Ausländische Staaten vor deutschen Zivilgerichten: Zum Spannungsverhältnis von Staatenimmunität und Recht auf Zugang zu Gericht. Habilitationsschrift 9783161555480, 3161555481

Private Gläubiger ersuchen zunehmend die deutschen Zivilgerichte um Rechtsschutz gegenüber ausländischen Staaten, um ihr

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Ausländische Staaten vor deutschen Zivilgerichten: Zum Spannungsverhältnis von Staatenimmunität und Recht auf Zugang zu Gericht. Habilitationsschrift
 9783161555480, 3161555481

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Vorwort
Inhaltsübersicht

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Ausländische Staaten vor deutschen Zivilgerichten

Sigrid Lorz

JUS PR IVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 219

Sigrid Lorz

Ausländische Staaten vor deutschen Zivilgerichten Zum Spannungsverhältnis von Staatenimmunität und Recht auf Zugang zu Gericht

Mohr Siebeck

Sigrid Lorz, geboren 1978; Studium der Rechtswissenschaft in Erlangen und Dublin; 2006 Promotion; Referendariat in Nürnberg und Berlin; 2008–2011 Richterin und Staatsanwältin; 2016 Habilitation; seit 2017 Privatdozentin an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT. ISBN 978-3-16-155548-0 ISBN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Stempel Garamond gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Private Gläubiger haben in den letzten Jahren die deutschen Zivilgerichte vielfach um Rechtsschutz gegenüber ausländischen Staaten ersucht, ohne sich von einer möglichen Disparität der Prozessparteien abschrecken zu lassen. Dabei tun sich an der Schnittstelle von Völkerrecht und Zivilprozessrecht vielschichtige Problemfelder auf, die bislang nicht oder nicht abschließend geklärt waren. Diese Lücke will die vorliegende Habilitationsschrift schließen, die im Wintersemester 2016/17 von der Rechts‑ und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angenommen wurde. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Februar 2017 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Klaus Vieweg für seine engagierte Betreuung der Arbeit und für die Erstellung des Erstgutachtens. Den Herren Professoren Dres. Jürgen Stamm, Markus Krajewski und Stephan Weth danke ich für die ebenso zügige Erstellung der weiteren Gutachten. Erlangen, im März 2017

Sigrid Lorz

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Herkunft und Entwicklung der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Rechtsquellen der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . 69 II. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität . . . . . . . . . . . . . . 131 IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse . . . . . . . . . . . . . 152 V. Gerichtliche Prozessleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung . . . . . . . . . . 235 VIII. Urteil und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 IX. Spezielle Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

VIII

Inhaltsübersicht

IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . 344 V. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt . . . . . . . . . . . . . 365

E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagungsowie alternative Lösungsstrategien . . . . . . . 403

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen einer Immunitätsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 II. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte . . . . . . . . . . . . . 440

F. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

II. Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

I. Herkunft und Entwicklung der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . 9 1. Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Von der absoluten zur relativen Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 a. Vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Grundregeln zur Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 b. Immunitätsgesetze ausländischer Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . 17 aa. Foreign State Immunities Act of 1976 der Vereinigten Staaten . . 18 bb. State Immunity Act 1978 des Vereinigten Königreichs . . . . . . . . 19 cc. Weitere Immunitätsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 c. Nicht kodifizierte Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a. Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität . . . . . . . . . . . 24 b. Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . 27 c. Weitere völkervertragliche Regelungen zur Staatenimmunität . . . . . 29 d. Verhältnis der Übereinkommen zum Völkergewohnheitsrecht . . . . 31 3. Öffnungsklauseln des Grundgesetzes für die Staatenimmunität . . . . . . 33

X

Inhaltsverzeichnis

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . 34 1. Staaten und staatliche Untergliederungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a. Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b. Gliedstaaten und Gebietskörperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Staatsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a. Rechtslage nach den Übereinkommen über Staatenimmunität . . . . . 44 b. Staatsunternehmen im Spiegel der deutschen Rechtsprechung . . . . . 46 c. Funktionelle Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4. Abgrenzungen zur Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a. Immunität der Diplomaten und Konsuln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b. Immunität internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Das Problem: Staatenimmunität als Tor zu einem rechtsfreien Raum? 57 2. Rechte des rechtsschutzsuchenden Individuums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a. Recht auf Zugang zu Gericht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK . . . . . . 59 b. Recht auf Zugang zu Gericht als Ausprägung des Justizgewährungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c. Völkerrechtliches Verbot der Justizverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . 67

C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit . . . . 69 1. Begriff und Dimension der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . 69 2. Grenzen der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a. Völkerrechtliche Abgrenzungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b. Maßgebliches Recht für die Qualifikation der staatlichen Tätigkeit 75 aa. Qualifikation nach der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb. Völkerrechtliche Grenzen für den Kernbereich staatlicher Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c. Kriterien zur Präzisierung der Abgrenzungsformel . . . . . . . . . . . . . . 79 d. Immunität bei Wechsel der Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Erweiterung der deutschen Gerichtsbarkeit in besonderen Konstellationen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a. Fehlende Verbürgung der Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b. Schwere Menschenrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

II. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Privatrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a. Völkervertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung 97

Inhaltsverzeichnis

XI

2. Beteiligungen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen . . . . . . . . 101 3. Immaterialgüterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Grundstücke, Vermögen aus Erbschaft und Schenkung, Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a. Völkervertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung 108 5. Personen‑ und Sachschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a. Völkervertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung . 113 6. Staatshandelsschiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 7. Exkurs: Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a. Völkervertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung . 124

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität . . . . . . . . . 131 1. Grundlagen des Immunitätsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a. Formen und Inhalt eines ausdrücklichen Verzichts . . . . . . . . . . . . . . 132 b. Erklärungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c. Wirkungen eines Verzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Konkludenter Immunitätsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a. Verzicht durch anderweitige Vereinbarung der Vertragsparteien . . . 138 aa. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb. Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc. Sachrechtsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b. Verzicht durch anderweitiges Verhalten des ausländischen Staates im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa. Entgegennahme der Klageschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb. Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 cc. Fehlende Verfahrensbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd. Rügelose Einlassung zur Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 ee. Auftreten eines Vertreters des ausländischen Staates als Zeuge . 149 3. Lösung vom Immunitätsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse . . . . . . . . 152 1. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a. Standort‑ und Quellenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b. Ausgewählte Gerichtsstände nach der EuGVVO und der ZPO . . . . 156 aa. Gerichtsstand der Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb. Gerichtsstand des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Anwendbarkeit auf Klagen gegen ausländische Staaten . . . . . 160 (2) Vollstreckbarkeit des zuständigkeitsbegründenden Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (3) Erfordernis eines hinreichenden Inlandsbezugs . . . . . . . . . . . 164 cc. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

XII

Inhaltsverzeichnis

dd. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 ee. Gerichtsstand infolge rügeloser Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c. Internationale Zuständigkeit für öffentlich-rechtliche Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d. Gedanken zu einer Zuständigkeitskonzentration de lege ferenda . . 175 2. Partei‑ und Prozessfähigkeit eines ausländischen Staates . . . . . . . . . . . . 176 3. Rechtshängigkeitssperre durch Klage vor einem ausländischen Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Erbringung einer Prozesskostensicherheit durch einen ausländischen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181



V. Gerichtliche Prozessleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Zustellung der Klage und Begleitverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a. Klagezustellung trotz fehlender Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 183 aa. Zustellungspflicht gem. § 271 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb. Völkerrechtliches Zustellungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc. Zustellung im Lichte des Rechts auf Zugang zu Gericht und des Mündlichkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 dd. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b. Zustellung der Klage auf diplomatischem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c. Zustellung der Klage im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d. Annahmeverweigerung des ausländischen Staates . . . . . . . . . . . . . . . 196 e. Fristen zur Verfahrensbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Anberaumung und Durchführung der mündlichen Verhandlung . . . . . 201 a. Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung . . . . . . . . 201 b. Ladung eines ausländischen Staates zum Termin . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c. Anordnung des persönlichen Erscheinens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d. Abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage . . . . . . . 206 e. Sitzungsgewalt und Verhängung von Ordnungsmitteln . . . . . . . . . . 208

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Klagehäufung und Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a. Objektive Klagehäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b. Streitgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 c. Objektive Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d. Parteiwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Drittbeteiligungen: Streitverkündung, Nebenintervention und Hauptintervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a. Streitverkündung gegenüber einem ausländischen Staat . . . . . . . . . . 215 b. Nebenintervention eines ausländischen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c. Nebenintervention des deutschen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 d. Hauptintervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a. Widerklage gegen einen ausländischen Staat als Kläger . . . . . . . . . . . 223

Inhaltsverzeichnis

XIII

aa. Gerichtsbarkeit für konnexe Widerklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 bb. Begrenzung der Widerklagesumme auf die Höhe der Klageforderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b. Widerklage eines ausländischen Staates als Beklagten . . . . . . . . . . . . 228 4. Prozessaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a. Aufrechnung gegenüber einem ausländischen Staat als Kläger . . . . . 230 b. Aufrechnung eines ausländischen Staates als Beklagten . . . . . . . . . . . 232 5. Prozessbeendende Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a. Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b. Übereinstimmende Erledigterklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung . . . . 235 1. Prozessuale Wahrheitspflicht und Staatsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Prüfung der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a. Grundsatz der Prüfung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c. Ermittlung der Regeln zur Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa. Einholung eines Rechtsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb. Vorlage an das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 cc. Anrufung des Internationalen Gerichtshofs oder des Europäischen Gerichts für Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Typische Problemkonstellationen bei der Beweiserhebung . . . . . . . . . . 245 a. Einvernahme ausländischer Staatsorgane und Staatsbediensteter als Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa. Zeugnispflicht und Zeugnisverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 246 bb. Ladung zum Termin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b. Beweis durch Urkunden eines ausländischen Staates . . . . . . . . . . . . . 250 aa. Beweiskraft einer vom ausländischen Staat errichteten Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb. Anordnung der Urkundenvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

VIII. Urteil und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Wahl der richtigen Urteilsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a. Zwischenurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b. Endurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c. Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Kostenentscheidung im Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

IX. Spezielle Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a. Prozesskostenhilfe für den Gläubiger eines ausländischen Staates . . 262 b. Prozesskostenhilfe für einen ausländischen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

XIV

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a. Staatenimmunität im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes . . 267 b. Vorlage an das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c. Arrestgrund der Auslandsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Verhältnis zur Immunität im Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Völkergewohnheitsrechtliche Regeln zur Vollstreckungsimmunität . . 279 a. Grundsatz der relativen Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . 279 b. Modifikationen der Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa. Völkerrechtswidrige Erlangung oder Verbringung des Vollstreckungsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 bb. Konnexität zwischen Streitgegenstand und Vollstreckungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 c. Sonderfall: diplomatische und konsularische Immunität . . . . . . . . . . 285 3. Völkervertragliche Regeln zur Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . 287 a. Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität . . . . . . . . . . . 287 aa. Art. 23 EuStImm: Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 bb. Art. 26 EuStImm: Ausnahme bei Abgabe einer Notifikation . . . 288 cc. Art. 20 und 25 EuStImm: Erfüllungspflicht des verurteilten Vertragsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 dd. Art. 21 EuStImm: Feststellungsklage über die Erfüllungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 ee. Art. 22 EuStImm: Erfüllung eines Prozessvergleichs . . . . . . . . . . 295 ff. Resümee: Rechtsvereinheitlichung oder Rechtszersplitterung? 295 b. UN-Übereinkommen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa. Art. 18 UN-Übereinkommen: Sicherungsmaßnahmen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb. Art. 19 UN-Übereinkommen: Vollstreckungsmaßnahmen im Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Verhältnis zum Verzicht für das Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Form des Immunitätsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3. Immunitätsverzicht in speziellen Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 a. Verzicht durch Verhalten des ausländischen Staates im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b. Verzicht durch Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 c. Verzicht durch notarielle Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

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4. Erstreckung eines pauschalen Verzichts auf Gegenstände der diplomatischen Mission? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 5. Feststellungsklage auf Immunitätsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Internationale Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts . . . . . . . . . . . . 311 2. Das immunitätsverletzende Urteil als taugliche Vollstreckungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a. Überblick über das Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 b. Plädoyer für die Wirksamkeit des immunitätsverletzenden Urteils 317 aa. Vorgaben des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 bb. Vorgaben des Vollstreckungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 cc. Vergleich mit dem verfassungswidrigen oder menschenrechtswidrigen Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 dd. Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 c. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 3. Zwangsvollstreckung aus ausländischen Titeln in Deutschland . . . . . . 325 a. Vollstreckung aus Urteilen ausländischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . 325 b. Vollstreckung aus Schiedssprüchen internationaler Schiedsgerichte 329 4. Besondere Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 a. Wahrung einer Wartefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 b. Vollziehungsfrist im einstweiligen Rechtschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 5. Einflussnahme der Exekutive auf die Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . 337 6. Staatsnotstand wegen Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 a. Das rechtstatsächliche Problem mit den Argentinien-Anleihen . . . . 340 b. Das rechtliche Problem: Staatsnotstand als Vollstreckungshindernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . 344 1. Inhalt und Konturen des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 a. Maßgebliches Recht für die Qualifikation des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b. Präzisierung des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 c. Tatsächlicher oder vorgesehener Verwendungszweck? . . . . . . . . . . . 348 d. Gemischte Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 e. Zweckbestimmung und Zweckänderung vor und während des Vollstreckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 f. Analoge Anwendung des § 882a Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 2. Darlegung und Nachweis des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . 355 a. Prüfung des Verwendungszwecks von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . 355 b. Darlegungs‑ und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 c. Anforderungen an das Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

XVI



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V. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt . . . . . . . . 365 1. Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 a. Schiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 b. Flugzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 c. Militärische Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 d. Kunstgegenstände und andere Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 e. Bewegliche Gegenstände diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 2. Zwangsvollstreckung in und im Hinblick auf Grundstücke . . . . . . . . . 374 a. Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 b. Eintragung einer Zwangshypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 c. Eintragung einer Arresthypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 d. Bewilligung einer Grundbuchberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 3. Zwangsvollstreckung in Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 a. Ausländischer Staat als Forderungsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 aa. Ansprüche auf Auszahlung eines Kontoguthabens . . . . . . . . . . . 382 (1) Allgemeines zur Vollstreckung in Guthaben auf staatlichen Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 (2) Bankkonten diplomatischer Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 (3) Bankkonten ausländischer Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . 385 (4) Bankkonten ausländischer Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . 388 bb. Mietzinsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 cc. Ansprüche auf Rückerstattung der Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . 391 dd. Gebühren‑ und Steuerforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 b. Ausländischer Staat als Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 4. Zwangsvollstreckung von Handlungen, Unterlassungen und Duldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a. Herausgabe von Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 b. Erwirkung von sonstigen Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 c. Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen . . . . . . . . . . . . . . . 401

E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagungsowie alternative Lösungsstrategien . . . . 403

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen einer Immunitätsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 1. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 a. Haftungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 b. Wiedergutmachung für ein völkerrechtswidriges Endurteil . . . . . . . 405 aa. Wege und Irrwege der Wiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 bb. Rechtsmittel gegen ein immunitätsverletzendes Endurteil vor Eintritt der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

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cc. Rechtsmittel gegen ein immunitätsverletzendes rechtskräftiges Endurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (1) Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (2) Hürden im Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 c. Wiedergutmachung für eine völkerrechtswidrige Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 aa. Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung in einen immunen Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 bb. Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung aus einem ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenen Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 d. Befugnis des ausländischen Staates zu Gegenmaßnahmen . . . . . . . . 419 2. Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter . . . . . . . . . . . . . . . . 420 a. Verstoß gegen die Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 2 GG . . . . . . . . . 421 b. Entscheidung trotz fehlender Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

II. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 1. Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers im Erkenntnisverfahren . . . . . 425 a. Rechtsbehelfe gegen die Verletzung der Prozessförderungspflicht . . 425 b. Rechtsbehelfe gegen ein zu Unrecht ergangenes Prozessurteil . . . . . 428 2. Rechtsschutzmöglichkeiten des Vollstreckungsgläubigers in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 3. Haftung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem rechtsschutzsuchenden Individuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a. Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 b. Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 c. Weitere Haftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte . . . . . . . . 440 1. Rechtsschutz durch die Gerichte des ausländischen Schuldnerstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 a. Pflicht zur Rechtsschutzgewährung als Pendant zum Recht auf Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 b. Hürden der Rechtsverfolgung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 2. Rechtsschutz durch internationale Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . 444 a. Überblick über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . 444 b. Schiedsverfahren wegen Investitionsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 445 c. Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . 448 3. Diplomatischer Schutz durch die Bundesrepublik Deutschland . . . . . . 449 a. Voraussetzungen für die Gewährung diplomatischen Schutzes . . . . 450 b. Überblick über die Mittel und Möglichkeiten zur Ausübung diplomatischen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 c. Anspruch auf Gewährung diplomatischen Schutzes . . . . . . . . . . . . . 453

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4. Möglichkeiten und Grenzen eigenmächtiger Rechtsdurchsetzung . . . . 454 a. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 b. Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 c. Ausübung eines Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 d. Selbsthilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461

F. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht ABl. Amtsblatt Abs. Absatz Abschn. Abschnitt A. C. Appeal Cases AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AG Die Aktiengesellschaft, Aktiengesellschaft, Amtsgericht AJIL The American Journal of International Law All ER All England Law Reports Anm. Anmerkung AnwBl Anwaltsblatt AP Arbeitsrechtliche Praxis AöR Archiv des öffentlichen Rechts ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz Art. Artikel Aufl. Auflage Ausg. Ausgabe AVAG Anerkennungs‑ und Vollstreckungsausführungsgesetz AVR Archiv des Völkerrechts AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Az. Aktenzeichen BAG Bundesarbeitsgericht BankGesch Bankgeschäfte BB Der Betriebs-Berater BBG Bundesbeamtengesetz BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BeckRS Beck-Rechtssachen Begr. Begründer BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGE Bundesgerichtsentscheide BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BKR Zeitschrift für Bank‑ und Kapitalmarktrecht BLJ Bucerius Law Journal BSG Bundessozialgericht BT-Drcks. Bundestagsdrucksache

XX

Abkürzungsverzeichnis

Bull. civ. Bulletin civil de la Cour de cassation BULR Boston University Law Review BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerwG Bundesverwaltungsgericht bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise c. chapter civ. chambre civile CPJI Cour permanente de justice internationale DB Der Betrieb DDR Deutsche Demokratische Republik ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselben DM Deutsche Mark DÖV Die Öffentliche Verwaltung DRiG Deutsches Richtergesetz DVBl Deutsches Verwaltungsblatt DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Ed. Edition Einl. Einleitung Einl. ALR Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten EJIL European Journal of International Law EG Europäische Gemeinschaften EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGZPO Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung EMRK Europäische Menschenrechtskonvention Erglfg. Ergänzungslieferung EStG Einkommensteuergesetz ETS European Treaty Series et seq. et sequentes EU Europäische Union EuErbVO Europäische Erbrechtsverordnung EuGH Europäischer Gerichtshof EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift EuGVVO Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen EuMahnVO Europäische Mahnverordnung EuStImm Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität EUV Vertrag über die Europäische Union EuZVO Europäische Zustellungsverordnung EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis

XXI

EWR Europäischer Wirtschaftsraum f. folgende FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung ff. fortfolgende FGPrax Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fn. Fußnote FS Festschrift FSIA Foreign Sovereign Immunities Act GBO Grundbuchordnung gem. gemäß GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GLJ German Law Journal GKG Gerichtskostengesetz GR-Charta Charta der Grundrechte der Europäischen Union GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR-Prax Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Praxis im Immaterialgüter‑ und Wettbewerbsrecht GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWR Gesellschaft‑ und Wirtschaftsrecht HGB Handelsgesetzbuch Hk Handkommentar Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HuV Humanitäres Völkerrecht HZPÜ Haager Übereinkommen über den Zivilprozess HZÜ Haager Zustellungsübereinkommen ICC International Chamber of Commerce I. C. J. Reports Reports of the International Court of Justice ICLQ International and Comparative Law Quarterly ICSID International Centre for Settlement of Investment Disputes ICSID Review Review of the International Centre for Settlement of Investment Disputes ICSID-Übereinkommen Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten IGH Internationaler Gerichtshof IGH-Statut Statut des Internationalen Gerichtshofs i. H. v. in Höhe von ILC International Law Commission ILC-Entwurf Entwurf der International Law Commission IPRax Praxis des Internationalen Privat‑ und Verfahrensrechts IPRspr. Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts i. S. v. im Sinne von

XXII ISV 2002

Abkürzungsverzeichnis

Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 24. 6. ​2002 ITLOS International Tribunal for the Law of the Sea i. V. m. in Verbindung mit IWRZ Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht IZPR Internationales Zivilprozessrecht JA Juristische Arbeitsblätter JBl Juristische Blätter JDI Journal du droit international JIR Jahrbuch für Internationales Recht JN Jurisdiktionsnorm JR Juristische Rundschau JURA Juristische Ausbildung jurisPK juris PraxisKommentar jurisPR-BGHZivilR juris PraxisReport Bundesgerichtshof Zivilrecht jurisPR-BKR juris PraxisReport Bank‑ und Kapitalmarktrecht jurisPR-HaGesR juris PraxisReport Handels‑ und Gesellschaftsrecht jurisPR-InsR juris PraxisReport Insolvenzrecht jurisPR-IWR juris PraxisReport Internationales Wirtschaftsrecht JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht KJ Kritische Justiz KonsularG Konsulargesetz krit. kritisch KV GKG Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz LArbG Landesarbeitsgericht LG Landgericht lit. litera LMK Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Ltd. Limited LugÜ Luganer Übereinkommen m. Anm. mit Anmerkung MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mio. Millionen m. krit. Anm. mit kritischer Anmerkung MMR Multimedia und Recht Mrd. Milliarden M. U. L. R. Melbourne University Law Review MünchKomm Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen m. zust. Anm. mit zustimmender Anmerkung numéro no Neubearb. Neubearbeitung NIOC National Iranian Oil Company

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

NJOZ Neue Juristische Online Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport NLMR Newsletter Menschenrechte No. number Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-RR Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – Rechtsprechungsreport NZM Neue Zeitschrift für Miet‑ und Wohnungsrecht öAT Zeitschrift für das öffentliche Arbeits‑ und Tarifrecht OGH Oberster Gerichtshof ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OLG Oberlandesgericht OLGE Sammlung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen ­einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit öst. österreichischer/s p. page Preuß. Preußischer PYIL Polish Yearbook of International Law Q. B. D. Queen’s Bench Division RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales ­ Privat­recht Rdnr. Randnummer Rdnrn. Randnummern RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rom I-VO Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse ­anzuwendende Recht Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger RPflG Rechtspflegergesetz r+s recht und schaden S. Satz, Seite(n) SchiedsVZ Die neue Zeitschrift für Schiedsverfahren S. Ct. Supreme Court sec. section sér. série SIA State Immunity Act sog. sogenannte(n/s) SR Systematische Rechtssammlung Stat. Statute StGB Strafgesetzbuch StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof st. Rspr. ständige Rechtsprechung sublit. sublitera

XXIV u. a. UdSSR UN-Charta UNCITRAL UNCSI

Abkürzungsverzeichnis

und andere Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Charter of the United Nations United Nations Commission on International Trade Law United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property UN-Übereinkommen Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit UNYB Max Planck Yearbook of United Nations Law U. S. United States Reports USA United States of Amerika v. versus, vom v. a. vor allem VersR Versicherungsrecht VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche Vorbem. Vorbemerkung VwGO Verwaltungsgerichtsordnung WEG Wohnungseigentumsgesetz WiRO Zeitschrift für Wirtschaft und Recht in Osteuropa W. L. R. The Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts‑ und Bankrecht WÜD Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen WÜK Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen WVK Wiener Vertragsrechtskonvention ZaK Zivilrecht aktuell ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZfBR Zeitschrift für deutsches und internationales Bau‑ und Vergaberecht ZfRV Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung ZGB Zivilgesetzbuch ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis ZIS Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZP EMRK Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechts­konvention ZP EuStImm Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität ZPO Zivilprozessordnung ZRHO Rechtshilfeordnung für Zivilsachen ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUR Zeitschrift für Umweltrecht ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

A. Einführung I. Problemaufriss Ausländische Staaten vor deutschen Zivilgerichten? Bereits der Blick in die Presse lässt erahnen, dass diese prima facie atypische Konstellation nicht nur theoretischer Natur ist. So verurteilt ein deutsches Gericht Argentinien zur Zahlung an private Anleger1, ein bayerischer Unternehmer versucht seit 20 Jahren, Schulden von Russland mithilfe der deutschen Gerichte einzutreiben,2 und ein Obergerichtsvollzieher pfändet ein thailändisches Flugzeug auf dem Münchener Flughafen3. Damit stellen sich unweigerlich zwei Fragen: Können ausländische Staaten von deutschen Zivilgerichten verurteilt werden und kann die Zwangsvollstreckung in ihr in Deutschland belegenes Vermögen betrieben werden? Über Jahrhunderte hinweg waren diese Fragen zu verneinen, da Staaten als souveräne und gleichwertige Völkerrechtssubjekte vor den Gerichten anderer Staaten absolute Immunität genossen. Dieser Grundsatz verlor im Lauf der Zeit seine uneingeschränkte Gültigkeit, so dass heutzutage eine Verurteilung ausländischer Staaten und eine Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen nicht mehr prinzipiell ausgeschlossen sind. Die steigende Zahl der hierzu veröffentlichten Entscheidungen legt den Schluss nahe, dass private Gläubiger von der Möglichkeit, die deutschen Zivilgerichte um Rechtsschutz gegenüber ausländischen Staaten zu ersuchen, rege Gebrauch machen und sich von einer möglichen Disparität der Prozessparteien nicht abschrecken lassen. Dabei tut sich an der Schnittstelle von Völkerrecht und Zivilprozessrecht eine Vielzahl von Problemfeldern auf, die bislang nicht oder nicht abschließend geklärt sind. Ein kurzer Streifzug durch die Rechtsprechung der letzten Jahre mag einen ersten Eindruck von den rechtlichen Problemen vermitteln, die entstehen können, wenn ein ausländischer Staat an einem deutschen Zivilprozess beteiligt ist. Neben klassischen Fällen wie der Klage aus einem vertraglichen Schuldverhältnis – so zum Beispiel gegen das Kaiserreich Iran auf Zahlung einer Werklohnforderung für Reparaturarbeiten an der Heizungsanlage des iranischen Botschaftsgebäudes4 oder gegen die Republik Portugal auf Zahlung einer Mak FAZ v. 25. 2. ​2015, S. 23.  ZEIT Magazin v. 13. 11. ​2014, Ausg. 47, S. 58. 3 Der Spiegel v. 1. 8. ​2011, Ausg. 31, S. 40 f. 4  BVerfGE 16, 27 ff. 1 2

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A. Einführung

lerprovision für die Vermittlung von Waffenkäufen mit der Bundesrepublik Deutschland5 – haben sich die deutschen Gerichte in den letzten Jahren verstärkt mit zwei Sachkomplexen befasst: Staatsanleihen und Investitionsschutz. Vor allem argentinische Staatsanleihen beschäftigten die deutschen Gerichte über alle Instanzen hinweg. Nachdem die Republik Argentinien sich zunächst in erheblichem Umfang des Instruments der Staatsanleihen auf dem deutschen Kapitalmarkt bedient hatte, stellte sie mit Erreichen des Höhepunkts der dortigen Wirtschaftskrise Anfang 2002 und nach Erklärung des Staatsnotstands ihren Auslandsschuldendienst ein.6 Etliche Inhaber der Schuldverschreibungen, die ein von der Republik Argentinien 2004 unterbreitetes Umtauschangebot ausgeschlagen hatten, erhoben in der Folge gegen sie vor dem nach den Anleihebedingungen zuständigen Amts‑ bzw. Landgericht Frankfurt Klage auf Zahlung der in den Schuldverschreibungen und den zugehörigen Zinsscheinen versprochenen Beträge. Trotz der Berufung Argentiniens auf den Staatsnotstand wegen Zahlungsunfähigkeit hatten die Klagen vielfach Erfolg.7 Gleichwohl haben sich die meisten Kläger bislang vergeblich um eine Vollstreckung bemüht, da sich die Suche nach vollstreckbaren Vermögenswerten, für die der Republik Argentinien keine Immunität zukommt, als äußerst schwierig erweist. Trotz des in den Anleihebedingungen enthaltenen pauschalen Immunitätsverzichts erteilten etwa der Bundesgerichtshof dem Antrag auf Pfändung von Steuer‑ und Zollforderungen8 und das Bundesverfassungsgericht dem Antrag auf Pfändung von bei der Deutschen Bank unterhaltenen Botschaftskonten9 letztlich eine Absage. Aber auch die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen, die Investoren vor internationalen Schiedsgerichten gegen ausländische Staaten erwirkt haben, und deren Vollstreckung beschäftigen zunehmend die deutschen Gerichte. Exemplarisch sei folgender Fall geschildert: Die in Deutschland ansässige Walter Bau AG erhob im September 2005 Klage gegen das Königreich Thailand wegen Verletzung von Pflichten aus dem deutsch-thailändischen Investitionsschutzvertrag vor einem Schiedsgericht mit Sitz in Genf. Sie hielt Anteile an einer Gesellschaft nach thailändischem Recht, der das Königreich Thailand eine Konzession über den Bau und Betrieb einer Autobahn von der Bangkoker Innenstadt zum damaligen internationalen Flughafen Don Mueang erteilt hatte. Wegen entgangener Mauteinnahmen für die Schnellstraße, des Baus mautfreier Alternativrouten und der zeitweiligen Schließung des Flughafens ver5 BGH,

IPRspr. 1974 Nr. 1b, S. 9 ff.  Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (447); Cranshaw, DZWIR 2007, 133 (134 f.); Grüneberg, WM 2016, 1621 (1621); Ohler, JZ 2005, 590 (591); Toussaint, jurisPR-BGHZivilR 21/2008 Anm. 3. 7 Vgl. hierzu z. B. BGH, ZIP 2015, 769 ff.; OLG Frankfurt, WM 2007, 929 ff.; LG Frankfurt, WM 2003, 783 ff. 8  BGH, NJW-RR 2011, 647 (647). 9 BVerfGE 117, 141 (148 ff.). 6

I. Problemaufriss

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urteilte das angerufene Schiedsgericht das Königreich Thailand zur Zahlung von Schadensersatz i. H. v. 29,21 Mio. Euro nebst Zinsen.10 Da das Königreich Thailand dem Schiedsspruch nicht Folge leistete, beantragte der Insolvenzverwalter der zahlungsunfähig gewordenen Walter Bau AG dessen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung beim Oberlandesgericht München11. Dieses erklärte sich für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Kammergericht12, das dem Antrag stattgab und die Sicherungsvollstreckung aus dem Schiedsspruch gestattete. Daraufhin ließ der Insolvenzverwalter durch einen Obergerichtsvollzieher am Amtsgericht Erding ein Flugzeug der Royal Thai Air Force, das der thailändische Kronprinz während seines Aufenthaltes in Deutschland nutzte, auf dem Münchener Flughafen festsetzen.13 Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob das Flugzeug überhaupt dem Zugriff der deutschen Vollstreckungsorgane unterlag. Vielmehr haben die deutschen Gerichte sowohl im Erkenntnisverfahren als auch in der Zwangsvollstreckung die Vorgaben des Völkerrechts zu beachten. Diese Aufgabe kann sich als schwierig erweisen, da jede Gewährung von Staatenimmunität spiegelbildlich den Zugang des rechtsschutzsuchenden Gläubigers zu Gericht einschränkt. Hat der deutsche Staat die Rechtsdurchsetzung bei seinen Gerichten monopolisiert, so muss er auch ein Verfahren zur Verfügung stellen, im Rahmen dessen der Einzelne zu seinem Recht gelangen kann. Demzufolge stehen der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität und das Recht des Individuums auf Zugang zu Gericht in einem Spannungsverhältnis. Einerseits muss das Gericht der Stellung eines ausländischen Staates als souveränes und gleichwertiges Völkerrechtssubjekt angemessen Rechnung tragen, andererseits muss es einem privaten Gläubiger prinzipiell Rechtsschutz auch gegenüber anderen Staaten gewähren. Zugleich stellt sich unweigerlich die Frage, inwieweit die für Privatrechtssubjekte konzipierten zivilprozessualen Vorschriften auf ausländische Staaten Anwendung finden können und inwieweit das Völkerrecht deren Modifizierung erfordert. Die deutschen Gerichte stehen dadurch bei ihrer Entscheidungsfindung vor der Herausforderung, die einfachgesetzlichen, völkerrechtlichen, aber auch verfassungsrechtlichen Vorgaben für das zivilprozessuale Verfahren zu beachten, diese miteinander in Einklang zu bringen und somit eine Balance zwischen dem Souveränitätsinteresse eines ausländischen Staates und dem widerstreitenden Rechtsschutzinteresse eines privaten Gläubigers zu finden.

10  Vgl. BGH, NJW 2013, 3184 (3184 f.); Arndt, jurisPR-BKR 8/2013 Anm. 2; Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3; Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597. 11 OLG München, IPRspr. 2011 Nr. 303, S. 811 (812). 12  KG, SchiedsVZ 2013, 112 (112 ff.) 13  Vgl. BGH, NJW-RR 2014, 64 (64); Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3; Wilske/ Nettlau, LMK 2013, 345597.

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A. Einführung

II. Gegenstand und Ziel der Untersuchung In einem Zivilprozess gegen einen ausländischen Staat geht es oft um mehr als nur um Recht und Rechtsverwirklichung. Verkennt ein Gericht den Einfluss des Völkerrechts auf die zivilprozessualen Regeln, so kann seine Entscheidung die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einem zu Unrecht verurteilten Staat und zu mit ihm sich solidarisierenden Staaten belasten.14 Der Grenzziehung zwischen Staatenimmunität und Rechtsschutz kommt aber auch eine wirtschaftliche Dimension zu. So können Staaten verstärkt wirtschaftliche Beziehungen zu Unternehmen in denjenigen Staaten unterhalten, in denen sie vor der Ausübung von Gerichtsbarkeit durch die dortigen Gerichte am besten geschützt sind.15 Gleichsam erhöht eine weitgehende Gewährung von Staatenimmunität das Ausfallrisiko privater Geschäftspartner, so dass diese wiederum versucht sein können, es mit Risikoprämien und Preisaufschlägen abzufedern oder ihre Geschäftstätigkeit anderweitig auszurichten.16 Derartige Erwägungen haben jedoch im Zivilprozess keinen Platz. Das Gericht entscheidet trotz manch gegenläufiger Tendenzen nicht nach politischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern nach Recht und Gesetz. So darf auch bezweifelt werden, dass jedes Gericht die Auswirkungen seiner Entscheidung gegenüber einem ausländischen Staat zutreffend zu prognostizieren und die außenpolitischen Rücksichten und wirtschaftlichen Interessen richtig einzuschätzen und zu gewichten vermag.17 Aufgabe und Ziel dieser rechtswissenschaftlichen Untersuchung kann es deshalb nur sein, die rechtlichen Maßstäbe und Besonderheiten darzulegen, zu analysieren und zu bewerten, die es bei der Beteiligung eines ausländischen Staates an einem deutschen Zivilprozess zu beachten gilt, sowie Lösungsmöglichkeiten für die daraus resultierenden Problemkonstellationen aufzuzeigen und zu erörtern. Weder die Rechtsprechung noch das Schrifttum zeichnen ein einheitliches Bild, wenn es darum geht, den Einfluss des Völkerrechts auf das deutsche Zivilprozessrecht zu bestimmen, um einen angemessenen Ausgleich zwischen der Gewährung von Staatenimmunität und der Gewährung von Rechtsschutz zu finden. Vielmehr zeigen insbesondere einige Gerichte immer wieder eine bemerkenswerte Zurückhaltung, wenn ein ausländischer Staat verklagt wird oder in dessen Vermögen vollstreckt werden soll. So wird nicht selten der Staatenimmunität aus Respekt vor dem Völkerrecht ein höherer Stellenwert im Zivil14 BVerfG, Beschluss v. 16. 10. ​2013, Az. 2 BvR 736/13 – juris; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 562; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (259). 15 Gramlich, NJW 1981, 2618 (2618); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). 16  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 178; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (523); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). 17 Von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983).

II. Gegenstand und Ziel der Untersuchung

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prozess eingeräumt, als ihr tatsächlich gebührt, und dabei übersehen, dass deren Aufwertung zugleich den Zugang des rechtschutzsuchenden Gläubigers zu Gericht einschränkt. Umgekehrt schenken aber auch einige Gerichte bisweilen in Verkennung der besonderen Stellung eines ausländischen Staates als souveränem und gleichwertigem Völkerrechtssubjekt den Einflüssen des Völkerrechts auf das deutsche Zivilprozessrecht keine Beachtung. Die in diesem Zusammenhang immer wieder auftretende Unkenntnis oder Unsicherheit vermag nicht zu verwundern, handelt es sich hierbei doch nicht um das Standardrepertoire eines jeden Richters, sondern um eine zugegebenermaßen recht komplexe Rechtsmaterie. Daher soll der Versuch unternommen werden, „Licht ins Dunkel“ zu bringen. Die Frage nach Inhalt und Umfang der völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität war bereits Gegenstand einiger anderer Untersuchungen. Dabei wurde zumeist aus der völkerrechtlichen Perspektive das Hauptaugenmerk auf ihren Geltungsgrund, ihre Rechtsquellen und ihre Beachtung in verschiedenen Rechtsordnungen gerichtet18 oder es wurden spezielle Problemkonstellationen erörtert19. Nicht ganz zu Unrecht weist Walter in diesem Kontext darauf hin, dass bei der Beschäftigung mit völkerrechtlichen Fragen das nationale Recht oft in Vergessenheit gerate, in dessen Niederungen sich die manchmal in ätherischen Höhen schwebenden völkerrechtlichen Erwägungen zu bewähren hätten.20 Deshalb soll im Folgenden an die bereits behandelten Fragestellungen angeknüpft werden, ohne hierbei stehen zu bleiben. Was bislang fehlt, ist eine umfassende Monographie zu der Thematik, wie das Völkerrecht  – auch über die Regeln zur Staatenimmunität hinaus  – das deutsche Zivilprozessrecht mit seinen europarechtlichen Bezügen beeinflusst, wenn ein ausländischer Staat an einem Zivilprozess beteiligt ist. Hierbei erschöpfen sich die Auswirkungen des Völkerrechts nicht in der Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit, sondern ziehen sich durch das gesamte zivilprozessuale Verfahren. Dies beginnt bei der Klagezustellung und erstreckt sich auf die internationale Zuständigkeit, die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, die prozessualen Gestaltungsmöglichkeiten sowie die Beendigung des Erkenntnisverfahrens. Aber auch im Vollstreckungsverfahren stellen sich erneut Fragen nach den spezifischen Vollstreckungsvoraussetzungen und Vollstreckungshindernissen sowie nach der Zulässigkeit einzelner Vollstreckungsmaßnahmen. Schließlich 18   So z. B. Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, 1984; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, 1990; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, 2011; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, 1978; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, 2013. 19  So z. B. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, 2004; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992; Steger, Staatenimmunität und Kriegsverbrechen, 2013. 20 Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (772).

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A. Einführung

ergeben sich auch Besonderheiten mit Blick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten eines in seiner Immunität verletzten ausländischen Staates und umgekehrt eines Gläubigers, dem der Rechtsschutz zu Unrecht verwehrt worden ist. Diese Lücken an der Schnittstelle von Völkerrecht und Zivilprozessrecht will die vorliegende Untersuchung schließen und für die vielfältigen, in der Praxis auftretenden Problemkonstellationen, die sich aus der Beteiligung eines ausländischen Staates an einem deutschen Zivilprozess ergeben können, Lösungswege, aber auch Vermeidungsstrategien aufzeigen. Hierzu sollen zunächst in Kapitel B die völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundlagen der Staatenimmunität aufgezeigt und dabei die Fragen nach ihrer Herkunft und Entwicklung, ihren Rechtsquellen, ihrer Abgrenzung von verwandten völkerrechtlichen Instituten und ihrem Verhältnis zum Recht des Gläubigers auf Zugang zu Gericht beantwortet werden. Im Anschluss werden die einzelnen Stadien eines Zivilprozesses in den Blick genommen, an dem ein ausländischer Staat als Beklagter oder Vollstreckungsschuldner, ferner auch als Kläger, Nebenintervenient oder Drittschuldner beteiligt ist. So sollen in Kapitel C die Immunitätsregeln und ihre Auswirkungen im Erkenntnisverfahren, beginnend mit den Grundregeln zur deutschen Gerichtsbarkeit und den einzelnen Fallgruppen, untersucht werden. Zudem sollen Fragen nach der Möglichkeit eines Immunitätsverzichts und der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte erörtert werden, bevor die Auswirkungen der Staatenimmunität auf die Zulässigkeit von Klagezustellung sowie von Anberaumung und Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung näher beleuchtet werden. Im Anschluss wandert der Fokus auf prozessuale Gestaltungsrechte wie Streitverkündung, Widerklage und Prozessaufrechnung. Danach wird der Wahrheitspflicht des ausländischen Staates und Beweisfragen nachgegangen, ehe die Frage nach der Wahl der richtigen Urteilsart beantwortet wird. Mit der Erörterung der Prozesskostenhilfe und des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber einem ausländischen Staat schließt das Kapitel. In Kapitel D sollen Inhalt und Wirkungen der Immunitätsregeln in der Zwangsvollstreckung näher beleuchtet werden. Hierzu werden zunächst die Grundlagen der Vollstreckungsimmunität geklärt, bevor auf die Möglichkeit eines insbesondere konkludenten Verzichts einzugehen ist. Es folgt die Beantwortung der Fragen, ob ein die Staatenimmunität verletzendes Urteil eine taugliche Vollstreckungsgrundlage bildet und ob spezifische Vollstreckungshürden bestehen. Sodann soll untersucht werden, wie der für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität maßgebliche Verwendungszweck näher bestimmt werden kann und von welcher Partei mit welchem Beweismaß er nachzuweisen ist. Schließlich wird im Einzelnen aufgezeigt, welche Vermögensgegenstände dem Zugriff der deutschen Vollstreckungsorgane unterliegen. In Kapitel E stehen einerseits die Rechtsfolgen einer Immunitätsverletzung, insbesondere die Frage nach der Wiedergutmachungspflicht des deutschen Staa-

II. Gegenstand und Ziel der Untersuchung

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tes, und andererseits die Rechtsfolgen einer Rechtsschutzversagung einschließlich möglicher staatshaftungsrechtlicher Ansprüche im Fokus der Untersuchung. Ein Ausblick auf Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte vermag dem privaten Gläubiger anderweitige Perspektiven zu eröffnen, wenn es um die Verwirklichung seiner Ansprüche gegenüber einem ausländischen Staat geht, bevor die Arbeit mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse schließt. Hierbei soll nicht der untaugliche Versuch einer Neuordnung der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität unternommen werden. Vielmehr steht anknüpfend an die vorhandenen völkerrechtlichen Rechts(‑erkenntnis‑)quellen der Einfluss der teils speziellen, oft aber auch nur sehr allgemein gehaltenen völkervertraglichen und völkergewohnheitsrechtlichen Regeln auf das deutsche Zivilprozessrecht mit seinen europarechtlichen Bezügen im Zentrum der Untersuchung. Da viele Fragestellungen nicht nur der deutschen Rechtsordnung immanent sind, soll ab und an ein rechtsvergleichender Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung anderer Staaten sowie auf das US-amerikanische und das englische Immunitätsgesetz den Diskurs bereichern. Zugleich beschränkt sich die Thematik in personeller Hinsicht auf ausländische Staaten im deutschen Zivilprozess. Daher werden andere Erscheinungsformen der Immunität wie diejenige der Staatsoberhäupter, der Diplomaten, der Konsuln und der internationalen Organisationen nur unter diesem Blickwinkel angesprochen.

B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität I. Herkunft und Entwicklung der Staatenimmunität Was ist Staatenimmunität? Woher kommt sie? Wie hat sie sich entwickelt? Wo sind ihre Grenzen? Den Ausgangspunkt für eine Antwort auf alle diese Fragestellungen bildet der völkerrechtliche Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten.

1. Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten Grundlegendes völkerrechtliches Charakteristikum eines jeden Staates ist seine Souveränität. Als originäres Völkerrechtssubjekt hat ein Staat die Fähigkeit, selbstständig und unabhängig im Inneren eine Ordnung auf seinem Staatsgebiet zu organisieren (innere Souveränität) und nach außen im Rahmen und nach Maßgabe des Völkerrechts zu handeln (äußere Souveränität).1 Die Souveränität ist der Inbegriff seiner territorial und personal begründeten Hoheitsrechte sowie seines Achtungsanspruchs auf völkerrechtlicher Ebene2 und demzufolge der Dreh‑ und Angelpunkt des Völkerrechts3. Aus der inneren Souveränität eines Staates folgt seine Gerichtsgewalt. Sofern nur ein ausreichender Bezug zum Staatsgebiet besteht, sind alle Rechtssubjekte seiner Gerichtsbarkeit unterworfen. So steht ihm die Befugnis zu, auf seinem Territorium Recht zu sprechen (facultas iurisdictionis) und Vollstreckungsgewalt auszuüben (facultas executionis).4

1 Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, S. 17 f.; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 137; Randelzhofer in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 17 Rdnrn. 23 ff.; Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre, § 3 Rdnrn. 29 ff. Ein entscheidender Vordenker des Souveränitätsbegriffs war der französische Staatstheoretiker Jean Bodin in Les Six Livres de la République von 1576, vgl. hierzu Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 1 Rdnr. 6. 2 Herdegen, Völkerrecht, § 28 Rdnr. 8. 3  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 4. 4  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (123 f.) – Jurisdictional Immunities; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 13; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 371; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnrn. 1 f.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

Der Gerichtsgewalt eines Staates sind allerdings durch die Souveränität der anderen Staaten als gleichwertiger Völkerrechtssubjekte Grenzen gesetzt. So postulierte bereits 1354 der italienische Jurist Bartolo da Sassoferrato (1313– 1357) in seinem Werk Tractatus represaliarum den bis heute gültigen völkerrechtlichen Grundsatz „par in parem non habet imperium – der Gleiche hat über den Gleichen keine Gewalt“.5 Aus dem völkerrechtlichen Prinzip der Staatengleichheit allein folgt aber noch nicht zwingend, dass ein Staat seine Gerichtsbarkeit nicht über einen anderen Staat ausüben darf. Diesem Gebot wäre auch Rechnung getragen, wenn jeder Staat über einen anderen Staat zu Gericht sitzen dürfte.6 Daher wird der Grundsatz der Gleichheit der Staaten komplementiert durch den Grundsatz der Souveränität der Staaten. Da dieser neben der Verfassungsautonomie im Inneren auch nach außen die Unabhängigkeit eines Staates gegenüber anderen Staaten gewährleistet, hat der Gerichtsstaat die Souveränität eines anderen Staates zu respektieren und sich nicht in dessen Angelegenheiten einzumischen.7 Der Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten ist als grundlegendes Strukturprinzip des Völkerrechts8 in Art. 2 Nr. 1 der Charta der Vereinten Nationen und als sechster Grundsatz in ihrer Friendly Relations Declaration9 niedergelegt. Als Ausfluss dieses völkerrechtlichen Prinzips darf ein Staat seine Gerichtsbarkeit im Grundsatz weder auf dem Gebiet anderer Staaten noch über andere Staaten selbst ausüben. Seine Souveränität findet dort ihre Grenze, wo ihre Ausübung die Souveränität eines anderen Staates verletzt.10 Überschreitet der Gerichtsstaat dennoch die Grenze der zulässigen Souveränitätsausübung, so verstößt er gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsgebot.11  5  Tractatus represaliarum, Qu. I/3, § 10 (zitiert nach Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1168); dazu EGMR, NJW 2004, 273 (274) – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 120; Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (259); Dörr, AVR 41 (2003), 201 (202).  6  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 14; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 556; Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (569).  7 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 14 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 556; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 19; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 172; Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (259); Geiger, NJW 1987, 1124 (1124).  8  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (123) – Jurisdictional Immunities; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, S. 40; Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391 (396).  9  Erklärung über völkerrechtliche Grundsätze für freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen Staaten im Sinne der Charta der Vereinten Nationen, Anhang zur Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 2625 (XXV) vom 24. 10. ​1970. 10  RGZ 62, 165 (167); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 32 ff.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 15; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 25 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 19; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (15); Dörr, AVR 41 (2003), 201 (202). 11 BVerfG, NVwZ 2008, 878 (879); Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen

I. Herkunft und Entwicklung der Staatenimmunität

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2. Von der absoluten zur relativen Staatenimmunität Aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten folgt deren Immunität.12 Die Staatenimmunität  – seltener auch als Exemtion oder Exterritorialität bezeichnet13  – ist als Urform aller Immunität14 ein seit Jahrhunderten allgemein anerkanntes Gebot des Völkergewohnheitsrechts.15 Ihr Ursprung geht auf die Anfänge der mit dem Westfälischen Frieden 1648 eingeleiteten Ära des klassischen Völkerrechts zurück, als dem Souverän, sei es dem König, Kaiser oder Fürst, unbegrenzte Herrschaftsgewalt zuteilwurde. Nach dem damaligen absolutistischen Staatsverständnis, das von dem auf König Ludwig XIV. zurückgehenden Gedanken „l’Etat c’est moi“ geprägt war, wäre die Unterwerfung eines Staates und damit seines Souveräns unter eine fremde Gerichtsgewalt der Unterwerfung unter ein fremdes Staatsoberhaupt gleichgekommen. Ein Souverän urteilte nicht über einen anderen Souverän, sondern setzte seine Rechte ausschließlich mit den Mitteln des Völkerrechts durch.16 Daher war es über Jahrhunderte hinweg ein etablierter Grundsatz des Völkerrechts, dass ein Staat über einen anderen Staat nicht zu Gericht sitzen durfte. So ging jedenfalls bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts die ganz überwiegende Staatenpraxis dahin, ausländischen Staaten umfassende Immunität zu gewähren.17 Da im Zeitalter des Absolutismus der Monarch, der zugleich den Staat verkörperte, über dem Gesetz stand, konnte ein Staat aber auch vor seinen eigenen Gerichten nicht zur Rechenschaft gezogen werden.18 So verabschiedete man sich Souveränität im 21. Jahrhundert, S. 42; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (16); Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (397). 12  BVerfG, NJW 2004, 1723 (1723); BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533); ZIP 2016, 789 (790); von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 322; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 555; Herdegen, Völkerrecht, § 33 Rdnr. 3, § 37 Rdnr. 1; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 4 Rdnr. 4; Randelzhofer in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 17 Rdnr. 29; Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391 (396); Stürner, IPRax 2008, 197 (200); Whytock, BULR 2013, 2033 (2044 f.). 13 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18  ff. GVG Rdnr. 2; Stein/Jonas/ Jacobs, ZPO, § 18 GVG Rdnr. 3; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 161, 164; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321). 14 So Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (259). 15  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 10; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 555; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 29; Whytock, BULR 2013, 2033 (2034). 16  Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 133; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (11 f.); Spitzer, ÖJZ 2008, 871 (872). 17 Yang, State Immunity in International Law, S. 7 f.; Geiger, NJW 1987, 1124 (1124); Kann, JW 1910, 176 (176). 18  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 4 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 575; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (11 f.). Auch heute noch genießen der Bundespräsident nach Art. 60 Abs. 4 i. V. m. Art. 46 Abs. 2 GG und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach Art. 46 Abs. 2 GG prinzipiell Immunität von Strafverfolgung.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

etwa im Vereinigten Königreich erst mit Inkrafttreten des Crown Proceedings Act 1947 von der Idee „the King can do no wrong“ und unterwarf die Krone der Gerichtsbarkeit.19 Auch die deutschen Gerichte billigten ausländischen Staaten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs absolute Immunität zu.20 So verneinte 1905 das Reichsgericht seine Gerichtsbarkeit für eine Klage eines Kaufmanns gegen den belgischen Eisenbahnfiskus, mit der dieser Ansprüche aus einem Vertrag über die Lieferung von Eisenbahnschwellen geltend machte. Als ein Rechtssatz des Völkerrechts könne ein ausländischer Staat auch wegen privatrechtlicher Ansprüche vor den inländischen Gerichten nicht belangt werden. Dieses Ergebnis entspreche der im internationalen Verkehr anerkannten gegenseitigen Unabhängigkeit und Gleichheit der souveränen Staaten, auf denen das Völkerrecht beruhe.21 An diesem Grundsatz hielt das Reichsgericht 1921 fest, indem es wiederum seine Gerichtsbarkeit für eine Schadensersatzklage einer deutschen Reederei gegenüber den Vereinigten Staaten verneinte, nachdem deren Stückgutfrachter namens Ice King in der Wesermündung den Dampfer der Reederei namens Jonas Sell gerammt und schwer beschädigt hatte.22 Vom Grundsatz der absoluten Staatenimmunität waren lediglich zwei Ausnahmen anerkannt: Zum einen verzichtete ein ausländischer Staat mit der freiwilligen Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit auf seinen Immunitätsanspruch. Zum anderen bestand die deutsche Gerichtsbarkeit für die Geltendmachung dinglicher Ansprüche wegen im Inland belegener Grundstücke, da diese wegen ihrer unveränderbaren Lage dauerhaft der deutschen Territorialhoheit unterfielen.23 Im Laufe der Zeit geriet der Grundsatz der absoluten Staatenimmunität ins Wanken. Während noch bis zum 19. Jahrhundert die privatwirtschaftliche Tätigkeit der um Autarkie bemühten Staaten nur selten Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten war,24 begannen sich die Staaten im 20. Jahrhundert neben ihrer Hauptaufgabe, der hoheitlichen Betätigung, verstärkt am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Ihre wirtschaftlichen Aktivitäten entfalteten sie dabei nicht nur im 19  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 5 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 575; Staehelin, Die gewohnheitsrechtliche Regelung der Gerichtsbarkeit über fremde Staaten im Völkerrecht, S. 96. 20  RGZ 111, 375 (380); Preuß. Kompetenzgerichtshof, ZaöRV 2 (1931), 101 (102); BVerfGE 16, 27 (34); 46, 342 (379); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 140; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 4 Rdnr. 4; Fassbender, IPRax 2006, 129 (130); Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (267). 21  RGZ 62, 165 (165 ff.). 22 RGZ 103, 274 (275 ff.). 23  Preuß. Kompetenzgerichtshof, ZaöRV 2 (1931), 101 (102 f.); RGZ 62, 165 (167); 103, 274 (277 f.); KG, ZZP 51 (1926), 280 (280); JR 1949, 118 (118); Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (33); Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (267 f.). 24  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 13, 19; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (22); Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 1168.

I. Herkunft und Entwicklung der Staatenimmunität

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Inland, sondern bedingt durch die zunehmende Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs auch im Ausland, sei es als Käufer oder als Anleiheschuldner. So war vor allem die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von einer stetig wachsenden wirtschaftlichen Betätigung der Staaten auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge und durch eine fortschreitende Verflechtung der nationalen Märkte geprägt.25 Indem privatwirtschaftlich agierende Staaten das Über-Unterordnungs-Verhältnis zu ihren Bürgern verließen und sich auf die Ebene der Gleichordnung zu anderen Marktakteuren begaben, konnten sie sich insoweit gegenüber anderen Staaten nicht mehr auf ihre Souveränität als Ausdruck ihrer Staatlichkeit berufen. Ihnen gegenüber anderen Wirtschaftsakteuren Vorrechte dergestalt einzuräumen, dass sie sich durch Verweis auf ihre Immunität ihren vertraglichen Verpflichtungen hätten entziehen können, wäre eine nicht hinnehmbare Privilegierung gewesen.26 Geimer bringt es, überspitzt formuliert, auf den Punkt: Ein Staat, der sich aus den Höhen der genuin staatlichen, nämlich hoheitlichen Betätigung in die Niederungen des Handels begebe, sei wie jeder andere Händler zu behandeln.27 Umgekehrt hätte aber auch das Beharren auf dem Grundsatz der absoluten Staatenimmunität den Abschluss privatrechtlicher Verträge zwischen Staaten und privaten Akteuren erschwert und sich als Hemmnis im internationalen Wirtschaftsverkehr erwiesen.28 Durch die verstärkte wirtschaftliche Tätigkeit der Staaten auf privatrechtlicher Ebene büßte das Prinzip „par in parem non habet imperium“ an Wirkungskraft ein und die Souveränität des Gerichtsstaates rückte wieder in den Vordergrund. Der lange Zeit währende Grundsatz der absoluten Staatenimmunität verlor seinen völkerrechtlichen Geltungsanspruch und wurde durch den Grundsatz der relativen Staatenimmunität – auch restriktive oder beschränkte Staatenimmunität genannt – verdrängt.29 Die Geschichte der Staatenimmunität ist seitdem zur Geschichte des Ringens um Zahl, Art und Umfang ihrer Ausnahmen geworden.30 Eine Vorreiterrolle nahmen hierbei die italienischen und belgischen Gerichte ein, die bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausländischen Staaten nur 25  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 15 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 6, 9; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 32; Spruth, Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, S. 4; Sonnenberger, AcP 162 (1963), 485 (485). 26  Badr, State Immunity, S. 89; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 41; Stürner, IPRax 2008, 197 (200). 27  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 558. 28  LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); Schack, internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 178; Beys in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 67 (68). 29  BVerfGE 16, 27 (34); LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 140 f., 167 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 172; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 1169; Geiger, NJW 1987, 1124 (1124); Sonnenberger, AcP 162 (1963), 485 (508). 30  So Cohn in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, S. 662; sich anschließend BVerfGE 16, 27 (34).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

noch in eingeschränktem Umfang Immunität gewährten. Die Schweiz schloss sich 1918 und Frankreich 1929 dieser Entwicklung an, während die USA 1952 und Großbritannien erst 1977 vom Grundsatz der absoluten Staatenimmunität abrückten.31 In Deutschland brachte die Rechtsprechung nach 1945 allmählich einen Wandel. Während das Kammergericht 1949 noch uneingeschränkt davon ausging, dass außerdeutsche Staaten nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterlägen,32 bekannten sich das Oberlandesgericht Hamburg, das Oberlandesgericht Schleswig und das Landgericht Kiel in den 1950er Jahren mit als erste Gerichte zum Grundsatz der relativen Staatenimmunität.33 Der Bundesgerichtshof ließ hingegen in einem Urteil aus dem Jahre 1955 noch dahinstehen, ob der Grundsatz der absoluten Staatenimmunität auch noch in Zeiten anwendbar ist, in denen Staaten in einem immer stärkeren Umfang dazu übergehen, sich im Wirtschaftsleben zu betätigen.34 Die entscheidende Wende leitete schließlich das Bundesverfassungsgericht 1963 in seinem Beschluss zur relativen Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren gegenüber einer Werklohnklage wegen der Reparatur der Heizungsanlage in der iranischen Botschaft35 und 1977 in seinem Beschluss zur relativen Staatenimmunität im Vollstreckungsverfahren gegenüber der Pfändung einer Guthabenforderung aus einem Bankkonto der philippinischen Botschaft36 ein. Mit diesen beiden Leitentscheidungen setzte sich in der deutschen Rechtsprechung endgültig die Auffassung durch, dass ausländische Staaten nicht mehr uneingeschränkt Immunität genießen, sondern nur noch partiell von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind. Seitdem kommt ihnen im Erkenntnisverfahren nur noch für ihre hoheitliche Tätigkeit und im Vollstreckungsverfahren nur noch für das einem hoheitlichen Zweck dienende Vermögen Immunität zu. Inzwischen hat sich der Grundsatz der relativen Staatenimmunität soweit verfestigt, dass es umstritten ist, ob die Gewährung von Staatenimmunität noch den Regelfall darstellt oder schon zur Ausnahme geworden ist.37 Die Souveränität eines ausländischen Staates begrenzt also nicht mehr uneingeschränkt die Souveränität des Gerichtsstaates. Vielmehr haben sich mit dem Grundsatz der relativen Staatenimmunität die Grenzen dahingehend verschoben, dass beide Souveränitätssphären in einem reziproken Verhältnis stehen. Weder die vorbehaltslose Ausübung der Jurisdiktion durch den Gerichtsstaat noch  Siehe näher Kapitel B. II. 1. b., c. JR 1949, 118 (118). 33  OLG Hamburg, MDR 1953, 109 (109); OLG Schleswig, JIR 7 (1957), 400 (402); LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); dazu Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (273). 34 BGHZ 18, 1 (9). 35  BVerfGE 16, 27 (33 ff.); hierzu ausführlich Kapitel B. II. 1. a. 36  BVerfGE 46, 342 (364 ff.); hierzu ausführlich Kapitel B. II. 1. a. 37 Siehe näher Kapitel C. VII. 2. b, D. IV. 2. b. 31

32 KG,

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität

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die uneingeschränkte Beanspruchung von Immunität durch den ausländischen Staat werden den wechselseitigen Souveränitätsansprüchen gerecht. So wie die Souveränität des ausländischen Staates der Ausübung der Gerichtsbarkeit durch den Gerichtsstaat Grenzen setzt, so begrenzt auch umgekehrt die Souveränität des Gerichtsstaates die Immunität des ausländischen Staates.38

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität Völkerrechtliche Regeln unterschiedlicher Rechtsnatur geben Antwort auf die Frage, in welchem konkreten Umfang ausländischen Staaten Immunität im deutschen Zivilprozess zukommt. Klarstellend verweist § 20 Abs. 2 GVG für die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit auf allgemeine Regeln des Völkerrechts, völkerrechtliche Vereinbarungen und sonstige Rechtsvorschriften.39

1. Völkergewohnheitsrecht Zwar gibt es mittlerweile einige völkervertragliche Kodifikationen zur Staatenimmunität, gleichwohl sind diesen Übereinkommen entweder nur wenige Staaten oder für ihr Inkrafttreten noch nicht genügend Staaten beigetreten oder aber sie betreffen Spezialmaterien. Die maßgebliche Rechtsquelle für den Inhalt und den Umfang der Staatenimmunität bleibt daher weiterhin das Völkergewohnheitsrecht.40 Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut definiert das Völkergewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung. Es setzt eine von zahlreichen Staaten befolgte Praxis voraus, die allgemein in der Überzeugung geübt wird, hierzu von Völkerrechts wegen verpflichtet zu sein.41 Damit besteht das Völkergewohnheitsrecht aus zwei Elementen: der tatsächlichen Praxis der Staaten, d. h. einer dauernden und einheitlichen Übung unter weit gestreuter und repräsentativer Beteiligung (consuetudo), als objektivem Element und der Überzeugung der Staaten vom Bestehen einer Rechtsregel, die

38 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 15 f.; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (15 ff.); Staehelin, Die gewohnheitsrechtliche Regelung der Gerichtsbarkeit über fremde Staaten im Völkerrecht, S. 119. 39 Zur Klarstellungsfunktion vgl. MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 6; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 1. 40  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (122) – Jurisdictional Immunities; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 496; Yang, State Immunity in International Law, S. 34 ff. 41  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (122) – Jurisdictional Immunities; BVerfGE 46, 342 (367); 66, 39 (64 f.); BVerfG, NJW 1988, 1462 (1463); Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 30, 35 f.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

ihnen dieses Verhalten abverlangt (opinio iuris sive necessitatis), als subjektivem Element.42 a. Vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Grundregeln zur Staatenimmunität Das Bundesverfassungsgericht, dem nach Art. 100 Abs. 2 GG auf nationaler Ebene die Deutungshoheit über das Völkergewohnheitsrecht zukommt, hat in seinen beiden viel beachteten und bereits kurz erwähnten Beschlüssen zur Immunität fremder Staaten die entsprechende Staatenpraxis eingehend analysiert und dabei zwei maßgebliche völkerrechtliche Grundregeln herauskristallisiert: Dem ersten Beschluss vom 30. 4. ​196343 zur Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren lag eine Werklohnklage gegen das Kaiserreich Iran wegen Reparaturarbeiten an der Heizungsanlage des iranischen Botschaftsgebäudes in Köln zu Grunde. Auf Vorlage des Landgerichts Köln stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass eine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat in Bezug auf seine nicht hoheitliche Betätigung ausgeschlossen sei, nicht Bestandteil des Bundesrechts sei. Die Würdigung der Rechtsprechung der Gerichte anderer Staaten, einiger vertraglicher Regelungen, der Kodifikationsbemühungen und der Völkerrechtslehre ergebe, dass die unbeschränkte Staatenimmunität nicht mehr als Regel des Völkergewohnheitsrechts angesehen werden könne.44 Das Bundesverfassungsgericht bekannte sich damit zum Prinzip der relativen Staatenimmunität für das Erkenntnisverfahren. Hierbei differenzierte es zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit. Ein ausländischer Staat unterliege nach allgemeinem Völkerrecht der inländischen Gerichtsbarkeit, wenn er sich nichthoheitlich betätige (acta iure gestionis). Für Betätigungen hoheitlicher Art (acta iure imperii) stehe ihm hingegen Immunität zu.45 Da der Abschluss des Vertrags über die Reparatur der Heizungsanlage als eine nichthoheitliche Betätigung des iranischen Staates anzusehen sei, habe das vorlegende Landgericht Köln zu Recht die deutsche Gerichtsbarkeit für die Werklohnklage angenommen.46 In einem zweiten grundlegenden Beschluss vom 13. 12. ​197747 bekannte sich das Bundesverfassungsgericht auch für die Zwangsvollstreckung zum Grundsatz 42 BVerfGE 96, 68 (87); 109, 13 (27 f.); 117, 141 (150); BGH, ZIP 2015, 769 (770); Heintschel von Heinegg in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 17 Rdnrn. 2 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 3 Rdnr. 96; ausführlich Geiger, AöR 103 (1978), 382 (393 ff.). 43 BVerfGE 16, 27 ff.; vgl. dazu Geiger, AöR 103 (1978), 382 (388 ff.); Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (276 ff.). 44  BVerfGE 16, 27 (60 f.). 45 BVerfGE 16, 27 (61). 46  BVerfGE 16, 27 (64). 47  BVerfGE 46, 342 ff.; vgl. dazu Geiger, AöR 103 (1978), 382 (390 ff.); Hailbronner, ZaöRV 38 (1978), 242 ff. und Seidl-Hohenveldern, RIW 1978, 122 ff.

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität

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der relativen Staatenimmunität. Im Ausgangsverfahren hatte die Vollstreckungsgläubigerin vor dem Amtsgericht Bonn aufgrund eines Versäumnisurteils über die Zahlung rückständigen Mietzinses gegen die Republik der Philippinen einen Pfändungs‑ und Überweisungsbeschluss hinsichtlich einer Guthabenforderung aus einem Botschaftskonto bei der Deutschen Bank erwirkt. Auf dessen Vorlage kam das Bundesverfassungsgericht nach einer Analyse der Rechtsprechung der Gerichte anderer Staaten, völkerrechtlicher Verträge und der Äußerungen anerkannter wissenschaftlicher Vereinigungen und Gelehrter zu dem Schluss, dass es gegenwärtig an einer Übung der Staaten fehle, die noch hinreichend allgemein und von der notwendigen Rechtsüberzeugung getragen wäre, um eine allgemeine Regel des Völkerrechts zu begründen, der zufolge dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt wäre.48 Vielmehr lasse sich nur noch folgende allgemeine Regel des Völkerrechts feststellen: Die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nichthoheitliches Verhalten dieses Staates ergangen sei, in Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaates befänden oder dort belegen seien, sei ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig, soweit diese Gegenstände zum Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienten.49 Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Gerichtsstaat bestehe und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt sei, unterlägen daher nicht der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat.50 Mit diesen beiden Grundsatzentscheidungen etablierte das Bundesverfassungsgericht in der deutschen Rechtsprechung sowohl für das Erkenntnisverfahren als auch für die Zwangsvollstreckung endgültig der Grundsatz der relativen Staatenimmunität. Dass diese beiden Regeln tatsächlich das Völkergewohnheitsrecht abbilden, soll ein kurzer Überblick über die entsprechende Gesetzgebung und Rechtsprechung einiger ausgewählter Staaten verdeutlichen. b. Immunitätsgesetze ausländischer Rechtsordnungen Insbesondere die in nationalen Gesetzen kodifizierte Staatenpraxis prägt in entscheidendem Maße die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität.51 Etliche Staaten vornehmlich aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis sind dazu übergegangen, die Immunität ausländischer Staaten vor ihren eigenen  BVerfGE 46, 342 (388 f.).  BVerfGE 46, 342 (345, 392). 50 BVerfGE 46, 342 (345, 399). 51  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (123) – Jurisdictional Immunities; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 496; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 29; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 146. 48 49

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

Gerichten durch Gesetz zu regeln. Eine Vorreiterrolle nahmen hierbei die Vereinigten Staaten mit dem Foreign State Immunities Act of 1976 und das Vereinigte Königreich mit dem State Immunity Act 1978 ein, in denen sie jeweils das Konzept der relativen Staatenimmunität verankerten und es damit endgültig etablierten.52 aa. Foreign State Immunities Act of 1976 der Vereinigten Staaten Die US-amerikanischen Gerichte gewährten ursprünglich fremden Staaten uneingeschränkt Immunität, bis sich die Vereinigten Staaten 1952 mit dem sog. Tate Letter von dem Grundsatz der absoluten Staatenimmunität verabschiedeten. In diesem Schreiben vertrat das State Department, das den Gerichten in Immunitätsfragen bindende Empfehlungen übermittelte, erstmals für das Erkenntnisverfahren eine restriktive Haltung zur Staatenimmunität, der zufolge die kommerzielle Betätigung fremder Staaten vom Immunitätsprivileg ausgenommen sei.53 Für die Zwangsvollstreckung stellte das State Department hingegen noch 1959 klar, dass ausländisches Staatseigentum vor einer Vollstreckung durch die US-amerikanischen Gerichte ausnahmslos immun war.54 Knapp zwei Jahrzehnte später regelten die Vereinigten Staaten per Gesetz die ausländischen Staaten gegenüber den US-amerikanischen Gerichten zukommende Immunität, indem sie am 21. 10. ​1976 den Foreign Sovereign Immunities Act of 1976 (FSIA) verabschiedeten, der am 19. 1. ​1977 in Kraft trat.55 Dem allgemeinen Trend der Staatenpraxis folgend wurde darin sowohl für das Erkenntnisverfahren als auch für die Zwangsvollstreckung das Konzept der relativen Staatenimmunität festgeschrieben. Innerhalb des Spielraums, der durch den von der Staatenpraxis abgesteckten völkerrechtlichen Rahmen verblieb, wurde der FSIA teils durch rechtspolitische Entscheidungen beeinflusst und dadurch ein komplexes, auch als statutory labyrinth bezeichnetes System von Regeln geschaffen.56 Für das Erkenntnisverfahren statuiert § 1604 FSIA die Gewährung von Staatenimmunität als Regelfall. Ausnahmen von diesem Grundsatz sehen sodann §§ 1605 bis 1607 FSIA für bestimmte Fallgruppen vor. Von praktischer Bedeutung ist vor allem § 1605 (a) (2) FSIA, dem zufolge einem ausländischen Staat für 52 Hausmann

in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer , S. 289 (292).  Badr, State Immunity, S. 53; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 145 f.; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 20 ff.; Feldman, ICLQ 35 (1986), 302 (303); Heidenberger, ZVglRWiss 97 (1998), 440 (440); abgedruckt in Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, S. 409 f. 54  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 131; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 26. 55  Public Law No. 94–583, 90 Stat. 2891; dazu Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 3.001. 56 So Schreuer, RIW 1985, 173 (173); ähnlich auch Feldman, ICLQ 35 (1986), 302 (318). 53

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität

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seine wirtschaftliche Betätigung (commercial activity) in den Vereinigten Staaten oder mit Bezug zu diesen keine Immunität gewährt wird.57 Diese Regelungsstruktur setzt sich für die Zwangsvollstreckung fort, so dass nach § 1609 FSIA ein ausländischer Staat im Grundsatz gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen Immunität genießt. §§ 1610 f. FSIA enthalten wiederum einen Katalog von Ausnahmen, bei deren Vorliegen auf das in den Vereinigten Staaten belegene Vermögen eines anderen Staates zugegriffen werden darf. Insbesondere darf nach § 1610 (a) (2) FSIA in einen Gegenstand vollstreckt werden, der einer wirtschaftlichen Tätigkeit dient oder gedient hat, auf welcher der Anspruch beruht.58 Schließlich enthält der FSIA prozessuale Bestimmungen, vor allem regelt er in § 1608 FSIA die Zustellung der Klageschrift an einen ausländischen Staat. bb. State Immunity Act 1978 des Vereinigten Königreichs Bis in die 1970er Jahre hinein galt im Vereinigten Königreich noch das Prinzip der absoluten Staatenimmunität. Erst 1977 brachte die Entscheidung des Court of Appeal im Fall Trendtex Trading Corporation Ltd. v. Central Bank of Nigeria die entscheidende Wende hin zum Konzept der relativen Staatenimmunität, in der er die stare decisis-Regel auf das Völkerrecht für unanwendbar erklärte. Im Wege einer einstweiligen Verfügung (injunction) verurteilte er die nigerianische Zentralbank, ihre Gelder in einem unwiderruflich eröffneten Akkreditiv bei einer englischen Korrespondenzbank zu belassen, weil sie ihren Zahlungspflichten aus einem zwischen dem nigerianischen Verteidigungsministerium und einem englischen Unternehmen geschlossenen Kaufvertrag über Zementlieferungen nicht nachgekommen sei.59 Da ohne ein paralleles Gesetz zu dem vor zwei Jahren verabschiedeten FSIA eine Abwanderung von Handel und Finanzen in die Vereinigten Staaten zu befürchten war,60 verabschiedete kurz darauf das englische Parlament am 20. 7. ​1978 57 Vgl. Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, S. 80; Dickinson/ Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 3.022 ff.; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 239; Feldman, ICLQ 35 (1986), 302 (305 f.); Whytock, BULR 2013, 2033 (2064 f.). 58 Vgl. Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 3086 ff.; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 128 ff.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 60 f. 59 Trendtex Trading Corporation Ltd. v. Central Bank of Nigeria [1977] 2 W. L. R. 356; vgl. auch Badr, State Immunity, S. 49 ff.; Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, S. 105 ff.; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 27 ff.; Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (557 f.); Ress, ZaöRV 40 (1980), 217 (240 ff.). Angedeutet wurde diese Wende bereits in der Entscheidung des Privy Council in The Philippine Admiral v. Wallem Shipping Ltd. [1976] 2 W. L. R. 214, die aber für die englischen Gerichte nicht bindend war, vgl. dazu Ress, ZaöRV 40 (1980), 217 (237 ff.). 60  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 160; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 36 f.; Schreuer, RIW 1979, 156 (160).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

den State Immunity Act 1978 (SIA), der am 22. 11. ​1978 in Kraft trat.61 Damit fiel „das letzte große Bollwerk absoluter Immunität“ in der westlichen Welt.62 Sec. 1 SIA geht vom Grundsatz der Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren aus und sieht dann in sec. 2 bis 11 SIA eine Fülle von Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Insbesondere kommt anderen Staaten nach sec. 3 (1) (a) SIA keine Immunität für ihre wirtschaftliche Betätigung (commercial transaction) zu.63 Die Regelungen zur Zwangsvollstreckung sind in sec. 13 (2) bis (6) SIA versteckt und ebenfalls nach dem Regel-Ausnahme-Verhältnis konzipiert. So geht sec. 13 (2) (b) SIA zunächst wiederum vom Grundsatz der Vollstreckungsimmunität aus, während die nachfolgenden Absätze Ausnahmen für den Fall eines schriftlichen Verzichts des Staates und für die Vollstreckung in Eigentum, das wirtschaftlichen Zwecken dient oder zu dienen bezweckt ist, vorsehen.64 Sec. 12 und 13 (1) SIA enthalten prozessuale Bestimmungen, insbesondere zur Zustellung der Klageschrift an einen ausländischen Staat, zu Fristen und zur Beibringung von Beweismitteln. cc. Weitere Immunitätsgesetze Die Verabschiedung des englischen State Immunity Act 1978 bewog eine Reihe von Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises, diesen mehr oder weniger unverändert in ihre eigene Rechtsordnung zu übernehmen. Diese Rezeption lag bereits deshalb nahe, da viele Staaten des Commonwealth bis heute an die Rechtsentwicklung des Common Law angeschlossen sind. So verabschiedete Singapur den State Immunity Act 1979, der in den wesentlichen Teilen den englischen State Immunity Act unverändert übernahm. Vergleichbare Immunitätsgesetze erließen Pakistan mit der State Immunity Ordinance 1981 und Südafrika mit dem Foreign States Immunities Act 1981, um mit der internationalen Entwicklung Schritt zu halten.65 Der australische Foreign States Immunities Act 1985 folgt ebenfalls der Grundkonzeption des englischen State Immunity Act,66 während der kanadische State Immunity Act of 1982 eine Kombination aus dem

61 State Immunity Act 1978, c. 33; dazu Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr.  4.002. 62  So Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (76). 63 Vgl. Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 4.008 ff.; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 101 ff.; Schreuer, RIW 1979, 156 (160). 64 Vgl. Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 4.088 ff.; von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 138 ff.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 61 f. 65 Badr, State Immunity, S. 116; Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 134 ff.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 63. 66  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 141 f.; zum australischen FSIA vgl. näher Garnett, M. U. L. R. 29 (2005), 704 (797 ff.).

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität

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US-amerikanischen und dem englischen Immunitätsgesetz darstellt67.68 Ferner haben St. Kitts 1979 mit dem State Immunity Act, Malaysia 1984 mit dem Immunities and Privileges Act und Malawi ebenfalls 1984 mit dem Immunities and Privileges Act No. 16 den Grundsatz der relativen Staatenimmunität gesetzlich verankert.69 Als eine der wenigen und als erste im römischen Recht wurzelnde Rechtsordnung erließ Argentinien 1995 ein Gesetz zur Inmunidad Jurisdiccional de los Estados Extranjeros ante los Tribunales Argentinos, nachdem der oberste Gerichtshof Argentiniens sich ein Jahr zuvor vom Grundsatz der absoluten Staatenimmunität verabschiedet hatte. Während dessen Art. 1 zunächst die Gewährung von Staatenimmunität als Regelfall postuliert, sind in den folgenden Vorschriften Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen.70 Schließlich erließen Israel mit dem Foreign State Immunity Law 2008 und Japan mit dem Act on the Civil Jurisdiction of Japan with respect to a Foreign State 2009 Immunitätsgesetze, in denen ebenfalls der Grundsatz der relativen Staatenimmunität verankert ist.71 Auch in Russland gab es 2005 Bestrebungen, ein Gesetz zur Staatenimmunität zu erlassen, das aber letztendlich nicht in Kraft trat.72 Stattdessen ist die russische Gerichtsbarkeit über ausländische Staaten in einzelnen prozessualen Bestimmungen geregelt. So dürfen russische Zivilgerichte ihre Gerichtsbarkeit nach Art. 401 § 1 der russischen Zivilprozessordnung nur mit Zustimmung der zuständigen Behörden des ausländischen Staates ausüben, sofern nichts anderes durch Vertrag mit der Russischen Föderation oder durch ein Bundesgesetz bestimmt ist. Nach Art. 251 der russischen Handelsprozessordnung gilt dies auch für die Zwangsvollstreckung durch russische Handelsgerichte, während sie einem ausländischen Staat im Erkenntnisverfahren nur für seine hoheitliche Tätigkeit Immunität gewähren. Gleichwohl lehnen sowohl das russische Verfassungsgericht als auch die russische Regierung eine formalistische Anwendung dieser

67  Fischer/von Hoffmann, Staatsunternehmen im Völkerrecht und im Internationalen Privatrecht, S. 49; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 138. 68 Die Immunitätsgesetze von Australien, Kanada, Pakistan, Singapur und Südafrika sind abgedruckt in Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, S. 443 ff. und Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 5.021 ff. 69 Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 146 (Fn. 74); Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 77. 70  Gesetz Nr. 24.488 v. 31. 5. ​1995, abgedruckt in Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 5.001 ff.; vgl. dazu Zuppi, RIW 2007, 340 ff.; ferner Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 78. 71  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (130) – Jurisdictional Immunities; zum israelischen Immunitätsgesetz vgl. auch Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 148. 72  EGMR, Urteil v. 14. 3. ​2013, Az. 36703/04 – Oleynikov v. Russland; zu dem Gesetz vgl. auch Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 77 f.

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Vorschriften ab und bekennen sich stattdessen zum Grundsatz der relativen Staatenimmunität als Regel des Völkergewohnheitsrechts.73 c. Nicht kodifizierte Staatenpraxis Auch die Rechtsordnungen, die keine speziellen Immunitätsgesetze haben, befürworten heutzutage ganz überwiegend den Grundsatz der relativen Staatenimmunität sowohl im Erkenntnisverfahren als auch in der Zwangsvollstreckung. Die Rechtsprechung dieser Staaten greift auf die völkergewohnheitsrechtliche Differenzierung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln bzw. hoheitlichem und nichthoheitlichem Verwendungszweck zurück. Lediglich der Übergang vom ursprünglichen Grundsatz der absoluten Staatenimmunität hin zum Grundsatz der relativen Staatenimmunität setzte zeitlich früher oder später ein. Ein kurzer Blick auf die das Völkergewohnheitsrecht maßgeblich prägende Praxis einiger ausgewählter, insbesondere europäischer Staaten mag dies verdeutlichen. Eine Vorreiterrolle für das moderne Immunitätsverständnis nahmen die belgischen und italienischen Gerichte ein. So billigten die belgischen Gerichte seit einer Entscheidung des Appellationsgerichts von Gent aus dem Jahr 1879 ausländischen Staaten im Erkenntnisverfahren nur noch für deren hoheitliches Handeln Immunität zu, während sie diese für deren privatwirtschaftliche Tätigkeit ihrer Gerichtsbarkeit unterwarfen.74 Für die Zwangsvollstreckung rückten die belgischen Gerichte allerdings erst 1951 vom Grundsatz der absoluten Staatenimmunität ab.75 In Italien bekannten sich ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere Gerichte zum Grundsatz der relativen Staatenimmunität, den die Corte Suprema di Cassazione schließlich 1926 bestätigte.76 Noch im selben Jahr revidierte der italienische Gesetzgeber diese Rechtsprechungsentwicklung, indem er jede Vollstreckungsmaßnahme gegen einen ausländischen Staat von der Zustimmung des Justizministers abhängig machte, um potentiellen außenpolitischen Spannungen vorzubeugen. Das Gesetz wurde letztendlich wegen seiner Verfassungswidrigkeit aufgehoben und den italienischen Gerichten wurde wieder die Kompetenz zugestanden, selbst über die Zulässigkeit von Vollstreckungs73 EGMR, Urteil v. 14. 3. ​2013, Az. 36703/04 – Oleynikov v. Russland; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 159 f.; zu den Vorgängerregelungen vgl. auch Boguslawskij, IPRax 2002, 43 (45). 74 Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 130 (Fn. 337); Suy, ZaöRV 27 (1967), 660 (666). 75  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 184; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 121 ff.; Suy, ZaöRV 27 (1967), 660 (684). 76  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 173; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 80 ff.

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maßnahmen zu entscheiden. Damit war der Weg wieder frei, ausländischen Staaten nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für die Zwangsvollstreckung nur in eingeschränktem Umfang Immunität zu gewähren.77 Die schweizerischen Gerichte ließen fremden Staaten seit 1918 nur noch in begrenztem Umfang Immunität zukommen. Hierbei hat das schweizerische Bundesgericht für das Erkenntnisverfahren ein einschränkendes Erfordernis dahingehend entwickelt, dass die Versagung von Immunität eine hinreichende Binnenbeziehung des Streitgegenstandes zur Schweiz voraussetzt.78 In ähnlicher Weise bahnte sich bei den französischen Gerichten nach dem Ersten Weltkrieg allmählich ein Wandel hin zur relativen Staatenimmunität an. Die Tätigkeit der sowjetischen Handelsmission in Paris veranlasste die Cour de Cassation 1929 zu einer endgültigen Rechtsprechungsänderung, indem sie ausländischen Staaten für deren kommerzielle Betätigung keine Immunität mehr gewährte.79 Die österreichischen Gerichte gestanden hingegen anderen Staaten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch absolute Immunität zu, auch wenn sich bereits vereinzelt Tendenzen dahingehend zeigten, sie für ihre privatwirtschaftliche Tätigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Erst 1950 bekannte sich der Oberste Gerichtshof endgültig zum Grundsatz der relativen Staatenimmunität.80 Auch die Gerichte der allermeisten außereuropäischen Staaten gewähren anderen Staaten nur noch in eingeschränktem Umfang Immunität. So unterwerfen die ägyptischen Gerichte bereits seit 1894 ausländische Staaten ihrer Gerichtsbarkeit im Hinblick auf deren privatwirtschaftliche Tätigkeit.81 In einem 1960 verfassten Bericht der Asian-African Legal Consultive Organization zur Staatenimmunität bekannte sich die weit überwiegende Mehrheit der Delegationen der afrikanischen und asiatischen Staaten dazu, anderen Staaten für deren kommerzielle Betätigung keine Immunität zuzubilligen.82 Lediglich die Volksrepublik China hält noch immer am Grundsatz der absoluten Staatenimmunität fest, obgleich sie bereits 2005 das UN-Übereinkommen über die Immunität der 77 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 187 f.; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 152; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 56. 78 BGE 44 I 49 (54 f.); 56 I 237 (247 ff.); 106 Ia 142 (147 ff.); Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 239 ff., 460 ff.; Habscheid in: ders./Hoffmann-Nowotny u. a. (Hrsg.), FS Giger, S. 213 (216 ff.); Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (783 f.). 79  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 173; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 154; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 177. 80  OGH, SZ, Bd. XXIII, S. 304 (322); so auch OGH, ZfRV 31 (1990), 300 (301 f.); OGH, JBl 2009, 457 (458); Spitzer, ÖJZ 2008, 871 (872 f.). 81 Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 153 f. 82  Badr, State Immunity, S. 61; Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, S. 339 ff.; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 161; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 255 f.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit unterzeichnet, wenn auch nicht ratifiziert hat.83

2. Völkerrechtliche Verträge Mit der Abkehr vom Prinzip der absoluten Staatenimmunität begann das Bedürfnis nach einem völkerrechtlichen Übereinkommen, das die mit der Staatenimmunität zusammenhängenden Fragestellungen einheitlich regelt, zu wachsen. Nichtsdestotrotz blieb die Staatenimmunität abgesehen von der Spezialmaterie der Staatsschiffe zunächst ein weißer Fleck im Völkervertragsrecht, was nicht zuletzt an den unterschiedlichen Auffassungen der Staaten über deren konkreten Inhalt lag.84 Nach und nach regelten die Staaten schließlich doch auf völkervertraglicher Ebene Umfang und Grenzen ihrer Immunität. Diese Übereinkommen sind allerdings nur von wenigen Staaten ratifiziert worden. Eine umfassende völkerrechtliche Konvention zur Staatenimmunität, dem der ganz überwiegende Teil der Staaten beigetreten wäre, existiert bislang nicht. a. Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität Mit dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität85 (European Convention on State Immunity, im Folgenden auch: EuStImm) wurde erstmalig der Versuch unternommen, das Recht der Staatenimmunität auf europäischer Ebene einer einheitlichen Handhabung zuzuführen.86 Das Übereinkommen geht auf eine Initiative der österreichischen Regierung zurück, anlässlich derer das Ministerkomitee des Europarates 1964 einen Expertenausschuss beauftragte, die sich aus der Staatenimmunität ergebenden Probleme zu prüfen und Lösungswege aufzuzeigen. Der von dem Ausschuss ausgearbeitete Vertragstext wurde sodann anlässlich der siebten Konferenz der Europäischen Justizminister am 16. 5. ​1972 in Basel zur Unterzeichnung aufgelegt. Am 11. 6. ​1976 trat das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität in Kraft.87 Das ebenfalls am 16. 5. ​1972 zur Zeichnung aufgelegte Zusatzprotokoll trat am 22. 5. ​1985 in Kraft.88 83  Devaney in: O’Keefe/Tams (Hrsg.), UNCSI, Art. 28, S. 397; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 162. Zum UN-Übereinkommen siehe Kapitel B. II. 2. b. 84  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 14 f., 95; Arnold, AWD 1969, 356 (356). 85 BGBl. 1990 II, S. 35. 86  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (30 f.); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 2; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 99; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 116; Ress, ZaöRV 40 (1980), 217 (234). 87  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (30). 88 BGBl. 1990 II, S. 52; dazu Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (534).

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Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete die Konvention als einer der ersten Staaten noch am 16. 5. ​1972 und ratifizierte sie nach Erlass des Zustimmungsgesetzes vom 22. 1. ​199089 mit Wirkung zum 16. 8. ​1990.90 Obwohl nach Art. 36 Abs. 1 S. 1 EuStImm jeder Mitgliedstaat des Europarates dem Übereinkommen beitreten kann und darüber hinaus das Ministerkomitee des Europarates nach Art. 37 Abs. 1 EuStImm jeden Nichtmitgliedstaat zum Beitritt einladen kann, sind ihm bislang neben Deutschland nur sieben weitere Staaten, nämlich Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und Zypern, beigetreten.91 Das Zusatzprotokoll, das den Rechtsweg zum Europäischen Gericht für Staatenimmunität vorsieht, ratifizierten alle Vertragsstaaten mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich.92 Nach Auffassung der damaligen deutschen Bundesregierung sei der mit der Errichtung eines neuen europäischen Gerichts verbundene Aufwand in Anbetracht der voraussichtlich geringen Anzahl der Verfahren nicht zu rechtfertigen, zumal alternative Rechtswege bestünden.93 Die in sechs Kapitel untergliederte Konvention orientiert sich für das Erkenntnisverfahren am Konzept der relativen Staatenimmunität, differenziert aber im Unterschied zum Völkergewohnheitsrecht nicht explizit zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis. Während Art. 15 EuStImm im Grundsatz die Vertragsstaaten zur Gewährung von Immunität verpflichtet, schränken Art. 1 bis 14 EuStImm diese Verpflichtung in einem breit gefächerten Ausnahmenkatalog für verschiedene Fallgruppen staatlichen Handelns wieder ein.94 Diese Ausnahmetatbestände stellten bei der Ausarbeitung der Konvention den Konsens unter den Vertragsstaaten darüber dar, was ihrer Vorstellung nach einem nichthoheitlichen Staatshandeln entsprach. Noch immer spiegelt das Übereinkommen für das Erkenntnisverfahren weitgehend den gesicherten Stand des Völkergewohnheitsrechts wider.95 Die Festschreibung des gegenwärtigen Stands des Völkergewohnheitsrechts birgt die Gefahr, dessen Weiterentwicklung zu hemmen.96 Aus diesem Grund er BGBl. 1990 II, S. 34. der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (30); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 667; Lindacher, WRP 1999, 54 (55). 91  Vgl. Europarat, http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/t​r​e​a​t​y​/​0​ 7​4​/​s​i​g​n​a​t​ures (28.  2. ​2017). Portugal hat das Übereinkommen zwar am 10.  5. ​1979 unterzeichnet, bislang aber nicht ratifiziert. 92  Vgl. Europarat, http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/t​r​e​a​t​y​/​0​ 7​4​A​/​s​i​g​natures?p_auth=FvtCLebK (28.  2. ​2017). 93 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (31). 94  Vgl. Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 13; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 668; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (535); Geiger, NJW 1987, 1124 (1124 f.); Kronke, IPRax 1991, 141 (142). 95  MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnr. 645; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 173; Majer, NZA 2010, 1395 (1398). 96 Kronke, IPRax 1991, 141 (142). 89

90 Denkschrift

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öffnet Art. 24 Abs. 1 EuStImm als sog. Fakultativregime den Vertragsstaaten die Möglichkeit, durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation ihre Gerichtsbarkeit gegenüber den anderen Vertragsstaaten über die in Art. 1 ff. EuStImm vorgesehenen Ausnahmen hinaus auf sämtliches Handeln iure gestionis zu erstrecken. Eine solche Erklärung gaben alle Konventionsstaaten mit Ausnahme von Österreich und Zypern ab.97 Das Fakultativregime ermöglicht einerseits den Vertragsstaaten, zu Gunsten eines effektiveren Rechtsschutzes der privaten Gläubiger die Staatenimmunität weiter einzuschränken und damit fortzuentwickeln. Andererseits steht es dem in der Präambel niedergelegten Zweck der Konvention, die Gewährung von Staatenimmunität in allen Vertragsstaaten zu vereinheitlichen, entgegen. Da nicht alle Staaten eine Erklärung nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm abgegeben haben, ist die Rechtslage unübersichtlich und die praktische Handhabung des Übereinkommens erschwert.98 Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und der Sicherung gegen einen anderen Vertragsstaat sind nach Art. 23 EuStImm untersagt, es sei denn, dieser hat ausdrücklich und schriftlich zugestimmt. Als Ausgleich zu dieser umfassenden Vollstreckungsimmunität statuiert Art. 20 EuStImm die Pflicht eines verurteilten Staates, in den Fällen, in denen er keine Immunität genießt, eine gegen ihn ergangene rechtskräftige Entscheidung zu erfüllen. Dieser weitgehende Ausschluss von Vollstreckungsmaßnahmen weicht vom Völkergewohnheitsrecht ab und stellt einen Kompromiss zwischen den bei Ausarbeitung der Konvention noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertretern der absoluten und der relativen Vollstreckungsimmunität dar. Man fürchtete die Gefahr politischer Verwicklungen bei Vollstreckungsmaßnahmen und setzte auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates, bei denen ohne weiteres von der freiwilligen Erfüllung der gegen sie ergangenen Urteile ausgegangen werden könne.99 Im Bereich der Zwangsvollstreckung hat das Übereinkommen deshalb erhebliche Kritik erfahren: Es führe zu dem kuriosen Ergebnis, dass es zwischen den Vertragsstaaten Vollstreckungsmaßnahmen generell untersage, wenngleich mittlerweile fast überall die Lehre von der absoluten Vollstreckungsimmunität aufgegeben worden sei. Damit versteinere das Abkommen die Rechtslage auf dem Stand der völkerrechtlichen Diskussion Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre, obwohl sich das Völkerrecht im Hinblick auf die Staatenimmunität weiter-

97 Vgl. Europarat, http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/t​r​e​a​t​y​/​ 0​7​4​/​d​e​c​l​a​r​ations?p_auth=FvtCLebK (28.  2. ​2017); Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (539). 98  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 214; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (538, 546 f.). 99  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (36); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 3; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (537, 544); Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (75).

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entwickelt habe. Entfalle die Befugnis zur Zwangsvollstreckung, so bestehe die Gefahr, dass ein Urteil nur noch der bloßen Rechtsauskunft diene.100 Diese Kritik ist allerdings nur zum Teil berechtigt, da Art. 26 EuStImm die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil in Vermögensgegenstände ermöglicht, die ausschließlich für eine gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit verwendet werden. Voraussetzung ist, dass sowohl der Gerichtsstaat als auch der verurteilte Staat eine Erklärung nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm abgegeben haben. Damit eröffnet das Übereinkommen den Vertragsstaaten die Möglichkeit, auch für die Zwangsvollstreckung den Grundsatz der relativen Staatenimmunität anzuwenden. Daneben enthält das Übereinkommen in Art. 16 bis 19 EuStImm einige Verfahrensvorschriften, insbesondere zur Zustellung, zu den Fristen, zur Sicherheitsleistung, zu den Verfahrenskosten, zur Beibringung von Beweismitteln und zur anderweitigen Rechtshängigkeit. Gleichwohl bleiben etliche Fragestellungen, die typischerweise auftreten können, wenn ausländische Staaten an einem Zivilprozess beteiligt sind, ungeregelt. Nichtsdestotrotz war es ein maßgeblicher Verdienst des Übereinkommens, dass es eine Kodifizierungswelle in den 1970er Jahren einleitete und wichtige inhaltliche Impulse für nachfolgende Regelungen zur Staatenimmunität – insbesondere für den US-amerikanischen FSIA, den englischen SIA und das UN-Übereinkommen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit – gab.101 b. Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit102 (United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property, im Folgenden auch: UNÜbereinkommen) spiegelt die Bestrebungen wider, das Recht der Staatenimmunität weltweit zu kodifizieren. Bis zu seiner Verabschiedung war es allerdings ein langer Weg. Bereits 1947 richtete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die International Law Commission (ILC) ein, die Teilbereiche des Völkerrechts kodifizieren und so auch einen Entwurf zu einem Übereinkommen über Staatenimmunität ausarbeiten sollte. Andere Kodifikationsarbeiten waren aber zunächst vorrangig. Erst 1977, also 30 Jahre später, erteilte die Generalversammlung der ILC den Auftrag, mit der Ausarbeitung eines entsprechenden

100 Karczewski,

RabelsZ 54 (1990), 533 (544 f.).  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 218. 102  Resolution 59/38 der UN-Generalversammlung v. 2. 12. ​2004, abgedruckt in: UN Juridical Yearbook 2004, S. 243. 101

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Entwurfs zu beginnen.103 1991 legte die ILC schließlich einen endgültigen Entwurf vor, der 13 Jahre später als Grundlage diente für das am 2. 12. ​2004 von der Generalversammlung in ihrer Resolution 59/38 verabschiedete Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit.104 Das UN-Übereinkommen ist seit dem 17. 1. ​2005 zur Zeichnung aufgelegt, aber noch nicht in Kraft getreten. Nach Art. 30 Abs. 1 UN-Übereinkommen wird es erst am 30. Tag nach Hinterlegung der 30. Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs‑ oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft treten. Bislang sind ihm lediglich 21 Staaten, nämlich Finnland, Frankreich, der Irak, der Iran, Italien, Japan, Kasachstan, Lettland, der Libanon, Liechtenstein, Mexiko, Norwegen, Österreich, Portugal, Rumänien, Saudi-Arabien, Schweden, die Schweiz, Spanien, Tschechien und zuletzt die Slowakei beigetreten. Weitere 14 Staaten haben das Übereinkommen zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.105 Die Bundesrepublik Deutschland zählt nicht zu diesen Staaten. Eine der Hauptursachen für die zögerliche Haltung der dem Übereinkommen noch nicht beigetretenen Staaten mag darin liegen, dass diese auf den Beitritt der jeweils anderen Staaten warten. Allerdings wäre es nicht der erste völkerrechtliche Vertrag, der erst etliche Jahre nach Auflegung zur Zeichnung in Kraft getreten wäre. So dauerte es beispielsweise elf Jahre, bis die erforderliche Anzahl der Staaten die Wiener Vertragsrechtskonvention ratifizierte.106 Nichtsdestotrotz strahlt das UN-Übereinkommen bereits jetzt auf die Handhabung des universellen Völkergewohnheitsrechts aus, weil mit diesem weltweit die Regeln über die Staatenimmunität festgeschrieben werden sollten.107 Damit birgt es wie das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität die Gefahr in sich, die völkerrechtliche Entwicklung auf dem Gebiet der Staatenimmunität zu hemmen. Gleichwohl bietet es auch große Chancen: Ausweislich seiner Präambel will es die Rechtstaatlichkeit und die Rechtssicherheit stärken sowie zur Kodifikation und Entwicklung des Völkerrechts und zur Vereinheitlichung der Praxis auf diesem Gebiet beitragen.

103  Hafner in: O’Keefe/Tams (Hrsg.), UNCSI, S. 4 f.; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 23 f.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 67. 104  Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 284 ff.; Hafner in: O’Keefe/Tams (Hrsg.), UNCSI, S. 6 ff.; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 30 ff. 105  Vgl. World Intellectual Property Organization, http://www.wipo.int/wipolex/en/other_ treaties/parties.jsp?treaty_id=259&group_id=22 (28. 2. ​2017). 106 O’Keefe/Tams in: dies. (Hrsg.), UNCSI, S. XL f. 107  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (128) – Jurisdictional Immunities; OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 496, 571, 666; O’Keefe/Tams in: dies. (Hrsg.), UNCSI, S. XLI; ähnlich auch Martiny, IPRax 2013, 536 (538).

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität

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Das UN-Übereinkommen ist ebenso wie das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität in sechs Teile untergliedert und geht für das Erkenntnisverfahren vom Konzept der relativen Staatenimmunität aus. In seiner Regelungsstruktur folgt es ebenfalls nicht der völkergewohnheitsrechtlichen Differenzierung zwischen hoheitlichem und nicht hoheitlichem Handeln. Vielmehr sieht Art. 5 UN-Übereinkommen die Gewährung von Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren als Regelfall vor und Art. 7 bis 17 UN-Übereinkommen enthalten breit gefächerte Ausnahmen. Diese Ausnahmetatbestände erfassen im Wesentlichen nichthoheitliches Handeln sowie den Verzicht auf die Staatenimmunität und spiegeln damit im Ergebnis ganz überwiegend das völkergewohnheitsrechtliche Abgrenzungskonzept wider.108 Im Unterschied zu Art. 24 EuStImm besteht für die Konventionsstaaten allerdings keine Möglichkeit, ihre Gerichtsbarkeit über die vorgesehenen Ausnahmen hinaus auf sämtliches Handeln iure gestionis zu erstrecken. Auch für die Zwangsvollstreckung folgt das UN-Übereinkommen im Unterschied zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität dem Konzept der relativen Staatenimmunität. So sehen Art. 18 bis 21 UN-Übereinkommen vor, dass einem anderen Staat für Zwangsmaßnahmen im Regelfall Immunität zu gewähren ist und enthalten hiervon eine Reihe von Ausnahmen und Gegenausnahmen. In das Vermögen eines anderen Staates darf im Wesentlichen dann vollstreckt werden, wenn es einem nichthoheitlichen Verwendungszweck dient oder der verurteilte Staat hierauf verzichtet hat.109 Damit bildet das Übereinkommen im Ergebnis auch für die Zwangsvollstreckung weitgehend das Völkergewohnheitsrecht ab. Art. 22 bis 24 UN-Übereinkommen enthalten schließlich Verfahrensvorschriften zur Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke, zum Erlass von Versäumnisentscheidungen, zur Beibringung von Unterlagen und Offenlegung von Informationen sowie zur Sicherheitsleistung. c. Weitere völkervertragliche Regelungen zur Staatenimmunität Neben den soeben vorgestellten Kodifikationen bestehen noch eine Reihe weiterer völkerrechtlicher Übereinkommen zu Spezialmaterien, die Regelungen zur Staatenimmunität enthalten. Den Anfang machte das in Brüssel unterzeichnete Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe vom 10. 4. ​1926 mit dem Zusatzprotokoll

108  Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 2.10 ff.; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 200; Spitzer, ÖJZ 2008, 871 (873). 109  Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 2.037 ff.; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 202; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 84.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

vom 24. 5. ​1934.110 Nach dem Ersten Weltkrieg begannen etliche Staaten, mit staatlichen Schiffen Handelsschifffahrt zu betreiben. Ihnen wurde gegenüber entsprechenden Klagen von der Gerichtspraxis des frühen 20. Jahrhunderts zunächst uneingeschränkt Immunität gewährt, was private Reeder und ihre Versicherer als ungerecht empfanden.111 Daher wurde mit dem Brüsseler Übereinkommen erstmals auf völkervertraglicher Ebene die staatliche Immunität begrenzt, indem nach Art. 2 i. V. m. Art. 1 die Staatshandelsschiffe den privaten Schiffen gleichgestellt wurden. Gleichwohl erreichte es nicht die erhoffte internationale Bedeutung, da ihm weder die Vereinigten Staaten noch die damalige Sowjetunion beitraten.112 Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. 12. ​1982 regelt heute die Staatenimmunität im Hinblick auf einem Staat gehörende oder von diesem eingesetzte Seeschiffe, soweit es um Sicherungs‑ und Vollstreckungsmaßnahmen geht.113 Auch bilaterale Verträge können Regelungen zur Staatenimmunität enthalten. So sieht etwa Art. XVIII Abs. 2 des Freundschafts-, Handels‑ und Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. 10. ​1954 vor, dass Staatsunternehmen des einen Vertragsteils einschließlich dessen Körperschaften, Vereinigungen und Regierungseinrichtungen für ihre wirtschaftliche Betätigung keine Befreiung von der gerichtlichen Verfolgung und der Vollstreckung durch die Gerichte des jeweiligen anderen Vertragsteils beanspruchen können.114 Teilaspekte der Staatenimmunität sind ferner geregelt in Art. 3 des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29. 5. ​1933115 und in Art. 13 des Pariser Übereinkommens vom 29. 7. ​1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie116. Darüber hinaus sei bereits an dieser Stelle hingewiesen auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. 4. ​1961117 und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. 4. ​1963118, die Rege110  Brüsseler Übereinkommen: RGBl. 1927 II, S. 483, Zusatzprotokoll: RGBl. 1936 II, S. 303; dazu RGZ 157, 389 (394 ff.); Böger, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 165 ff.; Menzel, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 23 f. 111  Böger, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 153 ff.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 206 f.; Spruth, Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, S. 53. 112 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 224 f.; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rdnr. 90; ferner Ress, ZaöRV 40 (1980), 217 (228 ff.). 113 BGBl. 1994 II, S. 1799; dazu Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 498. 114  BGBl. 1956 II, S. 487; dazu Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 151 f.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 86. 115 RGBl. 1935 II, S. 302. 116  BGBl. 1976 II, S. 308. 117  BGBl. 1964 II, S. 959. 118 BGBl. 1969 II, S. 1585.

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität

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lungen zur diplomatischen bzw. konsularischen Immunität enthalten. Im Zivilprozess gegen einen ausländischen Staat erlangen diese beiden Übereinkommen insbesondere dann Bedeutung, wenn es darum geht, in das diplomatisch bzw. konsularisch genutzte Vermögen eines ausländischen Staates zu vollstrecken. Daneben gibt es noch Kodifikationsarbeiten privater Vereinigungen, insbesondere die vier Resolutionen des Institut de Droit International zur Staatenimmunität von 1891, 1954, 1991 und 2009, das Harvard Project der Harvard Law School von 1932 zur Competence of Courts in regard to Foreign States, die Draft Montreal Convention der International Law Association von 1982 und die Inter-American Draft Convention on Jurisdictional Immunity of States des Inter-American Juridical Committee von 1983.119 d. Verhältnis der Übereinkommen zum Völkergewohnheitsrecht Den soeben vorgestellten völkerrechtlichen Konventionen zur allgemeinen Staatenimmunität – namentlich dem Europäischen und dem UN-Übereinkommen über Staatenimmunität – ist gemein, dass sie zunächst den Staaten für das Erkenntnisverfahren und das UN-Übereinkommen auch für die Zwangsvollstreckung Immunität gewähren, um diesen Grundsatz für bestimmte Konstellationen wieder einzuschränken.120 Hierbei unterscheiden sie im Unterschied zum Völkergewohnheitsrecht nicht zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln bzw. zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Verwendungszweck des zu vollstreckenden Gegenstandes, sondern legen Ausnahmen vom Grundsatz der Staatenimmunität durch Fallgruppen fest.121 Für dieses Regelungskonzept lassen sich zweierlei Gründe ausmachen: Zum einen erfolgt die Differenzierung zwischen hoheitlichem und privatem Handeln bzw. hoheitlichem und privat genutztem Vermögen in den verschiedenen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. Demzufolge wird die Schaffung zweier Generalklauseln, nach der die Handlungen bzw. die Vermögensgegenstände eines Staates präzise qualifiziert werden könnten, als zu schwierig erachtet. Zum anderen erscheint in bestimmten Fallkonstellationen die Berufung auf die Staatenimmunität auch bei hoheitlichem Handeln rechtspolitisch unerwünscht.122 Gleichwohl steht auch bei den kodifizierten Ausnahmetatbeständen die Einschränkung der Staatenimmunität bei grenzüberschreitender privatwirtschaftlicher Tätigkeit eines ausländischen Staates im Vordergrund. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich ein Staat, 119  Vgl. ausführlich Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 124 ff.; teils auch BVerfGE 15, 25 (40 f.); 16, 27 (57 ff.); Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 246 ff.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 69 ff. 120  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 147. 121  Geimer, internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 561; Geiger, NJW 1987, 1124 (1125). 122 Geiger, NJW 1987, 1124 (1125).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

der sich im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr wie eine Privatperson betätigt, in einem Rechtsstreit, der diese wirtschaftliche Tätigkeit betrifft, auch vor Gericht wie eine Privatperson verantworten muss.123 Die Regelungen in den Übereinkommen geben gewichtige Hinweise auf den Inhalt sowie die Grenzen des derzeit geltenden Völkergewohnheitsrechts zur Staatenimmunität und dienen daher als wichtige Rechtserkenntnisquelle.124 Aber auch umgekehrt prägen die Übereinkommen das Völkergewohnheitsrecht und können damit neue gewohnheitsrechtliche Regeln schaffen. Den Konventionen zur Staatenimmunität und dem Völkergewohnheitsrecht kommt damit eine Wechselwirkung zu.125 Nur das Europäische Übereinkommen bleibt im Hinblick auf die Staatenimmunität in der Zwangsvollstreckung hinter dem derzeit geltenden Stand des Völkergewohnheitsrechts zurück. In diesem Kontext entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2010 in der Rechtssache Cudak gegen Litauen zur Immunität Polens vor der litauischen Gerichtsbarkeit126, 2011 in der Rechtssache Sabeh El Leil gegen Frankreich zur Immunität Kuwaits vor der französischen Gerichtsbarkeit127 und 2016 in der Rechtssache Radunović u. a. gegen Montenegro zur Immunität der USA vor der montenegrinischen Gerichtsbarkeit128 jeweils für eine arbeitsrechtliche Streitigkeit, dass Art. 11 UN-Übereinkommen Völkergewohnheitsrecht abbilde. Sodann ging der Gerichtshof einen bemerkenswerten Schritt weiter und erklärte allgemein den Inhalt der Vorschriften des UN-Übereinkommens gegenüber Litauen, Frankreich und Montenegro für anwendbar. Diese Staaten hätten die Konvention zwar noch nicht ratifiziert, ihr aber auch nicht widersprochen. Darüber hinaus habe Frankreich sie bereits unterzeichnet und die Ratifizierung stehe im französischen Parlament auf der Tagesordnung.129 Im Hinblick auf Frankreich stand dies im Einklang mit Art. 18 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. 5. ​1969130 (WVK), nach dem ein Staat verpflichtet ist, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und

 Dörr, AVR 41 (2003), 201 (206); Geiger, NJW 1987, 1124 (1125). I. C. J. Reports 2012, 99 (123) – Jurisdictional Immunities; BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1534); OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412; MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnr. 645; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 219 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 173; Kronke, IPRax 1991, 141 (142); Majer, NZA 2010, 1395 (1398). 125 EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335) – Sabeh El Leil v. Frankreich; OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412; O’Keefe/Tams in: dies. (Hrsg.), UNCSI, S. XLI; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 496, 571, 666; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 35 f. 126  EGMR, NLMR 2/2010, 101 (103) – Cudak v. Litauen. 127  EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335 f.) – Sabeh El Leil v. Frankreich. 128 EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro. 129  Kurz nach Urteilserlass am 29. 6. ​2011 trat Frankreich am 12. 8. ​2011 dem UN-Übereinkommen bei. 130 BGBl. 1985 II, S. 927. 123

124 IGH,

II. Rechtsquellen der Staatenimmunität

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Zweck eines bereits unterzeichneten Vertrags vereiteln würden.131 Aber auch im Hinblick auf Litauen und Montenegro, die das UN-Übereinkommen bislang nicht unterzeichnet haben, war die Anwendbarkeit des Inhalts ihrer Vorschriften der Tatsache geschuldet, dass sie – jedenfalls ganz überwiegend – die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität widerspiegeln. Nichtsdestotrotz bedarf es gegenüber Staaten, die das UN-Übereinkommen nicht unterzeichnet haben, einer Prüfung im Einzelfall, ob die einschlägigen Regelungen des UN-Übereinkommens tatsächlich dem aktuellen Stand des Völkergewohnheitsrechts entsprechen.

3. Öffnungsklauseln des Grundgesetzes für die Staatenimmunität Wie gelangen nun die völkergewohnheitsrechtlichen und völkervertraglichen Regeln zur Staatenimmunität in den deutschen Zivilprozess? Eine Antwort auf diese Frage geben die völkerrechtlichen Öffnungsklauseln in Art. 25 und Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. Diese beiden Vorschriften ordnen das Verhältnis zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht aus der Binnenperspektive zum Zweck der innerstaatlichen Rechtsanwendung. Das Grundgesetz öffnet mit Art. 25 GG den innerstaatlichen Rechtsraum für das völkerrechtliche Institut der Staatenimmunität in Form einer dynamischen Verweisung.132 Nach der gemäßigt dualistischen Konzeption des Grundgesetzes – so jedenfalls das Bundesverfassungsgericht – fußt die innerstaatliche Geltung des Völkerrechts auf den in Art. 25 S. 1 GG enthaltenen Rechtsanwendungsbefehl für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts.133 Zu diesen Regeln, die von der weitaus größeren Zahl der Staaten, nicht aber zwingend von der Bundesrepublik Deutschland selbst anerkannt werden,134 zählt auch der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der relativen Staatenimmunität.135 Damit werden die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität innerstaatlich in Vollzug gesetzt und können innerhalb der deutschen Rechtsordnung Geltung beanspruchen.136 Diese gehen nach Art. 25 S. 2 GG  Bederman, AJIL 106 (2012), 125 (128, 130).  Vgl. Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Art. 25 Rdnr. 12; Schmahl, JuS 2013, 961 (963); Talmon, JZ 2013, 12 (12). 133  BVerfGE 46, 342 (363); BVerfG, NJW 2004, 3407 (3408) für die EMRK und ihre Zusatzprotokolle; Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Art. 25 Rdnrn. 3 f.; von Arnauld, Völkerrecht, Rdnrn. 518; Hofmann, JURA 2013, 326 (327 f.); Payandeh, AVR 45 (2007), 244 (249). 134  BVerfGE 15, 25 (34); 16, 27 (33); BGH, ZIP 2015, 769 (770); von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 514; Schmahl, JuS 2013, 961 (963); kritisch hierzu Talmon, JZ 2013, 12 (21). 135 OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1254); Kissel/Mayer, GVG, § 20 Rdnr. 3; MünchKomm/ Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 7; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 8. 136  Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (260); vgl. auch Hofmann, JURA 2013, 326 (327). 131 132

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

den Gesetzen vor und sind damit übergesetzlicher Bestandteil des Bundesrechts, stehen also in der innerstaatlichen Normenhierarchie zwischen dem Verfassungsrecht und den einfachen Bundesgesetzen.137 Infolgedessen sind alle Träger deutscher öffentlicher Gewalt, so auch die deutschen Zivilgerichte, zur Beachtung der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität verpflichtet. Hierbei müssen sie das Zivilprozessrecht völkerrechtskonform auslegen und anwenden und es bei einem unauflösbaren Widerspruch unangewandt lassen.138 Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG öffnet die deutsche Rechtsordnung für völkerrechtliche Verträge. Danach bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. So stimmte der Bundestag samt Bundesrat dem Beitritt zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität mit dem Gesetz zum Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 über Staatenimmunität139 zu und setzte es dadurch nach ordnungsgemäßer Gesetzesverkündung innerstaatlich in Vollzug. Damit entfaltet es nach seiner Ratifikation für die deutschen Zivilgerichte über Art. 20 Abs. 3 GG Bindungswirkung.140 Im Unterschied zum Völkergewohnheitsrecht hat es in der innerstaatlichen Normenhierarchie allerdings nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.141

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität Der Begriff der Staatenimmunität impliziert und der dahinter stehende Gedanke der Staatensouveränität verlangt, dass primär den Staaten als originären Völkerrechtssubjekten Immunität zukommt. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob auch staatliche Untergliederungen, Staatsorgane und Staatsunternehmen an der Staatenimmunität partizipieren.

137 BVerfGE 6, 309 (363); 46, 342 (363); BVerfG, NJW 2004, 3407 (3408); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 495; Krajewski, Völkerrecht, § 5 Rdnr. 29; Hofmann, JURA 2013, 326 (328 f.). 138 Vgl. von Arnauld, Völkerrecht, Rdnrn. 519 ff.; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 245; Talmon, JZ 2013, 12 (15 ff.). 139  BGBl. 1990 II, S. 34. 140 Vgl. von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 527; Kunz-Hallstein, NJW 1992, 3069 (3071). 141  Vgl. BVerfGE 6, 309 (363); BVerfG, NJW 2004, 3407 (3408); von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 511; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 495; Dörr, AVR 41 (2003), 201 (203); Schmahl, JuS 2013, 961 (965).

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität

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1. Staaten und staatliche Untergliederungen Die Staaten sind die „key players“ des Völkerrechts und Träger des Immunitätsanspruchs.142 a. Staaten Nach der auf den österreichischen Staatsrechtslehrer Georg Jellinek (1861–1911) zurückgehenden Drei-Elemente-Lehre ist ein politisch und rechtlich organisierter Personen‑ und Gebietsverband dann ein Staat, wenn eine nach außen nur an das Völkerrecht gebundene und nach innen autonome Gewalt gegeben ist, die einem Volk und einem abgegrenzten Gebiet zugeordnet ist. Demzufolge besteht ein Staat aus drei konstituierenden Elementen: dem Staatsvolk, dem Staatsgebiet und der effektiven Staatsgewalt.143 Kennzeichen der effektiven Staatsgewalt ist die Souveränität, die sich aus der Respektierung eines Staates als eigenständigen, formell gleichberechtigten Mitgliedes der Staatengemeinschaft schöpft.144 Damit schließt sich der Kreis. Die Souveränität kennzeichnet den Staat und begründet zugleich dessen Anspruch auf Gewährung von Immunität gegenüber anderen Staaten. Fraglich ist, ob auch einem vom Gerichtsstaat nicht anerkannten Staat persönliche Immunität (Immunität ratione personae) zuteilwird. So sind zum Beispiel Palästina, Abchasien oder Südossetien von einigen Staaten, nicht aber von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt.145 Die Gewährung von Immunität ist eng mit der Frage verknüpft, ob die Erlangung der Staatsqualität und damit der Völkerrechtssubjektivität eine Anerkennung durch den Gerichtsstaat erfordert. Nach heute vorherrschender Ansicht entfaltet die Anerkennung keine konstitutive, sondern lediglich deklaratorische Wirkung, indem sie bestätigt, dass ein Gebilde vorliegt, das alle Merkmale eines Staates im Sinne der DreiElemente-Lehre aufweist. Auf die Staatsqualität hat die Anerkennung hingegen keinen Einfluss, ihr kommt nur indizielle Bedeutung zu. Sie kann weder einen Nichtstaat zu einem Staat machen, noch kann umgekehrt ihre Versagung die Existenz eines Staates beseitigen, zumal in der Praxis auch politische Erwägungen die Entscheidung über die Anerkennung eines Staates mitbestimmen können. Andernfalls bestünde – dem Grundsatz der Staatengleichheit entgegen142  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 47; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 21; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 567; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 37. 143  Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff.; dazu Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 1; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 2 Rdnr. 2; Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 6; Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre, § 3 Rdnrn. 17 ff. 144  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 2 Rdnr. 34; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 382 f. 145 Vgl. Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnrn. 178, 179 (Fn. 497).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

laufend – die Staatseigenschaft nur gegenüber den anerkennenden Staaten, nicht aber gegenüber allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft.146 Gleichwohl soll nach einigen Stimmen aus dem Schrifttum der Gerichtsstaat nicht kraft Völkergewohnheitsrechts verpflichtet sein, einem von ihm nicht anerkannten Staat Immunität zuzubilligen. Eine völkergewohnheitsrechtliche Regel, die einem Staat abverlange, auch einem nicht anerkannten Staat Immunität zu gewähren, sei nicht erkennbar.147 Insbesondere nach der US-amerikanischen, kanadischen und englischen Staatenpraxis sei die Gewährung von Staatenimmunität von einer vorherigen Anerkennung durch die Regierung bzw. die englische Krone abhängig, um der Auffassung der Exekutive widersprechende Entscheidungen der Gerichte zu vermeiden.148 Es soll lediglich nicht völkerrechtswidrig sein, einem nicht anerkannten Staat dennoch Immunität einzuräumen.149 Misst man der Anerkennung keine für die Erlangung der Staatsqualität konstitutive Wirkung bei, so erscheint dieser Gedankengang inkonsequent. Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten als grundlegendes Strukturprinzip des Völkerrechts verlangt, alle Staaten als gleichwertige Völkerrechtssubjekte zu respektieren. Entscheidend ist, ob ein nicht anerkannter Staat mit dem Vorliegen eines Staatsvolks, eines Staatsgebiets und einer effektiven Staatsgewalt alle drei konstituierenden Voraussetzungen eines Staates erfüllt. Ist er demnach ein Staat, so ist der Gerichtsstaat kraft Völkerrechts verpflichtet, ihm Immunität einzuräumen. Daher bedarf es keiner völkerrechtlichen Regel, nach der auch einem vom Gerichtsstaat nicht anerkannten Staat Immunität zu gewähren wäre. Vielmehr müsste umgekehrt eine völkerrechtliche Regel bestehen, nach der einem nicht anerkannten Staat keine Immunität zukäme. Eine solche Regel ist allerdings nicht ersichtlich. Auch wenn die Gewährung von Staatenimmunität nur nach vorheriger Anerkennung durch die Regierung des Gerichtsstaates politisch opportun sein mag, so vermag die Praxis in einigen Staaten des anglo-amerikanischen Rechtsraums noch keine völkergewohnheitsrechtliche Ausnahme von der Staatenimmunität als Ausfluss der souveränen Gleichheit der Staaten zu begründen. Damit steht es nicht im Belieben des Gerichtsstaates, ob er einem 146 BVerfGE 36, 1 (22); von Arnauld, Völkerrecht, Rdnrn. 96; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnrn. 174 ff.; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 75, 79; Stein/von Buttlar/ Kotzur, Völkerrecht, Rdnrn. 323 ff.; für eine konstitutive Wirkung der Anerkennung hingegen Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 2 Rdnrn. 14 ff. 147  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 19; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 563; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (48); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 40 f. 148  Vgl. hierzu Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 340 ff.; zur englischen Rechtslage auch von Schönfeld, Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 54 und Herdegen, ZaöRV 40 (1980), 782 (788). 149  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 564. Nach Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 19 und Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (48) sei dies empfehlenswert.

