 129 (137); vgl. auch Roberts, Structural Pluralism and the Right to Information, S. 13; Pallaro, Diritto di accesso ai documenti pubblici e protezione di informazioni riservate, DCSI 2001, S. 435 (435). 26 Vgl. Nordling, Address to the colloquium, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 123 (126); Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (682); Garzón Clariana, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 110 (113); ähnlich Ragnemalm, The Community Courts and Openness, CYELS 1999, S. 19 (21). 27 Bredin, Secret, transparence et démocratie, Pouvoirs 2001, S. 5 (9). 28 Dies ist bereits umfangreich dokumentiert worden und auf diese Untersuchungen wird, soweit nicht anders angegeben, für die folgenden Ausführungen Bezug genommen: Europäisches Parlament, The principle of transparency: a comparative overview on the legislation of the EU-Member States and the rules applied by Community institutions, Working Paper POLI 106 EN; Schlachter, Mehr Öffentlichkeit wagen, S. 166 f.; Nolte, Die Herausforderungen für das deutsche Recht der Akteneinsicht durch europäisches Verwaltungsrecht, DÖV 1999, S. 363 (365); Austin, Freedom of Information: The Constitutional Impact, in: Jowell, The Changing Constitution, S. 319 (362 f.); Marsh, Introduction, in: ders., Public access to government-held information, S. 1 (6); ders., Public Access to government-held information: a selective comparative survey, in: ders., Public access to government-held information, S. 292 (292 ff.); Burkert, Informationszugangsrechte in Europa, in: Heymann, Informationsmarkt und Informationsschutz in Europa, S. 86 (89); Fran-

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

sichtlich dieser Gegenstände von Ausnahmen gibt es eine weit reichende internationale Übereinstimmung29. Eine eingehendere Besprechung der Ausnahmen erfolgt dann im Rahmen der Analyse der Verordnung 1049/ 2001. Dort wird auch erst die Frage erörtert werden, wie der Schutz dieser Interessen im Einzelnen ausgestaltet ist. 1. Öffentliche Interessen Zu den regelmäßig in Dokumentenzugangsrechten geschützten öffentlichen Interessen gehören die nationale Sicherheit, die internationalen Beziehungen eines Staates, die wirksame Bekämpfung von Kriminalität und Verwaltungsunrecht, der Schutz von Berufsgeheimnissen und schließlich in einem noch näher zu beschreibenden Sinn das effektive Funktionieren der Verwaltung. a) Nationale Sicherheit Leicht einsichtig ist der Vorbehalt zugunsten der nationalen Sicherheit. Neben der äußeren Sicherheit, die das Verteidigungsinteresse eines Staates betrifft30, kann es auch um die innere Sicherheit, etwa den Kampf gegen Terrorismus, gehen. Beide Bereiche sind durch eine Vielzahl sensibler Informationen gekennzeichnet, deren Bekanntwerden zur Unzeit erhebliche Gefahren mit sich bringen kann. b) Internationale Beziehungen Die Einschränkungen im Hinblick auf die internationalen Beziehungen ergeben sich aus den Besonderheiten, die das Verhältnis von Staaten untereinander gegenüber dem Verhältnis zwischen Staat und Volk kennzeichnen. In den internationalen Beziehungen hat sich offene Diplomatie noch nicht durchgesetzt und wird dies wohl auch in absehbarer Zukunft nicht tun. Eine gewisse Geheimhaltung ist notwendig, will der betreffende Staat sich erfolgreich auf internationalem Parkett bewegen. Daher besteht eine solche kel, Freedom of Information: Some International Characteristics, S. 2; Memorandum von J. W. Amos, eingereicht zur Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 133 (135 ff); Belorgey, L’Etat entre transparence et secret, Pouvoirs 2001, S. 25 (28). 29 Frankel, Freedom of Information: Some International Characteristics, S. 6. 30 Grasset, Secrets défense, Pouvoirs 2001, S. 63 (63): „Tout état-major doit garder secrets la composition de ses forces, la qualité de ses armements, ses plans d’attaques et de défense.“

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Einschränkung selbst in Ländern mit den fortschrittlichsten Transparenzstandards31. c) Wirtschaftliche und finanzielle Interessen Wirtschaftliche und finanzielle Interessen eines Staates können vor allem dann bedroht sein, wenn geplante Maßnahmen in diesem Bereich zu früh bekannt und dadurch in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt werden. Gleichzeitig soll mit der Geheimhaltung dieser Informationen zumeist verhindert werden, dass Einzelne aus Vorabinformationen ungebührliche persönliche Vorteile ziehen können. Genannt werden in diesem Zusammenhang häufig die Steuer- und Währungspolitik32. d) Kriminalitätsbekämpfung und Inspektionstätigkeiten Im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung ergibt sich das Bedürfnis nach Geheimhaltung ähnlich wie bei der zuvor erwähnten Einschränkung der nationalen Sicherheit daraus, dass ein Bekanntwerden bestimmter Tatsachen eine erfolgreiche Aufgabenerfüllung vereiteln würde. Die Effektivität der Kriminalitätsbekämpfung würde enorm darunter leiden, wenn Informationen – etwa über Polizeistrategien – an die Öffentlichkeit gelangten oder Kriminelle diese gar selbst per Dokumentenzugang abfragen könnten33. Dass die Kriminalitätsbekämpfung um ihrer Effektivität willen grundsätzlich eine Geheimhaltung rechtfertigt, zeigen nicht zuletzt auch die in den nationalen Rechtsordnungen verankerten Befugnisse für „heimliche“ Ermittlungsmaßnahmen, wie zum Beispiel verdeckte Ermittlungen oder Telefonüberwachungen. Es wäre fatal, wenn etwa ein verdeckter Ermittler über das Dokumentenzugangsrecht enttarnt werden könnte. Gerade bei diesem grundrechtssensiblen Bereich ist aber wiederum regelmäßig auch eine richterliche Kontrolle vorgeschrieben, womit besonders deutlich wird, dass die gebotene Heimlichkeit des polizeilichen Handelns natürlich keine absolute sein kann. Diese Ausführungen lassen sich auf Inspektionstätigkeiten34 übertragen, die 31 Vgl. die Nachweise bei Schlachter, Mehr Öffentlichkeit wagen, S. 166, Fn. 213; Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (318); Petrén, Die Aktenöffentlichkeit in Schweden, VerwArch 1958, S. 323 (325): „das bedeutet, daß der größte Teil der Akten des Außenamtes nicht allgemein zugänglich ist.“ 32 Marsh, Public Access to government-held information: a selective comparative survey, in: ders., Public access to government-held information, S. 292 (309 f.). 33 Rivero, Rapport de synthèse, in: La transparence administrative en Europe, Ann.Eur.Adm.Publ. 1990, S. 307 (315). 34 In Schweden sind in diesem Zusammenhang „inspection, control or other supervisory activities of public authority“ als Ausnahmetatbestände anerkannt, Swe-

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nicht der Strafverfolgung, sondern der verwaltungsrechtlichen Gefahrenabwehr dienen, beispielsweise im Bereich der Lebensmittel- oder Seuchenschutzkontrolle. e) Berufsgeheimnisse Das Dokumentenzugangsrecht darf natürlich auch nicht dazu dienen, Informationen zu verbreiten, die von einer beruflichen Pflicht zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung erfasst sind. Wichtigstes Privileg ist insoweit das der Rechtsberatung. So wie das Anwalt-Mandanten-Verhältnis für Strafverfolgungsbehörden unantastbar ist, muss es das auch für Dokumentenzugangsgesuche sein. Inwieweit diese Argumentation sich aber auch auf den für die öffentliche Hand typischen Fall erstrecken lässt, dass die Rechtsberatung nicht durch einen externen Rechtsbeistand, sondern einen eigenen Rechtsdienst erfolgt, ist dagegen schwieriger zu beantworten. Schließlich wird ein Zugang zu Dokumenten dann nicht zu gewähren sein, wenn damit ein Verstoß gegen ein begründetes Gebot der Amtsverschwiegenheit einherginge, die Mitarbeiter von Behörden zu beachten haben. f) Interne Willensbildung und Funktionsfähigkeit der Verwaltung Dokumentenzugangsvorschriften enthalten regelmäßig auch Ausnahmetatbestände, die einen Teil der internen Willensbildung der Verwaltung vom Zugangsrecht ausnehmen35. In diesen Zusammenhang gehört die Frage, ob der öffentlichen Gewalt ein Raum zum Überlegen frei von äußerem Druck zuzugestehen ist. Es bestehen allerdings erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung dieses Schutzes. Dies kann schon darauf beruhen, dass man den Schutzzweck unterschiedlich definiert. So könnte man zum einen generell der Auffassung sein, dass der öffentlichen Gewalt ein gewisser, per se nicht überprüfbarer Entscheidungsspielraum zugestanden werden müsse. Insoweit lässt sich Bezug nehmen auf das, was das Bundesverfassungsgericht im Flick-Urteil in Anlehnung an Rupert Scholz36 mit dem „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ beschrieben hat. Dort heißt es mit Blick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz: „Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk [. . .] setzt notwendigerweise einen ,Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung‘ voraus [. . .], der einen [. . .] grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handdish Ministry of Justice, The Right of Access to Official Documents in Sweden, S. 6. 35 Genauer dazu Dubach, Recht auf Akteneinsicht, S. 332 ff. 36 Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 1980, S. 598.

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lungsbereich einschließt. Dazu gehört z. B. die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.“37

Demgegenüber kann man aber auch die Anerkennung eines solchen absoluten Freiraums ablehnen und ihn auf das Maß beschränken, das die öffentliche Gewalt benötigt, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Wollte man nach dieser Betrachtung zum Beispiel den Zugang zu internen Diskussionspapieren, Stellungnahmen oder freiwillig von dritter Seite gegebenen Informationen verweigern, müsste man belegen, dass diese unverzichtbare Entscheidungshilfen darstellen und gerade unter der Bedingung der Vertraulichkeit zur Verfügung gestellt wurden. 2. Private Interessen Neben diesen öffentlichen Interessen sind in allen Dokumentenzugangsgesetzen zwei private Interessen vor Beeinträchtigungen durch einen Dokumentenzugang geschützt: Erstens ist das der Schutz der Privatsphäre und der Kontrolle von Individuen über die Verbreitung ihrer personenbezogenen Daten. Zweitens werden private geschäftliche Interessen vor Nachteilen geschützt, die sich aus dem Zugang Dritter zu Geschäftsgeheimnissen ergeben können. a) Privatsphäre und Datenschutz Der Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen, die sich aus der unkontrollierten Verbreitung personenbezogener Daten insbesondere für seine Privatsphäre ergeben können, ist unabdingbar. Dieser Rechtsgrundsatz ist nicht nur auf nationaler38 und internationaler Ebene39 gesichert, sondern er gilt auch im Gemeinschaftsrecht40. Wichtig ist natürlich insoweit, die Grenzen dessen, was privat und personenbezogen ist, näher zu bestimmen, um den Anwendungsbereich dieser Einschränkung nicht ungebührlich zu überdehnen. Diese Bestimmung muss objektiv erfolgen, darf also nicht allein der Festlegung durch die Betroffenen unterliegen. 37

BVerfGE 67, S. 100 (139) – Flick. Im deutschen Recht greift insoweit das vom Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) entwickelte „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ ein, vgl. BVerfGE 65, S. 1 (41 ff.) – Volkszählung. 39 Vgl. beispielsweise Art. 8 EMRK. 40 Siehe EuGH, Rs. C-404/92 P, X/Kommission, Slg. 1994, S. I-4780, Rdnr. 17 sowie Art. 286 EGV; ferner Art. 7 und 8 EU-Charta. 38

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b) Sensible Geschäftsinformationen Es muss weiter vermieden werden, dass die öffentliche Gewalt durch die Freigabe von Informationen, die sich in ihrem Besitz befinden, dazu beiträgt, dass Unternehmen im Wettbewerb gegenüber anderen nennenswert benachteiligt werden, beziehungsweise sonst erhebliche Einbußen erleiden. Daher ist auch der Zugang zu geschäftlichen Informationen gewissen Zugangsbeschränkungen zu unterwerfen. 3. Zusammenfassung zur Wortlautauslegung Die Auslegung des Wortlauts hat aufgezeigt, dass Art. 255 Abs. 1 EGV ein subjektives Recht auf Zugang zu Dokumenten gewährt. Dieses Recht ist zunächst dadurch beschränkt, dass es sich nur auf Dokumente von Parlament, Rat und Kommission erstreckt und auch nur Unionsbürgern und in der Union ansässigen natürlichen und juristischen Personen zugesprochen wird. Darüber hinaus ist das Zugangsrecht unter den Vorbehalt der Ausgestaltung und Einschränkung durch Sekundärrechtsakte gestellt. Mit diesem Vorbehalt ist jedoch keine Gefahr einer willkürlichen Aushöhlung des Zugangsrechts verbunden, denn Einschränkungen dürfen nur insoweit vorgenommen werden, wie sie für den Schutz öffentlicher und privater Interessen notwendig sind; in diesem Umfang muss der Schutz aber auch tatsächlich vorgesehen werden. Schließlich besteht ein Gebot, die für den Gehalt des Zugangsrecht entscheidenden Einschränkungen abschließend in dem gemeinsam von Rat und Parlament zu verabschiedenden Sekundärrechtsakt zu regeln und sie nicht der Ausgestaltung in den Geschäftsordnungen der Organe zu überlassen. Die bis hierhin aufgrund des Wortlauts von Art. 255 EGV gewonnenen Erkenntnisse können jedoch nach den einleitenden Bemerkungen zu den Problemen der Wortlautauslegung nur der Ausgangspunkt einer Norminterpretation sein, die sich darüber hinaus maßgeblich auf weitere Kriterien stützen muss.

II. Historische Auslegung Die historische Auslegung, die im klassischen Kanon der Wortlausauslegung nachfolgt, knüpft an die Entstehungsgeschichte einer Norm an. Dabei können entweder in einer subjektiv-historischen Auslegung der Willen der Mitgliedstaaten als historische Gesetzgeber oder in einer objektiv-historischen Auslegung die Funktion einer Norm bezogen auf den Zeitpunkt ihres Erlasses als maßgeblich angesehen werden. Die subjektiv-historische Auslegung steht allerdings vor dem kaum lösbaren Problem, den Willen der Mitgliedstaaten bei Erlass einer Norm

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in einem durch Verhandlungen und Kompromisse geprägten Verfahren zu ermitteln. Regelmäßig werden sich die Motive der jeweiligen Staaten nicht verlässlich feststellen lassen und noch weniger, inwieweit diese Motive schließlich auch Eingang in die jeweilige Vertragsfassung gefunden haben41. Dies wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die vorbereitenden Materialien für Verträge nicht veröffentlicht werden42. Selbst wenn es dennoch gelänge, einen entsprechenden Willen zu ermitteln, könnte dieser dennoch nicht bedenkenfrei zur Interpretation herangezogen werden. Es würde den Geboten der Rechtssicherheit, der Rechtsstaatlichkeit und nicht zuletzt der Transparenz widersprechen, Vertragsbestimmungen anhand nicht veröffentlichter Dokumente auszulegen43. Aus diesem Grund lässt auch der Europäische Gerichtshof solche Materialien bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts unberücksichtigt44. Schließlich steht die subjektiv-historische Auslegung auch im Widerspruch zum Charakter des Gemeinschaftsrechts als eigenständige objektive Rechtsordnung45. Auch die objektiv-historische Auslegung steht im Konflikt mit einer grundlegenden Eigenschaft der Gemeinschaftsrechtsordnung, nämlich ihrer Dynamik. Mit diesem auf Berücksichtigung der Integrationsfortschritte ausgerichteten Charakter ist es unvereinbar, Normen anhand einer Funktion zu interpretieren, die sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatten46. Würde es die objektiv-historische Auslegung jedoch unternehmen, auch den dynamischen Charakter der Gemeinschaftsrechtsordnung zu berücksichtigen, so hätte sie keine eigenständige Daseinsberechtigung neben der teleologischen Auslegung47.

41 Hirsch, Im Namen des Volkes, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 167 (174). 42 Ahlt, Europarecht, S. 38; Grundemann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 292. Anders stellt sich die Situation beim Sekundärrecht dar, vgl. Potacs, Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S 22. Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofes, in: ders., Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 1 (3) geht deshalb auch davon aus, dass der Gerichtshof beim Primärrecht objektive und beim Sekundärrecht eher subjektive Auslegungsmethoden heranzieht. 43 Dittert, Ausschließliche Kompetenzen, S. 82. 44 Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofes, in: ders., Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 1 (5). 45 Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 538. 46 Vgl. Grundemann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 292 f. 47 Auch die teleologische Auslegung berücksichtigt nämlich die Ziele, die mit dem Erlass eines Rechtsaktes verfolgt wurden; vgl. Grundemann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 341.

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Aus diesen Gründen spielt die historische Auslegung für das Gemeinschaftsrecht, speziell im Bereich des Primärrechts, keine nennenswerte Rolle48. Sie soll deshalb nicht weiter verfolgt werden.

III. Systematische und teleologische Auslegung Von großer Bedeutung ist dagegen die Auslegung nach Systematik und Teleologie. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Wortlautauslegung keine eindeutigen Ergebnisse liefert49. Bei dieser Auslegungsmethode geht es darum, einzelne Rechtsnormen zu einem sinnvollen und harmonischen Ganzen zu verknüpfen50. Diese Norminterpretation berücksichtigt maßgeblich die Stellung und Funktion einer Norm im Gesamtgefüge der Verträge51. Die systematische Auslegungsmethode lässt sich von der teleologischen Auslegung, die nach dem Sinn und Zweck einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung fragt52, nur schwer trennen53. Das gilt vor allem, wenn für die Ermittlung von Sinn und Zweck etwa einer primärrechtlichen Vorschrift auf Zielbestimmungen in den Verträgen zurückgegriffen wird54. Der Europäische Gerichtshof hat dementsprechend in seiner Rechtsprechung beide Auslegungsmethoden oft in einer Weise miteinander kombiniert, dass dafür im Schrifttum bereits der Begriff der „systematisch-teleologischen Auslegung“ geprägt wurde55. Von besonderer Bedeutung ist der in diesem 48

So erwähnt der Gerichtshof in EuGH, Rs. 26/62, van Gend & Loos, Slg. 1963, S. 3 (24) auch als Auslegungsmethoden für den damaligen EWG-Vertrag nur den „Geist“ der Vorschriften, ihre Systematik und ihren Wortlaut; ebenso EuGH, Rs. 53/ 81, Levin, Slg. 1982, S. 1035, Rdnr. 9; zum Sekundärrecht vgl. EuG, Rs. T-102/96, Gencor/Kommission, Slg. 1999, S. II-753, Rdnrn. 128–130; ferner Nicolaysen, Europarecht I, S. 49; Hobe, Europarecht, Rdnr. 150; Oppermann, Europarecht, Rdnr. 687. 49 EuGH, Rs. C-72/95, Kraaijeveld, Slg. I-5403, Rdnr. 28. 50 Bleckmann, Das Demokratieprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: ders., Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 159 (169). 51 Hobe, Europarecht, Rdnr. 149; EuGH, Rs. 283/81, CILFIT, Slg. 1982, S. 3415, Rdnr. 20. 52 Der Europäische Gerichtshof spricht insoweit auch vom „Geist der Vorschriften“, vgl. EuGH, Rs. 26/62, van Gend & Loos, Slg. 1963, S. 3 (24); Oppermann, Europarecht, Rdnr. 685. 53 Hirsch, Im Namen des Volkes, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 167 (174): „Die Suche nach dem Ziel einer Norm in ihrem systematischen Kontext beherrscht die Suche nach der richtigen Auslegung einer Norm“ (Hervorhebung durch Verfasser). Dies ist durchaus keine auf das Gemeinschaftsrecht begrenzte Feststellung, sondern sie gilt auch im deutschen Recht, vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 79. 54 Dittert, Ausschließliche Kompetenzen, S. 86; zur Auslegung primärrechtlicher Normen mit Blick auf die Vertragsziele vgl. auch BVerfGE 89, S. 155 (209) – Maastricht; Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 547; Hobe, Europarecht, Rdnr. 151.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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Rahmen vom Gerichtshof immer wieder herangezogene Grundsatz, wonach Normen unter dem Gesichtspunkt ihrer optimalen Wirksamkeit (effet utile)56 auszulegen sind. 1. Art. 255 EGV – Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes? Die folgende Auslegung wird sich darauf konzentrieren, die Rechtsnatur des in Art. 255 Abs. 1 EGV enthaltenen Rechts auf Zugang zu Dokumenten von Rat, Parlament und Kommission näher zu beleuchten. Seit die Transparenz auf der Agenda der Union steht, gibt es eine Debatte darüber, ob im Gemeinschaftsrecht ein allgemeiner Rechtsgrundsatz auf Zugang zu den Dokumenten der europäischen Institutionen besteht. Im Verlauf dieser Debatte stellt die primärrechtliche Verankerung des Dokumentenzugangsrechts in Art. 255 EGV eine wichtige Zäsur dar, so dass die folgende Diskussion auch in die Zeit vor und nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam unterteilt werden soll. a) Rechtslage vor dem Amsterdamer Vertrag Wie bereits dargestellt, gab es vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags ein geschriebenes Dokumentenzugangsrecht nur in Beschlüssen der Organe, die diese gestützt auf ihr Selbstorganisationsrecht gefasst hatten. Dennoch gab es Stimmen, die bereits zum damaligen Zeitpunkt von der Existenz eines ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Gemeinschaftsrechts ausgingen, wonach Bürgern der Zugang zu den Dokumenten der Organe zu gewähren sei57. Von den Befürwortern eines solchen 55 Dittert, Ausschließliche Kompetenzen, S. 86; Grundemann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 297; Borchardt, in: Lenz, EGV, Art. 220, Rdnr. 16; Schweitzer/Hummer, Rdnr. 453; Bengoetxea, The Legal Reasoning of the European Court of Justice, S. 250: „teleo-systematic criteria“. 56 Beispielhaft EuGH, Rs. C-223/98, Adidas, Slg. 1999, S. I-7081, Rdnr. 24; Hirsch, Im Namen des Volkes, in: Akademie für politische Bildung Tutzing, Legitimation, Transparenz, Demokratie, S. 167 (174); Hobe, Europarecht, Rdnr. 151; Oppermann, Europarecht, Rdnr. 686; Potacs, Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S. 15. 57 Explizit in diesem Sinne beispielsweise Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 346; Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (560); Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 59; Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 19– 21; a. A. Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (167 und Fn. 23); Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in:

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allgemeinen Rechtsgrundsatzes wurde vor allem angeführt, dass die Rechtsordnungen der weit überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten ein Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Gewalt enthielten58. In einigen Fällen komme diesem Recht sogar Verfassungsrang zu, meist im Zusammenhang mit der grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit59. Dagegen ist jedoch eingewandt worden, dass gerade der Rechtsvergleich unter den Mitgliedstaaten zeige, dass die Stellung des Dokumentenzugangsrechts in der Normenhierarchie und der subjektiv-rechtliche Gehalt – abgesehen von dem Zugang zu Umweltinformationen – von Staat zu Staat sehr verschieden seien60. Damit blieben zumindest der genaue Umfang und die Grenzen eines solchen Rechts unklar. Der Europäische Bürgerbeauftragte geht unter Verweis auf die Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache Niederlande/Rat davon aus, dass für alle Institutionen eine rechtliche Verpflichtung bestehe, zur Gewährleistung einer „guten Verwaltungsführung“ Zugangsregelungen zu schaffen61. Eine Nichterfüllung dieser Verpflichtung könne als „Missstand“ in der Verwaltungspraxis zu werten sein62. Die maßgebliche Passage des Gerichtsurteils lautet: „Solange der Gemeinschaftsgesetzgeber keine allgemeine Regelung über das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten, die im Besitz der Gemeinschaftsorgane sind, erlassen hat, müssen diese die Maßnahmen, die die Behandlung darauf gerichteter Anträge betreffen, aufgrund ihrer internen Organisationsgewalt erlassen, in deren Rahmen sie geeignete Maßnahmen treffen können, um das reibungslose Arbeiten ihrer Dienststellen im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu gewährleisten.“63

Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (105), der meint, man hätte vor Einführung des Art. 255 EGV auch alle Zugangsregeln wieder abschaffen können; in diesem Sinne wohl ebenfalls Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (915). 58 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 55, 59; Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 19. 59 Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (158). 60 Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (187 und Fn. 23), Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (827); kritisch auch Davis, The Court of Justice and the right of public access to Community-held documents, ELR 2000, S. 303 (308). 61 Söderman, The Role and Impact of the European Ombudsman, in: Deckmyn/ Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 75 (80), ders., Jahresbericht 1996, ABl. 1997, Nr. C 272, S. 1 (40). 62 Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament vom 15. Dezember 1997 (616/PUBAC/F/IJH), ABl. 1998, Nr. C 44, S. 9 (9). 63 EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 37.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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Sowohl die Bewertungen des Bürgerbeauftragten als auch die des Gerichtshofes beantworten aber nicht die Frage, ob es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach Bürgern ein genereller Anspruch auf Zugang zu Dokumenten der europäischen Institutionen zusteht64. Vielmehr betreffen sie eine verfahrensrechtliche Gewährleistung, wonach der Bürger, der einen Antrag an die Organe richtet, nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltungsführung65 einen Anspruch darauf hat, dass dieser Antrag nach nachvollziehbaren Regeln beschieden wird66. Es wird jedoch kein Gebot hinsichtlich des Inhalts der Zugangsregeln aufgestellt. Diese Sichtweise wird in der Entscheidung WWF UK/Kommission bestätigt, in der das Gericht erster Instanz formuliert: „Mit dem Erlaß des Beschlusses 94/90 hat die Kommission gegenüber den Bürgern, die Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten erhalten wollen, zum Ausdruck gebracht, daß ihre Anträge gemäß den hierfür vorgesehenen Verfahren, Bedingungen und Ausnahmen behandelt werden. Der Beschluß 94/90 ist somit eine Handlung, die Dritten Rechte, die die Kommission zu beachten hat, verleihen kann, auch wenn dieser Beschluß tatsächlich eine Reihe von Verpflichtungen mit sich bringt, die sich die Kommission freiwillig als Maßnahmen der internen Organisation auferlegt hat.“67

Klarer kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass es aus Sicht der Rechtsprechung keinen übergeordneten Rechtsgrundsatz gab, der die Gewährung eines allgemeinen Dokumentenzugangs gebot. Diese Auffassung bestätigte das Gericht erster Instanz auch in der Rechtssache Interporc/ Kommission II. Dort hatte die Klägerin eine Regelung im Zugangsbeschluss 64 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 322; Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-41/00 P, Interporc/Kommission II, vom 12. März 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnr. 78; a. A. Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (353): „la Cour semble reconnaître que le droit d’accès reflète un principe inhérent au droit communautaire“. 65 Vgl. zur Bedeutung des Begriffes der „ordnungsgemäßen“ oder auch „guten“ Verwaltung näher Martínez Soria, Die Kodizes für gute Verwaltungspraxis, EuR 2001, S. 682 (684 ff); außerdem Art. 41 EU-Charta, der den Titel „Recht auf eine gute Verwaltung“ trägt; ausführliche Nachweise auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes finden sich in Rat der Europäischen Union, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Erläuterungen, Art. 41, S. 58 f. 66 So auch Stein, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe, in: Hummer, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, S. 141 (152); McDonagh, FOI in Ireland and Europe, IJLI 2001, S. 219 (265 f.); Ragnemalm, The Community Courts and Openness, CYELS 1999, S. 19 (23); a. A. Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (354). 67 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 55 (Hervorhebung durch Verfasser); ebenso Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (915); vgl. auch Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (12).

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

der Kommission angegriffen, wonach die Kommission keinen Zugang zu Dokumenten gewährt, deren Urheber sie nicht ist. Das Gericht entschied, dass eine solche Einschränkung zulässig ist, „solange es keinen höherrangigen Rechtsgrundsatz gibt, nach dem die Kommission nicht befugt ist, in dem Beschluß 94/90 Dokumente, deren Urheber sie nicht ist, vom Geltungsbereich des Verhaltenskodex auszunehmen“68. Schließlich lässt sich auch darüber hinaus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz kein zwingender Ansatzpunkt dafür entnehmen, dass diese von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Dokumentenzugangsrechts ausgehen69. Der Europäische Gerichtshof meinte in der bereits erwähnten Rechtssache Niederlande/Rat mit Blick auf die Rechtslage in den Mitgliedstaaten und die Rechtsentwicklung auf Gemeinschaftsebene lediglich, dass die Entscheidung des Rates, Zugang zu seinen Dokumenten zu gewähren, offenbar durch die Existenz eines solchen Rechts in der überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten und die Bekräftigung der Bedeutung dieses Rechts auf Gemeinschaftsebene motiviert gewesen sei70. Einen entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz hat der Gerichtshof damit jedoch nicht anerkannt71. Zum Teil wird zwar die Auffassung vertreten, dass speziell das Gericht erster Instanz immer wieder die Entscheidungen von Rat und Kommission 68

EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 66. Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (187); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (12 f.); Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 321; Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (559); a. A. Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 4 f. 70 EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnrn. 34–36. 71 Vgl. O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (412); Lafay, L’accès aux documents du Conseil de l’Union, RTDE 1997, S. 37 (49); Blanchet, Le Traité d’Amsterdam, RTDE 1997, S. 915 (918); Dyrberg, El acceso público a los documentos y las autoridades comunitarias; RDCE 1997, S. 377 (410); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (13); de Leeuw, Entscheidungsbesprechung WWF UK/Kommission, EPL 1997, S. 339 (348). a. A. Nolte, Die Herausforderungen für das deutsche Recht der Akteneinsicht durch europäisches Verwaltungsrecht, DÖV 1999, S. 363 (366); Bergerès, Entscheidungsbesprechung, Rec. Dalloz Sir. Jur. 1997, S. 19 (19); De Smijter, Entscheidungsbesprechung EuGH Niederlande/Rat, RMUE 1996, S. 257 (257), Chiti, Entscheidungsbesprechung EuGH Niederlande/ Rat, EPL 1996, S. 563 (569). Vermittelnd äußert sich Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (826 f.), der aus den Ausführungen des Gerichtshofes (insbesondere aus dem Verweis auf die Rechtslage in den Mitgliedstaaten) darauf schließt, dass man unter Umständen von der Anerkennung eines sehr allgemeinen Prinzips ausgehen könne, dessen genauer Gehalt allerdings unklar sei. 69

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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an einem „allgemeinen Prinzip des weitestmöglichen Zugangs zu Dokumenten“ messe und darin die Anerkennung eines entsprechenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes erblickt werden könnte72. Dieses Verständnis der Ausführungen des Gerichts dürfte jedoch auf einem Missverständnis beruhen. Es spricht vieles dafür, dass das allgemeine Prinzip, auf welches das Gericht immer wieder Bezug nimmt, nur dasjenige ist, dass der Verhaltenskodex beziehungsweise die entsprechenden Anwendungsbeschlüsse bereits selbst enthielten73. So steht im Verhaltenskodex unter der Überschrift „Allgemeiner Grundsatz“ die Regel des „möglichst umfassenden Zugangs“74. Dies betrifft aber allein die Anwendung des Kodexes und kann keinen darüber hinausgehenden Rechtsgrundsatz begründen oder auch nur anerkennen. Der Begriff „allgemeiner Grundsatz“ findet sich zum Beispiel auch in der Ermächtigung zum Erlass eines Sekundärrechtsakts in Art. 255 Abs. 2 EGV, ohne dass in diesem Fall jemand auf die Idee käme, darin die Ermächtigung zur Aufstellung allgemeiner Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts zu erblicken. Zuzugeben ist, dass insbesondere die Formulierung des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Hautala/Rat, die Ausnahmetatbestände des Zugangsbeschlusses des Rates seien unter „Berücksichtigung der Grundsätze des Rechtes auf Information und der Verhältnismäßigkeit“ 75 auszulegen, ein gewisses Indiz für die Anerkennung eines unabhängig vom Zugangsbeschluss bestehenden fundamentalen Rechts liefern könnte. Die Auffassung des Gerichts tritt allerdings nicht derart deutlich zu Tage, dass man allein auf diese Worte gestützt eine so weitreichende Bewertung stützen möchte, zumal der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren diese Formulierung nicht aufgriff. 72 Vgl. beispielsweise Ragnemalm, The Community Courts and Openness, CYELS 1999, S. 19 (26). 73 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 110: „die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, der in diesem Beschluß verankert ist“; ferner EuG, Rs. T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. I-545, Rdnr. 41; Rs. T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, S. II-2463, Rdnrn. 53 und 55. In diesem Sinne auch Ortega Gómez, La transparencia de los documentos oficiales, GJ 2000, S. 8 (17): „el TPI ha reconocido la existencia de un derecho de acceso a los documentos oficiales derivado de dos decisiones del Consejo y de la Comisión“. 74 Zwar findet sich dieser Grundsatz nicht ausdrücklich im Regelungsteil des Ratsbeschlusses wieder. Dies steht jedoch nicht im Widerspruch zu der hier vorgetragenen Auffassung, da die Begründungserwägungen des Ratsbeschlusses zum einen deutlich machen, dass er eine Umsetzung des Verhaltenskodexes darstellt und zum anderen den „Grundsatz eines umfassenden Zugangs der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten“ noch einmal ausdrücklich erwähnen. 75 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 87; dazu auch Öberg, EU Citizen’s Right to Know, CYELS 1999, S. 303 (315 f.); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (13).

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Die fehlende Anerkennung eines bestehenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes beruhte auch nicht etwa darauf, dass die Gerichte bisher keinen Anlass gehabt hätten, sich zu dieser Frage zu äußern. Beginnend mit der Rechtssache Niederlande/Rat wurde die Frage der Rechtsnatur des Zugangsanspruchs von den Verfahrensbeteiligten immer wieder thematisiert, vor allem unter dem Gesichtspunkt, ob Teile der vor der Verordnung 1049/2001 geltenden Zugangsregelungen im Widerspruch zu höherrangigem, aber nicht kodifizierten Gemeinschaftsrecht stehen76. Außerdem haben sich die Generalanwälte wiederholt dafür ausgesprochen, dem Dokumentenzugangsrecht den Rang eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zuzuerkennen. Generalanwalt Philippe Léger sprach deutlich davon, dass bereits vor der primärrechtlichen Regelung des Art. 255 EGV das Dokumentenzugangsrecht ein allgemeiner gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz gewesen sei77. Ebenso hatte sich zuvor schon Generalanwalt Guiseppe Tesauro geäußert78. Léger rückte in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Interporc/Kommission II zwar nicht von seiner Auffassung ab, stellte jedoch ausdrücklich fest, dass der Gerichtshof bisher nicht bereit war, ihm darin zu folgen79. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam dadurch gekennzeichnet war, dass nach Möglichkeiten gesucht wurde, die Zugangsregelungen der Organe an höherrangigen Rechtsgrundsätzen zu messen. Da es keine geschriebenen gab, kam nur ein Rückgriff auf ungeschriebene Grundsätze in Betracht80. Dabei wurden beachtliche Argumente dafür vorgebracht, dass es die Etablierung des Rechts auf Dokumentenzugang in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaube, darin einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts zu erblicken81. Das Problem bestand jedoch darin, dass die Instanz, deren Aufgabe es ist, Bestand und Inhalt des Gemein76

So für die Urheberregel im Fall EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 66; außerdem wurde das Bestehen eines solchen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes geltend gemacht in EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 43, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 88. 77 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 70; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Alber, Rs. C-369/98, TP & Fisher, Slg. 2000, S. I-6751, Rdnr. 44: „Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Transparenz der staatlichen Verwaltung kann die Transparenz nur durch Vorliegen besonderer Rechtfertigungsgründe eingeschränkt werden.“ 78 Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, Rs. 58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnrn. 19–21. Siehe dazu auch Ragnemalm, The Community Courts and Openness, CYELS 1999, S. 19 (24). 79 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-41/00 P, Interporc/Kommission II, vom 12. März 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnr. 80. 80 Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 4.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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schaftsrechts verbindlich zu definieren, nämlich der Europäische Gerichtshof82, diesen Rechtsgrundsatz nie anerkannte83. b) Rechtslage seit dem Amsterdamer Vertrag Mit Einführung des Art. 255 EGV durch den Vertrag von Amsterdam hat sich dieses Problem, zumindest hinsichtlich Parlament, Rat und Kommission, weitgehend erledigt84. Es gibt jetzt einen primärrechtlichen Grundsatz, der Prüfungsmaßstab für die Sekundärrechtsakte ist, die das Zugangsrecht genauer ausgestalten. Wie es Deirdre Curtin formulierte, sind jedenfalls seit Amsterdam die „days of total institutional discretion“ vorbei85. Obwohl es für die Maßstabsbildung weiterhin wichtig erscheint, die Stellung des Art. 255 EGV im Normgefüge näher zu bestimmen86, bedarf es dazu keines Rückgriffes auf die Technik der Herausarbeitung allgemeiner Rechtsgrundsätze. Mittlerweile kann sich eine solche Bewertung nämlich auf bestehende Vorschriften stützen. Dies ist erstens der ebenfalls durch den Vertrag von Amsterdam eingeführte Art. 1 Abs. 2 EUV und zweitens Art. 42 EUCharta. Der Einfluss beider Vorschriften auf Art. 255 EGV ist deshalb im Folgenden näher zu beleuchten. 2. Das Transparenzprinzip in Art. 1 Abs. 2 EUV Art. 1 Abs. 2 EUV legt als wesentliche Eigenschaft der Union fest, dass Entscheidungen „möglichst offen“ getroffen werden. Die Norm ist insoweit Ausdruck des Transparenzprinzips87. Wesentlicher Bestandteil eines offenen 81 Zu dieser Einschätzung kommt auch Ragnemalm, The Community Courts and Openness, CYELS 1999, S. 19 (24). Vgl. hierzu insbesondere die eingehende Untersuchung von Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 288 ff. 82 Ausdruck dieser ausschließlichen Kompetenz des Gerichtshofes, den Inhalt des Gemeinschaftsrechts zu bestimmen, ist insbesondere Art. 234 EGV; vgl. auch Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der EU, S. 311. 83 Verhoeven, How Democratic Need European Union Members Be?, ELR 1998, S. 217 (226 f.). 84 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (105); Ortega Gómez, La transparencia de los documentos oficiales, GJ 2000, S. 8 (10). 85 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (14); ähnlich Schrader, Europäische Anstöße für einen erweiterten Zugang zu (Umwelt-)Informationen, NVwZ 1999, S. 40 (42): „Der Informationszugang verläßt den Charakter administrativer Gewährung und wird zum primärrechtlichen Informationsrecht“. 86 Näher O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (430 f.).

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Entscheidungsprozesses ist das Recht auf Zugang zu Dokumenten. Art. 255 EGV konkretisiert damit den in Art. 1 Abs. 2 EUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz88. Durch den Standort des Transparenzprinzips in Art. 1 Abs. 2 EUV wurde nicht nur seine Geltung für alle Verträge gesichert89. Ihm wurde gleichzeitig eine besondere Bedeutung zugewiesen. Die Aufnahme in den ersten Artikel des Unionsvertrags spricht dabei für sich. Das Transparenzprinzip steht damit in der Nachbarschaft so fundamentaler Vorschriften wie Art. 6 Abs. 1 EUV, der auf die demokratischen Traditionen der Mitgliedstaaten verweist. Außerdem wurde die Transparenz zum Kernbereich des neuen Stadiums in der Entwicklung der Europäischen Union erklärt. Dabei kann nicht behauptet werden, dass es sich nur um eine schwierig zu überprüfende und durchzusetzende Zielvorgabe handele. Zum einen sind die Ziele der Union in Art. 2 EUV gesondert aufgeführt. Zum anderen legt Art. 1 Abs. 2 EUV nicht nur fest, dass die Entscheidungen in der Union möglichst offen getroffen werden, sondern auch, dass dies „möglichst bürgernah“ geschehen soll. Die geforderte Bürgernähe steht in engem Bezug zum Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EGV), dessen notfalls auch gerichtliche Durchsetzbarkeit inzwischen gewährleistet ist90. Man kann aus all diesen Gründen mit Fug und Recht sagen, dass durch die Regelung in Art. 1 Abs. 2 EUV das Transparenzprinzip auf Verfassungsrang innerhalb der Union gehoben wurde91. Art. 1 Abs. 2 EUV ist zwar zu allgemein gehalten, als dass man der Norm selbst einen „voll87 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (42); Anton, in: Léger, EUV, Art. 1, Rdnr. 7; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 1, Rdnr. 34; Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 11; Thun-Hohenstein, Amsterdamer Vertrag, S. 99; Wessel, The European Union’s Foreign and Security Policy, S. 235; siehe auch den ersten Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001. Vgl. ferner die französische Fassung von Art. 1 Abs. 2 EUV, wo „möglichst offen“ übersetzt ist mit: „dans le plus grand respect du principe d’ouverture“ (Hervorhebung durch Verfasser). 88 Anton, in: Léger, EUV, Art. 1, Rdnr. 6; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 1; Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (79); Hetmeier, in: Lenz, EGV, Art. 255, Rdnr. 1; Geiger, EGV, Art. 255, Rdnr. 1; andererseits aber ders., EUV, Art. 1 Rdnr. 14: Das Transparenzprinzip betrifft weniger den Dokumentenzugang als vielmehr die Publizität der aktuellen Entscheidungsvorgänge und die aktive Information der Unionsbürger über wesentliche Aspekte der Europapolitik. 89 Titel I des EU-Vertrags ist überschrieben mit „Gemeinsame Bestimmungen“; siehe auch Guggenbühl, A Miracle Formula or an Old Powder in a New Packaging? Transparency and Openness after Amsterdam, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 9 (10); Blanchet, Le Traité d’Amsterdam, RTDE 1997, S. 915 (924). 90 Langguth, in: Lenz, EGV, Art. 5, Rdnr. 32.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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streckungsfähigen“ Inhalt entnehmen könnte92. Sie gibt aber nichtsdestotrotz Auslegungsvorgaben bei der Anwendung der speziellen Vorschriften der Verträge93. Dies gilt insbesondere für das in Art. 1 Abs. 2 EUV enthaltene Maximierungsgebot94. Bezogen auf Art. 255 EGV heißt das konkret, dass die sekundärrechtlichen Regelungen dem darin enthaltenen Recht auf Dokumentenzugang in möglichst weitgehendem Umfange Geltung verschaffen müssen95, um so wiederum den effet utile des in Art. 1 Abs. 2 EUV enthaltenen Prinzips zu sichern96. 3. Das Zugangsgrundrecht in Art. 42 EU-Charta Daneben konnten die Befürworter einer transparenteren Union noch einen weiteren großen Erfolg feiern. Das Dokumentenzugangsrecht fand nämlich Eingang in Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die auf der Tagung des Europäischen Rates von Nizza im Dezember 2000 von den Vertretern des Parlaments, des Rates und der Kommission feierlich proklamiert wurde. Der Wortlaut des Art. 42 EU-Charta entspricht hinsichtlich seines gewährenden Teils der Formulierung in Art. 255 Abs. 1 EGV. Das heißt, er enthält ebenfalls ein Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Nicht in Art. 42 EU-Charta enthalten ist der Vorbehalt zugunsten von Sekundärrechtsakten, die die Ausübung des Rechts und seine Einschränkungen näher regeln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit die Rechtsgewährung des Art. 42 EU-Charta über die des Art. 255 EGV hinausginge. Viele der in der Charta aufgeführten Grund- und Bürgerrechte weisen keinen Schrankenvorbehalt auf, ohne dass daraus eine schrankenlose Gewährleistung folgte97. Die Charta enthält nämlich eine Schrankenregelung in Art. 52 EU-Charta, die gleichermaßen für alle diese 91 Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (179); Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 1, Rdnr. 34. 92 Storr, Das Transparenzprinzip als allgemeines Rechtsprinzip in der Europäischen Union, in: Hanns-Martin Schleyer Stiftung, Europa als Union des Rechts – eine notwendige Zwischenbilanz im Prozeß der Vertiefung und Erweiterung, S. 248 (248). 93 Lenz in: Bergmann/Lenz, Amsterdamer Vertrag, Kapitel 10: Transparenz, Rdnr. 13; vgl. auch Bleckmann, Die systematische Auslegung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: ders., Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 41 (50). 94 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (37). 95 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 7. 96 So offenbar auch Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 11.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Rechte gilt98. Art. 52 Abs. 1 EU-Charta legt fest, dass Einschränkungen der in der Charta anerkannten Rechte einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten müssen und schließlich den Wesensgehalt des jeweiligen Rechts nicht antasten dürfen. Außerdem bestimmt Art. 52 Abs. 2 EU-Charta, dass in der Charta aufgeführte Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder dem Vertrag über die Europäische Union begründet werden, nur im Rahmen der in diesen Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen ausgeübt werden99. Der in der Charta beschriebene Inhalt des Rechts auf Zugang zu Dokumenten wird somit von den in Art. 255 EGV aufgeführten Bedingungen und Einschränkungen begrenzt100. Dies hat aber keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Wesensgehaltsgarantie, die beide auch für Rechte aus dem EG-Vertrag Geltung beanspruchen101. Es liegt nahe, aus der Qualifizierung des Dokumentenzugangsrechts als Grundrecht in der Charta entscheidende Schlüsse auch auf die Rechtsnatur des wortgleichen Art. 255 EGV zu ziehen102. Dies wäre allerdings nur möglich, wenn der Charta eine rechtliche Wirkung zukäme. Es sind also einige klärende Überlegungen zur Bedeutung der Charta geboten. Anhaltspunkte können dafür sowohl die Art ihres Zustandekommens als auch der Inhalt der in ihr niedergelegten Rechte liefern. Der Europäische Rat beschloss auf seiner im Juni 1999 in Köln stattfindenden Tagung, ein Gremium mit dem Auftrag einzusetzen, vor der Tagung des Europäischen Rates im Dezember 2000 einen Entwurf für eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorzulegen. In diesem als „Konvent“ bezeichneten Gremium kamen fünfzehn Beauftragte der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, ein Vertreter der Kommission, sechzehn Mitglieder des Europäischen Parlaments und je zwei Mitglieder aus den nationalen Parlamenten zusammen103. Das Gremium wählte den ehema97 Eine Ausnahme ist allerdings von diesem Befund jedenfalls für die in Kapitel I der unter dem Titel „Würde des Menschen“ aufgeführten Gewährleistungen wie Würde des Menschen, Recht auf Leben, Verbot von Folter und Sklaverei zu machen. 98 Kritisch zu dieser unspezifischen „one-fits-all“-Schrankenregelung der Charta Dorau, Die Verfassungsfrage der Europäischen Union, S. 119; Kenntner, Die Schrankenbestimmungen der EU-Grundrechtscharta, ZRP 2000, S. 423 (424 f.). 99 Lenaerts/De Smijter, A „Bill of Rights“ for the European Union, CMLR 2001, S. 273 (282 ff.). 100 Vgl. Rat der Europäischen Union, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Erläuterungen, Art. 42, S. 60. 101 EuGH, Rs. C-292/97, Karlsson, Slg. 2000, S. I-2737, Rdnr. 45; Calliess, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, EuZW 2001, S. 261 (262). 102 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 80 f.

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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ligen Bundespräsidenten und ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Roman Herzog zum Vorsitzenden. Der Konvent trat im Dezember 1999 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Im September 2000 gelangten die verschiedenen Gruppen zu der Auffassung, dass sie den Entwurf der Charta billigen könnten, und im nächsten Monat wurde der Entwurf dem Europäischen Rat übermittelt. Auf der Tagung der Staats- und Regierungschefs im Oktober 2000 in Biarritz wurde beschlossen, das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union und die Kommission um ihre Zustimmung zur Charta zu ersuchen. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde auf der Tagung des Europäischen Rates Anfang Dezember 2000 in Nizza von Parlament, Rat und Kommission feierlich proklamiert104. Bisher ist die Charta allerdings noch nicht in den acquis communautaire inkorporiert105. Es entsprach auch dem ausdrücklich erklärten Willen der Mitgliedstaaten, sie zunächst nicht mit rechtlicher Bindungswirkung auszustatten106. Dennoch sind die in der Charta niedergelegten Rechte von einer Qualität, die es nicht erlauben würde, sie als bloße folgenlose Aufzählung moralischer Bekenntnisse zu beurteilen107. Es handelt sich um auf höchster rechtlicher Ebene angesiedelte Werte, die von den Mitgliedstaaten einmütig geteilt werden108 und die sie durch Aufnahme in die Charta sichtbar machen und stärken wollten109. Anderenfalls hätten die Mitgliedstaaten wohl auch kaum den beschriebenen feierlichen und aufwendigen Weg gewählt, die Charta durch einen so prominent und ausgewogen besetzten Konvent offiziell ausarbeiten zu lassen. Parlament, Rat und Kommission scheinen dieser Bedeutung Rechnung zu tragen und sich eine im Hinblick auf ihre 103 Außerdem entsandten der Europäische Gerichtshof und der Europarat je zwei Beobachter. 104 Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Charta Alber/Widmaier, Die EU-Charta der Grundrechte und ihre Auswirkungen auf die Rechtsprechung, EuGRZ 2000, S. 497 (497 ff.). 105 Allerdings gehören die darin aufgeführten Rechte zu einem großen Teil zum acquis communautaire, Lenaerts/De Smijter, A „Bill of Rights“ for the European Union, CMLR 2001, S. 273 (280 f., 289). 106 Calliess, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, EuZW 2001, S. 261 (261). Diese Zurückhaltung wird nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass einzelne Mitgliedstaaten von der Sorge getragen gewesen seien, eine Aufnahme des Grundrechtskatalogs in die europäischen Verträge könnte eine Vorentscheidung in der Verfassungsdebatte sein, vgl. Lenaerts/De Smijter, A „Bill of Rights“ for the European Union, CMLR 2001, S. 273 (299). 107 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 74. 108 Lenaerts/De Smijter, A „Bill of Rights“ for the European Union, CMLR 2001, S. 273 (280 f.). 109 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 74; Abschlusserklärung zum Europäischen Rat von Köln, EU-Bull. 6/1999, S. 35, Pkt. I-64.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Proklamation in Nizza durchaus konsequente Form der Selbstbindung an die Charta aufzuerlegen110. So nimmt zum Beispiel der zweite Erwägungsgrund der auf Art. 255 Abs. 2 EGV gestützten Verordnung 1049/2001 ausdrücklich auf die in der Charta enthaltenen Grundrechte Bezug, ohne allerdings Art. 42 EU-Charta speziell zu erwähnen. Zu anderen Gelegenheiten haben die Organe jedoch auch schon auf konkrete Grundrechte aus der Charta Bezug genommen und erklärt, dass Rechtsakte mit diesen in Einklang stehen sollen111. Außerdem wird die Charta nicht ohne Einfluss auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu den Gemeinschaftsgrundrechten bleiben. Wenn ein mit Vertretern aus allen Mitgliedstaaten besetzter Konvent sich auf einen Katalog von fundamentalen Rechten wie den in der Charta aufgeführten verständigt, so kann darin durchaus ein Hinweis darauf gesehen werden, was diese Staaten als ihre gemeinsame Verfassungstradition im Sinne von Art. 6 Abs. 2 EUV verstanden wissen wollen112. Auf dieses Indiz eines entsprechenden Konsenses der Mitgliedstaaten kann der Europäische Gerichtshof für seine Rechtsprechung zu den Grundrechten zurückgreifen113. Der Blick in die Charta kann dabei nicht nur Aufschlüsse über 110

Vgl. dazu näher Alber, Die Selbstbindung der europäischen Organe an die Europäische Charta der Grundrechte, EuGRZ 2001, S. 349 (350 f.). 111 Vgl. zum Beispiel den zweiten Erwägungsgrund des Gemeinsamen Standpunkts (EG) Nr. 26/2002 vom Rat festgelegt am 28. Januar 2002 im Hinblick auf den Erlass einer neuen Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, ABl. 2002, Nr. C 113, S. E39: „Ziel dieser Richtlinie ist die Achtung der Grundrechte; sie steht insbesondere im Einklang mit den durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundsätzen. Insbesondere soll mit dieser Richtlinie gewährleistet werden, dass die in den Artikeln 7 und 8 jener Charta niedergelegten Rechte uneingeschränkt geachtet werden.“ 112 Lenaerts/De Smijter, A „Bill of Rights“ for the European Union, CMLR 2001, S. 273 (299). 113 Vgl. dazu bereits EuG, Rs. T-54/99, max.mobil/Kommission, Slg. 2002, S. II-313, Rdnr. 48; Rs. T-177/01, Jégo-Quéré/Kommission, Urteil vom 3. Mai 2002, Rdnr. 42; EuGH, Rs. C-232/02 P(R), Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, Beschluss vom 18. Oktober 2002, Rdnr. 85 (beide letztgenannten Entscheidungen noch nicht in amtlicher Sammlung). Daneben haben insbesondere die Generalanwälte auf eine Berücksichtigung der Charta gedrängt; vgl. Alber, Die Selbstbindung der europäischen Organe an die Europäische Charta der Grundrechte, EuGRZ 2001, S. 349 (351 ff.) und die Schlussanträge der Generalanwälte Tizzano, Rs. C-173/99, BECTU, Slg. 2001, S. I-4881, Rdnr. 28; Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 82 f.; Alber, Rs. C-63/01, Evans, vom 24. Oktober 2002, Rdnr. 80; Colomer, Rs. C-208/00, Überseering, vom 4. Dezember 2001, Rdnr. 59 (beide letztgenannten Schlussanträge noch nicht in amtlicher Sammlung). Aus der Literatur siehe Hilf, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, NJW 2000 Sonderbeilage zu Heft 49, S. 6; Hobe, Europarecht, Rdnr. 243; Schwarze, Der Grundrechtsschutz für Unternehmen in der Europäischen Grundrechtecharta, EuZW

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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die Reichweite, sondern auch über die Rechtsnatur einer Gewährleistung geben114. Während sich Fragen der Reichweite im Hinblick auf den identischen Wortlaut von Art. 255 EGV und Art. 42 EU-Charta115 nicht stellen, erweist sich hier gerade der zweite Aspekt als besonders bedeutsam. Denn wie es Generalanwalt Philippe Léger in der Rechtssache Rat/Hautala treffend formulierte: „Wenn jedoch Rechte, Freiheiten und Grundsätze wie in der Charta dahin beschrieben sind, dass sie die höchste Ebene der Wertmaßstäbe in allen Mitgliedstaaten zusammen einzunehmen haben, dann müssen ihnen die Kriterien entnommen werden, anhand deren die Grundrechte von anderen Rechten unterschieden werden können [. . .] Wie ihre feierliche Form und das Verfahren ihrer Annahme nahe legen, sollte die Charta privilegierter Rechtstext für die Identifikation von Grundrechten sein. Sie enthält Hinweise, die dazu beitragen, die wahre Natur der positivrechtlichen Gemeinschaftsnormen zu enthüllen.“116

Art. 42 EU-Charta gebietet es also, dem in Art. 255 EGV normierten freien Zugang zu Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission den Rang einer grundrechtlichen Gewährleistung zuzuerkennen, die den damit verbundenen besonderen Schutz vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt auslöst117. 4. Zusammenfassung zur systematisch-teleologischen Auslegung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bereits die Aufnahme des Art. 255 EGV in den EG-Vertrag für sich allein betrachtet eine Konstitutionalisierung des Zugangsrechts bewirkt hat118. Darüber hinaus verleiht die 2001, S. 517 (517 f.); Zuleeg, Zum Verhältnis nationaler und europäischer Grundrechte, EuGRZ 2000, S. 511 (514); Lenaerts/De Smijter, A „Bill of Rights“ for the European Union, CMLR 2001, S. 273 (298): „In practice, however, the legal effect of the solemn proclamation of the Charter of Fundamental Rights of the European Union will tend to be similar to that of its insertion into the Treaties.“ 114 Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano, Rs. C-173/99, BECTU, Slg. 2001, S. I-4881, Rdnr. 28: „Daher bin ich der Auffassung, dass in einem Rechtsstreit über die Natur und Tragweite eines Grundrechts die entsprechenden Feststellungen in der Charta und erst recht ihre offensichtliche Bestimmung, als wesentlicher Maßstab für alle in der Gemeinschaft Handelnden – Mitgliedstaaten, Organe, natürliche und juristische Personen – zu dienen, sofern ihre Bestimmungen es erlauben, nicht ignoriert werden können. In diesem Sinn bin ich daher der Auffassung, dass die Charta die qualifizierteste und definitive Bestätigung des Grundrechtscharakters des Anspruchs [. . .] enthält.“ 115 Und nicht zuletzt auch wegen Art. 52 Abs. 2 EU-Charta. 116 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 75 und 77. 117 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 78 ff.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Verankerung des Transparenzprinzips in Art. 1 Abs. 2 EUV sowie die Aufnahme des Dokumentenzugangsrechts in Art. 42 EU-Charta der Gewährleistung in Art. 255 EGV zusätzliches Gewicht119. Das Recht auf Zugang zu Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission hat damit zweifelsohne einen fundamentalen Rang erhalten. Dabei dürfte es letztlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob man das Recht nun als „Grundrecht“, „grundrechtsähnliches Recht“120, „verfassungsrechtlich verbürgtes Freiheitsrecht“121 oder „geschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz“122 ansehen will. Dieser neu gewonnene Rang des Dokumentenzugangsrechts sowie der von den vertragsschließenden Parteien in Amsterdam verfolgte Zweck, die Transparenz zu stärken, gebieten, dass mit den neuen sekundärrechtlichen Regelungen der bislang erreichte Standard nicht unterschritten werden darf123. Im Gegenteil, mit Blick auf das in Art. 1 Abs. 2 EUV enthaltene Gebot größtmöglicher Transparenz wird man sogar einige Fortschritte erwarten dürfen. Gegen diese Beurteilung der Rechtsnatur des Zugangsrechts lässt sich auch nicht die systematische Stellung des Art. 255 innerhalb des EG-Vertrags ins Feld führen, wo er im Kapitel „Gemeinsame Vorschriften für mehrere Organe“ eingeordnet ist124. In der Tat wird man zwar anerkennen müs118 Guggenbühl, A Miracle Formula or an Old Powder in a New Packaging? Transparency and Openness after Amsterdam, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 9 (15); ähnlich Tomkins, Transparency and the Emergence of a European Administrative Law, YEL 2000, S. 217 (223). 119 Fierstra, Een nieuw communautair openbaarheidsregime?, NTER 2000, S. 108 (109). 120 Hetmeier, in: Lenz, EGV, Art 255, Rdnr. 4; Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG Interporc/Kommission II, ELRep 2000, S. 19 (21); Calliess, Transparenz in der EU als Gebot von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, in: Hanns-Martin Schleyer Stiftung, Europa als Union des Rechts – eine notwendige Zwischenbilanz im Prozeß der Vertiefung und Erweiterung, S. 52 (52). 121 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 1. 122 Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (80). Von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz geht – jedenfalls in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 EUV – auch aus Lenz, in: Bergmann/Lenz, Amsterdamer Vertrag, Kapitel 10: Transparenz, Rdnr. 18; ebenso wohl Thun-Hohenstein, Amsterdamer Vertrag, S. 100 Fn. 2. Bei der Frage, ob diese Regelung konstitutiven Charakter hat oder einen bereits vorher bestehenden Rechtsgrundsatz bestätigt, setzt sich die für die Zeit vor dem Amsterdamer Vertrag beschriebene Debatte fort, vgl. etwa Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1072), der von einer konstitutiven Wirkung ausgeht und dagegen Lenz, a. a. O., Rdnr. 18, der meint, der Grundsatz sei bereits zuvor durch die Rechtsprechung konkretisiert und anerkannt worden. 123 Hetmeier, in: Lenz, EGV, Art. 255, Rdnr. 6; Curtin, Open Decision-Making and EU (Political) Citizenship, in: O’Keeffe/Twomey, Legal Issues of the Amsterdam Treaty, S. 71 (72, 77); Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (928).

A. Die Gewährleistung des Art. 255 EGV

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sen, dass das Dokumentenzugangsrecht vielleicht besser im Rahmen der Regelungen über die Unionsbürgerrechte hätte verortet werden können125. Dies war im niederländischen Entwurf für den Vertrag von Amsterdam auch noch so vorgesehen gewesen126. Dennoch darf der Stellung des Art. 255 EGV im Vertrag nicht zuviel Bedeutung beigemessen werden. Auch die Grundfreiheiten, die Rechtsgewährungen fundamentaler Natur für die Unionsbürger enthalten, sind nicht im Rahmen der Unionsbürgerschaft geregelt, ohne dass jemand auf die Idee käme, dies könne ihre Bedeutung mindern. Außerdem finden sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Art. 255 EGV so grundlegende Bestimmungen wie Art. 253 EGV, der die Organe verpflichtet, ihre Rechtsakte zu begründen. Letzte Zweifel dürften spätestens nach einem Blick in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union zerstreut sein. Dort wird das mit Art. 255 EGV identische Dokumentenzugangsrecht in Art. 42 EU-Charta als Bürgerrecht aufgeführt127. Mit Blick auf diese besondere Bedeutung der Transparenzvorschriften konnte man zu Recht die Frage aufwerfen, was geschehen wäre, wenn die Organe ihrer Verpflichtung, das Dokumentenzugangsrecht sekundärrechtlich auszugestalten, nicht rechtzeitig nachgekommen wären128. Wäre dann eine bei Grundrechten und -freiheiten teilweise anerkannte unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts in Betracht gekommen? Dagegen spricht nicht bereits, dass insoweit eine unmittelbare Anwendbarkeit gegenüber Gemeinschaftsorganen konstruiert werden würde, während sie als Rechtsfigur ursprünglich für Rechte begründet wurde, die gegenüber den Mitgliedstaaten gelten. Es ist nicht ersichtlich, warum insoweit eine Unterscheidung gemacht werden sollte. Voraussetzung für eine unmittelbare Anwendbarkeit ist aber, dass die Norm inhaltlich klar und unbedingt ist, ihr Vollzug nicht an materielle Voraussetzungen geknüpft sein darf und dass ihre Durchführung nicht vom Erlass weiterer Maßnahmen abhängt, die Gemeinschaftsorgane oder Mitgliedstaaten nach ihrem Ermessen treffen können129. Art. 1 Abs. 2 EUV kommt danach bereits aufgrund seiner inhaltlichen Unbestimmtheit nicht für eine 124 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (14) hält dieses Argument dagegen für vertretbar. 125 Hetmeier, in: Lenz, EGV, Art. 255, Rdnr. 1; Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 12. 126 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (46); Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 12. 127 Vgl. auch Dittert, Ausschließliche Kompetenzen, S. 124, 174 f., der ohne weitere Diskussion davon ausgeht, dass es sich beim Zugangsrecht um ein grundlegendes Unionsbürgerrecht handelt. 128 Vgl. Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (105).

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

unmittelbare Anwendbarkeit in Betracht. Bei Art. 255 EGV scheidet eine unmittelbare Anwendbarkeit mit Blick auf den Ausgestaltungsvorbehalt aus. Die Norm ist gerade nicht inhaltlich unbedingt, sondern überlässt Einschränkungen und allgemeine Grundsätze einem gewissen gesetzgeberischen Ermessen des Rates130. Der Fall der Nichtumsetzung der von Art. 255 EGV geforderten Sekundärrechtsakte, der die Diskussion über eine unmittelbare Anwendbarkeit hätte auslösen können, ist allerdings ohnehin seit Verabschiedung der Verordnung 1049/2001 hypothetisch geworden. Aber auch eine ergänzende Anwendung für den Fall, dass sich die sekundärrechtlichen Regelungen als nicht ausreichend erweisen sollten, ist damit nicht möglich. Unberührt bleibt natürlich das Gebot, das bestehende Sekundärrecht im Lichte des Primärrechts auszulegen. Schließlich ließe sich in Bezug auf den mit Art. 255 EGV verfolgten Zweck erwägen, ob nicht bei der Ausgestaltung des Sekundärrechts beziehungsweise dessen Auslegung im Einzelfall eine Unterscheidung dahingehend zu treffen ist, ob es sich um Legislativ- oder Administrativdokumente handelt. Die Aufzählung der Organe in Art. 255 EGV wird zum Teil so verstanden, dass damit in erster Linie der Bereich legislativer Tätigkeit der Gemeinschaft erfasst werden sollte131. Diesem Verständnis kann nicht zugestimmt werden, und es lässt sich auch unter Hinweis auf Art. 207 Abs. 3 EGV widerlegen. Dort heißt es, dass ein Dokumentenzugang besonders umfassend zu gewähren ist, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wird. Diese Regelung impliziert, dass das Dokumentenzugangsrecht nicht auf legislative Tätigkeiten beschränkt ist. Die hier vertretene Auslegung entspricht außerdem dem effet utile des Dokumentenzugangsrechts, dessen demokratische Funktionen sich sowohl im Bereich der Legislative als auch im reinen Verwaltungsbereich verwirklichen lassen132. 129 Grundlegend bereits EuGH, Rs. 26/62, van Gend & Loos, Slg. 1963, S. 3 (25); ferner EuGH, Rs. 44/84, Hurd, Slg. 1986, S. 29, Rdnr. 47. 130 Vgl. EuG, Rs. T-191/99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, Rdnr. 34 f.; Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (105), Geiger, EGV, Art. 255, Rdnr. 2; anders Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 284. 131 Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 12: „single out the institutions of the ,legislative branch‘ of the Union and submit only those institutions to a specific public access principle“; Blanchet, Le Traité d’Amsterdam, RTDE 1997, S. 915 (924) meint demgegenüber, mit der Aufzählung in Art. 255 Abs. 1 EGV seien alle Organe mit Legislativ- und Exekutivbefugnissen erfasst: „Cette limitation aux seules institutions qui ont une fonction législative et exécutive s’inscrit dans la logique du raisonnement qui fait de la transparence l’un des éléments du caractère démocratique des institutions.“ 132 Vgl. Pernthaler, Das Problem der Öffentlichkeit der öffentlichen Verwaltung, in: Festschrift Adamovich, S. 544 (549 f.).

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

133

IV. Gesamtergebnis der Auslegung Natürlich können die mit Hilfe einer solchen Auslegung gewonnenen Erkenntnisse nur recht allgemeiner und grundsätzlicher Natur sein. Immerhin ergeben sich aber doch einige wichtige Vorgaben für die Ausgestaltung des Sekundärrechts. So dürfen die sekundärrechtlichen Vorschriften das Zugangsrecht nicht willkürlich beschränken oder aushöhlen. Es handelt sich dabei um eine Bedingung, die sich bereits aus dem Wortlaut, mehr noch jedoch aus dem grundrechtsgleichen Charakter des Art. 255 EGV ableiten lässt. Aus letzterem ergibt sich zudem ein Gebot, den bisherigen Stand der Zugangsgewährung nicht zu unterschreiten und ihn darüber hinaus im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 EUV möglichst zu optimieren. Zusätzlich lässt sich Art. 255 EG aber auch der Auftrag entnehmen, wichtige private und öffentliche Interessen durch Einschränkungen des Zugangsrechts zu schützen. Dies soll abschließend in dem gemäß Art. 255 Abs. 2 EGV im Mitentscheidungsverfahren zu erlassenden Rechtsakt geschehen und nicht erst in den internen Bestimmungen der jeweiligen Organe. Daneben müssen sich die sekundärrechtlichen Regelungen natürlich auch an der bisherigen Rechtsprechung orientieren, soweit sie sich auf das neue Recht übertragen lässt133.

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001 Mit Hilfe dieser durch die Auslegung gewonnenen Vorgaben soll im Folgenden der auf Grundlage von Art. 255 Abs. 2 EGV erlassene Sekundärrechtsakt, nämlich die Verordnung Nr. 1049/2001 vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, genauer untersucht werden. Ein erster Blick wird der Zwecksetzung der Verordnung gelten, nachfolgend werden der Anspruchsgegenstand und die Anspruchsinhaber betrachtet. Daran wird sich eine ausführliche Analyse der Ausnahmetatbestände anschließen. Nachdem auf diese Weise der materielle Gehalt des Dokumentenzugangsrechts abgesteckt ist, wird abschließend das Verfahren des Zugangs geprüft.

133 Denkschrift der Bundesregierung zum Vertrag von Amsterdam, BT-Drs. 9339, Ziffer 45 zu Art. 191a AV, S. 159.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

I. Regelungszweck Der Zweck der Verordnung 1049/2001 ist zunächst in ihrem ersten Artikel näher beschrieben. Der Inhalt einer solchen Zwecksetzung ist keine Banalität, wenn man berücksichtigt, welche Bedeutung die teleologische Auslegung von Rechtsnormen im Gemeinschaftsrecht hat. Art. 1 lit. a) VO 1049/01 nennt als ersten Teil der Zwecksetzung, dass mit der Verordnung die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentlicher und privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des in Art. 255 EGV niedergelegten Rechts festgelegt werden sollen und zwar so, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist. Darin kommt die Absicht des Verordnungsgebers zum Ausdruck, den in Art. 255 Abs. 2 EGV enthaltenen Regelungsauftrag umfassend zu erfüllen, das heißt, schutzwürdige Interessen tatsächlich zu sichern und alle wesentlichen Fragen abschließend in der Verordnung zu regeln. Gleichzeitig wurde die schon nach früherer Rechtslage geltende Zielsetzung eines möglichst weitgehenden Dokumentenzugangs aufrechterhalten. Art. 1 lit. b) und c) VO 1049/01 regeln darüber hinaus nur noch, dass die Vorschriften der Verordnung 1049/2001 eine möglichst einfache Ausübung des Zugangsrechts sicherstellen sollen und dass insgesamt eine gute Verwaltungspraxis für den Zugang zu Dokumenten gefördert werden soll. Art. 1 VO 1049/01 ist also insgesamt eher technisch gehalten. Er definiert allein den Zweck, den die Verordnung 1049/2001 mit Blick auf Art. 255 EGV erfüllen soll, nicht dagegen, welche Ziele hinter der Einführung des Dokumentenzugangsrechts als solchem stehen. Zu dieser Frage finden sich aber Aussagen in den Erwägungsgründen, die nach ständiger Rechtsprechung ebenso wie der unmittelbare Normtext zur Bestimmung des Regelungszwecks herangezogen werden können134. Der zweite Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001 lautet: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6 des EU-Vertrags und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind.“

In dieser Formulierung kommen die bereits beschriebenen Funktionen eines Dokumentenzugangsrechts zum Ausdruck, nämlich den Bürgern eine 134

EuGH, Rs. C-369/98, TR & P Fisher; Slg. 2000, S. I-6751, Rdnrn. 27, 34; ferner Zuleeg, Beschränkung gerichtlicher Kontrolldichte durch das Gemeinschaftsrecht, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 223 (233); Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofes, in: ders., Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 1 (4).