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität

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durch ihn nicht anerkannten Staat Immunität ratione personae gewährt, sondern er ist kraft Völkerrechts dazu verpflichtet. Ebenso hat der Gerichtsstaat einem ausländischen Staat auch dann persönliche Immunität zu gewähren, wenn er dessen dortige, durch einen verfassungswidrigen Vorgang an die Macht gelangte Regierung nicht anerkannt hat. Ein solcher Staat bleibt im Verhältnis zu den anderen Staaten ein gleichwertiges und souveränes Völkerrechtssubjekt unabhängig davon, ob diese seine Regierung als solche respektieren. Andernfalls wäre der aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten resultierende Immunitätsanspruch verkürzt, wären die dem Staat zuzurechnenden Handlungen der Regierung davon ausgenommen.150 b. Gliedstaaten und Gebietskörperschaften Nicht nur einem Staat selbst, sondern auch seinen staatlichen Untergliederungen – namentlich den Gliedstaaten eines föderalen Bundesstaates und den Gebietskörperschaften  – könnte Immunität ratione personae zukommen. Diese Frage stellt sich in der Praxis freilich nur, wenn eine staatliche Untereinheit Partei des Zivilprozesses sein kann. Dies ist nach § 51 Abs. 1 ZPO nur der Fall, wenn sie eine rechtlich selbstständige Einheit bildet und damit rechtsfähig ist. Rechtlich unselbstständigen Untergliederungen wie Ministerien und Behörden fehlt es an der Parteifähigkeit, so dass sie zweifelsohne dem Schutz der Immunität des beklagten Staates unterfallen.151 In einer Entscheidung aus dem Jahr 1925 gewährte das Reichsgericht einem polnischen Kreisverband keine Immunität gegenüber einer Klage eines bei ihm angestellten Kreisoberingenieurs auf Zahlung rückständigen Gehalts. Dem Kreisverband würden die Staaten zukommenden völkerrechtlichen Eigenschaften der Unabhängigkeit und Gleichheit fehlen.152 Aus dieser Entscheidung wird im deutschen Schrifttum in Ermangelung neuerer Urteile der deutschen Gerichte vereinzelt noch heute gefolgert, den Untergliederungen eines ausländischen Staates werde generell keine Immunität zuteil.153 Diese Auffassung ist jedoch durch die völkerrechtliche Entwicklung überholt. Zwar genießen auch nach der Grundregel des Art. 28 Abs. 1 EuStImm die Gliedstaaten eines Bundesstaates keine Immunität ratione personae. Gleichwohl kann nach Art. 28 Abs. 2 EuStImm ein Bundesstaat durch eine Notifikation, gerichtet an den Generalsekretär des Europarates, erklären, dass seine Gliedstaaten 150 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 20; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 566. 151  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 221; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 21; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 567; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 37. 152  RGZ 110, 315 (317); obiter dictum bestätigt von RGZ 157, 389 (395). 153 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 5.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

sich auf die für Vertragsstaaten geltenden Vorschriften des Übereinkommens berufen können.154 Von dieser Möglichkeit haben Deutschland, Österreich und Belgien Gebrauch gemacht, so dass den deutschen und österreichischen Bundesländern sowie den belgischen Gemeinschaften (communautés) und Regionen (régions) im gleichen Umfang Immunität zuteilwird wie den Konventionsstaaten.155 Hinter dieser Regelung steckt die Idee, dass die Gliedstaaten eines Bundesstaates eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen, die in Einzelstaaten entweder von der Zentralregierung oder von den ihr unterstellten Behörden wahrgenommen werden.156 Im Übrigen stellt Art. 27 Abs. 1 EuStImm klar, dass der Ausdruck „Vertragsstaat“ einen Rechtsträger eines Vertragsstaates nicht einschließt, der sich von diesem unterscheidet und die Fähigkeit hat, vor Gericht aufzutreten, selbst wenn er mit öffentlichen Aufgaben betraut ist. Nach dieser Regelung partizipieren also Gebietskörperschaften nicht an der den Konventionsstaaten gewährten Immunität.157 Vielmehr kann nach Art. 27 Abs. 2 Hs. 1 EuStImm jeder derartige Rechtsträger vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden. Allerdings können die Gerichte nach Art. 27 Abs. 2 Hs. 2 EuStImm nicht über acta iure imperii des Rechtsträgers entscheiden; ihm kommt damit funktionelle Immunität (Immunität ratione materiae) zu. Nach Art. 28 Abs. 1 EuStImm gilt diese Regelung auch für die Gliedstaaten eines Bundesstaates. Obwohl also den Gliedstaaten nur im Falle einer Notifikation des Bundesstaates nach Art. 28 Abs. 2 EuStImm und den Gebietskörperschaften nie Immunität ratione personae zukommt, genießen beide für hoheitliches Handeln nach Art. 27 Abs. 2 Hs. 2 EuStImm funktionelle Immunität und partizipieren insoweit an der Staatenimmunität.158 Ähnliche Regelungen enthält der englische State Immunity Act. Nach der Grundregel des sec. 14 (1) SIA kommt nur ausländischen Staaten Immunität zu, nicht aber den davon getrennten Einheiten (separate entities), die selbst klagen und verklagt werden können. Die Krone kann allerdings gem. sec. 14 (5) SIA die Immunität auch auf die Gliedstaaten eines Bundesstaates (constituent territories of a federal state) erstrecken. Unabhängig davon genießen nach sec. 14 (2) SIA 154 Vgl. dazu den Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 22; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 50 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 23; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 569. Auf Drängen der deutschen Delegation im Expertenkomitee wurde die Ausschlussregel des Art. 28 Abs. 2 EuStImm eingefügt. 155  Vgl. Europarat, http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/t​r​e​a​t​y​/​0​ 7​4​/​d​e​c​l​a​r​a​t​i​o​ns?p_auth=FvtCLebK (28.  2. ​2017); Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 350; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (542). 156  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (38); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 22. 157  So auch Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (37). 158  Vgl. Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 349 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 569; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (542).

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität

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die separate entities und über sec. 14 (6) SIA die Gliedstaaten Immunität ratione materiae für hoheitliches Handeln, für das auch einem ausländischen Staat Immunität zukäme.159 Im Vergleich zu den soeben vorgestellten Regelungen ist das UN-Übereinkommen über die Staatenimmunität fortschrittlicher, was die Immunität von Gliedstaaten und Gebietskörperschaften ratione personae anbelangt. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) sublit. ii) UN-Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck „Staat“ auch Gliedstaaten eines Bundesstaates oder Gebietskörperschaften des Staates, die berechtigt sind, Handlungen in Ausübung der Hoheitsgewalt vorzunehmen, und die in dieser Eigenschaft handeln. Ihnen kommt damit a priori Immunität ratione personae zu, ohne dass dies einer Notifikation durch den Vertragsstaat bedarf. Allerdings ist ihre Immunität beschränkt auf Handlungen in Ausübung der Hoheitsgewalt, also auf Handlungen, für die auch ratione materiae Immunität zu gewähren ist.160 In ähnlicher Weise umfasst nach § 1603 (a) des US-amerikanischen FSIA der Begriff des ausländischen Staates auch dessen politische Untereinheiten (political subdivisions of a foreign state) und gesteht damit den Gliedstaaten und den Gebietskörperschaften Immunität ratione personae zu.161 Die vorstehenden Regelungen deuten darauf hin, dass zumindest den Gliedstaaten eines föderalen Staates kraft Völkergewohnheitsrechts Immunität ratione personae zukommt, zumal Art. 27 Abs. 1 EuStImm als historisch überholt gilt162. Eindeutige Rückschlüsse lassen sie aber nicht zu, so dass es einer Rückbesinnung auf den Geltungsgrund der Staatenimmunität – der souveränen Gleichheit der Staaten als originärer Völkerrechtssubjekte – bedarf. Die Gliedstaaten eines föderalen Staates waren früher häufig souveräne Staaten; durch die Eingliederung in einen Bundesstaat haben sie allerdings ihre souveräne Gleichheit im Verhältnis zu anderen Staaten eingebüßt. Im Unterschied zum Bundesstaat sind sie durch die Einbindung in eine bundesstaatliche Verfassung keine unmittelbaren, unabhängigen Völkerrechtssubjekte mehr.163 Gleichwohl kann ihnen Völkerrechtssubjektivität zukommen, soweit die Verfassung des Bundesstaates ihnen eine solche gewährt. So räumt zum Beispiel – im Unterschied zu österreichischen Verfassung – Art. 32 Abs. 3 GG den Ländern 159  Vgl. Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 49 ff.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 23; von Schönfeld, Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 57 f. 160  Grant in: O’Keefe/Tams (Hrsg.), UNCSI, Art. 2, S. 49 f. ist dagegen der Auffassung, Gliedstaaten und andere politische Untereinheiten handelten immer in der Eigenschaft als Hoheitsträger, und verkennt, dass diese ebenso wie Staaten nichthoheitlich tätig werden können. 161  Vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 23; Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.005. 162  Kronke, IPRax 1991, 141 (147). 163  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 47 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 395.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

eine partielle Zuständigkeit in auswärtigen Angelegenheiten ein.164 Damit ist die Völkerrechtssubjektivität der Gliedstaaten nicht mehr universell und ursprünglich, aber doch kann sie partiell und abgeleitet sein.165 In diesem Fall kommt ihnen für Handlungen, die sie in Wahrnehmung ihrer Völkerrechtssubjektivität vornehmen, Immunität aus eigenem Recht zu.166 Darüber hinaus können Gliedstaaten, auch wenn ihnen generell oder im Hinblick auf ein konkretes Handeln keine Völkerrechtssubjektivität zukommt, funktionelle Immunität genießen. Nehmen sie im Wege der Bundesauftragsverwaltung hoheitliche Handlungen für den Bundesstaat vor, so partizipieren sie an seiner Immunität. Ihnen wird insoweit ratione materiae Immunität aus fremdem Recht zuteil.167 Ebenso können die Gebietskörperschaften, zum Beispiel die französischen Regionen oder die polnischen Woiwodschaften, ratione materiae an der Immunität des Gesamtstaates partizipieren, auch wenn ihnen keine partielle Völkerrechtssubjektivität zukommt. Letztlich ist es die innere Angelegenheit eines jeden Staates, ob er föderalistisch oder zentralistisch organisiert ist und ob selbstständige Gebietskörperschaften die ihnen vom Staat übertragenen Aufgaben wahrnehmen oder ob er durch unselbstständige Untergliederungen einer Zentralregierung handelt.168 Der Staatsaufbau bestimmt damit zwar die persönliche Immunität der staatlichen Untergliederungen, nicht aber ihre funktionelle Immunität.

2. Staatsorgane Staaten können als juristische Personen nicht selbst, sondern nur durch ihre Staatsorgane handeln. Daher liegt es nahe, auch ihnen für hoheitliches Handeln, das dem dahinterstehenden Staat zugerechnet wird, Immunität zu gewähren. Ein Teilaspekt, inwiefern den Staatsorganen tatsächlich Immunität zukommt, ist in § 20 Abs. 1 GVG explizit geregelt. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich 164  Vgl. dazu Maunz/Dürig/Nettesheim, GG, Art. 32 Rdnr. 34; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 19. 165 Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 19; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 2 Rdnrn. 35 f. 166  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 32; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 ( 44); ferner Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 5. 167  Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (44); ferner Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 32. Für die Immunität der Gliedstaaten vgl. auch Kronke, IPRax 1989, 176 (178), der aber nicht zwischen persönlicher und funktioneller Immunität differenziert. 168 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 567; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (45 f.); a. A. Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 226, nach dem sich – ohne nähere Begründung – keine entsprechende völkerrechtliche Regel nachweisen lasse.

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität

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die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Repräsentanten anderer Staaten  – d. h. Staatspräsidenten, Regierungschefs und Regierungsmitglieder169 – sowie deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland auf deutschem Staatsgebiet aufhalten. Über den für zivilrechtliche Klagen engen Anwendungsbereich dieser Vorschrift hinaus erstreckt Art. 2 Abs. 1 lit. b) UN-Übereinkommen die Staatenimmunität auch auf staatliche Organe (sublit. i) und auf die Vertreter des Staates, die in dieser Eigenschaft handeln (sublit. iv). Art. 3 Abs. 2 UN-Übereinkommen stellt dabei klar, dass die Immunitäten, die nach dem Völkerrecht Staatsoberhäuptern ratione personae gewährt werden, unberührt bleiben. Nach sec. 14 (1) SIA gelten die Regeln über die Staatenimmunität auch für den Souverän oder das anderweitige Staatsoberhaupt im Hinblick auf seine Amtshandlungen sowie für die Regierung und die Regierungsorgane.170 Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität und der Federal States Immunities Act171 enthalten dagegen keine Regelungen zur Immunität der Staatsorgane. Die den Staatsorganen zukommende Immunität bestimmt sich daher weiterhin maßgeblich nach dem Völkergewohnheitsrecht. Hinsichtlich der Art, des Umfangs und der Dauer ihrer Immunität ist zwischen exponierten und sonstigen Staatsorganen zu differenzieren. Zu den exponierten Staatsorganen im völkerrechtlichen Sinne zählen das Staatsoberhaupt, der Regierungschef und der Außenminister. So hat der Internationale Gerichthof im sog. Haftbefehlsfall festgestellt, dass „certain holders of high-ranking office in a State“, namentlich dem Staatsoberhaupt, dem Regierungschef und dem Außenminister, sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich Immunität von der Gerichtsbarkeit anderer Staaten zukommt.172 Diese drei Personengruppen genießen im völkerrechtlichen Gefüge eine besondere Stellung, da sie ihren Staat nach außen hin repräsentieren. So werden sie nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) WVK kraft ihres Amtes als Vertreter ihres Staates angesehen und sind damit zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge befugt.173 169 Kissel/Mayer, GVG, §  20 Rdnr. 40; MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnrn. 2 ff. 170 Vgl. dazu Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, S. 63; von Schönfeld, Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 54. 171  Vgl. die Entscheidung des US Supreme Court in Samantar v. Yousuf, 130 S. Ct. 2278 at 2289 (2010), nach der Individuen wie der somalische Premierminister nicht vom FSIA erfasst werden; hierzu Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 253 f. und Diehl, IPRax 2012, 183 (185 f.). 172 IGH, I. C. J. Reports 2002, 3 (20 f.) – Arrest Warrant: keine Aufhebung der Immunität des kongolesischen Außenministers für einen gegen ihn erlassenen belgischen Haftbefehl wegen Kriegs‑ und Menschenrechtsverbrechen; dazu Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 287 und Kurth, Menschenrechte contra staatliche Souveränität, S. 4 ff. 173  Vgl. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, S. 59 f.; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 287; Kloth, AVR 52 (2014), 256 (259).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

Diese exponierten Staatsorgane genießen während ihrer Amtszeit persönliche Immunität, die sowohl amtliche als auch private Handlungen umfasst. Diese ist absolut, so dass ihnen Immunität in einem größeren Umfang als dem Staat selbst zukommt.174 Dies ist historisch der Schwierigkeit geschuldet, zwischen Staaten und Staatsoberhäuptern als Trägern des Souveränitätsanspruchs zu unterscheiden, als der Monarch noch den Staat verkörperte.175 Obwohl die exponierten Staatsorgane heute nur noch den Staat repräsentieren und für ihn nach außen hin handeln, hat ihre Immunität keine der Staatenimmunität vergleichbare Entwicklung vollzogen, sondern ist bei der absoluten Immunität stehen geblieben. Dies ist allerdings auf keine bewusste Entscheidung der Völkerrechtsgemeinschaft, sondern auf das Fehlen einer hinreichenden anderweitigen Übung zurückzuführen, da Zivilprozesse gegen Staaten weitaus häufiger sind als gegen exponierte Staatsorgane.176 Gleichwohl ist dieses Ergebnis erstaunlich und hat in letzter Zeit nicht ganz zu Unrecht Kritik erfahren, da die obersten Repräsentanten eines Staates im Unterschied zum Staat selbst keine Völkerrechtssubjekte sind, sondern ihre Stellung oftmals erst durch einen staatlichen Ernennungsakt begründet wird.177 Sobald die staatlichen Spitzenorgane ihre amtliche Stellung verloren haben, kommt ihnen allerdings nur noch Immunität für ihre einstigen Amtshandlungen zu, während sie für private Handlungen vor, während und nach ihrer Amtszeit gerichtlich in Anspruch genommen werden können. Damit wandelt sich die ihnen während ihrer Amtszeit aus eigenem Recht zukommende, absolute Immunität mit dem Verlust des Amtes in eine funktionelle und damit relative Immunität.178 Den nicht exponierten Staatsorganen kommt hingegen bereits während ihrer Amtszeit nur Immunität zu, soweit es um ihre amtliche Tätigkeit geht. Für privates Handeln sind sie der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates uneingeschränkt unterworfen. Ihnen steht die Immunität also nicht als Person, sondern nur ratione materiae als Ausfluss der Staatenimmunität zu.179 Trägt der Staat die Verant174 Herdegen, Völkerrecht, § 37 Rdnr. 15; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 31; Kloth, AVR 52 (2014), 256 (259); Spitzer, ÖJZ 2008, 871 (873). 175 Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, S. 60; siehe auch Kapitel B. I. 2. 176  Vgl. hierzu Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 176 ff. 177  So Spitzer, ÖJZ 2008, 871 (873 ff.). 178 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 757 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. Rdnrn. 31 f.; Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 191, 232; Dörr, AVR 41 (2003), 201 (205); zur Immunität des regierenden Fürstens von Liechtenstein und seiner drei Geschwister vgl. OGH, EuGRZ 2001, 513 (514 ff.). Nach Kissel/ Mayer, GVG, § 20 Rdnr. 11 und Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 32 geht die völkerrechtliche Entwicklung seit der Auslieferungsentscheidung im Fall Pinochet dahin, dass auch für schwerste Verbrechen, die in der Amtszeit begangen werden, keine Immunität gewährt wird. 179  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 763, 617 f.; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 296; Talmon in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht 46 (2014), S. 313 (316); Spitzer, ÖJZ 2008, 871 (873 ff.).

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wortung für das Handeln seiner Organe, so wäre sein Immunitätsanspruch ausgehöhlt, wenn diese an seiner statt für hoheitliches Handeln der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen wären. Daher ist die Immunität nicht auf den Staat selbst beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die für ihn handelnden Organe.180 Dementsprechend zutreffend urteilte der Bundesgerichtshof, dass der Leiter von New Scotland Yard als Organ des Vereinigten Königreichs gegenüber einer Klage einer religiösen Gemeinschaft auf Unterlassung von Beschuldigungen Immunität genoss. Dieser habe unmittelbar staatlich gehandelt, als er einen über die „S Bewegung“ verfassten Bericht, dem zufolge diese sich unredlichen Handlungen gegenüber ihren Anhängern schuldig gemacht haben sollte, an das Bundeskriminalamt gesandt habe. Es bedeutete eine Aushöhlung der Immunität souveräner Staaten im Bereich hoheitlicher Betätigung, wollte man staatliches Handeln durch Zugriff auf das handelnde ausländische Organ der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen.181

3. Staatsunternehmen In zunehmendem Maße erfüllen Staaten ihre Aufgaben nicht ausschließlich selbst, sondern verlagern deren Erfüllung, insbesondere in den Bereichen der Daseinsvorsorge und der Wirtschaftsförderung, auf Staatsunternehmen. Diese stehen ungeachtet ihrer Rechtsform in einer engen Beziehung zum Staat, indem dieser an ihnen finanziell beteiligt ist und/oder sie dessen gesteigerter Kontrolle unterliegen.182 Staatliche Unternehmen können, müssen aber nicht notwendigerweise mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sein, so dass hierzu Regiebetriebe ohne eigene Rechtspersönlichkeit ebenso zählen können wie öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sowie privatrechtliche Gesellschaften und Vereinigungen.183 Die Frage, ob Staatsunternehmen an der Staatenimmunität partizipieren, wird kontrovers diskutiert. Die Rechtsprechung bietet hierzu nach Damian ein verwirrendes Bild.184 Im Zivilprozess wird die Frage nach der Immunität eines 180  Kissel/Mayer, GVG, § 20 Rdnr. 3; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 288; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 32; Talmon in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht 46 (2014), S. 313 (316). 181  BGH, NJW 1979, 1101 (1102). 182 Fischer in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 25 (1984), S. 7 (13); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 181; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 39; Roeder, JuS 2005, 215 (219). 183 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 53; von Hoffmann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 25 (1984), S. 35 (36 ff.); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 39. 184 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 26.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

staatlichen Unternehmens nur relevant, sofern dieses rechtlich selbstständig, also vom Staat getrennt und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist. Die Tätigkeit eines rechtlich unselbstständigen Unternehmens ist dagegen als unmittelbares Staatshandeln zu werten, der dahinterstehende Staat kann zweifelsohne Immunität ratione personae genießen.185 a. Rechtslage nach den Übereinkommen über Staatenimmunität Art. 27 EuStImm findet nicht nur auf Gebietskörperschaften, sondern auch auf Staatsunternehmen Anwendung. Dessen Abs. 1 schließt Rechtsträger eines Vertragsstaates, die sich von ihm unterscheiden und die Fähigkeit haben, vor Gericht aufzutreten, selbst wenn sie mit öffentlichen Aufgaben betraut sind, von der den Vertragsstaaten zugebilligten Immunität aus. Vielmehr können Staatsunternehmen im Erkenntnisverfahren nach Art. 27 Abs. 2 Hs. 1 EuStImm vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden. Ihnen kommt also keine Immunität ratione personae zu. Gleichwohl gewährt ihnen Art. 27 Abs. 2 Hs. 2 EuStImm für in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen Immunität ratione materiae.186 Inwieweit Staatsunternehmen auch für die Zwangsvollstreckung Immunität nach dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität zukommt, ist in der Literatur umstritten. Art. 23 EuStImm, dem noch der Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität zu Grunde liegt, schließt Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und der Sicherung nur gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaates, nicht aber eines Staatsunternehmens aus. Ungeachtet des klaren Wortlauts wird vereinzelt für eine analoge Anwendung des Art. 23 EuStImm auf Staatsunternehmen plädiert.187 Dem steht jedoch Art. 27 Abs. 1 EuStImm entgegen, dem zufolge der Ausdruck „Vertragsstaat“ rechtlich selbstständige Staatsunternehmen nicht einschließt.188 Von anderen Stimmen – so auch in der Denkschrift der Bundesregierung – wird eine direkte bzw. analoge Anwendung des Art. 27 Abs. 2 Hs. 2 EuStImm auf das Vollstreckungsverfahren befürwortet, da der Immunitätsschutz nicht

185  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 24 f.; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (170 f.). 186  Vgl. BGH, GRUR 2017, 213 (214); van Aaken in: Peters/Lagrange/Oeter/Tomuschat (Hrsg.), Immunities in the Age of Global Constitutionalism, S. 131 (145); Schreuer, State Immunity, S. 96; Esser, RIW 1984, 577 (582); Krauskopf/Steven, WM 2000, 269 (273). 187  Krauskopf/Steven, WM 2000, 269 (274, Fn. 66); ähnlich auch Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 211 f., der für eine Lückenschließung durch die Gerichte der Vertragsstaaten plädiert. 188  So auch Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, S. 168; gegen die Anwendbarkeit des Art. 23 EuStImm auf Staatsunternehmen vgl. auch den Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 21.

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geringer sein könne als im Erkenntnisverfahren.189 Diese Regelung, nach der die Gerichte eines anderen Vertragsstaates nicht über in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen des Rechtsträgers entscheiden können, ist jedoch von ihrem Wortlaut her nur auf das Erkenntnisverfahren zugeschnitten. Aber auch ihre analoge Anwendung liefe dem in Art. 23 EuStImm verankerten Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität zuwider. Während Art. 27 Abs. 2 EuStImm – dem Übereinkommen zu Grunde liegenden Grundsatz der relativen Staatenimmunität für das Erkenntnisverfahren folgend – zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis differenziert, haben sich die Vertragsstaaten im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung noch für den Grundsatz der absoluten Staatenimmunität ausgesprochen. Eine analoge Anwendung des Art. 27 Abs. 2 Hs. 2 EuStImm mit der Folge, dass nur hoheitlich genutztes Vermögen eines Staatsunternehmens von einem Vollstreckungszugriff ausgenommen wäre, würde das Regelungskonzept des Europäischen Übereinkommens unterlaufen. Gleichwohl ist der Immunitätsschutz für die Zwangsvollstreckung nicht geringer als im Erkenntnisverfahren. Nur weil das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität keine Regelung für die Zwangsvollstreckung in das Vermögen von Staatsunternehmen enthält, folgt hieraus nicht, dass es uneingeschränkt dem Vollstreckungszugriff eines anderen Vertragsstaates unterliegt. Vielmehr bleibt es bei dem in Art. 27 Abs. 1 EuStImm geregelten Grundsatz, dem zufolge das Übereinkommen nur auf Vertragsstaaten Anwendung findet. Die Immunität von Staatsunternehmen in der Zwangsvollstreckung bestimmt sich daher nach dem Völkergewohnheitsrecht.190 Im Unterschied zu Art. 27 Abs. 1 EuStImm erfasst nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) sublit. iii) UN-Übereinkommen der Begriff „Staat“ auch staatliche Einrichtungen und andere Rechtsträger, soweit sie berechtigt sind, Handlungen in Ausübung der Hoheitsgewalt des Staates vorzunehmen, und solche Handlungen auch tatsächlich vornehmen. Staatsunternehmen partizipieren folglich an der den Vertragsstaaten durch das UN-Übereinkommen eingeräumten Immunität. Ihnen kommt also keine Immunität kraft ihrer Person zu, sondern ihre Immunität ist funktionell an die des Staates geknüpft.191 189  Für eine direkte Anwendung: Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 21; für eine analoge Anwendung: Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 3 und Kronke, IPRax 1991, 141 (147). 190  Pullen, Die Immunität von Staatsunternehmen im zivilrechtlichen Erkenntnis‑ und Vollstreckungsverfahren, S. 226; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (542); ähnlich auch Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, S. 168, nach dem die Regeln der einzelnen Vertragsstaaten gelten sollen. 191  Van Aaken in: Peters/Lagrange/Oeter/Tomuschat (Hrsg.), Immunities in the Age of Global Constitutionalism, S. 131 (144); Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.005; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 42 f.; Pullen, Die Immunität von Staatsunternehmen im zivilrechtlichen Erkenntnis‑ und Vollstreckungsverfahren, S. 95.

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Ist ein staatliches Unternehmen an einem Verfahren beteiligt, das mit einem von ihm getätigten privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäft im Zusammenhang steht, so bleibt nach Art. 10 Abs. 3 UN-Übereinkommen die Immunität des Mutterstaates unberührt. Eine vergleichbare Regelung für die Zwangsvollstreckung enthält Art. 19 lit. c) UN-Übereinkommen. Ist danach eine Entscheidung gegen einen Rechtsträger ergangen, so dürfen Zwangsmaßnahmen nur gegen Vermögen angeordnet werden, das mit diesem im Zusammenhang steht. In der Anlage zu dem UN-Übereinkommen ist klargestellt, dass beide Regelungen jeweils nicht die Frage der Durchgriffshaftung, also ob ein Staat in materiell-rechtlicher Hinsicht für die Verbindlichkeiten eines Staatsunternehmens haftet,192 präjudizieren. b. Staatsunternehmen im Spiegel der deutschen Rechtsprechung Die deutsche Rechtsprechung193, die teilweise Anklang im vorwiegend älteren Schrifttum194 fand, folgte lange Zeit einer strikt formalen Betrachtungsweise: Nur wenn ein Unternehmen ein rechtlich unselbstständiger Bestandteil der Staatsverwaltung sei, könne es Staatsimmunität beanspruchen. Sei ein Staatsunternehmen hingegen mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet, dann müsse sich der ausländische Staat an der Wahl seiner Organisationsform festhalten und die Entflechtung seiner Staatsstrukturen im Hinblick auf die deutsche Gerichtsbarkeit gegen sich gelten lassen. So hielt es bereits das Reichsgericht 1938 für ausgeschlossen, dass einer in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenen Reederei, auch wenn sie unter Kontrolle eines ausländischen Staates stehe, Immunität zukomme. Als Person des Privatrechts könne sie bereits aus diesem Grund keine Immunität gegenüber einer Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in einen Dampfer, welcher ihr von dem ausländischen Staat zur ausschließlichen Verwendung im Dienst der Regierung überlassen worden sei, beanspruchen.195 Der Bundesgerichtshof folgte dieser formalen Betrachtungsweise in einer Entscheidung aus dem Jahr 1955, indem er die deutsche Gerichtsbarkeit für eine markenrechtliche Klage gegen ein von der damaligen tschechoslowakischen Republik verstaatlichtes Unternehmen bejahte. Hierbei stellte er apodiktisch 192 Vgl.

hierzu näher Khadjavi-Gontard/Hausmann, RIW 1983, 1 (1 ff.).  RGZ 157, 389 (395); BGHZ 18, 1 (9 f.); OLG Frankfurt, RIW 1980, 874 (876); NJW 1981, 2650 (2650 f.); BeckRS 2013, 12593; OLG Saarbrücken, IPRspr. 1956/57, Nr. 42, S. 151 (152); LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1045 f.). 194  Kissel/Mayer, GVG, § 20 Rdnr. 10; Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, S. 93 ff., 146; Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (579); Gramlich, NJW 1981, 2618 (2619); Kronke, IPRax 1989, 176 (178); ders., IPRax 1991, 141 (147); Schütze, BB 1979, 348 (350); für Zentralbanken auch Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (295 f.). 195 RGZ 157, 389 (395). 193

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fest, dass es keinen Rechtssatz des Völkerrechts gebe, der es geböte, einen ausländischen Staat von der Gerichtsbarkeit zu befreien, wenn er einem ihm gehörigen Unternehmen nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine rechtliche Selbstständigkeit für dessen gewerbliche Betätigung eingeräumt habe.196 Diese Rechtsprechungslinie führte das Oberlandesgericht Saarbrücken 1957 fort, als ein Eigentümer eines an der französischen Grenze gelegenen Grundstücks Schadensersatzklage gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft nach französischem Recht, die ein Kraftwerk für Rechnung des französischen Staates betrieb, wegen der Immission von Rauch, Kohlenstaub und Flugkoks erhob. Bereits wegen ihrer rechtlichen Selbstständigkeit hielt das Gericht die deutsche Gerichtsbarkeit für gegeben.197 Diese formale Sichtweise nahm auch das Landgericht Frankfurt ein, als es 1975 über die Immunität der Central Bank of Nigeria, die zugunsten des Arrestklägers ein unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv eröffnet hatte, entschied. Das Gericht verneinte deren Immunität, da rechtlich selbstständige Organisationen eines ausländischen Staates keine Immunität genössen. Stattdessen verhängte es über deren Vermögen einen dinglichen Arrest zur Sicherung einer Forderung über Liegegelder, die aus der verzögerten bzw. unterbliebenen Entladung von Schiffen, welche der Republik Nigeria Zement lieferten, resultierten. Das Gericht ließ dabei offen, ob es sich bei der Central Bank of Nigeria tatsächlich um eine juristische Person oder um eine unselbstständige Abteilung der Republik Nigeria handelte, da ihr jedenfalls keine Immunität ratione materiae zukomme.198 Relevant wurde die Frage nach der Immunität von Staatsunternehmen wieder 1980, als das Oberlandesgericht Frankfurt über die Befreiung der National Iranian Oil Company (NIOC) von der deutschen Gerichtsbarkeit zu entscheiden hatte. Diese war nach iranischem Recht als Aktiengesellschaft organisiert und übte nach ihren Statuten die Eigentumsrechte des Irans an den dortigen Öl‑ und Erdgasvorkommen aus. Die Aktien wurden von der iranischen Regierung gehalten und waren nicht übertragbar. In der Hauptversammlung vertrat der iranische Premierminister mit sechs weiteren Ministern die Regierung als Alleinaktionärin. Die Reingewinne der NIOC waren an das Finanzministerium zu überweisen. Im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung entschied das Gericht, dass die NIOC als wirtschaftliches Unternehmen des iranischen Staates, der ihr die Stellung einer selbstständigen juristischen Person verliehen habe, trotz der engen Verflechtung keine Immunität genieße. Infolgedessen könne sie als Arrestbeklagte gerichtlich in Anspruch genommen werden.199 196 BGHZ

18, 1 (9 f.).  OLG Saarbrücken, IPRspr. 1956/57, Nr. 42, S. 151 (152). 198  LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1045 f.). 199 OLG Frankfurt, RIW 1980, 874 (876). 197

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

An seiner Auffassung hielt das Oberlandesgericht Frankfurt in einer 1981 ergangenen Entscheidung, wiederum zu Ungunsten der NIOC, fest. Diese sei nicht Teil des iranischen Staates, da sie als Aktiengesellschaft nach iranischem Recht organisiert sei. Auch wenn ihre Tätigkeit einer noch schärferen staatlichen Kontrolle als bisher unterworfen sei, indem die Einnahmen aus Lieferungsverträgen unmittelbar in die iranische Staatskasse flössen und ihr Mittel aus dem allgemeinen Etat zugewiesen würden, so sei sie doch privatrechtlich strukturiert und führe ihre Geschäfte nach handelsrechtlichen Grundsätzen. Sie habe insbesondere das Recht, Tochtergesellschaften zu gründen, mit anderen Unternehmen Verträge zu schließen sowie Fahrnisse und Liegenschaften zu erwerben. Damit sei die NIOC zwar ein Staatsbetrieb, mit dem iranischen Staat aber nicht identisch. Wirtschaftlichen Unternehmen eines ausländischen Staates, denen dieser die Stellung einer selbstständigen juristischen Person verliehen habe, käme aber keine Immunität zu. Vielmehr sei eine dem Willen des Staates entsprechende rechtliche Verselbstständigung eines Staatsunternehmens zu respektieren.200 In einem nur ein Jahr später wiederum gegen die NIOC ergangenen Arrestbeschluss deutete das Oberlandesgericht Frankfurt eine Lockerung seiner bisherigen Rechtsprechung an. Zwar hielt das Gericht zunächst für entscheidend, dass die Arrestbeklagte als Aktiengesellschaft und damit als eine gegenüber dem iranischen Staat verselbstständigte juristische Person des Privatrechts organisiert sei. Wenig später führte es allerdings – unter vorsichtiger Verwendung des Konjunktivs – aus, dass die Staatenimmunität grundsätzlich auch von einer für den Staat handelnden juristischen Person in Anspruch genommen werden könnte, sofern diese hoheitlich handele. Im Ergebnis lehnte das Gericht jedoch ein hoheitliches Handeln der NIOC ab und gewährte ihr keine Immunität.201 Die Frage, ob die NIOC als ein juristisch selbstständiges Unternehmen Immunität ratione personae beanspruchen kann, gelangte schließlich 1984 im Wege mehrerer Verfassungsbeschwerden zum Bundesverfassungsgericht. Dieses ließ in seinem Beschluss offen, ob rechtsfähige Unternehmen eines ausländischen Staates Träger eines völkergewohnheitsrechtlichen Anspruchs auf Befreiung von nationaler Gerichtsbarkeit sein können. Der iranische Staat selbst könne jedenfalls in der vorliegenden Konstellation – der Pfändung von Forderungen aus Guthaben, die sich auf Konten bei Banken im Gerichtsstaat befänden und zur Weiterleitung auf ein Konto bestimmt seien, das der iranische Staat bei seiner Zentralbank zur Deckung seiner Haushaltsausgaben unterhalte  – keine Immunität ratione materiae beanspruchen.202 Es bestehe keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die es geböte, einen fremden Staat als Inhaber von Forderungen aus Konten zu behandeln, die bei Banken  OLG Frankfurt, NJW 1981, 2650 (2650 f.).  OLG Frankfurt, IPRax 1983, 68 (69 f.). 202 BVerfGE 64, 1 (23). 200 201

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität

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im Gerichtsstaat unterhalten würden und auf den Namen eines rechtsfähigen Unternehmens des fremden Staates lauteten. Der Gerichtsstaat sei nicht gehindert, das Unternehmen als Forderungsberechtigten anzusehen und aufgrund eines gegen dieses gerichteten Vollstreckungstitels, der in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren über ein nichthoheitliches Verhalten des Unternehmens ergangen sei, zur Sicherung des titulierten Anspruchs die betreffenden Forderungen zu pfänden. Dies gelte unabhängig davon, ob die Guthaben auf diesen Konten zur freien Verfügung des Unternehmens stünden oder nach fremdem Recht zur Überweisung auf ein Konto des fremden Staates bei dessen Zentralbank bestimmt seien.203 Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Immunität rechtsfähiger Staatsunternehmen folgte der Bundesgerichtshof 2008 in seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf eine abgewiesene Drittwiderspruchsklage eines russischen Staatsunternehmens gegen die Vollstreckung in die „Russen-Siedlung“ in Köln. Das Amtsgericht Köln hatte zuvor die Zwangsverwaltung und die Zwangsversteigerung des im Eigentum der Russischen Föderation stehenden Grundstücks aufgrund eines gegen diese ergangenen Schiedsspruchs angeordnet. Mit einer Drittwiderspruchsklage machte ein russisches Einheitsunternehmen, das nach russischem Recht eine hoheitlich organisierte juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit war, eine mit dem deutschen Nießbrauch vergleichbare Rechtsposition an dem Grundstück geltend. Sein Wirtschaftsführungsrecht als hoheitliches Recht eines Staatsunternehmens werde durch die Vollstreckungsimmunität geschützt.204 Der Bundesgerichtshof wies die Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung zurück, dass einem rechtsfähigen Staatsunternehmen jedenfalls keine weitergehende Immunität als dem dahinter stehenden Staat selbst zukommen könne, ohne zur persönlichen Immunität Stellung zu beziehen. Da das Grundstück zum Zeitpunkt der Anordnung der Vollstreckungsmaßnahme einem nichthoheitlichen Zweck gedient habe, stehe es dem Vollstreckungszugriff eines Gläubigers aus einem Vollstreckungstitel gegen den russischen Staat offen. Demzufolge könne auch das russische Staatsunternehmen keine Immunität in der Zwangsvollstreckung beanspruchen.205 Erwartungsgemäß lehnte das Bundesverfassungsgericht 2008 die Annahme einer Verfassungsbeschwerde des russischen Einheitsunternehmens ab. Es sei nicht ohne weiteres ersichtlich, warum das Völkerrecht den Staaten erlauben sollte, die Unterscheidung zwischen Vermögensgegenständen, die für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingesetzt würden, und anderen Vermögensgegenständen dadurch aufzugeben, dass sie Letztere einer nach Maßgabe des innerstaatlichen  BVerfGE 64, 1 (22 ff.).  BGH, WM 2008, 2302 (2303). 205 BGH, WM 2008, 2302 (2304). 203 204

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

Rechts hoheitlich organisierten Verwaltung unterstellten. Dann hätte es jeder Staat durch innerstaatliche Organisationsakte in der Hand, sein gesamtes Vermögen dem Vollstreckungszugriff zu entziehen. Die Frage, ob einem ausländischen Staatsunternehmen Vollstreckungsimmunität zukommen kann, warf das Bundesverfassungsgericht zwar auf, ließ sie aber unbeantwortet, da das russische Einheitsunternehmen für deren Bejahung keine Belege angeführt habe.206 Erst 2013 verabschiedete sich der Bundesgerichtshof endgültig von der strikt formalen Betrachtungsweise, als er der Zentralbank der Mongolei Vollstreckungsimmunität hinsichtlich der Pfändung eines Anspruchs gegenüber der Deutschen Bank auf Auszahlung eines Kontoguthabens gewährte. Bei dem auf dem Konto befindlichen Vermögen handele es sich um staatliche Währungsreserven der Mongolei, die einem hoheitlichen Zweck dienten. Das Gericht stellte erstmals ausdrücklich klar, dass es nicht darauf ankomme, ob die Währungsreserven eines Staates auf selbstständige Zentralbanken übertragen oder vom Staat selbst bzw. seinen Unterorganisationen gehalten würden. Für die Bestimmung der sachlichen Immunität sei nicht die Organisationsform des Rechtsinhabers, sondern allein der Zweck des Vermögensgegenstandes maßgeblich. Daher seien von der Vollstreckungsimmunität nicht nur die Gegenstände und Forderungen erfasst, deren Inhaber der fremde Staat selbst sei, sondern auch diejenigen, die formal-rechtlich zwar selbstständigen Staatsunternehmen zuzuordnen seien, deren Zweck aber hoheitlich sei.207 c. Funktionelle Betrachtungsweise Mit dieser Entscheidung schloss sich der Bundesgerichtshof in endgültiger Abkehr zu seiner bisherigen Rechtsprechung der bereits länger im Schrifttum vertretenen funktionellen Betrachtungsweise an. Dieser Schritt war überfällig, da die generelle Versagung von Immunität für selbstständige Staatsunternehmen durch die völkerrechtliche Entwicklung überholt ist. So hat sich im Völkerrecht längst ein Wandel weg von einer rein formalen hin zu einer funktionellen Betrachtungsweise vollzogen, der zufolge der formalrechtliche Status eines Staatsunternehmens für die Versagung staatlicher Immunität zu Recht nicht mehr als entscheidend angesehen wird.208  BVerfG, BeckRS 2011, 87026; dazu kritisch Bungenberg, IPRax 2011, 356 (358 ff.).  BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533). Vorsichtig angedeutet hat der BGH diese Rechtsprechungsänderung in einem Beschluss zur Vollstreckungsimmunität der Russischen Föderation für Mietforderungen im Hinblick auf das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur, vgl. BGH, NZM 2010, 55 (55 f.). 208 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 10; von Hoffmann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 25 (1984), S. 35 (44); Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 34; Pullen, Die Immunität von Staatsunternehmen im zivilrechtlichen Erkenntnis‑ und Vollstreckungsverfahren, S. 119; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 206 207

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität

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Vielmehr muss es die autonome Entscheidung jeden Staates bleiben, in welcher Rechtsform er seine Tätigkeiten organisiert. Die Wahl der Rechtsform kann von vielfältigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren abhängen. Andernfalls wäre ein ausländischer Staat gezwungen, hoheitliche Tätigkeiten ausschließlich selbst vorzunehmen, um von ausländischen Gerichten immunitätsrechtlichen Schutz zu erhalten. Als Ausfluss seiner Souveränität muss es ihm aber unbenommen bleiben, die Erfüllung seiner Aufgaben selbstständigen Staatsunternehmen zu übertragen, ohne zugleich seine Immunität einzubüßen.209 Daher stellt das Völkergewohnheitsrecht auf eine funktionelle Betrachtungsweise ab und lässt selbstständigen Staatsunternehmen relative Immunität ratione materiae zuteilwerden. Danach ist allein maßgeblich, ob dem streitgegenständlichen Anspruch eine hoheitliche Tätigkeit zu Grunde liegt bzw. ob der zu vollstreckende Vermögensgegenstand einem hoheitlichen Verwendungszweck dient.210 Ein rechtlich verselbstständigtes Staatsunternehmen kann daher in seiner Funktion als Träger von Hoheitsrechten ebenso Immunität beanspruchen wie der dahinterstehende ausländische Staat selbst.211 Damit spiegeln Art. 27 Abs. 2 Hs. 2 EuStImm und Art. 2 Abs. 1 lit. b) sublit. iii) UN-Übereinkommen das Völkergewohnheitsrecht wider. Ungeachtet der Abkehr von der strikt formalen Betrachtungsweise stellt die Auslagerung von Aufgaben auf ein rechtlich selbstständiges Staatsunternehmen ein Indiz dafür dar, dass dieses nichthoheitlich handelt und sein Vermögen einem nichthoheitlichen Verwendungszweck dient.212 Dieses Indiz kann aber abgeschwächt werden durch das Ausmaß der staatlichen Weisungsbefugnis und Kontrolle über das Unternehmen, insbesondere in Form einer starken Einflussnahme des Staates auf Personalentscheidungen oder einer Abführungspflicht der Unternehmensgewinne an die Staatskasse.213 Rdnr. 97; Albert, IPRax 1983, 55 (57); Bungenberg, IPRax 2011, 356 (358); Hausmann, IPRax 1982, 51 (54 f.); Krauskopf/Steven, WM 2000, 269 (269, 272 f.). 209 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 10; Pullen, Die Immunität von Staatsunternehmen im zivilrechtlichen Erkenntnis‑ und Vollstreckungsverfahren, S. 120; Albert, IPRax 1983, 55 (57); Esser, RIW 1984, 577 (585); Grabinski, IPRax 1992, 55 (58); KhadjaviGontard/Hausmann, RIW 1980, 533 (533); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 210 Siehe hierzu bereits Kapitel B. II. 1. a. 211  Herz, Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit im französischen und deutschen Zivilprozessrecht, S. 132 f.; von Hoffmann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 25 (1984), S. 35 (51); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 622; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 34; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 181; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 39; Esser, RIW 1984, 577 (578); Hausmann, IPRax 1982, 51 (54 f.); Krauskopf/Steven, WM 2000, 269 (269); Roeder, JuS 2005, 215 (219); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 212  MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 10; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 248; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 623; Hausmann, IPRax 1982, 51 (54 f.); Khadjavi-Gontard/Hausmann, RIW 1980, 533 (533); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 213 Esser, RIW 1984, 577 (585); Hausmann, IPRax 1982, 51 (54 f.).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

4. Abgrenzungen zur Staatenimmunität Die Immunität der Staaten ist abzugrenzen von der Immunität der Diplomaten und Konsuln sowie von der Immunität internationaler Organisationen. Diese drei Immunitätskategorien haben sich als eigenständige Rechtsinstitute mit jeweils unterschiedlichen Schutzzwecken und Regeln herausgebildet. a. Immunität der Diplomaten und Konsuln Die Unverletzlichkeit der Diplomaten ist – so das Bundesverfassungsgericht – eine der ältesten Gewährleistungen des Völkergewohnheitsrechts und fundamentale Voraussetzung für die Pflege zwischenstaatlicher Beziehungen.214 Deren besondere Rechtsstellung ist inzwischen im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) kodifiziert, auf das § 18 GVG für die Befreiung der Mitglieder der in Deutschland errichteten diplomatischen Missionen und deren Gefolge von der deutschen Gerichtsbarkeit Bezug nimmt. Ausweislich seiner Präambel haben die den Diplomaten gewährten Vorrechte nicht den Zweck, Einzelne zu bevorzugen, sondern ausschließlich der diplomatischen Mission als Vertretung des Entsendestaates die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Die diplomatische Immunität für dienstliche Handlungen ist nicht lediglich ein Reflex der Immunität des Entsendestaates, sondern erklärt sich eigenständig aus dem besonderen Status des Diplomaten. Seine Anwesenheit auf dem Territorium des Empfangsstaates und seine Befugnis, dort für den Entsendestaat tätig zu werden, beruhen auf der Zustimmung des Empfangsstaates in Form des Agrément nach Art. 4 WÜD. Im Unterschied dazu erhalten Staatsorgane ihren Status allein durch einen innerstaatlichen Ernennungsakt.215 Demzufolge steht dem Schluss von der Staatenimmunität auf die diplomatische Immunität und umgekehrt das personale Element der diplomatischen Immunität entgegen, das nicht den Entsendestaat, sondern den Diplomaten persönlich schützt.216 Art. 31 Abs. 1 WÜD billigt dem Diplomaten im Grundsatz Immunität von der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates zu. Hiervon sind in einem abschließenden Katalog Ausnahmen insbesondere für Klagen aufgeführt, die gegen den Diplomaten in seiner privater Eigenschaft als Eigentümer eines im Empfangsstaat belegenen Grundstücks bzw. als Nachlassberechtigter oder anlässlich seiner nebenberuflichen Tätigkeit als Freiberufler oder Gewerbetreibender erhoben werden. Trotz dieser Ausnahmen hat die Beschränkung der Staatenimmunität auf acta iure imperii bei der diplomatischen Immunität keine Parallele gefunden,  BVerfGE 96, 68 (82); vgl. auch Heintze in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 23 Rdnrn. 1 f.  BVerfGE 96, 68 (86); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (368); SchiedsVZ 2004, 103 (107). 216 BVerfGE 96, 68 (85); 117, 141 (151 f.); Weller, RIW 2010, 599 (601). 214 215

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so dass sich diese im Grundsatz auch auf nichthoheitliches Handeln erstreckt.217 Hat der Diplomat seine dienstliche Tätigkeit im Empfangsstaat beendet, so fällt gem. Art. 39 Abs. 2 WÜD mit seiner Ausreise bzw. nach Ablauf einer hierfür gewährten angemessenen Frist seine persönliche Immunität fort, während die Immunität für Amtshandlungen zeitlich unbegrenzt bestehen bleibt.218 Eine Zwangsvollstreckung gegenüber einem Diplomaten ist nach Art. 31 Abs. 3 WÜD nur dann gestattet, wenn der Vollstreckungstitel über einen der in Art. 31 Abs. 1 WÜD abschließend aufgezählten Ausnahmefälle ergangen ist und die Vollstreckungsmaßnahme weder die Unverletzlichkeit seiner Person noch seiner Wohnung beeinträchtigt. Ebenso sind die Missionsräumlichkeiten nach Art. 22 Abs. 1 WÜD sowie die Archive und Schriftstücke der Mission nach Art. 24 WÜD unverletzlich und unterliegen damit nicht dem Vollstreckungszugriff. Der Vollstreckungsimmunität unterfallen nach Art. 30 WÜD auch die Privatwohnung des diplomatischen Vertreters sowie seine Papiere und seine Korrespondenz. Diese Regeln können in einem deutschen Zivilprozess, an dem ein ausländischer Staat beteiligt ist, vor allem dann relevant werden, wenn aus einem gegen ihn ergangenen Titel in zu diplomatischen Zwecken genutzte Gegenstände, wie Botschaftsgrundstücke, vollstreckt werden soll. Die konsularische Immunität bestimmt sich nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK), auf das § 19 GVG für die Befreiung der Mitglieder der in Deutschland errichteten konsularischen Vertretungen Bezug nimmt. Auch die Gewährung konsularischer Immunität soll ausweislich der Präambel zum WÜK den konsularischen Vertretungen die wirksame Wahrnehmung ihrer Aufgaben für den Entsendestaat ermöglichen, nicht aber Einzelne bevorzugen. Im Unterschied zu den Diplomaten als politischen Repräsentanten des Entsendestaates nehmen Konsuln vor allem die Handels‑ und Wirtschaftsinteressen des Entsendestaates und seiner Angehörigen im Empfangsstaat wahr.219 Die Berufskonsularbeamten und – durch den Verweis des Art. 58 Abs. 2 S. 1 WÜK – die Wahlkonsularbeamten unterliegen nach Art. 43 Abs. 1 WÜK wegen Handlungen, die sie in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen haben, nicht der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates. Eine Ausnahme besteht nach Art. 43 Abs. 2 WÜK für Zivilklagen aus einem nicht erkennbar im Auftrag des Entsendestaates geschlossenen Vertrag und aus Verkehrsunfällen im Empfangsstaat. Im Unterschied zur diplomatischen Immunität erstreckt sich die konsularische Immunität damit nicht auf private Handlungen, so dass den Mitgliedern der konsularischen Vertretungen nur funktionelle Immunität zu217  BVerfGE 96, 68 (85); Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (357); Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (277). 218  Vgl. BVerfGE 96, 68 (80); Heintze in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 24 Rdnrn. 19, 21; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 161, 163. 219 Heintze in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 27 Rdnr. 10; Grabau, AVR 30 (1992), 171 (188).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

kommt.220 Die ausschließlich für Amtshandlungen gewährte konsularische Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates besteht gem. Art. 53 Abs. 4 WÜK auch nach Beendigung der dienstlichen Tätigkeit fort. Die konsularischen Räumlichkeiten sind nach Art. 31 WÜK in eingeschränktem Umfang und die konsularischen Archive und Schriftstücke nach Art. 33 WÜK vollumfänglich unverletzlich und unterliegen insoweit nicht dem Vollstreckungszugriff. b. Immunität internationaler Organisationen Von der Staatenimmunität sowie der diplomatischen und konsularischen Immunität zu unterscheiden ist die Immunität internationaler Organisationen als eigenständiges Rechtsinstitut. Internationale Organisationen sind auf Dauer angelegte Vereinigungen von zumindest zwei Völkerrechtssubjekten auf dem Gebiet des Völkerrechts, die mit der selbstständigen Wahrnehmung eigener Aufgaben betraut und zumindest mit einem eigenen handlungsbefugten Organ ausgestattet sind.221 Damit sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben vollumfänglich erfüllen können, benötigen sie ein hinreichendes Maß an Selbstständigkeit gegenüber den Mitgliedstaaten. Allein schon um den Eindruck einer unzulässigen Einflussnahme zu vermeiden, wird den internationalen Organisationen regelmäßig in den Gründungsverträgen oder durch separate Abkommen mit dem jeweiligen Sitzstaat Immunität eingeräumt.222 Diese Immunität ist häufig umfassend und erstreckt sich auch auf hoheitliches Handeln bzw. auf hoheitlichen Zwecken dienende Gegenstände, obwohl den Staaten selbst nur relative Immunität zuteilwird. Dahinter steht die Überlegung, dass jede Tätigkeit so eng mit dem hoheitlichen Zweck der Organisation verknüpft ist, dass eine Ausklammerung von privaten Handlungen nicht sinnvoll erscheint.223 Aber auch ohne eine entsprechende völkervertragliche Regelung kommt den internationalen Organisationen kraft Völkergewohnheitsrechts Immunität zu, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.224 Die in220  Kissel/Meyer, GVG, § 19 GVG Rdnr. 9; Heintze in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 27 Rdnr. 13; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 56; Dahlhoff, BB 1997, 321 (323). 221 So die Definition von Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 2; ähnlich auch Fox/ Webb, The Law of State Immunity, S. 571; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 5 Rdnr. 4; Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 33. 222  BGHZ 182, 10 (18); Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 5 Rdnr. 20; Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 41 ff.; Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (261); Kunz-Hallstein, NJW 1992, 3069 (3070). 223  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 825; Klein/Schmahl in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, Abschn. 4 Rdnr. 108; ähnlich auch Herdegen, Völkerrecht, § 10 Rdnr. 21. 224  Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 82; Geimer, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 85 f.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 7 Rdnr. 13; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem

III. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität

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ternationalen Organisationen partizipieren damit nicht an der Staatenimmunität, sondern ihnen wird durch ihre Mitgliedstaaten eigene Immunität verliehen.225 So genießen – um einige Beispiele zu nennen – die Vereinten Nationen nach Art. 105 Abs. 1 UN-Charta im Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaates die Immunitäten, die zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich sind. Darüber hinaus billigen ihnen Abschnitte 2 bis 4 des auf Grundlage von Art. 105 Abs. 3 UN-Charta geschlossenen Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13. 2. ​1946226 absolute Immunität zu. Die Vertreter der Mitgliedstaaten und ihre Bediensteten genießen nach Art. 105 Abs. 2 UN-Charta funktionelle Immunität, um ihre mit der Organisation zusammenhängenden Aufgaben in voller Unabhängigkeit wahrnehmen zu können.227 In ähnlicher Weise ist dem mit voller Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Europäischen Stabilitätsmechanismus als internationaler Finanzinstitution nach Art. 32 Abs. 3 und 4 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 23. 1. ​2012228 (ESM-Vertrag) umfassende Immunität gegenüber gerichtlichen Verfahren jeder Art verliehen worden; ebenso ist sein Eigentum vor jedweden gerichtlichen Maßnahmen geschützt. Seine Organe und sonstigen Bediensteten genießen nach Art. 35 ESM-Vertrag Immunität für ihre in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und für ihre amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Dagegen kommt der Europäischen Union als supranationaler Organisation ein niedrigerer Immunitätsstandard zu. So folgt aus Art. 274 AEUV, dass sie vor den Gerichten ihrer Mitgliedstaaten keine Immunität im Erkenntnisverfahren genießt. Die nationalen Gerichte sind aber auch nur für Streitigkeiten zuständig, für die keine vorrangige Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs besteht, d. h. ganz überwiegend nur für Streitigkeiten aus der privatwirtschaftlichen Betätigung der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten.229 Im Unterschied dazu dürfen nach Art. 1 S. 3 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der

Recht, S. 94. a. A. Herdegen, Völkerrecht, § 10 Rdnr. 22, nach dem Nicht-Mitgliedstaaten eine internationale Organisation jedenfalls für nichthoheitliches Handeln ihrer Gerichtsbarkeit unterwerfen können. 225  Geimer, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 86; Klein/Schmahl in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, Abschn. 4 Rdnrn. 107; Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 41. 226  BGBl. 1954 II, S. 941. 227  Vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 829 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnrn. 7 f.; Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 147 f.; Dahlhoff, BB 1997, 321 (323). 228  BGBl. 2012 II, S. 1086. 229 Von der Groeben/Schwarze/Hatje/Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art.  274 AEUV Rdnrn. 8 f.; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, Das Recht der Europäischen Union, Art. 274 AEUV Rdnrn. 10 f.; Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 274 AEUV Rdnr. 2.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

Europäischen Gemeinschaften vom 8. 4. ​1965230, das nach Art. 343 S. 1 AEUV für die Europäische Union fortgilt, die Vermögensgegenstände und Guthaben der Europäischen Union ohne Ermächtigung des Europäischen Gerichtshofs nicht Gegenstand von gerichtlichen Zwangsmaßnahmen sein. Dieser erteilt den nationalen Gerichten dann keine Ermächtigung, wenn er das ordnungsgemäße Funktionieren und die Unabhängigkeit der Europäischen Union durch die Zwangsvollstreckung für beeinträchtigt hält.231 Den Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Union gewährt Art. 12 lit. a) des vorbezeichneten Protokolls im Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaates ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit funktionelle Immunität im Hinblick auf ihre in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen. Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf internationaler Ebene ideelle Interessen verfolgen, genießen hingegen regelmäßig keine Immunität. Diese privatrechtlich organisierten Verbände sind im Unterschied zu den internationalen Organisationen von Privatrechtssubjekten gegründet, die ihnen keine Völkerrechtssubjektivität verleihen können. Mangels eines völkerrechtlichen Gründungsaktes kommt ihnen, auch wenn ihnen die Menschenrechte völkerrechtliche Rechte verleihen und ihnen Kontrollkompetenzen mit Blick auf internationale Organisationen übertragen werden können, keine umfassende Völkerrechtssubjektivität und damit auch keine Immunität kraft Völkerrechts zu.232 Dem jeweiligen Sitzstaat bleibt es aber im Einklang mit seiner Rechtsordnung unbenommen, einer Nichtregierungsorganisation auf nationaler Ebene Befreiung von seiner Gerichtsbarkeit einzuräumen.233

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums Dreh‑ und Angelpunkt der Erörterung war bislang die Staatenimmunität als Ausdruck der Souveränität des ausländischen Staates, die in einem Spannungsverhältnis zur Gerichtsbarkeit des Forumstaates und damit zu dessen Souve230 ABl.

EG 1967 Nr. 152, S. 13 = BGBl. 1965 II, S. 1482.  Pingel in: Peters/Lagrange/Oeter/Tomuschat (Hrsg.), Immunities in the Age of Global Constitutionalism, S. 301 (304); Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 168 ff. 232  Von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 119; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnrn. 21 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 843 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 5 Rdnr. 6; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 96 f. 233  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 843 f.; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 6 Rdnr. 85 mit Verweis auf das Abkommen zwischen dem schweizerischen Bundesrat und dem Internationalen Olympischen Komitee betreffend das Statut des Internationalen Olympischen Komitees in der Schweiz v. 1. 11. ​2000 (SR 0.192.122.415.1); auch Wax, Internationales Sportrecht unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts, S. 169. 231

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums

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ränität steht. Der Interessenkonflikt setzt sich auf nationaler Ebene fort. Das rechtsschutzsuchende Individuum hat ein Interesse, dass der Gerichtsstaat ihm zur Durchsetzung seiner materiellen Rechte gegenüber dem ausländischen Staat verhilft. Damit befindet sich der Gerichtsstaat in einem Dilemma: Einerseits soll er die Souveränität des ausländischen Staates achten, andererseits soll er dem Einzelnen die Verwirklichung seiner Rechte ermöglichen.

1. Das Problem: Staatenimmunität als Tor zu einem rechtsfreien Raum? Wird das einem Einzelnen zustehende Recht von anderen nicht anerkannt, so darf er es grundsätzlich nicht selbst zwangsweise verwirklichen. Selbsthilfe zur Wahrung subjektiver Rechte lässt die Rechtsordnung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu, nämlich wenn dies zur Abwendung eines Rechtsverlusts zwingend geboten ist. Vielmehr behält sich der Staat vor, über private Rechte des Einzelnen zu entscheiden und sie unter Anwendung von Zwang durchzusetzen. Als Ausgleich für das Verbot der Selbsthilfe ist er nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, dem Individuum bei der Verwirklichung seiner Rechte zu helfen und ihm hierzu effektiven Rechtsschutz durch seine Organe zu gewähren. Dies ist die notwendige Kehrseite des staatlichen Gewaltmonopols.234 Diese Aufgabe wird regelmäßig den Zivilgerichten zuteil. Im Zivilprozess – das rechtlich geregelte Verfahren vor den ordentlichen Gerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten i. S. v. § 13 GVG235 – gilt es, Rechte und Rechtsverhältnisse im Erkenntnisverfahren festzustellen bzw. zu gestalten, die titulierten Ansprüche im Vollstreckungsverfahren zwangsweise durchzusetzen und den Bestand sowie die Verwirklichung gefährdeter Rechte durch einstweiligen Rechtsschutz zu sichern oder vorläufig zu regeln.236 Der Zivilprozess dient damit vorrangig dem Schutz und der Durchsetzung subjektiver Rechte des einzelnen Rechteinhabers.237 Dadurch kommt ihm auch eine friedensstiftende Wirkung zu, indem mit seinen Abschluss ein Rechtsstreit endgültig beigelegt wird.238 Gleichsam hat die Realisierung subjektiver Rechte Auswirkungen auf die objektive Rechtsordnung, 234  BVerfG, NJW 1991, 413 (413); Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rdnr. 6; Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 14; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 6, 9; Redeker, NJW 2000, 2796 (2796); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2981). 235  Stein/Jonas/Brehm, ZPO, vor § 1 Rdnr. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rdnr. 39; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 1; Schellhammer, Zivilprozess, Rdnr. 1. 236 Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rdnr. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rdnr. 39; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 7. 237  Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, Einl. Rdnr. 3; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, vor § 1 Rdnrn. 5, 9; Karwacki, Der Anspruch der Parteien auf einen fairen Zivilprozeß, S. 63; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rdnr. 7. 238  Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, Einl. Rdnr. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rdnr. 39; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rdnr. 10.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

indem die gerichtlichen Einzelfallentscheidungen über höchst unterschiedliche, durch Lebensvielfalt gekennzeichnete Sachverhalte zur Weiterentwicklung des objektiven Rechts und damit zur Sicherung der Rechtseinheit beitragen.239 Die Zivilprozessordnung, komplementiert durch das Gerichtsverfassungsgesetz, hält die Verfahrensregeln für die Entscheidung über subjektive Rechte und für ihre Durchsetzung bereit. Sie gibt die Spielregeln vor, in deren Rahmen der Rechtsuchende seine Rechte verwirklichen kann.240 Das Zivilprozessrecht verfolgt damit keinen Selbstzweck. Vielmehr ist es dienendes Recht, indem es dem materiellen, subjektiven Recht zur Geltung verhelfen soll.241 Zu dem Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht hat bereits das Reichsgericht treffend formuliert: „Das materielle Recht soll und darf unter der Herrschaft der Prozeßvorschriften nicht oder doch möglichst wenig leiden.“242 Der Staat stellt dem rechtsschutzsuchenden Individuum also als Ausgleich für das Verbot der Selbsthilfe den Zivilprozess bereit, der das Recht des Einzelnen auf effektiven Rechtsschutz gewährleistet. Will dieser seine Rechte gegenüber einem ausländischen Staat vor Gericht geltend machen, so steht diese Gewährleistung im Konflikt mit dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität. Zwar ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 13 GVG an und für sich auch für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten mit ausländischen Staaten eröffnet. Die Staatenimmunität hat aber insoweit Auswirkung auf die verfahrensrechtliche Rechtsstellung des Einzelnen, als sich die deutsche Gerichtsbarkeit nach § 20 Abs. 2 GVG nicht auf Staaten erstreckt, soweit sie nach allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Auch wenn die Immunität einen ausländischen Staat nicht von der materiellen Rechtsordnung befreit,243 so wird dennoch eine gegen ihn gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen und sein Vermögen unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung. Während sich für den ausländischen Staat die Gewährung von Immunität als günstig erweist, führt sie für den Kläger bzw. den Vollstreckungsgläubiger zu einer erheblichen Rechtsschutzverkürzung.244 Bleibt ihm ein effektiver Rechtsschutz auch vor den Gerichten des ausländischen Staates und vor denen dritter 239  MünchKomm/Rauscher, ZPO, Einl. Rdnr. 10; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rdnr. 5; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 8. 240 Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, Einl. Rdnr. 2; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, vor § 1 Rdnr. 31; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 3. 241  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Einl. III Rdnrn. 9 f.; Stein/Jonas/ Brehm, ZPO, vor § 1 Rdnr. 5; Grunsky/Jacoby, Zivilprozessrecht, Rdnr. 13; ähnlich auch Karwacki, Der Anspruch der Parteien auf einen fairen Zivilprozeß, S. 63. 242  RGZ 105, 422 (427). 243 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 73; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (417). 244  Ähnlich auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 16; Bleckmann, NJW 1978, 1092 (1094); Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2077).

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums

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Staaten verwehrt, so bewirkt der Ausschuss von der deutschen Gerichtsbarkeit im Ergebnis eine vollständige Rechtsschutzverweigerung.245 Was bedeutet dies für das Verhältnis von Gerichtsbarkeit und Immunität? Das Oberlandesgericht München stellte hierzu apodiktisch fest, die Befreiung eines ausländischen Staates von der deutschen Gerichtsbarkeit bestehe auch dann, wenn der Kläger vor dessen Gerichten keine Klagemöglichkeit habe und insoweit rechtlos gestellt werde.246 Auch das Bundesverfassungsgericht verwies in seiner Entscheidung zur Vollstreckungsimmunität im philippinischen Botschaftskontofall den privaten Vollstreckungsgläubiger darauf, durch eine Vereinbarung über die Art und Weise der Leistungsabwicklung, über einen Immunitätsverzicht oder über Sicherheiten seine Befriedigungsinteressen zu wahren.247 Habscheid warf hingegen für die Immunität internationaler Organisationen zu Recht die Frage auf, ob Immunität einen rechtsfreien Raum schaffe.248 Dieser Frage soll für die Staatenimmunität genauer nachgegangen werden.

2. Rechte des rechtsschutzsuchenden Individuums Gewährt der Gerichtsstaat einem ausländischen Staat Immunität, so versperrt er zugleich dem rechtsschutzsuchenden Individuum den Zugang zu Gericht. Das Recht hierzu gewährleisten Art. 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Art. 14 Abs. 1 S. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Ebenso ist das Recht auf Zugang zu Gericht in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und als Ausprägung des Justizgewährungsanspruchs in Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verankert, anhand dieser Vorschriften sein Verhältnis zur Staatenimmunität exemplarisch aufgezeigt werden soll. a. Recht auf Zugang zu Gericht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK Die Staatenimmunität steht im Spannungsverhältnis zu dem in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verankerten Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK gewährleistet für jedermann das subjektive Recht, dass über Streitigkeiten in Bezug auf seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt 245  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 88; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 16; Majer, NZA 2010, 1395 (1397); Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2061 f.). 246  OLG München, NJW 1975, 2144 (2145). 247  BVerfGE 46, 342 (401 f.). 248 Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (255).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

wird. Dieses Recht umfasst neben dem rechtlichen Gehör, der Waffengleichheit, den Grundsätzen der Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Prozesses sowie dem Recht auf eine Entscheidung in angemessener Frist auch das Recht auf Zugang zu Gericht, da andernfalls die anderen Verfahrensgarantien wertlos wären.249 Das Recht auf Zugang zu Gericht gewährleistet nicht nur die Befugnis, ein Verfahren bei Gericht anhängig zu machen, sondern auch das Recht auf eine abschließende gerichtliche Entscheidung, die alle entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen berücksichtigt.250 Darüber hinaus erfasst es die Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung, da diese untrennbarer Bestandteil des Verfahrens ist und der im Erkenntnisverfahren titulierte Anspruch andernfalls Gefahr liefe, nutzlos zu bleiben.251 Unter dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sehr weit gefassten Begriff der zivilrechtlichen Ansprüche (civil rights) fallen alle vermögenswerten Ansprüche sowie diejenigen, die Auswirkungen auf zivilrechtliche Positionen haben. Ausgenommen sind lediglich Streitigkeiten aus dem Kernbereich des öffentlichen Rechts. Hierzu zählen das Wahlrecht, der Militärdienst, das Ausländer‑ und Asylrecht sowie Steuern und Zölle.252 Die Staatenimmunität schränkt das in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verankerte Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht ein.253 Allerdings ist dieses Recht auch nicht absolut, sondern erfordert schon seiner Natur nach Einschränkungen durch staatliche Regelungen. Hierbei billigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Konventionsstaaten einen gewissen Beurteilungsspielraum zu.254 Die Beschränkungen dürfen das Recht des Einzelnen auf Zugang zu Ge249  EGMR, EuGRZ 1975, 91 (97) – Golder v. Vereinigtes Königreich; EGMR, NJW 1999, 1173 (1173)  – Waite und Kennedy v. Deutschland; EGMR, NJW 2004, 273 (273)  – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335)  – Sabeh El Leil v. Frankreich; Kloth, Immunities and the Right of Access to Court under Article 6 of the European Convention on Human Rights, S. 88 f.; Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (363). 250  Hk/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, EMRK, Art. 6 Rdnrn. 34 f.; ähnlich auch Baldegger, Das Spannungsverhältnis zwischen Staatenimmunität, diplomatischer Immunität und Menschenrecht, S. 150. 251  EGMR, NJW 2004, 273 (273)  – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; Hk/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, EMRK, Art. 6 Rdnr. 50; von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 682; Prinz von Sachsen Gessaphe, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 48; Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108). 252  Von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 678; Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 226. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die nicht unter Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK fallen, kann der Schutzbereich des Art. 13 EMRK eröffnet sein, vgl. dazu von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 685. 253 EGMR, EuGRZ 2002, 403 (406) – Al-Adsani v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 411 (413) – Fogarty v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 415 (418) – McElhinney v. Irland; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 56 f.; Kloth, AVR 52 (2014), 256 (257). 254  EGMR, NJW 1999, 1173 (1174)  – Waite und Kennedy v. Deutschland; EGMR, NJW 2003, 649 (649) – Prinz Hans-Adam II von Liechtenstein v. Deutschland; EGMR, NJW 2004, 273 (273 f.) – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EGMR, NLMR 2/2010,

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums

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richt aber nicht in einer Weise oder in einem Ausmaß verkürzen, dass es in seinem Wesensgehalt angetastet und sein eigentlicher Kern verletzt wird.255 Außerdem müssen sie ein berechtigtes Ziel verfolgen und die angewandten Mittel müssen zu dem verfolgten Ziel in einem angemessenen Verhältnis stehen.256 Die Gewährung von Staatenimmunität und damit die Respektierung der Souveränität eines anderen Staates im Rahmen eines Zivilprozesses dienen dem legitimen Ziel, das Völkerrecht zu achten und somit die Courtoisie sowie die guten zwischenstaatlichen Beziehungen zu fördern.257 Bei der Beantwortung der Frage, ob die Beschränkung des Zugangs zu Gericht zu diesem angestrebten Ziel in einem angemessenen Verhältnis steht, legt der Gerichtshof Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK nicht im luftleeren Raum aus. Vielmehr berücksichtigt er den besonderen Charakter der Konvention als Instruments zum Schutz der Menschenrechte und – wie von Art. 31 Abs. 3 lit. c) WVK vorgegeben – die maßgebenden Grundsätze des Völkerrechts, konkret diejenigen zur Staatenimmunität.258 101 (102) – Cudak v. Litauen; EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335) – Sabeh El Leil v. Frankreich; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13  – Radunović u. a. v. Montenegro; vgl. dazu Hk/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, EMRK, Art. 6 Rdnr. 36; Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2080). 255  EGMR, EuGRZ 2002, 403 (406) – Al-Adsani v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 411 (413 f.) – Fogarty v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 415 (418) – McElhinney v. Irland; EGMR, NJW 2003, 649 (649)  – Prinz Hans-Adam II von Liechtenstein v. Deutschland; EGMR, NJW 2004, 273 (273)  – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EGMR, NLMR 2/2010, 101 (102) – Cudak v. Litauen; EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335) – Sabeh El Leil v. Frankreich; EGMR, Urteil v. 14. 3. ​2013, Az. 36703/04 – Oleynikov v. Russland; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro; Kissel/Mayer, GVG, § 18 Rdnr. 2; Hk/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, EMRK, Art. 6 Rdnr. 37; Schill, ICSID Review 27 (2012), 87 (115 f.). 256  EGMR, NJW 1999, 1173 (1174) – Waite und Kennedy v. Deutschland; EGMR, EuGRZ 2002, 403 (406)  – Al-Adsani v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 411 (413 f.)  – Fogarty v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 415 (418) – McElhinney v. Irland; EGMR, NJW 2003, 649 (649) – Prinz Hans-Adam II von Liechtenstein v. Deutschland; EGMR, NJW 2004, 273 (273 f.)  – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EGMR, NLMR 2/2010, 101 (102 f.) – Cudak v. Litauen; EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335) – Sabeh El Leil v. Frankreich; EGMR, Urteil v. 14. 3. ​2013, Az. 36703/04 – Oleynikov v. Russland; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro; EGMR, Urteil v. 8. 11. ​2016, Az. 26126/07 – Naku v. Litauen und Schweden; Hk/Meyer-Ladewig/Harrendorf/ König, EMRK, Art. 6 Rdnr. 37; Schill, ICSID Review 27 (2012), 87 (112); Ullrich, ZaöRV 71 (2011), 157 (163 f.); Voyiakis, ICLQ 52 (2003), 297 (299). 257 EGMR, EuGRZ 2002, 403 (406) – Al-Adsani v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 411 (413) – Fogarty v. Vereinigtes Königreich; EGMR, EuGRZ 2002, 415 (418) – McElhinney v. Irland; EGMR, NJW 2004, 273 (274)  – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EGMR, NLMR 2/2010, 101 (103) – Cudak v. Litauen; EGMR, EuGRZ 2011, 374 (377) – Sedelmayer v. Deutschland; EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335) – Sabeh El Leil v. Frankreich; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro; EGMR, Urteil v. 8. 11. ​2016, Az. 26126/07 – Naku v. Litauen und Schweden; Hk/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, EMRK, Art. 6 Rdnr. 52; Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2080). 258  EGMR, EuGRZ 2011, 374 (377) – Sedelmayer v. Deutschland; EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335) – Sabeh El Leil v. Frankreich; EGMR, Urteil v. 14. 3. ​2013, Az. 36703/04 – Oleynikov v.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

Damit ist das Ergebnis vorgegeben: Spiegelt eine gerichtliche Entscheidung eines Konventionsstaates, einem ausländischen Staat für einen Zivilprozess Immunität zu gewähren, die allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts über die Immunität der Staaten wider, so schränkt sie in ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht das in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verbürgte Recht auf Zugang zu Gericht unverhältnismäßig ein. Vielmehr müssen diese Einschränkungen als Bestandteil dieses Rechts angesehen werden.259 Gestützt auf diese Erwägungen hielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in drei wegweisenden Entscheidungen aus dem Jahr 2001 die Gewährung von Immunität für vereinbar mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK: In der Rechtssache Fogarty gegen das Vereinigte Königreich erachtete er das Recht der Beschwerdeführerin auf Zugang zu Gericht nicht dadurch als verletzt, dass das Industrial Tribunal von Nord-London ihre Klage auf Wiedereinstellung bei der US-amerikanischen Botschaft in London nicht zugelassen, sondern den beklagten Vereinigten Staaten Immunität gewährt hatte. Hierbei habe das Industrial Tribunal den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum nicht überschritten.260 Auch in der zweiten Rechtssache Al-Adsani gegen das Vereinigte Königreich hielt es der Gerichtshof für vereinbar mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, dass der englische High Court dem Emirat Kuwait für eine Schadensersatzklage des Beschwerdeführers, der in Kuwait von einem kuwaitischen Scheich und zwei weiteren Personen misshandelt worden war, Immunität von der englischen Gerichtsbarkeit gewährt hatte. Der Zugang zu Gericht sei nicht ungerechtfertigt beschränkt, wenn der State Immunity Act eine Ausnahme von der Staatenimmunität nur zulasse, wenn eine zum Tod oder zu einer Körperverletzung führende Handlung im Vereinigten Königreich begangen worden sei.261 In der Rechtssache McElhinney gegen Irland verneinte der Gerichtshof ebenfalls eine Verletzung des Rechts auf Zugang zu Gericht, als der irische High Court dem Russland; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro; so auch Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 63. 259 EGMR, EuGRZ 2002, 403 (406 f.) – Al-Adsani v. Vereinigtes Königreich; EGMR, NJW 2004, 273 (274)  – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EGMR, NLMR 2/2010, 101 (103)  – Cudak v. Litauen; EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1335)  – Sabeh El Leil v. Frankreich; EGMR, Urteil v. 14. 3. ​2013, Az. 36703/04 – Oleynikov v. Russland; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro; Hk/Meyer-Ladewig/ Harrendorf/König, EMRK, Art. 6 Rdnr. 52; Stürner, IPRax 2008, 197 (200); ähnlich auch BGH, SchiedsVZ 2006, 44 (46) und von Hein, IPRax 2007, 309 (403). 260  EGMR, EuGRZ 2002, 411 (414) – Fogarty v. Vereinigtes Königreich; dazu Kloth, Immunities and the Right of Access to Court under Article 6 of the European Convention on Human Rights, S. 41 ff.; Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391 (391 f.) und Voyiakis, ICLQ 52 (2003), 297 (301). 261  EGMR, EuGRZ 2002, 403 (406 ff.) – Al-Adsani v. Vereinigtes Königreich; dazu Kloth, AVR 52 (2014), 256 (258 f.); Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391 (392 ff.) und Voyiakis, ICLQ 52 (2003), 297 (303 ff., 316 ff.).

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums

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Antrag des beklagten Ministers für Nordirland auf Gewährung von Immunität für eine Schadensersatzklage des Beschwerdeführers wegen eines posttraumatischen Schocks, den er durch das Verhalten eines nordirischen Soldaten erlitten hatte, stattgab. Auch in diesem Fall sei die Beschränkung des Zugangs zu Gericht durch die Staatenimmunität nicht unverhältnismäßig erfolgt.262 Ebenfalls keine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner 2002 verkündeten Entscheidung in der Rechtssache Kalogeropoulou u. a. gegen Griechenland und Deutschland. Hintergrund war eine Schadensersatzklage der Verwandten eines Opfers, das bei einem durch deutsche Besatzungstruppen 1944 im griechischen Dístomo verübten Massaker ums Leben gekommen war. Das griechische Landgericht Livadía verurteilte deswegen die Bundesrepublik Deutschland zum Schadensersatz, woraufhin die Beschwerdeführer die Vollstreckung in deren in Griechenland belegene Grundstücke beantragten. Die Weigerung des griechischen Justizministers, seine nach Art. 923 der griechischen Zivilprozessordnung erforderliche Zustimmung zur Zwangsvollstreckung zu erteilen, hat nach Auffassung des Gerichtshofs die Beschwerdeführer nicht in ihrem Recht auf Zugang zu Gericht verletzt.263 Die Antwort des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf das Spannungsverhältnis von der Staatenimmunität und dem Recht auf Zugang zu Gericht lässt sich hierbei auf folgende Formel reduzieren: Dort wo die von Völkerrechts wegen gebotene Gewährung von Immunität beginnt, endet das in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verankerte Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht. Dieser pragmatische Ansatz ist nicht überall auf Zustimmung gestoßen, verzichtet er doch auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für den Einzelfall und hält stattdessen jede Beschränkung des Zugangs zu Gericht, die auf dem völkerrechtlichen Prinzip der Staatenimmunität beruht, für verhältnismäßig.264

262 EGMR, EuGRZ 2002, 415 (418) – McElhinney v. Irland; dazu Schilling in: Peters/Lagrange/Oeter/Tomuschat (Hrsg.), Immunities in the Age of Global Constitutionalism, S. 267 (271); Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391 (391 f.) und Voyiakis, ICLQ 52 (2003), 297 (300 f., 313 ff.). 263 EGMR, NJW 2004, 273 (274) – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; dazu Appelbaum, HuV 2004, 190 (197 f.) und Bartsch/Elberling, GLJ 4 (2003), 477 (477 ff.). Darüber hinaus verneinte der EGMR auch eine Verletzung der von Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK umfassten Eigentumsgarantie, da die Versagung der Immobiliarvollstreckung im öffentlichen Interesse, nämlich der Vermeidung einer Störung der Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland, liege. Zudem hätten die Beschwerdeführer ihre Forderungen gegen Deutschland nicht verloren, sondern könnten diese später oder anderswo vollstrecken. 264  So Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2081). Auch Richter Loucaides hob in seinem abweichenden Sondervotum zur Entscheidung in Al-Adsani v. Vereinigtes Königreich hervor, dass die Gewährung von Immunität nur dann mit der EMRK vereinbar sei, wenn ein Gericht zuvor das Interesse des beklagten Staates an der Gewährung von Immunität mit dem Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Entscheidung abgewogen habe, vgl. EGMR, EuGRZ 2002, 403 (410).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

So wird von Whytock kritisiert, dass der Gerichtshof die Staatenimmunität kategorisch über das Recht auf Zugang zu Gericht stelle und dabei unberücksichtigt lasse, ob im Einzelfall die Staatenimmunität tatsächlich der Völkercourtoisie und den guten zwischenstaatlichen Beziehungen diene und welche konkreten Auswirkungen dieses Ziel auf den Zugang des privaten Gläubigers zu Gericht habe.265 Vielmehr dürfe der Gerichtsstaat dem Kläger nicht den Zugang zu seinen Gerichten verwehren, wenn es für diesen unwahrscheinlich sei, effektiven Zugang zu den Gerichten des ausländischen Staates zu erhalten, es sei denn, es gebe überzeugende Gründe mit Blick auf die auswärtigen Beziehungen für die Gewährung von Staatenimmunität. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK sei daher in der Regel dann unverhältnismäßig eingeschränkt, wenn der Gläubiger nicht nur im Gerichtsstaat und in Drittstaaten, sondern auch vor den Gerichten des ausländischen Staates und damit überhaupt kein effektiven Rechtsschutz erlangen könne.266 Diese Auffassung geht von der Prämisse aus, der Zugang des Einzelnen zu Gericht müsse immer möglich sein. Allerdings können auch Staaten nach dem Konzept der relativen Staatenimmunität nur im beschränkten Umfang Immunität vor ausländischen Gerichten beanspruchen. So wie die Staatenimmunität durch das Recht auf Zugang zu Gericht begrenzt wird, so wird auch umgekehrt dieses Recht durch die Staatenimmunität begrenzt. Diese stehen damit – ebenso wie die wechselseitigen Souveränitätsansprüche von Gerichtsstaat und ausländischem Staat267 – in einem reziproken Verhältnis. Aber auch die Prüfung, ob der Kläger durch die Gerichte des ausländischen Staates effektiven Rechtsschutz erlangen könnte, dürfte der Courtoisie und den guten zwischenstaatlichen Beziehungen nicht immer zuträglich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn das angerufene Gericht die Voraussetzung aus tatsächlichen Gründen wie der Voreingenommenheit oder der Bestechlichkeit der dortigen Richter verneinen würde und deshalb dem ausländischen Staat die Gewährung von Immunität verweigern müsste. Abgesehen davon dürfte dieser Ansatz regelmäßig auch an dem praktischen Problem scheitern, dass es für ein solches Urteil einer nur schwerlich zu erlangenden fundierten Tatsachengrundlage zum Rechtsschutzniveau im ausländischen Staat bedarf, will sich das Gericht nicht in bloßen Spekulationen verfangen. Daher verzichtet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu Recht auf die Prüfung, ob der ausländische Staat selbst dem Kläger effektiven Rechtschutz gewähren würde. Stattdessen prüft er zutreffend, ob der Gerichtsstaat dem ausländischen Staat Immunität gewähren durfte, ohne seinen Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Auslegung der völkerrechtlichen Immunitätsregeln zu überschreiten.  Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2078, 2082).  Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2083). 267 Siehe Kapitel B. I. 2. 265 266

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums

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Aus diesem Grund hielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2010 in der Rechtssache Cudak gegen Litauen das Recht einer ehemals bei der polnischen Botschaft in Vilnius angestellten Sekretärin und Telefonistin auf Zugang zu den litauischen Gerichten für verletzt, die dem polnischen Staat für ihre Klage auf Entschädigung wegen ungerechtfertigter Entlassung Immunität gewährt hatten. Weder das litauische Höchstgericht noch die litauische Regierung hätten ausführen können, inwiefern ihre Tätigkeit souveräne Interessen Polens berührt hätte. Vielmehr seien die Entlassung und die Verfahren vor den litauischen Gerichten auf eine sexuelle Belästigung der Beschwerdeführerin zurückzuführen, die kaum die Sicherheitsinteressen Polens zu beeinträchtigen fähig sei. Dadurch hätten die litauischen Gerichte ihren Ermessensspielraum überschritten und so den Wesensgehalt des Rechts auf Zugang zu Gericht beeinträchtigt.268 In ähnlicher Weise entschied ein Jahr später der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Rechtssache Sabeh El Leil gegen Frankreich, dass auch die französischen Gerichte das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht verletzt hätten, indem sie dessen Schadensersatzklage wegen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Buchhalters bei der kuwaitischen Botschaft in Paris als unzulässig zurückgewiesen und Kuwait zu Unrecht Immunität gewährt hätten. Die Cour d’appel Paris und die Cour de cassation hätten die einschlägigen, in Art. 11 UN-Konvention verankerten Ausnahmen zur Staatenimmunität nicht in Betracht gezogen, sondern der Immunitätseinrede ohne weiteres stattgegeben und die Klage des Beschwerdeführers ohne ausreichende oder gar stichhaltige Begründung abgewiesen. Durch diese Missachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hätten sie das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht in seinem Wesensgehalt verletzt.269 Die Staatenimmunität bleibt damit durch das Recht auf Zugang zu Gericht unberührt. Zwischen diesen beiden völkerrechtlichen Gewährleistungen besteht kein Grundwiderspruch, sondern sie stehen in einem reziproken Verhältnis. Die völkerrechtlichen Regeln über die Gewährung von Staatenimmunität geben dem Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht seine Konturen. Dieses Recht ist erst dann verletzt, wenn ein Gericht eines Konventionsstaates einem ausländischen Staat unter Überschreitung seines Beurteilungsspielraums Immunität über das völkerrechtlich gebotene Maß hinaus gewährt.270 268  EGMR, NLMR 2/2010, 101 (103) – Cudak v. Litauen; dazu Czapliński in: Peters/Lagrange/Oeter/Tomuschat (Hrsg.), Immunities in the Age of Global Constitutionalism, S. 40 (49 f.); Bederman, AJIL 106 (2012), 125 (127 ff.). 269  EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1336) – Sabeh El Leil v. Frankreich; dazu Bederman, AJIL 106 (2012), 125 (125 ff.) und Martiny, IPRax 2013, 536 (538). 270 So auch Kloth, Immunities and the Right of Access to Court under Article 6 of the European Convention on Human Rights, S. 32 f.; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 63; Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108): keine völkerrechtlich nicht gebotenen Puffer‑ oder Tabuzonen.

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

b. Recht auf Zugang zu Gericht als Ausprägung des Justizgewährungsanspruchs Auf der verfassungsrechtlichen Ebene konfligiert die Staatenimmunität mit dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch, der aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG folgt. Der deutsche Staat muss, wie eingangs aufgezeigt, dem rechtsschutzsuchenden Individuum als Ausgleich zum Verbot der Selbsthilfe den Zugang zu seinen Gerichten eröffnen und ihm dadurch die Durchsetzung seiner Rechte gegenüber einem ausländischen Staat ermöglichen.271 Das Gebot der Justizgewährung ist nicht bloß ein objektiver Rechtssatz, sondern begründet für den Einzelnen ein subjektives Recht. Jedermann hat einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch gegen den Staat, dass ihm dessen Organe, namentlich die Gerichte, Rechtsschutz gewähren.272 Dieser Justizgewährungsanspruch umfasst neben einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstandes sowie einer verbindlichen gerichtlichen Entscheidung auch den Zugang zu Gericht.273 Wiederum wird das Recht auf Zugang zu Gericht  – gleich ob es in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK wurzelt oder Ausprägung des Justizgewährungsanspruchs ist  – eingeschränkt, wenn die deutschen Gerichte einem ausländischen Staat Immunität gewähren.274 Gleichwohl könnte auch dieser Eingriff gerechtfertigt sein, dient er doch dem legitimen Ziel, das Völkerrecht zu achten und damit den guten zwischenstaatlichen Beziehungen Rechnung zu tragen. Während allerdings das in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verankerte Recht auf Zugang zu Gericht ebenso wie der Grundsatz der Staatenimmunität im Völkerrecht wurzelt, steht der verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch im Rang über dem Völkerrecht. Nichtsdestotrotz darf sich der deutsche Staat nicht der Erfüllung seiner völkerrechtlichen Pflichten durch Hinweis auf innerstaatliches Recht entziehen, sondern muss die innerstaatliche Rechtsordnung völkerrechtskonform ausgestalten. Dies ist Ausprägung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung.275 Demzufolge ist auch der Justizgewährungsanspruch nicht grenzenlos. Er schließt eine Ausgestaltung der Voraussetzungen des Zugangs zu Gericht nicht aus, solange die fundamentalen 271 Siehe

Kapitel B. IV. 1.  BVerfGE 107, 395 (401); Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rdnr. 6; Wieczorek/Schütze/Prütting, Einl. Rdnr. 115; Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rdnr. 48; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 1; Karwacki, Der Anspruch der Parteien auf einen fairen Zivilprozess, S. 64; Vieweg, Normsetzung und ‑anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 162 f. 273 BVerfGE 85, 337 (345); 107, 395 (401); Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rdnr. 35; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 4; Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (363). 274  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 1934; vgl. auch Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 188. 275  BVerfGE 74, 358 (370); BVerfG, NJW 1988, 1462 (1463); 2004, 3407 (3408); 2011, 207 (208); Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Art. 25 Rdnrn. 5 f.; von Arnauld, Völkerrecht, Rdnrn. 519 f.; Hofmann, JURA 2013, 326 (327, 329); Talmon, JZ 2013, 12 (15). 272

IV. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums

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Elemente des Rechtschutzgebotes gewahrt bleiben und die dadurch erfolgte Einschränkung unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers verhältnismäßig ist.276 Das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelte Abgrenzungskonzept zwischen dem Grundsatz der Staatenimmunität und dem Recht auf Zugang zu Gericht lässt sich auf die von Verfassungsrechts wegen gebotenen Verhältnismäßigkeitserwägungen übertragen: Der Justizgewährungsanspruch ist ebenso wenig ein absolutes Recht, wie auch Staaten nur relative Immunität zuteilwird. So wie das Recht auf Zugang zu Gericht die Staatenimmunität begrenzt, so schränkt diese auch umgekehrt das Recht auf Zugang zu Gericht ein. Diese Einschränkung ist solange verhältnismäßig, wie die Gewährung von Immunität völkerrechtlich geboten ist.277 Erst wenn die deutschen Gerichte einem ausländischen Staat unter Überschreitung ihres Beurteilungsspielraumes Immunität gewähren, ohne hierzu von Völkerrechts wegen verpflichtet zu sein, ist das Recht des rechtschutzsuchenden Individuums auf Zugang zu Gericht als Ausprägung des Justizgewährungsanspruchs verletzt. Die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität geben damit dem Justizgewährungsanspruch – ebenso wie dem Recht auf Zugang zu Gericht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK  – seine Konturen. Auch zwischen dem Justizgewährungsanspruch und der Staatenimmunität besteht kein Grundwiderspruch. Vielmehr hört der verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch dort auf, wo die völkerrechtlich gebotene Staatenimmunität beginnt. c. Völkerrechtliches Verbot der Justizverweigerung Das Recht des Individuums gegenüber dem Gerichtsstaat, ihm Rechtsschutz gegenüber einem ausländischen Staat zu gewähren, könnte sich schließlich aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Verbot der Justizverweigerung (déni de justice bzw. denial of justice) ergeben. Diese Regel des völkerrechtlichen Fremdenrechts278 verpflichtet den Aufenthaltsstaat, einem Ausländer eine aktive Verfolgung seiner Rechte zu gewährleisten. Wird ihm trotz einer ausreichenden Inlandsbeziehung des Rechtsstreits der Zugang zu den Gerichten des Aufent-

276 Ähnlich auch Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 90 f.; Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (255 f.); Bender, IPRax 1998, 1 (4). Nach Grunsky, AP Art. 25 GG, Nr. 3, hieße es, dem Grundgesetz Gewalt an zu tun, wollte man ihm entnehmen, dass es jedwede Immunität beseitigt habe. 277  Majer, NZA 2010, 1395 (1397); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2981); so im Ergebnis auch das BVerfGE 46, 342 (401 f.), wenn es den privaten Gläubiger darauf verweist, seine Rechte im Vorfeld durch entsprechende Vereinbarungen mit einem ausländischen Staat zu sichern. 278  Breuer, Staatshaftung für judikatives Unrecht, S. 604; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 16; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 385; ders., ZfRV 5 (1992), 321 (332).

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B. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität

haltsstaates verwehrt, so liegt ein déni de justice vor.279 Auf Inländer findet das Verbot der Justizverweigerung als Bestandteil des völkerrechtlichen Fremdenrechts hingegen keine Anwendung. Der fremdenrechtlich garantierte Mindeststandard besteht unabhängig davon, wie der verpflichtete Staat seine eigenen Staatsangehörigen behandelt.280 Aber auch dem Ausländer gewährt das völkerrechtliche Verbot der Justizverweigerung kein subjektives Recht gegenüber dem deutschen Staat auf die gerichtliche Durchsetzung seiner Rechte. Der déni de justice wurzelt nicht in der Achtung der Menschenrechte des einzelnen Angehörigen eines anderen Staates, sondern in dem Respekt vor dem Heimatstaat und dessen Souveränität und entfaltet damit lediglich eine reflexhafte Schutzwirkung zu Gunsten des Individuums. Demzufolge verletzt die Missachtung dieses Fremdenrechts nicht das de facto beeinträchtigte Individuum, sondern dessen Heimatstaat, dem ausschließlich ein Abwehr‑ und Wiedergutmachungsrecht gegenüber dem Gerichtsstaat zusteht.281 Das dem Heimatstaat zugutekommende Verbot der Justizverweigerung ist allerdings nicht absoluter Natur. Ebenso wenig wie das Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht verletzt ist, so verstößt der Gerichtsstaat nicht gegen dieses Verbot, wenn er einem dritten Staat die von Völkerrechts wegen gebotene Immunität gewährt.282 Erst wenn er diesem unter Überschreitung seines Beurteilungsspielraums über das völkerrechtlich erforderliche Maß hinaus Immunität zukommen lässt, unterschreitet er den fremdenrechtlichen Mindeststandard und begeht einen déni de justice.

279  BVerfGE 60, 253 (303 f.); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 385 ff.; Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2049). 280 Breuer, Staatshaftung für judikatives Unrecht, S. 617; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 1912, 1914. 281  Von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 593; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 385; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 2 Rdnr. 61. 282  Vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 16 f. und Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 572 f., die aus diesem Grund dem Verbot der Justizverweigerung eine immunitätsrechtliche Dimension absprechen.

C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren Ist ein ausländischer Staat an einem deutschen Zivilprozess insbesondere als Beklagter, aber auch als Kläger oder als Nebenintervenient beteiligt, so ergeben sich daraus regelmäßig Besonderheiten und vor allem auch Schwierigkeiten. Das Erkenntnisverfahren richtet sich in dieser Konstellation nicht mehr ausschließlich nach dem deutschen Zivilprozessrecht, sondern erfährt Modifizierungen durch das Völkerrecht. Virulent ist vor allem die Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit. Darüber hinaus können sich eine Reihe weiterer, bislang nur wenig erörterter Fragestellungen auftun, angefangen bei der internationalen Zuständigkeit über prozessleitende Maßnahmen des Gerichts und prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien bis hin zu Art und Inhalt eines Urteils.

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit Ist ein ausländischer Staat Partei eines deutschen Zivilprozesses, so stellt sich dem mit dem Rechtsstreit befassten Gericht die Kardinalfrage, ob für den Rechtsstreit die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist.

1. Begriff und Dimension der deutschen Gerichtsbarkeit Die Gerichtsbarkeit für das Erkenntnisverfahren, auch Gerichtsgewalt oder Gerichtshoheit genannt, ist die aus der Souveränität fließende Befugnis eines jeden Staates, innerhalb seines Territoriums Recht zu sprechen.1 Genießt ein Rechtssubjekt Immunität von den deutschen Gerichten, so ist es von der deutschen Gerichtsbarkeit nach §§ 18 bis 20 GVG befreit. § 18 GVG gewährt den Mitgliedern der diplomatischen Missionen, § 19 GVG gewährt den Mitgliedern der konsularischen Vertretungen und § 20 Abs. 1 GVG gewährt den Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland hier aufhalten, Befreiung von der deutschen 1  BGH, JZ 1958, 241 (242); Zöller/Geimer, ZPO, IZPR Rdnr. 36; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 15; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 371; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 281; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (289 f.); ders., IPRax 1982, 51 (52); Thole, WM 2012, 1793 (1793).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Gerichtsbarkeit. Für ausländische Staaten ist § 20 Abs. 2 GVG als lückenfüllende Generalklausel relevant. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die vorgenannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.2 Das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Prozessvoraussetzung,3 die das befasste Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat4. Maßgeblich ist daher die geltende Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung, nicht dagegen die bei Entstehen des streitgegenständlichen Anspruchs.5 Ohne Gerichtsbarkeit darf das Gericht keine Entscheidung in der Sache treffen, sondern es muss eine Klage als unzulässig abzuweisen.6 Andernfalls überschreitet es die Grenzen der deutschen Staatsgewalt und greift völkerrechtswidrig in die Souveränität des ausländischen Staates ein.7 Die deutsche Gerichtsbarkeit ist abzugrenzen von der internationalen Zuständigkeit. Während die Regeln über die Gerichtsbarkeit bestimmen, ob ein Gericht den ihm unterbreiteten Rechtsstreit überhaupt entscheiden darf, bestimmen die Regeln über die internationale Zuständigkeit, ob es den Rechtsstreit entscheiden muss. Das Völkerrecht begrenzt die Gerichtsbarkeit des angerufenen Staates gegenüber anderen Staaten; ob ein Staat allerdings von der ihm völkerrechtlich zugestandenen Gerichtsbarkeit Gebrauch machen will, entscheidet er grundsätzlich selbst.8 Die Gerichtsbarkeit eines Staates erstreckt sich zunächst auf alle Streitigkeiten, die auf seinem Territorium vor Gericht gebracht werden, wird aber durch die Immunität des beklagten ausländischen Staates begrenzt. Die internationale Zuständigkeit regelt demgegenüber bei Streitigkeiten mit Aus2  Der Bundesrat legte 1885 einen Gesetzentwurf vor, dem zufolge § 17a in das GVG eingefügt werden sollte. Dessen erster Absatz lautete: „Ein nicht zum Deutschen Reich gehöriger Staat, sowie das Oberhaupt eines solchen Staates unterliegen der inländischen Gerichtsbarkeit nicht.“ Dieser Gesetzesentwurf fand jedoch im Reichstag keine Mehrheit, vgl. Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 86. 3 BVerfGE 15, 25 (30 f.); BGHZ 8, 378 (379); Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorbem. zu § 253 Rdnrn. 15, 17; Zöller/Greger, ZPO, vor § 253 Rdnr. 15; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 525; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 280, 282; Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (33); Thole, WM 2012, 1793 (1793). 4 BGH, ZfBR 2016, 571 (572); ZIP 2016, 789 (790); Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (182); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; Wagner, RIW 2014, 260 (260); hierzu im Einzelnen Kapitel C. VII. 2. a. 5 IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (124) – Jurisdictional Immunities; BGHZ 19, 341 (345). 6  BGH, NJW 1979, 1101 (1101); 2009, 3164 (3165); ZfBR 2016, 571 (572). 7  Siehe Kapitel B. I. 8 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 26; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (165); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 155. Nicht alle Rechtsordnungen trennen strikt zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit. So bezieht sich z. B. der Begriff „Jurisdiction“ in der US-amerikanischen Rechtsordnung sowohl auf die Gerichtsbarkeit als auch auf die internationale Zuständigkeit; vgl. dazu Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 16.

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit

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landsberührung im Sinne einer internationalen Aufgabenverteilung die Entscheidungszuständigkeit zwischen inländischer und ausländischer Hoheitsgewalt.9 Erst wenn die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist, stellt sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit. Oder anders formuliert: Die internationale Zuständigkeit setzt die Gerichtsbarkeit voraus.10 Wegen des logischen Verhältnisses zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit wird dem Gericht häufig eine Prüfungsreihenfolge dahingehend vorgeschrieben, dass es die Gerichtsbarkeit vor allen anderen Prozessvoraussetzungen zu prüfen habe. Insbesondere müsse es zuerst die Frage der Gerichtsbarkeit und erst danach die Frage der internationalen Zuständigkeit prüfen.11 Andererseits wird befürwortet, dass das Gericht die internationale Zuständigkeit immer vor der Gerichtsbarkeit zu prüfen habe, da es diese ohne Zuständigkeit ohnehin nicht ausüben dürfe und nur der zuständige Richter gesetzlicher Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG sei.12 Die Frage nach der Prüfungsreihenfolge von deutscher Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit ist allerdings zumeist ohne praktische Relevanz. In welcher Reihenfolge ein Gericht diese beiden Prozessvoraussetzungen prüft, mag daher als rein interner Vorgang ihm überlassen bleiben. Kommt es zu dem Ergebnis, dass bereits eine der beiden Voraussetzungen zu verneinen ist, so muss es in beiden Fällen eine gegen einen ausländischen Staat gerichtete Klage zwingend durch Prozessurteil als unzulässig abweisen. Eine Verweisung des Rechtsstreits an ein ausländisches Gericht, das international zuständig ist, scheidet aus.13 Ob das Gericht nun in der Urteilsbegründung zuerst die eine Voraussetzung bejaht, um dann die andere Voraussetzung zu verneinen, ob es geleitet

 9 Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 14 f.; Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, S. 69; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 281, 288. 10 Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr 3; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 150; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 5; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 155; Spruth, Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, S. 3; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (290). 11 BGH, ZIP 2016, 789 (790); OLG Köln, WM 2016, 1590 (1593); OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1254); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4; Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 3; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 14 (relativierend auf S. 16); Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 5; Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 37; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 84; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 188; Stürner, IPRax 2008, 197 (203); Wagner, RIW 2014, 260 (261); ders., EuZW 2015, 636 (637). 12  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (189), ähnlich auch LG Gießen, NJW 1956, 555 (555) und Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 16, nach dem die Zuständigkeit regelmäßig einfacher festgestellt werden könne. 13  MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnrn. 72, 74; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 281 Rdnr. 6; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 449.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

von prozessökonomischen Erwägungen14 die Klageabweisung sofort auf die nicht vorliegende Voraussetzung stützt oder ob es sich – wenn beide Voraussetzungen nicht vorliegen – in der Urteilsbegründung auf das Nichtvorliegen einer Voraussetzung beschränkt oder beide Voraussetzungen in welcher Reihenfolge auch immer verneint, sei ihm überlassen. Solange es die Klage als unzulässig abweist und keine Entscheidung in der Sache trifft, bleibt die Immunität des beklagten ausländischen Staates durch die Prüfungsreihenfolge unberührt. Entsprechendes gilt, wenn für eine Klage gegen einen ausländischen Staat sowohl die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist als auch die deutschen Gerichte international zuständig sind. Auch dann hat es auf die Rechte des Klägers und des beklagten ausländischen Staates keinerlei Einfluss, in welcher Reihenfolge das Gericht diese beiden Prozessvoraussetzungen in seiner Urteilsbegründung bejaht. Demzufolge ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit keine Pflicht des Gerichts zur Einhaltung einer bestimmten Prüfungsreihenfolge.15 Die Prüfungsreihenfolge ist nur dann relevant, wenn der Rechtsweg nicht eröffnet ist oder das angerufene Gericht sachlich oder örtlich unzuständig ist und damit im Unterschied zur fehlenden internationalen Zuständigkeit eine Verweisung an das zuständige Gericht an und für sich möglich ist. Gleichwohl darf in diesem Fall das angerufene Gericht den Rechtsstreit nicht verweisen und dadurch seine Gerichtsbarkeit mehr als nötig ausüben. Vielmehr darf es keine andere Entscheidung treffen, als die unzulässige Klage durch Prozessurteil abzuweisen. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das an und für sich zuständige Gericht scheidet dagegen aus.16 Außerdem ist die Gerichtsbarkeit abzugrenzen von der Act of State-Doktrin als ungeschriebener Regel des anglo-amerikanischen Rechts, welche die Justitiabilität ausländischer Hoheitsakte betrifft. Die Gerichte einiger Staaten des anglo-amerikanischen Rechtsraums, insbesondere die US-amerikanischen Gerichte, lehnen es ab, über die Rechtmäßigkeit ausländischer Hoheitsakte zu urteilen und diese mit Wirkung für den eigenen Hoheitsbereich abzuändern oder aufzuheben.17 Während die Gerichtsbarkeit Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist, schränkt die Act of State-Doktrin die gerichtliche Prüfungskom-

14 So

Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (33).  So bereits Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (36); für das Vollstreckungsverfahren Weller, Rpfleger 2006, 364 (370 f.); allgemein zur Prüfungsreihenfolge der Prozessvoraussetzungen auch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorbem. zu § 253 Rdnr. 14. 16  BGH, NJW 1979, 1101 (1101); OLG Stuttgart, Beschluss v. 6. 6. ​2013, Az. 5 W 17/13 – juris; Beschluss v. 23. 10. ​2014, Az. 5 U 52/14 – juris; VGH Kassel, NJW 2010, 2680 (2680). 17 Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, S. 96; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 60 f.; Herdegen, Völkerrecht, § 37 Rdnr. 16; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 51; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 38; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1178. 15

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit

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petenz im Rahmen der Sachentscheidung ein.18 Im Unterschied zur Gewährung von Staatenimmunität entspricht diese ungeschriebene Regel allerdings keiner völkerrechtlichen Verpflichtung, sondern sie wird aus dem nationalen Recht hergeleitet.19 Im deutschen Recht ist diese Regel nicht anerkannt. Vielmehr können die deutschen Gerichte auch Entscheidungen ausländischer Gerichte insbesondere nach Maßgabe des § 328 ZPO auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen.20

2. Grenzen der deutschen Gerichtsbarkeit Der deutschen Gerichtsbarkeit sind durch die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität Grenzen gesetzt. Diese geben vor, in welchen Fällen ein ausländischer Staat der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen und in welchen Fällen er von ihr befreit ist. a. Völkerrechtliche Abgrenzungskonzepte Zur Bestimmung der Grenzen zwischen der Ausübung der Gerichtsbarkeit und der Gewährung von Staatenimmunität verfolgen das Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht unterschiedliche Abgrenzungskonzepte, die an dieser Stelle nochmals in Erinnerung gerufen werden sollen:21 Das Europäische Übereinkommen und das UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität gehen von dem Grundsatz aus, dass ein ausländischer Staat nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen ist, und sehen hiervon einen umfangreichen Katalog von Ausnahmen vor.22 So kann nach Art. 15 Hs. 1 EuStImm ein Vertragsstaat keine Immunität von den Gerichten eines anderen Vertragsstaates beanspruchen, es sei denn, die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands nach Art. 1 bis 14 EuStImm sind erfüllt. Diese Bestimmungen enthalten einen breit gefächerten und abschließenden Katalog, in welchen Konstellationen einem ausländischen Staat keine Immunität zukommt. In vergleichbarer Weise sieht Art. 5 UN-Übereinkommen vor, dass ein Staat nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen Immunität von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates genießt. Von diesem Grundsatz enthalten Art. 7 bis 17 UN-Übereinkommen wiederum fallgruppenartig geregelte Ausnahmen.  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 57; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (71 f.).  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr.  466; Herdegen, Völkerrecht, §  37 Rdnr. 16; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 30; Knieper, WiRO 2007, 134 (140). 20  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 466 f.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 55 ff.; Geimer, ZfRV 5 (1992), 321 (333). 21  Siehe bereits Kapitel B. II. 1. a., 2. 22  Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 82; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 561; Kronke, IPRax 1991, 141 (142); Roeder, JuS 2005, 215 (216). 18

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Beide Übereinkommen sind also nach einem Regel-Ausnahme-Prinzip angelegt. Einem anderen Vertragsstaat ist immer dann Immunität und damit Befreiung von der Gerichtsbarkeit zu gewähren, wenn nicht die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands vorliegen. Mit den Übereinkommen ist der Versuch unternommen worden, durch Bildung zahlreicher Fallgruppen die unterschiedlichen Facetten staatlichen Handelns den Kategorien acta iure imperii und acta iure gestionis zuzuordnen. Sie greifen hingegen  – mit Ausnahme von Art. 24 Abs. 1 EuStImm (Fakultativregime) und Art. 27 Abs. 2 EuStImm (Immunität für Rechtsträger)  – nicht explizit das völkergewohnheitsrechtliche Abgrenzungskonzept auf, spiegeln es im Ergebnis aber ganz überwiegend wider.23 Da die Bundesrepublik Deutschland eine Notifikationserklärung gem. Art. 24 Abs. 1 EuStImm abgegeben hat und bislang dem UN-Übereinkommen nicht beigetreten ist, richtet sich für die deutschen Gerichte die Gewährung von Staatenimmunität nach dem Völkergewohnheitsrecht. Gleichwohl bieten die beiden Übereinkommen – flankiert durch die Auslegungsregeln der Art. 31 ff. WVK – den deutschen Gerichten eine maßgebliche Rechtserkenntnisquelle für die Beantwortung der Frage, ob einem ausländischen Staat in einem konkreten Rechtsstreit Immunität zu gewähren ist.24 Nach dem völkergewohnheitsrechtlichen Prinzip der relativen Staatenimmunität besteht folgende Grundregel, die das Bundesverfassungsgericht erstmals in seinem grundlegenden Beschluss vom 30. 4. ​1963 zur deutschen Gerichtsbarkeit gegenüber den auf Werklohn verklagten iranischen Staat herauskristallisierte25 und die seitdem uneingeschränkt Eingang in die deutsche Rechtsprechung gefunden hat: Ein ausländischer Staat unterliegt im Erkenntnisverfahren nicht der inländischen Gerichtsbarkeit, wenn er hoheitlich tätig wird (actum iure imperii). Betätigt er sich hingegen nichthoheitlich (actum iure gestionis), so kann er nicht die Befreiung von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates beanspruchen.26 23  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 73 f.; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 82; Kronke, IPRax 1991, 141 (142); Geiger, NJW 1987, 1124 (1125). 24  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (123)  – Jurisdictional Immunities; BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1534); OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412; MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnr. 645; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 173; Majer, NZA 2010, 1395 (1398). 25  BVerfGE 16, 27 (61); dazu bereits Kapitel B. II. 1. a. 26  So auch IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (124 f.) – Jurisdictional Immunities; BVerfG, NJW 2006, 2542 (2543); 2014, 1723 (1723 f.); BGH, NJW 1979, 1101 (1101); 2003, 3488 (3489); 2013, 3184 (3185); ZfBR 2016, 571 (573); ZIP 2016, 789 (790); BAG, NZA 2001, 683 (684); OLG Koblenz, OLGZ 1975, 379 (380); OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1254 f.); LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1045); LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); Kissel/Mayer, GVG, § 20 Rdnr. 3; Zöller/Lückemann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 4; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 265; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 558, 560, 576; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 148; Habscheid in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 255 (259 f.); Arndt, jurisPR-BKR 8/2015 Anm. 2; Majer, NZA 2010, 1395 (1395); Roeder, JuS 2005, 215 (215); Schütze, BB 1979, 348 (350); Stürner, IPRax 2008, 197 (200); Thole, WM 2012, 1793 (1794); Wagner, RIW 2013, 851 (854).

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit

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Nimmt er also wie eine Privatperson am Rechtsverkehr teil, so muss er sich auch wie eine solche behandeln lassen und kann keine Immunität von den Gerichten eines anderen Staates beanspruchen.27 b. Maßgebliches Recht für die Qualifikation der staatlichen Tätigkeit Die völkergewohnheitsrechtliche Abgrenzungsformel mag auf den ersten Blick griffig erscheinen. Bei näherem Hinsehen impliziert sie jedoch mehrere Fragestellungen, angefangen bei der Frage, nach welchem Recht das Handeln eines ausländischen Staates als hoheitlich oder nichthoheitlich zu qualifizieren ist. So qualifizieren verschiedene Rechtsordnungen eine und dieselbe staatliche Tätigkeit oftmals nach unterschiedlichen Maßstäben. Was nach deutschem Recht eine hoheitliche Betätigung darstellt, kann nach dem Recht des beklagten ausländischen Staates eine nichthoheitliche Betätigung sein oder umgekehrt. aa. Qualifikation nach der lex fori Die Qualifikation einer Staatstätigkeit als hoheitlich oder nichthoheitlich – so seit der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. 4. ​1963 die ständige Rechtsprechung28 und die ganz überwiegenden Literaturstimmen29 – richtet sich nach der lex fori, also nach dem Recht des Gerichtsstaates, da das Völkerrecht keine diesbezüglichen Abgrenzungskriterien kennt. Bei einem Zivilprozess vor deutschen Gerichten bestimmt sich die Qualifikation der staatlichen Tätigkeit demzufolge nach deutschem Recht. Unerheblich ist hingegen, ob der ausländische Staat nach seinem Recht, also der lex causae, die Tätigkeit als hoheitlich oder nichthoheitlich einstuft. Dies gilt auch dann, wenn nach den Regeln des internationalen Privatrechts ausländisches Sachrecht Anwendung findet.30 27  BAG, RIW 2014, 691 (692); LG Frankfurt, IPRspr. 1996 Nr. 157, S. 375 (376); LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 560; Aden, ZRP 2010, 191 (191); Kronke, IPRax 1991, 141 (142). 28 BVerfGE 16, 27 (62); BVerfG, NJW 2014, 1723 (1724); BGH, NJW 1979, 1101 (1101); 2013, 3184 (3185); ZfBR 2016, 571 (573); ZIP 2016, 789 (790); GRUR 2017, 213 (214); BAG, NZA 2001, 683 (686); RIW 2011, 167 (167); NZA 2013, 1102 (1103); KG, Beschluss v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris; OLG Frankfurt, RIW 1977, 720 (721); OLG Koblenz, OLGZ 1975, 379 (381); OLG München, NJW 1975, 2144 (2145); OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1255); LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1045). 29 Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 4; MünchKomm/Patzina, ZPO,§ 12 Rdnr. 64; Prütting/ Gehrlein/Bitz/Steinfatt, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 4; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 266; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 76; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 215 ff.; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 11; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (293); Daub/Eckstein/ Schimang, NZA 2014, 397 (398); Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3; Kronke, IPRax 1991, 141 (142); Thole, WM 2012, 1793 (1794). 30  von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984); vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 Rdnr. 3.

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Daher qualifizierte beispielsweise der Bundesgerichtshof die auf Ersuchen des Bundeskriminalamtes erfolgte Übersendung eines von New Scotland Yard über die Scientology-Bewegung verfassten Berichts durch Interpol London als hoheitliche Tätigkeit. Auch wenn das englische Recht die Tätigkeit von New Scotland Yard von der Ausübung der eigentlichen Staatsgewalt gelöst und nach privatrechtlichen Grundsätzen gestaltet habe, so gehöre nach deutschem Recht die Ausübung polizeilicher Gewalt unzweifelhaft zur hoheitlichen Tätigkeit eines Staates. Daher dürfe sie von der Gewährung von Staatenimmunität nicht ausgenommen werden, selbst wenn sie nach englischem Recht als privatrechtliche Betätigung anzusehen sei.31 Einige Literaturstimmen kritisieren die Qualifikation staatlicher Tätigkeit nach der lex fori, da sie die völkerrechtliche Natur der staatlichen Immunität verkenne. Das Völkerrecht dürfe nicht ausschließlich durch das nationale Recht näher bestimmt werden. Darüber hinaus verstärke die Qualifikation nach der lex fori die Fragmentierung der Immunitätsregeln.32 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass das Völkerrecht – wie bereits erwähnt – keine Kriterien zur Abgrenzung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis kennt. Die Konkretisierung der völkerrechtlichen Grundregel zur relativen Staatenimmunität bedarf daher eines Rückgriffs auf das nationale Recht. Hierbei wird nun vorgeschlagen, dass nicht die lex fori, sondern die lex causae, also das Recht des ausländischen Staates, über den hoheitlichen Charakter einer Tätigkeit und damit über die Reichweite staatlicher Immunität zu entscheiden habe. Aus der Souveränität eines Staates folge sein Bestimmungsrecht.33 Lasse der Forumstaat die in der ausländischen Rechtsordnung vorgenommene Grenzziehung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln außer Acht, so verstoße er gegen das Interventionsverbot und verletze damit den domaine réservé.34 Durch die Qualifikation nach der lex causae entstehe hingegen ein einheitliches Regime, das der Gefahr eines forum shopping durch den ausländischen Staat begegne.35 Die befürwortete Qualifikation nach der lex causae verlagert allerdings nur das Problem der Fragmentierung der Immunitätsregeln, anstatt es zu lösen. Sie gewährleistet zwar einem ausländischen Staat, dass die Gerichte aller anderen

 BGH, NJW 1979, 1101 (1101 f.).  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 99 f.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 45 f.; Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108); ähnlich auch Ress, ZaöRV 1980, 217 (258 f.). 33  Aden, ZRP 2010, 191 (191); Gramlich, NJW 1981, 2618 (2619); ders., RabelsZ 1981, 545 (586 f.); zurückhaltender von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984), nach dem bei der Versagung der Immunität das deutsche Recht nur der erste Orientierungspunkt sein dürfe. 34  Gramlich, NJW 1981, 2618 (2619); ders., RabelsZ 1981, 545 (586). 35 Aden, ZRP 2010, 191 (191). 31 32

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Staaten seine Immunität in der gleichen Weise beurteilen.36 Sie führt aber auch dazu, dass die Gerichte eines Staates dem einen ausländischen Staat für eine Tätigkeit Immunität gewähren und dem anderen ausländischen Staat für eine vergleichbare Tätigkeit Immunität versagen. Die Qualifikation nach der lex fori vermeidet hingegen innerstaatlich eine ungleiche Behandlung ausländischer Staaten durch die Gerichte des Forumstaates.37 Letztlich entspricht die Qualifikation nach der lex fori auch der Grundregel des internationalen Zivilprozessrechts, der zufolge ein Zivilprozess dem Verfahrensrecht des Gerichtsstaates unterliegt.38 Weniger die Praktikabilität und die Beschleunigung des Verfahrens durch Vermeidung der andernfalls oftmals erforderlichen Einholung eines Gutachtens zur ausländischen Rechtslage mögen eine Qualifikation nach der lex fori, die bereits auf den römisch-rechtlichen Grundsatz forum regit processum zurückgeht, rechtfertigen. Vielmehr ist der tragende Grund für die Geltung des Lex fori-Prinzips die öffentlich-rechtliche Natur des Zivilprozessrechts.39 Übt ein deutsches Gericht seine Gerichtsbarkeit aus, also die aus seiner Souveränität fließende Befugnis, innerhalb seines Territoriums Recht zu sprechen, so handelt es sich um eine hoheitliche Tätigkeit eines deutschen Staatsorgans. Solange und soweit das Völkerrecht die deutsche Gerichtsbarkeit nicht einschränkt, bleibt es den deutschen Gerichten daher unbenommen, die Tätigkeit eines ausländischen Staates nach deutschem Zivilprozessrecht zu qualifizieren. bb. Völkerrechtliche Grenzen für den Kernbereich staatlicher Tätigkeit Die Qualifikation der staatlichen Betätigung ist also im Grundsatz nach der lex fori vorzunehmen. Gleichwohl sind dieser Qualifikation völkerrechtliche Grenzen gesetzt. Das nationale Recht darf für die Unterscheidung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis nur mit der Maßgabe herangezogen werden, dass von der Immunität nicht solche Handlungen des ausländischen Staates ausgenommen werden, die zum Kernbereich hoheitlicher Betätigung, d. h. zur Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn, gehören.40 Diese Einschränkung ergibt sich aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrecht, das vom Prin36  So auch BVerfGE 16, 27 (63); Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 219. 37 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 78. 38  BGH, NJW 1985, 552 (553); MünchKomm/Rauscher, ZPO, Einl. Rdnr. 26; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 24 Rdnr. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 Rdnr. 3. 39  Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 24 Rdnr. 2; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, S. 93 f. 40 BVerfGE 16, 27 (63); BVerfG, 2014, 1723 (1724); BGH, ZfBR 2016, 571 (573); ZIP 2016, 789 (790); BAG, NZA 2013, 468 (470); 2013, 1102 (1103); Prütting/Gehrlein/Bitz, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 4; Pieper in: Breuer/Epiney u. a. (Hrsg), FS Klein, S. 839 (850); Daub/Eckstein/ Schimang, NZA 2014, 397 (400); Thole, WM 2012, 1793 (1794).

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zip des internationalen Mindeststandards geprägt wird: Staaten müssen nicht nur ausländischen Individuen, sondern auch anderen Staaten einen Mindeststandard an Rechten einräumen.41 Der Kernbereich staatlicher Gewalt bestimmt sich nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung, mithin nach der anerkannten Auffassung der Völkergemeinschaft. Zu diesem allgemein anerkannten Bereich hoheitlicher Tätigkeit zählen insbesondere die Gesetzgebung, die Rechtspflege, die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt sowie die Ausübung der Polizeigewalt.42 Ist der Kernbereich hoheitlicher Betätigung tangiert, so verbietet sich seine gerichtliche Überprüfung durch einen anderen Staat.43 Damit erfährt die grundsätzlich nach nationalem Recht vorgenommene Abgrenzung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln eine Einschränkung durch das Völkerrecht. Dieses beinhaltet zwar keine positiven Maßstäbe für die Unterscheidung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis, setzt aber der innerstaatlichen Differenzierung Schranken.44 Folglich kann es völkerrechtlich geboten sein, die Tätigkeit eines ausländischen Staates als hoheitlich zu qualifizieren, obwohl sie nach nationalem Recht als privatrechtliche Betätigung anzusehen wäre.45 Demgemäß entschied der Bundesgerichtshof in dem bereits erwähnten Rechtsstreit um die Übersendung eines von New Scotland Yard über die Scientology-Bewegung verfassten Berichts durch Interpol London an das Bundeskriminalamt, dass die Ausübung polizeilicher Gewalt nicht nur zur hoheitlichen Tätigkeit eines Staates nach deutschem Recht, sondern auch zum Kernbereich der Staatsgewalt gehöre.46 Darüber hinaus zählen geheimdienstliche Aktivitäten zu diesem Kernbereich, selbst wenn sie typischerweise verdeckt erfolgen. Hiervon ist nach einem Urteil des Kammergerichts zu einem von Libyen initiierten Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek „La Belle“ auch staatlicher Terrorismus erfasst.47 §§ 1605A, 1605B FSIA, denen zufolge Schadensersatzklagen wegen der staatlich initiierten oder materiell unterstützten Verletzung von Leben, Gesundheit oder Eigentum 41  Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 218. 42 BVerfGE 16, 27 (63); BVerfG, 2014, 1723 (1723); BGH, ZIP 2016, 789 (790); BAG, NZA 2013, 1102 (1103); RIW 2014, 691 (692); Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 20 GVG Rdnr 9; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 76; Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236). 43  BVerfGE 16, 27 (63 f.); BGH, NJW 1979, 1101 (1101 f.); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 580, 582; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 238 ff.; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (293 f.); Gramlich, NJW 1981, 2618 (2619). 44  Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (293); Gramlich, NJW 1981, 2618 (2619). 45 BGH, ZIP 2016, 789 (790); BAG, NZA 2001, 683 (685); OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1255). 46  BGH, NJW 1979, 1101 (1101 f.); dazu Majer, NZA 2010, 1395 (1395 f.). 47 KG, Urteil v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris.

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eines US-Bürgers infolge Folter, außergerichtlicher Tötung oder Flugzeugsabotage der US-Gerichtsbarkeit unterliegen,48 bilden hingegen mangels einer hinreichenden Staatenpraxis nicht das Völkergewohnheitsrecht ab.49 Zum Kernbereich staatlicher Tätigkeit gehören ferner, wenngleich weniger spektakulär, die Pressearbeit für einen ausländischen Staat50 sowie die Ausstellung von Pässen und die Erteilung von Visa51. c. Kriterien zur Präzisierung der Abgrenzungsformel Bei der Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis kommt der Präzisierung der Abgrenzungsformel, wie das prominente Beispiel des Kaufs von Militärstiefeln bei privaten Herstellern zeigt, eine entscheidende Bedeutung zu: Stellt man auf den Zweck des Kaufs ab, so handelt es sich zweifelsohne um die hoheitliche Aufgabe der Versorgung der Soldaten mit den nötigen Ausrüstungsgegenständen. Legt man den Fokus hingegen auf die Natur des Rechtsverhältnisses, so ist der Kauf ein Rechtsgeschäft, wie es jede Privatperson vornehmen kann.52 Nach Art. 2 Abs. 2 Hs. 2 UN-Übereinkommen soll der Zweck staatlichen Handelns dann Berücksichtigung finden, wenn er in der Praxis des Gerichtsstaates für die Feststellung eines privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäfts von Bedeutung ist. So stellt etwa die französische Rechtsprechung für die Qualifikation staatlichen Handelns als acte de gestion publique oder als acte de gestion privée unter anderem auf den damit verfolgten Zweck ab.53 Auch nach deutschem Recht könnten der Zweck oder auch das Motiv staatlichen Handelns für die Zuordnung als hoheitlich oder nichthoheitlich maßgeblich sein. Allerdings besteht bei solch subjektiven Kriterien, die allein vom Willen der für den ausländischen Staat handelnden Organe abhängen, die Gefahr, dass dieser – für den Kläger nur schwer widerlegbar – einen hoheitlichen Zweck bzw. ein hoheitliches Motiv für sich reklamiert, um in den Genuss von Staatenimmunität zu kommen. Daher können je nach Fallgestaltung der Zweck und das Motiv staatlichen Handelns, anstatt die Abgrenzungsformel zu präzisieren, deren An48  Vgl. hierzu Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnrn. 3.067 ff.; Hess in: Geimer (Hrsg.), FS Schütze, S. 269 (274). 49 Vgl. IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (138) – Jurisdictional Immunities; Payandeh, JZ 2012, 949 (953). 50  BAG, NZA 2001, 683 (685); Martiny, IPRax 2013, 536 (539). 51 BAG, DB 1997, 1087 (1087 f.); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 582; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (294). 52  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 65; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 208. 53  Cour de cassation, 1ère civ., Bull. civ. 1990, I, n° 92, p. 69; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 154; Grabinski, IPRax 1992, 55 (56 f.).

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wendung erschweren.54 Vor allem aber verfolgen Staaten mit ihrem Handeln zumindest mittelbar, also im Ergebnis ganz überwiegend hoheitliche Ziele. Das Abstellen auf den Zweck bzw. das Motiv staatlichen Handelns würde damit letztlich eine weitgehende Rückkehr zur absoluten Staatenimmunität bedeuten. Daher wird im deutschen Recht aus guten Gründen die völkergewohnheitsrechtliche Abgrenzungsformel nicht durch den Zweck oder das Motiv staatlichen Handelns präzisiert.55 Maßgeblich für die Qualifikation staatlichen Handelns als actum iure imperii oder als actum iure gestionis sind vielmehr – so grundlegend wieder das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Werklohnforderung wegen der Reparatur der Heizungsanlage in der iranischen Botschaft – die Natur und die äußere Erscheinungsform der staatlichen Handlung bzw. des zwischen Kläger und ausländischem Staat entstandenen Rechtsverhältnisses.56 Die Einordnung staatlichen Handelns als hoheitlich oder als nichthoheitlich richtet sich danach, ob sich in ihm typische Hoheitsgewalt manifestiert hat, der ausländische Staat also öffentlich-rechtlich, oder ob er einer Privatperson vergleichbar, also privatrechtlich, tätig geworden ist.57 So soll auch nach Art. 2 Abs. 2 Hs. 1 UN-Übereinkommen bei der Feststellung eines privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäfts in erster Linie auf die Natur des Vertrags oder Rechtsgeschäfts abgestellt werden.

54 Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 227. 55  BVerfGE 16, 27 (61); BGH, NJW 2013, 3184 (3185); ZfBR 2016, 571 (573); ZIP 2016, 789 (790); BAG, NZA 2001, 683 (684); RIW 2011, 167 (167); NZA 2013, 468 (470); Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 4; Prütting/Gehrlein/Bitz/Steinfatt, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 4; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 266; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 561, 579; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 76; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 227; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 176; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (294); Arndt, jurisPR-BKR 8/2015 Anm. 2; Grabinski, IPRax 1992, 55 (57); Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (398); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984); Schütze, BB 1979, 348 (350). 56 BVerfGE 16, 27 (62); ebenso: BGH, NJW 1979, 1101 (1101); 2013, 3184 (3185); ZfBR 2016, 571 (573); ZIP 2016, 789 (790); GRUR 2017, 213 (214); BAG, RIW 2011, 167 (167); BAG, NZA 2013, 468 (470); 2013, 1102 (1103); OLG Koblenz, OLGZ 1975, 379 (381); Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 4; Prütting/Gehrlein/Bitz/Steinfatt, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 4; Zöller/Lückemann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 4; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 266; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 561; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 176; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (294); Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (398, 400); Kronke, IPRax 1991, 141 (142); Majer, NZA 2010, 1395 (1396); Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (277); Roeder, JuS 2005, 215 (216); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984); Thole, WM 2012, 1793 (1794). 57 BVerfGE 16, 27 (62); BGH, ZfBR 2016, 571 (573); ZIP 2016, 789 (790); BAG, NZA 2013, 468 (470); 2013, 1102 (1103); GRUR 2017, 213 (214); LG Frankfurt, IPRspr. 1996 Nr. 157, S. 375 (376); Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 266; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (294); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984).

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Demzufolge liegt keine hoheitliche Tätigkeit vor, wenn ein ausländischer Staat bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben das Über-Unterordnungs-Verhältnis zu seinen Bürgern verlässt und in einen von Gleichordnung geprägten Wettbewerb mit privaten Unternehmen tritt. Insbesondere auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten gehören zum klassischen Bereich der acta iure gestionis. Ebenso zählen hierzu Geschäfte zur staatlichen Bedarfsdeckung und zur Daseinsvorsorge.58 So ist etwa der im Eingangsbeispiel erwähnte Kauf von Militärstiefeln für die Armee als nichthoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren, da der Staat, anstatt Hoheitsgewalt auszuüben, einen privatrechtlichen Vertrag mit dem Verkäufer schließt.59 Auch wenn er eine Heizung reparieren lässt, Pipelines, Straßen oder Staudämme bauen lässt, ein Grundstück für die Errichtung eines Konsulatsgebäudes kauft und hierzu einen Makler mit der Vermittlung beauftragt oder sich kulturell betätigt, tritt er im Rechtsverkehr wie eine Privatperson auf und handelt daher nichthoheitlich.60 Gleichwohl wird vereinzelt die Natur des staatlichen Handelns bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses als „Leerformel“ kritisiert.61 Sie sei lediglich ein negatives Abgrenzungskriterium, indem sie die vom ausländischen Staat vorgenommene Zwecksetzung ausklammere. Dieses Kriterium verlagere das Problem einer befriedigenden Abgrenzung der acta iure imperii von den acta iure gestionis, anstatt es zu lösen. Es sei wenig aussagekräftig und biete einem Gericht für die Anwendung im konkreten Fall keine genaue Handhabe.62 Vielmehr könne die Differenzierung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln nur im Wege einer umfassenden Interessenabwägung vorgenommen werden.63 Eine umfassende Interessenabwägung birgt jedoch einen entscheidenden Nachteil – den der Rechtsunsicherheit. Dieses Erfordernis würde das erkennende Gericht in aller Regel vor die Sisyphusaufgabe stellen, die Schutzwürdigkeit des Interesses des ausländischen Staates an der Gewährung von Immunität und die des klägerischen Interesses an der Gewährung von Rechtsschutz zu bewerten und angemessen zu gewichten. Damit liefe es Gefahr, die gegenläufigen Interessen fehleinzuschätzen und so die Souveränität des ausländischen Staates oder umgekehrt das Recht des Individuums auf Zugang zu Gericht zu verletzen. 58  OLG Frankfurt, IPRax 1999, 247 (249); OLG Köln, IPRspr. 2004 Nr. 155, S. 340 (343); Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (295); Vogeler, VersR 2011, 588 (589). 59 Hausmann, in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (295); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984). 60  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 583; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (295); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 176; ferner Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236). 61  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 581; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 43; kritisch auch Mertens, AG 1976, 49 (52). 62  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 43 f.; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 231. 63 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 43 f.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Die geforderte umfassende Interessenabwägung widerspräche aber auch dem Interesse des Gerichtsstaates, seinen völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Pflichten in jedem Fall gerecht zu werden. Zugleich könnten die Parteien sowohl bei Vertragsschluss als auch bei Klageerhebung ihr Handeln nur schwerlich an einem solch ergebnisoffenen Kriterium ausrichten. Sowohl ausländische Staaten und rechtsschutzsuchende Individuen als potentielle Parteien eines Zivilprozesses als auch die gerichtliche Praxis verlangen nach handfesten und eindeutigen Abgrenzungskriterien. Die Frage, ob die von einem ausländischen Staat vorgenommene Handlung bzw. das von ihm abgeschlossene Rechtsgeschäft in gleicher Weise von einer Privatperson hätte getätigt werden können, lässt sich in den allermeisten Fällen klar beantworten. Von einer „Leerformel“ kann keine Rede sein. Vielmehr schafft die Qualifikation einer Handlung bzw. eines Rechtsverhältnisses nach der Natur und der äußeren Erscheinungsform Rechtssicherheit im Hinblick auf die Reichweite der Staatenimmunität vor deutschen Gerichten. So richtet sich auch die Rechtswegzuständigkeit für bürgerliche Rechtstreitigkeiten gem. § 13 GVG prima facie nach der Natur des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.64 d. Immunität bei Wechsel der Handlungsform Problematisch gestalten sich diejenigen Fälle, in denen ein ausländischer Staat zunächst einen privatrechtlichen Vertrag schließt, sich später aber der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten durch hoheitliches Handeln etwa in Form eines Gesetzes oder eines Verwaltungsaktes zu entziehen versucht. Hierbei hängt die Gewährung von Staatenimmunität entscheidend von ihrem Bezugspunkt ab: Während das zwischen ausländischem Staat und privatem Vertragspartner bestehende Rechtsverhältnis nichthoheitlicher Natur ist, verlässt der Staat mit einem hoheitlichen Eingriff in das private Rechtsverhältnis die Gleichordnungsebene. Richtet sich daher die deutsche Gerichtsbarkeit für eine Klage des Vertragspartners gegen den ausländischen Staat auf Vertragserfüllung bzw. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach dem zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis oder aber nach dem Eingriff des Staates in das Vertragsverhältnis? Diese Frage ist unlängst im Zusammenhang mit dem Umtausch griechischer Staatsanleihen aktuell geworden. Der griechische Staat unterbreitete im Zuge seiner Staatsschuldenkrise den Inhabern griechischer Staatsanleihen im Februar 2012 ein Angebot, das den Umtausch der bisherigen Anleihen in andere Anleihen mit einer verlängerten Laufzeit und einem deutlich geringeren Nominal64  BGHZ 89, 250 (251); 97, 312 (313 f.); Kissel/Mayer, GVG, § 13 Rdnr. 14; Zöller/Lückemann, ZPO, § 13 GVG Rdnr. 4; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 201; Vogeler, VersR 2011, 588 (593).

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit

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wert vorsah (sog. Hair-Cut). Um einen Zwangsumtausch gegenüber denjenigen Inhabern zu ermöglichen, die dem Angebot nicht zustimmten, erließ das griechische Parlament ein Gesetz, mit dem es Collective Action Clauses einführte, die rückwirkend auch bereits begebene Anleihen erfassten.65 Das Gesetz ermöglichte eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen, indem die mehrheitliche Abstimmung der Anleihegläubiger für den von Griechenland angebotenen Umtausch nunmehr auch für die dagegen stimmenden oder sich nicht beteiligenden Gläubiger bindend wurde. Gegen deren Willen zog die griechische Zentralbank daraufhin auf Anweisung des griechischen Finanzministeriums die ursprünglich begebenen Anleihen durch ihre Entnahme aus den Wertpapierdepots ein und ersetzte diese durch neue Anleihen, die lediglich 53,5 Prozent der ursprünglichen Nominalforderung mit einer längeren Laufzeit verbrieften.66 Daraufhin erhoben etliche Inhaber der vom Zwangsumtausch betroffenen Staatsanleihen vor deutschen Gerichten Klage gegen den griechischen Staat.67 Während einige Gläubiger ihre Klagen nur auf die Nichterfüllung von Besitz‑ und Eigentumsansprüchen stützten,68 verneinte das Landgericht Konstanz als erstes Gericht seine Gerichtsbarkeit für eine Klage, mit der die Inhaber eingezogener Staatsanleihen die Republik Griechenland primär auf Vertragserfüllung und hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch nahmen. Zur Begründung führte es an, dass zwar die ursprüngliche Emission der Anleihen fiskalischer Natur gewesen sei. Entscheidend sei aber die Frage, welche Natur die Einziehung der Anleihen gehabt habe. Mit dem nach der Gläubigerabstimmung erfolgten Zwangsumtausch der Anleihen habe die griechische Regierung im Ermächtigungsrahmen des hierzu vom Parlament beschlossenen Gesetzes gehandelt. Mit dessen Überprüfung an höherrangigem Recht würde das Gericht in die Gesetz-

65 Gesetz

Nr. 4050/2012 v. 23. 2. ​2012 (Greek Bondholder Act). jurisPR-BKR 8/2015 Anm. 2; Sandrock, RIW 2012, 429 (429 ff.); Thole, WM 2012, 1793 (1793); vgl. auch EuGH, EuZW 2015, 633 (633)  – Fahnenbrock; BGH, ZIP 2016, 789 (789 f.). Nach Art. 12 Abs. 3 ESM-Vertrag enthalten nunmehr alle seit dem 1. 1. ​2013 ausgegebenen Staatsschuldtitel des Euro-Währungsgebietes mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Umschuldungsklauseln. 67   Vgl. z. B. BGH, ZIP 2016, 789 ff.; OLG Hamm, BeckRS 2015, 11144; OLG Köln, WM 2016, 1590 ff.; OLG München, BeckRS 2016, 112651; OLG Oldenburg, WM 2016, 1878 ff.; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 ff.; BeckRS 2016, 16044; LG Bonn, Urteil v. 20. 4. ​2016, Az. 1 O 72/13 – juris; BeckRS 2016, 112051; LG Konstanz, Urteil v. 19. 11. ​2013, 2 O 132/13 B, 2 O 132/13 – juris; LG Neuruppin, Beschluss v. 16. 4. ​2014, Az. 5 O 25/14 – juris; Wagner, EuZW 2015, 636 (637) spricht von einer Klagewelle, die auf Griechenland zulaufe. Der BGH, NJW-RR 2016, 1505 (1506 ff.) verurteilte einen Rechtsschutzversicherer, seinem Versicherungsnehmer Deckungsschutz für eine auf vertragliche Ansprüche gestützte Klage gegen Griechenland zu gewähren, da es sich um keine Enteignungsangelegenheit handele. 68   Vgl. z. B. BGH, ZIP 2016, 789 (790 f.); OLG Hamm, BeckRS 2015, 11144; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1253); LG Bonn, Urteil v. 20. 4. ​2016, Az. 1 O 72/13 – juris. 66 Arndt,

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

gebung und damit in den Kernbereich hoheitlicher Betätigung des griechischen Staates eingreifen.69 Es sei deutschen Gerichten jedoch generell verwehrt, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahme der Republik Griechenland zu befinden. Da die Anleihen infolge des Erlasses des Gesetzes durch das griechische Parlament sowie seines Vollzugs durch die zuständigen Regierungsorgane als nicht mehr existent zu betrachten seien, könne es den streitgegenständlichen Erfüllungsanspruch nicht zusprechen. Aber auch der Entscheidung über den hilfsweise von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen, der eine Überprüfung des griechischen Gesetzes an höherrangigem Recht verbiete.70 Das Landgericht Konstanz gewährte Griechenland also mit der Begründung Immunität, der Eingriff in das privatrechtlich ausgestaltete Rechtsverhältnis sei hoheitlicher Natur. Auf diesen Standpunkt stellten sich in der Folge auch das Oberlandesgericht München, das Oberlandesgericht Schleswig, das Landgericht Bonn und einige Literaturstimmen.71 Ihre Erwägungen beruhten auf der Annahme, die Frage nach dem Bezugspunkt für die Gewährung von Staatenimmunität richte sich nach dem deutschen Recht, ohne die vorrangige Frage nach der Existenz einer entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Regel zu klären. Aus den völkervertraglichen Regelungen zur Staatenimmunität, die gewichtige Hinweise auf das Völkergewohnheitsrecht geben, lässt sich dieser Lösungsansatz jedenfalls nicht herleiten. So kann nach Art. 4 Abs. 1 EuStImm ein Vertragsstaat vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates keine Immunität beanspruchen, wenn das Verfahren eine Verpflichtung betrifft, die aufgrund eines Vertrages besteht. In ähnlicher Weise kann nach Art. 10 Abs. 1 UN-Übereinkommen ein Staat sich nicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates berufen, wenn es um Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit einem privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäft geht. Beide Vorschriften stellen also auf die Natur des Rechtsgeschäfts, nicht aber auf die Natur des staatlichen Eingriffs in das Rechtsgeschäft ab. Diese Regelungen stehen in der Tradition der Rechtsprechung des Common Law. So stellte das englische House of Lords 1981 in seiner Entscheidung I Congreso del Partido auf die Natur des Rechtsverhältnisses ab. Dieser das Recht der Staatenimmunität prägenden Leitentscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine chilenische Gesellschaft schloss mit einem kubanischen Staatsunternehmen einen Kaufvertrag über die Lieferung von 128.395 Tonnen Rohrzucker, der zunächst vertragsgemäß mit dem Schiff Playa Larga von Kuba nach  LG Konstanz, Urteil v. 19. 11. ​2013, 2 O 132/13 B, 2 O 132/13 – juris. Konstanz, Urteil v. 19. 11. ​2013, 2 O 132/13 B, 2 O 132/13 – juris. 71  OLG München, BeckRS 2016, 112651; OLG Schleswig, BeckRS 2016, 16044; LG Bonn, BeckRS 2016, 112051; Freitag in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6.657; Nodoushani, WM 2016, 481 (481). 69

70 LG

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit

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Chile transportiert wurde. Während der Löschung der Ladung im Hafen der chilenischen Stadt Valparaiso kam es in Chile zu einem Militärputsch, woraufhin die Playa Larga auf Anweisung der kubanischen Regierung vor Beendigung der Entladung den Hafen verließ. Daraufhin nahm die chilenische Gesellschaft den kubanischen Staat wegen Vertragsbruchs vor englischen Gerichten mit einer actio in rem gegen das in einem englischen Hafen liegende kubanische Schiff I Congreso del Partido in Anspruch.72 Sie vertat dabei die Auffassung, „… once the sovereign has descended into the market place, he can no longer invoke sovereign immunity“, auch als „market place-Doktrin“ bezeichnet.73 Das House of Lords versagte der Republik Kuba die Gewährung von Immunität. Sei ein ausländischer Staat eine privatrechtliche Rechtsbeziehung eingegangen, so falle der Vertragsbruch prima facie in denselben Tätigkeitsbereich. Zweifellos sei der Entschluss des kubanischen Staates, die Entladung des Zuckers vorzeitig zu beenden, eine politische Entscheidung gewesen. Nichtsdestotrotz habe er so gehandelt, wie jeder andere Schiffseigner gehandelt hätte. Wenn Immunität nur bis zu dem Augenblick gewährt werde, in dem der privatwirtschaftlich tätige Staat eine politische Entscheidung treffe, so verlöre der Grundsatz der relativen Staatenimmunität fast vollständig an Bedeutung.74 Aus dieser Leitentscheidung ist der Grundsatz „once a trader always a trader“ entwickelt worden.75 Die zwischen einem ausländischen Staat und einem Handelspartner eingegangene Rechtsbeziehung ändert ihren privatrechtlichen Charakter nicht dadurch, dass sich ein Staat aus politischen Erwägungen seinen vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen versucht.76 Da es sich um einen Bruch einer auf der Gleichordnungsebene eingegangenen Vertragsbeziehung handelt, spielt es für die Frage des Rechtsschutzes des Vertragspartners keine Rolle, mit welchen Mitteln der Staat seine vertraglichen Verpflichtungen verletzt. Für den Vertragsbruch verdient er keinen Schutz durch das Völkerrecht. Er kann sich daher der Gerichtsbarkeit, die sich aus seinem Handeln iure gestionis ergibt, nicht dadurch entziehen, dass er später als Hoheitsträger auftritt und in das Privatrechtsverhältnis durch Gesetz oder Verwaltungsakt eingreift. Hieraus

72  I Congreso del Partido [1983] 1 A. C. 244 at 258; hierzu Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, S. 225 und Schreuer, RIW 1979, 156 (159). 73 Vgl. die Schilderung der Queen’s Bench Division in I Congreso del Partido [1978] 1 All ER 1169 at 1189 als Vorinstanz; hierzu Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 104; Finke, EJIL 21 (2011), 853 (859). 74 I Congreso del Partido [1983] 1 A. C. 244 at 268 et seq.; hierzu Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 105 f. und Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1173. 75  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 106; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 584; Schreuer, State Immunity, S. 22, 111. 76  Von Schönfeld, Die Staatenimmunität im amerikanischen und englischen Recht, S. 101 f.; Seidl-Hohenveldern in: Sandrock (Hrsg.), FS Beitzke, S. 1081 (1091 f.); Thole, WM 2012, 1793 (1794); Weller/Fischer, IWRZ 2016, 172 (173); ähnlich auch Schinkels, LMK 2015, 371692.

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erwächst ihm nachträglich kein Anspruch auf Gewährung von Immunität gegenüber dem Gerichtsstaat.77 Andernfalls wäre die Pforten zurück zum Grundsatz der absoluten Immunität geöffnet, hätte es ein ausländischer Staat nach Begründung eines Privatrechtsverhältnisses in der Hand, sich der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates für eine auf die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen gerichtete Klage zu entziehen. Die historische Entwicklung macht dies deutlich: So geriet der Grundsatz der absoluten Staatenimmunität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Zunahme grenzüberschreitender wirtschaftlicher Aktivitäten von Staaten ins Wanken, da die Gewährung von Immunität für ihre aus einem nichthoheitlichen Rechtsverhältnis resultierenden Verpflichtungen als eine nicht länger hinnehmbare Privilegierung erachtet wurde.78 Auch das schweizerische Bundesgericht bejahte bereits 1918 in einem Rekurs des österreichischen Finanzministeriums gegen Dreyfus die schweizerische Gerichtsbarkeit für den Erlass eines Arrestbefehls auf Rückzahlung des in Staatsschatzanweisungen verbrieften Kapitalbetrags, die das österreichische Finanzministerium ausgegeben hatte. Nach Ausgabe der Wertpapiere erließ Österreich ein Kriegsgesetz, nach dem diese nach Fälligkeit nur eingelöst werden sollten, wenn ihre jeweiligen Inhaber eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass sie nicht im Eigentum eines Österreich feindlichen Staatsangehörigen stehen. Da die vom österreichischen Finanzministerium als Zahlstelle benannte schweizerische Bank die Einlösung der Wertpapiere aus diesem Grund verweigerte, erwirkte Dreyfus einen entsprechenden Arrestbefehl, den das Bundesgericht bestätigte. Hierbei stellte es für die Bejahung der schweizerischen Gerichtsbarkeit ausschließlich auf die privatrechtliche Natur des durch die Ausgabe der Staatsschatzanweisungen begründeten Rechtsverhältnisses des österreichischen Staates zu den Anweisungsinhabern, nicht dagegen auf das Kriegsgesetz ab.79 Ein knappes Jahrhundert später hatten die österreichischen Gerichte über den Bezugspunkt für die Gewährung von Staatenimmunität bei einem Wechsel der Handlungsform zu entscheiden, als auch in Österreich Klagen im Zusammenhang mit dem Zwangsumtausch griechischer Staatsanleihen erhoben wurden. So versagte der Oberste Gerichtshof 2014 und 2015 dem beklagten griechischen Staat jeweils die Gewährung von Immunität für eine Klage, soweit diese auf Erfüllung der Anleihebedingungen bzw. auf Schadensersatz wegen deren Nichterfüllung gerichtet war. Er hielt es für entscheidend, dass der Rechtsstreit im 77 So auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 106; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 584; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 410; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 182; Schreuer, State Immunity, S. 110 f.; Müller, NJW 2016, 1662 (1662); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984); Weller/Fischer, IWRZ 2016, 172 (172). 78  Siehe hierzu Kapitel B. I. 2. 79  BGE 44 I 49 (49 f., 55); hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 239 ff.

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Kern eine vertragliche Grundlage habe. Da der griechische Staat bei der Emission der Anleihen auf dem Markt wie jeder andere Kreditnehmer aufgetreten sei, unterliege er der österreichischen Gerichtsbarkeit.80 Schließlich stellte auch der Europäische Gerichtshof 2015 im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens deutscher Gerichte im Zusammenhang mit den griechischen Staatsanleihen zur Frage, ob der Begriff der Zivil‑ oder Handelssache in Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuZVO Klagen auf Vertragserfüllung und Schadensersatz gegen den emittierenden Staat erfasst, auf die privatrechtliche Natur des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses ab. Die Emission von Anleihen setze nicht notwendigerweise die Wahrnehmung von Befugnissen voraus, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abwichen. Auch sei nicht offensichtlich, dass die finanziellen Bedingungen der Wertpapiere einseitig von Griechenland festgelegt worden wären und nicht auf der Grundlage der Marktbedingungen, die den Handel und die Rendite dieser Finanzinstrumente regelten. Dagegen sei der Umstand, dass die Möglichkeit zum Umtausch der Anleihen durch Gesetz eingeführt worden sei, nicht ausschlaggebend für den Schluss, dass der griechische Staat hoheitliche Rechte ausgeübt habe.81 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen: Auch wenn der Erlass des Gesetzes, mit dem das griechische Parlament die Collective Action Clauses einführte, zum Kernbereich der griechischen Staatstätigkeit gehörte, so bleibt für die Frage der Gewährung von Immunität das zwischen dem griechischen Staat und den Anleihegläubigern bestehende Rechtsverhältnis maßgebend, auf dem die klageweise geltend gemachten Ansprüche gestützt werden. Infolgedessen kommt es – wie auch das Oberlandesgericht Köln und das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden haben und wie es der überwiegenden Auffassung im Schrifttum entspricht – nicht darauf an, ob ein ausländischer Staat sich mit hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Mitteln seinen vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen versucht.82 Damit hätte das Landgericht Konstanz und die sich ihm anschließenden Gerichte dem griechischen Staat für die Klagen auf Erfüllung bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung der vom Zwangsumtausch betroffenen Anleihegläubiger keine Immunität gewähren dürfen. Inwieweit die klageweise geltend gemachten Ansprüche tatsächlich bestehen und inwieweit hierbei ihre Prüfungskompetenz 80 OGH, Beschluss v. 20.  5. ​2014, Az. 4 Ob 227/13f; ÖJZ 2016, 164 (166) m. zust. Anm. Garber; vgl. auch OGH, Beschluss v. 31. 8. ​2015, Az. 6 Ob 122/15g. 81  EuGH, EuZW 2015, 633 (636) – Fahnenbrock m. zust. Anm. Knöfel, RIW 2015, 503 f. 82 So nunmehr auch OLG Köln, WM 2016, 1590 (1594) m. zust. Anm. Hirth, jurisPR-IWR 4/2016 Anm. 2 und Mankowski, WuB 2016, 617 (618); OLG Oldenburg, WM 2016, 1878 (1880) m. zust. Anm. Cranshaw, jurisPR-IWR 4/2016 Anm. 1; ebenso Garber, ÖJZ 2016, 167 (167); Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 191 f.; Seidl-Hohenveldern in: Sandrock (Hrsg.), FS Beitzke, S. 1081 (1091); Kräft, GWR 2016, 189 (189); Müller, NJW 2016, 1662 (1662); ders., RIW 2016, 80 (81); Thole, WM 2012, 1793 (1794); Weller/Fischer, IWRZ 2016, 172 (173); ähnlich auch Schinkels, LMK 2015, 371692.

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im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des griechischen Gesetzes reicht, hätten sie als materiell-rechtliche Fragestellung in zutreffender Weise erst im Rahmen der Begründetheit erörtern dürfen.83 Vor allem aber hätten diese Gerichte sich der bereits ergangenen, die völkerrechtliche Praxis prägenden Rechtsprechung insbesondere des House of Lords und des schweizerischen Bundesgerichts sowie der Auffassung des Schrifttums nicht einfach widersetzen dürfen. Vielmehr hätten sie angesichts daraus resultierender objektiver Zweifel die völkerrechtliche Frage nach dem Bezugspunkt für die Gewährung von Staatenimmunität bei Wechsel der Handlungsform richtigerweise nach Art. 100 Abs. 2 GG zunächst dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen, dem auf nationaler Ebene die Deutungshoheit über das Völkergewohnheitsrecht zukommt.84

3. Erweiterung der deutschen Gerichtsbarkeit in besonderen Konstellationen? Einem ausländischen Staat könnte in Abweichung zur völkergewohnheitsrechtlichen Grundregel auch für sein hoheitliches Handeln keine Immunität zukommen, weil er dem deutschen Staat für dessen hoheitliches Handeln ebenso wenig Immunität gewährt oder weil er wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen in Anspruch genommen wird. a. Fehlende Verbürgung der Gegenseitigkeit Soweit ein Staat einem anderen Staat für sein hoheitliches Handeln keine Immunität gewährt, könnte dieser im Gegenzug geneigt sein, seinerseits die Gewährung von Immunität von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig zu machen. So kann nach sec. 15 (1) (a) SIA die englische Krone die nach dem State Immunity Act vorgesehene Immunität gegenüber einem ausländischen Staat beschränken, wenn dieser dem Vereinigten Königreich in geringerem Umfang Immunität zukommen lässt. Nach Art. 47 Abs. 2 lit. a) WÜD gilt es nicht als Diskriminierung, wenn der Empfangsstaat eine Bestimmung des WÜD deshalb einschränkend anwendet, weil sie im Entsendestaat auf seine eigene Mission ebenfalls einschränkend angewandt wird. Das Europäische Übereinkommen und das UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität enthalten hingegen keine vergleichbare Regelung. Aber auch die soeben angeführten Bestimmungen lassen nicht den Schluss zu, dass die deutschen Gerichte ohne weiteres die Einräumung von Staatenimmunität von einem  So OGH, ÖJZ 2016, 164 (166); Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 191. Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 2 GG siehe im Einzelnen Kapitel C. VII. 2. c. bb.

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84 Zur

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Erfordernis der Gegenseitigkeit abhängig machen dürften.85 Deren Gewährung steht nicht zur Disposition des Gerichtsstaates, soweit er hierzu von Völkerrechts wegen verpflichtet ist. Das Völkerrecht lässt nur dann eine Ausnahme zu, wenn die Voraussetzungen für die Verhängung einer Repressalie als zulässige Reaktion auf die völkerrechtswidrige Versagung von Staatenimmunität erfüllt sind.86 Im deutschen Recht fehlt es jedoch seit der Streichung des § 24 EGZPO a. F.87 mit Wirkung zum 1. 10. ​1998 an einer Rechtsgrundlage für eine entsprechende Repressalie. Deutsche Gerichte haben einem beklagten ausländischen Staat daher auch dann Immunität zu gewähren, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.88 Abgesehen davon würde ein Gegenseitigkeitserfordernis lediglich dann nicht die Souveränität eines ausländischen Staates verletzen, wenn die deutschen Gerichte ihm nur insoweit keine Immunität gewährten, als sie hierzu nicht von Völkerrechts wegen verpflichtet sind.89 Allerdings wäre die Gewährung von Staatenimmunität über das völkerrechtlich gebotene Maß hinaus ohnehin mit dem Recht des Individuums auf Zugang zu Gericht unvereinbar.90 b. Schwere Menschenrechtsverletzungen Ein ausländischer Staat könnte ausnahmsweise auch für sein hoheitliches Handeln der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, wenn es zugleich eine schwere Menschenrechtsverletzung darstellt. Relevant wurde diese Fragestellung in der umgekehrten Situation, als die Bundesrepublik Deutschland vor italienischen und griechischen Gerichten wegen während des Zweiten Weltkriegs verübter Kriegsverbrechen verklagt wurde. So erhob zum einen Luigi Ferrini, der 1944 von deutschen Streitkräften von Italien nach Deutschland deportiert und dort zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde, vor italienischen Gerichten Schadensersatzklage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Nachdem zunächst der Tribunale di Arezzo und die Corte d’Appello di Firenze seine Klage mangels italienischer Gerichtsbarkeit abge85 So

auch für sec. 15 (1) (a) SIA Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 62. Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 62; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 574, 648; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 448; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (36). 87  § 24 EGZPO a. F. lautete: „Unter Zustimmung des Bundesrats kann durch Anordnung des Reichskanzlers bestimmt werden, daß gegen einen ausländischen Staat sowie dessen Angehörige und ihre Rechtsnachfolger ein Vergeltungsrecht zur Anwendung gebracht wird.“ 88  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 574, 648; vgl auch Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 2.4 f. 89 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 448; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (36). 90 Siehe Kapitel B. IV. 2. a.–c. 86 Damian,

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wiesen hatten, entschied 2004 die Corte Suprema di Cassazione91, dass sich der deutsche Staat für schwere Menschenrechtsverletzungen nicht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen könne. Menschenrechte als zwingende Regeln des Völkerrechts könnten nicht durch die rangniedrigeren Regeln der Staatenimmunität eingeschränkt werden. Sie wies daher die Rechtssache zurück an die Corte d’Appello di Firenze, die dem Kläger 2011 einen Schadensersatzanspruch zusprach.92 Zum anderen verklagten etliche Angehörige der Opfer, die 1944 während eines von der deutschen Wehrmacht verübten Massakers im griechischen Dorf Dístomo ums Leben kamen, die Bundesrepublik Deutschland vor dem Protodikeío Livadía (Landgericht Livadía) auf Schadensersatz. Dieses sprach den Klägern 1997 im Wege eines Versäumnisurteils Schadensersatz zu, das der Areios Pagos93 als Oberster Gerichtshof 2000 bestätigte. Der griechische Justizminister verweigerte jedoch seine für die Vollstreckung des Urteils in Griechenland erforderliche Zustimmung, da Deutschland Staatenimmunität zukomme.94 Daher beantragten die Kläger die Vollstreckbarerklärung des Versäumnisurteils in Italien. Die Corte d’Appello di Firenze erklärte es 2005 unter Berufung auf die Ferrini-Entscheidung für vollstreckbar und die Corte Suprema di Cassazione95 bestätigte 2008 die Exequaturentscheidung. Da die Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Verurteilung zu Grunde liege, könne sich die Bundesrepublik Deutschland wiederum nicht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen.96 Damit waren die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung in Italien geschaffen. Die griechischen Vollstreckungsgläubiger ließen sich eine Zwangshypothek für ein im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehendes Grundstück nahe des Comer Sees eintragen, auf dem sich die dem deutsch-italienischen Kulturaustausch gewidmete Villa Vigoni befand.97 Daraufhin erhob die Bundesrepublik Deutschland 2008 Klage gegen die Republik Italien vor dem Internationalen Gerichtshof mit dem Antrag festzustellen, dass die Entscheidungen der italienischen Gerichte ihre Staatenimmunität ver91  Corte Suprema di Cassazione, ILR 128 (2004), 658 ff.; hierzu ausführlich De Sena/De Vittor, EJIL 16 (2005), 89 (93 ff.). 92 Vgl. Kloth/Brunner, AVR 50 (2012), 218 (220); Krajewski/Singer, UNYB 16 (2012), 1 (12 ff.); Payandeh, JZ 2012, 949 (950); Stürner, IPRax 2008, 197 (201 f.). 93  Areios Pagos, KJ 2000, 472 (472 ff.). 94 Vgl. Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 96, 98; Rinke Schadensersatzklagen gegen Staaten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen im Europäischen Zivilprozessrecht, S. 61; Appelbaum, HuV 2004, 190 (190); Kreicker, ZIS 2012, 107 (107); Paech, AVR 47 (2009), 36 (36 f.). 95  Corte Suprema di Cassazione, NVwZ 2008, 1100 (1101). 96  Vgl. Frenzel/Wiedemann, NVwZ 2008, 1088 (1088); Payandeh, JZ 2012, 949 (950); Selbmann, DÖV 2014, 272 (274). 97  Rinke Schadensersatzklagen gegen Staaten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen im Europäischen Zivilprozessrecht, S. 65; Kloth/Brunner, AVR 50 (2012), 218 (222); Krajewski/ Singer, UNYB 16 (2012), 1 (15 f.); Payandeh, JZ 2012, 949 (950); Wagner, RIW 2013, 851 (855).

I. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit

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letzten. Mit Urteil vom 3. 2. ​2012 gab der Internationale Gerichtshof der Klage statt und kam zu dem Ergebnis, dass die Gewährung von Staatenimmunität auch für Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gelte.98 Hierbei ging er zunächst davon aus, dass die Kriegsverbrechen der deutschen Soldaten souveräne, hoheitliche Handlungen seien und damit der Staatenimmunität unterfielen. Weder ihre Völkerrechtswidrigkeit noch der Umstand, dass sie auf dem Territorium des Gerichtsstaates erfolgten, lasse eine Ausnahme von der Gewährung von Staatenimmunität zu.99 Sodann beschäftigte sich der Internationale Gerichtshof mit dem Einwand Italiens, nach dem einem Staat auch für sein hoheitliches Handeln keine Immunität zukomme, wenn dem Rechtsstreit zivilrechtliche Ansprüche wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu Grunde lägen. Nach einer Analyse der Staatenpraxis erteilte er dieser These eine Absage, da sich aus dem Völkergewohnheitsrecht keine Regel herleiten lasse, nach der die Gewährung von Staatenimmunität von der Schwere der Verletzungen abhänge.100 Selbst die Qualifizierung der Vorschriften des humanitären Völkerrechts als zwingendes Recht könne nicht zu einer Durchbrechung der Staatenimmunität führen.101 Es mag zunächst verwundern, dass der Internationale Gerichtshof dem Grundsatz der Staatenimmunität den Vorzug gegenüber dem humanitären Völkerrecht zu geben und das rechtsschutzsuchende Individuum selbst bei schweren Menschenrechtsverletzungen rechtsschutzlos zu stellen scheint. Allerdings gewährt er der Verletzung der zwingenden Vorschriften des humanitären Völkerrechts keinen prinzipiellen Vorrang vor dem Grundsatz der Staatenimmunität, da es sich um unterschiedliche Rechtsmaterien handelt. Die Staatenimmunität stehe nicht im Widerspruch zu den Menschenrechten oder den Normen des humanitären Völkerrechts, da sie keinen Verstoß gestatte, sondern nur einer gerichtlichen Durchsetzung daraus resultierender sekundärer Entschädigungsansprüche entgegenstehe. Der prozessuale Grundsatz der Staatenimmunität habe lediglich die Ausübung der Gerichtsbarkeit, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Kriegshandlungen zum Gegenstand.102 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen: In dem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof ging es nicht um die Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sowie daraus resultierender Schadensersatzansprüche,  98  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (105 ff.) – Jurisdictional Immunities; dazu Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 278; Hess, IPRax 2012, 201 ff.; Kloth/Brunner, AVR 50 (2012), 218 ff.; Krajewski/Singer, UNYB 16 (2012), 1 ff.; Kreicker, ZIS 2012, 107 ff.; Payandeh, JZ 2012, 949 ff.; Wagner, RIW 2013, 851 (854 f.); so auch bereits Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, S. 183 ff.  99 IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (126 ff.) – Jurisdictional Immunities. 100  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (136 ff.) – Jurisdictional Immunities. 101  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (140 ff.) – Jurisdictional Immunities. 102 IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (140) – Jurisdictional Immunities.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

sondern um ihre gerichtliche Geltendmachung. Wegen der unterschiedlichen Natur von materiellem Recht und Prozessrecht besteht kein Hierarchieverhältnis zwischen den Menschenrechten und der Staatenimmunität, so dass den Menschenrechten auch kein prinzipieller Vorrang vor dem Grundsatz der Staatenimmunität als Norm des klassischen Völkerrechts zukommen kann.103 Damit sind die Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen durch die Gewährung von Staatenimmunität zwar rechtsschutzlos, nicht aber unbedingt rechtlos gestellt. Vielmehr werden Kriegsentschädigungen üblicherweise, um eine dauerhafte Aussöhnung zu gewährleisten, in völkerrechtlichen Entschädigungsabkommen geregelt, nicht aber individuell vor nationalen Gerichten durchgesetzt.104 So schloss zwar Deutschland mit Italien Vereinbarungen über Schadensersatzansprüche und gründete 2000 die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, um Zwangsarbeiter und andere Opfer des Nationalsozialismus zu entschädigen.105 Allerdings sind mehrere Opfergruppen vom Kreis der Entschädigungsberechtigten ausgenommen, was der Internationale Gerichtshof mit Verwunderung und Bedauern zur Kenntnis nahm.106

II. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit Das Europäische Übereinkommen und das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität regeln verschiedene Fallgruppen, in denen ein Vertragsstaat vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates keine Immunität beanspruchen kann. Ausgehend von diesen sowie von speziellen völkervertraglichen Regelungen verdienen die typischen Konstellationen, in denen ein ausländischer Staat auch nach der völkergewohnheitsrechtlichen Abgrenzungsregel der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, eine nähere Betrachtung.

1. Privatrechtliche Verträge Eine der wichtigsten Ausnahmen von der Gewährung von Staatenimmunität sind Streitigkeiten über die Pflichten eines ausländischen Staates aus einem privatrechtlichen Vertrag.107 103  So auch Appelbaum, HuV 2004, 190 (196); Kloth/Brunner, AVR 50 (2012), 218 (229 ff.); Krajewski/Singer, UNYB 16 (2012), 1 (24); Kreicker, ZIS 2012, 107 (113); Payandeh, JZ 2012, 949 (957); Salomon, BLJ 2009, 62 (65). 104  Kloth/Brunner, AVR 50 (2012), 218 (242); Kreicker, ZIS 2012, 107 (115). 105  Frenzel/Wiedemann, NVwZ 2008, 1088 (1088); Krajewski/Singer, UNYB 16 (2012), 1 (12 f.). 106  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (143) – Jurisdictional Immunities. 107  Ähnlich O’Keefe/Tams/Wittich, UNCSI, Art. 10, S. 168: „… the commercial transaction exception … is arguably the most important in practice.“

II. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit

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a. Völkervertragliche Regelungen Nach Art. 4 Abs. 1 EuStImm kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn das Verfahren seine Verpflichtung betrifft, die aufgrund eines Vertrags – mit Ausnahme eines Arbeitsvertrags – besteht, und die Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen ist. Diese Formulierung ist weit gefasst und erstreckt sich auch auf Verträge, die keine kommerzielle Tätigkeit eines ausländischen Staates zum Gegenstand haben.108 Entscheidend ist allein die Belegenheit des Erfüllungsortes im Gerichtsstaat, während es auf den Ort des Vertragsschlusses109 ebenso wenig ankommt wie auf den Erfüllungsort der Gegenleistung110. Art. 4 Abs. 2 EuStImm sieht drei Gegenausnahmen vor: Erstens ist der Vertrag zwischen Staaten geschlossen worden (lit. a). Dies entspricht der Intention des Übereinkommens, nur den Rechtsschutz von Privatpersonen gegenüber ausländischen Staaten zu verbessern.111 Für aus Verträgen zwischen Staaten resultierende Streitigkeiten sieht das Völkerrecht Streitlösungsmechanismen vorrangig auf diplomatischer Ebene sowie durch internationale Gerichte oder Schiedsgerichte, nicht aber durch die Zivilgerichte eines streitbeteiligten Staates vor.112 Eine weitere Ausnahme besteht, wenn die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben (lit. b). Ein bestimmter Inhalt ist für diese Vereinbarung nicht vorgegeben. Sie kann beispielsweise dahingehend lauten, dass dem beklagten Vertragsstaat Immunität zu gewähren ist oder Art. 4 Abs. 1 EuStImm keine Anwendung finden soll.113 Schließlich kommt einem beklagten Staat keine Immunität zu, wenn er den Vertrag in seinem Hoheitsgebiet geschlossen hat und die Verpflichtung seinem Verwaltungsrecht unterliegt (lit. c). Entsprechend dem völkergewohnheitsrechtlichen Abgrenzungskonzept sind damit öffentlich-rechtliche Verträge, bei denen also ein Staat nicht einer Privatperson vergleichbar Vertragspartei ist, von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates ausgenommen.114 Im Unterschied zur völkergewohnheitsrechtlichen Qualifikation nach der lex fori ist hierbei al108 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (32); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 75; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (84). 109  Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (535). 110  Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (84). 111 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (32); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 6; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 715; Kronke, IPRax 1991, 141 (143). 112 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rdnrn. 1 ff.; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 73. 113  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (32); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 6. 114  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (32); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 6; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 84; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 717.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

lerdings das Verwaltungsrecht des beklagten Vertragsstaates, also die lex causae, maßgeblich. Art. 4 EuStImm wird ergänzt durch Art. 7 EuStImm. Nach dieser Vorschrift kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn er im Gerichtsstaat ein Büro, eine Agentur oder eine andere Niederlassung hat, durch die er auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt. Darüber hinaus muss das Verfahren diese Tätigkeit des Büros, der Agentur oder der Niederlassung betreffen. Die Immunitätsausnahme findet nach Art. 7 Abs. 2 EuStImm keine Anwendung, wenn alle Streitparteien Staaten sind oder wenn die Parteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben. Der Regelungsgegenstand des Art. 7 EuStImm ist bereits teilweise durch Art. 4 EuStImm erfasst. Eine eigenständige Bedeutung hat erstere Regelung vor allem für vertragliche Ansprüche, die der beklagte Staat nicht im Gerichtsstaat zu erfüllen verpflichtet ist, und ferner für außervertragliche Ansprüche.115 Vergleichbar zu Art. 4 EuStImm wird wiederum ein ausreichender Anknüpfungspunkt der streitgegenständlichen staatlichen Tätigkeit zum Gerichtsstaat verlangt, nämlich in Form einer Niederlassung des beklagten Staates im Gerichtsstaat.116 Aus der Formulierung der in Art. 7 EuStImm genannten Aktivitäten geht hervor, dass es nicht auf den Zweck, sondern auf die Natur staatlichen Handelns ankommt. Die Formulierung „wie eine Privatperson“ betont hierbei die Zuordnung zu Rechtsgrundlagen, die nicht exklusiv einem Staat für sein hoheitliches Handeln zur Verfügung stehen.117 Das UN-Übereinkommen enthält keine Art. 7 EuStImm vergleichbare Regelung. Eine Art. 4 EuStImm ähnliche, wenn auch nicht identische Regelung stellt hingegen Art. 10 UN-Übereinkommen dar. Nach dieser Vorschrift kann sich ein Staat, der ein privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft mit einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person tätigt, nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen, wenn Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäft aufgrund der anwendbaren Regeln des Internationalen Privatrechts unter die Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Staates fallen. In letzterem Passus scheint auf den ersten Blick eine Selbstverständlichkeit formuliert zu sein, kann doch ein Staat vor seinen eigenen Gerichten ohnehin keine Staatenimmunität beanspruchen. Der etwas missverständlich formulierte Hinweis auf die Zuständigkeitsregeln des Internationalen  Kronke, IPRax 1991, 141 (143).  Vgl. Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (33); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 9; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 84; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 723. 117  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 75; ähnlich auch Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (33). 115 116

II. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit

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Privatrechts – richtigerweise des Internationalen Zivilprozessrechts – soll klarstellen, dass Art. 10 Abs. 1 UN-Übereinkommen lediglich die Staatenimmunität regelt, aber keinen zusätzlichen Gerichtsstand schafft.118 Art. 10 Abs. 1 UN-Übereinkommen ist im Vergleich zu Art. 4 Abs. 1 EuStImm teils weiter, teils enger formuliert. So setzt erstere Immunitätsausnahme einerseits nicht voraus, dass der ausländische Staat seine vertragliche Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen hat.119 Andererseits verlangt sie, dass der beklagte Staat das privatwirtschaftliche Rechtsgeschäft mit einer ausländischen Person getätigt hat. Bei einer Klage einer inländischen Person gegen ihren Heimatstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates greift die Immunitätsausnahme also nicht. Vielmehr sollen Streitigkeiten zwischen einem Staat und seinen Staatsangehörigen bzw. inländischen Unternehmen auch vor den Gerichten dieses Staates entschieden werden.120 Unterschiedlich ist auch die Terminologie der beiden Regelungen. Während Art. 4 Abs. 1 EuStImm einem Vertragsstaat keine Immunität im Hinblick auf seine aufgrund eines Vertrags bestehende Verpflichtung gewährt, stellt Art. 10 Abs. 1 UN-Übereinkommen auf Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit einem privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäft ab. Der Schlüsselbegriff des privatrechtlichen Rechtsgeschäfts wird in Art. 2 Abs. 1 lit. c) UN-Übereinkommen näher bestimmt.121 Hierzu zählen privatwirtschaftliche Verträge oder privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte zum Zweck des Warenkaufs oder der Erbringung von Dienstleistungen (lit. i), Darlehensverträge oder andere Rechtsgeschäfte finanzieller Art einschließlich aller Garantie‑ oder Entschädigungsverpflichtungen in Bezug auf solche Darlehen oder Rechtsgeschäfte (lit. ii) sowie sonstige Verträge oder sonstige Rechtsgeschäfte privatwirtschaftlicher oder gewerblicher Art oder über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen mit Ausnahme von Arbeitsverträgen (lit. iii). Art. 2 Abs. 1 lit. c) UN-Übereinkommen nennt also einerseits explizit eine Reihe von Vertragstypen, die zu den privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäften zählen, und enthält andererseits in lit. iii) eine Auffangklausel für sonstige Rechtsgeschäfte privatwirtschaftlicher Art (transactions of a commercial nature), die fast wortgleich den definierten Begriff des privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäfts (commercial transaction) erfasst. Diese Auffangbestimmung ist aber auch nötig, da einem Konventionsstaat andernfalls im Hinblick auf eine Reihe 118  O’Keefe/Tams/Wittich, UNCSI, Art. 10, S. 175; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 72. 119  O’Keefe/Tams/Wittich, UNCSI, Art. 10, S. 176 f. 120  O’Keefe/Tams/Wittich, UNCSI, Art. 10, S. 175 f.; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 72 f.; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 420. 121  Vgl. O’Keefe/Tams/Wittich, UNCSI, Art. 10, S. 174; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 415, 417.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

typisch privatwirtschaftlicher Rechtsgeschäfte wie etwa Mietverträge, Leihverträge, Schuldanerkenntnisse und Vergleiche Immunität zukäme. Bei der Feststellung, ob es sich bei einem Vertrag um ein privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft handelt, soll nach Art. 2 Abs. 2 UN-Übereinkommen – ebenso wie bei der Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis nach deutschem Recht – auf die Natur des Vertrags oder Rechtsgeschäfts abgestellt werden. Allerdings soll der Zweck ebenfalls Berücksichtigung finden, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder wenn er in der Praxis des Gerichtsstaates für die Feststellung der nicht privatwirtschaftlichen Natur des Vertrags oder sonstigen Rechtsgeschäfts von Bedeutung ist. Da es nach deutschem Recht allerdings nicht auf den Zweck, sondern ausschließlich auf die Natur und die äußere Erscheinungsform der staatlichen Handlung bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses ankommt,122 kann der Zweck nur im Fall einer Parteivereinbarung Berücksichtigung finden. Daneben bleibt es den Parteien unbenommen, durch eine Vereinbarung nach Art. 10 Abs. 2 lit. b) UN-Übereinkommen dem ausländischen Staat Immunität zuzubilligen oder nach Art. 7 Abs. 1 lit. b) UN-Übereinkommen seine Immunität auszuschließen. Nach Art. 10 Abs. 2 UN-Übereinkommen findet die Grundregel nach Abs. 1 keine Anwendung, wenn es sich um ein privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft zwischen Staaten handelt (lit. a) oder wenn die beteiligten Parteien ausdrücklich – nicht aber zwingend schriftlich – etwas anderes vereinbart haben (lit. b). Eine Art. 4 Abs. 2 lit. c) EuStImm vergleichbare Gegenausnahme für vertragliche Verpflichtungen des Staates, die in seinem Hoheitsgebiet begründet worden sind und seinem Verwaltungsrecht unterliegen, enthält Art. 10 Abs. 2 UN-Übereinkommen nicht. Gleichwohl ergibt sich bereits aus dem in Art. 2 Abs. 1 lit. c) UNÜbereinkommen näher bestimmten Schlüsselbegriff des privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäfts, dass für Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen keine Immunitätsausnahme besteht. Art. 10 Abs. 3 UN-Übereinkommen stellt klar, dass ein Staat seine Immunität durch die Beteiligung eines staatlichen Unternehmens an einem Verfahren, das ein privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft zum Gegenstand hat, nicht verliert. Nach dieser Regelung bleibt die Immunität eines Staates von der Gerichtsbarkeit unberührt, wenn ein staatliches Unternehmen oder ein anderer von einem Staat gegründeter Rechtsträger mit selbstständiger Rechtspersönlichkeit und der Fähigkeit, vor Gericht aufzutreten und Vermögen zu erwerben, es im Eigentum oder Besitz zu haben und es zu veräußern, an einem Verfahren beteiligt ist, das mit einem von diesem Rechtsträger getätigten privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäft im Zusammenhang steht. Wie auch in der Anlage zu Art. 10 UN-Übereinkommen klargestellt, begründet diese Vorschrift damit weder einen

122 Siehe

Kapitel C. I. 2. c.

II. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit

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Haftungsdurchgriff von einem Staatsunternehmen auf den dahinter stehenden Staat, noch schließt sie einen Haftungsdurchgriff aus.123 b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung Art. 4 EuStImm und Art. 10 UN-Übereinkommen spiegeln im Wesentlichen das völkergewohnheitsrechtliche Konzept der relativen Staatenimmunität wider. Danach wird einem ausländischen Staat gegenüber einer Klage einer Privatperson, der ein privatrechtlicher Vertrag zu Grunde liegt, keine Immunität vor deutschen Gerichten zuteil.124 Allerdings ist Art. 4 EuStImm insoweit enger gefasst, als er erfordert, dass die streitgegenständliche Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen ist. Da die Bundesrepublik Deutschland aber eine Fakultativerklärung nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm abgegeben hat,125 können die deutschen Gerichte ihre Gerichtsbarkeit gegenüber anderen Vertragsstaaten auch dann ausüben, wenn der Erfüllungsort nicht in Deutschland liegt. Im Unterschied zu Art. 10 UN-Übereinkommen verlangt das Völkergewohnheitsrecht nicht, dass es sich bei dem Vertragspartner des ausländischen Staates um eine ausländische Person handelt. Entscheidend für Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit im Hinblick auf eine Klage, die vertragliche Ansprüche zum Gegenstand hat, ist allein die privatrechtliche Natur des Vertrags, nicht hingegen der damit verfolgte Zweck.126 So stand dem Kaiserreich Iran nach der bereits mehrfach erwähnten Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Immunität gegenüber einer Klage zu, mit welcher der Kläger seinen Werklohnanspruch i. H. v. 292,76 DM nebst Zinsen wegen Reparaturarbeiten an der Heizungsanlage des iranischen Botschaftsgebäudes in Köln geltend machte. In Anwendung der völkergewohnheitsrechtlichen Abgrenzungsformel stellte das Gericht zutreffend auf den Abschluss des Reparaturvertrags ab, der als nichthoheitliche Betätigung des Kaiserreichs Iran anzusehen sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Vertragsschluss für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte der Botschaft notwendig gewesen sei und deshalb in erkennbarem Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit des Entsendestaates gestanden habe.127 Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bejahte auch das Oberlandesgericht Frankfurt die deutsche Gerichtsbarkeit für eine Klage gegen die Republik Irak, mit der die Kläger einen Werklohnanspruch i. H. v. 123 Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 74. 124  BGHZ 16, 27 (64); BGH, ZfBR 2016, 571 (573 f.); OLG Frankfurt, WM 1982, 754 (755); Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (295). 125  Siehe Kapitel B. II. 2. a. 126  Siehe Kapitel C. I. 2. c. 127 BGHZ 16, 27 (64); dazu auch Kapitel B. II. 1. a.

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ca. 39 Mio. DM aus einem Vertrag über den Bau eines zivilen Staudamms im Irak geltend machten. Bei dem Bauvertrag handele es sich um ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, weil bei dessen Abschluss der irakische Staat wie eine Privatperson gegenüber anderen gleichgeordneten Privatpersonen tätig geworden sei. Diese Einordnung werde nicht dadurch infrage gestellt, dass die Ausführung des Staudammprojekts der staatlichen Daseinsvorsorge diene, da der Vertragszweck nicht maßgeblich sei.128 Auch das Oberlandesgericht Köln gewährte dem Königreich Saudi-Arabien in einem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des italienischen Tribunale di Palermo, in dem es zur Zahlung von Werklohn und Schadensersatz aus einem Vertrag über den Bau zweier Straßen in Saudi-Arabien verurteilt worden war, keine Immunität. Hierbei stellte das Gericht wiederum zutreffend auf die nach deutschem Recht zu beurteilende Rechtsnatur des der Klage zu Grunde liegenden Vertrags ab und hielt die deutsche Gerichtsbarkeit für gegeben, da Saudi-Arabien bei Vertragsschluss wie eine Privatperson gegenüber seinem gleichgeordneten Vertragspartner tätig geworden sei. Da es auf den mit dem Vertragsschluss verfolgten Zweck nicht ankomme, werde die Qualifikation des staatlichen Verhaltens als privatrechtlich nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass die Ausführung der Straßenbauprojekte der staatlichen Daseinsvorsorge diene.129 Auch der Bundesgerichtshof versagte dem Königreich Saudi-Arabien die Gewährung von Staatenimmunität, als es auf Zahlung einer Vergütung i. H. v. 12 Mio. Euro für die Erstellung einer Roadmap und eines Masterplans für eine sog. Economic City verklagt wurde. Zutreffend qualifizierte er einen Vertrag über die Erbringung städtebaulicher Planungsleistungen als nichthoheitliches Handeln, auch wenn die damit bezweckte städtebauliche Entwicklung eine hoheitliche Aufgabe sei. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Vertrag wirksam geschlossen wurde, da auch die dem Vertragsschluss vorgelagerten Verhandlungen dem nichthoheitlichen Bereich zuzuordnen seien. Dem ist zuzustimmen: Entscheidend ist allein die Natur der staatlichen Handlung und des – vorvertraglichen  – Rechtsverhältnisses, nicht aber der Abschluss eines wirksamen Vertrags. Daher unterliegen auch Streitigkeiten, die das Zustandekommen eines privatrechtlichen Vertrags oder ein vorvertragliches Rechtsverhältnis betreffen, der deutschen Gerichtsbarkeit.130 Auch gegenüber einer Klage auf Provisionszahlung aus einem Maklervertrag unterliegt ein ausländischer Staat der deutschen Gerichtsbarkeit. Entscheidend 128  OLG Frankfurt, IPRax 1999, 247 (249); so auch LG Frankfurt, IPRspr. 1996 Nr. 157, S. 375 (376 f.) als Vorinstanz; ähnlich auch der Aussetzungsbeschluss des OLG Frankfurt, WM 1982, 754 (755): Werkverträge mit einem iranischen Staatsunternehmen über den Bau von Ölpipelines und Gasleitungen. 129  OLG Köln, IPRspr. 2004 Nr. 155, S. 340 (343). 130 BGH, ZfBR 2016, 571 (573 f.) m. Anm. Genius, jurisPR-BGHZivilR 11/2016 Anm. 4.

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ist hierbei allein die privatrechtliche Rechtsnatur des Maklervertrags, nicht aber ob er mit dem vermittelten Kaufvertrag einen hoheitlichen Zweck verfolgt.131 Demzufolge qualifizierte der Bundesgerichtshof den Abschluss eines Maklervertrags zwischen dem Kläger und der Republik Portugal als Beklagte über die Vermittlung eines Kaufvertrags mit der Bundesrepublik Deutschland über die Lieferung von Waffen als nichthoheitliche Betätigung. Die Republik Portugal sei bei Abschluss des Maklervertrags einer Privatperson vergleichbar tätig geworden, so dass es nicht auf den mit der Lieferung von Kriegsmaterial verfolgten Zweck ankomme.132 Ebenso bejahte das Oberlandesgericht München die deutsche Gerichtsbarkeit für eine Provisionsklage eines Maklers, der einem ausländischen Staat den Grundstückskauf eines Konsulatsgebäudes vermittelt hatte. Das Gericht stellte hierbei zwar auf den Grundstückskauf und die damit zusammenhängende Maklertätigkeit anstatt auf den Maklervertrag ab, kam aber zum richtigen Ergebnis. Zutreffend verwies es darauf, dass das Konsulat durch Stattgabe der Klage nicht in der Ausübung seiner konsularischen Funktionen beeinträchtigt werde.133 Darüber hinaus stellt auch der Abschluss eines Mietvertrags für einen ausländischen Staat ein nichthoheitliches Handeln dar, so dass er für eine Klage auf Zahlung rückständigen Mietzinses oder auf Räumung der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.134 Ebenso wenig kann er Staatenimmunität für eine Klage beanspruchen, die auf Rückzahlung eines ausbezahlten Darlehens gerichtet ist, mag auch der Kredit der Finanzierung hoheitlicher Aufgaben dienen.135 Auch die Kapitalaufnahme durch die Emission von Staatsanleihen zählt zum Kreis der nichthoheitlichen Tätigkeit, so dass einem ausländischen Staat für die daraus resultierenden Ansprüche keine Immunität zukommt.136 In den zahlreichen gegen den argentinischen Staat geführten Zivilverfahren, in denen er die Erfüllung von Ansprüchen aus Staatsanleihen unter Berufung auf seinen Staatsnotstand verweigerte, war diese Frage allerdings nicht entscheidungserheblich. 131 Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 7 und Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 10; für die österreichische Gerichtsbarkeit: OGH, JBl 2009, 457 (458) und Spitzer, ZaK 2009, 103 (103). 132 BGH, IPRspr.  1974 Nr. 1b, S. 9 (11 f.), der insoweit das Urteil des OLG Koblenz, IPRspr. 1974 Nr. 1a, S. 1 (2 ff.) bestätigte. 133  OLG München, MDR 1975, 411 (411 f.). 134  Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 6; Buch, NZM 2000, 367 (367); für die schweizerische Gerichtsbarkeit: Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 421. 135  Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (295); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (417). 136  OLG Köln, WM 2016, 1590 (1594); OLG Oldenburg, WM 2016, 1878 (1880); LG Frankfurt, JZ 2003, 1010 (1011); BeckRS 2015, 13104; Freitag in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6.649; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 29; Aden, ZRP 2010, 191 (191); Grüneberg, WM 2016, 1621 (1621); Weller/Fischer, IWRZ 2016, 172 (172 f.); zur nichthoheitlichen Tätigkeit auch EuGH, EuZW 1015, 633 (636) – Fahnenbrock.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Argentinien hatte in seinen Anleihebedingungen ohnehin wirksam auf seine Immunität verzichtet.137 Relevant wurde die Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit hingegen im Zusammenhang mit den griechischen Staatsanleihen, da die diesbezüglichen Anleihebedingungen keinen Immunitätsverzicht enthielten.138 Wie bereits aufgezeigt, kam Griechenland gegenüber einer auf Erfüllung bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichteten Klage keine Immunität vor deutschen Gerichten zu, da das maßgebliche Rechtsverhältnis zwischen dem griechischen Staat als Emittent und dem jeweiligen Anleihegläubiger nichthoheitlicher Natur war. Die deutsche Gerichtsbarkeit entfiel auch nicht dadurch, dass Griechenland durch die nachträgliche Einführung von sog. Collective Action Clauses im Gesetzeswege, die den von der Gläubigermehrheit beschlossenen Schuldenschnitt ermöglichten, hoheitlich in das Vertragsverhältnis eingriff.139 Die privatrechtliche Natur des Anleiheverhältnisses ist allerdings nur insoweit maßgebend, als ein Anlagegläubiger seine Klage auf vertragliche Ansprüche stützt. Ein Klage, die auf dingliche bzw. deliktische Ansprüche gestützt wird, weil Griechenland die Schuldverschreibungen rechtswidrig aus dem Wertpapierdepot entnommen habe, unterfällt hingegen nach zutreffender Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Bei dem durch das griechische Parlament beschlossenen Gesetz zur Einführung der Collective Action Clauses und der darauf beruhenden Depotentnahme der ursprünglich begebenen Anleihen durch die griechische Zentralbank handelte es sich um die Ausübung typischer Staatsgewalt und damit um hoheitliche Tätigkeiten, für die dem griechischen Staat Immunität zukommt.140 Schließlich unterfallen auch Ansprüche gegenüber einer ausländischen Zentralbank aufgrund eines Akkreditivs – einem selbstschuldnerischen, abstrakten Zahlungsversprechen der Bank eines Käufers, in dem sich diese gegenüber dem Verkäufer einer Ware verpflichtet, bei Vorlage akkreditivkonformer Dokumente Zahlung zu leisten141  – der deutschen Gerichtsbarkeit. So versagte das Landgericht Frankfurt in einer viel beachteten Entscheidung im Arrestverfahren der 137  Vgl. z. B. OLG Frankfurt, NJW 2006, 2931 (2931); LG Frankfurt, JZ 2003, 1010 (1011); Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (452). 138   Vgl. z. B. BGH, ZIP 2016, 789 ff.; OLG Köln, WM 2016, 1590 ff.; OLG München, Beck RS 2016, 112651; OLG Oldenburg, WM 2016, 1878 ff.; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 ff.; BeckRS 2016, 16044; LG Konstanz, Urteil v. 19. 11. ​2013, Az. 2 O 132/13 B, 2 O 132/13 – juris. 139  Siehe näher Kapitel C. I. 2. d. 140  BGH, ZIP 2016, 789 (791 f.) m. Anm. Hippeli, jurisPR-HaGesR 8/2016 Anm. 4; Kräft, GWR 2016, 189; Müller, NJW 2016, 1662; Nodoushani, WuB 2016, 481 ff. und Weller/Fischer, IWRZ 2016, 172 f.; so auch OLG Köln, WM 2016, 1590 (1594); OLG Oldenburg, WM 2016, 1878 (1880); OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1255 ff.) m. Anm. Mankowski, EWiR 2105, 431 f.; LG Bonn, Urteil v. 20. 4. ​2016, Az. 1 O 72/13 – juris; ähnlich auch OGH, Beschluss v. 20. 5. ​2014, Az. 4 Ob 227/13f; Grüneberg, WM 2016, 1621 (1621 f.). 141  Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch Rdnr. K/1; Nielsen/Jäger in: Schimansky/ Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 120 Rdnrn. 22 ff.

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Central Bank of Nigeria, die zu Gunsten der Antragstellerin ein unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv eröffnet hatte, die Gewährung von Immunität. Der Eröffnung des Akkreditivs lag ein Vertrag der Antragstellerin mit der Republik Nigeria über die Lieferung von 240.000 Tonnen Zement nach Nigeria zu Grunde. Nach Lieferung von 140.000 Tonnen Zement mit 17 Schiffen kam es im Hafen von Lagos zu dessen Verstopfung, so dass die Central Bank of Nigeria die Zahlung von Überliegegeldern einstellte. Daraufhin beantragte die Antragstellerin einen Arrest zur Sicherung ihrer Forderungen aus dem Akkreditiv wegen fälliger und künftiger Liegegelder.142 Auch wenn das Landgericht Frankfurt noch eine formale Betrachtungsweise bei der Gewährung von Immunität gegenüber rechtlich selbstständigen Organisationen eines ausländischen Staates vertrat, ließ es letztlich offen, ob die Central Bank of Nigeria eine juristische Person oder eine unselbstständige Behörde des Staates Nigeria sei, da ihr jedenfalls ratione materiae keine Immunität zukomme. Zutreffend stellte das Gericht auf die nichthoheitliche Natur der Eröffnung des Dokumentenakkreditivs und nicht auf deren Zweck ab. Es komme daher nicht darauf an, dass der bestellte Zement der Errichtung von Militäranlagen dienen sollte und die Central Bank of Nigeria das Akkreditiv auf Weisung des nigerianischen Verteidigungsministeriums eröffnet habe.143

2. Beteiligungen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen Art. 6 EuStImm und Art. 15 UN-Übereinkommen schließen die Staatenimmunität für Klagen aus, welche die Beteiligung eines ausländischen Staates an einer Gesellschaft oder ähnlichen Vereinigung zum Gegenstand haben. So kann nach Art. 6 Abs. 1 EuStImm ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn er sich gemeinsam mit einer oder mehreren Privatpersonen an einer Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person beteiligt, die ihren tatsächlichen oder satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Gerichtsstaat hat. Diese Regelung erfordert ähnlich Art. 4 Abs. 1 EuStImm einen Bezugspunkt der Gesellschaft oder Vereinigung zum Gerichtsstaat.144 Unerheblich ist hierbei, ob sie eine eigenständige Rechtspersönlichkeit hat und ob sie einen auf Gewinnerzielung gerichteten oder einen ideellen Zweck verfolgt.145

142  LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1044 f.); dazu Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (295 f.); Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (549). 143 LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1045 f.). 144  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (33); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 9. 145 Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 9; Kronke, IPRax 1991, 141 (143).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Darüber hinaus muss nach Art. 6 Abs. 1 EuStImm das Verfahren die Beziehungen betreffen, die sich aus der Beteiligung zwischen dem Staat einerseits und der Gesellschaft, Vereinigung bzw. juristischen Person oder den weiteren Beteiligten andererseits ergeben. Diese Regelung schließt also nur die Immunität für Binnenstreitigkeiten zwischen dem ausländischen Staat als Gesellschafter einerseits und der Gesellschaft bzw. den anderen Gesellschaftern andererseits aus. Im Hinblick auf die vertragliche Haftung des ausländischen Staates als Gesellschafter gegenüber Dritten unterliegt er nach Maßgabe des Art. 4 EuStImm der Gerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates.146 Art. 6 Abs. 2 EuStImm enthält eine Gegenausnahme, nämlich wenn schriftlich etwas anderes vereinbart worden ist. In ähnlicher Weise bestimmt Art. 15 Abs. 1 UN-Übereinkommen, dass sich ein Staat vor einem Gericht eines anderen Staates nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen kann, das sich auf seine Beteiligung an einer Gesellschaft oder einer anderen Vereinigung  – gleich ob rechtsfähig oder nicht – bezieht. Wiederum erfasst diese Regelung nur das Innenverhältnis, also die Beziehungen zwischen dem ausländischen Staat und der Gesellschaft bzw. den weiteren Gesellschaftern. Für seine vertragliche Haftung als Gesellschafter im Außenverhältnis unterliegt er nach Maßgabe von Art. 10 UN-Übereinkommen der Gerichtsbarkeit des Forumstaates.147 Die Gesellschaft oder Vereinigung muss darüber hinaus ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Gerichtsstaat haben oder  – im Unterschied zu Art. 6 Abs. 1 EuStImm – nach dem Recht des Gerichtsstaates gegründet oder gebildet sein. Art. 15 UN-Übereinkommen trägt damit den weltweit unterschiedlichen Auffassungen von Sitztheorie einerseits und Gründungstheorie andererseits als Qualifikationsstatut Rechnung.148 Anders als Art. 6 EuStImm bestimmt Art. 15 Abs. 1 UN-Übereinkommen explizit, dass die Gesellschaft oder Vereinigung nicht nur aus Staaten oder internationalen Organisationen bestehen darf. Es muss sich also um eine privatrechtliche Vereinigung, nicht aber um eine völkerrechtliche Vereinigung handeln.149 Die gerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten einer internationalen Organisation erfolgt regelmäßig vor internationalen, nicht aber vor nationalen Gerichten.150 Art. 15 Abs. 2 UN-Übereinkommen sieht drei Gegenausnahmen vor, die im Unterschied zu der in Art. 6 Abs. 2 EuStImm geregelten Gegenausnahme ins146  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (32 f.); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 9; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 722. 147 Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.032; O’Keefe/Tams/Dickinson, UNCSI, Art. 15, S. 240, 248 f., 254. 148  Vgl. dazu näher Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 16 Rdnrn. 3 ff.; Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, § 8 Rdnrn. 18 ff. 149  Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.032; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 123. 150 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rdnr. 2; ders., Völkerrecht, § 62 Rdnr. 3.

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gesamt umfangreicher formuliert sind, inhaltlich aber im Wesentlichen auf das Gleiche hinauslaufen: Ein Staat kann sich ausnahmsweise doch auf seine Immunität für gesellschaftsinterne Rechtsstreitigkeiten berufen, wenn die betreffenden Staaten dies vereinbart haben, wenn die Streitparteien dies durch eine schriftliche Vereinbarung festgelegt haben oder wenn die Gründungsurkunde oder Satzung der Gesellschaft oder Vereinigung eine entsprechende Bestimmung enthält. Diese völkervertraglichen Regelungen entsprechen dem völkergewohnheitsrechtlichen Konzept der relativen Staatenimmunität. Beteiligt sich ein ausländischer Staat neben anderen Privatpersonen an einer Gesellschaft oder einer sonstigen Vereinigung, so hat dies einen nichthoheitlichen Charakter. Er unterwirft sich zugleich der Rechtsordnung des Staates, der die Vereinigung unterliegt, so dass ihm auch nach dem Völkergewohnheitsrecht keine Immunität zukommt.151

3. Immaterialgüterrechte Art. 8 EuStImm und Art. 14 UN-Übereinkommen schließen die Immunität für Klagen aus, die Immaterialgüterrechte, also geistiges und gewerbliches Eigentum, zum Gegenstand haben. So kann nach Art. 8 lit. a) EuStImm ein Vertragsstaat vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn sich das Verfahren auf ein Patent, ein gewerbliches Muster oder Modell, ein Warenzeichen, eine Dienstleistungsmarke oder ein anderes gleichartiges Recht bezieht, das im Gerichtsstaat angemeldet, hinterlegt, eingetragen oder auf andere Weise geschützt ist, wenn der Staat Anmelder, Hinterleger oder Inhaber ist. Hinter dieser Regelung steht der Gedanke, dass ein ausländischer Staat, der durch die Anmeldung oder den Erwerb von gewerblichen Schutzrechten am Wirtschaftsverkehr im Gerichtsstaat teilnimmt, keine bessere Rechtsstellung erlangen soll als ein privater Anmelder bzw. Inhaber eines Schutzrechts. Daher kommt ihm für alle Verfahren, die sich auf solche Schutzrechte beziehen, zum Beispiel anlässlich einer Löschungsklage oder im Zwangslizenzverfahren, keine Immunität zu.152 Ein Vertragsstaat kann nach Art. 8 lit. b) EuStImm auch dann keine Immunität beanspruchen, wenn sich das Verfahren auf die Behauptung bezieht, er habe im Gerichtsstaat ein dort geschütztes, in lit. a) genanntes und einem Dritten zustehendes Recht verletzt. Entsprechendes gilt nach Art. 8 lit. c) EuStImm, wenn 151  O’Keefe/Tams/Dickinson, UNCSI, Art. 15, S. 247; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 426; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 123 f. 152 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (33); Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 85; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 725; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 419.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

sich das Verfahren auf die Behauptung bezieht, der Vertragsstaat habe ein im Gerichtsstaat geschütztes und einem Dritten zustehendes Urheberrecht verletzt. Bezieht sich ein Verfahren auf das Recht zum Gebrauch einer Firma im Gerichtsstaat, so ist die Immunität nach Art. 8 lit. d) EuStImm ausgeschlossen. Letztere Bestimmung wurde aufgenommen, da bei den Vertragsverhandlungen bezweifelt wurde, ob dieses Recht bereits von lit. a) erfasst wird.153 Eine ähnliche Regelung enthält Art. 14 UN-Übereinkommen: Nach dessen lit. a) kann sich ein Staat vor einem Gericht eines anderen Staates nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen, das sich bezieht auf die Feststellung seines Rechts an einem Patent, einem gewerblichen Muster oder Modell, einem Handels‑ oder Firmennamen, einer Marke, einem Urheberrecht oder an jeder anderen Form von geistigem und gewerblichem Eigentum, die im Gerichtsstaat ein bestimmtes Maß an gesetzlichem Schutz genießt. Im Unterschied zu Art. 8 lit. a) EuStImm ist hiervon nicht nur das gewerbliche, sondern auch das geistige Eigentum erfasst. Aus der Anlage zu Art. 14 UN-Übereinkommen ergibt sich, dass der Begriff der Feststellung weit zu verstehen ist. Danach bezieht er sich nicht nur auf das Bestehen der geschützten Rechte, sondern auch auf die Bewertung oder Beurteilung des wesentlichen Gehalts dieser Rechte einschließlich ihres Inhalts, ihres Geltungsbereichs und ihres Umfangs. Ebenso wenig kann ein Staat nach Art. 14 lit. b) UN-Übereinkommen Immunität beanspruchen, wenn das Verfahren die Behauptung zum Gegenstand hat, der Staat habe im Gerichtsstaat ein dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Recht einer unter lit. a) aufgeführten Art verletzt. Die in Art. 14 lit. a) und lit. b) UN-Übereinkommen genannten Immunitätsausnahmen stehen im Unterschied zu den in Art. 8 EuStImm genannten Ausnahmen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer anderweitigen Vereinbarung der betreffenden Staaten. Sowohl Art. 8 EuStImm als auch Art. 14 UN-Übereinkommen verlangen einen Bezug des Immaterialgüterrechts zum Gerichtsstaat, nämlich dass es dort geschützt ist. Ihnen liegt die Erwägung zu Grunde, dass die internationale Zuständigkeit für Klagen zum Schutz dieser Rechte immer in dem Staat gegeben ist, nach dessen Recht auch der Schutz besteht.154 Beide Regelungen stehen mit dem Völkergewohnheitsrecht im Einklang. Aus der völkergewohnheitsrechtlichen Perspektive ist der Schutz geistigen oder gewerblichen Eigentums eines ausländischen Staates bzw. die Verletzung solcher Rechte durch ihn dem Bereich der acta iure gestionis zuzuordnen.155 153 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (33); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 10. 154  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 121. 155  O’Keefe/Tams/Terhechte, UNCSI, Art. 14, S. 234; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 121; offenlassend Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 628a.

II. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit

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Demzufolge qualifizierte das Oberlandesgericht Frankfurt die Tätigkeit der staatlichen spanischen Fremdenverkehrsämter, die in Deutschland urheberrechtlich geschützte Filmmusik in Werbefilmen ohne Zustimmung der GEMA wiedergaben, als nichthoheitliches Handeln. Zutreffend ging es davon aus, dass nach dem maßgeblichen deutschen Recht die Einräumung von Nutzungsrechten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge und nicht durch hoheitliches Handeln erfolge. Daher sei der spanische Staat auch bei der unberechtigten Nutzung wie eine Privatperson tätig geworden und könne sich nicht auf seine Immunität berufen.156

4. Grundstücke, Vermögen aus Erbschaft und Schenkung, Vermögensverwaltung Bereits zu Zeiten der absoluten Staatenimmunität konnte ein ausländischer Staat gegenüber einer Klage, die ein im Gerichtsstaat belegenes Grundstück zum Gegenstand hatte, keine Immunität beanspruchen.157 Neben dieser klassischen Immunitätsausnahme unterliegen sie auch gegenüber Klagen, bei denen es um aus einer Erbschaft oder Schenkung erlangtes Vermögen, um erb‑ oder herrenloses Vermögen oder um die Verwaltung fremden Vermögens geht, der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates. a. Völkervertragliche Regelungen Art. 9, 10 und 14 EuStImm und dazu korrespondierend Art. 13 UN-Übereinkommen enthalten Immunitätsausnahmen insbesondere im Bereich des Sachenrechts und des Erbrechts. Nach Art. 9 EuStImm und dem im Wesentlichen wortgleichen Art. 13 lit. a) UN-Übereinkommen kann ein Staat vor den Gerichten eines anderen Staates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn sich das Verfahren auf sein Recht an unbeweglichem Vermögen, auf seinen Besitz oder auf seinen Gebrauch solchen Vermögens bezieht. Entsprechendes gilt, wenn sich das Verfahren auf die Pflichten des Staates bezieht, die ihm als Inhaber von Rechten an unbeweglichem Vermögen oder als Besitzer obliegen oder sich aus dem Gebrauch eines solchen Vermögens ergeben. Voraussetzung für beide Alternativen ist, dass das unbewegliche Vermögen im Gerichtsstaat

156  OLG Frankfurt, RIW 1977, 720 (721 f.); dazu Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 11. 157 Preuß. Kompetenzgerichtshof, ZaöRV 2 (1931), 101 (102); RGZ 62, 165 (167); 103, 274 (277 f.); KG, ZZP 51 (1926), 280 (282); JR 1949, 118 (118); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 627; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 50.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

belegen ist.158 In diesem Fall besteht ein unveränderbarer Bezug des Grundstücks zum Gerichtsstaat, so dass ein entsprechender internationaler Gerichtsstand – zum Beispiel gem. § 24 ZPO – zumeist auch nur in dem Staat begründet ist, in dem sich das Grundstück befindet.159 Nach der Denkschrift der Bundesregierung zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität werden von dem weit auszulegenden Art. 9 EuStImm insbesondere fünf Klagekategorien erfasst: (1) Klagen, die unmittelbar das Eigentum, ein sonstiges dingliches Recht oder den Besitz an dem Grundstück zum Gegenstand haben; (2) Klagen wegen Immissionen, Besitzstörungen oder sonstiger Beeinträchtigungen, die von dem Grundstück des ausländischen Staates ausgehen; (3) Klagen auf Ersatz von Schäden, für die der Staat in seiner Eigenschaft als Eigentümer oder Besitzer seines Grundstücks haftet, etwa wegen herabstürzender Gebäudeteile oder wegen Glatteises; (4) Streitigkeiten über das Recht zum Besitz eines Grundstücks einschließlich seiner Herausgabe oder Räumung sowie (5) Klagen auf Miet‑ oder Pachtzinszahlungen.160 Damit sind nicht nur Klagen erfasst, die auf dingliche Ansprüche gestützt werden, sondern auch solche, mit denen vertragliche oder deliktische Ansprüche geltend gemacht werden. Die in Art. 9 EuStImm und Art. 13 lit. a) UN-Übereinkommen geregelten Immunitätsausnahmen finden nur Anwendung, wenn nach Art. 32 EuStImm bzw. Art. 3 Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen die Vorrechte und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen unberührt bleiben. So erstreckt sich die in Art. 31 Abs. 1 lit. a) WÜD geregelte Immunitätsausnahme nur auf dingliche Klagen in Bezug auf im Hoheitsgebiet des Empfangsstaates belegenes, unbewegliches Vermögen eines Diplomaten, das er nicht im Auftrag des Entsendestaates für die Zwecke der Mission im Besitz hat. Außerdem kann ein Staat nach Art. 10 EuStImm sowie Art. 13 lit. b) UNÜbereinkommen keine Immunität von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates beanspruchen, wenn das Verfahren ein Recht an beweglichem oder unbeweglichem Vermögen betrifft, das zu einer Erbschaft oder Schenkung gehört oder erb‑ bzw. herrenlos ist. Diesen Konstellationen ist gemein, dass der ausländische Staat das Vermögen unentgeltlich erlangt hat bzw. dass es sich nicht um sein eigenes Vermögen handelt. Daher tritt sein Interesse an der Gewährung von Immunität hinter dem Interesse des Gerichtsstaates an der Ausübung seiner 158 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (33); O’Keefe/Tams/Terhechte, UNCSI, Art. 13, S. 229. 159  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 166; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 422; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (233). 160  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (33); vgl. auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 728.

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Gerichtsbarkeit und dem Rechtsschutzinteresse des Individuums zurück.161 Diese Regelungen sind im Unterschied zu Art. 9 EuStImm und Art. 13 lit. a) UN-Übereinkommen nicht auf unbewegliches Vermögen beschränkt und setzen nicht voraus, dass das Vermögen im Gerichtsstand belegen ist.162 Schließlich sieht Art. 13 lit. c) UN-Übereinkommen eine Immunitätsausnahme für die Verwaltung von Vermögenswerten wie etwa eines Treuhandvermögens, einer Insolvenzmasse oder eines Gesellschaftsvermögens im Fall der Liquidation vor. Mit dieser Regelung korrespondiert Art. 14 EuStImm inhaltlich, wenn auch nicht sprachlich. Danach darf das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität nicht so ausgelegt werden, dass es ein Gericht eines Vertragsstaates nur deshalb daran hindert, Vermögenswerte wie ein Treuhandvermögen oder eine Insolvenzmasse zu verwalten oder deren Verwaltung zu veranlassen oder zu überwachen, weil ein anderer Vertragsstaat ein Recht an dem Vermögen hat. Ein territorialer Bezug der Vermögensverwaltung zum Gerichtsstaat ist nach beiden Vorschriften nicht erforderlich.163 Die Regelungsinhalte von Art. 9, 10 und 14 EuStImm einerseits sowie Art. 13 UN-Übereinkommen andererseits sind weitgehend identisch. Allerdings enthält nur letztere Bestimmung den ausdrücklichen Vorbehalt, dass die betreffenden Staaten nichts anderes vereinbart haben. Darüber hinaus erfasst diese Regelung ihrem Wortlaut nach lediglich die Feststellung eines entsprechenden Rechts bzw. einer entsprechenden Pflicht des ausländischen Staates. Anders als der Wortlaut auf den ersten Blick vermuten lassen könnte, unterliegt ein Staat aber nicht lediglich für eine Feststellungsklage, sondern auch für eine Leistungsklage, die inzident dieser Feststellung bedarf, der Gerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates. Dies ist in der Anlage zu Art. 13 UN-Übereinkommen klargestellt. Danach bezieht sich der Begriff „Feststellung“ nicht nur auf die Bestätigung des Bestehens der geschützten Rechte, sondern auch auf die Bewertung und Beurteilung des wesentlichen Gehalts dieser Rechte einschließlich ihres Inhalts, ihres Geltungsbereichs und ihres Umfangs. So steht einem Konventionsstaat beispielsweise nach Art. 13 lit. a) UN-Übereinkommen auch dann keine Immunität zu, wenn er als Mieter eines Grundstücks vom Vermieter auf Zahlung rückständigen Mietzinses verklagt wird.164

161  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 119. 162  Vgl. O’Keefe/Tams/Terhechte, UNCSI, Art. 13, S. 231; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 425; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 119. 163  O’Keefe/Tams/Terhechte, UNCSI, Art. 13, S. 226, 232; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 119. 164 Kronke, IPRax 1991, 141 (144).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung Art. 9, 10 und 14 EuStImm sowie der korrespondierende Art. 13 UN-Übereinkommen stehen im Einklang mit dem völkergewohnheitsrechtlichen Prinzip der relativen Staatenimmunität.165 Die Rechte an Grundstücken und an anderen von diesen Regelungen erfassten Vermögensgegenständen sowie die korrespondierenden Pflichten beruhen auf einem nichthoheitlichen Rechtsverhältnis, so dass einem ausländischen Staat auch nach dem Völkergewohnheitsrecht keine Immunität zukommt. Von Bedeutung ist insbesondere die bereits zu Zeiten der absoluten Staatenimmunität anerkannte Immunitätsausnahme für den Immobiliarprozess, der ein im Gerichtsstaat belegenes Grundstück eines ausländischen Staates zum Gegenstand hat. Das in der Territorialhoheit manifestierte Interesse des Gerichtsstaates an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über sein Staatsgebiet hat Vorrang vor dem Interesse des ausländischen Staates an der Gewährung von Immunität. Insoweit ist ein ausländischer Staat, auch wenn das Grundstück hoheitlichen Zwecken dient, dem privaten Eigentümer bzw. Besitzer gleichgestellt.166 Diese völkergewohnheitsrechtliche Regel findet allerdings wiederum auf ein Grundstück, das diplomatischen oder konsularischen Zwecken dient, nur Anwendung, wenn die diplomatische Mission bzw. konsularische Vertretung nicht an der Erfüllung ihrer Aufgaben im Gerichtsstaat gehindert wird. Es gilt der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz, dass gegen die diplomatische Mission bzw. konsularische Vertretung eines Staates nichts unternommen werden darf, das ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte (ne impediatur legatio).167 Andernfalls steht der Ausübung der Gerichtsbarkeit zwar nicht die Staatenimmunität, aber die diplomatische bzw. konsularische Immunität entgegen. Daher fehlt es beispielsweise für eine Klage auf Räumung eines diplomatisch genutzten Grundstücks an der Gerichtsbarkeit. Würde ein ausländischer Staat antragsgemäß verurteilt, seinen Besitz aufzugeben, so könnte dies die Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission beeinträchtigen.168 Dient ein Zivilprozess hingegen lediglich der Klärung der Eigentumsverhältnisse an einem Gesandtschaftsgrundstück, so wird die diplomatische Mission nicht in der Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen behindert. Die diplomatische Immunität steht daher einer Grundbuchberichtigungsklage nicht entgegen, da ein entsprechendes 165  O’Keefe/Tams/Terhechte, UNCSI, Art. 13, S. 226; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 120. 166 KG, ZZP 51 (1926), 280 (280); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 627; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 271; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 50; Roeder, JuS 2005, 215 (218). 167 Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 174; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (234). 168  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 60; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (234); Steinmann, MDR 1965, 795 (796).

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Urteil die Eigentumsverhältnisse und die tatsächliche Nutzung des Grundstücks nicht berührt.169 So entschied bereits 1962 das Bundesverfassungsgericht, dass eine Grundbuchberichtigungsklage gegen die ehemalige Republik Jugoslawien die auf dem Grundstück ansässige jugoslawische Militärmission, der die Stellung einer diplomatischen Vertretung zukam, nicht in der Ausübung ihrer diplomatischen Funktionen beeinträchtige. Ein der Klage stattgebendes Urteil auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung lasse die Eigentumsverhältnisse am Grundstück unberührt. Es stelle lediglich fest, dass der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung des Eigentums an dem Grundstück mit der wirklichen Rechtslage nicht übereinstimme, und verpflichte den jugoslawischen Staat zur Mitwirkung an der Grundbuchberichtigung. Selbst eine vollzogene Grundbuchberichtigung führe nur zu einer Eigentumsvermutung gem. § 891 BGB zu Gunsten des wahren Eigentümers und verhindere einen gutgläubigen Erwerb des Grundstücks gem. § 892 BGB durch eine dritte Person. Für die Erfüllung der Aufgaben der Mission komme es dagegen nicht darauf an, ob der Entsendestaat oder eine andere Person als Eigentümer des Gesandtschaftsgrundstücks im Grundbuch eingetragen sei.170 Eine weitere Immunitätsausnahme besteht für Klagen, hinsichtlich derer ein ausländischer Staat bei einem Erbfall Rechte aus einem Nachlass, gleich ob beweglichem oder unbeweglichem Vermögen, geltend macht. Insoweit nimmt er die gleiche Stellung wie eine Privatperson ein.171 Während dies unbestritten ist, wenn ein ausländischer Staat kraft Testaments Erbe wird, soll es nach Habscheid problematisch sein, wenn er mangels anderweitiger Erben kraft Gesetzes Inhaber des Nachlasses werde. In diesem Fall komme es darauf an, ob er nach seiner Rechtsordnung privatrechtlich (Erbrechtssystem) oder erst nach hoheitlicher Ausübung seines Aneignungsrechts an den durch den Tod des Erblassers herrenlos gewordenen Gegenständen (Okkupationssystem) Erbe werde. In letzterem Fall sei die Gerichtsbarkeit des Forumstaates nur dann gegeben, wenn die Erbenstellung des ausländischen Staates unstrittig sei oder dieser auf seine Immunität verzichtet habe.172 169 Vgl. knapp und kursorisch BGH, MDR 1970, 222 (222); auch Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (234); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 147; ferner Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 59 zur Zulässigkeit der gerichtlichen Klärung der Eigentumsverhältnisse an einem Gesandtschaftsgrundstück. 170  BVerfGE 15, 25 (43); dazu Geiger, AöR 103 (1978), 382 (386 ff.); Wengler, NJW 1963, 439 (439). 171  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 628; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 56 f.; zu Nachlassklagen vgl. näher Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (234 ff.). 172  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (236 f.); so auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Allerdings richtet sich die Qualifikation eines streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses als hoheitlich oder nichthoheitlich nach der lex fori. Nach dem allein maßgeblichen deutschen Recht, d. h. § 1936 BGB, wird das jeweilige Land, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder subsidiär der Bund Erbe und erhält eine Erbenstellung wie jeder andere Erbe auch, so dass das entsprechende Rechtsverhältnis an den Nachlassgegenständen nichthoheitlicher Natur ist. Dies gilt umso mehr, als ein ausländischer Staat sein Aneignungsrecht nur innerhalb seines eigenen Staatsgebiets geltend machen kann.173 Mit diesem Ergebnis korreliert die Europäische Erbrechtsverordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4. 7. ​2012174 (EuErbVO). So knüpft Art. 4 EuErbVO die internationale Zuständigkeit und Art. 21 Abs. 1 EuErbVO das anwendbare Sachrecht an das Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so dass die international zuständigen deutschen Gerichte deutsches Erbrecht anwenden. Ebenso besteht die deutsche Gerichtsbarkeit für Klagen, die ein Recht eines ausländischen Staates an durch eine Schenkung erlangtem Vermögen oder an herrenlosem Vermögen zum Gegenstand haben. Das nach der lex fori, also vor deutschen Gerichten nach deutschem Recht, zu beurteilende Rechtsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und ist damit privatrechtlicher Natur. Sämtliche sich daraus ergebenden Rechte des ausländischen Staates sind dem Bereich der acta iure gestionis zuzuordnen, für die ein ausländischer Staat keine Immunität beanspruchen kann.

5. Personen‑ und Sachschäden Eine weitere praxisrelevante Immunitätsausnahme besteht für Verfahren, in denen ein ausländischer Staat auf Ersatz eines Personen‑ oder Sachschadens in Anspruch genommen wird. a. Völkervertragliche Regelungen So kann nach Art. 11 EuStImm ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen‑ oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Durch Kernenergie verursachte nach schweizerischem Recht, S. 417 f. mit der Beschränkung auf bewegliche Nachlassgegenstände. 173  Palandt/Weidlich, BGB, § 1936 Rdnr. 3; Staudinger/Werner, BGB, § 1936 Rdnr. 2; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 9 Rdnr. 57. 174 ABl. EU 2012 Nr. L 201, S. 107.

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Schäden werden von dieser Immunitätsausnahme nicht erfasst, da das Übereinkommen nach Art. 29 lit. b) EuStImm insoweit keine Anwendung findet. Jedoch kommt nach Art. 13 lit. j) des Pariser Übereinkommens vom 29. 7. ​1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie175 einem Vertragsstaat für auf dieses Übereinkommen gestützte Klagen keine Immunität von der Gerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates zu. Entsprechendes gilt nach Art. IX des Wiener Übereinkommens vom 21. 5. ​1963 über die zivilrechtliche Haftung für Nuklearschäden176. Ebenso vom Anwendungsbereich des Art. 11 EuStImm ausgenommen sind nach Art. 30 EuStImm Schadensersatzklagen wegen Schiffsunfällen und nach Art. 31 EuStImm Schadensersatzklagen wegen Handlungen oder Unterlassungen von Streitkräften im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates. Art. 12 UN-Übereinkommen ist ausführlicher und präziser als Art. 11 EuStImm formuliert. Danach kann sich ein Staat vor einem sonst zuständigen Gericht eines anderen Staates – vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung – nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen, das sich auf die Entschädigung in Geld für den Tod einer Person, für einen Personenschaden oder für einen Schaden an materiellen Vermögenswerten oder deren Verlust bezieht, wenn der Tod, Schaden oder Verlust durch eine dem Staat zuzurechnende Handlung oder Unterlassung verursacht wurde. Darüber hinaus muss die Handlung oder Unterlassung ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaates stattgefunden haben und die schädigende Person muss sich zum Zeitpunkt der Begehung im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaates aufgehalten haben. Art. 12 UN-Übereinkommen steht im Unterschied zu Art. 11 EuStImm unter dem Vorbehalt, dass die betreffenden Staaten keine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Von Art. 12 UN-Übereinkommen nicht erfasst werden gem. Art. 3 Abs. 3 UN-Übereinkommen Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Luftfahrzeug oder Weltraumgegenstand, das bzw. der einem ausländischen Staat gehört oder von ihm eingesetzt wird. Wenngleich Art. 11 EuStImm und Art. 12 UN-Übereinkommen als territorial tort exceptions bezeichnet werden,177 erfassen sie Schadenszufügungen nicht nur durch deliktisches Verhalten, sondern auch im Rahmen eines Vertragsverhältnisses.178 Beide Regelungen erfordern, dass die schadensstiftende Handlung 175 BGBl. 1976 II, S. 310; zu den Vertragsstaaten zählen neben der Bundesrepublik Deutschland vor allem westeuropäische Staaten. 176  Abrufbar unter International Atomic Energy Agency, https://www.iaea.org/sites/default/ files/infcirc500.pdf (28. 2. ​2017). Dem Übereinkommen sind v. a. osteuropäische, afrikanische, asiatische, zentral‑ und südamerikanische Staaten beigetreten. 177  So O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 12, S. 210; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 453. 178  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (34); O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 12, S. 21; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 733; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (536).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

einen doppelten territorialen Bezug zum Gerichtsstaat aufweist. Hierfür ist nicht entscheidend, dass der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, im Gerichtsstaat liegt. Vielmehr muss das schadensstiftende Ereignis im Gerichtsstaat erfolgt sein und der Schädiger, dessen Verhalten dem beklagten Staat zuzurechnen ist, sich bei dessen Eintritt dort aufgehalten haben.179 Im Unterschied zur allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Abgrenzungsregel kommt es auch nicht darauf an, ob ein Schaden auf ein hoheitliches oder ein nichthoheitliches Handeln des ausländischen Staates zurückzuführen ist, so dass die Immunitätsausnahme auch auf acta iure imperii Anwendung finden kann. Maßgeblich ist allein der doppelte territoriale Bezug zum Forumstaat, der dessen Interesse an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über den Schädigerstaat rechtfertigt.180 Demzufolge werden Klagen wegen grenzüberschreitender Delikte wie etwa der Zufügung von Immissionen von dem Territorium des beklagten Staates aus, die zu einem Personen‑ oder Sachschaden im Gerichtsstaat führen, nicht erfasst.181 Praktische Bedeutung haben beiden Regelungen hingegen insbesondere im Hinblick auf den Ersatz von Schäden aus Verkehrsunfällen, die durch Dienstfahrzeuge ausländischer Vertretungen im Gerichtsstaat verursacht werden.182 Für die Inanspruchnahme eines ausländischen Staates als Halter ist dabei unerheblich, ob sich der Verkehrsunfall anlässlich einer Dienstfahrt oder bei der privaten Nutzung des Dienstfahrzeugs ereignet hat.183 Darüber hinaus können beide Vorschriften dann zur Anwendung gelangen, wenn ein ausländischer Staat wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, die ihm bei der Unterhaltung von Dienstgebäuden im Gerichtsstaat obliegt, auf Schadensersatz verklagt wird.184 Die von der Bundesregierung in der Denkschrift zum Europäischen Übereinkommen aufgeworfene Problematik, auf wessen Aufenthalt es im Gerichts179  O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 12, S. 209, 218, 222; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 86; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 466; Geiger, NJW 1987, 1124 (1125 f.); Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (536). 180 O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 12, S. 209, 218; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 113; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 86; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 732; Geiger, NJW 1987, 1124 (1125 f.); Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (536). 181  Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 86; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 476; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 217, 288; Schreuer, State Immunity, S. 51; Geiger, NJW 1987, 1124 (1126); Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (94). 182  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (34); Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 86, Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 734; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 90; Kronke, IPRax 1991, 141 (149). 183  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (34); Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 216; Geiger, NJW 1987, 1124 (1126). 184  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (34); Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 86, Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 734; Kronke, IPRax 1991, 141 (149).

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staat ankommt, wenn eine für die Erfüllung einer Verkehrssicherungspflicht verantwortliche Person pflichtwidrig nicht bestellt worden ist, dürfte hingegen kaum praktisch relevant werden. Auch wenn die Bundesregierung vorsorglich auf den fiktiven Aufenthalt abstellt,185 so ist der Aufenthalt derjenigen Person maßgeblich, die als Repräsentant bzw. Organ eines ausländischen Staates auch ohne ausdrückliche Bestellung für eine eröffnete Gefahrenquelle verantwortlich ist. Selbst wenn diese sich im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht im Gerichtstaat aufgehalten haben sollte, so ist die Immunität des ausländischen Staates bereits gem. Art. 9 lit. b) EuStImm bzw. Art. 13 lit. a) UN-Übereinkommen ausgeschlossen. Sowohl Art. 11 EuStImm als auch Art. 12 UN-Übereinkommen erfassen nur den Ersatz von Personen‑ und Sachschäden, nicht hingegen den Ersatz reiner Vermögensschäden oder eine Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.186 Während sich Art. 11 EuStImm auf jegliche Formen des Ersatzes eines Personen‑ oder Sachschadens bezieht, ist der Anwendungsbereich des Art. 12 UN-Übereinkommen auf Schadensersatz in Geld (pecuniary compensation) beschränkt, so dass auf Zahlung eines Schmerzensgeldes oder auf Naturalrestitution gerichtete Ansprüche ausgenommen sind.187 b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung Art. 11 EuStImm und Art. 12 UN-Übereinkommen finden im Völkergewohnheitsrecht keine Entsprechung. Vielmehr ist nach dem derzeitigen Völkergewohnheitsrecht die herkömmliche Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis auf die Haftung ausländischer Staaten für Schäden weiterhin anwendbar.188 Danach ist ein ausländischer Staat im Unterschied zu den beiden völkervertraglichen Regeln für sein hoheitliches Handeln stets von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates befreit, während ihm für sein nichthoheitliches Handeln auch dann keine Immunität zukommt, wenn das schädigende Ereignis nicht im Gerichtsstaat eingetreten ist und/oder der Schädiger sich bei dessen Eintritt nicht dort aufgehalten hat.189 Da die Bundesrepublik Deutschland 185 Denkschrift

der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (34).  Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 11; O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 12, S. 209, 217; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 471 f. 187 Vgl. O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 12, S. 209, 217. 188  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (124 ff.)  – Jurisdictional Immunities; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 114; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 626c; Kau in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, Abschn. 3 Rdnr. 91; Herdegen, Völkerrecht, § 37 Rdnr. 9; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 90 f., 110 f., 118. 189 AG Bonn, NJW 1988, 1393 (1394); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 585, 626d, 626e: für Auslandsdelikte; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 291 ff.; Gündling, IPRax 1988, 338 (340); zweifelnd, aber offenlassend KG, Beschluss v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris. 186

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dem Fakultativregime nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm beigetreten ist, können die deutschen Gerichte auch in Verfahren gegen andere Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens ihre Gerichtsbarkeit auf sämtliche acta iure gestionis erstrecken.190 In Anwendung der völkergewohnheitsrechtlichen Abgrenzungsregel kann sich ein ausländischer Staat nicht auf seine Immunität berufen, wenn er auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall verklagt ist.191 So bejahte bereits 1953 das Landgericht Kiel die deutsche Gerichtsbarkeit für Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall mit einem Reiseomnibus, der zum Bestand der dänischen Staatsbahn gehörte. Da es sich um eine rein fiskalische Tätigkeit handele, sei das beklagte Königreich Dänemark als Halter des Reiseomnibusses der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.192 Ebenso wenig steht die Staatenimmunität einer Schadensersatzklage gegen einen ausländischen Staat entgegen, wenn einer seiner Diplomaten, Konsuln oder sonstigen Beamten einen Verkehrsunfall verursacht hat, mögen diese auch in amtlicher Mission unterwegs gewesen sein. Für die Qualifikation staatlichen Handelns kommt es ausschließlich auf dessen Natur, nicht aber auf den damit verfolgten Zweck an. Demzufolge sind das Halten und der Betrieb eines Kraftfahrzeugs selbst dann als acta iure gestionis zu qualifizieren, wenn es überwiegend oder auch nur für Dienstfahrten verwendet wird.193 Die völkergewohnheitsrechtliche Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis findet auch auf grenzüberschreitende Emissionen, die etwa durch den Betrieb eines Kernkraftwerks entstehen, Anwendung. Während die Emissionen auf dem Territorium des in Anspruch genommenen Staates erfolgen, tritt der dadurch verursachte Schaden im Gerichtsstaat ein. So entschied das Amtsgericht Bonn im Rahmen eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage eines deutschen Kleingärtners gegen die ehemalige Sowjetunion wegen der radioaktiven Verstrahlung seines Gartens infolge des Kernreaktorunfalls in Tschernobyl, dass einem ausländischen Staat nur dann Immunität zukomme, wenn er in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit gehandelt habe. Maßstab bei der Beantwortung der Frage, ob ein hoheitliches Handeln vorliege, sei das deutsche Recht. In der Bundesrepublik Deutschland werde die Energiewirtschaft privatrechtlich betrieben, die Staatsaufgabe der Energieversorgung werde also nichthoheitlich erfüllt. Deliktische Ansprüche,  Siehe Kapitel B. II. 2. a. Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 586; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 152; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 11. 192  LG Kiel, JZ 1954, 117 (117) m. Anm. Aubin, JZ 1954, 118 ff. 193 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 114; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 586, 733; für die schweizerische Gerichtsbarkeit vgl. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 433. 190

191 Geimer,

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die sich durch die russische Energiewirtschaft ergäben, unterlägen damit der deutschen Gerichtsbarkeit.194 Die vom Amtsgericht Bonn vorgenommene Qualifizierung als nichthoheitliche Tätigkeit ist im Ansatz und im Ergebnis zutreffend. Allerdings kommt es nicht darauf an, dass in Deutschland die Energiewirtschaft privatrechtlich betrieben wird. Vielmehr ist, ausgehend von der Natur der staatlichen Tätigkeit, entscheidend, dass die Nutzung von Atomenergie nicht nur von einem Staat, sondern auch von privaten Betreibern vorgenommen werden kann.195 Die privatrechtliche Natur des Betreibens von Kernkraftwerken wird durch die internationale Staatenpraxis zivilrechtlicher Haftungsübereinkommen, namentlich des Pariser und des Wiener Atomhaftungsübereinkommens, denen die Sowjetunion im Zeitpunkt des Kernreaktorunfalls am 26. 4. ​1986 nicht angehörte, bestätigt.196 Auf den von Schwarze präferierten Zweck der Nutzung, also der Versorgung der Bevölkerung mit Energie als staatliche Daseinsvorsorge,197 kommt es hingegen nicht an. Für die Qualifikation ist ausschließlich die Natur der staatlichen Handlung, nicht aber der mit einem Kernkraftwerk verfolgte Zweck entscheidend.198 Nach Auffassung von Heß setzt die Gewährung bzw. Versagung von Immunität für grenzüberschreitende Umweltverschmutzungen eine umfassende Abwägung der Interessen des beklagten Staates gegenüber den Interessen des Gerichtsstaates und des privaten Geschädigten voraus. Hierbei komme es darauf an, ob der Betrieb der emittierenden Anlage nach dem Recht des beklagten Staates oder nach allgemeinem Völkerrecht als hoheitliche oder erwerbswirtschaftliche Tätigkeit erscheine. Auch seien der Betrieb der Anlage durch eine rechtlich selbstständige juristische Person, die Gewichtigkeit der Anlage, das Vorhandensein umfassender Rechtsschutzmöglichkeiten bei entsprechenden Unfällen im Inland, die Schwere der erlittenen Rechtsverletzung, die Bereitstellung einer Entschädigung durch den Heimatstaat und der effektiven Rechtsschutz vor den Gerichten des Verursacherstaates zu berücksichtigen.199 Diese umfassende Interessenabwägung mag zwar für ein gerechtes Ergebnis im Einzelfall sorgen, sie schafft aber zugleich Rechtsunsicherheit. Sowohl für den privaten Geschädigten als auch für den Schädigerstaat kann es mitunter nur schwer zu prognostizieren sein, zu welchem Abwägungsergebnis das angerufene 194  AG Bonn, NJW 1988, 1393 (1394); bestätigt von LG Bonn, IPRax 1988, 354 (354), aber ohne Ausführungen zur deutschen Gerichtsbarkeit. 195  So auch Gündling, IPRax 1988, 338 (340); Rest, VersR 1986, 933 (940); Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236). 196 Rest, VersR 1986, 933 (940); Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1234, 1236). Russland trat dem Wiener Atomhaftungsübereinkommen erst mit Wirkung vom 13. 8. ​2005 bei, vgl. International Atomic Energy Agency, https://www.iaea.org/Publications/Documents/Conventions/ liability_status.pdf (28. 2. ​2017). 197  So Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (424). 198  Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236); vgl. auch Kapitel C. I. 2. c. 199 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 402 f.

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Gericht gelangen wird. Zugleich läuft es Gefahr, entweder die Souveränität des ausländischen Staates oder aber das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht zu verletzen, kommt es zu einer Fehleinschätzung oder Fehlabwägung der widerstreitenden Interessen. Auch die von Heß präferierte Qualifikation des Betriebs der emittierenden Anlage nach der lex causae oder nach dem Völkerrecht steht mit der vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Qualifikation nach der lex fori nicht im Einklang.200

6. Staatshandelsschiffe Eine besondere Rolle im Recht der Staatenimmunität kommt den Staatsschiffen zu, also Schiffen, die im Eigentum eines Staates stehen oder über die er unmittelbare Verfügungsgewalt hat.201 Seefahrerische Aktivitäten von Staaten und die damit verbundene Durchfahrt fremder Hoheitsgewässer waren schon früh Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. So gewährte der US-amerikanische Supreme Court Frankreich 1812 im Fall The Schooner Exchange gegen McFaddon als eine Leitentscheidung des anglo-amerikanischen Rechts keine Immunität. Auf der Überfahrt von Großbritannien zum europäischen Kontinent wurde der Schoner namens Exchange auf Beschluss Napoleons von der französischen Marine gekapert und in ein französisches Kriegsschiff umgewandelt. Als es später auf einer seiner Fahrten wegen der rauen See den Hafen von Philadelphia anlief, erhoben ihre Eigentümer eine dingliche Klage (actio in rem). Der Supreme Court verneinte seine Gerichtsbarkeit, da Kriegsschiffe ausländischer Staaten davon ausgenommen seien.202 Die Immunität der Staatsschiffe war der wichtigste Impulsgeber für die Entwicklung des einstigen Grundsatzes der absoluten Staatenimmunität hin zu dem der relativen Staatenimmunität. Im Jahr 1921 hielt das Reichsgericht allerdings noch in seiner Entscheidung „The Ice King“ an dem Prinzip der absoluten Staatenimmunität fest. Streitgegenstand waren Schadensersatzansprüche aus einer in der Wesermündung erfolgten Kollision zwischen dem Stückgutfrachter „Jonas Sell“ einer deutschen Reederei mit dem Dampfer „The Ice King“ der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Gericht verneinte die deutsche Gerichtsbarkeit für eine Schadensersatzklage der Reederei gegen die Vereinigten Staaten von Amerika, da ihnen Immunität zukomme. Zwar könnten dingliche Klagen, die sich auf unbewegliche, im Inland gelegene Sachen bezögen, auch gegen einen fremden

 Siehe hierzu Kapitel C. I. 2. b. aa. Die Immunität der Staatsschiffe, S. 6; ähnlich auch Böger, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 29. 202  The Schooner Exchange v. McFaddon, 11 U. S. 116 (1812); hierzu Böger, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 67; Berg, ZaöRV 42 (1982), 295 (310); Mössner, NJW 1982, 1196 (1197). 200

201 Menzel,

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Staat vor inländischen Gerichten erhoben werden. Diese Ausnahme sei allerdings nicht auf Schiffe übertragbar.203 Bereits wenige Jahre später wurde dieser Grundsatz durch das in Brüssel unterzeichnete Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über die Immunität der Staatsschiffe vom 10. 4. ​1926 (Brüsseler Übereinkommen) samt Zusatzprotokoll vom 24. 5. ​1934 aufgeweicht. Mit diesem wurde erstmals auf völkervertraglicher Ebene die staatliche Immunität begrenzt, indem Staatshandelsschiffe den privaten Handelsschiffen gleichgestellt wurden.204 So gelten nach Art. 2 i. V. m. Art. 1 Brüsseler Übereinkommen die gleichen Regeln über die gerichtliche Geltendmachung für die Verantwortlichkeiten und Verbindlichkeiten, die einen Staat aus der Verwendung der ihm gehörenden oder von ihm benutzten Seeschiffe sowie aus der Beförderung der Ladungen treffen, wie sie gegenüber einer Privatperson mit Blick auf die ihr gehörenden Handelsschiffe und Ladungen gelten. Eine Ausnahme von der Gerichtsbarkeit besteht nach Art. 3 § 1 S. 1 Brüsseler Übereinkommen im Hinblick auf Kriegsschiffe, Staatsjachten, Schiffe des Überwachungsdienstes, Hospitalschiffe, Hilfsschiffe, Proviantschiffe und andere Fahrzeuge, die einem Staat gehören oder von ihm verwendet werden und die zur Zeit des Entstehens der Forderung ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt sind oder verwendet werden. Im Hinblick auf dingliche Klagen (actiones in rem) ist damit die Immunität eines ausländischen Staates weit eingeschränkt. Dieser unterliegt wegen eines solchen Schiffes nur dann nicht der Gerichtsbarkeit, wenn es ausschließlich für staatliche Dienste verwendet wird und auch nicht für Handelszwecke bestimmt ist. Nach der Gegenausnahme in Art. 3 § 1 S. 2 Brüsseler Übereinkommen kann sich ein Staat aber auch im Hinblick auf solche Schiffe nicht auf seine Immunität berufen, wenn das Verfahren Ansprüche aus Anlass von Schiffszusammenstößen oder anderen Schifffahrtsunfällen, von Hilfeleistungen und Bergung in Seenot oder großer Haverei oder von Ausbesserungen, Lieferungen oder anderen das Schiff betreffenden Verträgen betrifft. Diese Regelungen finden nach Art. 3 § 2 Brüsseler Übereinkommen ebenfalls auf Ladungen, die einem Staat gehören und an Bord der genannten Schiffe befördert werden, Anwendung. In Anlehnung an das Brüsseler Übereinkommen205 enthält auch Art. 16 UNÜbereinkommen detaillierte Regelungen zur Immunität im Hinblick auf einem Staat gehörende oder von ihm eingesetzte Schiffe. So kann sich nach Art. 16 Abs. 1 UN-Übereinkommen ein Staat, dem ein Schiff gehört oder der es einsetzt, vor einem sonst zuständigen Gericht eines anderen Staates nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen, das sich auf den 203 RGZ

103, 274 (276 ff.); dazu Böger, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 88 ff.  Siehe bereits Kapitel B. II. 2. c. 205  O’Keefe/Tams/Guilfoyle, UNCSI, Art. 16, S. 259 (275); Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 431. 204

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Einsatz dieses Schiffes bezieht, wenn es zum Zeitpunkt der Entstehung des Klagegrundes zu anderen als nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken benutzt wurde. Mit anderen Worten: Ein ausländischer Staat kann sich nicht darauf berufen, sein Schiff werde normalerweise nur für hoheitliche Zwecke benutzt, sofern es einmalig bei Entstehen des Klagegrundes für privatwirtschaftliche Zwecke verwendet wurde.206 Entsprechendes gilt nach Art. 16 Abs. 3 UN-Übereinkommen, wenn sich das Verfahren auf die Beförderung von Ladung an Bord eines einem Staat gehörenden oder von ihm eingesetzten Schiffes bezieht. Beide Bestimmungen gelten vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung zwischen den betreffenden Staaten. Nach Art. 16 Abs. 2 UN-Übereinkommen findet Abs. 1 keine Anwendung auf Kriegsschiffe und Flottenhilfsschiffe sowie auf Schiffe, die einem Staat gehören oder von ihm eingesetzt und ausschließlich zu nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken benutzt werden. Nach Art. 16 Abs. 4 UN-Übereinkommen findet Abs. 3 keine Anwendung auf die Ladung, die an Bord der in Abs. 2 genannten Schiffe befördert wird, sowie auf die Ladung, die einem Staat gehört und ausschließlich zu nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist. Das UN-Übereinkommen enthält keine Art. 3 § 1 S. 2 und Art. 3 § 3 S. 2 Brüsseler Übereinkommen vergleichbaren Regelungen, nach denen auch im Hinblick auf solche Schiffe und Ladungen keine Immunitätsausnahme für Ansprüche aus Anlass von Schiffszusammenstößen, von Hilfeleistungen oder von das Schiff bzw. die Ladung betreffenden Verträgen bestünde. Allerdings werden Ansprüche aus Schiffsunfällen bereits von Art. 12 UN-Übereinkommen und vertragliche Ansprüche bereits von Art. 10 UN-Übereinkommen erfasst. Bemerkenswerterweise entscheidet in Anlehnung an das Brüsseler Übereinkommen der tatsächliche Verwendungszweck der Schiffe und ihrer Ladung über die Gewährung von Staatenimmunität. Der in Art. 2 Abs. 2 Hs. 2 UN-Übereinkommen festgeschriebene Grundsatz, dass es in erster Linie auf die Natur der staatlichen Handlung ankommt, findet demzufolge nach Art. 16 UN-Übereinkommen und ebenso nach Art. 1 ff. Brüsseler Übereinkommen bei Verfahren, die den Einsatz von Schiffen und die Beförderung von Ladung zum Gegenstand haben, keine Anwendung.207 Andernfalls käme einem ausländischen Staat für Klagen im Zusammenhang mit Schiffen nie Immunität zu, da die Schifffahrt auch von Privatpersonen betrieben wird, so dass die Heranziehung des Verwendungszwecks als Differenzierungskriterium sinnvoll erscheint. Inspiriert von Art. 5 Brüsseler Übereinkommen enthält Art. 16 Abs. 6 UNÜbereinkommen eine Beweisregel zu Gunsten des ausländischen Staates. Da206  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 125; ähnlich auch O’Keefe/Tams/Guilfoyle, UNCSI, Art. 16, S. 269. 207 O’Keefe/Tams/Guilfoyle, UNCSI, Art. 16, S. 269.

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nach dient eine dem Gericht vorgelegte, von einem diplomatischen Vertreter oder einer anderen zuständigen Behörde dieses Staates unterzeichnete Bescheinigung als Nachweis der Zweckbestimmung des Schiffes bzw. der Ladung. Diese Regelung war von der Erwägung getragen, eine gerichtliche Untersuchung des hoheitlichen Zwecks würde einen Eingriff in die Souveränität des beklagten Staates darstellen.208 Art. 16 Abs. 5 UN-Übereinkommen stellt klar, dass ein Staat alle Rechtsbehelfe einlegen und sich auf Verjährung und Haftungsbeschränkungen berufen kann, wie dies für private Schiffe, private Ladungen sowie deren Eigentümer möglich ist. Diese an und für sich selbstverständliche Regelung findet sich bereits in Art. 4 S. 1 Brüsseler Übereinkommen. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität enthält keine Art. 16 UN-Übereinkommen vergleichbare Vorschrift. Vielmehr ist es nach Art. 30 EuStImm nicht auf Verfahren anzuwenden, die Ansprüche aus dem Betrieb von Seeschiffen, der Beförderung von Ladungen und Reisenden durch diese Schiffe oder der Beförderung von Ladungen an Bord von Handelsschiffen zum Gegenstand haben. Diese Verfahren werden ohnehin weitgehend vom Brüsseler Übereinkommen, dem alle Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens mit Ausnahme des Binnenstaates Österreich beigetreten sind, erfasst.209 Auch wenn Art. 1 ff. Brüsseler Übereinkommen und Art. 16 UN-Übereinkommen im Unterschied zum völkergewohnheitsrechtlichen Abgrenzungskonzept nicht zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis differenzieren und das Recht der Staatenimmunität für die Spezialmaterie der Staatsschiffe einen Sonderweg beschritten hat, so spiegeln die in den Übereinkommen enthaltenen Immunitätsregeln für Staatsschiffe und deren Ladungen das entsprechende Völkergewohnheitsrecht im Wesentlichen wider.210

7. Exkurs: Arbeitsverhältnisse Ausländische Staaten werden in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber immer wieder vor deutschen Gerichten mit Klagen aus dem Bereich des Arbeitsrechts konfrontiert. Auch wenn es sich bei einem arbeitsgerichtlichen Prozess nicht um einen Zivilprozess im klassischen Sinn handelt, so bestehen dennoch zahlreiche Parallelen. Insbesondere erklärt § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen für 208  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 126 f. 209 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (38). 210  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 127; auch Menzel, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 22, 28: keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Anerkennung der Immunität von Staatshandelsschiffen.

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entsprechend anwendbar. Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung und zur Vervollständigung der Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit sei im Wege eines Exkurses der Blick auf die Gewährung von Staatenimmunität in Arbeitssachen gerichtet. a. Völkervertragliche Regelungen Nach Art. 5 Abs. 1 EuStImm kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten ist. Art. 5 Abs. 2 nominiert hierzu drei Gegenausnahmen: Die natürliche Person hat im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Staatsangehörigkeit des Staates, der ihr Arbeitgeber ist (lit. a). Sie war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Angehörige des Gerichtsstaates noch hatte sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt (lit. b). Demzufolge ist Voraussetzung für die Ausübung der Gerichtsbarkeit ein territorialer Bezug nicht nur der zu leistenden Arbeit, sondern auch des Arbeitnehmers zum Gerichtsstaat. Dieser muss die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates oder zumindest dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben, ohne dass dieser Anknüpfungspunkt durch die Staatsangehörigkeit des Arbeitgeberstaates überlagert wird. Andernfalls ist die Beziehung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberstaat enger, so dass diesem Immunität zukommt.211 Wird die Arbeit für ein Büro, eine Agentur oder eine andere Niederlassung des Staates i. S. v. Art. 7 EuStImm geleistet, so sind die beiden in Art. 5 Abs. 2 lit. a) und b) EuStImm geregelten Gegenausnahmen nach Art. 5 Abs. 3 EuStImm nur dann anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Arbeitgeberstaat hatte. Eine weitere Gegenausnahme besteht schließlich nach Art. 5 Abs. 2 lit. c) EuStImm, wenn die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben, sofern nicht nach dem Recht des Gerichtsstaates dessen Gerichte wegen der Art der Streitigkeit ausschließlich zuständig sind. Dies ist bei den deutschen Arbeitsgerichten nicht der Fall. Sowohl nach Art. 21, 23 EuGVVO im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten als auch nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. den doppelfunktionalen Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO gegenüber Drittstaaten besteht keine ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Art. 5 EuStImm greift nicht die völkergewohnheitsrechtliche Abgrenzungsregel zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis auf, sondern zieht der Ausübung der Gerichtsbarkeit durch das Erfordernis eines doppelten territorialen 211  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (32); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 8.