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

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Beteiligung am Entscheidungsprozess und eine Kontrolle der Entscheidungsträger zu ermöglichen sowie die Akzeptanz der Entscheidungen der öffentlichen Gewalt zu gewährleisten. Kontrolle und Akzeptanz werden zwar als solche nicht genannt. Sie sind allerdings mit den Begriffen Legitimität, Effizienz und Verantwortung umschrieben. Die Legitimität von Entscheidungen steht in einem direkten Zusammenhang mit deren Akzeptanz135. Kontrolle soll, wie gezeigt, dazu dienen, die Verantwortlichkeit der öffentlichen Gewalt gegenüber dem Bürger zu sichern und die Effizienz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen. Darüber hinaus betont der Erwägungsgrund die Bedeutung all dieser Elemente für das demokratische System.

II. Anspruchsgegenstand Art. 2 Abs. 1 VO 1049/01 legt fest, dass Gegenstand des Zugangsanspruchs Dokumente der Organe sind. Diese drei Wörter haben jeweils eine eigenständige Bedeutung. Der Begriff des Organs kann kurz vorab besprochen werden. Es sind damit nicht alle in Art. 7 EGV und Art. 5 EUV aufgeführten Organe gemeint, sondern es gilt in Übereinstimmung mit Art. 255 EGV ein begrenzter Organbegriff. Erfasst sind nur das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission, wie Art. 1 lit. a) VO 1049/01 ausdrücklich klarstellt. Was ein Dokument im Sinne von Art. 2 Abs. 1 VO 1049/01 ausmacht und wann es ein Dokument des Organs ist, wird nachfolgend eingehender dargestellt. 1. Dokument Unter einem Dokument wird im allgemeinen Sprachgebrauch regelmäßig ein Papier verstanden, auf dem eine Information, zumeist schriftlich, verkörpert ist. Ein Zugangsrecht, das sich allein auf Schriftstücke in Papierform erstreckte, wäre jedoch in seinem Anwendungsbereich stark eingeschränkt und ließe im Übrigen Raum für vielfältige Vereitelungen des Zugangsbegehrens, etwa indem die Information nur in elektronischer Form gespeichert und nicht ausgedruckt wird. Insofern ist es geboten, neben Papier auch andere Datenträger in das Zugangsrecht einzubeziehen, selbst wenn es bei diesen technischer Hilfsmittel bedarf, um die Information sichtbar zu machen. Dies meint abgesehen von elektronisch gespeicherten Schriftstücken auch Tondokumente, wie zum Beispiel Sitzungsprotokolle, von denen noch keine Abschrift erstellt worden ist. Des Weiteren, aber so weit reicht ohnehin schon der allgemeine Sprach135 Zur legitimierenden Funktion der Akzeptanz vgl. auch Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 582, 774 f.

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gebrauch, müssen Dokumenten in Schriftform solche gleich gestellt werden, die Informationen in bildlicher Weise wiedergeben. Dazu gehören beispielsweise Diagramme und Photographien. Die Rechtslage vor Inkrafttreten der Verordnung 1049/2001 erfüllte, jedenfalls nach ihrem Wortlaut, diese Vorgaben nur unzureichend. Zwar bezog beispielsweise Art. 1 Abs. 2 Zugangsbeschluss des Rates alle Speichermedien in die Definition des Dokuments ein, begrenzte aber zugleich den Anwendungsbereich auf Schriftstücke136. Die nunmehr in Art. 3 lit. a) VO 1049/01 enthaltene Definition des Dokuments als „Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material)“ lässt keine Lücken erkennen. Soweit in Art. 3 lit. a) VO 1049/01 darüber hinaus formuliert ist, die Information müsse „einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“, so darf dies nicht etwa dahin missverstanden werden, dass Dokumente, die im Zusammenhang mit einem ultra-vires-Handeln eines Organs stehen, kein tauglicher Anspruchsgegenstand sein können. Dies wäre sinnwidrig, da gerade im Hinblick auf die Kontrollfunktion des Dokumentenzugangsrechts137 in einem solchen Fall das Bedürfnis nach Transparenz besonders groß ist. Es ist zu vermuten, dass mit der genannten Einschränkung lediglich Dokumente rein privaten Charakters aus dem Anwendungsbereich des Zugangsrechts ausgenommen werden sollten. Die E-Mail, die der Verabredung mit einem Kollegen zum Mittagessen dient, ist damit schon per se kein Dokument im Sinne von Art. 3 lit. a) VO 1049/01. 2. Dokumentenzugang oder Informationszugang Ein in der Vergangenheit viel diskutiertes Problem soll hier noch besonders erörtert werden. Es geht dabei um die Frage, ob der Anspruchsgegenstand mit dem Wort Dokument tatsächlich richtig bezeichnet ist oder ob nicht besser von einem Zugang zu Informationen gesprochen werden sollte. In der Tat wird man, wenn man sich die bereits erörterten Funktionen des Zugangsrechts vor Augen hält, zu dem Ergebnis kommen müssen, dass zur Erfüllung dieser Funktionen vor allem die Informationen und nicht die Dokumente als solche erforderlich sind. Warum gewährt Art. 255 EGV dann kein Recht auf Zugang zu Informationen? Der Grund dafür kann wohl allein darin gesehen werden, dass man den Anspruch auf bereits verkörperte, das heißt dokumentierte, Informationen begrenzen wollte. Diese Erkenntnis 136 Noch deutlicher die englische Fassung: „written text“. Eine Photographie war damit kein Dokument im Sinne der Vorschrift. 137 Diese betont beispielsweise EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnrn. 39, 43.

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ist sehr wichtig, will man die Grenzen des Zugangsanspruchs richtig bestimmen. Sie bedeutet zunächst, dass der Zugangsanspruch sich auf die Übermittlung eines zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits existierenden Dokuments beschränkt. Die Organe trifft keine Verpflichtung, Informationen erst zu beschaffen138 oder Auskünfte zu erteilen139. Ebenso wenig gibt das Zugangsrecht einen Anspruch darauf, dass Organe Informationen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Verkörperung erfahren haben, dokumentieren und sie so zum Gegenstand des Zugangsanspruchs machen müssen140. Umgekehrt besteht aber auch eine Verpflichtung für die Institutionen, die dokumentierten Informationen unverfälscht herauszugeben. Mit einem manipulierten oder geschwärzten Dokument kann der Dokumentenzugangsanspruch also nicht erfüllt werden141. Dies zeigt, dass es nicht nur um das Dokument, sondern auch um die darin enthaltenen Informationen geht. So verstanden hat der Dokumentenzugangsanspruch im Übrigen klare Vorteile gegenüber einem bloßen Auskunftsanspruch. Beim Auskunftsanspruch erhielte das Organ nämlich weiter gehende Möglichkeiten für Manipulationen, was insbesondere einer effektiven Kontrolle abträglich wäre. Diese Differenzierungen liegen auch der eingangs genannten Kontroverse zugrunde. Der Rat bemühte den Gedanken, wonach der Zugangsanspruch grundsätzlich durch die bloße Herausgabe eines Datenträgers erfüllbar sein muss, in der Rechtssache Hautala/Rat, um zu begründen, warum er keinen teilweisen Zugang zu den Dokumenten gewähren müsse. Der Beschluss 93/ 731/EG gewährt nur einen Anspruch auf Zugang zu Dokumenten; dies, so der Rat, beziehe sich auf Dokumente in unveränderter Form. Wäre der Rat gezwungen, das Dokument erst für den Antragsteller aufzubereiten, zum Beispiel durch Schwärzen sensibler Passagen, liefe dies nach seiner Auffassung auf die Anerkennung eines Anspruchs auf Zugang zu den im Doku138 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 11; gleiches gilt im Rahmen des UIG, vgl. Röger, UIG, § 4, Rdnr. 11; Wegener, in: Schomerus/Schrader/ Wegener, UIG, § 4, Rdnr. 12. 139 EuG, Rs. T-106/99, Meyer/Kommission, Slg. II-1999, Rdnr. 33; Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 349. 140 Lewis, in: Léger, EGV, Art. 1, Rdnr. 10; Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 351; Röger, Ein neuer Informationsanspruch auf europäischer Ebene, DVBl. 1994, S. 1182 (1183); Europäischer Bürgerbeauftragter, Jahresbericht 1996, ABl. 1997, Nr. C 272, S. 1 (30 f.) Auch wenn die Effektivität des Akteneinsichtsrechts maßgeblich von der vollständigen Dokumentation aller Verfahrensschritte abhängt, vgl. Dubach, Recht auf Akteneinsicht, S. 92, so ist dem Dokumentenzugangsrecht selbst jedoch keine Pflicht zur umfassenden Aktenführung zu entnehmen. Diese kann sich jedoch aus dem Gebot der ordentlichen Verwaltungsführung ergeben. 141 Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz bildet natürlich der Fall, dass bestimmte vertrauliche Passagen eines Dokuments in zulässiger Weise geschwärzt werden dürfen.

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ment enthaltenen Informationen hinaus142. Diese Argumentation ist jedoch sehr formaljuristisch und konnte sich denn auch weder vor dem Europäischen Gericht erster Instanz noch dem Europäischen Gerichtshof durchsetzen. Natürlich geht es dem Antragsteller in erster Linie immer um die in dem Dokument enthaltenen Informationen und nicht allein um das Medium als solches143. Der Begriff des Dokuments soll nur dazu dienen, den Informationsanspruch, um den es sich eigentlich handelt144, in der beschriebenen Weise positiv wie negativ zu begrenzen. Man kann also sagen, der Anspruch ist auf dokumentierte Informationen gerichtet145. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Europäischen Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Meyer/Kommission. Zwar führt das Gericht dort aus: „Keine der Bestimmungen dieses Beschlusses und des ihm beigefügten Verhaltenskodex betrifft nämlich ein Recht auf Zugang zu einer Information, sondern ausschließlich das Recht auf Zugang zu Dokumenten“146. Diese Feststellung diente dem Gericht jedoch nur dazu, eine Verpflichtung der Kommission zur Beantwortung von Auskunftsersuchen abzulehnen147. Wenn es keine Dokumentationspflicht gibt, stellt sich natürlich die Frage, ob die Vernichtung von Akten ein zulässiger Weg wäre, um einem Dokumentenzugangsbegehren zu entgehen. Diese Frage wird zu verneinen sein. Eine solche Praxis stellt einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der ordentlichen Verwaltungsführung dar148, wie er vom Europäischen Gerichtshof anerkannt worden ist149. Es gibt zwar für den Bürger keine Möglichkeit, diesen Verstoß gerichtlich feststellen oder gar sanktionieren zu lassen, aber es bleibt immerhin noch die Möglichkeit einer Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten150. 142

EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnrn. 58, 75, 88; ebenso Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 30 f., 90 f.; EuGH, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 11 f. 143 Zutreffend Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/ Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 86 f. 144 Vgl. auch Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Maastricht. 145 Von einem Informationsanspruch geht auch Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (920 f.) unter Berufung auf die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 20 aus. 146 EuG, Rs. T-106/99, Meyer/Kommission, Slg. 1999, S. II-3273, Rdnr. 35. 147 EuG, Rs. T-106/99, Meyer/Kommission, Slg. 1999, S. II-3273, Rdnr. 36. 148 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 351. 149 Beispielsweise in EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 37.

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3. Dokumente Dritter Eine der wesentlichen Neuerungen151, die die Verordnung 1049/2001 gegenüber der vorherigen Rechtslage brachte, ist die Erstreckung des Zugangsanspruchs auf Dokumente, die von dritten Urhebern stammen152. Art. 2 Abs. 3 VO 1049/01 bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass mit den in Art. 2 Abs. 1 VO 1049/01 als Antragsgegenstand genannten Dokumenten der Organe nicht nur solche gemeint sind, die die Organe selbst erstellt haben, sondern auch alle Dokumente, die bei den Organen von Dritter Seite eingegangen sind. Nach der vor der Verordnung 1049/2001 bestehenden Rechtslage galt, dass ein Antragsteller, der Zugang zu einem Dokument begehrte, welches das Organ von einem Dritten erhalten hatte, direkt bei diesem Dritten um Zugang nachsuchen musste153. Ein direkt an das Organ gerichteter Antrag wurde abgelehnt. Damit war jedoch nicht etwa ein Anspruch darauf verbunden, die Dokumente stattdessen auch tatsächlich bei ihrem Urheber zu erhalten. Die Zugangsbeschlüsse der Organe konnten als Maßnahmen der internen Organisationsgewalt nämlich keine Verpflichtungen Dritter begründen154. Diese so genannte „Urheberregel“ war von Anfang an umstritten. Unklar war bereits, wie die Urheberregel systematisch genau einzuordnen ist. So spricht viel dafür, dass Dokumente Dritter gar nicht erst vom Zugangsrecht erfasst wurden155. Die überwiegende Auffassung scheint jedoch davon aus150 Siehe die erfolgreiche Beschwerde 1054/25.11.96/STATEWATCH/UK/IJH gegen den Rat, Europäischer Bürgerbeauftragter, Jahresbericht 1997, S. 199 ff., bei der sich der Beschwerdeführer dagegen wandte, dass Tagesordnungen von Sitzungen des Rates der Justiz- und Innenminister jeweils nach Ablauf eines Jahres vernichtet wurden. 151 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (109). 152 Vgl. Art. 2 Abs. 3 und Satz 1 des zehnten Erwägungsgrunds der Verordnung 1049/2001. 153 Art. 2 Abs. 2 Zugangsbeschluss des Rates; Art. 1 Zugangsbeschluss der Kommission in Verbindung mit dem Verhaltenskodex (dort „Bearbeitung der Erstanträge“); Art. 2 Abs. 3 Zugangsbeschluss des Parlaments. 154 So zutreffend Röger, Ein neuer Informationsanspruch auf europäischer Ebene, DVBl. 1994, S. 1182 (1184). 155 Ähnlich Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (108). Vgl. beispielsweise die Erwägungsgründe des Zugangsbeschlusses des Rates: „Diese Vorschriften gelten [. . .] für jedes Dokument, das sich im Besitz des Rates befindet, mit Ausnahme der Dokumente, die eine nicht zum Rat gehörende Person, Organisation oder Institution zum Urheber haben.“ Gemäß Art. 1 Abs. 2 Zugangsbeschluss des Parlaments galt der Zugangsanspruch nur für „vom Europäischen Parlament erstellte“ Dokumente.

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zugehen, dass es sich vielmehr um eine Ausnahme vom grundsätzlich bestehenden Zugangsanspruch handelte156. Praktische Auswirkungen hatte diese Diskussion nicht, denn entscheidend war allein, in welchem Maße die Behörde zur Prüfung und Begründung im Einzelfall verpflichtet war. Das Gericht erster Instanz ließ denn auch die Frage der genauen systematischen Einordnung der Urheberregel ausdrücklich offen und wertete sie nur im Hinblick auf ihren Effekt, nämlich als Einschränkung des allgemeinen Transparenzgrundsatzes wie er in den Beschlüssen der Organe enthalten war157. Außerdem bestätigte das Gericht in der Rechtssache Interporc/ Kommission II die Rechtmäßigkeit der Urheberregel und führte aus, dass für die zulässige Ablehnung eines Zugangsersuchens der begründete Verweis darauf genüge, dass die Dokumente nicht von dem betreffenden Organ stammten158. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Urheberregel war allerdings, dass tatsächlich ein Dritter Urheber des Dokuments war. Als problematisch erwies sich vor allem die Frage, welche Komitees, Arbeitsgruppen und Ausschüsse den Organen noch in einer Weise zugerechnet werden konnten, dass ihre Dokumente als vom Organ erstellt galten. In der Rechtssache Rothmans/Kommission hatte das Gericht erster Instanz beispielsweise zu entscheiden, ob die Urheberregel auf Komitologieausschüsse Anwendung findet159. Komitologieausschüsse160 unterstützen die Kommission bei der Durchführung von Rechtsakten des Rates, die dieser der Kommission gemäß Art. 202, 3. Spiegelstrich EGV regelmäßig zu übertragen hat. Aufgrund derselben Vorschrift kann der Rat auch Modalitäten festlegen, die die 156

Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-41/00 P, Interporc/Kommission II, vom 12. März 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnr. 79: „absolut geltende Ausnahme“, vgl. auch Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (58); Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (919). Der Verhaltenskodex erfasst anders als die Zugangsbeschlüsse des Rates und des Parlaments zunächst alle im Besitz der Organe befindlichen Dokumente und legt erst danach fest, dass der Zugang zu Dokumenten dritter Urheber nur bei diesen beantragt werden kann. 157 EuG, Rs. T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, S. II-2463, Rdnr. 55; Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 69. 158 EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 66, 78; kritisch Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (830). 159 Genauer dazu Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (167); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (30); Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 376 f. 160 Haibach, Komitologie nach Amsterdam, VerwArch 1999, S. 98 (99) weist darauf hin, dass der Begriff „Komitologie“ vom französischen Wort „comité“ (=Ausschuss) abgeleitet und offensichtlich um das Jahr 1986 vom Parlament für ein bis dahin allerdings schon seit längerem bestehendes Ausschusswesen geprägt wurde.

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Kommission bei der Durchführung der übertragenen Rechtsakte zu beachten hat. Von diesem Recht hat der Rat mit dem so genannten „Komitologiebeschluss“161 Gebrauch gemacht. Darin ist festgelegt, dass die Kommission in der Ausübung der genannten Befugnisse von Ausschüssen unterstützt wird, die aus Vertretern der Mitgliedstaaten162 bestehen und in denen ein Mitglied der Kommission den Vorsitz führt. Je nach Art der Durchführungsmaßnahme gelten spezielle Vorschriften, die die notwendige Beteiligung des Ausschusses und die Maßgeblichkeit seiner Stellungnahme regeln; ebenso finden sich Regelungen über eine Beteiligung von Parlament und Rat163. Sinn und Zweck des Komitologiebeschlusses ist es, dem Rat ein bestimmtes Maß an Kontrolle über die Durchführung der von ihm erlassenen Rechtsakte zu erhalten164. Die Ausschüsse waren seit jeher dem Verdacht ausgesetzt, weitreichende Entscheidungen im Verborgenen zu treffen165. Dieses Misstrauen wurde dadurch genährt, dass kaum jemand einen genauen Überblick darüber hatte, wie viele Komitologieausschüsse es überhaupt gab166. Immerhin wird die Kommission nunmehr durch Art. 7 Abs. 4 des Komitologiebeschlusses verpflichtet, eine Liste der Ausschüsse zu veröffentlichen. Eine eigene Zählung anhand dieser Liste ergab die beachtliche Zahl von 244 Ausschüssen167. Auch die Rechtssache Rothmans/Kommission war nicht gerade dazu geeignet, den gegenüber den Ausschüssen bestehenden Befürchtungen entge161

In der aktuellen Fassung handelt es sich hierbei um den Beschluss 1999/468/ EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. 1999, Nr. L 184, S. 23. Zu früheren Regelungen siehe Demmke/Haibach, Die Rolle der Komitologieausschüsse bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts, DÖV 1997, S. 710 (710 ff.). 162 Dies sind Beamte aus den nationalen Verwaltungen, die auch für die Durchführung der Rechtsakte im nationalen Bereich zuständig sind. Es findet also insoweit in großem Maße bereits integrierte europäische Verwaltung statt, vgl. Demmke/ Haibach, Die Rolle der Komitologieausschüsse bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts, DÖV 1997, S. 710 (716). 163 Art. 2 bis 8 des Komitologiebeschlusses. 164 Demmke/Haibach, Die Rolle der Komitologieausschüsse bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts, DÖV 1997, S. 710 (710). 165 Zur diesbezüglichen Kritik von Seiten des Parlaments, das seine Rolle als Beteiligter an der Normgebung und als Kontrollorgan eingeschränkt sah, vgl. Demmke/Haibach, Die Rolle der Komitologieausschüsse bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts, DÖV 1997, S. 710 (711 f., 717). Ausweislich seiner Begründungserwägungen verfolgt denn auch der Komitologiebeschluss von 1999 den Zweck, das Parlament besser einzubinden und insgesamt die Transparenz des Ausschussverfahrens zu erhöhen, vgl. Erwägungsgründe 9 bis 11. 166 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (43). 167 ABl. 2000, Nr. C 225, S. 2.

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genzuwirken. Die Kommission hatte den Zugang zu Protokollen des Komitologieausschusses für den Zollkodex verweigert. Zur Begründung führte sie zum einen an, dass nicht sie, sondern der Ausschuss Urheber der Protokolle sei. Die Kommission führe zwar den Vorsitz im Ausschuss und nehme die Protokolle auf. Angenommen würden sie jedoch von den Ausschussmitgliedern, und dies sei für die Urheberschaft maßgeblich. Zum anderen gebiete die Geschäftsordnung des Ausschusses die Vertraulichkeit seiner Arbeiten. Den Antrag auf Übermittlung der Geschäftsordnung lehnte die Kommission ebenfalls unter Verweis darauf ab, dass sie nicht deren Urheberin sei168. Im gerichtlichen Verfahren argumentierte die Kommission, es handele sich bei den Komitologieausschüssen um selbständige Einrichtungen, die nicht als Teil der Kommission angesehen werden könnten169. Das Gericht stellte demgegenüber fest, dass die Komitologieausschüsse nicht als eigenständige Gemeinschaftsorgane oder -institutionen angesehen werden könnten, da sie weder über eine eigene Verwaltung noch über ein Budget, Archive, Räumlichkeiten oder eine eigene Anschrift verfügten170. Die danach allein noch entscheidende Frage, welchem Gemeinschaftsorgan diese Ausschüsse zuzurechnen sind, beantwortete das Gericht funktionell. Da Aufgabe der Komitologieausschüsse die Unterstützung der Arbeit der Kommission sei171, könne die Kommission sich – anders als etwa der Rat – im Verhältnis zu den Ausschüssen nicht auf die Urheberregel berufen172. Dieser Rechtsprechung trägt inzwischen auch Art. 7 Abs. 2 des Komitologiebeschlusses Rechnung, in dem es nunmehr heißt, dass die für die Kommission geltenden Grundsätze und Bedingungen für den Zugang zu Dokumenten auch für die Ausschüsse gelten. a) Zulässigkeit der Abschaffung der Urheberregel Die Abschaffung der Urheberregel, wie sie nunmehr die Verordnung 1049/2001 vollzogen hat, war insbesondere ein Anliegen des Europäischen 168

EuG, Rs. T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, S. II-2463, Rdnrn. 16–

18. 169

EuG, Rs. T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, S. II-2463, Rdnrn. 45–

47. 170

EuG, Rs. T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, S. II-2463, Rdnr. 58. Gerstenberg/Sabel, Directly-Deliberative Polyarchy, in: Joerges/Dehousse, Good Governance in Europe’s Integrated Market, S. 289 (331) sprechen von „some variant of the delegation doctrine“, auf die sich das Gericht insoweit gestützt habe. 172 EuG, Rs. T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, S. II-2463, Rdnrn. 60, 62; ebenso EuG, Rs. T-111/00, BAT Tobacco/Kommission I, Slg. 2001, S. II-2997, Rdnr. 37. Chiti, Entscheidungsbesprechung WWF UK/Kommission, CMLR 1998, S. 189 (204) war noch davon ausgegangen, dass die Zugangsregeln der Kommission die Komitologieausschüsse nicht erfassen könnten. 171

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Parlaments und des Bürgerbeauftragten173. Diese konnten zur Unterstützung ihrer Auffassung auch auf die Rechtslage in der weit überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten zurückgreifen, der eine solche Urheberregel fremd ist174. Bereits im Kommissionsvorschlag für die Dokumentenzugangsverordnung war sie denn auch nicht mehr enthalten, sondern es waren ausdrücklich auch Dokumente Dritter, die sich im Besitz der Organe befinden, Gegenstand des Zugangsanspruchs175. Im Folgenden sollen die Gründe beleuchtet werden, die zur Abschaffung der Urheberregel führten und die damit zusammenhängenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen erörtert werden. Daran schließt sich eine Prüfung der in der Verordnung 1049/2001 enthaltenen Regelungen an, die nunmehr anstelle der Urheberregel zugunsten dritter Urheber von Dokumenten wirken. Beginnt man die Suche nach einem rechtlichen Fundament für die Einbeziehung der Dokumente dritter Urheber in den Zugangsanspruch bei Art. 255 EGV, so kann man sich der Einsicht kaum verschließen, dass dessen Wortlaut eine solche Ausdehnung des Zugangsanspruchs weder verlangt noch ausschließt176. Ein gewisses Indiz für die Annahme, dass einem Zugangsrecht auf Grundlage des Art. 255 EGV keine Schranken durch die Urheberschaft Dritter gesetzt sein sollten, liefert der Blick auf den Entstehungsprozess der Vorschrift. Der Entwurf der niederländischen Ratspräsidentschaft für den Vertrag von Amsterdam sah noch vor, dass in Art. 255 EGV ein Zugangsrecht ausdrücklich nur für solche Dokumente formuliert sein sollte, die von den Organen herrühren177. Nun ist die stattdessen verabschiedete Formulierung zwar, wie bereits festgestellt, nicht eindeutig, aber immerhin hat man sich offenbar gegen eine deutliche Begrenzung des Zugangsrechts auf Dokumente, deren Urheber die jeweiligen Organe sind, entschieden. Einen noch deutlicheren Hinweis in diese Richtung liefert die Erklärung Nr. 35 zum Vertrag von Amsterdam, nach der den Mitgliedstaa173

Entwurf Zugangsverordnung, Begründung, S. 3. Vgl. den Vermerk des Generalsekretariats der Kommission vom 10. August 2000, Az. SG.B.2./VJ/CD D(2000) 545158, betreffend eine vergleichende Analyse der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten über den Zugang zu Dokumenten, S. 2; ferner den Vermerk des Generalsekretariats der Kommission zum Dokumentenzugangsrecht aus dem Jahr 1999, Az. SG.C.2/VJ/CD D(99) 51. 175 Art. 2 Abs. 1 sowie siebter Erwägungsgrund Entwurf Zugangsverordnung. 176 Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG Interporc/Kommission II, ELRep 2000, S. 19 (20); Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (310); Dewost, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 103 (107); a. A. offenbar Hetmeier, in: Lenz, EGV, Art. 255, Rdnr. 6. 177 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (22); dies., Open Decision-Making and EU (Political) Citizenship, in: O’Keeffe/Twomey, Legal Issues of the Amsterdam Treaty, S. 71 (80). 174

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ten für von ihnen erstellte und den Organen übermittelte Dokumente die Möglichkeit eingeräumt sein soll, die Organe zu ersuchen, Zugang zu diesen Dokumente nicht ohne Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaates zu gewähren. Dies impliziert notwendig, dass sich das neue Zugangsrecht grundsätzlich auch auf nicht von den Organen erstellte Dokumente beziehen sollte178. Ohne Zweifel dient die Abschaffung der Urheberregel dem Grundsatz des weitestmöglichen Zugangs zu Dokumenten. Sie ist daher unter der Voraussetzung uneingeschränkt zu begrüßen, dass es keine gewichtigen öffentlichen oder privaten Interessen im Sinne von Art. 255 Abs. 2 EGV gibt, die es gerade erfordern, von Dritten stammende Dokumente vom Zugang auszunehmen. Sucht man nach solchen schutzwürdigen Interessen, so wird schnell klar, warum die Urheberregel seit jeher ein Legitimierungsproblem hat. Einige meinen, es seien überhaupt keine dadurch zu schützenden Rechtsgüter ersichtlich; allenfalls scheine, was mitgliedstaatliche Dokumente betrifft, der „Geist“ des Subsidiaritätsprinzips durch179. Andere sehen hingegen zumindest – wenn schon keine Rechtsgüter im eigentlichen Sinn – einen gewissen Nutzen durch die Urheberregel. So würden positive und negative Kompetenzkonflikte vermieden180. Entscheidend dürfte demgegenüber die Erwägung sein, dass die europäischen Institutionen in großem Umfang auf die freiwillige Übermittlung von Informationen durch Dritte angewiesen sind. Es ist nahe liegend zu vermuten, dass die Weitergabe bestimmter Informationen davon abhängt, ob sich der Dritte sicher sein kann, dass die Information nicht ohne seine Zustimmung Gegenstand eines Dokumentenzugangsrechts der Allgemeinheit wird181. Diese Vermutung gilt nicht nur in Bezug auf die Mitgliedstaaten182. Sie hat genauso 178

Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (48); Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 13; Blanchet, Le Traité d’Amsterdam, RTDE 1997, S. 915 (928); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (22); dies., Democracy, Transparency and Political Participation, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 107 (113); Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (310). 179 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 374. 180 Fierstra, Rothmans, Hautala en The Bavarian Lager Company, NTER 1999, S. 296 (298). 181 Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 7, Rdnr. 35; Turiaux, UIG, § 7, Rdnr. 52. Zwar ist es denkbar, freiwillig von Dritten gegebene Informationen, die für die Inspektions- und Untersuchungstätigkeit der Organe erforderlich sind, unter Berufung auf die dem Schutz dieser Tätigkeiten dienende und später noch genauer zu erörternde Ausnahme zu verweigern. Allerdings gibt dies dem Informanten nicht die gleiche Sicherheit wie ein Zustimmungserfordernis. 182 Auf diese stellt Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (189) insbesondere ab.

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Gültigkeit für Informationen, die von Drittstaaten, Unternehmen oder auch natürlichen Personen an die Institutionen übermittelt werden183. Speziell für die Mitgliedstaaten gilt zwar, dass sie nach dem Prinzip der Gemeinschaftstreue, Art. 10 Abs. 1 EGV, verpflichtet sind, der Gemeinschaft bestimmte Auskünfte auf Anforderung zu erteilen. Sie können sich nur unter den Voraussetzungen des Art. 296 Abs. 1 EGV weigern. Die Rechtmäßigkeit dieser Weigerung ist gemäß Art. 298 Abs. 2 EGV gerichtlich überprüfbar184. Ein wesentlicher Teil der Informationen wird jedoch freiwillig weitergegeben; eine spezielle und durchsetzbare Anfrage von Seiten der Organe kommt nämlich überhaupt nur dann in Betracht, wenn diese vom Vorhandensein einer bestimmten Information Kenntnis erhalten. Diese freiwillig gegebenen Informationen könnten mit der Abschaffung der Urheberregel in der Tat in gewissem Umfang aufs Spiel gesetzt werden. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass eine Urheberregel in den bestehenden Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten nicht enthalten ist. Besondere Probleme werden in diesem Zusammenhang jedoch, soweit ersichtlich, nicht berichtet. Außerdem ist noch einmal zu betonen, dass die Abschaffung der Urheberregel dem effet utile des Dokumentenzugangsrechts und dem allgemeinen Ziel größtmöglicher Transparenz dient185. Es ist zur Erfüllung der Kontrollfunktion des Dokumentenzugangsrechts von großer Bedeutung, den „output“ der Institutionen mit dem „input“ vergleichen zu können186. Nur auf diese Weise wird ein umfassender Überblick über die Grundlage vieler Entscheidungen der Institutionen gewährleistet, einschließlich Hinweisen auf Einflussnahmen, Lobbytätigkeit und ähnliches. Selbst wenn in bestimmten Fällen gute Gründe dafür sprechen mögen, das von einem Dritten stam183 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-41/00 P, Interporc/Kommission II, vom 12. März 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnr. 89. Dementsprechend sah auch der Entwurf für die Zugangsverordnung noch einen Ausnahmetatbestand für solche Informationen vor, die den Organen von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung übermittelt worden sind. Eine ebensolche Regelung enthält § 7 Abs. 4 UIG, vgl. dazu Kramer, UIG, § 7 Nr. 22 ff.; Röger, UIG, § 7, Rdnrn. 64 ff.; mit Blick auf § 29 VwVfG ebenfalls Widhofer-Mohnen, Das Recht auf Akteneinsicht nach § 29 VwVfG, Verwaltungsrundschau 1980, S. 285 (289). 184 Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 14; Griller/Droutsas/Falkner, Treaty of Amsterdam, S. 355 f. 185 Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 9; Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (919 f.). 186 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (48); Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (920); Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (814).

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mende Dokument nicht freizugeben, so lassen sich diese Fälle durch Konsultationspflichten und spezielle Ausnahmetatbestände auf verhältnismäßigere Weise lösen, als dies mit einem kategorischen Ausschluss des Zugangs zu allen Dokumenten Dritter der Fall wäre187. Da es keinen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz gibt, wonach der Urheber allein über die Weitergabe eines an die Institutionen übermittelten Dokuments entscheiden kann188, ist die Abschaffung der Urheberregel sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit unbedenklich. Ein Konflikt mit Art. 287 EGV, der die Amtsverschwiegenheit der Organe regelt, ergibt sich ebenfalls nicht189. Art. 287 EGV bezieht sich nur auf Informationen, die ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind. Maßstab dafür sind in erster Linie der Inhalt der Information und allenfalls noch die Umstände der Informationserlangung. Allein die Tatsache, dass die Information von einem Dritten stammt, macht sie jedoch noch nicht ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Ebenso wenig verstößt die Streichung der Urheberregel gegen den auch im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundsatz des Vertrauensschutzes190. Das Vertrauen von Dritten, die Dokumente ab Geltungsbeginn der Verordnung 1049/2001 eingereicht haben und dies in Zukunft tun werden, ist nicht schutzwürdig, da sie wissen (können), dass ihre Dokumente potentiell freigegeben werden können191. Hinsichtlich der vorher eingereichten Dokumente greift diese Argumentation zwar nicht. Dementsprechend sah auch der Vorschlag der Kommission die Aufrechterhaltung der Urheberegel für „Altfälle“ vor. Zwingend ist dies jedoch nicht. Es dürfte sich hierbei um einen Fall der unechten oder auch retrospektiven Rückwirkung handeln, die grundsätzlich dann zulässig ist, wenn nicht überwiegende Erwägungen des 187 Ob man allerdings soweit gehen kann zu argumentieren, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz habe Abschaffung der Urheberregel zwingend erfordert, erscheint dagegen zweifelhaft. 188 So die zutreffende Auffassung der schwedischen Regierung in EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 61; vgl. auch Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG Svenska Journalistförbundet/Rat, ELRep 1998, S. 438 (440). Dagegen ist Röger, Ein neuer Informationsanspruch auf europäischer Ebene, DVBl. 1994, S.1182 (1184) der Ansicht, die Organe wären nicht befugt, den Zugangsanspruch auf Dokumente zu erstrecken, deren Urheber sie nicht sind, selbst wenn diese nur von anderen Organen stammen. Er stützt sich damit auf eine fehlende „Verfügungsbefugnis“. 189 Dazu Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (168 ff.). 190 Vgl. dazu EuGH, Rs. 112/77, Töpfer, Slg. 1978, S. 1019, Rdnr. 19, Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band 2, S. 911 ff. 191 Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (814 f.); Larsson, How Open Can a Government Be?, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 39 (47).

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Vertrauensschutzes entgegenstehen192. Vertrauen wird jedoch nicht per se geschützt, sondern es muss ein berechtigtes Vertrauen bestehen, das sich regelmäßig nur aus besonderen Zusagen oder im Hinblick auf den Schutz von Rechtspositionen ergibt193. Eine Zusage, dass auch in Zukunft Dokumente Dritter nicht freigegeben würden, ist der früher geltenden Urheberregel nicht zu entnehmen. Der Schutz von Rechtspositionen, auf den der dritte Urheber vertrauen darf, erfordert nicht zwingend eine Urheberregel, sondern kann, wie bereits angedeutet, auch durch eine entsprechende Ausgestaltung der Ausnahmen zum Zugangsrecht gewährleistet werden. Die Feststellung, dass eine Urheberregel nicht zum Schutz von Rechtspositionen Dritter erforderlich ist, bedeutet jedoch nicht, dass auf deren Interessen keine Rücksicht zu nehmen wäre. Unter den gemäß Art. 255 Abs. 2 EGV zu schützenden öffentlichen und privaten Interessen gibt es einige, die speziell auf Dokumente Dritter zutreffen. Beispiele sind das Urheberrecht (hier im technischen Sinn), die Privatsphäre sowie die Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten oder Geschäftsgeheimnissen. Wenn die Institutionen durch den Wegfall der Urheberregel in die Position kommen, beurteilen zu müssen, ob diese Interessen eines Dritten durch die Dokumentenherausgabe beeinträchtigt werden könnten, so muss sichergestellt sein, dass sie diese Beurteilung auf einer zuverlässigen Tatsachengrundlage treffen. Dies gebietet im Regelfall eine Konsultation des betroffenen Dritten vor der Entscheidung, von ihm herrührende Dokumente freizugeben. Wie dieses Mitspracherecht des dritten Urhebers im Einzelnen in der Verordnung 1049/ 2001 ausgestaltet ist, wird nachfolgend aufgezeigt, wobei in Anlehnung an die Verordnung zwischen Mitgliedstaaten und sonstigen dritten Urhebern differenziert wird. b) Mitgliedstaaten als Urheber In den Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag hat sich gezeigt, wie zutreffend der Zweck der Urheberregel in den vorstehenden Ausführungen begründet worden ist. Die Mitgliedstaaten waren nämlich nicht bereit, eine Regelung zu akzeptieren, die sie jeglichen Einflusses auf die Freigabe von ihnen stammender Dokumente beraubt hätte. Diese Haltung fand zwar keinen unmittelbaren Eingang in den Vertrag. Die Regierungskonferenz nahm jedoch die bereits erwähnte Erklärung Nr. 35194 an, in der es heißt, die 192 Oppermann, Europarecht, Rdnr. 679; Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, S. 456 (460); EuGH, Rs. 1/73, Westzucker, Slg. 1973, S. 723, Rdnrn. 7–13; Rs. 96/77, Bauche, Slg. 1978, S. 383, Rdnrn. 54/58. 193 Vgl. Borchardt, in: Lenz, EGV, Art. 220, Rdnr. 65. 194 Zur Rechtsnatur solcher Erklärungen vgl. Geiger, EGV, Art. 301, Rdnr. 4.

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Konferenz sei übereingekommen, dass es zu den in Art. 255 Abs. 1 EGV genannten Grundsätzen und Bedingungen des Dokumentenzugangsrechts gehöre, dass ein Mitgliedstaat Kommission und Rat ersuchen könne, ein von ihm stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung weiterzuleiten195. In der Verordnung 1049/2001, die ausdrücklich auf die Erklärung Nr. 35 Bezug nimmt196, ist dementsprechend in Art. 4 Abs. 5 geregelt: „Ein Mitgliedstaat kann das Organ ersuchen, ein aus diesem Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung zu verbreiten.“ Am Inhalt dieser Formulierung entzündeten sich erhebliche Kontroversen. Dabei dürfte der offensichtliche Unterschied zur Erklärung Nr. 35, nämlich dass in Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 allgemein von einem Organ die Rede ist197, während in der Erklärung nur Rat und Kommission genannt sind, noch keine besondere Bedeutung haben. Diese Diskrepanz kann eigentlich nur ein Redaktionsversehen bei der Abfassung der Erklärung Nr. 35 darstellen, will man den Autoren nicht unterstellen, sie hätten das Parlament etwa mit der Überlegung bewusst ausgelassen, dass Mitgliedstaaten dem Parlament ohnehin keine brisanten Dokumente übermitteln würden. Streit besteht vielmehr darüber, ob Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 den Mitgliedstaaten ein echtes Vetorecht eröffnet198 oder ob es sich nur um eine bloße Verfahrensvorschrift handelt, die der Auffassung des Mitgliedstaates lediglich eine besondere Berücksichtigung sichert199. Beide Ansichten versuchen dabei, den Wortlaut der Vorschrift für sich zu beanspruchen. Diejenigen, die ein echtes Vetorecht annehmen, verweisen auf die Formulierung nicht ohne seine vorherige Zustimmung. Die Gegenauffassung meint, das Wort ersuchen deute darauf hin, dass der Mitgliedstaat das Organ nicht bin195 Erklärung zu Artikel 191a Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft: „Die Konferenz kommt überein, dass die in Artikel 255 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft genannten Grundsätze und Bedingungen einem Mitgliedstaat gestatten, die Kommission oder den Rat zu ersuchen, ein aus dem betreffenden Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung an Dritte weiterzuleiten.“; BT-Drs. 13/9339, S. 69. Diese Erklärung soll insbesondere auf das Drängen Frankreichs hin aufgenommen worden sein, vgl. Roberts, Multilateral Institutions and the Right to Information, ELR 2002, S. 255 (266). 196 Satz 2 des zehnten Erwägungsgrundes. 197 Das schließt das Europäische Parlament gemäß Art. 1 lit. a) VO 1049/01 ein. 198 Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (558); Palmer, Openness and Transparency, European Information, April 1999, S. 2 (2). 199 Öberg, EU Citizen’s Right to Know, CYELS 1999, S. 303 (320); ders., Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 14. Zumindest für zulässig hält diese Auslegung auch Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (83).

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den könne, sondern es nur verfahrensmäßig die Möglichkeit für den Mitgliedstaat garantiere, die Bitte um Nichtweiterleitung zu äußern200. Vorzugswürdig ist die Annahme eines echten Vetorechts. Dafür streitet vor allem ein systematisches Argument. Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01 sieht bereits vor, dass im Regelfall eine Konsultation des Dritten durch das Organ zu erfolgen hat, wenn ein von dem Dritten stammendes Dokument verbreitet werden soll. Das heißt, dass die Möglichkeit, ein nicht bindendes Gesuch um Nichtweiterleitung des Dokuments an das Organ zu richten, bereits durch diese Vorschrift abgesichert ist. Folgte man also der Auffassung, die von einem bloßen Berücksichtigungsgebot ausgeht, enthielte Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 eine überflüssige Regelung. Eine interessante Frage ist in diesem Zusammenhang, ob das in Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 geregelte Vetorecht schon dann vom Mitgliedstaat ausgeübt werden muss, wenn er das Dokument einreicht oder ob er es auch noch später in Anspruch nehmen kann201. Der Wortlaut ist hier nicht klar, spricht aber wenn überhaupt wohl eher für die erste Auslegungsvariante. Diese ist dennoch abzulehnen, denn es ist kein Grund ersichtlich, warum das Vetorecht nicht auch zu irgendeinem Zeitpunkt nach Übermittlung des Dokuments an das Organ ausgeübt werden sollte. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein Mitgliedstaat sein Ersuchen noch zum Beispiel im Rahmen der Konsultation im Falle eines Zugangsbegehrens gemäß Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01 wirksam geltend machen kann. Eine gewisse Beschränkung des Vetorechts, die zumindest der Rat vornehmen kann und auch bereits während der Geltung der Urheberregel vorgenommen hat, ist die restriktive Definition des mitgliedstaatlichen Dokuments. Bekanntermaßen ist beim Rat zu unterscheiden, ob die Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als solche oder in ihrer Eigenschaft als Ratsmitglieder handeln. Reichen sie in letztgenannter Eigenschaft ein Dokument beim Rat ein, was der Regelfall sein dürfte, so handelt es sich, auch wenn ein Mitgliedstaat als Urheber genannt sein sollte, um ein Dokument des Rates, für das Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 nicht gilt202. Auch wenn man im Ergebnis bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte, es habe sich im Hinblick auf die Mitgliedstaaten durch den Wegfall der Urheberregel nichts verändert, so ist dies nicht ganz richtig. Immerhin ist es als, wenn auch kleiner, Fortschritt gegenüber der bisherigen Regelung zu werten, dass nunmehr das Organ selbst über den Zugangsantrag ent200

Öberg, EU Citizen’s Right to Know, CYELS 1999, S. 303 (320). Vgl. McDonagh, The Interaction of European Community and National Access to Information Laws, IJEL 2000, S. 216 (219). 202 Natürlich ist zuzugeben, dass man hier den Geist der Erklärung Nr. 35 zum Amsterdamer Vertrag auch für die Begründung einer anderen Auslegung heranziehen kann. 201

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scheidet und den Antragsteller nicht mehr an den Mitgliedstaat als Urheber verweisen kann und muss203. c) Sonstige Dritte als Urheber Die privilegierte Position der Mitgliedstaaten wird besonders deutlich, wenn man die Regelung in den Blick nimmt, die zugunsten aller übrigen dritten Urheber in der Verordnung 1049/2001 getroffen worden ist. Gemäß Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01 sind diese vom Organ vor der Freigabe der Dokumente lediglich zu konsultieren. Diese Konsultation dient jedoch nicht der Ermittlung des Willens des Dritten hinsichtlich der Freigabe der Dokumente, sondern allein dazu, dem Organ die Beurteilung zu ermöglichen, ob die Dokumente unter eine der speziellen Ausnahmetatbestände fallen204. Deshalb bestimmt Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01 auch, dass eine Konsultation dann entbehrlich ist, wenn entweder offensichtlich ist, dass ein Dokument eines dritten Urhebers verbreitet werden muss oder wenn klar ist, dass es nicht verbreitet werden darf. Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01 findet auch im Verhältnis der Organe untereinander Anwendung, denn gemäß Art. 3 lit. b) VO 1049/01 kann „Dritter“ auch ein anderes Gemeinschaftsorgan sein. 4. Erstreckung auf alle Gemeinschaften Wie sich aus den Begründungserwägungen zur Verordnung 1049/2001 ergibt, sollte das Zugangsrecht nicht auf den Bereich des EG-Vertrags beschränkt sein. Vielmehr sollte es sich auch auf Dokumente erstrecken, die im Zusammenhang mit einer Tätigkeit der Organe im Bereich des EGKSund des Euratom-Vertrags stehen205. Problematisch ist aber, dass sich weder im EGKS- noch im Euratom-Vertrag eine Art. 255 EGV entsprechende Vorschrift findet. Ebenso wenig wird Art. 255 EGV dort für anwendbar erklärt. Eine ausdrückliche Regelung auch in diesen Verträgen war zwar angedacht worden, es konnte jedoch keine Einigung darüber erzielt werden206. Den203

So auch Blanchet, Le Traité d’Amsterdam, RTDE 1997, S. 915 (925). Auf diese Maßgeblichkeit der Ausnahmetatbestände zielt wohl auch die etwas missverständliche Formulierung in den Schlussanträgen des Generalanwalts Léger, Rs. C-41/00 P, Interporc/Kommission II, vom 12. März 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnr. 97, in Bezug auf die Verordnung 1049/2001: „Die Urheberregel ist mit anderen Worten nach der neuen Gemeinschaftsregelung keine absolut geltende Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Dokumenten mehr, sondern wird zur klassischen Ausnahme, die der freien Auslegungsbefugnis der Kommission unterliegt.“ Klarer wäre es allerdings gewesen, wenn der Generalanwalt deutlich gemacht hätte, dass es eine Urheberregel als solche in der Verordnung 1049/2001 nicht mehr gibt. 205 Fünfter Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001. 204

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noch brachte die Regierungskonferenz in der Erklärung Nr. 41 zum Amsterdamer Vertrag207 unmissverständlich ihren Willen zum Ausdruck, dass sich die Handhabung des Dokumentenzugangsrechts im Bereich des EG-Vertrags nicht von der im Bereich von EGKS- und Euratom-Vertrag unterscheiden solle208. Da natürlich Protokollerklärungen und in Sollensform formulierte Begründungserwägungen keine belastbare Rechtsgrundlage darstellen, stellt sich die Frage, wie man darüber hinaus die Erstreckung des Dokumentenzugangsrechts auf alle drei Gemeinschaften begründen kann. Ein Begründungsansatz könnte sich auf Art. 1 Abs. 2 EUV stützen, der Art. 255 EGV nicht nur besonderes Gewicht verleiht, sondern auch als Brücke zu den anderen Verträgen dienen könnte209. Noch überzeugender ist allerdings der Ansatz der Kommission, die sich in ihrem Vorschlag für die Zugangsverordnung210 auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Deutsche Babcock211 stützte. Bei diesem Vorabentscheidungsverfahren hatte das Finanzgericht Hamburg die Frage aufgeworfen, ob eine aufgrund des EG-Vertrags212 erlassene Verordnung über den Erlass und die Erstattung von Ein- und Ausfuhrabgaben auch auf Waren anwendbar sein kann, die nicht unter den EG-Vertrag, sondern unter den EGKS-Vertrag fallen. Der Gerichtshof hat zunächst auf Art. 305 Abs. 1 EGV Bezug genommen, nach dem der EG-Vertrag nicht die Bestimmungen des EGKS-Vertrags ändere. Daraus folge, so der Gerichtshof, dass eine auf den EG-Vertrag gestützte Norm insoweit auf eine unter den EGKS-Vertrag fallende Materie anwendbar sei, wie der EGKS-Vertrag oder darauf gestütztes Sekundärrecht keine eigene, speziellere Regelung beinhalteten213. An einer solchen speziellen Regelung fehlt es auch im Fall des Dokumentenzugangs206

Vgl. Thun-Hohenstein, Amsterdamer Vertrag, S. 100. Erklärung zu den Vorschriften über die Transparenz, den Zugang zu Dokumenten und die Bekämpfung von Betrügereien: „Die Konferenz ist der Ansicht, daß sich das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission, wenn sie aufgrund des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft handeln, von den im Rahmen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geltenden Vorschriften über die Transparenz, den Zugang zu Dokumenten und die Bekämpfung von Betrügereien leiten lassen sollten.“; BT-Drs. 13/9339, S. 70. 208 Lenz, in: Bergmann/Lenz, Amsterdamer Vertrag, Kapitel 10: Transparenz, Rdnr. 18. 209 Vgl. Thun-Hohenstein, Amsterdamer Vertrag, S. 100, Fn. 2. 210 Dieser ging ebenfalls von einer Geltung des Zugangsrechts für alle drei Gemeinschaften aus, vgl. den fünften Erwägungsgrund Entwurf Zugangsverordnung. 211 EuGH, Rs. 328/85, Deutsche Babcock, Slg. 1987, S. 5119. 212 Der Originalsachverhalt bezog sich noch auf den EWG-Vertrag. Er ist hier aus Gründen der Übersichtlichkeit an die aktuelle Rechtslage angepasst worden. 213 EuGH, Rs. 328/85, Deutsche Babcock, Slg. 1987, S. 5119, Rdnr. 10. 207

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rechts, so dass auf die Verordnung 1049/2001 zurückgegriffen werden kann. Gleiches muss für den Euratom-Vertrag gelten. Zwar gibt es insoweit keine Entscheidung des Gerichtshofes, aber da der vom Gerichtshof in Bezug genommene Art. 305 Abs. 1 EGV ein für den Euratom-Vertrag geltendes Pendant in Art. 305 Abs. 2 EGV findet, ist eine parallele Bewertung gerechtfertigt214. Bedenken bestehen gegen diese Erstreckung nicht, da den besonderen Geheimhaltungsinteressen im Rahmen von EGKS- und Euratom-Vertrag mittels der Ausnahmetatbestände der Verordnung 1049/2001 Rechnung getragen werden kann215 und spezielle Geheimhaltungsvorschriften unberührt bleiben216. Für den EGKS-Vertrag ist diese Frage allerdings ohnehin nur noch von rückwirkender Bedeutung. Er lief am 23. Juli 2002 aus. Nach Art. 97 EGKSV und 305 EGV ging seine Regelungsmaterie vollständig im EG-Vertrag auf217. 5. Erstreckung auf alle Säulen Das Dokumentenzugangsrecht erstreckt sich auch auf die Tätigkeit der Organe im Zusammenhang mit den nicht vergemeinschafteten Unionspfeilern218. Mit dem Vertrag von Amsterdam wurden besondere Vorschriften in den Unionsvertrag eingeführt, die die Geltung des Art. 255 EGV anordnen: Für die zweite Säule ist dies Art. 28 EUV und für die dritte Säule Art. 41 EUV219. Diese Regelung kann auch als Ausprägung des in Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 EUV niedergelegten Prinzips betrachtet werden, wonach grundsätzlich keine Differenzierung nach Unions- und Gemeinschaftsorganen stattfinden soll220. Die vor der Verordnung 1049/2001 geltenden Zugangsregeln schlossen einen Zugang zu Dokumenten aus den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Zusammenarbeit auf 214 So auch Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (108, Fn. 16). 215 Lenz, in: Bergmann/Lenz, Amsterdamer Vertrag, Kapitel 10: Transparenz, Rdnr. 16. 216 Vgl. insbesondere die Verordnung Nr. 3 des EAG-Rates vom 31. Juli 1958 zur Anwendung des Artikels 24 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. 1958, Nr. 17, S. 406, die Geheimschutzgrade und Schutzmaßnahmen für Informationen aus dem Tätigkeitsbereich der Atomgemeinschaft regelt. Dazu auch näher unten „E. Verhältnis zu speziellen Zugangsregelungen“. 217 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 353; Dashwood, States in the European Union, ELR 1998, S. 201, 205 Fn. 19. 218 Denkschrift der Bundesregierung zum Vertrag von Amsterdam, BT-Drs. 9339, Ziffer 45 zu Art. 191a AV, S. 159. 219 Vgl. auch die siebte Begründungserwägung zur Verordnung 1049/2001. 220 Dazu Geiger, EUV, Art. 3, Rdnr. 9 und Art. 5, Rdnr. 6.

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den Gebieten Justiz und Inneres221 weder aus noch sahen sie ihn ausdrücklich vor. In der Praxis wurde jedoch schon damals grundsätzlich der Zugang auch zu diesen Dokumenten gewährt. Kontroversen entzündeten sich allerdings im Hinblick auf die Zuständigkeit der Gemeinschaftsgerichte für Nichtigkeitsklagen gegen die Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument, das seinem Inhalt nach den nicht vergemeinschafteten Pfeilern der Union zuzuordnen war. Das Problem bestand darin, dass gemäß Art. L EUV (jetzt Art. 46 EUV222) eine Zuständigkeit des Gerichtshofes für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der unter Titel V EUV (GASP) und Titel VI EUV (ZJI) fallenden Maßnahmen nicht begründet war. Dennoch erklärte sich das Gericht erster Instanz für zuständig, die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über ein Dokumentenzugangsbegehren auch in diesen Fällen zu prüfen und zwar in der Rechtssache Hautala/Rat223 für die zweite und in der Rechtssache Svenska Journalistförbundet/Rat224 für die dritte Säule. Die Argumentation des Gerichts war im Wesentlichen folgende: Der bloße Umstand, dass ein Dokument seinem Inhalt nach den Titeln V oder VI des Unionsvertrags zuzuordnen sei, mache die Entscheidung darüber, ob zu diesem Dokument Zugang gewährt werden solle, noch nicht zu einer Maßnahme, die unter die genannten Titel falle. Unabhängig vom Inhalt der Dokumente stelle der Dokumentenzugang vielmehr eine Entscheidung auf Grundlage der Zugangsbeschlüsse dar, die ihrerseits auf der Geschäftsordnungsermächtigung beruhten225. Bei dieser zutreffenden Betrachtung greift die Zuständigkeitsbegrenzung des Art. 46 EUV natürlich nicht.

III. Anspruchsinhaber In Übereinstimmung mit Art. 255 EGV legt Art. 2 Abs. 1 VO 1049/01 fest, dass Inhaber des Rechts auf Dokumentenzugang jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat sind. Die darin enthaltene Einschränkung hinsichtlich der Personen, auf die diese Kriterien nicht zutreffen, ist praktisch bedeutungslos. Zum einen können diese sich problemlos Bevollmächtigter bedienen, die die genannten Voraussetzungen erfüllen. Zum anderen findet eine Kontrolle dieser Kriterien in der Praxis nicht statt. Eine andere Handhabung 221

Heute nur noch Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Die Regelung ist in der hier maßgeblichen Hinsicht unverändert geblieben. 223 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 41 f., unbeanstandet zur Kenntnis genommen von EuGH, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 40 ff. 224 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 81, 84 f. 225 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 85 f. 222

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wäre auch im Hinblick darauf, dass vielfach Zugangsverfahren ausschließlich mit Hilfe von E-Mails abgewickelt werden, kaum möglich. Schließlich eröffnet Art. 2 Abs. 2 VO 1049/01 den Organen ausdrücklich die Möglichkeit, auch den nicht nach dem ersten Absatz Berechtigten Zugang im Wege der Ermessensentscheidung zu gewähren226. Die Organe untereinander können sich zwar nicht unmittelbar auf das Dokumentenzugangsrecht berufen, da sie selbst weder juristische noch natürliche Personen sind. Dafür gelten für sie aber spezielle Regelungen wie etwa der Auskunftsanspruch des Parlaments gegenüber der Kommission gemäß Art. 197 Abs. 3 EGV. Kommt es einzelnen Mitgliedern oder Mitarbeitern der Institutionen dagegen gerade auf den Zugang zu einem Dokument an, so können sie diesen ohne weiteres als natürliche Personen fordern, wie es der Fall Hautala/Rat gezeigt hat, in dem eine finnische Abgeordnete des Europäischen Parlaments – allerdings noch auf der Grundlage des Beschlusses 93/731/EG – Zugang zu Dokumenten des Rates begehrte227. Die Mitgliedstaaten sind als Anspruchsberechtigte in der Verordnung 1049/2001 nicht ausdrücklich genannt. Sie sind wohl auch nicht als juristische Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 VO 1049/01 anzusehen, da die dortige Anknüpfung an den Sitz in einem Mitgliedstaat darauf schließen lässt, dass die Mitgliedstaaten selbst damit nicht gemeint sind. Die Mitgliedstaaten bedürfen jedoch eines Zugangsrechts nach dieser Verordnung auch nicht. Ihnen steht ein solcher Anspruch bereits als Teil des umfassenden Informationsanspruchs, den sie aufgrund Art. 10 EGV gegen die Organe haben, zu228. 226 Vgl. dazu auch die neuen Geschäftsordnungen der Organe. Der Beschluss 2002/682/EG, Euratom des Rates vom 22. Juli 2002 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung, ABl. 2002, Nr. L 230, S. 7, bezieht sich auf jede natürliche und juristische Person. Der Beschluss 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. 2001, Nr. L 345, S. 94, wiederholt dagegen nur Art. 2 Abs. 2 VO 1049/01. 227 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489; Metten, Request to a Member State for Access to European Information, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 85 (88) gibt als weiteren Grund für ein solches Vorgehen noch an, dass Parlamentsabgeordnete zwar auch ohne den Zugangsanspruch nicht-öffentliche Dokumente erhalten könnten. Sie dürften davon allerdings nur eingeschränkten Gebrauch machen, das heißt zwar die Information verwenden, aber das Dokument nicht zitieren. Diese Einschränkung entfiele, wenn sie das Dokument im Zuge eines normalen Zugangsbegehrens erhielten. 228 Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit wirkt entgegen dem Wortlaut des Vertrags in beide Richtungen, EuGH, Rs. C-2/88, Zwartveld, Slg. 1990, S. I-3365, Rdnrn. 17 ff.; Geiger, EGV, Art. 255, Rdnr. 3 sowie Art. 220, Rdnr. 2. Der sechzehnte Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001 stellt außerdem ausdrücklich fest, dass die Verordnung 1049/2001 bestehende Zugangsrechte der Mitgliedstaaten nicht berührt.

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IV. Ausnahmen vom Zugangsrecht Im Folgenden sollen nun die in der Verordnung 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen zum Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe eingehend analysiert werden. Ihre Ausgestaltung und Auslegung hat entscheidenden Einfluss auf die praktische Wirksamkeit des Zugangsrechts. Bevor jedoch die Ausnahmetatbestände der Verordnung 1049/2001 einzeln untersucht werden, sollen die für alle Ausnahmen gemeinsamen Grundsätze – wie es immer so schön heißt – „vor die Klammer gezogen“ werden. 1. Allgemeine Grundsätze Allgemeingültige Aussagen lassen sich für die Ausnahmetatbestände in zweierlei Hinsicht treffen: Erstens können die Ausnahmen nach ihrer „technischen“ Ausgestaltung systematisiert werden und zweitens können Auslegungsgrundsätze herausgearbeitet werden. a) Charakteristika und Systematik der Ausnahmen Das vor der Verordnung 1049/2001 geltende Zugangsrecht war durch zwei Formen von Ausnahmen eingeschränkt, die sich darin unterschieden, welcher Entscheidungsspielraum dem Organ verblieb, wenn der Ausnahmetatbestand erfüllt war. Ein Spielraum blieb den Organen dabei nur bei der wohl umstrittensten Ausnahme, nämlich derjenigen, die das Interesse an der Vertraulichkeit der Beratungen schützen sollte229. Diese Ausnahme war eine fakultative, da dort formuliert war, dass die Organe den Zugang im Interesse der Vertraulichkeit der Beratungen verweigern können. In allen anderen Fällen handelte es sich um so genannte zwingende oder auch obligatorische Ausnahmen, die ihrem Wortlaut nach kein Ermessen eröffneten. Diese Systematik hat die Rechtsprechung von Beginn an geprägt230. aa) Grundsätze der Interessenabwägung In Bezug auf die fakultative Ausnahme zum Schutz des Beratungsgeheimnisses hat das Gericht erster Instanz bereits in der Rechtssache Carvel & Guardian/Rat die Anforderung aufgestellt, dass die Organe bei der Er229 Art. 4 Abs. 2 Zugangsbeschluss des Rates, Art. 5 Abs. 2 Zugangsbeschluss des Parlaments, Art. 1 Zugangsbeschluss der Kommission in Verbindung mit dem Verhaltenskodex (dort „Regelung der Ausnahmen“, am Ende). 230 Beginnend mit EuG, Rs. T-194/94, Carvel & Guardian/Rat, Slg. 1995, S. II-2765, Rdnr. 63 f.

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messensausübung eine Interessenabwägung vornehmen müssen231. Dieses Erfordernis war zwar dem Wortlaut der Ausnahme nicht unmittelbar zu entnehmen; es ist aber aus der Überlegung gerechtfertigt, dass die Interessenabwägung zum Kernbereich jeder Ermessensbetätigung gehört. Probleme bereitete jedoch die Formulierung des Gerichts, wonach das Interesse des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen gegen das Interesse des Bürgers am Zugang zu den Dokumenten des Organs abzuwägen sei232. Sofern man der Auffassung ist, dass mit dem Interesse des Bürgers ein individuelles Interesse des Antragstellers gemeint ist233, muss man zwangsläufig einen Widerspruch erkennen zu einem wichtigen Grundsatz des Dokumentenzugangsrechts: Nach der geschriebenen Rechtslage und der Rechtsprechung ist eindeutig, dass der Antragsteller keinerlei Begründung für sein Zugangsgesuch abgeben muss234. Wie kann das Organ aber etwas in Abwägung bringen, was es nicht kennt und auch nicht erfragen darf235? Selbst wenn bei einem Antragsteller das persönliche Interesse ausnahmsweise ersichtlich sein sollte, stellt sich die Frage, ob bei dessen Berücksichtigung nicht ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber anderen Antragstellern droht236. Ein solcher Widerspruch wird vermieden, wenn man nicht das persönliche Interesse eines Antragstellers als Abwägungsgegenstand ansieht, sondern ein generalisiertes Interesse, das ein jeder Antragsteller am Dokumentenzugang haben könnte. Ein solches generelles Interesse wäre im Grunde nichts anderes als die Summe der Vorteile, die das Dokumentenzugangsrecht für alle Bürger, mit anderen Worten für die Öffentlichkeit, hat237. 231

Ständige Rechtsprechung seit EuG, Rs. T-194/94, Carvel & Guardian/Rat, Slg. 1995, S. II-2765, Rdnr. 65; Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1060); Vassilaki, Entscheidungsbesprechung EuG Carvel & Guardian/Rat, in: CR 1996, S. 370 (370). 232 EuG, Rs. T-194/94, Carvel & Guardian/Rat, Slg. 1995, S. II-2765, Rdnr. 65. 233 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (110). 234 So jetzt auch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 VO 1049/01. 235 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (110). 236 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (110); ebenso Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 10. Juni 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Max Lienemeyer (2/02), Dok.Nr. 9582/02, S. 3; a. A. Wegener, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 4, Rdnr. 9, der dies als einen Fall „positiver Diskriminierung“ einstuft und für zulässig hält. 237 So auch O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (413): „benefits of a regime of general access“; Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (348): „interest of openness“; Lenaerts/van Nuffel, Constitutional Law of the European Union„ Rdnr. 13-016; auch McDonagh,

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Die Formulierungen des Gerichts erster Instanz enthielten zunächst keine eindeutigen Vorgaben238. Manchmal war vom Interesse des Bürgers und manchmal vom Interesse der Bürger die Rede, wobei sich wiederum die verschiedenen Sprachfassungen der Urteile unterschieden239. In der Rechtssache BAT Tobacco/Kommission I war das Gericht jedoch gezwungen, deutlicher zu werden. In diesem Verfahren hatte ein Unternehmen aus einem ausschließlich individuellen Interesse Zugang zu Dokumenten des Verbrauchssteuerausschusses beantragt240. Dieser war der Antragstellerin unter Berufung auf die Ausnahme zum Schutz des Interesses an der Vertraulichkeit der Beratungen des Ausschusses verweigert worden. Die Kommission hatte das individuelle Interesse der Antragstellerin aus den bereits vorgestellten Erwägungen nicht berücksichtigt. Das Gericht traf eine salomonische Entscheidung: Da ein Antragsteller nicht verpflichtet sei, Gründe für seinen Antrag anzugeben, könne vom Organ grundsätzlich nicht verlangt werden, individuelle Interessen zu berücksichtigen, von denen es keine Kenntnis habe241. Wenn jedoch ein individuelles Interesse des Antragstellers von diesem vorgetragen worden oder sonst für das Organ offensichtlich sei, so müsse dieses Interesse auch in die Abwägung einbezogen werden242. Diese Rechtsprechung kann nicht unbesehen auf die neue Rechtslage übertragen werden. Zwar ist nunmehr in der Verordnung 1049/2001 für einige Ausnahmen243 sogar ausdrücklich angeordnet, dass ein besonderes InThe Interaction of European Community and National Access to Information Laws, IJEL 2000, S. 216 (235) geht offenbar davon aus, dass das öffentliche Interesse gemeint ist; Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (191). 238 In der Rechtssache Mattila/Rat und Kommission hatte der Kläger ein besonderes persönliches Interesse geltend gemacht. Das Gericht lehnte ein Berücksichtigungsgebot ab, allerdings nicht unter Verweis auf den Charakter des Interesses, sondern mit der Begründung, dass im Rahmen der zwingenden Ausnahmen generell keine Interessenabwägung stattfinde, EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 107. 239 In diese Richtung geht die englische Fassung von EuG, Rs. T-194/94, Carvel & Guardian/Rat, Slg. 1995, S. II-2765, Rdnr. 65: „interest of citizens“. In EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 113 heißt es dagegen: „interest of the citizen“. Die deutschen Fassungen verwenden in beiden Fällen die Formulierung „Interesse des Bürgers“, die französischen „intérêt du citoyen“. 240 EuG, Rs. T-111/00, BAT Tobacco/Kommission I, Slg. 2001, S. II-2997, Rdnr. 48. 241 EuG, Rs. T-111/00, BAT Tobacco/Kommission I, Slg. 2001, S. II-2997, Rdnr. 42. 242 EuG, Rs. T-111/00, BAT Tobacco/Kommission I, Slg. 2001, S. II-2997, Rdnrn. 43 ff. 243 Art. 4 Abs. 2 und 3, nicht dagegen in Art. 4 Abs. 1 VO 1049/01.

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teresse am Zugang zu den Dokumenten zu berücksichtigen ist. Allerdings fällt dort auf Seiten des Zugangssuchenden ausschließlich ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ in die Waagschale. Nur ein solches Interesse kann die Regelfolge des Ausnahmetatbestands überwinden. Auch wenn für die Annahme eines öffentlichen Interesses sicherlich nicht erforderlich ist, dass es von der gesamten Öffentlichkeit geteilt wird, so dürfte ebenso klar sein, dass der Verordnungsgeber rein private Interessen nicht berücksichtigen wollte. Damit wäre das Interesse der Klägerin in der Rechtssache BAT Tobacco/Kommission I, das allein im Zusammenhang mit ihrer geschäftlichen Tätigkeit stand und der Klägerin dazu dienen sollte, „ihren Standpunkt bei den Steuer- und Zollbehörden der betreffenden Staaten kundzutun“244, im Rahmen der Verordnung 1049/2001 unbeachtlich. Abgesehen von derart eindeutigen Fällen wird jedoch die Abgrenzung von privaten und öffentlichen Interessen regelmäßig mit Problemen verbunden sein. Außerdem besteht die Gefahr, dass Charakter und Gewicht des Interesses miteinander vermengt werden. Ein gutes Beispiel dafür bietet eine jüngere Entscheidung des Rates über einen Antrag auf Zugang zu einem Gutachten seines juristischen Dienstes. Der Antragsteller hatte angegeben, das Gutachten für Forschungszwecke zu benötigen. Der Rat hielt das akademische Interesse des Antragstellers für unbeachtlich, da es kein öffentliches Interesse im Sinne der Verordnung 1049/2001 sei. Zur Begründung dieser Auffassung legte der Rat aber nicht etwa dar, dass es sich stattdessen um ein privates Interesse handelt. Vielmehr verwies er darauf, dass ein akademisches Interesse an den meisten Gutachten des juristischen Dienstes bestehe und darum das akademische Interesse für sich allein noch kein „überwiegendes öffentliches Interesse“ darstelle245. Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Dies liegt aber nicht daran, dass dem Rat im Ergebnis nicht zuzustimmen wäre, sondern, dass er den Schwerpunkt seiner Begründung unzutreffend gesetzt hat. Der Rat machte im Kern geltend, dass das vom Antragsteller vorgebrachte Interesse nicht speziell das beantragte Dokument betreffe, sondern dass dieses Interesse für jedes Dokument dieser Kategorie gelte. Würde man es berücksichtigen, wäre die Freigabe von eigentlich vertraulichen Dokumenten aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses nicht mehr die Ausnahme, wie von der Verordnung 1049/2001 vorgesehen, sondern der Regelfall. Damit könnten die Organe den Zugang nie verweigern, und die Ausnahmetatbestände wären ihres effet utile beraubt246. 244 EuG, Rs. T-111/00, BAT Tobacco/Kommission I, Slg. 2001, S. II-2997, Rdnr. 48. 245 Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 1. Juli 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Markus Klinger (1/02), Dok.Nr. 10033/02, S. 3 f.