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Bezugs deutlich engere Grenzen. Da die Bundesrepublik Deutschland aber eine Erklärung nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm abgegeben hat, können die deutschen Arbeitsgerichte in Verfahren gegen andere Vertragsstaaten ihre Gerichtsbarkeit auf sämtliche acta iure gestionis erstrecken.212 Andererseits kommt es nach Art. 5 EuStImm nicht auf die Rechtsnatur der Arbeitsleistung an, so dass umgekehrt der Arbeitgeberstaat auch dann der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sein kann, wenn der Arbeitnehmer hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Eine auf den ersten Blick unscheinbare, für arbeitsrechtliche Streitigkeiten gegenüber anderen Vertragsstaaten aber praxisrelevante Regelung enthält Art. 32 EuStImm. Danach bleiben die Vorrechte und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen sowie der diesen angehörenden Personen unberührt. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch einen Vertragsstaat darf die diplomatische und konsularische Immunität also nicht beeinträchtigen.213 Daher kann ein Vertragsstaat für einen Rechtsstreit mit einem Botschafts‑ oder Konsulatsangestellten über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in größerem Umfang Immunität beanspruchen als im Hinblick auf einen sonstigen Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht verneinte deshalb die deutsche Gerichtbarkeit für eine Bestandsstreitigkeit zwischen einer Angestellten der belgischen Botschaft in Deutschland und dem Königreich Belgien. Die Klägerin habe nach dem Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses Visa ausgestellt und damit originär konsularische Aufgaben wahrgenommen. Obwohl an und für sich eine Immunitätsausnahme nach Art. 5 Abs. 1 EuStImm vorliege, käme die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung mit dem völkerrechtlichen Grundsatz in Konflikt, dass die diplomatischen und konsularischen Beziehungen nicht behindert werden dürften.214 Eine deutlich längere Regelung enthält Art. 11 UN-Übereinkommen. Auch wenn sie sich nach Foakes und O’Keefe durch eine „labyrinthine technical complexity“ auszeichnet,215 so spiegelt sie das Bemühen wider, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Souveränitätsinteresse des ausländischen Arbeitgeberstaates und dem Interesse des Gerichtsstaates an der Einhaltung seines Arbeitsrechts zum Schutz der Arbeitnehmer zu finden.216 Nach dessen Abs. 1 kann sich ein Staat vor einem sonst zuständigen Gericht eines anderen Staates nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen, das  Siehe Kapitel B. II. 2. a.  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (38); BAG, BB 2002, 787 (787 f.); Baldegger, Das Spannungsverhältnis zwischen Staatenimmunität, diplomatischer Immunität und Menschenrecht, S. 59; Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (349); Daub/Eckstein/ Schimang, NZA 2014, 397 (397). 214 BAG, BB 2002, 787 (788). 215  O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 11, S. 208. 216  O’Keefe/Tams/Foakes/O’Keefe, UNCSI, Art. 11, S. 184, 208; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 437. 212

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sich auf einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag bezieht, dem zufolge die Arbeit ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet dieses anderen Staates geleistet wird bzw. zu leisten ist. Diese Vorschrift ist an die in Art. 5 Abs. 1 EuStImm geregelte Immunitätsausnahme angelehnt mit der Präzisierung, dass eine teilweise oder auch tatsächlich im Gerichtsstaat erbrachte Arbeitsleistung genügt. Art. 11 Abs. 1 UN-Übereinkommen steht  – wie auch andere im UN-Übereinkommen geregelte Ausnahmen  – unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Vereinbarung der betreffenden Staaten. In Art. 11 Abs. 2 UN-Übereinkommen sind insgesamt sechs Gegenausnahmen aufgezählt. So kommt einem ausländischen Staat nach lit. a) dennoch Immunität zu, wenn der Arbeitnehmer eingestellt worden ist, um bestimmte Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt zu erfüllen. Diese Voraussetzung sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung Sabeh El Leil gegen Frankreich als nicht erfüllt an. Der Beschwerdeführer sei bei der kuwaitischen Botschaft in Paris als Buchhalter eingestellt worden, nicht aber, um hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen. Der bloße Verweis der Cour d’appel Paris, es habe zusätzliche Verantwortlichkeiten gegeben, vermöge die Immunität Kuwaits nicht zu begründen.217 Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 EuStImm enthält Art. 11 Abs. 2 lit. b) UNÜbereinkommen eine explizite Gegenausnahme, wenn der Arbeitnehmer bei einer Botschaft oder einem Konsulat beschäftigt ist. Nach dieser Regelung kommt dem Arbeitgeberstaat Immunität zu, wenn der Arbeitnehmer ein Diplomat, ein Konsularbeamter oder ein Mitglied des diplomatischen Personals einer ständigen Mission bei einer internationalen Organisation oder einer Sondermission ist. Gleiches gilt, wenn er eingestellt wurde, um einen Staat bei einer internationalen Konferenz zu vertreten oder er eine andere Person ist, die diplomatische Immunität genießt. Diese Gegenausnahme dient im Wesentlichen der Klarstellung, da auch nach der allgemeinen Regelung des Art. 3 Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen die entsprechenden Vorrechte und Immunitäten unberührt bleiben. Darüber hinaus besteht nach Art. 11 Abs. 2 lit. c) UN-Übereinkommen keine Immunitätsausnahme, wenn die Einstellung, die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses oder die Wiedereinstellung einer natürlichen Person Gegenstand des Verfahrens ist. Dieser Gegenausnahme liegt die Erwägung zu Grunde, dass eine entsprechende Verurteilung eines ausländischen Staates einen Eingriff in dessen Organisationshoheit darstellt. Insbesondere soll nicht jedermann – gestützt zum Beispiel auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder diesem vergleichbare Regelungen – einen ausländischen Staat auf Einstellung verklagen können, ohne dass er jemals bei ihm beschäftigt gewesen ist.218 217  EGMR, NJOZ 2012, 1333 (1336)  – Sabeh El Leil v. Frankreich; dazu auch Kapitel B. IV. 2. a. 218 Baldegger, Das Spannungsverhältnis zwischen Staatenimmunität, diplomatischer Immu-

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Eine weitere Gegenausnahme enthält Art. 11 Abs. 2 lit. d) UN-Übereinkommen, nach der die Entlassung oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer natürlichen Person Gegenstand des Verfahrens ist und dieses nach Feststellung des Staats‑ oder Regierungschefs oder des Außenministers des Arbeitgeberstaates seinen Sicherheitsinteressen zuwiderliefe. Der Begriff der Sicherheitsinteressen wird in der Anlage zu Art. 11 UN-Übereinkommen dahingehend konkretisiert, dass hiermit in erster Linie Angelegenheiten der nationalen Sicherheit sowie der Sicherheit der diplomatischen Missionen und konsularischen Vertretungen gemeint sind. Diese Regelung ist Ausdruck des Souveränitätsgedankens, da die Wahrnehmung nationaler Sicherheitsinteressen zum Kernbereich einer jeden Staatstätigkeit gehört. Ebenso wie bei der Gegenausnahme nach lit. c) wäre eine Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ein Eingriff in das souveräne Recht des ausländischen Staates, sich selbst zu organisieren. Die Beschränkung auf die Konstellation, dass ein Verfahren den Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates zuwiderliefe, trägt hingegen dem Rechtsschutzinteresse des Arbeitnehmers, der im Unterschied zu den in lit. c) erfassten Fallgruppen bereits beim ausländische Staat beschäftigt ist, Rechnung. Gleichzeitig birgt diese Regelung aber auch die Gefahr, dass sein Recht auf Zugang zu Gericht unterlaufen wird, indem der Arbeitgeberstaat zwecks Wahrung seiner Immunität Sicherheitsinteressen nur vordergründig behauptet. Daher ist jedenfalls bei einer allzu weiten Auslegung des Begriffs der Sicherheitsinteressen Vorsicht geboten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat demzufolge in seiner Entscheidung Cudak gegen Litauen überzeugend eine Gefährdung der Sicherheitsinteressen der Republik Polen verneint. Das litauische Höchstgericht habe zu Unrecht der einst als Sekretärin und Telefonistin bei der polnischen Botschaft in Vilnius beschäftigten Beschwerdeführerin für eine Klage gegen die Republik Polen auf Entschädigung wegen ungerechtfertigter Entlassung den Zugang zu den litauischen Gerichten verweigert. Die alleinige Behauptung, sie könnte Zugriff auf vertrauliche Dokumente und Kenntnis von vertraulichen Telefongesprächen haben, reiche nicht aus, um auf eine Gefährdung der polnischen Sicherheitsinteressen zu schließen. Vielmehr sei ihre Entlassung auf eine ihr zugefügte sexuelle Belästigung zurückzuführen, die kaum die Sicherheitsinteressen Polens zu beeinträchtigen fähig sei.219 Ähnlich der in Art. 5 Abs. 2 lit. a) EuStImm geregelten Gegenausnahme darf ein Konventionsstaat nach Art. 11 Abs. 2 lit. e) UN-Übereinkommen seine Gerichtsbarkeit ausüben, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Einleitung nität und Menschenrecht, S. 80; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 88. 219  EGMR, NLMR 2/2010, 101 (103) – Cudak v. Litauen; dazu auch Kapitel B. IV. 2. a.; ähnlich auch EGMR, Urteil v. 8. 11. ​2016, Az. 26126/07 – Naku v. Litauen und Schweden; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro.

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des Verfahrens Angehöriger des Arbeitgeberstaates ist. Allerdings darf er – im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 lit. a) EuStImm – nicht seinen ständigen Aufenthalt im Gerichtsstaat haben. Fehlt es an einem persönlichen territorialen Bezug zum Gerichtsstaat, so hat dieser kein schützenswertes Interesse, dem Arbeitnehmer Rechtschutz zu gewähren.220 Eine letzte Gegenausnahme besteht nach Art. 11 Abs. 2 lit. f) UN-Übereinkommen, wenn der Arbeitgeberstaat und der Arbeitnehmer schriftlich etwas anderes vereinbart haben, sofern den Gerichten des Gerichtsstaates nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung wegen des Verfahrensgegenstands die ausschließliche Zuständigkeit übertragen wird. Diese Art. 5 Abs. 2 lit. c) EuStImm ähnliche Regelung dient dem Schutz des Arbeitnehmers vor einer Übervorteilung durch den Arbeitgeberstaat mit Blick auf elementare Arbeitnehmerrechte, da er durch eine Vereinbarung nicht insgesamt rechtsschutzlos gestellt werden soll.221 b. Völkergewohnheitsrecht im Lichte der deutschen Rechtsprechung Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, insbesondere Bestandsstreitigkeiten, wendet die deutsche Rechtsprechung nicht die allgemeine vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Regel an, der zufolge im deutschen Recht die Abgrenzung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis nach der Rechtsnatur staatlichen Handelns bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses erfolgt. Ein Arbeitsverhältnis zwischen einem ausländischen Staat und einem privaten Arbeitnehmer als auch dessen Kündigung sind stets nichthoheitlicher Art, so dass ein ausländischer Staat bei Anwendung dieser Grundregel für arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten immer der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen wäre.222 Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung seitens der deutschen Gerichte kann aber die ungehinderte Ausübung hoheitlicher Befugnisse beinträchtigen und damit gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsgebot verstoßen.223 So könnte der Arbeitgeberstaat im Kündigungsschutzprozess mit Blick auf die Sozialauswahl gezwungen sein, vertrauliche Planungen und personalwirtschaftliche Entscheidungen zu offenbaren.224

220 Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.024; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 89. 221  Baldegger, Das Spannungsverhältnis zwischen Staatenimmunität, diplomatischer Immunität und Menschenrecht, S. 85; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 89. 222  Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (352); Martiny, IPRax 2013, 536 (539). 223 BAG, NZA 2001, 683 (684 f.); RIW 2011, 167 (168); LArbG Berlin, MDR 2001, 1421 (1421 f.); Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (351 f.); Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (397). 224 BAG, NZA 2001, 683 (685).

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Aus diesen Gründen knüpfen die gefestigte deutsche Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur die Gewährung von Staatenimmunität an den Inhalt der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit. Den deutschen Arbeitsgerichten ist die Ausübung ihrer Gerichtsbarkeit dann verwehrt, wenn ein Arbeitnehmer für einen ausländischen Staat hoheitlich tätig ist, ihm also die unmittelbare Wahrnehmung von Aufgaben übertragen worden ist, die dem Kernbereich staatlicher Betätigung zuzurechnen sind. Dahinter steht der Gedanke, dass ein ausländischer Staat, der einen Arbeitnehmer mit hoheitlichen Aufgaben betraut, selbst in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt handelt.225 Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, nach der es auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit ankommt, ist nicht überall im Schrifttum auf Zustimmung gestoßen. So plädiert Majer dafür, bereits wegen der den deutschen Staat treffenden Justizgewährungspflicht die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Regel anzuwenden, nach der die Gewährung von Immunität von der Rechtsnatur staatlichen Handelns bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses abhänge. Da die Natur der streitigen Maßnahme in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten privatrechtlicher Natur sei, unterliege ein ausländischer Arbeitgeberstaat der deutschen Gerichtsbarkeit, es sei denn, der Arbeitnehmer sei von diplomatischem Rang. Nur eine konkrete Gefährdung der hoheitlichen Tätigkeit könne einen Ausschluss der Gerichtsbarkeit rechtfertigen. Auch sei es für die Ausübung der Gerichtsbarkeit nach Art. 5 EuStImm ohne Belang, ob der Arbeitnehmer mit hoheitlichen Aufgaben betraut worden sei.226 Abgesehen davon, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm dem Fakultativregime angeschlossen hat, steht die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nicht im Widerspruch, sondern im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und insbesondere mit dem Völkerrecht. Zwar hängt die Gewährung von Immunität zunächst von der Rechtsnatur staatlichen Handelns bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses ab. Diese Qualifikation gilt aber nicht absolut, vielmehr ist einem ausländischen Staat für den Kernbereich seines Handelns unabhängig von der Qualifikation nach der lex fori stets Immunität zu gewähren.227 Die von Majer befürwortete Reduzierung der Immunität auf das Vorliegen einer konkreten Gefährdung der hoheitlichen Tätigkeit findet im Völkerrecht keine Stütze. Vielmehr verbietet es bereits per se eine Einmischung in den Kernbereich der Tätigkeit eines anderen Staates als Ausfluss seiner Souveränität und damit auch die Beurteilung einer konkreten Gefährdung durch ein ausländisches 225  BAG, NZA 2001, 683 (684 f.); RIW 2011, 167 (168); NZA 2013, 468 (470); RIW 2014, 691 (692); NZA-RR 2015, 546 (548 f.); Germelmann/Matthes/Prütting/Schlewing, ArbGG, § 1 Rdnr. 9; Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 5; Prütting/Gehrlein/Bitz/Steinfatt, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 5; Martiny, IPRax 2013, 536 (539). 226  Majer, NZA 2010, 1395 (1397 ff.). 227 Siehe bereits Kapitel C. I. 2. b. bb.

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Gericht. Letztlich entspricht die Maßgeblichkeit des Inhalts der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit auch der in Art. 11 Abs. 2 lit. a) UN-Übereinkommen geregelten Gegenausnahme, nach der einem Arbeitgeberstaat Immunität zu gewähren ist, wenn er einen Arbeitnehmer eingestellt hat, um bestimmte Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt zu erfüllen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte der Inhalt des Art. 11 UN-Übereinkommen als Völkergewohnheitsrecht gilt, selbst wenn der betroffene Staat die Konvention nicht ratifiziert hat, es sei denn, er hat ihr widersprochen.228 Ein ausländischer Staat ist vor allem für arbeitsrechtliche Streitigkeiten mit Botschafts‑ und Konsulatsangestellten, die nach dem Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses originär hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen haben, nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.229 Dies setzt voraus, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers in einem funktionellen Zusammenhang mit den beispielhaft in Art. 3 WÜD genannten Aufgaben der diplomatischen Missionen bzw. den in Art. 5 WÜK aufgezählten Aufgaben der konsularischen Vertretungen steht.230 So entschied beispielsweise das Bundesarbeitsgericht folgerichtig, dass Argentinien für arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten mit Konsulatsangestellten, zu deren Aufgaben unter anderen die Neuausstellung und Verlängerung von Reisepässen, die Visa-Bearbeitung und die Vornahme von Beglaubigungen gehörten, nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen war. Dies seien originär konsularische Aufgaben, die zum Kernbereich der hoheitlichen Tätigkeit des argentinischen Staates gehörten. Eine Überprüfung der Entlassung durch deutsche Gerichte käme mit dem völkerrechtlichen Grundsatz in Konflikt, dass die konsularischen Beziehungen nicht behindert werden dürften.231 In einem weiteren Urteil qualifizierte das Bundesarbeitsgericht die Pressearbeit des Klägers für die Vereinigten Staaten ebenfalls als hoheitliche Tätigkeit und verneinte folglich die deutsche Gerichtsbarkeit für eine Kündigungsschutzklage. Der Kläger hatte die herausgehobene Stellung, als Ersatzredner für die Vereinig228  EGMR, NLMR 2/2010, 101 (103) – Cudak v. Litauen; EGMR, NJW 2012, 1333 (1335 f.) – Sabeh El Leil v. Frankreich; EGMR, Urteil v. 25. 10. ​2016, Az. 45197/13, 73404/13 – Radunović u. a. v. Montenegro. 229  BAG, AP § 20 GVG, Nr. 3; Germelmann/Matthes/Prütting/Schlewing, ArbGG, § 1 Rdnr. 9; Prütting/Gehrlein/Bitz/Steinfatt, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 5; Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (397). 230  LArbG Hamm, BeckRS 2016, 74411; Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 5; Martiny, IPRax 2013, 536 (539). 231 BAG, DB 1997, 1087 (1087 f.); so auch BAG, IPRspr. 2002 Nr. 128, S. 321 (323); Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (353 f.); Martiny, IPRax 2013, 536 (539). Der österreichische OGH, ZfRV 31 (1990), 300 (302) bejahte hingegen die österreichische Gerichtsbarkeit für eine Klage der Leiterin der Visa-Abteilung des französischen Generalkonsulats in Innsbruck auf Zahlung von Entgelt für Überstunden und Mehrarbeit sowie von Urlaubsentschädigung, da der französische Staat bei Abschluss des Arbeitsvertrags als Privatrechtsträger gehandelt habe, zu Recht krit. dazu Seidl-Hohenveldern, ZfRV 31 (1990), 302 ff.

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ten Staaten zur Verfügung zu stehen, für Hoheitsträger Reden zu schreiben und den neuen Botschafter in der deutschen Öffentlichkeit einzuführen. Zutreffend ging das Gericht davon aus, dass amtliche Erklärungen und die Öffentlichkeitsarbeit eines Staates als schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln öffentlichrechtlicher Natur sind.232 Ebenso verneinte das Landesarbeitsgericht Berlin für eine arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeit zwischen einem bei der US-Botschaft angestellten Liegenschaftsassistenten und den Vereinigten Staaten die deutsche Gerichtsbarkeit, da dieser eine herausgehobene Position und einen bedeutenden Handlungsspielraum gehabt habe.233 Die Differenzierung nach der Tätigkeit des Arbeitnehmers findet nicht nur auf Bestandsstreitigkeiten, sondern auch auf andere Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis mit einem ausländischen Staat als Arbeitgeber Anwendung. So entschied der Bundesgerichtshof, dass Kroatien für eine Schadensersatzklage der beim kroatischen Generalkonsulat in Stuttgart als Konsulin erster Klasse und Leiterin für Kultur beschäftigten Klägerin wegen Verletzung von Art. 10 des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliege, da sie hoheitliche Aufgaben für den kroatischen Staat wahrgenommen habe. Maßgebend sei wiederum der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit, auch wenn Gegenstand des Rechtsstreits nicht der Bestand des Arbeitsverhältnisses sei, sondern daraus resultierende Schadensersatzpflichten im Streit stünden.234 Umgekehrt fehlt es bei lediglich technischen oder handwerklichen Arbeiten an einem funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen bzw. konsularischen Aufgaben. Folglich kommt einem ausländischen Staat für eine Kündigungsschutzklage eines Haustechnikers, eines Aufzugsmonteurs oder einer Putzkraft keine Immunität zu, weil durch eine Überprüfung der Kündigung die Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung nicht tangiert wird.235 Dementsprechend stufte das Bundesarbeitsgericht auch die Tätigkeit eines bei der algerischen Botschaft in Berlin beschäftigten Fahrers von Gästen, von Mitarbeitern, vertretungsweise des Botschafters sowie der Korrespondenz der Botschaft als nichthoheitlich ein, da er nicht in den diplomatischen Funktionszusammenhang eingebunden gewesen sei.236 Etwas anderes ergebe sich, wenn 232 BAG, NZA 2001, 683 (685 f.); dazu Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (355); Martiny, IPRax 2013, 536 (539). 233  LArbG Berlin, MDR 2001, 1421 (1422); dazu Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (353). 234 BGH, BeckRS 2015, 20309. 235  Germelmann/Matthes/Prütting/Schlewing, ArbGG, § 1 Rdnr. 9; Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 5; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (294 f.); Daub/Eckstein/­ Schimang, NZA 2014, 397 (400); Martiny, IPRax 2013, 536 (539). 236  BAG, RIW 2011, 167 (168); RIW 2014, 691 (692); so auch bereits Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (355); ebenso Prütting/Gehrlein/Bitz/Steinfatt, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 5; Martiny, IPRax 2013, 536 (539, 545).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

ihm aufgegeben sei, neben der Beförderung von Fahrgästen auch als Dolmetscher tätig zu sein, indem er zur Anbahnung und Pflege von Gesprächskontakten in nennenswertem Umfang beitrage. Dann erfülle er auch originäre Aufgaben einer diplomatischen Mission, zu denen die Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Beziehungen gehöre. Da offizielle wie informelle Gespräche hierbei eine wichtige Rolle spielten, stehe eine solche Tätigkeit in einem funktionellen Zusammenhang mit diplomatischen Zielen der Botschaft.237 Diese Entscheidung ist in doppelter Hinsicht kritisiert worden. Einerseits handele es sich bereits bei der bloßen Tätigkeit als Fahrer um eine besonders sensible Tätigkeit, da er bei entsprechenden Sprachkenntnissen die geheimhaltungsbedürftige Kommunikation der Fahrgäste mithören und diese über eigene Beiträge befördern könne. Daher sei ein Zusammenhang mit der diplomatischen Tätigkeit der Botschaft zu vermuten.238 Allerdings stellen die mehr oder minder zufällige Kenntnis vertraulicher Gesprächsinhalte und beiläufige Gespräche mit Delegationsmitgliedern noch keinen funktionellen Zusammenhang zu den typischen Aufgaben einer diplomatischen Mission her, wenn einem Fahrer das Mithören und Führen solcher Gespräche nicht per Arbeitsvertrag oder Direktionsrecht des Arbeitgebers übertragen sind.239 Andererseits ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dahingehend kritisiert worden, dass die Tätigkeit als Fahrer, auch wenn sie durch zusätzliche Dolmetscherdienste aufgewertet werde, ein Hilfsdienst bleibe.240 Dies ist aber dann nicht mehr der Fall, wenn die Verbindung der Tätigkeit als Fahrer und als Dolmetscher in nennenswertem Umfang zu Gesprächskontakten beiträgt, die der Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Beziehungen i. S. v. Art. 3 Abs. 1 lit. e) WÜD dienen. Hat ein ausländischer Staat einem Arbeitnehmer solche Aufgaben übertragen, so übt dieser insgesamt eine hoheitliche Tätigkeit aus.241 In der Tradition dieser Rechtsprechungslinie entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Republik Griechenland für eine Klage auf Lohnnachzahlung einer Lehrkraft, die an einer von ihr in Deutschland betriebenen Privatschule angestellt sei, der deutschen Gerichtsbarkeit unterliege. Die Lehrkraft, der von ihrer Bruttovergütung 5 Prozent Quellensteuer zu Gunsten des griechischen Staates einbehalten worden sei, wirke im Rahmen ihrer Aufgaben nicht an der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt mit, sondern der griechische Staat sei nach dem für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen deutschen Recht einem 237 BAG,

RIW 2011, 167 (168); zustimmend Kissel/Meyer, GVG, § 20 Rdnr. 5.  Bauschke, öAT 2014, 112 (113); so bereits auch Steinmann, MDR 1965, 795 (796). 239  Vgl. auch EGMR, NLMR 2/2010, 101 (103) – Cudak v. Litauen, nach dem der Zugang zu bestimmten Dokumenten oder die Kenntnis von vertraulichen Telefongesprächen nicht ausreicht, um auf eine Gefährdung staatlicher Sicherheitsinteressen zu schließen. 240  Martiny, IPRax 2013, 536 (539, 545). 241 So auch LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10. 7. ​2013, Az. 17 Sa 2620/10 – juris. 238

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privaten Arbeitgeber gleichgestellt. Lehrer nähmen nicht schwerpunktmäßig hoheitlich geprägte Aufgaben war, die der besonderen Absicherung durch den Beamtenstatus gem. Art. 33 Abs. 4 GG bedürften. Auch könne die Republik Griechenland den ihr zugewiesenen Bildungsauftrag nicht autonom, sondern nur im Rahmen der Beschränkungen des Art. 7 Abs. 4 GG wahrnehmen.242 Auch wenn unter den Parteien strittig sei, ob der griechische Staat nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Griechenland berechtigt gewesen sei, von der Vergütung der Lehrkraft einen Pauschalsteuerabzug vorzunehmen, so schließe dies nicht die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit aus. Gegenstand des Rechtsstreits seien nicht die Auswirkungen des griechischen Steuerrechts auf die Rechtsbeziehungen zwischen der klagenden Lehrkraft und der beklagten Republik Griechenland, da sie nicht darüber stritten, ob und in welcher Höhe Letzterer nach griechischem Steuerrecht Steuern aus dem Einkommen der Lehrkraft zustünden. Vielmehr mache diese ausschließlich geltend, dass der im Interesse des griechischen Staates erfolgte Einbehalt von 5 Prozent ihres Bruttoeinkommens zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung führe.243 Vor dem Bundesverfassungsgericht hatte die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts allerdings keinen Bestand. Vielmehr billigte es der Republik Griechenland Immunität zu, da Gegenstand des Rechtsstreits die Besteuerung der Lehrkraft mit der griechischen Quellensteuer durch den griechischen Staat, nicht aber die unterbliebene vollständige Auszahlung des Gehalts im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses sei. Nach dem maßgeblichen deutschen Recht sei die Erhebung von Steuern eine hoheitliche Tätigkeit, mit der den Steuerpflichtigen zum Zweck der Einnahmenerzielung einseitig und gegenleistungsfrei Abgaben auferlegen würden, deren Fälligkeit allein von der tatbestandlichen Erfüllung eines Gesetzes abhänge, das diese Leistungspflicht regele. Der Einbehalt sowie die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber gem. § 38 Abs. 3 S. 1 EStG stelle die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe dar. Auch zähle die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannten staatlichen Handelns, da dadurch erst die Ausübung staatlicher Tätigkeit ermöglicht werde.244 Die Gewährung von Immunität hängt letztendlich von der Kernfrage ab, ob – wie das Bundesarbeitsgericht meinte  – eine arbeitsrechtliche Streitigkeit oder ob – wie das Bundesverfassungsgericht meinte – eine steuerrechtliche Streitigkeit vorlag. Die Schwierigkeit der Beantwortung dieser Frage ist der Problematik 242  BAG, NZA 2013, 468 (469 f.). Ähnlich auch zur Gehaltskürzung und Streichung der Jahressonderzahlung zu Lasten einer bei der Griechischen Schule in Deutschland beschäftigten Lehrkraft: BAG, NZA 2013, 1102 (1103 f.); BAG, BeckRS 2013, 71108; 2013, 71109; LArbG Nürnberg, BeckRS 2013, 65928; LArbG Nürnberg, Urteil v. 25. 9. ​2013, Az. 2 Sa 172/12 – juris; Urteil v. 17. 12. ​2013, Az. 7 Sa 506/12 – juris; Urteil v. 17. 1. ​2014, Az. 3 Sa 508/12 – juris; Urteil v. 21. 5. ​2014, Az. 4 Sa 155/12 – juris. 243  BAG, NZA 2013, 468 (471). 244 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1724).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

geschuldet, dass der griechische Staat nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Fiskus war und damit eine Doppelrolle innehatte. Hilfreich ist die Bestimmung des Streitgegenstandes, der sich nach dem Klageantrag und dem diesem zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt richtet.245 Danach stand der vom griechischen Staat vorgenommene pauschale Steuerabzug i. H. v. 5 Prozent vom jeweiligen Bruttolohn der klagenden Lehrkraft im Streit. Griechenland wurde insoweit in seiner Rolle als Arbeitgeber tätig, was der genauere Blick auf die dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Fakten bestätigt: Danach teilte das griechische Generalkonsulat in München der Lehrkraft mit, dass im Auftrag und Interesse des griechischen Staates ein Prozentsatz von 5 Prozent, bezogen auf ihr monatliches Bruttoeinkommen, als Steuer einbehalten werde. Dieser Mitteilung lag eine schriftliche Anweisung des griechischen Wirtschaftsministeriums zu Grunde.246 Der griechische Staat behielt damit in seiner Rolle als Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers ein, um diese an den griechischen Fiskus abzuführen. Wäre Griechenland hingegen in seiner Rolle als Fiskus tätig geworden, so hätten sich seine Finanzbehörden direkt mit einem Steuerbescheid an die Lehrkraft wenden und von ihr unmittelbar die Abführung der Steuern fordern können. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte allgemeine Abgrenzungsformel, nach der sich die Unterscheidung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln nach dessen Rechtsnatur bzw. des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses bestimmt, lässt damit nur einen Schluss zu: Der griechische Staat ist mit dem Einbehalt der Quellensteuer vom Bruttolohn der Lehrkraft nichthoheitlich tätig geworden. Der Vergleich mit einem privaten Arbeitgeber, der vom Bruttolohn seines Arbeitnehmers die Lohnsteuer einbehält und abführt, bestätigt dieses Ergebnis. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht meint, dass ein Arbeitgeber dadurch öffentlich-rechtliche Aufgaben erfülle, so wird er dadurch noch lange nicht hoheitlich tätig. Maßgeblich ist wie stets die Rechtsnatur der staatlichen Handlung, nicht aber der damit verfolgte Zweck. Der private Arbeitgeber kommt lediglich einer öffentlich-rechtlichen Pflicht nach, ohne dass ihm zugleich hoheitliche Befugnisse übertragen werden. Durch den Einbehalt und die Abführung der Quellensteuer übt er im Verhältnis zu seinem Arbeitnehmer, mit dem er durch ein privatrechtlichen Arbeitsverhältnis verbunden ist, keine Hoheitsgewalt aus. Ist der Arbeitgeber der griechische Staat, so wird er ebenfalls im Rahmen des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses und demzufolge nichthoheitlich tätig. Auch das griechische Generalkonsulat in München kam mit dem Einbehalt der Quellensteuer seiner Abführungspflicht nach. Damit ist dem Bundesarbeits245  BGHZ 117, 1 (5); Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rdnr. 63; Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 8 Rdnr. 59; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rdnr. 10. 246 Vgl. BAG, NZA 2013, 468 (469).

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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gericht beizupflichten: Griechenland unterlag für die nichthoheitliche, aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis resultierende Streitigkeit wegen des pauschalen Steuerabzugs vom Bruttoeinkommen der an der griechischen Privatschule beschäftigten Lehrkraft der deutschen Gerichtsbarkeit.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität Bereits zu Zeiten der absoluten Staatenimmunität war die Möglichkeit eines Immunitätsverzichts anerkannt.247 Auch heute noch kann ein ausländischer Staat im Zivilprozess auf seine Immunität verzichten.248 Fraglich sind allerdings die Details eines solchen Verzichts. Bei der Entscheidung eines ausländischen Staates für einen Immunitätsverzicht dürfte weniger sein Interesse an einer gerichtlichen Klärung materieller Rechtsfragen im Vordergrund stehen,249 als dieser vielmehr für potentielle Wirtschaftspartner die Attraktivität eines Vertragsschlusses steigert250. Vor allem bei der Ausgabe von Staatsanleihen ist es gängige Kautelarpraxis, dass der emittierende Staat in seinen Anleihebedingungen auf seine Immunität verzichtet.251 So enthielten die Bedingungen der von der Republik Argentinien ausgegebenen Anleihen, die in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten vor deutschen Gerichten waren, folgenden Passus: „In dem Ausmaß, in dem die Republik derzeit oder zukünftig Immunität (aus hoheitlichen oder sonstigen Gründen) von der Gerichtsbarkeit irgendeines Gerichts oder von irgendeinem rechtlichen Verfahren (ob bei Zustellung, Benachrichtigung, Pfändung, Vollstreckung oder in sonstigem Zusammenhang) in Bezug auf sich selbst oder ihre Einkünfte, ihr Vermögen oder Eigentum besitzt oder erwerben sollte, verzichtet die Anleiheschuldnerin hiermit unwiderruflich auf eine solche Immunität in Bezug auf ihre Verpflichtungen aus den Teilschuldverschreibungen in dem Umfang, in dem sie dazu gemäß anwendbarem Recht berechtigt ist“.252

247 Vgl. etwa Preuß. Kompetenzgerichtshof, JW 1921, 774 (775); KG, JW 1926, 804 (804); Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 84; Kann, JW 1910, 176 (177). 248 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1724); Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Kap. 2 Rdnr. 28; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 272; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 506; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 373. 249 So aber Roeder, JuS 2005, 215 (217). 250  So bereits Preuß. Kompetenzgerichtshof, JW 1921, 773 (774). 251  Welter in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 118 Rdnr. 158; Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (452); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (421); Kolling, BKR 2007, 481 (485). 252  Vgl. BGH, MDR 2007, 1282 (1282); Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (452); von Hein, IPRax 2007, 399 (400).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

1. Grundlagen des Immunitätsverzichts Der Verzicht eines ausländischen Staates auf seine Immunität lässt die Gerichtsbarkeit des Forumstaates in dem in der Verzichtserklärung bestimmten Umfang aufleben.253 Er bewirkt beim verzichtenden Staat einen Souveränitätsverlust und beim Gerichtsstaat ein Souveränitätszuwachs.254 a. Formen und Inhalt eines ausdrücklichen Verzichts Nach Art. 2 EuStImm und Art. 7 Abs. 1 UN-Übereinkommen, die das Völkergewohnheitsrecht widerspiegeln, kann ein Staat ausdrücklich auf dreierlei Weise auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit verzichten: durch internationale Vereinbarung, durch privatrechtlichen schriftlichen Vertrag oder durch Erklärung gegenüber dem erkennenden Gericht in einem bereits anhängigen Rechtsstreit.255 Die Unterwerfung unter eine fremde Gerichtsbarkeit kann also sowohl vor als auch nach Klageerhebung erfolgen.256 Vor allem in bilateralen Freundschafts-, Handels‑ und Schifffahrtsverträgen verzichten Staaten wechselseitig auf ihre Immunität, so zum Beispiel in Art. XVIII Abs. 2 des Freundschafts-, Handels‑ und Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. 10. ​1954257. Verzichtet ein ausländischer Staat hingegen durch Prozessvertrag mit seinem Gläubiger auf seine Immunität, so hat seine Verzichtserklärung eine Doppelnatur: Einerseits ist sie eine privatrechtliche, annahmebedürftige Willenserklärung gegenüber der Privatperson, andererseits ist sie eine völkerrechtliche, einseitige Willenserklärung gegenüber dem Gerichtsstaat.258 Damit begründet ein solcher Immunitätsverzicht für den Privaten nicht lediglich einen Anspruch gegen den verzichtenden Staat, dass dieser gegenüber dem Gerichtsstaat den Verzicht auf seine Immunität erklärt, sondern er entfaltet unmittelbare völkerrechtliche Wirkung gegenüber dem Gerichtsstaat. Als Prozessvertrag kommt ihm verfügende

253 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 34 f., 51; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 24; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (217 f.). 254 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (217). 255  Vgl. auch BVerfG, NJW 2014, 1723 (1724); Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 272; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 629; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 59; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). 256  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 514; Kann, JW 1910, 176 (177). 257 BGBl. 1956 II, S. 487; vgl. dazu O’Keefe/Tams/O’Keefe, UNCSI, Art. 7, S. 118. 258  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 52, 91; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 519; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 410.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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Wirkung zu.259 Erklärt ein ausländischer Staat dagegen einen Immunitätsverzicht gegenüber dem erkennenden Gericht, so kann diese Prozesshandlung  – wie jede andere Prozesshandlung auch – schriftlich oder zu Protokoll des Gerichts erfolgen. In diesem Fall ist die Verzichtserklärung eine bewirkende Prozesshandlung, da die deutsche Gerichtsbarkeit als Prozessvoraussetzung erst nach Prozessbeginn geschaffen wird und damit die Prozesslage unmittelbar beeinflusst.260 An den Inhalt einer Verzichtserklärung stellt das Völkerrecht keine besonderen Anforderungen, solange ein ausländischer Staat hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass er sich der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterwerfen will. Ein Immunitätsverzicht kann sich auf einen konkreten Rechtsstreit, auf einen sachlich abgegrenzten Bereich von Streitigkeiten, auf ein bestimmtes Gericht oder auf einen bestimmten Staat beziehen. Er kann aber auch umfassender formuliert sein und sich auf sämtliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus einem Vertragsverhältnis ergeben oder mit diesem im Zusammenhang stehen, sowie auf alle vom Gläubiger angerufenen Gerichte erstrecken.261 Allerdings kann sich ein ausländischer Staat nicht lediglich „die Rosinen eines Zivilprozesses herauspicken“, so dass ein Immunitätsverzicht stets das gesamte Erkenntnisverfahren über sämtliche Instanzen einschließlich eines damit zusammenhängenden Abänderungs‑ oder Wiederaufnahmeverfahrens und einer Verweisung des Rechtsstreits wegen Unzuständigkeit an ein anderes deutsches Gericht erfasst.262 b. Erklärungsbefugnis Fraglich ist, wer für den ausländischen Staat den Verzicht auf seine Immunität wirksam erklären kann. Sofern der Verzicht durch eine internationale Vereinbarung erklärt wird, sind die in Art. 7 WVK genannten Personen völkerrechtlich befugt, einen Immunitätsverzicht zu erklären. Hierzu zählen nach Art. 7 Abs. 1 WVK diejenigen Personen, die eine gehörige Vollmacht vorlegen (lit. a) oder bei denen aus der Übung der beteiligten Staaten oder aus anderen Umständen hervorgeht, dass sie auch ohne Nachweis einer Vollmacht als vertretungsbefugt gelten (lit. b). Im Regelfall kann jedes Mitglied der Regierung für seinen Ressortbereich als zur Abgabe einer Verzichtserklärung befugt angesehen werden. Bei Verzichtserklärungen durch Beamte eines Ministeriums und durch bestellte 259 Vgl. MünchKomm/Rauscher, ZPO, Einl. Rdnr.  417; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rdnr. 2; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 168. 260  Vgl. MünchKomm/Rauscher, ZPO, Einl. Rdnr. 394; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rdnr. 61. 261  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 37 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 512; Kann, JW 1910, 176 (177); ferner MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 8. 262  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (31); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 8; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 49; Kann, JW 1910, 176 (178).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

anderweitige Vertreter ist hingegen stets eine Bevollmächtigung für den konkreten Fall erforderlich.263 Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister können bereits nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) WVK kraft ihres Amtes ohne Vorlage einer Vollmacht einen Immunitätsverzicht erklären. Auch die Leiter diplomatischer Missionen können nach Art. 7 Abs. 2 lit. b) WVK kraft ihres Amtes einen entsprechenden Vertragstext annehmen. Ein ausländischer Staat kann sich nicht ohne weiteres darauf berufen, die in seinem Namen einen Immunitätsverzicht erklärende Person sei innerstaatlich nicht befugt gewesen, eine solche Erklärung abzugeben.264 Auch wenn bei der Abgabe der Verzichtserklärung eine innerstaatliche Kompetenzvorschrift verletzt wird, so bleibt die Erklärung im Außenverhältnis nach Art. 46 WVK gültig, es sei denn, die Verletzung ist offenkundig und betrifft eine innerstaatliche Vorschrift von grundlegender Bedeutung. Ebenso führt nach Art. 47 WVK der Verstoß gegen eine Beschränkung einer Vollmacht nur dann zur Ungültigkeit, wenn die Beschränkung dem anderen Vertragsstaat notifiziert worden ist, bevor der Vertreter zustimmt. Dahinter steht der Gedanke, dass es keinem Staat zuzumuten ist, sich vor Vertragsschluss eingehend mit der internen Erklärungs‑ und Vertretungsbefugnis des anderen Staates als Vertragspartner zu befassen.265 Auch ein mit dem Gläubiger vereinbarter Verzicht entfaltet wegen seiner Doppelnatur nur dann völkerrechtliche Wirkung, wenn zugleich die Voraussetzungen entsprechend Art. 7 WVK vorliegen. In privatrechtlicher Hinsicht richtet sich die organschaftlichen Vertretungsbefugnis nach dem Heimatrecht des ausländischen Staates, zumeist also nach seinem Staatsorganisationsrecht oder Verwaltungsrecht.266 Die rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis bestimmt sich nach dem Wirkungsstatut, also dem Recht desjenigen Staates, in dem von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird und diese damit ihre Wirkung entfaltet.267 Bei der Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts auf die rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis lassen etwaige Beschränkungen im Innenverhältnis die im Außenverhältnis wirkende Vollmacht wiederum unberührt. Demzufolge schließt eine Vollmacht zum Abschluss eines Vertrages im Namen eines ausländischen Staates die Befugnis des Bevollmächtigten zur Vereinbarung eines Immunitäts263 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 36; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 509 f.; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (218); Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 384 f. 264  IGH, I. C. J. Reports 2002, 303 (430) – Cameroon v. Nigeria; KG, SchiedsVZ 2007, 108 (111); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (422). 265 IGH, I. C. J. Reports 2002, 303 (430) – Cameroon v. Nigeria; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 3 Rdnr. 12. 266  Zur prozessualen Vertretungsbefugnis siehe näher Kapitel IV. 2. 267 BGHZ 64, 183 (192); BGH, NJW 1990, 3088 (3088); MünchKomm/Schubert, BGB, § 164 Rdnrn. 248 f.; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht § 7 Rdnrn. 50 f.; Kieninger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, VO (EG) 593/2008 Art. 1 Rdnr. 25.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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verzichts für aus dem Vertrag resultierende Streitigkeiten ein, soweit sich aus der Vollmacht nichts anderes ergibt.268 So entschied bereits 1926 das Kammergericht, dass eine von dem türkischen Kriegsministerium eingesetzte Einkaufs‑ und Abnahmekommission, die unbestritten befugt war, einen Vertrag über die Lieferung von Heeresbedarf für die türkischen Truppen namens des türkischen Fiskus zu schließen, auch als ermächtigt galt, die Kaufbedingungen, zu denen eine Abrede über den Gerichtsstand gehörte und aus welcher ein Immunitätsverzicht folgte, festzulegen.269 Der Klarstellung wegen kann es für einen privaten Vertragspartner gleichwohl ratsam sein, sich eine Vollmacht vorlegen zu lassen, die ausdrücklich einen Immunitätsverzicht erfasst.270 Einen Immunitätsverzicht durch Prozesserklärung gegenüber dem erkennenden Gericht können alle postulationsfähigen Personen wirksam erklären. Vor dem Landgericht bzw. einer höheren Instanz abgegebene Prozesserklärungen sind aufgrund des Anwaltszwangs nach § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO nur wirksam, wenn sie durch einen ordnungsgemäß bevollmächtigten Rechtsanwalt erfolgen. Die Prozessvollmacht schließt die Befugnis ein, alle verfahrensrechtlich relevanten Handlungen mit völkerrechtlicher Wirksamkeit vorzunehmen und damit auch einen Immunitätsverzicht zu erklären, es sei denn, der die Vollmacht erteilende Staat hat ausdrücklich eine entsprechende Einschränkung vorgenommen.271 c. Wirkungen eines Verzichts Einem Immunitätsverzicht kommt konstitutive Wirkung zu, unterläge ein ausländischer Staat ohne ihn der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Staat durch eine hoheitliche Tätigkeit gegen seine Pflichten aus einem Investitionsschutzvertrag verstößt und er darin für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines entsprechenden Schiedsspruchs auf seine Immunität verzichtet hat.272 In der Mehrzahl der Fälle verzichten Staaten aber nicht für ihr hoheitliches Handeln, sondern nur für ihr nichthoheitliches Handeln, für das sie ohnehin der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen sind, auf ihre Immunität.273 Dies trifft beispielsweise auf den eingangs erwähnten Immunitätsverzicht Argentiniens für Rechtsstreitigkeiten wegen der von ihm ausgegebenen Staatsanleihen zu, da die Kapitalaufnahme durch die Emission von 268  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (31 f.); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 6; Buch, NZM 2000, 367 (368); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (422); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983 f.). 269  KG, JW 1926, 804 (804). 270  So auch Buch, NZM 2000, 367 (368) im Hinblick auf Mietverträge mit einer ausländischen Botschaft. 271  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 510. 272  BGH, NJW 2013, 3184 (3185); Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597. 273 BVerfGE 117, 141 (152); O’Keefe/Tams/O’Keefe, UNCSI, Art. 7, S. 123.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Staatsanleihen zum Kreis der acta iure gestionis zählt. Allerdings kommt diesem Verzicht insoweit konstitutive Wirkung zu, als Argentinien zugleich auch auf seine Vollstreckungsimmunität für hoheitlich genutzte Vermögensgegenstände verzichtet hat.274 Steht einem verzichtenden Staat ohnehin keine Immunität zu, so hat sein Verzicht nur deklaratorische Wirkung. Er dient der Klarstellung, dass die staatliche Tätigkeit von einer Immunitätsausnahme erfasst wird, und damit der Rechtssicherheit. Das angerufene Gericht bleibt vor der nicht immer einfach zu treffenden Entscheidung, ob einem ausländischen Staat für sein Handeln Immunität zu gewähren ist oder nicht, gefeit.275 So hätten sich zum Beispiel die widersprüchlichen Entscheidungen von Bundesarbeitsgericht und Bundesverfassungsgericht zur Immunität Griechenlands in dem Rechtsstreit um den Einbehalt der Quellensteuer vom Lohn einer Lehrkraft276 durch einen klar formulierten Immunitätsverzicht vermeiden lassen. Entsprechendes gilt für die Entscheidung des Landgerichts Konstanz, das Griechenland in dem Rechtsstreit wegen des Zwangsumtauschs griechischer Staatsanleihen zu Unrecht Immunität gewährte.277 Demzufolge empfiehlt es sich für einen privaten Vertragspartner eines ausländischen Staates, mit diesem bei Vertragsschluss einen schriftlichen Immunitätsverzicht jedenfalls immer dann zu vereinbaren, wenn das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit für mögliche künftige Streitigkeiten nicht unzweifelhaft gegeben ist. Der Rat von Wenckstern, deutsche Gerichte sollten bei Klagen gegen internationale Organisationen auf einen Immunitätsverzicht hinwirken,278 wird sich dagegen auch gegenüber ausländischen Staaten nach Entstehung eines Konflikts nur selten realisieren lassen. Abgesehen davon liegt die Entscheidung für einen entsprechenden Verzicht als Ausfluss der staatlichen Souveränität ausschließlich beim beklagten Staat, nicht aber beim Gerichtsstaat. Sinnvoller ist es, wenn die Parteien bereits im Vorfeld einen Immunitätsverzicht in ihren Vertragsbedingungen aufnehmen. Eine entsprechende Vereinbarung mit Blick auf ein Erkenntnisverfahren vor deutschen Gerichten könnte beispielsweise folgendermaßen lauten: „Die Vertragspartei zu 1) verzichtet wegen aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche, die sich aus dem Vertragsver274  BVerfGE 117, 141 (152); Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 201; Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (452); Ohler, JZ 2005, 590 (596). 275  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 34 f., 51; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 506; Welter in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 118 Rdnr. 158. 276  Siehe hierzu Kapitel C. II. 7. b. 277  Siehe hierzu Kapitel C. I. 2. d. Griechenland verzichtete erstmals für die durch den Umtausch ausgegebenen Staatsanleihen auf seine Immunität, vgl. den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen bzgl. Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik, BT-Drcks. 17/8731, 1 (26, 322). 278 Wenckstern, NJW 1987, 1113 (1118).

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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hältnis ergeben oder mit diesem im Zusammenhang stehen, gleich auf welchem Rechtsgrund sie beruhen, auf ihre Immunität für das Erkenntnisverfahren vor jedem von der Vertragspartei zu 2) oder deren Rechtsnachfolger angerufenen deutschen Gericht.“279

2. Konkludenter Immunitätsverzicht Ein ausländischer Staat kann, so wie es Art. 2 EuStImm und Art. 7 Abs. 1 UNÜbereinkommen vorsehen, ausdrücklich und schriftlich auf seine Immunität verzichten. Darüber hinaus sehen Art. 1, 3 und 12 EuStImm sowie Art. 8, 9 und 17 UN-Übereinkommen für bestimmte Konstellationen die Möglichkeit eines konkludenten Immunitätsverzichts vor. Das Völkergewohnheitsrecht erfordert keine besondere Form des Verzichts. Er kann schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen.280 Bei der Annahme eines konkludenten Verzichts durch schlüssiges Verhalten ist nichtsdestotrotz Zurückhaltung geboten. Der Verzichtswille des ausländischen Staates muss wegen der damit verbundenen Einschränkung seiner souveränen Rechte klar und deutlich zum Ausdruck kommen.281 Bei unüberwindbaren Zweifeln ist kein konkludenter Immunitätsverzicht anzunehmen, da die Aufgabe souveräner Rechte des ausländischen Staates nicht zu vermuten ist.282 Durch die schriftliche Fixierung eines ausdrücklichen Immunitätsverzichts lassen sich Unklarheiten, ob sich ein ausländischer Staat durch sein Verhalten konkludent der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen hat, im Vorfeld vermeiden. 279  Buch, NZM 2000, 367 (368) schlägt im Hinblick auf den Abschluss eines Mietvertrags mit einer ausländischen Botschaft folgende Formulierung vor, die auch das Vollstreckungsverfahren erfasst: „Der Schuldner verzichtet wegen aller gegen ihn bestehenden und/oder noch zur Entstehung gelangenden Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis auf die ihm und seinen Vertretern zustehende Immunität und unterwirft sich der deutschen Gerichtsbarkeit. Dieser Verzicht wird sowohl für jedes wegen dieser Ansprüche einzuleitende Erkenntnisverfahren als auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren erklärt.“ Zur Formulierung eines Immunitätsverzichts für die Zwangsvollstreckung siehe Kapitel D. II. 2. 280 KG, JW 1926, 804 (804); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 629; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (219); Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 25; Finke, EJIL 21 (2011), 853 (864); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). 281  BGH, NJW 1979, 1101 (1102); BeckRS 2015, 20309; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (219); Roeder, JuS 2005, 215 (217); Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 58 f. 282  BGH, NJW 1979, 1101 (1102); NJW 2013, 3184 (3186); Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3. Parallel zum konkludenten Immunitätsverzicht ausländischer Staaten stellte der BGH (BGHZ 182, 10 (18)) in seinem Urteil zur Immunität der Europäischen Schule Frankfurt a. M. als internationaler Organisation strenge Anforderungen an die Bejahung eines Immunitätsverzichts. Die Umstände des Falles dürften keine Zweifel daran lassen, dass ein Immunitätsverzicht bezweckt sei.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

a. Verzicht durch anderweitige Vereinbarung der Vertragsparteien Denkbar ist, dass sich ein ausländischer Staat konkludent der deutschen Gerichtsbarkeit unterwirft, indem er einen deutschen Gerichtsstand, die Zuständigkeit eines deutschen Schiedsgerichts oder die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts vereinbart. aa. Gerichtsstandsvereinbarung Fraglich ist, ob ein ausländischer Staat, der mit seinem Vertragspartner die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte oder die Zuständigkeit eines bestimmten deutschen Gerichts vereinbart, zugleich konkludent auf seine Immunität verzichtet. Nach Auffassung einiger Stimmen aus dem Schrifttum soll eine Gerichtsstandsvereinbarung einen Immunitätsverzicht unproblematisch implizieren. Einigten sich die Parteien auf einen Gerichtsstand, so erkenne der ausländische Staat gleichzeitig die Befugnis der Gerichte des Forumstaates zur Durchführung eines Verfahrens und zum Erlass einer Entscheidung an.283 Die ältere Rechtsprechung scheint diese These zu verifizieren, während hierzu keine aktuellen Gerichtsentscheidungen ergangen sind. Bereits der Preußische Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte vertrat 1920 die Auffassung, die Türkei habe sich durch eine Gerichtsstandsvereinbarung der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen. Sie habe auf ihre Immunität verzichtet, als sie – vertreten durch eine vom türkischen Kriegsministerium bestellte Einkaufs‑ und Abnahmemission  – bei der Bestellung von Kriegswagen in Deutschland nach ihren eigenen Lieferbedingungen vereinbart habe, dass das Landgericht I in Berlin für die Geltendmachung aller vertraglichen Ansprüche zuständig sei solle.284 Dieser Auffassung schloss sich 1926 das Kammergericht an, das über den Anspruch des Klägers auf Kaufpreiszahlung gegenüber dem türkischen Staat aus dem Einkauf von Kriegsmaterial für die türkischen Truppen zu entscheiden hatte. Hierbei stellte es klar, dass durch die Vereinbarung der Zuständigkeit des Landgerichts I in Berlin dem Kläger das Recht eingeräumt worden sei, etwaige vertragliche Ansprüche gegen die Türkei vor dem vereinbarten Gericht zu verfolgen.285 Andererseits verlangen sowohl Art. 2 EuStImm als auch Art. 7 Abs. 1 UNÜbereinkommen, dass ein Immunitätsverzicht ausdrücklich vereinbart bzw. erklärt wird. Zwar ermöglichen Art. 1, 3 und 12 EuStImm sowie Art. 8, 9 und 17 283 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 38, 55; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 521; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 60; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 191; Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (421); Kronke, IPRax 1989, 176 (179); 1991, 141 (144); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). 284  Preuß. Kompetenzgerichtshof, JW 1921, 774 (774 f.). 285 KG, JW 1926, 804 (804).

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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UN-Übereinkommen für bestimmte Fallkonstellationen auch einen konkludenten Immunitätsverzicht, eine Gerichtsstandsvereinbarung ist von diesen Ausnahmebestimmungen allerdings nicht erfasst. Fordern beide Übereinkommen also im Grundsatz einen ausdrücklichen Verzicht, so folgt im Umkehrschluss, dass der implizite Verzicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht möglich ist. Soweit der Anwendungsbereich der beiden Übereinkommen nicht eröffnet ist, lässt das Völkergewohnheitsrecht auch, wie eingangs erwähnt, einen konkludenten Verzicht zu. Die Annahme eines solchen Verzichts bedarf aber, da der ausländische Staat sich insoweit seiner souveränen Rechte veräußert, stets einer sorgfältigen Auslegung der zwischen ausländischem Staat und Privatperson geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung, die alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.286 Der automatische Schluss von der Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstands auf die Vereinbarung eines Immunitätsverzichts greift zu kurz. Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts kann, muss aber nicht einen Immunitätsverzicht implizieren. Können sich aus der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung Streitigkeiten sowohl über acta iure imperii als auch über acta iure gestionis ergeben, so ist bei der Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung vor allem die Möglichkeit zu erwägen, ob nach dem Willen der Parteien ein deutsches Gericht nur dann seine Gerichtsbarkeit ausüben soll, wenn dem ausländischen Staat für die konkrete Streitigkeit ohnehin keine Immunität zukommt. Auch darf nicht übersehen werden, dass es den Parteien offengestanden hätte, ausdrücklich einen Immunitätsverzicht zu vereinbaren. Sind hingegen aus einer Rechtsbeziehung zwischen den Parteien Streitigkeiten, für die ein ausländischer Staat Immunität genießt, nur schwer vorstellbar oder haben die Parteien einen Gerichtsstand mit Blick auf eine konkrete Streitigkeit oder erst nach deren Entstehen vereinbart, so sprechen diese Gesichtspunkte für die Annahme eines konkludenten Immunitätsverzichts. bb. Schiedsvereinbarung Einen Immunitätsverzicht könnte auch eine von einem ausländischen Staat mit dem Vertragspartner oder mit einem anderen Staat getroffene Schiedsvereinbarung implizieren, in der die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien einem privaten Schiedsgericht übertragen ist.287 Vor allem Investitionsschutzverträge enthalten häufig eine Schiedsklausel, so zum Beispiel Art. 10 Abs. 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 3 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand am 24. 6. ​2002 geschlossenen Vertrags über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen288. Danach sind Strei Siehe bereits den Vorspann zu Kapitel C. III. 2.  Zu Schiedsklauseln in Investitionsschutzverträgen siehe näher Kapitel E. III. 2. b. 288 BGBl. 2004 II, S. 49. 286 287

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

tigkeiten in Bezug auf Kapitalanlagen zwischen einer der Vertragsparteien und einem Investor der anderen Vertragspartei auf Verlangen einer der Streitparteien einem von Fall zu Fall gebildeten Schiedsgericht unterworfen. Hat ein ausländischer Staat eine Schiedsvereinbarung getroffen, so kann er sich nicht durch Verweis auf seine Immunität der Durchführung des schiedsgerichtlichen Verfahrens entziehen.289 Dies folgt bereits aus dem Grundsatz pacta sunt servanda,290 nicht aber weil der ausländische Staat durch die Schiedsvereinbarung auf seine Immunität verzichtet hätte. Nur staatliche Gerichte können Gerichtsbarkeit, also die aus der Souveränität fließende Befugnis eines jeden Staates, innerhalb seines Territoriums Recht zu sprechen, ausüben. Schiedsgerichte als private Institutionen entscheiden hingegen nicht kraft staatlicher Souveränität, sondern weil die Parteien dies vertraglich vereinbart haben. Interessanter ist die Frage, ob ein ausländischer Staat mit einer Schiedsvereinbarung zugleich auf seine Immunität für das Verfahren vor den Oberlandesgerichten verzichtet, wenn die Gegenpartei einen in deren Zuständigkeit fallenden Antrag gem. § 1062 ZPO stellt. Dieser kann insbesondere die Überprüfung des schiedsrichterlichen Verfahrens (§§ 1032 ff. ZPO), die Aufhebung (§ 1059 ZPO) oder die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs (§§ 1060 f. ZPO) betreffen. Während der Bundesgerichtshof eine grundsätzliche Klärung dieser Frage bislang offenließ,291 wird im Schrifttum überwiegend, dabei oft auch ohne Begründung, ein konkludenter Immunitätsverzicht bejaht. Mit dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung verzichte ein ausländischer Staat regelmäßig zugleich auf seine Immunität für das ergänzende gerichtliche Verfahren nach §§ 1062 ff. ZPO.292 Insbesondere beziehe sich eine Schiedsabrede auch auf das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, da dieses noch als die letzte Phase des Schiedsverfahrens zu betrachten sei.293 Ein ausländischer Staat könnte sich andernfalls den Konsequenzen eines gegen ihn 289 Schütze in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1061 Rdnr. 32; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 385 f.; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 65 ff.; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 26; Berger, RIW 1989, 956 (957); Kröll, IPRax 2004, 223 (224). 290 Berger, RIW 1989, 956 (957). 291  So ausdrücklich BGH, NJW 2013, 3184 (3185). 292  O’Keefe/Tams/Parlett, UNCSI, Art. 17, S. 286; Zöller/Geimer, ZPO, § 1029 Rdnr. 76, § 1061 Rdnr. 57; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 88; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 388; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 521, 3854; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (54); Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 220, 246; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 60; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 191; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 4 Rdnr. 12; Berger, RIW 1989, 956 (957); Kröll, IPRax 2004, 223 (224); Kronke, IPRax 1991, 141 (144); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983); Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597. 293  Zöller/Geimer, ZPO, § 1061 Rdnr. 57; Berger, RIW 1989, 956 (957); Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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ergangenen Schiedsspruchs zu leicht entziehen.294 Nach anderer Auffassung unterwirft sich ein Staat durch eine Schiedsvereinbarung nicht ohne weiteres dem Verfahren vor den Oberlandesgerichten nach §§ 1062 ff. ZPO, da er damit seinen Willen größtmöglicher Ausschaltung staatlicher Einflussnahme auf die Streitbeilegung dokumentiere.295 Nach Art. 12 Abs. 1 EuStImm und Art. 17 UN-Übereinkommen ist es prinzipiell möglich, dass eine Schiedsvereinbarung einen Immunitätsverzicht für das ergänzende Verfahren vor den staatlichen Gerichten impliziert. So kann nach Art. 12 Abs. 1 EuStImm ein Vertragsstaat, der schriftlich zugestimmt hat, dass Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen werden, vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit für ein Verfahren beanspruchen, das die Gültigkeit oder die Auslegung der Schiedsvereinbarung, das schiedsrichterliche Verfahren oder die Aufhebung des Schiedsspruchs betrifft. Allerdings ist dieser Immunitätsverzicht in doppelter Weise beschränkt: Zum einen werden nur zivil‑ oder handelsrechtliche Streitigkeiten erfasst. Demzufolge impliziert eine Schiedsvereinbarung regelmäßig nur einen deklaratorischen Immunitätsverzicht, da ein Staat für solche Streitigkeiten zumeist ohnehin keine Immunität beanspruchen kann. Zum anderen sind nach Art. 12 Abs. 2 EuStImm Schiedsvereinbarungen zwischen Staaten und daher insbesondere entsprechende Abreden in Investitionsschutzabkommen ausgenommen. In ähnlicher Weise regelt Art. 17 UN-Übereinkommen, dass sich ein Staat, der schriftlich mit einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person vereinbart hat, Meinungsverschiedenheiten einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen, nicht vor dem Gericht eines anderen Staates auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen kann, das sich auf die Gültigkeit, Auslegung oder Anwendung der Schiedsvereinbarung, das schiedsrichterliche Verfahren oder die Bestätigung oder die Aufhebung des Schiedsspruchs bezieht. Wiederum werden, da die Gegenpartei eine ausländische natürliche oder juristische Person sein muss, Vereinbarungen zwischen Staaten nicht erfasst. Außerdem ist diese Regelung vergleichbar Art. 12 EuStImm auf Schiedsvereinbarungen beschränkt, die Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit einem privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäft betreffen. Damit unterwirft sich ein ausländischer Staat nach beiden Bestimmungen in aller Regel durch eine Schiedsvereinbarung nur dann der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates, wenn er ohnehin keine Immunität beanspruchen kann. Darüber hinaus erfassen beide Regelungen nicht das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung 294 Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 226 ff.; Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597. 295  OLG Köln, SchiedsVZ 2004, 99 (102); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 54; Herdegen, RIW 1989, 329 (336).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

eines Schiedsspruchs.296 Demzufolge kann eine Schiedsvereinbarung einen Immunitätsverzicht für das ergänzende Verfahren vor den staatlichen Gerichten enthalten, zwingend ist dies aber nicht. Vielmehr stehen beide Regelungen unter dem Vorbehalt, dass die Schiedsvereinbarung etwas anderes vorsieht. Aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs der beiden Übereinkommen kommt es auf die Auslegung einer Schiedsvereinbarung im Einzelfall an. Diese entscheidet vorrangig darüber, ob ein ausländischer Staat auf seine Immunität verzichtet hat.297 Enthält beispielsweise ein Investitionsschutzvertrag eine Regelung, nach der ein Schiedsspruch nach dem am Sitz des Schiedsgerichts geltenden Recht oder nach dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche anerkannt und vollstreckt wird, so verzichtet ein ausländischer Staat regelmäßig zugleich auf das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs.298 Dementsprechend entschied der Bundesgerichtshof, dass dem Königreich Thailand für das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines von einem Genfer Schiedsgericht erlassenen Schiedsspruchs, mit dem es zur Zahlung von 29,21 Mio. Euro Schadensersatz an die deutsche Walter Bau AG wegen Verletzung von Pflichten aus dem mit Deutschland geschlossenen Investitionsschutzvertrag verurteilt worden war, keine Immunität zukam. Dabei ließ er offen, ob aus dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung generell ein Immunitätsverzicht abgeleitet werden kann. Da gem. Art. 10 Abs. 2 S. 3 des deutsch-thailändischen Investitionsschutzvertrages der Schiedsspruch nach innerstaatlichem Recht vollstreckt werde, habe sich das Königreich Thailand, soweit die Schiedsvereinbarung reiche, auch dem Verfahren unterworfen, dass in Deutschland als Vorstufe einer späteren Zwangsvollstreckung notwendig sei.299 Ebenso zutreffend entschied das Kammergericht, dass die ehemalige Sowjetunion in einer Schiedsklausel konkludent auf ihre Immunität für das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Internationalen Schiedsgerichts bei der Handelskammer in Stockholm, mit dem diese zur Zahlung von 2,35 Mio. US-Dollar an den deutschen Investor Franz Sedelmayer verurteilt worden war, verzichtet hatte. Art. 10 Abs. 4 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion geschlossenen Vertrags über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen, nach dem ein 296  Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 391; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 388; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 107, 117. 297  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 54; Herdegen, RIW 1989, 329 (336). 298  BGH, NJW 2013, 3184 (3185); KG, SchiedsVZ 2004, 109 (111); Prütting/Gehrlein/Bitz/ Steinfatt, § 20 GVG Rdnr. 4. 299  BGH, NJW 2013, 3184 (3185) m. Anm. Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3; Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597 und Zarth, EWiR 2013, 435 f.; ebenso BGH, WM 2016, 2373 (2375) auf die nochmalige Rechtsbeschwerde im wiedereröffneten Verfahren.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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Schiedsspruch nach Maßgabe des New Yorker Übereinkommens anerkannt und vollstreckt werde, impliziere einen entsprechenden Immunitätsverzicht.300 Ein Immunitätsverzicht erstreckt sich hingegen regelmäßig nicht auf das Verfahren vor den staatlichen Gerichten zur Überprüfung des schiedsrichterlichen Verfahrens und der Aufhebung des Schiedsspruchs, wenn die Vertragsstaaten eines Investitionsschutzabkommens die Durchführung eines Schiedsverfahrens nach dem von ihnen ebenfalls ratifizierten Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18. 3. ​1965301 (ICSID-Übereinkommen) vereinbart haben. In diesem Fall verzichten nach Art. 26 und 53 Abs. 1 ICSID-Übereinkommen die Parteien mit ihrer Zustimmung zum ICSID-Schiedsverfahren auf jeglichen Rechtsbehelf vor den staatlichen Gerichten. Nach Art. 54 Abs. 1 S. 1 ICSID-Übereinkommen erkennt jeder Vertragsstaat die im Rahmen dieses Übereinkommens erlassenen Schiedssprüche ohne Überprüfung als bindend an. Als Ausgleich sehen Art. 51 f. ICSID-Übereinkommen selbst verschiedene Rechtsbehelfe vor, derer sich die Streitparteien nach Erlass eines Schiedsspruchs bedienen können.302 Ergeben sich aus einer Schiedsvereinbarung keine Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass sich ein ausländischer Staat durch eine Schiedsvereinbarung der deutschen Gerichtsbarkeit für das in §§ 1062 ff. ZPO vorgesehene Verfahren unterworfen hat, so ist zu differenzieren: Für acta iure gestionis, für die er im Fall der Klageerhebung vor den staatlichen Gerichten keine Immunität beanspruchen könnte, unterliegt er auch im das Schiedsverfahren ergänzenden Verfahren vor den Oberlandesgerichten als Teil des Erkenntnisverfahrens der deutschen Gerichtsbarkeit. Ist Streitgegenstand des Schiedsverfahrens hingegen ein hoheitliches Handeln, so ist bei der Annahme eines konkludenten Immunitätsverzichts Zurückhaltung geboten, wenn eine Schiedsvereinbarung keinerlei unmittelbare oder mittelbare Bezugnahme auf das Verfahren vor den staatlichen Gerichten enthält. In einer Schiedsvereinbarung muss ein entsprechender Verzichtswille wegen der damit verbundenen Beschränkung der staatlichen Souveränität klar und deutlich zum Ausdruck kommen.303 Im Zweifel ist daher davon auszugehen, dass sich ein ausländischer Staat für acta iure imperii ausschließlich der Gerichtsbarkeit eines privaten Schiedsgerichts, nicht aber der eines staatlichen Gerichts unterwerfen wollte. Andernfalls hätte es nahe gelegen, auf das ergänzende staatliche Verfahren in der Schiedsabrede Bezug zu nehmen.

 KG, SchiedsVZ 2004, 109 (111).  BGBl. 1969 II, S. 371; siehe hierzu näher Kapitel E. III. 2. c. 302 Vgl. hierzu Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, § 1061 Rdnr. 12; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 96 ff.; Lörcher, SchiedsVZ 2005, 11 (20) sowie Kapitel D. III. 3. b. 303 Siehe bereits den Vorspann zu Kapitel C. III. 2. 300 301

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Zwar bleibt einem obsiegenden Gläubiger in diesem Fall die Überprüfung des Schiedsverfahrens und des Schiedsspruchs durch die staatlichen Gerichte verwehrt. Nichtsdestotrotz entscheidet der ausländische Staat, inwieweit er für sein hoheitliches Handeln ausdrücklich oder konkludent auf seine Immunität verzichten will. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch der in Art. 12 EuStImm und Art. 17 UN-Übereinkommen enthaltenen Regelung: Sofern die Schiedsvereinbarung nichts anderes vorsieht, dürfen die Gerichte eines anderen Staates nur dann ihre Gerichtsbarkeit ausüben, wenn Gegenstand des Schiedsverfahrens eine zivil‑ oder handelsrechtliche Streitigkeit bzw. ein privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft ist. cc. Sachrechtsvereinbarung Eine Vereinbarung zwischen einem ausländischen Staat und seinem Vertragspartner über das anwendbare Sachrecht impliziert hingegen in keinem Fall einen Immunitätsverzicht. Mit einer Rechtswahlklausel einigen sie sich lediglich über das auf ihre vertragliche Beziehung anwendbare materielle Recht. Ein ausländischer Staat will sich dadurch allerdings nicht zugleich in prozessualer Hinsicht der Gerichtsbarkeit des Staates, in dem das vereinbarte Recht gilt, unterwerfen und insoweit auf seine Immunität verzichten.304 So stellt auch Art. 7 Abs. 2 UN-Übereinkommen ausdrücklich klar, dass die Einwilligung eines Staates zur Anwendung des Rechts eines anderen Staates nicht als Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit durch die Gerichte dieses anderen Staates ausgelegt wird. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität enthält keine vergleichbare Regelung; nichtsdestotrotz besteht für den Schluss von einer Sachrechtsvereinbarung auf einen Immunitätsverzicht kein Raum. b. Verzicht durch anderweitiges Verhalten des ausländischen Staates im Zivilprozess Bislang war Gegenstand der Untersuchung, inwiefern ein ausländischer Staat durch eine vertragliche Vereinbarung konkludent auf seine Immunität verzichtet. Fraglich ist, ob auch sein Handeln oder Untätigbleiben im Prozess einen Immunitätsverzicht impliziert.

304  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (32); O’Keefe/Tams/O’Keefe, UNCSI, Art. 7, S. 121; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 55; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 87; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 384; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 521, 713; Kronke, IPRax 1989, 176 (179); 1991, 141 (144); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983 f.); a. A. ohne Begründung Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 60.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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aa. Entgegennahme der Klageschrift Möglicherweise verzichtet ein ausländischer Staat bereits dadurch auf seine Immunität, dass er eine gegen ihn gerichtete Klage entgegennimmt. Eine derartige Argumentation verfolgte die religiöse Gemeinschaft „Church of Scientology of California“ als Revisionsführerin in dem bereits erwähnten Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof, in dem sie den Leiter von New Scotland Yard auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch nahm. Nach ihrer Auffassung war die Zustellung der Klage durch den britischen Senior Master ein Indiz für einen Verzicht auf die Staatenimmunität des Vereinigten Königreichs. Dieser Argumentation erteilte der Bundesgerichtshof zu Recht eine Absage. Abgesehen davon, dass das Vereinigte Königreich nicht Prozesspartei sei, sei eine so weitgehende Selbstentäußerung souveräner Rechte nicht zu vermuten. Zudem regele das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr nur die Möglichkeit der Ablehnung einer Zustellung, rechtfertige aber keine Schlüsse auf einen Immunitätsverzicht, falls von der Ablehnung kein Gebrauch gemacht werde.305 Aber auch wenn der Beklagte kein Organ eines ausländischen Staates, sondern der ausländische Staat selbst ist, enthält die Entgegennahme einer Klageschrift durch ein staatliches Organ oder einen anderen Mitarbeiter keinen konkludenten Immunitätsverzicht. So kann es ihm bereits an der Befugnis zur Erklärung eines entsprechenden Verzichts fehlen. Darüber hinaus mangelt es jedenfalls an einem dem Staat zurechenbaren Verzichtswillen, da das staatliche Organ bzw. der Mitarbeiter den Inhalt einer Klageschrift erst nach ihrem Empfang zur Kenntnis nehmen kann. Vielmehr dient die Entgegennahme einer Klageschrift lediglich der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen aus entsprechenden Rechtshilfeübereinkommen. Sie impliziert hingegen in keinem Fall einen Immunitätsverzicht.306 bb. Klageerhebung Bislang war das Augenmerk primär darauf gerichtet, dass ein ausländischer Staat von einer Privatperson verklagt wird. Möglich, wenngleich seltener ist aber auch der umgekehrte Fall, dass ein ausländischer Staat Klage gegen eine Privatperson erhebt. Klagen ausländischer Staaten vor deutschen Gerichten sind kein Novum. Beispielsweise verklagte die Republik Irland einen Hamburger Kaufmann vor dem Landgericht Hamburg auf Zahlung aus einem Schuldanerkenntnis.307 Auch Mauretanien und später durch Parteiwechsel eine eigenständige staatliche Behörde, die für die Getreideversorgung des Landes verantwortlich war, verklagten  BGH, NJW 1979, 1101 (1102). auch Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (35); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 629; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 123. 307 LG Hamburg, IPRspr. 1977, Nr. 113, S. 327 f. 305

306 So

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vor dem Oberlandesgericht Hamm zwei Brüder auf die Rückerstattung von Geldern, die der Finanzierung einer Spendenwerbekampagne für Mauretanien in Deutschland dienen sollten.308 Einem ausländischen Staat bleibt es unbenommen, als Kläger die deutschen Gerichte anzurufen. Durch eine Klageerhebung unterwirft er sich freiwillig der deutschen Gerichtsbarkeit und verzichtet für den Rechtsstreit auf seine Immunität.309 So sieht Art. 1 Abs. 1 EuStImm vor, dass ein Vertragsstaat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates ein Verfahren anhängig macht, sich für das Verfahren der Gerichtsbarkeit dieses Staates unterwirft. Ebenso bestimmt Art. 8 Abs. 1 S. 1 lit. a) UN-Übereinkommen, dass sich ein Staat in einem Verfahren vor dem Gericht eines anderen Staates nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen kann, wenn er das Verfahren selbst anhängig gemacht hat. Alles andere wäre ein widersprüchliches Verhalten.310 Der Verzicht durch Klageerhebung erstreckt sich auf den kompletten Instanzenzug und bei Verweisung des Rechtsstreits wegen Unzuständigkeit auch auf das zuständige Gericht.311 Nimmt ein ausländischer Staat die deutschen Gerichte in Anspruch, so unterliegt er auch für eine Klageabweisung ihrer Gerichtsbarkeit, da er mit der Erhebung einer Klage wie jeder private Kläger das Risiko eines für ihn ungünstigen Prozessausgangs in Kauf nimmt. Demzufolge hat das erkennende Gericht einem ausländischen Staat im Fall der Abweisung seiner Klage auch die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Weder kennt das deutsche Zivilprozessrecht, noch gebietet das Völkerrecht eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht des § 91 ZPO.312 cc. Fehlende Verfahrensbeteiligung Bleibt umgekehrt ein beklagter ausländischer Staat untätig, indem er seine Verteidigungsbereitschaft im Rahmen eines schriftlichen Vorverfahrens nicht anzeigt, zum anberaumten Termin nicht erscheint oder im Termin nicht verhandelt, 308 OLG

Hamm, IPRax 1996, 33 ff.  LG Offenburg, IPRspr. 1960/61, Nr. 172, S. 550 (551); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 39; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 382; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 27; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (219, 224); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). Nicht nur durch eine Klageerhebung, sondern auch durch eine Erhebung einer Widerklage, einen Streitbeitritt oder eine Hauptintervention kann ein ausländischer Staat unter Umständen konkludent auf seine Immunität verzichten. Diese Fragestellungen bleiben einer Erörterung im Kontext der jeweiligen prozessualen Gestaltungsrechte in Kapitel C. VI. 2. b., d., 3. a. vorbehalten. 310 Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 65. 311  Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 5; siehe auch Kapitel C. III. 1. a. 312 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 10; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 634; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 63; Kann, JW 1910, 176 (177); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). 309

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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so liegt hierin noch kein konkludenter Immunitätsverzicht.313 Nach Art. 15 Hs. 2 EuStImm muss ein Gericht die Durchführung eines Verfahrens, das nicht von den Ausnahmetatbeständen der Art. 1 bis 14 EuStImm erfasst wird, auch dann ablehnen, wenn sich der beklagte Staat daran nicht beteiligt. In ähnlicher Weise stellt Art. 8 Abs. 4 UN-Übereinkommen klar, dass die Nichtbeteiligung eines Staates an einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Staates nicht als seine Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit durch das Gericht ausgelegt wird. Nur durch aktives Tun, nicht aber durch bloßes Schweigen kann sich ein Staat konkludent der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterwerfen.314 Vielmehr muss ein Gericht die einem Staat zukommende Immunität von Amts wegen beachten.315 Aus diesem Grund ist nach Auffassung von Borelli und Olleson ein beklagter Staat, dem für einen Rechtsstreit Immunität zukommt, am besten beraten, auf eine Klage nicht zu reagieren.316 Diese Empfehlung ist nicht nur optimistisch, sondern kann sich auch als riskant erweisen, setzt sie doch voraus, dass die angerufenen Amts‑ oder Landgerichte stets erkennen, dass einem ausländischen Staat für den konkreten Rechtsstreit Immunität zu gewähren ist. Schnell unterschreibt ein Amts‑ oder Landrichter bei der Vielzahl der eingehenden Akten mit Blick auf eine zügige Verfahrenserledigung ein vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bereits vorformuliertes Versäumnisurteil und übersieht dabei, dass der beklagte Staat von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist. In der Praxis ist das Vertrauen ausländischer Staaten, ein angerufenes Gericht werde ihre Immunität ohnehin von Amts wegen berücksichtigen, bereits des Öfteren enttäuscht worden. So erließ zum Beispiel das Arbeitsgericht München gegen den griechischen Staat ein Versäumnisurteil, mit dem dieser zur Zahlung der vom Arbeitslohn einbehaltenen Quellensteuer verurteilt wurde,317 so wie auch umgekehrt das griechische Landgericht Livadeía gegen den deutschen Staat ein Versäumnisurteil erließ, mit dem dieser zu Schadensersatzzahlungen wegen eines während des Zweiten Weltkriegs begangenen Massakers verurteilt wurde318. Die späteren Bemühungen beider Staaten, eine Vollstreckung aus dem jeweiligen Urteil zu verhindern, hätte es bei einer rechtzeitigen Geltendma313  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 130 f.; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 381; Kloth, Immunities and the Right of Access to Court under Article 6 of the European Convention on Human Rights, S. 26. 314  O’Keefe/Tams/Borelli/Olleson, UNCSI, Art. 8, S. 129. 315  Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 13; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 40; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 516; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 272. 316  O’Keefe/Tams/Borelli/Olleson, UNCSI, Art. 8, S. 136. 317 ArbG München, Urteil v. 25. 5. ​2011, Az. 35 Ca 17879/09 (zitiert nach BVerfG, NJW 2014, 1712 (1712)); siehe hierzu Kapitel C. II. 7. b. 318  LG Livadía, Urteil v. 30. 10. ​1997, Az. 137/1997 (zitiert nach Appelbaum, HuV 2004, 190 (190)); siehe hierzu Kapitel C. I. 3. b.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

chung ihrer Immunität im Erkenntnisverfahren möglicherweise nicht bedurft. Es scheint daher ratsamer, dass ein beklagter Staat das erkennende Gericht auf seine bestehende Immunität rechtzeitig hinweist, um dem Erlass eines vollstreckbaren Urteils von vornherein entgegenzuwirken. dd. Rügelose Einlassung zur Hauptsache Lässt sich ein ausländischer Staat in einem Zivilprozess zur Hauptsache ein, ohne zuvor seine Immunität geltend zu machen, so verzichtet er regelmäßig auf seine Immunität.319 So bestimmen sowohl Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuStImm als auch der nahezu wortgleiche Art. 8 Abs. 1 S. 1 lit. b) UN-Übereinkommen, dass ein Staat vor einem Gericht eines anderen Staates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen kann, wenn er sich vor deren Geltendmachung zur Hauptsache einlässt. Art. 3 Abs. 2 EuStImm und Art. 8 Abs. 2 lit. a) UNÜbereinkommen stellen klar, dass das Auftreten eines Vertragsstaates vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates, um Immunität zu beanspruchen, nicht als Immunitätsverzicht gilt. Diese völkervertraglichen Regelungen bilden das Völkergewohnheitsrecht ab. Lässt sich ein beklagter ausländischer Staat zur Hauptsache ein, ohne sich zugleich auf seine Immunität zu berufen, so gibt er zu erkennen, dass er einen Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht verhandeln und von diesem entscheiden lassen will.320 Im Einzelfall kann es allerdings vorkommen, dass ein ausländischer Staat von den seine Immunität begründenden Tatsachen erst Kenntnis erlangt, nachdem er sich zur Hauptsache eingelassen hat. Daher sehen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuStImm bzw. Art. 8 Abs. 1 S. 2 UN-Übereinkommen eine Ausnahme von dem oben genannten Grundsatz vor, wenn der Vertragsstaat nachweist, dass er von den Tatsachen, aufgrund welcher er Immunität hätte beanspruchen können, erst nachträglich Kenntnis erlangen konnte. In diesem Fall kann er doch noch Immunität beanspruchen, wenn es sich auf diese Tatsachen sobald wie möglich beruft. Dem ausländischen Staat fehlt es in dieser Konstellation zunächst an einem entsprechenden Verzichtswillen. Beruft er sich aber nach Kenntnis der seine Immunität begründenden Tatsachen nicht so bald wie möglich auf seine Immunität, so bringt er damit seinen nachträglichen Verzichtswillen konkludent zum Ausdruck.

319  BVerfG, NJW 2014, 1723 (1724); Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Kap. 2 Rdnr. 28; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 40; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 88; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 272; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 629; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (220); Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 64; Roeder, JuS 2005, 215 (217). 320  Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 381; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 64.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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ee. Auftreten eines Vertreters des ausländischen Staates als Zeuge Art. 8 Abs. 3 UN-Übereinkommen stellt klar, dass es nicht als Zustimmung eines Staates zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ausgelegt wird, wenn dessen Vertreter als Zeuge vor dem Gericht eines anderen Staates auftritt. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität enthält keine vergleichbare Regelung. Gleichwohl impliziert auch außerhalb des Anwendungsbereichs des UN-Übereinkommens das Auftreten eines Vertreters eines Staates als Zeuge vor dem Gericht eines anderen Staates keinen Immunitätsverzicht. Ein Zeuge ist im Unterschied zum Kläger, Beklagten und Streithelfer nicht an einem Prozess beteiligt, sondern lediglich ein Beweismittel. Infolgedessen fehlt ihm regelmäßig die Befugnis, für den ausländischen Staat auf dessen Immunität zu verzichten. Selbst wenn der Vertreter des ausländischen Staates an und für sich zur Erklärung eines Verzichts ermächtigt ist, so kann er nur in dieser Eigenschaft und nicht in seiner Eigenschaft als Zeuge auf die Immunität des beklagten Staates verzichten. Vor deutschen Landgerichten und höheren Instanzen kann diese Frage wegen des nach § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO bestehenden Anwaltszwangs ohnehin nur dann relevant werden, wenn ein prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt eines ausländischen Staates zugleich im Prozess als Zeuge auftritt.

3. Lösung vom Immunitätsverzicht Hat ein ausländischer Staat zunächst wirksam auf seine Immunität verzichtet, so kann er später von dieser Erklärung Abstand nehmen wollen. Bei der Beantwortung der Frage, ob er sich von einem Verzicht wieder lösen kann, ist zwischen den verschiedenen Arten eines Immunitätsverzichts – durch internationale Vereinbarung mit dem Gerichtsstaat, durch Vereinbarung mit dem Prozessgegner oder durch Erklärung gegenüber dem Gericht – zu differenzieren. Verzichtet ein ausländischer Staat im Rahmen eines völkerrechtlichen Übereinkommens auf seine Immunität, so ist er hieran im Grundsatz nach Art. 26 WVK gebunden und kann das dem Gerichtsstaat eingeräumte Recht zur Ausübung seiner Gerichtsbarkeit nicht einseitig widerrufen.321 Nur nach Maßgabe der Art. 42 ff. WVK kann ein völkerrechtlicher Vertrag für ungültig erklärt, beendet oder suspendiert werden. Hierbei kann er nach Art. 44 Abs. 1, 2 WVK grundsätzlich nur in seiner Gesamtheit, nicht hingegen nur die darin enthaltene Immunitätsabrede gekündigt oder für ungültig erklärt werden. Erst recht kann

321  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 40 ff.; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 376 f.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

sich ein Vertragsstaat von einem Immunitätsverzicht nicht lediglich im Hinblick auf einen einzelnen Rechtsstreit lösen.322 Eine Anfechtung eines völkerrechtlichen Übereinkommens wegen Irrtums, Betrugs, Bestechung oder Zwangs ist unter den engen Voraussetzungen der Art. 48 ff. WVK möglich. Insbesondere ist nach Art. 48 WVK nur ein Irrtum eines Vertragsstaates über eine seine Immunität ausschließende Tatsache, nicht aber ein Rechtsirrtum über Inhalt und Reichweite eines Immunitätsverzichts beachtlich.323 Darüber hinaus muss der Tatsachenirrtum bei Vertragsabschluss bestanden haben und eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung zum Vertrag gewesen sein. Der Staat darf weder durch eigenes Verhalten zu dem Irrtum beigetragen haben, noch darf er mit der Möglichkeit eines Irrtums gerechnet haben. Eine Beendigung oder Suspendierung eines internationalen Übereinkommens ist gem. Art. 54 ff. WVK insbesondere nach Maßgabe der Vertragsbestimmungen, im Einvernehmen aller Vertragsparteien oder wegen einer erheblichen Vertragsverletzung durch eine andere Vertragspartei möglich. Bei einem grundlegenden Wandel der Vertragsumstände müssen die engen Voraussetzungen der clausula rebus sic stantibus gem. Art. 62 WVK erfüllt sein. Macht ein Staat die Ungültigkeit oder die Beendigung eines völkerrechtlichen Vertrags geltend, so entfällt nicht automatisch seine Bindung daran, sondern er muss das in Art. 65 ff. WVK vorgesehene Verfahren durchlaufen, das mit der Notifikation des Anspruchs gegenüber den anderen Vertragsstaaten beginnt. Verzichtet ein ausländischer Staat durch Prozessvertrag mit seinem Vertragspartner bzw. späteren Prozessgegner auf seine Immunität, so hat dieser Verzicht, wie bereits ausgeführt, eine Doppelnatur: eine Vereinbarung mit dem Gläubiger aus der privatrechtlichen Perspektive und eine einseitige Erklärung aus der völkerrechtlichen Perspektive.324 Die Möglichkeiten eines ausländischen Staates, sich von dem Verzicht zu lösen, richten sich also zunächst nach dem auf die privatrechtliche Vereinbarung anwendbaren Sachrecht. Hierbei kann der Lösung vom Immunitätsverzicht insbesondere der in vielen Rechtsordnungen anerkannte Grundsatz pacta sunt servanda entgegenstehen, wenn kein anerkennenswerter Grund wie etwa ein anfechtbarer Irrtum oder ein vertraglich vereinbarter Widerrufsvorbehalt vorliegt.325 Aber auch wenn einem ausländischen 322  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (221); Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 410. 323  Vgl. auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 42 f.; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (82). 324 Siehe Kapitel C. III. 1. a. 325  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (223 f.) begründet die Unwiderruflichkeit einer gegenüber einer Privatperson abgegebenen Verzichtserklärung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben.

III. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität

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Staat ein Anfechtungs‑ oder Widerrufsrecht zusteht, so kann er es nur so lange ausüben, bis es durch die prozessuale Entwicklung überholt ist.326 Kann ein Staat von seiner privatrechtlich vereinbarten Verzichtserklärung wirksam Abstand nehmen, so bleibt noch die Lösung von der Verzichtserklärung nach dem Völkerrecht. Aus der Doppelnatur eines solchen Immunitätsverzichts folgt entgegen der Auffassung von Kren Kostkiewicz allerdings nicht, dass sich ein ausländischer Staat unumkehrbar der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen hätte327. Vielmehr bilden privatrechtlicher und völkerrechtlicher Verzicht eine Einheit, so dass die Bindung an die völkerrechtliche Verzichtskomponente nicht weiter reicht als die Bindung an die privatrechtliche Verzichtskomponente.328 Hat ein ausländischer Staat gegenüber dem erkennenden Gericht auf seine Immunität ausdrücklich verzichtet, so ist dieser Verzicht – wie bereits erwähnt – eine bewirkende Prozesshandlung, da er die die Prozesslage zu Gunsten des Prozessgegners unmittelbar beeinflusst. Solche Prozesshandlungen sind wegen ihrer unmittelbar gestaltenden Wirkung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar.329 Nur ausnahmsweise kann eine an sich bindende Prozesshandlung vor Rechtskraft eines Urteils analog § 580 ZPO wirksam widerrufen werden, weil sie durch einen der darin genannten Umstände beeinflusst worden ist, die nach Rechtskraft eine Restitutionsklage rechtfertigen würden. In diesem Fall wäre es widersinnig, wenn ein ausländischer Staat erst die Rechtskraft eines Urteils eintreten lassen müsste, um dann ein Wiederaufnahmeverfahren durchzuführen.330 Ein Restitutionsgrund ist etwa denkbar, wenn die Verzichtserklärung des ausländischen Staates durch ein strafbares Verhalten des Prozessgegners veranlasst worden ist. Hierbei müssen die Voraussetzungen des § 581 ZPO (rechtskräftige Verurteilung wegen der Straftat oder Einstellung des Ermittlungsverfahrens aus anderen Gründen als aus Mangel an Beweisen) und die Frist des § 586 ZPO (ein Monat ab Kenntniserhalt vom Anfechtungsgrund) gewahrt sein. Hat hingegen ein ausländischer Staat durch die Erhebung einer Klage konkludent auf seine Immunität verzichtet, so steht es ihm offen, die Klage nach § 269 Abs. 1 ZPO zurückzunehmen. Im Unterschied zu einem ausdrücklich gegenüber dem Gericht erklärten Immunitätsverzicht handelt es sich bei der Klageerhebung lediglich um eine erwirkende Prozesshandlung, mit der sich der 326  Vgl. MünchKomm/Rauscher, ZPO, Einl. Rdnr. 415; Zöller/Greger, ZPO, vor § 128 Rdnr. 30; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rdnrn. 14, 16. 327 So Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 410. 328  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 52. 329 BGH, NJW 2007, 1460 (1461); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 8; Zöller/Greger, ZPO, vor § 128 Rdnr. 18. 330  BGHZ 12, 284 (285); Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 285; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 144.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

klagende Staat eine günstige Rechtsposition verschaffen will.331 Auch in diesem Fall sind ihm die Kosten des Rechtsstreits nach Maßgabe des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen. Hat er die deutschen Gerichte in Anspruch genommen, so ist er wie jeder andere Kläger auch zur Kostentragung verpflichtet.332 Hat sich ein ausländischer Staat rügelos zur Hauptsache eingelassen, so kann er nach dem bereits erwähnten Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuStImm bzw. Art. 8 Abs. 1 S. 2 UN-Übereinkommen doch noch Immunität beanspruchen, wenn er von den seine Immunität begründenden Tatsachen nachträglich Kenntnis erlangen konnte und sich auf diese Tatsachen so bald wie möglich beruft. In dieser Konstellation hat es dem ausländischen Staat im Zeitpunkt der rügelosen Einlassung allerdings bereits an einem entsprechenden Verzichtswillen gefehlt. Demzufolge löst er sich genau genommen nicht von einem bereits konkludent erklärten Verzicht, indem er sich so bald wie möglich auf die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen, die seine Immunität begründen, beruft. Vielmehr tritt er dadurch der Entstehung eines konkludenten Immunitätsverzichts entgegen.333

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse Ist ein ausländischer Staat vor einem deutschen Zivilgericht verklagt, so nimmt die soeben erörterte Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit eine zentrale Stellung ein. Aber auch bei anderen Prozessvoraussetzungen, allem voran der internationalen Zuständigkeit, können sich spezifische Fragestellungen ergeben. Der Zivilrechtsweg ist hingegen nach § 13 GVG in aller Regel unproblematisch eröffnet, da die Verwaltungsgerichte nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO nur Rechtsschutz gegen Akte deutscher Hoheitsträger gewähren.334

1. Internationale Zuständigkeit Eine Klage gegen einen ausländischen Staat ist nur dann zulässig, wenn das angerufene deutsche Gericht zur Entscheidung international zuständig ist. Die internationale Zuständigkeit betrifft bei Rechtstreitigkeiten mit Auslandsbezug die Frage nach der Verteilung der Entscheidungszuständigkeit auf die einzelnen Staaten.335 Innerhalb der völkerrechtlichen Grenzen der Gerichtsbarkeit steht es 331 Vgl. MünchKomm/Rauscher, ZPO, Einl. Rdnr.  394; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 127, 142. 332  Siehe auch Kapitel C. III. 2. b. bb. 333 Siehe auch Kapitel C. III. 2. b. dd. 334  LG Hamburg, IPRspr. 1977 Nr. 115, S. 330 (332); Schenke/Ruthig in: Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 37a. 335 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 63; Schack, Internationales Zivilver-

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse

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jedem Staat grundsätzlich frei, ob er einen Rechtsstreit mit Auslandberührung entscheiden will.336 a. Standort‑ und Quellenbestimmung Das mit einem Rechtsstreit befasste Gericht hat seine internationale Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Dies gilt – anders als bei den örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit – auch in den höheren Instanzen, da die Beschränkungen in § 513 Abs. 2 ZPO für die Berufung und in § 545 Abs. 2 ZPO für die Revision auf die internationale Zuständigkeit wegen ihrer regelmäßig größeren Bedeutung für den Beklagten keine Anwendung finden.337 Ist das angerufene Gericht international unzuständig, so hat es die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Eine Verweisung des Rechtsstreits an ein zuständiges Gericht eines anderen Staates scheidet aus, da dieses durch den Verweisungsbeschluss eines international unzuständigen Gerichts nicht gebunden werden kann.338 Ein deutsches Gericht hat eine Klage gegen einen ausländischen Staat aber auch dann als unzulässig abzuweisen, wenn es nur örtlich bzw. sachlich unzuständig ist oder der beschrittene Rechtsweg unzulässig ist und es sogleich an der deutschen Gerichtsbarkeit fehlt. Zwar sieht § 281 Abs. 1 ZPO vor, dass ein sachlich oder örtlich unzuständiges Gericht den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das zuständige Gericht verweist. In ähnlicher Weise bestimmt § 17a Abs. 2 GVG, dass ein angerufenes Gericht bei Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges den Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verweist. Dies gilt bei einer Klage gegen einen ausländischen Staat allerdings nur, wenn die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist. Kommt hingegen einem beklagten Staat Immunität zu, so darf das angerufene deutsche Gericht seine Gerichtsbarkeit nicht dadurch ausüben, dass es den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist. Vielmehr hat das als erstes mit der Sache befasste Gericht die Klage ebenso durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen, wie wenn es international unzuständig wäre.339

fahrensrecht, Rdnr. 215; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rdnr. 100; ähnlich auch OLG Koblenz, OLGZ 1975, 379 (382). 336  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 63; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 5 Rdnr. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 31 Rdnr. 1. 337 MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnrn. 69 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 444. 338  MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnr. 74; Zöller/Greger, ZPO, § 281 Rdnr. 5; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 455. 339  OLG Stuttgart, Beschluss v. 6. 6. ​2013, Az. 5 W 17/13  – juris; knapp auch BGH, NJW 1979, 1101 (1101); für eine Klage gegen eine internationale Organisation vgl. VGH Kassel, NJW 2010, 2680 (2680).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität regelt nicht nur die Gerichtsbarkeit, sondern auch die internationale Zuständigkeit, wenn ein Vertragsstaat vor einem deutschen Gericht verklagt ist. Hierbei differenziert es nicht strikt zwischen den beiden Prozessvoraussetzungen, sondern die Zuständigkeitsanknüpfungen sind in die jeweiligen Regelungen, die Ausnahmen vom Grundsatz der Staatenimmunität vorsehen, integriert. Gerichtsbarkeit und Gerichtsstand sind miteinander verquickt. Diese dogmatisch unklare, insbesondere auf die Praxis des Schweizer Bundesgerichts zurückgehende Methodik hat zur Konsequenz, dass eine Immunitätsausnahme nur dann zu bejahen ist, wenn der Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit im Gerichtsstaat zu lokalisieren ist.340 Beispielsweise ist die Gerichtsbarkeit nach Art. 4 Abs. 1 EuStImm im Hinblick auf eine vertragliche Verpflichtung nur dann gegeben, wenn diese im Gerichtsstaat zu erfüllen ist. Das UN-Übereinkommen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit setzt hingegen in den Regelungen zu den Immunitätsausnahmen voraus, dass das erkennende Gericht zuständig ist. Eine negative Zuständigkeitsregelung enthält Art. 24 Abs. 2 EuStImm, vorausgesetzt ein Vertragsstaat – wie die Bundesrepublik Deutschland – hat eine Erklärung nach Art. 24 Abs. 1 S. 1 EuStImm abgegeben, dass seine Gerichte über die in Art. 1 bis 13 EuStImm geregelten Immunitätsausnahmen hinaus ihre Gerichtsbarkeit auf sämtliche acta iure gestionis erstrecken. In diesem Fall dürfen die Gerichte in einem Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat nicht in der Sache entscheiden, wenn ihre Zuständigkeit nur auf einen oder mehrere in der Anlage zum Europäischen Übereinkommen bezeichnete Gründe gestützt werden kann. Darin sind folgende Zuständigkeitsgründe genannt: (a) das Vorhandensein von Vermögenswerten des beklagten Staates und die Beschlagnahme von Vermögenswerten durch den Kläger im Gerichtsstaat, (b) die Staatsangehörigkeit des Klägers, (c) der Wohnsitz oder Aufenthalt des Klägers im Gerichtsstaat, (d) die Tatsache, dass der beklagte Staat im Gerichtsstaat Geschäfte getätigt hat, und (e) die einseitige Bestimmung des Gerichts durch den Kläger, namentlich in einer Rechnung. Durch den Ausschluss dieser nicht von allen Vertragsstaaten anerkannten Zuständigkeitsgründe soll sichergestellt werden, dass sie sämtliche gegen sie ergangenen Entscheidungen, die auf andere Zuständigkeitsgründe gestützt werden, freiwillig erfüllen.341 Neben dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität ist die internationale Zuständigkeit insbesondere in der neu gefassten Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12. 12. ​2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handels340 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 65; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 670; ders./Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil‑ und Handelssachen, Kap. I 1, S. 10. 341 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 68.

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse

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sachen342 (EuGVVO) geregelt, die mit Wirkung zum 10. 01. ​2015 die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. 12. ​2000343 (EuGVVO a. F.) abgelöst hat. Der EuGVVO vergleichbare Regelungen enthält im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten zu Island, Norwegen und der Schweiz das revidierte Lugano II-Übereinkommen vom 30. 10. ​2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen344 (LugÜ). Die EuGVVO regelt nach Art. 5 EuGVVO abschließend die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, wenn eine Klage gegen einen EU-Mitgliedstaat erhoben wird. Zwar ist die EuGVVO nicht auf Klagen gegen ausländische Staaten zugeschnitten, da Art. 5 Abs. 1 EuGVVO darauf abstellt, dass der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat. Allerdings haben nach Art. 63 Abs. 1 lit. a) EuGVVO juristische Personen für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet. Hierzu zählen auch Staaten als juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Regierungssitz sich naturgemäß auf dem eigenen Territorium befindet.345 Gegenüber Drittstaaten mit Ausnahme der Vertragsstaaten des LugÜ bestimmt sich die internationale Zuständigkeit hingegen gem. Art. 6 Abs. 1 EuGVVO – vorbehaltlich der Art. 18 Abs. 1, 21 Abs. 2, 24, 25 EuGVVO – nach dem deutschen internationalen Zivilprozessrecht. Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich auf alle Zivil‑ und Handelssachen, die nicht nach Art. 1 Abs. 2 EuGVVO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind. Eine Zivil‑ und Handelssache  – dieser Begriff ist verordnungsautonom auszulegen346  – liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dann nicht vor, wenn in einem Rechtsstreit zwischen einer Privatperson und einem Hoheitsträger Letzterer in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat.347 Hierzu zählen nach  ABl. EU 2012 Nr. L 351, S. 1.  ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1. Die EuGVVO gilt für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreichs Dänemark, das aber in dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen v. 21. 03. ​2013 (ABl. EU Nr. L 74, S. 4) erklärt hat, die Vorschriften der EuGVVO zu umzusetzen. 344 ABl. EU Nr. L 339, S. 3. 345  Rinke Schadensersatzklagen gegen Staaten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen im Europäischen Zivilprozessrecht, S. 240 f.; Nodoushani, WM 2012, 1798 (1805); im Ergebnis auch Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 82. 346  EuGH, BeckRS 2004, 75823 – Préservatrice foncière TIARD; EuZW 2007, 252 (253) – Lechouritou; WRP 2015, 187 (189) – flyLAL Lithuanian Airlines; MünchKomm/Gottwald, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 1; Wagner, RIW 2014, 260 (262). 347  EuGH, NJW 1977, 489 (490)  – Eurocontrol; EuGH, BeckRS 2004, 75823  – Préservatrice foncière TIARD; EuGH, EuZW 2007, 252 (253) – Lechouritou; EuGH, WRP 2015, 187 (189) – flyLAL Lithuanian Airlines; vgl. auch MünchKomm/Gottwald, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 4; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 11; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 7 Rdnr. 5. 342 343

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuGVVO insbesondere, aber nicht abschließend Steuer‑ und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten und die Haftung für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii). Der Europäische Gerichtshof greift bei Bestimmung des Begriffs der Zivil‑ und Handelssache auf die aus dem Recht der Staatenimmunität bekannte, völkergewohnheitsrechtliche Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis zurück.348 Rechtsstreitigkeiten, die eine hoheitliche Handlung eines ausländischen Staates zum Gegenstand haben, sind demzufolge nicht nur von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates, sondern regelmäßig auch vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgeschlossen. Kommt einem beklagten EU-Mitgliedstaat Immunität zu, so ist auch die EuGVVO sachlich unanwendbar.349 In diesem Fall bedarf es – abgesehen vom konstitutiven Immunitätsverzicht – keiner Regelungen über die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, da diesem ohnehin keine Gerichtsbarkeit zukommt.350 Ist kein Anwendungsbereich eines speziellen Regelungswerks eröffnet, so beurteilt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den Vorschriften des autonomen Zivilprozessrechts. Diese ergibt sich regelmäßig aus der in §§ 12 ff. ZPO geregelten örtlichen Zuständigkeit, so dass den darin geregelten Gerichtsständen eine Doppelfunktionalität zukommt. Örtliche und internationale Zuständigkeit sind dergestalt miteinander verknüpft, dass die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit indiziert. Aus der Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts folgt der Wille des deutschen Gesetzgebers, den Rechtsstreit im Inland zu verhandeln.351 b. Ausgewählte Gerichtsstände nach der EuGVVO und der ZPO Für Klagen gegen einen ausländischen Staat sind zunächst die Gerichte dieses Staates zuständig. So hat ein EU-Mitgliedstaat nach Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 63 Abs. 1 lit. a) EuGVVO seinen allgemeinen Gerichtsstand an seinem Regierungssitz. Nichts anderes ergibt sich aus §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO. Auch nach diesen 348  EuGH, EuZW 2007, 252 (254) – Lechouritou; EuGH, NZA 2012, 935 (938) – Mahamdia; so auch BGH, NJW 2003, 3488 (3488); Stürner, IPRax 2008, 197 (203); Wagner, RIW 2014, 260 (262 f.). 349  OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1258); LG Konstanz, Urteil v. 19. 11. ​2013, Az. 2 O 132/13 B, 2 O 132/13 – juris; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 82; Arndt, jurisPR-BKR 8/2015 Anm. 2; Stürner, IPRax 2008, 197 (203); einschränkend Thole, WM 2012, 1793 (1794) und Wagner, RIW 2014, 260 (263 f.). 350 Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 82. 351  BGHZ 115, 90 (92); Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 6 Rdnr. 24; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 266; Staudinger/Steinrötter, JA 2012, 241 (241, 248 f.).

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse

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Vorschriften richtet sich der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person nach ihrem Sitz, also dem Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Soll also ein ausländischer Staat vor einem deutschen Gericht verklagt werden, so hilft der allgemeine Gerichtsstand nicht weiter. Damit kann nur ein besonderer oder ein ausschließlicher Gerichtsstand, eine Gerichtsstandsvereinbarung oder die rügelose Einlassung des beklagten Staates die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründen. Neben den beiden letztgenannten Möglichkeiten sollen im Folgenden drei besondere Gerichtsstände, bei denen sich für Klagen gegen ausländische Staaten spezifische Fragestellungen ergeben können, herausgegriffen werden: der Gerichtsstand der Niederlassung, der Vermögensgerichtsstand und der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. aa. Gerichtsstand der Niederlassung Hat ein ausländischer Staat ein streitgegenständliches Rechtsgeschäft von seiner Botschaft aus getätigt, so könnte sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus dem Gerichtsstand der Niederlassung ergeben. So ist nach Art. 7 Nr. 5 EuGVVO bei Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung das Gericht des Ortes zuständig, an dem sich diese befindet. In vergleichbarer Weise können nach § 21 Abs. 1 ZPO Klagen mit Bezug auf den Geschäftsbetrieb einer Niederlassung, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, wo sich die Niederlassung befindet. Der Gerichtsstand der Niederlassung kann nur dann begründet werden, wenn es sich bei einer Botschaft eines ausländischen Staates tatsächlich um eine Niederlassung im Sinne dieser Vorschriften handelt. Eine vergleichbare Frage warf das Bundesarbeitsgericht in dem Rechtsstreit des bei der algerischen Botschaft in Berlin angestellten Fahrers namens Ahmed Mahamdia mit der Republik Algerien auf, nämlich ob für Streitigkeiten aus einem Arbeitsvertrag eine Botschaft als Niederlassung gem. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO a. F. (= Art. 20 Abs. 2 EuGVVO n. F.) anzusehen ist.352 Das Bundesarbeitsgericht hielt dies für zweifelhaft und wies den Rechtsstreit zurück an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, das daraufhin diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegte353. Der Europäische Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung zunächst klar, dass zwei Kriterien für die Begründung des Gerichtsstands der Niederlassung nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO a. F. erfüllt sein müssen: Erstens bedürfe es eines Mittelpunkts geschäftlicher Tätigkeit, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortrete. Dieser Mittelpunkt müsse eine Geschäftsführung haben und sachlich so ausgestattet sein, dass er sich nicht an das Stammhaus zu wenden 352

 BAG, RIW 2011, 167 (168 f.). Berlin-Brandenburg, IPRspr. 2011 Nr. 172, S. 431 ff.

353 LArbG

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

brauche. Zweitens müsse der Rechtsstreit entweder Handlungen betreffen, die sich auf den Betrieb dieser Einheiten bezögen, oder aber Verpflichtungen, die diese im Namen des Stammhauses eingegangen seien und die in dem Staat zu erfüllen seien, in dem sich die Einheiten befänden.354 Beide Kriterien sah der Europäische Gerichtshof als erfüllt an. Zum einen könne eine Botschaft einem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gleichgestellt werden, der auf Dauer nach außen hervortrete und zur Identifikation und Repräsentation des Staates beitrage, der sie eingerichtet habe. Die Aufgaben einer Botschaft bestünden nach Art. 3 WÜD im Wesentlichen darin, den Entsendestaat zu vertreten, dessen Interessen zu schützen und die Beziehungen zum Empfangsstaat zu fördern. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben könne eine Botschaft wie jede andere öffentliche Einrichtung nichthoheitlich handeln, aufgrund privatrechtlicher Verträge zivilrechtliche Rechte erwerben und entsprechende Pflichten übernehmen. Das sei der dann Fall, wenn sie Arbeitsverträge mit Personen schließe, die keine hoheitlichen Aufgaben verrichteten. Zum anderen weise der Ausgangsrechtsstreit einen hinreichenden Zusammenhang mit der Tätigkeit der Botschaft in Bezug auf ihr Personalwesen auf.355 Damit beantwortete der Europäische Gerichtshof nach der Klarstellung, dass der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO nur dann eröffnet ist, wenn einem ausländischen Staat keine Immunität zukommt, die Vorlagefrage wie folgt: Art. 18 Abs. 2 EuGVVO a. F. sei dahingehend auszulegen, dass es sich bei einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gelegenen Botschaft eines Drittstaates in einem Rechtsstreit über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaates geschlossen habe, um eine Niederlassung handele, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fielen.356 Diese Rechtsprechung lässt sich auf den Gerichtsstand der Niederlassung i. S. v. Art. 7 Nr. 5 EuGVVO übertragen, da beide Vorschriften insoweit gleich formuliert sind, als sie Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung erfordern. Im Unterschied zu Art. 20 Abs. 2 EuGVVO findet Art. 7 Nr. 5 EuGVVO jedoch nur gegenüber EU-Mitgliedstaaten Anwendung. Gegenüber einem Drittstaat mit Ausnahme der Vertragsstaaten des LugÜ kann sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte dagegen aus § 21 Abs. 1 ZPO ergeben, da sich eine Botschaft ohne weiteres auch unter dem darin enthaltenen Niederlassungsbegriff, der mit dem Niederlassungsbegriff des Art. 20 Abs. 2 EuGVVO 354 EuGH, NZA 2012, 935 (937) – Mahamdia; dazu Bauschke, öAT 2014, 112 (113); Daub/ Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (398); Martiny, IPRax 2013, 536 (542); Wagner, RIW 2013, 851 (853 f.). 355 EuGH, NZA 2012, 935 (937) – Mahamdia. 356  EuGH, NZA 2012, 935 (937 f.) – Mahamdia; so dann auch BAG, RIW 2014, 691 (692). Konsequenterweise ist nach BAG, NZA-RR 2015, 546 (551) auch ein Konsulat eine Niederlassung.

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse

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im Wesentlichen übereinstimmt, subsumieren lässt. Danach ist eine Niederlassung jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als an dem seines Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene selbstständige, d. h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle.357 Eine Botschaft ist eine von einem ausländischen Staat im Empfangsstaat eingerichtete ständige Vertretung, die eigenverantwortlich die in Art. 3 Abs. 1 WÜD genannten Aufgaben wahrnimmt und insbesondere nach lit. a) den Entsendestaat vertritt. Damit ist auch gegenüber einem Drittstaat der Gerichtsstand der Niederlassung begründet, wenn eine Klage Ansprüche aus einem Rechtsgeschäft zum Gegenstand hat, das ein ausländischer Staat von seiner Botschaft in Deutschland aus geschlossen hat. Der österreichische Oberste Gerichtshof verneinte hingegen die Anwendbarkeit von § 99 Abs. 3 Jurisdiktionsnorm358 (JN), nach dem ausländische Anstalten, Vermögensmassen, Gesellschaften, Genossenschaften und andere Personenvereine am Ort ihrer ständigen Vertretung im Inland geklagt werden können, auf ausländische Staaten, da dies der Schaffung eines allgemeinen Gerichtsstands für ausländische Staaten am Sitz ihrer diplomatischen oder konsularischen Vertretung in Österreich gleichkäme.359 Diese Argumentation ist jedoch auf die Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 ZPO nicht übertragbar, da diese Vorschrift im Unterschied zu § 99 Abs. 3 JN ohnehin einen Gerichtsstand nur für solche Klagen begründet, die einen Bezug zum Geschäftsbetrieb einer Niederlassung aufweisen.360 bb. Gerichtsstand des Vermögens Für Klagen gegen ausländische Staaten hat der Vermögensgerichtsstand nach § 23 ZPO besondere Attraktivität. Die internationale Handels‑ und Währungspolitik bringt es mit sich, dass Staaten in zahlreichen anderen Staaten, so auch in Deutschland, Vermögensgegenstände haben.361 Nach dieser Vorschrift ist für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Ausweislich des Wortlauts genügt also für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte jeder beliebige im Inland belegene Ver357  Hk/Bendtsen, ZPO, § 21 Rdnr. 2; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 21 Rdnrn. 2, 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 21 Rdnr. 6. 358 Öst. RGBl. Nr. 111/1895. 359  OGH, JBl 2009, 457 (458 f.). 360  Spitzer, ZaK 2009, 103 (104 f.) hält eine analoge Anwendung des § 99 Abs. 3 JN auf Klagen gegen ausländische Staaten für überlegenswert, indem man eine Botschaftsbezogenheit der Rechtsstreitigkeit verlangen könnte. 361  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 309; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 69.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

mögensgegenstand. Dieser exorbitante Gerichtsstand verschafft dem Gläubiger die Möglichkeit, am Belegenheitsort von Vollstreckungsobjekten einen Vollstreckungstitel zu erwirken und damit das oftmals zeit‑ und kostspielige Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu vermeiden.362 (1) Anwendbarkeit auf Klagen gegen ausländische Staaten. Der Vermögensgerichtsstand kann aber nur dann die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründen, wenn § 23 ZPO auf Klagen gegen ausländische Staaten Anwendung findet. Dies wird von Schumann und sich ihm anschließend von Vollkommer verneint, da diese Vorschrift sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Sinngehalt nicht passe. Da § 23 ZPO nur Klagen gegen eine Person erfasse, die im Inland keinen Wohnsitz habe, folge im Umkehrschluss, dass sie überhaupt im Inland einen Wohnsitz haben könnte. Ein ausländischer Staat könne aber niemals in Deutschland einen Sitz haben. Außerdem habe nach den Motiven zur Zivilprozessordnung von 1877 die Rechtsverfolgung im Inland erleichtert werden sollen, um „die Gläubiger der im Ausland wohnenden oder im Inland ohne Domizil sich umhertreibenden Schuldner zu schützen“.363 Folgt man allerdings strikt dem Wortlaut des § 23 ZPO, so kann auch ein ausländischer Staat als juristische Person am Vermögensgerichtsstand verklagt werden, da er eine „Person [ist], die im Inland keinen Wohnsitz hat“.364 Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist hingegen nicht erforderlich, dass der Beklagte in Deutschland theoretisch einen Wohnsitz haben könnte. Aber auch die gesetzgeberischen Motive stehen der Anwendbarkeit des § 23 ZPO auf ausländische Staaten nicht entgegen. Gesetzestext und Gesetzesbegründung sind im Lichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu sehen, als noch der Grundsatz der absoluten Staatenimmunität galt. Für den damaligen Gesetzgeber war es undenkbar, dass ein ausländischer Staat am Vermögensgerichtsstand verklagt werden könnte, da es hierfür bereits an der deutschen Gerichtsbarkeit fehlte.365 Selbst für die beiden Immunitätsausnahmen – der Immobiliarklage und dem Immunitätsverzicht – wäre der Rückgriff auf den Vermögensgerichtsstand fernliegend gewesen. Daher muss § 23 ZPO im Kontext der veränderten Normsituation, d. h. des Wandels hin zum Grundsatz der relativen Staatenimmunität, ausgelegt werden. Im Unterschied zur damaligen Rechtslage ist eine Klage gegen einen ausländischen Staat im Vermögensgerichtsstand denkbar, ohne dass ihm Immunität 362  BeckOK/Toussaint, ZPO, § 23 Rdnr. 3; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 21 Rdnr. 32. 363  Schumann, ZZP 93 (1980), 408 (433 ff.); sich anschließend Zöller/Vollkommer, ZPO, § 23 Rdnr. 3; ohne Begründung auch Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann, ZPO, § 23 Rdnr. 13; zweifelnd, aber offenlassend AG Bonn, NJW 1988, 1193 (1394). 364  Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 23 Rdnr. 5; Prütting/Gehrlein/Bey/Lange, ZPO, § 23 Rdnr. 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 23 Rdnr. 7; Schack, ZZP 97 (1984), 46 (64, Fn. 130). 365 Albert, IPRax 1983, 55 (56).

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse

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zukommt. Damit besteht nunmehr – wie es bereits in den Motiven zur Zivilprozessordnung zum Ausdruck kam – auch ein Bedürfnis, die Rechtsverfolgung gegenüber ausländischen Schuldnerstaaten zu erleichtern. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsschutz durch die Gerichte des ausländischen Staates nicht oder nur unzureichend gewährleistet ist.366 Demzufolge können ausländische Staaten sowohl bei strikter Anwendung des Wortlauts als auch nach der gesetzgeberischen Intention prinzipiell im Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO vor deutschen Gerichten verklagt werden.367 So stützte etwa das Oberlandesgericht Koblenz seine internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen die Republik Portugal auf Zahlung einer Maklerprovision aus der Vermittlung von Waffenkäufen an die Bundesrepublik Deutschland auf den Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO. Die beklagte Republik Portugal habe gegen die Bundesrepublik Deutschland Forderungen aus dem vermittelten Vertrag über die Waffenlieferungen, die nach § 23 S. 2 ZPO in Deutschland belegen seien.368 Auch das Oberlandesgericht Frankfurt bejahte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage gegen die Republik Irak, mit der ein deutsch-italienisches Konsortium die Zahlung einer Werklohnforderung aus dem Vertrag über den Bau eines zivilen Staudamms im Irak geltend machte, da die Beklagte Inhaberin und Verfügungsberechtigte eines Festgeldkontos bei einer deutschen Bank sei.369 Allerdings kann § 23 ZPO auf Klagen gegen ausländische Staaten nur dann Anwendung finden, wenn diese Vorschrift nicht durch anderweitige Regelungen verdrängt wird. So dürfen nach Art. 24 Abs. 2 EuStImm i. V. m. lit. a) der Anlage zu diesem Übereinkommen die Gerichte eines Vertragsstaates, der wie die Bundesrepublik Deutschland eine Erklärung nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm abgegeben hat, in einem Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat nicht entscheiden, wenn ihre Zuständigkeit nur auf den Vermögensgerichtsstand gestützt werden könnte. Eine Ausnahme besteht, wenn die Klage das Eigentum oder den Besitz an den Vermögenswerten oder eine andere Streitigkeit über diese Vermögenswerte oder eine Forderung, die im Gerichtstaat durch ein dingliches 366 Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (304 f.); Albert, IPRax 1983, 55 (56); dazu näher Kapitel E. III. 1. b. 367  So auch OLG Koblenz, IPRspr. 1974 Nr. 1a, S. 1 (6) – bestätigt durch BGH, IPRspr. 1974 Nr. 1b, S. 11 (12); OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (462); LG Frankfurt, AG 1976, 47 (48); MünchKomm/Patzina, ZPO, § 23 Rdnr. 29; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 23 Rdnrn. 1, 5; Prütting/Gehrlein/Bey/Lange, ZPO, § 23 Rdnr. 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 23 Rdnr. 7; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 68; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 1378. Nach Spitzer, ZaK 2009, 103 (104) finde auch die vergleichbare österreichische Vorschrift des § 99 Abs. 1 JN, nach der gegen Personen, die im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, vermögensrechtliche Ansprüche vor jedem Gericht geltend gemacht werden können, in dessen Sprengel sich Vermögen der jeweiligen Person befindet, auf ausländische Staaten Anwendung. 368  OLG Koblenz, IPRspr. 1974 Nr. 1a, S. 1 (6). 369 OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (462).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Recht gesichert ist, betrifft. Diese Regelung findet lediglich im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander Anwendung, hat aber keine Entsprechung im allgemeinen Völkerrecht.370 Aus diesem Grund verbietet sich entgegen der Auffassung von Schumann371 ein Rückschluss auf die Nichtanwendbarkeit des § 23 ZPO für Klagen gegen ausländische Staaten. Vielmehr hätte es in diesem Fall keines Ausschlusses des Vermögensgerichtsstands im Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität bedurft.372 Über diese spezielle Regelung hinaus wird der Anwendungsbereich des § 23 ZPO vor allem durch Art. 5 Abs. 2 i. V. m. Art. 76 Abs. 1 lit. a) EuGVVO eingeschränkt, so dass EU-Mitgliedstaaten nicht im Vermögensgerichtsstand verklagt werden können. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Vollstreckung aus in anderen EU-Mitgliedstaaten erlassenen Urteilen in Deutschland problemlos möglich ist, so dass die Begründung einer deutschen Zuständigkeit am Belegenheitsort des Vollstreckungsobjekts zur Gewährung von Rechtsschutz obsolet ist.373 Gegenüber Drittstaaten mit Ausnahme der Vertragsstaaten des LugÜ kann eine Klage hingegen – wie sich auch aus Art. 6 Abs. 2 EuGVVO ergibt – im Vermögensgerichtsstand erhoben werden. (2) Vollstreckbarkeit des zuständigkeitsbegründenden Vermögens. Eine Einschränkung könnte § 23 ZPO dadurch erfahren, dass nur dasjenige Vermögen eines ausländischen Staates die Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet, das auch der Zwangsvollstreckung unterliegt. Diese restriktive Auslegung wird teils mit Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift verneint, da dieser die Vollstreckungstauglichkeit des Vermögens nicht verlange.374 Allerdings besteht der Sinn und Zweck des § 23 ZPO darin, die Rechtsverfolgung und ‑durchsetzung gegenüber Personen mit (Wohn‑)Sitz im Ausland durch die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu ermöglichen.375 Ein Gläubiger kann seine Ansprüche mithilfe der deutschen Gerichte aber nur dann 370 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 314; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 67; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (305). 371 Schumann, ZZP 93 (1980), 408 (439) geht von der Prämisse aus, das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität wolle nur das bestehende Völkergewohnheitsrecht kodifizieren. Dies ist zwar weitgehend, nicht aber bei jeder einzelnen Regelung der Fall. 372  Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 23 Rdnr. 5; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 314. 373  Musielak/Heinrich, ZPO, § 23 Rdnr. 19; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 23 Rdnr. 4; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 21 Rdnr. 33; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 220 , 375. 374  So OLG Frankfurt, RIW 1980, 874 (877); Seidl-Hohenveldern in: Sandrock (Hrsg.), FS Beitzke, S. 1081 (1095); Schack, ZZP 97 (1984), 46 (59, 63); vgl. auch Weller, Rpfleger 2006, 364 (371), nach dem der völkerrechtliche Immunitätsschutz nicht in die „Fiktion einer physischrealen Extraterritorialität“ umgemünzt werden dürfe. 375  BGHZ 115, 90 (94); Prütting/Gehrlein/Bey/Lange, ZPO, § 23 Rdnr. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 23 Rdnr. 1.

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effektiv verwirklichen, wenn er nicht nur ein Urteil erhält, sondern daraus auch in Vermögensgegenstände vollstrecken kann, ohne dass es des oftmals langdauernden Verfahrens der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Titels durch die Gerichte anderer Staaten bedarf.376 Er hat hingegen kein anerkennenswertes Rechtsschutzinteresse, wenn er einen Titel erlangen will, aus dem er in Deutschland mangels vollstreckbaren Vermögens nicht vollstrecken kann. Demzufolge gebietet die ratio legis des § 23 ZPO, dass nur dasjenige Vermögen einen internationalen Gerichtsstand begründet, bei dem auch die Aussicht auf Vollstreckung besteht.377 Andernfalls könnte jeder ausländische Staat, der mit der Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält, allein wegen seines in Deutschland befindenden Botschaftsvermögens vor deutschen Gerichten verklagt werden.378 Dies liefe auf eine internationale Allzuständigkeit der deutschen Gerichte für Klagen gegen ausländische Staaten hinaus. Daher ist eine teleologische Auslegung des Vermögensbegriffs geboten. Kommt einem beklagten ausländischen Staat Vollstreckungsimmunität für einen Vermögensgegenstand zu, so begründet dieser nicht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.379 Demzufolge bejahte das Oberlandesgericht Frankfurt, als es die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage gegen die Republik Irak auf § 23 ZPO stützte, die Vollstreckbarkeit ihres bei einer deutschen Bank unterhaltenen Festgeldkontos unter anderem mit dem Hinweis, dass ihr insoweit keine Vollstreckungsimmunität zukomme.380 Der Gerichtsstand des Vermögens entfällt nicht dadurch, dass ein ausländischer Staat sein in Deutschland belegenes Vermögen im Laufe eines Rechtsstreits einem hoheitlichen Zweck widmet oder es aus dem deutschen Hoheitsgebiet entfernt. Entscheidend für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist der Zeitpunkt der Klageerhebung, also der Zustellung der Klageschrift nach § 253 Abs. 1 ZPO. Ist das angerufene Gericht einmal international zuständig, so lässt eine nach Rechtshängigkeit eintretende Änderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände seine Zuständigkeit unberührt. Auch im 376 Junker,

Internationales Zivilprozessrecht, § 21 Rdnr. 32. Frankfurt, WM 1982, 754 (754); Albert, IPRax 1983, 55 (56). 378  Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 23 Rdnr. 21; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 372. 379 BGH, ZfBR 2016, 571 (574); OLG Frankfurt, WM 1982, 754 (755); RIW 1999, 461 (462); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 23 Rdnr. 15; MünchKomm/Patzina, ZPO, § 23 Rdnr. 26; Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 23 Rdnr. 21; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 23 Rdnr. 8; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 1371 f., 1378; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 13; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 21 Rdnr. 34; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (306 f.); Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (451); Gündling, IPRax 1988, 338 (340); Mertens, AG 1976, 49 (51). Vgl. auch zum Vermögensgerichtsstand im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nach § 1062 Abs. 2 ZPO: OLG München, IPRspr. 2011 Nr. 303, S. 813 (814). 380 OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (462). 377 OLG

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internationalen Zivilprozessrecht gilt der in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO verankerte Grundsatz der perpetuatio fori. Andernfalls könnte sich ein beklagter ausländischer Staat einem Rechtsstreit zulasten des Klägers nach Belieben entziehen.381 (3) Erfordernis eines hinreichenden Inlandsbezugs.  § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO dehnt die deutsche internationale Zuständigkeit weit aus. So kann nach dem Wortlaut der Vorschrift ein ausländischer Staat auch dann vor einem deutschen Gericht verklagt werden, wenn weder der Kläger noch der Rechtsstreit einen Bezug zu Deutschland als Forumstaat aufweisen. Daher wird immer wieder diskutiert, ob der Vermögensgerichtsstand als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit über den Wortlaut hinaus einen hinreichenden Inlandsbezug erfordert. Einen solchen Bezug können der Wohnsitz oder der gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers in Deutschland, seine deutsche Staatsangehörigkeit, die Begründung des Rechtsverhältnisses oder zumindest das Stattfinden der Vertragsverhandlungen in Deutschland, die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts auf das Rechtsverhältnis, ein inländischer Erfüllungsort oder die besondere Beweisnähe deutscher Gerichte darstellen.382 Im Ausgangspunkt steht es einem Staat frei, ob er einen Rechtsstreit mit Auslandsbezug entscheiden will, da keine umfassende internationale Zuständigkeitsordnung existiert.383 Gleichwohl verlangt das Völkerrecht für die Regelung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts durch einen Staat einen legitimierenden Anknüpfungspunkt, der sich aus seiner Gebiets‑ oder Personalhoheit ergibt. Der Gerichtsstaat kann und darf einen Rechtsstreit nur dann entscheiden, wenn dieser eine Binnenbeziehung aufweist und damit ein genuine link besteht.384 Fehlt ein solcher Anknüpfungspunkt, so ist er nicht berechtigt, seine Hoheitsgewalt ausüben. Mischt er sich dennoch in die Angelegenheiten der völkerrechtlich regelungsbefugten Staaten ein, so verstößt er gegen das sich aus ihrer Souveränität ergebende Nichteinmischungsgebot.385 Damit spitzt sich die Diskussion auf die entscheidende Fragestellung zu, ob in Deutschland belegenes, vollstreckbares Vermögen eines beklagten ausländischen Staates als legitimierender Anknüpfungspunkt für die Begründung der internationalen Zuständigkeit genügt. 381  OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (462); MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnr 80; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 23 Rdnr. 12; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 451 f. 382 Prütting/Gehrlein/Bey/Lange, ZPO, § 23 Rdnr. 5; Vorwerk/Wolf/Toussaint, BeckOK, ZPO, § 23 Rdnrn. 14.2 f.; ähnlich auch Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 154 f. 383  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 63, Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 215. 384  BeckOK/Toussaint, ZPO, § 23 Rdnr. 13; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 63; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062 (3063); kritisch mit Blick auf das Gebot der Rechtssicherheit Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 215. 385  BVerfG, NVwZ 2008, 878 (879); Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 18; Mark/ Ziegenhain, NJW 1992, 3062 (3063).

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse

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Von der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur wird als ungeschriebene Voraussetzung ein hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits, der über die Vermögensbelegenheit hinausgeht, für die Begründung des Vermögensgerichtsstands nach § 23 ZPO gefordert.386 Diese Vorschrift sei von der gesetzgeberischen Überlegung getragen gewesen, Inländern einen Gerichtsstand gegen Ausländer zu verschaffen, die andernfalls nicht verklagt werden könnten. Es sei jedoch nicht bezweckt gewesen, die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts auch dann zu begründen, wenn der Rechtsstreit ohne Inlandsbezug sei. Nur ein hinreichender Inlandsbezug begrenze in völkerrechtskonformer Weise die mit dem Vermögensgerichtsstand verbundene Beeinträchtigung des ausländischen Beklagten, sich vor einem ausländischen Gericht in einer fremden Sprache durch ihm unbekannte Anwälte verteidigen lassen zu müssen, und gebiete zugleich einem forum shopping des Klägers Einhalt.387 Demzufolge verneinte das Oberlandesgericht Frankfurt die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage gegen die türkische Zentralbank aus abgetretenem Recht, weil diese die Aufträge eines türkischen Unternehmens, DM-Kaufpreisbeträge an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen zur Erfüllung einer Kaufpreisschuld zu überweisen, nicht ausgeführt hatte. Für die Begründung des Vermögensgerichtsstands fehle es am notwendigen Inlandsbezug, da die streitgegenständlichen Forderungen des türkischen Unternehmens als Zedenten gegen die türkische Zentralbank nur zwischen ausländischen Personen bestünden und ausländischem Recht unterlägen.388 Für die Klage eines deutschitalienischen Konsortiums gegen die Republik Irak aus dem Vertrag über den Bau eines Staudamms im Irak bejahte hingegen das Oberlandesgericht Frankfurt einen hinreichenden Inlandsbezug, da die Kläger als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mehrheitlich ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hätten.389 Die Befürworter des Erfordernisses eines hinreichenden Inlandsbezugs gehen wie selbstverständlich davon aus, dass die Belegenheit von vollstreckbarem Vermögen eines beklagten ausländischen Staates in Deutschland keinen hinreichenden Inlandsbezug darstelle. Eine solch restriktive Auslegung des § 23 ZPO ist aber nur dann geboten, wenn das Völkerrecht einen Vermögensgerichtsstand, der keinen über die Vermögensbelegenheit im Gerichtsstaat hinausgehenden 386  St. Rspr. seit BGHZ 115, 90 (94 ff.); für beklagte ausländische Staaten: OLG Frankfurt, BeckRS 2013, 12593 (verkündet am 24. 10. ​1996) und OLG Frankfurt, RIW 1999, 461; Zöller/ Vollkommer, ZPO, § 23 Rdnr. 1; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 18 ff.; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rdnr. 46; Breit, JW 1911, 636 (637 ff.). Die ältere Rechtsprechung geht auf dieses Erfordernis hingegen nicht ein, vgl. OLG Koblenz, OLGZ 1975, 379 (382) und LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1046). 387  BGHZ 115, 90 (94 f, 98); OLG Frankfurt, BeckRS 2013, 12593; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 22; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rdnr. 46. 388  OLG Frankfurt, BeckRS 2013, 12593. 389  OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (462) sowie LG Frankfurt, IPRspr. 1996 Nr. 157, S. 375 (377 f.) als Vorinstanz.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Inlandsbezug erfordert, missbilligen würde.390 So kann zwar nach Art. 24 Abs. 2 EuStImm i. V. m. lit. a) der Anlage zu diesem Übereinkommen ein Vertragsstaat nicht am Vermögensgerichtsstand verklagt werden. Dieser Ausschluss ist aber von der Intention getragen, dass die Vertragsstaaten die gegen sie ergangenen Entscheidungen, die nicht auf den in der Anlage genannten Gerichtsständen beruhen, freiwillig erfüllen.391 In ähnlicher Weise schließt auch Art. 5 Abs. 2 i. V. m. Art. 76 Abs. 1 lit. a) EuGVVO die Anwendbarkeit des § 23 ZPO aus. Gleichwohl wird eine Entscheidung, die dennoch auf den Vermögensgerichtsstand gestützt wird, nach Art. 36 Abs. 1 EuGVVO ohne Exequaturverfahren anerkannt. Selbst auf Antrag eines Berechtigten hin gem. Art. 36 Abs. 2 EuGVVO dürfte die Anerkennung einer Entscheidung nach Art. 45 Abs. 3 S. 1 EuGVVO nicht versagt werden. Auch in den nationalen Rechtsordnungen ist der Vermögensgerichtsstand nicht allgemein verpönt. Vielmehr enthalten eine § 23 ZPO ähnliche Vorschrift bzw. Rechtsregel etwa das dänische, das griechische, das japanische, das norwegische, das österreichische, das polnische, das schwedische, das türkische, das ungarische und das US-amerikanische Recht.392 Es fehlt also an einer von der allgemeinen Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft getragenen Völkerrechtsregel, die den Vermögensgerichtsstand missbilligen würde.393 Infolgedessen ist mit der Belegenheit des vollstreckbaren Vermögens eines beklagten Staates im Gerichtsstaat das völkerrechtlich geforderte Minimum für einen Inlandsbezug bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nicht unterschritten. Das Völkerrecht gebietet daher keine einschränkende Auslegung des § 23 ZPO dahingehend, dass die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug des Rechtsstreits bedürfte.394 Auch wenn dieser Gerichtsstand teils als unerwünscht angesehen wird,395 so rechtfertigt ein rechtspolitisch unerwünschtes Ergebnis keine einschränkende Auslegung. Vielmehr ist der Vermögensgerichtsstand gem. § 23 ZPO Ausdruck des verfassungsrechtlich und völkerrechtlich verbürgten Rechts der rechtsschutzsuchenden Gläubiger auf Zugang zu Gericht.396 Er dient insbesondere dann 390 So auch Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (186 f.). 391  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 68. 392 Vgl. näher Schack, ZZP 97 (1984), 84 (50 ff.); ferner Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (186 f.). 393  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 1348; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 373; vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 31 Rdnr. 2. 394  So auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 1347, 1356; ähnlich auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 23 Rdnr. 16; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 21 Rdnr. 36; Geimer in: Habscheid/Schwab (Hrsg.), FS Nagel, S. 36 (41 f). 395  So z. B. BGHZ 42, 194 (199 f.); 52, 251 (256); Schütze, BB 1979, 348 (349). 396  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (187); ferner LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1046).

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der Schließung von Rechtsschutzlücken, wenn ein ausländischer Staat seinem Gläubiger keinen effektiven Rechtsschutz durch seine eigenen Gerichte gewährt. Abgesehen davon, dass das Erfordernis eines Inlandsbezugs Interpretationsschwierigkeiten und damit der Rechtsunsicherheit Vorschub leisten würde,397 bedürfte ein solches den Anwendungsbereich des § 23 ZPO beschränkendes Tatbestandsmerkmal einer Gesetzesänderung.398 Dies setzt freilich voraus, dass der Gesetzgeber einen Änderungsbedarf sieht. Die von Damian geäußerte Befürchtung, Deutschland laufe als Drehscheibe des internationalen Wirtschaftsverkehrs Gefahr, zum Kampfplatz zwischen ausländischen Gläubigern, die ein forum shopping betreiben, und ausländischen Staaten zu werden,399 hat sich bislang nicht bewahrheitet. Vor allem wenn die deutschen Gerichte ihnen unbekanntes ausländisches Sachrecht anwenden und eine Beweisaufnahme mit ausländischen Zeugen oder über die internationale Rechtshilfe im Ausland durchführen müssten, schwindet die Attraktivität der deutschen Gerichte. Die ausländischen Gläubiger scheinen sich sehr wohl bewusst zu sein, dass diese Faktoren mit einer gesteigerten Rechtsunsicherheit ob der korrekten Anwendung des ausländischen Rechts, mit erhöhten Kosten und mit einer längeren Verfahrensdauer verbunden sein können. cc. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung Die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts kann sich auch aus dem in Art. 7 Nr. 2 EuGVVO bzw. in § 32 ZPO geregelten Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ergeben, wenn entweder das schädigende Ereignis im Gerichtsbezirk eingetreten ist (Handlungsort) oder sich dort der konkrete Schadenserfolg realisiert hat (Erfolgsort). Damit muss zumindest eine Teilhandlung in Deutschland begangen oder die dadurch erfolgte Rechtsverletzung in Deutschland eingetreten sein.400 Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bietet den Vorteil der Sachnähe, wenn das Tatortgericht eine Beweisaufnahme in seinem Gerichtsbezirk durchführen kann.401 Neben Verkehrsunfällen durch diplomatisches und konsularisches Personal und der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine grenzüberschreitende Berichterstattung402 kommt diesem Gerichtsstand vor allem bei 397  Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 23 Rdnr. 3; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 1360; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 36; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 373. 398  Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 23 Rdnr. 3; vgl. auch BVerfGE 64, 1 (20). 399 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 69. 400  Schlosser in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 15; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 10 Rdnrn. 1 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 334 f. 401 Zöller/Vollkommer, ZPO, § 32 Rdnr. 1; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 5.34; Staudinger/Steinrötter, JuS 2015, 1 (7). 402  BGH, GRUR 2017, 213 (215 f.): Internationale Zuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 3 LugÜ für Unterlassungsklage gegen eine schweizerische Rundfunkanstalt wegen Bildberichterstattung

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grenzüberschreitenden Umweltdelikten Bedeutung zu. Nach dem Ubiquitätsprinzip ist überall dort in Deutschland, wo durch Umweltimmissionen Schäden verursacht werden, ein Gerichtsstand gegeben.403 Für Schäden infolge eines Kernreaktorunfalls enthält Art. 13 des Pariser Übereinkommens differenzierte Zuständigkeitsregeln. Der ausschließliche Gerichtsstand der Umwelteinwirkungen gem. § 32a ZPO ist hingegen nach dessen Satz 2 nicht begründet, wenn die emittierende Anlage im Ausland belegen ist. Dann bleibt es bei den allgemeinen Regelungen zur Begründung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung.404 Das Amtsgericht Bonn verneinte allerdings in seiner Tschernobyl-Entscheidung seine internationale Zuständigkeit nach § 32 ZPO. Ein Kleingärtner, der in Berlin einen Schrebergarten hatte, begehrte von der ehemaligen Sowjetunion wegen des Kernreaktorunfalls in Tschernobyl Schadensersatz für sein verstrahltes Gemüse und für entgangenen Gewinn. Da er seine Klage beim Amtsgericht Bonn und nicht beim Amtsgericht des Gerichtsbezirks, in dem sein Schrebergarten lag, anhängig gemacht hatte, vertrat das erstinstanzliche Gericht die Auffassung, das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tauge nicht als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit nach § 32 ZPO.405 Das Landgericht Bonn, das über die Beschwerde des Klägers zu entscheiden hatte, weil das Amtsgericht Bonn bereits die Zustellung der Klage verweigert hatte, bestätigte die erstinstanzliche Rechtsauffassung. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob als Erfolgsort Berlin in Betracht komme, wo der Kläger seine Gartenanlage besitze. Es sei unzulässig, mit pauschalen Hinweisen auf eine verstärkte radioaktive Strahlenausschüttung und Verseuchung das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Anknüpfungspunkt für den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung zu benennen. Abgesehen davon dürfte im Nachhinein der genaue Weg möglicher radioaktiver Niederschläge im Bundesgebiet kaum eindeutig nachzuvollziehen sein. Aufgrund des unzureichenden Vorbringens des Klägers fehle es für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit des Amtsgerichts Bonn an einem hinreichenden Sachvortrag.406 Dieser Beschluss würfelt so einiges durcheinander. Das Landgericht Bonn blieb zunächst einer Antwort auf die naheliegende Frage schuldig, ob das Amtsgericht Bonn seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO nachgekommen war. Selbst wenn der Vortrag des Klägers unsubstantiiert gewesen sein sollte, hätte das erstinstanzliche Gericht oder zumindest das Beschwerdegericht ihn darauf hinweisen und ihm Gelegenheit zur Nachbesserung geben müssen. Mit der seinerseits im Internet über die Ehefrau des ehemaligen Rennfahrers Michael Schumacher beim Krankenbesuch. 403  MünchKomm/Patzina, ZPO, § 32 Rdnr. 25; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 159; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rdnr. 54. 404 MünchKomm/Patzina, ZPO, §  32a Rdnr. 12; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 32a Rdnr. 10. 405  AG Bonn, NJW 1988, 1393 (1394). 406 LG Bonn, IPRax 1987, 231 (232).

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pauschalen Behauptung, im Nachhinein könne der genaue Weg möglicher radioaktiver Niederschläge im Bundesgebiet kaum eindeutig nachvollzogen werden, verkannte das Landgericht Bonn, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bereits dann begründet ist, wenn der Kläger die Realisierung eines Schadens am Erfolgsort schlüssig darlegt. Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit hätte es also genügt, dass der Kläger die radioaktive Verstrahlung seines Schrebergartens in Berlin infolge des Kernreaktorunfalls in Tschernobyl schlüssig behauptet hätte.407 Ob tatsächlich durch grenzüberschreitende Immissionen ein Schaden eingetreten ist, ist hingegen erst eine Frage der Begründetheit, die das Beschwerdegericht nicht hätte vorwegnehmen dürfen. Auch wenn die Gartenanlage in Berlin lag und somit das Amtsgericht Bonn örtlich unzuständig war, ändert dies nichts an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Beide Instanzen verkannten, dass es für deren Begründung gereicht hätte, wenn mindestens ein deutsches Gericht örtlich zuständig gewesen wäre.408 Demzufolge hätte richtigerweise das Amtsgericht Bonn als Ausgangsgericht nach einem gem. § 504 ZPO obligatorischen Hinweis auf seine örtliche Unzuständigkeit den Rechtsstreit nach § 281 Abs. 1 ZPO auf Antrag des Klägers an das in Berlin zuständige Amtsgericht verweisen müssen, anstatt die Klage als unzulässig abzuweisen.409 Dagegen ergibt sich aus dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage gegen den griechischen Staat wegen der Nichterfüllung von Besitz‑ und Eigentumsansprüchen infolge der Ausbuchung griechischer Staatsanleihen aus dem Wertpapierdepot bei einer deutschen Bank und der Ersetzung durch neue Anleihen, die lediglich 53,5 Prozent der ursprünglichen Nominalforderung verbriefen. Zu Recht verneinten daher in parallel gelagerten Fällen das Oberlandesgericht Frankfurt, das Oberlandesgericht Hamm und das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ihre Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a. F. (= Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n. F.), da die Kläger keine in Deutschland begangene verbotene Eigenmacht oder sonstige unerlaubte Handlung schlüssig aufgezeigt hätten.410 In der Tat lagen weder der Handlungsort noch der Erfolgsort einer potentiellen unerlaubten Handlung in Deutschland, sondern in Griechenland. Dort sei – wie die Oberlandesgerichte ausführten – die Umschuldung durch Entscheidung der Gläubigermehrheit auf Basis des griechischen Gesetzes zur Einführung der Collective Action Clauses herbeigeführt worden. Ebenso habe die griechische 407  Vgl. allgemein Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 6 Rdnr. 62; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 31 Rdnr. 28. 408  So auch Mansel, IPRax 1987, 210 (213). 409  Die internationale Zuständigkeit nach § 32 ZPO bejahen auch Rest, VersR 1986, 933 (940 f.) und Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236). 410  OLG Frankfurt, BeckRS 2015, 13561  – bestätigt durch BGH, ZIP 2016, 789 ff.; OLG Hamm, BeckRS 2015, 11144; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1258 ff.) m. Anm. Arndt, jurisPR-BKR 8/2015 Anm. 2.

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Zentralbank die in Griechenland verwahrten Anleihen eingezogen, was in den Wertpapierdepots der deutschen Banken nur buchhalterisch nachvollzogen worden sei.411 Demzufolge sei am Ort des Klägerwohnsitzes nur ein Vermögensfolgeschaden entstanden, der keine internationale Zuständigkeit begründe.412 Darüber hinaus wiesen das Oberlandesgericht Frankfurt und das Oberlandesgericht Hamm zutreffend darauf hin, dass ein Besitzschutzanspruch des jeweiligen Klägers als mittelbaren Besitzers nach § 869 S. 1 i. V. m. § 861 Abs. 1 BGB nicht schlüssig dargelegt sei. Ein solcher Anspruch wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der griechische Staat gegenüber der Depotbank als unmittelbarer Besitzerin verbotene Eigenmacht i. S. v. § 858 Abs. 1 BGB geübt hätte. Die Depotbank habe jedoch die Änderungen im Depot des Klägers, in dem die in Griechenland verwahrten Wertpapiere ohnehin nur elektronisch eingebucht seien, freiwillig vorgenommen.413 dd. Gerichtsstandsvereinbarung Um die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu begründen oder um diesbezüglichen Ungewissheiten vorzubeugen, kann sich die Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstands als sinnvoll erweisen. Vor allem in der internationalen Anleihepraxis ist die vertragliche Festlegung der im Streitfall international und örtlich zuständigen Gerichte verbreitet.414 So enthielten – im Unterschied zu den griechischen Staatsanleihen  – die Bedingungen der dem deutschen Recht unterstellten Anleihen des argentinischen Staates, über die daraus resultierenden Ansprüche vielfach das Landgericht Frankfurt und das Oberlandesgericht Frankfurt als Berufungsinstanz zu entscheiden hatten, folgende Klausel: „Die Republik unterwirft sich hiermit unwiderruflich der nicht ausschließlichen Gerichtsbarkeit jedes deutschen Gerichts mit Sitz in Frankfurt/M. und jedes Bundesgerichts mit Sitz in der Stadt Buenos Aires ebenso wie deren Berufungsgerichten in jeder Rechtsstreitigkeit, jedem gerichtlichen oder sonstigen Verfahren gegen sie aufgrund oder im Zusammenhang mit den Schuldverschreibungen.“415 Ausländische Staaten können mit ihrem Vertragspartner nach Maßgabe von Art. 25 EuGVVO die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte oder auch die Zuständigkeit eines bestimmten deutschen Gerichts vereinbaren. Diese Regelung findet – im Unterschied zur Vorgängerregelung in Art. 23 EuGVVO a. F. – unabhängig davon Anwendung, ob die Parteien ihren (Wohn‑)Sitz im Ho411  OLG Frankfurt, BeckRS 2015, 13561; OLG Hamm, BeckRS 2015, 11144; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1259); ähnlich bereits Thole, WM 2012, 1793 (1796). 412 OLG Hamm, BeckRS 2015, 11144; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1259). 413  OLG Frankfurt, BeckRS 2015, 13561; OLG Hamm, BeckRS 2015, 11144. 414  Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (450); Nodoushani, WM 2012, 1798 (1806). 415 Vgl. Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (450).

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heitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates haben.416 Daher richtet sich die Zulässigkeit einer Vereinbarung über die Zuständigkeit der deutschen Gerichte, auch wenn an ihr ein Drittstaat beteiligt ist, nicht nach § 38 ZPO, sondern ausschließlich nach Art. 25 EuGVVO. Das prorogierte deutsche Gericht bzw. die prorogierten deutschen Gerichte sind danach vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung ausschließlich zuständig. Haben die Parteien umgekehrt vereinbart, dass die Gerichte des ausländischen Staates ausschließlich zuständig sein sollen, so darf die Derogation der an sich gegebenen Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht zu einer Rechtsschutzverweigerung führen. Erhält der Kläger vor den Gerichten des ausländischen Staates aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offensichtlich keinen effektiven Zugang zu Gericht, so ist ihm nicht zuzumuten, diese dennoch vergeblich um Recht zu ersuchen.417 Mit der ausschließlichen Prorogation eines ausländischen Gerichts will der Gläubiger zwar auf den Rechtsschutz durch die deutschen Gerichte, nicht aber überhaupt auf jeglichen Rechtsschutz verzichten.418 Daher ist der vereinbarte Ausschluss der Zuständigkeit der deutschen Gerichte durch die Prorogation eines ausländischen Gerichtsstands unwirksam, wenn durch die ausländischen Gerichte eine sachgerechte, den elementaren rechtsstaatlichen Garantien entsprechende Entscheidung des Rechtsstreits nicht gewährleistet ist. In diesem Fall kann der Kläger den ausländischen Staat in zulässiger Weise auch vor dem nach der EuGVVO bzw. der ZPO zuständigen deutschen Gericht verklagen.419 Eine solche Konstellation sah das Oberlandesgericht Frankfurt im Hinblick auf eine Vereinbarung über die ausschließliche Zuständigkeit irakischer Gerichte als gegeben an. Den Klägern, die Werklohnansprüche aus dem Vertrag über den Bau eines Staudamms gegen den irakischen Staat geltend machten, sei im Zeitpunkt der Klageerhebung im Oktober 1992 die Rechtsverfolgung im Irak jedenfalls aus tatsächlichen Gründen unzumutbar gewesen. Nach dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten sei nicht zu erwarten gewesen, dass irakische Gerichte den Klägern wirksamen Rechtsschutz bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber dem irakischen Staat gewähren würden. Die fehlende 416 Hk/Dörner, ZPO, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 4; Schlosser in: Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 5; Alio, NJW 2014, 2295 (2398 f.). 417  Hau, IPRax 1999, 232 (235); zu den Hürden der Rechtsverfolgung im Ausland siehe Kapitel B. III. 1. b. 418  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 1764. Der dogmatische Ansatzpunkt, die Unbeachtlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu verorten, ist umstritten. Teils wird auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, teils auf eine der Vereinbarung stillschweigend zu Grunde liegende Bedingung tatsächlicher Rechtsschutzmöglichkeit abgestellt. Auch wird eine analoge Anwendung von § 306 BGB sowie eine Anfechtung oder Kündigung aus wichtigem Grund befürwortet; vgl. dazu näher Hau, IPRax 1999, 232 (235). 419  BGH, VersR 1974, 470 (471); OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (463); vgl auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 1764; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 512.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Existenz eines unabhängigen Gerichtswesens im Irak hätte faktisch zu einer Rechtsschutzverweigerung geführt. Aus diesem Grund sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht wirksam abbedungen worden.420 ee. Gerichtsstand infolge rügeloser Einlassung Lässt sich ein beklagter ausländischer Staat in einem Zivilprozess rügelos zur Hauptsache ein, so verzichtet er dadurch regelmäßig nicht nur auf seine Immunität, sondern begründet auch die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts. So sieht Art. 26 Abs. 1 EuGVVO vor, dass durch die Einlassung des Beklagten auf das Verfahren ein ansonsten unzuständiges Gericht eines EU-Mitgliedstaates zuständig wird, es sei denn, er rügt nur die mangelnde Zuständigkeit oder ein anderes Gericht ist ausschließlich zuständig. In ähnlicher Weise wird nach § 39 ZPO die Zuständigkeit eines Gerichts  – vor dem Amtsgericht allerdings erst nach richterlichem Hinweis gem. § 504 ZPO – dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt wiederum nach § 40 Abs. 2 ZPO insbesondere dann nicht, wenn für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Während bei Art. 26 Abs. 1 EuGVVO bereits die schriftliche Klageerwiderung und selbst die Erhebung einer anderen Verfahrensrüge einen Gerichtsstand begründen können,421 verlangt § 39 ZPO, dass sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung rügelos zur Hauptsache einlässt. Eine spezielle Regelung zur rügelosen Einlassung zur Hauptsache enthält Art. 24 Abs. 2 EuStImm. Wie bereits aufgezeigt, kann ein Vertragsstaat nach lit. a) der Anlage zum EuStImm vor deutschen Gerichten nicht am Vermögensgerichtsstand verklagt werden.422 Das mit der Sache befasste deutsche Gericht kann dennoch zuständig werden, wenn sich der beklagte Vertragsstaat zur Hauptsache einlässt, ohne zuvor dessen mangelnde Zuständigkeit gerügt zu haben. Die rügelose Einlassung kann nach dieser Regelung im Unterschied zu § 39 ZPO bereits in der Klageerwiderung erfolgen. Der beklagte Vertragsstaat muss sich aber im Unterschied zu Art. 26 Abs. 1 EuGVVO zur Hauptsache einlassen und nicht nur ein anderweitige Verfahrensrüge erheben. c. Internationale Zuständigkeit für öffentlich-rechtliche Forderungen Die deutschen Gerichte könnten auch dann international zuständig sein, wenn ein ausländischer Staat Klage zur Titulierung seiner öffentlich-rechtlichen For420  OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (463); vgl. auch LG Frankfurt, IPRspr. 1996 Nr. 157, S. 375 (379) als Vorinstanz. 421  Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 16 Rdnrn. 4, 8; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 549. 422 Siehe hierzu Kapitel C. IV. 1. a.

IV. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse

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derung wie eines Steueranspruchs oder eines Rückzahlungsanspruchs aus der Daseinsvorsorge erhebt. Insbesondere Dutta bejaht in dieser Konstellation die internationale Zuständigkeit.423 Ein ausländischer Staat sei bei der Realisierung seiner öffentlich-rechtlichen Forderungen auf die Hilfe der deutschen Gerichte angewiesen, da er sie nicht alleine in Deutschland durchsetzen könne. Im deutschen Recht existiere kein Nichtförderungsprinzip, das die Förderung fremder Staatsinteressen ausschließe. Vielmehr hätten die deutschen Gerichte die Bereitschaft erkennen lassen, ausländische Hoheitsakte bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.424 Zwar mag ein ausländischer Staat im Einzelfall auf die deutschen Gerichte zur Durchsetzung seiner öffentlich-rechtlichen Forderung angewiesen sein, etwa weil der Schuldner seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Allerdings kann jeder Staat im Grundsatz selbst entscheiden, ob seine Gerichte für einen Rechtsstreit mit Auslandsberührung international zuständig sein sollen.425 Dieser Grundsatz wird auch nicht durch dadurch eingeschränkt, dass einem ausländischen Staat ein Recht auf Zugang zu den deutschen Gerichten zustünde. Im Unterschied zu einem Individuum kann dieser innerhalb seines Territoriums selbst Staatsgewalt ausüben und damit seine öffentlich-rechtlichen Forderungen prinzipiell durchsetzen. Die Bundesrepublik Deutschland ist daher nicht verpflichtet, als Ausgleich für ihr Gewaltmonopol einem ausländischen Staat für seine öffentlich-rechtlichen Forderungen Rechtsschutz zu gewähren. Ist sie nicht zur Justizgewährung gegenüber einem ausländischen Staat verpflichtet, so hat dieser auch kein Recht auf Zugang zu den deutschen Gerichten.426 Daher bleibt es dem deutschen Staat überlassen, inwieweit er einem anderen Staat den Zugang zu seinen Gerichten eröffnen will. Aber auch die Bereitschaft der deutschen Gerichte, ausländische Hoheitsakte bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, lässt keinen Schluss auf ihre internationale Zuständigkeit für eine Klage eines ausländischen Staates zu, mit der er eine öffentlich-rechtliche Forderung geltend macht. Beide Konstellationen sind grundverschieden, da es im ersten Fall zumeist um die Klage einer Privatperson und nicht um die eines ausländischen Staates geht. Zudem finden aus423  Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, passim; ders., IPRax 2007, 109 (117); sich anschließend Zöller/Geimer, ZPO, IZPR Rdnrn. 103, 105; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 1974 f.; so auch LG Hamburg, IPRspr. 1977 Nr. 115, S. 330 (332). Nach Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (74) sei die internationale Zuständigkeit wenigstens für Ansprüche auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge zu bejahen. 424  Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 7 ff.; 312 ff.; ders., IPRax 2007, 109 (117). 425 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 63; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 5 Rdnr. 1; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 215. 426  Ähnlich KG, OLGE 20 (1910), 91 (91 f.); LG Offenburg, IPRspr. 1960/61 Nr. 172, S. 550 (551).

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ländische Hoheitsakte nur im Rahmen der Sachentscheidung Berücksichtigung, begründen aber nicht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte als Prozessvoraussetzung. Vielmehr mangelt es dem deutschen Staat am Interesse, einem ausländischen Staat für die Durchsetzung seiner öffentlich-rechtlichen Forderungen Rechtsschutz gewähren.427 Aus diesem Grund verneinte bereits das Kammergericht 1908 die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage einer russischen Gemeinde auf Zahlung rückständiger Gemeindesteuern gegen einen nunmehr in Preußen wohnhaften Bürger. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, die Steueransprüche eines fremden Staates gegen seine Untertanen auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen, festzustellen und mittels der Zwangsgewalt des eigenen Staates zur Durchführung zu bringen.428 In ähnlicher Weise hielt sich das Landgericht Offenburg für eine Klage des französischen Departements Bas-Rhin auf Ersatz von Fürsorgeleistungen für international unzuständig, da es sich bei der Klageforderung um einen Anspruch des französischen öffentlichen Rechts handele. Auch wenn sich der Kläger durch die Klageerhebung freiwillig der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen habe, so sei es den deutschen Gerichten verwehrt, über die hoheitliche Tätigkeit ausländischer Behörden zu erkennen, da der deutsche Verfassungsgesetzgeber hierfür die deutschen Gerichte nicht eingesetzt habe.429 Schließlich verneinte auch das Bundessozialgericht seine internationale Zuständigkeit für die Klage eines niederländischen Trägers der Arbeitslosenversicherung auf Rückzahlung von zu Unrecht gewährter Arbeitslosenunterstützung, da es sich hierbei um einen ausländischen öffentlich-rechtlichen Anspruch handele.430 An diesen exemplarisch herausgegriffen Entscheidungen wird deutlich, dass der deutsche Staat kein Interesse hat, einem ausländischen Staat für die Durchsetzung seiner öffentlich-rechtlichen Forderungen Rechtsschutz zu gewähren, weil er umgekehrt auch in der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit gegenüber einem ausländischen Staat beschränkt ist. So mangelt es wegen der hoheitlichen Natur des Rechtsverhältnisses an der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn dieser von einer Privatperson vor einem deutschen Gericht aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis auf Leistung oder auf negative Feststellung verklagt wird. Spiegelbildlich kann der ausländische Staat dann auch keinen Rechtsschutz durch ein deutsches Gericht erwarten, wenn er eine öffentlich-rechtliche Forderung eintreiben will.431 Demzufolge sind deutsche Gerichte für eine Klage, mit 427  Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, S. 66; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 62; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 578. 428  KG, OLGE 20 (1910), 91 (91 f.). 429  LG Offenburg, IPRspr. 1960/61 Nr. 172, S. 550 (551). 430 BSG, IPRspr. 1983 Nr. 130, S. 349 (354). 431  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 578; Vischer, IPRax 1991, 209 (212); vgl. ferner AG Münster, IPRspr. 1994 Nr. 146, S. 333 (335); Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 107.

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der ein ausländischer Staat eine öffentlich-rechtliche Forderung geltend macht, international unzuständig.432 d. Gedanken zu einer Zuständigkeitskonzentration de lege ferenda Für Klagen, die sich gegen ausländische Staaten richten, kann prinzipiell jedes Amtsgericht oder Landgericht in Deutschland erstinstanzlich zuständig sein. In dieser Konstellation muss das angerufene Gericht die vielgestaltigen völkerrechtlichen Besonderheiten sowohl bei der Prozessgestaltung als auch bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen, will es weder die Souveränität des ausländischen Staates noch das Recht des rechtsschutzsuchenden Individuums auf Zugang zu Gericht verletzen. Da entsprechende Kenntnisse in dieser Spezialmaterie nicht erwartet werden können, sind Fehlentscheidungen vorprogrammiert. Trifft ein Gericht eine völkerrechtswidrige Entscheidung, indem es die Souveränität eines beklagten ausländischen Staates verletzt, so kann dies nicht nur zur Haftung der Bundesrepublik Deutschland433, sondern auch zu diplomatischen Verwicklungen führen. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, dass für Rechtsstreitigkeiten, an denen ausländische Staaten beteiligt sind, nur diejenigen Gerichte zuständig sind, welche die damit zusammenhängenden Fragestellungen aufgrund besonderer Fachkunde einer rechtlich vertretbaren Lösung zuführen können. Daher wäre de lege ferenda eine Zuständigkeitskonzentration für Verfahren, die Klagen gegen ausländische Staaten zum Gegenstand haben, auf einige wenige Landgerichte zu begrüßen. Eine solche Möglichkeit eröffnet § 13a GVG, indem durch Landesrecht einem Gericht für die Bezirke mehrerer Gerichte Sachen zugewiesen werden können. So könnte durch die Einrichtung von Schwerpunktgerichten und die Zuweisung der Rechtsstreitigkeiten mit ausländischen Staaten an eine spezielle Kammer die Qualität der richterlichen Verfügungen und Entscheidungen gesteigert und damit einem Völkerrechtsverstoß bzw. einer Verletzung des Rechts auf Zugang zu Gericht vorgebeugt werden.

432 BGH, NJW-RR 2006, 198 (200); BSG, IPRspr. 1983 Nr. 130, S. 349 (354); KG, OLGE 20 (1910), 91 (91 f.); LG Offenburg, IPRspr. 1960/61 Nr. 172, S. 550 (551); AG Münster, IPRspr. 1994 Nr. 146, S. 333 (334 f.); VG Düsseldorf, IPRspr. 2011 Nr. 240, S. 614 (617 ff.); Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, S. 66; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 62; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 1976; Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlichrechtlicher Ansprüche im Inland, S. 161 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 31 Rdnr. 29; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 578; Mann in: Musielak/Schurig (Hrsg.), FS Kegel, S. 365 (365 ff.); Vischer, IPRax 1991, 209 (210). 433 Siehe hierzu näher Kapitel E. I. 1. a.

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2. Partei‑ und Prozessfähigkeit eines ausländischen Staates Eine Klage, die gegen einen ausländischen Staat erhoben wird, ist nur dann zulässig, wenn er parteifähig ist und im Prozess ordnungsgemäß vertreten wird. Parteifähig ist nach § 50 Abs. 1 ZPO, wer rechtsfähig ist. Als Völkerrechtssubjekte sind ausländische Staaten bereits kraft Völkergewohnheitsrechts rechtsfähig und damit über die Öffnungsklausel des Art. 25 S. 1 GG auch nach deutschem Recht parteifähig. Daher bedarf es im Unterschied zur Bestimmung der Parteifähigkeit anderer ausländischer juristischer Personen keines Rückgriffs über Art. 7 Abs. 1 EGBGB auf sein prozessuales Heimatrecht.434 Auch ein Staat, der zwar die drei konstitutiven Elemente des Staatsbegriffs nach Jellinek erfüllt, den aber die Bundesrepublik Deutschland (noch) nicht anerkannt hat, ist parteifähig. Da die Anerkennung nach zutreffender Ansicht nur deklaratorische Bedeutung hat, ist er als Völkerrechtssubjekt rechtsfähig.435 Ausländische Staaten sind nicht selbst prozessfähig, können aber gem. § 51 Abs. 1 ZPO durch ihre Staatsorgane vor Gericht vertreten werden, soweit diese zur Vertretung befugt sind. Die Vertretungsbefugnis bestimmt sich nach dem prozessualen Heimatrecht des ausländischen Staates, zumeist also nach seinem Verfassungsorganisationsrecht, seinem Prozessrecht oder seinem sonstigen öffentlichen Recht.436 So kann beispielsweise der Außenminister437, der für das jeweilige Ressort zuständige Minister oder das Staatsoberhaupt438, der öffentliche Bundesrechtsanwalt439 oder auch die Staatsanwaltschaft440 zur Vertretung eines ausländischen Staates in einem deutschen Zivilprozess befugt sein. Einem Botschafter kommt dagegen nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) WÜD keine zivilprozessuale Vertretungsbefugnis zu. Diese Vorschrift erfasst nur die völkerrechtliche Vertretung des Entsendestaates im Empfangsstaat, nicht aber die Vertretung in einem deutschen Zivilprozess.441 434  Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 365; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 2211; vgl. für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 482 f. 435 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 565, 2211; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (190 f.); siehe auch Kapitel B. III. 1. a. 436  BGHZ 40, 197 (199); OLG Koblenz, IPRspr. 1974 Nr. 1a, S. 1 (6); Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 365; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (192). 437  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 667. 438  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (192). 439 BGHZ 40, 197 (201 f.): Vertretung der ehemaligen Föderativen Nationalen Republik Jugoslawien nach Art. 10 bzw. Art. 17 des Gesetzes über die öffentliche Rechtsanwaltschaft. 440  OLG Koblenz, IPRspr. 1974 Nr. 1a, S. 1 (6) – bestätigt durch BGH, IPRspr. 1974 Nr. 1b, S. 11 (12): Vertretung der Republik Portugal nach Art. 20 Abs. 1 der portugiesischen ZPO. 441  LG Bonn, IPRax 1987, 231 (231); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 667; Heß, RIW 1989, 254 (257). Zur Zustellung einer Klageschrift an den Botschafter siehe Kapitel C. V. 1. c.

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Das mit der Sache befasste Gericht hat nach § 56 Abs. 1 ZPO in jedem Verfahrensstadium die Vertretungsbefugnis des in der Klageschrift bezeichneten staatlichen Organs von Amts wegen zu prüfen.442 Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass ein ausländischer Staat nicht ordnungsgemäß vertreten wird, so muss das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht gem. § 139 ZPO von allen sich ihm erschließbaren Erkenntnisquellen Gebrauch machen. So kann es im Wege des Freibeweises beispielsweise durch die Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt443 oder durch ein Rechtsgutachten entsprechende Informationen erlangen. Ergibt die Prüfung von Amts wegen, dass ein anderes als das in der Klageschrift benannte Staatsorgan vertretungsbefugt ist, so hat das Gericht nach § 139 Abs. 3 ZPO darauf hinzuwirken, dass der Kläger die Benennung des staatlichen Vertreters berichtigt. Das Gericht hat auch dann die Vertretung des ausländischen Staates von Amts wegen zu prüfen, wenn der Kläger keinen Vertreter in der Klageschrift angibt. Die Angabe des zuständigen Vertretungsorgans gehört nicht zu den zwingenden Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Klageschrift nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Insbesondere handelt es sich bei § 130 Nr. 1 ZPO, nach dem vorbereitende Schriftsätze die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter enthalten sollen und auf den § 253 Abs. 4 ZPO verweist, nur um eine Ordnungsvorschrift.444 Auch soll der Kläger, der seine Unkenntnis über die Vertretungsverhältnisse zugibt, nicht schlechter stehen, als wenn er „auf gut Glück“ in der Klageschrift ein Organ des ausländischen Staates als Vertretungsberechtigten benennen würde.445 Die sich aus § 56 Abs. 1 ZPO ergebende Amtsprüfungspflicht verkannten das Amtsgericht Berlin-Mitte und das Kammergericht, das dessen Vorgehen billigte, bei der Zustellung einer Klage gegen Dänemark. So versuchte zunächst das Amtsgericht, die Klage an den dänischen Botschafter, der darin fälschlicherweise als vertretungsbefugtes Organ benannt war, zuzustellen. Als die Zustellung gescheitert war, meinte das Gericht seiner Prüfung von Amts wegen dadurch Genüge tun zu können, dass der Amtsgerichtspräsident den Klägern eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme setzte und eine beantragte Fristverlängerung nicht gewährte. Selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung übersah das Gericht, dass es die Vertretungsbefugnis von Amts wegen hätte prüfen müssen, und

442  BGHZ 40, 197 (198); Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (194 f.). 443  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (194 f.); vgl. für den schweizerischen Zivilprozess Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 487. 444  Vgl. für den deutschen Fiskus MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnr. 61 und Zöller/ Greger, ZPO, § 253 Rdnr. 8; allgemein auch Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 253 Rdnr. 17. 445 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (196 ff.).

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gab stattdessen den Klägern auf, binnen drei Wochen die Vertretungsverhältnisse anzugeben und mitzuteilen, wie und an wen die Klage zugestellt werden solle.446 Schließlich wurde die Klage dem dänischen Staat elf Monate nach Eingang bei Gericht doch noch zugestellt, nachdem die Kläger explizit die Auslandszustellung beantragt hatten. Das Kammergericht bestätigte daraufhin die Auffassung des Amtsgerichts Berlin-Mitte, dass die klageweise gegen Dänemark geltend gemachten Ansprüche aus einem Mietverhältnis verjährt seien. Die sechsmonatige Verjährungsfrist nach § 548 BGB sei nicht durch die Zustellung der Klage gehemmt worden, da die Kläger die Zustellungsverzögerungen zu vertreten hätten.447 Insbesondere wenn die Regelungen zur Vertretung eines ausländischen Staates kompliziert ausgestaltet sind, ist es möglich, dass ein an sich unzuständiges Staatsorgan durch sein Auftreten im Zivilprozess den Anschein erwecken kann, vertretungsbefugt zu sein. So trat beispielsweise der Leiter der jugoslawischen Militärmission zunächst in einem beim Landgericht Berlin gegen die ehemalige Föderative Nationale Republik Jugoslawien anhängigen Zivilprozess als deren Vertreter auf. Im Laufe des Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof trat dann der öffentliche Bundesrechtsanwalt aus Belgrad in den Rechtsstreit ein und machte geltend, der Leiter der Militärmission sei nicht vertretungsbefugt gewesen. Der Bundesgerichtshof griff zur Lösung der Vertretungsfrage auf das aus dem materiellen Zivilrecht bekannte Institut der Anscheinsvollmacht als Ausfluss des Prinzips von Treu und Glauben zurück und bejahte zutreffend dessen Anwendbarkeit auf das Prozessrecht.448 Eine Vertretungsbefugnis kann sich also auch daraus ergeben, dass ein ausländischer Staat einen zurechenbaren Anschein durch ein an sich unzuständiges Organ geschaffen hat, es sei zu seiner Vertretung in einem deutschen Zivilprozess befugt. Auf den Mangel der Vertretungsbefugnis des vermeintlichen Vertreters kann sich der ausländische Staat – vertreten durch den richtigen Vertreter  – nicht berufen, wenn er dessen Verhalten zwar nicht kannte, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Durfte der Kläger auf den dadurch entstandenen Rechtsschein vertrauen, dann muss sich der ausländische Staat so behandeln lassen, wie wenn das zuständige Organ tätig geworden wäre.449 In dem konkret zu entscheidenden Fall verneinte der Bundesgerichtshof aber die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der öffentliche Bundesrechtsanwalt das Verhalten des Leiters der Militärmission hätte erkennen und verhindern können. Der  KG, Urteil v. 23. 5. ​2005, Az. 8 U 234/04 – juris.  KG, Urteil v. 23. 5. ​2005, Az. 8 U 234/04 – juris. 448 BGHZ 40, 197 (203 f.). 449  BGHZ 40, 197 (204); Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (198 ff.); so auch für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 488 f. 446 447

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Berufung der beklagten Republik Jugoslawien auf den Mangel ihrer gesetzlichen Vertretung könne daher nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden.450

3. Rechtshängigkeitssperre durch Klage vor einem ausländischen Gericht Auch wenn sich mittlerweile fast alle Staaten zum Prinzip der relativen Staatenimmunität bekannt haben, so bestehen bei dessen Anwendung durch die jeweiligen nationalen Gerichte immer noch Unterschiede, etwa wenn es um die Qualifizierung staatlichen Handelns als actum iure imperii oder actum iure gestionis geht.451 Ein Kläger könnte deshalb versucht sein, im Wege eines forum shopping einen ausländischen Staat vor den Gerichten mehrerer Staaten parallel zu verklagen, um seine Chancen zu erhöhen, dass zumindest ein Gericht diesem keine Immunität gewährt. Damit ist die Frage nach der entgegenstehenden ausländischen Rechtshängigkeit aufgeworfen. Im Unterschied zum UN-Übereinkommen enthält das Europäische Übereinkommen zur Staatenimmunität hierfür eine Regelung. So hat nach Art. 19 Abs. 1 lit. a) EuStImm ein Gericht, vor dem ein Verfahren anhängig ist, in dem ein Vertragsstaat Partei ist, die Klage abzuweisen oder das Verfahren auszusetzen, wenn ein anderes auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen den Parteien vor einem Gericht dieses Vertragsstaates anhängig oder als erstes eingeleitet worden ist. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. b) EuStImm gilt dies auch, wenn vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates ein Verfahren anhängig ist, als erstes eingeleitet worden ist und zu einer Entscheidung führen kann, die der am Verfahren beteiligte Staat nach Art. 20 oder 25 EuStImm zu erfüllen hätte. Mit dieser Regelung sollte vermieden werden, dass ein beklagter Staat vor seinen eigenen Gerichten eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel erhebt, sich der Erfüllung einer gegen ihn ergehenden ausländischen Entscheidung zu entziehen.452 Ist hingegen ein Vertragsstaat zunächst gem. Art. 19 Abs. 1 lit. a) EuStImm vor seinen eigenen Gerichten verklagt worden, so kann er ohnehin keine Staatenimmunität beanspruchen, so dass sich die Problematik einer Erfüllungspflicht nach Art. 20 oder 25 EuStImm erst gar nicht stellt. Art. 19 Abs. 2 EuStImm gewährt den Vertragsstaaten die Möglichkeit, durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zu erklären, dass seine Gerichte an Abs. 1 nicht gebunden sind. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Abgabe einer solchen Erklärung abgelehnt, da die Wirkungen der Rechtshängigkeit ohnehin 450 BGHZ

40, 197 (206).  Siehe hierzu näher Kapitel C. I. 2. c. 452  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (35); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 15. 451

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einträten, wenn die Klage vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates erhoben worden und ein anzuerkennendes Urteil zu erwarten sei.453 Im Verhältnis zu denjenigen EU-Mitgliedstaaten, die nicht zugleich Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität sind, beurteilt sich die entgegenstehende ausländliche Rechtshängigkeit nach Art. 29 ff. EuGVVO, sofern eine Zivil‑ oder Handelssache i. S. v. Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO vorliegt. Werden bei Gerichten verschiedener EU-Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt nach Art. 29 Abs. 1 EuGVVO das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Sobald dies der Fall ist, erklärt sich nach Art. 29 Abs. 3 EuGVVO das später angerufene Gericht für unzuständig. Finden weder das EuStImm noch die EuGVVO Anwendung, so kann analog § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO während der Dauer der ausländischen Rechtshängigkeit die Streitsache von keiner Partei vor einem deutschen Gericht anhängig gemacht werden.454 Dies setzt – im Unterschied zu Art. 19 EuStImm und Art. 29 EuGVVO – eine positive Anerkennungsprognose voraus, d. h. es muss mit der Anerkennung der zu erwartenden ausländischen Entscheidung zu rechnen sein.455 Eine Anerkennung scheidet insbesondere dann aus, wenn dem beklagten Staat vor dem zuerst angerufenen ausländischen Gericht Immunität zu gewähren ist.456 Ist bereits ein rechtskräftiges Sachurteil gegen einen ausländischen Staat durch ein Gericht eines anderen Staates ergangen, so ist ein später in dieser Sache befasstes deutsches Gericht daran inhaltlich gebunden.457 Dies gilt aber ebenfalls nur dann, wenn und soweit die ausländische Entscheidung von den deutschen Gerichten anzuerkennen ist. Diese Voraussetzung verneinte der Bundesgerichtshof, als die Angehörigen der Opfer des während des Zweiten Weltkriegs im griechischen Dístomo durch deutsche Soldaten verübten Massakers die Bundesrepublik Deutschland nicht nur vor griechischen, sondern auch vor deutschen Gerichten auf Schadensersatz verklagten. Das der Klage stattgebende Versäumnisurteil des griechischen Landgerichts Livadía über das hoheitliche Handeln der Soldaten sei nicht anzuerkennen, da es mangels griechischer Gerichtsbarkeit 453  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (35); Kronke, IPRax 1991, 141 (148). 454  BGH, NJW 1964, 1626 (1626); 1986, 2195 (2195); MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnrn. 75, 77; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 833. 455 BGH, NJW 1986, 2195 (2195); Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 261 Rdnr. 5; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 840; Geimer in: Habscheid/Schwab (Hrsg.), FS Nagel, S. 36 (52). Zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die gegen einen Staat ergangenen sind, siehe näher Kapitel D. III. 3. a. 456  BGH, NJW 2003, 3488 (3488) sowie im Einzelnen Kapitel D. III. 3. a. aa. 457  Vgl. MünchKomm/Gottwald, ZPO, § 322 Rdnr. 50; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 581.

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nicht hätte ergehen dürfen. Demzufolge seien die deutschen Gerichte auch nicht inhaltlich an die Entscheidung gebunden.458

4. Erbringung einer Prozesskostensicherheit durch einen ausländischen Staat Erhebt ein ausländischer Staat Klage vor einem deutschen Zivilgericht, so hat er nach Maßgabe von § 110 Abs. 1 ZPO auf Verlangen des Beklagten eine Prozesskostensicherheit zu leisten.459 Diese Sicherheitsleistung dient der Deckung eines möglichen Kostenerstattungsanspruchs des Beklagten nach §§ 91 ff. ZPO. Im Fall der (teilweisen) Klageabweisung sollen ihm eventuell auftretende Probleme bei der Vollstreckung seines Kostenerstattungsanspruchs im Ausland erspart bleiben.460 Kommt der klagende ausländische Staat diesem Verlangen binnen der vom Gericht gesetzten Frist nicht nach, so ist nach § 113 S. 2 ZPO die Klage für zurückgenommen zu erklären. Die nicht geleistete Prozesskostensicherheit stellt damit ein nur auf Einrede des Beklagten zu berücksichtigendes Sachentscheidungshindernis dar.461 Allerdings sind nicht alle Staaten nach § 110 Abs. 1 ZPO zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet. So müssen insbesondere die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein und Norwegen) keine Sicherheit leisten. Darüber hinaus besteht auch nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine entsprechende Verpflichtung, wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann. Einen solchen völkerrechtlichen Vertrag stellt das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität mit Art. 17 S. 1 EuStImm dar. Diese speziell auf ausländische Staat zugeschnittene Regelung sollte Art. 17 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1. 3. ​1954462 ergänzen, weil danach nur den Angehörigen eines Vertragsstaates wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer bzw. wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufent-

458 BGH, NJW 2003, 3488 (3488 f.); dazu Appelbaum, HuV 2004, 190 (191); Geimer, LMK 2003, 215 (216); Stürner, IPRax 2008, 197 (198). Das BVerfG, NJW 2006, 2542 ff. nahm die daraufhin erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. 459 LG Hamburg, IPRspr. 1977 Nr. 113, S. 327 (338); Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 110 Rdnr. 9; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 194; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 634. 460 Vgl. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 110 Rdnr. 1; Zöller/Herget, ZPO, § 110 Rdnr. 2. 461  Zöller/Herget, ZPO, §  110 Rdnr.  4; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 631; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 327, 329. 462 BGBl. 1958 II, S. 577.

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halts keine Sicherheitsleistung auferlegt werden darf. Die Vertragsstaaten selbst werden vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst.463 Nach Art. 17 S. 1 EuStImm darf einem Vertragsstaat zur Sicherung der Verfahrenskosten keine Sicherheitsleistung auferlegt werden, unter welcher Bezeichnung es auch sei, die im Gerichtsstaat nicht von einem Angehörigen dieses Staates oder von einer Person verlangt werden könnte, die dort ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Damit braucht auch die Schweiz als Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität keine Prozesskostensicherheit zu erbringen. Art. 17 S. 1 EuStImm befreit einen klagenden Staat allerdings nicht von der in § 12 Abs. 1 S. 1 GKG normierten Pflicht zur Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses i.  H.  v. einer 3,0 Gebühr gem. Nr. 1210 KV GKG, da diese jeden Kläger unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit bzw. seinem (Wohn‑)Sitz trifft. Dagegen ergibt sich aus Art. 24 Abs. 2 UN-Übereinkommen bzw. aus einer korrespondierenden völkergewohnheitsrechtlichen Regel keine Befreiung ausländischer Staaten von der Pflicht gem. § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, eine Prozesskostensicherheit zu leisten. Nach dieser Bestimmung wird nur einem Staat, der beklagte Partei in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Staates ist, zur Sicherung der Verfahrenskosten keine Sicherheitsleistung auferlegt. Während diese Regelung in ihrer ersten Entwurfsfassung sowohl für klagende als auch für beklagte Staaten galt, wurden auf Bestreben der Bundesrepublik Deutschland ausländische Staaten als Kläger von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen. Diese hielt es nicht für gerechtfertigt, dass keinem Vertragsstaat als Kläger eine Prozesskostensicherheit auferlegt werden dürfe.464 Die weiteren in § 110 Abs. 2 ZPO geregelten Ausnahmen von der Leistung einer Sicherheit, etwa weil nach Nr. 3 ein klagender ausländischer Staat in Deutschland über ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen verfügt, bleiben hiervon unberührt.

V. Gerichtliche Prozessleitung Ist eine Klage gegen einen ausländischen Staat bei einem deutschen Zivilgericht anhängig, so muss es im Rahmen der Prozessleitung – angefangen bei der Zustellung der Klage bis hin zur Durchführung der mündlichen Verhandlung – stets die besondere Stellung des Beklagten als souveränes Völkerrechtssubjekt im Auge behalten. 463  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (35); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 15; für eine Anwendbarkeit auf ausländische Staaten hingegen Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 519. 464 O’Keefe/Tams/Gazzini, UNCSI, Art. 24, S. 364 f.

V. Gerichtliche Prozessleitung

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1. Zustellung der Klage und Begleitverfügungen Geht eine Klage bei Gericht ein, so wird sie üblicherweise dem Beklagten gem. § 253 Abs. 1 ZPO zugestellt und dadurch gem. § 261 Abs. 1 ZPO ihre Rechtshängigkeit begründet. Bei einer gegen einen ausländischen Staat gerichteten Klage kommt es immer wieder vor, dass das Gericht ihre Zustellung oder der beklagte Staat ihre Entgegennahme verweigert. Davon abgesehen stellt sich die Frage, auf welchem Weg und an welchen Vertreter des ausländischen Staates die Zustellung erfolgen soll. a. Klagezustellung trotz fehlender Gerichtsbarkeit Fraglich ist bereits, ob eine Klage einem ausländischen Staat auch dann zugestellt werden darf und muss, wenn ihm vor den deutschen Gerichten Immunität zukommt. Dies wird überwiegend verneint und die Zustellung nur dann als zulässig erachtet, wenn die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben sei.465 Andernfalls stehe die Staatenimmunität, die jedes gerichtliche Tätigwerden verbiete, einer Zustellung als hoheitlichem Akt entgegen. Die Zustellung einer Klageschrift, die ein hoheitliches Handeln eines beklagten Staates zum Gegenstand habe, würde diesen in seiner Souveränität verletzen.466 Teils wird eine Ausnahme von dem Zustellungsverbot befürwortet, wenn das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit nach Aktenlage zweifelhaft ist. Dann müsse die Klage dem ausländischen Staat zur Klärung dieser Zweifel zugestellt werden. Sei hingegen das Gericht bereits aufgrund der Klageschrift davon überzeugt, dass dem beklagten Staat Immunität zu gewähren sei, so müsse es von der Zustellung abgesehen.467 Die sich in dieser Begründung erschöpfende These gibt Anlass zu einer näheren Analyse, ob aus 465  MünchKomm/Stackmann, ZPO, § 216 Rdnr. 3; MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, § 271 Rdnr. 13; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 271 Rdnr. 2; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 25; Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 119 f.; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 108 ff.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 282; Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (277). Nach von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 325 dürfe das Gericht eine Klage, die sich gegen einen anderen Staat richte und ein Hoheitsakt zum Gegenstand habe, schon gar nicht annehmen. 466 Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 119; Mansel, IPRax 1987, 210 (212); Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 110; Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (277). 467 BeckOK/Bacher, ZPO, § 271 Rdnr. 4.7; MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4; Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Kap. 2 Rdnr. 32; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (208); Nagel/ Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnrn. 43 f.; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 109; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnrn. 14, 20; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 188; Mansel, IPRax 1987, 210 (212).

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dem völkerrechtlichen Prinzip der Staatenimmunität tatsächlich ein Verbot der Klagezustellung folgt. aa. Zustellungspflicht gem. § 271 Abs. 1 ZPO Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist allerdings zunächst das nationale Recht, nämlich § 271 Abs. 1 ZPO. Nach dieser zivilprozessualen Bestimmung ist die Klageschrift unverzüglich zuzustellen. Hieraus folgt nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Gerichts zur Klagezustellung.468 Nur wenige Konstellationen sind allgemein anerkannt, in denen von der Zustellung abgesehen werden darf. Dies ist der Fall, wenn der Klageschrift die Unterschrift fehlt, wenn sie eine nicht postulationsfähige Person unterzeichnet hat, wenn die Klageerhebung ersichtlich nicht ernst gemeint ist, wenn die Klage mangels hinreichender Bezeichnung oder ladungsfähiger Anschrift nicht zugestellt werden kann oder solange der nach § 12 Abs. 1 GKG fällige Prozesskostenvorschuss nicht entrichtet ist.469 Diesen Fallgruppen ist gemein, dass überhaupt keine Klageschrift, sondern allenfalls ein Klageentwurf vorliegt, die Zustellung einer Klage nicht möglich ist oder von der Zahlung des Klägers abhängt. Damit nicht vergleichbar ist die Konstellation, dass ein Gläubiger bei Gericht eine Klage gegen einen ausländischen Staat anhängig macht. In diesem Fall liegt selbst dann eine wirksame Klageschrift vor, wenn dem beklagten ausländischen Staat Immunität zukommt. Solange er in der Klageschrift hinreichend bezeichnet ist und der Kläger den Prozesskostenvorschuss entrichtet hat, kann das Gericht seiner in § 271 Abs. 1 ZPO normierten Zustellungspflicht auch nachkommen. Insbesondere hängt die Zustellung einer Klage nicht von ihren Erfolgsaussichten ab, so dass auch eine unzulässige Klage zuzustellen ist.470 In diesem frühen Verfahrensstadium kann das Gericht regelmäßig die Zulässigkeit einer Klage nicht abschließend beurteilen. Vielmehr kann sich eine anfangs vermeintlich oder tatsächlich unzulässige Klage im Verlauf eines Rechtsstreits durch ergänzenden Sachvortrag seitens des Klägers, durch rügelose Einlassung seitens des Beklagten oder durch Sachverhaltsaufklärung seitens des Gerichts als zulässig erweisen oder zulässig werden. Aber selbst wenn bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht alle Prozessvoraussetzungen, zu denen auch die deutsche Gerichtsbarkeit zählt, vorliegen, so ist sie lediglich durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Das Fehlen einer Prozessvoraus468 OLG Köln, NJW 2003, 172 (172); OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 736 (736); MünchKomm/ Becker-Eberhard, ZPO, § 271 Rdnr. 8; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO, § 271 Rdnrn. 2 f. 469  Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 271 Rdnr. 2; Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 81 ff.; ähnlich auch OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 316 (316). 470  OLG Köln, IPRax 1987, 233 (233); IPRax 1988, 301 (301); NJW 2003, 172 (172); Heß, RIW 1989, 254 (256); Mansel, IPRax 1987, 210 (212).

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setzung verhindert also nicht die Zustellung der Klageschrift, sondern lediglich den Erlass eines Sachurteils.471 bb. Völkerrechtliches Zustellungsverbot Nichtsdestotrotz könnte sich aus dem Völkerrecht ein Verbot ergeben, einem ausländischen Staat eine Klageschrift zuzustellen, wenn ihm Immunität zukommt. Art. 25 S. 1 GG verpflichtet die deutschen Gerichte, die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu beachten und das nationale Zivilprozessrecht bei einem unauflösbaren Widerspruch unangewandt zu lassen. Den völkervertraglichen Regeln zur Staatenimmunität lässt sich allerdings kein Hinweis auf eine allgemeine völkerrechtliche Regel entnehmen, welche die Zustellung einer Klage an einen ausländischen Staat verbietet, wenn ihm Immunität zukommt. So machen das Europäische Übereinkommen und das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität das Vorliegen der Gerichtsbarkeit nicht zur Voraussetzung für die Zustellung einer Klage.472 Diese enthalten zwar Regelungen zum Verfahren der Klagezustellung, bestimmen aber nicht, dass die Staatenimmunität einer Zustellung entgegensteht. So sieht Art. 16 Abs. 2 S. 1 EuStImm vor: „Die zuständigen Behörden des Gerichtsstaates übermitteln die Urschrift oder eine Abschrift des das Verfahren einleitenden Schriftstücks … auf diplomatischem Weg dem Außenministerium des beklagten Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige Behörde.“ In ähnlicher Weise beginnt Art. 22 Abs. 1 UN-Übereinkommen mit den Worten: „Die Zustellung der Klage oder eines sonstigen ein Verfahren gegen einen Staat einleitenden Schriftstücks erfolgt …“. Der jeweilige Wortlaut der Vorschriften deutet also vielmehr darauf hin, dass eine Klage einem beklagten Vertragsstaat in jedem Fall zuzustellen ist. Auch wenn sich aus den völkervertraglichen Zustellungsregeln kein Zustellungsverbot ableiten lässt, so könnte eine solches Verbot doch dem völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der relativen Staatenimmunität immanent sein. Danach darf ein Staat über einen anderen Staat nur dann seine Gerichtsbarkeit ausüben, soweit Gegenstand der Klage ein nichthoheitliches Handeln des beklagten Staates ist oder dieser auf seine Immunität verzichtet hat. Andernfalls mischt sich der Gerichtsstaat völkerrechtswidrig in seine Angelegenheiten ein und verletzt seine Souveränität.473 Diese Annahme setzt voraus, dass der Gerichtsstaat mit der Zustellung einer Klageschrift überhaupt die Souveränität des beklagten Staates tangiert. 471  MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, § 271 Rdnr. 15; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, § 271 Rdnr. 31; Zöller/Greger, ZPO, § 271 Rdnr. 6. 472  So auch Damian, Staatenimmunität und Gesichtszwang, S. 88; Mann, NJW 1990, 618 (619). 473 Siehe bereits Kapitel B. I. 1.

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Nach der Legaldefinition des § 166 Abs. 1 ZPO ist die Zustellung die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person nach der in §§ 166 ff. ZPO bestimmten Form. Der Zustellungsadressat soll  – neben dem Nachweis des Zugangs und dessen Zeitpunkts – von dem zuzustellenden Schriftstück Kenntnis erhalten.474 Die Zustellung einer Klageschrift gewährt also einem ausländischen Staat die Möglichkeit, von ihrer Existenz Kenntnis zu nehmen und sich darüber zu informieren, welche Ansprüche der Kläger ihm gegenüber geltend macht und auf welchen Sachverhalt er diese Ansprüche stützt. Daher mangelt es der Zustellung, auch wenn sie ein Hoheitsakt ist,475 am Eingriffsgehalt.476 Sie verpflichtet einen ausländischen Staat zu keinem Tun, Dulden oder Unterlassen, auch nicht zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft oder zur Klageerwiderung. Vielmehr eröffnet sie ihm die Wahl, ob und ggf. wie er auf die Klage reagieren will. Erst nach Erhalt der Klageschrift kann er entscheiden, ob er darauf nicht reagiert, sich auf seine Immunität beruft oder sich dennoch zur Sache einlässt, um den Rechtsstreit durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich oder durch ein Sachurteil endgültig und verbindlich beizulegen.477 Selbst wenn der ausländische Staat untätig bleibt, entsteht ihm kein Nachteil, da das Gericht die Klage wegen fehlender deutscher Gerichtsbarkeit als unzulässig abweisen muss.478 Demzufolge verletzt es nicht seine Souveränität, indem es ihm den Inhalt der Klageschrift bekannt gibt.479 Vielmehr geht auch das Völkerrecht davon aus, dass einem ausländischen Staat eine Klage stets zuzustellen ist. So kann dieser gem. Art. 2 lit. a), 3 Abs. 1 S. 1 EuStImm und gem. Art. 7 Abs. 1 lit.  c), 8 Abs. 1 S. 1 lit. b) UN-Übereinkommen bzw. kraft Völkergewohnheitsrechts nach Entstehen einer Streitigkeit ausdrücklich oder durch rügelose Einlassung auf seine Immunität verzichten. Diese Option kann er aber nur dann wahrnehmen, wenn er von der Klageschrift Kenntnis erhält und mit der Zustellung ein Prozessrechtsverhältnis begründet wird. Ist also völkerrechtlich allgemein anerkannt, dass ein ausländischer Staat im Prozess auf seine Immunität verzichten kann, so darf im Umkehrschluss 474  BeckOK/Dörndorfer, ZPO, §  166 Rdnr.  1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, §  166 Rdnr. 1a; Heß, RIW 1989, 254 (256). 475 Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 126; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (207); Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 25 Rdnr. 2. 476 LG Hamburg, NJW 1986, 3034 (3034); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 89; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 666. 477  Ähnlich auch Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 69 f.; Hess, RIW 1989, 254 (256). 478  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 89; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 487. 479  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 667; vgl. auch Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 104 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 487.

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ein deutsches Gericht ihm diese Möglichkeit nicht nehmen, indem es von der Zustellung der Klage absieht.480 Daher verbietet das Völkerrecht keine Klagezustellung, sondern es gebietet sie auch dann, wenn die Klage ein hoheitliches Handeln eines ausländischen Staates zum Gegenstand hat.481 Die Zustellung einer Klage an einen ausländischen Staat steht also nicht zur Disposition eines deutschen Gerichts. Es sollte sich auch nicht in Spekulationen darüber verfangen, ob dieser auf seine Immunität verzichten wird. Derartige Vermutungen stellte hingegen das Oberlandesgericht München an, als es sich weigerte, einen Termin zur mündlichen Verhandlung gegenüber der Volksrepublik Polen für eine Klage anzuberaumen, mit welcher der Kläger Schadensersatzansprüche wegen der entschädigungslosen Enteignung von Grundbesitz seines Rechtsvorgängers in Niederschlesien und in der Niederlausitz geltend machte. Nach Auffassung des Gerichts ist es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten, dass sich Polen freiwillig der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen werde.482 In seiner Entscheidung führte das Gericht nicht weiter aus, worauf es diese Wahrscheinlichkeit stützte. Ohne fundierte und gesicherte Tatsachengrundlage kann ein deutsches Gericht aber nur schwerlich prognostizieren, ob ein beklagter ausländischer Staat auf seine Immunität verzichten wird. Eine solche Entscheidung kann von vielen, insbesondere politischen oder wirtschaftlichen Erwägungen abhängen, die ein deutsches Gericht kaum vorhersehen kann.483 Ebenso wie es möglich ist, dass eine beklagte Privatperson erst nach Erhalt einer Klageschrift einen Anspruch anerkennt oder einen gerichtlichen Vergleich schließt, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein ausländischer Staat auf einen Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht einlässt, um diesen rechtsverbindlich und endgültig klären zu lassen.484 Die Entscheidung über einen Immunitätsverzicht muss dem beklagten Staat überlassen bleiben. Auch wenn das angerufene deutsche Gericht es für unwahrscheinlich hält, dass er auf seine Immunität verzichten wird, so befreit diese Annahme es nicht von seiner Pflicht, die Klage dem ausländischen Staat zuzustellen. cc. Zustellung im Lichte des Rechts auf Zugang zu Gericht und des Mündlichkeitsgrundsatzes Kommt ein deutsches Gericht seiner in § 271 Abs. 1 ZPO normierten Pflicht zur Klagezustellung nicht nach, obwohl das Völkerrecht es davon nicht entbindet, 480 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 89; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 479, 486; Heß, RIW 1989, 254 (255). 481  Vgl. auch EGMR, NLMR 4/2012, 1 (3) – Wallishauser v. Österreich; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 486. 482  OLG München, NJW 1975, 2144 (2145). 483  Mann, NJW 1990, 618 (618 f.). 484 So auch OGH, ÖJZ 2016, 164 (166).

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so nimmt es dem beklagten ausländischen Staat nicht nur die Möglichkeit, sich durch einen Immunitätsverzicht auf den Zivilprozess einzulassen. Vor allem verletzt es dadurch auch das in Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG und in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verbürgte Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht, das die Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche und durchsetzbare gerichtliche Entscheidung erfasst485. Eine Verhandlung zur und eine Entscheidung in der Sache ist aber nur dann möglich, wenn das angerufene Zivilgericht dem Kläger nicht von vornherein die Chance nimmt, dass sich der beklagte ausländische Staat durch einen Immunitätsverzicht auf die Klage einlässt. Hierzu ist unabdingbare Voraussetzung, dass das Gericht dem ausländischen Staat die Klage zustellt, um ihre Rechtshängigkeit gem. § 261 Abs. 1 ZPO und damit ein Prozessrechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem zu begründen. Erst dann erhält der ausländische Staat vom Inhalt der Klageschrift Kenntnis und kann sich entscheiden, ob er sich durch einen ausdrücklichen Immunitätsverzicht oder rügelos zur Sache einlässt. Weigert sich das angerufene Gericht aus prozessökonomischen Gründen oder aus unbegründeter Sorge vor einem Völkerrechtsverstoß, dem ausländischen Staat die Klage zuzustellen, so nimmt es dem Kläger diese Chance und verletzt damit sein Recht auf Zugang zu Gericht.486 Ebenso wenig darf das Gericht dem Kläger die Möglichkeit nehmen, mit ihm in einer mündlichen Verhandlung persönlich die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen zu erörtern, aufgrund derer dem ausländischen Staat möglicherweise doch keine Immunität zukommt. Dies gebietet der in § 128 Abs. 1 ZPO verankerte Mündlichkeitsgrundsatz, nach dem die Parteien mündlich vor dem erkennenden Gericht verhandeln. Oftmals kann die Sach‑ und Rechtslage erst oder jedenfalls besser in der mündlichen Verhandlung im Wege von Frage und Antwort sowie Rede und Gegenrede geklärt werden.487 Stellt das Gericht dem beklagten Staat bereits die Klage nicht zu, so kann es das Verfahren auch nicht weiter betreiben und als nächsten Schritt einen frühen ersten Termin anberaumen oder ein schriftliches Vorverfahren mit einem anschließenden Termin zur mündlichen Verhandlung anordnen. Aber auch ein mündlicher Erörterungstermin vor der Klagezustellung nur zwischen Gericht und Kläger ist der Zivilprozessordnung fremd. Er wäre auch mit dem Grundsatz der Unparteilichkeit des Gerichts und dem Recht des ausländischen Staates auf rechtliches Gehör  Siehe näher Kapitel B. IV. 2. a., b. auch Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 390; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 486. Ebenso ist eine Klage auch bei fehlender internationaler Zuständigkeit zuzustellen, da diese im Nachhinein durch rügelose Einlassung begründet werden kann, vgl. OLG Köln, NJW 2003, 172 (172). 487  BeckOK/Jaspersen, ZPO, § 216 Rdnr. 1; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rdnr. 45; Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 37. 485

486 So

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nicht vereinbar, käme das Gericht daraufhin doch zu dem Schluss, dass die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist. dd. Ergebnis Damit verbleibt es bei der Regel des § 271 Abs. 1 ZPO, nach der ein deutsches Gericht eine Klage einem beklagten ausländischen Staat auch dann zustellen muss, wenn die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben oder zweifelhaft ist.488 Der ausländische Staat kann sich daraufhin zur Sache einlassen und zugleich auf seine Immunität verzichten, nicht auf die Klage erwidern oder auch nur die fehlende deutsche Gerichtsbarkeit rügen. Sofern er nicht auf seine Immunität verzichtet, darf das Gericht die Klage erst nach der mündlichen Verhandlung, in der es mit den Parteien oder – wenn kein Vertreter des ausländischen Staates erscheint – nur mit dem Kläger die deutsche Gerichtsbarkeit erörtert, abweisen. Durch diese Vorgehensweise erhält der ausländische Staat die Möglichkeit, den Rechtsstreit verbindlich klären zu lassen. Zugleich sind das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht und der zivilprozessuale Mündlichkeitsgrundsatz gewahrt. b. Zustellung der Klage auf diplomatischem Weg Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, nach welchen Regeln und auf welche Art und Weise einem ausländischen Staat eine Klage zugestellt wird. § 183 Abs. 1 S. 1 ZPO verweist für die Zustellung einer Klageschrift im Ausland auf die bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität enthält eine spezielle Regelung, wenn eine Klageschrift einem Vertragsstaat zugestellt werden soll. So übermitteln nach Art. 16 Abs. 2 S. 1 EuStImm die zuständigen Behörden des Gerichtsstaates die Urschrift oder eine Abschrift des das Verfahren einleitenden Schriftstücks auf diplomatischem Weg dem Außenministerium des beklagten Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige Behörde. Der Klageschrift ist nach Art. 16 Abs. 2 S. 2 EuStImm erforderlichenfalls eine Übersetzung in die Amtssprache oder in eine der Amtssprachen des beklagten Staates beizufügen. Nach Art. 16 Abs. 3 EuStImm gilt die Zustellung der Klageschrift mit ihrem Eingang beim Außenministerium als bewirkt. Art. 22 Abs. 1 UN-Übereinkommen sieht hingegen ein abgestuftes System der Klagezustellung vor. Vorrangig richtet sich diese nach den für den Gerichtsstaat 488 So auch Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 216 Rdnr. 5; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 89 f; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 69 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 480; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 389 f.; ders., RIW 1989, 254 (256); so auch für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 514 f.

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und den beklagten Staat bindenden völkerrechtlichen Übereinkünften (lit. a) oder nach einer speziellen Zustellungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem betreffenden Staat, sofern diese nicht nach dem Recht des Gerichtsstaates ausgeschlossen ist (lit. b). Andernfalls erfolgt die Zustellung parallel zu Art. 16 Abs. 2 S. 1 EuStImm durch Übermittlung der Klageschrift auf diplomatischem Weg an das Außenministerium des ausländischen Staates oder auf anderem Weg, der von dem beklagten Staat anerkannt und nicht durch das Recht des Gerichtsstaates ausgeschlossen ist (lit. c). Wird die Klage auf diplomatischem Weg zugestellt, so gilt sie ebenfalls nach Art. 22 Abs. 2 UN-Übereinkommen mit dem Eingang beim Außenministerium als bewirkt. Auch nach Art. 22 Abs. 3 UNÜbereinkommen ist der Klageschrift eine Übersetzung in die Amtssprache oder in eine der Amtssprachen des betreffenden Staates beizufügen. Da die Bundesrepublik Deutschland aber dem UN-Übereinkommen bislang nicht beigetreten ist, bestimmt sich die Zustellung einer Klageschrift außerhalb des Anwendungsbereichs des EuStImm gegenüber einem EU-Mitgliedstaat nach § 183 Abs. 5 ZPO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13. 11. ​ 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil‑ oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten489 (EuZVO). Außerhalb des Anwendungsbereichs des EuStImm und der EuZVO richtet sich die Zustellung der Klageschrift zumeist nach dem Haager Übereinkommen vom 15. 11. ​1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil‑ oder Handelssachen490 (HZÜ), sofern der beklagte Staat wie beispielsweise Argentinien, China oder die USA ihm beigetreten ist. Das Haager Übereinkommen vom 1. 3. ​1954 über den Zivilprozeß491 (HZPÜ) findet dagegen nur noch im Verhältnis zu wenigen Staaten Anwendung. Der ausländische Staat tritt bei der Zustellung nach diesen Regelungswerken in einer Doppelrolle auf – als ein um Rechtshilfe ersuchter Hoheitsträger und zugleich als Beklagter.492 Nach Art. 1 Abs. 1 EuZVO findet – parallel zu Art. 1 Abs. 1 EuGVVO493 – die Verordnung allerdings nur auf Zivil‑ oder Handelssachen Anwendung. 489  ABl. EU Nr. L 324, S. 79. Die EuZVO gilt für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreichs Dänemark, das aber in dem Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil‑ oder Handelssachen v. 19. 10. ​2005 (ABl. EU Nr. L 300, S. 55) erklärt hat, die Vorschriften der EuZVO umzusetzen. 490 BGBl. 1977 II, S. 1453. 491  BGBl. 1958 II, S. 577. Derzeit kann eine bei einem deutschen Gericht anhängige Klage nach dem HZPÜ nur nach Kirgisistan, in den Libanon, in die Mongolei, nach Suriname, nach Usbekistan und in die Vatikanstadt zugestellt werden. Zu den Vertragsstaaten des HZÜ und des HZPÜ: Justizportal Nordrhein-Westfalen, http://www.ir-online.nrw.de/landliste.jsp (28. 2. ​ 2017). 492 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 655; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (209). 493  EuGH, EuZW 2015, 633 (636)  – Fahnenbrock; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, Art. 1 EuZVO Rdnr. 1.

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Insbesondere Steuer‑ und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte werden nicht erfasst. Bei der Bestimmung des autonom auszulegenden Begriffs der Zivil‑ oder Handelssache greift der Europäische Gerichtshof auf die aus dem Recht der Staatenimmunität bekannte Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis zurück. Die Rechtsbeziehungen zwischen Kläger und beklagten Staat dürften nicht offenkundig durch einen Ausdruck hoheitlicher Befugnisse geprägt sein, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Rechtsregeln abwichen. Demzufolge stellen Rechtsstreitigkeiten, die ein hoheitliches Handeln eines ausländischen Staates zum Gegenstand haben und damit nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterliegen, keine Zivil‑ oder Handelssachen dar.494 Ebenso ist nach Art. 1 Abs. 1 HZÜ und nach Art. 1 S. 1 HZPÜ der jeweilige sachliche Anwendungsbereich der Übereinkommen nur dann eröffnet, wenn die Klage eine Zivil‑ oder Handelssache zum Gegenstand hat. Auch wenn keine Zivil‑ oder Handelssache vorliegt, darf das Gericht nicht von der Klagezustellung absehen, da die Regelungswerke zur Klagezustellung nur das Wie und nicht das Ob einer Auslandszustellung regeln.495 Um das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht zu gewährleisten, bleibt es nach § 271 Abs. 1 ZPO zur Zustellung der Klageschrift verpflichtet, da der ausländische Staat ausdrücklich oder durch rügelose Einlassung auf seine Immunität verzichten kann.496 Scheidet daher die Zustellung einer Klage, die eine hoheitliche Tätigkeit eines ausländischen Staates zum Gegenstand hat, nach der EuGVVO, dem HZÜ oder dem HZPÜ aus, so richtet sie sich nach § 183 Abs. 2 ZPO. Danach kann eine Klage durch die zuständige diplomatische Vertretung des Bundes zugestellt werden. Nichtsdestotrotz lehnte das Bundesamt für Justiz das Ersuchen des Landgerichts Wiesbaden um Zustellung zweier gegen den griechischen Staat gerichteter Klagen ab, da es Zweifel hegte, ob die zu Grunde liegenden Rechtsstreitigkeiten als Zivil‑ oder Handelssachen i. S. v. Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuZVO einzustufen seien. Daraufhin legte das Landgericht Wiesbaden dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV die Frage vor, ob es sich bei einer Klage, mit der ein Erwerber von Staatsanleihen Vertragserfüllung, Schadensersatz oder Entschädigung wegen Besitz‑ und Eigentumsstörung gegen den emittierenden Staat wegen eines Zwangsumtausches geltend macht, um eine Zivil‑ oder Handelssache i. S. v. Art. 1

494  EuGH, EuZW 2015, 633 (636) – Fahnenbrock; zum Begriff der Zivil‑ und Handelssache nach Art. 1 Abs. 1 EuGVVO siehe Kapitel C. IV. 1. a. 495  Musielak/Voit/Stadler, ZPO, Art. 1 EuZVO Rdnr. 3; Zöller/Geimer, ZPO, § 183 Rdnr. 20. 496 Siehe bereits ausführlich Kapitel C. V. 1. a.

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Abs. 1 EuZVO handelt.497 Kurz danach ersuchte auch das Landgericht Kiel den Europäischen Gerichtshof in dieser Frage um Vorabentscheidung, nachdem das Bundesministerium für Justiz sein Ersuchen um Klagezustellung auf diplomatischem Weg unerledigt zurückgesandt hatte.498 Während der Generalanwalt die Vorlagefrage noch verneinte,499 hielt der Europäische Gerichtshof die Verordnung zu Recht für anwendbar. Hierbei ließ er es vor dem Hintergrund des im zweiten Erwägungsgrund formulierten Ziels, die Übermittlung von Schriftstücken zu verbessern und zu beschleunigen, genügen, dass eine solche Klage nicht offenkundig keine Zivil‑ oder Handelssache sei. Da sich die Abgrenzung der Zivil‑ oder Handelssachen von Rechtsstreitigkeiten über die Ausübung hoheitlicher Rechte als komplexer Vorgang erweisen könne, müsse sich das angerufene Gericht auf eine erste Prüfung der ihm vorliegenden Informationen beschränken.500 Nicht nur nach § 183 Abs. 2 ZPO, sondern auch nach Art. 12 EuZVO kann in Ausnahmefällen eine Klage auf diplomatischem Weg zugestellt werden. Entsprechendes gilt nach Art. 9 Abs. 2 HZÜ, wenn außergewöhnliche Umstände dies erfordern. Ein solch besonderer Grund für die Zustellung auf diplomatischem Weg besteht dann, wenn sich die Klage gegen einen ausländischen Staat als souveränes und gleichwertiges Völkerrechtssubjekt richtet. In diesem Fall kann der mit der Klageschrift eingeleitete Zivilprozess die außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland berühren. Aus diesem Grund wird eine Klage einem ausländischen Staat in der Regel auf diplomatischem Weg zugestellt.501 So bestimmt auch § 54 Abs. 2 der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen vom 19. 10. ​ 1956502 (ZRHO), die als von Bund und Ländern erlassene Verwaltungsvorschrift 497  LG Wiesbaden, Vorlage v. 18. 4. ​2013, Az. 2 O 236/12  – juris. Das LG Neuruppin, Beschluss v. 16. 4. ​2014, Az. 5 O 25/14 – juris setzte einen entsprechenden Rechtsstreit bereits vor Klagezustellung analog § 148 ZPO aus, um die Entscheidung des EuGH abzuwarten. Dagegen stellte das LG Konstanz, Urteil v. 19. 11. ​2013, Az. 2 O 132/13 B, 2 O 132/13 – juris Griechenland nach Erlass eines Mahnbescheids eine entsprechende Anspruchsbegründung zu und das LG Frankfurt, BeckRS 2015, 13104 stellte Griechenland eine entsprechende Klage zu. 498  LG Kiel, Vorlage v. 25. 10. ​2013, Az. 12 O 423/12 (unveröffentlicht); dazu Knöfel, RIW 2015, 503 (503). 499 Schlussanträge des Generalsanwalts Bot v. 9. 12. ​2014, Az. C-226/13 – juris (Fahnenbrock). 500  EuGH, EuZW 1015, 633 (635) – Fahnenbrock m. Anm. Knöfel, RIW 2015, 503 f.; Mankowski, EWiR 2015, 495 f.; Schinkels, LMK 2015, 371692 und Wagner, EuZW 2015, 636 f.; zur deutschen Gerichtsbarkeit für eine Klage wegen des Zwangsumtausches griechischer Staatsanleihen siehe bereits Kapitel C. I. 2. d. 501  MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4; Zöller/Geimer, ZPO, § 183 Rdnr. 1c; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 126; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 656, 2144; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 33; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 111, 119; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321); vgl. allgemein auch Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 12. 502  Die Neufassung vom 28. 10. ​2011 ist abrufbar unter Bundesamt für Justiz, https://www. bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/IRZH/ZRHO.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (28. 2. ​2017).

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den Rechtshilfeverkehr der deutschen Justizbehörden mit dem Ausland regelt, dass eine Klage einem fremden Staat auf diplomatischem Weg zuzustellen ist. Dieser Zustellungsweg hinterlässt am wenigsten den Eindruck, mit der Zustellung der Klageschrift sollten deutsche Hoheitsrechte über den beklagten ausländischen Staat ausgeübt werden.503 Hierzu richtet der Vorsitzende des Gerichts zunächst ein Zustellungsersuchen an die gerichtsinterne Prüfstelle i. S. v. § 9 Abs. 2 ZRHO, welche den Antrag auf Zustellung der Klage an einen ausländischen Staat nach § 54 Abs. 1 ZRHO über die Landesjustizverwaltung dem Bundesamt für Justiz vorlegt. In einer dem Zustellungsantrag nach § 54 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZRHO beizufügenden Denkschrift hat das Gericht nach § 25 S. 1 ZRHO die Sach‑ und Rechtslage ausführlich darzustellen; dies erfasst auch Ausführungen zur deutschen Gerichtsbarkeit.504 Das Bundesamt für Justiz leitet dann die Klageschrift dem Auswärtigen Amt zu, das nach § 54 Abs. 2 S. 3 ZRHO die Zustellung veranlasst, wenn keine auswärtigen Interessen entgegenstehen. Das Auswärtige Amt leitet wiederum die Klageschrift per Kurier an die deutsche Botschaft im ausländischen Staat weiter, die sie anschließend dem dortigen Außenministerium übermittelt. Dieses leitet schließlich die Klage an die vertretungsbefugte Behörde des ausländischen Staates weiter. Nach Art. 16 Abs. 3 EuStImm und Art. 22 Abs. 3 UN-Übereinkommen, die Ausdruck einer allgemeinen völkerrechtlichen Regel sind, gilt eine Klage als zugestellt, sobald sie beim Außenministerium des ausländischen Staates eingeht. Es kommt daher nicht darauf an, ob oder wann das Außenministerium die Klage an die vertretungsbefugte Behörde weiterleitet. Die deutsche Auslandsvertretung stellt schließlich nach § 183 Abs. 4 S. 2 ZPO ein Zeugnis aus, auf dem sie den Zustellungszeitpunkt vermerkt.505 Fehler bei der Zustellung einer Klageschrift führen nicht zwingend zur Unwirksamkeit, sondern können geheilt werden. So gilt nach Art. 16 Abs. 6 EuStImm die Beteiligung eines Vertragsstaates am Verfahren als Verzicht auf alle Einwendungen gegen die Art der Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks. In ähnlicher Weise kann ein Vertragsstaat nach Art. 22 Abs. 4 UNÜbereinkommen keine Zustellungsfehler mehr geltend machen, sobald er sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren zur Hauptsache einlässt. Aber auch nach § 189 ZPO werden Zustellungsmängel geheilt, wenn die Klageschrift dem ausländischen Staat tatsächlich zugeht.

503 Habscheid

in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 ( 210).  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 649; Heß, RIW 1989, 254 (258). 505  Vgl. zum Zustellungsprozedere auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 649 ff.; Heß, RIW 1989, 254 (258). 504

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c. Zustellung der Klage im Inland Die Auslandszustellung auf diplomatischem Weg ist zeitintensiv.506 Abhängig vom beklagten Staat dauert sie nicht selten ein Jahr oder länger. Aus diesem Grund wird seitens der Klagepartei immer wieder beantragt, die Klageschrift im Wege der Inlandszustellung dem Botschafter des ausländischen Staates zuzustellen.507 So verlangte beispielsweise der Kläger, der Schadensersatzansprüche gegen die damalige Sowjetunion wegen der Verstrahlung seiner Gartenanlage infolge des Kernreaktorunfalls in Tschernobyl geltend machte, dass seine Klageschrift dem sowjetischen Botschafter in Bonn zugestellt wird.508 Bei der Inlandszustellung ist die Klage nach § 170 Abs. 1 S. 1 ZPO dem gesetzlichen Vertreter, also dem vertretungsbefugten Organ des beklagten Staates, zuzustellen.509 Dem Botschafter könnte eine Klage also nur dann wirksam zugestellt werden, wenn er gesetzlicher Vertreter des ausländischen Staates wäre. Zwar zählt nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) WÜD die Vertretung des Entsendestaates im Empfangsstaat zu den Aufgaben einer diplomatischen Mission. Allerdings erfasst diese Regelung nur dessen völkerrechtliche, nicht aber dessen zivilprozessuale Vertretung.510 Die Vertretung des Entsendestaates in einem deutschen Zivilprozess gehört nicht zu den gewöhnlichen Aufgaben einer diplomatischen Mission, so dass deren Chef ohne eine Bevollmächtigung i. S. v. § 171 ZPO nicht befugt ist, eine Klageschrift für den beklagten ausländischen Staat in Empfang zu nehmen.511 Aus diesem Grund bestätigte das Landgericht Bonn im TschernobylVerfahren zu Recht den Beschluss des Amtsgerichts Bonn, das sich als erstinstanzliches Gericht geweigert hatte, dem Antrag des klagenden Kleingärtners nachzukommen und dem sowjetischen Botschafter in Deutschland die Klage zuzustellen.512 Darüber hinaus genießt der Botschafter nach Art. 31 Abs. 1 Hs. 1 WÜD diplomatische Immunität, was die Zustellung einer Klageschrift als hoheitlichen Akt ausschließt.513 Da die diplomatische Immunität nicht nur ein Reflex der Staatenimmunität ist, sondern den Chef der diplomatischen Mission persönlich 506 So

auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 677. KG, Urteil v. 23. 5. ​2005, Az. 8 U 234/04 – juris; Heß, RIW 1989, 254 (257). 508  LG Bonn, IPRax 1987, 231 (231). 509  Zur Vertretungsbefugnis siehe bereits Kapitel C. IV. 2. 510 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 91; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 126; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 1120; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 667; Heß, RIW 1989, 254 (257); Mansel, IPRax 1987, 210 (211). 511  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 91; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 654; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 120. 512 LG Bonn, IPRax 1987, 231 (231). 513  Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 126; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 667; Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (401); Heß, RIW 1989, 254 (257); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984). 507 Vgl.

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schützt, steht sie einer Zustellung auch dann entgegen, wenn dem beklagten Staat für das Zivilverfahren keine Immunität zukommt.514 Auch § 54 Abs. 3 ZRHO stellt klar, dass eine Klage ohne Einschaltung des deutschen Außenministeriums nicht unmittelbar der diplomatischen Vertretung des ausländischen Staates in Deutschland zugestellt werden darf. Da bereits die Zustellung an den Chef der diplomatischen Mission unzulässig ist, verbietet sich im Erst-recht-Schluss eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO an das Personal der diplomatischen Mission. Ebenso wenig ist eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO dadurch zulässig, dass ein Postbediensteter die Klageschrift in den Briefkasten der Botschaft einlegt.515 Sämtliche Formen der Ersatzzustellung setzen voraus, dass die Klageschrift dem Botschafter zugestellt werden könnte, er aber nicht angetroffen wird. Eine Klageschrift kann daher auch nicht nach § 179 S. 1 ZPO in den Räumlichkeiten der Botschaft zurückgelassen werden, wenn der Botschafter oder das Botschaftspersonal ihre Annahme verweigert. Außerdem setzt diese Zustellung eine unberechtigte Verweigerung voraus; die diplomatische Immunität berechtigt sie aber zur Annahmeverweigerung.516 Darüber hinaus würde die Zustellung die durch Art. 22 Abs. 1 WÜD gewährleistete Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten der diplomatischen Mission tangieren.517 Im Wege der Inlandszustellung kann eine Klage zwar nicht dem Botschafter, wohl aber nach § 171 ZPO einem Bevollmächtigten oder nach § 172 ZPO einem Prozessbevollmächtigten zugestellt werden.518 Ein ausländischer Staat bestellt jedoch in der Regel von sich aus keinen Zustellungsbevollmächtigten, bevor er nicht durch die Zustellung der Klage von ihrer Existenz in Kenntnis gesetzt wird. Aus diesem Grund kann es sich für die Klagepartei als sinnvoll erweisen, bereits bei Vertragsschluss mit einem ausländischen Staat zu vereinbaren, dass eine eventuelle Klage einem inländischen Zustellungsbevollmächtigten zugestellt wird.519 So stellt Art. 22 Abs. 1 lit. b) UN-Übereinkommen klar, dass eine Vereinbarung zwischen Kläger und beklagtem Staat Vorrang vor der Übermittlung der Kla514 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (212); Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (401); Mansel, IPRax 1987, 210 (211); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984). 515  MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 94 f. 516  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (212); im Ergebnis auch Dahlhoff, BB 1997, 321 (321). 517 Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 12; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 415. 518  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (208 f.); zum Bevollmächtigten nach § 171 ZPO vgl. auch Daub/Eckstein/Schimang, NZA 2014, 397 (401). 519  Von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984); für den Abschluss eines Mietvertrags mit einem ausländischen Staat vgl. auch Buch, NZM 2000, 367 (367).

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geschrift auf diplomatischem Weg hat. Die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten, der seinen Wohn‑ bzw. Kanzleisitz in Deutschland hat, ermöglicht eine – im Unterschied zur andernfalls vorzunehmenden Auslandszustellung – zumeist unkomplizierte und zügige Inlandszustellung. Die Benennung eines Botschafters als Zustellungsbevollmächtigten ist dabei generell möglich, setzt aber voraus, dass der Entsendestaat zusätzlich nach Art. 32 Abs. 1, 2 WÜD auf dessen diplomatische Immunität explizit verzichtet.520 d. Annahmeverweigerung des ausländischen Staates Vor allem die Auslandszustellung einer Klage an einen ausländischen Staat kann zu Schwierigkeiten führen, da dieser sich in einer Doppelrolle befindet. Zum einen soll er als ersuchter Hoheitsträger Rechtshilfe leisten, zum anderen ist er Adressat der übermittelten Klageschrift.521 Damit liegt die Möglichkeit nicht fern, dass er durch die Verweigerung der Rechtshilfe eine Verurteilung bereits im Stadium der Klagezustellung zu verhindern versucht. So weigerte sich beispielsweise das russische Außenministerium im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, den der deutsche Investor Franz Sedelmayer vor einem internationalen Schiedsgericht in Stockholm gegen die Russische Föderation erwirkt hatte, dem Kammergericht im Wege der Rechtshilfe einen Zustellungsnachweis zuzuleiten.522 Umgekehrt verweigerte auch das deutsche Auswärtige Amt die Annahme einer der Bundesrepublik Deutschland auf diplomatischem Weg durch den Sąd Najwyższy als Obersten Gerichtshof Polens übersandten Klageschrift, mit der ein polnischer Staatsbürger eine Million Złoty als Entschädigung für Verletzungen verlangte, die ihm im ostpolnischen Dorf Szczecyn durch ein von der deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs verübtes Massaker zugefügt wurden. Der Sąd Najwyższy hielt jedoch die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Klageschrift für ausreichend, um die beklagte Bundesrepublik Deutschland über das Verfahren zu informieren und ihre Verteidigungsmöglichkeit zu wahren.523 Verweigert ein ausländischer Staat die Annahme einer bei einem deutschen Gericht anhängigen Klage, so könnte diese nach § 179 S. 3 ZPO als zugestellt gelten. Dies setzt nach § 179 S. 1 ZPO voraus, dass er als Beklagter ihre Annahme unberechtigt verweigert. Soll eine Klage einem ausländischen Staat im 520  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (208, 211); Mansel, IPRax 1987, 210 (211); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2984). 521  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 93; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 126 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 655; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (209 f.). 522  KG, NJOZ 2001, 727 (728 ff.). 523  Sąd Najwyższy, Urteil v. 29. 10. ​2010, Az. IV CSK 465/09, auszugsweise abgedruckt in IPRax 2011, 569 f.; dazu Nowosielski, PYIL 2010, 263 (263 ff.); Stürner, IPRax 2011, 600 (601).

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Wege der Auslandszustellung zugestellt werden und verweigert er ihre Empfangnahme, so lehnt er als ersuchter Hoheitsträger die Gewährung internationaler Rechtshilfe ab.524 Die Weigerung zur internationalen Rechtshilfe kann berechtigt sein. So gesteht etwa Art. 13 Abs. 1 HZÜ einem ersuchten Vertragsstaat zu, die Erledigung eines Zustellungsantrags abzulehnen, wenn er sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Davon abgesehen kennt das allgemeine Völkerrecht keine Pflicht eines ersuchten Staates, am Zustellungsverfahren mitzuwirken.525 Eine Zustellungsfiktion nach § 179 ZPO ist daher nur möglich, wenn der Zustellungsbevollmächtigte eines beklagten Staates im Inland die Annahme der Klageschrift verweigern sollte. Es bleibt noch die Möglichkeit der öffentlichen Klagezustellung gem. §§ 185 ff. ZPO als eine Form der Inlandszustellung. Auch wenn das EuStImm, die EuZVO, das HZÜ und das HZPÜ diese Option nicht vorsehen, so kann eine Klage auch dann öffentlich zugestellt werden, wenn der Anwendungsbereich des jeweiligen Regelungswerks eröffnet ist. Diese enthalten keine abschließenden Regeln über die Zustellungsmöglichkeiten, sondern lassen die Inlandszustellung unberührt. Andernfalls hätte es der um Rechtshilfe ersuchte und zugleich beklagte Staat in der Hand, ob er sich durch die Entgegennahme der Klageschrift der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen will. Dadurch käme ihm de facto uneingeschränkte Staatenimmunität zu, obwohl sich im Völkerrecht längst ein Wandel hin zum Grundsatz der relativen Staatenimmunität vollzogen hat. Nicht zuletzt um das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht zu gewährleisten, kann eine Klage einem ausländischen Staat unabhängig davon öffentlich zugestellt werden, ob dieser Vertragsstaat des EuStImm, des HZÜ bzw. des HZPÜ oder ein EU-Mitgliedstaat ist.526 Nach § 185 Nr. 3 ZPO ist die öffentliche Zustellung dann zulässig, wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. So kann etwa eine Klage auf diplomatischem Weg nicht zugestellt werden, wenn mit dem ausländischen Staat, derzeit zum Beispiel mit Bangladesch und der Zentralafrikanischen Republik, kein Rechtshilfeverkehr besteht.527 Ebenso scheidet eine Auslandszustellung aus, wenn der um Rechtshilfe ersuchte und zugleich beklagte 524  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (209); Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 121. 525 O’Keefe/Tams/Gazzini, UNCSI, S. 353; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 95. 526  Für das HZÜ: BAG, NZA-RR 2015, 546 (552); Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (210 f.) und Mansel, IPRax 1987, 210 (212); für das EuStImm: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 2145. Für die Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung auch Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 119; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321) und Lindacher, WRP 1999, 54 (56). 527  Vgl. auch OLG Köln, FamRZ 1985, 1278 (1279); Zöller/Stöber, ZPO, § 185 Rdnr. 5. Die Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keinen Rechtshilfeverkehr hat, sind im Länderteil der ZRHO aufgelistet.

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Staat die Annahme der Klageschrift verweigert.528 Für eine öffentliche Zustellung genügt es aber auch, dass der ersuchte Staat mit großer Sicherheit die Rechtshilfe etwa aus politischen Gründen verweigern wird.529 In diesem Fall muss das Gericht keinen von vornherein aussichtslosen Versuch unternehmen, ihm auf diplomatischem Weg die Klageschrift zuzustellen. Bei einer solchen Annahme ist allerdings Zurückhaltung geboten. Ohne präzise Äußerungen des ausländischen Staates oder anderweitige konkrete Anhaltspunkte wird ein deutsches Gericht regelmäßig nicht einschätzen können, ob dieser die Annahme der Klageschrift ablehnen wird. Die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung gem. § 185 Nr. 3 ZPO liegen auch dann vor, wenn die Landesjustizverwaltung, das Bundesamt für Justiz oder das Auswärtige Amt ein Zustellungsersuchen des Gerichts nicht weiterleiten.530 So kann die Landesjustizverwaltung die Weiterleitung eines Rechtshilfeersuchens aus Gründen des diplomatischen Verkehrs oder wegen mangelnder Erfolgsaussichten ablehnen. Die Ausführung einer Auslandszustellung gehört zur Pflege der auswärtigen Beziehungen, für welche der Bund nach Art. 32 Abs. 1 GG zuständig ist und welche die Länder in seinem Auftrag ausführen. Da es sich hierbei um eine Justizverwaltungsangelegenheit handelt, ist ein Zivilgericht als Judikativorgan nicht befugt, der Landesjustizverwaltung Weisungen zu erteilen.531 Auch das Auswärtige Amt leitet nach § 54 Abs. 2 S. 2 ZRHO die Klageschrift der diplomatischen Vertretung in dem beklagten Staat nur weiter, wenn keine auswärtigen Interessen entgegenstehen. Andernfalls kann das Gericht auf die öffentliche Zustellung zurückgreifen, da diese im Inland erfolgt.532 Gleichwohl ist die öffentliche Zustellung die Ultima Ratio und daher nur zulässig, wenn die Auslandszustellung sicher ausscheidet.533 Diese Voraussetzungen hielt das Oberlandesgericht Köln als das für die weitere Beschwerde zuständige Gericht für die öffentliche Zustellung der Klage des Kleingärtners, der wegen des Kernreaktorunfalls in Tschernobyl Schadensersatzansprüche gegen die damalige Sowjetunion geltend machte, nicht für gegeben. Nach dem Inhalt 528  MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 95; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 2145; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 37; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 670; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321); Heß, RIW 1989, 254 (259). 529  Zöller/Stöber, ZPO, § 185 Rdnr. 5; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 122; Mansel, IPRax 1987, 210 (212). 530  Mansel, IPRax 1987, 210 (212); zur Weigerung der Landesjustizverwaltung vgl. auch Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 122; Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 76 und Heß, RIW 1989, 254 (259). 531  OLG Köln, FamRZ 1985, 1278 (1279); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 2126 f. 532  Mansel, IPRax 1987, 210 (213); vgl. auch AG Siegburg, IPRspr. 2007 Nr. 185, S. 516 (516). 533  Prütting/Gehrlein/Tombrink, ZPO, § 185 Rdnrn. 1, 5; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 670; Heß, RIW 1989, 254 (259).

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des Erlasses des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen sei bislang lediglich zweifelhaft, ob die Weiterleitung des Zustellungsersuchens durch das Auswärtige Amt erfolgen werde. Daraus gehe nur hervor, dass eine Weiterleitung solcher Klagen unterbleibe, in denen ein ausländischer Botschafter als Vertreter des beklagten Staates aufgeführt sei.534 Im Umkehrschluss hätte allerdings das Amtsgericht Bonn als Ausgangsgericht die Klage unabhängig von ihren Erfolgsaussichten der damaligen Sowjetunion auf diplomatischem Weg zustellen müssen, anstatt jegliche Form der Zustellung zu verweigern. Die öffentliche Zustellung erfolgt nach § 186 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel oder durch Einstellung in ein elektronisches Informationssystem, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. Nach § 187 ZPO kann die Benachrichtigung zusätzlich im elektronischen Bundesanzeiger oder in anderen Blättern veröffentlicht werden. Darüber hinaus gebietet das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör, das auch für ausländische juristische Personen535 und damit auch für ausländische Staaten gilt, dass das Gericht den beklagten Staat über den Inhalt der öffentlich zugestellten Klageschrift durch einfachen Brief informiert.536 Mit der Übersendung eines Briefs im internationalen Postverkehr verletzt ein deutsches Gericht nicht die Souveränität des ausländischen Staates, da die Aufgabe zur Post als Hoheitsakt im Inland vollzogen wird. Auf diese Weise lässt sich erreichen, dass der ausländische Staat tatsächlich Kenntnis vom Rechtsstreit erlangt und er sich am Rechtsstreit aktiv beteiligen kann.537 e. Fristen zur Verfahrensbeteiligung Mit der Zustellung der Klageschrift bestimmt der Vorsitzende nach § 272 Abs. 2 ZPO entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275 ZPO) oder er veranlasst ein schriftliches Vorverfahren (§ 276 ZPO). Entscheidet er sich für den frühen ersten Termin, so kann er nach § 275 Abs. 1 S. 1 ZPO dem beklagten ausländischen Staat eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung setzen. Die Einlassungsfrist, also die Frist zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung, beträgt nach § 274 Abs. 3 S. 1 ZPO bei der Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten und bei der öffentlichen Zustellung als Formen der Inlandszustellung mindestens zwei Wochen. Dagegen sieht § 274 Abs. 3 S. 2 ZPO vor, dass bei der Auslands534 OLG

Köln, IPRax 1987, 233 (234).  BVerfGE 12, 6 (8); Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 31; Manssen, Staatsrecht II, Rdnr. 85. 536 Vgl. OLG Köln, FamRZ 1985, 1278 (1279); Zöller/Geimer, ZPO, § 183 ZPO Rdnrn. 8 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 670; Heß, RIW 1989, 254 (259); Mansel, IPRax 1987, 210 (213). 537 Vgl. OLG Köln, FamRZ 1985, 1278 (1279); Mansel, IPRax 1987, 210 (213). 535

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zustellung wie der Zustellung auf diplomatischem Weg der Vorsitzende die Einlassungsfrist bestimmt. Im Fall des schriftlichen Vorverfahrens beträgt nach § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO die Notfrist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft zwei Wochen ab Klagezustellung, sofern dem beklagten Staat ausnahmsweise die Klage im Inland zugestellt wird. Bei der Zustellung der Klageschrift auf diplomatischem Weg bestimmt hingegen wiederum der Vorsitzende nach § 276 Abs. 1 S. 3 ZPO die Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft. Zugleich setzt er sowohl bei der Inlands‑ als auch bei der Auslandszustellung dem beklagten Staat nach § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung. Bei der öffentlichen Zustellung kann das Prozessgericht gem. § 188 S. 2 ZPO eine Frist von mehr als einem Monat beginnend mit dem Aushang der Benachrichtigung bestimmen, nach deren Ablauf die Klage als zugestellt gilt. Bei der Bestimmung all dieser Fristen hat der Vorsitzende zu berücksichtigen, dass ein beklagter ausländischer Staat für seine Verteidigung regelmäßig eine längere Frist benötigt, als wenn die Klage einer inländischen Person zugestellt wird. Vor allem bei der Zustellung auf diplomatischem Weg kann es Zeit in Anspruch nehmen, bis das Außenministerium des ausländischen Staates der vertretungsbefugten Behörde die Klageschrift zuleitet.538 Aus diesem Grund bestimmt Art. 16 Abs. 4 EuStImm, dass die Frist zur Beteiligung am Verfahren zwei Monate nach dem Eingang des das Verfahren einleitenden Schriftstücks beim Außenministerium beginnt. Nach Art. 16 Abs. 5 EuStImm darf das Gericht dem ausländischen Staat daher keine Frist zur Beteiligung am Verfahren setzen, die vor Ablauf von zwei Monaten nach dem Eingang des das Verfahren einleitenden Schriftstücks beim Außenministerium endet. Auch nach sec. 12 (2) SIA beträgt die Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft zwei Monate ab Klagezustellung. Nach § 1608 (d) FSIA soll der beklagte ausländische Staat binnen 60 Tagen nach Zustellung auf die Klage erwidern. Das UN-Übereinkommen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit sieht hingegen keine Frist zur Verfahrensbeteiligung vor, nach Art. 23 Abs. 1 lit. b) UN-Übereinkommen darf aber ein Versäumnisurteil nicht vor Ablauf von vier Monaten nach Klagezustellung ergehen. Auch wenn das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität keine Anwendung findet, so ergibt sich aus der Gesamtschau des Art. 16 Abs. 4 und 5 EuStImm und der nationalen Immunitätskodifikationen, dass die Frist zur Verfahrensbeteiligung – also bei Bestimmung eines frühen ersten Termins die Einlassungsfrist bzw. die Frist zur schriftlichen Klageerwiderung und bei Bestimmung eines schriftlichen Vorverfahrens die Frist zur Anzeige der Ver-

538  Vgl. Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 13 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 689.

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teidigungsbereitschaft – auf mindestens zwei Monate ab Klagezustellung festgesetzt werden sollte.539

2. Anberaumung und Durchführung der mündlichen Verhandlung Die mündliche Verhandlung bildet das Herzstück des Zivilprozesses, indem sie durch Rede und Gegenrede eine konzentrierte Förderung des Rechtstreits ermöglicht. Bei einer Klage gegen einen ausländischen Staat tun sich auch hier einige spezifische Probleme auf, angefangen bei der Frage, ob das Gericht überhaupt einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen darf. a. Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung § 216 Abs. 1, 2 ZPO verpflichtet den Vorsitzenden, von Amts wegen unverzüglich einen Termin zu bestimmen, damit die Parteien nach § 128 Abs. 1 ZPO vor dem erkennenden Gericht mündlich verhandeln können. Vom Grundsatz der mündlichen Verhandlung kann nur abgesehen werden, wenn beide Parteien nach § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt haben oder wenn im Verfahren nach § 495a ZPO keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt. Ungeachtet dieser gesetzlich verankerten Pflicht wird ähnlich wie bei der Klagezustellung vorwiegend von der älteren Rechtsprechung und einem Teil der Literatur die Ansicht vertreten, ein Termin dürfe gegenüber einem ausländischen Staat nicht bestimmt werden, wenn ihm Immunität zukomme.540 Diese Auffassung wird, wenn überhaupt, damit begründet, dass die Terminsbestimmung Ausübung der Gerichtsbarkeit sei541 oder dass die Durchführung einer Verhandlung ohnehin sinnlos wäre542. Dieser Standpunkt wird teils dahingehend relativiert, dass bei Zweifeln über die Befreiung des beklagten Staates von der deutschen 539 So

auch Heß, RIW 1989, 254 (257).  OLG Hamburg, MDR 1953, 109 (109); OLG München, NJW 1975, 2144 (2145); LG Gießen, NJW 1956, 555 (555) bei „gänzlich offensichtlich zweifelsfreiem Fehlen der Gerichtsbarkeit“; LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); MünchKomm/Stackmann, ZPO, § 216 Rdnr. 3; Zöller/ Stöber, ZPO, § 216 Rdnr. 7; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 282; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 25; Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 119 f.; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 161; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 70 Rdnr. 7; Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (277). 541  OLG München, NJW 1975, 2144 (2145); LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 119; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 161; Münch, ZaöRV 24 (1964), 265 (277). 542  Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 120; ähnlich auch LG Gießen, NJW 1956, 555 (555), dem zufolge der Richter den Grundsatz der obligatorischen mündlichen Verhandlung nicht werde missbrauchen lassen. 540

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Gerichtsbarkeit doch ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und über diese Frage entschieden werden dürfe.543 Diese restriktive Auffassung lässt allerdings außer Acht, dass das Gericht bei der Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung seine Gerichtsbarkeit gegenüber einem beklagten ausländischen Staat noch gar nicht ausübt. Verfügt der Vorsitzende, dass eine mündliche Verhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden soll, so handelt es sich hierbei um einen gerichtsinternen Vorgang. Mangels Außenwirkung übt das Gericht keine Hoheitsgewalt aus und kann schon aus diesem Grund nicht die Souveränität des beklagten Staates verletzen.544 Dies kann allenfalls mit der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgen. Abgesehen davon fehlt es auch der Bekanntgabe des Verhandlungstermins in der Ladung am Eingriffsgehalt. Folglich hat das Gericht nach § 216 Abs. 1 ZPO auch dann einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, wenn einem beklagten ausländischen Staat für einen Rechtsstreit nach Aktenlage Immunität zukommt.545 Darüber hinaus gebietet der in § 128 Abs. 1 ZPO verankerte Mündlichkeitsgrundsatz, dass das Gericht mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der deutschen Gerichtsbarkeit erörtert. Oftmals lässt sich erst oder zumindest besser im persönlichen Gespräch – evtl. verbunden mit einer informatorischen Befragung der Parteien bzw. einer Beweisaufnahme – die Immunitätsfrage klären.546 Der Kläger erhält dadurch die Möglichkeit, das Gericht doch noch persönlich vom Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit zu überzeugen. Ebenso kann der ausländische Staat in der mündlichen Verhandlung explizit oder rügelos auf seine bestehende Immunität verzichten. Eine mündliche Verhandlung kann allerdings nur dann durchgeführt werden, wenn der Vorsitzende zuvor einen Termin bestimmt hat. Demzufolge entschied bereits 1953 das Oberlandesgericht Braunschweig, dass bei einer Klage gegen die damalige Deutsche Demokratische Republik der Vorsitzende nicht die Bestimmung eines Verhandlungstermins ablehnen dürfe. Die Frage der Gerichtsunterworfenheit könne nicht von vornherein so klar beurteilt werden, dass es 543 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4; Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 3; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 161; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnrn. 43 f.; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321). 544  OLG Braunschweig, JR 1954, 263 (264); Mann, NJW 1990, 618 (618). 545  KG, ZZP 51 (1926), 280 (280) m. zust. Anm. Wertheimer, ZZP 51 (1926), 280 (282); ähnlich auch OLG Braunschweig, JR 1954, 263 (264) m. zust. Anm. Wieczorek; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 69 f.; Aubin, JZ 1954, 118 (120); Kann, JW 1910, 176 (177, Fn. 6); Mann, NJW 1990, 618 (618); für die Schweiz Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 514 f. 546 Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 216 Rdnr. 5; Wieczorek, JR 1954, 264 (264).

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allein Sache des Vorsitzenden sei, sie zwecks Entscheidung über die Terminsanberaumung abschließend zu prüfen. Vielmehr müsse dies dem Gericht im Wege einer mündlichen Verhandlung vorbehalten bleiben.547 b. Ladung eines ausländischen Staates zum Termin Möglicherweise steht aber die Staatenimmunität der Ladung eines ausländischen Staates zu dem anberaumten Termin entgegen. So wird auch für dieses Verfahrensstadium vertreten, dass ein ausländischer Staat nicht zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung geladen werden dürfe, wenn ihm Immunität zukomme.548 Diese These könnte durch die in § 214 ZPO und § 274 Abs. 1 ZPO normierte Pflicht des Gerichts, von Amts wegen die Ladung der Parteien zum anberaumten Termin zu veranlassen, widerlegt sein. So wird nach § 214 ZPO die Ladung der Parteien zu einem Termin von Amts wegen, und zwar gem. § 274 Abs. 1 ZPO nach Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung, veranlasst. Allerdings könnte der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität, der nach Art. 25 S. 1 GG Vorrang vor den einfachgesetzlichen Regelungen hat, der Ladung eines ausländischen Staates entgegenstehen. Im Unterschied zur Terminsbestimmung übt das Gericht mit der Ladung seine Gerichtsbarkeit aus, indem es nicht nur die Parteien von dem bevorstehenden Termin unterrichtet, sondern sie auch zum Erscheinen aufgefordert.549 Zudem muss das Gericht nach § 215 Abs. 1 ZPO in der Ladung zur mündlichen Verhandlung die Parteien über die Folgen einer Versäumung des Termins, nämlich den Erlass eines Versäumnisurteils einschließlich der Kostentragungspflicht der säumigen Partei und der sofortiger Vollstreckbarkeit des Urteils, belehren. Darüber hinaus muss im Anwaltsprozess die Ladung nach § 215 Abs. 2 ZPO die an den Beklagten gerichtete Aufforderung enthalten, einen Anwalt zu bestellen. Andernfalls fehlt es ihm nach § 78 Abs. 1 ZPO an der Postulationsfähigkeit mit der Folge, dass er keine prozessualen Erklärungen abgeben und insbesondere im Termin nicht verhandeln kann. Die Ladung impliziert also die Aufforderung gegenüber dem beklagten Staat, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und dort zu verhandeln sowie im Anwaltsprozess einen Rechtsanwalt als Prozessvertreter zu bestellen, um mögliche nachteilige Konsequenzen zu vermeiden. Aufgrund dieses Eingriffscharakters übt das Gericht mit der Ladung eines ausländischen Staates seine Gerichtsbarkeit aus.  OLG Braunschweig, JR 1954, 263 (264) m. zust. Anm. Wieczorek.  Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 4; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 25; offenlassend Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 431. 549  Zöller/Stöber, ZPO, § 214 Rdnr. 1; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 460; Mann, NJW 1990, 618 (618). 547

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Der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität verbietet aber einem deutschen Gericht, seine Gerichtsbarkeit über einen ausländischen Staat auszuüben. Gleichwohl verbietet er nicht, einem beklagten Staat einen anberaumten Termin bekanntzugeben und ihm damit die Möglichkeit zu eröffnen, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.550 Ein solches Verbot aus der Staatenimmunität abzuleiten, würde ihren Sinn und Zweck ins Gegenteil verkehren. Bereits aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit und des in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Rechts auf rechtliches Gehör muss nicht nur der Kläger, sondern auch der beklagte ausländische Staat die Gelegenheit erhalten, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Dies setzt voraus, dass das Gericht ihn über den anberaumten Termin unterrichtet. Nur dann können beide Parteien nach § 128 Abs. 1 ZPO über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich verhandeln. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die in § 215 ZPO vorgesehenen Aufforderungen des Beklagten, zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, zu verhandeln und ggf. einen Rechtsanwalt zu bestellen, verbunden mit dem Hinweis auf mögliche nachteilige Konsequenzen, einen Eingriffscharakter aufweisen. Der Widerspruch zwischen der dadurch ausgeübten Gerichtsbarkeit einerseits und dem Grundsatz der mündlichen Verhandlung andererseits lässt sich aber durch einige sprachliche Formulierungen lösen. Die in der Ladung der Parteien üblicherweise enthaltene Aufforderung zum Erscheinen und zum Verhandeln lässt sich ohne weiteres in eine Information des beklagten Staates über den anberaumten Termin, sozusagen in eine „Einladung“ zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, umformulieren.551 Wird er nicht aufgefordert, zum Termin zu erscheinen und zu verhandeln, sondern bleibt es ihm freigestellt, so wird kein gerichtlicher Zwang ausgeübt. Entsprechendes gilt für die nach § 215 Abs. 2 ZPO vorgesehene Aufforderung, im Anwaltsprozess einen Rechtsanwalt zu bestellen. Diese Aufforderung kann in völkerrechtskonformer Weise sprachlich in den Hinweis umformuliert werden, dass der beklagte Staat gem. § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO ohne einen vor einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt seiner Wahl nicht postulationsfähig ist. Schließlich darf dem beklagten ausländischen Staat in der Ladung nicht gem. § 215 Abs. 1 S. 1 ZPO der Erlass eines Versäumnisurteils in Aussicht gestellt werden, wenn er der mündlichen Verhandlung fern bleibt, dort nicht verhandelt oder sich im Anwaltsprozess nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt. Eine solche Belehrung wäre auch unzutreffend, da das Zivilgericht gegenüber

550  KG, ZZP 51 (1926), 280 (280) m. zust. Wertheimer, ZZP 51 (1926), 280 (282). Auch nach Weller, Rpfleger 2006, 364 (366) dürfe ein ausländischer Staat zu einem Termin geladen werden, um die streitige Frage der Gerichtsbarkeit zu klären. 551  Nach LG Hamburg, NJW 1986, 3034 (3034) sei eine von der Gerichtbarkeit befreite Person über einen anberaumten Termin mit der Anempfehlung ihres Erscheinens zu informieren.