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Diese Argumentation berührt jedoch nicht die Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Interessen, sondern eher die zwischen allgemeinen und besonderen Interessen. Diese letztgenannte Unterscheidung lässt sich aber nur im Rahmen der Prüfung vornehmen, ob das geltend gemachte Interesse ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ ist. Dies hätte der Ansatzpunkt des Rates sein müssen. In Anwendung dieses Kriteriums lässt sich begründen, dass ein akademisches Interesse regelmäßig nur Teil des allgemeinen Interesses der Öffentlichkeit an Transparenz und Offenheit ist. Dieses allgemeine Zugangsinteresse ist jedoch schon im Rahmen der Abwägung berücksichtigt worden, die der Entscheidung darüber vorausging, welche Ausnahmen in die Verordnung 1049/2001 aufgenommen werden sollten. Das allgemeine Zugangsinteresse kann also die hinter den Ausnahmetatbeständen stehenden privaten und öffentlichen Interessen nicht überwinden, sondern tritt kraft gesetzgeberischer Entscheidung hinter diesen zurück. Neben diesen Grundsätzen ist ferner zu klären, inwieweit das Organ verpflichtet ist, eigene Ermittlungen zum Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses anzustellen oder ob es dieses nur in die Abwägung einstellen muss, wenn es vom Antragsteller dargelegt wird oder für das Organ sonst offensichtlich ist. Diese Frage ist eng mit der Überlegung verknüpft, wer die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf das überwiegende öffentliche Interesse trägt247. Muss der Antragsteller darlegen und notfalls beweisen, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, oder muss das Organ dessen Nichtbestehen belegen? Systematisch obliegt der Nachweis wohl dem Antragsteller248. Dies folgt aus der Überlegung, dass grundsätzlich derjenige die Voraussetzungen einer Ausnahme darlegen muss, der sich auf diese beruft249. Bei dem Kriterium des überwiegenden öffentlichen Interesses handelt es sich, wie bereits dargelegt, um eine Ausnahme, genauer gesagt um eine Ausnahme von der Ausnahme. Folgt man dieser Sichtweise, muss das Organ prüfen und darlegen, warum die Beeinträchtigung eines geschützten Interesses droht250, die regelmäßig zu einer Verweigerung des Dokumentenzugangs führt. Der Antragsteller muss dann begründen, warum ausnahmsweise diese Rechtsfolge wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Verbreitung nicht 246 So zutreffend Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 10. Juni 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Max Lienemeyer (2/02), Dok.Nr. 9582/02, S. 3. 247 Vgl. dazu Rausch, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und -würdigungen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 304. 248 So wohl auch Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (82 f.). 249 Vgl. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 286, Rdnr. 65. 250 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 64.

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eintreten soll. Dieses systematische Verständnis erscheint vorzugswürdig gegenüber der Auslegung des überwiegenden öffentlichen Interesses als negatives Tatbestandsmerkmal des Ausnahmetatbestandes, dessen Vorliegen das Organ zu belegen hätte. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung „es sei denn“, die regelmäßig auf eine Ausnahme und vor allem auf einen Wechsel in der Darlegungs- und Beweislast hindeutet251. Die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller stehen nicht im Widerspruch zu dem bereits erwähnten Prinzip, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, Gründe für sein Begehren zu nennen252, denn die damit gemeinten Gründe dürften im Gegensatz zu dem hier diskutierten Interesse individueller Natur sein. Zusammengefasst heißt dies, dass das Organ nur verpflichtet ist, solche überwiegenden öffentlichen Interessen in seine Abwägung einzustellen, die vom Antragsteller vorgebracht werden oder sonst für das Organ ohne besondere eigene Nachforschungen erkennbar waren. Weitere Verpflichtungen ergeben sich ebenso wenig aus dem auch im Gemeinschaftsrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz253, der keine Ermittlungen ohne greifbaren Anhaltspunkt verlangt. Kurz gesagt ist das überwiegende Interesse von Amts wegen zu beachten254, aber nicht in besonderer Weise von Amts wegen zu erforschen. Natürlich wird das in der Praxis meist zu floskelhaften Formulierungen wie „Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung des Dokuments ist nicht ersichtlich“ führen255. Das ist jedoch, obgleich bedauernswert, nicht ungewöhnlich und letztlich strukturimmanent. 251

Vgl. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 286, Rdnr. 61 ff. mit weiteren Nachwei-

sen. 252 Auf einen solchen Konflikt zwischen diesem Prinzip und den Beweislastanforderungen weist Davis, The Court of Justice and the right of public access to Community-held documents, ELR 2000, S. 303 (307) in Bezug auf das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. II-545, Rdnrn. 52, 55, hin. Dort, so Davis, habe das Gericht dem Antragsteller auferlegt zu beweisen, warum er Zugang erhalten müsse, obwohl er zur Angabe von Gründen eigentlich nicht verpflichtet sei. Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (186 f.) meint demgegenüber, es sei dabei nicht so sehr um eine Tatsachen- denn um eine Rechtsfrage gegangen. Bei genauerer Betrachtung scheint sich das Gericht aber nur auf die Substantiierung der Klagegründe im Prozess zu beziehen. Insoweit ist der Kläger natürlich verpflichtet, näher zu begründen, warum er die Entscheidung der Kommission für rechtswidrig hält. 253 EuGH, Rs. C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, S. I-5469, Rdnr. 14; Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, S. 456 (458). 254 Vgl. Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (683). 255 Vgl. beispielsweise den Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 14. Oktober 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Staffan Dahllöf (1/02), Dok.Nr. 12343/02, S. 4: „In the absence of any overriding public interest in disclosure, access to documents [. . .] must, therefore, be refused“.

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bb) Bewertung der Neufassung In der Verordnung 1049/2001 sind nunmehr alle Ausnahmen als zwingende ausgestaltet, und es stellt sich die Frage, ob darin ein Rückschritt gegenüber der früheren Regelung zu erblicken ist. Die Bewertung kann nur dann zutreffend vollzogen werden, wenn man sich vor Augen hält, was der wesentliche Vorteil bei einer Ermessensausnahme ist: Es ist die Interessenabwägung, die dem Umstand Rechnung trägt, dass bestimmte Schutzgüter nicht in jedem Fall Vorrang vor dem Interesse der Öffentlichkeit an der Zugänglichkeit der Dokumente haben können. Eine solche Interessenabwägung war nach der alten Regelung nur bei der fakultativen Ausnahme erforderlich. Nunmehr ist zwar die fakultative Ausnahme abgeschafft worden, dafür wurde für einen wesentlichen Teil der zwingenden Ausnahmetatbestände eine Interessenabwägung eingeführt. Die dort gewählte Formulierung, wonach der Zugang verweigert wird, es sei denn ein überwiegendes öffentliches Interesse gebietet die Verbreitung, macht aus der zwingenden Ausnahme aber nicht etwa eine fakultative256. Es ist vielmehr eine Kombination zweier zwingender Ausnahmen, einer zugangsbeschränkenden und einer zugangserweiternden. Mit der Verordnung 1049/2001 sind also besondere Interessen an der Freigabe von Dokumenten bei einer deutlich größeren Zahl von Ausnahmen zwingend zu berücksichtigen als dies nach früherer Rechtslage der Fall war. Bei dieser Betrachtung wird klar, dass die Verordnung 1049/2001 einen Fortschritt gegenüber der Vorläuferregelung darstellt257. Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich der Ausnahmen dadurch begrenzt, dass das Organ eine drohende Beeinträchtigung eines der in den Ausnahmetatbeständen geschützten Interessen belegen muss, will es den Zugang zu einem Dokument verweigern. Es genügt also nicht, dass allein der Inhalt des Dokuments mit einem dieser Interessen lediglich in Zusammenhang steht258. Dieser so genannte harm test, der auch in den nationalen Dokumentenzugangsrechten weit verbreitet ist, fand sich bereits im früheren Recht. Er ist jedoch in der Verordnung 1049/2001 verschärft worden. Musste früher nur belegt werden, dass eine Verbreitung des Dokuments ein geschütztes Interesse beeinträchtigen könnte259, ist nunmehr zu begründen, 256 Auch als tatbestandliche Vorstufe einer in der Rechtsfolge gebundenen Entscheidung eröffnet die Interessenabwägung als solche den Organen natürlich gewisse Beurteilungsspielräume; ähnlich Partsch, Brandenburgs Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz, NJW 1998, S. 2559 (2562). 257 Zustimmend auch Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (558). 258 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (111).

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dass das Interesse beeinträchtigt würde. Dass dieser Maßstab erhöhte Begründungsanforderungen stellt, liegt auf der Hand260. Eine Differenzierung zwischen den geschützten Interessen, die der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit Rechnung trägt, ist nicht nur dadurch erfolgt, dass bei einigen eine Interessenabwägung vorgesehen ist und bei anderen nicht261. Die Differenzierung setzt sich auch innerhalb des harm test fort. Während etwa die Privatsphäre gegen jede Beeinträchtigung geschützt ist262, sind im Hinblick auf den ungestörten Entscheidungsprozess der Organe nur ernstliche Beeinträchtigungen beachtlich263. b) Allgemeine Vorgaben für die Auslegung Die Auslegung von Ausnahmen spielt eine erhebliche Rolle in der Rechtspraxis. Dies liegt vor allem daran, dass die Ausnahmetatbestände zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten. So wird das zu schützende Interesse oft mit Hilfe unbestimmter Rechtsbegriffe umschrieben, zum Beispiel als öffentliches Interesse oder geschäftliches Interesse. Darüber hinaus finden unbestimmte Rechtsbegriffe Anwendung, um den Eingriff zu beschreiben, vor dem das Interesse bewahrt werden soll. Es finden sich dabei Formulierungen wie beeinträchtigen oder ernstlich beeinträchtigen. Der Europäische Gerichtshof hat in zahlreichen Urteilen allgemeine Grundsätze für die Auslegung von Ausnahmetatbeständen herausgearbeitet. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Grundsatz exceptio est strictissimae interpretationis264. Dieser Grundsatz ist von den Gerichten seit jeher angewendet worden265 und findet sich ebenfalls im nationalen wie im Völkerrecht266. Umgesetzt auf das Dokumentenzugangsrecht bedeutet er, dass 259 Vgl. beispielsweise Art. 4 Abs. 1 Zugangsbeschluss des Rates; ebenso auch noch Art. 4 Entwurf Zugangsverordnung. 260 Ähnlich Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (343) beim Vergleich des schwedischen Rechts mit dem früherem Gemeinschaftsrecht. 261 Man kann insoweit auch von absoluten (ohne Interessenabwägung) und relativen (mit Interessenabwägung) Gründen sprechen, die eine Verweigerung des Zugangs rechtfertigen, vgl. Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (82). 262 Art. 4 Abs. 1 VO 1049/01. 263 Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01; Der Entwurf für die Zugangsverordnung sah einheitlich den Nachweis der Möglichkeit einer „erheblichen“ Beeinträchtigung vor, vgl. dort Art. 4 und McDonagh, The Interaction of European Community and National Access to Information Laws, IJEL 2000, S. 216 (235). 264 Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (916); Schilling, Singularia non sunt extendenda, EuR 1996, S. 44 (44). 265 Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (188); vgl. auch die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise bei Schilling, Singularia non sunt extendenda, EuR 1996, S. 44 (44 ff.).

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

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Ausnahmen vom Grundsatz des möglichst umfassenden Zugangs267 eng ausgelegt und angewendet werden müssen, um die Geltung dieses Grundsatzes nicht zu vereiteln268. Dieser Auslegungsgrundsatz basiert zum einen auf systematischen Erwägungen, nämlich dem Regel-Ausnahme-Prinzip, wonach eine Ausnahme auch Ausnahme bleiben muss, soll ihr Charakter gegenüber der Regel nicht verwischt werden. Zum anderen – und vor allem – stehen dahinter aber teleologische Überlegungen, die auch die Rechtsprechung in den Vordergrund rückt. Danach ist sicherzustellen, dass ein Recht oder Rechtsgrundsatz optimale Geltung, effet utile, erlangt. Diese optimale Geltung darf nicht durch die Auslegung von Ausnahmevorschriften vereitelt werden. Die Befolgung dieses Grundsatzes ist umso mehr geboten, je höher die Bedeutung des Rechts ist, das durch die Ausnahmetatbestände beschränkt wird269. Im Hinblick auf den fundamentalen Rang, den das Dokumentenzugangsrecht spätestens mit dem Amsterdamer Vertrag gewonnen hat, ist der Maßstab also dementsprechend streng270. Aus der Überlegung, dass die Ausnahme nicht nur weil sie Ausnahme heißt, eng ausgelegt werden soll, sondern weil dies gleichzeitig einem allgemeinen Rechtsgrundsatz oder einem Grundrecht optimale Geltung sichert, folgt noch ein Weiteres. Wie bereits erwähnt, enthalten einige Ausnahmetatbestände die Verpflichtung, trotz drohender Beeinträchtigung für ein geschütztes Interesse den Zugang zu gewähren, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse dies gebietet. Diese Ausnahme zur Ausnahme darf nun nicht etwa unter Berufung darauf, dass es sich um eine Ausnahme handelt, ihrerseits eng ausgelegt werden. Eine solche Handhabung des Auslegungsgrundsatzes ist zu schematisch und vernachlässigt, dass er sich nicht aus sich selbst heraus rechtfertigt, also kein Selbstzweck ist. Vielmehr soll der Auslegungsgrundsatz der Rechtsverwirklichung dienen. Daraus folgt, dass die Ausnahme zum allgemeinen Grundsatz zwar eng, die Ausnahme zur Ausnahme, die letztlich den Grundsatz wiederherstellt, dagegen weit auszulegen ist271. 266 Schilling, Singularia non sunt extendenda, EuR 1996, S. 44 (44) mit weiteren Nachweisen. 267 Dieser Grundsatz fand sich schon im Verhaltenskodex und ist auch in der Verordnung 1049/2001 ausdrücklich bekräftigt, siehe dort Art. 1 lit. a). 268 Ständige Rechtsprechung seit EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 56; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 18. 269 Nach Schilling, Singularia non sunt extendenda, EuR 1996, S. 44 (46 ff.), der die Rechtfertigung des Auslegungsgrundsatzes vor allem in der Erhaltung schutzwürdiger Rechte sieht, hängt von der Schutzwürdigkeit eines Rechts überhaupt ab, ob der Auslegungsgrundsatz Anwendung finden kann oder nicht. 270 Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (188); in diesem Sinne auch Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (916), der eine enge Auslegung der Ausnahmen damit rechtfertigt, dass das Informationszugangsrecht Ausdruck des Demokratieprinzips sei.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Der Ansatz des Gerichts erster Instanz, die Ausnahmen im Lichte des Grundsatzes eines möglichst umfassenden Zugangs zu Dokumenten auszulegen und in ihrem Anwendungsbereich begrenzt zu sehen, erscheint aus der Perspektive des deutschen Juristen durchaus vertraut. Auch das Bundesverfassungsgericht zieht ihn in Form der auf Konrad Hesse zurückgehenden Wechselwirkungslehre272 in ständiger Rechtsprechung heran, um das Verhältnis der Grundrechte zu den sie einschränkenden Gesetzen zu bestimmen273. Die entscheidende Passage der grundlegenden Lüth-Entscheidung lautet: „die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts [. . .] auf jeden Fall gewahrt bleibt [. . .] es findet [. . .] eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die ,allgemeinen Gesetze‘ zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen.“274

Der Grundsatz der engstmöglichen Auslegung folgt zudem aus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Dieses Prinzip gilt als anerkannter Rechtsgrundsatz auch im Gemeinschaftsrecht und hat, ebenso wie sein Pendant im deutschen Recht, zum Inhalt, dass unter mehreren gleich geeigneten Mitteln zur Erreichung eines legitimen Ziels das am wenigsten einschneidende zu wählen ist275. Daraus folgt, dass Ausnahmen selbst, aber auch deren Auslegung, nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels notwendige und angemessene Maß hinausgehen dürfen276.

271 Vgl. dazu auch Schilling, Singularia non sunt extendenda, EuR 1996, S. 44 (54 f.). 272 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 72. 273 Vgl. Lenz, in: Bergmann/Lenz, Amsterdamer Vertrag, Kapitel 10: Transparenz, Rdnrn. 5 f.; Schilling, Singularia non sunt extendenda, EuR 1996, S. 44 (46). 274 BVerfGE 7, S. 198 (208 f.) – Lüth; seitdem st. Rspr. BVerfGE 12, S. 113 (124 f.) – R. Schmid; 20, S. 162 (176 f.) – Spiegel; 61, S. 1 (10 f.) – Wahlkampf. 275 EuGH, verb. Rs. 41, 121 und 796/79, Testa, Slg. 1980, S. 1979, Rdnr. 21; Rs. C-174/89, Hoche, Slg. 1990, S. I-2681, Rdnr. 19; weiter ausführlich Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band 2, S. 690 ff. 276 Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 85; EuGH, Rs. C-222/84, Johnston, Slg. 1986, S. 1651, Rdnr. 38; Schilling, Singularia non sunt extendenda, EuR 1996, S. 44 (46).

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

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c) Teilweiser Zugang Nachdem der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Wilhelm Mecklenburg den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Maßstab für die Auslegung einer Ausnahme im Bereich des Zugangs zu Umweltinformationen in den Mitgliedstaaten herangezogen hatte277, wurde dieser Grundsatz kurz darauf auch in einem Verfahren, welches den verweigerten Zugang zu einem Ratsdokument betraf, relevant. In der Rechtssache Hautala/Rat vertrat die Klägerin die Auffassung, der Rat hätte prüfen müssen, ob nicht zumindest ein Zugang zu den Teilen des Dokuments zu gewähren gewesen wäre, deren Freigabe nicht im Konflikt mit einem Ausnahmetatbestand gestanden hätte. Das Gericht erster Instanz gab der Klägerin Recht, obwohl eine solche Verpflichtung sich nicht aus dem Wortlaut des Beschlusses 93/731/EG ergab. Vielmehr folgte sie nach Auffassung des Gerichts aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: „Zudem verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, daß Ausnahmen nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessene und erforderliche Maß hinausgehen [. . .]. Im vorliegenden Fall ist das vom Rat mit der Verweigerung des Zugangs zu dem streitigen Bericht verfolgte Ziel laut der Begründung der angefochtenen Entscheidung, das öffentliche Interesse im Bereich der internationalen Beziehungen zu schützen. Dieses Ziel könnte jedoch auch dann erreicht werden, wenn der Rat nach einer Prüfung nur diejenigen Teile des streitigen Berichts unkenntlich macht, die die internationalen Beziehungen beeinträchtigen könnten.“278

Diese Auffassung des Gerichts ist durch den Europäischen Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren uneingeschränkt bestätigt worden279. Sie befindet sich im Übrigen auch im Einklang mit der Rechtsprechung im Bereich des Akteneinsichtsrechts für Verfahrensbeteiligte, zum Beispiel im Wettbewerbsrecht. Auch dort gilt, dass es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten ist, soweit wie möglich einen teilweisen Zugang zu den Informationen der Akten zu gewähren, die keine Geschäftsgeheimnisse Dritter darstellen280. Die genannte Rechtsprechung ist nunmehr ausdrücklich in Art. 4 Abs. 6 VO 1049/01 aufgenommen worden. Dort heißt es: „Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.“ Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Pflichten begrenzen kann, dürften die Organe in Fällen, in denen 277

EuGH, Rs. C-321/96, Wilhelm Mecklenburg, Slg. 1998, S. I-3809, Rdnr. 25. EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 85; seitdem st. Rspr., EuG, Rs. T-188/98, Kuijer/Rat I, Slg. 2000, S. II-1959, Rdnrn. 54 f.; Rs. T-123/99, JT’s Corporation/Kommission, Slg. 2000, S. II-3269, Rdnr. 46; vgl. auch Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 7, Rdnr. 6. 279 EuGH, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnrn. 27–31. 280 EuG, Rs. T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, S. II-1775, Rdnr. 92. 278

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nach der Schwärzung der geheim zu haltenden Informationen nur noch gänzlich belanglose Teile des Dokuments übrig bleiben würden, von der Gewährung eines teilweisen Zugangs befreit sein281. Nach diesen grundsätzlichen Vorüberlegungen gilt nun der Blick den einzelnen Ausnahmetatbeständen. Die Reihenfolge, in der die Ausnahmen nachfolgend besprochen werden, orientiert sich an der Verordnung 1049/ 2001. Es wurde davon abgesehen, die Ausnahmen danach zu gruppieren, ob sie ein öffentliches oder privates Interesse schützen, beziehungsweise ob sie eine Interessenabwägung erfordern oder nicht. Beide Fragen werden jedoch mit der gebotenen Deutlichkeit für jede der Ausnahmen beantwortet. 2. Öffentliches Interesse Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 verweigern die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses beeinträchtigt würde. Die Berücksichtigung eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Verbreitung des Dokuments ist nicht vorgesehen282. Was mit dem Schutzgut des öffentlichen Interesses gemeint ist, wird in einer Aufzählung verdeutlicht. Darunter fallen die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung und militärische Belange, die internationalen Beziehungen sowie die Finanz-, Währungs- und Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaats. Diese Interessen waren in der Mehrzahl schon nach der früheren Rechtslage geschützt, neu hinzugekommen sind der Schutz der Verteidigung und der militärischen Belange283 so281 So schon zur früheren Rechtslage EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 69; Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 87. 282 Unzutreffend ist insoweit die Auffassung von Partsch, Die neue Transparenzverordnung, NJW 2001, S. 3154 (3157), wonach die am Ende des zweiten Absatzes von Art. 4 VO 1049/01 vorgesehene Interessenabwägung auch für den ersten Absatz gelte. Es bleibt schon weitgehend im Dunkeln, was Partsch meint, wenn er die „editorische Anordnung“ als Begründung anführt. Jedenfalls hätte es aber der Aufteilung der Ausnahmetatbestände auf zwei Absätze nicht bedurft, wenn nicht gerade eine Differenzierung hinsichtlich der Interessenabwägung beabsichtigt gewesen wäre. Wie hier auch Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (682 f.). 283 Der Genauigkeit halber sei erwähnt, dass der Zugangsbeschluss des Rates bereits im August 2000 in Umsetzung des so genannten „Solana-Beschlusses“ um einen Ausnahmetatbestand zum Schutz der Sicherheit, Verteidigung und militärischen sowie nichtmilitärischen Krisenbewältigung erweitert worden war; siehe dazu auch unten „8. Sensible Dokumente“. Für die hier vorzunehmende Prüfung, ob das neue Zugangsrecht einen unzulässigen Rückschritt darstellt, ist aber natürlich die Rechtslage vor dem Amsterdamer Vertrag maßgeblich. Anderenfalls hätten nämlich die Institutionen durch die Aufnahme neuer Ausnahmen in ihre Zugangsbeschlüsse nach

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

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wie der Wirtschaftspolitik284. Außerdem erstreckte sich der Schutz damals allein auf die Gemeinschaft selbst, die Mitgliedstaaten waren nicht aufgeführt. a) Öffentliche Sicherheit Bei der an erster Stelle genannten öffentlichen Sicherheit fällt eine Bestimmung des Anwendungsbereichs der Ausnahme nicht leicht. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit ist weder selbsterklärend, noch ist er bisher von der Rechtsprechung erschöpfend präzisiert worden. Nach deutschem Rechtsverständnis des Begriffes der öffentlichen Sicherheit gehört zu dessen Schutzgütern die gesamte objektive Rechtsordnung, Individualrechte und -rechtsgüter sowie der Staat und seine Einrichtungen285. Eine vergleichbare Definition findet sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zwar nicht. Dafür gibt es aber eine umfangreiche Rechtsprechung aus dem Bereich der Grundfreiheiten, in der näher ausgeführt wird, wie gewichtig die Bedrohung sein muss, die es einem Mitgliedstaat erlaubt, Einschränkungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit vorzunehmen. In einer neuen Entscheidung zur Freiheit des Kapitalverkehrs hält der Gerichtshof, wie schon in zahlreichen vorangegangenen Urteilen, fest: „So kann die öffentliche Sicherheit nur geltend gemacht werden, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“286. Diese hohe Schwelle, die der Gerichtshof aufstellt, beruht wohl nicht so sehr auf der Überzeugung, dass bei Gefährdungen geringerer Intensität die öffentliche Sicherheit nicht berührt sei287. Sie ist vielmehr mit der systemaInkrafttreten des Amsterdamer Vertrags den Maßstab, an dem die Verordnung 1049/ 2001 zu messen ist, künstlich senken können. 284 Zur Finanzpolitik näher unten „d) Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftpolitik“. 285 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 89; Gusy, Polizeirecht, Rdnr. 83; ebenso beispielsweise § 2 Nr. 2 Bremisches Polizeigesetz vom 21. März 1983 (Brem. GBl. S. 141). 286 EuGH, Rs. C-483/99, Kommission/Frankreich, Urteil vom 4. Juni 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung – Hervorhebung durch Verfasser), Rdnr. 48; vgl. auch EuGH, Rs. 41/74, van Duyn, Slg. 1974, S. 1337, Rdnr. 18; Rs. 36/75, Rutili, Slg. 1975, S. 1219, Rdnrn. 26, 28; Rs. 30/77, Bouchereau, Slg. 1977, S. 1999, Rdnrn. 33/35. 287 Vgl. EuGH, Rs. C-340/97, Nazli, Slg. 2000, S. I-957, Rdnr. 57: „Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere dieser Vertragsbestimmung setzt der Begriff der öffentlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.“ (Hervorhebung durch Verfasser).

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tischen Stellung, die die öffentliche Sicherheit im EG-Vertrag einnimmt, zu erklären. Sie bildet eine Befugnis für die Mitgliedstaaten, die Grundfreiheiten des Vertrags einzuschränken288. Insoweit gilt wiederum der bereits erläuterte Grundsatz der engen Auslegung einer Ausnahme zum Schutz fundamentaler Rechtspositionen und zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips289. Dies wird deutlich aus den Formulierungen des Gerichtshofes in der richtungsweisenden Van Duyn-Entscheidung: „Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist im Gemeinschaftsrecht, namentlich, wenn er eine Ausnahme von dem wesentlichen Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer rechtfertigt, eng zu verstehen“290. Darüber hinaus hat der Gerichtshof lediglich erklärt, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit neben der inneren auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates erfasse291 und auch bei einer Unterbrechung der Versorgung mit Erzeugnissen von wesentlicher Bedeutung wie Erdölerzeugnissen eingreife, die eine Gefahr für die Existenz eines Staates darstellen könne292. Das Gericht erster Instanz hat in der Rechtssache Svenska Journalistförbundet/Rat deutlich gemacht, dass die insoweit vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze auf die Auslegung des Begriffes des öffentlichen Interesses im Rahmen des Dokumentenzugangsrechts übertragbar sind293. Dafür sprechen im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens handelt es sich auch beim Recht auf Zugang zu Dokumenten um einen fundamentalen Grundsatz, der nur in engen Grenzen und durch Interessen von erheblichem Gewicht eingeschränkt werden darf. Zweitens steht die öffentliche Sicherheit in der Verordnung 1049/2001 in der Nachbarschaft so bedeutsamer Schutzgüter wie der Verteidigung und den internationalen Beziehungen. Um diesen an Gewicht gleichzustehen, muss die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eine gewisse Erheblichkeit erreichen294. 288

Art. 30, 39 Abs. 3, 46 Abs. 1, 55, 58 Abs. 1 lit. b), 64 Abs. 1 EGV. Die deutsche Gesetzgebung, die im Zuge der Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie gehalten war, den gemeinschaftsrechtlichen Begriff der öffentlichen Sicherheit (Art. 3 Abs. 2 Umweltinformationsrichtlinie) in das deutsche Recht zu transportieren, wählte als Entsprechung den Begriff der „erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 UIG – Hervorhebung durch Verfasser). Vgl. dazu auch die Begründung zum Regierungsentwurf für ein UIG, BT-Drs. 12/ 7138, S. 13 sowie Röger, UIG, § 7, Rdnr. 16 ff. 290 EuGH, Rs. 41/74, Van Duyn, Slg. 1974, S. 1337, Rdnr. 18. Zum insoweit gleichfalls eingreifenden Verhältnismäßigkeitsprinzip vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas, Rs. C-423/98, Albore, Slg. 2000, S. I-5965, Rdnr. 49. 291 EuGH, Rs. C-70/94, Werner, Slg. 1995, S. I-3189, Rdnr. 25. 292 EuGH, Rs. 72/83, Campus Oil, Slg. 1984, S. 2727, Rdnr. 34. 293 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 121. 294 Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (683). 289

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

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Das Gericht hat dann weiter ausgeführt, dass die Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit unter anderem Sachverhalte erfasse, in denen der Zugang der Öffentlichkeit zu bestimmten Dokumenten unmittelbar die Bemühungen der Behörden behindern würde, Straftaten zu verhindern295. Der vom Gericht in dieser Entscheidung behandelte Bereich der inneren Sicherheit, insbesondere der polizeilichen Zusammenarbeit, scheint denn auch der wesentliche Anwendungsbereich für diesen Ausnahmetatbestand zu sein. Die äußere Sicherheit, die nach der Rechtsprechung ebenfalls grundsätzlich unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit subsumiert werden kann, ist in der Verordnung 1049/2001, wie noch im Einzelnen dargestellt werden wird, in einem gesonderten Ausnahmetatbestand erfasst. Das Gericht hat in dieser Entscheidung zugleich herausgestellt, dass es nicht genügt, wenn die Dokumente mit dem Bereich der Polizeitätigkeit in Verbindung stehen, sondern eine Wahrscheinlichkeit dafür bestehen muss, dass diese polizeiliche Tätigkeit durch die Freigabe der Dokumente auch tatsächlich beeinträchtigt werden würde. Dies war im konkreten Fall, bei dem es um Dokumente ging, die die Ausstattung von Europol betrafen, nicht zu befürchten. Eindeutige Fälle einer berechtigten Zugangsverweigerung dürften sich im begrenzten296 Bereich der operativen Polizeitätigkeit297 und im Bereich solcher Informationen bewegen, die es Kriminellen ermöglichen, Polizeimaßnahmen wirksam zu umgehen298. b) Verteidigung und militärische Belange Die Ausnahme zum Schutz der Verteidigung und der militärischen Belange ist im Vergleich zu den anderen besonders zukunftsorientiert. Der Tätigkeitsbereich der Union, auf den diese Ausnahme Bezug nimmt, nämlich 295 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 121. 296 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 412 betont, dass Europol über geringe operative Befugnisse verfüge. Dennoch ist auch in Bezug auf die Hauptaufgabe von Europol, die Datensammlung und -analyse, immer wieder auf die ungenügend ausgeprägte Kontrolle hingewiesen worden. Abhilfe ist insoweit aber eher in einem Ausbau spezifischer Kontrollmechanismen und der Ausdehnung der EU-Datenschutzbestimmungen auf die Arbeit von Europol zu suchen und nicht mittelbar über den Zugang zu bei den EU-Organen vorhandenen Europol-Dokumenten; vgl. dazu Fisahn, Europol – Probleme der Kontrolle, KJ 1998, S. 358 (370 f.); Gleß, Kontrolle über Europol und seine Bedienstete, EuR 1998, S. 748 ff.; Petri, Die Verwirklichung des „Rechtsstaats“prinzips bei Europol, KritV 1998, S. 441 (459). 297 Vgl. auch EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 122. 298 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 413.

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die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, hat erst in jüngster Zeit Bedeutung erlangt299. Dies erklärt, warum er in den bisherigen Zugangsbeschlüssen nicht enthalten war. Die Grundlagen der Tätigkeit der Union im Bereich Sicherheit und Verteidigung sind näher im EU-Vertrag geregelt. Art. 11 Abs. 1 EUV bestimmt, dass die Union eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erarbeitet und verwirklicht. Gemäß Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 EUV ist Teil der Sicherheitspolitik der Union die schrittweise Erarbeitung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die, einen entsprechenden Beschluss des Europäischen Rates vorausgesetzt, zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte. Bislang war dieses Konstrukt jedoch kaum funktionsfähig. Auf der Tagung des Europäischen Rates von Köln 1999 wurde jedoch die Absicht bekräftigt, in der Union eine von der NATO unabhängige Krisenreaktionsfähigkeit aufzubauen. Auf dem Gipfel in Helsinki im selben Jahr wurde dann festgelegt, dass bis 2003 eine Schnelle Eingreiftruppe von 60.000 Soldaten aufgestellt werden soll. Diese Truppe soll innerhalb von 60 Tagen mobilisiert werden und das in Art. 17 Abs. 2 EUV beschriebene Aufgabenspektrum erfüllen können. Dazu gehören humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen. Gleichzeitig wurde ein Ausbau der militärischen Planungs- und Leitungsstrukturen auf Ebene der Union beschlossen. Parallel dazu hat die Union ihre Zusammenarbeit und Konsultation mit der NATO ausgebaut. Damit soll es der Union ermöglicht werden, militärische Operationen gegebenenfalls unter Rückgriff auf die Planungs- und Führungsressourcen der Allianz durchzuführen. Diese Entwicklung macht deutlich, dass es notwendig war, diesen Ausnahmetatbestand in die Verordnung 1049/2001 aufzunehmen. Der an früherer Stelle aufgestellte Grundsatz, dass das neue Dokumentenzugangsrecht keinen Rückschritt gegenüber der alten Rechtslage darstellen darf, steht dem nicht entgegen. Natürlich können neu erworbene oder erstmals ausgeübte Kompetenzen von Union oder Gemeinschaft entsprechende Erweiterungen des Ausnahmenkataloges rechtfertigen, wenn es der Schutz dieser neuen Tätigkeiten erfordert. Wenn man nun versucht einzugrenzen, welche Dokumente aus dem Bereich der Verteidigung und der militärischen Belange eine Verweigerung des Zugangs rechtfertigen, so ist es angezeigt, sich an der soeben erörterten Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit zu orientieren. Schließlich geht es in beiden Ausnahmetatbeständen um Sicherheitsfragen – in einem Fall um die innere und im anderen um die äußere Sicherheit300. Des299

Vgl. Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (683).

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

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halb ist auch hier eine Verweigerung des Zugangs nur dann eindeutig geboten, wenn operative Informationen (einschließlich Details zur Ausrüstung und Stationierung von Truppen etc.) betroffen sind oder solche Strategien, deren Bekanntwerden die Verteidigungsfähigkeit der Union schwächen würde. Nicht geheimhaltungsbedürftig sind dagegen regelmäßig politische Standpunkte und Entscheidungen oder rein verwaltungstechnische Maßnahmen301. Ebenso sollten zum Beispiel Dokumente, die Auskunft über Waffenexporte der Mitgliedstaaten geben, zugänglich sein302. c) Internationale Beziehungen Die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen betrifft den außenpolitischen Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union, aber auch die internationalen Beziehungen der Gemeinschaft, die Völkerrechtssubjektivität besitzt. In den Mitgliedstaaten wird die dort ebenfalls in den Dokumentenzugangsregelungen enthaltene Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen auf das zwischenstaatliche Verhältnis, aber auch auf das Verhältnis zur Union angewendet303. Letzteres ist schon aus einer von den Mitgliedstaaten ausgehenden Perspektive höchst zweifelhaft, trägt diese Sichtweise doch dem Charakter der europäischen Integration nicht genügend Rechnung304. Jedenfalls verbietet es sich aber erst recht für die Union, ihre Beziehungen zu den Mitgliedstaaten als internationale anzusehen. Deshalb kann es bei dieser Ausnahme immer nur um die Beziehungen zu Nichtmitgliedstaaten gehen305. Gleichfalls zu den internationalen Beziehungen gehört natürlich die Zusammenarbeit von Union und Gemeinschaft mit internationalen Organisationen. 300 Deshalb unterscheidet der Europäische Gerichtshof auch nicht zwischen beiden Aspekten der öffentlichen Sicherheit, EuGH, Rs. C-70/94, Werner, Slg. 1995, S. I-3189, Rdnr. 25. 301 Vgl. Petrén, Die Aktenöffentlichkeit in Schweden, VerwArch 1958, S. 323 (325). 302 Dies betonte Sybille Bauer in ihrem Referat „Transparency of the arms trade – a step towards democratizing foreign policy“ auf einer am 26. April 1999 in Brüssel stattfindenden Konferenz des Europäischen Parlaments zur Transparenz und zum Dokumentenzugang. Verteidigungsinteressen der Union sind insoweit nicht berührt. Es können allenfalls Spannungen zu Drittländern geltend gemacht werden, die unter die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen fallen, vgl. EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnrn. 18, 21, 73. 303 McDonagh, The Interaction of European Community and National Access to Information Laws, IJEL 2000, S. 216 (230 ff.). 304 In diese Richtung auch Röger, UIG, § 7, Rdnr. 4. 305 Der Kommissionsvorschlag enthielt deshalb neben der Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen noch eine weitere, die sich auf das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bzw. das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander bezog, vgl. Art. 4 lit. a) 3. Spiegelstrich Entwurf Zugangsverordnung.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Das Gericht erster Instanz hatte bereits in mehreren Rechtssachen Gelegenheit, Grundsätze im Hinblick auf diesen Ausnahmetatbestand festzulegen306. In der ersten Entscheidung, der Rechtssache Hautala/Rat, stellte das Gericht fest, dass es für den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Aufgabe und politische Verantwortung des Rates sei festzulegen, welche Dokumente im Falle einer Verbreitung die internationalen Beziehungen der Europäischen Union beeinträchtigen würden307. Daraus folgt, dass das Gericht die Bewertungen des Rates nur eingeschränkt überprüft308. Im selben Fall hielt es das Gericht deshalb für ausreichend, dass der Rat sich darauf berief, ein verweigertes Dokument enthalte einen Meinungsaustausch über die Achtung der Menschenrechte in Drittstaaten und zwar – da zum internen Gebrauch bestimmt – mit Formulierungen, die zu Spannungen mit Drittländern führen könnten309. Die Ausführungen des Gerichts sind aber gleichzeitig auch Beleg dafür, dass ein gewisser, auf den Inhalt des Dokuments bezogener Nachweis einer potentiellen Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen geführt werden muss. Es reicht nicht, dass das Dokument in einem bestimmten Rahmen erstellt beziehungsweise verbreitet wurde. So wurde das im Fall Hautala/Rat streitige Dokument im Rahmen des besonderen Korrespondentennetzwerks COREU erstellt und verbreitet, das 1995 im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik von den Mitgliedstaaten und der Kommission eingerichtet wurde und dessen Dokumente nur an eine begrenzte Empfängerzahl in Rat, Kommission und Mitgliedstaaten verteilt werden310. Der Rat versuchte nun mit Verweis auf den internen Charakter 306

EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489; Rs. T-188/98, Kuijer/ Rat I, Slg. 2000, S. II-1959; Rs. T-211/00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485; Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265; in der Rechtssache Interporc I hatte sich die Kommission bei der Ablehnung des Erstantrags zunächst auf die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen berufen. Der ablehnende Zweitbescheid änderte die Begründung im Hinblick auf ein zwischenzeitlich anhängig gewordenes Gerichtsverfahren, mit dem die begehrten Dokumente in Zusammenhang standen (Rs. T-50/96, Primex/Kommission, Slg. 1998, S. II-3773) und berief sich stattdessen auf den Schutz der Rechtspflege. Das Gericht prüfte dann auch nur noch diese geänderte Begründung, EuG, Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231, Rdnrn. 18, 55. Die Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. 9565, nimmt ebenfalls nicht zum Inhalt der Ausnahme Stellung, sondern nur zu der Frage, ob ein teilweiser Zugang zu den Teilen des Dokuments zu gewähren ist, die nicht unter die Ausnahme fallen. 307 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 71. 308 Dieser Zusammenhang wird besonders deutlich in EuGH, Rs. 191/82, Fediol I, Rs. 191/82; Slg. 1983, S. 2913, Rdnr. 29 f.; EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 72. 309 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 73. 310 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 17.

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der Konsultationen innerhalb des COREU-Netzwerks zu begründen, dass sämtliche dort erstellten Dokumente geeignet seien, die internationalen Beziehungen der Union zu beeinträchtigen311. Auch wenn die Erstellung eines Dokuments in einem Netzwerk, das sich üblicherweise in offenem Meinungsaustausch sehr sensiblen Themen widmet, ein gewisses Indiz sein kann, dass eine Verbreitung dieses Dokuments Beeinträchtigungen für die internationalen Beziehungen nach sich ziehen würde, so befreit dies nicht vollständig von der Prüfung des Inhalts312. Abgesehen von dem erheblichen Misstrauen, das transparenzfreie Foren per se auf sich ziehen, ist auch einer Möglichkeit des Missbrauchs vorzubeugen, die darin bestehen könnte, dass nicht-sensible Dokumente über Netzwerke verbreitet werden, die die Vermutung der Sensibilität für sich in Anspruch nehmen. In dem Verfahren, das den beiden Rechtssachen Kuijer/Rat zugrunde lag, hatte der Antragsteller unter anderem Zugang zu Berichten über die politische und menschenrechtliche Lage in Drittstaaten begehrt. Diese Berichte werden im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik basierend auf einem Informationsaustausch zwischen Union und Mitgliedstaaten erstellt313. Eine Bedrohung für die internationalen Beziehungen kann sich aus der Verbreitung derartiger Berichte besonders dann ergeben, wenn sie wertende politische Stellungnahmen beinhalten. Selbst in einem solchen Fall ist allerdings eine Geheimhaltung nicht gerechtfertigt, wenn die wertenden Stellungnahmen bereits in öffentlichen Erklärungen der Union enthalten waren314 oder wenn die Beziehungen zwischen dem betreffenden Land und der Union sich ohnehin nicht mehr verschlechtern können315. 311

EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 60. So offenbar auch EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 73 und noch deutlicher EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 87. 313 Institutionalisiert ist dieser Informationsaustausch beim Informations-, Reflexions- und Austauschzentrum für Asylfragen (CIREA), vgl. EuG, Rs. T-188/98, Kuijer/Rat I, Slg. 2000, S. II-1959, Rdnr. 9; Rs. T-211/00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, Rdnr. 9. 314 Anderes könne, so das Gericht erster Instanz, für Entwürfe öffentlicher Erklärungen gelten. Diese könnten sich von der endgültigen Fassung dadurch unterscheiden, dass sie unter die Vertraulichkeit fallende Meinungsunterschiede offenbarten, vgl. EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 73. Da die beklagten Institutionen sich in diesem Fall allein auf die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen, nicht aber auf diejenige zum Schutz des Beratungsgeheimnisses berufen hatten, scheint es, als ob das Gericht den Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen in den der internationalen Beziehungen hineinprojiziert. 315 Dies kann sich beispielsweise auf den Fall beziehen, dass die Beziehungen der Union mit dem betreffenden Land etwa wegen dessen fehlender Achtung der Menschenrechte und des Engagements der Union für dieselben bereits erheblich vorbelastet sind, vgl. EuG, Rs. T-211/00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, Rdnr. 66. 312

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Hinsichtlich der Informationen, die in diesen Berichten enthalten sind, wird ein Geheimhaltungsbedürfnis ebenfalls regelmäßig dann entfallen, wenn diese bereits öffentlich zugänglich sind. Sowohl für Informationen als auch für Stellungnahmen ist zu berücksichtigen, ob ihr Beeinträchtigungspotential nicht schon aufgrund der seit der Erstellung des Dokuments vergangenen Zeit beziehungsweise veränderter Umstände abgenommen hat316. d) Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik Die Ausnahme zum Schutz der Finanz-, Währungs- und Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaates legt auf den ersten Blick den Verdacht nahe, eine catch-all-Klausel zu sein. Bereits bezogen auf die Gemeinschaft selbst hat das Konzept der Wirtschafts- und Währungsunion einen derart herausgehobenen Stellenwert, dass man sich fragt, wie sich die damit verbundenen Tätigkeitsbereiche definieren lassen. Legt man die Systematik des EG-Vertrags zugrunde, so wird der wirtschafts- und währungspolitische Anwendungsbereich der Ausnahme durch Titel VII des EG-Vertrags begrenzt. Was die Währungspolitik betrifft317, werden unter die Ausnahme in erster Linie Dokumente aus dem entsprechenden Tätigkeitsbereich der Europäischen Zentralbank fallen. Geschützt werden soll, wie es das frühere Recht auch deutlicher formulierte, vor allem die Währungsstabilität vor Beeinträchtigungen durch Spekulationen. Die Wirtschaftspolitik war nach früherer Rechtslage nicht ausdrücklich geschützt. Dennoch dürften mit deren Aufnahme in den Katalog keine nennenswerten Einschränkungen des Dokumentenzugangs verbunden sein, da eine Geheimhaltungspflicht für die im ersten Kapitel von Titel VII des EGVertrags318 genannten wirtschaftspolitischen Instrumentarien319 schwer zu begründen sein wird320. Zu beachten ist, dass die gemeinsame Handelspolitik nicht zur Wirtschaftspolitik gehört und in einem gesonderten Titel des EG-Vertrags geregelt ist. Die Vertraulichkeit von Dokumenten aus dem Bereich der Handelspolitik kann damit allenfalls mit Hilfe der Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen gerechtfertigt werden. 316 EuG, Rs. T-211/00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, Rdnr. 66. Dies gilt zum Beispiel für den Fall, dass seit der Erstellung des Berichts die Regierung gewechselt hat und die Umstände dafür sprechen, dass die neue Regierung eine etwaige gegen die alte Regierung vorgebrachte Kritik nicht auf sich beziehen muss und wird. 317 Vgl. dazu Art. 105 ff. EGV. 318 Art. 98 ff. EGV. 319 Dazu gehört beispielsweise die Überwachung der Haushaltsdefizite der Mitgliedstaaten durch die Kommission, Art. 104 EGV. 320 Vgl. auch Geiger, EGV, Art. 98, Rdnr. 2, der darauf hinweist, dass in der Wirtschaftspolitik die Mitgliedstaaten, anders als in Währungsfragen, Träger der einschlägigen Kompetenzen geblieben sind.

B. Die Verordnung Nr. 1049/2001

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Noch etwas schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der Frage, was von dem Begriff der Finanzpolitik erfasst sein könnte. Ein entsprechender Titel findet sich im EG-Vertrag nämlich nicht. Im früheren Zugangsrecht wurde dieser Begriff auch nicht verwendet. Die Zugangsbeschlüsse der Organe und auch der Vorschlag der Kommission für die Dokumentenzugangsverordnung enthielten dafür aber eine Ausnahme zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft. Darunter fiel neben der Fiskalpolitik der Schutz der Gemeinschaftsfinanzen vor Betrügereien321. Gerade hinsichtlich des Schutzes vor Betrügereien war dies überzeugend, da Art. 280 EGV diesen ausdrücklich in unmittelbaren Zusammenhang mit den finanziellen Interessen der Gemeinschaft stellt. Es ist davon auszugehen, dass der neue Begriff der Finanzpolitik den Anwendungsbereich der Ausnahme nicht ändern wollte. Unter den Begriff der Finanzpolitik fallen demnach alle Tätigkeiten, die dem Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft dienen. Dies schließt auch die Festlegung von Zöllen, Steuern und Abschöpfungen ein322. Informationen dürfen insoweit geheim gehalten werden, wenn bei Bekanntwerden Einnahmeausfälle, Zweckverfehlung bei Lenkungsmaßnahmen oder ungerechtfertigte persönliche Bereicherungen drohen. Zutreffend ist nunmehr auch die systematische Einordnung der finanzpolitischen Tätigkeit der Gemeinschaft. Während die Vorläuferregelungen die finanziellen Interessen noch außerhalb des öffentlichen Interesses und in den Kontext privater Interessen stellten, sind sie nach der Verordnung 1049/2001 Teil des öffentlichen Interesses323. Neben den bis hierhin erörterten Tätigkeiten der Gemeinschaft auf den Gebieten der Finanz-, Wirtschafts- und Währungspolitik ist auch die der Mitgliedstaaten von der Ausnahme umfasst. Dies lässt aber keine zusätzlichen Einschränkungen des Zugangsrechts gegenüber der früheren Rechtslage erwarten. Beeinträchtigungen für die mitgliedstaatliche Politik dürften sich nämlich regelmäßig allenfalls aus dem Zugang zu Dokumenten ergeben, die aus den Mitgliedstaaten selbst stammen. Diese waren nach der früheren Rechtslage schon aufgrund der Urheberregel vom Zugangsrecht ausgenommen. Das erklärt auch, warum die Mitgliedstaaten früher nicht in dieser Ausnahme genannt waren. Außerdem ist zu erwarten, dass diese Ausnahme auch praktisch kaum eine Rolle spielen wird. Im Bereich der Währungspolitik ergibt sich das schon aus den geschwundenen Kompetenzen der Mitgliedstaaten. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass ein Mit321 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 415. 322 Geiger, EGV, Art. 280, Rdnr. 1. 323 Die Währungsstabilität war schon bisher als Teil des öffentlichen Interesses anerkannt; vgl. dazu Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 415.

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gliedstaat, der aus dem Zugang zu einem der Gemeinschaft übermittelten Dokument Beeinträchtigungen fürchtet, eher sein bereits beschriebenes Vetorecht ausüben wird als dem Gemeinschaftsorgan die – gerichtlich überprüfbare – Entscheidung darüber zu überlassen, ob die Ausnahme zur Anwendung kommen soll. 3. Privatsphäre und Integrität des Einzelnen Neben den öffentlichen Interessen können auch private Interessen durch den Dokumentenzugang in Mitleidenschaft gezogen werden. Dem trägt Art. 4 Abs. 1 lit. b) VO 1049/01 Rechnung, wonach die Organe den Zugang zu Dokumenten verweigern, wenn dadurch der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen beeinträchtigt würde324. Ein Eingriff in die Privatsphäre und Integrität des Einzelnen ist durch das Dokumentenzugangsrecht vor allem im Hinblick auf personenbezogene Daten denkbar. Dementsprechend nimmt denn auch die Ausnahme ausdrücklich auf die Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten Bezug325. Dieser Verweis auf das Datenschutzrecht ist zugleich die wesentliche Neuerung gegenüber der früheren Rechtslage, bei deren Erlass die Bindung der Gemeinschaftsorgane an das Datenschutzrecht gemäß Art. 286 EGV noch nicht galt. a) Schutzgut und Schutzinhalt Schutzgut dieser Ausnahme ist zunächst das Recht auf Achtung der Privatsphäre. Ein solches Recht ist zuerst durch die Europäische Menschenrechtskonvention in Art. 8 Abs. 1 EMRK anerkannt worden. Diese Vorschrift enthält ein Bündel von Rechten, die den privaten Bereich im weiteren Sinne erfassen, nämlich neben dem Schutz des Privatlebens auch den 324 Rechtsprechung gibt es zu dieser Ausnahme bisher nicht. In EuG, Rs. T-124/ 96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231, Rdnr. 15 hatte zwar die Kommission zunächst den Zugang zu einem Bericht über Fälschungen von Ausfuhrbescheinigungen zunächst unter anderem mit Verweis auf die Privatsphäre und den Schutz des Einzelnen abgelehnt. Letztlich stellte sie aber wegen der zwischenzeitlich durch die Antragsteller erhobenen Nichtigkeitsklage in der Rs. T-50/96, Primex/Kommission (Slg. 1998, S. II-3773) ihre Begründung komplett auf die Ausnahme zum Schutz der Rechtspflege um. 325 Vgl. Art. 286 EGV, die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24. Oktober 1995; ABl. 1995 L 281, S. 31 – Datenschutzrichtlinie sowie die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, ABl. 2001, Nr. L 8, S. 1 – Datenschutzverordnung.

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des Familienlebens, der Unverletzlichkeit der Wohnung sowie des Briefgeheimnisses326. Der Europäische Gerichtshof hat anerkannt, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 EMRK ein von der „Gemeinschaftsrechtsordnung geschütztes Grundrecht“ darstellt327. Als Schutzbereich hat der Gerichtshof bisher speziell das Recht des Einzelnen auf Geheimhaltung solcher Informationen festgelegt, die seinen Gesundheitszustand betreffen328. Die Gewährleistung des Art. 8 EMRK findet sich auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wieder329. Schwieriger ist zu beurteilen, was mit der ebenfalls von Art. 4 Abs. 1 lit. b) VO 1049/01 geschützten Integrität des Einzelnen erfasst werden soll. Der Europäische Gerichtshof hat den Begriff der Integrität, soweit ersichtlich, bisher nur im Zusammenhang mit dem Beamtenstatut gebraucht330. Die bisherige Rechtslage und auch noch der Vorschlag der Kommission für die Verordnung benutzten nicht den Begriff der Integrität, sondern sprachen allgemein vom Schutz des Einzelnen. Es dürfte davon auszugehen sein, dass die nunmehr gewählte Formulierung keine davon abweichende Regelung treffen wollte. Ein möglicher Anwendungsfall könnte danach die vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Adams/Kommission331 anerkannte Verpflichtung der Organe sein, die Identität von Informanten und den Inhalt ihrer Aussagen geheim zu halten, vor allem wenn anderenfalls dem Informanten Schaden droht und dieser auf eine Geheimhaltung vertrauen durfte. Insoweit steht die Integrität der Person und nicht so sehr ihre Privatsphäre im Vordergrund. Die genannte Verpflichtung zur Geheimhaltung ist Teil des in Art. 287 EGV geregelten Berufsgeheimnisses der Organe332. Außerdem 326

„Artikel 8 – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens: (1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.“ Im Grundgesetz ist der Privatbereich als solcher nicht erwähnt, und die übrigen Gewährleistungen sind auf verschiedene Vorschriften verteilt (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1; 6 Abs. 1; 10 Abs. 1; 13 Abs. 1 GG). 327 EuGH, Rs. C-404/92 P, X/Kommission, Slg. 1994, S. I-4737, Rdnr. 17. 328 EuGH, Rs. C-404/92 P, X/Kommission, Slg. 1994, S. I-4737, Rdnr. 17; vgl. auch Wetter, Die Grundrechtecharta des Europäischen Gerichtshofes, S. 158 ff. 329 Dort im nahezu wortgleichen Art. 7; lediglich der Schutz des Briefverkehrs ist zu einem Schutz der Kommunikation ausgeweitet worden. 330 Nach Art. 27 dieses Statuts müssen Beamte in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen, vgl. EuGH, Rs. C-304/97 P, Carbajo Ferrero/Parlament, Slg. 1999, S. I-1749, Rdnr. 39. 331 EuGH, Rs. 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985, S. 3539, Rdnr. 34 ff. 332 EuGH, Rs. 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985, S. 3539, Rdnr. 34; vgl. auch EuGH, Rs. C-252/97 P, N/Kommission, Slg. 1998, S. I-4871, Rdnr. 44; Hatje, in: Schwarze, EGV, Art. 287, Rdnr. 6; Röttinger, in: Lenz, EGV, Art. 287, Rdnr. 7; Wetter, Die Grundrechtecharta des Europäischen Gerichtshofes, S. 166. Der Gerichtshof hat allerdings auch in Bezug auf Akteneinsichtsrechte von Verfahrensbe-

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würde in einem solchen Fall die Bloßstellung des Informanten unter Umständen auch einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht darstellen, insbesondere gegen die Vorschriften, die bestimmen, dass die Verarbeitung333 der Daten nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie der Zweckbestimmung bei ihrer Erhebung zulässig ist334. Insofern ist es nicht ganz richtig, wenn der Bürgerbeauftragte in seinem Sonderbericht an das Europäische Parlament in der Beschwerdesache Bavarian Lager uneingeschränkt formuliert, es gebe kein „Grundrecht auf die geheime Überlassung von Informationen an eine Verwaltungsbehörde“335. Man mag über den Rechtscharakter im Einzelnen streiten; jedenfalls ist aber durch Art. 286 und 287 EGV ein Geheimnisschutz für den Informanten zumindest in solchen Fällen primärrechtlich gewährleistet, wo ein schutzwürdiges Vertrauen auf Geheimhaltung anzuerkennen ist. b) Verhältnis von Transparenz und Datenschutz Im Zusammenhang mit dieser Ausnahme wird vor allem die Frage diskutiert, in welchem Verhältnis die Verordnung 1049/2001 zu den europäischen Datenschutzbestimmungen steht336. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 lit. b) VO 1049/01 greift die Ausnahme in all den Fällen ein, in denen gemeinschaftsrechtliche Datenschutzvorschriften einen Zugang ausschließen. Die Beurteilung erfolgt gemäß den Datenschutzbestimmungen, das heißt, dass diese die maßgebliche Beurteilungsgrundlage vorgeben. Die Formulierung der Ausnahme hat somit in sehr weitreichender Form die bereits in den Erwägungsgründen der Verordnung 1049/ 2001 enthaltene Forderung umgesetzt, wonach die Organe bei der Beurteilung der Ausnahmen die Datenschutzbestimmungen berücksichtigen sollten337. teiligten klargestellt, dass Art. 287 EGV nicht in einer Weise ausgelegt werden darf, die diese Rechte substanziell aushöhlen würde; EuGH, Rs. 264/82, Timex/Rat und Kommission, Slg. 1985, S. 849, Rdnr. 29 f. 333 Die Weitergabe der Daten an Dritte ist ein Fall der Verarbeitung, vgl. Art. 2 lit. b) Datenschutzverordnung und Art. 2 lit. b) Datenschutzrichtlinie; Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, Art. 2, Rdnr. 28. 334 Art. 4 Abs. 1 lit. a) und b) Datenschutzverordnung; Art. 6 Abs. 1 lit. a) und b) Datenschutzrichtlinie, vgl. dazu auch Datenschutzgruppe, Stellungnahme 5/2001 vom 17. Mai 2001 zum Sonderbericht des Bürgerbeauftragten in der Beschwerdesache 713/98/IJH, Dok.Nr. 5003/01/DE/endg., WP 44, S. 4 und 7. 335 Europäischer Bürgerbeauftragter, Sonderbericht an das Europäische Parlament in der Beschwerde 713/98/IJH – Bavarian Lager, Rdnr. 2.4. 336 Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (82) meint, das Verhältnis sei ungeklärt. 337 Satz 4 des elften Erwägungsgrunds der Verordnung 1049/2001.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zweiten Satz des fünfzehnten Erwägungsgrundes zur Datenschutzverordnung338. Dort ist zwar formuliert, dass sich der Zugang zu Dokumenten, einschließlich des Zugangs zu solchen Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten, nach den aufgrund Art. 255 EGV erlassenen Vorschriften richtet. Daraus folgt aber nicht etwa ein Vorrang des Zugangsrechts vor dem Datenschutzrecht. Wie es sich auch aus dem Kontext zum ersten Satz339 ergibt, dürfte dieser Erwägungsgrund allenfalls einen Versuch darstellen, den Datenschutzbestimmungen auch im Bereich des zweiten und dritten Unionspfeilers Geltung zu verschaffen. Das europäische Datenschutzrecht ist nämlich in seinem Anwendungsbereich auf den Gemeinschaftsrahmen beschränkt340. Das Dokumentenzugangsrecht gilt dagegen, wie gezeigt, auch für die zweite und dritte Säule der Union. Man könnte nun auf die Idee kommen, sich den Umstand, dass das Dokumentenzugangsrecht im Unionsbereich gilt und es seinerseits auf die Datenschutzbestimmungen Bezug nimmt, zunutze zu machen, um mittelbar die Datenschutzbestimmungen auch auf Unionstätigkeit anzuwenden341. Dies ist jedoch keine tragfähige Konstruktion. Der Verweis des Dokumentenzugangsrechts auf das Datenschutzrecht kann dessen Anwendungsbereich nicht weiter ziehen, als dies eindeutig im Datenschutzrecht bestimmt ist. Im Ergebnis stützt dieser Erwägungsgrund eher die hier vertretene Auffassung vom Verhältnis des Datenschutzrechts zum Dokumentenzugangsrecht. Wenn es nämlich für den Bereich der Titel V und VI des 338

ABl. 2001, Nr. L 8, S. 1. Dieser lautet: „Wird diese Verarbeitung von den Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft in Ausübung von Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs der vorliegenden Verordnung, insbesondere für die Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union, durchgeführt, so wird der Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten der Personen unter Beachtung des Artikels 6 des Vertrags über die Europäische Union gewährleistet.“ Daran schließt sich der zweite Satz mit der Formulierung an: „Der Zugang zu den Dokumenten, einschließlich der Bedingungen für den Zugang zu Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten, unterliegt den Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 255 des Vertrags erlassen wurden, dessen Anwendungsbereich sich auf die Titel V und VI des Vertrags über die Europäische Union erstreckt.“ 340 Art. 3 Abs. 2 Datenschutzrichtlinie; Art. 3 Abs. 1 Datenschutzverordnung. 341 Vgl. das Schreiben des Vorsitzenden des Ausschusses für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Graham R. Watson, an den Präsidenten des Rates „Binnenmarkt“ vom 21. September 2000, Dok.Nr. 307854, S. 3: „Il nous paraît donc possible d’introduire dans le projet de règlement fondé sur l’Art. 286 un renvoi au règlement d’application de l’Art. 255 pour ce qui est des règles à suivre par les institutions quant elles agissent dans le cadre du deuxième et du troisième pilier auxquels les directives 95/46/CE et 97/66/CE ne seraient pas applicables“. Diese Auffassung wiederholte das Parlament auch in den Trilogverhandlungen zum Dokumentenzugangsrecht vom 24. Januar 2001, vgl. Protokoll des Generalsekretariats der Kommission, Az. SG.B.2/MM/pf D (2001) 350029, S. 4. 339

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EU-Vertrags eines ausdrücklichen Hinweises darauf bedarf, dass sich der Zugang zu Dokumenten mit personenbezogenen Daten nach dem Dokumentenzugangsrecht richtet, so lässt dies e contrario den Schluss zu, dass im Übrigen das Datenschutzrecht maßgeblich ist. c) Gemeinschaftsrechtliche Datenschutzbestimmungen Die besondere Bedeutung des Datenschutzrechts für die Reichweite des Dokumentenzugangsrechts rechtfertigt eine genauere Betrachtung des Inhalts der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zum Schutz personenbezogener Daten. Die grundlegende Verpflichtung der Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, die gemeinschaftlichen Rechtsakte zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu befolgen, ergibt sich bereits aus Art. 286 Abs. 1 EGV342. Danach haben die Organe und Einrichtungen seit dem 1. Januar 1999 die Datenschutzrichtlinie 95/46/ EG343 zu beachten, die ursprünglich zur Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten geschaffen worden war. Um die Vorschriften genauer auf den Tätigkeitsbereich der Institutionen zuzuschneiden und insbesondere auch die in Art. 286 Abs. 2 EGV enthaltene Verpflichtung, eine Kontrollinstanz für die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft zu schaffen, umzusetzen, wurde im Dezember 2000 von Rat und Parlament die Datenschutzverordnung Nr. 45/ 2001344 verabschiedet. Diese verpflichtet unmittelbar die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft. Ihr Inhalt gibt im Wesentlichen den der Datenschutzrichtlinie wieder und enthält zusätzlich Bestimmungen über einen europäischen Datenschutzbeauftragten. Wenn man sich nun die potentiellen Anwendungsfälle dieser Ausnahme vor Augen führt, so wird es regelmäßig um den Schutz der Gemeinschaftsbediensteten gehen, da die Gemeinschaftsorgane jedenfalls gegenwärtig kaum personenbezogene Daten sonstiger Personen verarbeiten345. In einigen Fällen ist es dabei eindeutig, dass der Datenschutz Vorrang genießt. Dies betrifft zunächst die in Art. 10 Datenschutzverordnung geregelten besonderen Datenkategorien, deren Erfassung bereits grundsätzlich untersagt ist. 342

Vgl. auch das Datenschutz-Grundrecht in Art. 8 EU-Charta. ABl. 1995, Nr. L 281, S. 31. 344 ABl. 2001, Nr. L 8, S. 1. 345 So zutreffend Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 415, der süffisant anmerkt, dass sich hier ausnahmsweise die Bürgerferne der Gemeinschaft einmal positiv auswirke. Ehmann/Helfrich; EG-Datenschutzrichtlinie, Einl., Rdnr. 6, zufolge werden zumindest im Bereich der Landwirtschaftspolitik personenbezogene Daten in erheblichem Umfang erfasst. 343

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Beispiele sind neben Daten über die Gesundheit346 auch solche über das Sexualleben oder religiöse Überzeugungen. Unstreitig nicht zugänglich sind ferner die Personalakten347 und Bewerbungsunterlagen348. In vielen anderen Fällen divergieren dagegen die Auffassungen. So verweigerte zum Beispiel das Parlament die Veröffentlichung einer Liste von Assistenten der Abgeordneten unter Berufung auf den Datenschutz349. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass auch der Umstand, dass bestimmte Personen an einem Vorgang mitgewirkt haben, unter die Regeln des Datenschutzes falle. Deshalb war sie unter anderem nicht bereit, Zugang zu den Namen der Teilnehmer an einer bestimmten Konferenz zu gewähren350. Speziell der Europäische Bürgerbeauftragte hat sich sehr kritisch zu dieser Entwicklung geäußert und die Auffassung vertreten, dass nur „private“ Daten zu schützen seien, während Informationen, die sich auf die Tätigkeit von Personen für ein Organ bezögen, diesen Schutz nicht verdienten351. Dabei können sich die Organe durchaus zu Recht auf eine stringente Anwendung des Datenschutzrechts berufen. Sowohl die Datenschutzrichtlinie als auch die Datenschutzverordnung erklären „personenbezogene Daten“ zum Regelungsobjekt352. Dieser Begriff ist weit zu verstehen353. Darunter fallen alle Informationen, die mit einer natürlichen Person in Verbindung gebracht werden354 und letztlich ihrer Identifikation dienen können355. Der 346 Vgl. auch Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (45): „Public Access is not created to enable people to pry into the illness of which their neighbours may suffer“. 347 Art. 26 Abs. 7 Beamtenstatut regelt die Vertraulichkeit der Personalakte. 348 Röger, Ein neuer Informationsanspruch auf europäischer Ebene, DVBl. 1994, S. 1182 (1185); Rogalla, Dienstrecht der Europäischen Gemeinschaften, S. 207. 349 Vgl. die Anlage zum Schreiben des Europäischen Bürgerbeauftragten an den Präsidenten der Kommission, Romano Prodi, vom 30. September 2002 mit Beispielen für Fälle, die aus Sicht des Bürgerbeauftragten einen Missbrauch der europäischen Datenschutzvorschriften darstellen, Dok.Nr. 7411, http://www.euro-ombudsman.eu.int/letters/de/20020925-1.htm. 350 Vgl. Europäischer Bürgerbeauftragter, Sonderbericht an das Europäische Parlament in der Beschwerde 713/98/IJH – Bavarian Lager. In diesem Fall ging es um Teilnehmer, die nicht Mitarbeiter der Kommission waren. Die Kommission hat aber nicht erkennen lassen, dass gerade daraus eine besondere Bewertung folgt. 351 Europäischer Bürgerbeauftragter, Sonderbericht an das Europäische Parlament in der Beschwerde 713/98/IJH – Bavarian Lager, Rdnr. 2.7. 352 Siehe jeweils Art. 1 Abs. 1. 353 Vgl. Röger, UIG, § 8, Rdnr. 3 f. Personenbezogene Daten werden definiert in Art. 2 lit. a) Datenschutzrichtlinie sowie Art. 2 lit. a) Datenschutzverordnung als „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“, weiterhin in Art. 2 lit. a) des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981, Konvention des Europarates Nr. 108, BGBl. II 1985, S. 539, wonach personenbezogene Daten definiert werden als „jede Information über eine bestimmte oder bestimmbare Person“.

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Begriff personenbezogen soll nicht etwa eine Begrenzung auf den ausschließlich privaten Bereich herstellen, sondern dient der Abgrenzung zu nicht geschützten sachbezogenen Daten356. Geschützt sind von den europäischen Datenschutzvorschriften nur natürliche, nicht aber juristische Personen357. Soweit es jedoch möglich ist, Daten juristischer Personen zugleich natürlichen Personen zuzuordnen, die beispielsweise für die juristische Person tätig sind, sind die Daten von den Datenschutzvorschriften erfasst. Der Persönlichkeitsschutz als Regelungszweck des Datenschutzes gilt also auch im Rahmen der beruflichen Tätigkeit für juristische Personen358. Das wirkliche Problem liegt vielmehr im Zusammenspiel von Datenschutz- und Dokumentenzugangsrecht, wie es die Verordnung 1049/2001 gestaltet. Dabei ist zunächst zu beachten, dass beide Rechte auf einer gegenläufigen Struktur beruhen359. Während nach dem Dokumentenzugangsrecht alles zugänglich ist, wenn es nicht vom Anwendungsbereich einer Ausnahme erfasst ist, ist es beim Datenschutzrecht genau umgekehrt360. Nach der derzeitigen Rechtslage scheint der Konflikt einseitig zulasten der 354

Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, Art. 2, Rdnr. 17. Draf, Regelung der Übermittlung personenbezogener Daten, S. 45 f. 356 Draf, Regelung der Übermittlung personenbezogener Daten, S. 45. 357 Art. 2 lit. a) Datenschutzverordnung; Art. 2 lit. a) Datenschutzrichtlinie; Draf, Regelung der Übermittlung personenbezogener Daten, S. 47. 358 Ebenso auch ausdrücklich der siebte Erwägungsgrund der Datenschutzverordnung und Draf, Regelung der Übermittlung personenbezogener Daten, S. 48. So werden durch die Unterschrift eines Beamten damit zwar nicht die Informationen in einem Dokument zu personenbezogenen Daten, sondern sie sind nach wie vor regelmäßig sach- oder vorgangsbezogen. Personenbezogen ist dagegen die Tatsache, dass der betreffende Beamte Urheber des Dokuments ist; vgl. dazu für das auf denselben Begriff abstellende nationale Recht Ordemann/Schomerus/Gola; BDSG, Art. 3, Anm. 2.7 (S. 84). Nach Sokol, Datenschutz versus Informationszugang, DuD 1997, S. 380 (381) und Schubert, Recht auf Informationszugang, DuD 2001, S. 400 (403) besteht zwar grundsätzlich kein das Transparenzinteresse überwiegendes datenschutzrechtliches Interesse an der Geheimhaltung von Verantwortlichkeiten für Verwaltungsentscheidungen. Dieser Befund impliziert aber, dass die Datenschutzvorschriften diese Informationen grundsätzlich erfassen. 359 Auch Röger, UIG, § 8, Rdnr. 7 spricht von „gegenläufigen Interessen“. Man mag zwar beide Rechte in eine einheitliche Materie einordnen, wie etwa die der Informationsverteilung in der Gesellschaft, vgl. Schindel, Recht auf Information, DuD 1989, S. 591 (595); Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 8, Rdnr. 4; dazu auch Wollenteit, Informationsrechte des Forschers im Spannungsverhältnis von Transparenzforderungen und Datenschutz, S. 253 ff. Dies ändert aber an der unterschiedlichen Schutzrichtung beider Rechte unter diesem gemeinsamen Dach nichts. 360 So auch Söderman, Rede an der Humboldt-Universität Berlin am 19. Juni 2001; ferner Mayer, Datenschutz und Europol, S. 60. Allerdings ist hervorzuheben, dass das europäische Datenschutzrecht nicht allein darauf zielt, eine Vertraulichkeit personenbezogener Daten zu sichern, sondern dabei gleichzeitig den freien Verkehr 355

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Transparenz und zugunsten des Datenschutzes gelöst worden zu sein. Art. 4 Abs. 1 lit. b) VO 1049/01 sieht keine Berücksichtigung eines überwiegenden öffentlichen Interesses am Zugang zu vertraulichen personenbezogenen Daten vor361. Ebenso wenig ist im Datenschutzrecht eine auf das Dokumentenzugangsrecht zugeschnittene Interessenabwägung ersichtlich. Dabei sind die Rechte, die die Datenschutzvorschriften tragen, nicht schrankenlos gewährleistet362. Für die Privatsphäre sieht bereits Art. 8 Abs. 2 EMRK ausdrücklich Einschränkungsmöglichkeiten vor. Im Gemeinschaftsrecht gilt zudem als allgemeiner Grundsatz, dass Grundrechte verhältnismäßigen und überwiegenden Gemeinwohlinteressen dienenden Eingriffen unterworfen werden können363. Dieser Grundsatz beansprucht auch in Bezug auf die hier diskutierten Rechte Geltung364. Das heißt, es wären in der Verordnung 1049/2001 eine deutliche Aufforderung und genauere Vorgaben zur Abwägung der durch das Datenschutzrecht geschützten Rechtsgüter mit denen, die hinter dem Dokumentenzugangsrecht stehen, angezeigt gewesen365. Dies ist im Rahmen der nationalen Gesetzgebung beachtet worden366 und sollte auf europäischer Ebene nachgeholt werden. Keine adäquate Lösung bietet dagegen der Versuch, die benannten Schwierigkeiten dadurch zu umgehen, dass – wie es unter anderem der Bürgerbeauftragte vorzuschlagen scheint – der Anwendungsbereich des Datenschutzrechts als solcher auf private Sachverhalte begrenzt wird367. Nach dieser Auffassung ist der Schutzbereich der Datenschutzbestimmungen auf von Daten in der Gemeinschaft sichern soll; vgl. dazu Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, Einl. Rdnr. 4. 361 Dies beklagt auch Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (559). 362 Vgl. Schindel, Recht auf Information, DuD 1989, S. 591 (595). 363 EuGH, Rs. 265/87, Schräder, Slg. 1989, S. 2237, Rdnr. 15; vgl. auch Lenaerts/De Smijter, A „Bill of Rights“ for the European Union, CMLR 2001, S. 273 (283); Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (413). 364 EuGH, Rs. C-62/90, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, S. I-2575, Rdnr. 23. 365 Vgl. Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (200). 366 Vgl. z. B. § 6 IFG-Berlin, wo ausdrücklich eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und schutzwürdigen Belangen des Betroffenen angeordnet ist und außerdem Beispiele benannt werden, wann solche schutzwürdigen Belange regelmäßig nicht bestehen. Dazu gehören unter anderem Namen, Funktionsbezeichnungen und Diensttelefonnummern von Sachbearbeitern. 367 Vgl. Söderman, Rede an der Humboldt-Universität Berlin am 19. Juni 2001. In eben dieser Weise wird die Auffassung des Bürgerbeauftragten auch verstanden im Bericht des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments vom 27. November 2001 über den Sonderbericht des Bürgerbeauftragten in der Beschwerde 713/98/ IJH, Berichterstatter Jean Lambert, Dok.Nr. A5-0423/2001, S. 11.