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einem beklagten Staat kein echtes Versäumnisurteil erlassen darf, wenn ihm Immunität zukommt552. c. Anordnung des persönlichen Erscheinens Mit der Frage der Ladung verbunden ist die Frage, ob das Gericht das persönliche Erscheinen desjenigen Staatsorgans anordnen darf, das den beklagten ausländischen Staat gesetzlich vertritt. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO soll das Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien zur mündlichen Verhandlung anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint, und dazu nach § 141 Abs. 2 ZPO diese von Amts wegen laden. Entsprechendes gilt nach § 278 Abs. 3 ZPO für die zumeist unmittelbar vorausgehende Güteverhandlung. Die persönliche Anhörung der Parteien bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter soll die Aufklärung des Sach‑ und Streitstandes durch das Gericht befördern.553 Nach diesen Vorschriften könnte das Gericht das persönliche Erscheinen des zur Vertretung des beklagten Staates berufenen Organs jedenfalls dann anordnen, wenn in der mündlichen Verhandlung nicht lediglich Rechtsfragen erörtert werden und es zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen kann. Allerdings sieht das Gericht gem. § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO von der Anordnung des persönlichen Erscheinens ab, wenn einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten ist. Regelmäßig liegt dann eine große Entfernung zum Gerichtsort vor, wenn sich der Wohnsitz der Partei bzw. ihres gesetzlichen Vertreters im Ausland befindet.554 Daher ist es einem deutschen Gericht in aller Regel bereits wegen der Distanz zum Gerichtsort verwehrt, ein ausländisches Staatsorgan zur Güteverhandlung sowie zur sich anschließenden mündlichen Verhandlung zu laden. Darüber hinaus kann diesem auch aus einem sonstigen wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten sein, etwa wenn sein persönliches Erscheinen nicht in vertretbarem Aufwand zur Bedeutung des Rechtsstreits und zum Erkenntnisgewinn durch eine informatorische Befragung steht. Vor allem aber verbietet sich die Anordnung des persönlichen Erscheinens vor Gericht, wenn ein besonders exponiertes Staatsorgan  – namentlich das Staatsoberhaupt, der Regierungschef oder der Außenminister des beklagten Staates – geladen werden soll. Auch wenn diese zur gesetzlichen Vertretung des Staates in einem deutschen Zivilprozess befugt sein sollten, so kommt ihnen

 Siehe näher Kapitel C. VIII. 1. c. ZPO, § 141 Rdnr. 1; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 141 Rdnr. 1; Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, § 141 Rdnr. 1. 554  Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 141 Rdnr. 5; Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, § 141 Rdnr. 7; Geimer, NJW 1989, 2204 (2205). 552

553 MünchKomm/Fritsche,

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

kraft ihrer Person absolute Immunität zu.555 Durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens würde das deutsche Gericht seine Gerichtsbarkeit über das besonders exponierte Staatsorgan ausüben und dadurch dessen persönliche Immunität verletzen. Dies gilt umso mehr, als es nach § 141 Abs. 3 S. 3 ZPO darauf hinzuweisen wäre, dass im Fall des Nichterscheinens ein Ordnungsgeld festgesetzt werden könnte. Daher muss es in aller Regel genügen, dass sich ein ausländischer Staat durch einen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt vor Gericht vertreten lässt. d. Abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage Das Gericht kann nach § 280 Abs. 1 ZPO anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört auch die Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit, die sich nicht immer einfach und eindeutig, sondern zuweilen erst nach einer komplizierten Prüfung der Sach‑ und Rechtslage beantwortet lässt. Durch die abgesonderte Verhandlung kann das Gericht zunächst den Rechtsstreit auf die Frage konzentrieren, ob dem beklagten Staat Immunität zukommt. Durch diese Vorgehensweise kann es mit den Parteien die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der deutschen Gerichtsbarkeit umfassend erörtern, ohne sich zugleich mit der materiellen Prüfung der geltend gemachten Ansprüche beschäftigen zu müssen.556 Sodann entscheidet das Gericht gem. § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Zwischenurteil über die Zulässigkeit der gegen den ausländischen Staat erhobenen Klage.557 Eine abgesonderte Verhandlung gem. § 280 Abs. 1 ZPO bietet sich an, wenn sich die Immunitätsfrage nach der Aktenlage nicht klar beantworten lässt,558 insbesondere weil Kläger und beklagter Staat hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Diese Schwierigkeiten können daraus resultieren, dass das Gericht noch die Faktenlage durch eine informatorische Befragung der Parteien bzw. durch eine Beweisaufnahme klären muss oder dass sich die rechtliche Beurteilung als kompliziert erweist. In diesem Fall ist eine solche Vorgehensweise nicht nur aus Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern auch aus der völkerrechtlichen Perspektive angezeigt. Die abgesonderte Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage bewahrt den beklagten ausländischen Staat davor, sich vorsichtshalber zur Sache einlassen zu müssen, um sich nicht der Gefahr einer Verurteilung auszusetzen, sollte das Gericht seine Gerichtsbarkeit bejahen. Steht ihm hingegen unzweifel555 Siehe

näher Kapitel B. III. 2.  BGHZ 182, 10 (17); OLG Köln, BeckRS 2015, 12442; MünchKomm/Prütting, ZPO, § 280 Rdnr. 1. 557  Vgl. z. B. RGZ 157, 389 (393 f.); BGH 182, 10 (15); OLG Köln, BeckRS 2015, 12442; LG Hamburg, NJW 1986, 3034 (3034). Zum Zwischenurteil siehe näher Kapitel C. VIII. 1. a. 558  LG Hamburg, NJW 1986, 3034 (3034); Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 3.6; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321). 556

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haft keine Immunität zu und ist dies zwischen den Parteien unstreitig, so ist aus prozessökonomischen Gründen eine sofortige Verhandlung zur Sache ratsam. Ist dagegen die Gewährung von Staatenimmunität nicht von vornherein ausgeschlossen, so könnte das Gericht zur abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sein. Nach dem Wortlaut des § 280 Abs. 1 ZPO kann es die abgesonderte Verhandlung anordnen, die Entscheidung steht also in seinem pflichtgemäßen Ermessen.559 Gleichwohl könnte sein Ermessen im Lichte einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung auf null reduziert sein, wenn es nach der Aktenlage klar oder zumindest möglich ist, dass einem beklagten Staat Immunität zukommt. Hiergegen könnte die in Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuStImm und Art. 8 Abs. 1 S. 1 lit. b) UN-Übereinkommen verankerte völkerrechtliche Regel sprechen, nach der ein beklagter Staat durch die rügelose Einlassung zur Hauptsache konkludent auf seine Immunität verzichtet. Daraus könnte im Umkehrschluss folgen, dass ein Gericht nicht zu einer abgesonderten Verhandlung verpflichtet ist, weil sich andernfalls der beklagte Staat nicht mehr in der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügelos einlassen könnte. Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, dass nicht alle Staaten die Möglichkeit einer abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage kennen. Vor allem aber kann sich ein beklagter Staat zum Beispiel nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 EuGVVO bereits vor der mündlichen Verhandlung durch Schriftsatz rügelos zur Sache einlassen,560 so dass die Anwendbarkeit dieser beiden Vorschriften erhalten bleibt. Vielmehr bedarf es einer Rückbesinnung auf den Grundgedanken der Staatenimmunität, der souveränen Gleichheit von Gerichtsstaat und beklagtem Staat. Kommt Letztgenanntem Immunität zu, so darf das deutsche Gericht nur insoweit seine Gerichtsbarkeit ausüben, als dies zur Klärung der Immunitätsfrage erforderlich ist. Dies geschieht in der abgesonderten mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage. Ergibt diese, dass dem ausländischen Staat Immunität zu gewähren ist, so hätte das Gericht bei einer sofortigen Verhandlung zur Sache seine Immunität verletzt. Er müsste sich trotz Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit vorsichtshalber zur Sache einzulassen, um möglicherweise den Erlass eines der Klage stattgebenden Urteils zu verhindern. Ist daher die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit im Vorfeld nicht klar zu bejahen, sondern zumindest zweifelhaft, so ist das dem Gericht in § 280 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen im Lichte des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität auf null reduziert. Es muss zunächst im Rahmen einer abgesonderten Verhandlung klären, ob dem beklagten Staat Immunität zukommt. Nur wenn es aufgrund der abgesonderten Verhandlung zur Zulässigkeit der 559 MünchKomm/Prütting, ZPO, § 280 Rdnr. 2; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO, § 280 Rdnr. 4. 560  Vgl. Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 16 Rdnrn. 4, 8; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 549.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Klage zu der Überzeugung gelangt, dass die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist, kann es in einem zweiten Schritt zur Sache verhandeln, ohne die Immunität des beklagten ausländischen Staates zu verletzen. e. Sitzungsgewalt und Verhängung von Ordnungsmitteln Während der mündlichen Verhandlung kann es vorkommen, dass eine prozessbeteiligte Person den sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden zur Aufrechterhaltung der Ordnung nach § 176 GVG nicht Folge leistet. In diesem Fall kann das Gericht nach § 177 GVG die betreffende Person aus dem Sitzungszimmer entfernen, zur Ordnungshaft abführen und bis zu 24 Stunden festhalten. Macht sie sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig, so kann es nach § 178 GVG ein Ordnungsgeld bis zu 1.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festsetzen und sofort vollstrecken. Fraglich ist, ob das Gericht auch ein an der mündlichen Verhandlung beteiligtes Staatsorgan aus dem Sitzungszimmer entfernen oder ihm gegenüber Ordnungsmittel verhängen darf. So ist einerseits die Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb der Sitzung für die Gewährleistung des ordnungsgemäßen Ablaufs eines Zivilprozesses unerlässlich, andererseits könnte die Immunität des staatlichen Repräsentanten der Verhängung solcher Maßnahmen entgegenstehen. Nach einigen Literaturstimmen dürfen auch ihm gegenüber Ordnungsmaßnahmen getroffen werden, da die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nur insoweit eingreife, als es sich um unmittelbar mit der Gerichtsbarkeit in Verbindung stehende Tätigkeiten handele.561 Dem steht jedoch entgegen, dass ein deutsches Gericht seine Hoheitsgewalt ausübt, wenn es ein staatliches Organ aus dem Sitzungszimmer entfernt oder ihm gegenüber Ordnungsmittel verhängt.562 Nun genießen aber selbst nicht exponierte Staatsorgane während ihrer Amtszeit Immunität, soweit es um ihre amtliche Tätigkeit geht.563 Diese vertreten den ausländischen Staat vor einem deutschen Gericht nicht als Privatperson, sondern in ihrer Eigenschaft als staatliche Repräsentanten. Da den in §§ 177, 178 GVG vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen ein Eingriffs‑ und Zwangscharakter zukommt, darf ein deutsches Gericht diese gegenüber einem Organ, das einen ausländischen Staat im Zivilprozess vertritt, nicht verhängen. Dieses Ergebnis wird gestützt durch Art. 24 Abs. 1 UN-Übereinkommen. Danach dürfen keine Geldbußen oder sonstige Strafen gegen einen Staat verhängt werden, nur weil er es unterlässt oder ablehnt, eine Anordnung eines Gerichts eines anderen Staates zu befolgen, die ihm auferlegt, für Verfahrenszwecke eine 561 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 5; Stein/Jonas/ Jacobs, ZPO, § 18 GVG Rdnr. 6; ohne Begründung auch Kissel/Mayer, GVG, § 178 Rdnr. 5. 562  Ähnlich Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 666. 563 Siehe näher Kapitel B. III. 2.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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bestimmte Handlung auszuführen oder zu unterlassen. Diese Regelung trägt dem völkerrechtlichen Grundgedanken Rechnung, dass der Gerichtsstaat und der beklagte Staat souveräne, gleichwertige Völkerrechtssubjekte sind. Daraus folgt, dass der Gerichtsstaat keine Ordnungsmittel gegen den beklagten Staat verhängen darf, nur weil dieser seinen Anordnungen nicht Folge leistet. Dies gilt unabhängig davon, ob der beklagte Staat für den Rechtstreit selbst der Gerichtsbarkeit des Forumstaates unterworfen ist. Da nun aber der ausländische Staat nicht selbst, sondern nur durch seine Repräsentanten handeln kann, würde der hinter dieser Bestimmung stehende Gedanke der souveränen Gleichheit der Staaten ins Leere laufen, wenn das Gericht zwar nicht gegen nicht den ausländischen Staat selbst, aber gegen den in der Sitzung anwesenden staatlichen Vertreter sitzungspolizeilich vorgehen könnte.564 Demzufolge dürfen gegenüber einem Organ eines ausländischen Staates keinerlei Ordnungsmaßnahmen verhängt werden.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien Im Zivilprozess gilt die Dispositionsmaxime.565 Die Parteien haben es in der Hand, durch die Ausübung prozessualer Gestaltungsrechte wie der Klageänderung, der Streitverkündung, der Widerklage, der Prozessaufrechnung oder der Klagerücknahme den Gegenstand und den Verlauf eines Zivilverfahrens zu bestimmen. Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn ein ausländischer Staat an einem Zivilverfahren beteiligt ist. Wegen seiner besonderen Stellung als eines souveränen und gleichwertigen Völkerrechtssubjekts sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten.

1. Klagehäufung und Klageänderung Bislang war das Augenmerk darauf gerichtet, dass ein privater Kläger nur einen Anspruch gegen einen ausländischen Staat als einzigen Beklagten geltend macht. Möglich ist aber auch, dass er in seiner Klageschrift mehrere Ansprüche gegen einen ausländischen Staat erhebt (objektive Klagehäufung), neben einem ausländischen Staat auch eine Privatperson verklagt (subjektive Klagehäufung), seine Klage im Laufe des Zivilprozesses ändert (objektive Klageänderung) oder dass es zu einem Parteiwechsel kommt (subjektive Klageänderung). 564 Vgl. O’Keefe/Tams/Gazzini, UNCSI, S. 367, nach dem Art. 24 Abs. 1 UN-Übereinkommen auch die Inhaftierung eine Staatsorgans wegen Missachtung des Gerichts verbiete. 565  Adolpsen, Zivilprozessrecht, § 4 Rdnrn. 7 ff.; Lüke, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 6 ff.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 339 ff.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

a. Objektive Klagehäufung Ein Kläger kann mehrere gegen denselben Beklagten gerichtete Ansprüche nach § 260 ZPO in einer Klage verbinden, wenn für sämtliche Ansprüche das angerufene Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist. Unter diesen Voraussetzungen können auch gegenüber einem ausländischen Staat mehrere Ansprüche im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht werden. In diesem Fall muss das Gericht getrennt für jeden einzelnen Streitgegenstand prüfen, ob dem beklagten Staat Immunität zukommt. Hierbei kann es zu dem Ergebnis kommen, dass die deutsche Gerichtsbarkeit nur für den einen Anspruch besteht, während dem ausländischen Staat für den anderen Anspruch Immunität zu gewähren ist. Soweit dem angerufenen Gericht keine Gerichtsbarkeit zukommt, darf es nicht zur Sache verhandeln, sondern muss die Klage als unzulässig abweisen. Soweit hingegen der beklagte Staat für einen klageweise geltend gemachten Anspruch keine Immunität beanspruchen kann, muss es, sofern die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, zur Sache verhandeln und entscheiden. Bei dieser unterschiedlichen prozessualen Behandlung kann die objektive Klagehäufung nicht mehr ihren Zweck – nämlich die gemeinsame Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung über die verbundenen Ansprüche566 – erfüllen. Daher ist es sinnvoll, dass das Gericht nach § 145 Abs. 1 ZPO durch Beschluss die in einer Klage erhobenen Ansprüche abtrennt und in getrennten Prozessen verhandelt. Sodann kann es die abgetrennte Klage, für die ihm keine Gerichtsbarkeit zukommt, durch Prozessurteil als unzulässig abweisen, während es wegen der anderen Klage zur Sache verhandelt und entscheidet. Sollte das Gericht keine Prozesstrennung vornehmen, so muss es in aller Regel zunächst gem. § 280 Abs. 1 ZPO gesondert zur Zulässigkeit der Klage verhandeln und durch Zwischenurteil gem. § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO die Reichweite der deutschen Gerichtsbarkeit feststellen.567 In der sich anschließenden mündlichen Verhandlung zur Hauptsache darf es sodann nur noch über diejenigen Ansprüche verhandeln, für die dem beklagten Staat keine Immunität zukommt. Aber selbst wenn sich die Immunitätsfrage bereits nach der Aktenlage eindeutig beantworten lässt und das Gericht sogleich einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, darf es nur über diejenigen Ansprüche in der Sache verhandeln und entscheiden, auf die sich seine Gerichtsbarkeit erstreckt.

566  MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, § 260 Rdnr. 43; Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 260 Rdnr. 1; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 732. 567 Siehe näher Kapitel C. V. 2. d.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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b. Streitgenossenschaft Neben der objektiven Klagehäufung ermöglicht die Zivilprozessordnung in §§ 59 ff. ZPO die Streitgenossenschaft als subjektive Klagehäufung. Zwecks der gemeinsamen Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung können die Ansprüche mehrerer Kläger bzw. die Ansprüche gegen mehrere Beklagte in einer Klage zusammengefasst werden.568 Auch ein ausländischer Staat kann sowohl auf der Klägerseite als auch auf der Beklagtenseite als einfacher Streitgenosse gem. §§ 59 f. ZPO oder als notwendiger Streitgenosse gem. § 62 ZPO beteiligt sein, sofern die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen. Während die notwendige Streitgenossenschaft erfordert, dass das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann, wird die einfache Streitgenossenschaft unabhängig von den gesetzlich vorgesehenen Fallgruppen immer dann als zulässig erachtet, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist.569 Fraglich ist, ob die Zweckmäßigkeit auch dann gegeben ist, wenn ein beklagter einfacher Streitgenosse ein ausländischer Staat ist, der für sich Immunität beanspruchen kann. Da zu jedem Streitgenossen ein eigenes Prozessrechtsverhältnis besteht, ist die Zulässigkeit einer Klage und damit auch die deutsche Gerichtsbarkeit gesondert zu beurteilen.570 Demzufolge dürfte das Gericht im Hinblick auf den beklagten Staat nur über die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit verhandeln und entscheiden und müsste insoweit die Klage als unzulässig abweisen, während es gegenüber dem privaten Streitgenossen, sofern die Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, zur Sache verhandeln und entscheiden müsste. Eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung wäre also angesichts des unterschiedlichen Verhandlungs‑ und Entscheidungsstoffes nicht zweckmäßig. In dieser Konstellation ist es vielmehr sinnvoll, dass das Gericht wiederum nach § 145 Abs. 1 ZPO die Klagen abtrennt und in separaten Prozessen gegenüber jedem Streitgenossen gesondert verhandelt und entscheidet. Im Fall der notwendigen Streitgenossenschaft scheidet dagegen eine solche Vorgehensweise aus, da der Prozess nur gemeinsam geführt werden kann. Kommt einem beklagten Staat Immunität zu, so ist die Klage auch gegenüber den übrigen Streitgenossen als unzulässig abzuweisen.571

568 Lüke, Zivilprozessrecht, Rdnr. 445; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 48 Rdnr. 27; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 661. 569  Musielak/Voit/Weth, ZPO, § 60 Rdnr. 7; Thomas/Hüßtege, ZPO, § 60 Rdnr. 1; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 746 ff. 570  Zöller/Vollkommer, ZPO, § 60 Rdnr. 9 und § 62 Rdnr. 23; Bobrik, Die Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 125. 571 Bobrik, Die Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 126.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

c. Objektive Klageänderung Im Laufe eines Zivilprozesses kann die Klagepartei nach §§ 263, 264, 267 ZPO ihre Klage ändern. Eine Klageänderung liegt vor, wenn der Streitgegenstand, bestehend aus dem Klageantrag und dem klagebegründenden Lebenssachverhalt,572 modifiziert wird.573 Ihre Zulässigkeit ist insbesondere dann fraglich, wenn die deutsche Gerichtsbarkeit zwar für den ursprünglichen, nicht aber für den neuen Streitgegenstand gegeben ist. In diesem Fall ist die Klageänderung in der Regel nicht nach § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO ohne weiteres zulässig. Diese Vorschrift setzt voraus, dass lediglich der Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird (Nr. 2) oder dass statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird (Nr. 3). Bleibt jedoch davon abgesehen der Klagegrund unverändert, so bleiben auch die Natur und die äußere Erscheinungsform der zu beurteilenden Handlung bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses, nach denen sich die Gewährung von Staatenimmunität richtet, gleich. Ausnahmsweise ist die Anwendbarkeit dieser Vorschrift dann denkbar, wenn der beklagte Staat für die ursprüngliche Klage konstitutiv auf seine Immunität verzichtet hat. In diesem Fall ist zwar die Klageänderung ohne weiteres zulässig, sein Immunitätsverzicht erfasst aber regelmäßig nur die Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO. Im Übrigen müsste der beklagte Staat für die geänderte Klage erneut auf seine Immunität verzichten, es sei denn, der Verzicht ist umfassend formuliert.574 Abgesehen davon ist eine Klageänderung in aller Regel nach § 263 ZPO nur zulässig, wenn der beklagte Staat einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. Sachdienlich ist eine Klageänderung, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und ihre Zulassung die endgültige Beilegung des Rechtsstreits fördert.575 Ist die geänderte Klage mangels deutscher Gerichtsbarkeit bereits unzulässig, so stellt der bisherige Streitstoff keine verwertbare Entscheidungsgrundlage dar. Außerdem kann nur ein Sachurteil, nicht aber ein Prozessurteil die endgültige Streitbeilegung der Parteien fördern. Vielmehr könnte der Kläger geneigt sein, erneut Klage gegen den ausländischen Staat mit dem ursprünglich gestellten Antrag zu erheben, wenn seine geänderte Klage als unzulässig abgewiesen wird. Während in der umgekehrten Situation 572  BGHZ 34, 337 (339); 117, 1 (5); BeckOK/Bacher, ZPO, § 253 Rdnr. 51; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rdnr. 10; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 218 ff. 573 BGHZ 158, 295 (305); Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 263 Rdnr. 2; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 99 Rdnr. 1; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 746. 574  Vgl. auch Bobrik, Die Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 117 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 45; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 630. 575  Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 263 Rdnr. 7; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 263 Rdnr. 8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 99 Rdnrn. 19 ff.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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die Änderung einer unzulässigen in eine zulässige Klage abhängig vom Einzelfall durchaus sachdienlich sein kann, bedarf die Zulässigkeit der Klageänderung in der hier interessierenden Konstellation nach § 263 ZPO der Einwilligung des beklagten Staates.576 Willigt dieser ausdrücklich in die Klageänderung ein, so gibt er zu erkennen, dass er an einer Verhandlung und Entscheidung über den neuen Klageantrag interessiert ist. Seine explizite Einwilligung in die Klageänderung ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte dahingehend auszulegen, dass er auch auf seine Immunität für die geänderte Klage verzichtet und sich freiwillig der deutschen Gerichtsbarkeit unterwirft.577 Ein nur für die ursprüngliche Klage erklärter Immunitätsverzicht impliziert hingegen weder eine Einwilligung in die Klageänderung noch einen Immunitätsverzicht mit Blick auf den neuen Klageantrag. Ein ausländischer Staat unterwirft sich nur insoweit der deutschen Gerichtsbarkeit, als der durch Klageantrag und Klagegrund begrenzte Streitgegenstand reicht.578 Hat der Beklagte nicht ausdrücklich in die Klageänderung eingewilligt, so fingiert § 267 ZPO seine Einwilligung, wenn er sich in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage einlässt, ohne der Änderung zu widersprechen. Fraglich ist, ob diese unwiderlegbare Einwilligungsvermutung völkerrechtskonform ist. Dies scheint zunächst mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuStImm und Art. 8 Abs. 1 S. 1 UN-Übereinkommen, die das Völkergewohnheitsrecht widerspiegeln, der Fall zu sein. Danach kann ein Staat vor dem Gericht eines anderen Staates keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn er sich vor Geltendmachung der Immunität zur Hauptsache eingelassen hat. Allerdings sehen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuStImm und Art. 8 Abs. 1 S. 2 UN-Übereinkommen eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor, wenn der Staat nachweist, dass er von den Tatsachen, aufgrund welcher er Immunität hätte beanspruchen können, erst nachträglich Kenntnis erlangen konnte. In diesem Fall ist ihm Immunität zu gewähren, wenn er sich auf diese Tatsachen sobald wie möglich beruft.579 Gleichwohl bedarf es keiner Reduktion des Anwendungsbereichs des § 267 ZPO im Lichte dieser völkerrechtlichen Ausnahmeregeln, da zwischen der Einwilligung in die Klageänderung und dem Immunitätsverzicht für die geänderte Klage zu differenzieren ist. Die Einwilligung macht die Klageänderung zulässig, der Immunitätsverzicht führt zur Zulässigkeit der geänderten Klage. Nur die geänderte Klage ist im Fall der rügelosen Einlassung zulässig, wenn keine Ausnahme nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuStImm bzw. Art. 8 Abs. 1 S. 2 UN-Übereinkommen vorliegt. Demzufolge wird nach § 267 ZPO die Einwilligung des  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 45.  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (232). 578 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 45; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 630; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (232); Kann, JW 1910, 176 (177 f.). 579 Siehe auch Kapitel C.III. 2. b. dd. 576 577

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

beklagten Staates unwiderleglich vermutet, sobald er sich in der mündlichen Verhandlung rügelos auf die geänderte Klage einlässt. Zugleich unterwirft er sich damit konkludent der deutschen Gerichtsbarkeit, es sei denn, er erlangt von den seine Immunität begründenden Tatsachen erst nachträglich Kenntnis und beruft sich auf diese sobald wie möglich. d. Parteiwechsel Neben der objektiven Klageänderung ist auch ein gewillkürter Parteiwechsel als subjektive Klageänderung möglich, wenn ein ausländischer Staat an einem Zivilprozess beteiligt ist oder beteiligt werden soll. So erhob beispielsweise Mauretanien Klage gegen zwei Brüder auf Rückerstattung von Geldern, die der Finanzierung einer Spendenwerbekampagne in Deutschland dienen sollten. Im Laufe des Prozesses trat an die Stelle des mauretanischen Staates eine eigenständige Behörde, die für die Getreideversorgung verantwortlich war. Das Oberlandesgericht Hamm als Berufungsinstanz erachtete die subjektive Klageänderung für zulässig.580 Ein solcher Parteiwechsel auf der Klägerseite wirft auch keine besonderen Fragen im Hinblick auf die Staatenimmunität auf, da ein ausländischer Staat mit der Klageerhebung auf diese verzichtet. Daher soll nur die Konstellation interessieren, dass ein privater Kläger einen Parteiwechsel gegenüber einem ausländischen Staat auf der Beklagtenseite vornimmt. Dies erfordert mit Beginn der mündlichen Verhandlung analog § 269 Abs. 1 ZPO die Zustimmung des bisherigen Beklagten, da der Parteiwechsel ihm gegenüber einer Klagerücknahme gleichkommt.581 Stimmt ein beklagter Staat einem Parteiwechsel nicht zu, so muss das Gericht über die ursprüngliche Klage entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn ihm Immunität zukommt, so dass das Gericht die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen hat. Der neue Beklagte braucht hingegen einem Parteiwechsel in erster Instanz nicht zuzustimmen, da er einer Klageerhebung in einem gesonderten Prozess auch nicht zustimmen müsste. Gegen seinen Willen muss er aber weder die vom ursprünglichen Beklagten vorgenommenen Prozesshandlungen noch das bisherige Prozessergebnis gegen sich gelten lassen.582 Widerspricht demzufolge ein ausländischer Staat als neuer Beklagter einem Parteiwechsel, so ist er vor Gericht so zu behandeln, als ob gegen ihn erstmals die Klage erhoben worden wäre. Kommt ihm für den Rechtsstreit Immunität zu, so darf das Gericht nicht zur Sache verhandeln, sondern muss die Klage mangels deutscher Gerichtsbarkeit als unzulässig abweisen. Auf die umstrittene Frage,  OLG Hamm, IPRax 1996, 33 (34 f.). 65, 264 (267 f.); MünchKomm/Becker-Eberhard, § 263 Rdnr. 77; Wieczorek/ Schütze/Assmann, ZPO, § 263 Rdnr. 129; Lüke, Zivilprozessrecht, Rdnr. 109. 582  Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, vor §  50 Rdnr.  22; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 504, 507; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 42 Rdnrn. 21, 27. 580

581 BGHZ

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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ob die Zustimmung des neuen Beklagten entbehrlich ist, sollte analog § 263 ZPO sein Eintritt in den Prozess sachdienlich sein,583 kommt es nicht an, wenn das Gericht die Klage mangels Gerichtsbarkeit abweisen müsste. In diesem Fall wäre die subjektive Klageänderung ohnehin nicht sachdienlich, da – wie auch bei der objektiven Klageänderung584 – das bisherige Prozessergebnis nicht verwertet werden könnte und sie nicht zur endgültigen Beilegung des Rechtsstreits beitragen könnte. Stimmt der ausländische Staat als neuer Beklagter dem Parteiwechsel zu, so ist er an die Prozesshandlungen des bisherigen Beklagten und an das bisherige Prozessergebnis gebunden.585 Diese Bindungswirkung könnte allerdings entfallen, wenn er für den Rechtsstreit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen wäre. Allerdings impliziert die Zustimmung eines ausländischen Staates zu einem solchen Parteiwechsel einen Immunitätsverzicht. Stimmt er der subjektiven Klageänderung zu, so gibt er zu erkennen, dass er zur Sache verhandeln und eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen will. In diesem Fall tritt er an die Stelle des alten Beklagten und muss dessen bisherige Prozesshandlungen und das bisherige Prozessergebnis gegen sich gelten lassen.

2. Drittbeteiligungen: Streitverkündung, Nebenintervention und Hauptintervention Bislang stand das bipolare Prozessrechtsverhältnis zwischen einer Privatperson auf der einen Seite und einem ausländischen Staat auf der anderen Seite im Fokus der Untersuchungen. Einem ausländischen Staat könnte aber auch in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen der Streit verkündet werden, er könnte einer der Parteien im Wege der Nebenintervention beitreten oder sich in Form der Hauptintervention in einen Rechtsstreit einmischen. Ebenso könnte die Bundesrepublik Deutschland einem beklagten Staat zur Unterstützung beitreten. a. Streitverkündung gegenüber einem ausländischen Staat Glaubt eine Prozesspartei im Fall eines ungünstigen Prozessausgangs einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegenüber einem Dritten erheben zu können oder befürchtet sie, dass ein Dritter entsprechende Ansprüche gegen sie erheben wird, so kann sie nach § 72 Abs. 1 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten den Streit verkünden. Der Dritte 583  Vgl. hierzu näher Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 501 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 42 Rdnrn. 16 ff. 584  Siehe hierzu Kapitel C. VI. 1. c. 585  Vgl. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 263 Rdnr. 18; Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 7 Rdnr. 95; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 507.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

kann nach § 74 ZPO dem Streitverkünder beitreten oder auch den Beitritt ablehnen. In beiden Fällen tritt nach § 74 Abs. 3 i. V. m. § 68 Hs. 1 ZPO die sog. Interventionswirkung ein. In einem Folgeprozess wird der Streitverkündungsempfänger im Verhältnis zum Streitverkünder nicht mit der Behauptung gehört, der Ausgangsprozess sei unrichtig entschieden worden. Fraglich ist, ob auch einem ausländischen Staat der Streit verkündet werden kann, wenn ihm für einen im Folgeprozess geltend zu machenden Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung Immunität zukäme. Von einigen Stimmen wird in diesem Fall die Streitverkündung wegen des Mangels der Gerichtsbarkeit als unzulässig erachtet.586 Diese These bedarf einer näheren Untersuchung. Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage ist § 73 S. 2, 3 ZPO. Danach ist die Streitverkündungsschrift dem Dritten zuzustellen; erst mit der Zustellung wird die Streitverkündung wirksam. Die Frage muss also dahingehend präzisiert werden, ob das Gericht von der Zustellung der Streitverkündungsschrift absehen darf und muss, wenn einem ausländischen Staat im Folgeprozess Immunität zu gewähren wäre. Die Interventionswirkung der Streitverkündung nach § 74 Abs. 3 i. V. m. § 68 Hs. 1 ZPO kann nur dann eintreten, wenn das Gericht im Folgeprozess in der Sache entscheidet und nicht die Klage bereits wegen fehlender Gerichtsbarkeit als unzulässig abweist. Eine Streitverkündung würde in dieser Konstellation nur wenig Sinn machen. Gleichwohl darf das Gericht im Ausgangsprozess die Zustellung der Streitverkündungsschrift nicht davon abhängig machen, ob die Streitverkündung zweckmäßig ist. Es obliegt allein der streitverkündenden Prozesspartei zu entscheiden, ob sie diese Prozesshandlung vornimmt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die deutsche Gerichtsbarkeit nur Prozessvoraussetzung für die im Folgeprozess erhobene Klage, nicht aber Voraussetzung für die Zustellung der Streitverkündungsschrift ist. Das Gericht wäre nur dann gehindert, einem ausländischen Staat eine Streitverkündungsschrift zuzustellen, wenn dieser dadurch in seiner Immunität verletzt würde. Vergleichbar der Zustellung einer Klageschrift587 setzt auch die Zustellung einer Streitverkündungsschrift einen ausländischen Staat gem. § 166 Abs. 1 ZPO über einen anhängigen Rechtsstreit in Kenntnis und eröffnet ihm die Möglichkeit, diesem im Wege der Nebenintervention beizutreten. Durch die Zustellung wird der ausländische Staat als Streitverkündungsempfänger nicht zum Beitritt verpflichtet. Vielmehr kann er gem. § 74 Abs. 2 ZPO den Beitritt ablehnen oder sich hierzu nicht erklären, so dass der Rechtsstreit ohne Rücksicht 586  MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4; Zöller/Lückemann, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 4; Bobrik, Die Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 128; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 25; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 639; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 14. 587 Siehe Kapitel C. V. 1. a. bb.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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auf ihn fortgesetzt wird. In diesem Fall entsteht ihm auch für den Folgeprozess kein Nachteil, da eine gegen ihn erhobene Klage auf Gewährleistung oder Schadloshaltung ohnehin als unzulässig abzuweisen ist, wenn ihm Immunität zukommt. Der Vorprozess entfaltet damit keine Interventionswirkung. Demzufolge verletzt ein deutsches Gericht nicht die Souveränität des ausländischen Staates, indem es ihm den Inhalt der Streitverkündungsschrift bekannt gibt. Die Streitverkündung eröffnet vielmehr dem ausländischen Staat die Möglichkeit, dem Streitverkünder oder auch der anderen Prozesspartei zur Unterstützung beizutreten und so bereits im Ausgangsprozess für eine umfassende und endgültige Klärung des Rechtsstreits zu sorgen. Aber auch im Folgeprozess kann der ausländische Staat auf seine Immunität verzichten, so dass die Streitverkündung ihre Interventionswirkung entfalten kann. Diese Entscheidung, die von vielerlei politischen und wirtschaftlichen Faktoren abhängen kann, darf das deutsche Gericht nicht vorwegnehmen, sondern sie bleibt allein dem ausländischen Staat überlassen. Daher steht die Zustellung der Streitverkündungsschrift nicht zur Disposition des Gerichts. Vielmehr bleibt es bei der in § 73 S. 2 ZPO normierten Pflicht, diesen Schriftsatz dem ausländischen Staat zuzustellen.588 Die Zustellung erfolgt wie auch die Klageschrift in der Regel auf diplomatischem Weg.589 b. Nebenintervention eines ausländischen Staates Tritt ein ausländischer Staat, dem der Streit verkündet worden ist, dem Streitverkünder oder auch der Gegenpartei bei, so gibt er zu erkennen, dass er sich auf den Rechtsstreit einlassen und damit zugleich für den Ausgangsprozess auf seine Immunität verzichten will.590 Ebenso verzichtet er auf seine Immunität, wenn er aus eigener Initiative nach § 66 ZPO einer Partei im Wege der Nebenintervention zwecks ihrer Unterstützung beitritt. So regeln auch Art. 1 Abs. 1 EuStImm und Art. 8 Abs. 1 lit. b) UN-Übereinkommen, dass ein Vertragsstaat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates einem Verfahren als Intervenient beitritt, sich der Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates unterwirft. Infolge des Immunitätsverzichts können dem beigetretenen Staat, wenn die von ihm unterstützte Partei unterliegt, auch nach § 101 Abs. 1 Hs. 2 ZPO die durch die Nebenintervention verursachten Kosten auferlegt werden.

588 So

Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 639.  Siehe näher Kapitel C. V. 1. b. 590  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 39 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 639a; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (220); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 17; für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 403. 589

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Im Unterschied zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität schränkt Art. 8 UN-Übereinkommen diesen Grundsatz in zwei Fällen ein: So kann nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 UN-Übereinkommen ein Staat, der einem anderen Verfahren als Intervenient beigetreten ist, doch Immunität beanspruchen, wenn er gegenüber dem Gericht nachweist, dass er von den immunitätsbegründenden Tatsachen erst nachträglich Kenntnis erlangen konnte, und er sich auf diese Tatsachen sobald wie möglich beruft. Art. 8 Abs. 2 lit. a) UN-Übereinkommen stellt klar, dass es nicht als Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit durch das Gericht eines anderen Staates gilt, wenn ein Staat einem Verfahren als Intervenient nur beitritt, um sich auf seine Immunität zu berufen. In beiden Fällen fehlt es an einem Verzichtswillen des beigetretenen Staates. Verzichtet ein ausländischer Staat durch eine Nebenintervention auf seine Immunität für den Ausgangsprozess, so erstreckt sich sein Verzichtswille regelmäßig nicht auf den Folgeprozess, in dem er Beklagter ist.591 Wenn er im Ausgangsprozess einer der Prozessparteien beitritt, weiß er nicht, ob und ggf. welche Ansprüche auf Gewährleistung oder Schadloshaltung der Streitverkünder vor welchem Gericht gegen ihn erheben wird. Aber nicht nur die Art und Höhe der Ansprüche, sondern auch der Sachverhalt, auf denen der Kläger des Folgeprozesses die Ansprüche stützen wird, können während des Ausgangsprozesses noch offen sein. Darüber hinaus ist die Stellung eines ausländischen Staates als Beklagten im Folgeprozess mit größeren Risiken verbunden. Insbesondere kann er im Unterschied zum Nebenintervenienten nicht nur in den Kosten, sondern auch in der Hauptsache verurteilt werden. Daher muss ein ausländischer Staat für den Folgeprozess erneut auf seine Immunität verzichten, es sei denn, er ist wegen der Natur des Streitgegenstandes ohnehin nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Kommt ihm für den Folgeprozess keine Immunität zu, dann hat er das Ergebnis des Ausgangsprozesses nach Maßgabe des § 68 ZPO gegen sich gelten zu lassen. Fehlt es hingegen an der deutschen Gerichtsbarkeit für den Folgeprozess, so ist eine entsprechende Klage bereits durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Mangels einer Sachentscheidung kann die Nebenintervention in diesem Fall keine Wirkung entfalten. c. Nebenintervention des deutschen Staates Übt ein deutsches Gericht seine Gerichtsbarkeit gegenüber einem ausländischen Staat aus, obwohl ihm Immunität zu gewähren wäre, so haftet die Bundesrepublik Deutschland – um dies vorwegzunehmen – ihm gegenüber nach dem völkerrechtlichen Regeln zur Staatenverantwortlichkeit.592 Darüber hinaus kön591  Vgl. für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 403 f. 592 Siehe ausführlich Kapitel E. I. 1. a.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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nen auch die außenpolitischen Beziehungen zwischen beiden Staaten belastet werden. Aus diesem Grund muss es der Bundesrepublik Deutschland – vertreten durch den Außenminister – möglich sein, einer potentiellen völkerrechtlichen Haftung bereits im Vorfeld effektiv zu begegnen.593 Dabei kann der Außenminister allerdings nicht unmittelbar durch Weisungen Einfluss auf die Prozessführung und die Entscheidung eines Gerichts nehmen. Dies verbietet der in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verbürgte Gewaltenteilungsgrundsatz sowie die in Art. 97 Abs. 1 GG verbürgte richterliche Unabhängigkeit. Diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen steht aber nicht entgegen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Möglichkeiten an einem Prozess zwischen einer Privatperson und einem beklagten Staat beteiligt, um eine mögliche Fehlentscheidung zu verhindern. Ein probates Mittel hierfür könnte sein, dass sie, vertreten durch den Außenminister, dem beklagten ausländischen Staat zur Unterstützung im Wege der Nebenintervention beitritt. Diesen Vorschlag machten bereits 1966 Schlosser594 und 1968 Habscheid595, ohne dass er danach in nennenswerter Weise weiter verfolgt worden wäre. Dies soll an dieser Stelle nachgeholt werden. Nach § 66 Abs. 1 ZPO setzt die Nebenintervention das rechtliche Interesse des Nebenintervenienten voraus, dass in einem anhängigen Rechtsstreit die unterstützte Partei obsiegt. Dieses Interesse ist dann gegeben, wenn die Rechtsstellung des Nebenintervenienten durch ein der unterstützten Partei ungünstiges Urteil rechtlich verschlechtert oder durch ein ihr günstiges Urteil rechtlich verbessert wird. Praktisch am wichtigsten ist der Fall, dass die unterstützte Partei, wenn sie in dem Ausgangsrechtsstreit unterliegen sollte, einen Anspruch gegen den Nebenintervenienten hätte.596 Genau so ein rechtliches Interesse hat die Bundesrepublik Deutschland: Verurteilt ein deutsches Gericht einen ausländischen Staat, anstatt die Klage mangels Gerichtsbarkeit als unzulässig abzuweisen, so haftet sie ihm gegenüber – wie soeben erwähnt – nach den völkerrechtlichen Regeln zur Staatenverantwortlichkeit. Daher ist es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass das Gericht seine Gerichtsbarkeit nur in den völkerrechtlich zulässigen Grenzen ausübt und den ausländischen Staat erst gar nicht in seiner Immunität verletzt. Infolgedessen kann sie dem ausländischen Staat als Streithelfer beitreten.597 593  Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (193 f.); für die Wiederaufnahmeklage und die Einlegung von Rechtsmitteln vgl. auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 218, 531. 594 Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (195). 595  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (246 ff.); ders. in: ders./Hoffmann-Nowotny u. a. (Hrsg.), FS Giger, S. 213 (221). 596 MünchKomm/Schultes, ZPO, §  66 Rdnr. 17; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 66 Rdnr. 5; Lüke, Zivilprozessrecht, Rdnr. 450. 597  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (246); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (194).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Die Nebenintervention eröffnet der Bundesrepublik Deutschland nach § 67 ZPO die Möglichkeit, alle Angriffs‑ und Verteidigungsmittel geltend zu machen sowie alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit diese nicht zu den Erklärungen und Handlungen des beklagten ausländischen Staates im Widerspruch stehen. Insbesondere kann er Tatsachen vortragen und Rechtsausführungen machen, Beweisanträge stellen, Rechtsmittel einlegen und den Streit über das Vorliegen der Gerichtsbarkeit notfalls anstelle des ausländischen Staates führen.598 Die Interventionswirkung nach § 68 ZPO, also die Bindung der im Ausgangsprozess ergangenen Entscheidung für den Folgeprozess, tritt aber im Verhältnis des deutschen Staates zum ausländischen Staat nicht ein. Ein Staat macht seine völkerrechtlichen Ansprüche gegenüber einem anderen Staat üblicherweise nicht durch Anrufung eines nationalen Gerichts, sondern durch diplomatische Mittel oder durch Anrufung des Internationalen Gerichtshofs oder eines internationalen Schiedsgerichts geltend.599 Dies bedeutet aber nicht, dass die Nebenintervention in Ermangelung eines möglichen Folgeprozesses unzulässig wäre. Sie setzt nach § 66 ZPO nur ein rechtliches Interesse des Streithelfers am Obsiegen der unterstützten Partei, nicht aber einen Folgeprozess im Fall deren Unterliegens voraus. Sie dient dem Zweck, dass die unterstützte Partei den Rechtsstreit gewinnt und es somit gar nicht zu einem Folgeprozess kommt.600 Damit die Bundesrepublik Deutschland dem beklagten ausländischen Staat allerdings überhaupt als Streithelfer unterstützend beitreten kann, muss sie  – oder genauer der sie vertretende Außenminister – von dem anhängigen Rechtsstreit Kenntnis erlangen. Nun ist aber das Gericht ihnen gegenüber de lege lata nicht zu einer entsprechenden Mitteilung verpflichtet. Aus diesem Grund schlägt Habscheid vor, die Pflicht gesetzlich zu verankern, dass ein deutsches Zivilgericht ein Gutachten des Auswärtigen Amtes zur Frage der deutschen Gerichtsbarkeit einzuholen habe, wenn der Beklagte ein ausländischer Staat sei. Dadurch könne die Bundesregierung über einen anhängigen Rechtsstreit informiert werden.601 Es mag sich zwar in einigen Fällen als sinnvoll erweisen, dass ein Gericht ein entsprechendes Gutachten einholt. Gleichwohl schießt dieser Vorschlag über das Ziel hinaus, da es in der Regel die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit selbst in richterlicher Unabhängigkeit beurteilen kann und muss. Nur bei Zweifeln über 598  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (248). Eine weniger weitgehende, aber spezielle Regelung gibt es im argentinischen Recht: So gewährt Art. 7 des Gesetzes zur Inmunidad Jurisdiccional de los Estados Extranjeros ante los Tribunales Argentinos dem argentinischen Außenministerium das Recht, als amicus curiae seine Ansichten zu Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Art zu äußern, vgl. dazu Zuppi, RIW 2007, 340 (346). 599 Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 55 Rdnrn. 5 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rdnrn. 1 ff. 600  MünchKomm/Schultes, ZPO, § 66 Rdnr. 1; Lüke, Zivilprozessrecht, Rdnr. 449. 601 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (247).

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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Existenz und Inhalt der völkerrechtlichen Immunitätsregeln hat es nach Art. 100 Abs. 2 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.602 Aber auch nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz ist die Rechtsprechung exklusiv den Gerichten vorbehalten. Anstatt das Auswärtige Amt mit der aufwändigen Erstattung eines Rechtsgutachtens zu beauftragen, genügt es, wenn das deutsche Gericht es von dem anhängigen Rechtsstreit in Kenntnis setzt. Dies ist allerdings bei der Zustellung auf diplomatischem Weg ohnehin der Fall. Hier leitet das Bundesamt für Justiz nach § 54 Abs. 2 S. 3 ZRHO die Klageschrift dem Auswärtigen Amt zu, das nach der Prüfung, dass einer Zustellung keine auswärtigen Interessen entgegenstehen, die Klageschrift der deutschen Botschaft in dem ausländischen Staat weiterleitet.603 Nur bei der Inlandszustellung wird das Auswärtige Amt nicht in Kenntnis gesetzt. In diesem Fall wäre die gesetzliche Verankerung einer Informationspflicht des Gerichts gegenüber dem Außenminister zu begrüßen. Erst wenn er von einem Rechtsstreit gegen einen ausländischen Staat Kenntnis erlangt, eröffnet sich ihm die Möglichkeit zur Nebenintervention. d. Hauptintervention Ein Dritter kann sich nicht nur in Form der Nebenintervention an einem Rechtsstreit beteiligen, sondern § 64 ZPO eröffnet ihm auch die Möglichkeit einer Hauptintervention. Nach dieser Vorschrift kann jemand, der eine Sache oder ein Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, zumindest teilweise für sich in Anspruch nimmt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem Gericht geltend machen, vor dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszug anhängig wurde. Die Hauptintervention erfordert also eine selbstständige Klage gegen beide Parteien und begründet einen neuen selbstständigen Prozess, den sog. Interventionsprozess.604 Der Hauptintervenient ist am Hauptprozess nicht beteiligt, sondern § 64 ZPO gewährt ihm für den Interventionsprozess lediglich die Möglichkeit, die Parteien des Hauptprozesses als Streitgenossen vor dem Gericht des Hauptprozesses zu verklagen.605 Ist eine der Prozessparteien ein ausländischer Staat, so richtet sich die deutsche Gerichtsbarkeit nach den gleichen Grundsätzen, wie wenn der Hauptintervenient gegen ihn ohne Hauptprozess eine Klage angestrengt hätte. Insbesondere erstreckt sich ein etwaiger Immunitätsverzicht des ausländischen Staates für  Siehe näher Kapitel C. VII. 2. c. aa., bb.  Siehe bereits Kapitel C. V. 1. b. 604 Prütting/Gehrlein/Gehrlein, ZPO, § 64 Rdnr. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 64 Rdnr. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 64 Rdnr. 1. 605  Prütting/Gehrlein/Gehrlein, ZPO, § 64 Rdnr. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 64 Rdnr. 4. 602 603

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den Hauptprozess nicht auf die Einmischungsklage, da die Klageparteien und der Streitgegenstand verschieden sind. Auch einem ausländischen Staat steht es offen, sich im Wege der Hauptintervention in einen Rechtsstreit einzumischen. Da er dann Kläger des Interventionsprozesses ist, liegt die Annahme nahe, dass er mit der Erhebung der Einmischungsklage zugleich auf seine Immunität verzichtet. So sehen Art. 1 Abs. 1 EuStImm und Art. 8 Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen vor, dass sich ein Staat, der vor einem Gericht eines anderen Staates ein Verfahren anhängig macht, für das Verfahren der Gerichtsbarkeit dieses Staates unterwirft. Von diesem Grundsatz scheint Art. 13 EuStImm allerdings eine Ausnahme zu machen. Danach findet Art. 1 Abs. 1 EuStImm keine Anwendung, wenn ein Vertragsstaat in einem vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates anhängigen Verfahren, in dem er nicht Partei ist, geltend macht, er habe ein Recht an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vermögen. Auch nach Art. 8 Abs. 2 lit. b) UN-Übereinkommen gilt es nicht als Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit durch das Gericht eines anderen Staates, wenn ein Staat Maßnahmen ergreift, nur um ein Recht an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vermögen geltend zu machen. Diese beiden Ausnahmeregelungen setzen allerdings voraus, dass der ausländische Staat im anhängigen Hauptprozess ein Recht an dem streitgegenständlichen Vermögen geltend macht.606 Die Hauptintervention nach § 64 ZPO erfordert hingegen eine eigenständige Klage des ausländischen Staates und begründet einen neuen Prozess. Daher verbleibt es bei dem Grundsatz, dass er mit der Erhebung einer Einmischungsklage zugleich auf seine Immunität für den Interventionsprozess verzichtet.

3. Widerklage Hat ein ausländischer Staat vor einem deutschen Gericht eine Klage erhoben, so kann der Beklagte zum Gegenangriff übergehen und sich mit einer Widerklage „revanchieren“. Ebenso ist es umgekehrt möglich, dass ein beklagter Staat auf eine gegen ihn gerichtete Klage mit einer Widerklage reagiert. Für die Widerklage sieht § 33 Abs. 1 ZPO einen besonderen Gerichtsstand vor. Danach kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln im Zusammenhang steht. Auch nach Art. 8 Nr. 3 EuGVVO kann eine Widerklage vor dem Gericht, bei dem eine Klage anhängig ist, erhoben werden, sofern sie auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird. Dieser privilegierte Gerichtsstand dient we606  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (34); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 12; O’Keefe/Tams/Borelli/Olleson, UNCSI, Art. 8, S. 134.

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niger der prozessualen Waffengleichheit als vielmehr der Prozessökonomie und der Vermeidung widersprechender Entscheidungen. Zusammengehörige Rechtsstreitigkeiten können und sollen von demselben Gericht entschieden werden.607 a. Widerklage gegen einen ausländischen Staat als Kläger Eine Widerklage, die sich gegen einen ausländischen Staat als Kläger richtet, ist jedenfalls dann zulässig, wenn ihm für eine Klage in einem gesonderten Zivilprozess ebenfalls keine Immunität zukäme.608 So sieht auch Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuStImm vor, dass ein Vertragsstaat vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates für eine Widerklage keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen kann, wenn er diese auch nicht hätte beanspruchen können, wäre eine besondere Klage gegen ihn erhoben worden. Dies folgt aus der Rechtsnatur der Widerklage als eigenständiger Klage: Sie ist kein Verteidigungsmittel, sondern ein vom Prozessschicksal der Hauptklage unabhängiger Angriff des Beklagten.609 Ist die deutsche Gerichtsbarkeit für eine Klage, die sich gegen einen ausländischen Staat richtet, gegeben, so muss dies konsequenterweise auch für eine entsprechende Widerklage gelten. Daher kann es keinen Unterschied machen, ob ein Beklagter gegen einen ausländischen Staat eine Widerklage oder eine separate Klage erhebt.610 aa. Gerichtsbarkeit für konnexe Widerklagen Schwieriger ist hingegen die Frage nach dem Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit für eine gegen einen ausländischen Staat gerichtete Widerklage zu beantworten, wenn er für eine separate Klage Immunität beanspruchen könnte. Jedenfalls verzichtet er mit der Erhebung einer Klage nicht automatisch auf seine Immunität für eine gegen ihn gerichtete Widerklage.611 Ohne besondere 607 BGHZ 40, 185 (190); MünchKomm/Patzina, ZPO, § 33 Rdnr. 1; Prütting/Gehrlein/ Wern, ZPO, § 33 Rdnr. 2; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 400. 608  Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2018; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 59; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 636; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 ( 227). 609  Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 33 Rdnr. 8; Prütting/Gehrlein/Wern, ZPO, § 33 Rdnr. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 33 Rdnrn. 7 f. 610  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 45; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 636; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 65 f. 611  Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, JW 1930, 213 (214 f.) m. zust. Anm. Pagenstecher; BGHZ 19, 341 (347); Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2018; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 62; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (229); Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 68; anders noch obiter dictum RGZ 62, 165 (167).

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Anhaltspunkte lässt sich ein solch genereller Verzichtswille nicht annehmen, da der widerbeklagte Staat im Zeitpunkt seiner Klageerhebung weder weiß, dass der Beklagte gegen ihn eine Widerklage erheben wird, noch deren Inhalt kennt. Von diesem Grundsatz könnte aber dann eine Ausnahme zu machen sein, wenn gegen den ausländischen Staat eine konnexe Widerklage erhoben wird. Eine Konnexität, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Klage eines ausländischen Staates und einer gegen ihn gerichteten Widerklage besteht dann, wenn die klageweise und widerklageweise geltend gemachten Ansprüche demselben Rechtsverhältnis oder einem einheitlichen Lebensvorgang entspringen.612 Allerdings erfordert auch § 33 Abs. 1 ZPO, dass der Anspruch der Widerklage mit dem Anspruch der Hauptklage oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln im Zusammenhang steht. Folgt man der Auffassung der Rechtsprechung, welche die Konnexität als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Widerklage erachtet,613 so wäre eine inkonnexe Widerklage ohnehin als unzulässig abzuweisen. Nach der überzeugenderen Gegenansicht, die sich auf den Wortlaut des § 33 Abs. 1 ZPO, auf dessen systematische Stellung innerhalb der Vorschriften zum Gerichtsstand und auf die in § 145 Abs. 2 ZPO vorgesehene Möglichkeit zur Abtrennung einer inkonnexen Widerklage stützt, ist das Konnexitätserfordernis hingegen keine Prozessvoraussetzung, sondern nur eine Voraussetzung für den besonderen Gerichtsstand der Widerklage.614 Unter dieser Prämisse kommt der Konnexität einer Widerklage als Voraussetzung für die deutsche Gerichtsbarkeit eigenständige Bedeutung zu. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob einem ausländischen Staat für eine konnexe Widerklage keine Immunität zu gewähren ist, wenn sie sein hoheitliches Handeln zum Gegenstand hat. Für die Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität gibt Art. 1 Abs. 2 lit. a) EuStImm eine Antwort. Danach kann ein Vertragsstaat vor den Gerichten des anderen Vertragsstaates für eine Widerklage keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn sich die Widerklage aus dem Rechtsverhältnis oder aus dem Sachverhalt herleitet, auf den sich die Hauptklage stützt. Nach Auffassung von Eickhoff liegt aber die Vermutung nahe, dass sich in diese Regelung eine Ungenauigkeit eingeschlichen habe, da sie im Unterschied zu vielen anderen Regelungen des EuStImm nicht zwischen hoheitlichem und privatrechtlichem Tätigwerden unterscheide. Daher sei Art. 1 Abs. 2 lit. a) EuStImm dahingehend auszulegen, dass allein durch die Klageerhebung eine Unterwerfung für Widerklagen, die Hoheitsakte zum Gegenstand der Beurteilung

612  Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 33 Rdnr. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 33 Rdnr. 15; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (81 f.). 613  RGZ 110, 96 (98); BGHZ 40, 185 (187); 147, 220 (224 f.); BGH, NJW 1975, 1228 (1228). 614  BeckOK/Toussaint, ZPO, § 33 Rdnrn. 11.2 f.; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 33 Rdnr. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 33 Rdnr. 1; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 738.

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hätten, nicht erfolge.615 Einer solch restriktiven Interpretation steht aber nicht nur der klare Wortlaut der Regelung, sondern auch ihre systematische Stellung entgegen. Während einem Staat nach Art. 4 bis 11 EuStImm für acta iure gestionis keine Immunität zukommt, kann er nach Art. 1 bis 3 und Art. 12 EuStImm keine Immunität beanspruchen, wenn er sich ausdrücklich oder konkludent der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen hat. Darüber hinaus wäre Art. 1 Abs. 2 lit. a) EuStImm obsolet, wäre diese Bestimmung nur auf Widerklagen über nichthoheitliches Handeln anwendbar. In diesem Fall kann ein Staat bereits nach Art. 4 ff. EuStImm keine Immunität beanspruchen.616 Auch nach Art. 9 Abs. 1 UN-Übereinkommen kommt einem ausländischen Staat für eine konnexe Widerklage, die sein hoheitliches Handeln zum Gegenstand hat, keine Immunität zu. Nach dieser Regelung kann sich ein Staat, der vor einem Gericht eines anderen Staates ein Verfahren anhängig macht, vor diesem Gericht für eine Widerklage, die sich aus demselben Rechtsverhältnis oder Sachverhalt wie die Hauptklage herleitet, nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen. Ebenso ist ein ausländischer Staat nach § 1607 (b) FSIA und sec. 2 (6) SIA durch seine Klageerhebung der US-amerikanischen bzw. englischen Gerichtsbarkeit für eine Widerklage (counterclaim) unterworfen, die auf demselben Rechtsverhältnis oder denselben Tatsachen wie die Klage beruht. In vergleichbarer Weise können sich nach Art. 32 Abs. 3 WÜD ein Diplomat und nach Art. 45 Abs. 3 WÜK ein Konsularbeamter nicht auf ihre diplomatische bzw. konsularische Immunität für eine Widerklage berufen, die im unmittelbaren Zusammenhang zur Hauptklage steht. Diese Bestimmungen sind letztlich Ausdruck der völkergewohnheitsrechtlichen Regel, dass ein ausländischer Staat, der vor dem Gericht eines anderen Staates eine Klage erhoben hat, keine Immunität für eine Widerklage beanspruchen kann, wenn diese auf demselben Rechtsverhältnis oder demselben Sachverhalt wie die Klage beruht.617 Dies sah schon das Reichsgericht zu Zeiten der absoluten Staatenimmunität so, als es 1925 die Widerklage des Deutschen Reiches gegen Portugal für zulässig hielt. Portugal verklagte zunächst das Deutsche 615 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 64 f., 70. 616  So im Ergebnis Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 637, 708. Auch in der Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (31) und im Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 5 finden sich keine Anhaltspunkte für die von Eickhoff vorgeschlagene restriktive Interpretation. 617  So MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 10; Zöller/Lückemann, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 6; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 46; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 193, 391 f.; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 87 f., 162; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 635; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 68; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 24; Schack, internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 191; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983).

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Reich auf Schadensersatz aus einem Schiffsunfall auf dem Kaiser-Wilhelm-Kanal, da der Mast eines portugiesischen Handelsdampfers mangels entsprechender Hinweise eines deutschen Lotsen an einer Brücke hängen geblieben war. Das Deutsche Reich erhob im Gegenzug Widerklage auf Ersatz der Brückenschäden. Nach Auffassung des Reichsgerichts ist es wegen des Zusammenhangs zwischen Klage‑ und Widerklageanspruch unbedenklich, dass Portugal mit einer Widerklage von dem beklagten Deutschen Reich belangt werden könne.618 Das Konnexitätskriterium trägt den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung. So ist einerseits eine gegen einen ausländischen Staat gerichtete Widerklage über einen hoheitlichen Streitgegenstand unzulässig, wenn sie mit der Klage in keinem Zusammenhang steht. Der Beklagte kann nicht die Klage des ausländischen Staates als willkommenen Anlass nehmen, sämtliche Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, für die diesem im Fall einer separaten Klage Immunität zukäme.619 Liefe ein ausländischer Staat mit der Erhebung einer Klage vor einem deutschen Gericht Gefahr, mit Widerklagen überzogen zu werden, die keinen Bezug zu seiner Klage haben, so wäre der Grundsatz der relativen Staatenimmunität ausgehöhlt und damit die Stellung des ausländischen Staates als souveränes und gleichwertiges Völkerrechtssubjekt tangiert. Andererseits darf das Recht des Beklagten und Widerklägers auf Zugang zu Gericht nicht dergestalt verkürzt werden, dass ein ausländischer Staat den seiner Klageforderung zu Grunde liegenden Sachverhalt nur insoweit entscheiden zu lassen braucht, als dies für ihn günstig ist. Nimmt er ein deutsches Gericht für die Titulierung seiner Klageforderung in Anspruch, so muss er es hinnehmen, dass es auch über die damit im Zusammenhang stehenden Ansprüche des Beklagten verhandelt und entscheidet.620 Oder wie es Habscheid formuliert: Wenn ein ausländischer Staat als Kläger den „guten Tropfen“ will, muss er auch als Widerbeklagter den „bösen Tropfen“ in Kauf nehmen.621 Infolgedessen sind die deutschen Gerichte für eine Widerklage über einen hoheitlichen Streitgegenstand dann zur Entscheidung berufen, wenn diese mit der Klage in einem unmittelbaren Zusammenhang steht. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Beklagte gegen einen ausländischen Staat eine Drittwiderklage erhoben hat. Diese ist zwar jedenfalls als parteierweiternde Widerklage zulässig, wenn der widerbeklagte private Kläger und der drittwider618 RGZ 111, 375 (380). Vgl. auch RGZ 111, 149 (149 f.), das eine Widerklage gegen einen Legationssekretär einer chinesischen Gesandtschaft für zulässig hielt. Dieser verlangte mit seiner Klage zunächst die Lieferung eines Pkws aus einem Kaufvertrag, woraufhin die Beklagte Widerklage auf dessen Rückgabe erhob, da er mittlerweile im Wege einer einstweiligen Verfügung in den Besitz des Legationssekretärs gelangt war. 619  O’Keefe/Tams/Borelli/Olleson, UNCSI, Art. 9, S. 151; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 401. 620  Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 400 f. 621 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (230).

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beklagte ausländische Staat Streitgenossen i. S. v. §§ 59 f. ZPO sind.622 Kann der Staat aber für eine separate Klage Immunität beanspruchen, so muss dies auch für die Drittwiderklage gelten. Auf die Konnexität zwischen Klage und Widerklage kommt es hier nicht an, da die Klage nur zwischen den beiden Privatparteien, nicht aber Verhältnis zum ausländischen Staat anhängig ist. Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich daher nicht auf eine Drittwiderklage, die das hoheitliche Handeln eines ausländischen Staates zum Gegenstand hat. bb. Begrenzung der Widerklagesumme auf die Höhe der Klageforderung? Nach § 1607 (c) FSIA unterliegt ein ausländischer Staat für eine Widerklage, selbst wenn sie mit der Hauptklage nicht im Zusammenhang steht, der USamerikanischen Gerichtsbarkeit in dem Ausmaß, in dem sie in ihrer Höhe oder in ihrer Art die Klageforderung nicht übersteigt. Aus dieser Vorschrift wird vereinzelt der Schluss gezogen, ein ausländischer Staat unterliege auch einer inkonnexen Widerklage über sein hoheitliches Handeln bis zur Höhe der mit seiner Klage geltend gemachten Forderung der deutschen Gerichtsbarkeit.623 Allerdings bleibt diese Regel ein Spezifikum des FSIA, da sie weder in den Übereinkommen zur Staatenimmunität verankert noch Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts624 ist. Ebenso wenig enthält der SIA eine vergleichbare Bestimmung. Allein die Begrenzung der Widerklagesumme auf die Höhe der Klageforderung kann den Eingriff in die Souveränität des ausländischen Staates auch nicht rechtfertigen. Während ein widerbeklagter Staat für eine konnexe Widerklage keine Immunität beanspruchen kann, da er sich andernfalls widersprüchlich verhielte, ist die Höhe der Klageforderung kein Sachkriterium, sondern nur ein formales Kriterium. Die dem völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der relativen Staatenimmunität zu Grunde liegende Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis wäre ausgehöhlt, hält man sich folgendes Szenario vor Augen: Immer wenn ein ausländischer Staat eine Klage vor einem deutschen Gericht erhebt, etwa weil es für einen Immobiliarprozess ausschließlich zuständig ist, könnte der Beklagte Ansprüche über eine hoheitliche Tätigkeit des Staates im Wege der Widerklage bis zur Höhe der Klageforderung geltend machen. Aber auch andere Gläubiger könnten ihre Ansprüche, denen ein hoheitliches Handeln zu Grunde liegt, an den Beklagten abgetreten und sie so gegenüber dem ausländischen Staat vor Gericht durchsetzen. In Anlehnung an § 1607 (c) FSIA wird vorgeschlagen, die Höhe der Klageforderung nicht zum alleinigen, sondern zum zusätzlichen Kriterium neben dem Konnexitätserfordernis zu machen. Für die gegen einen ausländischen Staat ge622 Vgl. BGHZ 40, 185 (188); Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 33 Rdnr. 41; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 33 Rdnr. 12. 623  Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (82). 624 So Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 49.

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richtete Widerklage soll die deutsche Gerichtsbarkeit nur gegeben sein, wenn die Widerklage mit der Klage im Zusammenhang stehe und soweit die Summe der Widerklageforderung die der Hauptklageforderung nicht übersteige.625 Hierfür werden teils die englischen Gerichte bemüht, die bereits früh darauf hingewiesen hätten, dass eine Widerklage „as a shield, not as a sword“ erhoben werden könne.626 Im deutschen Zivilprozessrecht stellt die Widerklage allerdings einen selbstständigen Angriff und nicht lediglich ein Verteidigungsmittel dar. Während Letzteres allenfalls die Klageforderung zu Fall bringen kann, kann das Gericht einer Widerklage auch bei Stattgabe oder Rücknahme der Klage stattgegeben.627 Gleichwohl setzt sich ein ausländischer Staat mit der Erhebung einer Klage vor einem deutschen Gericht dem ihm noch unbekannten Prozessrisiko aus, dass die Widerklagesumme die Klagesumme um ein Vielfaches übersteigt. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein spezifisches Risiko, das nur einen ausländischen Staat als Kläger trifft, sondern um das allgemeine Prozessrisiko eines jeden Klägers. Eine Begrenzung der Widerklageforderung auf die Höhe der Klageforderung würde daher nicht dem völkerrechtlich gebotenen Schutz der Staatenimmunität, sondern der Begrenzung des Prozessrisikos dienen. Eine solche Risikominimierung und damit Bevorzugung gegenüber einem privaten Kläger gebietet aber weder das Völkerrecht noch das deutsche Zivilprozessrecht. Vor allem aber sei der Grund für die Zulässigkeit einer konnexen Widerklage nochmals in Erinnerung gerufen: Erhebt ein ausländischer Staat eine Klage vor einem deutschen Gericht, so muss er es hinnehmen, dass dieses nicht einseitig, sondern umfassend über den der Klageforderung zu Grunde liegenden Sachverhalt entscheidet. In diesem Fall wäre es widersprüchlich, wenn er sich auf seine Immunität für eine konnexe Widerklage berufen könnte. Darf und muss das Gericht umfassend über den Sachverhalt entscheiden, so besteht kein Anlass, die Widerklagesumme auf die Höhe der Klageforderung zu begrenzen. b. Widerklage eines ausländischen Staates als Beklagten Einfacher lässt sich die Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit für eine Widerklage in der umgekehrten Situation beantworten, nämlich wenn ein ausländischer Staat als Beklagter eine Widerklage gegen eine Privatperson als Kläger erhebt. Er verzichtet nicht nur mit der Erhebung einer Klage in einem separaten Prozess,628

625 Malina, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 74 ff.; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (31). 626 Malina, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 75 mit Verweis auf Stooke v. Taylor [1880] 5 Q. B. D. 569 at 575. 627  Prütting/Gehrlein/Wern, ZPO, § 33 Rdnr. 35; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 180. 628 Siehe hierzu Kapitel C. III. 2. b. bb.

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sondern auch mit der Erhebung einer Widerklage auf seine Immunität.629 Zugleich verzichtet er dadurch auf seine Immunität für die Hauptklage, die sein hoheitliches Handeln zum Gegenstand hat. So unterwirft sich nach Art. 1 Abs. 3 EuStImm ein Vertragsstaat, der vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates eine Widerklage erhebt, dessen Gerichtsbarkeit sowohl für die Hauptklage als auch für die Widerklage. Auch nach Art. 9 Abs. 3 UN-Übereinkommen kann sich ein Staat, der eine Widerklage in einem Verfahren vor dem Gericht eines anderen Staates erhebt, für die Hauptklage nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen. Antwortet ein ausländischer Staat also auf eine gegen ihn erhobene Klage mit einer Widerklage, so lässt er sich auf die Klage ein und gibt zu erkennen, dass er den anhängigen Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht verhandeln und von diesem entscheiden lassen will. Dadurch verzichtet er vergleichbar der rügelosen Einlassung zur Sache auf seine Immunität für die Klage.630 Will er sich dagegen für die Klage nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen, so steht es ihm frei, anstelle einer Widerklage eine separate Klage zu erheben. Teilweise wird auch bei der Erhebung einer Widerklage durch einen ausländischen Staat ein unmittelbarer Zusammenhang zur Klage gefordert.631 Ein Konnexitätserfordernis lässt sich aber weder Art. 1 Abs. 3 EuStImm noch Art. 9 Abs. 3 UN-Übereinkommen entnehmen. Auch ist die Situation, dass ein ausländischer Staat eine Widerklage erhebt, nicht mit der Situation vergleichbar, dass gegen ihn eine Widerklage erhoben wird. Während er bei der Erhebung einer Klage vor einem deutschen Gericht noch nicht weiß, ob und ggf. über welche Ansprüche der Beklagte eine Widerklage erheben wird, hat er in der umgekehrten Konstellation bereits Kenntnis von der Klage. Nur in diesem Fall kann er sich frei entscheiden, ob er sich durch die Erhebung einer Widerklage statt einer separaten Klage auf den gesamten Rechtsstreit einlässt und somit auch für die Klage auf seine Immunität verzichtet. Stimmt er durch die Erhebung einer Widerklage der Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit zu, so bedarf er keines Schutzes durch das Erfordernis einer Konnexität zwischen Klageforderung und Widerklageforderung.632

629  Dickinson/Lindsey/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.018; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (81). 630  O’Keefe/Tams/Borelli/Olleson, UNCSI, Art. 9, S. 148; Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2018; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 88; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 634a. 631  Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 88; für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 402. 632  Ähnlich auch O’Keefe/Tams/Borelli/Olleson, UNCSI, Art. 9, S. 149; Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2018; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 68.

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4. Prozessaufrechnung Steht einer Privatperson, die von einem ausländischen Staat vor einem deutschen Gericht verklagt worden ist, eine Gegenforderung zu, so könnte sie diese anstatt mit einer Widerklage auch mit einer Aufrechnung geltend machen. Die Aufrechnung im Zivilprozess hat eine Doppelnatur: Durch die Erklärung der Aufrechnung übt der Beklagte ein materielles Gestaltungsrecht aus, während er durch die Geltendmachung der erklärten Aufrechnung im Prozess eine Prozesshandlung vornimmt.633 Wie soeben erörtert, ist für eine Widerklage gegen einen ausländischen Staat nur dann die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben, wenn er für eine separate Klage ebenfalls keine Immunität beanspruchen könnte oder wenn der Widerklageanspruch mit dem Klageanspruch im Zusammenhang steht.634 Fraglich ist, ob diese Einschränkungen auch für die Zulässigkeit der Prozessaufrechnung gelten. a. Aufrechnung gegenüber einem ausländischen Staat als Kläger Weder das Europäische Übereinkommen noch das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität regeln die Prozessaufrechnung gegenüber einem ausländischen Staat als Kläger. Daher lässt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Aufrechnung nur nach den allgemeinen Grundsätzen zur Staatenimmunität beantworten. Hierbei ist zu differenzieren, ob der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung eine privatrechtliche oder eine hoheitliche Tätigkeit des klagenden ausländischen Staates zu Grunde liegt. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung über einen actum iure gestionis ist zulässig, da der Beklagte diese Forderung auch durch Klageerhebung vor einem deutschen Gericht gegenüber dem ausländischen Staat geltend machen könnte. Kann er für eine selbstständige Klage keine Immunität beanspruchen, so muss dies erst recht für die Aufrechnung gelten, die im Prozess die Klageforderung des ausländischen Staates zum Erlöschen bringt.635 Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wenn der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung eine hoheitliche Tätigkeit zu Grunde liegt, für die dem ausländischen Staat in einem separaten Zivilprozess Immunität zukäme. Teils wird die Ansicht vertreten, ein deutsches Gericht dürfe nur dann über die Aufrechnung entscheiden, wenn der ausländische Staat sich freiwillig der deutschen 633 MünchKomm/Prütting, ZPO, § 296 Rdnr. 51; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 145 Rdnrn. 11 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 102 Rdnr. 103. 634  Siehe Kapitel C. VI. 3. a. aa. 635 So auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 49; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (231); für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 405 f.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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Gerichtsbarkeit unterworfen habe.636 Nach anderer Auffassung ist die gegenüber einem ausländischen Staat geltend gemachte Aufrechnung entsprechend den Regeln über die Widerklage zu beurteilen, da es sich um verwandte Rechtsinstitute handele. Über die Prozessaufrechnung dürfe nur dann verhandelt und entschieden werden, wenn die Gegenforderung über ein hoheitliches Handeln konnex zur Hauptforderung sei.637 Dieser Schluss geht von der Prämisse aus, dass es sich bei Widerklage und Prozessaufrechnung um verwandte Rechtsinstitute handelt. Nun ist aber die Widerklage ein selbstständiger Angriff des Beklagten, während die Prozessaufrechnung nur ein Verteidigungsmittel gegenüber der Klage ist638. So erlangt ein Beklagter mit einer erfolgreichen Widerklage einen Titel, mit dem er seine gegenüber einem ausländischen Staat geltend gemachte Forderung durchsetzen kann. Das Gericht kann der Widerklage auch dann stattgegeben, wenn die Klage abgewiesen oder zurückgenommen wird. Dagegen erhebt der Beklagte mit der Prozessaufrechnung die rechtsvernichtende Einwendung, dass der Klageanspruch erloschen ist.639 Die erfolgreiche Aufrechnung führt zur (teilweisen) Klageabweisung, sie verschafft dem Beklagten aber keinen vollstreckbaren Titel über seine Gegenforderung. Wegen dieser unübersehbaren Unterschiede ist die Argumentation, wegen der Ähnlichkeit der beiden Rechtsinstitute sei die Aufrechnung gegenüber einem Staat nur zulässig, wenn auch die Widerklage zulässig sei, zu kurz gegriffen. Gleichwohl führt sie zum richtigen Ergebnis: Erhebt ein ausländischer Staat vor einem deutschen Gericht eine Klage, so verzichtet er soweit auf seine Immunität, wie der Klageanspruch und der diesem zu Grunde liegende Sachverhalt reicht. Unterwirft er sich der deutschen Gerichtsbarkeit, so muss er damit rechnen, dass der Beklagte alle prozessualen Möglichkeiten, die im Zusammenhang mit der Klage stehen, ausschöpft. Hierzu gehört nicht nur die Erhebung einer Widerklage, sondern auch die rechtsvernichtende Einwendung, dass die Klageforderung durch Aufrechnung erloschen ist. Nimmt der ausländische Staat die deutschen Gerichte in Anspruch, so kann er den der Klageforderung zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht nur soweit entscheiden lassen, wie es für ihn günstig erscheint. Vielmehr erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch

636 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 78 f.; vgl. auch Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 114 f. 637 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 49; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 638; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (231). Zur Konnexität der Widerklage siehe Kapitel C. VI. 3. a. aa. 638 MünchKomm/Prütting, ZPO, § 296 Rdnr. 51; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 33 Rdnr. 8; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 432. 639  Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 145 Rdnr. 13; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 145 Rdnr. 13.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

auf diejenigen Ansprüche des Beklagten, die mit der Hauptforderung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Dies eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, im Interesse des Beklagten ein Urteil zu fällen, das der materiellen Rechtslage entspricht.640 Ist die Klageforderung des ausländischen Staates durch die materiell-rechtliche Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen, so kann es die Klage abweisen, anstatt den Beklagten nochmals zur Erfüllung der Klageforderung zu verurteilen. Parallel zur Widerklage kann demnach ein deutsches Gericht über eine Prozessaufrechnung dann verhandeln und entscheiden, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung konnex zur Hauptforderung ist, indem beide auf demselben Rechtsverhältnis oder zumindest auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhen. Umgekehrt endet die deutsche Gerichtsbarkeit dort, wo eine gegen einen ausländischen Staat gerichtete Gegenforderung über sein hoheitliches Handeln in keinem Zusammenhang zur Hauptforderung steht. In diesem Fall bleibt es bei der völkerrechtlichen Grundregel, dass einem ausländischen Staat als souveränem und gleichwertigem Völkerrechtssubjekt Immunität für acta iure imperii zukommt. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der in § 145 Abs. 3 ZPO vorgesehenen Möglichkeit zur Prozesstrennung. Danach kann das Gericht anordnen, dass über Klage und Aufrechnung getrennt verhandelt wird, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung mit der Klageforderung in keinem rechtlichen Zusammenhang steht. Bei einer Verfahrenstrennung kann das Gericht auch nicht über die zur Aufrechnung gestellte Forderung entscheiden, wenn sie das hoheitliche Handeln eines ausländischen Staates zum Gegenstand hat. b. Aufrechnung eines ausländischen Staates als Beklagten Ist im umgekehrten Fall ein ausländischer Staat der Beklagte, so kann er ohne weiteres mit einer Forderung im Prozess aufrechnen, sofern die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung erfüllt sind und das deutsche Gericht international zuständig ist. Fraglich ist, ob er nicht nur mit einer Widerklage, sondern auch mit einer Prozessaufrechnung auf seine Immunität für die Klageforderung verzichtet. Wie bereits aufgezeigt, verzichtet ein ausländischer Staat auf seine Immunität, wenn er sich in einem Zivilprozess zur Hauptsache einlässt, ohne zuvor seine Immunität geltend zu machen. Er gibt damit zu erkennen, dass er einen Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht verhandeln und von diesem entscheiden lassen will.641 Dieser völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz, der in Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuStImm und Art. 8 Abs. 1 S. 1 UN-Übereinkommen verankert ist, gilt auch im 640  Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung siehe näher Kapitel E. III. 4. a. 641 Siehe bereits Kapitel C. III. 2. b. dd.

VI. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien

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Fall der Prozessaufrechnung. Die Aufrechnung ist eine Einwendung gegenüber der Klageforderung und bringt diese ganz oder teilweise zum Erlöschen. Macht ein beklagter ausländischer Staat die Aufrechnung im Prozess unbedingt geltend, so lässt er sich durch dieses Verteidigungsvorbringen rügelos zur Hauptsache ein und verzichtet damit auf seine Immunität.642 Etwas anderes gilt, wenn er die Aufrechnung nur hilfsweise für den Fall erklärt, dass ihm keine Immunität zukommt. Im Fall der Eventualaufrechnung verzichtet er nicht auf seine Immunität, sondern lässt sich nur unter der Rechtsbedingung zur Hauptsache ein, dass er ohnehin der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.

5. Prozessbeendende Erklärungen Schließlich können die Prozessparteien auch eine prozessbeendende Erklärung, namentlich eine Klagerücknahme oder eine übereinstimmende Erledigungserklärung, abgeben. Fraglich ist, welche Voraussetzungen eine solche Erklärung erfordert, wenn eine der Parteien ein ausländischer Staat ist. Weder das Europäische Übereinkommen noch das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität enthalten hierzu eine explizite Regelung. a. Klagerücknahme Hat ein ausländischer Staat eine Klage erhoben, so kann er sie nach § 269 ZPO zurücknehmen. Ebenso kann im umgekehrten Fall eine Privatperson ihre gegenüber einem ausländischen Staat erhobene Klage zurücknehmen. Durch die Klagerücknahme – und dies ist zumeist die Hauptmotivation für den Kläger – ermäßigen sich die von ihm nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zu tragenden Gerichtskosten von einer 3,0 Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG auf eine 1,0 Gebühr nach Nr. 1211 KV GKG. Bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache, die gem. § 137 Abs. 1 ZPO durch die Anträge der Parteien eingeleitet wird, bedarf es hierzu nach § 269 Abs. 1 ZPO keiner Einwilligung des Beklagten. Nach deren Beginn kann die Klage hingegen nach § 269 Abs. 2 S. 1 ZPO nur noch mit dessen Einwilligung zurückgenommen werden. Wird vorab gesondert nach § 280 Abs. 1 ZPO über die Zulässigkeit der Klage, insbesondere zur Frage der deutschen Gerichtsbarkeit, verhandelt, so ist noch keine Einwilligung des beklagten Staates erforderlich.

642  So für das schweizerische Recht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 405 f.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

b. Übereinstimmende Erledigterklärung Schließlich können die Parteien einen Prozess auch übereinstimmend für erledigt erklären und damit den Rechtsstreit beenden. Stimmt dagegen der Beklagte der Erledigung der Hauptsache nicht zu, so hat die einseitige Erledigungserklärung des Klägers keine prozessbeendende Wirkung. Sie ist vielmehr eine nach § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässige Änderung der Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass die zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eintretendes Ereignis unzulässig bzw. unbegründet geworden ist.643 Bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung entscheidet hingegen das Gericht nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach‑ und Streitstandes. Hierbei hat es auf den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits abzustellen, wenn die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden wäre. Bei dieser Prognoseentscheidung darf sich das Gericht in der Regel aus prozessökonomischen Gründen mit einer summarischen Prüfung begnügen.644 Eine solche Prüfung führt allerdings dann zu Problemen, wenn nach dem bisherigen Sach‑ und Streitstand noch nicht klar ist, ob die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist. Das Gericht übt seine Gerichtsgewalt über einen beklagten ausländischen Staat aus, wenn es ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und dadurch der Klagepartei in Form des Kostenbeschlusses einen vollstreckbaren Titel verschafft. Kommt dem ausländischen Staat allerdings Immunität zu, so steht diese der Ausübung der Gerichtsbarkeit und damit auch der Auferlegung der Kosten entgegen. Die Zustimmung des ausländischen Staates zur Erledigungserklärung impliziert keinen Immunitätsverzicht. Dadurch gibt er vielmehr zu erkennen, dass er an einer Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr interessiert ist. Erlässt das Gericht trotz der Immunität des beklagten Staates einen entsprechenden Kostenbeschluss, so verletzt es dessen Stellung als souveränes und gleichwertiges Völkerrechtssubjekt. Einem beklagten ausländischen Staat dürfen also nur dann die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden, wenn ihm keine Immunität zukommt. Aus diesem Grund muss das dem Gericht bei seiner Kostenentscheidung durch § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO zugebilligte Ermessen im Lichte des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität dahingehend reduziert werden, dass es seine Gerichtsbarkeit nicht lediglich summarisch zu prüfen braucht, sondern vollumfänglich prüfen muss. Dies erfordert eine Klärung der für die Beurteilung der Staatenimmunität notwendigen tatsächlichen Grundlagen, wie wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre. Ebenso hat 643 Zöller/Vollkommer, ZPO, § 91a Rdnr. 34; Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 14 Rdnrn. 28 ff.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 637. 644  Hk/Gierl, ZPO, § 91a Rdnr. 44; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, § 91a Rdnr. 23; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 91a Rdnrn. 24, 27.

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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das Gericht eine umfassende rechtliche Prüfung vorzunehmen, ob dem ausländischen Staat für den konkreten Rechtsstreit Immunität zukommt, auch wenn sich die Beurteilung der Rechtslage als schwierig erweisen sollte. Erst wenn das Gericht nach einer umfassenden Prüfung die Voraussetzungen für das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit bejaht hat, kann es unter Berücksichtigung des übrigen Sach‑ und Streitstandes dem ausländischen Staat nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegen. Etwas anderes gilt nur, wenn der beklagte ausländische Staat eine Kostenübernahmeerklärung nach Nr. 1211 KV GKG abgegeben hat, bei der sich die Gerichtskosten ebenfalls von einer 3,0 Gebühr auf eine 1,0 Gebühr reduzieren. Erklärt er sich bereit, die Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen, so verzichtet er wiederum auf seine Immunität.

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung Im Zivilprozess ist für die Entscheidungsfindung des Gerichts in erster Linie der Sachvortrag der Parteien maßgebend, der um einer gerechten Entscheidung willen der Wahrheit entsprechen muss.

1. Prozessuale Wahrheitspflicht und Staatsgeheimnis Nach § 138 Abs. 1 ZPO müssen die Parteien ihre Erklärungen vollständig und wahrheitsgemäß abgeben. Diese Pflicht trifft im Grundsatz auch einen prozessbeteiligten ausländischen Staat.645 Fraglich ist, ob ein ausländisches Staatsgeheimnis die prozessuale Wahrheitspflicht begrenzen kann. Der Begriff des Staatsgeheimnisses ist in § 93 Abs. 1 StGB definiert. Danach sind Staatsgeheimnisse Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Diese Legaldefinition passt zwar unmittelbar nur für Geheimnisse des deutschen Staates, lässt sich aber auf Geheimnisse eines ausländischen Staates entsprechend übertragen. §§ 94 ff. StGB stellen die Verletzung eines Geheimnisses des deutschen Staates unter Strafe, wie auch umgekehrt die Rechtsordnungen anderer Staaten eine Strafbarkeit für die Verletzung eines dortigen Staatsgeheimnisses vorsehen können. Dann kollidiert die zivilprozessuale Wahrheitspflicht mit dem strafrechtlichen Verbot der Verletzung eines Staatsgeheimnisses. Die Grenzen der 645 Von

Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2982).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Wahrheitspflicht sind nach allgemeiner Auffassung entsprechend § 384 Nr. 2 ZPO jedenfalls dann erreicht, wenn eine Partei eine ihr zur Unehre gereichende Tatsache oder eine strafbare Handlung offenlegen müsste.646 Damit vergleichbar ist die Situation, dass sich ein Vertreter eines ausländischen Staates erst durch die Preisgabe eines Staatsgeheimnisses strafbar machen und sich dadurch der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde. Ist daher nach der Rechtsordnung des ausländischen Staates die Verletzung einer strafrechtlich sanktionierten Geheimhaltungspflicht durch das in § 138 Abs. 1 ZPO normierte Gebot der Wahrheitspflicht nicht gerechtfertigt, so muss der Vertreter eines ausländischen Staates in einem deutschen Zivilprozess kein Staatsgeheimnis preisgeben. Aber auch unabhängig davon, ob die Rechtsordnung eines ausländischen Staates die Preisgabe eines Staatsgeheimnisses unter Strafe stellt, ist seine Bewahrung gegenüber dem Gericht eines anderen Staates Ausdruck der völkerrechtlich garantierten Souveränität. Das sich daraus ergebende Interventionsverbot verbietet einem deutschen Zivilgericht, sich in die inneren Angelegenheiten eines ausländischen Staates einzumischen.647 Im Lichte dieses völkerrechtlichen Grundprinzips ist die in § 138 Abs. 1 ZPO normierte Wahrheitspflicht einschränkend so auszulegen, dass ein ausländischer Staat als Partei eines deutschen Zivilprozesses kein Staatsgeheimnis preiszugeben braucht. In diesem Fall darf er zwar keine wahrheitswidrigen Behauptungen aufstellen, wohl aber schweigen.648 Sollte doch ein Staatsgeheimnis in der mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen, so kann das Gericht nach § 172 Nr. 2 GVG die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung ausschließen. Zudem kann es nach § 174 Abs. 3 S. 1 GVG die anwesenden Personen zur Geheimhaltung von Tatsachen verpflichten, die ihnen in der Verhandlung oder durch ein amtliches Schriftstück zur Kenntnis gelangen. Verletzt hingegen ein ausländischer Staat seine prozessuale Wahrheitspflicht und stellt das Gericht bei der Beweisaufnahme den wahren Sachverhalt fest, so bleibt sein unwahres Vorbringen im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO unberücksichtigt.649 Die Immunität des ausländischen Staates wird dadurch nicht berührt. Darüber hinaus kann er der Gegenpartei – die Anwendbarkeit deutschen Rechts vorausgesetzt – nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 138 Abs. 1 ZPO bzw. § 263 Abs. 1 StGB und nach § 826 646  BVerfG, NJW 1981, 1431 (1431); Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 138 Rdnr. 3; Thomas/ Putzo/Reichold, ZPO, § 138 Rdnr. 7; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 155. 647 Heintschel von Heinegg in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 51 Rdnrn. 41 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 490 ff. 648  Vgl. Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 138 Rdnr. 3 zum Recht auf Schweigen über eine unehrenhafte Tatsache oder eine Straftat. 649  Vgl. MünchKomm/Fritsche, ZPO, § 138 Rdnr. 16; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 138 Rdnr. 7; Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rdnr. 7; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rdnr. 69.

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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BGB für einen dadurch entstandenen Schaden haften.650 Für eine entsprechende Schadensersatzklage gegen den ausländischen Staat ist die deutsche Gerichtsbarkeit regelmäßig gegeben, da dieser als Partei des Zivilprozesses durch einen unrichtigen Sachvortrag keine hoheitliche Tätigkeit ausübt. Außerdem besteht im Fall des nachgewiesenen Prozessbetrugs ein Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 4 ZPO.

2. Prüfung der deutschen Gerichtsbarkeit Das Gericht hat das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit als allgemeine Prozessvoraussetzung und damit spiegelbildlich die Reichweite der Immunität eines prozessbeteiligten ausländischen Staates von Amts wegen zu prüfen.651 Hierzu muss es zunächst die Sachlage aufklären, bevor es die Rechtsfrage beantworten kann, ob eine völkerrechtliche Regel besteht, nach der einem ausländischen Staat für den konkreten Rechtsstreit Immunität zu gewähren ist. Fraglich ist, wieweit die Prüfung von Amts wegen reicht, wer die Beweislast im Fall der Nichtaufklärbarkeit der Sachlage trägt und welche Möglichkeiten dem Gericht zur Bestimmung der völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität zur Verfügung stehen. a. Grundsatz der Prüfung von Amts wegen Auch wenn die Parteien zur Frage der Staatenimmunität keine Ausführungen machen, so obliegt dem Gericht die Beurteilung, ob das Völkerrecht der deutschen Gerichtbarkeit Grenzen setzt.652 So sieht auch Art. 6 Abs. 1 Hs. 2 UNÜbereinkommen die Verpflichtung des Gerichtsstaates vor, sicherzustellen, dass seine Gerichte von Amts wegen die Immunität eines anderen Staates beachten. Da das Gericht im Laufe eines Prozesses seine Gerichtsbarkeit in vielfacher Weise durch Verfügungen, Beschlüsse und Urteile ausüben kann, muss es dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens prüfen.653 Dabei genügt es nicht, dass 650  Vgl. MünchKomm/Fritsche, ZPO, § 138 Rdnr. 15; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 138 Rdnr. 8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rdnrn. 70 f.; Kiethe, MDR 2007, 625 (626). 651  BGH, NJW 2013, 3184 (3186); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (182). 652  LG Kiel, JZ 1954, 117 (117); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; Habscheid, FamRZ 1972, 214 (214); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2980). 653 BGHZ 19, 341 (345); 182, 10 (16); BGH, ZIP 2016, 789 (790); Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 3; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (182); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2980).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

die Klagepartei die für die Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit relevanten Tatsachen nur schlüssig darlegt. Die prozessuale Behandlung doppelrelevanter Tatsachen, nach der die schlüssige Darlegung der maßgebenden Tatsachen für die Zulässigkeit der Klage ausreicht und eine Klärung erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung erfolgt, lässt sich auf die Prüfung der deutschen Gerichtsbarkeit von Amts wegen nicht übertragen.654 Die Prüfung der deutschen Gerichtsbarkeit von Amts wegen ist nicht mit der Amtsermittlung gleichzusetzen.655 Vielmehr bleibt es im Grundsatz bei dem im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz, so dass es den Prozessparteien obliegt, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung bzw. Versagung der Staatenimmunität vorzutragen.656 Machen sie hierzu allerdings keine Ausführungen oder ist ihr Sachvortrag nicht hinreichend substantiiert, so hat das Gericht sie nach § 139 Abs. 3 ZPO auf etwaige Bedenken hinzuweisen. Dadurch soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, die Tatsachen, aus denen sich die deutsche Gerichtsbarkeit bzw. die Staatenimmunität ergibt, vorzutragen, um eine Überraschungsentscheidung zu vermeiden.657 Jedoch dürfen die gerichtlichen Anforderungen an die Substantiierungslast nicht dazu führen, dass die Staatenimmunität auf prozessrechtlichem Weg entwertet wird. Demzufolge entschied das Bundesarbeitsgericht in dem bereits erwähnten Urteil über die Kündigungsschutzklage eines bei der algerischen Botschaft in Berlin beschäftigten Fahrers, dass der sich auf seine Immunität berufende algerische Staat nicht gezwungen werden dürfe, die Einzelheiten über die vom Kläger möglicherweise zusätzlich ausgeübte Dolmetschertätigkeit wie Namen von Personen und Gesprächsinhalte preiszugeben.658 Schweigt eine der Prozessparteien trotz richterlichen Hinweises, so darf das Gericht die Behauptungen der Gegenseite, aufgrund derer die deutsche Gerichtsbarkeit zu bejahen bzw. zu verneinen wäre, seiner Entscheidung nicht gem. § 138 Abs. 3 ZPO unbesehen zu Grunde legen.659 Vielmehr hat es alle erforderlichen Beweise auch ohne Beweisangebot von Amts wegen zu erheben, bis es die Frage nach dem Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit zutreffend beantworten kann. Hierbei ist es – wie bei der Prüfung der anderen Prozessvoraussetzungen auch – nicht auf die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen  BGH, MDR 2016, 903 (904). München, BeckRS 2016, 112651; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1258); BeckOK/ von Selle, ZPO, § 139 Rdnr. 41; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorbem. zu § 253 Rdnr. 12; Zöller/Greger, ZPO, vor § 253 Rdnr. 9. 656 OLG München, BeckRS 2016, 112651; Martiny, IPRax 2013, 536 (540); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2982). 657  Ähnlich BAG, IPRax 2013, 576 (578); vgl. auch BeckOK/von Selle, ZPO, § 139 Rdnr. 41. 658 BAG, IPRax 2013, 576 (578); vgl. auch BAG, NZA-RR 2015, 546 (548); Martiny, IPRax 2013, 536 (540); näher zu dem Urteil Kapitel C. II. 7. b. 659  Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 351. 654

655 OLG

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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Strengbeweismittel beschränkt, sondern kann sich auch der Mittel des Freibeweises bedienen. Darüber hinaus braucht es keine eigenen Nachforschungen zu betreiben.660 b. Beweislast Kommt das Gericht nach Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel zu keinem eindeutigen Ergebnis, ob es seine Gerichtsbarkeit über einen ausländischen Staat ausüben darf, so stellt sich die Frage, welche Partei die Beweislast trägt. Teils wird die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen, die das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit begründen, ohne nähere Begründung dem Kläger zugewiesen.661 Nach überwiegender Auffassung muss hingegen der beklagte ausländische Staat die Tatsachen beweisen, aus denen sich seine Immunität für den Zivilprozess ergibt.662 Eine gegenteilige Beweislastverteilung brächte den Kläger oftmals in Beweisnot, da ein ausländischer Staat leicht geneigt sein könnte, ihm günstige und schwer widerlegbare Behauptungen aufzustellen.663 Darüber hinaus sei die Gewährung von Immunität längst nicht mehr der Regelfall. Da das deutsche Recht rechtsschutzfreundlich und immunitätsfeindlich sei, gelte mittlerweile der Grundsatz in dubio pro iurisdictione.664 Im internationalen Zivilprozessrecht richtet sich die Beweislast nach der lex causae, also nach der Rechtsordnung, nach der sich die deutsche Gerichtsbarkeit beurteilt.665 Da spiegelbildlich die Gewährung von Staatenimmunität eine Regel des Völkerrechts ist, ist dieses vorrangig zur Entscheidung über die Beweislast berufen.666 Damit spitzt sich die Frage nach der Beweislast auf die Frage zu, ob die Gewährung von Staatenimmunität die Regel oder die Ausnahme darstellt. In der historischen Entwicklung der Staatenimmunität galt jedenfalls bis Anfang des 20. Jahrhunderts die allgemeine Völkerrechtsregel, dass Staaten uneingeschränkt 660  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 87; vgl. allgemein auch Zöller/Greger, ZPO, § 139 Rdnr. 9; Schellhammer, Zivilprozess, Rdnrn. 351 f. 661 So BAG, DB 1997, 1087 (1088); OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253 (1258); Habscheid in: ders./Hoffmann-Nowotny u. a. (Hrsg.), FS Giger, S. 213 (223). 662 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 15; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 11; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 21; Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (352); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2982); Walter, RIW 1984, 9 (14); implizit auch BAG, IPRax 2013, 576 (578) und Martiny, IPRax 2013, 536 (540). 663 MünchKomm/Zimmermann, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 15; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 11; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2982). 664  Von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2980 f.). Diesen Grundsatz befürworten auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 527; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 188 und Albert, IPRax 1983, 55 (60). 665  BGHZ 3, 342 (346); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 2267; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 752; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2982). 666  Bolewski, AVR 43 (2005), 345 (352); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2982), nach dem das Völkerrecht allerdings keine Beweislastverteilung vorgebe, so dass auf die allgemeine Beweislastverteilung des deutschen Rechts zurückzugreifen sei.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Immunität vor den Gerichten anderer Staaten zu gewähren war. Erst als sich die Staaten auf die Ebene der Gleichordnung zu anderen Marktakteuren begaben, entwickelten sich Ausnahmen für ihr nichthoheitliches Handeln. Gleichwohl hat der Grundsatz der Staatenimmunität nicht insgesamt seinen Geltungsanspruch verloren, sondern wurde nur modifiziert.667 Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Europäischen Übereinkommen und im UN-Übereinkommen über Staatenimmunität wider, die beide von einer Regel-Ausnahme-Struktur geprägt sind. So kann nach Art. 15 EuStImm ein Vertragsstaat Immunität vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates beanspruchen, es sei denn, die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands nach Art. 1 bis 14 EuStImm sind erfüllt. In ähnlicher Weise geht Art. 5 UN-Übereinkommen vom Regelfall der Staatenimmunität aus und sieht in Art. 7 bis 17 UN-Übereinkommen Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Auch die nationalen Immunitätsgesetze wie der US-amerikanische FSIA und der englische SIA, die als Vorbild für entsprechende Regelungswerke anderer Staaten dienten, gewähren in § 1604 FSIA bzw. sec. 1 SIA ausländischen Staaten im Grundsatz Immunität und bestimmen hiervon in §§ 1605 bis 1607 FSIA bzw. sec. 2 bis 11 SIA Ausnahmen. Demzufolge ist der Grundsatz der absoluten Staatenimmunität nicht soweit zurückgedrängt worden, dass einem ausländischen Staat nur noch in Ausnahmenfällen Immunität zu gewähren wäre. Vielmehr bleibt die Gewährung von Immunität weiterhin der Regelfall. Im Völkerrecht gilt daher der Grundsatz in dubio pro immunitate.668 Aber auch das Argument, eine Beweislastverteilung zulasten des privaten Klägers bringe diesen oftmals in Beweisnot, vermag eine Beweislastumkehr nicht zu rechtfertigen. Bei einer gegen einen ausländischen Staat gerichteten Klage befindet sich der Kläger nämlich typischerweise gar nicht in einer Beweisnot, hält man sich vor Augen, dass die deutsche Gerichtsbarkeit immer dann besteht, wenn der ausländische Staat nicht hoheitlich gehandelt hat bzw. die Voraussetzungen einer völkervertraglichen Immunitätsausnahme erfüllt sind. Hierbei ist nicht der vom ausländischen Staat verfolgte Zweck, sondern maßgebend sind die Natur und die äußere Erscheinungsform der staatlichen Handlung bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses.669 Diese lassen sich in aller Regel anhand objektiver Tatsachen feststellen, ohne dass sie ausschließlich in der Sphäre des ausländischen Staates lägen und der Kenntnis des Klägers verschlossen wären. 667  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 38 f.; dazu ausführlich bereits Kapitel B. I. 2. 668  So auch OLG Frankfurt, WM 1982, 754 (755); Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 7 Rdnr. 12; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 38; Yang, State Immunity in International Law, S. 37; Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (782); Geiger, NJW 1987, 1124 (1124 f.). 669 Siehe bereits Kapitel C. I. 2. c.

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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Demzufolge trägt der Kläger die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen sich die deutsche Gerichtsbarkeit ergibt. Er muss darlegen und im Streitfall beweisen, dass der beklagte ausländische Staat privatrechtlich tätig geworden ist, so dass ihm keine Immunität für sein streitgegenständliches Handeln zukommt. Kann der Kläger den Beweis nicht erbringen, so bleibt es bei der völkerrechtlichen Grundregel, dass dem beklagten Staat Immunität zu gewähren ist. Der Kläger trägt damit das Risiko, dass sich die Voraussetzungen für das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit nicht aufklären lassen. Diese vom Völkerrecht vorgegebene Beweislastverteilung entspricht der des deutschen Zivilprozessrechts, nach der ebenfalls der Kläger die Beweislast für das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen trägt670. c. Ermittlung der Regeln zur Staatenimmunität Das Gericht hat nicht nur die tatsächlichen Voraussetzungen für die deutsche Gerichtsbarkeit von Amts wegen zu prüfen, sondern hieraus auch die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Die Ermittlung von Existenz und Inhalt der völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität kann sich insbesondere für die Amtsgerichte und Landgerichte aus Zeit‑ und Personalmangel als schwierig und fehleranfällig erweisen. aa. Einholung eines Rechtsgutachtens Das angerufene Gericht könnte daher versucht sein, ein Rechtsgutachten zur Frage der Staatenimmunität einzuholen. So eröffnet § 293 ZPO die Möglichkeit, über ausländisches Recht ein Rechtsgutachten einzuholen. Ausländisches Recht ist aber nur dasjenige Recht, das in keinem Teil der Bundesrepublik Deutschland gilt.671 Dagegen sind die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität nach Art. 25 S. 1 GG Bestandteil des Bundesrechts und das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität ist mit Zustimmungsgesetz vom 22. 1. ​1990672 innerstaatlich in Vollzug gesetzt geworden. Folglich kann ein deutsches Gericht nicht nach § 293 ZPO ein Rechtsgutachten über die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität einholen. Auch wenn es sich hierbei um keine alltägliche Rechtsmaterie handelt, so bleibt es bei dem Grundsatz iura novit curia.

670  MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, Vorbem. zu §§ 253 ff. Rdnr. 15; Stein/Jonas/ Brehm, ZPO, vor § 1 Rdnr. 257; Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 23 Rdnr. 62. 671  Hk/Saenger, ZPO, § 293 Rdnr. 2; Thomas/Reichold, ZPO, § 293 Rdnr. 1; Zöller/Geimer, ZPO, § 293 Rdnr. 2. 672 BGBl. 1990 II, S. 34.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

bb. Vorlage an das Bundesverfassungsgericht Bei Zweifeln an der Existenz oder dem Inhalt der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität sieht Art. 100 Abs. 2 GG die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vor. Nach dieser Vorschrift muss das erkennende Gericht dessen Entscheidung einholen, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Diese Vorlagepflicht soll nicht nur im Interesse der Rechtssicherheit divergierende Gerichtsentscheidungen, sondern auch Völkerrechtsverletzungen durch die deutschen Gerichte vermeiden.673 Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt hierbei hohe internationale Aufmerksamkeit zu, da das Verifikationsverfahren in den Rechtsordnungen anderer Staaten kaum Parallelen findet.674 In ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist über den strikten Wortlaut des Art. 100 Abs. 2 GG hinaus eine Vorlage auch dann zulässig, wenn Zweifel an der Existenz, dem Rechtscharakter, der Tragweite oder der Bindungskraft einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen.675 Dagegen müssen die Fachgerichte das Völkervertragsrecht – hier die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität – selbst auslegen.676 Aber auch auf die Interpretation der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität hat das Bundesverfassungsgericht kein Rechtsprechungsmonopol, sondern es ist zunächst den Fachgerichten vorbehalten, diese auszulegen und anzuwenden.677 Das erkennende Gericht ist nur dann zur Vorlage berechtigt und zugleich verpflichtet, wenn es auf ernst zu nehmende Zweifel stößt. In diesem Fall kommt ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht, nicht aber dem erkennenden Gericht die Befugnis zu, vorhandene Zweifel aufzuklären.678 Solche Zweifel liegen vor, wenn das erkennende Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans, von Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft 673 BVerfGE 64, 1 (13 f.); BVerfG, WM 2006, 2084 (2085); BeckOK/Morgenthaler, GG, Art. 100 Rdnr. 32; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 278. 674  Kleinlein, NJW 2007, 2591 (2591, 2593). 675  BVerfGE 15, 25 (30 ff.); 64, 1 (13 f.); BVerfG, NVwZ 2008, 878 (878); NJW 2012, 293 (294); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 276; Maunz/Dürig/Dederer, GG, Art. 100 Rdnrn. 291 ff. 676  BVerfG, NJW 2012, 293 (294); OLG Köln, Rpfleger 2004, 478 (480); Maunz/Dürig/ Dederer, GG, Art. 100 Rdnr. 280. 677  BVerfG, NVwZ 2008, 878 (878 f.); NJW 2012, 293 (294); BGH, ZIP 2015, 769 (774); BeckOK/Morgenthaler, GG, Art. 100 Rdnr. 31. 678 BVerfG, NVwZ 2008, 878 (879); BGH, ZIP 2015, 769 (774); von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 531. Statt einer Vorlage kann das Gericht das Verfahren auch nach § 148 ZPO aussetzen, wenn die Frage dem Bundesverfassungsgericht bereits von einem anderen Gericht vorgelegt worden ist, vgl. OLG Frankfurt, WM 1982, 754 (754).

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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abweichen will.679 Es genügt hingegen nicht, dass die Prozessparteien gegenteilige Auffassungen zur Staatenimmunität vertreten.680 Nach dem Sinn und Zweck des Verifikationsverfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG sind Vorlagen nur zulässig, wenn eine allgemeine Regel des Völkerrechts für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist.681 Das vorlegende Gericht muss dazu in seiner Vorlagebegründung gem. § 84 i. V. m. § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG Stellung nehmen. Liegt dem Bundesverfassungsgericht eine Vorlagefrage vor, so hat es nach § 83 Abs. 2 BVerfGG dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Diese können in jeder Lage des Verfahrens beitreten. Darüber hinaus gewährt das Bundesverfassungsgericht nach § 84 i. V. m. § 82 Abs. 3 BVerfGG den Parteien des Zivilprozesses Gelegenheit zur Äußerung. Seine Entscheidung bindet nach § 83 Abs. 1 i. V. m. § 31 Abs. 1 BVerfGG nicht nur die Gerichte, sondern entfaltet nach § 31 Abs. 2 i. V. m. § 13 Nr. 12 BVerfGG auch Gesetzeskraft. Es ist sodann Aufgabe des vorlegenden Gerichts, die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte allgemeine Regel zur Staatenimmunität auf den konkreten Rechtsstreit anzuwenden.682 cc. Anrufung des Internationalen Gerichtshofs oder des Europäischen Gerichts für Staatenimmunität Das Bundesverfassungsgericht ist nur dann zur Entscheidung nach Art. 100 Abs. 2 GG berufen, wenn Zweifel an der Existenz oder dem Inhalt einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel zur Staatenimmunität bestehen. Kommt es hingegen zu Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität, so können die Vertragsstaaten den Internationalen Gerichtshof oder das Europäische Gericht für Staatenimmunität anrufen. So sind nach Art. 34 Abs. 1 EuStImm Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens auf Antrag einer der streitbeteiligten Staaten oder im gegenseitigen Einvernehmen dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen vorzulegen. Vorlageberechtigt sind also nur die jeweiligen Regierungen als Vertreter der Vertragsstaaten, nicht aber die nationalen Gerichte. Der Internationale Gerichtshof kann nach Art. 34 Abs. 2 lit. a) 679  BVerfGE 64, 1 (14 f.); BVerfG, WM 2006, 2084 (2085); NVwZ 2008, 878 (879); NJW 2012, 293 (295); BGH, ZIP 2015, 769 (774); OLG Köln, Rpfleger 2004, 478 (480); Mansel, IPRax 1987, 210 (213); Weller, Rpfleger 2006, 364 (373). 680  BGH, NJW 1979, 1101 (1101); BeckOK/Morgenthaler, GG, Art. 100 Rdnr. 36; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 276. 681  BVerfGE 15, 25 (30); vgl. auch BeckOK/Morgenthaler, GG, Art. 100 Rdnr. 40; Maunz/ Dürig/Dederer, GG, Art. 100 Rdnr. 308; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 276. 682 BVerfG, NVwZ 2008, 878 (878 f.); NJW 2012, 293 (294).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

EuStImm wegen einer Streitigkeit in einem rechtshängigen Verfahren solange nicht angerufen werden, bis es rechtskräftig abgeschlossen ist. Damit kann dieser Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens nur abstrakt, nicht aber für einen konkreten Rechtsstreit klären. Vorrangig ist allerdings ohnehin nach Art. 2 Abs. 1 S. 1 des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität (ZP EuStImm) das Europäische Gericht für Staatenimmunität zur Auslegung und Anwendung des Übereinkommens berufen. Das am 28. 5. ​1985 gegründete Europäische Gericht für Staatenimmunität mit Sitz in Straßburg besteht nach Art. 4 Abs. 2 ZP EuStImm aus den Mitgliedern des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dessen Präsident ist nach Art. 4 Abs. 3 ZP EuStImm zugleich der Präsident des Europäischen Gerichts für Staatenimmunität. Nach Art. 2 Abs. 1 S. 1 ZP EuStImm sind Streitigkeiten zwischen Vertragsparteien des Übereinkommens und zugleich des Protokolls über die Auslegung und Anwendung des Übereinkommens auf Antrag einer der streitbeteiligten Staaten oder im gegenseitigen Einvernehmen dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität vorzulegen. Die dem Zusatzprotokoll angehörenden Staaten sind nach Art. 2 Abs. 1 S. 2 ZP EuStImm verpflichtet, eine Streitigkeit keinem anderen Verfahren zur Beilegung zu unterwerfen, so dass eine Vorlage an den Internationalen Gerichtshof nach Art. 34 Abs. 1 EuStImm unzulässig ist. Das Zusatzprotokoll haben Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, die Schweiz und Zypern, nicht hingegen die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich ratifiziert.683 Nach Auffassung der damaligen deutschen Bundesregierung reiche der Internationale Gerichtshof für die Vereinheitlichung der Regeln über die Staatenimmunität aus. Der mit der Errichtung eines neuen Europäischen Gerichts verbundene Aufwand sei angesichts der voraussichtlich geringen Anzahl der Verfahren nicht zu rechtfertigen.684 Nichtsdestotrotz können auch die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich nach Art. 3 ZP EuStImm im Einvernehmen mit den anderen streitbeteiligten Vertragsstaaten dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität eine Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens vorlegen. Parallel zu Art. 34 Abs. 2 EuStImm kann das Europäische Gericht für Staatenimmunität nach Art. 2 Abs. 2 ZP EuStImm nicht angerufen werden, wenn eine Streitigkeit eine Frage zum Gegenstand hat, die bereits in einem vor dem Gericht eines Vertragsstaates gegen einen anderen Vertragsstaat eingeleiteten Verfahren aufgeworfen ist, und bevor in diesem noch nicht endgültig entschieden worden ist. 683 Vgl. Europarat, http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/t​r​e​a​t​y​/​ 0​7​4​A​/​s​i​g​n​a​t​u​r​e​s​?​p_auth=FvtCLebK (28.  2. ​2017). 684  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (31); kritisch wegen der dadurch verursachten Rechtszersplitterung Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (548 f.).

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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Das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität sieht hingegen für die Beilegung von Streitigkeiten über seine Auslegung und Anwendung ein mehrstufiges System vor. Zunächst bemühen sich die Vertragsstaaten nach Art. 27 Abs. 1 UN-Übereinkommen, eine solche Streitigkeit durch Verhandlungen beizulegen. Haben diese Bemühungen binnen sechs Monaten keinen Erfolg, so wird nach Art. 27 Abs. 2 S. 1 UN-Übereinkommen die Streitigkeit auf Verlangen eines Vertragsstaates einem Schiedsverfahren unterworfen. Erst wenn sich die streitbeteiligten Vertragsstaaten binnen weiterer sechs Monate nicht auf die Einrichtung eines Schiedsverfahrens haben einigen können, kann jeder von ihnen nach Art. 27 Abs. 2 S. 2 UN-Übereinkommen die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten. Diese Regelung enthält im Unterschied zu Art. 34 Abs. 2 EuStImm und Art. 2 Abs. 2 ZP EuStImm keine Einschränkungen, so dass der Internationale Gerichtshof auch dann angerufen werden kann, wenn ein Verfahren vor dem Gericht eines Vertragsstaates anhängig ist. Gleichwohl sind wiederum nur die jeweiligen Regierungen, nicht aber das mit der Streitfrage befasste Gericht vorlageberechtigt.

3. Typische Problemkonstellationen bei der Beweiserhebung Ein deutsches Gericht darf auf dem Territorium eines ausländischen Staates ohne dessen Zustimmung keine Beweisaufnahme vornehmen. Andernfalls verletzt es durch die Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit auf fremdem Staatsgebiet die Territorialhoheit des ausländischen Staates.685 Dies gilt unabhängig davon, ob dem beklagten ausländischen Staat in dem konkreten Zivilprozess Immunität zukommt. Aber auch die Beweisaufnahme im Inland, insbesondere die Einvernahme eines ausländischen Staatsorgans oder Staatsbediensteten als Zeugen und der Urkundenbeweis durch einen ausländischen Staat, kann besondere Probleme bereiten. a. Einvernahme ausländischer Staatsorgane und Staatsbediensteter als Zeugen Ist ein ausländischer Staat Partei eines deutschen Zivilprozesses, so kann er oder auch die Gegenseite zum Beweis die Einvernahme seiner Staatsorgane und Staatsbediensteten als Zeugen anbieten. Fraglich ist hierbei, inwieweit das Gericht einem solchen Beweisangebot nachkommen darf und muss.

685  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 119 f., 442 ff.; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 26 Rdnr. 1; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 789; Musielak in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 761 (774).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

aa. Zeugnispflicht und Zeugnisverweigerungsrecht Einen Zeugen trifft im Grundsatz sowohl die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht (§§ 380 f. ZPO) als auch die Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Aussage (§§ 390, 395 bis 398 ZPO).686 Zeuge kann allerdings nur sein, wer nicht als Partei eines Zivilprozesses vernommen werden könnte.687 Vertritt daher ein ausländisches Staatsorgan nach § 51 Abs. 1 ZPO einen prozessbeteiligten ausländischen Staat, so kann es nicht als Zeuge, sondern nur als Partei vernommen werden. Aber auch ein nicht zur Vertretung in einem Rechtsstreit befugtes Staatsorgan trifft nur dann eine Zeugnispflicht, wenn es der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.688 Die exponierten Staatsorgane, namentlich das Staatsoberhaupt, der Regierungschef und der Außenminister, genießen während ihrer Amtszeit umfassende persönliche Immunität, die sowohl ihre amtlichen als auch ihre privaten Handlungen erfasst. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt wirkt ihre Immunität für frühere Amtshandlungen fort.689 Sie sind daher nicht verpflichtet, vor einem deutschen Gericht über Amtshandlungen und über private Handlungen während ihrer Amtszeit Zeugnis abzulegen. Dies gilt auch dann, wenn sie der ausländische Staat als Zeugen benennt, da ihnen Immunität nicht aus abgeleitetem, sondern aus eigenem Recht zusteht. Den nicht exponierten Staatsorganen kommt hingegen nur während ihrer Amtszeit Immunität für ihre amtliche Tätigkeit, nicht aber für ihr privates Handeln zu.690 Solange sie das Amt bekleiden, müssen sie vor einem deutschen Gericht über ihre Amtstätigkeit nicht als Zeugen aussagen. Demzufolge entschied das Bundesverwaltungsgericht in einem Asylrechtsstreit, auf den über § 98 VwGO das Beweisrecht der Zivilprozessordnung Anwendung fand, dass der indische Verteidigungsminister nicht als Zeuge zum Verhalten und zu den Motiven indischer Truppen bei einem Militäreinsatz in Sri Lanka geladen werden dürfe.691 Die nicht exponierten Staatsorgane sind allerdings nicht von der Zeugnispflicht befreit, wenn sie der ausländische Staat als Zeugen benennt. Da ihnen Immunität nicht als Person, sondern nur als nur als Ausfluss der Staatenimmunität zusteht, kann der ausländische Staat auf diese verzichten.

686 Vgl. Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 23 Rdnr. 11; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 373 Rdnr. 9. 687  Zöller/Greger, ZPO, § 373 Rdnr. 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 120 Rdnr. 5; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 520. 688  Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 373 Rdnr. 9; Zöller/Greger, ZPO, § 373 Rdnr. 2; Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 132; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 380; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 767. 689  Siehe bereits Kapitel B. III. 2. 690  Siehe bereits Kapitel B. III. 2. 691 BVerwG, NJW 1989, 678 (679).

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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Die Zeugnispflicht von Diplomaten und Konsuln ist völkervertraglich geregelt. Nach Art. 31 Abs. 2 WÜD sind Diplomaten unabhängig vom Beweisthema nicht verpflichtet, vor einem deutschen Gericht als Zeugen auszusagen. Mitglieder einer konsularischen Vertretung unterliegen hingegen in eingeschränktem Umfang der Zeugnispflicht. So können sie im Grundsatz nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 WÜK in einem Gerichtsverfahren als Zeugen geladen werden. Jedoch darf nach Art. 44 Abs. 2 WÜK das erkennende Gericht sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht behindern. Es ist daher befugt, ihre Aussage in ihrer Wohnung oder in den Räumlichkeiten der konsularischen Vertretung oder aber eine schriftliche Erklärung entgegenzunehmen. Ungeachtet dessen sind die Mitglieder einer konsularischen Vertretung nach Art. 44 Abs. 3 S. 1 WÜK nicht verpflichtet, Zeugnis über Angelegenheiten abzulegen, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammenhängen. Auch sind sie nach Art. 44 Abs. 3 S. 2 WÜK berechtigt, die Aussage als Sachverständige über das Recht des Entsendestaates zu verweigern. Alle anderen Bediensteten eines ausländischen Staates sind hingegen nicht per se von der Zeugnispflicht befreit. Zwar sind nach § 376 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 67 Abs. 1, 3 BBG Richter, Beamte und andere Personen des öffentlichen Dienstes zur Verschwiegenheit von dienstlichen Angelegenheiten verpflichtet, sofern das Gericht bei ihren Dienstvorgesetzten keine Aussagegenehmigung eingeholt hat. Allerdings gilt dies nur für Personen, die nach deutschem Recht in einem Amtsverhältnis stehen. Auf Bedienstete eines anderen Staates finden diese Vorschriften keine Anwendung.692 Ihnen kann jedoch ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zustehen. Danach können Personen, denen kraft ihres Amtes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, das Zeugnis über diejenigen Tatsachen verweigern, auf die sich ihre Verschwiegenheitspflicht bezieht. Ist ein Bediensteter eines ausländischen Staates zur Verschwiegenheit verpflichtet und hat ihn der ausländische Staat hiervon nicht nach § 385 Abs. 2 ZPO entbunden, so kann er sich gegenüber einem deutschen Gericht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Das Gericht braucht sie aber über dieses im Umkehrschluss zu § 383 Abs. 2 ZPO nicht zu belehren. bb. Ladung zum Termin Ist ein ausländisches Staatsorgan von der Zeugnispflicht befreit, so darf ein deutsches Gericht nicht seine Gerichtsbarkeit über ihn ausüben. Dies betrifft nicht nur die Befragung des Zeugen zu seiner Person und zur Sache, sondern be-

692 Zöller/Greger,

ZPO, § 376 Rdnr. 1a.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

ginnt bereits mit der Ladung,693 da diese – wie auch die Ladung der Parteien694 – einen Eingriffscharakter aufweist. So sieht § 377 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vor, dass die Ladung eines Zeugen die Anweisung enthält, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Ordnungsmittel in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termin zu erscheinen. Eine Ladung mit einem derartigen Inhalt kann auch dann mit dem Völkerrecht unvereinbar sein, wenn ein sich im Ausland aufhaltender Zeuge nicht per se von der Zeugnispflicht befreit ist, da die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit auf das deutsche Territorium begrenzt ist. Ordnet ein deutsches Gericht sein Erscheinen an und droht es ihm für den Fall des Nichterscheinens Ordnungsmittel an, so erstreckt es seine Gerichtsgewalt über die Staatsgrenzen hinweg auf fremdes Staatsgebiet. Fehlt es an einem legitimierenden Anknüpfungspunkt, nämlich der deutschen Staatsangehörigkeit des Zeugen, so verletzt es dadurch die Souveränität des ausländischen Staates. Folglich ist die Ladung eines ausländischen Staatsangehörigen, der sich nicht in Deutschland aufhält, völkerrechtlich unzulässig.695 Darf ein deutsches Gericht gegenüber einem als Zeugen benannten Organ oder Bediensteten eines ausländischen Staates nicht anordnen, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zum Termin zu erscheinen, so darf es bei Nichterscheinen auch keine Ordnungsmittel nach § 380 Abs. 1 S. 2 ZPO festsetzen. Ebenso würde es in unzulässiger Weise seine Gerichtsbarkeit ausüben, wenn es dem Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten nach § 380 Abs. 1 S. 1 ZPO auferlegen würde. Erst recht verbietet sich die zwangsweise Vorführung des Zeugen aus dem Ausland nach § 380 Abs. 2 Hs. 2 ZPO.696 Für Konsularbeamte ist das Verbot der Verhängung von Ordnungsmitteln explizit in Art. 44 Abs. 1 S. 3 WÜK geregelt. Verweigern sie die Aussage, so unterliegen sie keinen Zwangsmaßnahmen. Auch wenn ein ausländischer Zeuge nicht zum Termin geladen werden darf, so ist es dem Gericht ist nicht verwehrt, ihn über den anberaumten Termin und das Beweisthema zu informieren und ihm Gelegenheit zu einer freiwilligen Aussage in der mündlichen Verhandlung zu geben. Dadurch übt das Gericht keine Hoheitsgewalt aus.697 In dem Informationsschreiben an den Zeugen muss es klarstellen, dass seine Aussage vor Gericht freiwillig erfolgt. Um bereits den ersten 693 Vgl. auch BVerwG, NJW 1989, 678 (679); Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 4; Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 133. 694 Siehe Kapitel C. V. 2. b. 695  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 430, 2320, 2323; Musielak in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 761 (770); Mann, NJW 1990, 618 (619). 696 Vgl. auch Kissel/Meyer, GVG, § 18 GVG Rdnr. 29; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 666. 697  Vgl. auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 123, 425, 430, 2320; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 796; Musielak in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 761

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

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Eindruck eines hoheitlichen Charakters zu vermeiden, sollte das an den Zeugen adressierte Schreiben nicht als „Ladung“ betitelt, sondern als „Einladung“ verfasst sein. Insbesondere darf das Gericht ihm darin keine Ordnungsmittel für den Fall seines Ausbleibens androhen.698 § 377 Abs. 3 S. 1 ZPO ermöglicht dem Gericht, eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anzuordnen, wenn es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet. Ob auch ein Auslandszeuge schriftlich befragt werden kann, ist umstritten. Während einige Literaturstimmen diese Möglichkeit als völkerrechtlich unbedenklich erachten,699 verbietet sich dies nach Auffassung der Rechtsprechung, da der ausländische Staat darin einen unzulässigen Eingriff in seine Hoheitsrechte sehen könnte700. Wiederum macht der Ton die Musik: Gewährt das Gericht einem ausländischen Zeugen lediglich die Möglichkeit, eine Beweisfrage schriftlich zu beantworten, so tangiert es nicht die Souveränität des ausländischen Staates.701 Der Freiwilligkeitscharakter muss wiederum klar und deutlich zum Ausdruck kommen. Insbesondere darf es den Zeugen nicht mittelbar mit dem Hinweis nach § 377 Abs. 3 S. 2 ZPO unter Druck setzen, dass er zur Vernehmung geladen werden kann. Darüber hinaus steht es einem prozessbeteiligten ausländischen Staat frei, in Eigeninitiative ein Staatsorgan oder einen Staatsbediensteten als Zeugen zum Termin mitzubringen. Schließlich kommt neben der Beweisbeschaffung aus dem Ausland auch eine Beweisaufnahme im Ausland nach §§ 363 ff. ZPO, der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung702 und dem Haager Beweisaufnahmeübereinkommen703 in Betracht. Insbesondere im vertragslosen Rechtshilfeverkehr kann sich eine Beweisaufnahme im Ausland jedoch als langwierig oder gar als ungeeignet erweisen. Zudem kann sich das deutsche Gericht mangels eines persönlichen Eindrucks vom Zeugen unter Umständen nur schwierig ein Bild von seiner Glaubwürdigkeit machen.704

(770); Mann, NJW 1990, 618 (619). Zur „Einladung“ des ausländischen Staates siehe bereits Kapitel C. V. 2. b. 698 Nach einer Verfügung des preußischen Justizministers vom 4. 12. ​1928 durften die preußischen Gerichte einen exterritorialen Zeugen nicht mit den üblichen Vordrucken laden, sondern diese mussten besonders höflich und unter Verzicht der Androhung von Zwangsmaßnahmen abgefasst werden; vgl. hierzu Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 132. 699  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 436b, 437; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 803; Mann, NJW 1990, 618 (619). 700  BGH, NJW 1984, 2039 (2039); BVerwG, NJW 1989, 678 (679). 701  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 803; Mann, NJW 1990, 618 (618 f.). 702 ABl. EG 2001 Nr. L 174, S. 1. 703  BGBl. 1977 II, S. 1472. 704  BGH, NJW 1990, 3088 (3089); MünchKomm/Heinrich, ZPO, § 369 Rdnr. 2; Zöller/ Geimer, ZPO, § 363 Rdnrn. 4 ff.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

b. Beweis durch Urkunden eines ausländischen Staates Neben dem Zeugenbeweis stellt der Beweis durch Urkunden nach §§ 415 ff. ZPO ein weiteres wichtiges Beweismittel in einem Zivilprozess dar. Zwei Konstellationen verdienen hierbei eine nähere Betrachtung: die Beweiskraft einer von einem ausländischen Staat errichteten Urkunde und die gerichtliche Anordnung gegenüber einem ausländischen Staat zur Vorlage einer Urkunde. aa. Beweiskraft einer vom ausländischen Staat errichteten Urkunde Öffentlichen Urkunden kommt im Unterschied zu Privaturkunden eine höhere Beweiskraft zu. Während Privaturkunden nach § 416 ZPO nur den Beweis dafür begründen, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen vom jeweiligen Aussteller abgegeben sind, begründen öffentliche Urkunden nach §§ 415 Abs. 1, 417 und 418 Abs. 1 ZPO den Beweis der darin bezeugten Tatsachen.705 Eine öffentliche Urkunde im Sinne der letztgenannten Vorschriften liegt nach der in § 415 Abs. 1 ZPO enthaltenen Legaldefinition dann vor, wenn eine Behörde oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person eine Urkunde innerhalb ihrer Befugnisse in der vorgeschriebenen Form erstellt hat. Sofern eine ausländische öffentliche Urkunde nach § 438 ZPO als echt angesehen wird, entspricht ihre Beweiskraft derjenigen einer deutschen öffentlichen Urkunde.706 Nach § 438 Abs. 1 ZPO hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen, ob eine Urkunde, die von einer ausländischen Behörde oder von einer ausländischen Urkundsperson errichtet zu sein scheint, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen ist. Zum Beweis der Echtheit, so § 438 Abs. 2 ZPO, genügt die Legalisation durch einen Konsul oder einen Gesandten des Bundes. Die Legalisation, d. h. die Bestätigung der Echtheit, erfolgt nach § 13 KonsularG durch einen deutschen Konsularbeamten, in dessen Bezirk die ausländische Urkunde errichtet worden ist.707 Für die Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5. 10. ​1961708 ist nach dessen Art. 2 eine Legalisation entbehrlich. Art. 3 verlangt lediglich eine Apostille, d. h. eine Beglaubigung der zuständigen ausländischen Behörde. Weder eine Legalisation noch eine Apostille sind erforderlich nach Art. 3 des Londoner Europäischen Übereinkommens vom 7. 6. ​1968 zur Befreiung der von diplomatischen oder konsularischen Vertretern errichteten Urkunden von der Legalisation709. 705 Lüke, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 312 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 119 Rdnrn. 117 ff.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 543 f. 706  MünchKomm/Schreiber, ZPO, § 438 Rdnr. 5; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 438 Rdnr. 1; Zöller/Geimer, ZPO, § 438 Rdnr. 2. 707  Vgl. dazu Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 438 Rdnr. 2; Zöller/Geimer, ZPO, § 438 Rdnr. 1. 708  BGBl. 1965 II, S. 875. 709 BGBl. 1971 II, S. 86.