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den des Art. 8 EMRK, nämlich das Privat- und Familienleben, begrenzt. Das öffentliche Leben einer Person ist danach nicht über die Datenschutzvorschriften, sondern allenfalls über andere Ausnahmetatbestände zu schützen. Der darin zum Ausdruck kommende „Privatsphäre-Ansatz“ entspricht nicht dem modernen Verständnis von der Funktion des Datenschutzes. Diese Funktion geht über den Schutz der Privatsphäre des Einzelnen hinaus und dient vielmehr dem Schutz des Einzelnen vor allen Gefahren, die aus der unkontrollierbaren Zusammenführung individualisierbarer Daten erwachsen können368. Dieser Gedanke kommt treffend in dem vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungs-Urteil geprägten Begriff des „Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ zum Ausdruck369. Auch das europäische Datenschutzrecht ist nicht auf den Bereich der privaten Lebensführung beschränkt. So stützen sich sowohl die Datenschutzrichtlinie und die Datenschutzverordnung370 als auch die Datenschutz-Konvention des Europarates371 neben dem in Art. 8 EMRK verankerten Recht auf Achtung der Privatsphäre auf weitere Grundrechte und Grundfreiheiten. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat neben das Grundrecht aus Art. 8 EMRK, das in Art. 7 EU-Charta aufgenommen wurde, ein Datenschutzgrundrecht in Art. 8 EU-Charta gestellt. Damit wird deutlich, dass die Gewährleistung des Datenschutzes nicht abschließend in der Privatsphäre enthalten ist372. Einen erweiterten Ansatz verfolgt auch der Europäische Gerichtshof, der sogar davon spricht, dass bereits der Begriff der Privatsphäre 368 Vgl. dazu auch Bundesbeauftragter für den Datenschutz, Stellungnahme zur Anhörung der Europaausschüsse des Bundestages und des Bundesrates „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ am 05. April 2000, Block I. Inhalt der Grundrechtecharta: „Wer an die Privatsphäre anknüpft, verfolgt von vornherein einen selektiven, beschränkten Ansatz, auch wenn versucht wird, den geschützten Bereich auszuweiten, etwa durch den Begriff der Persönlichkeitssphäre oder des Persönlichkeitsrechts. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass der einzelne nur insoweit schutzwürdig ist, als Informationen betroffen sind, die ihn besonders nah tangieren; dem wird eine öffentliche oder soziale Sphäre gegenübergestellt, wo der Schutz des einzelnen nicht eingreift.“ 369 BVerfGE 65, S. 1 (41 ff.) – Volkszählung. 370 Vgl. jeweils Art. 1 Abs. 1: „gewährleisten nach den Bestimmungen dieser [Richtlinie/Verordnung] den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“. 371 Art. 1 des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981, Konvention des Europarates Nr. 108, BGBl. II 1985, S. 539: „respect for his rights and fundamental freedoms, and in particular his right to privacy“. Gerade dieser Verweis hat besonderes Gewicht, da es sich anerkanntermaßen bei der Datenschutz-Konvention um einen Mindeststandard, eine Art „kleinsten gemeinsamen Nenner“ der zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen nationalen Datenschutzregelungen handelte, vgl. Draf, Übermittlung personenbezogener Daten, S. 37; Ellger, Harmonisierung des Datenschutzes in Europa, CR 1994, S. 558 (562).

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nicht nur auf die private Lebensführung beschränkt sei. Maßgeblich ist daher nicht, welche Schutzbereiche betroffen sind, sondern ob durch die Weitergabe personenbezogener Daten eine Beeinträchtigung eines Grundrechts des Betroffenen droht und wie diese Beeinträchtigung im Verhältnis zum Bedürfnis nach Zugang zu den Informationen zu gewichten ist. Diese Prüfung lässt sich jedoch nicht bereits auf der Ebene der Anwendbarkeit des Datenschutzrechts vornehmen, sondern erst im Rahmen differenziert gestalteter Ausnahmetatbestände. Auch wenn, wie bereits erwähnt, weder die Verordnung 1049/2001 noch das Datenschutzrecht das Verhältnis von Datenschutz- und Dokumentenzugangsrecht genauer regeln, eröffnen doch zumindest die Datenschutzregelungen die Möglichkeit einer harmonisierenden Auslegung und Abwägung. Zwar ist gerade die Vorschrift, die in der Datenschutzrichtlinie ausdrücklich eine Interessenabwägung bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ermöglicht373, nicht in die Datenschutzverordnung übernommen worden. Dies heißt jedoch nicht, dass eine Güterabwägung deswegen ausgeschlossen wäre. Sie lässt sich vielmehr auch in anderen Tatbeständen, die sie nicht explizit erwähnen, vornehmen. In Betracht kommt hier insbesondere Art. 5 lit. b) Datenschutzverordnung374, wonach die Datenverarbeitung zulässig ist, wenn sie für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt. Das Recht der Allgemeinheit auf Zugang zu Dokumenten begründet auf Seiten der Organe zweifellos eine Verpflichtung, diesen Zugang zu gewähren375. Es wäre jedoch mit dem Gedanken des Datenschutzes nicht zu vereinbaren, wenn dies nun dahin verstanden würde, dass damit auf der Grundlage von Art. 5 lit. b) Datenschutzverordnung ein uneingeschränkter Zugang zu personenbezogenen Daten möglich wäre. Vielmehr geht auch die Verordnung 1049/ 2001 ihrerseits von der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen im Hinblick auf seine personenbezogenen Daten aus, wie die hier diskutierte Ausnahme zeigt376. Man könnte sagen, dass die Verpflichtung der Organe, Zugang zu Dokumenten zu gewähren, unter dem Vorbehalt der Berücksichtigung der durch die Datenschutzvorschriften geschützten Rechtsgüter steht. Daraus 372 Vgl. Mayer, Datenschutz und Europol, S. 58; Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie, Art. 1, Rdnr. 3. 373 Die Datenverarbeitung ist gemäß Art. 7 lit. f) Datenschutzrichtlinie zulässig, wenn sie erforderlich ist „zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Artikel 1 Absatz 1 geschützt sind, überwiegen.“ 374 Dieser entspricht Art. 7 lit. c) der Datenschutzrichtlinie. 375 Vgl. Kramer, UIG, § 8, Pkt. 3. 376 Siehe auch Satz 4 des elften Erwägungsgrunds der Verordnung 1049/2001.

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folgt, dass regelmäßig eine Abwägung im Einzelfall zwischen dem Recht der Allgemeinheit auf Zugang zu Dokumenten und dem notwendigen Datenschutz vorgenommen werden muss, die insbesondere zu berücksichtigen hat, dass es sich um einen Ausgleich von Rechtsgütern handelt, die in der Normenpyramide auf einer Stufe stehen377. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Sozialbezug der Informationen zu378. Je höher dieser Sozialbezug ist, umso weniger gewichtig ist das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen zu bewerten379. Im Rahmen der Amtswaltung, die per se sozialbezogen ist, gibt es daher regelmäßig keine geheim zu haltenden Informationen380. Wendet man diese Grundsätze auf die beiden genannten Problemfälle der Parlamentsassistenten und der Teilnehmer an der Konferenz der Kommission an, so wird man wohl zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine Zugangsverweigerungen aus Datenschutzgründen nicht zu rechtfertigen ist. Die bloße Information, dass jemand für ein öffentliches Organ arbeitet oder an einem Vorgang aus dem Tätigkeitsbereich des Organs mitgewirkt hat, weist einen starken Sozialbezug auf. Da auch nicht ersichtlich ist, dass den betroffenen Individuen irgendwelche Nachteile aus dem Bekanntwerden dieser Informationen erwachsen, muss das Interesse am Schutz der personenbezogenen Daten gegenüber dem Interesse am Zugang zu den Dokumenten zurücktreten. Vor der erstmaligen Weitergabe personenbezogener Daten ist die betroffene Person jedoch zu informieren und ausdrücklich auf ihr Recht hinzuweisen, Widerspruch gegen eine solche Weitergabe einzulegen381. Schließlich stellt sich noch die Frage, ob die Datenschutzbestimmungen den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen abschließend 377

Vgl. dazu insbesondere Datenschutzgruppe, Stellungnahme 5/2001 vom 17. Mai 2001 zum Sonderbericht des Bürgerbeauftragten in der Beschwerdesache 713/ 98/IJH, Dok.Nr. 5003/01/DE/endg., WP 44, S. 5 ff. 378 Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (200 f.); BVerfGE 65, S. 1 (43 ff.) – Volkszählung. 379 Röger, UIG, § 8, Rdnr. 11 mit weiteren Nachweisen. 380 Turiaux, UIG, § 8, Rdnr. 22; Röger, UIG, § 8, Rdnr. 12 nennt als Beispiele für auch in diesem Bereich geheim zu haltende Informationen zum einen rein private Daten des Amtswalters (private Anschrift, Telefonnummer etc.). Zum anderen könne selbst die (dienstliche) Information, welcher Amtswalter einen bestimmten Vorgang bearbeitet habe, dann geheim zu halten sein, wenn dieser aufgrund der getroffenen Entscheidung mit besonderer persönlicher Gefährdung rechnen müsse; ebenso Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (417); Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 181. 381 Art. 18 lit. b) Datenschutzverordnung. Insgesamt gehen die Datenschutzbestimmungen davon aus, dass ein Höchstmaß von Transparenz gegenüber den betroffenen Personen zu gewährleisten ist, Simitis, Die EU-Datenschutzrichtlinie – Stillstand oder Anreiz?, NJW 1997, S. 281 (285).

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ausgestalten oder ob es außerhalb des Datenschutzrechts weitere Anwendungsfälle für diese Ausnahme geben kann. Das Wort insbesondere am Beginn des Verweises auf das Datenschutzrecht deutet darauf hin, dass der Schutzbereich nicht auf das Datenschutzrecht begrenzt ist. Ein Fall, in dem dies wichtig werden könnte, ist die Tätigkeit der Organe in Bereichen, die außerhalb des Gemeinschaftsrechts und damit auch außerhalb des Geltungsbereichs der Datenschutzbestimmungen liegen. Es ist zu bedauern, dass es bisher zu keiner Erweiterung des Geltungsbereichs der Datenschutzregelungen gekommen ist. Allerdings kann, wie gezeigt, die Verordnung 1049/ 2001 diesem Missstand nicht abhelfen. Immerhin gilt aber auch für die genannten Tätigkeitsbereiche gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV die Bindung der Organe an die in der Union anerkannten Grundrechte. Das heißt, dass die Grundrechte, auf denen das Datenschutzrecht fußt und die gleichzeitig solche im Sinne des Art. 6 Abs. 2 EUV sind, bei der Anwendung der Verordnung 1049/2001 beachtet werden müssen und gegebenenfalls die Verweigerung des Zugangs mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen rechtfertigen können382. 4. Geschäftliche Interessen und geistiges Eigentum Die bisher diskutierten Ausnahmetatbestände sehen keine Interessenabwägung vor. Für alle im Folgenden vorgestellten Ausnahmen ist dagegen bestimmt, dass die Verwirklichung des Ausnahmetatbestandes nur dann eine Verweigerung des Dokumentenzugangs zur Folge hat, wenn nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse die Freigabe des Dokuments gebietet. Die erste Ausnahme in dieser Gruppe, Art. 4 Abs. 2, 1. Spiegelstrich VO 1049/ 01, dient einem weiteren privaten Interesse, nämlich dem Schutz der geschäftlichen Interessen natürlicher und juristischer Personen, einschließlich des geistigen Eigentums. Zweck dieser Ausnahme ist der Schutz von natürlichen und juristischen Personen vor Beeinträchtigungen, die sie durch das Dokumentenzugangsrecht in ihrer geschäftlichen Position erfahren können. Im Vergleich zur früheren Rechtslage fällt auf, dass der Schutz dieser Ausnahme seinem Wortlaut nach weiter zu reichen scheint. Zum einen war bisher das geistige Eigentum nicht genannt383. Zum anderen wurde statt des Begriffes der geschäftlichen Interessen der Begriff Geschäfts- und Industriegeheimnisse 382 Wenig fruchtbar dürfte dagegen die Bezugnahme auf das in Art. 8 EU-Charta geregelte Recht auf Schutz personenbezogener Daten sein, da sich dieses Recht entscheidend auf Art. 286 EGV und die Datenschutzrichtlinie stützt und in seiner Reichweite damit ebenso wie diese auf den Gemeinschaftsbereich begrenzt sein dürfte; vgl. Rat der Europäischen Union, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Erläuterungen, Art. 8, S. 26.

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verwendet. Einige befürchten, dass mit der neuen Formulierung das Zugangsrecht uferlos beschränkt werden könnte384. Diese Sorge erscheint jedoch nicht begründet. Den wesentlichen Anwendungsfall für diese Ausnahme werden nach wie vor die Geschäftsgeheimnisse bilden. Die neue Formulierung dürfte lediglich zutreffend klarstellen, dass die Ausnahme nicht dem Schutz von Geheimnissen als solchen dient, sondern letztlich den dahinter stehenden Interessen. Das Recht auf Schutz von Geschäftsgeheimnissen stellt einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsverwaltungsrechts dar385, der seinen Ausdruck vor allem in Art. 287 EGV, aber auch in sekundärrechtlichen Normen gefunden hat, die die Organe zur Geheimhaltung solcher Informationen verpflichten386. In der europäischen Rechtsprechung ist der Begriff des Geschäftsgeheimnisses, soweit ersichtlich, noch nicht abschließend definiert worden387. Ohne den Grundsatz der autonomen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu verletzen, kann aber stattdessen auf die im deutschen Recht entwickelten Definitionsansätze ergänzend zurückgegriffen werden388, da der Begriff des Geschäftsgeheimnisses im Gemeinschaftsrecht und in den Mitgliedstaaten jeweils im gleichen Kontext verwendet wird389. Unterschiede mögen in der Gewichtung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen 383 Vgl. dazu auch Art. 17 Abs. 2 EU-Charta: „Geistiges Eigentum wird geschützt.“ 384 So beispielsweise Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (683). 385 EuG, Rs. T-9/99, HFB/Kommission, Slg. 2002, S. II-1487, Rdnr. 364; EuGH, Rs. 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, S. 1965, Rdnr. 28; Gassner, Rechtsgrundlagen und Verfahrensgrundsätze des Europäischen Verwaltungsverfahrensrechts, DVBl. 1995, S. 16 (23). 386 EuG, Rs. T-305/94, LVM/Kommission, Slg. 1999, S. II-931, Rdnr. 1016; EuGH, verb. Rs. 142 und 156/84, BAT Reynolds/Kommission, Slg. 1987, S. 4487, Rdnr. 21. 387 Auch die Ausnahme zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse spielte bisher in der Rechtsprechung zum Dokumentenzugangsrecht noch keine entscheidende Rolle. In der Rechtssache EuG, Rs. T-20/99, Denkavit/Kommission, Slg. 2000, S. II-3011, hatte die Kommission sich zwar neben dem Schutz ihrer Inspektionstätigkeiten auch auf den des Geschäftsgeheimnisses berufen. Da das Gericht aber schon die erste Begründung für tragfähig erachtete, erübrigte sich eine nähere Prüfung der zweiten. 388 Im deutschen Recht gibt es zwar keine gesetzliche Definition des Geschäftsgeheimnisses, dafür hat die höchstrichterliche Rechtsprechung aber einen Kriterienkatalog aufgestellt, vgl. etwa BGH, GRUR 1955, S. 424 (425) – Möbelwachspaste; GRUR 1961, S. 40 (43) – Wurftaubenpresse; ferner Köhler, in: Köhler/Piper, UWG, § 17, Rdnr. 4: „Darunter ist jede im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehende, nicht offenkundige Tatsache zu verstehen, an deren Geheimhaltung der Betriebsinhaber ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat und die nach seinem bekundeten oder doch erkennbaren Willen auch geheim bleiben soll.“ 389 Turiaux, UIG, § 8, Rdnr. 42; vgl. auch Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im Europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 84, der seine Definition auf die „ge-

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gegenüber anderen Rechtsgütern bestehen390, in Bezug auf die Definition selbst dürften sie aber eher unerheblich sein391. Zunächst muss es um ein Geheimnis gehen, das heißt, dass die fragliche Information noch nicht allgemein bekannt beziehungsweise offenkundig sein darf392, etwa durch Veröffentlichung in einem Geschäftsbericht, in Fachzeitschriften oder aufgrund üblicher Sachkenntnis393. Weiterhin muss die Information im Zusammenhang mit der geschäftlichen Betätigung des Betroffenen stehen394. Dieser Zusammenhang darf nicht nur ein mittelbarer sein. Persönliche Verhältnisse, deren Bekanntwerden sich geschäftsschädigend auswirken könnte, wie etwa der persönliche Lebenswandel des Geschäftsführers oder dessen Vorstrafen, dürften allenfalls dem Recht zum Schutz personenbezogener Daten, nicht aber dem Geschäftsgeheimnis unterfallen. Zu den geschäftlichen Daten zählen Betriebs-, Finanz-, Bank- und Geschäftsinformationen, einschließlich Informationen über Geschäftsbeziehungen. Beispiele sind Herstellungs- und Vertriebskosten, Produktionsgeheimnisse und -verfahren, Bezugsquellen, Produktions- und Verkaufsmengen, Marktanteile, Kunden- und Verteilerdateien, Geschäftsstrategien, Strukturen der Gestehungskosten und der Verkaufspolitik sowie Informationen über die interne Organisation des Unternehmens395. Nach allgemeiner Ansicht müssen zu den genannten Voraussetzungen weitere hinzutreten. Zum einen muss der Wille des Geschäftsinhabers erkennbar auch auf eine Geheimhaltung der betreffenden Information gerichtet sein396. Die Geheimhaltungspflicht entfällt natürlich unabhängig von der Art der Information, wenn der Betroffene in die Weitergabe einwilligt (vomeinschaftsrechtliche Literatur“ stützt, aber letztlich dieselben Kriterien nennt, wie sie auch im deutschen Recht anerkannt sind. 390 Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, S. 409 (412). 391 Daraus folgt aber auch, dass abwägende Elemente der Definition nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben ausgefüllt werden müssen, vgl. zum Beispiel im Folgenden das Merkmal des „schutzwürdigen Interesses“. 392 Europäische Kommission, Mitteilung Akteneinsicht, Pkt. I. A. 1; Kramer, UIG, § 8, Pkt. 5; Röger, UIG, § 8, Rdnr. 28; Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 8, Rdnr. 26; Köhler, in: Köhler/Piper, UWG, § 17, Rdnr. 5 f. 393 Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 328; vgl. auch EuG, verb. Rs. T-134/94 u. a., NMH Stahlwerke/Kommission, Slg. 1996, S. II-537, Rdnr. 25. 394 Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 8, Rdnr. 25. 395 Europäische Kommission, Mitteilung Akteneinsicht, Pkt. I. A. 1., Fn. 9; Baxter, Public Access to Business Information Held by Government, JBL 1997, S. 199 (202); vgl. auch Kramer, UIG, § 8, Pkt. 5. 396 Röger, UIG, § 8, Rdnr. 31; Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 8, Rdnr. 28; BGH, GRUR 1969, S. 341 (343) – Räumzange; Köhler, in: Köhler/ Piper, UWG, § 17, Rdnr. 4.

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lenti non fit iniuria)397. Zum anderen muss objektiv398 ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung anzuerkennen sein, welches das Interesse an der Zugänglichkeit der Information überwiegt399. Es geht an dieser Stelle noch nicht um die Abwägung mit dem „überwiegenden öffentlichen Interesse“, das im Einzelfall die Freigabe des Dokuments erzwingt, obwohl der Ausnahmetatbestand erfüllt ist. Schon zur Überwindung des allgemeinen Zugangsinteresses ist notwendig, dass ein gewisses objektives Geheimhaltungsinteresse besteht. Allein der Wille des Geschäftsinhabers kann eine Information noch nicht zum Geschäftsgeheimnis werden lassen. Bei der Bestimmung der objektiven Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Information ist der Zweck des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen, nämlich die Abwehr unlauteren Wettbewerbs400, im Blick zu behalten. Dementsprechend ist insbesondere in die Abwägung einzustellen, mit welcher Sicherheit und in welchem Umfang das Bekanntwerden der Information geschäftliche Nachteile erwarten lässt401, wie zum Beispiel die Beeinträchtigung einer Wettbewerbs- oder Verhandlungsposition oder finanzielle Verluste402. Natürlich kann sich eine solche Beurteilung mit der Zeit ändern. Informationen sind keine Geschäftsgeheimnisse mehr, wenn sie ihre wirtschaftliche Bedeutung aufgrund der zeitlichen Entwicklung verloren haben403. Der Zugang zu älteren Dossiers, etwa aus dem Wettbewerbs- oder Antidumpingbereich, dürfte somit regelmäßig nicht unter Berufung auf darin enthaltene Geschäftsgeheimnisse zu verweigern sein. Gleiches gilt, wenn Veränderungen in der geschäftlichen Entwicklung eingetreten sind, die den Informationen ihre Brisanz nehmen. Dies betrifft beispielsweise den Fall, dass sich die Informationen auf Produkte oder Geschäftsfelder beziehen, die ein Unternehmen inzwischen aufgegeben hat. Ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung entfällt schließlich auch 397 EuG, verb. Rs. T-134/94 u. a., NMH Stahlwerke/Kommission, Slg. 1996, S. II-537, Rdnr. 23. 398 Vgl. BGHZ 80, S. 25 (35); Köhler, in: Köhler/Piper, UWG, § 17, Rdnr. 7. 399 Röger, UIG, § 8, Rdnr. 32 mit weiteren Nachweisen; Schrader, in: Schomerus/ Schrader/Wegener, UIG, § 8, Rdnr. 29. 400 Kramer, UIG, § 8, Pkt. 1 mit weiteren Nachweisen; Turiaux, UIG, § 8, Rdnr. 42; von Schwanenflügel, Das Öffentlichkeitsprinzip des EG-Umweltrechts, DVBl. 1991, S. 93 (100); Häfner/Gerlach, Wissen ist Macht, ZRP 1998, S. 123 (125 f.). 401 Vgl. Bundesministerium des Innern, Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vom 20. Dezember 2000, Begründung, Zu § 6 Satz 1, S. 35; Europäische Kommission, Mitteilung Akteneinsicht, Pkt. I. A. 1.; Röger, UIG, § 8, Rdnr. 35; Turiaux, UIG, § 8, Rdnr. 92. 402 Baxter, Public Access to Business Information Held by Government, JBL 1997, S. 199 (216). 403 Europäische Kommission, Mitteilung Akteneinsicht, Pkt. I. A. 1; EuG, verb. Rs. T-134/94 u. a., NMH Stahlwerke/Kommission, Slg. 1996, S. II-537, Rdnrn. 24, 32.

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dann, wenn es um Informationen geht, zu deren Offenlegung der Betroffene rechtlich verpflichtet ist. Dass es neben dem Geschäftsgeheimnis weitere Fälle geben kann, in denen die Vertraulichkeit Vorrang vor Einsichtsrechten hat, entspricht der ständigen Rechtsprechung im Bereich des Wettbewerbsrechts. Danach sind vom Akteneinsichtsrecht „Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen“404 ausgenommen. Deshalb ist die Formulierung der Ausnahme keine Überraschung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es der Willkür der Organe oder gar der Definition durch die Betroffenen überlassen wäre, welche geschäftlichen Interessen einen Ausschluss des Dokumentenzugangsrechts rechtfertigen. Auch für diese Informationen kann nichts anderes gelten als für Geschäftsgeheimnisse, nämlich dass das Interesse an ihrer Geheimhaltung das allgemeine Interesse am Zugang zu den Informationen überwiegen muss. Eine Geheimhaltung ist also nur dann gerechtfertigt, wenn der Dokumentenzugang eine nennenswerte Beeinträchtigung in der geschäftlichen Position als Folge befürchten lässt. Ein denkbarer Anwendungsfall ist die Geheimhaltung von Beschwerden kleinerer Unternehmen über größere, marktbeherrschende Konkurrenten, wenn die Beschwerdeführer bei Bekanntwerden Vergeltungsmaßnahmen zu befürchten hätten405. Selbst wenn die Interessenabwägung, die zwischen dem allgemeinen Transparenzinteresse und dem geschäftlichen Geheimhaltungsinteresse in jedem Falle vorzunehmen ist, zugunsten der Vertraulichkeit ausfällt, kann letztlich der Zugang aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Einzelfall doch noch zu gewähren sein. Für das Dokumentenzugangsrecht gilt insoweit nichts anderes als für den im Wettbewerbsrecht bestehenden Konflikt zwischen geschäftlichen Geheimhaltungsinteressen und dem (Verteidigungs-)Recht auf Akteneinsicht des Verfahrensbeteiligten406. Wie das Gericht erster Instanz in der Rechtssache Solvay/Kommission dazu ausführte: „haben die Unternehmen ein Recht auf Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse [. . .] Nach Auffassung des Gerichts muß dieses Recht jedoch mit der Gewährleistung der Verteidigungsrechte in Einklang gebracht werden.“407 404 EuG, Rs. T-7/89, Hercules/Kommission, Slg. 1991, S. II-1711, Rdnr. 54 (Hervorhebung durch Verfasser); ferner Rs. T-9/89, Hüls/Kommission, Slg. 1992, S. II499, Rdnrn. 47–49; Rs. T-10/89, Hoechst/Kommission, Slg. 1992, S. II-629, Rdnrn. 52–54; vgl. auch Art. 41 Abs. 2, 2. Spiegelstrich EU-Charta. 405 EuG, Rs. T-65/89, BPB Industries/Kommission, Slg. 1993, S. II-389; Rdnr. 33; Europäische Kommission, Mitteilung Akteneinsicht, Pkt. II. D. 2. 406 de Bronett, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 87 – VO Nr. 17, Rdnr. 42; Langeheine, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, FKVO, Art. 18, Rdnr. 19.

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Daraus folgt, dass selbst bei Vorliegen aller Voraussetzungen eines Geschäftsgeheimnisses in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob nicht ein besonderes Zugangsinteresse von solchem Gewicht besteht, dass es Vorrang vor dem geschäftlichen Interesse genießt, welches durch die Geheimhaltung der betreffenden Information geschützt werden soll408. Überwiegende öffentliche Interessen, die einen Zugang zu den Dokumenten trotz einer zu erwartenden Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen ausnahmsweise rechtfertigen können, sind vor allem im Bereich der Volksgesundheit, des Umweltschutzes und weiterer erheblicher Bedrohungen wichtiger öffentlicher Güter anzusiedeln409. Aus dem Umstand, dass das im Ausnahmetatbestand genannte Kriterium der Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen näher bestimmbar ist, folgt zugleich, dass es keine umfassende Bereichsausnahme etwa für alle Dokumente aus der Tätigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Wettbewerbs geben kann410. Dafür, dass selbst diese Dokumente prinzipiell zugänglich gemacht werden können, spricht auch, dass es zur üblichen – wenngleich sehr zeitraubenden – Praxis dieser Kommissionsdienststellen gehört, Geschäftsgeheimnisse von nicht sensiblen Informationen zu trennen, etwa durch Erstellung von nichtvertraulichen Versionen für die Akteneinsicht411 oder Veröffentlichung412. Die Prüfung und Bewertung, ob die Voraussetzungen der Ausnahme erfüllt sind, hat das Organ selbständig auszuführen413. Nach der Verordnung 1049/2001 besteht eine Pflicht zur Konsultation nur in dem Fall, dass die geschäftlichen Informationen in einem Dokument enthalten sind, das von einem dritten Urheber stammt. Sind die Informationen dagegen in einem 407 EuG, Rs. T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, S. II-1775, Rdnr. 88; ebenso EuG, Rs. T-36/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, S. II-1847, Rdnr. 98; Rs. T-305/94, LVM/Kommission, Slg. 1999, S. II-931, Rdnr. 1016. 408 Vgl. auch Europäische Kommission, Mitteilung Akteneinsicht, Pkt. I. A. 1: „Bei jedem Schriftstück ist zu entscheiden, ob dem Erfordernis seiner Offenlegung trotz des dadurch möglicherweise entstehenden Schadens Vorrang einzuräumen ist. 409 Vgl. Baxter, Public Access to Business Information Held by Government, JBL 1997, S. 199 (206 f.). Auch in besonders korruptionsanfälligen Bereichen, wie zum Beispiel im öffentlichen Ausschreibungs- und Vergabewesen, ist ein erhöhtes Transparenzinteresse denkbar. 410 So im Ergebnis auch Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (928). Dies wäre auch ein unzulässiger Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage. 411 Vgl. dazu im Einzelnen Europäische Kommission, Mitteilung Akteneinsicht. 412 Die Entscheidungen der Kommission in Wettbewerbssachen sind um Geschäftsgeheimnisse bereinigt. In der Version, die der Adressat bekommt, sind noch seine eigenen Geschäftsgeheimnisse, nicht aber die von Dritten enthalten. In der Version, die die Kommission veröffentlicht, sind alle Geschäftsgeheimnisse entfernt. 413 Gleiches gilt auch für das UIG, vgl. Turiaux, UIG, § 8, Rdnr. 123.

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Dokument des Organs enthalten, besteht diese Pflicht nach der Verordnung nicht. Eine Anhörungspflicht ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie etwa dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Eine Pflicht zur Anhörung aus Gründen des rechtlichen Gehörs besteht nämlich nur gegenüber dem Entscheidungsadressaten in einem kontradiktorischen Verfahren414. Das ist hier allein der Antragsteller und nicht die durch die Ausnahme geschützte Person. Allerdings handelt es sich, wie bereits dargestellt, bei dem Erfordernis des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen um einen Grundsatz, der für das gesamte Verwaltungsverfahren und unabhängig von einer Regelung im speziellen Fall gilt415. Der wirksame Schutz von Geschäftsgeheimnissen impliziert die Verpflichtung für das Organ, welches mit der Entscheidung über die Freigabe der Informationen befasst ist, das betroffene Unternehmen anzuhören416. Daraus folgt für die Anwendung der Verordnung 1049/2001 zweierlei: Zunächst muss das Organ im Rahmen der Entscheidung, ob der Zugang zu Dokumenten zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses verweigert werden soll, das betroffene Unternehmen unabhängig davon anhören, ob es sich um ein Dokument handelt, das von diesem Unternehmen stammt oder ob das Organ selbst Urheber des Dokuments ist. Außerdem kann das Organ nur dann von einer Anhörung absehen, wenn es entweder von sich aus bereits die Freigabe ablehnt417 oder wenn evident das Geschäftsgeheimnis nicht betroffen ist418. Dazu kann und soll das Organ natürlich die Hinweise berücksichtigen, die der betroffene Dritte von sich aus gibt419. 414 Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (906 f.); Due, Le respect des droits de la défense dans le droit administratif communautaire, CDE 1987, S. 383 (388); vgl. auch EuGH, verb. Rs. 142 und 156/84, BAT Reynolds/Kommission, Slg. 1987, S. 4487, Rdnrn. 19 f.; EuG, Rs. T-290/94, Kaysersberg/Kommission, Slg. 1997, S. II-2137, Rdnrn. 105 ff. Allgemein zum Recht auf Gehör EuG, Rs. T-450/93, Lisrestal/Kommission, Slg. 1994, S. II-1177, Rdnr. 42. 415 EuGH, Rs. 63/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, S. 1965, Rdnr. 28. 416 EuGH, Rs. 63/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, S. 1965, Rdnr. 29; Europäische Kommission, Dealing with the Commission, S. 50; vgl. auch Art. 9 des Beschlusses 2001/462/EG, EGKS der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren, ABl. 2001, Nr. L 162, S. 21 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 354/83/EWG, Euratom des Rates vom 1. Februar 1983 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft; ABl. 1983, Nr. L 43, S. 1. Allgemein dazu Baxter, Public Access to Business Information Held by Government, JBL 1997, S. 199 (207). 417 Dann fehlt es an einer möglichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Positionen des Unternehmens. Siehe auch Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01. 418 Siehe Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01. Es muss dabei ein strenger Maßstab gelten. Im Wesentlichen dürfte unter diese Variante der Fall zu subsumieren sein, dass ein Unternehmen durch selektive Kennzeichnung der Dokumente selbst zu erkennen gegeben hat, dass es bestimmte Informationen nicht als Geschäftsgeheimnisse einstuft.

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Wohl nicht zuletzt aufgrund seiner gewachsenen Bedeutung im Gemeinschaftsrecht ist das geistige Eigentum neu in den Ausnahmetatbestand aufgenommen worden420. Es umfasst neben dem literarischen und dem künstlerischen Eigentum das Patent- und Markenrecht sowie die verwandten Schutzrechte421. Allerdings ist mit Recht darauf hingewiesen worden, dass der eigenständige Anwendungsbereich dieser Ausnahme schwer zu bestimmen ist422. Die Verletzung der genannten Schutzrechte müsste gerade durch die Weitergabe von Dokumenten eintreten. Patente und Marken sind ohnehin jederzeit einsehbar. Es geht also nicht um einen Geheimnisschutz; dieser würde im Übrigen regelmäßig bereits durch den Begriff des Geschäftsgeheimnisses erfasst423. Ebenso wenig stellt die bloße Weitergabe von Informationen über geschützte Rechte eine unbefugte Nutzung dieser Rechte dar. Darüber hinaus kommt im Wesentlichen nur noch das Urheberrecht in Betracht. Auch in Bezug auf dieses Recht ist aber eine Verletzung durch den Dokumentenzugang nur schwer denkbar. So dürfte es den bei den Organen vorliegenden Informationen zumeist bereits am schöpferischen Charakter fehlen, der erst das Werk im Sinne des Urheberrechts ausmacht424. Selbst wo dieser, etwa bei Projektvorschlägen im Kulturbereich, anzunehmen sein sollte, wird man davon ausgehen können, dass es sich bei der Übermittlung von Dokumenten aufgrund der Verordnung 1049/2001 regelmäßig um erlaubte einzelne Vervielfältigungen zum privaten oder behördlichen Gebrauch handelt425. Schließlich dürfte sich diese Ausnahme auch nicht auf die Nutzung der freigegebenen Dokumente durch die Antragsteller beziehen, da dafür bereits in Art. 16 VO 1049/01 eine Regelung getroffen ist426. Angesichts dieser Bewertung bleibt nur eine gespannte Erwar419 Im Wettbewerbsverfahren ist es üblich, dass Unternehmen bei eingereichten Dokumenten selbst kennzeichnen, welche Informationen sie als Geschäftsgeheimnisse betrachten. Dies ist natürlich nur ein Indiz für die Kommission. Die Vorstellungen der Unternehmen gehen nämlich oft zu weit, etwa wenn sämtliche Informationen pauschal als Geschäftsgeheimnisse bezeichnet werden. Demgegenüber dürfte die Kommission bei solchen Informationen, die das Unternehmen von der Kennzeichnung als Geschäftsgeheimnis ausgenommen hat, grundsätzlich von einem fehlenden Geheimhaltungsinteresse ausgehen können, vgl. dazu auch Röger, UIG, § 8, Rdnr. 44; Turiaux, UIG, § 8, Rdnrn. 53, 124 f. 420 Eine Begründung dafür, warum es sich in den früheren Zugangsregeln nicht fand, ist wiederum die zum damaligen Zeitpunkt geltende Urheberregel, da der Schutz des geistigen Eigentums wohl schwerpunktmäßig bei Dokumenten dritter Urheber relevant wird. 421 Rat der Europäischen Union, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Erläuterungen, Art. 17, S. 35; Kramer, UIG, § 8, Pkt. 4. 422 Zum Folgenden Röger, UIG, § 8, Rdnrn. 22 ff. 423 Dies gilt jedenfalls im geschäftlichen Bereich, Kramer, UIG, § 8, Pkt. 4. 424 Vgl. § 2 Abs. 2 UrhG. 425 Vgl. § 45 Abs. 1 und § 53 Abs. 1 UrhG. 426 Dazu Wegener, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 21.

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tung des Tages, an dem diese Ausnahme zum ersten Mal wirklich zur Anwendung kommen wird. 5. Gerichtsverfahren und Rechtsberatung Art. 4 Abs. 2, 2. Spiegelstrich VO 1049/01 stellt das gerichtliche Verfahren und die Rechtsberatung unter Schutz. Hinsichtlich des Gerichtsverfahrens könnte man auf den ersten Blick Zweifel haben, ob die neue Ausnahme der früheren Regelung entspricht, die sich auf die Rechtspflege bezog. Nach deutschem Verständnis umfasst nämlich die Rechtspflege im engeren Sinne nur das gerichtliche Verfahren, in einem weiteren Sinne dagegen sowohl den Bereich des Gerichtsverfahrens als auch die davon unabhängige juristische Beratung und Tätigkeit427. Der Vergleich mit den anderen Sprachfassungen zeigt jedoch deutlich, dass der Begriff der Rechtspflege schon nach der früheren Rechtslage in einem engen Sinne zu verstehen war; gemeint war nur das gerichtliche Verfahren428. a) Gerichtsverfahren Die Ausnahme zum Schutz des Gerichtsverfahrens steht in engem Zusammenhang mit der Transparenz des Europäischen Gerichtshofes selbst, die noch an späterer Stelle behandelt werden wird429. Dabei hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass diese Ausnahme in zwei verschiedenen Konstellationen relevant werden kann, nämlich nicht nur in Bezug auf Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten, sondern auch bei Verfahren vor nationalen Gerichten. aa) Beziehung zu nationalen Gerichten In der Rechtssache van der Wal/Kommission, in der sowohl das Gericht erster Instanz als auch der Gerichtshof sich mit der Ausnahme zum Schutz 427 Siehe beispielsweise die Definition der „Rechtspflege“ in Der Brockhaus Recht: „i. e. S. die im Rahmen der Gerichtsbarkeit von den einzelnen Gerichten ausgeübte Tätigkeit, i. w. S. jedes Handeln staatlicher oder staatlich anerkannter Organe, das dem Rechtsschutz, der Rechtsausübung oder der Rechtsvorsorge dient. Rechtspflegeorgane sind als Behörden die Gerichte und Staatsanwaltschaften und die Organe der Justizverwaltung; als Personen die Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Urkundsbeamten, Gerichtsvollzieher, Gerichtswachtmeister, ferner die Rechtsanwälte, Notare und Rechtsbeistände.“ 428 So heißt es in der englischen Fassung „court proceedings“ und in der französischen „procédures juridictionnelles“. 429 Siehe unten „F. II. Andere Institutionen“.

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des gerichtlichen Verfahrens zu befassen hatten, war das betroffene Organ selbst nicht Partei dieses Verfahrens. Der Kläger hatte erfolglos den Zugang zu Dokumenten beantragt, die rechtliche Stellungnahmen der Kommission gegenüber mitgliedstaatlichen Gerichten enthielten. Die Gerichte hatten gemäß der Bekanntmachung 93/C 39/05 über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 des EG-Vertrags430 im Rahmen anhängiger Verfahren die Kommission um Auskunft zu der von ihr praktizierten Auslegung des europäischen Wettbewerbsrechts gebeten431. Das Gericht erster Instanz führte in seiner Entscheidung aus, dass die Ausnahme zum Schutz des gerichtlichen Verfahrens unter anderem dazu diene, dem in Art. 6 EMRK enthaltenen fair-trial-Prinzip Geltung zu verschaffen, dessen wesentlicher Bestandteil die Autonomie der Gerichte sei. Diese Garantie gelte sowohl für nationale als auch Gemeinschaftsgerichte und unabhängig davon, ob das Organ, zu dessen Dokumenten Zugang begehrt werde, selbst Partei des Verfahrens sei oder nicht432. Diese Autonomie sei nur garantiert, wenn dem betroffenen Gericht eine exklusive Kompetenz zur Entscheidung über die Freigabe der Dokumente auf Basis des jeweils anwendbaren Prozessrechts zuerkannt werde. Diese exklusive Kompetenz reiche solange, wie das Verfahren anhängig sei433. Im Rechtsmittelverfahren hob der Europäische Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts erster Instanz auf. Zunächst stellte der Gerichtshof fest, dass sich aus Art. 6 EMRK keine Exklusivkompetenz des nationalen Gerichts zur Entscheidung über den Aktenzugang herleiten lasse. Die Autonomie auch der nationalen Gerichte werde im Übrigen bereits durch die gemeinschaftsrechtlichen Zugangsregeln berücksichtigt. Daraus folge aber, dass das Organ selbst über den Zugang entscheiden müsse. Natürlich sei für diese Entscheidung letztlich das jeweilige Prozessrecht maßgeblich, so dass das Organ gegebenenfalls das Gericht konsultieren müsse, um sich über dessen Inhalt zu vergewissern434. 430

ABl. 1993, Nr. C 39, S. 6; heute sind davon Art. 81 und 82 n. F. EGV betroffen. EuG, Rs. T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. II-545, Rdnr. 11. Zu beachten, dass die Offenlegung der Stellungnahmen der Kommission nicht schon bereits in analoger Anwendung der Grundsätze geboten war, nach denen Urteile in Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV veröffentlicht werden, da beide Verfahren sich unterscheiden. Insbesondere ist beim Vorabentscheidungsverfahren der Schutz sensibler Informationen durch das Verfahrensrecht in besonderer Weise sichergestellt, beim hier diskutierten Konsultationsverfahren dagegen nicht, EuG, a. a. O., Rdnr. 54. 432 EuG, Rs. T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. II-545, Rdnrn. 48 f.; Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1060, 1073 f.). 433 EuG, Rs. T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. II-545, Rdnrn. 51 f. 431

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Beide Gerichte gehen also von einem einheitlichen materiellen Entscheidungsmaßstab aus. Ob das Dokument zugänglich gemacht werden kann oder nicht, richtet sich nach dem anwendbaren Prozessrecht435, das durch das Dokumentenzugangsrecht nicht modifiziert wird436. Uneinigkeit besteht allein in der prozessualen Frage, wer formell für die Entscheidung über den Dokumentenzugangsantrag zuständig ist. Das Gericht erster Instanz sah diese Zuständigkeit während des laufenden Verfahrens allein beim nationalen Gericht, während der Gerichtshof das Organ für zuständig ansieht, das gegebenenfalls das Gericht hinsichtlich des Inhalts des Prozessrechts konsultieren müsse. bb) Gerichtsverfahren vor Gemeinschaftsgerichten In der Rechtssache Interporc/Kommission I hatte sich das Gericht erster Instanz demgegenüber erstmals mit dem Fall zu befassen, dass ein Antragsteller Zugang zu Dokumenten begehrte, die im Zusammenhang mit einem gleichzeitig in Luxemburg gegen das Organ anhängigen gerichtlichen Verfahren standen. Die Antragstellerin hatte den Zugang zu Dokumenten beantragt, die Basis für eine gegen sie gerichtete Entscheidung der Kommission waren. Noch während der Prüfung des Dokumentenzugangsantrags durch die Kommission erhob die Antragstellerin Nichtigkeitsklage gegen die genannte Entscheidung437. Die Kommission stützte von diesem Moment an ihre Ablehnung des Dokumentenzugangsbegehrens auf die Ausnahme zum Schutz der Rechtspflege. Das Gericht setzte sich nicht genauer mit der Reichweite der Ausnahme auseinander, sondern erklärte die Entscheidung der Kommission für nichtig, weil die bloße Berufung auf den Schutz der Rechtspflege jedenfalls zu pauschal sei, wenn der Zusammenhang der einzelnen Dokumente mit dem anhängigen Nichtigkeitsverfahren nicht näher begründet würde, zumal wenn es um ältere Dokumente gehe438. Diese Ausführungen des Gerichts deuteten bereits an, dass der Schutz der Rechtspflege nicht schon dann betroffen ist, wenn die Dokumente in irgendeinem Bezug zu dem gerichtlichen Verfahren stehen. Anders lässt sich der Hinweis des Gerichts auf das Alter der Dokumente nicht erklären. 434 EuGH, verb. Rs. C-174 und 189/98 P, Niederlande und van der Wal/Kommission, Slg. 2000, S. I-1, Rdnrn. 17–28, 33; Cras, Toegang van derden tot antwoorden van de Commissie op vragen van nationale rechters, NTER 1998, S. 93 (98). 435 Kritisch dazu McDonagh, The Interaction of European Community and National Access to Information Laws, IJEL 2000, S. 216 (220). 436 So auch Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1074 f.). 437 EuG, Rs. T-50/96, Primex/Kommission, Slg. 1998, S. II-3773. 438 EuG, Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231, Rdnr. 55.

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Aber das Gericht sollte noch Gelegenheit erhalten, seine Anforderungen zu präzisieren. Nachdem die Kommission mit nachgebesserter Begründung das Zugangsbegehren der Firma Interporc wiederum abgelehnt hatte, hatte das Gericht erneut zu entscheiden439. Es stellte dabei klar, dass nur solche Dokumente vom Anwendungsbereich der Ausnahme erfasst sind, die das Organ speziell für das Gerichtsverfahren erstellt hat, nicht dagegen solche, die im allgemeinen Verwaltungsverfahren entstanden sind440. Dabei ändern die Dokumente durch die Tatsache der Klageerhebung nicht ihren Charakter441. Das bedeutet beispielsweise, dass die Organe eine angefochtene ablehnende Entscheidung über das Dokumentenzugangsbegehren allgemein zugänglich machen müssen, obwohl es sich genau dabei um den Verfahrensgegenstand der Nichtigkeitsklage handelt. Diese Entscheidung ist und bleibt ein Verwaltungsdokument. Auch die Dokumente, zu denen der Zugang verweigert worden war, bleiben unabhängig von der Klageerhebung Verwaltungsdokumente. Zu den danach für den Anwendungsbereich der Ausnahme verbleibenden Dokumenten gehören, so entschied es das Gericht in der Rechtssache Interporc/Kommission II, nicht nur Schriftsätze und andere zu den Gerichtsakten gereichte Dokumente, sondern auch interne Schriftstücke, die die Bearbeitung der anhängigen Rechtssache betreffen sowie schließlich auf das Verfahren bezogene Korrespondenz mit Rechtsbeiständen442. Bei den internen, die Bearbeitung der Rechtssache betreffenden Schriftstücken kann es sich beispielsweise um Entwürfe für Schriftsätze an das Gericht, Vermerke oder Stellungnahmen im Rahmen von internen Beratungen über die weitere Behandlung des Verfahrens handeln. Nun ist zwar die interne Willensbildung der Organe in der Verordnung 1049/2001 durch eine besondere Ausnahme, nämlich Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01, geschützt. Die hier diskutierte Willensbildung dürfte aber nicht darunter zu subsumieren sein. Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 spricht nämlich ausdrücklich von Angelegenheiten, in denen das Organ Beschlüsse fasst und in denen es einen Entscheidungsprozess zu schützen gilt. Es ist zweifelhaft, ob die Aufgabe des Organs in seiner Rolle als Prozessbeteiligter mit dem Begriff der 439

EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521. EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnrn. 40– 42, so auch zuvor schon EuG, Rs. T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. II-545, Rdnr. 50 und die Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten in der Beschwerde 506/97/JMA vom 30. April 1999, Ziffer 1.3–1.5; ferner Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (185). 441 EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 42. 442 EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 41; Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (185). 440

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Beschlussfassung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 richtig umschrieben werden kann. Insofern sollte die interne Willensbildung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens als abschließend von Art. 4 Abs. 2, 2. Spiegelstrich VO 1049/01 erfasst angesehen werden443. Die Korrespondenz des Organs mit dem Rechtsbeistand, sei es ein interner juristischer Dienst oder eine externe Rechtsanwaltskanzlei, ist nunmehr zugleich über die erstmals in der Verordnung 1049/2001 enthaltene Ausnahme zum Schutz der „Rechtsberatung“ zu erfassen. Der Schutz von Schriftsätzen und anderen zu den Gerichtsakten gereichten Dokumenten kann allenfalls verstanden werden als Ausdruck eines – wie es das Gericht erster Instanz in der Rechtssache Svenska Journalistförbundet/Rat formulierte – „allgemeinen Grundsatzes einer geordneten Rechtspflege, daß die Parteien das Recht haben, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten“444. Man mag daran zweifeln, ob dieser Grundsatz zu befürworten ist445. Richtigerweise ist die Diskussion darüber aber nicht so sehr im Rahmen dieses Ausnahmetatbestandes, sondern vielmehr im Zusammenhang mit der Transparenz des Europäischen Gerichtshofes selbst zu führen. Solange dort ein Zugang zu Verfahrensakten regelmäßig ausgeschlossen ist, können auch Organe aufgrund der Verordnung 1049/2001 den Zugang zu den darin enthaltenen Schriftstücken verweigern446. Zur Stützung dieser Betrachtungsweise lässt sich auch auf die bereits erläuterte Rechtssache van der Wal/Kommission verweisen. Dort hatte der Gerichtshof klargestellt, dass die Kommission über den Zugang zu Dokumenten zwar auf der Grundlage ihres Zugangsbeschlusses entscheidet, dabei während des anhängigen Verfahrens jedoch das einschlägige Prozessrecht, einschließlich der Regelungen über die Zugänglichkeit von Verfahrensdokumenten, zu beachten hat447.

443 Das Gericht erster Instanz spricht in EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 41 von der Gewährleistung der Arbeit innerhalb der Kommission. 444 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 136. 445 Dafür offenbar Ian Harden in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 85, Frage 135: „where an institution draws up documents specifically for the purpose of court proceedings it does not have to give access to those documents, which is a perfectly sensible and legitimate idea.“ 446 Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (683). 447 EuGH, verb. Rs. C-174 und 189/98 P, Niederlande und van der Wal/Kommission, Slg. 2000, S. I-1, Rdnr. 33.

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b) Rechtsberatung Neben dem Gerichtsverfahren ist nunmehr auch die Rechtsberatung ausdrücklich geschützt. Findet die Rechtsberatung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens statt, sind beide Ausnahmen nebeneinander anwendbar448. Der Ausnahmetatbestand der Rechtsberatung ist insoweit unproblematisch, als es um Dokumente geht, die das Verhältnis des Mandanten zu einem unabhängigen Rechtsbeistand betreffen. Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache AM&S/Kommission unmissverständlich festgestellt, dass der Schutz dieses Anwalt-Mandanten-Verhältnisses zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört449. Höchst umstritten ist dagegen in der Vergangenheit die Frage gewesen, ob ein solcher Schutz auch anzuerkennen ist, wenn die Organe Rechtsrat von internen juristischen Diensten erhalten450. Die oben genannte Rechtsprechung ist auf den Fall des unabhängigen Rechtsberaters beschränkt451 und nicht auf diese Konstellation übertragbar452. Das Gericht erster Instanz hat dennoch in einem Beschluss seines damaligen Präsidenten Antonio Saggio in der Rechtssache Carlsen/Rat festgestellt, dass der Rat berechtigterweise den Zugang zu Dokumenten, die von seinem juristischen Dienst erstellt worden waren, verweigern durfte453. Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, dass im Falle einer Veröffentlichung dieser Dokumente eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses drohe454. Dieser Begründung liegen zwei Überlegungsansätze zugrunde. Das Gericht sah zunächst die Stabilität der Gemeinschaftsrechtsordnung gefährdet, 448 Vgl. EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 41. 449 EuGH, Rs. 155/79, AM&S/Kommission, Slg. 1982, S. 1575, Rdnrn. 19–27. 450 Die Kritik kam aber vor allem von außen; die Organe waren sich weitgehend einig, dass es einen solchen Schutz geben müsse; vgl. Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (161 Fn. 11). 451 EuGH, Rs. 155/79, AM&S/Kommission, Slg. 1982, S. 1575, Rdnrn. 21, 24. 452 EuG, Rs. T-610/97 R, Carlsen/Rat, Slg. 1998, S. II-485, Rdnr. 52; Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 409. 453 EuG, Rs. T-610/97 R, Carlsen/Rat, Slg. 1998, S. II-485, Rdnrn. 45–47 (Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Art. 243 EGV); zustimmend NovakStief, Entscheidungsbesprechung EuG Carlsen/Rat, ELRep 1998, S. 496 (497 f.); Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 411, zweifelnd Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FJIL 1999, S. 902 (924); kritisch auch Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (166). 454 So bereits zuvor Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs, Rs. C-350/92, Spanien/Rat, Slg. 1995, S. I-1985, Rdnr. 35; übereinstimmend EuG, Rs. T-44/97, Ghignone/Rat, Slg. 2000, S. II-1023, Rdnrn. 47 f.

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wenn es auf der Grundlage von Dokumenten, die einen rein internen Meinungsaustausch innerhalb eines Organs wiedergeben, zu einer breiten öffentlichen Diskussion und Zweifeln über die Rechtmäßigkeit und Tragweite eines Gemeinschaftsrechtsakts käme. Ausgangspunkt der zweiten Argumentationslinie ist die Überlegung, dass die Organe dem Gebot der Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns unterliegen. Um sich über die Einhaltung dieses Gebots fortwährend vergewissern zu können, holen sie Beurteilungen ihrer juristischen Dienste ein. Mit dieser neutralen Rechtsberatung erfüllen die juristischen Dienste eine wichtige öffentliche Aufgabe. Es wäre dem öffentlichen Interesse am ordnungsgemäßen Funktionieren der Organe abträglich, wenn die Organe auf die Beratung durch die juristischen Dienste verzichten würden oder die Dienste nicht mehr unbefangen die Risiken möglicher Handlungsalternativen erörtern könnten455. Genau dies droht aber nach Ansicht des Gerichts, wenn diese Stellungnahmen uneingeschränkt zugänglich wären456. Zusätzlich lässt sich argumentieren, dass selbst wenn weiterhin Stellungnahmen eingeholt würden, die Gefahr bestände, dass die juristischen Dienste eine Bedeutung erlangten, die ihnen nicht zukommt. Sie sind Rechtsberater und sollen den Dienststellen der Organe Entscheidungshilfen liefern, sie aber nicht rechtlich an ihre Einschätzungen binden. Würden nun die Stellungnahmen öffentlich, wäre zu befürchten, dass die Dienststellen sich faktisch an diese Einschätzungen gebunden fühlen und keine eigene Entscheidung mehr treffen würden. Folgt nämlich eine Dienststelle der Auffassung des juristischen Dienstes nicht und stellt sich die Amtshandlung später als rechtwidrig heraus, so könnte die Nichtbeachtung des Rechtsrats als qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewertet werden und Amtshaftungsansprüche auslösen457. Die beschriebene Auffassung des damaligen Präsidenten des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Carlsen/Rat blieb selbst innerhalb des Gerichts nicht ohne Widerspruch. So äußerte sich sein Nachfolger im Präsidentenamt Bo Vesterdorf dahingehend, dass die Ausführungen des Gerichts auch als obiter dictum gewertet werden könnten458 und somit nicht unum455 Schlussanträge des Generalanwalts Alber, verb. Rs. C-74 und 75/00 P, Falck/ Kommission, vom 21. Februar 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnr. 72. 456 Ebenso Piris, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 88 (99). 457 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 411. 458 Dies stützt Vesterdorf darauf, dass dieses Verfahren der einstweiligen Anordnung – wie es das Gericht auch feststellte – offensichtlich schon daran scheitern musste, dass die begehrte Anordnung die Hauptsache vorweggenommen hätte, eine

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stößlich seien459. Vesterdorfs Argumentation hat jedoch seit dem Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Ghignone/Rat entscheidend an Schlagkraft eingebüßt. In dieser Entscheidung stützte sich das Gericht ausdrücklich auf die Entscheidung in der Rechtssache Carlsen/Rat, um die besondere Schutzwürdigkeit der Stellungnahmen der juristischen Dienste zu begründen460. c) Inhaltsprüfung und Dauer des Schutzes Bei beiden in dieser Ausnahme enthaltenen Tatbeständen dürfte es grundsätzlich ausreichen, wenn die vom Antragsteller begehrten Dokumente solche sind, die entweder speziell für ein Gerichtsverfahren erstellt wurden oder rechtsberatende Stellungnahmen enthalten. Dies genügt, um bei Veröffentlichung eine Beeinträchtigung der durch diese Ausnahme geschützten Interessen befürchten zu lassen, ohne dass eine genauere Bewertung des Inhalts erforderlich oder möglich wäre461. Speziell für die Stellungnahmen der juristischen Dienste wäre es auch kein gangbarer Weg, danach zu differenzieren, ob diese eine positive oder eine negative Bewertung der Handlungen der Organe enthalten. Würde etwa der Zugang zu allen positiven Bewertungen gewährt, ließe dies zwangsläufig e contrario die Vermutung zu, dass alle verweigerten Dokumente etwas Nachteiliges enthalten, was zu den Folgen führen würde, die es, wie oben beschrieben, gerade zu vermeiden gilt462. Nichts spricht jedoch dagegen, dass die Organe von sich aus Zugang zu einzelnen Stellungnahmen der juristischen Dienste gewähren, wenn dies im Hinblick auf die durch diese Ausnahme geschützten Interessen unbedenklich erscheint463. weitere Prüfung des Anordnungsanspruchs somit zur Ablehnung des Antrags nicht nötig gewesen wäre. 459 Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (924). 460 EuG, Rs. T-44/97, Ghignone/Rat, Slg. 2000, S. II-1023, Rdnrn. 47 f., zustimmend auch Schlussanträge des Generalanwalts Alber, verb. Rs. C-74 und 75/00 P, Falck/Kommission, vom 21. Februar 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnrn. 71 f. sowie jedenfalls für interne Stellungnahmen Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed, Rs. C-491/01, British American Tobacco, vom 10. September 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnrn. 33 f. 461 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (33); Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG Carlsen/Rat, ELRep 1998, S. 496 (498). 462 So zutreffend Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 10. Juni 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Max Lienemeyer (2/02), Dok.Nr. 9582/02, S. 5. 463 So auch Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 412 unter Verweis auf den vom Rat in seinem Register öffentlicher Dokumente veröffentlichten Vermerk des juristischen Dienstes für die Gruppe „In-

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Eine Differenzierung ist aber hinsichtlich der notwendigen Dauer des Schutzes angezeigt. Da das Gerichtsverfahren mit Rechtskraft der Entscheidung seinen endgültigen Abschluss findet, ist nicht ersichtlich, warum es der Schutz dieses Verfahrens über diesen Zeitpunkt hinaus erfordern sollte, den Zugang zu den dafür erstellten Dokumenten zu verweigern464. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass sich die Bindungswirkung eines Gerichtsverfahrens nur auf die Parteien erstreckt und diese regelmäßig bereits während des Prozesses Einblick in die Dokumente erhalten haben. Auf eine besondere Akzeptanz des Urteils in der Öffentlichkeit kommt es also nicht an. Anders verhält es sich bei den Stellungnahmen der juristischen Dienste. Diese beziehen sich vielfach auf Rechtsakte mit allgemeiner Geltung, die auch weit über den Zeitpunkt des Erlasses hinaus auf breite Befolgung angewiesen sind, sofern nicht eine Annullierung durch die Gerichte im dafür vorgesehenen Verfahren erfolgt465. Deshalb hat das Gericht auch in der Rechtssache Carlsen/Rat den Zugang zu einem Gutachten des juristischen Dienstes des Rates verweigert, das zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits 20 Jahre alt war466. 6. Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten Die in Art. 4 Abs. 2, 3. Spiegelstrich VO 1049/01 enthaltene Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten dürfte zumeist die Arbeit der Kommission betreffen467. Diese kann gemäß Artikel 284 EGV zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben „alle erforderlichen Auskünfte einholen und alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen“. Diese Befugnisse sind sekundärrechtlich näher ausgestaltet. formation“ vom 10. Mai 2000 über den Zugang zu Dokumenten betreffend den Schengen-Besitzstand, Dok. Nr. 7329/00. Zudem bleibt natürlich auch die Möglichkeit, einen teilweisen Zugang zu gewähren. 464 Dies hat die Kommission ausdrücklich anerkannt, vgl. EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 36. Ebenso Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG van der Wal/Kommission, ELRep 1998, S. 200 (202 f.) Auch der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG gilt nur „während der Dauer eines Gerichtsverfahrens“. Die Umweltinformationsrichtlinie hätte einen weiter gehenden Ausschluss auch über den Abschluss des Verfahrens hinaus zugelassen, vgl. Art. 3 Abs. 2 3. Spiegelstrich Umweltinformationsrichtlinie. 465 Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 10. Juni 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Max Lienemeyer (2/02), Dok.Nr. 9582/02, S. 5. 466 EuG, Rs. T-610/97 R, Carlsen/Rat, Slg. 1998, S. II-485, Rdnrn. 25, 50, Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (45, Fn. 35). 467 Das Parlament dürfte seine Untersuchungstätigkeiten vielfach öffentlich durchführen.

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Weitere primärrechtliche Untersuchungs- und Überprüfungsbefugnisse finden sich zum Beispiel in Art. 85 Abs. 1 EGV oder Art. 88 Abs. 1 EGV. Schließlich wird in den Anwendungsbereich dieser Ausnahme auch die Untersuchungstätigkeit der Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 226 EGV einbezogen. a) Gegenwärtige Tätigkeiten Wenig Streit gibt es darüber, dass ein Zugang dann verweigert werden muss, wenn er den Erfolg einer konkreten, noch bevorstehenden oder bereits begonnenen Inspektions-, Untersuchungs- oder Auditmaßnahme gefährden würde. So ist natürlich zum Beispiel im Bereich des Wettbewerbsrechts der Zugang zu solchen Dokumenten verwehrt, die darüber Auskunft geben, gegen welche Unternehmen und mit welchen Methoden wegen des Verdachts von Kartellabsprachen ermittelt wird. Anderenfalls könnten die betroffenen Unternehmen durch Vernichtung von Beweismaterial den Untersuchungserfolg gefährden. Wenn man berücksichtigt, dass zu diesem Zweck selbst elementare Verfahrensrechte wie das Recht auf Gehör zeitweise außer Kraft gesetzt werden können468, kann die Einschränkung des Dokumentenzugangsrechts hier keinen ernsthaften Bedenken begegnen. Darüber hinaus können Inspektionen in Mitgliedstaaten, die in Zusammenarbeit mit dortigen Behörden durchgeführt werden, ein Klima gegenseitigen Vertrauens erfordern, dessen Schutzbedürftigkeit eine Zugangsverweigerung rechtfertigen kann469. b) Zukünftige Tätigkeiten Schwieriger ist dagegen die Beantwortung der Frage, ob der Schutz der Ausnahme sich auch auf Dokumente aus abgeschlossenen Verfahren bezieht. Dies ließe sich allenfalls damit begründen, dass die Einsichtnahme in die Dokumente über frühere Inspektionen, Untersuchungen oder Audits die erfolgreiche Tätigkeit in der Zukunft vereiteln könnte. Dies ist auf zweierlei Weise denkbar: Erstens könnten sich in den Dokumenten aus früheren Inspektionen, Untersuchungen und Audits Hinweise etwa auf Methoden und Erkenntnisquellen finden, die das Vorgehen der Organe auch in zukünftigen Verfahren in einer Weise berechenbar machen würden, dass durch gezielte Verdunkelung der Erfolg dieser Maßnahmen gefährdet würde. Insoweit ist der Zugang zu beschränken. 468 Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, S. 456 (457); Gassner, Rechtsgrundlagen und Verfahrensgrundsätze des Europäischen Verwaltungsverfahrensrechts, DVBl. 1995, S. 16 (19). 469 EuG, Rs. T-20/99, Denkavit/Kommission, Slg. 2000, S. II-3011, Rdnrn. 48 f.

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Zweitens, und dies ist der deutlich kompliziertere Fall, können sich in den Dokumenten Informationen finden, die Dritte den Organen freiwillig und im Vertrauen auf Geheimhaltung mitgeteilt haben. Wie bereits erörtert, kann es der Schutz der Integrität des Einzelnen gebieten, den Zugang zu verwehren, wenn sich eine Gewährung gegenüber demjenigen, der die Information zur Verfügung gestellt hat, als treuwidrig darstellen würde oder ihm daraus Gefahren erwachsen würden. Der Schutz des Informanten lässt sich jedoch nicht nur mit dessen privatem Interesse rechtfertigen, sondern in gewissen Grenzen auch mit dem öffentlichen Interesse daran, den Institutionen den notwendigen Zufluss an Informationen zu sichern. So ist die Kommission im Rahmen ihrer Inspektions- und Untersuchungstätigkeit vielfach auf freiwillige Hinweise und Angaben Dritter angewiesen. Voraussetzung für diese freiwillige Informationsübermittlung ist jedoch ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen den Organen und den Informanten470. Die Dritten haben nämlich oft ein Interesse daran, dass nicht nur der Inhalt ihrer Angaben vertraulich behandelt wird, sondern auch die Tatsache, dass sie etwa einen Konkurrenten wegen unlauterer Praktiken überhaupt bei der Kommission angezeigt haben. Würde diese Vertraulichkeit nicht gewahrt, wäre zu befürchten, dass eine wichtige Informationsquelle in nennenswertem Maße versiegen könnte und so die Effektivität der Tätigkeit der Kommission erheblich beeinträchtigt würde. Aus diesem Grund finden sich in zahlreichen nationalen Dokumentenzugangsrechten Ausnahmetatbestände, die freiwillig von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen besonders vor Offenlegung schützen, wenn es sich um Informationen solcher Art handelt, die die Dritten üblicherweise nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätten471. Dagegen dürfte eine andere Bewertung geboten sein, wenn es um Informationen geht, die den Organen nicht freiwillig, sondern in Erfüllung einer besonderen Informations- oder Auskunftspflicht zur Verfügung gestellt wurden. Auch hierbei droht zwar die Gefahr, dass die Qualität der Auskünfte leidet, wenn der Verpflichtete damit rechnet, dass Dritte Zugang zu seinen Angaben erlangen. Es geht insoweit aber eher um die Verlässlichkeit der Angaben und nicht darum, überhaupt Angaben zu erhalten. Außerdem besteht in diesem Bereich regelmäßig ein Sanktionssystem zur Durchsetzung der Auskunftsverpflichtung, das auch die Qualität der Informationen sichert472. Es erscheint also unangemessen, das Recht auf Zugang zu Doku470 Vgl. Bundesministerium des Innern, Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vom 20. Dezember 2000, Begründung, Zu § 4 Satz 1 Nr. 2, S. 29, mit Verweis auf § 7 Abs. 4 UIG. 471 Näher dazu Baxter, Public Access to Business Information Held by Government, JBL 1997, S. 199 (203 ff.) Ebenso auch noch Art. 4 lit. d) Entwurf Zugangsverordnung.

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menten zu beschränken, nur um einen zusätzlichen Anreiz für den Dritten zu schaffen, etwas zu tun, wozu er ohnehin verpflichtet ist473. c) Vertragsverletzungsverfahren Besonderes Interesse fanden in der Vergangenheit Dokumente der Kommission, die im Zusammenhang mit Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EGV standen. Darum wird dieser Anwendungsfall im Folgenden näher erörtert. Dieses Verfahren wird eingeleitet, wenn ein Mitgliedstaat nach Auffassung der Kommission gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstößt. Das Interesse der Bürger an Dokumenten aus solchen Verfahren kann zunächst darin bestehen, Material für einen Staatshaftungsprozess nach nationalem Recht zu sammeln474. Ferner können Bürger deshalb Dokumentenzugang begehren, weil sie, was sehr häufig der Fall ist, selbst durch ihre Anzeige die Kommission auf eine mögliche Vertragsverletzung aufmerksam gemacht haben und ein persönliches Interesse daran haben, dass der behauptete Missstand abgestellt wird. Zwar besteht grundsätzlich die (theoretische) Möglichkeit, dass Unionsbürger ein vertragswidriges Verhalten ihres Heimatstaates vor den nationalen Gerichten rügen. In der Praxis, das hat auch die Kommission anerkannt, sind die Bürger jedoch vielfach auf das Einschreiten der „Hüterin der Verträge“ angewiesen475. Über die Anzeige hinaus bleibt dem Bürger jedoch eine Einflussnahme auf das Vertragsverletzungsverfahren versagt. Um dies zu verdeutlichen, sollen die Schritte dieses Verfahrens noch einmal kurz beschrieben werden. Damit ein Vertragsverletzungsverfahren beginnen kann, muss die Kommis472 Vgl. beispielsweise Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 17 des EWG-Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABl. 1962, Nr. P 13, S. 204. 473 Auch das UIG differenziert in dieser Weise zwischen freiwillig und obligatorisch zur Verfügung gestellten Informationen, vgl. § 7 Abs. 4 UIG. Dies war schon deshalb geboten, weil die für die Ausgestaltung des UIG maßgebliche Umweltinformations-Richtlinie nur einen Ausnahmetatbestand für freiwillig übermittelte Informationen vorsah, vgl. Art. 3 Abs. 2 6. Spiegelstrich Umweltinformationsrichtlinie. 474 Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG Bavarian Lager/Kommission, ELRep 2000, S. 17 (19); vgl. EuGH, Rs. C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1991, S. I-4069, Rdnr. 28; Rs. C-361/88, Kommission/Deutschland, Slg. 1991, S. I-2567, Rdnr. 31; Borchardt, in Lenz, EGV, Art. 226, Rdnr. 2. Als Beispiel lässt sich die vom Gerichtshof entwickelte gemeinschaftsrechtliche Haftung der Mitgliedstaaten für fehlerhafte Richtlinienumsetzungen anführen, vgl. EuGH, verb. Rs. C-6 und 9/90, Francovich, Slg. 1991, S. I-5357, Rdnrn. 28 ff. 475 Europäische Kommission, Thirteenth Annual Report on monitoring the application of Community law, Introduction, Dok.Nr. COM (96) 600 final, ABl. 1996, Nr. C 303, S. 1, Söderman, Rede an der Humboldt-Universität Berlin am 19. Juni 2001.