VII. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung

251

Ein ausländischer Staat kann also durch die Vorlage einer echten Urkunde, die seine Behörde oder eine von ihm mit öffentlichem Glauben versehene Urkundsperson errichtet hat, die darin beurkundeten Tatsachen beweisen. Diese Beweiskraft entfaltet eine solche Urkunde auch dann, wenn der ausländische Staat Partei eines Zivilprozesses ist und seine Behörde bzw. eine von ihm eingesetzte Urkundsperson die Urkunde erstellt hat. Demgegenüber kann die private Gegenpartei nach §§ 415 Abs. 2 und 418 Abs. 2 ZPO den Beweis antreten, dass die beurkundeten Tatsachen unrichtig sind. Den Umstand, dass der ausländische Staat den Beweis mit einer Eigenurkunde antritt, hat das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu berücksichtigen.710 Eine Spezialregelung über den Beweis der Zweckbestimmung eines einem ausländischen Staat gehörenden oder von ihm eingesetzten Schiffes bzw. seiner Ladung enthält Art. 16 Abs. 6 UN-Übereinkommen. Danach dient eine dem Gericht vorgelegte, von einem diplomatischen Vertreter oder einer anderen zuständigen Behörde dieses Staates unterzeichnete Bescheinigung als Nachweis der Zweckbestimmung des Schiffes bzw. der Ladung. Diese Regelung war von der Erwägung getragen, dass eine gerichtliche Untersuchung des hoheitlichen Zwecks einen Eingriff in die Souveränität des Staates darstellen würde.711 bb. Anordnung der Urkundenvorlage Befindet sich eine Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen des Gegners, so kann er nach § 421 ZPO den Beweis durch den Antrag antreten, dem Gegner die Vorlage der Urkunde aufzugeben. Erklärt dieser, dass sich die Urkunde in seinen Händen befindet, oder erklärt er sich hierzu nicht, so ordnet das Gericht nach § 425 i. V. m. § 142 Abs. 1 ZPO die Vorlage der Urkunde an. Fraglich ist, ob die Vorlagepflicht auch gegenüber ausländischen Staaten uneingeschränkt Anwendung findet. Für die Mitglieder der konsularischen Vertretungen enthält Art. 44 Abs. 3 S. 1 WÜK eine ausdrückliche Regelung. Danach sind sie nicht verpflichtet, ihre amtliche Korrespondenzen und Schriftstücke vorzulegen, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammenhängen. Das Europäische Übereinkommen und das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität gehen hingegen einen anderen Weg, indem sie einen prozessbeteiligten ausländischen Staat nicht von der Vorlagepflicht ausnehmen. So sieht Art. 18 S. 1 EuStImm vor, dass gegen einen Vertragsstaat, der in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates Partei ist, keine Zwangs‑ oder Strafmaßnahmen verhängt werden dürfen, weil er es ablehnt oder unterlässt, Beweismittel beizubringen. Nach Art. 18 S. 2 EuStImm kann das Gericht jedoch 710 Vgl. für eine inländische öffentliche Eigenurkunde BVerwG, NJW 1984, 2962 (2962); Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 543. 711  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 126 f.; zur Immunität im Hinblick auf Staatsschiffe siehe Kapitel C. II. 6.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

aus einer solchen Ablehnung oder Unterlassung die ihm gerechtfertigt scheinenden Schlüsse ziehen. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 24 Abs. 1 S. 1 UN-Übereinkommen für den Fall, dass ein Staat es unterlässt oder ablehnt, eine Anordnung eines ausländischen Gerichts zu befolgen, nach der er für Verfahrenszwecke bestimmte Unterlagen beizubringen hat. Danach dürfen an sein Verhalten keine anderen Folgen als die geknüpft werden, die ein solches Verhalten in Bezug auf die Hauptsache nach sich ziehen kann. Insbesondere dürfen nach Art. 24 Abs. 1 S. 2 UN-Übereinkommen gegen den Staat wegen einer solchen Nichtbefolgung oder Weigerung keine Geldbußen oder sonstigen Strafen verhängt werden. Beide Vorschriften gehen implizit davon aus, dass der ausländische Staat nach dem nationalen Zivilprozessrecht des Gerichtsstaates zur Vorlage einer Urkunde aufgefordert werden kann. Sie setzen einer Vorlagepflicht nur insoweit Grenzen, als das Gericht die Vorlage gegenüber dem ausländischen Staat nicht erzwingen darf. Es ist ihm hingegen unbenommen, in zivilprozessualer Hinsicht die ihm gerechtfertigt scheinenden Schlüsse zu ziehen. Die Auswirkungen eines beweisvereitelnden Verhaltens einer Prozesspartei auf die Beweislast und die Beweiswürdigung bestimmen sich nach der lex fori, also vor einem deutschen Zivilgericht nach deutschem Zivilprozessrecht.712 Kommt ein ausländischer Staat als Partei eines Zivilprozesses der gerichtlichen Anordnung zur Vorlage einer Urkunde nicht nach, so kann das Gericht nach § 427 ZPO eine vom Beweisführer beigebrachte Abschrift der Urkunde als richtig ansehen oder seine Behauptungen über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen annehmen. Dagegen sieht das deutsche Zivilprozessrecht die Verhängung von Zwangsmitteln bei einer Beweisvereitelung ohnehin nicht vor. Die zwangsweise Einwirkung auf einen ausländischen Staat im Rahmen einer Beweisaufnahme ist daher sowohl völkerrechtlich als auch zivilprozessual unzulässig.713 Fraglich ist, ob ein deutsches Gericht gegenüber einem ausländischen Staat auch dann die Vorlage einer Urkunde anordnen darf, wenn dieser nicht Partei des Zivilprozesses, sondern ein unbeteiligter Dritter ist. Nach § 428 i. V. m. § 142 Abs. 1 ZPO kann der Beweisführer die Vorlage einer Urkunde durch einen Dritten beantragen, wenn sie sich in dessen Besitz befindet. Allerdings ist ein Dritter nach § 142 Abs. 2 ZPO nicht zur Vorlage verpflichtet, wenn ihm dies unzumutbar ist oder wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Parallel zum Zeugnisverweigerungsrecht eines staatlichen Bediensteten steht auch einem ausländischen Staat selbst nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, wenn er ein Staatsgeheimnis offenbaren müsste. Aber auch 712  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 2341 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 753. 713 Vgl. auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 49 f.

VIII. Urteil und Vergleich

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darüber hinaus darf ein deutsches Gericht bereits nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten einen anderen Staat, ohne dass dieser am Zivilprozess beteiligt ist, nicht zur Vorlage von öffentlichen Urkunden auffordern. Zwar ist nach Auffassung von Gazzini Art. 24 Abs. 1 UN-Übereinkommen auch gegenüber einem nicht an einem Prozess beteiligten Staat anwendbar, da sich in dieser Regelung im Unterschied zu Art. 18 EuStImm keinen Hinweis darauf finden lasse, dass der Staat Partei des Zivilprozesses sein müsse.714 Aus dieser Vorschrift kann aber jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, ein Gericht könne gegenüber einem anderen Staat seine Gerichtsbarkeit dergestalt ausüben, dass es die Vorlage einer Urkunde anordnet. Damit unterläge ein am Prozess unbeteiligter Staat im vollen Umfang der Gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates, obwohl einem prozessbeteiligten Staat nach Art. 5 ff. UN-Übereinkommen relative Staatenimmunität zukommt. Darüber hinaus knüpft Art. 24 Abs. 1 UN-Übereinkommen an die zivilprozessualen Folgen an, welcher die unterlassene Vorlage in Bezug auf die Hauptsache nach sich ziehen kann. Solche Konsequenzen können jedoch einen Drittstaat ohnehin nicht treffen. Dem Gericht ist es dagegen nicht verwehrt, nach § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Behörde eines am Zivilprozess nicht beteiligten Staates im Wege der Rechtshilfe um die Vorlage einer Urkunde zu ersuchen. Darüber hinaus verbleibt dem Beweisführer nach § 429 S. 1 Hs. 2 ZPO die Möglichkeit, den ausländischen Staat auf die Vorlage der Urkunde zu verklagen. Eine Klage hat allerdings nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn nicht nur ein materiell-rechtlicher Anspruch besteht, sondern auch die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist.

VIII. Urteil und Vergleich Ein Zivilrechtsstreit endet, wenn nicht der Kläger seine Klage zurücknimmt oder die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären, mit einem Urteil oder einem Vergleich. Ist eine der Parteien ein ausländischer Staat, so sind bei dem Erlass eines Urteils bzw. der Protokollierung eines Vergleichs einige Besonderheiten zu beachten.

1. Wahl der richtigen Urteilsart In einem Zivilprozess, an dem ein ausländischer Staat beteiligt ist, nimmt die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit oftmals nicht nur eine zentrale Rolle ein, sondern beeinflusst auch die Art des zu erlassenden Urteils. Darüber hinaus 714 O’Keefe/Tams/Gazzini,

UNCSI, Art. 24, S. 363 ff.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

kann die Wahl der richtigen Urteilsart aber auch vom Verhalten des ausländischen Staates abhängen. a. Zwischenurteil Das Gericht kann nach § 280 Abs. 1 ZPO anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage, insbesondere über die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit, abgesondert verhandelt wird. Ist nach der Aktenlage zumindest nicht ausgeschlossen, dass einem beklagten ausländischen Staat Immunität zu gewähren ist, so ist eine abgesonderte Verhandlung nicht nur zweckmäßig, sondern das Gericht ist hierzu – wie bereits aufgezeigt – auch verpflichtet. Sein Ermessen ist in diesem Fall im Lichte des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität auf null reduziert.715 Kommt es im Wege der abgesonderten Verhandlung zum Ergebnis, dass einem beklagten Staat von Völkerrechts wegen keine Immunität zukommt, so bejaht es seine deutsche Gerichtsbarkeit nach § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Zwischenurteil.716 Dieses ist ein Feststellungsurteil mit dem Tenor, dass die Klage zulässig ist oder dass die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist.717 Sobald das Zwischenurteil formell rechtskräftig geworden ist, bestimmt das Gericht von Amts wegen einen Termin zur Verhandlung über die Hauptsache.718 Ein Zwischenurteil ist nach § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO mit Blick auf die Rechtsmittel als Endurteil anzusehen, so dass es mit den gleichen Rechtsmitteln wie das zu erwartende Sachurteil angefochten werden kann. Ist ein Zwischenurteil in formelle Rechtskraft i. S. v. § 705 ZPO erwachsen, so bindet es nach § 512 bzw. § 557 Abs. 2 ZPO im Grundsatz auch das zur Überprüfung des Sachurteils berufene Rechtsmittelgericht.719 Nichtsdestotrotz entschied der Bundesgerichtshof in einem Rechtsstreit über Schulgeldzahlungen an die Europäische Schule Frankfurt a. M., dass sie als Untergliederung der Institution der Europäischen Schulen an deren Völkerrechtspersönlichkeit partizipiere und ein deren Immunität fälschlicherweise verneinendes Zwischenurteil keine Bindungswirkung entfalte. Die deutsche Gerichtsbarkeit müsse in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen geprüft werden, und zwar ohne jegliche Bindung an vorangegangene Entscheidungen. Sie finde unabhängig von dem erlassenen Zwischenurteil dort ihre Grenze, wo das Völkerrecht sie einschränke. Der Umstand, dass ein Zwischenurteil keine Rechtssicherheit zu  Siehe Kapitel C. V. 2. d.  RGZ 157, 389 (391 ff.); BGHZ 182, 10 (15); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. Rdnr. 4; Zöller/Lückemann, ZPO, vor §§ 18–20 GVG Rdnr. 3; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (182); Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; Dahlhoff, BB 1997, 321 (322). 717 MünchKomm/Prütting, ZPO, § 280 Rdnr. 7; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 280 Rdnr. 7. 718  Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 280 Rdnr. 8; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 280 Rdnrn. 7, 9. 719  BGHZ 182, 10 (16); zur selbstständigen Anfechtbarkeit vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, § 280 Rdnr. 8. 715 716

VIII. Urteil und Vergleich

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begründen vermöge, wenn das Gericht die Immunität zu Unrecht verneine, sei dem Völkerrecht geschuldet und deshalb hinzunehmen.720 Fraglich ist, ob die Berücksichtigung der Staatenimmunität in jeder Lage des Verfahrens tatsächlich die in § 512 und § 557 Abs. 2 ZPO vorgesehene Bindungswirkung eines formell rechtskräftigen Zwischenurteils, in dem das Gericht die deutsche Gerichtsbarkeit feststellt, zu beseitigen vermag. Diese Vorschriften dienen  – wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung andeutete  – der Rechtssicherheit und sind damit Ausprägung des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips. Ist ein Urteil mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar, so erwächst es des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit willen in Rechtskraft und kann durch eine Prozesspartei nicht mehr infrage gestellt werden.721 Andererseits verlangt der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, dass sich der deutsche Staat nicht der Erfüllung seiner völkerrechtlichen Pflichten durch Hinweis auf sein innerstaatliches Recht entzieht, sondern dieses völkerrechtskonform ausgestaltet.722 Das Rechtsmittelgericht würde völkerrechtswidrig handeln, wenn es trotz entgegenstehender Staatenimmunität zur Sache verhandeln und einen ausländischen Staat antragsgemäß verurteilen würde, nur weil in einem Zwischenurteil fälschlicherweise die deutsche Gerichtsbarkeit bejaht worden ist. Der Mangel der Bindungswirkung eines Zwischenurteils und die damit für den Kläger verbundene Rechtsunsicherheit wirken demgegenüber weniger schwer, da das Zwischenverfahren vorrangig dem Schutz der Immunität des beklagten ausländischen Staates dient. Zugleich wird im Hauptsacheverfahren endgültig über die Gewährung von Staatenimmunität entschieden, so dass die Rechtssicherheit mit der Rechtskraft des Endurteils wiederhergestellt ist. Aber auch das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht ist nicht dadurch verletzt, dass einem beklagten ausländischen Staat trotz eines die Immunität verneinenden Zwischenurteils später doch noch Immunität gewährt wird. In der abgesonderten Verhandlung entscheidet das Gericht nur über seine Gerichtsbarkeit, sie dient hingegen nicht der Verwirklichung der materiellen Ansprüche des Klägers. Auch wenn ein Zwischenurteil dem Kläger erst die Verhandlung und Entscheidung zur Sache ermöglicht, endet sein Recht auf Zugang zu Gericht dort, wo einem beklagten ausländischen Staat von Völkerrechts wegen Immunität zuteilwird.723 720  BGHZ 182, 10 (16 f.); bestätigt von BGH, NJW 2013, 3184 (3186); zustimmend Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15. 721  Hk/Saenger, ZPO, § 322 Rdnr. 49; Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 28 Rdnrn. 1, 3; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 998. 722 BVerfGE 74, 358 (370); von Arnauld, Völkerrecht, Rdnrn. 519 ff.; Herdegen, Völkerrecht, § 22 Rdnr. 10; Talmon, JZ 2013, 12 (15 ff.). 723  Zum Verhältnis des Rechts auf Zugang zu Gericht zur Staatenimmunität siehe Kapitel B. IV. 2. a., b.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Demzufolge ist dem Bundesgerichtshof Recht zu geben. Das Rechtsmittelgericht hat einem beklagten ausländischen Staat im Hauptsacheverfahren auch dann Immunität zu gewähren, wenn durch Zwischenurteil zunächst das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit festgestellt worden ist. Da weder das Rechtsstaatsprinzip noch das Recht auf Zugang zu Gericht der Gewährung von Staatenimmunität entgegenstehen, genießen die entsprechenden völkerrechtlichen Regeln nach Art. 25 S. 2 GG Anwendungsvorrang vor § 512 bzw. § 557 Abs. 2 ZPO. Trotz der fehlenden Bindungswirkung eines die deutsche Gerichtsbarkeit bejahenden Zwischenurteils bleibt eine abgesonderte Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage sinnvoll, weil der Rechtsstreit zunächst auf die Frage der Staatenimmunität konzentriert wird und dieser damit ein größtmöglicher Schutz zukommt.724 b. Endurteil Gelangt das Gericht nach einer abgesonderten Verhandlung gem. § 280 Abs. 1 ZPO zu dem Ergebnis, dass einem ausländischen Staat Immunität zukommt, so entscheidet es nicht durch Zwischenurteil. Vielmehr hat es in diesem Fall die Klage sogleich gem. § 300 Abs. 1 ZPO durch Endurteil in Form eines Prozessurteils als unzulässig abzuweisen,725 weil es mangels Gerichtsbarkeit ohnehin nicht mehr zur Hauptsache verhandeln und entscheiden darf und der Rechtsstreit damit beendet ist. Da das Gericht die deutsche Gerichtsbarkeit von Amts wegen zu prüfen hat, gilt dies unabhängig davon, ob sich der beklagte Staat schriftsätzlich oder in der abgesonderten Verhandlung auf seine Immunität berufen hat.726 Aber auch wenn die gegen ihn gerichtete Klage unbegründet ist, ist sie durch Prozessurteil abzuweisen,727 obwohl ein Sachurteil angesichts seiner materiellen Rechtskraft für den ausländischen Staat als Immunitätsträger vorteilhafter sein könnte. Fehlt es an der deutschen Gerichtsbarkeit, so würde ein deutsches Gericht mit einer Sachentscheidung die Grenzen seiner Gerichtsgewalt überschreiten und damit die Souveränität des ausländischen Staates verletzen.728 Kommt einem ausländischen Staat hingegen nach Aktenlage unzweifelhaft keine Immunität zu, so kann das Gericht zweckmäßigerweise ohne abgesonderte Verhandlung zur Zulässigkeit sogleich zur Hauptsache verhandeln und bei Vorliegen der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen ein Endurteil in der Sache  BGHZ 182, 10 (17). 10 (17); BAG, IPRspr. 2002 Nr. 128, S. 321 (324); LG Konstanz, Urteil v. 19. 11. ​ 2013, Az. 2 O 132/13 B – juris; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 527a; Dahlhoff, BB 1997, 321 (322). 726 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 527a. 727  Zöller/Lückemann, ZPO, vor §§ 18–20 GVG Rdnr. 3; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 527a; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15. 728 BGH, NJW 1979, 1101 (1101). 724

725 BGHZ 182,

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erlassen.729 Hat umgekehrt ein ausländischer Staat eine Klage erhoben, so kann bereits aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit ein Sachurteil auch zu seinen Ungunsten ergehen. Hat er sich freiwillig der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen, so muss er wie jeder andere Kläger damit rechnen, dass seine Klage abgewiesen wird.730 Ein beklagter Staat kann nach § 307 ZPO auch ein Anerkenntnis abgeben, ohne dass es hierzu einer mündlichen Verhandlung bedarf. In diesem Fall erlässt das erkennende Gericht ein Anerkenntnisurteil ohne Prüfung der Sach‑ und Rechtslage. Gleichwohl darf ein solches Urteil nur ergehen, wenn die Prozessvoraussetzungen vorliegen, zu deren Überprüfung das Gericht von Amts wegen verpflichtet ist.731 Insbesondere entbindet ein Anerkenntnis das Gericht nicht von der Prüfung der deutschen Gerichtsbarkeit. Diese Voraussetzung lässt sich aber im Fall eines Anerkenntnisses unproblematisch bejahen, da es einen Immunitätsverzicht impliziert. Erklärt ein beklagter Staat, die Klageforderung gegen sich gelten zu lassen, so unterwirft er sich freiwillig der deutschen Gerichtsbarkeit. c. Versäumnisurteil Zeigt der Prozessvertreter eines beklagten ausländischen Staates die Verteidigungsbereitschaft nicht an, erscheint er nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung oder verhandelt er darin nicht zur Sache, so kann das Gericht auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil nach § 331 ZPO erlassen.732 Sowohl Art. 16 EuStImm als auch Art. 23 UN-Übereinkommen enthalten hierzu entsprechende Regelungen. Der Erlass eines echten Versäumnisurteils gegen einen beklagten Staat setzt voraus, dass er der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.733 So sieht auch Art. 23 Abs. 1 lit. c) UN-Übereinkommen explizit vor, dass eine Versäumnisentscheidung gegen einen Staat nur getroffen wird, wenn sich das Gericht vergewissert hat, dass das Übereinkommen die Ausübung der Gerichtsbarkeit nicht ausschließt. Die Säumnis eines ausländischen Staates lässt dagegen nicht auf einen konkludenten Immunitätsverzicht schließen, da er dadurch nicht zu erkennen gibt, dass er an einer Sachentscheidung interessiert wäre.734 729  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 14; zur sofortigen Verhandlung zur Hauptsache siehe bereits Kapitel C. V. 2. d. 730 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 17. 731  Musielak/Voit/Musielak, ZPO, § 307 Rdnr. 15; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 132 Rdnr. 55. 732 LG Hamburg, RIW 1981, 712 (712); LG Stuttgart, IPRspr. 1971 Nr. 129, S. 389 (390); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 96; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (214); Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 42; Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (74). 733  Vgl. auch BGH, MDR 2003, 1135 (1135); O’Keefe/Tams/Gazzini, UNCSI, Art. 23, S. 357, 361. 734 Siehe auch Kapitel C. III. 2. b. cc.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Fehlt es an der deutschen Gerichtsbarkeit und damit an einer Prozessvoraussetzung, so kann das Gericht nur ein sog. unechtes Versäumnisurteil erlassen und die Klage nach § 331 Abs. 2 Hs. 2 ZPO als unzulässig abweisen.735 Die in § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO geregelte Fiktion, nach der das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden gilt, findet im Hinblick auf die deutsche Gerichtsbarkeit keine Anwendung. Vielmehr bezieht sie sich nur auf die für die Begründetheit der Klage erforderlichen Tatsachen, während das Gericht die Prozessvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen hat.736 Dementsprechend darf bei Säumnis eines ausländischen Staates in einem Termin zur abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage nach § 280 Abs. 1 ZPO kein Versäumnisurteil nach § 347 Abs. 2 ZPO ergehen. Um Überraschungsentscheidungen zu vermeiden, knüpfen Art. 16 EuStImm und Art. 23 UN-Übereinkommen den Erlass eines Versäumnisurteils an mehrere Voraussetzungen. Nach Art. 16 Abs. 7 EuStImm kann eine Versäumnisentscheidung gegen einen Vertragsstaat nur ergehen, wenn festgestellt ist, dass ihm die Klageschrift unter den Voraussetzungen des Abs. 2 übermittelt worden ist. In ähnlicher Weise bestimmt Art. 23 Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen, dass die in Art. 22 Abs. 1 und 3 UN-Übereinkommen festgelegten Voraussetzungen für die Klagezustellung erfüllt sein müssen. Die Regelungen beider Übereinkommen sind mit der deutschen Zivilprozessordnung kompatibel, da nach § 261 Abs. 1 i. V. m. § 253 Abs. 1 ZPO die Rechtshängigkeit der Streitsache erst durch die ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift begründet wird und nur dann ein Versäumnisurteil ergehen kann. Darüber hinaus muss nach Art. 16 Abs. 7 EuStImm die Frist zur Verfahrensbeteiligung eingehalten worden sein. Diese vom Gericht zu bestimmende Frist beträgt nach Art. 16 Abs. 5 EuStImm mindestens zwei Monate ab Eingang der Klageschrift beim Außenministerium. Art. 23 Abs. 1 lit b) UN-Übereinkommen sieht hingegen vor, dass eine Versäumnisentscheidung gegen einen ausländischen Staat nur ergehen kann, wenn eine Frist von mindestens vier Monaten ab Zustellung der Klage verstrichen ist. Hat der Vorsitzende die von ihm nach § 274 Abs. 3 S. 2 ZPO oder § 276 Abs. 1 S. 2 u. 3 ZPO zu bestimmende Einlassungsfrist737 zu kurz bemessen, so hat das Gericht nach § 337 S. 1 ZPO die Verhandlung über den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zu vertagen. Versäumnisurteile werden regelmäßig nach § 313b Abs. 1 ZPO in abgekürzter Form, also ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe, abgefasst. Ein Versäumnisurteil gegen einen ausländischen Staat darf allerdings nach § 313b Abs. 3 ZPO 735  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 131; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 42. 736 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 97; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 661; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (214). 737 Siehe hierzu näher Kapitel C. V. 1. e.

VIII. Urteil und Vergleich

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nicht in abgekürzter Form ergehen, wenn zu erwarten ist, dass es im Ausland geltend gemacht werden soll. Hierfür genügt ein Auslandsbezug des Rechtsstreits dergestalt, dass der beklagte Staat seinen Sitz nicht in Deutschland hat.738 Das verkündete Versäumnisurteil wird sodann nach § 317 Abs. 1 ZPO in Abschrift dem beklagten Staat und, wenn es im schriftlichen Verfahren gem. § 331 Abs. 3 ZPO ergangen ist, beiden Parteien zugestellt. Die Zustellung des Versäumnisurteils an den ausländischen Staat erfolgt – wie bereits die Zustellung der Klageschrift – in der Regel auf diplomatischem Weg.739 So sieht Art. 16 Abs. 2 S. 1 EuStImm explizit vor, dass das Gericht eine Abschrift einer gegen einen beklagten Vertragsstaat ergangenen Versäumnisentscheidung auf diplomatischem Weg dem Außenministerium des ausländischen Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige Behörde übermittelt. Darüber hinaus ist aber auch eine Inlandszustellung des Versäumnisurteils an einen rechtsgeschäftlichen Vertreter gem. § 171 ZPO, an einen Prozessbevollmächtigten gem. § 172 ZPO,740 an einen Zustellungsbevollmächtigten gem. § 184 ZPO741 sowie eine öffentliche Zustellung gem. § 185 Nr. 3 ZPO742 möglich. Regelmäßig beträgt die als Notfrist ausgestaltete Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils. Dies gilt allerdings nur, wenn das Versäumnisurteil einem Bevollmächtigten des ausländischen Staates zugestellt wird. Dagegen hat das Gericht bei der Urteilszustellung auf diplomatischem Weg oder durch öffentliche Bekanntmachung nach § 339 Abs. 2 ZPO die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch Beschluss zu bestimmen. Das Bundesarbeitsgericht hielt die Festsetzung einer Einspruchsfrist von vier Wochen für ein Versäumnisurteil, das gegen die Republik Venezuela erging und öffentlich zugestellt wurde, ohne nähere Begründung für unbedenklich.743 Demgegenüber muss die Frist bei der Zustellung auf diplomatischem Weg nach Art. 16 Abs. 5 EuStImm – ebenso wie die Einlassungsfrist – mindestens zwei Monate ab Eingang der Abschrift der Versäumnisentscheidung beim Außenministerium des ausländischen Staates betragen. Diese Bestimmung entspricht inhaltlich sec. 12 (5) SIA, während der FSIA keine Regelung zur Einspruchsfrist enthält. Art. 23 Abs. 3 UN-Übereinkommen verlangt hingegen, dass die Einspruchsfrist mindestens vier Monate ab Eingang der Abschrift der Versäumnisentscheidung beim betreffenden Staat beträgt. Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland dem UN-Übereinkommen noch nicht beigetreten und dieses noch 738  Vgl. auch BeckOK/Elzer, ZPO, § 313a Rdnr. 20; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 313b Rdnr. 5. 739  Siehe hierzu näher Kapitel C. V. 1. b. 740  Siehe hierzu näher Kapitel C. V. 1. c. 741 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 97 und Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 662. 742  Siehe hierzu näher Kapitel C. V. 1. d. 743 BAG, NZA-RR 2015, 546 (552).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

nicht in Kraft ist, so spiegelt es doch weitgehend das Völkergewohnheitsrecht wider. Daher ist das Gericht auf der sicheren Seite, wenn es gegenüber denjenigen Staaten, die nicht Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens sind, sowohl bei der Zustellung auf diplomatischem Weg als auch bei der öffentlichen Zustellung eine Einspruchsfrist von mindestens vier Monaten bestimmt.

2. Kostenentscheidung im Urteil Entscheidet ein Gericht über eine Klage eines ausländischen Staates oder über eine gegen ihn gerichtete Klage, so hat es nach § 308 Abs. 2 ZPO neben dem Ausspruch in der Hauptsache auch über die Prozesskosten zu entscheiden. Fraglich ist, ob auch einem unterliegenden ausländischen Staat gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten aufzuerlegen bzw. bei teilweisem Unterliegen die Kosten gem. § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen sind. Art. 17 S. 2 EuStImm enthält eine partielle Regelung zur Kostentragungspflicht. Danach hat der Staat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates als Kläger auftritt, alle ihm auferlegten Verfahrenskosten zu zahlen. Aber auch über den Anwendungsbereich und den Regelungsinhalt der Bestimmung hinaus ist ein ausländischer Staat, der der deutschen Gerichtsbarkeit in einem Zivilprozess unterworfen ist und unterliegt, zur Kostentragung verpflichtet. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist nicht auf die Verurteilung in der Hauptsache beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Verurteilung zur Tragung der Prozesskosten.744 Weder kennt das deutsche Zivilprozessrecht, noch gebietet das Völkerrecht eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht gem. §§ 91 ff. ZPO. Darüber hinaus kann die (teilweise) obsiegende Partei ihre erstattungsfähigen Kosten auch gegen einen ausländischen Staat nach §§ 103 ff. ZPO festsetzen lassen,745 da das Kostenfestsetzungsverfahren noch Teil des Erkenntnisverfahrens ist. Dieser ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 S. 1 GKG von den Gerichtskosten befreit, da die Kostenfreiheit nur für den Bund, die Länder und die nach deren Haushaltsplänen verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen gilt. Auch scheidet eine analoge Anwendbarkeit der Vorschrift mangels einer vergleichbaren Interessenlage aus. Ausländische Staaten brauchen im Unterschied zum Bund und zu den Ländern nicht den Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der deutschen Gerichte zu tragen, so dass sich bei ihnen die Erhebung von Gerichtskosten auch nicht als vermeidbarer Buchungsvorgang darstellt.746 744  MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 10; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 634; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (225); Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 63; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2983). 745  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 634. 746 Zum Regelungszweck vgl. BeckOK/Dörndorfer, Kostenrecht, § 2 GKG Rdnr. 1.

VIII. Urteil und Vergleich

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Von einigen Literaturstimmen wird kritisiert, dass ein Urteil im Kostenausspruch nicht vollstreckt werden könne, wenn ein ausländischer Staat eine Privatperson verklage und seine Klage abgewiesen werde. Der Beklagte bleibe sodann auf seinen Kosten sitzen, wenn der unterliegende Staat für die Zwangsvollstreckung nicht auf seine Immunität verzichte. Damit ermögliche die Immunität einem ausländischen Staat ein risikoloses Prozessieren vor deutschen Gerichten.747 Dieser Kritik steht allerdings entgegen, dass nicht nur im Erkenntnisverfahren, sondern auch in der Zwangsvollstreckung der Grundsatz der relativen Staatenimmunität gilt.748 Ein obsiegender Beklagter kann daher aus einem gegenüber einem ausländischen Staat ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss in diejenigen Vermögensgegenstände vollstrecken, für die diesem keine Immunität zukommt, weil sie einem nichthoheitlichen Verwendungszweck dienen. Folglich kann ein ausländischer Staat vor einem deutschen Gericht nur dann risikolos eine Klage erheben, wenn er kein vollstreckbares Vermögen in Deutschland hat und binnen der dreißigjährigen Verjährungsfrist gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB auch nicht haben wird. Aber selbst in diesem Fall verbleibt dem Beklagten die Möglichkeit, nach Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Kostenfestsetzungsbeschlusses die Zwangsvollstreckung im Ausland zu betreiben. Obsiegt umgekehrt ein ausländischer Staat in einem Rechtsstreit, so sind ihm nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO seine entstandenen Kosten insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Hat sich der ausländische Staat durch einen ausländischen Rechtsanwalt vertreten lassen, so richtet sich die Höhe der insoweit zu erstattenden Kosten zunächst nach dem Recht, das auf den Anwaltsvertrag anzuwenden ist. Gleichwohl sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die erstattungsfähigen Gebühren ausländischer Anwälte der Höhe nach auf das deutsche Gebührenrecht begrenzt.749

3. Prozessvergleich Ein Zivilrechtsstreit mit einem ausländischen Staat kann nicht nur durch Urteil, sondern auch durch Prozessvergleich beendet werden. Mit dessen Abschluss verzichtet ein ausländischer Staat zugleich auf seine Immunität. Daher darf ein Gericht einen Prozessvergleich, an dem dieser als Prozesspartei beteiligt ist, auch 747  MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 10; ferner Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 194. 748  Siehe hierzu Kapitel B. II. 1. a., D. I. 2. a. 749  BGH, NJW 2005, 1373 (1374); so auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 2664; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 652.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

dann beurkunden, wenn der Rechtsstreit sein hoheitliches Handeln betrifft.750 Auch Art. 22 EuStImm impliziert die Zulässigkeit der Beendigung eines Rechtsstreits durch einen Prozessvergleich, während das UN-Übereinkommen hierzu keine Regelung enthält. So hat nach Art. 22 Abs. 1 EuStImm ein Vertragsstaat einen Vergleich zu erfüllen, an dem er als Partei beteiligt ist und der in einem Verfahren vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates geschlossen worden ist. Durch den Abschluss eines Prozessvergleichs unterwirft sich ein ausländischer Staat nicht zugleich der Zwangsvollstreckung. Zwar errichtet das Gericht mit der Protokollierung eines Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einen vollstreckbaren Titel, der Immunitätsverzicht für das Erkenntnisverfahren wirkt aber nicht im Vollstreckungsverfahren fort. Ein solch weitgehender Verzichtswille lässt sich dem Abschluss eines Prozessvergleichs in aller Regel nicht entnehmen, da die Vollstreckungsimmunität objektbezogen gewährt wird.751 Der Vollstreckungsgläubiger kann aus einem solchen Titel auch ohne Immunitätsverzicht in diejenigen Vermögensgegenstände vollstrecken, für die dem ausländischen Staat keine Vollstreckungsimmunität zukommt. Für die Vollstreckung in die übrigen Vollstreckungsobjekte bedarf es dagegen eines gesonderten Immunitätsverzichts.752

IX. Spezielle Verfahrensarten Bislang stand das mit der Klageerhebung eingeleitete Urteilsverfahren im Fokus der Untersuchung. Ein ausländischer Staat könnte aber auch Antragsteller oder Antragsgegner im Prozesskostenhilfeverfahren, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und im Mahnverfahren sein.

1. Prozesskostenhilfe Will ein privater Gläubiger einen ausländischen Staat gerichtlich in Anspruch nehmen, vermag er aber die Kosten der Prozessführung nicht oder nur teilweise aufzubringen, so kann er nach § 117 ZPO ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen. a. Prozesskostenhilfe für den Gläubiger eines ausländischen Staates Nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erhält eine bedürftige Partei Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen einen ausländischen Staat, wenn die von ihr beabsich750 Geimer,

Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 554a; Weller, Rpfleger 2006, 364 (365).  Siehe hierzu näher Kapitel D. I. 1. 752  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 554a; Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 126. 751

IX. Spezielle Verfahrensarten

263

tigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach‑ und Rechtslage möglich, das der beabsichtigten Klage stattgegeben wird, so besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht.753 Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn einem ausländischen Staat für eine Klage unzweifelhaft Immunität zukäme und sie daher wegen fehlender Gerichtsbarkeit als unzulässig abzuweisen wäre. Ist hingegen zweifelhaft, ob ihm Immunität zu gewähren wäre, und bedarf daher diese Frage nicht nur einer summarischen, sondern einer genaueren Prüfung der Sach‑ bzw. Rechtslage, so hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. In dieser Konstellation gewährt das Gericht dem Antragsteller auch dann zu Recht Prozesskostenhilfe, wenn es sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass dem ausländischen Staat letztlich doch Immunität zukommt. Neben dem offensichtlichen Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit kann eine gegen einen ausländischen Staat gerichtete Klage auch aus anderen Gründen keine Erfolgsaussicht haben. So lehnte beispielsweise das Amtsgericht Bonn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage eines deutschen Kleingärtners ab, mit der dieser Schadensersatzansprüche gegen die ehemalige Sowjetunion wegen der radioaktiven Verstrahlung seiner Gartenanlage infolge des Reaktorunfalls in Tschernobyl geltend machte. Nach Auffassung des Gerichts bot seine beabsichtigte Prozessführung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da es unzuständig sei und die Klage mangels einer geeigneten Anspruchsgrundlage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet sei.754 Abgesehen davon, dass die Ausführungen zur fehlenden Zuständigkeit nicht überzeugen,755 hätte das Gericht den Prozesskostenhilfeantrag nicht wegen mangelnder Zuständigkeit abweisen dürfen. Vielmehr hätte es gegenüber dem Antragsteller anregen müssen, dass er eine Verweisung an das örtlich zuständige Gericht beantragt. Auf seinen Antrag hin hätte es sodann das Prozesskostenhilfeverfahren analog § 281 ZPO an das für die Hauptsache zuständige Gericht verweisen müssen, das allein befugt gewesen wäre, über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden.756 Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt außerdem nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist. Dies ist nach Abs. 2 der Fall, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände trotz hinreichender Erfolgsaussicht von der Rechtsverfolgung absehen würde. So kann die Gewährung von Pro753  BeckOK/Reichling, ZPO, § 114 Rdnr. 28; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 114 Rdnr. 22; Zöller/Geimer, ZPO, § 114 Rdnr. 19. 754 AG Bonn, IPRax 1988, 351 (351 ff.); bestätigt von LG Bonn, IPRax 1988, 354 (354). 755  Siehe hierzu näher Kapitel C. IV. 1. cc. 756  Vgl. auch BGH, NJW-RR 1992, 59 (59); 1994, 706 (706); Zöller/Geimer, ZPO, § 114 Rdnr. 22a.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

zesskostenhilfe zu versagen sein, wenn die Vollstreckung aus dem begehrten Titel auf lange Zeit aussichtslos ist.757 Beispielsweise wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegenüber einer Person mit Wohnsitz im Ausland abgelehnt, wenn sie in Deutschland kein pfändbares Vermögen hat und ein deutsches Urteil im Heimatstaat nicht vollstreckbar wäre.758 Diese Konstellation lässt sich allerdings nicht auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen einen ausländischen Staat übertragen, da Staaten im Unterschied zu Privatpersonen auswärtige Beziehungen pflegen und in diesem Rahmen auch über vollstreckbare Vermögensgegenstände im Ausland wie etwa Bankguthaben zur Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs verfügen. Selbst wenn ein Staat zum Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeverfahrens in Deutschland kein Vermögen hat, das dem Vollstreckungszugriff der deutschen Gerichte unterliegt, so ist es nicht ausgeschlossen, dass er binnen der dreißigjährigen Verjährungsfrist für rechtskräftig festgestellte Ansprüche gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB ein solches Vermögen in Deutschland begründen wird. Darüber hinaus steht dem Gläubiger regelmäßig die Möglichkeit offen, die Zwangsvollstreckung nach Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines von einem deutschen Gericht erlassenen Urteils in einem Drittstaat zu betreiben, in dem der Schuldnerstaat vollstreckbares Vermögen hat. Daher ist die von einem privaten Gläubiger gegenüber einem ausländischen Staat beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel nicht mutwillig, nur weil Letzterer in Deutschland zum Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeverfahrens über kein vollstreckbares Vermögen verfügt. b. Prozesskostenhilfe für einen ausländischen Staat Wird ein zahlungsunfähiger Staat vor einem deutschen Gericht in Anspruch genommen oder will er selbst Klage erheben, so könnte auch er auf die Idee kommen, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beantragen. Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Staaten können zahlungsunfähig werden.759 So rief beispielsweise Argentinien auf dem Höhepunkt seiner Wirtschaftskrise 2002 den Staatsnotstand aus und stellte wegen Zahlungsunfähigkeit seinen Auslands-

757 MünchKomm/Wache, ZPO, § 114 Rdnr. 77; Musielak/Voit/Fischer, ZPO, § 114 Rdnr. 41; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 114 Rdnr. 31; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 1100. 758  Vgl. z. B. OLG Celle, NJW 1997, 532 (532). 759 So wird diskutiert, wie ein Insolvenzverfahren über das Fiskalvermögen eines Staates durchgeführt werden könnte, vgl. etwa Paulus in: Dabrowski/Fisch u. a. (Hrsg.), Die Diskussion um ein Insolvenzrecht für Staaten, S. 231 ff.; Aden, ZRP 2010, 191 ff. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung regte in einem Sondergutachten vom Juni 2015 die Einführung eines Insolvenzverfahrens für die Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion an, abrufbar unter http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft. de/fileadmin/dateiablage/download/sondergutachten/sg2015.pdf (28. 2. ​2017).

IX. Spezielle Verfahrensarten

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schuldendienst ein.760 2014 konnte Argentinien erneut seine umgeschuldeten Staatsanleihen nicht mehr bedienen, nachdem es von Hedgefonds erfolgreich vor US-amerikanischen Gerichten aus den Altanleihen verklagt worden war.761 Auch Griechenland befindet sich seit 2010 in einer andauernden Staatsschuldenkrise, so dass es zur Vermeidung eines Staatsbankrotts auf Finanzhilfen der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds angewiesen ist.762 Schließlich vermochte 2015 Puerto Rico seine Schulden nicht mehr zu bedienen, woraufhin es Ratingagenturen als zahlungsunfähig einstuften.763 Nach § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO sind auch juristische Personen und parteifähige Vereinigungen prozesskostenhilfeberechtigt, sofern sie im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein und Norwegen) gegründet oder dort ansässig sind. Wenngleich diese Regelung auf ausländische Staaten nicht zugeschnitten ist, so sind auch sie juristische Personen des öffentlichen Rechts, deren Regierungssitz sich naturgemäß auf dem eigenen Territorium befindet. Parallel dazu findet auch die EuGVVO, die in Art. 5 Abs. 1 i. V. m. Art. 63 Abs. 1 lit. a) EuGVVO auf den Sitz des Beklagten abstellt, auf Klagen gegen EU-Mitgliedstaaten Anwendung.764 Demzufolge sind die EUMitgliedstaaten sowie die EWR-Vertragsstaaten an und für sich prozesskostenhilfeberechtigt. Darüber hinaus muss nach § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO ein Unterlassen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen. Dies ist der Fall, wenn andernfalls der ausländische Staat behindert würde, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn die gerichtliche Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen könnte.765 Diese Voraussetzung wäre etwa erfüllt, wenn ein beklagter Staat durch eine Verurteilung und anschließende Vollstreckung Gemeinwohlaufgaben nur noch in geringerem Umfang als bisher erfüllen könnte. Die entscheidende Frage ist allerdings noch nicht beantwortet, nämlich ob ein ausländischer Staat überhaupt mittellos sein kann. § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO setzt voraus, dass die Kosten weder vom ausländischen Staat noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können. Die eingangs genannten Beispiele zeigen, dass auch Staaten von einer 760  Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 72 ff.; Cranshaw, DZWIR 2007, 133 (134 f.); Ohler, JZ 2005, 590 (591). 761 FAZ v. 1. 8. ​2014, S. 15; v. 19. 9. ​2014, S. 20. 762  Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 75 ff.; Der Spiegel v. 11. 7. ​2015, Ausg. 29, S. 24. 763 Weller/Grotz, JZ 2015, 989 (989); Die Welt v. 5. 8. ​2015, S. 15; Die Zeit v. 6. 8. ​2015, S. 10. 764  Siehe bereits Kapitel C. IV. 1. a. 765  Vgl. BGHZ 25, 183 (185); Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 116 Rdnr. 6; Zöller/Geimer, ZPO, § 116 Rdnr. 25.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Zahlungsunfähigkeit bedroht oder betroffen sein können. Nichtsdestotrotz ist bei der Annahme, dass ein ausländischer Staat die Kosten für einen Zivilprozess nicht aufbringen kann, Zurückhaltung angebracht. Vorrangig obliegt es ihm, jedenfalls dann sein Vermögen einzusetzen, wenn er es nicht unmittelbar zur Erfüllung seiner Staatsaufgaben benötigt. Darüber hinaus ist es einem ausländischen Staat wie jeder anderen juristischen Person zuzumuten, einen Kredit zur Prozessfinanzierung aufzunehmen, anstatt Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen.766 Selbst wenn ein ausländischer Staat auf Hilfen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) oder des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen ist, so kann er gleichwohl in der Lage sein, die Prozesskosten aufzubringen, hält man sich das in Relation zum Staatshaushalt relativ geringe Prozesskostenrisiko vor Augen. Dieses beträgt beispielsweise für die erste Instanz selbst bei einem Streitwert von 10 Mio. Euro unter Berücksichtigung der Gerichtskosten und der Rechtsanwaltskosten für beide Parteien circa 350.000 Euro und bei einem Streitwert von 1 Mio. Euro knapp 48.000 Euro. Demgegenüber hatte Griechenland 2016 Staatseinnahmen i. H. v. umgerechnet $ 93,3 Mrd. und selbst der Zwergstaat Liechtenstein kam 2012 auf Staatseinnahmen i. H. v. umgerechnet $ 995,3 Mio.767 Anders wäre das Prozesskostenrisiko zu bewerten, wenn ein EU-Mitgliedstaat oder ein EWR-Vertragsstaat auf das Einkommensniveau des südpazifischen Inselstaates Wallis und Futuna zurückfiele, der im letzten Erhebungsjahr 2004 nur Staatseinnahmen i. H. v. $ 29.730 zu verzeichnen hatte.768 EU-Mitgliedstaaten und EWR-Vertragsstaaten sind demzufolge nur dann mittellos und damit prozesskostenhilfeberechtigt, wenn eine Prozessfinanzierung aus eigenen Mitteln unter allen Umständen ausscheidet.

2. Einstweiliger Rechtsschutz Ein Zivilprozess, in dem ein Gläubiger Ansprüche gegenüber einem ausländischen Staat geltend macht, dauert oftmals nicht zuletzt wegen der Zustellung der Klageschrift auf diplomatischem Weg und der nicht einfach zu beurteilenden Frage der deutschen Gerichtsbarkeit überdurchschnittlich lange. Bis der Kläger einen Titel in der Hauptsache erwirkt und aus diesem vollstreckt, bleibt es einem beklagten Staat unbenommen, sich einem potentiellen Zugriff deutscher Vollstreckungsorgane dadurch zu entziehen, dass er sein in Deutschland belegenes, 766  Vgl. BGH, NJW-RR 2007, 379 (380); MünchKomm/Wache, ZPO, § 116 Rdnr. 21; Musielak/Voit/Fischer, ZPO, § 116 Rdnr. 12. 767 Central Intelligence Agency, The World Factbook, https://www.cia.gov/library/p​u​b​l​i​c​a​t​ i​o​n​s​/the-world-factbook/fields/2056.html#gr (28.  2. ​2017). 768  Central Intelligence Agency, The World Factbook, https://www.cia.gov/library/p​u​b​l​i​c​a​t​ i​o​n​s​/the-world-factbook/fields/2056.html#gr (28.  2. ​2017).

IX. Spezielle Verfahrensarten

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vollstreckbares Vermögen ins Ausland verbringt.769 Um dies zu verhindern, bedarf es eines Eilrechtsschutzes in Form des dinglichen Arrests gem. § 917 ZPO, der die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen sichert. Demgegenüber dient die einstweilige Verfügung gem. § 935 ZPO der Sicherung eines Individualanspruchs und gem. § 940 ZPO der einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses, in Ausnahmefällen auch der vorläufigen Befriedigung.770 a. Staatenimmunität im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gem. §§ 916 ff. ZPO ist ein summarisches Erkenntnisverfahren, in dem es angesichts der Eilbedürftigkeit einer Entscheidung genügt, dass der Antragsteller nach § 920 Abs. 2 (i. V. m. § 936) ZPO seinen Anspruch und den Arrest‑ bzw. Verfügungsgrund glaubhaft macht. Eine schnelle Entscheidung erfordert eine schnelle Tatsachengrundlage, so dass die Glaubhaftmachung nach § 294 Abs. 2 ZPO nur durch präsente Beweismittel erfolgen kann. Hierbei muss das Gericht nicht vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen überzeugt sein, sondern es lediglich für wahrscheinlicher halten, dass sie vorliegen, als dass sie nicht vorliegen.771 Angesichts des Eilcharakters wird die Beweismaßreduzierung regelmäßig auch auf die Prozessvoraussetzungen angewandt.772 Die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität könnten aber einer nur summarischen Prüfung der deutschen Gerichtsbarkeit entgegenstehen. Diese birgt die Gefahr in sich, dass das Gericht trotz bestehender Immunität einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung gegen einen ausländischen Staat erlässt und damit einen Völkerrechtsverstoß begeht. Hieraus nun ein Verbot für den Erlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung gegenüber einem ausländischen Staat zu fordern, schießt allerdings über das Ziel hinaus. So schließt zwar sec. 13 (2) (a), (3) SIA die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber einem ausländischen Staat aus, sofern er ihr nicht schriftlich zugestimmt hat. Gleichwohl findet diese Regelung weder eine Entsprechung in den Immunitätsübereinkommen noch im FSIA, zumal sie nicht die Überzeugung der Staatengemeinschaft widerspiegelt, sondern außenpolitischen Rücksichten geschuldet ist.773 769  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (276, 278); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 173. 770  Zöller/Vollkommer, ZPO, vor §  916 Rdnr.  1; Adolphsen, Zivilprozessrecht, §  38 Rdnrn. 27 ff. 771 BGHZ 156, 139 (142); Hk/Saenger, ZPO, § 294 Rdnr. 2; MünchKomm/Prütting, ZPO, § 294 Rdnr. 2; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 920 Rdnr. 9. 772  BeckOK/Mayer, ZPO, § 920 Rdnr. 4; MünchKomm/Drescher, ZPO, § 920 Rdnr. 12; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 920 Rdnr. 9. 773  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 188 ff.; Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 4.087; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 615; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986).

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

Auch das Bundesverfassungsgericht führte in seiner Entscheidung zur Pfändung der Konten der National Iranian Oil Company aus, dass keine allgemeine Regel des Völkerrechts bestehe, nach welcher der Gerichtsstaat vorhaltlos gehindert wäre, aufgrund eines in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erlangten Titels zur Sicherung des vom Gläubiger geltend gemachten Anspruchs Zwangsmaßnahmen in Vermögenswerte eines fremden Staates zu betreiben.774 Verbietet das Völkerrecht nicht die Vollziehung eines im einstweiligen Rechtsschutz erlangten Titels, so ist im Erst-recht-Schluss auch der Erlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung gegenüber einem ausländischen Staat prinzipiell möglich. Andernfalls wäre der Antragsteller rechtsschutzlos gestellt, könnte er seinen Anspruch nicht vorläufig sichern oder ein Rechtsverhältnis nicht vorläufig regeln lassen, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme. Umgekehrt wird ein ausländischer Staat dadurch geschützt, dass das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz seiner Entscheidung die Behauptungen des Antragstellers zum Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unbesehen zu Grunde legen darf. Vielmehr hat es auch in diesem Verfahren von Amts wegen zu prüfen, ob dem Erlass einer antragsgemäßen Entscheidung die Immunität des ausländischen Staates entgegensteht.775 Darüber hinaus gilt das reduzierte Beweismaß der Glaubhaftmachung nur für die tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen sich die deutsche Gerichtsbarkeit ergibt, nicht aber für die rechtliche Bewertung.776 In aller Regel hat das Gericht auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausreichend Zeit, um die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität zu ermitteln und zutreffend zu beurteilen, ob der ausländische Staat hoheitlich oder nichthoheitlich gehandelt hat. Demzufolge kann das Gericht einen Arrest und eine einstweilige Verfügung auch gegen einen ausländischen Staat unter den Voraussetzungen der §§ 916 ff. ZPO und insbesondere unter der Prämisse erlassen, dass der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit glaubhaft gemacht hat.777

774  BVerfGE 64, 1 (36); so auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 188; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 615; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (278). 775  LG Frankfurt, NJW 1976, 1044 (1045); WM 1976, 515 (517); Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (277). Zur Prüfung der deutschen Gerichtsbarkeit von Amts wegen siehe näher Kapitel C. VII. 2. a. 776  BeckOK/Bacher, ZPO, § 294 Rdnr. 6; Prütting/Gehrlein/Laumen, ZPO, § 294 Rdnr. 1. 777  So auch Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (276 f.).

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b. Vorlage an das Bundesverfassungsgericht Bestehen nichtsdestotrotz Zweifel an der Existenz oder dem Inhalt der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität, so könnte das Gericht auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG berechtigt und verpflichtet ist. Teilweise wird dies mit der Begründung verneint, dass einer Vorlage die Eilbedürftigkeit von Arrest und einstweiliger Verfügung entgegenstehe.778 Andererseits führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass das Landgericht Frankfurt und das Oberlandesgericht Frankfurt ihm auf die Erinnerung und die sofortige Beschwerde der National Iranian Oil Company gegen Pfändungsbeschlüsse, mit denen ein Arrestbefehl vollzogen wurde, die Frage hätten vorlegen müssen, ob die gepfändeten Konten der Vollstreckungsimmunität unterlägen.779 Auch wenn dieser Beschluss die Vollziehung und nicht den Erlass eines Arrestbefehls betraf, so lässt sich ihm entnehmen, dass die Eilbedürftigkeit des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz einer Vorlagepflicht nicht von vornherein entgegensteht. Mit Verweis auf diese Entscheidung bejahte auch das Kammergericht eine Vorlagepflicht in einem Verfahren, in dem die Antragstellerin die Verhängung eines dinglichen Arrests in das in Deutschland befindliche Vermögen des libyschen Staates beantragte. Damit sollte eine Schmerzensgeldforderung wegen ihrer Verletzungen gesichert werden, die sie bei einem von Libyen initiierten Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek „La Belle“ erlitten hatte. Die Vorlagepflicht entfalle nach Auffassung des Gerichts nicht im Hinblick auf das Eilbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutz. Vielmehr könnte das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin entfallen, wenn es praktisch ausgeschlossen erscheine, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so rechtzeitig zu erlangen, dass ein nachfolgender Arrestbeschluss noch in der begehrten Weise umgesetzt werden könnte. Diese Frage ließ das Gericht aber letztlich offen, da Arrestanspruch und Arrestgrund ohnehin nicht glaubhaft gemacht seien.780 Das Kammergericht ließ in seiner Entscheidung außer Acht, dass die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz Ausprägung des Rechts des Antragstellers auf Zugang zu Gericht ist. Hierzu ist ein Gericht nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, soweit dem ausländischen Staat als Antragsgegner keine Immunität zukommt. Nun kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ohnehin nur in Betracht, wenn objektive Zweifel an der Existenz oder dem Inhalt der völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsregeln bestehen. Dann ist es auch

 LG Frankfurt, JZ 2003, 1010 (1013); Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 916 ZPO Rdnr. 9. 64, 1 (20). 780  KG, Urteil v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris; nach OLG Frankfurt, WM 1982, 754 (755) kann das Arrestverfahren ausgesetzt werden, wenn dem Bundesverfassungsgericht bereits eine entsprechende Frage vorliege. 778

779 BVerfGE

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

zweifelhaft, ob das Gericht dem ausländischen Staat Immunität oder dem Antragsteller Rechtsschutz gewähren muss. In dieser Konstellation ist weder der Staatenimmunität noch dem Recht des Antragstellers auf Zugang zu Gericht automatisch der Vorrang zu gewähren. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. So ist das erkennende Gericht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht verpflichtet, wenn noch so viel Zeit zur Verfügung steht, dass dieses die Vorlagefrage beantworten kann, ohne dass die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu spät käme. Ist dies nicht der Fall, so hat das erkennende Gericht zu erwägen, ob ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG in Betracht kommt. Diese muss zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten ist, weil ohne dem Erlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung das Recht des Arrestklägers auf Zugang zu Gericht irreversibel verletzt wäre oder mit dem entsprechenden Erlass die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu dem ausländische Staat nachhaltig beeinträchtigt wären. Käme auch ein Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht zu spät, so darf das Gericht dennoch nicht von dem Erlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung absehen, wenn es unter Berücksichtigung der völkerrechtlichen Übereinkommen zur Staatenimmunität, der Entscheidungen deutscher und internationaler Gerichte sowie der völkerrechtlichen Literatur überwiegend wahrscheinlich ist, dass einem ausländischen Staat ohnehin keine Immunität zukommt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz nur der vorläufigen Sicherung oder Regelung dient, weil andernfalls eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme. c. Arrestgrund der Auslandsvollstreckung Ein dinglicher Arrest kann nur dann verhängt werden, wenn der Antragsteller nicht nur einen Arrestanspruch, sondern auch einen Arrestgrund glaubhaft macht. Gegenüber ausländischen Staaten kommt insbesondere der besondere Arrestgrund der Auslandsvollstreckung nach § 917 Abs. 2 S. 1 ZPO in Betracht. Danach ist es als ein zureichender Arrestgrund anzusehen, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Hierbei wird angesichts der regelmäßig mit einer Auslandsvollstreckung verbundenen Schwierigkeiten auf die Glaubhaftmachung einer konkreten Gefährdung der Vollstreckung verzichtet und stattdessen der Arrestgrund unwiderleglich vermutet.781 Ein Gläubiger müsste ein im Hauptsacheverfahren gegenüber einem ausländischen Staat erlangtes Urteil nur dann im Ausland vollstrecken, wenn dieser 781  OLG Frankfurt, IPRspr. 2009 Nr. 259, S. 681 (682); MünchKomm/Drescher, ZPO, § 917 Rdnr. 13; Zöller/Vollkommer, § 917 ZPO Rdnr. 16.

IX. Spezielle Verfahrensarten

271

in Deutschland über kein nennenswertes Vermögen oder nur über solches Vermögen verfügt, für das ihm Vollstreckungsimmunität zukommt.782 Es genügt, wenn zum Zeitpunkt des Arrestverfahrens zwar noch vollstreckbares Vermögen in Deutschland vorhanden ist, aber zu befürchten ist, dass der ausländische Staat dieses bis zum Abschluss des Hauptverfahrens ins Ausland verbringen wird.783 Der Gläubiger wäre dann darauf angewiesen, die Vollstreckung aus dem Urteil in dem verurteilten Staat oder in einem Drittstaat zu betreiben, ohne dass dort die Gegenseitigkeit verbürgt wäre. Hierbei orientiert sich die Rechtsprechung an dem für die Anerkennung ausländischer Urteile aufgestellten Gegenseitigkeitserfordernis in § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Die Gegenseitigkeit ist gewährleistet, wenn die Anerkennung und Vollstreckung eines deutschen Hauptsachetitels in dem ausländischen Staat auf keine wesentlich größeren Schwierigkeiten stößt als die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Titels in Deutschland.784 Widersprüchlich ist in diesem Zusammenhang der bereits erwähnte Beschluss des Kammergerichts in dem Arrestverfahren zur Sicherung einer Schmerzensgeldforderung wegen des von Libyen initiierten Bombenanschlages auf die Berliner Diskothek „La Belle“. Die Antragstellerin begehrte die Verhängung eines dinglichen Arrests in das Vermögen des libyschen Staates wegen einer beabsichtigten Pfändung von libyschen Kunstgegenständen, die vorübergehend in Berlin ausgestellt waren. Obwohl sie unbestritten vortrug, dass die Kunstgegenstände nach Ende der laufenden Ausstellung Deutschland wieder verlassen werden, verneinte das Gericht einen Arrestgrund gem. § 917 Abs. 2 S. 1 ZPO, da sie nicht der Vollstreckung unterlägen. Demzufolge könnten sie durch die Verbringung nach Libyen auch nicht dem Vollstreckungszugriff der deutschen Vollstreckungsorgane entzogen werden.785 Das Gericht verkannte allerdings, dass der besondere Arrestgrund der Auslandsvollstreckung nicht erfordert, dass der Schuldner in Deutschland über vollstreckbares Vermögen verfügt.786 Vielmehr wird nach § 917 Abs. 2 S. 1 ZPO bereits dann ein Arrestgrund unwiderleglich vermutet, wenn mangels vollstreckbaren Vermögens in Deutschland das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit dort nicht verbürgt ist. Die Verbürgung der Gegenseitigkeit verneinte 2008 das Oberlandesgericht Frankfurt für den Fall, dass der Arrestkläger aus einem deutschen Urteil über die Zahlung aus argentinischen Staatsanleihen in Argentinien die Zwangsvoll782 OLG Frankfurt, IPRspr. 2009 Nr. 259, S. 681 (682); Schütze, BB 1979, 348 (349); vgl. auch Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 917 Rdnr. 5. 783  KG, Urteil v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris; OLG Frankfurt, IPRspr. 2009 Nr. 259, S. 681 (682); MünchKomm/Drescher, ZPO, § 917 Rdnr. 13; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 917 Rdnr. 5. 784  BGHZ 52, 251 (256); OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22179; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 32 Rdnr. 33. 785  KG, Urteil v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris. 786  Hk/Kemper, ZPO, § 917 Rdnr. 7; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 917 Rdnr. 5; Thomas/ Putzo/Seiler, ZPO, § 917 Rdnr. 3.

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

streckung betreiben wollte. Das Verwaltungsgericht Buenos Aires habe in einem Parallelverfahren den Antrag auf Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt mit Verweis auf die argentinische Notstandsgesetzgebung und die angespannte Haushaltslage Argentiniens zurückgewiesen. Darüber hinaus billige es Urteilen, die gegen den argentinischen Staat ergangen seien, nur deklaratorischen Charakter zu. Dies privilegiere den Fiskus und stelle die Vollstreckung ausländischer Titel in das Belieben der argentinischen Gesetzgebungsorgane.787 Liegen die Voraussetzungen des besonderen Arrestgrunds der Auslandsvollstreckung nicht vor, so kommt immer noch der allgemeine Arrestgrund der Vollstreckungsgefährdung nach § 917 Abs. 1 ZPO in Betracht. Dieser besteht dann, wenn zu besorgen ist, dass ohne Verhängung eines dinglichen Arrests die Vollstreckung eines Urteils in der Hauptsache vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. So kann zum Beispiel die Gefahr bestehen, dass ein arrestbeklagter Staat sein vollstreckbares Vermögen aus Deutschland abzieht und auf sein Territorium verbringt. Zugleich können trotz Verbürgung der Gegenseitigkeit tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten bei einer Auslandsvollstreckung auftreten, die über das zumutbare Maß einer jeden Auslandsvollstreckung hinausgehen.788 Diesen allgemeinen Arrestgrund muss der Antragsteller  – im Unterschied zum besonderen Arrestgrund der Auslandsvollstreckung  – nach § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft machen.

3. Mahnverfahren Ansprüche können nicht nur durch Klageerhebung, sondern auch im Mahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO gerichtlich geltend gemacht werden. Das Mahnverfahren soll dem Gläubiger einer Geldforderung schnell und unkompliziert ohne Schlüssigkeitsprüfung sowie ohne mündliche Verhandlung einen Vollstreckungstitel gem. § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO verschaffen, wenn der Schuldner eine Forderung nicht bestreitet, sie aber trotzdem nicht erfüllen will oder kann.789 Gegenüber einem ausländischen Staat darf der gem. § 20 Abs. 1 S. 1 RPflG zuständige Rechtspfleger einen Mahnbescheid und daran anschließend einen Vollstreckungsbescheid erlassen, sofern die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist.790 Diese hat er wie jede andere Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen.  OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22179. BeckRS 2011, 22179; LG Frankfurt, WM 1976, 515 (518); MünchKomm/ Drescher, ZPO, § 917 Rdnr. 6. 789  Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 688 Rdnr. 2; Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 33 Rdnrn. 1, 15; Lüke, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 462 f. 790  Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 25; vgl. auch MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 4. 787

788 OLG Frankfurt,

IX. Spezielle Verfahrensarten

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Hier fangen die Probleme an. Im Urteilsverfahren prüft ein Einzelrichter oder ein Richterkollegium im Rahmen einer zumeist abgesonderten mündlichen Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage, ob einem ausländischen Staat Immunität zukommt. Dieser Prüfung liegen die Ausführungen in der Klageschrift zur deutschen Gerichtsbarkeit und regelmäßig auch die gegenteiligen Ausführungen des beklagten ausländischen Staates in der Klageerwiderung zu Grunde. Das Prozessgericht kann durch eine Beweisaufnahme die Tatsachengrundlage klären, nach der sich die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit beurteilt, sowie die Sach‑ und Rechtslage umfassend mit beiden Parteien erörtern. Diese Möglichkeiten sind dem für das Mahnverfahren zuständigen Rechtspfleger verwehrt. Ein Mahnantrag enthält nur die in § 690 Abs. 1 ZPO vorgegebenen Bezeichnungen. Im Unterschied zu einer Klageschrift enthält er hingegen keine Ausführungen zum Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit oder wenigstens zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen, anhand derer sich zuverlässig beurteilen ließe, ob dem Mahnantrag ein hoheitliches oder ein nichthoheitliches Handeln des ausländischen Staates zu Grunde liegt. So prüft der Rechtspfleger nach § 691 Abs. 1 S. 1 ZPO nur, ob die formellen Voraussetzungen für den Erlass eines Mahnbescheids vorliegen, nach § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht aber, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch zusteht. Daher findet keine mündliche Verhandlung und damit auch keine Beweisaufnahme statt, in deren Rahmen das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit von Amts wegen geklärt werden könnte. Diese in der Natur des Mahnverfahrens angelegten Schwierigkeiten lassen allerdings nicht den Schluss zu, dass ein Mahnverfahren gegenüber einem ausländischen Staat schlechterdings unzulässig wäre.791 Eine solche Schlussfolgerung würde das Recht des Antragstellers auf Zugang zu Gericht und damit auch zum Mahngericht in unverhältnismäßiger Weise verkürzen. Vielmehr hat der Rechtspfleger dem Antragsteller zunächst Gelegenheit zu geben, zur Frage der deutschen Gerichtsbarkeit Stellung zu nehmen. So sieht auch § 691 Abs. 1 S. 2 ZPO seine Anhörung vor, wenn der Rechtspfleger die Zurückweisung des Mahnantrags beabsichtigt. Lässt sich anhand der Stellungnahme des Antragstellers die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit klar beantworten, so hat das Mahngericht bei deren Vorliegen einen Mahnbescheid gegenüber dem ausländischen Staat zu erlassen792 und andernfalls den Mahnantrag zurückzuweisen. Lassen sich die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit nicht hinreichend aufklären, sondern verbleiben dem Rechtspfleger trotz des Sachvortrags des Antragstellers Zweifel, die sich nur durch eine mündliche Verhandlung und ggf. eine Beweisaufnahme ausräumen lassen, 791 So

aber Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 14.  Dem Tatbestand des Urteils des LG Konstanz v. 19. 11. ​2013, Az. 2 O 132/13 B – juris zu den griechischen Staatsanleihen lässt sich entnehmen, dass dem Urteilsverfahren ein Mahnverfahren einschließlich des Erlasses eines Mahnbescheids vorausgegangen ist. 792

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C. Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

so kann nicht er selbst, sondern nur ein Richter eine solche durchführen. Hierbei bietet es sich an, dass der Rechtspfleger die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit wegen der Sachnähe dem für den Rechtsstreit zuständigen Prozessgericht vorlegt. Bestehen zugleich Zweifel an der Existenz oder dem Inhalt einer völkerrechtlichen Regel zur Staatenimmunität, so ergibt sich dieser Weg aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 RPflG. Danach hat der Rechtspfleger ihm übertragene Geschäfte dem Richter vorzulegen, wenn sich bei der Bearbeitung der Sache ergibt, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG einzuholen ist. In allen anderen Fällen wäre die gesetzliche Verankerung einer Vorlagepflicht bei verbleibenden Zweifeln an den tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Staatenimmunität sinnvoll. Das zuständige Prozessgericht kann sodann im Rahmen einer abgesonderten Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage klären, ob dem ausländischen Staat Immunität zukommt, bevor der Rechtspfleger endgültig über den Erlass des Mahnbescheids entscheidet. Nur wenn dem ausländischen Staat als Antragsgegner keine Immunität zukommt, kann er ihm gegenüber einen Mahnbescheid und ohne rechtzeitigen Widerspruch einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Allerdings ergibt sich aus § 688 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 des Anerkennungs‑ und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 19. 2. ​2001793 (AVAG) noch eine wesentliche Einschränkung: Muss der Mahnbescheid im Ausland zugestellt werden, so findet das Mahnverfahren nur statt, wenn seine Zustellung in einem anderen Vertrags‑ oder Mitgliedstaat nach § 1 Abs. 1 AVAG erfolgt. Hierzu zählen die EU-Mitgliedstaaten, Island, Israel, Norwegen und die Schweiz. Gegenüber anderen Staaten kann ein Mahnverfahren hingegen nur stattfinden, wenn die Zustellung eines Mahnbescheids im Inland, zum Beispiel an einen Zustellungsbevollmächtigten des ausländischen Staates, möglich ist. Eine Alternative zum autonomen deutschen Mahnverfahren stellt für grenzüberschreitende Sachverhalte das Europäische Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12. 12. ​2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens794 (EuMahnVO) dar, das nach Art. 2 Abs. 3 EuMahnVO für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks gilt. Die Verordnung findet nach Art. 2 Abs. 1 EuMahnVO auf grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil‑ und Handelssachen Anwendung, während die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii) nicht erfasst wird. Diese Regelung greift  – wie auch Art. 1 Abs. 1 EuGVVO und Art. 1 EuZVO  – auf die völkergewohnheitsrechtliche Differenzierung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln zur 793  BGBl. 2001 I, S. 288 in der Fassung der Bekanntmachung v. 30. 11. ​2015, BGBl. 2015 I, S. 2146. 794 ABl. EU 2006 Nr. L 399, S. 1.

IX. Spezielle Verfahrensarten

275

Bestimmung des Umfangs der Staatenimmunität zurück. Ihr lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass das Europäische Mahnverfahren auch gegenüber EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks betrieben werden kann, soweit es um ihr nichthoheitliches Handeln geht. Das Europäische Mahnverfahren ist im Unterschied zum Mahnverfahren nach der Zivilprozessordnung einstufig ausgestaltet. Hat das Gericht binnen 30 Tagen nach Einreichung eines Antrags gem. Art. 12 Abs. 1 EuMahnVO einen Europäischen Zahlungsbefehl erlassen und hat der Antragsgegner binnen einer Frist von 30 Tagen nach Art. 16 Abs. 1, 2 EuMahnVO dagegen keinen Einspruch eingelegt, so erklärt das Gericht nach Art. 18 Abs. 1 EuMahnVO den Europäischen Zahlungsbefehl für vollstreckbar. Bundesweit einheitlich zuständig ist nach § 1087 ZPO das Amtsgericht Wedding in Berlin. Dieses hat ebenso wie beim Mahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit von Amts wegen zu prüfen und darf gegenüber einem ausländischen Staat einen Europäischen Zahlungsbefehl nur dann erlassen, wenn ihm keine Immunität zukommt.

D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung Die Staatenimmunität hat nicht nur für das Erkenntnisverfahren Bedeutung, sondern sie wird auch und gerade dann relevant, wenn es darum geht, in Vermögensgegenstände eines verurteilten ausländischen Staates zu vollstrecken. Der Blick auf die zahlreichen Entscheidungen zur Zulässigkeit von Vollstreckungshandlungen zeigt, dass ausländische Staaten – wie auch so manch privater Schuldner – die ihnen gegenüber ergangenen Urteile nicht immer freiwillig erfüllen, sondern es zuweilen einer zwangsweisen Durchsetzung bedarf. Ein „Katzund-Maus-Spiel“ der besonderen Art lieferten sich in dieser Hinsicht die Inhaber argentinischer Staatsanleihen mit der Republik Argentinien bei dem Versuch, aus den ihr gegenüber ergangenen Urteilen zu vollstrecken. So gelang es einem US-amerikanischen Hedgefonds 2012, ein Segelschulschiff der argentinischen Marine in Ghana beschlagnahmen zu lassen,1 während die argentinische Präsidentin 2013 auf ihrem Weg zur Papstaudienz das Regierungsflugzeug „Tango 01“ vorsichtshalber in Marokko stehen ließ und den Rest der Reise nach Rom in einem Privatflugzeug zurücklegte.2 Diese Beispiele zeigen, dass sich der Wert von Rechtsidee, Rechtsordnung und Rechtserkenntnis nur entfalten kann, wenn Macht und Möglichkeiten existieren, sie zu verwirklichen.3 Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines ausländischen Staates kann dabei nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische Dimension haben. Der Vollstreckungszugriff trotz entgegenstehender Immunität kann – so das Bundesverfassungsgericht – Zweifel anderer Staaten an der Völkerrechtstreue der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bereitschaft, sich zukünftig an das Völkergewohnheitsrecht halten zu wollen, hervorrufen und zu außenpolitischen Nachteilen führen.4

1 Handelsblatt v. 23.  9. ​2013, S. 40; Cranshaw, jurisPR-HaGesR 07/2013 Anm. 3; Wilske/ Nettlau, LMK 2013, 345597. 2  FAZ v. 19. 3. ​2013, S. 6; Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597. 3 So Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (255 f). 4  BVerfG, Beschluss v. 16. 10. ​2013, Az. 2 BvR 736/13 – juris.

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität Auch in der Zwangsvollstreckung ist die deutsche Gerichtsbarkeit eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.5 Kommt einem ausländischen Staat für einen zu vollstreckenden Vermögensgegenstand Immunität zu, so fehlt es an der deutschen Gerichtsbarkeit und das Vollstreckungsorgan ist zur Vornahme der Vollstreckungshandlung nicht befugt.

1. Verhältnis zur Immunität im Erkenntnisverfahren Die Immunität eines ausländischen Staates ist im Erkenntnisverfahren und im Vollstreckungsverfahren gesondert zu beurteilen. Weder begründet die Aussicht auf eine effektive Zwangsvollstreckung die Gerichtsbarkeit für das Erkenntnisverfahren, noch lassen fehlende Vollstreckungsaussichten die Gerichtsbarkeit oder das Rechtsschutzbedürfnis für das Erkenntnisverfahren entfallen.6 Im Zeitpunkt des Erkenntnisverfahrens vermag ein deutsches Gericht gar noch nicht zu beurteilen, ob ein gegenüber einem ausländischen Staat titulierter Anspruch innerhalb der gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB 30-jährigen Verjährungsfrist durchsetzbar ist. Während dieser Zeit können sich sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Verhältnisse grundlegend ändern. Überdies bleibt es einem Vollstreckungsgläubiger unbenommen, die Zwangsvollstreckung aus einem deutschen Titel gegenüber einem ausländischen Staat in einem Drittstaat zu betreiben. Aber auch der Bezugspunkt der Staatenimmunität ist verschieden: Während im Erkenntnisverfahren gegenüber einem ausländischen Staat ein Leistungsurteil oder – seltener – ein Feststellungs‑ oder Gestaltungsurteil ergeht, wird in der Zwangsvollstreckung auf sein Vermögen unmittelbar zugegriffen. Im Erkenntnisverfahren geht es maßgeblich darum, ob das Gericht das streitgegenständliches Verhalten eines ausländischen Staates beurteilen darf. In der Zwangsvollstreckung geht es hingegen darum, ob das Vollstreckungsorgan in Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates vollstrecken darf. Im Erkenntnisverfahren wird also über die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche bzw. das streitige Rechtsverhältnis entschieden, in der Zwangsvollstreckung wird die getroffene Entscheidung verwirklicht.7 5  BVerfGE 46, 342 (359); BGH, Rpfleger, 2003, 518 (519); BeckRS 2016, 20152; OLG Frankfurt, NJW 1981, 2650 (2650); OLG Köln, FGPrax 2004, 100 (100); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 9; Weller, Rpfleger 2006, 364 (365). 6  BVerfGE 46, 342 (366 f.); BGH, NJW-RR 2006, 198 (200); WM 2006, 41 (43); Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 135; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985); Weller, Rpfleger 2006, 364 (367). 7  Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rdnrn. 17, 19.

I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität

279

Folglich zeichnet sich die Zwangsvollstreckung gegenüber dem Erkenntnisverfahren durch eine höhere Intensität des Eingriffs in die Souveränität eines ausländischen Staates aus. Im Vollstreckungsverfahren werden einem ausländischen Staat Vermögensgegenstände entzogen und diese zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers verwertet.8 Im Erkenntnisverfahren findet die Unterwerfung eines beklagten ausländischen Staates unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates hingegen regelmäßig nur auf abstrakte Weise statt. Unmittelbaren Einfluss auf die Rechtslage haben lediglich Gestaltungsurteile, während Feststellungsurteile und die in ganz überwiegender Zahl erlassenen Leistungsurteile die Vermögenszuordnung unberührt lassen.

2. Völkergewohnheitsrechtliche Regeln zur Vollstreckungsimmunität Im Völkergewohnheitsrecht hat sich nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für die Zwangsvollstreckung der Grundsatz der relativen Staatenimmunität – auch Vollstreckungsimmunität genannt – etabliert. a. Grundsatz der relativen Vollstreckungsimmunität Ausländischen Staaten kommt im Vollstreckungsverfahren nur noch in eingeschränktem Umfang Immunität zu, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem grundlegenden Beschluss vom 13. 12. ​1977 im „philippinischen Botschaftskontofall“ herauskristallisierte.9 Im Ausgangsverfahren erwirkte die Vollstreckungsgläubigerin vor dem Amtsgericht Bonn aufgrund eines Versäumnisurteils über die Zahlung rückständigen Mietzinses gegen die Republik der Philippinen einen Pfändungs‑ und Überweisungsbeschluss für eine Guthabenforderung aus einem Botschaftskonto bei der Deutschen Bank. Da bereits vor dieser Entscheidung einige deutsche Zivilgerichte ausländischen Staaten nur noch in eingeschränktem Umfang Immunität in der Zwangsvollstreckung zugebilligt hatten,10 legte das Amtsgericht Bonn dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Reichweite der Vollstreckungsimmunität vor. Dieses ergriff die Gelegenheit, dem Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität eine endgültige Absage zu erteilen: Es fehle gegenwärtig an einer Übung der Staaten, die noch hinreichend allgemein sowie von der notwendigen  8  BVerfGE 46, 342 (367); 117, 141 (154); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 114; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 178; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 24; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (522); Bungenberg, IPRax 2011, 356 (359); Fox, ICLQ 34 (1985), 115 (123).  9 BVerfGE 46, 342 ff.; vgl. dazu Bleckmann, NJW 1978, 1092 (1092 ff.); Geiger, AöR 103 (1978), 383 (390 ff.); Hailbronner, ZaöRV 38 (1978), 242 (242 ff.) und Seidl-Hohenveldern, RIW 1978, 122 (122 f.); siehe auch Kapitel B. II. 1. a. 10 So z. B. das LG Stuttgart, IPRspr. 1971 Nr. 129, S. 389 (392).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Rechtsüberzeugung getragen wäre, um eine allgemeine Regel des Völkerrechts zu begründen, der zufolge dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt wäre.11 Vielmehr bestehe nunmehr nur noch folgende allgemeine Regel des Völkerrechts: Die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über dessen nichthoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) ergangen sei, sei in Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaates befänden oder dort belegen seien und soweit sie im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienten, ohne dessen Zustimmung unzulässig.12 Der Gerichtsstaat ist folglich durch das Völkerrecht nicht mehr per se gehindert, auf seinem Territorium Vollstreckungsgewalt (facultas executionis) gegenüber einem ausländischen Staat auszuüben.13 Vielmehr gilt nicht nur im Erkenntnisverfahren, sondern auch in der Zwangsvollstreckung der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der relativen Staatenimmunität. Dieser Gleichlauf ist konsequent. Unterliegt ein ausländischer Staat im Erkenntnisverfahren für seine nichthoheitliche Tätigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit, so muss aus einem ihm gegenüber ergehenden Urteil auch vollstreckt werden können.14 Die Gewährung von Staatenimmunität nach dem Differenzierungskriterium hoheitlich oder nichthoheitlich setzt sich dabei auf der Vollstreckungsebene fort, nur der Bezugspunkt ist verschieden. Während einem ausländischen Staat im Erkenntnisverfahren für sein hoheitliches Handeln Immunität zukommt, ist ihm im Vollstreckungsverfahren für das einem hoheitlichen Verwendungszweck dienende Vermögen Immunität zu gewähren.15 In der Zwangsvollstreckung ist also nach dem Verwendungszweck des zu vollstreckenden Vermögensgegenstandes zu unterscheiden. Einem deutschen Gericht ist die Vollstreckung in Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates ohne dessen Zustimmung verwehrt, wenn sie zu Beginn der Vollstreckungsmaßnahme einem hoheitlichen 11 BVerfGE

46, 342 (388).  BVerfGE 46, 342 (345, 392). 13 BVerfGE 117, 141 (154); BGH, MDR 2003, 1135 (1135); OLG Köln, SchiedsVZ 2004, 99 (101); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 141, 167 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 589; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (130, 133 f.); Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (856); Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (307); Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (526 f.). 14  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (254). 15 Jedenfalls missverständlich sind die Parallelbeschlüsse des LG Ansbach v. 16. 4. ​2013, Az. 1 T 124/13 – juris und v. 17. 4. ​2013, Az. 1 T 123/13 – juris, in denen es im Rahmen einer sofortigen Beschwerde über die Pfändung von Ansprüchen des griechischen Staates gegen den Freistaat Bayern nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz auf Zuschüsse für den Personal‑ und Schulaufwand für eine private Volksschule ausführlich darlegt, warum Griechenland bei dem Betrieb der Schule nichthoheitlich handelt, um erst im letzten Absatz auf den vermeintlich nichthoheitlichen Verwendungszweck einzugehen. 12

I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität

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Zweck dienen, während die einem nichthoheitlichen Zweck dienenden Vermögensgegenstände dem Vollstreckungszugriff unterliegen.16 Das Prinzip der relativen Vollstreckungsimmunität gilt auch für Sicherungsmaßnahmen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. 4. ​1983 zur National Iranian Oil Company klargestellte. Es wies ihre Verfassungsbeschwerde wegen der Pfändung ihrer Konten bei deutschen Banken i.  H.  v. knapp 200 Mio. USDollar auf Antrag mehrerer britischer und US-amerikanischer Gesellschaften aufgrund eines dinglichen Arrests zurück, da die Guthabenforderungen von einer Vollstreckung nicht immun seien. Unabhängig davon, ob der National Iranian Oil Company als iranischem Staatsunternehmen prinzipiell Immunität zukommen könne, bestehe keine allgemeine Regel des Völkerrechts, der zufolge der Gerichtsstaat vorbehaltslos gehindert wäre, aufgrund eines im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Titels zur Sicherung des vom Gläubiger geltend gemachten Anspruchs Zwangsmaßnahmen in Vermögenswerte eines fremden Staates zu betreiben.17 Demzufolge kann auch ein Arrestbefehl in diejenigen Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates vollzogen werden, die einem nichthoheitlichen Verwendungszweck dienen.18 Zwar erlauben § 1610 (d) FSIA und sec. 13 (2) (a), (3) SIA Sicherungsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz nur dann, wenn ein ausländischer Staat einen entsprechenden Verzicht erklärt hat. Diese beiden Vorschriften verleihen aber – wie auch das Bundesverfassungsgericht betonte19 – nicht der Überzeugung Ausdruck, der Gerichtsstaat dürfe kraft Völkergewohnheitsrechts zur vorläufigen Sicherung eines Anspruchs auf Vermögensgegenstände eines anderen Staates nur mit dessen Zustimmung zugreifen. Vielmehr sind

16 BVerfGE 117, 141 (154); BeckRS 2011, 87026; NJW 2012, 293 (295); BGH, NJW-RR 2003, 1218 (1219); NJW-RR 2006, 198 (200); NZM 2010, 55 (55); BeckRS 2016, 20152; OLG Köln, SchiedsVZ 2004, 99 (101); Kissel/Mayer, GVG, § 20 Rdnr. 9; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 276; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 173, 176; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 562; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 179; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (143); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 28; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (307); Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (529); Dutta, IPRax 2007, 109 (110); Roeder, JuS 2005, 215 (218); Weller, Rpfleger 2006, 364 (367 f.). 17 BVerfGE 64, 1 (36); so auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 188 ff.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 615; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (278); Weller, Rpfleger 2006, 364 (367). 18 KG, Beschluss v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 188; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 615; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 174 f.; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 19 BVerfGE 64, 1 (37 ff.).

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diese Regelungen außenpolitischen Rücksichten geschuldet, um die Beziehungen zu anderen Staaten nicht zu belasten.20 Daher bleibt es bei der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten völkerrechtlichen Regel, dass der Grundsatz der relativen Staatenimmunität auch für Sicherungsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz gilt. Dies ist letztlich auch konsequent, da nach § 928 ZPO auf die Vollziehung des Arrests die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung grundsätzlich entsprechend anzuwenden sind. Vor allem aber dienen die Zwangsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz nur der vorläufigen Sicherung, diejenigen in der Hauptsache hingegen der endgültigen Befriedigung. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Verhängung von Sicherungsmaßnahmen gegenüber einem ausländischen Staat wegen ihrer geringeren Eingriffsintensität erst recht prinzipiell zulässig ist. b. Modifikationen der Grundregel Von der völkerrechtlichen Grundregel zur Vollstreckungsimmunität, nach der einem ausländischen Staat nur für sein einem hoheitlichen Zweck dienendes Vermögen Immunität zukommt, könnte in bestimmten Konstellationen eine Ausnahme zu machen sein. aa. Völkerrechtswidrige Erlangung oder Verbringung des Vollstreckungsobjekts So ist fraglich, ob auch das einem hoheitlichen Verwendungszweck dienende Vermögen ausnahmsweise dem Vollstreckungszugriff unterliegt, wenn es ein ausländischer Staat in völkerrechtswidriger Weise erlangt hat. Hat er eine Sache einem deutschen Vollstreckungsgläubiger zuvor im Wege einer entschädigungslosen oder diskriminierenden Enteignung weggenommen21 und sie anschließend einem hoheitlichen Verwendungszweck gewidmet, so könnte ihm durch sein völkerrechtswidriges Handeln die Gewährung von Vollstreckungsimmunität versagt sein. Die ist dann der Fall, wenn sich der Vollstreckungszugriff im Hinblick auf den Völkerrechtsverstoß als eine zulässige Repressalie erweist.22 Mit der Repressalie als einem an sich völkerrechtswidrigen Akt reagiert ein Staat auf die Völkerrechtsverletzung eines anderen Staates, um dessen Rückkehr zu einem völkerrechtsgemäßen Verhalten oder die Erfüllung von Wiedergutmachungs20 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 188 f.; Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 4.087; Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 495 f.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 175; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 21 Zur völkerrechtswidrigen Enteignung vgl. näher Haltern in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 34 Rdnr. 62; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 20 Rdnrn. 1 ff. 22  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 184 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 605.

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ansprüchen zu erzwingen.23 Voraussetzung ist, dass die engen Voraussetzungen nach Art. 49 ff. des Entwurfes der von der UN-Völkerrechtskommission ausgearbeiteten Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts24 (ILC-Entwurf), die das Völkergewohnheitsrecht widerspiegeln, erfüllt sind. So ist insbesondere nach Art. 51 ILC-Entwurf eine Repressalie durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt und nach Art. 50 Abs. 2 lit. b) ILCEntwurf sind die Einrichtungen, Archive und Dokumente der diplomatischen Missionen und konsularischen Vertretungen von vornherein ausgenommen.25 Abgesehen von der Repressalie fehlt es an einer völkerrechtlichen Regel, welche die Vollstreckung ausnahmsweise auch in hoheitlich verwendetes Vermögen erlaubt, wenn es in völkerrechtswidriger Weise erlangt worden ist.26 So verneinte bereits 1812 der Supreme Court der Vereinigten Staaten in The Schooner Exchange v. McFaddon die US-amerikanische Gerichtsbarkeit. Ein Handelsschiff wurde 1810 auf dem Weg von den USA nach Spanien von den Franzosen auf Befehl Napoleons gekapert und in ein Kriegsschiff umgewandelt. Als es später den Hafen von Philadelphia anlief, klagten die Eigentümer auf Herausgabe. Die Klage wies der Supreme Court mit dem Hinweis ab, Kriegsschiffe seien von der Jurisdiktion des Empfangsstaates ausgenommen. Dem Umstand, dass das Schiff in völkerrechtswidriger Weise von den Franzosen erlangt worden war, maß er dagegen keine Bedeutung bei.27 Auch heute noch lässt § 1610 (a) (3) FSIA den Vollstreckungszugriff auf Gegenstände, die sich ein ausländischer Staat durch völkerrechtswidrige Enteignung verschafft hat, und deren Surrogate nur zu, wenn der jeweilige Gegenstand in den Vereinigten Staaten nichthoheitlich verwendet wird. Da außerdem weder die Übereinkommen zur Staatenimmunität noch der englische SIA eine Ausnahmeregel für völkerrechtswidrig erlangtes und zugleich hoheitlich genutztes Vermögen enthält, verbleibt es bei der allgemeinen Regel der relativen Vollstreckungsimmunität: Die einem hoheitlichen Zweck dienenden Gegenstände eines ausländischen Staates unterliegen unabhängig von ihrer Herkunft nicht dem Zugriff deutscher Vollstreckungsorgane. Etwas anderes gilt, wenn ein Gegenstand auf Veranlassung des Schuldnerstaates in das Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaates verbracht und dabei dessen Gebietshoheit verletzt worden ist. In diesem Fall unterliegt der Gegenstand auch dann der Zwangsvollstreckung, wenn er einem hoheitlichen Verwendungszweck wie etwa geheimdienstlichen oder militärischen Aktivitäten dient. So er23  Herdegen, Völkerrecht, § 59 Rdnr. 6; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnrn. 71; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1342. 24  Anlage zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung v. 12. 12. ​2001. 25  Zu den einzelnen Voraussetzungen der Repressalie siehe näher Kapitel E. I. 1. 26 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 184; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 605. 27  The Schooner Exchange v. McFaddon, 11 U.  S. 116 (1812); vgl. hierzu Berg, ZaöRV 42 (1982), 295 (310).

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achtete das Schweizer Bundesgericht 1933 die Einziehung eines Dossiers, anhand dessen ein von der deutschen Devisenstelle in die Schweiz versandter amtlicher Devisenprüfer steuer-, devisen‑ und strafrechtliche Untersuchungen gegenüber einer Gesellschaft in Zürich vorgenommen hatte, als zulässig.28 Ausgehend von dieser Entscheidung hat sich eine von einer allgemeinen Rechtsüberzeugung getragene Staatenpraxis herauskristallisiert, dass einem solchen Gegenstand kein immunitätsrechtlicher Schutz zukommen soll.29 Relevant ist dies bei vor allem bei Kriegsschiffen: Dringt ein Kriegsschiff vorsätzlich und ohne Zustimmung des Küstenstaates in dessen Binnengewässer ein, etwa um dort militärische Geheimnisse auszuspionieren, so verletzt es dessen territoriale Integrität. Diese Gebietsverletzung lässt kraft Völkergewohnheitsrechts die Vollstreckungsimmunität für das Kriegsschiff entfallen.30 bb. Konnexität zwischen Streitgegenstand und Vollstreckungsgegenstand Eine weitere Modifikation der völkerrechtlichen Grundregel zur Vollstreckungs­ immunität könnte sich dadurch ergeben, dass zwischen dem Vollstreckungsgegenstand und dem Streitgegenstand ein Zusammenhang bestehen muss. Ein solches Konnexitätserfordernis sieht § 1610 (a) (2) FSIA vor. Nach dieser Vorschrift unterliegen der Vollstreckung nur solche Vermögensgegenstände, die einer kommerziellen Tätigkeit dienen, auf welcher der titulierte Anspruch beruht. Für die Verankerung dieser Regelung waren jedoch allein politische Überlegungen maßgebend: Die Attraktivität des US-amerikanischen Anlagemarktes könnte geschwächt werden, wenn ein ausländischer Staat mit seinem gesamten wirtschaftlich genutzten Vermögen im Rahmen seiner möglicherweise weit verzweigten Wirtschaftsaktivitäten in den Vereinigten Staaten haften müsste.31 Die von dieser Vorschrift geforderte Verknüpfung zwischen tituliertem Anspruch und Vollstreckungsobjekt entspricht hingegen keinem Erfordernis des Völkerrechts. Es besteht keine allgemeine völkerrechtliche Regel, nach der ein Staat nur in diejenigen Vermögensgegenstände eines anderen Staates vollstrecken könnte, die mit dem titulierten Anspruch im Zusammenhang stehen.32 Ebenso 28 BGE

65 I, 39 (46 f.).  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 185; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 606; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (144); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 152. 30  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 607; Berg, ZaöRV 42 (1982), 295 (315); Mössner, NJW 1982, 1196 (1197). 31 BVerfGE 64, 1 (40 f.); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 299; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 185 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 601 f.; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (527). 32  BVerfGE 64, 1 (41); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 194; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 186; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 601 f.; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität 29

I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität

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wenig erfordert das Völkerrecht für den Vollzug eines im einstweiligen Rechtsschutz erwirkten Titels eine Konnexität zwischen dem zu sichernden Anspruch und dem zu vollstreckenden Vermögensgegenstand.33 So enthalten weder die völkerrechtlichen Immunitätsübereinkommen noch die nationalen Immunitätsgesetze wie der englische SIA eine § 1610 (a) (2) FSIA vergleichbare Regelung.34 Ein Konnexitätserfordernis würde letztlich auch das Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht zu Gunsten des ausländischen Staates als Vollstreckungsschuldners deutlich verkürzen, indem es die Vollstreckungsmöglichkeiten in erheblichem Umfang einschränkt.35 Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Vollstreckungsimmunität eine vom Streitgegenstand unabhängige Objektimmunität.36 c. Sonderfall: diplomatische und konsularische Immunität Gegenständen, die der diplomatischen Mission oder der konsularischen Vertretung eines ausländischen Staates im Empfangsstaat dienen, kommt ein hoheitlicher Zweck zu, so dass sie bereits nach dem Grundsatz der relativen Staatenimmunität nicht dem Vollstreckungszugriff deutscher Vollstreckungsorgane unterliegen. Ungeachtet dessen greifen für diplomatisch oder konsularisch genutzte Gegenstände völkerrechtliche Sonderregeln ein, die sich aus dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung ergeben.37 Es gilt der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz ne impediatur legatio. Diese Regel verpflichtet den Gerichtsstaat, nicht in Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates zu vollstrecken, derer er sich zur Wahrnehmung der amtlichen Funktionen seiner diplomatischen Mission oder konsularischen Vertretung bedient. Damit erfährt die Funktionsfähigkeit der Mission und der Verim Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 136; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (148 f.); Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (310); Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (527, 536); Bungenberg, IPRax 2011, 356 (359); Dutta, IPRax 2007, 109 (110); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985); Weller, Rpfleger 2006, 364 (368). 33 BVerfGE 64, 1 (41); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 614. 34  Vgl. O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 18, S. 322; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 533; Pullen, Die Immunität von Staatsunternehmen im zivilrechtlichen Erkenntnis‑ und Vollstreckungsverfahren, S. 63; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (528). 35  Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 533 f.; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (149); Bucher, IPRax 1982, 161 (162). 36  Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 533 f.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 45; Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (856). 37  BVerfGE 46, 342 (394); BGH, Rpfleger, 2003, 518 (519); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 7.

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tretung einen umfassenden Schutz.38 Diese völkergewohnheitsrechtliche Regel ist teilweise, wenngleich nicht umfassend in Art. 22 Abs. 3 WÜD kodifiziert. Danach genießen die Räumlichkeiten der Mission, ihre Einrichtung und die sonstigen darin befindlichen Gegenstände sowie die Beförderungsmittel der Mission Immunität von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung. Etwas restriktiver bestimmt Art. 31 Abs. 4 S. 1 WÜK, dass die konsularischen Räumlichkeiten, ihre Einrichtung, das Vermögen der konsularischen Vertretung und deren Beförderungsmittel Immunität von jeder Beschlagnahme für die Zwecke der Landesverteidigung oder des öffentlichen Wohls genießen. Angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung und angesichts latenter Missbrauchsmöglichkeiten zieht das Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten ausländischer Staaten weit und lässt eine typische, abstrakte Gefährdung der Funktionsfähigkeit genügen. Die hierfür verwendeten Vermögensgegenstände sind dem Vollstreckungszugriff entzogen, sobald der Zugriff die Erfüllung der diplomatischen oder konsularischen Tätigkeit auch nur abstrakt gefährden könnte. Auf eine konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission oder konsularischen Vertretung kommt es hingegen nicht an.39 Ebenso verbietet sich eine unterschiedliche Behandlung der Staaten nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung kann nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, der ausländische Staat habe ausreichend finanzielle Mittel zur Substitution der gepfändeten Vermögensgegenstände und wäre daher trotz einer Zwangsvollstreckung in der Lage, durch finanzielle Zuwendungen den Botschafts‑ bzw. Konsularbetrieb aufrechtzuerhalten. Dies würde die Gewährung von diplomatischer und konsularischer Immunität von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Entsendestaates abhängig machen und so zu einer unterschiedlichen Behandlung führen, die dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten widerspräche.40

38  BVerfGE 46, 342 (394 f.); 117, 141 (156); BVerfG, BeckRS 2011, 87026; NJW 2012, 293 (295); BGH, MDR 2003, 1135 (1136); SchiedsVZ 2006, 44 (46); MDR 2007, 1282 (1282); BeckRS 2016, 20152; MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 7; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 80 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 593; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308); Dahlhoff, BB 1997, 321 (322). 39  BVerfGE 46, 342 (395); 117, 141 (156); BGH, Rpfleger, 2003, 518 (519); SchiedsVZ 2006, 44 (46); MDR 2007, 1282 (1282); NZM 2010, 55 (55); BeckRS 2016, 20152; KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (367); OLG Köln, FGPrax 2004, 100 (101); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 594; Dahlhoff, BB 1997, 321 (324); Roeder, JuS 2005, 215 (218); Weller, Rpfleger 2006, 364 (369); ders., RIW 2010, 599 (599). 40 BGH, WM 2006, 41 (42); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (367 f.).

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3. Völkervertragliche Regeln zur Vollstreckungsimmunität Das völkergewohnheitsrechtliche Prinzip der relativen Vollstreckungsimmunität hat in die völkerrechtlichen Übereinkommen über Staatenimmunität nur begrenzt Eingang gefunden. a. Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität Während das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität für das Erkenntnisverfahren dem Grundsatz der relativen Staatenimmunität folgt, hat sich dieser für die Zwangsvollstreckung nicht durchsetzen können. aa. Art. 23 EuStImm: Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität Nach der Grundregel des Art. 23 EuStImm darf in einem Vertragsstaat gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaates weder eine Zwangsvollstreckung durchgeführt noch eine Sicherungsmaßnahme getroffen werden, es sei denn, er hat ausdrücklich in Schriftform zugestimmt. Damit gewährt diese Bestimmung – im Unterschied zum Völkergewohnheitsrecht – den Vertragsstaaten absolute Vollstreckungsimmunität, außer sie haben darauf unmissverständlich verzichtet.41 Auf Staatsunternehmen findet Art. 23 EuStImm keine Anwendung, da sie nach Art. 27 Abs. 1 EuStImm vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind. Die Immunität von Staatsunternehmen in der Zwangsvollstreckung bestimmt sich daher nach dem Völkergewohnheitsrecht.42 Die Verankerung des Grundsatzes der absoluten Vollstreckungsimmunität in Art. 23 EuStImm spiegelte bereits bei Inkrafttreten des Europäischen Übereinkommens 1976 nicht mehr die Rechtsüberzeugung aller Vertragsstaaten wider.43 Vielmehr bedeutete sie für viele, so auch für die Bundesrepublik Deutschland, einen Rückschritt zu den bereits erreichten immunitätsrechtlichen Standards. Nichtsdestotrotz einigten sich die Vertragsstaaten für die Zwangsvollstreckung – im Unterschied zum Erkenntnisverfahren – auf das Prinzip der absoluten Vollstreckungsimmunität, um einen Kompromiss zwischen den Befürwortern der absoluten Immunität, insbesondere dem Vereinigten Königreich, und denjenigen der relativen Immunität zu schaffen. Das Übereinkommen sollte möglichst viele

41 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (36); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 99; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (537); Kronke, IPRax 1991, 141 (145). 42 Siehe bereits ausführlich Kapitel B. III. 3. a. 43  BVerfGE 46, 342 (384); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 113; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 78; Kronke, IPRax 1991, 141 (145).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Staaten zur Ratifizierung bewegen, ohne dass sie ihre jeweilige nationale Rechtsposition hätten aufgeben müssen.44 Mit derzeit lediglich acht Vertragsstaaten – Belgien, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und Zypern – konnte dieses Ziel allerdings nur ansatzweise erreicht werden. Ferner befürchtete man durch die Verankerung des Grundsatzes der relativen Vollstreckungsimmunität die Gefahr politischer Verwicklungen sowie praktische Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen vollstreckbarem und nicht vollstreckbarem Vermögen.45 bb. Art. 26 EuStImm: Ausnahme bei Abgabe einer Notifikation Eine Ausnahme vom Grundsatz der Vollstreckungsimmunität macht Art. 26 EuStImm. Danach kann eine Entscheidung, die gegen einen Vertragsstaat in einem Verfahren über eine von ihm auf die gleiche Weise wie von einer Privatperson ausgeübte gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit ergangen ist, im Gerichtsstaat gegen sein ausschließlich für eine solche Tätigkeit verwendetes Vermögen vollstreckt werden, sofern drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Der Gerichtsstaat und der verurteilte Staat haben eine Notifikation nach Art. 24 EuStImm abgegeben (lit. a), im Erkenntnisverfahren bestand eine Immunitätsausnahme nach Art. 1 bis 13 EuStImm oder das Verfahren wurde nach Art. 24 Abs. 1, 2 EuStImm eingeleitet (lit. b) und die zu vollstreckende Entscheidung ist rechtskräftig i. S. v. Art. 20 Abs. 1 lit. b EuStImm (lit. c). Die Annahme des Fakultativregimes durch eine gegenüber dem Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation gem. Art. 24 Abs. 1 EuStImm ermöglicht also den Vertragsstaaten, in das Vermögen anderer Vertragsstaaten zu vollstrecken, das ausschließlich für eine gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit verwendet wird. Diese Vollstreckungsmöglichkeit ist allerdings nur dann gegeben, wenn auch der verurteilte Staat eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.46 Alle Vertragsstaaten mit Ausnahme von Österreich und Zypern haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und somit das Vollstreckungsregime des Übereinkommens für sich ausgeschlossen.47 Demzufolge findet das in Art. 23 EuStImm geregelte Vollstreckungsverbot nur gegenüber Österreich und Zypern Anwendung. Gegenüber diesen beiden Staaten darf ein deutsches Voll44  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (36); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 19; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 78; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (537); Kronke, IPRax 1991, 141 (145); Schreuer in: Barfuß/ Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (526). 45  Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (537). 46 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (37); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 21; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 109; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (540). 47 Siehe bereits Kapitel B. II. 2. a.

I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität

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streckungsorgan ohne deren ausdrückliche und schriftliche Zustimmung keine Zwangsvollstreckung durchführen und keine Sicherungsmaßnahmen treffen.48 Gegenüber den anderen Vertragsstaaten, namentlich Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich, sind hingegen Vollstreckungsmaßnahmen nach Maßgabe des Art. 26 EuStImm möglich. Allerdings ist auch gegen sie nicht jedes rechtskräftige Urteil vollstreckbar. Auch wenn sie im Erkenntnisverfahren nach Art. 1 bis 13 oder Art. 24 EuStImm keine Immunität beanspruchen konnten, so muss der Rechtsstreit nach Art. 26 EuStImm eine von dem Staat auf die gleiche Weise wie von einer Privatperson ausgeübte gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit zum Gegenstand gehabt haben. Dieses Erfordernis führt dazu, dass keineswegs bei jedem Rechtsstreit, für den einem Vertragsstaat im Erkenntnisverfahren keine Immunität zukommt, eine Vollstreckung möglich ist. Dies betrifft insbesondere Klagen, bei denen ein beklagter Staat nach Art. 1 bis 3 EuStImm auf seine Immunität für sein hoheitliches Handeln verzichtet, Immobiliarklagen nach Art. 9 EuStImm und Klagen auf Ersatz von Personen‑ oder Sachschäden nach Art. 11 EuStImm, da diese Regelung nicht nach der Rechtsnatur der deliktischen Handlung differenziert. Daher sind auch nach Art. 26 EuStImm – abgesehen vom Verzicht auf Vollstreckungsimmunität – diejenigen Urteile nicht vollstreckbar, die über das hoheitliche Handeln eines anderen Vertragsstaates ergangen sind. In der praktisch überwiegenden Zahl der Fälle deckt sich allerdings das Erfordernis, dass der Rechtsstreit eine auf die gleiche Weise wie von einer Privatperson ausgeübte gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit zum Gegenstand gehabt haben muss, mit den Immunitätsausnahmen für das Erkenntnisverfahren. Vor diesem Hintergrund mag die Kritik, die Kumulierung der in Art. 26 EuStImm aufgestellten Voraussetzungen mache die anscheinende Aufweichung der Vollstreckungsimmunität zur Augenwischerei,49 übertrieben erscheinen. cc. Art. 20 und 25 EuStImm: Erfüllungspflicht des verurteilten Vertragsstaates Als Ausgleich zu dem in Art. 23 EuStImm normierten weitgehenden Vollstreckungsverbot enthält Art. 20 Abs. 1 EuStImm die Verpflichtung eines Vertragsstaates, eine gegen ihn ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates zu erfüllen. Die Erfüllungspflicht setzt zum einen nach Art. 20 Abs. 1 lit. a) EuStImm voraus, dass der verurteilte Staat nach Art. 1 bis 13 EuStImm keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen konnte, die Entscheidung im Erkenntnisverfahren also im Einklang mit den Immunitätsausnahmen des Übereinkommens ergangen ist. Zum anderen darf die Entscheidung nach Art. 20 Abs. 1 lit. b) EuStImm nicht oder nicht mehr Gegenstand eines Einspruchs gegen 48  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 692; Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 43; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (526). 49 So Kronke, IPRax 1991, 141 (146).

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eine Versäumnisentscheidung, einer Berufung oder eines anderen ordentlichen Rechtsmittels oder einer Kassationsbeschwerde sein. Mit anderen Worten: Das Urteil muss rechtskräftig sein. Unter diesen beiden Voraussetzungen ist ein Vertragsstaat verpflichtet, die Wirkungen eines gegen ihn ergangenen Urteils anzuerkennen. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität geht hierbei von der Prämisse aus, dass die Vertragsstaaten, die als Mitgliedstaaten des Europaratsrates enge Beziehungen zueinander unterhalten, die gegen sie ergangenen Urteile freiwillig und aus eigenem Antrieb erfüllen, so dass es keiner zwangsweisen Durchsetzung bedarf.50 Letztlich stellt die Verankerung der Erfüllungspflicht in Art. 20 Abs. 1 EuStImm einen eleganten Ausgleich dafür dar, dass das Prinzip der relativen Vollstreckungsimmunität aufgrund der bei der Ausarbeitung des Vertragstextes noch divergierenden Auffassungen keinen Weg ins Übereinkommen gefunden hat. Nach Auffassung der damaligen deutschen Bundesregierung konnte daher die in Art. 23 EuStImm vorgesehene Einschränkung der Vollstreckbarkeit hingenommen werden.51 Art. 20 Abs. 2 und 3 EuStImm normiert Ausnahmen von der Erfüllungspflicht. Diese sind überwiegend inspiriert von den im internationalen Zivilprozessrecht geläufigen Hindernissen bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen.52 So besteht nach Art. 20 Abs. 2 EuStImm für einen verurteilten Staat keine Erfüllungspflicht bei einem offensichtlichen Verstoß gegen seine öffentliche Ordnung (lit. a), bei entgegenstehender Rechtshängigkeit eines Verfahrens (lit. b) oder bei entgegenstehender Rechtskraft einer Entscheidung über denselben Streitgegenstand eines Gerichts des verurteilten oder eines anderen Vertragsstaates (lit. c). Schließlich ist er auch nicht zur Erfüllung einer Entscheidung verpflichtet, wenn der Gerichtsstaat die in Art. 16 EuStImm vorgesehenen Zustellungs‑ und Fristenerfordernisse nicht beachtet hat und gegen ihn eine Versäumnisentscheidung ergangen ist, gegen die er kein Rechtsmittel eingelegt hat (lit. d). Vor allem der ordre public-Vorbehalt nach lit. a) stellt eine wichtige Ausnahme dar, da er die generelle Verpflichtung des verurteilten Vertragsstaates zur Erfüllung einer gegen ihn ergangenen Entscheidung zulasten des obsiegenden Klägers lockert. Gleichwohl greift diese Ausnahmeregelung nur ein, wenn die Entscheidung dem ordre public offensichtlich widerspricht, um Urteile mit schwersten Mängeln von der Erfüllungspflicht auszunehmen.53 Dies ist zum einen der Fall, 50  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (36); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 692; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (525 f.); Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (537). 51  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (36); vgl. auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 692. 52 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 101; Kronke, IPRax 1991, 141 (145). 53  Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 16; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 102 ff.

I. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität

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wenn das Urteil auf einem Verfahren beruht, das von den Grundprinzipien des Prozessrechts des verurteilten Staates in einem Maße abweicht, dass es nach seiner Rechtsordnung nicht als in einer geordneten, rechtsstaatlichen Weise ergangen angesehen werden kann (prozessualer ordre public). Zum anderen liegt ein offensichtlicher Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vor, wenn die Erfüllung des Urteils in ihrem Ergebnis die tragenden Grundlagen des staatlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebens des verurteilten Staates angreifen würde (materieller ordre public).54 Art. 20 Abs. 3 S. 1 EuStImm sieht eine Ausnahme von der Erfüllungspflicht im Hinblick auf die Immunitätsausnahme nach Art. 10 EuStImm vor, da der Anwendungsbereich dieser Regelung weder an die internationale Zuständigkeit noch an das anwendbare Sachrecht knüpft.55 Danach ist ein Vertragsstaat, wenn das Verfahren ein Recht an beweglichem oder unbeweglichem Vermögen betrifft, das zu einer Erbschaft oder Schenkung gehört oder erb‑ oder herrenlos ist, nicht verpflichtet, eine Entscheidung zu erfüllen, wenn die Gerichte im Gerichtsstaat nicht zuständig gewesen wären, hätten sie die im verurteilten Staat geltenden Zuständigkeitsvorschriften entsprechend angewendet (lit. a). Ebenso wenig besteht eine Erfüllungspflicht, wenn das Gericht bei Anwendung des Sachrechts, das nach dem internationalen Privatrecht des verurteilten Staates anzuwenden wäre, zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (lit. b). Letztere Ausnahme mag überraschen, da eine Überprüfung des internationalen Privatrechts des Gerichtsstaates in völkerrechtlichen Verträgen unüblich ist.56 Art. 20 Abs. 3 S. 2 EuStImm enthält eine Gegenausnahme zu den beiden vorgenannten Ausnahmen: Danach kann sich ein Vertragsstaat nicht auf diese Ablehnungsgründe berufen, wenn er mit dem Gerichtsstaat durch ein Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen verbunden ist und die Entscheidung die Voraussetzungen dieses Abkommens hinsichtlich der Zuständigkeit und ggf. des anzuwendenden Rechts erfüllt. In diesem Fall gehen die Sonderregelungen eines Anerkennungs‑ und Vollstreckungsübereinkommens den in Art. 20 Abs. 3 EuStImm geregelten Versagungsgründen vor.57 Dies ist mittlerweile im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu allen Vertragsstaaten der Fall: Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, dem Vereinigten Königreich und Zypern ist die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der EuGVVO und im Verhältnis zur Schweiz im Lugano II-Übereinkommen geregelt.

54  Vgl. die Kommentierung bei Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 328 Rdnr. 16 zur offensichtlichen Unvereinbarkeit mit dem deutschen ordre public. 55 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (36). 56  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 106 f. 57  Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 18; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 705.

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Art. 25 Abs. 1 EuStImm erweitert die Erfüllungspflicht für diejenigen Staaten, die eine Erklärung nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm abgegeben haben, also für alle Vertragsstaaten mit Ausnahme von Österreich und Zypern. Danach muss ein Vertragsstaat, der sich dem Fakultativregime unterworfen hat, auch eine nicht von Art. 1 bis 13 EuStImm erfasste Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates, der eine solche Erklärung ebenfalls abgegeben hat, erfüllen, sofern sie rechtskräftig i. S. v. Art. 20 Abs. 1 lit. b) EuStImm ist und das Gericht als zuständig anzusehen ist. Nach Art. 25 Abs. 3 lit. a) EuStImm gilt ein Gericht eines Vertragsstaates als zuständig, wenn seine Zuständigkeit durch eine Vereinbarung zwischen dem Gerichtsstaat und dem anderen Vertragsstaat anerkannt ist. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Verhältnis zu den Vertragsstaaten, die sich dem Fakultativregime angeschlossen haben und zugleich EU-Mitgliedstaaten sind, namentlich Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, ergibt sich wiederum aus der EuGVVO und im Verhältnis zur Schweiz aus dem Lugano II-Übereinkommen. Damit ist die Zuständigkeitsanknüpfung nach Art. 25 Abs. 3 lit. b) EuStImm, der bei Fehlen einer Vereinbarung zwischen Gerichtsstaat und verurteiltem Staat über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen gilt, durch die EuGVVO und das Lugano II-Übereinkommen gegenstandslos geworden. Schließlich sieht Art. 25 Abs. 2 EuStImm zwei Ausnahmen von der Erfüllungspflicht vor. Danach ist ein Vertragsstaat nicht verpflichtet, eine Entscheidung zu erfüllen, wenn einer der oben genannten Ablehnungsgründe des Art. 20 Abs. 2 EuStImm vorliegt (lit. a) oder wenn die Zuständigkeitsregelung des Art. 24 Abs. 2 EuStImm58 verletzt worden ist (lit. b). dd. Art. 21 EuStImm: Feststellungsklage über die Erfüllungspflicht Erfüllt ein Vertragsstaat entgegen Art. 20 Abs. 1 EuStImm eine gegen ihn ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates nicht, so sieht Art. 21 Abs. 1 S. 1 EuStImm die Möglichkeit einer Feststellungsklage vor. Danach kann die sich auf die Entscheidung berufende Partei von dem zuständigen Gericht des verurteilten Staates die Feststellung darüber verlangen, ob die Entscheidung nach Art. 20 EuStImm erfüllt werden muss. Damit sieht das Übereinkommen als Ausgleich für das Verbot der Zwangsvollstreckung nicht nur in Art. 20 EuStImm eine Erfüllungspflicht des verurteilten Staates vor, sondern verleiht dieser in Art. 21 EuStImm durch die Möglichkeit einer Feststellungsklage auch Nachdruck.59 Art. 25 Abs. 5 EuStImm stellt klar, dass von dem Fest-

 Siehe hierzu näher Kapitel C. III. 1. a.  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 99; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (548 f.). 58

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stellungsverfahren auch wegen der Erfüllungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 EuStImm Gebrauch gemacht werden kann. Klagebefugt ist in erster Linie die private Prozesspartei, sei es als obsiegende Klägerin oder sei es als obsiegende Beklagte hinsichtlich der Verurteilung in den Kosten. Darüber hinaus kann nach Art. 21 Abs. 1 S. 2 EuStImm auch der verurteilte Staat eine Feststellungsklage erheben, wenn sein Recht ihm dies gestattet. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 2 Abs. 3 des Zustimmungsgesetzes60 Gebrauch gemacht. Danach kann eine Feststellungsklage von der Bundesrepublik Deutschland oder dem von der Entscheidung betroffenen Bundesland erhoben werden. Der verurteilte Staat kann also ebenfalls – vorbehaltlich seines nationalen Rechts – durch sein eigenes Gericht klären lassen, ob er zur Erfüllung eines gegen ihn ergangenen Urteils durch einen anderen Vertragsstaat verpflichtet ist. Art. 21 Abs. 4 EuStImm bestimmt, dass jeder Vertragsstaat das Gericht bezeichnet, das für die Entscheidung über die Feststellungsklage zuständig ist, und davon den Generalsekretär des Europarats bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme‑ oder Beitrittsurkunde verständigt. Nach Art. 2 Abs. 1 des deutschen Zustimmungsgesetzes ist das Landgericht, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat, also mittlerweile das Landgericht Berlin ausschließlich zur Feststellung zuständig, ob die Bundesrepublik Deutschland oder ein Bundesland die Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates zu erfüllen hat.61 Für die Republik Österreich ist beispielsweise nach § 1 Abs. 1 des österreichischen Zustimmungsgesetzes62 das Landesgericht Wien ausschließlich zuständig.63 Fürchtet die obsiegende Prozesspartei um die Neutralität des im verurteilten Staat zuständigen Gerichts, so kann sie alternativ nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 lit. b) des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität64 (ZP EuStImm) das Europäische Gericht für Staatenimmunität anrufen, sofern der verurteilte Staat dem Protokoll angehört. Dem Zusatzprotokoll sind Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, die Schweiz und Zypern, nicht aber die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich beigetreten.65 Ist also einer der sechs erstgenannten Staaten vor einem deutschen Gericht verurteilt worden, so ist alternativ das Europäische Gericht für Staatenimmunität für die Feststellung der Erfüllungspflicht nach Art. 20 oder 25 EuStImm zuständig.  BGBl. 1990 II, S. 34. Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 546. 62  Öst. BGBl. Nr. 433/1976. 63  Zu den zuständigen Gerichten in den anderen Vertragsstaaten siehe Europarat, http:// www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/074/declarations?p_auth=R8Ii3sCx (28. 2. ​2017). 64  BGBl. 1990 II, S. 52. 65 Siehe bereits Kapitel B. II. 2. a. 60

61 Geimer,

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Die eine Feststellung begehrende Partei muss sich angesichts der klaren Wortlauts des Art. 1 Abs. 1 S. 1 ZP EuStImm („oder“) zwischen dem zuständigen Gericht des verurteilten Staates und dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität entscheiden. Die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 ZP EuStImm endgültig. Die geäußerte Befürchtung, es käme durch das Zusatzprotokoll zu einer Verdoppelung des Rechtsschutzes,66 ist daher unbegründet. Beabsichtigt ein Vertragsstaat, der dem Zusatzprotokoll beigetreten ist, sein eigenes Gericht anzurufen, so ist er nach Art. 1 Abs. 2 ZP EuStImm verpflichtet, dies der obsiegenden Partei mitzuteilen. Diese hat dann binnen einer Frist von drei Monaten nach Empfang der Mitteilung die Möglichkeit, das Europäische Gericht für Staatenimmunität anzurufen. Macht sie hiervon keinen Gebrauch, so ist der Weg für den Staat frei, eine Feststellungsklage vor seinem zuständigen Gericht zu erheben. Zugleich ist der Weg für die obsiegende Prozesspartei zum Europäischen Gericht für Staatenimmunität versperrt. Das zuständige Gericht des ausländischen Staates darf die im Ausgangsverfahren ergangene Entscheidung nach Art. 21 Abs. 2 EuStImm nicht in der Sache nachprüfen (sog. Verbot der révision au fond). Entsprechendes gilt nach Art. 1 Abs. 3 ZP EuStImm für das Europäische Gericht für Staatenimmunität. Vielmehr beschränkt sich der Prüfungsumfang darauf, ob der verurteilte Staat die Entscheidung nach Art. 20 bzw. 25 EuStImm erfüllen muss.67 Art. 21 Abs. 3 EuStImm sieht Verfahrensmodalitäten vor, die einen verfahrensrechtlichen Mindeststandard gewährleisten68 und insbesondere der auf Feststellung klagenden Partei Erleichterungen verschaffen sollen69. So ist den Parteien in dem Feststellungsverfahren rechtliches Gehör zu gewähren (lit. a) und die vorgelegten Urkunden der sich auf die Entscheidung berufenden Partei sind von der Legalisation und allen anderen gleichartigen Förmlichkeiten befreit (lit. b). Darüber hinaus darf von ihr wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder ihres Aufenthaltes weder eine Sicherheitsleistung noch eine Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, verlangt werden (lit. c). Schließlich ist die sich auf die Entscheidung berufende Partei zur Prozesskostenhilfe unter mindestens ebenso günstigen Bedingungen zuzulassen, wie sie für eigene Staatsangehörige mit Wohnsitz oder Aufenthalt im Gerichtsstaat gelten (lit. d).

66 So

Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (548 f.).  Vgl. auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 547; ders./Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil‑ und Handelssachen, Kap. I 1, S. 14. 68 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr.  548; ders./Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil‑ und Handelssachen, Kap. I 1, S. 14. 69  Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drcks. 10/4631, S. 30 (36); Explanatory Report des Europarats, ETS No. 74, S. 18. 67

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ee. Art. 22 EuStImm: Erfüllung eines Prozessvergleichs Das in Art. 23 EuStImm verankerte grundsätzliche Verbot, in das Vermögen eines anderen Vertragsstaates die Zwangsvollstreckung zu betreiben, bezieht sich nicht nur auf die Vollstreckung aus Urteilen, sondern auch aus Prozessvergleichen. Als Ausgleich sieht Art. 22 Abs. 1 Hs. 1 EuStImm ebenfalls eine Erfüllungspflicht für gerichtliche Vergleiche vor. Danach hat ein Vertragsstaat einen Vergleich zu erfüllen, an dem er als Partei beteiligt ist und der in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates geschlossen worden ist. Die in Art. 20 EuStImm geregelten Voraussetzungen für die Erfüllungspflicht und die Ausnahmen hiervon werden in Art. 22 Abs. 1 Hs. 2 EuStImm explizit für unanwendbar erklärt. Teilweise passen diese Voraussetzungen, insbesondere die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung nach Art. 20 Abs. 1 lit. b) EuStImm, nicht für einen Vergleich. Vor allem aber schließt ein Vertragsstaat im Unterschied zu einem gegen ihn ergangenen Urteil freiwillig einen Vergleich. In diesem Fall wäre es widersprüchlich, wenn er sich nunmehr doch auf eine Immunitätsausnahme für das Erkenntnisverfahren nach Art. 20 Abs. 1 lit. a) EuStImm oder auf ein Ausschlussgrund nach Art. 20 Abs. 2 EuStImm wegen Verstoßes gegen den ordre public, entgegenstehender Rechtshängigkeit oder entgegenstehender Rechtskraft berufen würde. Für die Gegenpartei kann es daher im Einzelfall durchaus sinnvoll sein, einen Vergleich zu schließen.70 Erfüllt ein Vertragsstaat den Vergleich nicht, so eröffnet Art. 22 Abs. 2 EuStImm ebenfalls die Möglichkeit, vom Feststellungsverfahren nach Art. 21 EuStImm Gebrauch zu machen. Da Art. 20 EuStImm auf einen Vergleich keine Anwendung findet und eine Nachprüfung in der Sache nach Art. 21 Abs. 2 EuStImm ohnehin ausscheidet, wird dem zuständigen nationalen Gericht bzw. dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität die Entscheidung über die Erfüllungspflicht zumeist relativ einfach fallen. Voraussetzung für die Feststellung, dass ein Vergleich zu erfüllen ist, ist lediglich nach Art. 22 Abs. 1 EuStImm, dass ein Vertragsstaat als Prozesspartei in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates einen wirksamen Vergleich geschlossen hat. ff. Resümee: Rechtsvereinheitlichung oder Rechtszersplitterung? Die Regeln des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität sind ausweislich seiner Präambel von der hehren Erwägung getragen, zum Fortschritt des Vereinheitlichungswerks der Mitgliedstaaten des Europarats auf dem Gebiet des Rechts beizutragen. Gleichwohl spiegelt vor allem der weitgehende Ausschluss von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und der Sicherung in Art. 23 EuStImm, wie bereits erwähnt, nicht mehr die derzeitige Rechtsüber70  So auch Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 108 f.