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sion natürlich überhaupt erst Kenntnis von den Tatsachen erhalten, die den Verdacht einer Vertragsverletzung begründen können. Wie bereits angedeutet, geschieht dies häufig aufgrund von Bürgeranzeigen. Die Kommission hat diese wichtige Rolle der Bürger mehrfach anerkannt476. Im Amtsblatt wurde selbst ein spezielles Formular veröffentlicht, das für solche Anzeigen verwendet werden kann477. Mit der Anzeige endet aber die Beteiligung des Bürgers am Vertragsverletzungsverfahren auch schon wieder. Es schließt sich ein Verfahren in drei Abschnitten an478. Kommt die Kommission nach einer ersten Prüfung des Sachverhalts zu der Auffassung, dass ein Vertragsverstoß gegeben sein könnte, übersendet sie dem betroffenen Mitgliedstaat ein Mahnschreiben, in dem sie ihn über die Gründe für ihre Auffassung in Kenntnis setzt und zur Stellungnahme auffordert. Hält die Kommission nach diesem Vorverfahren an ihrer Einschätzung fest, so erlässt sie eine begründete Stellungnahme und setzt dem Mitgliedstaat eine Frist zur Beseitigung des gerügten Verstoßes. Verstreicht diese Frist fruchtlos, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen und die Feststellung des Vertragsverstoßes mit den in Art. 228 EGV beschriebenen Folgen beantragen. Einzelpersonen haben keine Möglichkeit, die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission zu erzwingen. Mit diesem Ziel erhobene Untätigkeitsklagen und Nichtigkeitsklagen479 sind nach ständiger Rechtsprechung der europäischen Gerichte unzulässig480. Dafür lassen sich im Wesentlichen drei Argumente anführen. Erstens sind natürliche und juristische Personen bei Untätigkeitsklagen nur klagebefugt, wenn sie die Unterlassung eines an sie gerichteten Aktes geltend machen481; bei der Nichtigkeitsklage genügt statt der Adressatenstellung auch eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit482. Diese Voraussetzungen sind jedoch bei keiner der Handlungen der Kommission innerhalb des Vertragsverletzungsverfahrens erfüllt. Diese richten sich ausschließlich an den betroffenen Mitgliedstaat483. Auch von einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der Kläger durch eine Weigerung der Kommission, tätig zu werden, 476

Mitteilung 2002/C 244/03 der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, ABl. 2002, Nr. C 244, S. 5. 477 ABl. 1999, Nr. C 119, S. 5. 478 Vgl. dazu Ahlt, Europarecht, S. 53 ff; Bleckmann, Europarecht, Rdnrn. 819 ff. 479 Gerichtet gegen eine erklärte Weigerung der Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten oder fortzuführen. 480 Grundlegend EuGH, Rs. 48/65, Lütticke/Kommission I, Slg. 1966, S. 28 (39). 481 Art. 232 Abs. 3 EGV. 482 Art. 230 Abs. 4 EGV. 483 EuG, Rs. T-5/94, J/Kommission, Slg. 1994, S. II-391, Rdnr. 16; EuGH, Rs. C371/89, Emrich/Kommission, Slg. 1990, S. I-1555, Rdnrn. 5 f.; Ahlt, Europarecht, S. 67.

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kann nicht die Rede sein. Zweitens kann Streitgegenstand beider Klagearten nur ein Akt sein, der nicht allein Stellungnahme oder Empfehlung ist484, mithin eine Handlung, die geeignet ist, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen485. Keine der von der Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens ergriffenen Maßnahmen ändert jedoch selbst die Rechtslage. Sie sind bloße, wenn auch notwendige, Vorstufen zu einer möglichen Entscheidung des Gerichtshofes. Erst der Gerichtshof ist berufen, eine rechtsverbindliche Entscheidung zu treffen, nämlich die Feststellung, ob ein Vertragsverstoß vorliegt oder nicht486. Drittens schließt das Ermessen, das Art. 226 EGV der Kommission hinsichtlich der Einleitung und Durchführung eines Vertragsverletzungsverfahrens einräumt, eine Klage aus487. In Art. 226 Abs. 1 EGV ist für das Vorverfahren bestimmt, dass Maßnahmen der Kommission davon abhängig sind, dass nach ihrer Auffassung ein Vertragsverstoß vorliegt. Noch deutlicher wird der Spielraum der Kommission in Art. 226 Abs. 2 EGV, wonach die Kommission nach fruchtloser Durchführung des Vorverfahrens den Gerichtshof anrufen kann. Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass ein Zugangsrecht des Bürgers, welches sich auf eine Rolle als Verfahrensbeteiligter stützt, selbst für den Fall nicht besteht, dass er ein Fehlverhalten eines Mitgliedstaates zur Anzeige gebracht hat488. Umso größer damit aber zugleich die Bedeutung, die 484 Für die Nichtigkeitsklage gilt dies uneingeschränkt gemäß Art. 230 Abs. 1 EGV, für die Untätigkeitsklage jedenfalls dann, wenn es sich wie hier um eine Klage natürlicher und juristischer Personen nach Art. 232 Abs. 3 handelt; vgl. Ahlt, Europarecht, S. 66. Der Streit, ob auch für die Klage nach Art. 232 Abs. 1 EGV ein rechtsverbindlicher Akt Voraussetzung ist, wird hier nicht relevant; vgl. dazu Wohlfarth, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 175, Rdnr. 13. 485 Für die Untätigkeitsklage: Krück in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EGV, Art. 175, Rdnr. 14; EuGH, Rs. 15/70, Chevalley/Kommission, Slg. 1970, S. 975, Rdnrn. 5/7, 10–14; für die Nichtigkeitsklage: Krück in: von der Groeben/ Thiesing/Ehlermann, EGV, Art. 173, Rdnr. 10; EuGH, Rs. 135/84, F.B./Kommission, Slg. 1984, S. 3577, Rdnrn. 6–10. 486 EuGH, Rs. 48/65, Lütticke/Kommission I, Slg. 1966, S. 28 (39); Rs. C-191/ 95, Kommission/Deutschland, Slg. 1998, S. I-5449, Rdnrn. 44–47; EuG, Rs. T-182/ 97, Smanor/Kommission, Slg. 1998, S. II-271, Rdnr. 28. 487 EuG, Rs. T-182/97, Smanor/Kommission, Slg. 1998, S. II-271, Rdnrn. 26 f.; Rs. T-54/99, max.mobil/Kommission, Slg. 2002, S. II-313, Rdnr. 54; EuGH, Rs. C-191/95, Kommission/Deutschland, Slg. 1998, S. I-5449, Rdnr. 46; Krück in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EGV, Art. 169, Rdnr. 67; Ahlt, Europarecht, S. 67. 488 Anderes gilt beispielsweise im Wettbewerbsrecht, wo bestimmte Beschwerdeführer, die ein aus ihrer Sicht wettbewerbswidriges Verhalten zur Anzeige bringen, gewisse verfahrensrechtliche Garantien genießen und ein Klagerecht im Falle der Untätigkeit oder Zurückweisung ihrer Beschwerde durch die Kommission haben können, vgl. dazu im Einzelnen Vesterdorf, Complaints concerning infringements of competition law within the context of European Community law, CMLR 1994, S. 77 (77 f.) Allerdings reichen die Verfahrensrechte dritter Beteiligter nicht so weit, wie die des durch eine mögliche Sanktion der Kommission betroffenen Unternehmens;

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dem Dokumentenzugangsrecht der Allgemeinheit bezogen auf dieses Verfahren zuwächst. Auch insoweit hat das Gericht erster Instanz allerdings bereits aufgrund der vor der Verordnung 1049/2001 geltenden Rechtslage in ständiger Rechtsprechung489, beginnend mit der Rechtssache WWF UK/Kommission, entschieden, dass die Kommission berechtigterweise den Zugang zu bestimmten Dokumenten verweigern kann, die im Zusammenhang mit einem Vertragsverletzungsverfahren stehen. Das Gericht zählt dabei das Vertragsverletzungsverfahren zur Inspektions- und Untersuchungstätigkeit der Kommission, die nach früherer Rechtslage wiederum von der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses umfasst war. Der Verordnungsvorschlag der Kommission enthielt, gestützt auf diese Rechtsprechung, einen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten des Vertragsverletzungsverfahrens einschließlich der vorbereitenden Arbeiten490. Der Umstand, dass diese Formulierung nicht in den endgültigen Verordnungstext übernommen worden ist, kann zum einen damit erklärt werden, dass die Ausnahmen in der Verordnung insgesamt allgemeiner gefasst sind als im Vorschlag. Zum anderen kann dies jedoch auch darauf hindeuten, dass sich der Schutz des Vertragsverletzungsverfahrens nicht von selbst versteht, sondern als Unterfall einer allgemeinen Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungs- und Inspektionstätigkeiten besonderer Begründung bedarf. Eine Geheimhaltungsbedürftigkeit besteht danach nur, wenn der Zweck des Vertragsverletzungsverfahrens durch eine Freigabe der Dokumente beeinträchtigt würde. Der Zweck des Vertragsverletzungsverfahrens besteht darin, den betroffenen Mitgliedstaat dazu zu bringen, ein vertragswidriges Verhalten abzustellen. Letztlich geht es also darum, durch die Beilegung von Rechtsverstößen die Integrität des Gemeinschaftsrechts zu sichern. Nach Auffassung der Kommission ist dafür unabdingbare Voraussetzung, dass ein Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen ihr und dem Mitgliedstaat erhalten bleibe, um im Wege eines ausführlichen und offenen Meinungsaustauschs den Mitgliedstaat zur Einhaltung seiner Vertragspflichten zu bewegen. Nur in dieser Atmosphäre seien Verhandlungen und Kompromisslösungen denkbar, die eine frühzeitige Beilegung des Konflikts ermöglichten491. Diese Auffassung hat das Gericht zunächst in der Rechtssache WWF UK/Kommission ausdrücklich gebilligt: vgl. EuG, Rs. T-17/93, Matra Hachette/Kommission, Slg. 1994, S. II-595, Rdnr. 34; Due, Le respect des droits de la défense dans le droit administratif communautaire, CDE 1987, S. 383 (388, 394). 489 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 63; Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnr. 46; Rs. T-191/ 99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, Rdnr. 68. 490 Art. 4 lit. a) 9. Spiegelstrich Entwurf Zugangsverordnung.

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„Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigt es die Vertraulichkeit, die die Mitgliedstaaten in solchen Situationen von der Kommission erwarten dürfen, im Hinblick auf den Schutz des öffentlichen Interesses, daß der Zugang zu den Dokumenten in bezug auf solche Untersuchungen verweigert wird, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, auch wenn seit dem Abschluß dieser Untersuchungen einige Zeit verstrichen ist.“492

In der Rechtssache Bavarian Lager/Kommission gab das Gericht weitere Anhaltspunkte dafür, welche Beeinträchtigungen des Vertragsverletzungsverfahrens durch den Dokumentenzugang zu erwarten wären: „Käme es nämlich während der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat zu einer Verbreitung von Dokumenten, die sich auf die Untersuchungsphase beziehen, so könnte dies den ordnungsmäßigen Ablauf des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtigen und sein Ziel gefährden, es dem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seine Vertragspflichten freiwillig zu erfüllen oder gegebenenfalls seine Position zu rechtfertigen.“493

Das entscheidende Argument ist also, während des Vertragsverletzungsverfahrens eine Atmosphäre zu erhalten, die es dem betroffenen Mitgliedstaat ermöglicht, ohne Gesichtsverlust auf Forderungen der Kommission einzugehen. Ein solches freiwilliges Einlenken des Mitgliedstaates ist einerseits zur Entlastung des Gerichtshofes von Bedeutung494. Andererseits führt es dazu, dass das beschränkte Sanktionssystem der Gemeinschaft weniger deutlich zum Tragen kommt495. Aus den Ausführungen des Gerichts ergibt sich weiter, dass die Kommission dem Mitgliedstaat gegenüber zur Wahrung der Vertraulichkeit sogar verpflichtet ist. Diese Verpflichtung besteht unabhängig vom Verhalten des Mitgliedstaates496, so dass eine Freigabe der Dokumente als zusätzliches Sanktionsmittel bei einem besonders uneinsichtigen Mitgliedstaat ausscheidet. Die Vertraulichkeit erstreckt sich dabei auf alle Dokumente, die sich unmittelbar auf Untersuchungen beziehen, denen ein Vertragsverletzungsverfahren nachfolgen könnte. Dies gilt insbesondere für Mahnschreiben und 491 Vgl. zum Beispiel die Schreiben der Kommission, die im Urteil EuG, Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnrn. 17 und 19 wiedergegeben sind. 492 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 63. Einige Zeit meinte in diesem Fall zwei Jahre. 493 EuG, Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnr. 46. 494 Darum hat das Gericht auch entschieden, dass die Möglichkeit der gütlichen Streitbeilegung sogar noch während des laufenden gerichtlichen Verfahrens Schutz verdient; EuG, Rs. T-191/99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, Rdnr. 68. 495 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 408 f. 496 EuG, Rs. T-191/99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, Rdnr. 71.

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mit Gründen versehene Stellungnahmen, einschließlich deren Entwürfe497. Diese müssen auch dann noch vertraulich bleiben, wenn die Untersuchung bereits seit einiger Zeit abgeschlossen ist, um dem Ermessen der Kommission, ob und in welchem zeitlichen Rahmen sie tätig werden will, Rechnung zu tragen498. Hat die Kommission dagegen endgültig beschlossen, kein Verfahren einzuleiten, dürfte dessen Zweck keine fortdauernde Vertraulichkeit erfordern499. Der Europäische Bürgerbeauftragte beschäftigte sich mehrfach mit dem Vertragsverletzungsverfahren und bemühte sich um mehr Offenheit500. Immerhin ist Transparenz inzwischen schon insoweit hergestellt, dass die Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens über Presseerklärungen bekannt gibt, dem Anzeigeerstatter eine mit Gründen versehene Mitteilung über eine etwaige Einstellung des Verfahrens macht und auch die für das Vertragsverletzungsverfahren relevanten Teile ihres Manual of Procedures im Internet veröffentlicht501. Der Bürgerbeauftragte 497

EuG, Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnr. 46; EuGH, Rs. C-191/95, Kommission/Deutschland, Slg 1998, S. I-5449, Rdnr. 44 und Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG Bavarian Lager/Kommission, ELRep 2000, S. 17 (18); Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (189 f.) Anderes gilt für nicht in gleicher Weise unmittelbar mit dem Verfahren zusammenhängenden Dokumente oder solche, die aufgrund ihres Inhalts keine Beeinträchtigung des Verfahrens erwarten lassen, vgl. Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (337); Kadelbach, a. a. O., S. 184; EuG, Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, a. a. O., Rdnr. 41: „nicht sämtliche Dokumente, die mit Vertragsverletzungsverfahren zusammenhängen“. 498 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 63. 499 Anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/ Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 63. Dort hatte die Kommission bereits den Beschluss gefasst, das Vertragsverletzungsverfahren nicht einzuleiten. Das Gericht erkannte grundsätzlich ein Bedürfnis für Vertraulichkeit der Untersuchungen im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren an, aber nur insoweit wie diese noch in ein gerichtliches Verfahren münden können. Das kann auch noch einige Zeit nach Abschluss der Untersuchungen zu erwarten sein, aber wohl nicht mehr, wenn ein Nichteinleitungsbeschluss gefasst wurde. Für dieses Verständnis spricht auch die Formulierung des Gerichts in der Rechtssache Bavarian Lager/Kommission, wo es ausgeführt hat, dass in der Entscheidung WWF UK/Kommission ein schutzwürdiges Vertrauen „während anhängiger Untersuchungen, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen können“ anerkannt worden sei; EuG, Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnr. 46. Im Ergebnis ebenso Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG Bavarian Lager/Kommission, ELRep 2000, S. 17 (18); a. A. Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 407. 500 Vgl. beispielsweise die aus eigener Initiative eingeleitete Untersuchung 303/ 97/PD, Europäischer Bürgerbeauftragter, Jahresbericht 1997, S. 301 ff.; dazu Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 267 ff.

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geht aber noch einen Schritt weiter und ist der Auffassung, dass es aus dem in Art. 41 EU-Charta anerkannten „Recht auf eine gute Verwaltung“ folge, dass der Anzeige erstattende Bürger als Partei des Verfahrens nach Art. 226 EGV angesehen werden müsste und als solcher einen Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Verfahrensakten habe502. Dies ist jedoch zweifelhaft, da die Stellung als Verfahrensbeteiligter, die eine Vielzahl von Rechten auslöst, meist auf irgendeiner Möglichkeit der Betroffenheit in eigenen Rechtspositionen ruht, die die bloße Anzeige eines Vertragsverstoßes ihrerseits weder voraussetzt noch schaffen kann503. 7. Interne Dokumente Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 soll die Entscheidungsfindung der Organe vor Beeinträchtigungen schützen, die sich aus dem Zugang der Öffentlichkeit zu so genannten internen Dokumenten ergeben können504. Das Interesse an der ordnungsgemäßen Entscheidungsfindung ist ein öffentliches Interesse und nicht etwa nur ein „privates“ des betroffenen Organs505. Zwar wird dies aus den Ausführungen des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache WWF UK/Kommission nicht hinreichend klar, wenn es dort heißt, dass im Hinblick auf die internen Beratungen eines Organs allein dessen Interessen betroffen sein könnten506. Diese Formulierung darf nicht den Blick darauf verstellen, in wessen Interesse die Organe wiederum ihre Aufgaben wahrnehmen. Wie Meinhard Schröder zutreffend betont, muss der Schutz der Funktionsfähigkeit „im Interesse der Gesellschaft, der die Verwaltung dient, 501

Bonnor, The European Ombudsman, ELR 2000, S. 39 (51). Söderman, Rede an der Humboldt-Universität Berlin am 19. Juni 2001; Rede auf der European Law Conference in Stockholm am 12. Juni 2001. 503 Um es etwas plakativ zu formulieren: Wer ein falsch geparktes Kfz bei der Ordnungsbehörde meldet, wird nicht zum Beteiligten des nachfolgenden Verwaltungsverfahrens gegen den Halter. 504 Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (83). 505 Vgl. Blanchet, Le Traité d’Amsterdam, RTDE 1997, S. 915 (926); Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (60). 506 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 60; ebenso Preussner, Das Recht auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, VwBlBW 1982, S. 1 (4). Vielleicht wollte das Gericht aber auch nur betonen, dass es sich hier um einen Fall handelt, in dem das Organ ohne Rücksichtnahme auf Interessen Dritter das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes beurteilen kann, während sonst oft ein „informationelles Dreieck“ besteht, vgl. Engel, Der freie Zugang zu Umweltinformationen nach der Informationsrichtlinie der EG und der Schutz von Rechten Dritter, NVwZ 1992, S. 111 (111); Belaich, Les obligations de la Commission en matière de transparence, RMCUE 1998, S. 710 (712): „son propre intérêt“. 502

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und in der sie wirken soll, das Publizitätsprinzip begrenzen“507. Transparenz und Funktionsfähigkeit sind dabei keine gegensätzlichen Begriffe508. Vielmehr dient die Öffentlichkeit gerade der optimalen Funktion der Organe und muss deshalb dort ihre Grenze finden, wo sie beginnt, diesem Zweck zuwiderzulaufen509. Die Frage, inwieweit den Organen durch den Ausschluss des Zugangs zu internen Dokumenten ein Raum zu nicht-öffentlichen Überlegungen gegeben werden sollte, bildete einen der wesentlichen Streitpunkte bei den Verhandlungen über die Verordnung 1049/2001510. Interne Dokumente sind solche, die allein für den Gebrauch innerhalb des Organs zur Vorbereitung von Entscheidungen erstellt werden. Dazu zählen informelle Stellungnahmen und Ergebnisse von Konsultationen innerhalb des Organs, Aktennotizen, aber auch Entwürfe oder Diskussionspapiere für Entscheidungen511. Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 ergibt sich, dass es maßgeblich auf den (beabsichtigten) Verbleib des Dokuments innerhalb des betreffenden Organs ankommt. Übermittelt also beispielsweise die Kommission ein von ihr erstelltes Diskussionspapier dem Parlament im Rahmen von Konsultationen, so ist es nicht mehr intern im Sinne von Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01. Es gibt also nur organinterne, nicht jedoch gemeinschaftsinterne Dokumente512. An dieser Stelle wirkt sich wiederum der besondere 507 Schröder, Staatstheoretische Aspekte einer Aktenöffentlichkeit im Verwaltungsbereich, Die Verwaltung 1971, S. 301 (319). 508 Dewost, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 103 (104). 509 In diesem Sinne auch Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 117 (197). 510 Vgl. Protokoll des Generalsekretariats der Kommission über die Trilogverhandlungen zum Dokumentenzugangsrecht vom 24. Januar 2001, Az. SG.B.2/MM/ pf D(2001) 350029, S. 2. 511 Vgl. das Zitat aus den Erläuterungen der Kommission zum Verhaltenskodex in House of Lords, Public Access to EU documents, Report, S. 8: „An internal document is a document which either has not been finalized or is not intended for publication, for example: preparatory documents on Commission decisions and policy initiatives such as preliminary drafts, interim reports, draft legislative proposals or decisions; explanatory documents or other kinds of information such as statistics, memoranda or studies which form the background to Commission decisions and policy measures.“ In § 7 Abs. 2 UIG wird unterschieden zwischen noch nicht abgeschlossenen Schriftstücken und verwaltungsinternen Mitteilungen. Dies heißt jedoch nicht, dass etwa ein Schriftstück während seiner Entstehung oder im Stadium des Entwurfes kein internes Dokument darstellte. Unzweifelhaft wird es in dieser Form regelmäßig allein für den Gebrauch innerhalb der Behörde bestimmt sein. 512 Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, das Parlament könne in diesem Fall die Herausgabe des übermittelten Kommissionsdokuments mit der Begründung verweigern, das Dokument sei zum internen Gebrauch „bei ihm eingegangen“. Diese Variante ist zwar in Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 ausdrücklich vorgesehen. Auf die-

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Charakter des Rates aus. Während aber im Rahmen der Prüfung des Vetorechts der Mitgliedstaaten ein weiter Organbegriff zugangsbegünstigend wirkt, ist dies an dieser Stelle genau umgekehrt. Will man konsequent bleiben, können Dokumente, die an Mitgliedstaaten in ihrer Funktion als Ratsmitglieder übermittelt werden, durchaus noch intern sein. a) Laufende und zukünftige Entscheidungen Die Ausnahme in Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 unterscheidet zwei verschiedene Stadien, in denen sich der Entscheidungsprozess befinden kann. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 VO 1049/01 bezieht sich auf alle internen Dokumente, die von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt worden oder bei ihm eingegangen sind und die sich auf eine Angelegenheit beziehen, in der ein Beschluss noch nicht gefasst wurde. Eine Verweigerung des Zugangs ist dann geboten, wenn der Entscheidungsprozess des Organs im Falle einer Verbreitung ernstlich beeinträchtigt würde. Im Rahmen dieser Ausnahme wird also eine ernstliche Beeinträchtigung gefordert, während bei den anderen eine einfache Beeinträchtigung genügt. Dies kann nur so bewertet werden, dass dem Rechtsgut des unbeeinträchtigten Entscheidungsprozesses der Organe gegenüber den übrigen geschützten Interessen ein geringeres Gewicht beizumessen ist. In der Abwägung mit dem allgemeinen Transparenzinteresse kann daher der Schutz des Entscheidungsprozesses erst bei einer erheblicheren Beeinträchtigung eine Verweigerung rechtfertigen als das bei den übrigen Ausnahmen der Fall ist. Außerdem ist nicht zu verkennen, dass diese Ausnahme eine besonders gravierende Begrenzung des Zugangsrechts bedeuten kann. Es soll in Erinnerung gerufen werden, dass eine wesentliche Funktion des Dokumentenzugangsrechts darin bestand, der Öffentlichkeit die Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung der öffentlichen Gewalt zu ermöglichen. Insoweit kommt eine eventuelle Freigabe der Dokumente, nachdem der Beschluss ergangen ist, jedenfalls zu spät, und es kann allenfalls noch um Kontrolle gehen. Auch insofern war es also geboten, die Ausnahme durch eine erhöhte Beeinträchtigungsschwelle in ihrem Anwendungsbereich zu begrenzen. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 VO 1049/01 regelt demgegenüber den Fall, dass der Beschluss, auf den sich das interne Dokument bezieht, bereits gefasst worden ist. Dies ist insofern erstaunlich, als der Entscheidungsprozess, um dessen Schutz es auch nach dem Wortlaut dieses Ausnahmetatbestandes sem Wege kann aber allenfalls begründet werden, warum das Dokument nunmehr ein internes Parlamentsdokument darstellt, nicht jedoch, dass es auch aus Sicht der Kommission intern bleibt. Zu der auch im Hinblick auf § 7 Abs. 2 UIG diskutierten Frage, ob nur der inner- oder auch der zwischenbehördliche Datenaustausch geschützt ist, vgl. Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 7, Rdnr. 29.

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geht, nur solange andauert, bis die Entscheidung getroffen worden ist513. Was soll also diese Ausnahme stattdessen schützen? Es kann nicht darum gehen, wie dies bei der Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung der Fall ist, die getroffene Entscheidung davor zu bewahren, dass ihre Gültigkeit aufgrund von Diskussionen, die sich auf kritische Stellungnahmen in internen Papieren stützen, in Zweifel gezogen wird. Eine solche Interpretation verstieße gegen den eindeutigen Wortlaut der Ausnahme, die den Entscheidungsprozess schützt. Der Bestand eines Entscheidungsergebnisses ist etwas grundlegend anderes als der Prozess ihrer Entstehung. Als einzig denkbare Auslegung bietet sich der Schutz zukünftiger Entscheidungsfindungen an514. Auch dieser Ausnahmetatbestand wird erst dann ausgelöst, wenn eine ernstliche Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses droht. Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich dieser Ausnahme aber dadurch beschränkt, dass sie sich nicht auf alle internen Dokumente bezieht, sondern nur auf solche, die „Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs“ enthalten. b) Zulässigkeit der Regelung Der Verordnungsvorschlag der Kommission hatte vorgesehen, interne Dokumente schon auf der Ebene des Antragsgegenstandes vom Anwendungsbereich des Dokumentenzugangsrechts auszunehmen515. In Art. 3 lit. a) Entwurf Zugangsverordnung ist das Dokument, auf das sich das Zugangsrecht bezieht, dahingehend definiert, dass damit keine Dokumente zum internen Gebrauch gemeint sind, bei denen es sich um Arbeits- und Diskussionsdokumente sowie um Stellungnahmen der Dienststellen handelt. Ebenso ausgenommen waren so genannte informelle Mitteilungen. Wie aus der Begründung zu dem Vorschlag hervorgeht, sollten mit dem Begriff der informellen Mitteilung insbesondere E-Mails erfasst werden, die Telefongesprächen wesensmäßig gleichgestellt wurden516. 513 Vgl. dazu Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (21); Röger, Ein neuer Informationsanspruch auf europäischer Ebene, DVBl. 1994, S. 1182 (1186); Piris, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 88 (100). Partsch, Die neue Transparenzverordnung, NJW 2001, S. 3154 (3157) sieht deshalb auch keinen Anwendungsbereich für diesen Ausnahmetatbestand. 514 So auch Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (559). 515 In diesem Sinne ist wohl auch Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (927) zu verstehen, der meint, es müsse wohl eine Grenze oberhalb der bloßen schriftlich verkörperten Information geben, um von einem Dokument im Sinne des Zugangsrechts sprechen zu können. 516 Entwurf Zugangsverordnung, Begründung, S. 4.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Die Verordnung 1049/2001 nimmt interne Dokumente nicht generell vom Anwendungsbereich des Zugangsrechts aus, sondern sie wurden in einen Ausnahmetatbestand aufgenommen, dessen Anwendungsbereich zudem gegenüber dem Kommissionsvorschlag begrenzt ist. Insoweit ist die gefundene Lösung uneingeschränkt zu begrüßen. Sie dient nicht nur dem effet utile des Zugangsrechts, sondern beachtet vor allem das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Ein im Einzelfall zu prüfender Ausnahmetatbestand ist zweifelsohne das mildere Mittel gegenüber einem kategorischen Ausschluss. Allerdings ergibt sich ein Problem, wenn man den Blick nicht nur auf den Kommissionsvorschlag, sondern auf das vor der Verordnung 1049/2001 geltende Zugangsrecht richtet. Danach waren interne Dokumente weder explizit vom Anwendungsbereich des Dokumentenzugangsrechts ausgeschlossen, noch waren sie explizit in einem Ausnahmetatbestand aufgeführt. Außerdem heißt es in der Mitteilung der Kommission über die Verbesserung des Zugangs zu ihren Dokumenten vom 4. März 1994, dass „jedermann die Einsicht in ein unveröffentlichtes Kommissionsdokument einschließlich der vorbereitenden Dokumente und sonstiger Materialien beantragen“ könne517. Stellt in Anbetracht dessen Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 einen unzulässigen Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage dar? Dagegen lässt sich zunächst einwenden, dass interne Dokumente zwar bisher nicht explizit in einem Ausnahmetatbestand genannt waren, der Zugang zu ihnen aber dennoch beschränkt war. So hat das Gericht erster Instanz im Rahmen der Prüfung spezieller Ausnahmen den internen und vorbereitenden Charakter von Dokumenten mehrfach als ein Indiz herausgestellt, das gegen die Zugänglichkeit eines Dokuments spricht. So heißt es in der Rechtssache Mattila/Rat und Kommission, bei dem die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen geltend gemacht wurde: „Aus der Tatsache, dass dieses Dokument öffentlich bekannt gemachte Informationen enthält, folgt nicht, dass der Rat verpflichtet gewesen wäre, den Entwurf dieser Erklärung zu verbreiten, der per definitionem rein vorbereitenden Charakter hatte und daher für den internen Gebrauch bestimmt war. Wie der Rat in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, bestehen in der Regel Unterschiede zwischen dem Entwurf einer Erklärung und dem endgültigen Wortlaut, die unter die Vertraulichkeit fallende Meinungsunterschiede offenbaren. Außerdem wird die Information der Bürger ausreichend durch die Möglichkeit des Zugangs zur endgültigen Fassung der Erklärung gewährleistet.“518 517 ABl. 1994, Nr. C 67, S. 5; vgl. auch EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnrn. 6, 44; Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnr. 44. 518 EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 73; vgl. auch EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 73.

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In der Rechtssache Bavarian Lager/Kommission hat das Gericht bei der Prüfung der Ausnahme zum Schutz der Untersuchungstätigkeiten ebenfalls den Entwurfscharakter des begehrten Dokuments besonders berücksichtigt519. Ergänzend zu diesen speziellen Tatbeständen konnte der Zugang zu internen Dokumenten auch unter Berufung auf die fakultative Ausnahme zum Schutz des Interesses an der Geheimhaltung der Beratungen verweigert werden520. Insgesamt gab es also auch schon aufgrund der vor der Verordnung 1049/2001 geltenden Rechtlage praktisch keinen Zugang zu internen Dokumenten521. Gerade an der Ausnahme zum Schutz des Interesses an der Geheimhaltung der Beratungen war jedoch zu bemängeln, dass ihr Wortlaut den wirklichen Schutzzweck nicht ausreichend deutlich werden ließ522. Es gilt nicht, das Interesse an der Geheimhaltung der Beratungen zu schützen, sondern das Interesse an einer ordnungsgemäßen Entscheidungsfindung, die ihrerseits eine Geheimhaltung im Einzelfall notwendig machen mag. Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 formuliert demgegenüber nunmehr klar, dass die Vertraulichkeit interner Dokumente nicht um ihrer selbst willen absolut gewahrt wird, sondern nur insoweit, wie es für die Sicherung einer ordnungsgemäßen Entscheidungsfindung und Verwaltung erforderlich ist523. Die bisherige Praxis, den Zugang zu internen Dokumenten zu beschränken, lässt sich durchaus auch argumentativ abstützen. Wie bereits angedeutet wurde, steht hinter dieser Regelung der Grundgedanke, dass es der Schutz der Entscheidungsfindung und der Funktionsfähigkeit der Organe er519 EuG, Rs. T-309/97, Bavarian Lager/Kommission, Slg. 1999, S. II-3217, Rdnr. 46. 520 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (112). 521 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (112). 522 Ebenso Piris, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 88 (100): „formulation [. . .] pas très heureuse“. Dies führt zu unglücklichen Interpretationen wie der von Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 7, Rdnr. 9 in Bezug auf den gleich lautenden Ausnahmetatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 UIG: „Zweck ist es, die innerstaatliche Entscheidungsfindung unbeeinflußt von öffentlicher Kenntnisnahme und Diskussion vorangehen zu lassen.“ 523 Siehe Satz 3 des elften Erwägungsgrunds der Verordnung 1049/2001: „Es sollte den Organen gestattet werden, ihre internen Konsultationen und Beratungen zu schützen, wo dies zur Wahrung ihrer Fähigkeiten, ihre Aufgaben zu erfüllen, erforderlich ist.“ (Hervorhebung durch Verfasser); vgl. ferner Schröder, Staatstheoretische Aspekte einer Aktenöffentlichkeit im Verwaltungsbereich, Die Verwaltung 1971, S. 301 (319); Scherzberg, Freedom of Information – deutsch gewendet, DVBl. 1997, S. 733 (738).

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fordern kann, ihnen einen Raum für vertrauliche Überlegungen524 zuzugestehen525. Die Notwendigkeit eines solchen space to think ist denn auch weithin anerkannt526 und in zahlreichen Dokumentenzugangsvorschriften der Mitgliedstaaten enthalten527. In Schweden zum Beispiel, das zu Recht immer wieder als Vorbild in Sachen Transparenz genannt wird528, sind nur offizielle Dokumente Gegenstand des Zugangsrechts der Öffentlichkeit. Offiziell ist ein Dokument dann, wenn es bei einer Behörde eingegangen ist oder von ihr erstellt worden ist. Als erstellt gilt ein Dokument jedoch erst dann, wenn es über die Behörde hinaus verbreitet worden ist, ebenso wenn es einen endgültigen Stand erreicht hat529. Für Memoranden, Entwürfe und ähnliche vorbereitende Dokumente gilt, dass sie nur offiziell werden, wenn sie registriert werden und Teil der Akten werden sowie wenn sie neue, die Entscheidung betreffende Sachinformationen enthalten530. 524 Teilweise wird auch vom Raum zum „ungestörten“ Überlegen gesprochen. Diese Formulierung soll hier aber bewusst vermieden werden, da es dem Grundgedanken der Transparenz nicht gerecht würde, die Zugangsbegehren der Bürger als Störung einzustufen. 525 Vgl. auch Röger, UIG, § 7, Rdnr. 11. 526 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (18 ff.); Söderman, Transparency in the Community institutions, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 81 (86); Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 14; Ian Harden in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 89, Frage 144; Söderman, Rede an der Universität Lund am 5. April 2001; ablehnend Bunyan, Access to documents „could fuel public discussion“, in: ders./Curtin/White, Essays for an Open Europe, Transnational Association 1/2001, S. 10 (10 f.): „,Space to think‘ also means space to act.“ 527 Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im Europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 80; Frankel, Freedom of Information: Some International Characteristics, S. 8; Europäische Kommission, Vermerk des Generalsekretariats vom 10. August 2000, Vergleichende Analyse der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten über den Zugang zu Dokumenten, Az. SG.B.2/VJ/CD D(2000) 545158, Rdnr. 2.4., S. 3 f. 528 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (112), der ein wenig ironisch und zugleich sehr treffend anmerkt: „Wenn man eine Transparenzregelung durchsetzen will, hilft es sehr, nachweisen zu können, dass man sich an dem schwedischen Modell orientiert hat“. 529 Vgl. Swedish Ministry of Justice, The Right of Access to Official Documents in Sweden, S. 1; Nordling, Address to the colloquium, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 123 (125); Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (815). 530 Europäische Kommission, Vermerk des Generalsekretariats vom 9. September 2000, Überblick über die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu Dokumenten, Az. SG.B.2/VJ/CD D(2000), S. 20 f.

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Darüber hinaus hat der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger in seinem zweiten Bericht ausgeführt, es sei „wichtig festzuhalten, daß die sorgfältige Vorbereitung von Entscheidungen innerhalb der Kommission nicht behindert werden darf. Wie alle politischen Institutionen braucht die Kommission den ,Raum zum Überlegen‘, um Politik zu formulieren, bevor sie öffentlich wird, weil Politik, die im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gemacht und deshalb ,mit heißer Nadel gestrickt wird‘, häufig schlechte Politik ist.“531

Auch von Seiten der Rechtsprechung findet diese Auffassung Unterstützung, wie es beispielhaft die Argumentation des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Sodima/Kommission II deutlich macht: „Das Dokument, dessen Entfernung aus der Akte die Kommission beantragt, ist ein internes Dokument, mit dem die Entscheidung der zuständigen Stellen innerhalb dieses Organs vorbereitet werden soll. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung müssen die mit dieser Arbeit betrauten Stellen sich in derartigen Dokumenten frei ausdrücken können, ohne befürchten zu müssen, dass ihre vorbereitenden Stellungnahmen den Betroffenen oder der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden.“532

Letztlich steht hinter Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 das Interesse, das das Gericht erster Instanz in der Rechtssache Carlsen/Rat insgesamt mit der „ordnungsgemäßen Arbeitsweise der Organe“ umschrieben hat533. Voraussetzung dafür ist ein Schutz der Effektivität und Sorgfältigkeit der Entscheidungsfindung sowie der Unbefangenheit534 der daran Beteiligten535. Diese Rechtfertigung erstreckt sich grundsätzlich auch auf Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 VO 1049/01, das heißt auf die Ausnahme zum Schutz des zukünftigen Entscheidungsprozesses. Es erscheint nachvollziehbar, dass die Freigabe bestimmter Stellungnahmen, wie sie in dieser Vorschrift beschrieben sind, negative Folgen für künftige Entscheidungen haben kann536. Es handelt sich um Stellungnahmen, die organintern erstellt wurden und aus531

Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Zweiter Bericht über die Reform der Kommission, Band II, 10. September 1999, Kapitel 7, Pkt. 7.6.6, S. 280. 532 EuG, Rs. T-62/99, Sodima/Kommission II, Slg. 2001, S. II-655, Rdnr. 22. 533 EuG, Rs. T-610/97 R, Carlsen/Rat, Slg. 1998, S. II-485, Rdnrn. 46, 50, 52, ferner EuG, verb. Rs. T-134/94 u. a., NMH Stahlwerke/Kommission, Slg. 1996, S. II-537, Rdnr. 72; vgl. auch Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (112); Lord Williamson of Horton in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 100, Frage 193. 534 Frankel, Freedom of Information: Some International Characteristics, S. 8: „need to allow to [. . .] think the unthinkable“. 535 Scherzberg, Freedom of Information – deutsch gewendet, DVBl. 1997, S. 733 (738); Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im Europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 79.

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schließlich für den Gebrauch innerhalb des Organs bestimmt sind. Diese oft auf persönlichen Einschätzungen beruhenden Stellungnahmen zeichnen sich vielfach dadurch aus, dass sie in besonders kritischer Weise frei und zwanglos Entscheidungsvorhaben beleuchten. Sie erfüllen damit eine Funktion, die mit der der Gutachten der juristischen Dienste vergleichbar ist537. Es besteht ein erhebliches Interesse daran, dass den Organen diese Quelle wichtiger Anregungen erhalten bleibt. Wären derartige Dokumente uneingeschränkt zugänglich, wäre zu befürchten, dass solche Stellungnahmen entweder gar nicht mehr eingeholt würden oder sie jedenfalls ihren Charakter als Instrumente offener und kritischer Diskussion einbüßen würden. Auch unter den Mitgliedstaaten entspricht es durchaus einer verbreiteten Praxis, diese Art von Stellungnahmen selbst nach Abschluss des Entscheidungsprozesses nicht zugänglich zu machen538. Außerdem ist der Anwendungsbereich dieser Ausnahme zweifach dadurch begrenzt, dass erstens eine ernstliche Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses durch die Freigabe der Stellungnahme vom Organ glaubhaft gemacht werden muss und zweitens ein überwiegendes öffentliches Interesse die Freigabe letztlich doch noch erzwingen kann. Gerade in diesem Rahmen wird das Organ auch ernsthaft über die Möglichkeit des teilweisen Zugangs nachdenken und belegen müssen, warum nicht die Anonymisierung der Stellungnahme oder die Schwärzung bestimmter besonders sensibler Passagen dem Schutzzweck genügend Rechnung getragen hätten. Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 ist aber jedenfalls nach alledem keine mit Art. 255 EGV unvereinbare Einschränkung des Dokumentenzugangsrechts. 8. Sensible Dokumente Eine besonders umstrittene, weithin als missglückt angesehene und auch im Vorschlag der Kommission nicht enthaltene Regelung stellt Art. 9 VO 1049/01 in Bezug auf die Behandlung so genannter sensibler Dokumente 536

Ablehnend dagegen Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556

(559). 537 Insofern ist Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/ Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (113) zuzustimmen, wenn er die Stellungnahmen des juristischen Dienstes nur als besondere Kategorie von internen Arbeitspapieren einordnet. 538 Frankel, Freedom of Information: Some International Characteristics, S. 8 f. nennt Dänemark, Frankreich, Niederlande, Großbritannien. Das Gleiche gilt offenbar in Schweden, vgl. Helena Jaderblom in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 111, Frage 217: „The thinking, the proposals, the draft decision, do not fall under the scope under Swedish legislation.“

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auf. Es handelt sich dabei nicht um eine Ausnahme zum Zugangsrecht im eigentlichen Sinn. Die zeigt bereits der Umstand, dass die Regelung nicht in Art. 4 VO 1049/01 enthalten ist, der mit der Überschrift „Ausnahmeregelung“ betitelt ist. Dennoch, so wird schnell klar, legt diese Vorschrift die Vermutung nahe, dass damit weitere Einschränkungen des Zugangsrechts verbunden sein könnten. Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 bestimmt nämlich, dass sensible Dokumente nur mit Zustimmung des Urhebers in einem Register aufgeführt und freigegeben werden dürfen. Dieses Zustimmungserfordernis ist genau genommen sogar noch weiter gehend als das Vetorecht, das Mitgliedstaaten in Bezug auf von ihnen erstellte Dokumente gemäß Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 genießen. Welche Dokumente sind derart sensibel, dass sie eine solche Regelung rechtfertigen? Art. 9 Abs. 1 VO 1049/01 definiert sensible Dokumente als solche, die gemäß den Bestimmungen der Organe zum Schutz grundlegender Interessen der Europäischen Union oder eines oder mehrerer Mitgliedstaaten in den in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 genannten Bereichen, insbesondere öffentliche Sicherheit, Verteidigung und militärische Belange, als „TRÈS SECRET/TOP SECRET“, „SECRET“ oder „CONFIDENTIEL“ eingestuft sind. Urheber dieser Dokumente können die Organe und von diesen geschaffene Einrichtungen, Mitgliedstaaten, Drittländer oder internationale Organisationen sein. Dagegen scheiden Einzelpersonen als Urheber aus. Der Sinn dieser Vorschrift erschließt sich nicht sofort, denn man sollte meinen, dass bereits die Ausnahmen in Art. 4 VO 1049/01 genügend Handhabe bieten sollten, den Schutz sensibler Inhalte zu gewährleisten. Dafür spricht nicht zuletzt auch der ausdrückliche Verweis auf Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 in dieser Vorschrift. Ein Vetorecht des Urhebers ist jedenfalls den Mitgliedstaaten auch bereits aufgrund Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 eingeräumt. Es besteht zwar insoweit ein Unterschied, als es nach Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 eines Ersuchens des Mitgliedstaates bedarf, um die Verbreitung des Dokuments von seiner Zustimmung abhängig zu machen, während Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 diese Verknüpfung ex lege herstellt. Dies dürfte aber kaum eine gesonderte Regelung rechtfertigen, zumal die Klassifizierung539 bereits als Ersuchen des Mitgliedstaates im Sinne von Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 gewertet werden könnte. Was steht also hinter der Regelung des Art. 9 VO 1049/01? Um dies zu verstehen, ist ein Rückblick in den Sommer des Jahres 2000 notwendig. Damals wurden durch den Rat auf besondere Initiative des Generalsekretärs des Rates und Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen539 Klassifizierung bedeutet eine Einstufung von Dokumenten in Kategorien, mit der sichergestellt werden soll, dass jeweils nur eine bestimmte Gruppe von Personen Zugang zu den Informationen hat.

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und Sicherheitspolitik Javier Solana neue Grundsätze für die Behandlung von Verschlusssachen eingeführt. Damit ging der frühere NATO-Generalsekretär Solana auf Forderungen der Allianz ein, wonach die europäischen Institutionen im Rahmen der verstärkten Kooperation von NATO und Union sicherstellen müssten, dass übermittelte Verschlusssachen nur einer eng begrenzten Zahl von Personen zugänglich gemacht würden540. Der Beschluss vom 27. Juli 2000541, mit dem neue Regeln über den Umgang mit Verschlusssachen im Generalsekretariat des Rates aufgestellt wurden, führte dafür die Klassifizierung „TRÈS SECRET/TOP SECRET“ als neue Kategorie ein. Zudem wurde für jede Geheimhaltungsstufe bestimmt, welches Ausmaß einer Gefährdung von Interessen der Union oder eines Mitgliedstaates eine Einordnung in diese Stufe rechtfertigt. Die Geheimhaltungsstufen enthielten keine Begrenzung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche der Union. Aus den Erwägungsgründen des Beschlusses ging jedoch hervor, dass es maßgeblich um die militärische und nichtmilitärische Krisenbewältigung ging542. Die militärische Krisenbewältigung betrifft vor allem die Aktivitäten der bereits erwähnten geplanten europäischen Schnellen Eingreiftruppe. Mit der nichtmilitärischen Krisenbewältigung ist insbesondere die ebenfalls für internationale Einsätze bereit zu haltende 5000 Mann starke Polizeitruppe angesprochen543. Doch damit nicht genug. Am 14. August 2000 verabschiedete der Ausschuss der Ständigen Vertreter im Rat unter Bezugnahme auf den Beschluss des Generalsekretärs des Rates vom 27. Juli 2000 eine Änderung des Beschlusses 93/731/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten544. Dadurch wurden sämtliche in die bereits genannten Geheimhaltungsgrade545 eingestuften Dokumente, die Fra540 Roberts, Multilateral Institutions and the Right to Information, ELR 2002, S. 255 (265). 541 Beschluss des Generalsekretärs des Rates/Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik vom 27. Juli 2000 über die im Generalsekretariat des Rates anzuwendenden Maßnahmen zum Schutz der als Verschlusssachen einzustufenden Informationen, ABl. 2000, Nr. C 239, S. 1; im Folgenden auch mit Solana-Beschluss bezeichnet. 542 Erster Erwägungsgrund des Solana-Beschlusses; vgl. auch Norton-Taylor, New European secrecy controls come into law, The Guardian, 31. August 2000, S. 13. 543 Siehe dazu Europäischer Rat, Santa Maria de Feira, 19./20. Juni 2000, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Anlage I: Bericht des Vorsitzes über die Stärkung der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Pkt. III. 3. d). 544 Beschluss 2000/527/EG des Rates vom 14. August 2000 zur Änderung des Beschlusses 93/731/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten und des Beschlusses 2000/23/EG zur Verbesserung der Information über die Gesetzgebungstätigkeit des Rates und das öffentliche Register der Ratsdokumente, ABl. 2000, Nr. L 212, S. 9. Dieser Umsetzungsakt war notwendig, da der Solana-Beschluss als rein interne Regelung auf Grundlage des Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 Ge-

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gen der Sicherheit und Verteidigung der Union beziehungsweise der Mitgliedstaaten oder die militärische und nicht-militärische Krisenbewältigung betreffen, pauschal vom Anwendungsbereich des Beschlusses ausgenommen. Die Freigabe sonstiger Dokumente, die Rückschlüsse auf den Inhalt von Verschlusssachen erlaubten, wurde zudem von der Zustimmung des Urhebers der Verschlusssachen abhängig gemacht. Das Register der Ratsdokumente durfte keine Verweise mehr auf diese Verschlusssachen enthalten. Schließlich wurde die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses um den Tatbestand „Sicherheit und Verteidigung der Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten, militärische und nichtmilitärische Krisenbewältigung“ erweitert. Es ist wohl auszuschließen, dass irgendein Dokument, das zutreffend in eine der genannten Geheimhaltungsgrade eingestuft wurde, dem Antragsteller nicht auch zuvor allein aufgrund der Ausnahmetatbestände hätte verweigert werden müssen546. Dennoch löste dieses „Solana-Paket“ einen Sturm der Entrüstung aus547; diese galt vor allem der Heimlichkeit, in der dieser Beschluss zustande gekommen war. Das Parlament befand sich gerade in der Sommerpause, zusammen mit einem Großteil der Presse, so dass keine öffentliche Debatte über diese Änderungen des Zugangsrechts möglich war548. Diese war von Seiten des Rates offenbar auch nicht gewünscht. Als die Nichtregierungsorganisation Statewatch im Juli 2000 Zugang zu Dokumenten beantragte, die die geplanten Änderungen des Zugangsrechts betrafen, wurde ihr dieser mit der Begründung verweigert, eine Verbreitung der Dokumente „could fuel public discussion on the subject“549. Auch die Mitgliedstaaten trugen diese Rechtsänderung nicht einmütig mit550. Einige Staaten stimmten im Rat gegen das Vorhaben; die Niederlande erhoben schäftsordnung-Rat gefasst wurde und damit keine direkte Wirkung auf das Zugangsrecht der EU-Bürger entfalten konnte. 545 „TRÈS SECRET/TOP SECRET“, „SECRET“ oder „CONFIDENTIEL“. 546 Neben den inhaltsbezogenen Ausnahmen kam auch besonders die damals noch geltende Urheberregel in Betracht, vgl. Roberts, Multilateral Institutions and the Right to Information, ELR 2002, S. 255 (265). 547 Vgl. die Äußerung des Mitglieds des Europäischen Parlaments Heidi Hautala, The Greens/EFA Group in the European Parliament, Press Release vom 26. Juli 2000, die von „totalitarian measures“ spricht. 548 White, How journalists have spiked NATO’s secrecy guns, in: Bunyan/Curtin/ White, Essays for an Open Europe, Transnational Associations 1/2001, S. 15 (15): „summertime coup“. 549 Statewatch, Solana coup: access to documents rules re-written to meet NATO demands, in: Statewatch Bulletin, vol. 10 no. 3/4, June–August 2000, S. 1; Bunyan, Access to documents „could fuel public discussion“, in: ders./Curtin/White, Essays for an Open Europe, Transnational Associations 1/2001, S. 10 (10). 550 Roberts, Multilateral Institutions and the Right to Information, ELR 2002, S. 255 (265).

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eine Klage gegen den Beschluss vor dem Europäischen Gerichtshof551. Die Klage stützte sich im Wesentlichen auf das Argument, dass wegen des ab Mai 1999 zum geltenden Recht gehörenden Art. 255 EGV eine Änderung des Dokumentenzugangsrechts nur im Wege des Mitentscheidungsverfahrens hätte vorgenommen werden dürfen552. Außerdem erlaube Art. 255 EGV nicht den pauschalen Ausschluss ganzer Dokumentenkategorien vom Anwendungsbereich des Zugangsrechts553; dies gelte aufgrund Art. 28 EUV gleichfalls für den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Das Parlament erhob mit ähnlicher Begründung ebenfalls eine Klage in Luxemburg554. So fragwürdig ihr ursprüngliches Zustandekommen auch gewesen sein mag, mit Art. 9 VO 1049/01 haben diese Regelungen nunmehr Eingang in das aktuelle Dokumentenzugangsrecht gefunden. Der Beschluss vom 14. August 2000 ist mit Geltungserlangung der Verordnung 1049/2001 hinfällig geworden. Folglich haben sich auch die erwähnten Klagen erledigt555. Die Frage, die es nun zu klären gilt, ist das Verhältnis der formellen Klassifizierung zur materiellen Erfüllung eines Ausnahmetatbestandes gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01. Die Klassifizierung erfolgt auf der Grundlage der neuen Sicherheitsvorschriften der Organe556. In den Erwägungsgründen der Sicherheitsvorschriften heißt es zwar jeweils, dass ihr Erlass weder Art. 255 EGV noch die Verordnung 1049/2001 berühre557. Diese Aussage scheint aber auf den ers551

Rs. C-369/00, Niederlande/Rat. Vgl. Curtin, Authoritarian temptation seduces EU decision-makers, in: Bunyan/Curtin/White, Essays for an Open Europe, Transnational Associations 1/2001, S. 12 (13): „act of bad faith by the Council“. 553 Jensen, Military secrecy in the EU Council provokes legal challenges, ESR 2/ 2000, S. 1. 554 Rs. C-387/00, Parlament/Rat. 555 Sowohl das Europäische Parlament als auch die Niederlande nahmen jeweils ihre Klage im März 2002 zurück, ABl. 2002, Nr. C 144, S. 30. 556 Beschluss 2001/264/EG des Rates über die Annahme der Sicherheitsvorschriften des Rates, ABl. 2001, Nr. L 101, S. 1; Beschluss 2001/844/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 29. November 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung; ABl. 2001, Nr. L 317, S. 1. Das Europäische Parlament hat Klage auch gegen die neuen Sicherheitsvorschriften des Rates erhoben (Rs. C-260/01). Das Parlament ist der Auffassung, der Rat habe bei Erlass dieser Vorschriften seine Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit verletzt. Außerdem biete Art. 207 Abs. 3 EGV keine ausreichende rechtliche Grundlage, da neben dem Rat selbst auch Mitgliedstaaten und dezentralen Einrichtungen an die neuen Regeln gebunden werden sollten; vgl. Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (80). 557 Jeweils siebter Erwägungsgrund der Sicherheitsvorschriften des Rates und der Kommission. 552

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ten Blick nicht zu stimmen, da Art. 9 Abs. 1 VO 1049/01 in der Frage der Klassifizierung der Dokumente an die Sicherheitsbestimmungen der Organe anknüpft. Die Struktur von Art. 9 Abs. 1 VO 1049/01 ist also vergleichbar mit der bereits besprochenen Ausnahme zugunsten des Schutzes personenbezogener Daten. Die Verordnung 1049/2001 verweist für die Ausfüllung eines Tatbestandsmerkmals in beiden Fällen auf Spezialvorschriften. Ein solcher Verweis ist grundsätzlich unbedenklich, wenn erstens ausgeschlossen ist, dass damit das Zugangsrecht „durch die Hintertür“ in seinem Anwendungsbereich wesentlich beschnitten wird und zweitens sichergestellt ist, dass die Zuständigkeit zur Anwendung der Spezialvorschriften bei der Stelle liegt, die über den Dokumentenzugang entscheidet. Beides ist bei der Ausnahme zum Schutz personenbezogener Daten der Fall, wenn sie in der oben beschriebenen Weise angewendet wird. Was die Sicherheitsvorschriften betrifft, ist die Gefahr der Beschränkung des Zugangsrechts dadurch begrenzt, dass Art. 9 VO 1049/01 nur solche Dokumente erfasst, deren Klassifizierung den Schutz der in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 genannten Interessen bezweckt. Wenn man berücksichtigt, dass gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/2001 bereits bei einer einfachen Beeinträchtigung der dort genannten Interessen der Zugang zu verweigern ist, ohne dass ein überwiegendes öffentliches Interesse die Freigabe des betreffenden Dokuments erzwingen kann, so dürfte diese Schwelle kaum durch eine rechtmäßige Klassifizierung unterschritten werden können. Hierin liegt denn auch der maßgebliche Unterschied gegenüber der Ausnahme zugunsten des Datenschutzes. In Art. 4 Abs. 1 lit. b) VO 1049/01 ist eine Begrenzung dessen, was durch die Datenschutzvorschriften an Einschränkungen aufgestellt werden darf, nicht durch die Verordnung 1049/ 2001 ausdrücklich geregelt, sondern ergibt sich allenfalls aus der Heranziehung allgemeiner Rechtsgedanken wie dem effet utile oder dem Schutz des Wesensgehalts von Art. 255 EGV. Dagegen enthält Art. 9 Abs. 1 VO 1049/ 01 einen ausdrücklichen Maßstab für eine Klassifizierung, die geeignet ist, die in dieser Vorschrift enthaltenen Rechtsfolgen auszulösen. Legt man diese Betrachtung zugrunde, so drängt sich der Schluss auf, dass Art. 9 VO 1049/01, zumindest was die Beschränkung des Zugangs durch das Zustimmungserfordernis gemäß Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 angeht, eine überflüssige Regelung ist. Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 dürfte nur dann eingreifen, wenn eine rechtmäßige Klassifizierung vorliegt. Diese richtet sich zwar grundsätzlich nach den Sicherheitsvorschriften der Organe, ist aber nur zum Schutz der in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 genannten Interessen zulässig. Erfordert der Schutz dieser Interessen aber eine Klassifizierung, so folgt regelmäßig auch unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 das Gebot, den Zugang für die Allgemeinheit ohne Berücksichtigung überwiegender Interessen zu verweigern. Damit können Klassifizie-

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rung und verweigerte Zustimmung des Urhebers allenfalls die Rolle eines „Warnsignals“ haben. Entscheidend für die Zugangsverweigerung ist letztlich, ob der Tatbestand von Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 erfüllt ist558. Diesen Befund bestätigt Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01, wonach die Entscheidung des Organs über die Verweigerung des Zugangs so zu begründen ist, dass die durch Art. 4 VO 1049/01 geschützten materiellen Interessen – und nicht etwa nur ein formelles, aus dem bloßen Umstand der Klassifizierung folgendes Geheimhaltungsinteresse – nicht beeinträchtigt werden. Wegen der Koppelung an Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 stellt es auch kein Problem dar, dass anders als nach der Vorgängerregelung nunmehr grundsätzlich auch wirtschaftliche und finanzielle Interessen eine Klassifizierung rechtfertigen könnten559. Wenn die Klassifizierung zum Schutz dieser Interessen erfolgte, so wäre ohnehin eine Zugangsverweigerung gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 gerechtfertigt. Bei Dokumenten, die von dritten Urhebern stammen, ist zu beachten, dass die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen herangezogen werden kann, um zu begründen, warum ein Zugang nicht zu gewähren ist560. 558 So auch zutreffend Marc Maes, Mitarbeiter des Generalsekretariats der Kommission, in einem Redebeitrag auf der Konferenz der ERA im Juli 2001 in Trier zum neuen Dokumentenzugangsrecht, zitiert nach Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (84); siehe ferner Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (558) sowie auch schon Rat der Europäischen Union, Erster Bericht über die Durchführung des Beschlusses 93/731/EG des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (1994–1995), erschienen im Juli 1996, Pkt. 3.4: „Es sei bemerkt, daß der Vertraulichkeitsgrad einer Verschlußsache zu keiner Zeit der einzige Aspekt war, der bei der Gewährung oder Verweigerung des Zugangs gemäß dem Beschluß 93/731/EG berücksichtigt wurde.“ Gleiches gilt in Schweden, vgl. Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (343): „a seal of confidentiality placed on a document by a public authority is only considered a preliminary evaluation of the contents of the document. A decision to refuse access to particular document must not follow automatically from the initial decision to place a seal of confidentiality on the document, even if in the end the result of a renewed evaluation by the authority may also be a refusal of access.“ Vgl. auch Dubach, Recht auf Akteneinsicht, S. 112. 559 Dass grundsätzlich der gesamte Bereich des öffentlichen Interesses gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 einbezogen ist, folgt aus der Verwendung des Worts insbesondere in Art. 9 Abs. 1 VO 1049/01. In der Praxis wird eine Klassifizierung regelmäßig allerdings nur bei Dokumenten aus dem Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik relevant werden, siehe den dritten Erwägungsgrund des Beschlusses 2001/264/EG des Rates vom 19. Mai 2001 über die Annahme der Sicherheitsvorschriften des Rates, ABl. 2001, Nr. L 101, S. 1. 560 Vgl. dazu die sehr instruktive Entscheidung des U.S. Court of Appeals for the Ninth Circuit, Weatherhead v. United States of America, 157 F.3d 735 (9th Cir. 1998). Der Circuit Court hat in diesem Verfahren eine inhaltliche Prüfung eines als Verschlusssache gekennzeichneten Dokuments vorgenommen und entschieden, dass es derart harmlos („innocuous“) sei, dass der Zugang nach dem Freedom of Infor-

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Diese Feststellungen betreffen im Übrigen nicht nur das Erfordernis der Zustimmung des Urhebers zur Freigabe der Dokumente, sondern auch die notwendige Einwilligung zur Aufnahme sensibler Dokumente in das Register. Auch insoweit setzt Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 eine rechtmäßige Klassifizierung gemäß Art. 9 Abs. 1 VO 1049/01 voraus. Gleiches gilt für die in Art. 9 Abs. 2 Satz 2 VO 1049/01 geregelte Entscheidung darüber, welche Hinweise auf sensible Dokumente in das Register aufgenommen werden. Eine Aushöhlung des Zugangsrechts durch zu weit reichende Sicherheitsvorschriften droht folglich nicht. Ist aber auch die zweite Voraussetzung erfüllt, das heißt, entscheidet das Organ, an das der Zugangsantrag gerichtet wird, ob die Voraussetzungen des Art. 9 VO 1049/01 vorliegen oder nicht? Ein Blick in die Sicherheitsvorschriften der Organe führt zunächst zu dem beunruhigenden Befund, dass diese übereinstimmend die Befugnis zur Festlegung561 des Geheimhaltungsgrades ausschließlich dem Urheber des Dokuments zuweisen562. Ist also das Organ beim internen Umgang mit dem Dokument an die Klassifizierung durch den Urheber gebunden, und hat dies Folgen für das Dokumentenzugangsrecht? Wenn auch der erste Teil der Frage nach der jeweiligen Fassung der Sicherheitsvorschriften zu bejahen sein mag, so ist der zweite Teil der Frage jedenfalls zu verneinen. Dies liegt wiederum daran, dass ein Dokument nicht schon deswegen sensibel im Sinne von Art. 9 VO 1049/01 ist, weil es klassifiziert ist. Die Klassifizierung muss zugleich dem Schutz der in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 aufgeführten Interessen dienen. Die Prüfung dieser weiteren Voraussetzungen obliegt allein dem Organ, an das sich der Zugangsantrag richtet. Auch insoweit gilt, dass mit diesem Prüfungsraster alle diejenigen Dokumente vom Anwendungsbereich des Art. 9 VO 1049/01 ausgeschlossen werden, die entweder zum Schutz anderer als der in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/ 01 aufgeführten Interessen klassifiziert wurden oder bei denen eine Klassifizierung nicht für den Schutz dieser Interessen erforderlich ist. In dieser ausdrücklichen Verknüpfung des Art. 9 VO 1049/01 mit den Ausnahmetatbeständen liegt die wesentliche Verbesserung gegenüber dem vor der Verordnung 1049/2001 geltenden modifizierten Ratsbeschluss. mation Act gewährt werden müsse. Zu dieser Entscheidung ist jedoch zu beachten, dass sie von der amerikanischen Regierung vor dem Supreme Court angefochten worden ist und dieser nach zwischenzeitlicher Erledigung der Hauptsache im Sinne des Klägers das Urteil des Circuit Court außer Kraft gesetzt und so dessen Präzedenzwirkung verhindert hat; vgl. 199 F.3d 1375 (2000). 561 Das umfasst sowohl die erstmalige Einstufung als auch die spätere Umstufung. 562 Siehe Pkt 17.1. Abs. 2 der Sicherheitsvorschriften der Kommission, ABl. 2001, Nr. L 317, S. 4; Abschnitt III. Ziff. 2 der Sicherheitsvorschriften des Rates, ABl. 2001, Nr. L 101, S. 3.

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Konnte Deirdre Curtin in Bezug auf die alte Rechtslage noch zu Recht kritisieren, dass es keine „explicit procedure to revise classification in the light of an access obligation“563 gab, so hat sich gezeigt, dass eine solche Revision nunmehr im Zugangsrecht angelegt ist. Allerdings wird man im Ergebnis ebenso klar festhalten können, dass Art. 9 VO 1049/01 eine unnötig komplizierte Regelung trifft. Es hätte deutlicher gemacht werden müssen, dass der inhaltliche Maßstab für die Beurteilung von Verschlusssachen in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 zu suchen ist und der Zweck von Art. 9 VO 1049/01 im Wesentlichen nur darin bestehen kann, besondere Verfahrensregeln aufzustellen, damit es in keinem Fall zu einer unzulässigen Verbreitung rechtmäßig klassifizierter Daten kommt. Diese verfahrensorientierte Zielsetzung wird auch durch die Formulierung des Art. 2 Abs. 5 VO 1049/01 unterstrichen, in dem es heißt: „Sensible Dokumente im Sinne von Art. 9 Abs. 1 unterliegen der besonderen Behandlung gemäß jenem Artikel.“564 In Bezug auf diesen Zweck lässt sich ein Regelungsinteresse kaum anzweifeln. Würden sensible Dokumente verfahrensmäßig wie alle anderen behandelt, drohten erhebliche Gefahren, und die Handlungsfähigkeit der Union wäre vor allem im sicherheitspolitischen Bereich beeinträchtigt. Es passiert nämlich immer wieder, dass nichtklassifizierte Dokumente, die einen Ausnahmetatbestand erfüllen, entweder irrtümlich oder bewusst, das heißt unter der Hand, weitergegeben werden. Dies darf mit sensiblen Dokumenten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 VO 1049/ 01 auf keinen Fall geschehen. Deshalb ist ihre Schutzwürdigkeit besonders sorgfältig zu prüfen und die Anzahl der Personen, die zu ihnen Zugang hat, auf ein Minimum zu beschränken. Der Schutz darf jedoch auch nicht weiter reichen als nötig. Wenn es etwa in Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 heißt, dass sensible Dokumente nur mit Zustimmung ihres Urhebers im Register aufgeführt werden dürfen, so ist dies unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so auszulegen, dass davon nur solche Eintragungen erfasst sind, die dem Geheimhaltungsinteresse unter irgendeinem Betrachtungswinkel schaden können. Sensible Dokumente können danach in jedem Fall mit einem Registrierungsdatum, einer Nummer und dem Vermerk, dass es sich um ein sensibles Dokument handelt, ins Register aufgenommen werden565. 563 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (23). 564 Vgl. auch den siebten Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001: „Bestimmte Dokumente sollten aufgrund ihres sensiblen Inhalts einer besonderen Behandlung unterliegen.“ (Hervorhebung jeweils durch Verfasser). 565 Vgl. Nordling, Address to the colloquium, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 123 (126); ferner Swedish Ministry of Justice, The Right of Access to Official Documents in Sweden, S. 7.

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Das Problem dieser neuen Regelung besteht also nicht so sehr darin, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit Art. 255 EGV in Einklang steht. Es steht aber zu befürchten, dass das komplizierte Verhältnis von Art. 9 und Art. 4 VO 1049/01 zu unberechtigten Zugangsverweigerungen führen kann und die Durchsetzung einer rechtmäßigen Zugangspraxis im Bereich von Verschlusssachen außerdem dadurch wesentlich erschwert wird, dass bei unzutreffender Anwendung von Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 diese Dokumente nicht im Register erscheinen, man also nicht einmal etwas von ihrer Existenz erfährt. In einem solchen Fall nützt selbst der effektivste Rechtsschutz nichts. Dennoch erscheint im Ergebnis angesichts der Möglichkeit, Art. 9 VO 1049/01 in einer mit Art. 255 EGV konformen Weise auszulegen, nicht der Schluss gerechtfertigt, dass es sich um eine rechtswidrige Regelung handelt566. 9. Ungeschriebene Ausnahmen Schließlich bleibt noch zu untersuchen, ob es neben den vorstehend beschriebenen und ausdrücklich in der Verordnung 1049/2001 aufgeführten Tatbeständen weitere Fälle geben kann, in denen die Institutionen berechtigt sind, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern. Die Möglichkeit, bestehende Ausnahmetatbestände über ihren Wortlaut hinaus zu entwickeln, hat die Rechtsprechung in der Rechtssache Carlsen/ Rat grundsätzlich anerkannt. Dort heißt es mit Blick auf den Zugangsbeschluss des Rates, dass die Aufzählung von einzelnen Schutzgütern unter dem Oberbegriff des öffentlichen Interesses nicht abschließend zu verstehen, sondern gegebenenfalls erweiterbar sei567. Diese Sichtweise überzeugt durchaus und zwar vor allem im Hinblick darauf, dass nicht immer alle Einzelfälle, die ein übergeordnetes allgemeines Interesse bedrohen können, beim Normerlass vorhersehbar sind. Will man aber die Rückkehr zu zeitlo566 Eine gewisse Kontrolle erscheint durch das Parlament möglich, das einen privilegierten Zugang zu sensiblen Dokumenten im Wege einer interinstitutionellen Vereinbarung erhalten wird, vgl. dazu Art. 9 Abs. 7 VO 1049/01 und den Entwurf eines Berichts des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Parlaments vom 19. September 2002, Dok.Nr. 2002/2130/(ACI), Berichterstatter Elmar Brok. Allerdings ist zu beachten, dass diese Vereinbarung im Kern der politischen Kontrolle im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und nicht der Überwachung des Dokumentenzugangsrechts der Öffentlichkeit dienen soll. Zum Spannungsfeld zwischen verteidigungspolitischen Geheimhaltungsinteressen und notwendiger parlamentarischer Kontrolle siehe auch Guillaume, Parlement et secret(s), Pouvoirs 2001, S. 67. 567 EuG, Rs. T-610/97 R, Carlsen/Rat, Slg. 1998, S. II-485, Rdnr. 48. Auch in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 bleibt das „öffentliche Interesse“ ein Oberbegriff für die im Folgenden aufgezählten Schutzgüter, Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (683).

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sen Generalklauseln verhindern, so muss man auch eine gewisse Flexibilität mit der Anpassung der Norm an neue Problemfälle zeigen. Gleichzeitig ist von dieser Möglichkeit aber äußerst sparsam Gebrauch zu machen, sonst würde der Grundsatz, dass Ausnahmen eng auszulegen sind, unterlaufen568. Es stellt sich ferner die Frage, ob eine außergewöhnliche Belastung der Verwaltung das Zugangsrecht des Einzelnen begrenzen kann. Man könnte erwägen, dafür die Rechtssache Hautala/Rat als Referenz heranzuziehen. Bei genauerem Hinsehen hilft die Entscheidung des Gerichts erster Instanz in dieser Sache aber nicht weiter. Zwar hat das Gericht festgestellt, dass das Organ einen teilweisen Zugang verweigern kann, wenn die Herstellung einer geschwärzten Fassung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre569. Diese Möglichkeit ist jedoch auf Fälle der teilweisen Zugangsgewährung begrenzt. Dies ergibt sich zwingend aus der Überlegung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schon seinem Wortlaut nach etwas erfordert, womit die Belastung der Verwaltung überhaupt ins Verhältnis gesetzt werden kann. Dies ist bei der Gewährung der teilweisen Freigabe eines Dokuments das Interesse am Zugang zu den Informationen, die nach dem Schwärzen übrig bleiben. Ist dies etwa nur noch der Briefkopf des Organs, so kann das Zugangsinteresse als gering eingestuft werden und hinter dem Interesse der Verwaltung, außergewöhnliche Belastungen zu vermeiden, zurücktreten570. Dieser Gedanke lässt sich aber nicht auf Fälle übertragen, in denen das allgemeine Zugangsinteresse nicht als offensichtlich gering einzustufen ist. Sind also nennenswerte Teile des Dokuments oder gar das ganze Dokument freizugeben, so ist eine Zugangsverweigerung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht denkbar, egal wie hoch die damit verbundene Belastung der Verwaltung ist. Dieser Befund wird bestätigt durch Art. 6 Abs. 3, Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 2 VO 1049/01, in denen für den Fall, dass Antragsteller Zugang zu einem besonders umfangreichen Dokument oder zu einer großen Zahl von Dokumenten begehren, lediglich die Möglichkeit vorgesehen ist, nach einer informellen und angemessenen Lösung zu suchen, beziehungsweise die Frist für die Bearbeitung des Antrags zu verlängern. Danach ist es dem Organ jedoch nicht möglich, in solchen Fällen den Zugang ganz oder teilweise zu verweigern571. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, 568 Vgl. Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (34); Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (60). 569 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 86.; ebenso EuGH, Rs. 353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 30. 570 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 86; Nordling, Address to the colloquium, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 123 (127).

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dass die Organe bei von ihnen erstellten Dokumenten auch die Möglichkeit haben, von vornherein Vorkehrungen zu treffen, die einen späteren (teilweisen) Zugang zu diesen Dokumenten weniger arbeitsaufwendig gestalten572. Ein Beispiel dafür sind über das Internet zugängliche Register, die einen direkten Zugriff auf Dokumente ermöglichen. Ebenso wenig sieht die Verordnung 1049/2001 die Ablehnung „missbräuchlicher“ Anträge vor. In diesem Zusammenhang werden im Umweltinformationsrecht zum Beispiel Anträge genannt, bei denen der Antragsteller über die begehrten Informationen bereits verfügt573. Diese Betrachtung ist jedoch schon deswegen nicht auf das hier diskutierte Recht übertragbar, weil es zwar regelmäßig, aber eben nicht immer allein um die Information, sondern manchmal auch um ihre konkrete Dokumentation geht. Allein die Kenntnis einer Information lässt somit nicht das Interesse am Zugang zum Dokument entfallen. Und sogar dann, wenn der Antragsteller über die betreffenden Dokumente als solche bereits aus anderen Quellen verfügt, hat dies keine Auswirkungen auf seinen Zugangsanspruch. Dies hat das Gericht erster Instanz in der Rechtssache Svenska Journalistförbundet/Rat unmissverständlich festgestellt. Dort hatte der Kläger gleichzeitig beim Rat und bei der schwedischen Regierung den Zugang zu identischen Dokumenten beantragt. Die schwedische Regierung hatte daraufhin den Zugang zu fast allen Dokumenten gewährt, während der Rat den Zugang zu fast allen verweigerte. Im Nichtigkeitsverfahren gegen die Ratsentscheidung wandte der Rat ein, dem Kläger fehle es an einem schutzwürdigen Interesse an der Erlangung der Dokumente, da er diese bereits von dritter Seite erhalten habe574. Außerdem fehle es an einem solchen Interesse, weil der Kläger nur beabsichtigt habe, die Durchführung des Ratsbeschlusses 93/731 zu testen, nicht aber, weil er sie auch tatsächlich benötigte. Der Antrag sei daher, wie es der Rat formulierte „allgemeiner und politischer Art“575. Das Gericht entgegnete zutreffend auf beide Argumente, dass ein persönliches Interesse vom Antragsteller nach den Dokumentenzugangsregeln gerade 571 Vgl. auch Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (84). Der Rat hatte es demgegenüber noch 1996 als „faire Lösung“ für einen umfangreichen Zugangsantrag der Organisation Statewatch betrachtet, nur einen Teil der beantragten Dokumente zugänglich zu machen; vgl. Bunyan, Secrecy and Openness in the EU, S. 23 ff. 572 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (18); Carvel, Request for Documents of the Council, in: Deckmyn/ Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 53 (65). 573 Vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 UIG. 574 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 55. 575 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 53.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

nicht geltend gemacht werden müsse. Dann aber sei es auch unerheblich, ob ein solches vorliege oder nicht576. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht erster Instanz ausdrücklich dem Versuch der Kommission eine Absage erteilt hat, den Zugang zu Dokumenten mit der Berufung auf eine Art nemo-tenetur-Grundsatz zu verweigern577. In der Rechtssache Interporc/Kommission II stellte das Gericht fest, dass die Kommission solche Dokumente, die als reine Verwaltungsdokumente nicht von der Ausnahme zum Schutz des gerichtlichen Verfahrens erfasst seien, auch dann herausgeben müsse, „wenn die Vorlage dieser Dokumente für die Kommission in einem Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter nachteilig sein könnte.“578 Im Ergebnis ist festzustellen, dass es neben den bereits in der Verordnung 1049/2001 angelegten Gründe keine weiteren Umstände gibt, die eine Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument rechtfertigen können. Man kann allenfalls erwägen, den in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 enthaltenen Begriff der öffentlichen Sicherheit über die dort genannten Anwendungsfälle hinaus zu erweitern, falls dies zwingend erforderlich scheint. Es ist dafür jedoch gegenwärtig kein Bedürfnis ersichtlich.

V. Verfahren Nachdem damit die rechtliche Reichweite des Anspruchs auf Zugang zu Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission ermittelt ist, soll im Folgenden das Verfahren, das einem Dokumentenzugang beziehungsweise seiner Verweigerung vorausgeht, beleuchtet werden. Es versteht sich von selbst, dass die Ausgestaltung des Zugangsverfahrens einen erheblichen Einfluss auf die praktische Bedeutung des Zugangsrechts ausübt. 1. Antrag Den Beginn des Verfahrens bildet naturgemäß ein ordnungsgemäßer Antrag einer antragsberechtigten Person. Der Antrag muss den Antragsgegenstand so präzise bezeichnen, dass das Organ das betreffende Dokument identifizieren kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 VO 1049/01. Das für die Formulierung eines solchen Antrags nötige Vorwissen, nämlich welche Dokumente zu einem bestimmten Thema existieren, kann der Antragsteller mit 576 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, Rdnrn. 64–69; Rs. T-191/99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, 26. 577 EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, 578 EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521,

S. II-2289, Rdnrn. 24– Rdnr. 16. Rdnr. 42.

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Hilfe der öffentlichen Dokumentenregister der Organe erlangen579. Art. 11 VO 1049/01 verpflichtet die Organe, sämtliche Dokumente in das Register aufzunehmen580, nicht etwa nur die aus Sicht des Organs potentiell zugänglichen. Dies ergibt sich klar aus dem Wortlaut und der teleologischen Auslegung der Norm. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO 1049/01 bestimmt, dass die Register im „Hinblick auf die wirksame Ausübung der Rechte aus dieser Verordnung“ einzurichten sind. Dem effet utile des Zugangsrechts ist nur dann wirklich Rechnung getragen, wenn alle Dokumente in das Register aufgenommen werden581. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 VO 1049/01 spricht ebenfalls deutlich dafür, dass auch Dokumente, die unter einen Ausnahmetatbestand fallen, im Register aufzuführen sind. Dort heißt es nämlich, dass die beschreibenden Hinweise, die zu jedem Dokument im Register gegeben werden sollen, so zu fassen sind, dass der Schutz der in Art. 4 VO 1049/01 benannten Interessen gewahrt bleibt. Das heißt aber zugleich, dass das Dokument als solches im Register zu führen ist. Während also die Verordnung 1049/2001 eine Pflicht zur Aufnahme aller Dokumente in das Register ausdrücklich aufstellt, sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass sich diese Verpflichtung nicht darauf erstreckt, Informationen überhaupt erst zu dokumentieren. Ist ein Antrag zu unbestimmt, so gibt das Organ dem Antragsteller Gelegenheit, sein Begehren zu präzisieren und leistet dabei Unterstützung582. Diese Pflicht besteht besonders dann, wenn der Antragsteller seinen Antrag deswegen nicht präzisieren konnte, weil das Organ seinem Registrierungsauftrag nur ungenügend nachgekommen ist. Schließlich ist diese Regelung auch im ureigenen Interesse des Organs, da es sich bei Zurückweisung eines unpräzisen Antrags meist ohnehin mit einem präzisierten Folgeantrag befassen müsste583. Kein Fall eines unpräzisen Antrags ist es dagegen, wenn der Antragsteller alle Dokumente, die einen bestimmten Vorgang betreffen, anfordert. Die Ermittlung der davon betroffenen Dokumente dürfte dem Organ unschwer möglich sein, womit den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 VO 1049/01 Genüge getan wäre584. 579 Alle drei Organe haben inzwischen über das Internet zugängliche öffentliche Dokumentenregister, die eine Recherche nach verschiedenen Suchkriterien und bei vielen Dokumenten auch einen unmittelbaren Zugriff ermöglichen. 580 Zum Sonderfall Art. 9 Abs. 3 VO 1049/01 bereits oben „III. 8. Sensible Dokumente“. 581 Die aktive Form der Information (Aufnahme aller Dokumente in ein Register) ist Voraussetzung für eine möglichst effektive passive Information (Gewährung des Dokumentenzugangs); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (18). 582 Art. 6 Abs. 2 VO 1049/01. 583 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 354.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Ein Kernelement des Zugangsrechts ist es, dass ein Zugangsbegehren keiner Rechtfertigung bedarf. Konsequenterweise stellt deshalb Art. 6 Abs. 1 Satz 2 VO 1049/01 den Antragsteller von der Verpflichtung frei, seinen Antrag zu begründen. Diese Regelung kann als Ausdruck einer Vermutung zugunsten der Zugänglichkeit der Dokumente gewertet werden. Nicht die Gewährung des Zugangs, sondern allein dessen Ablehnung bedarf danach der Begründung585. Es ist weiter darüber diskutiert worden, ob anonyme Anträge zugelassen werden sollten. Dahinter stand die Überlegung, dass die Notwendigkeit einer Identifizierung eine abschreckende Wirkung auf potentielle Antragsteller haben könnte, die befürchteten, auf „schwarze Listen“ gesetzt zu werden586. Abgesehen davon, dass dies, zumal im Hinblick auf die eher bürgerfernen Organe in Brüssel, eine kaum nachvollziehbare Befürchtung ist, werden Namen und Adressen im Zugangsverfahren nach der Verordnung 1049/2001 nicht geprüft, sondern dienen allenfalls der richtigen Zustellung der Dokumente. Wer also inkognito bleiben möchte, hat dazu, vor allem im Zeitalter der E-Mail, jede Möglichkeit. 2. Zweitantrag Das Organ hat dem Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung des Antrags den Zugang zu dem begehrten Dokument zu gewähren oder ihn schriftlich über die Gründe für eine teilweise oder vollständige Verweigerung des Zugangs zu informieren587. Im Falle der Zugangsverweigerung ist der Antragsteller über sein Recht zu belehren, binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Empfang des Antwortschreibens einen Zweitantrag an das Organ zu richten. Mit diesem Zweitantrag, einer Art Widerspruchsverfahren588, ersucht der Antragsteller das Organ um nochmalige Überprüfung der ablehnenden Entscheidung. Der Zweitantrag muss nicht begründet werden, da er nicht in erster Linie einen Rechtsbehelf gegen den Erstbescheid darstellt, sondern eine Möglichkeit, das Organ zu einer erneuten Prüfung und Entscheidung des Antrags zu veranlassen589. Die Durchführung dieses Vorverfahrens ist Voraussetzung für die Zulässigkeit 584 In einem solchen Fall kann allenfalls Art. 6 Abs. 3 VO 1049/01 eingreifen, der eine informelle Beratung des Organs mit dem Antragsteller vorsieht, wenn dieser ein besonders umfangreiches Dokument oder eine besonders große Zahl von Dokumenten anfordert. Ziel einer solchen Beratung ist es nach dieser Vorschrift, eine „angemessene Lösung“ zu finden. 585 So zutreffend Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (337). 586 Österdahl, Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (340). 587 Art. 7 Abs. 1 Satz 3 VO 1049/01. 588 Röger, Ein neuer Informationsanspruch auf europäischer Ebene, DVBl. 1994, S. 1182 (1188). 589 EuG, Rs. T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. I-545, Rdnr. 64.

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einer Klage. Erst die Ablehnung des Zweitantrags gilt als endgültige Entscheidung des Organs, die tauglicher Klagegegenstand einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EGV ist. Bleibt das Organ auf den Erstantrag hin untätig, kann der Antragsteller nach Ablauf der Entscheidungsfrist einen Zweitantrag stellen590. Der Zweitantrag als Reaktion auf die Untätigkeit des Organs ist nicht fristgebunden591. Aber auch das Versäumen der für den Fall einer ausdrücklichen Ablehnung vorgesehenen Frist von fünfzehn Arbeitstagen592 dürfte allein zur Folge haben, dass der verspätete Zweitantrag als erneuter Erstantrag bewertet wird. Das Organ gewinnt also in erster Linie Zeit. Nicht vorgesehen ist dagegen eine Bestandskraft der ersten Entscheidung, die einer erneuten Antragstellung entgegenstünde. Bleibt das Organ auf einen Zweitantrag hin einfach untätig, wird gemäß Art. 8 Abs. 3 VO 1049/01 das Schweigen der Behörde als ablehnender Bescheid gewertet, der tauglicher Klagegegenstand gemäß Art. 230 EGV ist. Interessanterweise enthielt der Vorschlag der Kommission noch eine genau entgegengesetzte Fiktion. Dort hieß es in Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2: „Geht innerhalb der vorgeschriebenen Frist keine Antwort ein, gilt dies als Gewährung des Zugangs.“ Die Kommission sah darin einen Beitrag zur Stärkung der Rechte des Antragstellers593. Gegen eine fingierte Gewährung bei Untätigkeit der Verwaltung ist grundsätzlich wenig einzuwenden; auch im deutschen Recht ist diese Rechtsfigur etabliert594. Es bestehen zwar im Hinblick auf das Dokumentenzugangsrecht insoweit Bedenken, als von dieser Fiktion auch solche Dokumente erfasst werden könnten, deren Übermittlung eindeutig unzulässig ist595. So darf die Untätigkeit des Organs unzweifelhaft nicht dazu führen, dass dem Antragsteller infolge der Fiktionswirkung Einblick in die Krankenakte eines Beamten oder in geheime NATO-Operationspläne gewährt werden muss596. Dies lässt sich aber bereits dadurch vermeiden, dass das Organ die Wirkung der Fiktion gestützt auf die auch im Gemeinschaftsrecht anwendbaren 590

Art. 7 Abs. 4 VO 1049/01. Anders noch die Regelung in Art. 7 Abs. 2 Zugangsbeschluss des Rates: „innerhalb des auf das Verstreichen der Antwortfrist folgenden Monats“. 592 Art. 7 Abs. 2 VO 1049/01. 593 Entwurf Zugangsverordnung, Begründung, S. 5; vgl. auch Wägenbaur, Der Zugang zu EU-Dokumenten, EuZW 2001, S. 680 (684), der von einem mutigen Vorschlag der Kommission spricht. 594 Im Einzelnen Caspar, Der fiktive Verwaltungsakt, AöR 2000, S. 131 (131 ff.). 595 Fierstra, Een nieuw communautair openbaarheidsregime?, NTER 2000, S. 108 (112). 596 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (114 f.). 591

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Grundsätze über die Rücknahme behördlicher Entscheidungen597 beseitigen könnte598. Diese Möglichkeit macht es aber zugleich zweifelhaft, ob eine Gewährungsfiktion tatsächlich die Rechte des Antragstellers stärkt. Außerdem bringt die Fiktion der Zugangsgewährung selbst noch nicht viel, da der Antragsteller die begehrten Dokumente erst dann in den Händen hält, wenn das Organ noch den Realakt der tatsächlichen Herausgabe folgen lässt599. Im Hinblick auf diese mit einer Gewährungsfiktion verbundenen Probleme ist die nunmehr in der Verordnung 1049/2001 statuierte Ablehnungsfiktion vorzugswürdig600. Man könnte geneigt sein, zwischen der Regelung einer Ablehnungsfiktion und der in Art. 253 EGV statuierten Pflicht der Organe zur Begründung ihrer Entscheidungen einen Konflikt zu erblicken. Diese Sichtweise würde jedoch verkennen, dass mit der Fiktion im Grunde nichts anderes beabsichtigt wird, als dem Antragsteller den Klageweg zu eröffnen601. Dabei ist der über die Fiktion zur Nichtigkeitsklage führende Weg sicher für den Bürger praktikabler als die Erhebung einer Untätigkeitsklage. Holt das Organ die Begründung allerdings nicht nach, was ein theoretischer Fall bleiben dürfte, so wird der auf die Ablehnungsfiktion hin klagende Antragsteller zwingend schon wegen der fehlenden Begründung der „Entscheidung“ obsiegen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 3 VO 1049/01 muss das Organ den Antragsteller im Falle der vollständigen oder teilweisen Ablehnung seines Antrags auf mögliche Rechtsbehelfe, also Klage oder Beschwerde, hinweisen. Je597 Grundlegend EuGH, verb. Rs. 7/56 u. a., Algera/Gemeinsame Versammlung, Slg. 1957, S. 83 (115 ff.); ferner Rs. 14/81, Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, S. 749, Rdnr. 10; EuG, Rs. T-227/95, AssiDomän Kraft Products/Kommission, Slg. 1997, S. II-1185, Rdnrn. 39–41. 598 Im deutschen Recht finden sowohl die Regelungen über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten, § 44 VwVfG, als auch die über Rücknahme und Widerruf, §§ 48 und 49 VwVfG, entsprechende Anwendung. Dies wird vor allem damit begründet, dass die Beständigkeit einer Fiktion nicht stärker sein könne als die einer ausdrücklichen Entscheidung, vgl. Caspar, Der fiktive Verwaltungsakt, AöR 2000, S. 131 (137 f., 142). Der Verweis allein auf die gerichtliche Aufhebbarkeit der Entscheidung wäre dagegen nicht geeignet, die Zulässigkeit rechtsbeeinträchtigender Fiktionen überzeugend zu begründen, da dies dem Grundsatz widerspräche, dass die Verwaltung zuvorderst selbst für die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen zu sorgen hat, vgl. Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, S. 901 f. 599 Dies ist der Unterschied etwa zu einer fingierten Genehmigung, die einen unmittelbar verwertbaren Vorteil für den Begünstigten darstellt. Daraus kann man wohl die Folgerung ableiten, dass Fiktionen zugunsten des Antragstellers in zweistufigen Verfahren, bei der einer rechtlichen noch eine tatsächliche Gewährung nachfolgen muss, wenig Sinn machen. 600 Die Ablehnungsfiktion galt auch schon nach früherer Rechtslage. 601 Eine solche Fiktion entsteht nur kraft ausdrücklicher Regelung, vgl. EuG verb. Rs. T-190/95 und 45/96, Sodima/Kommission I, Slg. 1999, S. II-3617, Rdnr. 32.

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denfalls dem deutschen Juristen stellt sich natürlich sofort die Frage, welche Folgen ein diesbezügliches Versäumnis des Organs hätte. Für das deutsche Recht ist die Antwort klar: Die Frist zur Erhebung einer Klage würde sich verlängern602. Im Gemeinschaftsrecht liegt die Sache jedoch anders. Der Europäische Gerichtshof hält eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht für rechtsstaatlich geboten. Der Gerichtshof argumentiert, dass sich auch in den Mitgliedstaaten die Belehrungspflicht und ihre Folgen nur aus speziellen gesetzlichen Regelungen ableiten ließen603. An solchen Regelungen fehle es im Gemeinschaftsrecht, da weder Art. 249, 253, 254 noch 256 EGV eine Belehrungspflicht vorsähen604. Damit gilt auch bei unterlassener Rechtsmittelbelehrung die zweimonatige Klagefrist gemäß Art. 230 Abs. 5 EGV. Da die Klagefristen der Rechtssicherheit dienen, stehen sie weder zur Disposition des Gerichts noch der Parteien605. Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die Verordnung 1049/2001, wie gezeigt, eine Verpflichtung zur Rechtmittelbelehrung enthält. Da die Klagefrist primärrechtlich festgelegt ist, kann sie nur durch eine primärrechtliche Ausnahmevorschrift überwunden werden606.

602 Genau genommen beginnt die Rechtsmittelfrist als solche gar nicht erst zu laufen, § 58 Abs. 1 VwGO, aber eine Klage ist dennoch aus Gründen der Rechtssicherheit nur innerhalb eines Jahres zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO. 603 EuGH, Rs. C-153/98 P, Guérin Automobiles/Kommission, Slg. 1999, S. I-1441, Rdnr. 14. 604 EuGH, Rs. C-153/98 P, Guérin Automobiles/Kommission, Slg. 1999, S. I-1441, Rdnr. 13. Auch die neuen Kodizes für eine gute Verwaltungspraxis sehen keine Belehrungspflicht vor, Martínez Soria, Die Kodizes für gute Verwaltungspraxis, EuR 2001, S. 682 (694). 605 EuG, verb. Rs. T-33 und 74/89, Blackman/Parlament, Slg. 1993, S. II-249, Rdnr. 34; vgl. auch EuGH, Rs. C-406/01, Deutschland/Kommission, Slg. 2002, S. I-4561, Rdnr. 21. 606 Bei Versäumung der Klagefrist kann allerdings bei einem entschuldbaren Irrtum eine Art Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Da dies aber einen Ausnahmefall zu den zwingenden primärrechtlichen Regelungen über die Klagefristen darstellt, ist der Begriff des „entschuldbaren Irrtums“ eng auszulegen. Erforderlich ist, dass ein gutgläubiger Antragsteller selbst bei Anwendung aller gebotenen Sorgfalt nicht hätte in der Lage sein dürfen, das mögliche Verstreichen einer Klagefrist zu erkennen. Dies wird man allein bei einer unterlassenen Rechtsbehelfsbelehrung nicht annehmen können, denn ein gewisses Gespür dafür, dass man einen Bescheid nicht zeitlich unbegrenzt anfechten kann, dürften die meisten Bürger haben. Ist man aber erst einmal so weit, sind die Vorschriften im Vertrag über die Klagefristen genügend klar, vgl. EuGH, Rs. C-406/01, Deutschland/Kommission, Slg. 2002, S. I-4561, Rdnr. 21. Für einen entschuldbaren Irrtum muss regelmäßig wohl ein irreführendes Verhalten des Organs vorliegen, wie beispielsweise die Angabe einer zu langen Klagefrist auf dem Bescheid, vgl. dazu EuG, verb. Rs. T-33 und 74/89, Blackman/Parlament, Slg. 1993, S. II-249, Rdnr. 34.

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3. Begründung Gemäß Art. 253 EGV müssen die Organe ihre Entscheidungen begründen. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union führt diese Verpflichtung als Bestandteil des Bürgerrechts auf eine „gute Verwaltung“ auf607. Die Verordnung 1049/2001 legt fest, dass der Antragsteller bei einer (teilweisen) Ablehnung seines Antrags über die Gründe für die Ablehnung zu informieren ist608. Von der Rechtsprechung sind die Anforderungen an die Begründung entsprechend der Funktion des Begründungserfordernisses präzisiert worden. Eine Begründung muss danach die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass zum einen der Adressat in die Lage versetzt wird, über die Wahrnehmung seines Rechts zur Beschreitung des Klageweges entscheiden zu können609. Zum anderen muss sie im Falle einer Klage dem Gericht eine ausreichende Grundlage zur Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit bieten610. Ausgehend von diesem allgemeinen Maßstab hat das Gericht erster Instanz speziell für das Dokumentenzugangsrecht eine weitere Vorgabe entwickelt. Die Begründung, so das Gericht, müsse zumindest für jede betroffene Gruppe von Dokumenten erkennen lassen, warum das Organ nach Prüfung des Inhalts eine Verweigerung des Zugangs aufgrund einer bestimmten Ausnahme für gerechtfertigt halte611. Damit sind globale Ausschlüsse ganzer Dokumentenkategorien unzulässig612. Es muss hinsichtlich jedes einzel607 Vgl. Art. 41 Abs. 2 3. Spiegelstrich; allgemein zum Grundsatz der guten Verwaltung EuG, Rs. T-231/97, New Europe Consulting/Kommission, Slg. 1999, S. II-2403, Rdnrn. 38 ff. 608 Art. 7 Abs. 1 und 8 Abs. 1 VO 1049/01. 609 Dabei können Vorkenntnisse des Antragstellers, vor allem hinsichtlich des Inhalts und der Natur der streitigen Dokumente, durchaus Berücksichtigung finden, EuG, Rs. T-83/96, van der Wal/Kommission, Slg. 1998, S. I-545, Rdnrn. 63, 65; Novak-Stief, Entscheidungsbesprechung EuG van der Wal/Kommission, ELRep 1998, S. 200 (202). 610 EuGH, Rs. C-350/88, Delacre/Kommission, Slg. 1990, S. I-395, Rdnr. 15; Rs. C-278/95 P, Siemens/Kommission, Slg. 1997, S. I-2507, Rdnr. 17; EuG, Rs. T-85/ 94, Branco/Kommission, Slg. 1995, S. II-45, Rdnr. 32; Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (50 f.). 611 Ständige Rechtsprechung seit EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnrn. 64, 74; Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231, Rdnr. 54; Rs. T-188/98, Kuijer/Rat I, Slg. 2000, S. II-1959, Rdnr. 41; Rs. T-123/99, JT’s Corporation/Kommission, Slg. 2000, S. II-3269, Rdnrn. 64 ff. 612 EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 87. Es genügt also nicht, auf ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren zu verweisen, um den Ausschluss des Zugangs zu jedem damit zusammenhängenden

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nen Dokuments erkennbar geprüft und grundsätzlich auch begründet werden, inwieweit es unter eine Ausnahme vom Zugangsrecht fällt. Wenn eine Interessenabwägung vorgesehen ist, muss erkennbar sein, dass diese auch stattgefunden hat613. Die für einschlägig gehaltene Ausnahme muss klar erkennbar sein614. Stützt sich das Organ gleichzeitig auf verschiedene Ausnahmen, was grundsätzlich zulässig ist615, so muss jedenfalls deutlich werden, ob für alle Informationen sämtliche Ausnahmen für einschlägig gehalten werden oder ob die einzelnen Ausnahmen sich auf jeweils verschiedene Teile der Dokumente beziehen616. Allerdings lässt das Gericht auch gewisse Verallgemeinerungen in der Begründung zu. Dies dient nicht nur der Arbeitserleichterung617, sondern wird auch dann relevant, wenn eine detaillierte Einzelbegründung gerade die Interessen preisgeben würde, die die Ausnahmen zum Zugangsrecht zu schützen beabsichtigen618. Das Organ muss sich bei der Ablehnung eines Zweitantrags auch noch mit plausiblen Argumenten auseinandersetzen, die der Antragsteller gegenüber der Ablehnung des Erstantrags vorträgt619. Es kann die Begründung Dokument zu rechtfertigen. Vielmehr ist für jedes Dokument zu belegen, dass seine Bekanntgabe wegen seines Inhalts den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde; vgl. EuG, Rs. T-191/99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, Rdnr. 79 f.; Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 64. 613 Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1060, 1070), EuG, Rs.T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnrn. 59, 70. Es dürfte allerdings regelmäßig zulässig sein, allgemeine Formulierungen zu verwenden, wie beispielsweise die im Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 14. Oktober 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Staffan Dahllöf (1/02), Dok.Nr. 12343/02, S. 4: „In the absence of any overriding public interest in disclosure, access to documents [. . .] must, therefore, be refused“. 614 Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1060). 615 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 61, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 114. 616 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnrn. 119, 124. 617 Für Dokumente, die nach individueller Prüfung aus demselben Grund unter eine Ausnahme fallen, kann eine gemeinsame Begründung gegeben werden; EuG, Rs. T-191/99, Petrie/Kommission, Slg. 2001, S. II-3677, Rdnr. 76. 618 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 65. Dieser Konflikt ist, zumindest für sensible Dokumente, auch bereits in der Verordnung 1049/2001 bedacht worden, siehe dort Art. 9 Abs. 4. Vgl. auch Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, S. 456 (457). 619 EuG, Rs. T-188/98, Kuijer/Rat I, Slg. 2000, S. II-1959, Rdnrn. 44, 46. Dabei gilt, dass die Organe nicht nur die Gründe vorbringen können, auf denen ihre Entscheidung positiv ruht. Vielmehr müssen sie auch zu erkennen geben, warum sie bestimmte vom Antragsteller vorgebrachte Argumente für irrelevant halten, vgl. Le-

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des Erstbescheids ergänzen und sogar durch eine neue ersetzen620. Gilt dies auch noch während eines gegen die Entscheidung angestrengten gerichtlichen Verfahrens? Teilweise wird dies mit dem Argument für zulässig gehalten, dass anderenfalls der Begründungsfehler des Organs zu einem Zugangsrecht trotz Vorliegen eines Ausnahmetatbestands führen könne621. Dies vermag allerdings schon deswegen nicht zu überzeugen, da im Ergebnis einer Nichtigkeitsklage nicht das Zugangsrecht des Antragstellers festgestellt wird, sondern das Gericht durch Annullierung der Entscheidung des Organs allenfalls klärt, dass der Zugang mit der vom Gericht geprüften Begründung nicht hätte verweigert werden dürfen. Das Organ kann also mit einer geänderten Begründung den Zugang erneut verweigern622. Das Gericht erster Instanz hat in der Rechtssache WWF UK/Kommission zumindest der Ersetzung einer Ausnahme durch eine andere während des gerichtlichen Verfahrens eine ausdrückliche Absage erteilt623. Denjenigen, die dem Organ eine möglichst umfassende Möglichkeit zur Beseitigung von Begründungsfehlern einräumen möchten, ist zuzugeben, dass insbesondere die Prozessökonomie für sie streitet624. Außerdem ist der Kläger, der nach einer nachgebesserten Begründung seine Klage zurücknimmt, finanziell insoweit geschützt, als dem Organ aufgrund Art. 87 § 5 Abs. 1 Verfahrensordnung EuG die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können625. Dagegen kann die gegenteilige Auffassung für sich beanspruchen, den Verteidigungsrechten des Antragstellers und dem effet utile von Art. 253 EGV größere Beachtung zu schenken. Eine vermittelnde Lösung zwischen beiden Auffassungen könnte in der Differenzierung bestehen, die auch im deutnaerts/Vanhamme, Procedural rights of private parties in the Community administrative process, CMLR 1997, S. 531 (566); EuGH, Rs. C-360/92 P, Publishers Association/Kommission, Slg. 1995, S. I-23, Rdnr. 44. 620 Dies geschah beispielsweise in der Rechtssache Interporc/Kommission I, wo zwischen den Entscheidungen über den Erst- und Zweitantrag eine Nichtigkeitsklage erhoben worden war, mit deren Gegenstand die begehrten Dokumente in Zusammenhang standen. Die Ablehnung des Zweitantrags wurde daher allein auf die Ausnahme zum Schutz der Rechtspflege gestützt. Das Gericht hielt dies offenbar für zulässig, denn es prüfte allein diese neue Begründung, vgl. EuG, Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231, Rdnrn. 55, 18. 621 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 359. 622 Vgl. zu einem erfolglosen Versuch, diese Möglichkeit des Organs gerichtlich ausschließen zu lassen, EuG, Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II231, Rdnrn. 58 ff. 623 EuG, Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 71. 624 Die Prozessökonomie ist von der Rechtsprechung ausdrücklich als Kriterium für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Prozesshandlung anerkannt worden, EuG, Rs. T-111/00, BAT Tobacco/Kommission I, Slg. 2001, S. II-2997, Rdnr. 22. 625 EuG, Rs. T-156/97, Berge/Kommission, Slg. 1997, S. II-2097, Rdnrn. 12–14.

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schen Verwaltungsprozessrecht verwendet wird: Begründungen und Interessenabwägungen dürfen im gerichtlichen Verfahren ergänzt und präzisiert, nicht jedoch vollständig nachgeholt oder ersetzt werden626. 4. Gleichbehandlung Neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der in Form des teilweisen Dokumentenzugangs Eingang in die Verordnung 1049/2001 gefunden hat, muss das Organ bei der Entscheidung über den Dokumentenzugang das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit als Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung beachten. Dieser gehört ebenfalls zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts627. Dieser Grundsatz verbietet es, vergleichbare Sachverhalte in unterschiedlicher Weise zu behandeln, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist628. Das bedeutet, dass der Zugang zu einem Dokument, der einem Antragsteller gewährt worden ist, einem anderen nicht verweigert werden darf. Da persönliche Umstände keinen Eingang in die Entscheidung finden, ist auch kaum vorstellbar, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könnte. Deshalb haben beispielsweise Rat und Kommission konsequent entschieden, dass alle Dokumente, zu denen bereits Zugang gewährt worden ist, in ihrem öffentlichen Register direkt zugänglich gemacht werden629. 626 Oft wird insoweit auch zwischen einem zulässigen „Nachschieben von Gründen“ und einem unzulässigen „Nachholen oder Auswechseln einer Begründung“ unterschieden, vgl. dazu Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 114, Rdnrn. 12c ff. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes in EuGH, C-137/92 P, Kommission/BASF, Slg. 1994, S. I-2555, Rdnrn. 32 ff. zwingt, jedenfalls hinsichtlich der Kommission, nicht zu einer anderen Betrachtung. Zwar hatte der Gerichtshof dort jede Änderung an der Begründung einer Kommissionsentscheidung, die über grammatikalische und orthographische Korrekturen hinausgeht, für unzulässig erklärt. Dies stützte der Gerichtshof aber auf das bei Beschlüssen der Kommission geltende Kollegialitätsprinzip. Das heißt, dass gemeinsam von den Kommissaren getroffene Entscheidungen nur gemeinsam von diesen, sei es auch nur in der Begründung, abgeändert werden dürfen. Entscheidungen über Dokumentenzugangsbegehren werden jedoch in der Kommission vom Generalsekretariat getroffen, für das das Kollegialitätsprinzip nicht gilt, vgl. Art. 4 des Beschlusses 2001/937/EG, EGKS, Euratom, der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. 2001, Nr. L 345, S. 94. Dagegen lässt sich der Kollegialitätsgedanke für den Rat aufrecht erhalten, da dieser selbst – und nicht sein Generalsekretariat – über Zweitanträge entscheidet, Art. 8 des Beschlusses 2002/682/EG, Euratom des Rates vom 22. Juli 2002 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung, ABl. 2002, Nr. L 230, S. 7. 627 Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, S. 456 (460 f.); EuGH, verb. Rs. 117/76 und 16/77, Ruckdeschel, Slg. 1977, S. 1753, Rdnr. 7. 628 EuGH, Rs. 245/81, Edeka, Slg. 1982, S. 2745, Rdnr. 11.

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5. Kosten Die Kosten, die dem Antragsteller für den Dokumentenzugang in Rechnung gestellt werden, dürfen nicht so hoch sein, dass sie den Antragsteller veranlassen, auf die Ausübung seines Zugangsrechts zu verzichten630. Vor allem der Gedanke, dass die Wahrnehmung des Zugangsrechts durch die Bürger in enger Verknüpfung mit dem demokratischen Prinzip steht und damit im öffentlichen Interesse liegt, verbietet es, sämtliche Kosten auf den Antragsteller abzuwälzen631. Diesen Vorgaben wird die Kostenregelung in Art. 10 Abs. 1 VO 1049/01 gerecht. Danach fallen Kosten für den Antragsteller ausschließlich dann an, wenn der Zugang gewährt wird. Es gibt also keine Verfahrenskosten für die bloße Bearbeitung des Antrags. Weiterhin sind die Kosten, die dem Antragsteller in Rechnung gestellt werden können, von vornherein auf diejenigen für die Anfertigung und Übersendung von Kopien begrenzt. Der Zugang im Wege der direkten Einsichtnahme per E-Mail oder über das Register ist also in jedem Fall kostenlos632. Kostenlos sind ebenfalls Kopien von weniger als 20 DIN-A4-Seiten. Darüber hinaus können die Organe Kosten nur in dem Umfang in Ansatz bringen, in dem sie tatsächlich bei der Anfertigung und Übersendung der Kopien angefallen sind633. Es geht dabei um reine Sachkosten. Nicht in diese Rechnung einzubeziehen ist die für die Anfertigung von Kopien aufgewendete Arbeitszeit634.

VI. Verhältnis zum Recht der Mitgliedstaaten Da die neuen Dokumentenzugangsvorschriften in Form einer Verordnung erlassen wurden, die gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV geeignet ist, unmittelbare Rechtswirkung in den Mitgliedstaaten zu erzeugen, soll das Verhältnis der Verordnung 1049/2001 zum einschlägigen Recht der Mitgliedstaaten kurz 629 Art. 10 Abs. 2 des Beschlusses 2002/682/EG, Euratom des Rates vom 22. Juli 2002 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung, ABl. 2002, Nr. L 230, S. 7; Art. 9 Abs. 2 lit. e) des Beschlusses 2001/937/EG, EGKS, Euratom, der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. 2001, Nr. L 345, S. 94. 630 So für die Umweltinformationsrichtlinie EuGH, Rs. C-217/99, Kommission/ Deutschland, Slg. 1999, S. I-5087, Rdnr. 47. 631 Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly, Rs. C-217/99, Kommission/ Deutschland, Slg. 1999, S. I-5087, Rdnr. 24 und EuGH, Rs. C-217/99, Kommission/ Deutschland, Slg. 1999, S. I-5087, Rdnr. 48. 632 So auch ausdrücklich Art. 10 Abs. 1 Satz 4 VO 1049/01. 633 Art. 10 Abs. 1 Sätze 3 und 4 VO 1049/01. 634 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly, Rs. C-217/99, Kommission/ Deutschland, Slg. 1999, S. I-5087, Rdnrn. 32, 35.

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diskutiert werden. Es geht hierbei im Wesentlichen um den Fall, dass jemand Zugang zu einem von Parlament, Rat oder Kommission stammenden Dokument nicht bei diesen Organen selbst, sondern in seinem Mitgliedstaat beantragt, der dieses Dokument ebenfalls in seinem Besitz hat. Konflikte zwischen mitgliedstaatlichem und Gemeinschaftsrecht sind in solchen Fällen durchaus kein theoretisches Konstrukt. Wie die Rechtssache Svenska Journalistförbundet/Rat635 zeigt, können Mitgliedstaaten und Organe in Anwendung ihrer Zugangsvorschriften zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen636. Bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang vor allem die Entscheidung des niederländischen Raad van Staate637 im Juli 1995 in der Rechtssache Metten638. In diesem Fall hatte das niederländische Ministerium für Finanzen Alman Metten, einem Mitglied des Europäischen Parlaments, den Zugang zu Protokollen des Ecofin-Rates mit der Begründung verweigert, dass vorrangiges Gemeinschaftsrecht eine Zugangsgewährung nicht erlaube. Der Raad van Staate bestätigte diesen Bescheid. Die Entscheidung des Raad erntete weithin Kritik. Diese richtete sich schwerpunktmäßig gegen die Sichtweise, der Zugangsbeschluss des Rates, der sich auf die Geschäftsordnungsermächtigung stützte, könne Vorrang vor dem nationalen, in der niederländischen Verfassung verankerten Zugangsrecht genießen639. Würde die gleiche Entscheidung heute noch einmal getroffen, ließe sich diese Kritik jedenfalls so nicht mehr aufrechterhalten, da der grundsätzliche Anwendungsvorrang einer Verordnung gegenüber mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften gleich welcher Natur durch einen Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes begründet werden kann640. 635

EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnrn. 11–15. 636 Es ist zuzugeben, dass dieses Beispiel etwas hinkt, da zumindest eine Seite ihre Vorschriften nicht korrekt anwendete, wie das Gericht erster Instanz feststellte. 637 Staatsrat (oberste gerichtliche Instanz in Verwaltungsstreitigkeiten). 638 Afdeling Bestuursrechtspraak, Raad van State, 7. Juli 1995, Nr. RO1 93 0067. Für eine englische Übersetzung siehe Maastricht Journal of European and Comparative Law 1996, S. 179. Eingehender zu dieser Entscheidung Metten, Request to a Member State for Access to European Information, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 85 (85 ff.); Besselink, De zaakMetten, NJB 1996, S. 165 ff. 639 Curtin/Meijers, The principle of open government in Schengen and the European Union, CMLR 1995, S. 391 (431); Öberg, EU Citizen’s Right to Know, CYELS 1999, S. 303 (323); Besselink, De zaak-Metten, NJB 1996, S. 165 (170). Anders wurde in einem solchen Fall auch vom Irish Information Commissioner entschieden; vgl. Entscheidung Re McAleer and Sunday Times and Department of Justice, Equality and Law Reform, zitiert bei McDonagh, The Interaction of European Community and National Access to Information Laws, IJEL 2000, S. 216 (222).

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

In welchem Maße haben nun die mitgliedstaatlichen Behörden bei der Zugangsgewährung die Verordnung 1049/2001 zu beachten? Ein unbefangener Blick in die Vorschrift des Art. 2 Abs. 3 VO 1049/01, die den Anwendungsbereich der Verordnung 1049/2001 regelt, lässt zunächst vermuten, dass keine besondere Rücksichtnahme geboten ist. Dort heißt es nämlich, dass die Verordnung 1049/2001 für Dokumente gilt, die sich im Besitz der Organe befinden, während der hier diskutierte Fall Dokumente im Besitz der Mitgliedstaaten betrifft. Dieses Bild ändert sich aber schon, wenn man den fünfzehnten Erwägungsgrund der Verordnung 1049/2001 in die Betrachtung einbezieht. Dort heißt es zum einen, dass die Verordnung 1049/2001 eine Änderung mitgliedstaatlicher Dokumentenzugangsvorschriften weder bezweckt noch bewirkt. Zum anderen ergebe es sich aber selbstverständlich aus dem Gebot der loyalen Zusammenarbeit zwischen Organen und Mitgliedstaaten, dass letztere nicht durch ihre Zugangsgewährung die Anwendung der Verordnung 1049/2001 oder der Sicherheitsvorschriften der Organe beeinträchtigen dürften. Diese Vorgabe wird in Art. 5 VO 1049/01 umgesetzt. Dort werden dem Mitgliedstaat, dem ein Antrag auf ein in seinem Besitz befindliches und von einem Organ stammendes Dokument zugeht, zwei Möglichkeiten eröffnet: Er kann den Antrag an das Organ zur weiteren Bearbeitung weiterleiten oder den Antrag selbst aufgrund seiner Zugangsregeln bescheiden. Bestehen Zweifel, ob der Zugang zu gewähren ist, muss der Mitgliedstaat allerdings das Organ konsultieren641, um eine Entscheidung zu treffen, die die Ziele der Verordnung 1049/2001 nicht beeinträchtigt. Dies heißt im Klartext, dass der Mitgliedstaat keine von den Organen stammenden Dokumente freigeben kann, zu denen die Organe den Zugang aufgrund der Verordnung 1049/2001 verweigern müssten642. Umgekehrt müsste er aber auch den Zugang freigeben, wenn die Verordnung 1049/2001 dies dem Organ geböte643. Diese Verpflichtung ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus der Verordnung 1049/2001644. Es bestehen insoweit bereits Zweifel, ob die Rechts640 Grundlegend EuGH, Rs. 6/64, Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, S. 1253 (1270); ferner Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (557); Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (83). 641 Das Organ hat allerdings kein Vetorecht, wie es den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 eingeräumt ist. 642 Beachte insoweit auch Art. 9 Abs. 5 VO 1049/01. 643 Falls Staaten mit weniger weitreichenden Zugangsregeln bzw. ohne Zugangsregeln damit zu große Schwierigkeiten haben sollten, bleibt wie gesagt immer noch die Möglichkeit, den Antrag an das Organ weiterzuleiten. 644 A.A. Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (557).

C. Die Geschäftsordnungen

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grundlage Art. 255 EGV eine solche Auslegung überhaupt tragen würde. Es spricht einiges dafür, dass Art. 255 EGV ausschließlich eine für die Organe bindende Regelung zulässt645. Unabhängig davon scheidet die Verordnung 1049/2001 aber vor allem deswegen als Anknüpfungspunkt für eine Bindung der Mitgliedstaaten aus, weil Art. 5 Abs. 1 VO 1049/01 viel zu vage formuliert ist. Dessen Wortlaut mutet für eine Verordnung seltsam fremd an und erinnert eher an eine Richtlinie, die ebenfalls nur die Beachtung eines Regelungsziels fordert, ohne konkrete Handlungsvorgaben zu enthalten646. Insofern ist die Grundlage einer Koordinierungspflicht für die Mitgliedstaaten nach wie vor allein im Loyalitätsgebot gemäß Art. 10 EGV zu suchen, das durch die Verordnung 1049/2001 lediglich bekräftigt worden ist. Ernsthafte Auseinandersetzungen drohen aber in dieser Frage nicht647. Wie es die bisherige Praxis des Dokumentenzugangs in der Union gezeigt hat, ist selbst bei den besonders zugangsfreundlichen Mitgliedstaaten nicht zu erwarten, dass diese ein Dokument eines Organs freigeben, obwohl sich das Organ dagegen ausgesprochen hat648. Im Vordergrund wird immer der Versuch einer gütlichen Einigung zwischen Mitgliedstaat und Organ stehen. Sollte diese nicht gelingen, kann der Mitgliedstaat den Antrag außerdem zur weiteren Entscheidung dem Organ übersenden.

C. Die Geschäftsordnungen Gemäß Art. 255 Abs. 3 EGV soll jedes Organ in seiner Geschäftsordnung Sonderregelungen für den Zugang zu seinen Dokumenten festlegen. Die Verordnung 1049/2001 regelt, dass diese Änderungen der Geschäftsordnung gemeinsam mit der Verordnung selbst Geltung erlangen sollten649. 645 So auch Britta Lejon in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 109, Frage 205. 646 Vgl. einerseits Art. 5 Abs. 1 VO 1049/01: „eine Entscheidung zu treffen, die die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung nicht beeinträchtigt“ und andererseits Art. 249 Abs. 3 EGV: „Die Richtlinie ist [. . .] hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ 647 Dies ist auch die Einschätzung von Claire Durand in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 131, Frage 287. 648 Vgl. Britta Lejon und Helena Jaderblom in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 109, Frage 205. 649 Art. 18 Abs. 1 und 19 Abs. 2 VO 1049/01.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

Alle drei Organe haben die Verpflichtung aus Art. 255 Abs. 3 EGV und Art. 18 Abs. 1 VO 1049/01 umgesetzt und ihre Geschäftsordnungen modifiziert650.

I. Auslegung des Vorbehalts in Art. 255 Abs. 3 EGV Vorgaben zur Reichweite dieses Regelungsvorbehalts lassen sich sowohl Art. 255 EGV als auch der Verordnung 1049/2001 entnehmen. Hierin liegt eine wesentliche Neuerung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Die Organe hatten zuvor in Abwesenheit höherrangiger Rechtsvorschriften einen weiten eigenständigen Regelungsspielraum innerhalb ihrer Geschäftsordnungsbefugnisse. Nunmehr ist dieser Spielraum wesentlich eingeschränkt. Selbstverständlich dürfen die Sonderbestimmungen in den Geschäftsordnungen nicht die bereits zur Prüfung der Verordnung 1049/2001 entwickelten Vorgaben missachten. Weiterhin müssen sie sich auch an den Rahmen der in der Verordnung 1049/2001 sekundärrechtlich festgelegten Grundsätze halten651. Dieser Vorrang kommt auch in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 VO 1049/01 zum Ausdruck, in dem es heißt: „Jedes Organ passt seine Geschäftsordnung an die Bestimmungen dieser Verordnung an.“ Mit dem Argument, dass nach Art. 255 Abs. 2 EGV die Verordnung 1049/ 2001 nur „allgemeine Grundsätze“ enthalten solle und mit Verweis auf die nicht unbegrenzt einschränkbare Selbstorganisationsbefugnis der Organe, wird zwar vertreten, dass diesen ein Spielraum für eigenständige Modifizierungen bleiben müsse652. Dies ist sicherlich richtig. Allerdings können diese Modifizierungen und Präzisierungen allenfalls verfahrens650 Europäisches Parlament: Beschluss (2001)2135(REG) des Europäischen Parlaments vom 13. November 2001 zur Anpassung der Geschäftsordnung des Parlaments an die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission; vgl. ABl. 2002, Nr. C 140 E, S. 24 sowie Beschluss 2001/C 374/01 des Präsidiums vom 28. November 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, ABl. 2001, Nr. C 374, S. 1. Rat: Beschluss 2001/840/EG des Rates vom 29. November 2001 zur Änderung der Geschäftsordnung des Rates, ABl. 2001, Nr. L 313, S. 40. Dieser Beschluss ist abgelöst worden durch den Beschluss 2002/682/EG, Euratom des Rates vom 22. Juli 2002 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung, ABl. 2002, Nr. L 230, S. 7. Kommission: Beschluss 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. 2001, Nr. L 345, S. 94. 651 Thun-Hohenstein, Amsterdamer Vertrag, S. 99; Denkschrift der Bundesregierung zum Vertrag von Amsterdam, BT-Drs. 9339, Ziffer 45 zu Art. 191a AV, S. 159: „anhand dieser allgemeinen Grundsätze“; nicht zwingend finden dies Bieber, Reformen der Institutionen und Verfahren, integration 1997, S. 236 (238); Griller/Droutsas/Falkner, Treaty of Amsterdam, S. 348.

C. Die Geschäftsordnungen

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technischer Natur sein; weiter reicht nämlich das Selbstorganisationsrecht nicht653. Unzulässig ist dagegen eine über die Verordnung 1049/2001 hinausreichende Einschränkung des Rechts auf Dokumentenzugang als solches654. Der Rat ist bei der Anpassung seiner Geschäftsordnung zudem an die Vorgaben von Art. 207 Abs. 3 EGV gebunden655. Danach muss der Rat in seiner Geschäftsordnung den in dieser Vorschrift enthaltenen Grundsatz des besonders weitgehenden Zugangs zu legislativen Dokumenten berücksichtigen656.

II. Probleme der Umsetzung Mit Blick auf die gerade entwickelten Grenzen der Ausgestaltungsbefugnis erscheinen vor allem die Änderungen der Geschäftsordnung des Parlaments problematisch. Dort wird in Art. 172 Abs. 2 nunmehr definiert, wann ein Dokument ein Dokument des Parlaments ist. Dies ist bereits im Ansatz unzulässig, denn es handelt sich dabei um eine Bestimmung des Anspruchsgegenstandes, die der Verordnung 1049/2001 vorbehalten ist657. Der Anspruchsgegenstand wird, wie gezeigt, nicht allein durch den Dokumentenbegriff geprägt, bei dem auch auf Seiten des Parlaments gesehen wurde, dass die Geschäftsordnung keine Änderungen vornehmen darf658. Auch Korrekturen am Organbegriff, wie sie hier erfolgten, greifen in gleicher Weise in 652 Lenz, in: Bergmann/Lenz, Amsterdamer Vertrag, Kapitel 10: Transparenz, Rdnr. 17; Thun-Hohenstein, Amsterdamer Vertrag, S. 99, spricht von „Präzisierungen.“ 653 Auch Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (354) betont, dass Geschäftsordnungen ein fundamentales Recht nur prozedural umsetzen, nicht jedoch in der Substanz beschränken können. 654 Schoo, in: Schwarze, EGV, Art. 255, Rdnr. 19; vgl. auch die Ausführungen des Gerichts erster Instanz in EuG, Rs. T-194/94, Carvel & Guardian/Rat, Slg. 1995, S. II-2765, Rdnr. 68, wonach der Rat ein Recht auf Zugang zu Dokumenten nicht durch restriktive Anwendung seiner Geschäftsordnung aushebeln dürfe. Die von Höreth, Die Europäische Union im Legitimationstrilemma, S. 275 und Häfner/ Gerlach, Wissen ist Macht, ZRP 1998, S. 123 (124), geäußerte Befürchtung, die Sonderbestimmungen gemäß Art. 255 Abs. 3 EGV könnten sich am Ende als Zugangshindernisse erweisen, „die das in Abs. 1 enthaltene Recht faktisch unterlaufen“, würde sich also nur im Falle einer unrechtmäßigen und damit aber auch anfechtbaren Umsetzungspraxis bewahrheiten können. 655 Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (310); Griller/Droutsas/Falkner, Treaty of Amsterdam, S. 349 ; Thun-Hohenstein, Amsterdamer Vertrag, S. 99. 656 Griller/Droutsas/Falkner, Treaty of Amsterdam, S. 349. 657 Dies entspricht nach einem Bericht der Zeitschrift Brussels Agenda offenbar auch der Auffassung des Juristischen Dienstes der Kommission, vgl. Artikel „Parliament strict on interpretation of Transparency Regulation“, im Heft 2/2002 (Februar), S. 2.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

den Anspruchsgegenstand ein. Dieser ist nämlich definiert mit Dokumente der Organe659; beide Begriffe sind also untrennbar miteinander verbunden. Dem kann auch nicht entgegnet werden, dass in der Verordnung 1049/2001 der Begriff des Dokuments definiert werde, der des Organs dagegen nicht und damit letzterer noch Raum für Ausgestaltungen durch die Geschäftsordnungen lasse. Wenn die Verordnung 1049/2001 keine Organdefinition enthält, dürfte das darauf beruhen, dass die primärrechtlichen Beschreibungen für ausreichend erachtet wurden660. Auch ihrem Inhalt nach begegnet die neue Definition des Parlamentsdokuments erheblichen Bedenken. Gemäß Art. 172 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Parlaments gelten von einzelnen Abgeordneten und Fraktionen erstellte Dokumente erst dann als solche des Parlaments, wenn sie „gemäß der Geschäftsordnung eingereicht“ werden. Der Status von Dokumenten, die Abgeordneten und Fraktionen von dritter Seite übermittelt werden, ist nicht geregelt. Aus systematischen Erwägungen ist jedoch davon auszugehen, dass diese den von den Abgeordneten erstellten Dokumenten gleichzustellen sind. Auch diese Korrespondenz ist erst dann ein Dokument des Parlaments, wenn sie formal auf den Tisch des Hauses gebracht worden ist661. Insbesondere Lobbykorrespondenz wird damit nicht automatisch vom Anwendungsbereich des Dokumentenzugangsrechts erfasst. Dies ist ausgesprochen bedenklich, da gerade im Bereich des Lobbying das Bedürfnis nach Transparenz besonders groß ist662 und das Parlament im Zuge seiner gewachsenen Mitentscheidungsbefugnisse verstärkt zum Adressaten von partikularer Einflussnahme geworden ist663. Schließlich wäre eine Offenlegung dieser Korrespondenz auch nicht ungewöhnlich664, sondern nur eine sinnvolle Ergänzung des bereits bestehenden Lobbyistenregisters, das gestützt auf Art. 9 Abs. 2 GeschäftsordnungParlament665 die Personen erfasst, die einen regelmäßigen Zutritt zu den Parlamentsgebäuden suchen. 658 Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments vom 15. Oktober 2001, Berichterstatterin Hanja Maij-Weggen, Dok.Nr. A5-0349/2001, S. 17. 659 Art. 2 Abs. 1 VO 1049/01. 660 Siehe dazu das Arbeitspapier der Ratspräsidentschaft zur Erarbeitung einer Dokumentenzugangsverordnung vom 25. Mai 2000, Dok.Nr. SN 2970/00, S. 2, Fn. 2. 661 Vgl. die englische Sprachfassung des Art. 172 Abs. 2 Geschäftsordnung Parlament: „tabled under the Rules of Procedure“. 662 Fischer, Das Demokratiedefizit bei der Rechtsetzung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 134, Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 389. 663 Schaber, Transparenz und Lobbying in der Europäischen Union, S. 266 (269). 664 Auch die Korrespondenz des Kommissionspräsidenten Romano Prodi ist über die Internetseite der Kommission zugänglich.

C. Die Geschäftsordnungen

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Diese eigenständige Definition des zugänglichen Dokuments in der Geschäftsordnung des Parlaments überschreitet die beschriebenen Grenzen dessen, was als Sonderbestimmung gemäß Art. 255 Abs. 3 EGV in einer Geschäftsordnung geregelt werden darf. Der Anspruchsgegenstand im Sinne von Art. 255 EGV ist abschließend in Art. 3 lit. a) und Art. 2 Abs. 3 VO 1049/01 definiert. Danach sind alle dokumentierten Inhalte zugänglich, die im Zusammenhang mit Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich eines Organs stehen und sich in dessen Besitz befinden, gleichgültig ob sie vom Organ selbst erstellt wurden oder bei diesem eingegangen sind. Darunter fällt gerade auch Lobbykorrespondenz. Es wäre ebenfalls nicht überzeugend, wenn man argumentierte, Organ in diesem Sinne sei nur das Parlament selbst, nicht aber der einzelne Abgeordnete. Gemäß Art. 189 Abs. 1 EGV besteht das Parlament aus „Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten“. Die Abgeordneten sind somit notwendige Komponenten des Parlaments666. Die enge Verknüpfung der Abgeordneten mit der Institution Parlament kommt nicht zuletzt auch dadurch zum Ausdruck, dass sie Mitglieder des Parlaments heißen. Ebenso wie beim Rat ist hierbei in weites Verständnis geboten. Dieses Recht für einzelne Abgeordnete, über die Zugänglichkeit von Dokumenten zu entscheiden, die in engem Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Parlamentarier stehen, entbehrt ebenfalls der Rechtfertigung. Soweit es um den Schutz vorbereitender Arbeiten geht, wird dieser bereits hinreichend und abschließend durch die Verordnung 1049/2001 gewährt. Ebenso wenig lässt sich aber auch auf den besonderen Status der Abgeordneten, insbesondere die Unabhängigkeit ihres Mandats verweisen667. Die durch das Dokumentenzugangsrecht ermöglichte Kontrolle führt nicht zu einem Druck auf den Abgeordneten, sein Mandat in der einen oder anderen Weise auszuüben. Transparenz als solche erzeugt allenfalls einen gewissen Zwang zu rechtmäßigem Handeln. Dies erscheint per se wenig bedenklich, denn die Unabhängigkeit des Mandats stellt gerade keinen Freibrief zum Verstoß gegen die Verhaltensregeln dar, denen sich auch Abgeordnete unterwerfen müssen668. Selbst wenn durch das Dokumentenzugangsrecht individuelles Fehlverhalten aufgedeckt werden sollte, was schließlich eine seiner wichti665

Vgl. dazu auch Anlage IX zur Geschäftsordnung-Parlament. Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments vom 15. Oktober 2001, Berichterstatterin Hanja Maij-Weggen, Dok.Nr. A5-0349/2001, S. 16. 667 Darauf stützt sich jedoch maßgeblich der Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments vom 15. Oktober 2001, Berichterstatterin Hanja Maij-Weggen, Dok.Nr. A5-0349/2001, S. 16 f. 666

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

gen Funktionen ist, wäre der betreffende Abgeordnete nicht zuletzt durch die Regeln über die Immunität während der Sitzungsperiode immer noch ausreichend geschützt669. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich ein ähnliches Problem beim Rat stellte670. Dieser hatte nur solche Dokumente als Dokumente des Rates angesehen, die an alle Mitgliedstaaten verteilt worden waren. Diese Handhabung würde insbesondere Dokumente vom Zugang ausnehmen, die lediglich beim Generalsekretariat, nicht aber bei den Ratsmitgliedern selbst vorliegen. Dass dies dem effet utile des Zugangsrechts eklatant zuwiderliefe und deshalb keine zulässige Praxis darstellt, dürfte auf der Hand liegen. Auch das vom Rat zur Rechtfertigung seiner Auffassung vorgebrachte Argument, Antragsteller dürften nicht Zugang zu Dokumenten erhalten, die nicht einmal allen Ratsmitgliedern vorlägen, ist nicht überzeugend. Sollte der Rat hierin wirklich ein Problem sehen, so beruht dieses nicht auf einem zu weit gehenden Zugangsrecht, sondern auf der Praxis der internen Dokumentenverteilung im Rat. Anders als beim Parlament hat deshalb auch diese Auffassung des Rates keinen Niederschlag in der neuen Geschäftsordnung gefunden. Das Generalsekretariat ist also dem Rat zuzurechnen, ebenso wie seine weiteren Unterorgane, wie der Ausschuss der Ständigen Vertreter, die Arbeitsgruppen sowie der den Vorsitz wahrnehmende Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Ratsvorsitz671. Keine Dokumente des Rates sind dagegen zum 668 Vgl. Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage I Geschäftsordnung-Parlament; ferner Art. 9a in Verbindung mit Anlage XI Geschäftsordnung-Parlament; ähnlich EuG, Rs. T-17/00 R, Rothley/Parlament, Slg. 2000, S. II-2085, Rdnr. 90. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Immunität eines Abgeordneten auch aufgehoben werden kann, Art. 6a Geschäftsordnung-Parlament. 669 Art. 8 bis 10 des Protokolls über Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965, ABl. 1967, Nr. 152, S. 13; vgl. dazu auch den Beschluss des EuG, Rs. T-17/00 R, Rothley/Parlament, Slg. 2000, S. II2085, Rdnrn. 85 ff. In dieser Rechtssache hatten sich Abgeordnete gegen Untersuchungsbefugnisse für das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gewandt, von denen sie sich potentiell selbst betroffen sahen (vgl. Anlage XI Geschäftsordnung-Parlament). Die Klage ist inzwischen durch Hauptsacheurteil als unzulässig abgewiesen worden, da die Abgeordneten nach Auffassung des Gerichts erster Instanz nicht in der gemäß Art. 230 Abs. 4 EGV notwendigen Weise individuell betroffen waren, EuG, Rs. T-17/00, Rothley/Parlament, Slg. 2002, S. II-579, Rdnr. 78. 670 Siehe dazu das Arbeitspapier der Ratspräsidentschaft zur Erarbeitung einer Dokumentenzugangsverordnung vom 25. Mai 2000, Dok.Nr. SN 2970/00, S. 2, Fn. 3. 671 Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (58); vgl. dazu auch Europäischer Bürgerbeauftragter, Entscheidung vom 30. Juni 1998 in der Beschwerde 1056/25.11.96/STATEWATCH/UK/IJH gegen den Rat.

D. Rechtsschutz

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Beispiel Dokumente, die vom „Europäischen Konvent“ erstellt worden sind, da dieser vom Europäischen Rat in Laeken 2001 eingerichtete Konvent eine vom Rat der Europäischen Union grundsätzlich getrennte Einrichtung darstellt672. Ebenfalls vom Rat der Europäischen Union zu unterscheiden ist der Europäische Rat. Der Umstand, dass sich das Zugangsrecht nicht auf Dokumente des Europäischen Rates erstreckt, ist sicher zu bedauern, da die Regierungskonferenz weit reichende Entscheidungen über neue Strukturen und fundamentale Rechte in der Union trifft673. Immerhin wird dieses Defizit aber zunehmend durch eine immer bessere Informationspolitik über die Aktivitäten des Europäischen Rates ausgeglichen674.

D. Rechtsschutz Neben den Voraussetzungen, die in den betreffenden Normen geschaffen worden sind, wird die Realisierbarkeit eines Rechtsanspruchs ganz entscheidend von dem Rechtsschutz bestimmt, der ihn gegen unberechtigte Verletzungen sichert. Im Falle des Dokumentenzugangsrechts wurde diese Bedeutung in der Vergangenheit noch dadurch erhöht, dass sich die Kultur der Offenheit nicht über Nacht in den Institutionen durchgesetzt hat675. Dies wird gerade mit Blick auf den Normsetzungsprozess und die von den Gerichten und vom Bürgerbeauftragten behandelten Fälle hinreichend deutlich. Deshalb werden im Folgenden die Möglichkeiten näher beleuchtet, die einem Antragsteller zur Durchsetzung seines Zugangsrechts zur Verfügung stehen. Anschließend wird ein weiterer wichtiger Aspekt des Rechtsschutzes untersucht, nämlich die Frage, inwieweit Dritte sich gegen unberechtigte Beeinträchtigungen ihrer ebenfalls durch die Verordnung 1049/2001 geschützten Interessen zur Wehr setzen können. Zunächst aber gilt der Blick dem Rechtsschutz des Antragstellers selbst. Art. 8 Abs. 1 Satz 3 VO 1049/01, der die Rechtsbehelfsbelehrung im Falle der (teilweisen) Ablehnung eines Zweitantrags regelt, nennt als mögliche Rechtsbehelfe einerseits die Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauf672 Vermerk der Gruppe „Information“ des Rates vom 28. Juni 2002, Entwurf einer Entscheidung über den Zweitantrag von Tony Venables, Dok.Nr. 10313/02, S. 2: „The European Convention is a body which is distinct from the Council.“ 673 Roberts, Multilateral Institutions and the Right to Information, ELR 2002, S. 255 (275). 674 Vgl. Schroeder, Demokratie, Transparenz und die Regierungskonferenz, KritV 1998, S. 423 (434 f.). 675 Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1072).

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

tragten gemäß Art. 195 EGV676 und andererseits die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EGV.

I. Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten Das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten wurde durch den Maastrichter Vertrag nach dem Vorbild der weit überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten eingerichtet677. Es wird seitdem von dem Finnen Jacob Söderman ausgeübt. Art. 195 Abs. 1 Satz 1 EGV bestimmt, dass der Bürgerbeauftragte vom Parlament ernannt wird; gemäß Art. 195 Abs. 3 EGV übt er sein Amt jedoch in völliger Unabhängigkeit aus. Wie sich aus Art. 195 Abs. 1 EGV ergibt, besteht die Aufgabe des Bürgerbeauftragten darin, sich Missständen im Rahmen der Tätigkeit der Organe und Institutionen der Gemeinschaft zu widmen. Er kann sich mit diesen Missständen aufgrund von Beschwerden natürlicher oder juristischer Personen678 befassen, aber auch aufgrund selbst initiierter Untersuchungen. Der Begriff des Missstands ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen. Er umfasst rechtswidrige Handlungen administrativer und legislativer Art, aber auch rechtmäßige, jedoch ineffizient oder nachlässig ausgeübte Tätigkeit679. In den Durchführungsbestimmungen680 zu dem gemäß Art. 195 Abs. 4 EGV erlassenen Statut681 des Bürgerbeauftragten ist der mögliche Weg, den 676 Es war auch über die Einrichtung eines speziellen Dokumentenzugangsbeauftragten diskutiert worden, man hielt aber schließlich das bestehende Beschwerdeund Rechtsschutzsystem für ausreichend, vgl. Protokoll des Generalsekretariats der Kommission über die Trilogverhandlungen zum Dokumentenzugangsrecht vom 24. Januar 2001, Az. SG.B.2/MM/pf D(2001) 350029, S. 4. 677 Feik, Zugang zu EU-Dokumenten, S. 203. 678 Vgl. Art. 21 EGV. Eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit ist insoweit nicht erforderlich, Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rdnr. 842; Bonnor, The European Ombudsman, ELR 2000, S. 39 (41). 679 Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rdnr. 842; genauer dazu Bonnor, The European Ombudsman, ELR 2000, S. 39 (46 f.); Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 186 ff. Der Bürgerbeauftragte verwendet selbst folgende Definition: „Maladministration occurs when a public body fails to act in accordance with a rule or principle which is binding upon it.“, zitiert in House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 76. 680 Diese sind auf der Internetseite des Bürgerbeauftragten, http://www.euroombudsman.eu.int, veröffentlicht. 681 Beschluß des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, ABl. 1994, Nr. L 113, S. 15.

D. Rechtsschutz

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die Beschwerde nehmen kann, näher beschrieben. Hält der Bürgerbeauftragte nach einer Vorprüfung eine Untersuchung für zulässig und geboten, setzt er das betreffende Organ von dem Vorgang in Kenntnis. Das Organ hat dann eine Frist von maximal drei Monaten zur Stellungnahme682. An erster Stelle steht auch bei einem festgestellten Missstand683 natürlich immer der Versuch, eine verfahrensbeendende gütliche Einigung zwischen Beschwerdeführer und Organ zu erreichen684. Sollte dies nicht möglich sein, schließt der Bürgerbeauftragte den Vorgang bei Entscheidungsreife mit einer begründeten Entscheidung oder einem Bericht an das Organ ab. Welchen Weg er wählt, hängt davon ab, ob eine Beseitigung des Misstands noch möglich erscheint und ob der Missstand allgemeine Auswirkungen hat. Ist eine der beiden Fragen zu bejahen, erstellt der Bürgerbeauftragte einen Bericht, der Entscheidungsempfehlungen685 enthält686. Das Organ hat dann binnen einer Frist von drei Monaten zu entscheiden, ob es den Empfehlungen folgt oder sie ablehnt. Folgt das Organ den Empfehlungen nicht, verfasst der Bürgerbeauftragte einen an das Parlament gerichteten Sonderbericht, der wiederum Entscheidungsempfehlungen enthalten kann687. Sind beide Fragen zu verneinen, ergeht eine begründete Entscheidung, die mit kritischen Bemerkungen versehen werden kann688. Es ist wichtig festzuhalten, dass der Bürgerbeauftragte keine bindenden Entscheidungen treffen kann689. Er kann eine fehlerhafte Entscheidung des Organs weder aufheben, noch das Organ verpflichten, in der einen oder anderen Weise neu zu entscheiden690. Dennoch übt das beschriebene Verfahren einen erheblichen politischen Druck auf das betreffende Organ aus, der oftmals zu einem befriedigenden Ergebnis für den Beschwerdeführer führt. Gegenüber einem gerichtlichen Verfahren ist das Beschwerdeverfahren beim Bürgerbeauftragten deutlich schneller, einfacher und 682

Vgl. Art. 3 und 4 der Durchführungsbestimmungen. Wird – wie es es bei der überwiegenden Zahl der Beschwerden der Fall ist – kein Missstand festgestellt, so findet das Verfahren natürlich bereits aufgrund dessen sein Ende, vgl. Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 242. 684 Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen; Art. 3 Abs. 5 des Statuts des Bürgerbeauftragten. 685 Genauer gesagt handelt es sich dabei schon um Entscheidungsentwürfe. 686 Art. 8 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen. 687 Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen. 688 Vgl. dazu Art. 7 der Durchführungsbestimmungen. 689 Bonnor, The European Ombudsman, ELR 2000, S. 39 (45). 690 EuG Rs. T-103/99, Associazione delle Cantine Sociali Venete/Bürgerbeauftragten und Parlament, Slg. 2000, S. II-4165, Rdnr. 52 f.; a. A. Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 363. 683

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

kostenfrei691. Der mit seinem Zugangsantrag vom Organ abgewiesene Antragsteller wird sich jedoch entweder für die Beschwerde oder für die Klage entscheiden müssen692. Legt der Antragsteller zuerst eine Beschwerde ein, verzichtet er damit regelmäßig auf die Möglichkeit der Klage. Die Klagefrist beträgt nämlich gemäß Art. 230 Abs. 5 EGV nur zwei Monate. Sie wird durch die Beschwerde zum Bürgerbeauftragten nicht verlängert693. Wenn man berücksichtigt, dass der Bürgerbeauftragte selbst den Fall erst prüfen muss und dann dem Organ eine dreimonatige Frist zur Stellungnahme eingeräumt ist, so kann das Beschwerdeverfahren kaum vor Ablauf der Klagefrist abgeschlossen werden694. Eine gleichzeitige Durchführung beider Verfahren ist ausgeschlossen wegen Art. 195 Abs. 1 UAbs. 2 EGV, wo es heißt, dass der Bürgerbeauftragte keine Beschwerden untersuchen darf, die sich auf Gegenstände eines laufenden oder abgeschlossenen Gerichtsverfahrens beziehen. Da auch abgeschlossene Gerichtsverfahren als Ausschlussgrund genannt sind, ist schließlich einem erfolglosen Kläger auch ein „zweiter Anlauf“ beim Bürgerbeauftragten versperrt. Allerdings kann die Beschwerde dann noch erhoben werden, wenn eine Klage bereits wegen Verfristung unzulässig wäre695. Gleiches dürfte dann gelten, wenn eine Klage nur durch Prozessurteil abgewiesen worden ist. Art. 195 Abs. 1 UAbs. 2 EGV schützt die „Sachentscheidungsprärogative“ des Gerichtshofes. Der Schutzzweck wäre also nach dieser Auslegung gewahrt696. In der Vergangenheit gab es vor allem Auseinandersetzungen über die Befugnis des Bürgerbeauftragten, Beschwerden zu bearbeiten, die Sachver691 den Boer, Steamy Windows: Transparency and Openness in Justice and Home Affairs, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 91 (101). Aldo Kuijer wies in seinem Beitrag „Public Access to Documents: an unenforceable right?!“ zum Arbeitsseminar „Access to documents of the EU institutions: the key to a more democratic and efficient Union“, veranstaltet vom Europäischen Parlament am 18. September 2000 in Brüssel, auf das Kostenrisiko des Klageverfahrens vor dem Gericht erster Instanz hin, das die Effektivität dieses Rechtsschutzweges beeinträchtige. 692 Anders Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (558): Nichtigkeitsklage „und/oder“ Beschwerde. 693 Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 220; Art. 2 Abs. 6 des Statuts des Bürgerbeauftragten. 694 Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 221, gibt eine durchschnittliche Verfahrensdauer zwischen sechs und zwölf Monaten an. 695 Für die Beschwerde gilt eine Zwei-Jahres-Frist, vgl. Art. 2 Abs. 4 des Statuts des Bürgerbeauftragten. 696 Ebenso Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 195.

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halte im Zusammenhang mit den beiden nicht vergemeinschafteten Unionspfeilern berührten. Dabei ist aufgrund der Beschränkung der Untersuchungsbefugnis gemäß Art. 195 Abs. 1 EGV auf die „Tätigkeit der Organe und Institutionen der Gemeinschaft“ zu beachten, dass sich diese grundsätzlich nicht auf Tätigkeiten von Organen und Institutionen außerhalb des EGVertrags erstreckt697. Mit diesem Argument ist die Befugnis des Bürgerbeauftragten angezweifelt worden, sich mit Beschwerden über verweigerte Dokumentenzugangsanträge zu befassen, wenn die Dokumente Tätigkeiten der Organe im Bereich der zweiten und dritten Säule betrafen. Hier greift aber die gleiche Argumentation, wie sie schon in Bezug auf die Jurisdiktion der Gerichte vorgebracht wurde. Der Missstand bezieht sich in einem solchen Fall nicht auf Tätigkeiten im Unionsbereich, sondern auf die fehlerhafte Anwendung der Dokumentenzugangsregeln, die Teil des Gemeinschaftsrechts sind698. Insofern besteht an einer diesbezüglichen Prüfungskompetenz des Bürgerbeauftragten kein Zweifel699. Im Übrigen hat der Amsterdamer Vertrag Art. 195 EGV auch im Bereich der dritten Säule für anwendbar erklärt, vgl. Art. 41 EUV700. Die Beschwerde beim Bürgerbeauftragten ist damit für den Bürger im Vergleich zum gerichtlichen Verfahren die schnellere und kostengünstigere Rechtsschutzform. Sie bietet, wenn man die zahlreichen Entscheidungen des Bürgerbeauftragten im Bereich des Dokumentenzugangsrechts betrachtet701, durchaus gute Erfolgsaussichten für den Antragsteller. Positiv wirkt sich in diesem Zusammenhang aus, dass sich der Bürgerbeauftragte auch aus eigener Initiative sehr interessiert an der Entwicklung einer guten Verwaltungspraxis im Bereich des Dokumentenzugangs gezeigt hat. Dies lässt für den Antragsteller erwarten, dass seine diesbezüglichen Beschwerden engagiert bearbeitet werden.

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Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rdnr. 842. Meese, Das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, S. 186. 699 Dies ist inzwischen von den Organen auch akzeptiert, vgl. Bradley, La transparence de l’Union européenne, CDE 1999, S. 283 (307); Söderman, The Role and Impact of the European Ombudsman, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 75 (78). 700 Anderes gilt allerdings immer noch im Bereich der zweiten Säule, vgl. Art. 28 Abs. 1 EUV, wo Art. 195 EGV nicht unter den anwendbaren Vorschriften genannt ist. 701 Diese sind auf der Internetseite des Bürgerbeauftragten, http://www.euroombudsman.eu.int, und den Jahresberichten veröffentlicht. 698

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II. Nichtigkeitsklage Entschließt sich der Antragsteller stattdessen zur Klage gegen die Ablehnung seines Antrags, so steht ihm dazu allein die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 1, Abs. 4 EGV zur Verfügung. Zuständig für diese Klagen ist im ersten Rechtszug das Gericht erster Instanz702. 1. Klageantrag Mit dieser Klage kann der Antragsteller beantragen, das Gericht möge den ablehnenden Bescheid des Organs für nichtig erklären. Möglich ist die teilweise Anfechtung des Bescheids, nicht dagegen ein Antrag, der auf die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Organs gerichtet ist. Eine Verpflichtung des Organs, dem Antragsteller die Dokumente zugänglich zu machen, ist weder im Wege einer selbständigen Klage noch im Rahmen der Nichtigkeitsklage in zulässiger Weise zu verfolgen. In der Rechtssache Interporc/Kommission I stellte das Gericht erster Instanz auf ein entsprechendes Begehren der Antragstellerin hin fest, dass die Gemeinschaftsrechtsprechung in Ausübung ihrer Kompetenz zur Aufhebung von Rechtsakten gemäß Art. 230 EGV nicht befugt sei, den Gemeinschaftsorganen Weisungen zur Vornahme konkreter Rechtshandlungen zu erteilen703. 702

Art. 225 Abs. 1, Abs. 2 EGV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 lit. c) des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, ABl. 1989, Nr. L 319, S. 1. Diese Zuweisung und nicht, wie Tomkins, Transparency and the Emergence of a European Administrative Law, YEL 2000, S. 217 (224) meint, mangelnde Aktivität auf Seiten des Gerichtshofes haben bewirkt, dass das case law zum Dokumentenzugang bisher vor allem durch das Gericht erster Instanz geprägt worden ist. 703 EuG, Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231, Rdnr. 61, vgl. auch EuGH, Rs. 15/85, Consorzio Cooperative d’Abbruzzo/Kommission, Slg. 1987, S. 1005, Rdnr. 18. Auch international ist offenbar ein Bescheidungs-, nicht aber ein Verpflichtungsurteil der Regelfall, vgl. Baxter, Public Access to Business Information Held by Government, JBL 1997, S. 199 (207). Tomkins, Transparency and the Emergence of a European Administrative Law, YEL 2000, S. 217 (228) argumentiert, insoweit liege ein Vorteil des Verfahrens vor dem Bürgerbeauftragten darin, dass dieser anders als das Gericht in der Rechtssache Interporc/Kommission I keine Schwierigkeiten darin gesehen hätte, dem Organ die von der Klägerin begehrten Vorgaben zu machen. Diese Sichtweise verkennt jedoch, dass sich das Gericht hier nur außerstande sah, ohne Bezug auf die angefochtene Entscheidung die allgemeine bindende Feststellung auszusprechen, dass die Kommission nicht berechtigt sei, den beantragten Dokumentenzugang zu verweigern (vgl. Klageantrag, Rdnr. 23). Diese uneingeschränkte Feststellung wäre einer Verpflichtung zur Freigabe der Dokumente gleichgekommen. Solche bindenden Entscheidungen gehören schon

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Mit der ex tunc wirkenden Aufhebung704 des Bescheids lebt allerdings, ohne dass dies besonders tenoriert werden müsste, die Verpflichtung des Organs wieder auf, den Antrag zu bescheiden705. Wenn auch das Urteil insoweit bindet, dass eine erneute Ablehnung des Antrags aus den in der Entscheidung für rechtswidrig erachteten Gründen nicht zulässig ist706, so kann das Organ grundsätzlich jedoch mit einer anderen Begründung zu demselben Ergebnis kommen707. Selbst die erneute Anwendung derselben Ausnahme ist zulässig, wenn die Rechtswidrigkeit auf einer ungenügenden Substantiierung beruhte und dieser Mangel mit dem neuen Bescheid behoben wird. Ein wesentlicher Nachteil des Klageverfahrens ist die lange Verfahrensdauer. Abhilfe kann insofern jedenfalls nicht über den Weg des einstweiligen Rechtsschutzes gesucht werden. Wie im deutschen Recht ist auch im Gemeinschaftsrecht wesentliches Prinzip des vorläufigen Rechtsschutzes, dass dieser die Entscheidung in der Hauptsache regelmäßig nicht vorwegnehmen und schon gar nicht über sie hinausgehen darf708. Wenn das Organ nun über den einstweiligen Rechtsschutz verpflichtet werden könnte, die begehrten Dokumente herauszugeben, so hätte sich nicht nur das Rechtsschutzbedürfnis für die Hauptsacheklage erledigt, sondern es würde, wie geprinzipiell nicht zum Instrumentarium des Bürgerbeauftragten, EuG Rs. T-103/99, Associazione delle Cantine Sociali Venete/Bürgerbeauftragten und Parlament, Slg. 2000, S. II-4165, Rdnr. 52 f. 704 Vgl. EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 55. 705 EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnr. 55. Diese Verpflichtung lässt sich auch auf Art. 233 Abs. 1 EGV stützen, wonach das Organ, dem ein für nichtig erklärtes Handeln zur Last fällt, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen ergreifen muss; vgl. dazu auch EuGH, Rs. 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, S. 1965, Rdnr. 23. 706 EuGH, Rs. C-310/97 P, Kommission/AssiDomän Kraft Products, Slg. 1999, S. I-5363, Rdnr. 56; verb. Rs. 97/86 u. a., Asteris/Kommission, Slg. 1988, S. 2181, Rdnr. 27; EuG, Rs. T-211/00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, Rdnr. 72; Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-41/00 P, Interporc/Kommission II, vom 12. März 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung), Rdnrn. 65, 68. 707 Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (58). So hatte beispielsweise die Kommission in dem der Rechtssache EuG, Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231 zugrunde liegenden Fall den Zugang zu den begehrten Dokumenten unter Berufung auf die Ausnahme zum Schutz der Rechtspflege abgelehnt. Nachdem das Gericht diesen Bescheid für nichtig erklärt hatte, verweigerte die Kommission den Zugang erneut, dieses Mal hinsichtlich eines Teils der Dokumente gestützt auf die oben besprochene „Urheberregel“. Insoweit obsiegte die Kommission dann auch in der Rechtssache EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521. 708 EuG, Rs. T-610/97 R, Carlsen/Rat, Slg. 1998, S. II-485, Rdnr. 55.

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zeigt, auch mehr angeordnet, als dies das Gericht in der Entscheidung gemäß Art. 230 EGV dürfte709. 2. Kontrolldichte Die Wirkung eines jeden Urteils wird durch seinen Tenor bestimmt. Dieser wiederum ruht auf den Entscheidungsgründen, die ihrerseits geprägt sind von der Genauigkeit, mit der das Gericht die angefochtene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft. Dieses letztgenannte Kriterium wird gemeinhin mit dem Begriff der „Kontrolldichte“ umschrieben710. Die Aufmerksamkeit, die der gerichtlichen Kontrolldichte zuteil wird, beruht nicht nur auf ihrer Bedeutung für die Effektivität des Rechtsschutzes711. Sie betrifft zugleich wichtige Fragen der Aufteilung staatlicher Gewalt und Verantwortung712. Der Rechtsprechung kommt keine politische Gestaltungsaufgabe zu; diese müssen die Richter den dafür gewählten oder berufenen Akteuren überlassen713. Zulässig ist dagegen eine lückenschließende richterliche Rechtsfortbildung714, die gerade der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit immer wieder betrieben hat715. 709 Als weiteren Gesichtspunkt führt EuG, Rs. T-610/97 R, Carlsen/Rat, Slg. 1998, S. II-485, Rdnr. 55 an, dass die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz ihre Wirkung nur bis zum Endurteil entfalten soll und durch dieses prinzipiell auch wieder rückgängig gemacht werden können muss. Dies käme bei einer Anordnung, die Dokumente herauszugeben, von vornherein nicht in Betracht, EuG, a. a. O., Rdnr. 56. 710 Dieser Begriff wird – soweit ersichtlich – erstmals von Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 335 ff. verwendet. 711 Dazu Schmidt-Aßmann, Die Kontrolldichte der Verwaltungsgerichte, DVBl. 1997, S. 281 (283). 712 Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 325 (349). 713 Zuleeg, Beschränkung gerichtlicher Kontrolldichte durch das Gemeinschaftsrecht, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 223 (227). Diese Selbstbeschränkung der Judikative wird im Englischen mit dem Begriff des judicial self-restraint beschrieben. 714 Konrad Redeker nennt dies eine „rechtliche Gestaltungsaufgabe“, die im Gegensatz zur politischen sehr wohl Aufgabe des Richters sei, Redeker, Fragen der Kontrolldichte verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, DÖV 1971, S. 757 (760). 715 Zuleeg, Beschränkung gerichtlicher Kontrolldichte durch das Gemeinschaftsrecht, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 223 (227 f.) Die Befugnis des Europäischen Gerichtshofes zur Rechtsfortbildung ist vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannt worden, vgl. BVerfGE 75, S. 223 (240 ff.) – Umsatzsteuerrichtlinie; 89, S. 155 (209) – Maastricht; kritisch Doehring, Demokratiedefizit in der Europäischen Union?, DVBl. 1997, S. 1133 (1135). Allerdings werden in besonderen Fällen auch immer wieder Zweifel laut, ob der Gerichtshof die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung be-

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Die Kontrolldichte des Europäischen Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz ist mehrfach Gegenstand von Untersuchungen gewesen716. Diese haben im Wesentlichen ergeben, dass sich die Rechtsprechung in dieser Frage einer übergreifenden Systematisierung entzieht717 und die Frage der Kontrolldichte allenfalls im Hinblick auf bestimmte Klagegegenstände einem einheitlichen Muster folgt718. Aus diesem Grund wird im Folgenden auch gezielt auf die Rechtsprechung zum Dokumentenzugangsrecht Bezug genommen. Ausgangspunkt ist dabei zunächst die auch der deutschen Rechtsprechung nicht fremde Unterscheidung von Rechtsfragen und solchen Umständen, die im nichtrechtlichen Bereich liegen, insbesondere Tatsachenfeststellungen und -bewertungen sowie Abwägungsvorgängen. Selbstverständlich, dies folgt bereits aus Art. 220 EGV, prüfen die Gemeinschaftsgerichte Rechtsfragen uneingeschränkt. Ein solches eindeutiges Rechtsproblem war zum Beispiel die in der Rechtssache Hautala/Rat relevant werdende Frage, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Prüfung eines teilweisen Dokumentenzugangs gebietet719. In allen übrigen Fällen beschränkt die Rechtsprechung die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung darauf, „ob die Verfahrensbestimmungen achte. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Begründung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Haftung von Mitgliedstaaten für Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht durch EuGH, verb. Rs. C-6 und 9/90, Francovich, Slg. 1991, S. I-5357, Rdnrn. 28 ff.; vgl. Potacs, Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, S 2 ff. Einen „Warnschuss“ gab auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Maastricht-Entscheidung ab, vgl. BVerfGE 89, S. 155 (210); vgl. Isensee, Integrationsziel Europastaat?, in: Festschrift Everling, Bd. I, S. 567 (571 f.). 716 Beispielhaft seien hier genannt Winfried Anselm Adam, Die KontrolldichteKonzeption des EuGH und deutscher Gerichte: Eine vergleichende Untersuchung der gerichtlichen Kontrolle im Dienst-, Außen- und Binnenwirtschaftsrecht, BadenBaden 1993; Jürgen Schwarze, Eine gerichtliche Kontrolle der europäischen Wirtschaftsverwaltung, in: ders./Schmidt-Aßmann, Das Ausmaß der gerichtlichen Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht: Vergleichende Studien zur Rechtslage in Deutschland, Frankreich Griechenland und in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1992, S. 203–274. 717 Adam, Die Kontrolldichte-Konzeption des EuGH, S. 241: „dogmatisches Gesamtkonzept der Kontrolldichte nur bedingt festzustellen“; Schwarze in: ders./ Schmidt-Aßmann, Gerichtliche Kontrolle der europäischen Wirtschaftsverwaltung, S. 203 (270): „Kontrollpraxis des EuGH gestaltet sich in vielerlei Hinsicht flexibel“. 718 Adam, Die Kontrolldichte-Konzeption des EuGH, S. 241 spricht von „sachbereichsbezogenen kasuistischen Sonderentwicklungen“. 719 EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 76; ebenso Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-353/99 P, Rat/Hautala, Slg. 2001, S. I-9565, Rdnr. 76.

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und die Bestimmungen über die Begründung eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt zutrifft, ob bei der Tatsachenwürdigung kein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist und ob kein Ermessensmissbrauch vorliegt“720. Hinsichtlich der Tatsachenfeststellung und -bewertung durch das Organ nimmt das Gericht also nur eine Schlüssigkeitsprüfung vor721. Dieser Kontrollmaßstab entspricht demjenigen, den die Rechtsprechung in Bereichen entwickelt hat, in denen es um die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte ging722. Diese Parallelität ist nachvollziehbar, denn Spielräume werden den Organen bei wirtschaftlichen Sachverhalten auch deswegen eingeräumt, weil zur Beurteilung eines Tatbestandsmerkmals eine besondere fachliche Kompetenz notwendig ist723. Dies dürfte jedenfalls bei den Ausnahmen der Fall sein, die in engem Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Organe stehen724. In diesem Bereich leitet die Rechtsprechung eine Einschränkung ihrer Prüfungsdichte daher auch aus einer „politischen Verantwortung“ her, die den Organen durch die Verträge zugewiesen ist725. Anderes dürfte demgegenüber für die Ausnahmen zum Schutz privater Interessen gelten, die bisher nicht Gegenstand gerichtlicher Prüfung waren. So ist nicht einzusehen, warum die Prüfung von Belangen des Datenschutzes oder Geschäftsgeheimnissen besonders komplex sein soll und einen außergewöhnlichen, nur beim Organ vorhandenen Sachverstand erfordert. Die Prüfung durch das Gericht umfasst sowohl formelle als auch materielle Fragen. So ist etwa die Prüfung, ob die Begründung den Anforderungen des Art. 253 EGV genügt, eine formelle726. Ob sie dagegen inhalt720 EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 59; Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 72; Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (60). 721 Rausch, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und -würdigungen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 307. Wegener, in: Calliess/ Ruffert, EGV, Art. 255, Rdnr. 30, spricht von einer „Plausibilitätskontrolle“. 722 EuGH, Rs. 42/84, Remia/Kommission, Slg. 1985, S. 2545, Rdnr. 34; Rs. 255/ 84, Nachi Fujikoshi/Rat, Slg. 1987, S. 1861, Rdnr. 21; Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 8; Lenaerts/Vanhamme, Procedural rights of private parties in the Community administrative process, CMLR 1997, S. 531 (560); Due, Le respect des droits de la défense dans le droit administratif communautaire, CDE 1987, S. 383 (385); SchmidtAßmann, Die Kontrolldichte der Verwaltungsgerichte, DVBl. 1997, S. 281 (284). 723 Rausch, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und -würdigungen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 306. 724 Vgl. EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 59; ähnlich EuG, Rs. T-211/00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, Rdnr. 72 zum Bereich der internationalen Beziehungen. Gleiches gilt für Art. 4 Abs. 2, 3. Spiegelstrich VO 1049/01. Vgl. auch EuGH, Rs. 191/82, Fediol I, Slg. 1983, S. 2913, Rdnr. 29 f. 725 EuG, Rs. T-211/00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, Rdnr. 53.

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lich haltbar ist, ist nach materiellen Gesichtspunkten zu beurteilen727. Die früheren Entscheidungen annullierten die angefochtenen Akte der Organe zumeist wegen Verstoßes gegen Art. 253 EGV728. Dieses ist zum Teil als Bemühen des Gerichts bewertet worden, das Verfahren ohne Einsichtnahme in die Dokumente entscheiden zu können729. Plausibler scheint es dagegen, dass die Rechtsprechung hier einer Tendenz folgt, die sich ebenfalls im Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts nachweisen lässt, nämlich dort, wo sie die Inhaltskontrolle nur zurückhaltend vornimmt, umso stärker auf die Einhaltung formeller Vorschriften zu achten730. Das Bedürfnis nach einem solchen Ausgleich, der insgesamt ein gewisses Maß gerichtlicher Kontrolldichte sichert, entsteht nicht nur im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, sondern ist auch geboten durch den Begründungszwang, dem das Gericht selbst unterliegt. Nicht nur die Organe müssen begründen, warum eine Verweigerung des Dokumentenzugangs gerechtfertigt ist, sondern das Gericht muss auch adäquat darlegen, warum aus seiner Sicht das Organ zu Recht oder Unrecht den Zugang verweigert hat731. Interessanterweise nimmt das Gericht eine materielle Prüfung nicht nur zur Überprüfung auf Rechtsverstöße vor, sondern auch zur Klärung der 726

Geiger, EGV, Art. 253, Rdnr. 6. Deutlich wird diese Unterscheidung zum Beispiel in der Rechtssache Rothmans/Kommission. Das Gericht erster Instanz entschied, dass die Kommission sich bei der Verweigerung des Zugangs zu Unrecht darauf berufen habe, nicht Urheber der fraglichen Dokumente zu sein. Dies, so das Gericht, sei ein Verstoß gegen den Beschluss über den Zugang zu Dokumenten der Kommission. Im Hinblick auf Art. 253 EGV sei es dagegen nicht zu beanstanden. Vgl. EuG, Rs. T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, S. II-2463, Rdnrn. 37, 63. 728 Vgl. beispielsweise EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr.127; Rs. T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, S. II-313, Rdnr. 77; Rs. T-124/96, Interporc/Kommission I, Slg. 1998, S. II-231, Rdnrn. 56 f. 729 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (12). Dass das Gericht aber zu einer solchen Prüfung grundsätzlich bereit war, zeigt die Formulierung in EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 127: „ohne daß die übrigen vom Kläger geltend gemachten Gründe oder der Inhalt der Dokumente selbst geprüft zu werden brauchten“; ferner Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1071 f.). 730 Dazu Schwarze in: ders./Schmidt-Aßmann, Gerichtliche Kontrolle der europäischen Wirtschaftsverwaltung, S. 203 (271); Rausch, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und -würdigungen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 308; EuGH, Rs. C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, S. I-5469, Rdnr. 14. 731 Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas, verb. Rs. C-174 und 189/98 P, Niederlande und van der Wal/Kommission, Slg. 2000, S. I-1, Rdnrn. 51, 59 f. 727

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Frage, ob ein festgestellter Rechtsfehler kausal für die Entscheidung war. In der Rechtssache Mattila/Rat und Kommission732 hatte der Rat zugegeben, die Möglichkeit der Gewährung eines teilweisen Zugangs zu den beantragten Dokumenten nicht geprüft zu haben – ein Fehler, der in der Rechtssache Hautala/Rat733 zur Aufhebung der Ratsentscheidung führte. Im Fall Mattila führte das Gericht dagegen aus, dass insbesondere die „Natur der streitigen Dokumente“734 es als sicher erscheinen lasse, dass die Prüfung eines teilweisen Zugangs durch die Organe nur zu dem Ergebnis hätte führen können, dass dieser zu verweigern sei. Das bloße Unterlassen einer solchen Prüfung sei damit ohne Einfluss auf die Entscheidungen der Organe gewesen. Daraus zog das Gericht die Schlussfolgerung, der Rat habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt735. Diese Kausalitätsprüfung ist keine Entwicklung aus dem Bereich des Dokumentenzugangsrechts, sondern ist zuvor bereits in Fällen einer fehlerhaft ausgewählten Rechtsgrundlage736, der fehlerhaften Auslegung einer Norm737 oder auch eines Verfahrensfehlers738 angewendet worden. Dieser Rechtsprechung liegt die Auffassung zugrunde, dass bei Entscheidungen, die erkennbar in der Sache richtig sind und in einem erneuten Verfahren rechtsfehlerfrei mit dem gleichen Ergebnis getroffen würden, die Aufhebung wegen eines unwesentlichen Fehlers nur aufwändige Förmelei wäre739. Die Entscheidungsbasis für die Gerichte bildet sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht die Lage zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung740. Allerdings ist ein späterer Wegfall der Be732

EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265. EuG, Rs. T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, S. II-2489, Rdnr. 87 f. 734 Es handelte sich um Dokumente, die im Kontext von Verhandlungen erstellt wurden und Informationen über den Standpunkt der Europäischen Union im Rahmen ihrer Beziehungen zu Russland und zur Ukraine sowie in den mit den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Ukraine zu führenden Verhandlungen enthielten, vgl. EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnr. 72. 735 EuG, Rs. T-204/99, Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, S. II-2265, Rdnrn. 71, 74. 736 EuG, Rs. T-75/95, Günzler Aluminium/Kommission, Slg. 1996, S. II-497, Rdnr. 55. 737 EuG, Rs. T-106/95, FFSA/Kommission, Slg. 1997, S. II-229, Rdnr. 199. 738 EuGH, Rs. 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, S. 2229, Rdnr. 26. 739 Due, Le respect des droits de la défense dans le droit administratif communautaire, CDE 1987, S. 383 (392). 740 Darum hat das Gericht erster Instanz auch beispielsweise Rechtssache T-211/ 00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, am 7. Februar 2002 nicht etwa aufgrund der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Verordnung 1049/2001 entschieden, sondern 733

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schwer zu berücksichtigen. Gewährt das Organ also nach Klageerhebung den Zugang zu den zunächst verweigerten Dokumenten, ist die Klage zur Vermeidung eines abweisenden Urteils zurückzunehmen. In einem solchen Fall wird jedoch das Organ gemäß Art. 87 § 5 Abs. 1 Verfahrensordnung EuG verurteilt werden, die Kosten zu tragen741. 3. Verfahren Hinsichtlich des Verfahrens vor Gericht tritt bei Dokumentenzugangsrechten immer das Dilemma auf, dass durch prozessuale Akteneinsichtsrechte die Entscheidung über den materiellen Informationszugangsanspruch vorweggenommen würde742. Da die streitbefangenen Dokumente ein wesentliches Erkenntnismittel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung darstellen können, sind sie grundsätzlich zu den Gerichtsakten zu nehmen. Damit wären sie aber zugleich Gegenstand des prozessualen Akteneinsichtsrechts, das dem Kläger als elementares Verfahrensrecht zusteht. Würde ihm dies jedoch gewährt, hätte er bereits auf diesem Wege erreicht, was er sonst im Klageweg mit ungewissem Ausgang noch hätte erstreiten müssen. Da dies keine akzeptable Praxis wäre, hat sich in solchen Konstellationen das sogenannte in camera-Verfahren allgemein etabliert. Dieses aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende Verfahren bedeutet, dass die streitigen Dokumente zwar bei Gericht eingereicht werden und von diesem geprüft werden können. Der Kläger erhält dagegen keine Einsicht. Es ist kaum überraschend, dass sich dieses Verfahren auch harscher Kritik ausgesetzt sieht. So wird vorgebracht, es handele sich dabei um ein Geheimverfahren, das wichtige verfahrensrechtliche Errungenschaften in Frage stelle743. Diesen Kritikern ist jedoch zu erwidern, dass die Alternative nicht etwa in einer uneingeschränkten Zugänglichkeit der Dokumente bestehen könnte, sondern nur darin, dass das Gericht die Dokumente gar nicht zu sehen bekäme und sich mit Versicherungen der Behörden zufrieden geben müsste. Aus diesem Blickwinkel erscheint der gefundene Kompromiss durchaus tragbar744. Dementsprechend gehört das in camera-Verfahren zu Recht nicht nur schon seit längerem zur Praxis gemäß dem zur Zeit der ablehnenden Entscheidung des Rates geltenden Beschluss 93/731/EG. 741 EuG, Rs. T-156/97, Berge/Kommission, Slg. 1997, S. II-2097, Rdnrn. 12–14. 742 Sokol, Datenschutz versus Informationszugang, DuD 1997, S. 380 (381). 743 Giesen, Grundrecht auf Informationszugang, DuD 1997, S. 588 (591): „bedauerlicher Rückschritt“ in der fair-trial-Kultur. 744 Hirschberger, Zugang des Bürgers zu staatlichen Informationen, S. 174 f.; Mengel, Akteneinsicht in Verwaltungsverfahren, Die Verwaltung 1990, S. 377 (390);

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der Gemeinschaftsgerichte745, sondern es ist inzwischen auch im Verfahrensrecht verankert746.

III. Rechtsschutz für Dritte Die Frage des Rechtsschutzes stellt sich nicht nur für den Antragsteller, dessen Antrag auf Dokumentenzugang abschlägig beschieden worden ist. Wie ein Blick in den Ausnahmenkatalog deutlich macht, beabsichtigt die Verordnung 1049/2001 ebenso den Schutz privater Interessen vor Beeinträchtigung durch informationssuchende Bürger. Auch das Interesse der Mitgliedstaaten, über die Zugänglichkeit der von ihnen stammenden Dokumente selbst zu befinden, wird respektiert. Für diese Fälle ist ebenfalls zu untersuchen, inwieweit ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist. 1. Dritte Urheber Gemäß Art. 4 Abs. 4 VO 1049/01 ist das Organ grundsätzlich gehalten, dritte Urheber von Dokumenten zu konsultieren, um zu beurteilen, ob eine Ausnahme einschlägig ist. Anderes gilt nur, wenn das Dokument offensichtlich verbreitet werden kann oder der Zugang offenkundig zu verweigern ist. Die Konsultationspflicht ist allerdings nur ein formelles Beteiligungserfordernis. Die dabei vom Dritten geäußerte Einschätzung bindet das Organ nicht, sondern es trifft eine eigenständige Entscheidung. Kommt das Organ Sokol, Datenschutz versus Informationszugang, DuD 1997, S. 380 (381); Margedant, Das „in camera“-Verfahren, NVwZ 2001, S. 759 (760). 745 Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 394 unter Verweis auf EuGH, Rs. 155/79, AM&S/Kommission, Slg. 1982, S. 1575, Rdnrn. 33 ff. Dort stand zwar nicht das hier behandelte Dokumentenzugangsrecht im Raum, aber es ging um die vergleichbare Frage, ob die Kommission Zugang zu bestimmten Unterlagen verlangen kann, die die Klägerin geheim halten wollte. Der Gerichtshof prüfte den Inhalt der streitigen Dokumente, ohne der Kommission Einblick zu gewähren und machte insoweit eine Ausnahme zum grundsätzlich umfassenden prozessualen Akteneinsichtsrecht der Prozessbeteiligten, vgl. Lasok, The European Court of Justice, S. 380 f. Auch das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 99 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 VwGO in Fällen wie den hier diskutierten wegen Unverhältnismäßigkeit gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoße und stattdessen auf das mildere Mittel des in camera-Verfahrens zurückzugreifen sei, BVerfGE 101, S. 106 (127 f.). 746 Vgl. Art. 65 lit. b), 66 § 1, 67 § 3 Abs. 3 Verfahrensordnung EuG, ABl. 2001, Nr. C 34, S. 55. Diese Regelungen wurden beispielsweise in EuG, Rs. T-211/ 00, Kuijer/Rat II, Slg. 2002, S. II-485, Rdnr. 21; Rs. T-111/00, BAT Tobacco/Kommission I, Slg. 2001, S. II-2997, Rdnr. 15 f., Rs. T-36/00, Elder/Kommission, Slg. 2001, S. II-607 angewendet.

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zu der aus Sicht des Dritten unzutreffenden Einschätzung, die Freigabe des Dokuments verstoße nicht gegen Interessen des Dritten, wie sie in den Ausnahmetatbeständen geschützt sind, so bleibt nur der Weg der Beschwerde zum Bürgerbeauftragten gemäß Art. 195 EGV oder der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EGV, gerichtet gegen die Entscheidung, die Dokumente freizugeben747. Obwohl nicht Adressat dieser Entscheidung748, ist der Dritte doch klagebefugt gemäß Art. 230 Abs. 4 EGV, da sie ihn im Hinblick auf seine durch die Verordnung 1049/2001 geschützten Interessen unmittelbar und individuell betrifft749. Ebenso dürfte in diesem Fall ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß Art. 242 Satz 2 EGV zulässig sein. Nach Art. 242 Satz 2 EGV kann der Gerichtshof die Umsetzung eines angefochtenen Rechtsakts aussetzen; eine Folge, die sich gemäß Art. 242 Satz 1 EGV regelmäßig nicht bereits aus der Klageerhebung ergibt750. Ein wesentlicher Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, dass die Zulässigkeit des Antrags nach Art. 242 Abs. 2 EGV eine anhängige Klage voraussetzt und diese wiederum erst nach Erlass eines anfechtbaren Rechtsakts möglich ist751. Das Gemein747 Siehe EuGH, Rs. 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, S. 1965. Dort wurde im Bereich des Wettbewerbsrechts einem Antrag auf Akteneinsicht eines beschwerdeführenden Unternehmens durch die Kommission entsprochen. Der Gerichtshof erklärte die Klage des von der wettbewerbsrechtlichen Untersuchung betroffenen Unternehmens für zulässig, die dieses mit der Begründung erhoben hatte, durch die Gewährung der Akteneinsicht sei sein Recht auf vertrauliche Behandlung von Geschäftsgeheimnissen verletzt worden. Vgl. auch European Commission, Dealing with the Commission, S. 51. 748 Entschieden wird nämlich über den Antrag auf Dokumentenzugang. Adressat dieser Entscheidung ist der Antragsteller, auch wenn sie einen Dritten in geschützten Rechtspositionen betreffen sollte. 749 Die individuelle Betroffenheit bestimmt sich nach der so genannten Plaumann-Formel, geprägt in EuGH, Rs. 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, S. 213 (238). Die Klagebefugnis wird in dem hier diskutierten Fall nicht vom Ausgang der gegenwärtigen Auseinandersetzung zwischen dem Gerichtshof und dem Gericht erster Instanz über eine gebotene Modifikation oder gar Aufgabe der Plaumann-Formel betroffen. Vgl. dazu einerseits EuG, Urteil vom 3. Mai 2002, Rs. T-177/01, Jégo-Quéré, und andererseits EuGH, Urteil vom 25. Juli 2002, Rs. C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores (beide Urteile noch nicht in amtlicher Sammlung). Streitig ist insoweit allein, ob es der Klagebefugnis entgegensteht, dass neben dem unzweifelhaft rechtlich betroffenen Kläger noch eine nicht abgegrenzte Anzahl weiterer Betroffener denkbar ist. Im vorliegenden Fall scheidet eine Betroffenheit weiterer Personen jedenfalls aus. Vgl. zur Kontroverse um die Plaumann-Formel Dittert, Effektiver Rechtsschutz gegen EG-Verordnungen: Zwischen Fischfangnetzen, Olivenöl und kleinen Landwirten, EuR 2002, S. 708 und die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs, Rs. C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores, vom 21. März 2002 (noch nicht in amtlicher Sammlung). 750 Anderes gilt im deutschen Recht, vgl. § 80 Abs. 1 VwGO.

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schaftsrecht kennt damit nur einen vorläufigen, nicht aber einen vorbeugenden Rechtsschutz. Damit können sowohl die Klage als auch die vorläufige Aussetzungsanordnung das Rechtsschutzziel – die Nichtherausgabe der Dokumente – nur dann wirksam erfüllen, wenn das Organ verpflichtet wäre, dem betroffenen Dritten die Beschreitung des Rechtsweges vor Vollzug der Entscheidung zu ermöglichen. Eine solche Verpflichtung hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache AKZO Chemie/Kommission zumindest für den Bereich der Geschäftsgeheimnisse aufgestellt752. Zur Begründung verweist der Gerichtshof auf außerordentlich schwere Schäden, die durch die unberechtigte Weiterleitung von Geschäftsgeheimnissen an Wettbewerber entstehen könnten753. Im Hinblick auf die Möglichkeit, die Klage mit einem Aussetzungsantrag gemäß Art. 242 S. 2 EGV zu verbinden, braucht die dem Dritten zur Beschreitung des Rechtsweges eingeräumte Frist nicht besonders lang zu sein754. Wenngleich dies noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gewesen ist, so spricht doch viel dafür, diesen Grundsatz ebenfalls anzuwenden, wenn es um den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b) VO 1049/01 geht755. Auch insoweit drohen nämlich schwere Schäden, wenn Informationen zu Unrecht weitergegeben werden756. Während der Umsetzungsbeschluss des Parlaments757 überhaupt nichts zum Rechtsschutz des Dritten aussagt, tragen die neuen Geschäftsordnun751

Schwarze, in: ders., EGV, Art. 242, Rdnr. 8; Hobe, Europarecht, Rdnr. 199; Koenig/Haratsch, Europarecht, Rdnr. 392. 752 Vgl. dazu auch Europäische Kommission, Dealing with the Commission, S. 50; Due, Le respect des droits de la défense dans le droit administratif communautaire, CDE 1987, S. 383 (394). 753 EuGH, Rs. 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, S. 1965, Rdnr. 29. 754 In Wettbewerbssachen gewährt die Kommission mindestens eine Woche, Art. 5 Abs. 4 der Entscheidung der Kommission 94/810/EGKS, EG vom 12. Dezember 1994 über das Mandat des Anhörungsbeauftragten, ABl. 1994, Nr. L 330, S. 67; vgl. auch European Commission, Dealing with the Commission, S. 50. 755 Soweit es dabei um personenbezogene Daten geht, könnte man zwar auch Art. 18 lit. b) Datenschutzverordnung, der allein ein Widerspruchsrecht gegenüber dem Organ gewährt, als abschließende Sonderregelung ansehen. Allerdings ist schwer einzusehen, warum Geschäftsgeheimnisse stärker geschützt sein sollten als personenbezogene Daten. 756 Für eine Übertragung der AKZO-Rechtsprechung auf das Dokumentenzugangsrecht spricht sich auch Heitsch, Die Transparenz der Entscheidungsprozesse als Element demokratischer Legitimation der Europäischen Union, EuR 2001, S. 809 (824 f.) aus. 757 Beschluss des Präsidiums vom 28. Januar 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, ABl. 2001, Nr. C 374, S. 1.

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gen von Rat758 und Kommission759 den oben genannten Grundsätzen Rechnung. In deren Vorschriften heißt es, dass der Dritte zu informieren ist, wenn das Organ die Freigabe eines von diesem stammenden Dokuments erwägt, obwohl der Dritte sich dagegen ausgesprochen hat760. Unter Verweis auf die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes761 wird dem Dritten eine Frist von mindestens zehn Tagen gewährt, um notfalls Rechtsschutz zu suchen. Diese ganze Konstruktion trägt allerdings nur, wenn man die Mitteilung des Organs an den Dritten, dass es beabsichtige, die Dokumente freizugeben, als anfechtbare Entscheidung ansieht762. Ohne eine solche sind, wie gezeigt, weder Hauptsache- noch Eilrechtsschutz zulässig. Diese Interpretation ist jedoch möglich, da immerhin über die Schutzwürdigkeit der Rechtspositionen des Dritten zu diesem Zeitpunkt bereits abschließend entschieden worden ist763. Auch der Gerichtshof dürfte dies akzeptieren, da er in seiner oben beschriebenen Rechtsprechung gerade einen solchen Verfahrensablauf gefordert hatte.

758

Vgl. Beschluss 2002/682/EG, Euratom des Rates vom 22. Juli 2002 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung, ABl. 2002, Nr. L 230, S. 7, Anhang II (S. 21). 759 Vgl. Beschluss der Kommission 2001/937/EG, EGKS, Euratom vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. 2001, Nr. L 345, S. 94. 760 Art. 2 Abs. 4 Anhang II Geschäftsordnung Rat; Art. 5 Abs. 6 Geschäftsordnung Kommission. 761 Die Geschäftsordnung des Rates nennt insoweit Art. 243 EGV. Art. 242 Satz 2 EGV dürfte allerdings auch grundsätzlich einschlägig sein. Da die Mitteilung des Rates an den Dritten einzig denkbarer Gegenstand einer Klage sein kann, und ihr dafür zugleich Rechtswirkungen zugebilligt werden müssen, erscheint es konsequent, insoweit eine Aussetzung gemäß Art. 242 Satz 2 zu verfolgen. Denkbar ist ebenfalls eine einstweilige Untersagung der Freigabe durch das Gericht gemäß Art. 243 EGV. Da jedoch im Gemeinschaftsrecht kein Vorrangverhältnis des Suspensivrechtsschutzes bestimmt ist, wie ihn zum Beispiel § 123 Abs. 5 VwGO ausdrücklich anordnet, kann diese Frage wohl letztlich offenbleiben. Die Geschäftsordnung der Kommission spricht demgegenüber nur allgemein von „Rechtsmitteln“, die eine Freigabe verhindern können. 762 Vgl. Niedermühlbichler, Verfahren vor dem EuG und dem EuGH, Rdnr. 179. 763 Vgl. EuGH, Rs. 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, S. 1965, Rdnrn. 16–20. Ebendort hält der Gerichtshof auch fest, dass sich das Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigkeitsklage nicht etwa in dem Moment erledigt, in dem der Dokumentenzugang gewährt wird. Das weiter gehende Interesse an der Aufhebung der Freigabeentscheidung der Kommission bestehe darin, die Weiterleitung der Dokumente rechtswidrig werden zu lassen und Wiederholungen zu verhindern (Rdnr. 21). Die Anerkennung eines solchen „Fortsetzungs“anfechtungsinteresses hilft somit über das Problem hinweg, dass dem Kläger im Gemeinschaftsrecht keine Fortsetzungsfeststellungsklage im Falle eines Vollzugs des angefochtenen Aktes zur Verfügung steht.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

2. Dritte, die nicht Urheber sind Unbefriedigend gelöst ist dagegen in den Geschäftsordnungen von Rat und Kommission die Frage des Rechtsschutzes solcher Betroffenen, denen eine Beeinträchtigung geschützter Interessen droht, obwohl sie nicht Urheber der fraglichen Dokumente sind. Relevant wird dies beispielsweise, wenn ein von den Organen erstelltes Dokument Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten enthält. Wie bereits dargestellt wurde, sieht die Verordnung 1049/2001 in solchen Fällen keine Konsultationspflicht vor. Ebenso wenig ist diese Konstellation in den Geschäftsordnungen der Organe berücksichtigt. Dennoch, auch dies wurde bereits erörtert, gelten die Grundsätze der AKZO-Rechtsprechung auch in diesem Fall. Die dort geforderte Anhörung und Eröffnung von Rechtsschutzmöglichkeiten rechtfertigt sich nämlich nicht aus der Urheberschaft des Dritten, sondern aus einer drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Rechte. In dieser Hinsicht besteht also Handlungsbedarf, wenn sich die Organe im Einklang mit diesen vom Gerichtshof aufgestellten Prinzipien bewegen wollen. 3. Mitgliedstaaten als Urheber Mitgliedstaaten als Urheber eines Dokuments befinden sich demgegenüber in einer privilegierten Position. Zwar ist der Rechtsschutz, der ihnen zur Verfügung steht, mit den gleichen Schwächen behaftet, die bereits im vorangegangenen Punkt beschrieben worden sind. Außerdem scheidet natürlich in ihrem Fall eine Beschwerde beim Bürgerbeauftragten gemäß Art. 195 EGV mangels Beschwerdeberechtigung als Rechtsbehelf aus. Allerdings sind Mitgliedstaaten zusätzlich durch das Vetorecht gemäß Art. 4 Abs. 5 VO 1049/01 geschützt. Dieses kann in jedem Verfahrensstadium geltend gemacht werden. Nur für den Fall, dass sich das Organ – was kaum vorstellbar ist – über ein solches Veto hinwegsetzen sollte, müsste der betreffende Mitgliedstaat gegen die Entscheidung über die Freigabe des Dokuments mit den bereits geschilderten Nachteilen klagen. Umgekehrt, das sei hier noch kurz erwähnt, besteht für den Antragsteller keine Möglichkeit, sich gegen ein Veto eines Mitgliedstaates zur Wehr zu setzen. Eine Anfechtung des Vetos könnte ohnehin nur vor nationalen Gerichten erfolgen, da das Gemeinschaftsrecht dafür keinen Rechtsbehelf vorsieht. Aber auch dort bestehen keine Erfolgsaussichten, da das Veto nicht an einen Tatbestand geknüpft ist, sondern ohne Angabe von Gründen erklärt werden kann. Es fehlt also an jeglichem Maßstab für die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit, aufgrund dessen ein Gericht eine Entscheidung treffen könnte.

E. Verhältnis zu speziellen Zugangsregelungen

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E. Verhältnis zu speziellen Zugangsregelungen Schließlich bleibt noch das Verhältnis zu untersuchen, in dem die Verordnung 1049/2001 zu anderen Rechtsvorschriften steht, die den Zugang zu Dokumenten der Organe zum Gegenstand haben. Wegen der besonderen Interessenlage werden die Zugangsrechte, die für Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens gelten, getrennt von den übrigen Regelungen erörtert.

I. Zugangsrechte für Verfahrensbeteiligte Allgemein haben Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens ein Recht, Einblick in die das Verfahren betreffenden Informationen der Organe zu erhalten, sofern sie nicht einer besonderen Vertraulichkeit unterliegen764. Dieses Informationsrecht wird vor allem in Form des Dokumentenzugangs realisiert, der in diesem Fall mit dem Begriff der Akteneinsicht765 beschrieben wird. Hinter diesem Erfordernis steht das Gebot, den Verfahrensbeteiligten ein faires Verfahren zu sichern, in dem insbesondere der Grundsatz des rechtlichen Gehörs766 und der „Waffengleichheit“767 beachtet wird. Die Betroffenen sollen Gelegenheit haben, zu der bevorstehenden Entscheidung Stellung zu nehmen. Dies ist nur möglich, wenn sie über den Informationsstand, auf dessen Grundlage die Behörde zu entscheiden gedenkt, im Klaren sind. Die Rechtsprechung entwickelte das Akteneinsichtsrecht auf dieser Basis zu einem selbständigen Verfahrensrecht768. Entsprechende Regelungen über die Akteneinsicht gibt es hauptsächlich in den Bereichen des Wettbewerbs- und des Antidumpingrechts, in denen 764

Dies gilt auch im deutschen Recht, vgl. Art. 29 VwVfG. Im Englischen „Access to the file“. 766 Prinzip audi alteram partem, siehe EuG, verb. Rs. T-134/94 u. a., NMH Stahlwerke GmbH/Kommission, Slg. 1996, S. II-537, Rdnr. 74; EuGH, verb. Rs. 56 und 58/64, Consten/Kommission, Slg. 1966, S. 322 (385). Auch im deutschen Recht ist dies der tragende Gesichtspunkt für die Gewährung eines Akteneinsichtsrechts im Verwaltungsverfahren. Zwar ist die grundgesetzliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in Art. 103 Abs. 1 GG auf das Verwaltungsverfahren nicht anwendbar; sie lässt sich aber stattdessen aus dem Rechtsstaatsprinzip, BVerfGE 27, S. 88 (103) – Einfuhrkontrolle, und dem Schutz der Menschenwürde herleiten, Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 103, Rdnr. 93. Vgl. ferner EuGH, Rs. 85/76, HoffmannLa Roche/Kommission, Slg. 1979, S. 461, Rdnr. 9. 767 EuG, Rs. T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, S. II-1775, Rdnr. 83; Idot, La transparence dans les procédures administratives, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne: mythe ou principe juridique?, S. 121 (130). 768 Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (192); Vesterdorf, Complaints concerning infringements of competition law within the context of European Community law, CMLR 1994, S. 77 (88). 765

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

regelmäßig Verwaltungsverfahren mit Beteiligung juristischer Personen des Privatrechts stattfinden769. Diese versuchen, einen Ausgleich zu finden zwischen den Verteidigungsrechten der Verfahrensbetroffenen und den schutzwürdigen Interessen an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen, insbesondere von Geschäftsgeheimnissen770. Betrachtet man die fundamentalen Interessen, die hinter dem Akteneinsichtsrecht stehen, so kann man sich der Einschätzung kaum verschließen, dass ihm ein gegenüber dem Dokumentenzugangsrecht für die breite Öffentlichkeit mindestens ebenbürtiger Stellenwert zuwächst771. Es wäre also nicht haltbar, wenn Verfahrensbeteiligte über die Verordnung 1049/2001 einen umfangreicheren Zugang zu den Akten erhielten als über ihre speziellen Akteneinsichtsrechte772. Das heißt wiederum aber nicht, dass Verfahrensbeteiligte nicht die Möglichkeit hätten, sich trotz ihrer besonderen Stellung auf das allgemeine Dokumentenzugangsrecht zu berufen773. Das Akteneinsichtsrecht ist somit keine lex specialis zur Verordnung 1049/2001, sondern beide Ansprüche stehen nebeneinander774. Dieses Nebeneinander von Dokumentenzugangsrecht gemäß der Verordnung 1049/2001 und verfahrensrechtlichem Akteneinsichtsrecht stellt weder einen Widerspruch noch eine überflüssige Regelungshäufung dar775. Beide Rechte ruhen, wie gezeigt, auf verschiedenen Fundamenten, sollen verschiedene Funktionen erfüllen und können schließlich auch unterschiedliche Folgen nach sich ziehen. Wenn beispielsweise eine Akteneinsicht verweigert wird, die aus verfahrensrechtlichen Gründen geboten war, bewirkt dies re769 Ausführlichere Darstellungen des Akteneinsichtsrechts in Wettbewerbssachen finden sich beispielsweise bei Levitt, Access to the file: the Commission’s administrative procedures under Articles 85 and 86, CMLR 1997, S. 1415 ff.; Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (910 ff.). 770 Vgl. EuG, Rs. T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, S. II-1775, Rdnr. 88. 771 O’Neill, The Right of Access to Community-Held Documentation, EPL 1998, S. 403 (405). 772 Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (158); ebenso Levitt, Access to the file: the Commission’s administrative procedures under Articles 85 and 86, CMLR 1997, S. 1415 (1435) für die frühere Rechtslage. 773 Diese Frage wird oft praktisch, da Antragsteller sich vielfach auf das Dokumentenzugangsrecht im Zusammenhang mit Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren berufen, an denen sie selbst beteiligt sind, vgl. Kadelbach, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 2001, S. 179 (191 f.). 774 EuG, Rs. T-92/98, Interporc/Kommission II, Slg. 1999, S. II-3521, Rdnrn. 44 f., dort hat das Gericht dies für das Verhältnis des allgemeinen Dokumentenzugangsrechts und des Akteneinsichtsrechts festgestellt, das den Parteien eines gerichtlichen Verfahrens zusteht. 775 So aber Calliess, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, EuZW 2001, S. 261 (263) in Bezug auf Art. 41 und 42 EU-Charta.

E. Verhältnis zu speziellen Zugangsregelungen

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gelmäßig die Aufhebung der Sachentscheidung wegen eines schweren Verfahrensfehlers. Diese Folgewirkung hat das Dokumentenzugangsrecht nach der Verordnung 1049/2001 nicht. Was dagegen die Rechtmäßigkeit der Zugangsverweigerung selbst betrifft, so ist diese beim Akteneinsichtsrecht vor Gericht nur dann erheblich, wenn der Kläger geltend machen kann, dass die Dokumente für eine effektive Verteidigung benötigt wurden776. Eine solche Beschränkung besteht wiederum beim Zugangsrecht nach der Verordnung 1049/2001 nicht777.

II. Weitere Vorschriften Wird ein System der Aktenöffentlichkeit in eine Rechtsordnung eingefügt, die unter der Geltung des Geheimhaltungsprinzips gewachsen ist, ergeben sich notwendig zahlreiche Normkonflikte, die der Auflösung bedürfen778. Nun ist es zwar nicht so, dass die Verordnung 1049/2001 das erste Regime für einen Dokumentenzugang in der Gemeinschaft aufstellt; solche Regelungen bestehen vielmehr, wie gezeigt, schon seit 1993. Allerdings gibt es immer noch Nachwirkungen der Geheimhaltungstradition; der „Solana-Beschluss“ ist hierfür sicher ein gutes Beispiel. Darüber hinaus stellt die Verordnung 1049/2001 in der Tat einen gewissen Neubeginn dar, da sie einem Recht Ausdruck verleiht, dessen fundamentaler Rang erstmals durch die Regelungen des Art. 255 EGV und Art. 42 EU-Charta anerkannt ist. Damit kann das Zugangsrecht bestehende Beschränkungen in anderen Vorschriften gegebenenfalls überwinden. Dies war im Hinblick auf die abgelösten Beschlüsse nicht der Fall. Letztere konnten allenfalls bewirken, dass die bestehenden speziellen Geheimhaltungsvorschriften im Lichte des Ziels größtmöglichen Dokumentenzugangs ausgelegt werden mussten, wie es in den Zugangsbeschlüssen formuliert war779. Das nunmehr bestehende Vorrangverhältnis der Verordnung 1049/2001 gegenüber speziellen Geheimhaltungsvorschriften kommt schon im zwölften Erwägungsgrund zum Ausdruck, wonach alle Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten der Organe mit der Verordnung 1049/2001 in Einklang stehen sollten. In Umsetzung dieses Gebots verpflichtet Art. 18 VO 1049/01 die Kommission, die Vereinbarkeit geltender Vorschriften über den Dokumentenzugang und darunter insbesondere der Verordnung über 776

EuGH, Rs. C-51/92 P, Hercules/Kommission, Slg. 1999, S. I-4235, Rdnr. 81. Vgl. dazu Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (561). 778 Lübbe-Wolff, Das niederländische Gesetz über die Verwaltungsöffentlichkeit, Die Verwaltung 1980, S. 339 (354). 779 EuG, Rs. T-123/99, JT’s Corporation/Kommission, Slg. 2000, S. II-3269, Rdnr. 50. 777

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft780 mit der Verordnung 1049/2001 zu überprüfen. In Erfüllung dieser Verpflichtung hat die Kommission im August 2002 einen Vorschlag zur Änderung der Archiv-Verordnung vorgelegt781. Darin ist beispielsweise vorgesehen, dass der prinzipielle Ausschluss ganzer Dokumentenkategorien, wie er bisher die ArchivVerordnung kennzeichnete, aufgehoben werden soll, da er nicht mit der Verordnung 1049/2001 vereinbar ist782. Dafür greifen aber Einschränkungen, die die Verordnung 1049/2001 selbst enthält, beispielsweise zum Schutz von Privatsphäre, Geschäftsgeheimnissen und sensiblen Dokumenten783, bei denen gemäß Art. 4 Abs. 7 VO 1049/01 im Bedarfsfalle ein zeitlich unbegrenzter Geheimnisschutz möglich ist. Diese Änderung ermöglicht prinzipiell einen Zugang und beschränkt den Schutz auf das nötige Maß. Sie stellt daher einen bedeutenden Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage dar. Gleichzeitig lässt sich anhand des Vorschlages für eine neue Archiv-Verordnung auch beispielhaft das teilweise schwierige Verhältnis von bestehenden Geheimschutzvorschriften und neu geschaffenen Transparenzregelungen aufzeigen. So sieht die Euratom-Verordnung Nr. 3784 aus dem Jahre 1958 vor, dass bestimmte Dokumente, deren Verbreitung die Verteidigungsinteressen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten beeinträchtigen würde, als Euratom-Verschlusssachen in verschiedene Geheimhaltungsstufen eingeteilt werden können785. Allen diesen Geheimhaltungsstufen ist jedoch gemeinsam, dass die Dokumente nicht öffentlich zugänglich sind. Aus diesem Grunde hatte schon bisher Art. 3 Abs. 1 lit. a) ArchivVO alle nach der Euratom-Verordnung Nr. 3 als Verschlusssachen eingestuften Dokumente vom Zugang zu den Archiven ausgeschlossen. Die Kommission hat in konsequenter Anwendung der Rechtssache Deutsche Babcock786 entschieden, 780 Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 354/83 des Rates vom 1. Februar 1983 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft; ABl. 1983, Nr. L 43, S. 1; im Folgenden auch mit ArchivVO bezeichnet. 781 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 354/83 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft, vom 19. August 2002, Dok.Nr. KOM(2002) 462 endg.; im Folgenden auch mit Entwurf ArchivVO bezeichnet. 782 Entwurf ArchivVO, Begründung S. 2 f. 783 Entwurf ArchivVO, Art. 1 Abs. 2. 784 Verordnung Nr. 3 des EAG Rates vom 31. Juli 1958 zur Anwendung des Artikels 24 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl.1958, Nr. 17, S. 406. 785 Die Geheimhaltungsstufen sind in Art. 10 Euratom-Verordnung Nr. 3 aufgeführt.

F. Zugang zu Dokumenten anderer Institutionen

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dass es sich bei der Euratom-Verordnung Nr. 3 um eine lex specialis gegenüber der Verordnung 1049/2001 handele und daher keine Anpassung des Art. 3 Abs. 1 lit. a) ArchivVO geboten sei787. Mit dieser Ausnahme lässt sich festhalten, dass die speziellen Geheimhaltungsvorschriften keine besonderen Probleme aufwerfen werden. Wenn sie mit der Verordnung 1049/2001 grundsätzlich im Einklang stehen, können sie weiter angewendet werden. Bei ihrer Auslegung ist jedoch der Verordnung 1049/2001 und dem dahinter stehenden fundamentalen Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten der Organe Rechnung zu tragen. Soweit sie dagegen mit der Verordnung 1049/2001 in Widerspruch stehen, müssen sie hinter dieser beziehungsweise hinter Art. 255 EGV in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 EUV zurücktreten.

F. Zugang zu Dokumenten anderer Institutionen Nachdem damit das Recht auf Zugang zu Dokumenten von Kommission, Rat und Parlament umfassend erörtert ist, soll dieses Recht zum Abschluss der Untersuchung in den Gesamtkontext des institutionellen Gefüges gestellt werden. Das heißt, es soll die Frage aufgeworfen werden, welche Auswirkungen die neue Rechtsentwicklung auf die nicht in Art. 255 EGV genannten Institutionen hat.

I. Von Organen geschaffene Einrichtungen Einen intensiv diskutierten Sonderfall stellen die vom Rat788 geschaffenen Einrichtungen789 dar, denen Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen worden sind. Diese Einrichtungen verfügen über eine eigene Rechtspersönlichkeit, sind also keine bloßen Dienststellen der Organe790. Beispiele sind etwa die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die Europäische Umweltagentur, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt oder die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen 786

Siehe dazu schon oben „B. II. 4. Erstreckung auf alle Gemeinschaften“. Entwurf ArchivVO, Begründung S. 4. 788 Eine gewisse Ausnahme bildet das Europäische Amt zur Betrugsbekämpfung (OLAF), das von der Kommission errichtet worden ist und dessen Kompetenzen näher in einer Verordnung des Rates und des Parlaments geregelt sind; vgl. Uerpmann, Mittelbare Gemeinschaftsverwaltung durch gemeinschaftsgeschaffene juristische Personen des öffentlichen Rechts, AöR 2000, S. 551 (567). 789 Die Bezeichnung dieser Einrichtungen variiert (Amt, Agentur, Zentrum, Stiftung, Beobachtungsstelle, Behörde). 790 Schwartz, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EGV, Art. 235, Rdnr. 306. 787

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

und Drogensucht791. Rechtsgrundlage für die Errichtung dieser Einrichtungen ist mangels spezieller vertraglicher Ermächtigung regelmäßig Art. 308 EGV792. Betont man den Charakter der Agenturen und Ämter als abgeleitete Verwaltungseinrichtungen, die ihre Entstehung einer Kompetenzdelegation durch die Organe verdanken, so muss man zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass sich Art. 255 EGV und das darauf gestützte Sekundärrecht auch auf diese Einrichtungen erstrecken793. Ihre Aufgaben wären nämlich ohne Delegation regelmäßig durch die Kommission zu erfüllen gewesen, und dann hätte die Verordnung 1049/2001 auf die mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden Dokumente natürlich Anwendung gefunden794. Es ist nicht denkbar, dass die Einrichtung neuer Verwaltungseinheiten die Möglichkeit eröffnet, Teile des Verwaltungshandelns der Gemeinschaft dem Informationsanspruch zu entziehen795. 791 Für eine vollständige Liste der Einrichtungen siehe http://europa.eu.int/agencies/index_de.htm; vgl. auch Uerpmann, Mittelbare Gemeinschaftsverwaltung durch gemeinschaftsgeschaffene juristische Personen des öffentlichen Rechts, AöR 2000, S. 551 (554 ff.). 792 Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 86, 93. Schwartz, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EGV, Art. 235, Rdnr. 281 nennt neben Art. 308 EGV noch weitere Kompetenzzuweisungen, aufgrund derer der Rat neue Einrichtungen schaffen darf. So wurde die Errichtung der Europäischen Umweltagentur auf Art. 130s Abs. 1 EGV a. F. gestützt. Für eine grundsätzliche Befugnis des Rates zur Schaffung neuer, selbständiger Einrichtungen spricht auch die Formulierung in Art. 220 Abs. 1 lit. c) EGV, wonach der Gerichtshof über „die Auslegung der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen“ entscheidet, vgl. Schwartz, a. a. O., Rdnr. 280; Uerpmann, Mittelbare Gemeinschaftsverwaltung durch gemeinschaftsgeschaffene juristische Personen des öffentlichen Rechts, AöR 2000, S. 551 (558 f.). 793 Wölker, Transparenz in der Europäischen Union, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung in der Europäischen Union, S. 103 (106); Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S.385, EuGH, Rs. 9/56, Meroni/ Hohe Behörde, Slg. 1958, S. 11 (40); a. A. Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (57); Griller/Droutsas/Falkner, Treaty of Amsterdam, S. 355. 794 Dewost, La transparence dans les institutions communautaires, in: Le Tribunal de Première Instance des Communautés Européennes 1989–1999, S. 103 (107). 795 In diesem Sinne auch Curtin, Open Decision-Making and EU (Political) Citizenship, in: O’Keeffe/Twomey, Legal Issues of the Amsterdam Treaty, S. 71 (79); Uerpmann, Mittelbare Gemeinschaftsverwaltung durch gemeinschaftsgeschaffene juristische Personen des öffentlichen Rechts, AöR 2000, S. 551 (561): „Einheiten, die durch einseitigen, gemeinschaftsrechtlichen Hoheitsakt gegründet werden, verbleiben zwingend im Rahmen dieser Rechtsordnung.“ Zum Problem der Geltungserhaltung von Dokumentenzugangsansprüchen bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf quasi-staatliche oder private Einrichtungen ausführlich Roberts, Structural Pluralism and the Right to Information.

F. Zugang zu Dokumenten anderer Institutionen

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Die Verordnung 1049/2001 selbst enthält dazu keine klare Aussage. Zwar heißt es im achten Erwägungsgrund, dass im Interesse einer Geltung der Verordnung für alle Tätigkeiten der Union sämtliche von den Organen geschaffenen Einrichtungen die in der Verordnung festgelegten Grundsätze anwenden sollten. In ihrem Regelungstext verwendet die Verordnung 1049/ 2001 dann aber einen engen Organbegriff. Lediglich in Art. 9 Abs. 1 VO 1049/01 ist von Einrichtungen, die durch die Organe geschaffen wurden, explizit die Rede. Das spricht systematisch dafür, dass sie ansonsten nicht vom Begriff des Organs umfasst sind. Dennoch ist zu erwarten, dass die notwendige Angleichung der Dokumentenzugangsregeln von Organen und abgeleiteten Einrichtungen in absehbarer Zeit Realität wird796. Am 27. Juni 2001 verabschiedeten Parlament, Rat und Kommission eine gemeinsame Erklärung797, in der die Absicht festgehalten ist, künftig zu schaffende Einrichtungen an vergleichbare Vorschriften zu binden, wie sie in der Verordnung 1049/2001 enthalten sind und die Rechtsakte über die Errichtung der bestehenden Einrichtungen möglichst schnell in dieser Hinsicht anzupassen798.

II. Andere Institutionen Die soeben beschriebenen Einrichtungen leiten ihre Befugnisse von den in Art. 255 EGV genannten Organen ab. Es ging mithin um die vertikale Reichweite des Zugangsrechts799. Daneben sind aber auch Einrichtungen zu betrachten, die entweder selbst Organe sind oder doch derart selbständig neben Rat, Parlament und Kommission stehen, dass nicht mehr die vertikale, sondern vielmehr die horizontale Erstreckung des Zugangsrechts 796 Die Einrichtungen haben zum großen Teil bereits Dokumentenzugangsvorschriften, siehe den Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament vom 15. Dezember 1997 (616/PUBAC/F/IJH), ABl. 1998, Nr. C 44, S. 9. Dennoch stellt sich die Frage, ob sie an den Standard des Art. 255 EGV und der Verordnung 1049/2001 gebunden sind. 797 ABl. 2001, L 173, S. 5. 798 Dabei ist darauf zu achten, dass auch ein effektiver Rechtsschutz gesichert ist. Da Art. 230 EGV diese selbständigen Einrichtungen seinem Wortlaut nach nicht erfasst, kommt nur eine analoge Anwendung – beispielsweise unter Rückgriff auf EuGH, Rs. 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, S. 1339, Rdnr. 24 f. – oder eine sekundärrechtliche Rechtswegeröffnung in Betracht. Näher dazu Uerpmann, Mittelbare Gemeinschaftsverwaltung durch gemeinschaftsgeschaffene juristische Personen des öffentlichen Rechts, AöR 2000, S. 551 (571 ff.). 799 Diese Bezeichnung verkennt nicht den selbständigen Charakter der soeben behandelten Einrichtungen, betont aber, dass sie sowohl in ihrer Entstehung und als auch der Ausgestaltung ihres Aufbaus und ihrer Tätigkeit von den Organen abhängen.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

zur Diskussion steht800. Gemeint sind damit zunächst die in Art. 7 EGV genannten Institutionen Gerichtshof, Rechnungshof, Wirtschafts- und Sozialausschuss und Ausschuss der Regionen. Weitere Beispiele sind daneben etwa die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank oder Europol. Diese Institutionen verfügen zum großen Teil über eigene Vorschriften über den Zugang zu ihren Dokumenten801. Diese sind, ebenso wie die früheren Regelungen von Parlament, Rat und Kommission, auf die jeweiligen Geschäftsordnungsermächtigungen gestützt802. Alle Institutionen hätten nunmehr jedenfalls die Möglichkeit, die in der Verordnung 1049/ 2001 enthaltenen Regelungen zu ihren eigenen zu machen803. Rechtsgrundlage bliebe weiterhin die Befugnis zur Regelung eigener Angelegenheiten. Art. 255 EGV scheidet als Rechtsgrundlage aus, da er sich explizit allein auf Parlament, Rat und Kommission bezieht804. Auch Art. 1 Abs. 2 EUV ist als allgemeine Zielvorgabe keine genügende Basis für den Erlass von Rechtsakten. Bei der Frage, ob sich diese Möglichkeit sogar zur Verpflichtung verdichtet und in welchem Maße die Zugangsregeln der anderen Institutionen letztlich denen von Parlament, Rat und Kommission entsprechen müssen, wird wiederum der an früherer Stelle offen gelassene Streit relevant, ob Art. 255 EGV nur Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes ist. Verneint man dies, so ist der Maßstab für die Zugangsregeln der übrigen Organisationen wohl nicht so streng wie bei Parlament, Rat und Kommission, denn dieser ergab sich bei diesen drei Organen aus dem grundrechtsgleichen Charakter, der Art. 255 EGV vor allem mit Blick auf Art. 42 EU-Charta zukam. Beide Normen beanspruchen jedoch über die darin genannten Institutionen hinaus keine Geltung805. Einschlägig wäre in diesem 800 Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (27 ff.). 801 Siehe den Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament vom 15. Dezember 1997 (616/PUBAC/F/IJH), ABl. 1998, Nr. C 44, S. 9. 802 Dyrberg, Citizens of the Union and the Union for the citizens, CED 1999, S. 29 (47). 803 Dazu Mary Preston und Claire Durand in der Anhörung des House of Lords Select Committee for the European Union zum Dokumentenzugang, House of Lords, Public Access to EU Documents, Minutes of Evidence, S. 123, Frage 245. 804 Bock, Zugang zu Dokumenten des Rates der Europäischen Union, Europablätter 2001, S. 57 (57); Griller/Droutsas/Falkner, Treaty of Amsterdam, S. 348, Fn. 1223. 805 Vgl. Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (557); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (14); Kadelbach, Verwaltungskontrollen im Mehrebenen-System der Europäischen Gemeinschaft, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 205 (220); Lewis, in: Léger, EGV, Art. 1, Rdnr. 8; McDonagh, FOI in Ireland and Eu-

F. Zugang zu Dokumenten anderer Institutionen

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Fall allein die Zielvorgabe weitestmöglicher Offenheit aus Art. 1 Abs. 2 EUV806, die für alle Einrichtungen gilt, als Maßstab allerdings kaum justitiabel sein dürfte807. Geht man dagegen davon aus, dass ein ungeschriebener und mit Art. 255 EGV übereinstimmender Rechtsgrundsatz existiert808, so kann man in der Tat eine institutionenübergreifende Kohärenz der Zugangsregeln fordern. Im Folgenden soll noch auf den Europäischen Gerichtshof besonders eingegangen werden, da gerade dessen Dokumentenzugangspolitik in der Vergangenheit besonders kontrovers diskutiert worden ist. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ist zu einem großen Teil transparent. Die Einleitung eines Gerichtsverfahrens wird im Amtsblatt veröffentlicht. Die mündlichen Verhandlungen sind öffentlich809. Wer dort anwesend ist, erfährt den wesentlichen Inhalt des Vorbringens der Parteien aus dem Sitzungsbericht, der in der mündlichen Verhandlung verlesen wird810. Nach der Praxis des Gerichtshofes können Dritte auf Antrag eine Abschrift des Sitzungsberichts erhalten811. Die Generalanwälte stellen ihre Schlussanträge öffentlich812, und auch die Entscheidung des Gerichts wird öffentlich verkündet813. Beides wird zudem in der Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes veröffentlicht814. Nicht zugänglich – und um nicht mehr und nicht weniger dreht sich der Streit über die Transparenz des Gerichtshofes – sind dagegen die Verfahrensakten für eine Kenntnisnahme durch Nichtverfahrensbeteiligte815. Dies gilt rope, IJLI 2001, S. 219 (267); a. A. Castenholz, Bestand und Perspektiven eines Rechts auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten, ERA-Forum 2001, S. 78 (79 f.); Schoo, in: Schwarze, EGV, Art. 255; Rdnr. 13, der meint, die in der Verordnung 1049/2001 festgelegten Grundsätze und Einschränkungen seien verbindliche Leitlinien für alle anderen Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen. 806 Vesterdorf, Transparency: not just a vogue word, FILJ 1999, S. 902 (927); Curtin, Citizens’ fundamental right of access to EU information, CMLR 2000, S. 7 (28); dies., Open Decision-Making and EU (Political) Citizenship, in: O’Keeffe/ Twomey, Legal Issues of the Amsterdam Treaty, S. 71 (77). 807 Gemäß Art. 46 EUV erstreckt sich die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes auch nicht auf Art. 1 EUV. 808 Dieser Auffassung ist beispielsweise Bock, Ein Sieg für die Transparenz?, DÖV 2002, S. 556 (560). 809 Art. 28 Satzung (EG) EuGH. 810 Art. 18 Abs. 4 Satzung (EG) EuGH. 811 Schilling, Transparenz und der Gerichtshof der EG, ZEuS 1999, S. 75 (95). 812 Art. 222 Abs. 2 EGV. 813 Art. 64 § 1 Verfahrensordnung EuGH; Art. 82 § 1 Verfahrensordnung EuG. 814 Art. 68 Verfahrensordnung EuGH/Art. 24 Dienstanweisung Kanzler-EuGH sowie Art. 86 Verfahrensordnung EuG/Art. 17 Abs. 3 Dienstanweisung KanzlerEuG.

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

bisher sowohl während der Anhängigkeit des Verfahrens816 als auch nach dessen Abschluss817. Während es für den deutschen Juristen dem gewohnten Bild entspricht, dass ein Zugang zu Dokumenten, die für ein gerichtliches Verfahren erstellt wurden, allenfalls den Verfahrensbeteiligten gewährt werden kann818, ist dies in anderen Rechtskreisen keineswegs selbstverständlich. Dies wurde besonders im Verfahren Svenska Journalistförbundet/Rat vor dem Gericht erster Instanz deutlich. Der schwedische Journalistenverband führte einen Rechtsstreit gegen den Rat um die Herausgabe von Dokumenten. In dessen Verlauf veröffentlichte der Kläger bestimmte Verfahrensdokumente, darunter die Klagebeantwortung des Rates, im Internet. Das Gericht sah darin einen Verfahrensverstoß und verurteilte den obsiegenden Kläger zur teilweisen Kostentragung. Zur Begründung führte das Gericht zum einen an, dass die Art und Weise der Veröffentlichung einen ungebührlichen Druck auf den Beklagten ausgeübt habe819. Zum anderen verwies es auf die Vorschriften über die Vertraulichkeit von Verfahrensstücken820; diese seien Ausdruck des „allgemeinen Grundsatzes einer geordneten Rechtspflege, daß die Parteien das Recht haben, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten“821. Einen solchen Grundsatz gibt es in Schweden nicht. Dort sind Gerichtsakten grundsätzlich zugänglich, wenn nicht 815

Klinke, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Rdnr. 118; Rengeling/Middeke/Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, S. 324. 816 Möglich ist der Zugang insoweit nur durch ausdrückliche Genehmigung des Präsidenten nach Anhörung der Parteien, Art. 5 Abs. 3 UAbs. 3 Dienstanweisung Kanzler-EuG. Dies entspricht auch der Praxis des Gerichtshofes, Schilling, Transparenz und der Gerichtshof der EG, ZEuS 1999, S. 75 (95). 817 Art. 3 lit. c) ArchivVO schließt Dokumente, die vor dem Gerichtshof verhandelte Rechtssachen betreffen, vom Zugang durch die Öffentlichkeit aus. Ausnahmen werden nicht gemacht, Klinke, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Rdnr. 118. Allerdings könnten sich insoweit bald Änderungen ergeben, denn der Vorschlag der Kommission sieht diesen kategorischen Ausschluss nicht mehr vor, vgl. Vorschlag ArchivVO, S. 3 und Art. 1 Abs. 2. 818 Gleiches gilt offenbar in Frankreich, vgl. Picod, La transparence dans les procédures juridictionnelles, in: Rideau, La transparence dans l’Union européenne: mythe ou principe juridique?, S. 147 (149): „Il serait inconcevable de les [gemeint sind Schriftsätze u. ä., F.R.] divulguer aux personnes intéressées qui ne sont pas parties au procès.“ 819 Die Veröffentlichung im Internet enthielt auch die Namen und Kontaktadressen der verantwortlichen Ratsmitarbeiter verbunden mit der Aufforderungen, sich mit kritischen Anmerkungen direkt an diese zu wenden; EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 138. 820 Insbesondere Art. 5 Abs. 3 UAbs. 3 Dienstanweisung Kanzler-EuG. 821 EuG, Rs. T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, S. II-2289, Rdnr. 136.

F. Zugang zu Dokumenten anderer Institutionen

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besondere Geheimhaltungsgründe, zum Beispiel zugunsten der Privatsphäre, eingreifen822. Wohlgemerkt, es ging hierbei um mehr als nur um den Sonderfall der „nötigenden“ Veröffentlichung von Verfahrensstücken durch Verfahrensbeteiligte, also der mittelbaren Kenntnisnahme Dritter. Ebenso wenig wäre es für Dritte möglich gewesen, unmittelbar Einsicht in die Verfahrensakten zu nehmen. Wie es Theodor Schilling formuliert hat, herrscht in Luxemburg offenbar die Überlegung vor, „daß jeder Zugang Dritter, zu welchem Zweck auch immer, geeignet sei, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts zu gefährden“823. Gleichzeitig wird damit von der Öffentlichkeit aber auch ein gehöriges Maß an Vertrauen und Verzicht auf die Ausübung von Kontrollbefugnissen gefordert. Dies ist wiederum beispielsweise dem schwedischen Verständnis völlig fremd, wo Gerichten auch nicht mehr Vertrauen entgegengebracht wird als der Verwaltung824 und Verfahrensakten deshalb grundsätzlich öffentlich zugänglich sind825. Auch wenn zuzugeben ist, dass die Einsicht in die Verfahrensakten regelmäßig keine weit über die im normalen Verfahrensablauf ohnehin öffentlich werdenden Erkenntnisse bringen dürfte826, lässt sich dieses Argument nicht nur gegen, sondern zugleich für ein Akteneinsichtsrecht Dritter nutzen. Wovor nämlich fürchtet man sich dann? Den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Parteien827 ließe sich auch durch eine teilweise Zugangsverweigerung Rechnung tragen. Es wäre sicher wünschenswert, dass der Gerichtshof seine Praxis der des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg anpasst. Während beim Europäischen Gerichtshof die Verfahrensakten dem Zugang Dritter verschlossen bleiben, wenn nicht der Präsident sie durch Beschluss zugänglich macht, gilt beim Gerichtshof für Menschenrechte genau die entgegengesetzte Regel828. Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle des Gerichtshofes selbst. Es besteht auch ein öffentliches Interesse daran, zu erfahren, welche rechtlichen Auffassungen insbesondere die Organe vor Gericht vertreten829. Ein Recht auf Vertrau822

Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1073). 823 Schilling, Transparenz und der Gerichtshof der EG, ZEuS 1999, S. 75 (100); ebenso Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1073); ähnlich Kramer, UIG, § 7, Nr. 7. 824 Österdahl, Entscheidungsbesprechung Dokumentenzugangsrecht, CMLR 1999, S. 1059 (1073); ders., Openness v. Secrecy, ELR 1998, S. 336 (347). 825 Petrén, Die Aktenöffentlichkeit in Schweden, VerwArch 1958, S. 323 (327). 826 Schilling, Transparenz und der Gerichtshof der EG, ZEuS 1999, S. 75 (96). 827 Schilling, Transparenz und der Gerichtshof der EG, ZEuS 1999, S. 75 (95 f.). 828 Art. 40 Abs. 2 EMRK, Regel 33 Abs. 3 der Verfahrensordnung des EGMR. 829 Dyrberg, Current issues in the debate on public access to documents, ELR 1999, S. 157 (159 Fn. 4).

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Teil 2: Das neue Recht auf Zugang zu Dokumenten

lichkeit wird gerade diesen mit durchaus plausiblen Argumenten abgesprochen, darunter vor allem: „Glauben öffentliche Stellen, bestimmte derartige Handlungen ihren Wählern nicht ,verkaufen‘ zu können, dann ist es recht, wenn sie unterbleiben“830. Vor allem aber wäre es an der Zeit, die Regeln über den Zugang zu Dokumenten des Gerichtshofes überhaupt erst einmal umfassend und präzise zu regeln831. Um eine solche Verpflichtung zu postulieren, lassen sich Art. 1 Abs. 2 EUV und das Gebot einer „guten Verwaltungsführung“ heranziehen832. Der Europäische Bürgerbeauftragte Jacob Söderman brachte dies treffend auf den Punkt: „even those institutions and bodies for which there is no positive right of access to documents must have rules regarding such access“833.

830 Schilling, Transparenz und der Gerichtshof der EG, ZEuS 1999, S. 75 (96 f.) Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 405 f., gibt insoweit aber zu bedenken, dass es den prozessualen Grundsatz der Waffengleicheit verletzen könnte, wenn man einseitig Zugang gewährte. Das Organ müsste dann „im Glashaus agieren, während der Gegner seine Strategie im Verborgenen verfolgen könnte.“, Sobotta, a. a. O., S. 406. 831 Auf die Anfrage des Europäischen Bürgerbeauftragten in dessen Initiativuntersuchung zum Dokumentenzugangsrecht im Jahre 1996 gab der Gerichtshof als Erklärung dafür, warum solche Regeln immer noch nicht beständen, an, er könne nicht klar zwischen Verwaltungsdokumenten und solchen unterscheiden, die seiner rechtsprechenden Funktion zuzuordnen seien, vgl. Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament vom 15. Dezember 1997 (616/ PUBAC/F/IJH), ABl. 1998, Nr. C 44, S. 9 (11). 832 Diese Verpflichtung wurde auch schon vor Geltung des Art. 1 Abs. 2 EUV mit Blick auf EuGH, Rs. C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, S. I-2169, Rdnr. 37 angenommen; Ragnemalm, Démocratie et transparence, Festschrift Mancini, Bd. II, S. 809 (826); der gleichen Auffassung ist der Europäische Bürgerbeauftragte, vgl. Söderman, The Role and Impact of the European Ombudsman, in: Deckmyn/Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 75 (80). Der Bürgerbeauftragte verweist zudem auf Art. 3 EUV, der festlegt, dass die Union über einen einheitlichen institutionellen Rahmen verfügt, der die Kohärenz ihrer Maßnahmen sichert. Darin liege eine Art „Gleichbehandlungsgarantie“ zum Schutz des Bürgers vor willkürlichen Unterschieden bei der Regelung des Dokumentenzugangsrechts; Söderman, a. a. O. S. 78; vgl. auch Öberg, Public Access to Documents after the entry into force of the Amsterdam Treaty, EIoP 1998, S. 12. Dieses Argument trägt aber nur, wenn man voraussetzt, dass Art. 3 EUV auf den Bereich der Gemeinschaft Anwendung findet, was im Hinblick auf Art. 47 EUV nicht ohne weiteres angenommen werden kann, vgl. dazu Geiger, EUV, Art. 3, Rdnrn. 4, 11. 833 Söderman, The Role and Impact of the European Ombudsman, in: Deckmyn/ Thomson, Openness and Transparency in the European Union, S. 75 (83); Hervorhebung im Original.

Zusammenfassung und Ausblick Das in dieser Arbeit untersuchte neue Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission markiert einen vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung in der Europäischen Union, die vor einem Jahrzehnt in Maastricht ihren Anfang nahm. Sie wurde von vielerlei Faktoren beeinflusst. Zu den wichtigsten zählt sicherlich die Erkenntnis, dass die Union sich dem Bürger gegenüber öffnen muss, will sie sich dessen Unterstützung erhalten oder diese in vielen Fällen sogar erst gewinnen. Parallel dazu haben nahezu alle Mitgliedstaaten der Union ihren Bürgern das Recht eingeräumt, ohne Angabe von Gründen Einsicht in die Akten der Behörden zu nehmen. So war es nur natürlich, dass entsprechende Initiativen auch vor den Organen der Union selbst nicht Halt machten. Zunächst nur auf Basis interner und freiwillig auferlegter Organisationsbestimmungen gewährt, hat das Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten von Parlament, Rat und Kommission inzwischen durch die Regelungen der Art. 1 Abs. 2 EUV, Art. 255 EGV und Art. 42 EU-Charta einen zentralen Platz in der Rechtsordnung der Union eingenommen. Die Etablierung dieses Rechts war ein mühsamer, nichtsdestotrotz aber sehr spannender Prozess. Das Streben nach größerer Offenheit der Union vereinte Mitgliedstaaten, Bürgerrechtsorganisationen und auch einzelne Bürger. Auseinandersetzungen wurden in den verschiedensten Foren geführt, im Plenum des Parlaments, in Konferenzen, in der Presse und Fachliteratur sowie natürlich nicht zuletzt vor den Gemeinschaftsrichtern in Luxemburg, die in der kurzen Geschichte des Dokumentenzugangsrechts bereits über zwanzig Entscheidungen fällten. An dieser Stelle soll auch einmal eine Lanze für die viel gescholtenen Organe Rat und Kommission gebrochen werden. Sie haben einen weiten Weg zurückgelegt; gerade aus Sicht des deutschen Beobachters wird einem dies immer wieder bewusst. Der Rat hat beispielsweise im Jahr 2001 fast 90% der Anträge positiv beschieden. In die Erstellung dieser Arbeit flossen zahlreiche Dokumente über den Verhandlungsprozess im Vorfeld der Verabschiedung der Verordnung 1049/2001 ein, die problemlos und innerhalb sehr kurzer Bearbeitungsfristen von den Organen zugänglich gemacht wurden. Einen der Schwerpunkte der Arbeit bildete die Untersuchung der Funktionen, die ein Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Behördendokumenten auf europäischer Ebene erfüllen kann. Dabei ist deutlich geworden, dass

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Zusammenfassung und Ausblick

diese Funktionen von solcher Bedeutung sind, dass sie die auf die Fortentwicklung dieses Rechts verwendete Mühe vollauf rechtfertigen. Wir erinnern uns: In der Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Maastricht heißt es, dass das Dokumentenzugangsrecht den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärken soll. Ein Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Gewalt kann in der Tat dem demokratischen Prinzip dienen. Es hat sich gezeigt, dass dieser Befund sowohl auf nationaler Ebene gilt als auch in der besonderen Ausprägung, die die Demokratie auf Ebene der Union gefunden hat. Es lassen sich dabei zwei grundlegende Funktionen der Öffentlichkeit unterscheiden, die beide untrennbar mit dem demokratischen Prinzip verbunden sind. Zum einen ist dies die partizipatorische Rolle, die unter dem Begriff Beteiligungsöffentlichkeit erörtert wurde. Insoweit konnte gezeigt werden, dass das Dokumentenzugangsrecht der Information der Öffentlichkeit dient und somit einen wichtigen Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung leisten kann. Diese öffentliche Meinung ist wiederum neben Wahlen und Abstimmungen das zentrale Medium der Einflussnahme von Bürgern auf den Willensbildungsprozess der öffentlichen Gewalt. Voraussetzung ist dafür die Entwicklung europäischer Medien sowie politischer Parteien und Interessengruppen, die als Vermittler und Mobilisatoren unverzichtbar sind. Zum anderen soll die Kontrollöffentlichkeit als Ergänzung zu klassischen Kontrollorganen wie dem Parlament oder den Gerichten eine möglichst umfassende Kontrolle des Handelns der öffentlichen Gewalt sichern. Damit ist nicht nur die „Skandalöffentlichkeit“ angesprochen, deren Aktivität sich gegen Korruption und Misswirtschaft spektakulären Ausmaßes richtet. Kontrolle kann die öffentliche Gewalt auch im „Tagesgeschäft“ zu Effizienz, Sorgfältigkeit und rechtmäßigem Handeln anhalten. Gerade auf der Ebene der Union bedarf zudem der Einfluss partikularer Interessen auf die Entscheidungsfindung einer kritischen Überwachung. Die Kontrollöffentlichkeit ist dabei kein permanent aktives Instrument, in dessen engmaschigem Netz sich alle Missstände zuverlässig verfangen. Ihr disziplinierender Effekt beruht vor allem darauf, dass dem Entscheidungsträger bewusst ist, dass er zwar nicht ständig im Licht der Öffentlichkeit arbeitet, sein Handeln aber jederzeit in dieses getaucht werden könnte. Wenn man von der Rolle der Öffentlichkeit in der Europäischen Union spricht, kann man natürlich nicht übersehen, dass diese noch nicht in gleichem Maße existiert und aktiv ist, wie dies auf der nationalen Ebene der Fall ist. Eine Absage ist jedoch all jenen zu erteilen, die in nationalstaatlichen Kategorien verhaftet, ihr jede Entwicklungsperspektive absprechen. Man sollte keine homogene europäische Öffentlichkeit fordern, sondern stattdessen das Konzept europäisierter Öffentlichkeiten verfolgen. Es han-

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delt sich dabei um Netzwerke von Teilöffentlichkeiten, die ihren Kommunikationsschwerpunkt in nationalen Foren haben, aber dennoch im Rahmen ihrer Willensbildung über europäische Themen den Interessen anderer Nationen die Artikulation ermöglichen. Dieses Mehrebenensystem der Öffentlichkeiten ist nicht nur ein realistischeres Ziel als eine einheitliche europäische Öffentlichkeit, sondern es entspricht auch besser dem Leitbild der Union, eine „Einheit in Vielfalt“ zu verwirklichen. Es hat sich zudem gezeigt, dass die Gewährung eines allgemeinen Dokumentenzugangsrechts eine Maßnahme darstellt, die grundsätzlich geeignet ist, Vertrauen zu erzeugen. Dieses Vertrauen ist in repräsentativen und auf Mehrheitsentscheidungen basierenden Regierungssystemen eine unentbehrliche Voraussetzung der Akzeptanz des durch Entscheidung der öffentlichen Gewalt gesetzten Rechts. Dabei ist die Bildung von Vertrauen durch Gewährung eines Kontrollinstruments, das eher Ausdruck von Misstrauen ist, nur scheinbar ein Widerspruch. Es kommt darin vielmehr die Grundstruktur des Vertrauens gegenüber der öffentlichen Gewalt zum Ausdruck: Die Bürger werden und sollen gegenüber den Entscheidungsträgern als Personen immer ein gewisses Maß an Misstrauen bewahren. Dieses Misstrauen kann aber kompensiert werden durch das Vertrauen in Institutionen und Verfahren, die Disziplin und Rechtmäßigkeit zu garantieren geeignet sind. Insofern schafft Kontrolle in der Tat Vertrauen. Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass ein Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Organe der Europäischen Union durchaus ein geeignetes Instrument sein kann, um den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Bürger in ihre Tätigkeit zu stärken. Damit aus dieser abstrakten Möglichkeit eine konkrete werden kann, muss das Zugangsrecht aber in einer Weise ausgestaltet sein, die seine effektive Ausübung zulässt. Inwieweit dies beachtet wurde, ist im zweiten Hauptteil der Arbeit analysiert worden. Das Zugangsrecht ist in einem Sekundärrechtsakt, nämlich der Verordnung 1049/2001, näher geregelt. Der Maßstab, an dem sich diese Zugangsvorschriften messen lassen müssen, ist der primärrechtlichen Gewährleistung des Art. 255 EGV zu entnehmen. Die Aufnahme von Art. 255 EGV in den EG-Vertrag hat, begleitet von der Verankerung des Transparenzprinzips in Art. 1 Abs. 2 EUV und des Grundrechts auf Zugang zu Dokumenten der drei Organe in Art. 42 EU-Charta, eine Konstitutionalisierung des Zugangsrechts bewirkt. Das Zugangsrecht genießt nunmehr zweifellos den besonderen Status einer grundrechtsgleich verbürgten Gewährleistung. Es darf damit nicht in seinem Kern durch die Sekundärrechtsakte ausgehöhlt werden. Ebenso gebietet der neu gewonnene Rang des Zugangsrechts, dass bis zu dessen Novellierung erreichte Standards in der Rechtsentwicklung nicht unterschritten werden dürfen. Insbesondere mit dem zusätzlichen Ver-

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weis auf Art. 1 Abs. 2 EUV, der ein Maximierungsgebot enthält, wird man sogar einen gewissen Fortschritt fordern müssen. Ferner ist Art. 255 EGV ein Gebot zu entnehmen, bestimmte private und öffentliche Interessen zu schützen. Die dazu notwendigen Einschränkungen müssen sich jedoch abschließend in der gemäß Art. 255 EGV im Mitentscheidungsverfahren erlassenen Verordnung 1049/2001 finden. Darüber hinausgehende Einschränkungen durch die von jedem Organ gemäß Art. 255 Abs. 3 EGV in eigener Verantwortung erlassenen Geschäftsordnungsregeln sind unzulässig. Einen ersten wichtigen Fortschritt gegenüber der früheren Rechtslage stellt die Erweiterung des Anspruchsgegenstandes auf alle Dokumente dar, die sich im Besitz der Organe befinden. Nach früherer Rechtslage wurde nur zu solchen Dokumenten Zugang gewährt, die die Organe selbst erstellt hatten, im Übrigen wurden die Antragsteller an den jeweiligen Urheber verwiesen. Nunmehr sind auch die von Dritten stammenden Dokumente prinzipiell zugänglich. Ein Wermutstropfen ist allerdings in dieser Hinsicht die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, die Weitergabe von ihnen stammender Dokumente durch die Organe im Wege eines Vetos zu verhindern. Man mag dies mit Recht bedauern; es ist dennoch eine zulässige Regelung. Diese Bewertung folgt nicht bereits aus dem Umstand, dass sich die Mitgliedstaaten das Vetorecht in einer Protokollerklärung zum Amsterdamer Vertrag vorbehalten haben. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich die neue Regelung insgesamt zweifellos als – wenn auch eingeschränkter – Schritt nach vorn erweist und ein zwingendes Gebot, diese Dokumente überhaupt in den Zugangsanspruch einzubeziehen, Art. 255 EGV wohl nicht zu entnehmen ist. Wichtige Veränderungen haben sich außerdem im Bereich der Ausnahmetatbestände ergeben. Systematisch fällt zunächst auf, dass statt einer Kombination von zwingenden und Ermessen eröffnenden Ausnahmen, wie sie im früheren Recht bestand, nunmehr sämtliche Ausnahmen gebundene Entscheidungen sind. Damit ist aber kein Rückschritt verbunden, denn der Vorteil der Ermessensausnahme für den Antragsteller bestand allein darin, dass die Behörde eine Interessenabwägung vornehmen musste, bevor sie die Freigabe verweigern durfte. Dies war dem Wortlaut der Ausnahme nicht zu entnehmen, entsprach aber der ständigen Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz. Nunmehr ist zwar die (einzige) Ermessensausnahme gestrichen worden; dafür wurde aber in einen großen Teil der Ausnahmetatbestände das Gebot aufgenommen, bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse die Dokumente trotz Erfüllung des Ausnahmetatbestandes freizugeben. Insgesamt stellt sich diese Entwicklung also ebenfalls als Fortschritt dar. Eine Begünstigung des Zugangssuchenden ist es auch, dass die Organe nunmehr eine drohende Beeinträchtigung geschützter Interessen durch die Freigabe von Dokumenten konkreter nachweisen müssen, als dies bisher

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der Fall war. Während früher nur nachgewiesen werden musste, dass diese Folge eintreten könnte, muss nunmehr belegt werden, dass sie eintreten würde. Schließlich bestimmt die Verordnung 1049/2001 auch ausdrücklich, was vorher schon die Rechtsprechung gefordert hatte: Erfüllen nur Teile eines Dokuments einen Ausnahmetatbestand, so sind diese Teile zu schwärzen, und das Dokument ist im Übrigen freizugeben. Eine der beiden Ausnahmen, bei denen ausweislich der Verordnung 1049/2001 ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Freigabe keine Berücksichtigung finden kann, dient dem Schutz des öffentlichen Interesses, etwa in Form der öffentlichen Sicherheit, der Verteidigung oder der internationalen Beziehungen. Diese Ausnahme enthält keine nennenswerten Änderungen zur früheren Rechtslage, abgesehen vom neu aufgenommenen Schutz der Verteidigung, der im Zuge der verstärkten Aktivitäten der Union auf diesem Gebiet notwendig wurde. Auch die zweite Ausnahme dieser Gruppe, die die Privatsphäre und die Integrität des Einzelnen schützt, war im früheren Recht bereits enthalten. Neu ist allerdings, dass das Schutzniveau dieser Ausnahme von Spezialvorschriften abhängig gemacht wurde. Die Entscheidung, ob die Ausnahme erfüllt ist, ist nämlich insbesondere gemäß den Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten zu treffen. Dies weckte erhebliche Befürchtungen, dass auf diese Weise das Dokumentenzugangsrecht durch restriktive Anwendung der Datenschutzbestimmungen empfindlich beschnitten werden könnte. Diesen Bedenken kann insoweit gefolgt werden, als es in der Tat sehr zu bedauern ist, dass weder die Verordnung 1049/2001 noch das Datenschutzrecht brauchbare Hinweise darauf enthalten, wie Datenschutz und Dokumentenzugang miteinander in Einklang zu bringen oder abzuwägen sind. Dies wäre aber geboten gewesen, da hinter beiden Vorschriften fundamentale, aber nicht einschränkungslos gewährte Rechte stehen. Daraus folgt allerdings nicht, dass eine Abwägung des Datenschutzinteresses mit dem Zugangsinteresse nicht möglich ist. Es konnte aufgezeigt werden, dass sich eine entsprechende Abwägung auf der Grundlage des bestehenden Datenschutzrechts vornehmen lässt. Insofern stellt auch diese Ausnahme im Ergebnis einen Fortschritt dar – zwar nicht aus der Perspektive des Zugangssuchenden, aber dafür aus der Perspektive des vom Zugang in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffenen. Wie gesagt, gebietet Art. 255 EGV nicht nur, einen weitestmöglichen Dokumentenzugang zu ermöglichen, sondern auch, dadurch betroffene Interessen zu schützen. Alle übrigen Ausnahmetatbestände verpflichten das Organ zur Freigabe der Dokumente wenn trotz erfülltem Ausnahmetatbestand ein überwiegendes öffentliches Interesse an deren Zugänglichkeit besteht. Der erste Ausnahmetatbestand in dieser Gruppe ist dem Schutz von geschäftlichen Interessen und geistigem Eigentum gewidmet. Auch wenn der Tatbestand nach

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früherer Rechtslage scheinbar enger formuliert war, es hieß dort „Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses“, ergeben sich keine Änderungen im Anwendungsbereich. Die Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen dürfte nach wie vor im Wesentlichen auf die Fälle des Geschäftsgeheimnisses beschränkt sein, und der Schutz des geistigen Eigentums hat kaum einen ersichtlichen Anwendungsbereich. Unverändert bleibt die Rechtslage auch hinsichtlich der Ausnahme zum Schutz des gerichtlichen Verfahrens und der Rechtsberatung. Die Rechtsberatung war zwar vor der Verordnung 1049/2001 nicht ausdrücklich in einem Ausnahmetatbestand aufgeführt. Sie ist jedoch sowohl im Hinblick auf die Beratung durch einen unabhängigen Rechtsbeistand als auch in Bezug auf die Beratungstätigkeit der juristischen Dienste durch die Rechtsprechung entwickelt und nun lediglich kodifiziert worden. Keine Änderungen bringt auch die Ausnahme zum Schutz der Inspektions-, Untersuchungsund Audittätigkeiten. Eine gewisse Neuerung ist die in Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 enthaltene Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses der Organe vor ernstlichen Beeinträchtigungen, die sich aus dem Zugang zu so genannten internen Dokumenten ergeben können. Intern ist ein Dokument nur, wenn es nicht über das Organ hinaus verbreitet wird. Die Vorschrift unterscheidet dabei zwischen der Situation, in der ein Beschluss noch aussteht und dem Fall, dass eine Entscheidung bereits getroffen worden ist. Im letzteren Fall kann nur noch ein zukünftiger Entscheidungsprozess geschützt werden. Während vor Abschluss der Entscheidung alle internen Dokumente von der Ausnahme erfasst werden, ist ihr Anwendungsbereich nach Abschluss der Entscheidung auf interne Stellungnahmen beschränkt. Bei dieser Ausnahme war kritisch zu prüfen, ob sie nicht einen Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage darstellt, nach der interne Dokumente nicht explizit Gegenstand einer Ausnahme waren. Allerdings konnte gezeigt werden, dass der interne Charakter von Dokumenten im Rahmen spezieller Ausnahmen durchaus von der Rechtsprechung berücksichtigt worden ist. Darüber hinaus konnte der Zugang zu internen Dokumenten nach dem früheren Recht aufgrund der Ausnahme verweigert werden, die das Interesse der Organe an der Geheimhaltung ihrer Beratungen betraf. Schließlich wurde belegt, dass der hinter dieser Ausnahme stehende Schutzzweck, nämlich den Organen zum Schutz des Entscheidungsprozesses einen gewissen Raum für vertrauliche Überlegungen zuzugestehen, auf Ebene der Gemeinschaft und auch in den Mitgliedstaaten weithin anerkannt ist. Gleiches gilt auch für die Beschränkung des Zugangs zu Stellungnahmen, die bereits abgeschlossene Entscheidungen betreffen. Es besteht ein großes Interesse daran, diese Instrumente offener und kritischer Diskussion zu erhalten. Das kann bedeuten, dass sie in gewissem Umfang vertraulich bleiben

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müssen. Nicht zu vergessen ist, dass der Anwendungsbereich dieser Ausnahme dadurch begrenzt ist, dass von den Organen nachvollziehbar eine drohende – und in diesem Fall sogar ernstliche – Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses belegt werden muss, wollen sie den Zugang zu internen Dokumenten verweigern. Schließlich ist auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Freigabe zu beachten. Nach alledem ist Art. 4 Abs. 3 VO 1049/01 als mit Art. 255 EGV vereinbar anzusehen. Ein wirkliches Novum ist dagegen Art. 9 VO 1049/01, der die besondere Behandlung sensibler, das heißt klassifizierter, Dokumente regelt. Diese Regelung löst den umstrittenen Solana-Beschluss aus dem Jahr 2000 ab, der im Zuge wachsender sicherheitspolitischer Aktivitäten der Union ein neues Regime zum Umgang mit Verschlusssachen aufstellte. Auch wenn es sich bei dieser komplizierten Vorschrift nicht im engeren Sinn um eine Ausnahme handelt, so wirken die in Art. 9 VO 1049/01 aufgestellten Regeln jedoch potentiell zugangsbeschränkend. So sollen Dokumente, die in bestimmte Geheimhaltungsgrade eingestuft worden sind, nur mit Zustimmung ihres Urhebers freigegeben werden. Selbst die Eintragung in das Register darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen. Allerdings ist es nicht so, dass damit über die Klassifizierungsvorschriften der Organe der Zugang zu Dokumenten beliebig steuerbar wäre. Gemäß Art. 9 VO 1049/01 sind sensible Dokumente nur solche, deren Klassifizierung zum Schutz der in Art. 4 Abs. 1 lit. a) VO 1049/01 aufgeführten Schutzgüter erfolgte. Dieser Verweis kann als Anknüpfungspunkt für eine materielle Kontrolle dienen. Es kann also nicht der Stempel allein entscheiden. Darüber hinaus kann auch eine Registrierung nur insoweit vom Willen des Urhebers abhängen, wie eine Beeinträchtigung seiner Geheimhaltungsinteressen möglich erscheint. Mit dieser Auslegung wäre ein Ausgleich zwischen dem Interesse an einem möglichst ungehinderten Dokumentenzugang und dem im Hinblick auf neue Initiativen der Union in geheimhaltungsbedürftigen Politikfeldern ebenfalls beachtlichen Interesse am Schutz klassifizierter Informationen möglich. Art. 9 VO 1049/01 behielte trotzdem neben den materiellen Ausnahmetatbeständen einen Sinn, indem er vor allem verfahrensmäßig sicherstellt, dass es zu keiner unbeabsichtigten Verbreitung sensibler Informationen kommt. Im Hinblick auf das Zugangsverfahren ist hervorzuheben, dass die für die praktische Bedeutung des Zugangsrechts entscheidende Frist für die Bearbeitung von Zugangsanträgen erheblich verkürzt worden ist. Ein Erstantrag und der widerspruchsähnliche Zweitantrag sind vom Organ jeweils binnen fünfzehn Arbeitstagen zu bescheiden; zuvor galt eine Monatsfrist. Eine über diese Frist hinaus gehende Untätigkeit des Organs auf einen Zweitantrag gilt als ablehnende Entscheidung, die vom Antragsteller mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden kann.

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Inwieweit Mitgliedstaaten, die Dokumente der Organe in ihrem Besitz haben, bei der Entscheidung über deren Freigabe an die in der Verordnung 1049/2001 niedergelegten Grundsätze gebunden sind, wird durch die Verordnung 1049/2001 nicht präzise beantwortet. Es heißt dort lediglich, dass Mitgliedstaaten bei ihren Entscheidungen das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit mit den Organen beachten sollen und die Ziele der Verordnung 1049/2001 nicht beeinträchtigen dürfen. Es ist aber nicht zu erwarten, dass es in dieser Hinsicht besondere Probleme gibt. Selbst sehr zugangsfreundliche Mitgliedstaaten signalisieren eine Bereitschaft zur vertrauensvollen Abstimmung mit den Organen. Besonderes Augenmerk galt es auch auf die neuen Geschäftsordnungen der Organe zu richten. Gemäß Art. 255 Abs. 3 EGV sollte jedes Organ darin Sonderbestimmungen hinsichtlich des Zugangs zu seinen Dokumenten festlegen. Damit wurde den Organen aber gerade keine Befugnis für Regelungen erteilt, die den Anspruchsinhalt betreffen. Geschäftsordnungen sind internes Organisationsrecht und können keine primärrechtlich gewährten materiellen Rechtspositionen beschränken. Unter diesem Blickwinkel erscheint besonders die neue Geschäftsordnung des Parlaments problematisch. Dort wird definiert, wann ein Dokument ein solches des Parlaments ist – eine Definition, die unmittelbar den Anspruchsgegenstand betrifft. Zudem ist die Regelung auch inhaltlich fragwürdig, da sie den gesamten Bereich der Abgeordnetenkorrespondenz, genannt sei hier nur das Stichwort Lobbyismus, vom Zugangsrecht ausschließt. Der Rechtsschutz entspricht der früheren Regelung. Begrüßenswert ist, dass die Organe nunmehr in den Geschäftsordnungen ausdrücklich vorsehen, dass dritten Urhebern im Vorfeld der Freigabe die Möglichkeit gegeben wird, Rechtsschutz zu suchen, wenn sie eine Beeinträchtigung ihrer Interessen befürchten. Unbefriedigend ist dagegen, dass diese Möglichkeit nicht auch für den Fall gewährt wird, dass sensible Informationen über Dritte in Dokumenten enthalten sind, die von den Organen selbst erstellt wurden. Probleme im Hinblick auf spezielle Vorschriften ergeben sich nicht. Das Akteneinsichtsrecht Verfahrensbeteiligter bleibt selbständig neben dem Dokumentenzugangsrecht aufgrund der Verordnung 1049/2001 bestehen. Vorrangige Geheimhaltungsvorschriften sind nur im Bereich des Euratom-Vertrags denkbar. Ein abschließender Blick galt den nicht von Art. 255 EGV erfassten Institutionen. Was die von der Gemeinschaft geschaffenen Einrichtungen, also beispielsweise Agenturen und Ämter, betrifft, so lässt sich begründen, dass diese ebenfalls an die Grundsätze des Art. 255 EGV und der Verordnung 1049/2001 gebunden sind. Diese Einrichtungen sind nämlich von den Organen geschaffen worden, um Aufgaben zu erfüllen, die sonst den Organen

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selbst oblegen hätten. Eine solche Kompetenzverlagerung darf nicht dazu führen, dass die Dokumente aus dem betreffenden Tätigkeitsbereich weniger zugänglich werden. Die Organe haben dies auch erkannt und sich in einer interinstitutionellen Vereinbarung verpflichtet, für eine entsprechende Rechtseinheit zu sorgen. Die übrigen Institutionen, darunter fallen die anderen Organe, aber auch Einrichtungen wie Europol, sind nicht an Art. 255 EGV und die Verordnung 1049/2001 gebunden. Für sie gilt allein das allgemeine Gebot größtmöglicher Transparenz aus Art. 1 Abs. 2 EUV und, wenn man das Bestehen eines solchen annimmt, der allgemeine gemeinschaftsrechtliche Grundsatz des möglichst umfassenden Dokumentenzugangs. Darüber hinaus lässt sich allenfalls das Gebot aufstellen, dass diese Einrichtungen den Zugang zu ihren Dokumenten im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung überhaupt regeln müssen. Dieses Gebot haben mit Ausnahme des Europäischen Gerichtshofes alle Institutionen erfüllt. Werfen wir also einen abschließenden Blick auf die beiden zentralen Fragen, die diese Arbeit beantworten sollte: Ist das Dokumentenzugangsrecht ein Instrument, das generell geeignet ist, den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen in ihre Handlungen zu stärken? Die Untersuchung hat ergeben, dass dies der Fall ist. Transparenz – hier in Form des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Organe – ist also, um noch einmal Bo Vesterdorfs Formulierung aufzunehmen, in der Tat „not just a vogue word“. Setzen die neuen sekundärrechtlichen Regelungen dieses bedeutende Recht in einer angemessenen und vor allem den Vorgaben des Art. 255 EGV entsprechenden Weise um? Auch insoweit fällt die Antwort positiv aus. Wie dargelegt, bedeuten die neuen Regelungen in keiner Hinsicht einen Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage, in mehreren Aspekten haben sie Fortschritte bewirkt. Keine der Einschränkungen des Zugangsrechts erscheint willkürlich, sondern sie sind sämtlich durch bedeutende öffentliche und private Interessen gerechtfertigt. Sicherlich wird es immer Stimmen geben, die den Weg in Richtung der gläsernen Verwaltung noch ein ganzes Stück weiter gehen wollen, als er mit der Verordnung 1049/2001 zurückgelegt worden ist. Insgesamt dürfte aber nunmehr ein Zugangsregime auf Organebene geschaffen worden sein, das den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Natürlich ist auch einigen Vorschriften anzumerken, dass sie das Ergebnis langer, zäher Kompromisse sind. Es ist zu erwarten, dass die Rechtsprechung noch einige Auslegungsarbeit wird betreiben müssen. Sorgen sind aber deswegen wohl nicht geboten, wenn man bedenkt, dass sich die Richter in Luxemburg in der Vergangenheit eher zugangsfreundlich gezeigt haben und diesen Ansatz nunmehr sogar auf ein weit festeres rechtliches Fundament stellen können.

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Mit Spannung ist auch zu erwarten, ob dieser neue Schritt für zusätzliche Impulse in Deutschland sorgen wird. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes ruht immer noch in den Schubladen des Bundesinnenministeriums1. Auch die Länder sind aufgerufen, dem Beispiel Brandenburgs, Berlins, Schleswig-Holsteins und Nordrhein-Westfalens zu folgen und ihre Akten den Bürgern zugänglich zu machen. Man darf insoweit berechtigte Hoffnungen hegen, denn Druck übt nicht nur das hier untersuchte neue Dokumentenzugangsrecht aus. Auch die Umweltinformationsrichtlinie, die für Deutschland überhaupt das erste allgemeine Dokumentenzugangsrecht brachte, ist gerade mit Blick auf das Århus-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten2, dem nicht nur die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, sondern auch die Gemeinschaft selbst beigetreten sind, novelliert worden3. Damit dürfte bald das UIG ebenfalls auf dem Prüfstand stehen. Darüber hinaus hat der Europarat jüngst eine neue Initiative im Bereich des Dokumentenzugangsrechts abgeschlossen und den Mitgliedstaaten deutlich auf die Agenda geschrieben: „Member states should guarantee the right of everyone to have access, on request, to official documents held by public authorities.“4 Unmittelbar gilt der Aufruf aber zunächst den Bürgern der Europäischen Union, an denen es nun liegt, von dem neuen Recht regen Gebrauch zu machen, es zu nutzen, zu testen und weiterzuentwickeln.

1 Impulse für das Bundesrecht durch die Entwicklungen auf europäischer Ebene und in den Bundesländern erhofft sich auch Wegener, Umweltinformationsgesetz – Deutsche Geheimniskrämerei in europäischer Perspektive, EuR 2000, S. 227 (235). 2 UNECE-Abkommen, unterzeichnet am 25. Juni 1998 im dänischen Århus und in Kraft getreten am 30. Oktober 2001, nähere Informationen unter http:// www.unece.org/env/pp/. 3 Am 6. November 2002 haben Parlament und Rat erfolgreich das Schlichtungsverfahren im Vermittlungsausschuss abgeschlossen, vgl. die Pressemitteilung der Kommission vom 8. November 2002, Dok.Nr. IP/02/1641 und den Text des gemeinsamen Entwurfs, der Ergebnis des Vermittlungsverfahrens ist, Dok.Nr. PE-CONS 3667/02 vom 8. November 2002. Für einen Überblick über den Werdegang der Reform der Richtlinie, der mit dem Vorschlag der Kommission vom 29. Juni 2000, ABl. 2000, Nr. C 337 E, S. 156, begann, siehe die Stellungnahme der Kommission vom 5. September 2002, Dok.Nr. KOM (2002) 498 endg. 4 Europarat, Recommendation Rec(2002)2 of the Committee of Ministers to member states on access to official documents, angenommen am 21. Februar 2002.

Anhang Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, Nr. L 145, S. 43)

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Anhang VERORDNUNG (EG) Nr. 1049/2001 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

(6)

Ein umfassenderer Zugang zu Dokumenten sollte in den Fällen gewährt werden, in denen die Organe, auch im Rahmen übertragener Befugnisse, als Gesetzgeber tätig sind, wobei gleichzeitig die Wirksamkeit ihrer Entscheidungsprozesse zu wahren ist. Derartige Dokumente sollten in größtmöglichem Umfang direkt zugänglich gemacht werden.

(7)

Gemäß Artikel 28 Absatz 1 und Artikel 41 Absatz 1 des EU-Vertrags gilt das Zugangsrecht auch für Dokumente aus den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Jedes Organ sollte seine Sicherheitsbestimmungen beachten.

(8)

Um die vollständige Anwendung dieser Verordnung auf alle Tätigkeiten der Union zu gewährleisten, sollten alle von den Organen geschaffenen Einrichtungen die in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze anwenden.

(9)

Bestimmte Dokumente sollten aufgrund ihres hochsensiblen Inhalts einer besonderen Behandlung unterliegen. Regelungen zur Unterrichtung des Europäischen Parlaments über den Inhalt derartiger Dokumente sollten durch interinstitutionelle Vereinbarung getroffen werden.

(10)

Um die Arbeit der Organe transparenter zu gestalten, sollten das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission Zugang nicht nur zu Dokumenten gewähren, die von den Organen erstellt wurden, sondern auch zu Dokumenten, die bei ihnen eingegangen sind. In diesem Zusammenhang wird daran erinnert, dass ein Mitgliedstaat gemäß der Erklärung Nr. 35 zur Schlussakte des Vertrags von Amsterdam die Kommission oder den Rat ersuchen kann, ein aus dem betreffenden Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung an Dritte weiterzuleiten.

(11)

Grundsätzlich sollten alle Dokumente der Organe für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Der Schutz bestimmter öffentlicher und privater Interessen sollte jedoch durch Ausnahmen gewährleistet werden. Es sollte den Organen gestattet werden, ihre internen Konsultationen und Beratungen zu schützen, wo dies zur Wahrung ihrer Fähigkeit, ihre Aufgaben zu erfüllen, erforderlich ist. Bei der Beurteilung der Ausnahmen sollten die Organe in allen Tätigkeitsbereichen der Union die in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft verankerten Grundsätze über den Schutz personenbezogener Daten berücksichtigen.

(12)

Alle Bestimmungen über den Zugang zu Dokumenten der Organe sollten mit dieser Verordnung in Einklang stehen.

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 255 Absatz 2, auf Vorschlag der Kommission (1), gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags (2), in Erwägung nachstehender Gründe: (1)

(2)

In Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, wonach der Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas darstellt, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden, ist das Prinzip der Transparenz verankert. Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6 des EU-Vertrags und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind.

(3)

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Birmingham, Edinburgh und Kopenhagen wurde die Notwendigkeit betont, die Arbeit der Organe der Union transparenter zu machen. Diese Verordnung konsolidiert die Initiativen, die die Organe bereits ergriffen haben, um die Transparenz des Entscheidungsprozesses zu verbessern.

(4)

Diese Verordnung soll dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit verschaffen und gemäß Artikel 255 Absatz 2 des EG-Vertrags die allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen dafür festlegen.

(5)

Da der Zugang zu Dokumenten im Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und im Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft nicht geregelt ist, sollten sich das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission gemäß der Erklärung Nr. 41 zur Schlussakte des Vertrags von Amsterdam bei Dokumenten im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die sich aus diesen beiden Verträgen ergeben, von dieser Verordnung leiten lassen.

(1) ABl. C 177 E vom 27.6.2000, S. 70. (2) Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 3. Mai 2001 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 28. Mai 2001.

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (13)

Um die uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf Zugang zu gewährleisten, sollte ein Verwaltungsverfahren in zwei Phasen zur Anwendung kommen, mit der zusätzlichen Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten oder Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einzulegen.

(14)

Jedes Organ sollte die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Öffentlichkeit über die neuen geltenden Rechtsvorschriften zu informieren und sein Personal entsprechend auszubilden und so die Bürger bei der Ausübung der ihnen durch diese Verordnung gewährten Rechte zu unterstützen. Um den Bürgern die Ausübung dieser Rechte zu erleichtern, sollte jedes Organ ein Dokumentenregister zugänglich machen.

(15)

(16)

(17)

Diese Verordnung zielt weder auf eine Änderung des Rechts der Mitgliedstaaten über den Zugang zu Dokumenten ab, noch bewirkt sie eine solche Änderung; es versteht sich jedoch von selbst, dass die Mitgliedstaaten aufgrund des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit, das für die Beziehungen zwischen den Organen und den Mitgliedstaaten gilt, dafür sorgen sollten, dass sie die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung nicht beeinträchtigen, und dass sie die Sicherheitsbestimmungen der Organe beachten sollten. Bestehende Rechte der Mitgliedstaaten sowie der Justizoder Ermittlungsbehörden auf Zugang zu Dokumenten werden von dieser Verordnung nicht berührt. Gemäß Artikel 255 Absatz 3 des EG-Vertrags legt jedes Organ in seiner Geschäftsordnung Sonderbestimmungen hinsichtlich des Zugangs zu seinen Dokumenten fest. Der Beschluss 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Ratsdokumenten (1), der Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (2), der Beschluss 97/632/EG, EGKS, Euratom des Europäischen Parlaments vom 10. Juli 1997 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments (3) sowie die Bestimmungen über die vertrauliche Behandlung von Schengen-Dokumenten sollten daher nötigenfalls geändert oder aufgehoben werden —

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ischen Parlaments, des Rates und der Kommission (nachstehend „Organe“ genannt) so festzulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist, b) Regeln zur Sicherstellung einer möglichst einfachen Ausübung dieses Rechts aufzustellen, und c) eine gute Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Zugang zu Dokumenten zu fördern.

Artikel 2 Zugangsberechtigte und Anwendungsbereich (1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe. (2) Die Organe können vorbehaltlich der gleichen Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen allen natürlichen oder juristischen Personen, die keinen Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat haben, Zugang zu Dokumenten gewähren. (3) Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden. (4) Unbeschadet der Artikel 4 und 9 werden Dokumente der Öffentlichkeit entweder auf schriftlichen Antrag oder direkt in elektronischer Form oder über ein Register zugänglich gemacht. Insbesondere werden Dokumente, die im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erstellt wurden oder eingegangen sind, gemäß Artikel 12 direkt zugänglich gemacht. (5) Sensible Dokumente im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 unterliegen der besonderen Behandlung gemäß jenem Artikel. (6) Diese Verordnung berührt nicht das etwaige Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten im Besitz der Organe, das sich aus internationalen Übereinkünften oder aus Rechtsakten der Organe zu deren Durchführung ergibt.

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 3 Artikel 1 Zweck Zweck dieser Verordnung ist es:

Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

a) die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des in Artikel 255 des EG-Vertrags niedergelegten Rechts auf Zugang zu Dokumenten des Europä-

a) „Dokument“: Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bildoder audiovisuelles Material), die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen;

(1) ABl. L 340 vom 31.12.1993, S. 43. Beschluss zuletzt geändert durch den Beschluss 2000/527/EG (ABl. L 212 vom 23.8.2000, S. 9). (2) ABl. L 46 vom 18.2.1994, S. 58. Beschluss geändert durch den Beschluss 96/567/EG, EGKS, Euratom (ABl. L 247 vom 28.9.1996, S. 45). (3) ABl. L 263 vom 25.9.1997, S. 27.

b) „Dritte“: alle natürlichen und juristischen Personen und Einrichtungen außerhalb des betreffenden Organs, einschließlich der Mitgliedstaaten, der anderen Gemeinschafts- oder Nicht-Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen und der Drittländer.

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Anhang Artikel 4 Ausnahmeregelung

(1) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: a) der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf: — die öffentliche Sicherheit, — die Verteidigung und militärische Belange, — die internationalen Beziehungen, — die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaats; b) der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten. (2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: — der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, — der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung, — der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungsund Audittätigkeiten, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. (3) Der Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, wird verweigert, wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. Der Zugang zu einem Dokument mit Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs wird auch dann, wenn der Beschluss gefasst worden ist, verweigert, wenn die Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. (4) Bezüglich Dokumente Dritter konsultiert das Organ diese, um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1 oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf. (5) Ein Mitgliedstaat kann das Organ ersuchen, ein aus diesem Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung zu verbreiten. (6) Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben. (7) Die Ausnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 3 gelten nur für den Zeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist. Die Ausnahmen gelten höchstens

für einen Zeitraum von 30 Jahren. Im Falle von Dokumenten, die unter die Ausnahmeregelungen bezüglich der Privatsphäre oder der geschäftlichen Interessen fallen, und im Falle von sensiblen Dokumenten können die Ausnahmen erforderlichenfalls nach Ablauf dieses Zeitraums weiter Anwendung finden. Artikel 5 Dokumente in den Mitgliedstaaten Geht einem Mitgliedstaat ein Antrag auf ein in seinem Besitz befindliches Dokument zu, das von einem Organ stammt, so konsultiert der Mitgliedstaat — es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf — das betreffende Organ, um eine Entscheidung zu treffen, die die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung nicht beeinträchtigt. Der Mitgliedstaat kann den Antrag stattdessen an das Organ weiterleiten. Artikel 6 Anträge (1) Anträge auf Zugang zu einem Dokument sind in schriftlicher, einschließlich elektronischer, Form in einer der in Artikel 314 des EG-Vertrags aufgeführten Sprachen zu stellen und müssen so präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben. (2) Ist ein Antrag nicht hinreichend präzise, fordert das Organ den Antragsteller auf, den Antrag zu präzisieren, und leistet ihm dabei Hilfe, beispielsweise durch Informationen über die Nutzung der öffentlichen Dokumentenregister. (3) Betrifft ein Antrag ein sehr umfangreiches Dokument oder eine sehr große Zahl von Dokumenten, so kann sich das Organ mit dem Antragsteller informell beraten, um eine angemessene Lösung zu finden. (4) Die Organe informieren die Bürger darüber, wie und wo Anträge auf Zugang zu Dokumenten gestellt werden können, und leisten ihnen dabei Hilfe. Artikel 7 Behandlung von Erstanträgen (1) Ein Antrag auf Zugang zu einem Dokument wird unverzüglich bearbeitet. Dem Antragsteller wird eine Empfangsbescheinigung zugesandt. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung des Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder informiert den Antragsteller schriftlich über die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung und über dessen Recht, gemäß Absatz 2 dieses Artikels einen Zweitantrag zu stellen. (2) Im Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung kann der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen.

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (3) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält. (4) Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist, so hat der Antragsteller das Recht, einen Zweitantrag einzureichen. Artikel 8 Behandlung von Zweitanträgen (1) Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt, Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel 230 bzw. 195 des EG-Vertrags. (2) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält. (3) Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist, gilt dies als abschlägiger Bescheid und berechtigt den Antragsteller, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrags Klage gegen das Organ zu erheben und/oder Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einzulegen. Artikel 9

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(4) Die Entscheidung eines Organs über die Verweigerung des Zugangs zu einem sensiblen Dokument ist so zu begründen, dass die durch Artikel 4 geschützten Interessen nicht beeinträchtigt werden. (5) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass bei der Bearbeitung von Anträgen auf Zugang zu sensiblen Dokumenten die in diesem Artikel und in Artikel 4 vorgesehenen Grundsätze beachtet werden. (6) Die Bestimmungen der Organe über sensible Dokumente werden öffentlich gemacht. (7) Die Kommission und der Rat unterrichten das Europäische Parlament hinsichtlich sensibler Dokumente gemäß den zwischen den Organen vereinbarten Regelungen. Artikel 10 Zugang im Anschluss an einen Antrag (1) Der Zugang zu den Dokumenten erfolgt je nach Wunsch des Antragstellers entweder durch Einsichtnahme vor Ort oder durch Bereitstellung einer Kopie, gegebenenfalls in elektronischer Form. Die Kosten für die Anfertigung und Übersendung von Kopien können dem Antragsteller in Rechnung gestellt werden. Diese Kosten dürfen die tatsächlichen Kosten für die Anfertigung und Übersendung der Kopien nicht überschreiten. Die Einsichtnahme vor Ort, Kopien von weniger als 20 DINA4-Seiten und der direkte Zugang in elektronischer Form oder über das Register sind kostenlos. (2) Ist ein Dokument bereits von dem betreffenden Organ freigegeben worden und für den Antragsteller problemlos zugänglich, kann das Organ seiner Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zu Dokumenten nachkommen, indem es den Antragsteller darüber informiert, wie er das angeforderte Dokument erhalten kann. (3) Die Dokumente werden in einer vorliegenden Fassung und Form (einschließlich einer elektronischen oder anderen Form, beispielsweise Braille-Schrift, Großdruck oder Bandaufnahme) zur Verfügung gestellt, wobei die Wünsche des Antragstellers vollständig berücksichtigt werden.

Behandlung sensibler Dokumente (1) Sensible Dokumente sind Dokumente, die von den Organen, den von diesen geschaffenen Einrichtungen, von den Mitgliedstaaten, Drittländern oder internationalen Organisationen stammen und gemäß den Bestimmungen der betreffenden Organe zum Schutz grundlegender Interessen der Europäischen Union oder eines oder mehrerer Mitgliedstaaten in den in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a) genannten Bereichen, insbesondere öffentliche Sicherheit, Verteidigung und militärische Belange, als „TRÈS SECRET/TOP SECRET“, „SECRET“ oder „CONFIDENTIEL“ eingestuft sind. (2) Anträge auf Zugang zu sensiblen Dokumenten im Rahmen der Verfahren der Artikel 7 und 8 werden ausschließlich von Personen bearbeitet, die berechtigt sind, Einblick in diese Dokumente zu nehmen. Unbeschadet des Artikels 11 Absatz 2 entscheiden diese Personen außerdem darüber, welche Hinweise auf sensible Dokumente in das öffentliche Register aufgenommen werden können. (3) Sensible Dokumente werden nur mit Zustimmung des Urhebers im Register aufgeführt oder freigegeben.

Artikel 11 Register (1) Im Hinblick auf die wirksame Ausübung der Rechte aus dieser Verordnung durch die Bürger macht jedes Organ ein Dokumentenregister öffentlich zugänglich. Der Zugang zum Register sollte in elektronischer Form gewährt werden. Hinweise auf Dokumente werden unverzüglich in das Register aufgenommen. (2) Das Register enthält für jedes Dokument eine Bezugsnummer (gegebenenfalls einschließlich der interinstitutionellen Bezugsnummer), den Gegenstand und/oder eine kurze Beschreibung des Inhalts des Dokuments sowie das Datum des Eingangs oder der Erstellung und der Aufnahme in das Register. Die Hinweise sind so abzufassen, dass der Schutz der in Artikel 4 aufgeführten Interessen nicht beeinträchtigt wird. (3) Die Organe ergreifen unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung eines Registers, das spätestens zum 3. Juni 2002 funktionsfähig ist.

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Anhang Artikel 12

Direkter Zugang in elektronischer Form oder über ein Register (1) Die Organe machen, soweit möglich, die Dokumente direkt in elektronischer Form oder über ein Register gemäß den Bestimmungen des betreffenden Organs öffentlich zugänglich. (2) Insbesondere legislative Dokumente, d. h. Dokumente, die im Laufe der Verfahren zur Annahme von Rechtsakten, die in den oder für die Mitgliedstaaten rechtlich bindend sind, erstellt wurden oder eingegangen sind, sollten vorbehaltlich der Artikel 4 und 9 direkt zugänglich gemacht werden. (3) Andere Dokumente, insbesondere Dokumente in Verbindung mit der Entwicklung von Politiken oder Strategien, sollten soweit möglich direkt zugänglich gemacht werden. (4) Wird der direkte Zugang nicht über das Register gewährt, wird im Register möglichst genau angegeben, wo das Dokument aufzufinden ist.

Artikel 13

c) Richtlinien, die nicht unter Artikel 254 Absätze 1 und 2 des EG-Vertrags fallen, Entscheidungen, die nicht unter Artikel 254 Absatz 1 des EG-Vertrags fallen, sowie Empfehlungen und Stellungnahmen. (3) Jedes Organ kann in seiner Geschäftsordnung festlegen, welche weiteren Dokumente im Amtsblatt veröffentlicht werden.

Artikel 14 Information (1) Jedes Organ ergreift die notwendigen Maßnahmen, um die Öffentlichkeit über die Rechte zu informieren, die sie gemäß dieser Verordnung hat. (2) Die Mitgliedstaaten arbeiten mit den Organen bei der Bereitstellung von Informationen für die Bürger zusammen.

Artikel 15 Verwaltungspraxis in den Organen

Veröffentlichung von Dokumenten im Amtsblatt

(1) Die Organe entwickeln eine gute Verwaltungspraxis, um die Ausübung des durch diese Verordnung gewährleisteten Rechts auf Zugang zu Dokumenten zu erleichtern.

(1) Neben den Rechtsakten, auf die in Artikel 254 Absätze 1 und 2 des EG-Vertrags und Artikel 163 Absatz 1 des EuratomVertrags Bezug genommen wird, werden vorbehaltlich der Artikel 4 und 9 der vorliegenden Verordnung folgende Dokumente im Amtsblatt veröffentlicht:

(2) Die Organe errichten einen interinstitutionellen Ausschuss, der bewährte Praktiken prüft, mögliche Konflikte behandelt und künftige Entwicklungen im Bereich des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten erörtert.

a) Vorschläge der Kommission; Artikel 16

b) Gemeinsame Standpunkte des Rates gemäß den in den Artikeln 251 und 252 des EG-Vertrags genannten Verfahren und ihre Begründung sowie die Standpunkte des Europäischen Parlaments in diesen Verfahren;

Vervielfältigung von Dokumenten

c) Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse im Sinne des Artikels 34 Absatz 2 des EU-Vertrags;

Diese Verordnung gilt unbeschadet geltender Urheberrechtsvorschriften, die das Recht Dritter auf Vervielfältigung oder Nutzung der freigegebenen Dokumente einschränken.

d) vom Rat aufgrund des Artikels 34 Absatz 2 des EU-Vertrags erstellte Übereinkommen; e) zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 293 des EGVertrags unterzeichnete Übereinkommen; f) von der Gemeinschaft oder gemäß Artikel 24 des EUVertrags geschlossene internationale Übereinkünfte. (2) Folgende Dokumente werden, soweit möglich, im Amtsblatt veröffentlicht: a) dem Rat von einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 67 Absatz 1 des EG-Vertrags oder Artikel 34 Absatz 2 des EU-Vertrags unterbreitete Initiativen; b) Gemeinsame Standpunkte im Sinne des Artikels 34 Absatz 2 des EU-Vertrags;

Artikel 17 Berichte (1) Jedes Organ legt jährlich einen Bericht über das Vorjahr vor, in dem die Zahl der Fälle aufgeführt ist, in denen das Organ den Zugang zu Dokumenten verweigert hat, sowie die Gründe für diese Verweigerungen und die Zahl der sensiblen Dokumente, die nicht in das Register aufgenommen wurden. (2) Spätestens zum 31. Januar 2004 veröffentlicht die Kommission einen Bericht über die Anwendung der Grundsätze dieser Verordnung und legt Empfehlungen vor, gegebenenfalls mit Vorschlägen für die Überprüfung dieser Verordnung und für ein Aktionsprogramm für die von den Organen zu ergreifenden Maßnahmen.

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001

297

Artikel 18

gewährleisten, dass die Dokumente so umfassend wie möglich aufbewahrt und archiviert werden.

Durchführungsmaßnahmen

(3) Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung prüft die Kommission die Vereinbarkeit der geltenden Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten mit dieser Verordnung.

(1) Jedes Organ passt seine Geschäftsordnung an die Bestimmungen dieser Verordnung an. Diese Anpassungen werden am 3. Dezember 2001 wirksam. (2) Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung prüft die Kommission die Vereinbarkeit der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 354/83 des Rates vom 1. Februar 1983 über die Freigabe der historischen Archive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (1) mit dieser Verordnung, um zu

Artikel 19 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Dezember 2001.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Brüssel am 30. Mai 2001. Für das Europäische Parlament

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

Der Präsident

N. FONTAINE

B. LEJON

(1) ABl. L 43 vom 15.2.1983, S. 1.

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Siehe auch die Einträge unter Söderman.

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Stichwortverzeichnis Ablehnungsfiktion 235 f. Akteneinsichtsrecht des Verfahrensbeteiligten 269–271, 288 Akzeptanz 60, 78, 99, 101–103, 135, 283 Antragsverfahren 232–238, 288 Archiv-Verordnung 30, 271–273 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG 56–58 Art. 207 Abs. 3 EGV 33, 96, 132, 247 Auskunftsrecht, -pflicht 26, 29, 68, 137 f., 154, 205 Beeinträchtigungstest/harm test 159, 161 f., 284 Begründungspflicht 99, 162, 236, 238–241, 257, 260 f. Beratungsgeheimnis 94–97, 155, 157, 217, 286 Beschluss 93/731 33–36, 121, 136 f., 154, 165, 222, 229, 243 Beschluss 94/90 33 f., 119 f., 199 Beschluss 97/632 34 Beweislast für Ausnahmen 159 f. Bürgernähe 31, 78–80, 124 Charta der Grundrechte der EU 21, 38, 40, 123–131, 177, 184, 212, 238, 271, 276, 281, 283 Datenschutz 176–187, 285 Demokratietheorien und Transparenz 69–72 Effet utile 117, 125, 132, 145, 158, 163, 216, 225, 233, 240, 250 Effizienz 60, 64, 94–97, 134 f., 282

EGKS-Vertrag und Dokumentenzugang 150–152 Einrichtungen, von Organen geschaffene 273–275, 289 Entscheidungen BVerfG – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen 57 – Flick 112 – Lüth 164 – Maastricht 77, 84 – Parteienfinanzierung 47 – Spiegel 48–50 – Volkszählung 184 Entscheidungen EuG/EuGH – EuG BAT Tobacco/Kommission I 157 f. – EuG Bavarian Lager/Kommission 210, 217 – EuG Carlsen/Rat 200–203, 219, 229 – EuG Carvel & Guardian/Rat 155 f. – EuG Ghignone/Rat 202 – EuG Hautala/Rat 121, 142, 153 f., 165, 172, 230, 259, 262 – EuG Interporc/Kommission I 197, 256 – EuG Interporc/Kommission II 119 f., 140, 198, 232 – EuG Kuijer/Rat I 173 – EuG Kuijer/Rat II 173 – EuG Mattila/Rat und Kommission 216, 262 – EuG Meyer/Kommission 138 – EuG Rothmans/Kommission 140– 142 – EuG Sodima/Kommission II 219 – EuG Solvay/Kommission 191

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Stichwortverzeichnis

– EuG Svenska Journalistförbundet/ Rat 153, 168, 199, 231, 243, 278 – EuG van der Wal/Kommission 195– 197 – EuG WWF UK/Kommission 119, 209 f., 212, 240 – EuGH Adams/Kommission 177 – EuGH AKZO Chemie/Kommission 266–268 – EuGH AM&S/Kommission 200 – EuGH Deutsche Babcock 151, 272 – EuGH Interporc/Kommission II 7 (Fn.1), 122 – EuGH Les Verts/Parlament 91 – EuGH Niederlande/Rat 35 f., 118– 122 – EuGH Rat/Hautala 129, 142, 153 f., 165 – EuGH van der Wal/Kommission 195–197, 199 – EuGH Wilhelm Mecklenburg 165 Entscheidung, Raad van Staate – Rechtssache Metten 243 Entscheidungsfrist 230, 234 f., 287 Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte von Maastricht 18, 30 f., 41, 282 Euratom-Vertrag und Dokumentenzugang 150–152, 272 f. Europäischer Bürgerbeauftragter 34, 118 f., 138, 143, 178, 181, 183, 211 f., 252–255, 265, 268, 280 Europol 169, 276, 289 Forschungszwecke als Zugangsinteresse 158 f. Freiwillig übermittelte Informationen 113, 144 f., 205 Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik 153 f., 169–171 Gemeinschaftstreue 145, 154, 245 Gerichtsöffentlichkeit 277–280 Gerichtsverfahren 195–200 Geschäftsgeheimnis 113, 147, 166, 187–195, 256, 266–272, 286

Geschäftsordnungen 20 f. 33–37, 92, 108, 114, 142, 153, 243–251, 266– 268, 284, 288 Homogenität 81, 85–90, 282 In-camera-Verfahren 263 f. Informationsfreiheit 29, 55–58, 118 Informationsfreiheitsgesetze (Bund, Länder) 26–28, 290 Inspektionstätigkeit 111 f., 203–206, 209, 286 Integrationstheorien und Transparenz 74–79 Internationale Beziehungen 171–174 Interne Dokumente 112 f., 172, 212–220, 286 f. Juristischer Dienst 199–203, 220, 268 Komitologieausschüsse 140–142 Korruption 63, 91, 93, 282 Öffentliche Sicherheit 167–169 Öffentliches Interesse 166–176 Öffentlichkeit – Begriff, Funktion 44, 47–50, 55, 62, 70, 77, 81, 91, 282 – Beteiligungsöffentlichkeit 45–60, 72, 79-90, 282 – Kontrollöffentlichkeit 60–68, 91– 94, 282 – Teilöffentlichkeit 86 f., 283 OLAF 92 Parteien 50 f., 87–89, 282 Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen 153, 169 Privatsphäre 113, 147, 162, 176–187, 266, 272, 279, 285 Rechtliches Gehör 193, 269 Rechtsmittelbelehrung 236 f.

Stichwortverzeichnis Rechtsschutz – einstweiliger/vorläufiger 257 f., 265–267 – für Antragssteller 251–264, 288 – für Dritte 264–269, 288 Register 40, 221, 223, 227–229, 231, 233, 241 f., 287 Sensible Dokumente 220–229, 287 Solana-Beschluss 221–224, 271, 287 Space to think 218 Sprachenvielfalt 82–84, 87 Subsidiaritätsprinzip 79 f., 87, 102, 124, 144 Teilweiser Zugang 137 f., 165 f., 220, 230 f., 241, 259, 262 Transparenz, Begriff 17–20 Transparenzdefizit 97 Trilogverhandlungen 39 Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 255 EGV 131 f. Urheberregel 139–150, 175 Verbände, Vereinigungen 52 f., 89 f., 282 Verfahrenskosten 240, 242, 253 f., 263, 278 Verhaltenskodex 32–36, 120 f., 138

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Verhältnis – zu speziellen Zugangsregelungen 269–273, 288 – zum Recht der Mitgliedstaaten 242– 245 Verhältnismäßigkeit 126, 146, 164– 166, 168, 183, 216, 229 f., 241, 262 Verhandlungsdemokratie 59 f. Verschlusssachen, siehe sensible Dokumente Verteidigung und militärische Belange 25, 110, 166, 168–171, 221, 223, 285 Vertragsverletzungsverfahren 204, 206–212 Vertrauen 18, 21, 31, 41, 69, 98–103, 146 f., 177 f., 204 f., 209, 279, 282 f., 289 Verwaltung, Grundrecht auf gute 212, 238 Verwaltungsmissstand 118, 252 f., 255 Verwaltungspraxis, gute 118, 134, 255 Vetorecht 148 f., 176, 210, 221, 268, 284 Wechselwirkungslehre 164 Wettbewerbsrecht 165, 191 f., 196, 204, 269 f.