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zeugung der Vertragsstaaten wider. Vielmehr sind die soeben dargestellten Regelungen Ausdruck eines Kompromisses, der möglichst vielen Staaten des Europarates die Ratifizierung des Übereinkommens ermöglichen sollte. Vor allem die in Art. 20 EuStImm vorgesehene Pflicht zur Erfüllung einer Entscheidung auch ohne gerichtlichen Zwang  – flankiert durch die Feststellungsklage nach Art. 21 EuStImm  – sollte die bei der Ausarbeitung des Übereinkommens bestehenden Differenzen zwischen den damaligen Befürwortern einer relativen Vollstreckungsimmunität und denen einer absoluten Vollstreckungsimmunität, namentlich dem Vereinigten Königreich, überwinden.71 Mittlerweile haben sich jedoch alle Vertragsstaaten zum Grundsatz der relativen Immunität für Zwangsmaßnahmen bekannt. Insbesondere ist auch das Vereinigte Königreich vom Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität abgerückt und lässt nunmehr nach sec. 13 (4) SIA die Zwangsvollstreckung in Gegenstände mit einem kommerziellen Verwendungszweck zu.72 Das Übereinkommen führt daher zu dem kuriosen Ergebnis, dass es nach Art. 23 EuStImm zwischen den Vertragsstaaten Vollstreckungsmaßnahmen generell untersagt, obwohl sich mittlerweile alle Vertragsstaaten dem Grundsatz der relativen Vollstreckungsimmunität angeschlossen haben. Insoweit zementiert es in seinem Grundgedanken die Rechtslage auf dem Stand der völkerrechtlichen Diskussion Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre.73 Allerdings wird dieses eigenartige Ergebnis durch Art. 26 EuStImm abgemildert, der eine Vollstreckung in Vermögen, das ausschließlich für eine gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit verwendet wird, zulässt, sofern der Gerichtsstaat und der verurteilte Staat dem Fakultativregime der Art. 24 ff. EuStImm beigetreten sind. Da alle Vertragsstaaten bis auf Österreich und Zypern eine entsprechende Erklärung abgegeben haben, gilt nur noch im Verhältnis zu diesen beiden Staaten der Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität. Alle anderen Vertragsstaaten haben sich hingegen durch die Annahme von Art. 26 EuStImm zum Prinzip der relativen Vollstreckungsimmunität bekannt. Damit besteht weniger eine Rechtszersplitterung im Verhältnis der Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität zu anderen Staaten, sondern vielmehr eine Rechtszersplitterung im Verhältnis der Vertragsstaaten, die dem Fakultativregime beigetreten sind, zu den nicht beigetretenen Staaten Österreich und Zypern. Die Abgabe eine Notifikation nach Art. 24 Abs. 1 EuStImm durch diese beiden Staaten könnte die gespaltene völkerrechtliche Rechtslage beseitigen, wie es sich die Vertragsstaaten ausweislich der Präambel – nämlich zum Fortschritt des Vereinheitlichungswerks der Mitgliedstaaten des Europarats auf dem Gebiet des Rechts beizutragen – zum Ziel gesetzt haben. 71 Siehe

Kapitel D. I. 3. a. aa.  Vgl. Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 4.091; Fox, ICLQ 34 (1985), 115 (125); Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (544). 73 Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (544 f.). 72

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b. UN-Übereinkommen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit Das UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität differenziert zwischen Zwangs­ maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz (pre-judgment measures of constraint) und solchen im Hauptsacheverfahren (post-judgment measures of constraint). Die Regelungsstruktur folgt in beiden Fällen einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, nach dem einem Konventionsstaat im Grundsatz Immunität zukommt, sofern nicht die Voraussetzungen einer der abschließend genannten Ausnahmen vorliegen.74 aa. Art. 18 UN-Übereinkommen: Sicherungsmaßnahmen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Art. 18 UN-Übereinkommen regelt die Staatenimmunität im Hinblick auf Zwangsmaßnahmen, die vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache angeordnet werden. Hiermit sind Sicherungsmaßnahmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung gemeint, welche die Vollstreckung aus einem noch zu erlangenden Titel in der Hauptsache sicherstellen sollen.75 Beispielhaft nennt Art. 18 UNÜbereinkommen die Pfändung (attachment) und die Beschlagnahme (arrest). Darüber hinaus sind aber auch alle anderen Arten von Sicherungsmaßnahmen wie zum Beispiel die Arresthypothek nach § 932 ZPO erfasst.76 Gegenüber solchen Sicherungsmaßnahmen gewährt Art. 18 UN-Übereinkommen den Vertragsstaaten im Grundsatz Immunität. Danach dürfen gegen das Vermögen eines Staates vor der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Staates keine Zwangsmaßnahmen angeordnet werden, sofern und soweit nicht der Staat der Anordnung derartiger Maßnahmen ausdrücklich zugestimmt hat (lit. a) oder er Vermögen für die Befriedigung des streitgegenständlichen Anspruchs bereitgestellt oder bestimmt hat (lit. b). Diese Bestimmung lässt im Unterschied zu Art. 23 EuStImm also auch einen konkludenten Immunitätsverzicht durch die Bereitstellung oder Bestimmung von vollstreckbarem Vermögen zu.77 Trotz der weiter gefassten Ausnahmen spiegelt Art. 18 UN-Übereinkommen nicht das Völkergewohnheitsrecht wider,78 da dieser Regelung ebenso wie Art. 23 EuStImm letztlich noch der Grundsatz der absoluten Staatenimmunität 74 Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.037; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 84. 75  O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 18, S. 300. 76 Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 134. 77  O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 18, S. 305; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 133. 78  Baldegger, Das Spannungsverhältnis zwischen Staatenimmunität, diplomatischer Immunität und Menschenrecht, S. 70; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 85, 174 f. Nach O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 18, S. 306 steht die Regelung wahr-

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zu Grunde liegt. Ohne Zustimmung des Schuldnerstaates kann ein Gericht eines anderen Vertragsstaates keine Zwangsmaßnahmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verhängen, auch wenn die Vermögensgegenstände einem nichthoheitlichen Verwendungszweck dienen. Damit bleibt diese Regelung hinter der völkergewohnheitsrechtlichen Entwicklung zurück, da – wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 in seiner Entscheidung zur National Iranian Oil Company festgestellt hat – keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr besteht, der zufolge der Gerichtsstaat vorbehaltslos gehindert wäre, aufgrund eines im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Titels zur Sicherung des vom Gläubiger geltend gemachten Anspruchs Zwangsmaßnahmen in Vermögenswerte eines fremden Staates zu betreiben.79 Der in Art. 18 UN-Übereinkommen verankerte Grundsatz der absoluten Staatenimmunität für Sicherungsmaßnahmen mag überraschen, soll doch das von der UN-Generalversammlung 2004 verabschiedete Übereinkommen ausweislich seiner Präambel zur Entwicklung des Völkerrechts und zur Vereinheitlichung der Praxis auf dem Gebiet der Staatenimmunität beitragen. Letztlich ist diese Regelung das Ergebnis kontroverser Diskussionen bei der Ausarbeitung des Übereinkommens, die ihren Ursprung darin hatten, dass die ehemalige UdSSR und die ehemalige DDR nach der ersten Lesung 1986 ein ausnahmsloses Verbot der Zwangsvollstreckung gegenüber Staaten forderten.80 bb. Art. 19 UN-Übereinkommen: Vollstreckungsmaßnahmen im Hauptsacheverfahren Art. 19 UN-Übereinkommen regelt die Immunität eines Vertragsstaates gegenüber Zwangsmaßnahmen, die nach einer gerichtlichen Entscheidung angeordnet werden, also Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund einer Entscheidung in der Hauptsache. Die Zwangsvollstreckung aus Titeln, denen keine gerichtliche Entscheidung zu Grunde liegt, wie etwa aus notariellen Urkunden und insbesondere aus Prozessvergleichen wird von dieser Regelung nicht erfasst. Vielmehr richtet sich die Vollstreckung in diesen Fällen ausweislich der Präambel des UN-Übereinkommens nach den oben dargestellten völkergewohnheitsrechtlichen Regeln. Nach Art. 19 UN-Übereinkommen dürfen  – parallel zu Art. 18 UN-Übereinkommen  – gegen das Vermögen eines Staates nach der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Staates keine Zwangsmaßnahmen angeordnet werden, sofern und soweit nicht der Staat der Anordnung derartiger Maßnahmen ausdrücklich zugestimmt hat (lit. a) oder er Vermögen für die Befriedigung des scheinlich im Einklang mit dem Völkergewohnheitsrecht, ohne dass sie jedoch darlegen, worauf sie ihre Annahme stützen. 79  BVerfGE 64, 1 (36); siehe Kapitel D. I. 2. a. 80  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 132 f.

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streitgegenständlichen Anspruchs bereitgestellt oder bestimmt hat (lit. b). Darüber hinaus lässt Art. 19 lit. c) UN-Übereinkommen – im Unterschied zu Art. 18 UN-Übereinkommen  – die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines Vertragsstaates zu, sofern und soweit nicht der Nachweis erbracht worden ist, dass sein Vermögen eigens zu anderen als nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist und dass es sich im Gerichtsstaat befindet. Während Art. 18 lit. a) und b) und Art. 19 lit. a) und b) UN-Übereinkommen noch eine ausdrücklich oder konkludente Zustimmung zu einer Zwangsmaßnahme gegenüber einem anderen Staat fordern, spiegelt sich erst in Art. 19 lit. c) UN-Übereinkommen der Grundsatz der relativen Vollstreckungsimmunität wider.81 Diese Regelung macht den Vollstreckungszugriff vom Verwendungszweck des Vermögens abhängig und folgt damit der Differenzierung des Völkergewohnheitsrechts. Die in der Formulierung „zu anderen als nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken“ (for other than government non-commercial purposes) enthaltene doppelte Negation verkompliziert freilich die Lesbarkeit und hätte mit einer Formulierung wie „ausschließlich zu privatwirtschaftlichen Zwecken“ (only for commercial purposes) auch einfacher ausgedrückt werden können. Art. 21 Abs. 1 UN-Übereinkommen enthält einen nicht abschließenden Katalog von Vermögensgegenständen, die bereits per Definition nicht zu dem zu privatwirtschaftlichen Zwecken benutzten oder hierfür bestimmten Vermögen i. S. v. Art. 19 lit. c) UN-Übereinkommen zählen.82 Darüber hinaus setzt Art. 19 lit. c) UN-Übereinkommen voraus, dass Zwangsmaßnahmen nach einer gerichtlichen Entscheidung nur gegen dasjenige Vermögen angeordnet werden dürfen, das mit dem Rechtsträger, gegen den das Verfahren gerichtet war, im Zusammenhang steht. Die Anlage zum UN-Übereinkommen präzisiert den Begriff des Rechtsträgers: Dieser erfasst einen Staat als selbstständige Rechtspersönlichkeit, einen Gliedstaat eines Bundesstaates, eine Gebietskörperschaft eines Staates, eine Einrichtung oder Stelle eines Staates oder einen anderen Rechtsträger mit selbstständiger Rechtspersönlichkeit wie Staatsunternehmen. In das Vermögen eines Staates darf also nur vollstreckt werden, wenn sich auch der zu vollstreckende Titel gegen den Staat als solchen richtet. Der Gerichtsstaat muss akzeptieren, dass der Schuldnerstaat Vermögen auf verschiedene selbstständige Rechtspersönlichkeiten aufgeteilt hat.83 So wird auch in der Anlage zum UN-Übereinkommen klargestellt, dass Art. 19 UN-Übereinkommen nicht die materiell-rechtliche Frage der Durchgriffshaftung (piercing the corporate veil) eines Staates für Verbindlichkeiten eines staatlichen Rechtsträgers präjudiziert. 81 O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 19, S. 327; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 85 f. 82  Siehe hierzu im Einzelnen Kapitel D. V. 83 O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 19, S. 324.

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II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität Staaten können nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für die Zwangsvollstreckung auf ihre Immunität verzichten. So verzichtete beispielsweise die Republik Argentinien in den bereits zitierten Bedingungen zu den von ihr ausgegebenen Staatsanleihen auch für das Vollstreckungsverfahren auf ihre Immunität.84 Die Möglichkeit eines solchen Verzichts sehen nicht nur Art. 23 EuStImm sowie Art. 18 und 19 UN-Übereinkommen vor, sondern sie ist auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.85 Der Verzicht eines ausländischen Staates erlaubt den deutschen Vollstreckungsorganen den zwangsweisen Zugriff auf alle einem hoheitlichen Zweck dienenden Vermögensgegenstände, die er nach dem Inhalt der Verzichtserklärung zur Vollstreckung freigegeben hat.86

1. Verhältnis zum Verzicht für das Erkenntnisverfahren Das Vollstreckungsverfahren zeichnet sich im Vergleich zum Erkenntnisverfahren wegen seines Zwangscharakters durch eine weitaus größere Eingriffsintensität aus.87 Unterwirft sich daher ein ausländischer Staat für das Erkenntnisverfahren der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates, so erstreckt sich sein Verzicht nicht zugleich auf die Vollstreckung aus dem gegen ihn erwirkten Titel. So wie die Staatenimmunität in beiden Verfahrensstadien eigenen Regeln unterliegt, so ist auch ein jeweiliger Immunitätsverzicht gesondert zu beurteilen.88 Art. 20 UN-Übereinkommen stellt hierbei ausdrücklich klar, dass die Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit im Erkenntnisverfahren aufgrund von Art. 7 UN-Übereinkommen die Zustimmung zur Ergreifung von Zwangsmaßnahmen nicht einschließt. Ebenso darf nach sec. 13 (3) SIA eine Regelung, die einen Verzicht auf die Immunität im Erkenntnisverfahren enthält, nicht als Zustimmung für die Unterwerfung im Vollstreckungsverfahren ausgelegt  Zur genauen Formulierung siehe bereits die Einführung zu Kapitel C. III. 117, 141 (152); Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 150; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 137 f.; Weller, Rpfleger 2006, 364 (367). Ebenso können nach § 1610 (a) (1) FSIA und sec. 13 (3) SIA ausländische Staaten für die Zwangsvollstreckung auf ihre Immunität verzichten. 86 Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 138; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985). 87  BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1534); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 44; Dutta, IPRax 2007, 109 (111); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985); siehe auch schon Kapitel D. I. 1. 88  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (146 f.) – Jurisdictional Immunities; BVerfGE 117, 141 (153); BGH, NJW-RR 2006, 198 (200); SchiedsVZ 2006, 44 (46); NJW-RR 2013, 1532 (1534); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 9; Lippross/Bittmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 37 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 44; Dutta, IPRax 2007, 109 (111); Roeder, JuS 2005, 215 (219). 84

85 BVerfGE

II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität

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werden. In vergleichbarer Weise gilt nach Art. 32 Abs. 4 WÜD und Art. 45 Abs. 4 WÜK der Verzicht auf die diplomatische bzw. konsularische Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Zivilgerichtsverfahren nicht als Verzicht auf die Immunität von der Urteilsvollstreckung. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität enthält hingegen keine explizite Regelung, nach der sich ein Immunitätsverzicht für das Erkenntnisverfahren nicht auf die Zwangsvollstreckung erstreckt. Nichtsdestotrotz ergibt sich aus den getrennten Regelungen für den Verzicht im Erkenntnisverfahren gem. Art. 1 bis 3 EuStImm und für den Verzicht im Vollstreckungsverfahren gem. Art. 23 EuStImm, dass die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates in beiden Verfahrensstadien unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegt. Auch wenn der Verzicht für das Erkenntnisverfahren keinen Verzicht für die Zwangsvollstreckung präjudiziert, so bleibt es einem ausländischen Staat unbenommen, auch oder nur für die Zwangsvollstreckung auf seine Immunität zu verzichten.89 Ein umfassender Gesamtverzicht kann allerdings nur angenommen werden, wenn ein ausländischer Staat eine eindeutige Verzichtserklärung abgegeben hat, die auch die Zwangsvollstreckung erfasst.90 Ungeachtet der Trennung zwischen dem Verzicht im Erkenntnisverfahren und dem Verzicht im Vollstreckungsverfahren bestehen zwischen den beiden Rechtsinstituten viele Parallelen, insbesondere was die Erklärungsbefugnis und die Bindung an die Verzichtserklärung anbelangt.91 Die folgende Darstellung beschränkt sich daher auf die Abweichungen und die Besonderheiten, die dem Verzicht auf Vollstreckungsimmunität immanent sind.

2. Form des Immunitätsverzichts Das Völkervertragsrecht stellt relativ strenge Anforderungen an die Form eines Immunitätsverzichts für die Zwangsvollstreckung. So darf nach Art. 23 EuStImm in das Vermögen eines anderen Vertragsstaates nur in dem Fall und in dem Ausmaß vollstreckt werden, in denen er ausdrücklich in Schriftform zugestimmt hat. Der im Erkenntnisverfahren noch zulässige mündliche Verzicht gem. Art. 2 lit. c) EuStImm nach Entstehen der Streitigkeit oder gar der konkludente Verzicht durch rügelose Einlassung gem. Art. 3 EuStImm ist im Vollstreckungsverfahren nicht mehr ausreichend. Im Unterschied zu Art. 2 EuStImm, der drei Möglichkeiten nennt, wie ein Vertragsstaat ausdrücklich für das Erkenntnisverfahren auf seine Immunität verzichten kann, enthält Art. 23 89 BVerfGE

117, 141 (153); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985).  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 44; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985). 91 Zum Verzicht im Erkenntnisverfahren siehe Kapitel C. III. 90

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EuStImm keine nähere Erläuterung, wie genau der ausdrücklich zu erklärende Verzicht zu erfolgen hat. Die Parallelvorschriften Art. 18 lit. a) und Art. 19 lit. a) UN-Übereinkommen erfordern für den Immunitätsverzicht im Hinblick auf Zwangsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz bzw. in der Hauptsache, dass der verzichtende Staat der Anordnung derartiger Maßnahmen ausdrücklich zugestimmt hat. Die ausdrückliche Zustimmung ist auf vielfältige Weise möglich: durch internationale Vereinbarung (sublit. i), durch eine Schiedsvereinbarung oder in einem schriftlichen Vertrag (sublit. ii) oder aber durch eine Erklärung vor dem Gericht oder durch eine schriftliche Mitteilung nach Entstehen einer Streitigkeit (sublit. iii). Der Verzicht muss danach also ebenfalls schriftlich oder zu Protokoll des Gerichts erklärt werden und entspricht im Wesentlichen den Anforderungen an den Verzicht für das Erkenntnisverfahren nach Art. 7 Abs. 1 UN-Übereinkommen. Hinzu kommt die Möglichkeit einer ausdrücklichen Zustimmung in einer Schiedsvereinbarung, da Grundlage der Zwangsvollstreckung auch ein Schiedsspruch sein kann.92 Im Unterschied zu Art. 23 EuStImm lassen Art. 18 lit. b) und Art. 19 lit. b) UN-Übereinkommen auch einen konkludenten Immunitätsverzicht dergestalt zu, dass ein ausländischer Staat Vermögen für die Befriedigung des streitgegenständlichen Anspruchs bereitgestellt oder bestimmt hat. In dieser Konstellation gibt er klar zu erkennen, dass das bereitgestellte oder bestimmte Vermögen für Zwangsmaßnahmen zur vorläufigen Sicherung oder zur endgültigen Befriedigung verwendet werden kann. Nicht nur das Europäische und das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität differieren in ihren Anforderungen an die Form des Verzichts, sondern auch die nationalen Immunitätsgesetze zeichnen keine einheitliche Linie. So sieht § 1610 (a) (1) FSIA vor, dass ein Immunitätsverzicht für die Zwangsvollstreckung entweder ausdrücklich oder konkludent (either explicitly or by implication) erfolgen kann. Nach sec. 13 (3) SIA kann ein Staat hingegen nur durch schriftliche Zustimmung (written consent) auf seine Immunität gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen verzichten. Eine allgemeine völkerrechtliche Regel, nach der ein Verzicht auf die Immunität für die Zwangsvollstreckung nur ausdrücklich und zugleich schriftlich erfolgen kann, lässt sich diesen uneinheitlichen Bestimmungen nicht entnehmen. Vielmehr ist  – wie schon der Preußische Gerichtshof für Kompetenzkonflikte 1920 feststellte93 – immer noch davon auszugehen, dass das Völkergewohnheitsrecht keine besonderen Anforderungen an die Form des Verzichts stellt.94 Daher  Siehe hierzu näher Kapitel D. III. 3. b. Kompetenzgerichtshof, JW 1921, 773 (774). 94  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 38; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 440 ff.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 144. 92

93 Preuß.

II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität

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kann sich ein ausländischer Staat, der nicht Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität ist, der deutschen Gerichtsbarkeit sowohl für das Erkenntnisverfahren als auch für die Zwangsvollstreckung schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder konkludent unterwerfen. Trotz der Formfreiheit ist bei der Annahme eines konkludenten Immunitätsverzichts Zurückhaltung geboten. Der Verzichtswille eines ausländischen Staates muss im Vollstreckungsverfahren – wie auch schon im Erkenntnisverfahren – angesichts der damit verbundenen Einschränkung seiner souveränen Rechte klar zum Ausdruck kommen.95 Um etwaigen Zweifeln bereits im Vorfeld zu begegnen, empfiehlt sich für die Parteien eine schriftliche und eindeutige Vereinbarung eines Immunitätsverzichts für die Zwangsvollstreckung. Soll er umfassend sein, so könnte er zum Beispiel wie folgt lauten: „Die Vertragspartei zu 1) unterwirft sich mit ihrem gesamten Vermögen, einschließlich ihrer zu diplomatischen und konsularischen Zwecken genutzten oder bestimmten Gegenstände, ihrer Staatsschiffe, ihrer Staatsflugzeuge und ihres Materials für die Streitkräfte, sowohl für Sicherungsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz als auch für die Zwangsvollstreckung der deutschen Gerichtsbarkeit.“96

3. Immunitätsverzicht in speziellen Konstellationen Ein ausländischer Staat könnte auch weniger eindeutig durch sein Verhalten im Zivilprozess, durch eine Schiedsvereinbarung oder durch die Errichtung einer notariellen Urkunde auf seine Vollstreckungsimmunität verzichten. a. Verzicht durch Verhalten des ausländischen Staates im Zivilprozess Mit der Erhebung einer Klage vor einem deutschen Gericht unterwirft sich ein Staat seiner Gerichtsbarkeit für das Erkenntnisverfahren.97 Dagegen erstreckt sich sein Verzichtswille ohne besondere Anhaltspunkte nicht auf die Zwangsvollstreckung, so dass einer Klageerhebung kein Verzicht auf seine Vollstreckungsimmunität immanent ist.98 Nimmt er die deutschen Gerichte in Anspruch, um ein Urteil gegen einen privaten Schuldner zu erwirken, so besteht für ihn keine Veranlassung, im Fall der Klageabweisung sein hoheitlichen Zwecken dienendes 95  BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1534); Prütting/Gehrlein/Bitz/Steinfatt, ZPO, § 20 GVG Rdnr. 4; Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (422); siehe auch Kapitel C. III. 2. 96 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 44 und ihm folgend Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 139 schlagen folgende Formulierung vor: „Hiermit unterwirft sich NN der Gerichtsbarkeit von X unter Einschluss der Zwangsvollstreckung.“ 97 Siehe bereits Kapitel C. III. 2. b. bb.  98  Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 6; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, S. 59; siehe auch Kapitel C. VIII. 2.

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Vermögen dem Vollstreckungszugriff des Beklagten wegen der Verurteilung in den Kosten preiszugeben. Vielmehr bleibt es diesem unbenommen, aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in diejenigen Vermögensgegenstände zu vollstrecken, für die dem ausländischen Staat keine Immunität zukommt, weil sie einem nichthoheitlichen Verwendungszweck dienen. Aber auch aus dem Umstand, dass ein ausländischer Staat gegen ein Urteil kein Rechtsmittel oder gegen einen Vollstreckungsbescheid keinen Einspruch eingelegt hat, kann nicht auf einen Immunitätsverzicht für die Zwangsvollstreckung geschlossen werden.99 Wie bereits aufgezeigt, verzichtet er bei fehlender Verfahrensbeteiligung nach Art. 15 Hs. 2 EuStImm bzw. Art. 8 Abs. 4 UN-Übereinkommen schon nicht auf seine Immunität für das Erkenntnisverfahren.100 Demzufolge impliziert es erst recht keinen Immunitätsverzicht für das Vollstreckungsverfahren, wenn er sich einem Vollstreckungstitel nicht widersetzt, zumal seine Motivlage vielfältig sein kann. Nicht zuletzt weil bei der Annahme eines konkludenten Immunitätsverzichts Zurückhaltung angezeigt ist, ist dieser nur bei aktivem Tun, nicht aber bei bloßem Schweigen möglich. b. Verzicht durch Schiedsvereinbarung Hat ein ausländischer Staat in einem völkerrechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag vereinbart, die Entscheidung eines Rechtsstreits einem Schiedsgericht zu übertragen, so kann er sich nicht durch Verweis auf seine Immunität der Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens entziehen. Darüber hinaus kann einer Schiedsvereinbarung – je nach Formulierung – ein Immunitätsverzicht für das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs durch die staatlichen Gerichte immanent sein.101 Fraglich ist, ob ein ausländischer Staat durch eine Schiedsabrede implizit auch auf seine Immunität für die Zwangsvollstreckung aus einem Schiedsspruch verzichtet. Diese Frage bejahte die französische Cour de Cassation für die Vollstreckung seitens der Creighton Limited gegen den Staat Katar aus einem Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce) in Paris. Da sich die Parteien nach Art. 24 (2) der ICC-Schiedsordnung 1988102 durch die Inanspruchnahme des Internationalen Schiedsgerichthofs zur unverzüglichen Erfüllung des Schiedsspruchs verpflichtet und auf ihr Recht zur Geltendmachung jedweder Rechtsbehelfe  99  BVerfGE 46, 342 (359); BGH, NJW-RR 2003, 1218 (1220); NJW 2013, 3184 (3186); Weller, Rpfleger 2006, 364 (365). 100  Siehe Kapitel C. III. 2. b. cc. 101  Siehe hierzu bereits Kapitel C. III. 2. a. bb. 102  Nunmehr Art. 34 (6) der ICC-Schiedsordnung 2012, abrufbar unter http://www. iccwbo.org/Products-and-Services/Arbitration-and-ADR/Arbitration/Rules-of-arbitration/ Download-ICC-Rules-of-Arbitration/ICC-Rules-of-Arbitration-in-several-languages/ (28.  2. ​ 2017).

II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität

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verzichtet hätten, habe Katar mit der Schiedsvereinbarung konkludent auf seine Immunität für die Zwangsvollstreckung verzichtet.103 Diese Auslegung spiegelt jedoch nicht die allgemeine Staatenpraxis wider, sondern stellt eine Eigenheit der französischen Rechtsprechung dar.104 Eine in den Statuten des gewählten Schiedsgerichts enthaltene Vorschrift über die sofortige Vollziehbarkeit eines Schiedsspruchs regelt nur, dass und nicht wie ein Schiedsspruch sofort vollzogen werden soll. Der sofortige Vollzug eines Schiedsspruchs kann  – wenn der ausländische Staat nicht freiwillig leistet – auch dadurch verwirklicht werden, dass in sein einem nichthoheitlichen Zweck dienendes Vermögen vollstreckt wird. Letztlich verwischt die von der Cour de Cassation vorgenommene Auslegung auch die Grenzen zwischen dem Erkenntnisverfahren und der Zwangsvollstreckung, da dem unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen eines ausländischen Staates eine ungleich intensivere Wirkung zukommt. Vielmehr lässt eine Pflicht zur prompten Erfüllung oder ein Rechtsmittelverzicht das immune Vermögen eines von einem Schiedsgericht verurteilten Staates unangetastet. Ebenso wenig folgt aus einer Vereinbarung, dass ein Schiedsspruch nach Maßgabe des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6. ​1958105 anerkannt und vollstreckt wird, ein Verzicht auf die Immunität für die Zwangsvollstreckung. So entschied der Bundesgerichtshof in zwei ähnlich gelagerten Beschlüssen, dass sich aus Art. 10 Abs. 4 S. 2 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Sowjetunion geschlossenen Vertrags über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13. 6. ​1989106 kein Verzicht der heutigen Russischen Föderation auf ihre Immunität für das vom deutschen Investor Franz Sedelmayer betriebene Vollstreckungsverfahren aus einem Schiedsspruch eines internationalen Schiedsgerichts bei der Handelskammer in Stockholm ergebe. Die Immunität im Erkenntnisverfahren und die Immunität im Vollstreckungsverfahren seien nach unterschiedlichen Maßstäben und daher unabhängig voneinander zu beurteilen. Außerdem hätte es angesichts der sonstigen Vertragspraxis nahe gelegen, den Verzicht auf die Immunität ausdrücklich zu erklären.107 Auch das Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18. 3. ​1965108 (ICSIDÜbereinkommen) forciert dieses Auslegungsergebnis. So sind zwar nach Art. 54  Cour de cassation, 1ère civ., JDI 2000, 1054; kritisch hierzu Kröll, IPRax 2002, 439 (443).  Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 387, 394; Kröll, IPRax 2002, 439 (443); ders., IPRax 2004, 223 (229). 105  BGBl. 1961 II, S. 122. 106  BGBl. 1990 II, S. 342. 107 BGH, NJW-RR 2006, 198 (200 f.) und BGH, WM 2006, 41 (43); so auch bereits OLG Köln, IPRspr. 2003 Nr. 118, S. 354 (360) und KG, SchiedsVZ 2004, 103 (106) als jeweilige Vorinstanzen sowie Kröll, IPRax 2004, 223 (228). 108 BGBl. 1969 II, S. 371. 103 104

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Abs. 1 S. 1 ICSID-Übereinkommen die Vertragsstaaten verpflichtet, einen Schiedsspruch des International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) als internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in Washington D. C., das bei Streitigkeiten im Rahmen von Investitionsschutzabkommen entscheidet, als bindend anzusehen und für die Vollstreckung der darin auferlegten finanziellen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet zu sorgen. Nach Art. 55 ICSID-Übereinkommen darf diese Regelung aber nicht dahingehend ausgelegt werden, als schaffe sie eine Ausnahme von dem in einem Vertragsstaat geltenden Recht über die Immunität dieses Staates oder eines fremden Staates von der Vollstreckung.109 Einer Schiedsabrede ist also regelmäßig kein Immunitätsverzicht für die Zwangsvollstreckung immanent.110 Daraus folgt aber nicht, dass sich ein ausländischer Staat den Konsequenzen eines Schiedsspruchs entziehen könnte. Vielmehr bleibt es einem im Schiedsverfahren obsiegenden Investor oder auch einem anderen Gläubiger unbenommen, aus einem anerkannten und für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch die Zwangsvollstreckung in dasjenige Vermögen eines ausländischen Staates zu betreiben, das einem nichthoheitlichen Verwendungszweck dient. c. Verzicht durch notarielle Urkunde Umstritten ist, ob sich ein ausländischer Staat mit der Errichtung einer notariellen Urkunde i. S. v. §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 797 ZPO, in der er sich wegen eines Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, zugleich auf seine Vollstreckungsimmunität verzichtet. Dies wird teils mit der Begründung bejaht, dass der fremde Staat mit der Abgabe einer solchen Unterwerfungserklärung seinen Verzicht auf die Gewährung von Immunität dokumentiere.111 Nach der Gegenauffassung beinhaltet eine notarielle Urkunde keinen konkludenten Verzicht auf

109  Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnr. 31; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 123, 125; Kröll, IPRax 2002,439 (443); ders., IPRax 2004, 223 (228); Uchkunova/Temnikov, ICSID Review 29 (2014), 187 (188 ff.). 110  So auch BGH, NJW 2013, 3184 (3185); OLG Köln, SchiedsVZ 2004, 99 (102); Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 150 f.; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 3.25; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 190; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 135; Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (779); Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3; Herdegen, RIW 1989, 329 (336); Kröll, IPRax 2004, 223 (229); Raeschke-Kessler, SchiedsVZ 2006, 51 (52); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985); Weller, Rpfleger 2006, 364 (368). 111 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 170; ohne Begründung auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 632; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (138, Fn. 37) und Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (775).

II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität

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Vollstreckungsimmunität, da ihre Errichtung das Substitut des Erkenntnisverfahrens darstelle.112 Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage kann letztlich nur sein, ob sich der Unterwerfungserklärung ein entsprechender Verzichtswille des ausländischen Staates hinreichend klar und deutlich entnehmen lässt. Ausgangspunkt ist hierbei der bereits erwähnte Grundsatz, dass bei einer solchen Annahme wegen des damit einhergehenden Souveränitätsverlusts Zurückhaltung geboten ist.113 Demnach ist die bloße Erklärung des ausländischen Staates, er unterwerfe sich wegen eines Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung, nicht als Verzicht auf seine Vollstreckungsimmunität auszulegen. Vielmehr ist sie dahingehend zu verstehen, dass sein Vertragspartner den in der Urkunde verbrieften Anspruch nicht im Klagewege titulieren lassen muss, sondern er einen sofortigen Vollstreckungstitel erhält. Anders ist die Rechtslage hingegen, wenn sich ein ausländischer Staat in einer notariellen Urkunde wegen eines Anspruchs mit seinem gesamten Vermögen der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Einer solchen Erklärung kann regelmäßig sein Wille entnommen werden, dass aus der notariellen Urkunde auch in sein hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen vollstreckt werden darf. Für die Vertragsparteien empfiehlt es sich freilich, bereits in der notariellen Urkunde explizit klarzustellen, ob der ausländische Staat auf seine Vollstreckungsimmunität verzichtet. Entsprechendes gilt für den für vollstreckbar erklärten Anwaltsvergleich gem. §§ 794 Abs. 1 Nr. 4b, 796a ff. ZPO, in dem sich ein ausländischer Staat der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft.

4. Erstreckung eines pauschalen Verzichts auf Gegenstände der diplomatischen Mission? Ein ausländischer Staat kann einen Immunitätsverzicht auf bestimmte Vermögensgegenstände beschränken oder aber bestimmte Vermögensgegenstände vom Verzicht ausnehmen. Ebenso kann er pauschal auf seine Vollstreckungsimmunität verzichten.114 Fraglich ist, ob eine pauschale Verzichtserklärung dem Vollstreckungsgläubiger den Zugriff auf sämtliche Vermögensgegenstände des ausländischen Staates, insbesondere auf solche der diplomatischen Mission, ermöglicht. Relevant wurde diese Problematik, als deutsche Gläubiger argentinischer Staatsanleihen in Botschaftskonten der Republik Argentinien vollstrecken woll112  Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 128; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 142. 113  Siehe Kapitel C. III. 2. und D. II. 2. 114  Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 138; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

ten. Die Anleihebedingungen enthielten folgenden pauschalen Immunitätsverzicht: „In dem Ausmaß, in dem die Republik derzeit oder zukünftig Immunität (aus hoheitlichen oder sonstigen Gründen) von der Gerichtsbarkeit irgendeines Gerichtes oder von irgendeinem rechtlichen Verfahren (ob bei Zustellung, Benachrichtigung, Pfändung, Vollstreckung oder in sonstigem Zusammenhang) in Bezug auf sich selbst oder ihre Einkünfte, ihr Vermögen oder Eigentum besitzt oder erwerben sollte, verzichtet die Republik hiermit unwiderruflich auf eine solche Immunität in Bezug auf ihre Verpflichtungen aus den Schuldverschreibungen in dem Umfang, in dem sie dazu gemäß anwendbarem Recht berechtigt ist.“115 Diese Verzichtserklärung schließt die Gegenstände der diplomatischen Mission weder ausdrücklich ein, noch nimmt sie diese von ihrem Anwendungsbereich explizit aus. Aus Art. 32 Abs. 1, Abs. 4 Hs. 2 WÜD ergibt sich zwar, dass der Entsendestaat auf die diplomatische Immunität von der Urteilsvollstreckung und damit auf das Vorrecht des Schutzes durch den Empfangsstaat verzichten kann. Diese Regelung erfasst aber nur die persönliche Immunität des Diplomaten, nicht aber die Immunität für die Gegenstände der diplomatischen Mission.116 Damit ist immer noch nicht die Frage beantwortet, ob sich ein allgemein formulierter Immunitätsverzicht für die Zwangsvollstreckung auch auf die Gegenstände der diplomatischen Mission erstreckt. Das mit dieser Frage beschäftigte Landgericht Bonn vertrat 2003 noch die Auffassung, dass der in den Anleihebedingungen erklärte Verzicht des argentinischen Staates auf seine Immunität aus hoheitlichen oder sonstigen Gründen die diplomatische Immunität einschließe. Auf eine Unterscheidung zwischen der allgemeinen Staatenimmunität und der diplomatischen Immunität komme es nicht an.117 Diese Auslegung erwies sich aber nach zutreffender Ansicht der nachfolgenden oberlandesgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung als unhaltbar: Der in den Anleihebedingungen enthaltene pauschale Immunitätsverzicht dürfe nicht als Verzicht auf den besonderen Schutz verstanden werden, der sich nach den Grundsätzen der Unverletzlichkeit der Funktion der diplomatischen Mission ergebe. Vielmehr müssten in den Anleihebedingungen die Vermögensgegenstände der diplomatischen Mission ausdrücklich von der Vollstreckungsimmunität ausgenommen werden.118 Zu Recht wird hierbei zwischen der Staatenimmunität und der diplomatischen Immunität differenziert, die unterschiedliche Institute des Völkerrechts mit je115 Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 200; von Hein, IPRax 2007, 399 (400); Kleinlein, NJW 2007, 2591 (2593). 116  Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 202 f.; Baars/Böckel, ZZB 2004, 445 (454); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (423). 117  LG Bonn, IPRspr. 2003 Nr. 119, S. 361 (363). 118  BGH, MDR 2007, 1282 (1283); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (370 f.); später auch LG Bonn, NJW-RR 2009, 1316 (1317 f.).

II. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität

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weils eigenen Regeln darstellen. Vor allem ist die diplomatische Immunität nicht nur ein Reflex der Immunität des Entsendestaates, sondern ihr kommt als einer in sich geschlossenen Ordnung eigenständige Bedeutung zu.119 Während die Staatenimmunität auf der souveränen Gleichheit der Staaten beruht, schützen die Vorrechte und Befreiungen der diplomatischen Mission das Interesse der Völkergemeinschaft am diplomatischen Verkehr. So ist die diplomatische Immunität dem besonderen Status des Diplomaten geschuldet. Seine Anwesenheit auf dem Territorium des Empfangsstaates und seine Befugnis, dort für den Entsendestaat tätig zu werden, beruhen auf der Zustimmung des Empfangsstaates in Form des Agrément nach Art. 4 WÜD.120 Demzufolge kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass eine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der ein pauschaler Immunitätsverzicht zur Aufhebung des Schutzes der Immunität auch für solches Vermögen genüge, das dem Entsendestaat im Empfangsstaat zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission diene, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellbar sei. Vielmehr lasse sich eher eine gegenläufige, wenn auch nicht allgemeine Tendenz in der völkerrechtlichen Praxis der nationalen Gerichte erkennen, dass angesichts des anerkannt hohen Schutzniveaus diplomatischer Belange ein pauschaler Immunitätsverzicht keinen Verzicht auf diplomatischen Schutz erfasse. Ebenso wenig erstrecke sich ein pauschaler Immunitätsverzicht auf Vermögenswerte, die einem konsularischen Zweck dienten, sowie auf Staatsschiffe, Staatsflugzeuge und Material der Streitkräfte.121 Ein pauschal erklärter Immunitätsverzicht erfasst also nicht die Vermögensgegenstände, die ein ausländischer Staat für die Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission benötigt. Vielmehr erfordert die besondere Schutzwürdigkeit der diplomatischen Mission einen ausdrücklichen Verzicht des Entsendestaates für die Vollstreckung in ihr Vermögen.122 Will ein ausländischer Staat auch auf seine Vollstreckungsimmunität für Gegenstände der diplomatischen Mission verzichten, so empfiehlt sich die Präzisierung einer entsprechenden Verein119  BGH, MDR 2007, 1282 (1283); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (368); SchiedsVZ 2004, 103 (107); LG Bonn, NJW-RR 2009, 1316 (1317 f.); Baars/Böckel, ZZB 2004, 445 (453 f.); Weller, Rpfleger 2006, 364 (368). 120  KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (368); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (424); siehe auch Kapitel B. III. 4. a. 121 BVerfGE 117, 141 (155); folgend BGH, MDR 2007, 1282 (1283); OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22178; zur Entscheidung des BVerfG vgl. auch Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 143 f. und von Hein, IPRax 2007, 399 (399 ff.). 122 BVerfGE 117, 141 (148, 151 ff.); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (368 ff.); SchiedsVZ 2004, 103 (108); OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22178; LG Bonn, NJW-RR 2009, 1316 (1317 f.); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 562; Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 202; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 191; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 144; Baars/Böckel, ZZB 2004, 445 (454); Bollacher/ Evke de Groot, RIW 2011, 158 (159); von Hein, IPRax 2007, 399 (403); Weller, Rpfleger 2006, 364 (367 f.).

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barung dahingehend, dass der Verzicht sich auch auf die zu diplomatischen Zwecken genutzten oder verwendeten Vermögensgegenstände bezieht.123 Soll der Verzicht auch Staatsschiffe, Staatsflugzeuge, das Material der Streitkräfte oder die Gegenstände der konsularischen Vertretung erfassen, so müssen diese in der Verzichtserklärung ebenfalls ausdrücklich genannt werden. Darüber hinaus ist eine konkrete Bezeichnung der einzelnen vollstreckbaren Gegenstände nicht erforderlich.124

5. Feststellungsklage auf Immunitätsverzicht Hat ein ausländischer Staat auf seine Immunität für die Zwangsvollstreckung verzichtet, so kann der Vollstreckungsgläubiger auf die Idee kommen, diesen Verzicht im Klagewege feststellen zu lassen. Die Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage setzt voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Immunitätsverzichts i. S. v. § 256 Abs. 1 ZPO hat, für ihn also eine Unsicherheit besteht, die ihn in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt und die durch das begehrte Feststellungsurteil beseitigt würde.125 Das Oberlandesgericht Frankfurt verneinte in zwei ähnlich gelagerten Beschlüssen zutreffend ein solches Interesse für eine Klage auf Feststellung des in den argentinischen Anleihebedingungen enthalten Immunitätsverzichts. Die Wiederholung des Wortlauts der Verzichtsklausel in einem Feststellungsurteil könne den deutschen Vollstreckungsorganen keine weiterführenden Erkenntnisse vermitteln. Im Vollstreckungsverfahren stelle sich bezogen auf das konkrete Vollstreckungsobjekt die Frage, ob dieses einen Sonderstatus innehabe und damit von der Vollstreckung ausgenommen sei. Ein Feststellungsurteil könne diese Frage aber nicht klären. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Feststellung zu einer Vollstreckung im Ausland notwendig sei oder die dortige Vollstreckung erleichtern könnte.126 Ein Feststellungsurteil darüber, dass der ausländische Staat auf seine Immunität verzichtet hat, hätte den Klägern in den vom Oberlandesgericht Frankfurt zu entscheidenden Fällen letztlich auch keine Erleichterungen im deutschen Vollstreckungsverfahren gebracht. Das Vollstreckungsorgan muss ohnehin bei jeder Vollstreckungshandlung die deutsche Gerichtsbarkeit von Amts wegen prüfen und in diesem Rahmen einen Immunitätsverzicht berücksichtigen. Über 123 Siehe

hierzu bereits den Formulierungsvorschlag in Kapitel D. III. 2.  Kleinlein, NJW 2007, 2591 (2593); zur Immunität für diese Gegenstände siehe näher Kapitel D. V. 1. 125 Vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rdnr. 7; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 90 Rdnrn. 19, 23; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 186. 126  OLG Frankfurt, Beschluss v. 6. 6. ​2008, Az. 8 U 201/07  – juris und OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22178. 124

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 311

dieses Klagebegehren hinaus ist eine Feststellungsklage auch dann unzulässig, wenn der Kläger klären lassen will, auf welche Vermögensgegenstände (z. B. Gegenstände der diplomatischen Mission) sich ein pauschaler Immunitätsverzicht erstreckt. Hierbei handelt es sich um eine bloße Rechtsfrage, nicht aber um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. v. § 256 Abs. 1 ZPO.127 Dagegen kommt ein Feststellungsinteresse in Betracht, wenn zwischen einem Vollstreckungsgläubiger und einem bereits verurteilten ausländischen Staat Streit über die Wirksamkeit eines Immunitätsverzichts besteht. In diesem Fall kann ein entsprechendes Feststellungsurteil – um im Duktus des Oberlandesgerichts Frankfurt zu bleiben  – den deutschen Vollstreckungsorganen weiterführende Erkenntnisse zum Umfang der Vollstreckungsimmunität vermitteln. Hat sich allerdings das Vollstreckungsorgan bereits geweigert, die vom Vollstreckungsgläubiger beantragte Zwangsvollstreckung vorzunehmen, so kann dieser die Frage nach der Wirksamkeit eines Immunitätsverzichts einfacher und effektiver durch einen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf klären lassen.

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden Die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat ist neben der deutschen Gerichtsbarkeit an weitere Voraussetzungen, insbesondere an die internationale Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts und das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels, geknüpft, aus denen sich spezifische Fragestellungen ergeben.

1. Internationale Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts Die Gerichtsgewalt des Vollstreckungsstaates wird begrenzt durch den völkerrechtlichen Grundsatz der Territorialität staatlicher Zwangsgewalt. Danach darf jeder Staat als Ausfluss seiner Gebietshoheit nur in die in seinem Territorium belegenen Vermögensgegenstände vollstrecken. Vollstreckungsmaßnahmen in Gegenstände, die im Hoheitsgebiet eines anderen Staates belegen sind, sind hingegen ausschließlich dessen Angelegenheit. Die Vollstreckung durch deutsche Vollstreckungsorgane ist damit auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt; auf im Ausland belegenes Vermögen dürfen sie nicht zugreifen. Soll gleichwohl ein deutscher Titel im Ausland vollzogen werden, so muss er regelmäßig im Voll-

127  Vgl. allgemein auch Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rdnr. 3; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 184.

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streckungsstaat für vollstreckbar erklärt und von den dortigen Vollstreckungsorganen vollstreckt werden.128 Der Territorialitätsgrundsatz bestimmt nicht nur die Grenzen der deutschen Gerichtsgewalt, sondern auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Vollstreckungsgerichte. Diese sind international nur zuständig, wenn die Zwangsvollstreckung in Vermögen erfolgen soll, das in Deutschland belegen ist.129 Art. 24 Nr. 5 EuGVVO stellt hierbei klar, dass die Gerichte eines EUMitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, ausschließlich zuständig sind. Auch § 764 Abs. 2 ZPO knüpft als doppelfunktionale Zuständigkeitsregel an den Vollstreckungsort an. Danach ist das gem. § 802 ZPO ausschließlich zuständige Vollstreckungsgericht das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat. Bei der Zwangsvollstreckung in Sachen begründet der Lageort die internationale Zuständigkeit. Bewegliche Sachen können nur dort weggenommen und Grundstücke nur dort verwertet werden, wo sie sich befinden.130 Die Belegenheit einer Forderung ist naturgemäß schwieriger zu beurteilen. Das Völkerrecht überlässt diese Beurteilung der lex fori, solange ein hinreichender Anknüpfungspunkt der Forderung zum Vollstreckungsstaat gegeben ist.131 Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Vollstreckung in Forderungen ist nach der doppelfunktionalen Regel des § 828 Abs. 2 Alt. 1 ZPO primär an den allgemeinen Gerichtsstand des Vollstreckungsschuldners geknüpft. Allerdings haben ausländische Staaten schon naturgemäß keinen Sitz und damit gem. §§ 12, 17 ZPO auch keinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland.132 Daher sind nach der Auffangregel des § 828 Abs. 2 Alt. 2 ZPO die deutschen Vollstreckungsgerichte international zuständig, wenn gegen einen ausländischen Staat im Vermögensgerichtsstand nach § 23 ZPO Klage erhoben werden könnte. § 23 S. 2 Alt. 1 ZPO lokalisiert hierbei die zu vollstreckende Forderung am Wohnsitz des Drittschuldners.133 Demzufolge sind die deutschen Vollstreckungsgerichte für die Zwangsvollstreckung in eine Forderung eines ausländischen Staates international nur zuständig, wenn der Drittschuldner seinen Wohnsitz oder Sitz in Deutschland hat. Lediglich dann besteht der vom Völkerrecht geforderte hinreichende Bezug der Forderung zum Vollstreckungsstaat. 128  BGH, NJW-RR 2006, 198 (199); NJW-RR 2011, 647 (647); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 3200; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 1061, 1063; Roeder, JuS 2005, 215 (217). 129  Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (858); Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108). 130 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 1064; Weller, Rpfleger 2006, 364 (371). 131  BGH, NJW-RR 2006, 198 (199 f.); Beschluss v. 17. 12. ​2015, Az. I ZR 275/14  – juris; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 3211; Hök, MDR 2005, 306 (310); Weller, Rpfleger 2006, 364 (371). 132  Siehe bereits Kapitel D. IV. 1. b. 133  Vgl. auch Prütting/Gehrlein/Bey/Lange, ZPO, § 23 Rdnr. 8; Dutta, IPRax 2007, 109 (112); Weller, Rpfleger 2006, 364 (371).

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 313

Wie bereits bei der internationalen Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren ausgeführt, erfährt der in § 23 ZPO geregelte Vermögensgerichtsstand eine Einschränkung, sollte ein ausländischer Staat für sein in Deutschland belegenes Vermögen Vollstreckungsimmunität genießen.134 Unterliegt daher eine Forderung nicht dem Vollstreckungszugriff der deutschen Vollstreckungsorgane, so begründet sie keinen deutschen Gerichtsstand.135 In diesem Fall fehlt es allerdings auch an der deutschen Gerichtsbarkeit, so dass die Zwangsvollstreckung bereits aus diesem Grund unzulässig ist.136 Darüber hinaus fehlt es den deutschen Vollstreckungsgerichten an der internationalen Zuständigkeit für die Zwangsvollstreckung in Forderungen, die sich aus ausländischem öffentlichem Recht ergeben.137 Wie bereits aufgezeigt, mangelt es dem deutschen Staat am Interesse, einem ausländischen Staat für die Durchsetzung seiner öffentlich-rechtlichen Forderungen Rechtsschutz zu gewähren. Würde in der umgekehrten Konstellation eine Privatperson einen ausländischen Staat vor einem deutschen Gericht aus einem öffentlich-rechtlichen Anspruch oder auf negative Feststellung verklagen, so wäre den deutschen Gerichten die Ausübung ihrer Gerichtsbarkeit verwehrt. Spiegelbildlich kann der ausländische Staat keinen Rechtsschutz durch deutsche Gerichte erwarten, wenn er einen öffentlich-rechtlichen Anspruch als Kläger geltend macht.138 In diesem Fall fehlt es an einem hinreichenden Anknüpfungspunkt der Forderung zum deutschen Staat. Dementsprechend entschied der Bundesgerichtshof, dass die internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die von dem deutschen Investor Franz Sedelmayer beantragte und vom Amtsgericht Köln zunächst angeordnete Zwangsvollstreckung in öffentlich-rechtliche Gebührenforderungen der Russischen Föderation aus der Einräumung von Überflug-, Transit‑ und Einflugrechten nicht gegeben sei. Ausländische Staaten dürften ihre staatliche Hoheitsgewalt nur in ihrem eigenen Hoheitsbereich ausüben. Daher sei die Verpflichtung der Lufthansa AG als Drittschuldnerin, die Gebühren an die Russische Föderation zu entrichten, im russischen Hoheitsgebiet, nicht aber in Deutschland zu lokalisieren.139  Siehe Kapitel C. IV. 1. b. bb. (2).  OLG München, IPRspr. 2011 Nr. 303, S. 813 (814); vgl. auch KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (365) und OLG Köln, SchiedsVZ 2004, 99 (101), die eine Entscheidung hierzu offenließen, da die Pfändungsmaßnahmen ohnehin unzulässig waren. 136  Weller, Rpfleger 2006, 364 (371). 137 Zöller/Stöber, ZPO, § 829 Rdnr. 33; Weller, Rpfleger 2006, 364 (371); vgl. auch Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (862 f.), nach dem eine solche Zuständigkeit einer Regelung durch den Gesetzgeber bedürfe. 138 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 578; Vischer, IPRax 1991, 209 (212); siehe ausführlich Kapitel C. IV. 1. c. 139  BGH, NJW-RR 2006, 198 (199 f.); vgl. dazu Bollacher/Evke de Groot, RIW 2011, 158 (158) und Dutta, IPRax 2007, 109 (109). 134 135

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Daran anknüpfend stellte der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung zu Recht fest, dass die deutschen Gerichte auch für die Vollstreckung in Zoll‑ und Steuerforderungen der Republik Argentinien international unzuständig sind. Die Verpflichtung der Drittschuldnerin, diese Forderungen zu erfüllen, sei im Hoheitsgebiet Argentiniens und nicht in Deutschland zu lokalisieren.140 Diese Entscheidung ist dahingehend kritisiert worden, dass der Bundesgerichtshof den Verzicht Argentiniens auf seine Vollstreckungsimmunität unberücksichtigt gelassen habe. Bei der Staatenimmunität handele sich es sich um ein Schutzrecht zu Gunsten der Staaten, das in Anspruch genommen werden könne, nicht aber müsse. Daher seien auch Gerichtsstandsvereinbarungen über die internationale Zuständigkeit zulässig und die deutschen Gerichte nach § 23 ZPO international zuständig.141 Dieser Schlussfolgerung steht jedoch entgegen, dass es sich bei der deutschen Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte um zwei unterschiedliche Prozessvoraussetzungen handelt. Während die völkerrechtlichen Regeln über die Gerichtsbarkeit bestimmen, ob das Vollstreckungsgericht in einen Vermögensgegenstand eines ausländischen Staates vollstrecken darf, bestimmen die nationalen bzw. europäischen Regeln über die internationale Zuständigkeit, ob es zur Vollstreckung verpflichtet ist.142 Ob der deutsche Staat von der ihm von Völkerrechts wegen zustehenden Gerichtsbarkeit Gebrauch machen will, entscheiden nicht der ausländische Staat oder der Vollstreckungsgläubiger, sondern diese Entscheidung ist allein dem deutschen Gesetzgeber vorbehalten. Nach § 802 ZPO handelt es sich bei der in § 828 Abs. 2 ZPO geregelten Zuständigkeit um einen ausschließlichen Gerichtsstand. Demzufolge ist – wie auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung ausführte143 – eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO unzulässig.

2. Das immunitätsverletzende Urteil als taugliche Vollstreckungsgrundlage Unabdingbare Voraussetzung für eine jede Zwangsvollstreckung ist das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels. Hierzu gehören insbesondere nach § 704 ZPO Endurteile, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. Umstritten ist, ob aus einem gegen einen ausländischen Staat ergangenen Urteil auch dann vollstreckt werden kann, wenn es wegen fehlender deutscher 140  BGH, NJW-RR 2011, 647 (647); vgl. dazu Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (854 f.). 141 Bollacher/Evke de Groot, RIW 2011, 158 (159). 142  Siehe schon für das Erkenntnisverfahren Kapitel C. I. 1. 143  BGH, NJW-RR 2011, 647 (647); zustimmend Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (863).

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 315

Gerichtsbarkeit nicht hätte ergehen dürfen. Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, welche zivilprozessuale Wirkung einem solchen Urteil beizumessen ist. Eine Entscheidung, welche die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität verletzt, ist jedenfalls völkerrechtswidrig. Darüber hinaus könnte dieser Völkerrechtsverstoß auch zur deren innerstaatlichen Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit führen. a. Überblick über das Meinungsspektrum Das Meinungsbild zu dieser Frage ist differenziert. So ließ der Bundesgerichtshof in einer 2003 ergangenen Entscheidung, in der es um die Vollstreckung aus einem Versäumnisurteil in ein Grundstück der kenianischen Botschaft ging, noch ausdrücklich offen, ob ein Urteil wegen Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit als wirkungslos oder lediglich als anfechtbar anzusehen ist.144 In seiner 2009 ergangenen Entscheidung zur Immunität der Europäischen Schule Frankfurt a. M. befand er dann, dass ein Zwischenurteil, das zu Unrecht die Immunität einer Partei verneint habe, keine Bindungswirkung entfalten könne. In Klammern fügte er hinzu, dass nach herrschender Meinung Entscheidungen, die trotz fehlender deutscher Gerichtsbarkeit ergangen seien, nichtig seien.145 Das Bundesarbeitsgericht hielt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem bereits geschilderten Rechtsstreit um den Einbehalt von Arbeitsentgelt einer bei der griechischen Schule beschäftigten Lehrkraft zur Abführung von Quellensteuer insoweit für unklar. Da Griechenland aber ohnehin keine Immunität zukomme, könne es dahinstehen, ob Urteile gegen Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegen, nichtig und damit wirkungslos oder ob sie lediglich anfechtbar seien. Das Arbeitsgericht München habe der Lehrkraft zu Recht eine vollstreckbare Ausfertigung des gegenüber dem griechischen Staat erlassenen Versäumnisurteils erteilt.146 Überraschend klar positionierte sich hingegen 2014 das Bundesverfassungsgericht, das über die Verfassungsbeschwerde Griechenlands zu entscheiden hatte, das sich wegen der vom Bundesarbeitsgericht bestätigten Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzt sah. In seiner Entscheidung stellte es lapidar in einem Satz fest, dass im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität ergangene Entscheidungen nichtig seien, und zitierte hierzu als Nachweis die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Immunität der Europäischen Schule Frankfurt a. M.147 Hierbei verzichtete es wie auch schon der Bundesgerichtshof 144 Vgl.

dazu BGH, MDR 2003, 1135 (1135).  BGHZ 182, 10 (16). 146  BAG, NZA 2013, 468 (469); siehe hierzu auch Kapitel C. II. 7. b. 147 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725) mit Verweis auf BGHZ 182, 10 (16). 145

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auf eine Begründung oder gar eine Auseinandersetzung mit den bereits seit Jahrzehnten immer wieder vorgetragenen Argumenten der Gegenansicht148. Das Bundesverfassungsgericht steht mit seiner Auffassung allerdings nicht alleine da. So sind auch nach einigen Stimmen im Schrifttum die deutschen Vollstreckungsorgane kraft allgemeinen Völkerrechts gehindert, die Vollstreckung gegen einen ausländischen Staat aus einem Titel zu betreiben, der an dem Mangel deutscher Gerichtsbarkeit leide.149 Dahinter steht der Gedanke, dass Sachurteile und ihnen gleichstehende Entscheidungen wie Mahn‑ oder Vollstreckungsbescheide sowie Arrestbefehle gegen einen der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfenen Staat nichtig seien.150 Nach einer abgeschwächten Auffassung ist eine trotz fehlender Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidung nur unwirksam.151 Teilweise werden Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit vorgeschlagen, nämlich wenn eine gegen einen ausländischen Staat gerichtete Klage abgewiesen werde152 oder wenn das letztinstanzliche Gericht bei Erlass eines der Klage stattgebenden Urteils die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit ausdrücklich bejahe153. Die Begründung für die Annahme der Nichtigkeit bzw. Wirkungslosigkeit beschränkt sich zumeist darauf, dass eine Entscheidung eines deutschen Gerichts gegenüber einem der deutschen Gerichtsgewalt nicht unterworfenen Staat keinerlei Wirkungen entfalten könne.154 Die vermeintlich herrschende Meinung, auf  Siehe sogleich Kapitel D. III. 2. b. Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 169; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 73; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 23 Rdnr. 6; Riedinger, RabelsZ 45 (1981), 448 (452). 150  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 23 Rdnr. 6; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, S. 25; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, S. 16 (Fn. 9); Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 4 Rdnr. 14; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 189; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (280); ders., IPRax 1982, 51 (53); Lüke, JuS 2000, 1042 (1043). 151 MünchKomm/Patzina, ZPO, §  12 Rdnr. 73; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 300 Rdnr. 15; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 71 ff.; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 159; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 3.7; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 62 Rdnr. 23; Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (776 f.). 152 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 189. 153  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 23 Rdnr. 6; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 529; ders., Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, S. 77; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 3.7; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 189. 154 MünchKomm/Patzina, ZPO, § 12 Rdnr. 73; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 71 f.; Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (776 f.). 148

149 Damian,

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die der Bundesgerichtshof und indirekt auch das Bundesverfassungsgericht Bezug nehmen, ist allerdings keineswegs so eindeutig, argumentativ so bestechend und logisch so durchdacht, wie es vielleicht den ersten Blick scheinen mag. So lässt sie insbesondere regelmäßig die Frage unbeantwortet, wer letztverbindlich dazu berufen sein soll, die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit einer gerichtlichen Entscheidung festzustellen.155 Daher ist nach der Gegenauffassung ein Urteil, das gegenüber einem ausländischen Staat trotz der ihm zukommenden Immunität ergangen ist, nicht ultra vires und damit schlechthin nichtig, sondern – wie jedes andere fehlerhafte Urteil – wirksam und mit normalen Rechtsmitteln anfechtbar. Ein Urteil, das mangels deutscher Gerichtsbarkeit gegen einen ausländischen Staat in dieser Form nicht hätte ergehen dürfen, sei vollstreckbar, solange es nicht aufgehoben werde.156 b. Plädoyer für die Wirksamkeit des immunitätsverletzenden Urteils Auch wenn das Bundesverfassungsgericht auf eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegenansicht verzichtete, so sprechen gute Gründe für die Wirksamkeit des immunitätsverletzenden Urteils. aa. Vorgaben des Völkerrechts Ein Urteil, das die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität verletzt, greift in die Souveränität eines verurteilten Staates ein und ist daher völkerrechtswidrig.157 Daraus folgt allerdings noch nicht, dass das Völkerrecht auch die Zwangsvollstreckung aus einem solchen Urteil verbietet. So machen insbesondere Art. 18 und 19 UN-Übereinkommen die Gerichtsbarkeit im Erkenntnisverfahren nicht zur Voraussetzung für eine Sicherungs‑ bzw. Vollstreckungsmaßnahme. Dagegen muss nach Art. 20 Abs. 1 lit. a) EuStImm ein Vertragsstaat eine gegen ihn ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates nur erfüllen, wenn er keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen konnte. Die in Art. 20 EuStImm geregelte Erfüllungspflicht als Kompensation für das weitgehende Verbot der Zwangsvollstreckung beruht jedoch auf einem Kompromiss der Vertragsstaaten, anstatt eine allgemeine völkerrechtliche Regel 155  LG Gießen, NJW 1956, 555 (555); Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (239); Habscheid, FamRZ 1972, 214 (214). 156  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 147 ff.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 215 f.; Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 205; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 389; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (240); Habscheid in: ders./Hoffmann-Nowotny u. a. (Hrsg.), FS Giger, S. 213 (220); Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (109); Habscheid, FamRZ 1972, 214 (214); Kann, JW 1910, 176 (178); Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (22 ff.); Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (74); Weller, Rpfleger 2006, 364 (365 f.). 157  MünchKomm/Gottwald, ZPO, § 328 ZPO Rdnr. 62; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (239).

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widerzuspiegeln.158 Abgesehen davon lässt die fehlende Erfüllungspflicht die Wirksamkeit des Urteils unberührt. Aber auch der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zum „philippinischen Botschaftskontofall“ festgestellten völkerrechtlichen Regel lässt sich nicht entnehmen, dass ein die Immunität eines ausländischen Staates verletzendes Urteil nichtig oder unwirksam wäre. Danach ist die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über dessen nichthoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaates befinden oder dort belegen sind und soweit sie im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, ohne dessen Zustimmung unzulässig.159 Diese völkerrechtliche Regel verbietet nur die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungstitel über das nichthoheitliche Verhalten eines ausländischen Staates in hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen. Daraus lässt sich aber keine Schlussfolgerung für die umgekehrte Konstellation ableiten, nämlich für die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungstitel über hoheitliches Verhalten eines ausländischen Staates in sein nicht hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen.160 Demzufolge enthält das Völkerrecht zur innerstaatlichen Wirksamkeit völkerrechtswidriger Urteile keine Aussage. Es verlangt weder die Nichtigkeit noch die Wirkungslosigkeit eines immunitätsverletzenden Urteils.161 Vielmehr bestimmt allein das jeweilige nationale Recht, welche Wirkung ein solcher Vollstreckungstitel entfaltet. Daher ist allein maßgebend, welche Rechtsfolge die deutsche Zivilprozessordnung dem völkerrechtswidrigen Urteil beimisst.162 bb. Vorgaben des Vollstreckungsrechts Das Zivilverfahren ist zweigeteilt: Während im Erkenntnisverfahren ein Vollstreckungstitel geschaffen wird, wird dieser im Vollstreckungsverfahren zwangsweise durchgesetzt. Um der Gewährleistung einer zügigen und effektiven Zwangsvollstreckung willen ist diese durch eine starke Formalisierung geprägt, so dass die Vollstreckungsorgane auf die Prüfung der formalen Voraussetzungen der  Siehe hierzu bereits Kapitel D. I. 3. a. aa. 46, 342 (345, 392). 160  So aber Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (775). 161  Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 201; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 201, 215; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (239 f.); Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (25); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (176 ff.); Weller, Rpfleger 2006, 364 (365). 162 Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 147 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 215; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (239 f.); ders., FamRZ 1972, 214 (214); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (170 f.); Weller, Rpfleger 2006, 364 (365). 158

159 BVerfGE

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 319

Zwangsvollstreckung beschränkt sind.163 Nach §§ 704 Abs. 1, 794 Abs. 1 ZPO bildet allein der vollstreckbare Titel die Grundlage einer jeden Zwangsvollstreckung. Aus der Trennung der beiden Verfahrensstadien und dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung folgt, dass das Vollstreckungsorgan zwar das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels prüfen muss, ihn aber nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüfen darf.164 Diese Aufgabe ist exklusiv dem Erkenntnisgericht zugewiesen, das allein sich nach Studium des Akteninhalts und einer mündlicher Verhandlung einschließlich einer möglichen Beweisaufnahme ein qualifiziertes Urteil bilden kann. Demgegenüber kann etwa ein Gerichtsvollzieher nur anhand des ihm vorliegenden Urteils kaum besser beurteilen, ob das Erkenntnisgericht seine Gerichtsbarkeit zu Recht angenommen hat oder ob es die dem verurteilten ausländischen Staat zukommende Immunität verkannt hat.165 Zugleich wäre die in der Zivilprozessordnung angelegte Arbeitsteilung und Kompetenzverteilung zwischen Erkenntnisgericht und Vollstreckungsgericht aufgeweicht. Zur Überprüfung eines Urteils ist nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Rechtsmittelgericht berufen. Das Vollstreckungsgericht könnte diese Prüfung allenfalls auf Antrag eines verurteilten ausländischen Staates im Wege einer Klauselerinnerung nach § 732 ZPO oder einer Titelgegenklage analog § 767 Abs. 1 ZPO vornehmen.166 Ein solcher vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelf wäre aber nur statthaft, wenn ein nichtiges Urteil und damit kein Titel vorlägen. Dieses beendet weder die Instanz, noch bindet es die Parteien, da es nicht in formelle und materielle Rechtskraft erwächst. Demzufolge kann es auch keine Grundlage für die Zwangsvollstreckung bilden.167 Ein nichtiges Urteil ist nur dann anzunehmen, wenn nicht einmal der äußere Tatbestand einer Entscheidung gesetzt ist, vor allem weil ein nicht zur Ausübung der Rechtspflege bestimmtes Organ entschieden hat.168 Hat ein Ge163  Zöller/Stöber, ZPO, vor §  704 Rdnrn.  13  f., 22; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rdnrn. 39 f.; Weller, Rpfleger 2006, 364 (366). 164 Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, vor § 704 ff. Rdnr. 14; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rdnrn. 39 f.; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs‑ und Insolvenzrecht, § 1 Rdnr. 17. 165 Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 214; kritisch auch Habscheid in: ders./Hoffmann-Nowotny u. a. (Hrsg.), FS Giger, S. 213 (223). Zwar hat ein Gerichtsvollzieher nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 c) der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) einen Vollstreckungsauftrag gegenüber einem ausländischen Staat unerledigt seiner vorgesetzten Dienststelle vorzulegen und deren Weisungen abzuwarten. Dies gilt aber nur, wenn der ausländische Staat von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist. Darüber hinaus verfügt die vorgesetzte Dienststelle, d. h. der aufsichtsführende Richter am Amtsgericht, auch nicht über bessere Erkenntnismöglichkeiten als das erkennende Gericht. 166  Siehe ausführlich Kapitel E. I. 1. c. bb. 167 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, vor § 300 Rdnr. 13; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 300 Rdnr. 14; Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 24. 168  Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 23; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 6 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 62 Rdnrn. 12 f.

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richt trotz fehlender Gerichtsbarkeit ein Urteil gegenüber einem ausländischen Staat erlassen, so hat es hingegen als generell zur Ausübung der Rechtspflege befugtes Organ den äußeren Tatbestand einer Entscheidung gesetzt. Diese ist zwar rechtsfehlerhaft, nicht aber nichtig. Ein die Staatenimmunität verletzendes Urteil könnte aber wenigstens wirkungslos sein. Das wirkungslose Urteil erwächst zwar in formelle, nicht aber in materielle Rechtskraft, so dass auch aus ihm nicht vollstreckt werden kann.169 Dies ist bei schweren und offenkundigen Fehlern der Fall, insbesondere wenn der Tenor eine gesetzeswidrige, sittenwidrige oder unbekannte Rechtsfolge enthält, wenn das Urteil aus tatsächlichen Gründen seine Wirkung nicht entfalten kann, etwa weil es sich gegen eine nicht mehr existierende Gesellschaft richtet, oder wenn der Rechtsstreit durch Klage‑ oder Rechtsmittelrücknahme, übereinstimmende Erledigungserklärungen oder Prozessvergleich vor Erlass des Urteils beendet worden ist.170 Allerdings ist weder eine dieser Fallgruppen einschlägig, noch sind sie mit der Konstellation vergleichbar, dass ein Gericht trotz entgegenstehender Immunität ein Urteil gegen einen ausländischen Staat erlassen hat. Die unzutreffende Beantwortung der oftmals schwierigen Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit stellt keinen offenkundigen, aber auch keinen schweren Fehler dar, da das Völkerrecht die Nichtigkeit eines solchen Urteils nicht verlangt. Dieses ist nicht wirkungslos, sondern bildet eine wirksame Vollstreckungsgrundlage i. S. d. §§ 704 Abs. 1, 794 Abs. 1 ZPO und kann von dem verurteilten ausländischen Staat bis zum Eintritt der Rechtskraft mit Rechtsmitteln angefochten werden.171 Ein ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenes Urteil ist auch dann wirksam, wenn sich aus den Entscheidungsgründen nicht explizit ergibt, dass das Gericht diese Frage geprüft hat. Beschränken sich die Ausführungen wie so oft auf die Feststellung, dass die Klage zulässig ist, so kann hieraus im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass das Gericht den völkerrechtlichen Grundsatz der relativen Staatenimmunität übersehen haben muss. Auch wenn in einem Urteil gegenüber einem ausländischen Staat Ausführungen zur deutschen Gerichtsbarkeit angezeigt sind, da es auf dieser Prozessvoraussetzung beruht, so stellt der Verzicht hierauf noch keinen schweren und offenkundigen Fehler dar, der zur Wirkungslosigkeit der Entscheidung führt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach § 313 Abs. 3 ZPO die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tat-

169  Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 300 Rdnr. 19; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 108; Weller, Rpfleger 2006, 364 (366). 170 Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 300 Rdnrn. 16 ff.; ausführlich dazu Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 83 ff. und Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 150 ff. 171  Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, S. 151 f.; Becker, JuS 2004, 470 (471); Kann, JW 1910, 176 (178).

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 321

sächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Andernfalls wäre es zur Disposition des Gerichts gestellt, ob es ein wirksames oder ein wirkungsloses Urteil erlässt.172 cc. Vergleich mit dem verfassungswidrigen oder menschenrechtswidrigen Urteil Spätestens der Vergleich mit dem verfassungswidrigen oder menschenrechtswidrigen Urteil macht deutlich, dass ein die Staatenimmunität verletzendes Urteil nicht zu seiner Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit führt. Auch ein verfassungswidriges Urteil erwächst in formelle Rechtskraft und bildet eine taugliche Vollstreckungsgrundlage, solange es nicht nach Erschöpfung des Rechtswegs im Wege einer form‑ und fristgerechten Urteilsverfassungsbeschwerde i. S. v. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG vom Bundesverfassungsgericht nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben worden und die Sache an das zuständige Gericht zurückverwiesen worden ist. Erhebt ein in seinen Grundrechten verletzter Beklagter keine Verfassungsbeschwerde oder sind ihre Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht gegeben, so ist ein Urteil auch dann vollstreckbar, wenn es mit dem Verfassungsrecht nicht im Einklang steht.173 Im Unterschied zum Verfassungsrecht stehen die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität normenhierarchisch zwar über dem einfachen innerstaatlichen Recht, aber unterhalb des Verfassungsrechts. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität hat in der innerstaatlichen Normenhierarchie sogar nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.174 Wenn nicht einmal ein verfassungswidriges Urteil nichtig oder unwirksam ist, sondern nur vom Bundesverfassungsgericht unter den Voraussetzungen der §§ 90 ff. BVerfGG im Wege der Urteilsverfassungsbeschwerde aufgehoben werden kann, so kann die Verletzung des normenhierarchisch niedrigeren Völkerrechts erst recht nicht zur Nichtigkeit eines Urteils führen.175 Aber auch aus § 580 Nr. 8 ZPO ergibt sich, dass ein Urteil, das die Europäische Menschenrechtskonvention oder deren Protokolle verletzt, nicht nichtig ist, sondern lediglich Gegenstand einer Restitutionsklage sein kann. Nur wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine entsprechende Verletzung festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht und darüber hinaus die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Restitutionsklage, insbesondere die Wahrung von Form und Frist, erfüllt sind, wird die Hauptsache nach § 590 ZPO von Neuem verhandelt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass ein nicht wirksam angefochtenes Urteil, mag es auch menschenrechtswidrig sein, eine taugliche Vollstreckungsgrundlage bildet. 172  Nach Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (179) kann sich ein Gericht seine Gerichtsbarkeit nicht durch eine entsprechende Prüfung schaffen. 173 Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (170 f.); vgl. auch Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/ Hömig, BVerfGG, § 95 Rdnr. 20. 174  Siehe bereits Kapitel B. II. 3. 175 Weller, Rpfleger 2006, 364 (365); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (176 ff.).

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dd. Rechtssicherheit Vor allem aber erfordert die Rechtssicherheit als fundamentales Element des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips, dass ein die Immunität eines ausländischen Staates verletzendes Urteil wirksam ist.176 Ist ein Urteil nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar und ist damit der Instanzenzug erschöpft, so erwächst es um des Rechtsfriedens willen in Rechtskraft. Eine Prozesspartei kann die Verbindlichkeit eines Urteils unter Berufung auf vermeintliche Mängel nicht immer wieder erneut infrage stellen. Vielmehr nimmt die deutsche Rechtsordnung die Existenz einfachgesetzes-, verfassungs‑ und völkerrechtswidriger Urteile in Kauf und verleiht ihnen trotz ihrer Mängel Rechtsverbindlichkeit, wenn sie unanfechtbar geworden sind.177 Andernfalls bestünde die Gefahr einer Rechtszersplitterung, wenn nicht nur das Erkenntnisgericht und das Vollstreckungsgericht, sondern auch verschiedene vom Vollstreckungsgläubiger beauftragte Vollstreckungsorgane oder auch verschiedene Vollstreckungsgerichte unterschiedliche Ansichten verträten, ob ein gegen einen ausländischen Staat ergangenes Urteil eine taugliche Vollstreckungsgrundlage darstellte. Ebenso könnte in Zweifel gezogen werden, ob der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu Recht eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt hätte oder ob der Rechtspfleger einen Kostenfestsetzungsbeschluss hätte erlassen dürfen. Hielte man im Widerspruch zur Staatenimmunität stehende Urteile für nichtig oder unwirksam, so fehlte es den deutschen Gerichten auch an der Gerichtsbarkeit, um über die Wirksamkeit dieser Urteile verbindlich entscheiden zu können. Kein deutsches Gericht könnte abschließend feststellen, dass einem verurteilten ausländischen Staat im Erkenntnisverfahren keine Immunität zukam, sondern ein ihm gegenüber ergangenes Urteil könnte immer wieder erneut infrage gestellt werden. Infolgedessen könnte der Zivilprozess seiner Aufgabe, für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu sorgen, nicht mehr gerecht werden.178 Daher muss die Frage, ob die deutsche Gerichtsbarkeit für das Erkenntnisverfahren gegeben war, verbindlich geklärt werden können.179 Diese Aufgabe ist 176 So bereits Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, S. 70; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (240); ders., FamRZ 1972, 214 (214). 177 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 215 f., 528 f.; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (240); Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (22); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (176). 178 Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 153; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 528 f.; ders., Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, S. 70; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (240 f); Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (109); Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (25); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (178 f.). 179  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 154; Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der An-

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im deutschen Recht im Unterschied zu § 42 Abs. 2 der österreichischen Jurisdiktionsnorm (JN) keinem speziellen Gericht zugewiesen. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag der obersten Verwaltungsbehörde vom Obersten Gerichtshof die Nichtigkeit des durchgeführten gerichtlichen Verfahrens auszusprechen, wenn eine Rechtssache aufgrund einer Immunität der österreichischen Gerichtsbarkeit entzogen ist und ein solcher Mangel erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens offenbar wird. Demgegenüber ist selbst das deutsche Bundesverfassungsgericht nicht befugt, ein Urteil wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Staatenimmunität für nichtig zu erklären. Vielmehr ist es nach Art. 100 Abs. 2 GG darauf beschränkt, bei Vorliegen objektiver Zweifel den Inhalt und den Umfang der völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität festzustellen. Liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG nicht vor, etwa weil nur die Tatsachengrundlage für die Beurteilung der deutschen Gerichtsbarkeit streitig ist, so ist das Erkenntnisgericht letztverbindlich befugt, über die Frage seiner Gerichtsbarkeit zu entscheiden.180 c. Schlussfolgerung Das Völkerrecht macht also keine Vorgaben zur innerstaatlichen Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines immunitätsverletzenden Urteils. Aus der in der Zivilprozessordnung angelegten Kompetenzverteilung zwischen Erkenntnisgericht und Vollstreckungsgericht sowie aus der Rechtssicherheit als Element des Rechtsstaatsprinzips ergibt sich vielmehr, dass ein solches Urteil – entgegen der bloßen Behauptung des Bundesverfassungsgerichts – nicht nichtig, sondern wirksam ist und somit eine taugliche Vollstreckungsgrundlage bildet. Die Beurteilung der deutschen Gerichtsbarkeit im Erkenntnisverfahren ist allein dem Erkenntnisgericht vorbehalten. Dem verurteilten Staat bleibt es unbenommen, gegen ein seine Immunität verletzendes Urteil Berufung oder Revision einzulegen. Entsprechendes gilt, wenn der Vollstreckung kein Erkenntnisverfahren vorausgegangen ist, weil sich ein ausländischer Staat durch eine notarielle Urkunde nach §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 797 ZPO bzw. durch einen Anwaltsvergleich nach §§ 794 Abs. 1 Nr. 4b, 796a ff. ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Zwar wird mit Blick auf eine solche Urkunde vereinzelt vertreten, dass in dieser Konstellation ausnahmsweise doch zu prüfen sei, ob dem Vollstreckungstitel ein hoheitliches Handeln zu Grunde liege und daraus ein erkennung ausländischer Urteile, S. 70; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (240 f.); Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 202 ff.; Habscheid in: ders./Hoffmann-Nowotny u. a. (Hrsg.), FS Giger, S. 213 (221); Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (109); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (178 f.). 180  Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 202; vgl. auch BeckOK/Morgenthaler, GG, Art. 100 Rdnr. 31.

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Mangel der Gerichtsbarkeit folge.181 Diese Auffassung übersieht jedoch, dass ein ausländischer Staat im Fall der freiwilligen Selbstverpflichtung ohnehin auf seine Immunität verzichtet. Unterwirft er sich in einer notariellen Urkunde oder in einem Anwaltsvergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung, so erklärt er sich mit der Vollstreckbarkeit des Titels einverstanden.182 Das Bundesverfassungsgericht hielt aber – ungeachtet der aufgezeigten völkerrechtlichen, vollstreckungsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben  – das vom Arbeitsgericht München erlassene Versäumnisurteil gegen den griechischen Staat über die Lohnnachzahlung wegen des Einbehalts der griechischen Quellensteuer für nichtig.183 Damit stellt sich die Frage nach der Bindungswirkung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten These. Dessen Entscheidungen binden nach § 31 Abs. 1 BVerfGG über den jeweiligen Rechtsstreit hinaus die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Allerdings erstreckt sich diese Bindungswirkung inter omnes nur auf den Tenor und die ihn tragenden Gründe, nicht hingegen auf Ausführungen obiter dictum. Die den Tenor tragenden Entscheidungsgründe sind jene Rechtssätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele. Nicht tragend sind dagegen bei Gelegenheit der Entscheidung gemachte Rechtsausführungen, die außerhalb des Begründungszusammenhangs stehen.184 Um einen solchen tragenden Entscheidungsgrund handelt es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten These, im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität ergangene Entscheidungen seien nichtig, was auch für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel gelte. Aus diesem Grund kam es zu dem Schluss, die Zwangsvollstreckung aus dem nichtigen Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts München verletze den griechischen Staat in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.185 Damit erlangt die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte These zur Nichtigkeit von Entscheidungen, die im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität ergangen sind, allgemeine Rechtsverbindlichkeit. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts war sichtlich von dem Bemühen getragen, die Entscheidungen des Arbeitsgerichts München und des Bundesarbeitsgerichts zu korrigieren, um eine Zwangsvollstreckung gegenüber dem griechischen Staat zu verhindern, der zuvor ein Versäumnisurteil gegen sich hatte 181 Schaumann

in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (137 f.).  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 170; ähnlich auch Weller, Rpfleger 2006, 364 (365). 183 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725). 184  BVerfGE 1, 14 (37); 20, 56 (87); Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 Rdnr. 96. 185 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1723, 1725). 182

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ergehen lassen. Bereits Kralik kritisierte 1961 an der Lehre von der Nichtigkeit eines völkerrechtswidrigen Urteils, dass diese ausschließlich dem rechtspolitischem Wunsch entspringe, sich den völkerrechtlichen Folgen international unangenehmer Entscheidungen durch den Hinweis auf deren absolute Nichtigkeit entziehen zu können.186 So verzichtete auch das Bundesverfassungsgericht auf eine Begründung, warum eine im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität ergangene Entscheidung nichtig sein soll, oder gar eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegenauffassung. Stattdessen attestierte es dem Bundesarbeitsgericht eine grundsätzliche Verkennung der Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, da dieses grob fehlerhaft und insoweit willkürlich verkannt habe, dass das Versäumnisurteil über den Kernbereich des völkerrechtlich anerkannten staatlichen Handelns ergangen sei.187 Diese Beurteilung ist nicht minder gewagt als die Nichtigkeitserklärung eines völkerrechtswidrigen Urteils, ist doch der griechische Staat als Arbeitgeber – wie bereits ausführlich dargelegt – durch den streitgegenständlichen Einbehalt eines Teil des Arbeitslohns nichthoheitlich tätig geworden.188

3. Zwangsvollstreckung aus ausländischen Titeln in Deutschland Die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat kann nicht nur aus einem Endurteil eines deutschen Gerichts, sondern aus sämtlichen in § 794 Abs. 1 ZPO genannten Vollstreckungstiteln erfolgen. Hierbei ist es praktisch bedeutsam und problematisch zugleich, wenn ein Urteil eines ausländischen Gerichts oder ein Schiedsspruch eines internationalen Schiedsgerichts in Deutschland vollzogen werden soll. a. Vollstreckung aus Urteilen ausländischer Gerichte Ist ein ausländischer Staat vor einem Gericht eines anderen Staates verurteilt worden, so kann der Kläger ein Interesse daran haben, das Urteil in Deutschland zu vollstrecken. Eine Entscheidung eines ausländischen Gerichts entfaltet als Hoheitsakt über die Staatsgrenzen des Urteilsstaates hinaus in Deutschland aber nur dann Wirkung, wenn es vom deutschen Staat anerkannt und für vollstreckbar erklärt wird.189 Hierbei ist zwischen Urteilen, die von einem Gericht eines EU-Mitgliedstaates, und solchen, die von einem Gericht eines Drittstaates erlassen worden sind, zu differenzieren.  Kralik, ZZP 74 (1961), 2 (25). NJW 2014, 1723 (1725). 188  Siehe Kapitel C. II. 7. b. 189  Hk/Dörner, ZPO, § 328 Rdnr. 5; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 12.1 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 865. 186

187 BVerfG,

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Im Anwendungsbereich der neu gefassten EuGVVO ist das Exequaturverfahren abgeschafft.190 Urteile, die in einem EU-Mitgliedstaat ergangen und in diesem vollstreckbar sind, sind nach Art. 39 EuGVVO auch in Deutschland unmittelbar vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Nicht das Vollstreckungsurteil des deutschen Exequaturgerichts, sondern das ausländische Urteil selbst stellt nach § 794 Abs. 1 Nr. 9 ZPO einen vollstreckbaren Titel dar. Daraus folgt allerdings nicht, dass die fehlende Gerichtsbarkeit des erkennenden ausländischen Gerichts per se unbeachtlich wäre. Vielmehr ist der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO nach Art. 1 Abs. 1 EuGVVO nur für Zivil‑ und Handelssachen, nicht aber für Steuer‑ und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten und die Haftung des Staates für Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte eröffnet. Bei der Bestimmung des Begriffs der Zivil‑ und Handelssache greift der Europäische Gerichtshof  – wie bereits ausgeführt  – auf die aus dem Recht der Staatenimmunität bekannte, völkergewohnheitsrechtliche Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis zurück.191 Soll daher aus einem Urteil eines EU-Mitgliedstaates, das über das hoheitliche Handeln eines anderen Staates ergangen ist, vollstreckt werden, so ist die EuGVVO unanwendbar. Die Zwangsvollstreckung aus solchen Urteilen sowie aus Urteilen von Drittstaaten erfordert zunächst, dass sie nach § 722 Abs. 1 ZPO im Exequaturverfahren durch Vollstreckungsurteil für zulässig erklärt wird. Nur aus dem Urteil über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Ersturteils kann die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des durch das Erstgericht verurteilten Staates betrieben werden. Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ist nach § 722 Abs. 2 ZPO das Amtsgericht oder Landgericht, bei dem nach § 23 ZPO gegen den ausländischen Schuldnerstaat Klage erhoben werden könnte. Die Durchführung des Exequaturverfahrens durch ein deutsches Gericht setzt wie jedes Gerichtsverfahren als allgemeine Prozessvoraussetzung die deutsche Gerichtsbarkeit voraus.192 Da es sich bei diesem Verfahren um ein spezielles Erkenntnisverfahren handelt, bestimmen die völkerrechtlichen Regeln über die Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren den Umfang der deutschen Gerichtsbarkeit.193 Das deutsche Exequaturgericht ist hierbei weder an die tatsächlichen 190 Vgl. Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Mäsch, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rdnr. 1; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 1059a; Alio, NJW 2014, 2395 (2395). 191 EuGH, EuZW 2007, 252 (254) – Lechouritou; NZA 2012, 935 (938) – Mahamdia; so auch BGH, NJW 2003, 3488 (3488); siehe bereits Kapitel C. IV. 1. a. 192  OLG Köln, IPRspr. 2004 Nr. 155, S. 340 (343); Zöller/Geimer, ZPO, § 722 Rdnr. 63; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 543; Hausmann, IPRax 1982, 51 (53); vgl. allgemein auch IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (151) – Jurisdictional Immunities. 193  OLG Köln, IPRspr. 2004 Nr. 155, S. 340 (343); Zöller/Geimer, ZPO, § 722 Rdnr. 63; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 544.

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 327

Feststellungen noch an die Rechtsauffassung des Gerichts des Urteilsstaates zur Immunitätsfrage gebunden, sondern hat diese Voraussetzung selbstständig von Amts wegen zu prüfen. Insbesondere kann vom Verzicht eines fremden Staates auf seine Immunität im Erkenntnisverfahren vor einem ausländischen Gericht nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass er sich zugleich dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung durch die deutschen Gerichte habe unterwerfen wollen.194 Verzichtet ein ausländischer Staat nur für das Exequaturverfahren auf seine Immunität, so ist immer noch fraglich, ob die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils dann zu versagen ist, wenn das Erstgericht einen ausländischen Staat ohne Gerichtsbarkeit verurteilt und damit seine Immunität verletzt hat. Dem könnte das in § 723 Abs. 1 ZPO normierte Verbot der révision au fond entgegenstehen, nach dem eine Entscheidung in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden darf. Von diesem Verbot ist allerdings eine Ausnahme zu machen, sollte das Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit ein Anerkennungshindernis darstellen. Ist die Anerkennung eines Urteils nach § 328 ZPO ausgeschlossen, so ist das Vollstreckungsurteil nach § 723 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht zu erlassen. Während zum Beispiel die fehlende internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts ein Anerkennungshindernis i. S. v. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sein kann, ist der Mangel der Gerichtsbarkeit in § 328 ZPO nicht aufgeführt. Demgegenüber enthält beispielsweise das durch die EuGVVO überholte Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen vom 14. 7. ​ 1960195 in Art. III Abs. 1 lit. c) Nr. 3 eine ausdrückliche Regelung, nach der die fehlende Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates einer Anerkennung entgegensteht.196 Teils wird eine analoge Anwendung des § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die fehlende Gerichtsbarkeit vorgeschlagen, da die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts denknotwendig seine Gerichtsbarkeit voraussetze.197 Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung eines ausländischen Urteils ausgeschlossen, wenn die Gerichte des ausländischen Staates nach den deutschen Gesetzen unzuständig sind. Allerdings stellt nicht die internationale Zuständigkeit, sondern die internationale Unzuständigkeit des erkennenden ausländischen Gerichts ein Anerkennungshindernis dar. Aus der Unzuständigkeit des Gerichts folgt aber nicht zwingend auch seine fehlende Gerichtsbarkeit. 194  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 544; ferner Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, S. 155. 195  BGBl. 1961 II, S. 301. 196  Vgl. auch Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, S. 155 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 534. 197  OLG Frankfurt, RIW 1980, 874 (876); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 2894; Hausmann, IPRax 1982, 51 (53); ablehnend MünchKomm/Gottwald, ZPO, § 328 ZPO Rdnr. 62.

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Abgesehen davon fehlt es für einen Analogieschluss an einer planwidrigen Regelungslücke, da sich das Anerkennungshindernis aus dem Völkerrecht ergibt: Ein Urteil, das ein ausländisches Gericht gegenüber einem anderen Staat unter Verletzung der völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität erlassen hat, ist völkerrechtswidrig. Würde ein deutsches Gericht ein solches völkerrechtswidriges Urteil anerkennen, so würde es selbst völkerrechtswidrig handeln.198 So konstatierte auch der Internationale Gerichtshof in seinem Urteil Deutschland gegen Italien, dass sich die Corte d’Appello di Firenze und die Corte Suprema di Cassazione bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Urteils des Protodikeío Livadía über die Schadensersatzansprüche wegen des Massakers von Dístomo hätten fragen müssen, ob sie Deutschland Immunität hätten gewähren müssen, wenn sie die Entscheidung selbst getroffen hätten. In diesem Fall hätten sie berücksichtigen müssen, dass Deutschland im Erkenntnisverfahren Immunität zugekommen wäre. Infolgedessen hätten sie mit der Vollstreckbarerklärung der griechischen Entscheidung die Immunität Deutschlands verletzt.199 Das Verbot der Anerkennung völkerrechtswidriger Urteile stellt also eine allgemeine Regel des Völkerrechts dar, die über Art. 25 S. 1 GG Eingang in die deutsche Rechtsordnung findet.200 Damit darf ein deutsches Gericht ein Urteil gegen einen ausländischen Staat, das von einem Gericht eines Drittstaates erlassen worden ist, nicht anerkennen und für vollstreckbar erklären, wenn es mit den völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität nicht im Einklang steht.201 Insoweit besteht ein ungeschriebenes Anerkennungshindernis als Ausnahme zu dem Verbot der révision au fond. Bei der Prüfung der ausländischen Gerichtsbarkeit ist das Exequaturgericht wiederum weder an die tatsächlichen Feststellungen noch an die rechtliche Würdigung des Erstgerichts gebunden.202 Aber selbst wenn die Gerichtsbarkeit des Erstgerichts für den Erlass eines Urteils gegenüber einem anderen Staat gegeben war, so ist dieses Urteil nach § 723 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht für vollstreckbar zu erklären, wenn seine Anerkennung nach § 328 ZPO ausgeschlossen ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn 198  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 535; ders., Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, S. 76 f.; ders., IPRax 2008, 25 (227); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 919. 199  IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (152) – Jurisdictional Immunities; vgl. dazu Wagner, RIW 2013, 851 (855) sowie Kapitel C. I. 3. b. 200 Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, S. 77. 201  BGHZ 155, 279 (282); OLG Frankfurt, RIW 1980, 874 (876); MünchKomm/Gottwald, ZPO, § 328 Rdnr. 62 und § 722 ZPO Rdnr. 25; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 46; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 169; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 534 f., 2894; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 28 Rdnr. 13; Schack, internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 919; Hausmann, IPRax 1982, 51 (53). 202  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 544, 2895; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 919.

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 329

die nach § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO erforderliche Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Diese ist nur dann gewährleistet, wenn die Anerkennung eines deutschen Urteils im Urteilsstaat auf keine wesentlich größeren Schwierigkeiten stößt als die Anerkennung des Ersturteils in Deutschland.203 Diese Voraussetzung verneinte 2008 das Oberlandesgericht Frankfurt im Hinblick auf die Anerkennung von gegen die Republik Argentinien ergangener deutscher Titel durch argentinische Gerichte. Das Verwaltungsgericht Buenos Aires billige Urteilen gegen den argentinischen Staat nur deklaratorischen Charakter zu und sehe die Vollstreckung als Gefährdung der argentinischen Haushaltslage und im Widerspruch zur argentinischen Notstandsgesetzgebung. Damit sei die Vollstreckung ausländischer Titel in das Belieben der argentinischen Gesetzgebungsorgane gestellt.204 Demgegenüber wäre die Zwangsvollstreckung eines durch argentinische Gerichte gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ergangenen rechtskräftigen Urteils nach §§ 722 f. ZPO zuzulassen, sofern kein Anerkennungshindernis nach § 328 ZPO vorliegen sollte. b. Vollstreckung aus Schiedssprüchen internationaler Schiedsgerichte Die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat in sein in Deutschland belegenes Vermögen kann nicht nur aus einem Urteil eines ausländischen staatlichen Gerichts, sondern auch aus einem Schiedsspruch eines internationalen Schiedsgerichts betrieben werden. Insbesondere Investitionsschutzabkommen enthalten häufig eine Schiedsklausel, nach der Streitigkeiten zwischen der einen Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei vor einem Schiedsgericht verhandelt werden.205 So verurteilte beispielsweise ein Schiedsgericht mit Sitz in Genf das Königreich Thailand zur Zahlung von Schadensersatz i. H. v. 29,1 Mio. Euro nebst Zinsen wegen entgangener Mauteinnahmen für eine Schnellstraße vom Don Mueang-Flughafen in Bangkok zur Innenstadt durch die Erhebung zu niedriger Mautgebühren und den Bau von mautfreien Alternativrouten.206 Soll aus einem Schiedsspruch in Deutschland vollstreckt werden, so muss dieser zuvor nach § 1060 Abs. 1 ZPO in einem Exequaturverfahren von einem deutschen staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt werden. Aus dieser Entscheidung kann sodann nach § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Zuständig ist hierfür nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO das Ober203  BGHZ 52, 251 (256); Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 328 Rdnr. 31; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 32 Rdnr. 33. 204  OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22179 (verkündet am 29. 4. ​2008). 205  Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, § 1061 Rdnr. 11; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnr. 23; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 25. 206  Vgl. BGH, NJW 2013, 3184 (3184 f.); KG, SchiedsVZ 2013, 112 (112 ff.); Arndt, jurisPRBKR 8/2013 Anm. 2; Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3; Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597.

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

landesgericht, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist. Andernfalls ist nach § 1062 Abs. 2 ZPO das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk sich das vollstreckbare Vermögen des ausländischen Staates befindet,207 und hilfsweise das Kammergericht in Berlin. Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche richtet sich regelmäßig nach § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. dem New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6. ​1958208 (UNÜ). Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Ort des Schiedsgerichts in einem Vertragsstaat des New Yorker Übereinkommens befindet.209 Das zuständige Oberlandesgericht darf einen Schiedsspruch nur dann für vollstreckbar erklären, wenn ihm Gerichtsbarkeit zukommt. Das Exequaturverfahren ist – ebenso wie das Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils  – kein Verfahren der Zwangsvollstreckung, sondern ein Erkenntnisverfahren eigener Art, so dass wiederum die Grundsätze über die Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren Anwendung finden.210 Dies verkannte das Kammergericht im Verfahren der Vollstreckbarerklärung des soeben erwähnten Schiedsspruchs des Genfer Schiedsgerichts, indem es die Frage aufwarf, ob dem Königreich Thailand als Antragsgegner Vollstreckungsimmunität zukomme.211 Einer Schiedsvereinbarung kann, wie bereits aufgezeigt, ein Immunitätsverzicht für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs immanent sein. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Schiedsspruch nach dem am Sitz des Schiedsgerichts geltenden Recht oder nach dem New Yorker Übereinkommen anerkannt und vollstreckt werden soll.212 Ergibt sich aus einer Schiedsvereinbarung kein entsprechender Verzichtswille des verurteilten Staates, so unterliegt ein von einem Schiedsgericht verurteilter Staat im Exequaturverfahren nur für acta iure gestionis, nicht aber für acta iure imperii der deutschen Gerichtsbarkeit.213 Das Oberlandesgericht darf die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nur aus den in Art. V UNÜ genannten 207 Parallel zum Vermögensgerichtsstand nach § 23 ZPO (hierzu Kapitel C. IV. 1. b. bb. (2)) begründet das Vermögen eines ausländischen Staates nach § 1062 Abs. 2 ZPO nur dann die Zuständigkeit, wenn es von der Vollstreckung immun ist, vgl. OLG München, IPRspr. 2011 Nr. 303, S. 813 (814). 208 BGBl. 1961 II, S. 121. 209  Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 1 Rdnr. 38; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 18 Rdnr. 230. 210 BGH, NJW 2013, 3184 (3185); WM 2016, 2373 (2375); Schütze in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1061 Rdnr. 34; Arndt, jurisPR-BKR 8/2013 Anm. 2; Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3. 211 KG, SchiedsVZ 2013, 112 (115). 212  BGH, NJW 2013, 3184 (3185); KG, SchiedsVZ 2004, 109 (111); siehe bereits Kapitel C. III. 2. a. bb. 213 Siehe ausführlich Kapitel C. III. 2. a. bb.

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 331

Gründen versagen, ohne den Schiedsspruch vollumfänglich auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen.214 Die Gerichtsbarkeit des Schiedsgerichts ist vom Verbot der révision au fond nicht umfasst, da eine Überschreitung der Grenzen der Schiedsabrede einen Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 lit. c) UNÜ darstellt. Hat sich ein ausländischer Staat im Hinblick auf den Streitgegenstand nicht der Gerichtsbarkeit des erkennenden Schiedsgerichts unterworfen, so darf das Oberlandesgericht auf Antrag des ausländischen Staates den Schiedsspruch nicht für vollstreckbar erklären. Demzufolge verwies der Bundesgerichtshof in dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung des gegenüber dem Königreich Thailand ergangenen Schiedsspruchs den Rechtsstreit an das Kammergericht zur Klärung der Frage zurück, ob die streitgegenständlichen Investitionen überhaupt von der im deutsch-thailändischen Investitionsschutzabkommen getroffenen Schiedsabrede erfasst sind.215 Demgegenüber dürfen Schiedssprüche, die auf Grundlage des ICSID-Übereinkommens ergangen sind, nach § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht am Maßstab des Art. V UNÜ überprüft werden. Vielmehr erkennt nach Art. 54 Abs. 1 S. 1 ICSID-Übereinkommen jeder Vertragsstaat die im Rahmen dieses Übereinkommens erlassenen Schiedssprüche als bindend an und sorgt für die Vollstreckung der darin auferlegten finanziellen Verpflichtungen in seinem Hoheitsgebiet, als handele es sich um ein rechtskräftiges Urteil eines seiner innerstaatlichen Gerichte. Die Vollstreckbarkeit eines ICSID-Schiedsspruchs im deutschen Recht folgt aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 des Zustimmungsgesetzes zum ICSID-Übereinkommen216, nach dem dieser vollstreckbar ist, wenn die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch gerichtlich festgestellt worden ist. Art. 55 ICSID-Übereinkommen stellt klar, dass Art. 54 ICSID-Übereinkommen nicht so ausgelegt werden darf, als schaffe er eine Ausnahme von dem in einem Vertragsstaat geltenden Recht über die Immunität eines fremden Staates von der Vollstreckung. Die dem verurteilten Staat von Völkerrechts wegen zukommende Vollstreckungsimmunität bleibt also unberührt.217

4. Besondere Fristen Der Vollstreckungsgläubiger könnte spezielle Fristen einzuhalten haben, innerhalb derer er die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat betreiben darf. 214  Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, § 1061 Rdnr. 36; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rdnr. 11. 215 BGH, NJW 2013, 3184 (3186). 216  BGBl. 1969 II, S. 369. 217  Vgl. Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 123; Lörcher, SchiedsVZ 2005, 11 (20); Uchkunova/Temnikov, ICSID Review 29 (2014), 187 (198).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

a. Wahrung einer Wartefrist Regelmäßig darf der Vollstreckungsgläubiger nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung bereits mit der Zustellung des Urteils beginnen. In besonderen Fällen sieht die Zivilprozessordnung zum Schutz des Vollstreckungsschuldners allerdings einen Vollstreckungsaufschub vor. So darf nach § 750 Abs. 3 ZPO eine Sicherungsvollstreckung i. S. v. § 720a ZPO erst zwei Wochen nach der Zustellung beginnen. Ebenso ist nach § 798 ZPO eine zweiwöchige Wartefrist einzuhalten, wenn die Zwangsvollstreckung aus einem nicht auf das Urteil gesetzten Kostenfestsetzungsbeschluss, einem für vollstreckbar erklärten Anwaltsvergleich oder einer vollstreckbaren notariellen Urkunde erfolgen soll. Fraglich ist, ob über diese Fälle hinaus auch ein Vollstreckungsgläubiger, der die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat betreiben will, eine Wartefrist einzuhalten hat. Dadurch könnte diesem Gelegenheit gegeben werden, die titulierte Forderung freiwillig zu erfüllen, ohne dass die deutschen Gerichte ihm gegenüber Zwang ausüben müssten. Es liegt nahe, zunächst im Völkerrecht eine Pflicht zur Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs zu Gunsten eines ausländischen Staates zu suchen. Allerdings enthalten weder das Europäische noch das UN-Übereinkommen über Staatenimmunität eine diesbezügliche Regelung. Dagegen dürfen nach § 1610 (c) FSIA gegen einen ausländischen Staat keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, bevor das zuständige Gericht festgestellt hat, dass seit Urteilserlass bzw. bei einem Versäumnisurteil seit dessen Zustellung ein angemessener Zeitraum (a reasonable period of time) verstrichen ist. Diese Bestimmung ist aber nicht Ausdruck einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel, sondern sie wurde aus Zweckmäßigkeitserwägungen in den FSIA aufgenommen.218 Damit gebieten weder das Völkervertragsrecht noch das Völkergewohnheitsrecht den deutschen Vollstreckungsorganen, einem verurteilten ausländischen Staat eine Frist zur freiwilligen Erfüllung des Vollstreckungstitels zu gewähren, innerhalb derer mit der Zwangsvollstreckung noch nicht begonnen werden dürfte.219 Allerdings könnte sich eine solche Pflicht aus einer direkten oder analogen Anwendung des § 882a Abs. 1 S. 1 ZPO ergeben. Danach darf die Zwangsvollstreckung gegen den Bund oder ein Land wegen einer Geldforderung, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden, erst vier Wochen nach dem Zeitpunkt beginnen, in dem der Gläubiger seine Absicht, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, der zur Vertretung des Schuldners berufenen Behörde angezeigt hat. Sofern die Zwangsvollstreckung in ein von einer anderen Behörde verwaltetes 218 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 172; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 603; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 233. 219  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 172; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 603.

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 333

Vermögen erfolgen soll, muss die Anzeige auch gegenüber dem zuständigen Finanzminister erfolgen. § 882a Abs. 3 ZPO erweitert die Anzeigepflicht auf die Zwangsvollstreckung gegen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Behörde die gesetzlichen Vertreter treten. Ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen sind öffentlich-rechtliche Bank‑ und Kreditanstalten. Nach Weller kann diese Bestimmung auf die Zwangsvollstreckung gegenüber ausländischen Staaten direkt angewandt werden, da diese Gebietskörperschaften und damit Körperschaften des öffentlichen Rechts i. S. v. § 882a Abs. 3 ZPO seien. Der Vorschrift lasse sich nicht zwingend entnehmen, dass die vollstreckungsrechtliche Privilegierung zum Schutz der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nur inländischen Personen öffentlichen Rechts zustehen solle.220 Die Systematik der Norm steht jedoch einer direkten Anwendbarkeit auf ausländische Staaten entgegen. Die Bezeichnung „gegen den Bund oder ein Land“ in § 882a Abs. 1 S. 1 ZPO erfasst die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bundesländer als staatliche Untergliederungen. Mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs in § 882a Abs. 3 S. 1 ZPO werden weitere juristische Person des öffentlichen Rechts als staatliche Untereinheiten erfasst. Der Gesetzgeber hat daher nur die Bundesrepublik Deutschland und ihre rechtlich selbstständigen Untergliederungen, nicht aber ausländische Staaten als neben dem deutschen Staat gleichwertige Völkerrechtssubjekte im Blick gehabt. Daher sind nach der Gesetzessystematik mit dem in § 882a Abs. 3 S. 1 ZPO geregelten Begriff der Körperschaften des öffentlichen Rechts nur solche des inländischen öffentlichen Rechts gemeint. Eine direkte Anwendung des § 882a ZPO auf die Zwangsvollstreckung gegen ausländische Staaten scheidet daher aus.221 Damit kommt allenfalls eine analoge Anwendung des § 882a Abs. 1 S. 1 ZPO in Betracht, die erstmals Habscheid ins Spiel brachte. Die Pflicht zur Anzeige gegenüber dem zuständigen Vertreter eines ausländischen Staates verbunden mit einer Wartefrist von vier oder besser sechs Wochen gebe einem verurteilten ausländischen Staat Gelegenheit, eine titulierte Forderung freiwillig zu erfüllen, Einwände gegen die Vollstreckung zu erheben oder die deutsche Regierung um eine diplomatische Lösung zu ersuchen.222 Auch das Bundesverfassungsgericht deutete in seinem Grundsatzbeschluss vom 13. 12. ​1977 zur Zwangsvollstreckung in ein Konto der philippinischen Botschaft an, dass gute Gründe für eine entsprechende Anwendung des § 882a ZPO sprächen, ließ aber eine Entscheidung da Weller, Rpfleger 2006, 364 (372).  So auch ohne Begründung BeckOK/Riedel, ZPO, § 882a Rdnr. 5; Wieczorek/Schütze/ Wax, ZPO, § 882a Rdnr. 20. 222  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (263 f., 270 f.); ähnlich auch Weller, Rpfleger 2006, 364 (372), der allerdings für eine direkte Anwendbarkeit des § 882a Abs. 3 ZPO plädiert. 220 221

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hingestellt sein.223 Diese „guten Gründe“ für einen Analogieschluss können nur eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage sein.224 Vieles deutet darauf hin, dass der damalige Gesetzgeber bei der Verabschiedung des § 882a ZPO am 20. 8. ​1953225 nur die Zwangsvollstreckung gegenüber dem deutschen Staat und dessen Untergliederungen, nicht aber eine Zwangsvollstreckung gegenüber ausländischen Staaten im Blick gehabt hat. So schweigen die Gesetzesmaterialien zur Vollstreckung in das Vermögen fremder Staaten.226 Vor allem aber begann sich in dieser Zeit in Deutschland erst langsam ein Wandel vom Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität hin zum dem der relativen Vollstreckungsimmunität anzudeuten. Erst über 20 Jahre später erteilte das Bundesverfassungsgericht mit dem soeben erwähnten Beschluss im „philippinischen Botschaftskontofall“ dem Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität eine endgültige Absage.227 Dennoch hat der deutsche Gesetzgeber nicht planwidrig „vergessen“, ausländische Staaten in den Anwendungsbereich des § 882a Abs. 1 ZPO aufzunehmen. Vielmehr sind die deutschen Regeln zur Beteiligung eines ausländischen Staates an einem deutschen Zivilprozess im Unterschied zu anderen Rechtsordnungen, die ausführliche nationale Immunitätsgesetze wie den US-amerikanischen FSIA oder den englischen SIA haben, bewusst überschaubar gehalten. Abgesehen von dem knapp gefassten Zustimmungsgesetz zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität findet sich lediglich in § 20 Abs. 2 GVG eine Regelung zur deutschen Gerichtsbarkeit. Aber auch diese Vorschrift verweist nur auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf völkerrechtliche Vereinbarungen und sonstige (nicht vorhandene) Rechtsvorschriften. Mit dieser Art. 25 S. 1 GG und Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG präzisierenden, dynamischen Verweisung hat der deutsche Gesetzgeber den innerstaatlichen Rechtsraum für die völkerrechtlichen Immunitätsregeln geöffnet und damit dem Völkerrecht die Bestimmung der Besonderheiten und Privilegien, die einem ausländischen Staat im deutschen Zivilprozess zukommen können, überlassen. Das Völkerrecht enthält aber keine Regelung, nach der die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat erst vier Wochen nach Anzeige der Vollstreckungsabsicht begonnen werden dürfte. Daher scheidet bereits mangels einer planwidrigen Regelungslücke eine analoge Anwendung des § 882a Abs. 1 ZPO auf ausländische Staaten aus.228 223  BVerfGE 46, 342 (359); ebenfalls offenlassend: KG, SchiedsVZ 2004, 103 (107) und OLG Frankfurt, NJOZ 2008, 234 (236). 224 Zu den Voraussetzungen der Analogie vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 11 II a). 225  Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 20. 8. ​1953, BGBl. 1953 I, S. 952 (958). 226 So der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drcks. 1/3284, S. 23 f. 227  Siehe hierzu Kapitel B. I. 2. 228  So im Ergebnis auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 603; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (150).

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 335

Abgesehen davon fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage, angesichts derer der Normzweck auch die Zwangsvollstreckung gegen ausländische Staaten erfassen könnte. Die Pflicht eines privaten Vollstreckungsgläubigers zur Anzeige sowie zur Einhaltung einer vierwöchigen Wartefrist soll die Erfüllung öffentlicher Aufgaben sichern, indem dem deutschen Staat bzw. einer selbstständigen Untergliederung Gelegenheit zur freiwilligen Leistung und zur Geltendmachung von Rechtsbehelfen gegeben wird.229 Dahinter steht die Überlegung, dass die öffentliche Hand infolge ihrer Verwaltungsstruktur und ihrer Gesetze nicht immer so schnell reagieren kann, wie dies von einer Privatperson erwartet wird.230 Im Gegenzug ist davon auszugehen, dass sie sich – jedenfalls nach der erfolglosen Einlegung von Rechtsbehelfen  – rechtstreu verhalten und die titulierte Geldforderung freiwillig erfüllen wird.231 Es liegt gewiss im Interesse eines ausländischen Staates, durch eine Anzeigepflicht und insbesondere durch eine vierwöchige Wartefrist in vergleichbarer Weise wie der deutsche Staat privilegiert zu werden. Auch die ausländische öffentliche Hand kann aufgrund ihrer Verwaltungsstruktur und ihrer Gesetze möglicherweise ebenso langsam oder noch langsamer auf ein Urteil leisten als die deutsche öffentliche Hand. Nichtsdestotrotz fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage, bei der es auch die Interessen des Vollstreckungsgläubigers zu berücksichtigen gilt. Bei einem ausländischen Staat ist es im Unterschied zum deutschen Staat keinesfalls sicher, dass dieser nach Erschöpfung des Rechtswegs einem deutschen Urteil freiwillig nachkommt und die titulierte Forderung erfüllt. Nicht zuletzt das „Katz-und-Maus-Spiel“ des argentinischen Staates mit den deutschen Anleihegläubigern232 zeigt eindrucksvoll, dass mitnichten alle verurteilten Staaten gewillt sind, eine titulierte Forderung freiwillig zu erfüllen. Im Unterschied zum deutschen Staat ist es bei einem ausländischen Staat auch keineswegs sicher, dass dieser in Deutschland über Vermögen verfügt, das dem Zugriff deutscher Vollstreckungsorgane unterliegt. Damit entfällt der hinter § 882a ZPO stehende Privilegierungsgrund, dass der Vollstreckungsgläubiger aus einem Urteil gegenüber der öffentlichen Hand zwar langsam, aber sicher befriedigt wird. Damit bleibt es dabei: § 882a Abs. 1, 3 ZPO privilegiert nur den deutschen Staat und seine Untergliederungen, nicht aber ausländische Staaten. Ungeachtet der fehlenden gesetzlichen Verpflichtung kann es für den Vollstreckungsgläubiger – 229 OLG Frankfurt, NJOZ 2008, 234 (236); BeckOK/Riedel, ZPO, § 882a Rdnr. 8; MünchKomm/Dörndorfer, ZPO, § 882a, Rdnr. 1; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 882a Rdnr. 1. 230  Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Bendtsen, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 882a ZPO Rdnr. 1; Wieczorek/Schütze/Wax, ZPO, § 882a Rdnr. 13. 231  Prütting/Gehrlein/Zempel, ZPO, § 882a Rdnr. 1; Walker in: Schuschke/Walker, ZPO, § 882a Rdnr. 4. 232 Siehe hierzu die Einführung zu Kapitel D. I.

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

abhängig von der Erfüllungsbereitschaft des ausländischen Staates  – einfacher und effektiver sein, nicht sofort nach der Urteilszustellung die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat einzuleiten, sondern ihn zuvor zur freiwilligen Zahlung binnen einer individuell angemessenen Frist aufzufordern. b. Vollziehungsfrist im einstweiligen Rechtschutz Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Urteilsarrest verkündet bzw. der Beschlussarrest dem Antragsteller zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Der Vollzug eines Arrestbefehls gegenüber einem ausländischen Staat gem. §§ 930 ff. ZPO lässt sich oftmals nicht binnen eines Monats abschließen, da das Vollstreckungsorgan von Amts wegen die nicht einfach zu beantwortende Frage der Vollstreckungsimmunität zu prüfen hat. Die Notwendigkeit dieser Prüfung steht jedoch der Fristwahrung nicht entgegen, da der Zeitpunkt der Antragstellung beim zuständigen Vollstreckungsorgan auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung maßgeblich ist.233 So ist in § 932 Abs. 3 ZPO ausdrücklich geregelt, dass der Antrag auf Eintragung einer Hypothek als Vollziehung des Arrestbefehls gilt. Hinter dieser Vorschrift steht der verallgemeinerungsfähige Gedanke, dass der Vollstreckungsgläubiger mit der Antragstellung alles ihm Mögliche getan hat, um die Vollstreckungshandlung zu erwirken. Es liegt dann nur noch am Vollstreckungsorgan, wie schnell es eine zulässige Zwangsmaßnahme gegenüber einem ausländischen Staat vornimmt.234 Vor diesem Hintergrund wahrt der Antrag auf Vollzug eines Arrestbefehls die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO, wenn der Vollstreckungsmaßnahme kein Hindernis entgegensteht und die Vollstreckung sofort vorgenommen werden kann.235 Die einmonatige Vollziehungsfrist ist aber auch dann gewahrt, wenn das Vollstreckungsorgan auf rechtzeitigen Antrag hin eine fehlerhafte Entscheidung erlässt, indem es zum Beispiel zu Unrecht die Eintragung einer Sicherungshypothek verweigert.236 Nach § 929 Abs. 3 S. 1 ZPO ist die Vollziehung des Arrestbefehls bereits vor seiner Zustellung an den Arrestbeklagten zulässig, nach Satz 2 aber wirkungslos, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung oder vor Ablauf der einmonatigen Vollziehungsfrist erfolgt. Scheidet die Zustellung an einen inländischen Prozessbevollmächtigten oder Zustellungsbevollmächtigten aus, so kann der Arrestbefehl einem arrestbeklagten Staat ebenso wie die Kla233 BGHZ 146, 361 (364 f.); OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22179; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 929 Rdnr. 10. 234  Zöller/Vollkommer, ZPO, § 929 Rdnr. 10; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1539. 235  BGHZ 146, 361 (364); OLG Frankfurt, NJW 2003, 2688 (2688); LG Bonn, IPRspr. 2003 Nr. 119, S. 361 (362 f.). 236 OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 22179.

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 337

geschrift regelmäßig nur auf diplomatischem Wege zugestellt werden.237 Die diplomatische Zustellung lässt sich allerdings selbst bei zügiger Bearbeitung und Weiterleitung durch die beteiligten staatlichen Stellen nur selten binnen der von § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO geforderten Monatsfrist bewerkstelligen. Dies ist aber auch nicht nötig, da nach § 167 ZPO zur Wahrung der Frist die Einreichung des Zustellungsersuchens genügt, wenn die Zustellung an den ausländischen Staat demnächst erfolgt.238 Anhaltspunkt hierfür ist die regelmäßige Dauer der Zustellung auf diplomatischem Weg, die abhängig von dem jeweiligen Zustellungsadressaten durchaus bis zu einem Jahr betragen kann.239

5. Einflussnahme der Exekutive auf die Zwangsvollstreckung Die Vollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat hat ein doppeltes Gesicht: Aus der innerstaatlichen Perspektive dient die Durchsetzung der titulierten Ansprüche der Verwirklichung des Justizgewährungsanspruchs des rechtschutzsuchenden Individuums. Aus der zwischenstaatlichen Perspektive kann die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines anderen Staates zu diplomatischen Verwicklungen führen und so an außenpolitischer Bedeutung gewinnen.240 Aus diesem Grund machen einzelne Staaten, zum Beispiel Griechenland und Kroatien, die Zwangsvollstreckung gegenüber einem anderen Staat von der Zustimmung des Justiz‑ oder Außenministers abhängig.241 So erteilte der griechische Justizminister nicht die nach Art. 923 der griechischen Zivilprozessordnung erforderliche Zustimmung zur Zwangsvollstreckung aus dem gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ergangenen Versäumnisurteil des Protodikeío Livadía wegen des während des Zweiten Weltkriegs in Dístomo verübten Massakers in deutsche Grundstücke in Athen, auf denen sich das Goethe-Institut und das Deutsche Archäologische Institut befanden.242 Fraglich ist, 237 Zur

Zustellung auf diplomatischem Weg siehe Kapitel C. V. 1. b.  KG, Urteil v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris; vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO, § 929 Rdnr. 24. 239 Vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, § 167 Rdnr. 12, nach dem bei der Auslandszustellung eine Zustellung von mehreren Monaten noch demnächst sein kann. 240  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (259). 241 Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 58; Reinisch, EJIL 17 (2006), 803 (813 ff.). In Italien wurde hingegen das Erfordernis der Zustimmung des italienischen Justizministeriums aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken abgeschafft, vgl. dazu näher Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 154 ff. 242  Vgl. EGMR, NJW 2004, 273 (273) ) – Kalageropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; Rinke Schadensersatzklagen gegen Staaten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen im Europäischen Zivilprozessrecht, S. 60 f.; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 58; Reinisch, EJIL 17 (2006), 803 (815 f.); Stürner, IPRax 2008, 197 (198); siehe dazu auch Kapitel C. I. 3. b. 238

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ob auch ein deutsches Gericht an der Vollstreckung in ausländisches Staatsvermögen gehindert wäre, wenn ein deutsches Exekutivorgan ihm diese aufgrund der Gefahr diplomatischer Verwicklungen verbieten würde. Dem könnte das verfassungsrechtlich verbürgte und in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verankerte Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht entgegenstehen.243 Der von den griechischen Vollstreckungsgläubigern angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK nicht als verletzt an. Zwar sei die Weigerung des griechischen Justizministers, der Zwangsvollstreckung aus dem gegen die Bundesrepublik Deutschland ergangenen Versäumnisurteil zuzustimmen, ein Eingriff in das den Beschwerdeführern zustehende Recht auf Zugang zu Gericht. Sie sei aber nicht unverhältnismäßig, weil sie auf allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts über die Gewährung von Staatenimmunität beruhe. Es sei keine völkerrechtliche Regel nachweisbar, nach der sich Staaten gegenüber Schadensersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in einem anderen Staat anhängig gemacht würden, nicht auf ihre Immunität berufen könnten. Daher könne von der griechischen Regierung nicht verlangt werden, sich gegen ihren Willen über die Regeln zur Staatenimmunität hinwegzusetzen. Folglich sei die Ablehnung des Justizministers, den Beschwerdeführern die Zwangsvollstreckung in deutsche Vermögensgegenstände zu genehmigen, keine ungerechtfertigte Beschränkung des Rechts auf Zugang zu Gericht.244 Im Ergebnis verneinte der Gerichtshof zu Recht die Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verbürgten Rechts auf Zugang zu Gericht. Allerdings stellte er wie selbstverständlich darauf ab, dass das Protodikeío Livadía gegenüber der Bundesrepublik Deutschland kein Versäumnisurteil hätte erlassen dürfen, da ihr auch für Schadensersatzklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen Immunität zukomme. Der griechische Justizminister verweigerte den Beschwerdeführern aber nicht seine Zustimmung zum Erlass des Versäumnisurteils, sondern zur Zwangsvollstreckung. Gleichwohl stand seine Weigerung auch mit den völkerrechtlichen Regeln zur Vollstreckungsimmunität im Einklang, da das Goethe-Institut und das Deutsche Archäologische Institut einem kulturellen bzw. wissenschaftlichen und damit einem hoheitlichen Verwendungszweck dienten.245 Infolgedessen unterlagen die Grundstücke, auf denen sich diese deutschen Einrichtungen befanden, nicht dem Zugriff der griechischen Vollstreckungsorgane.  Dazu ausführlich Kapitel B. IV. 2. a., b. NJW 2004, 273 (274) – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland. Zudem verneinte der EGMR eine Verletzung des in Art. 1 Zusatzprotokoll zur EMRK garantierten Rechts auf Achtung des Eigentums, da die Versagung der Immobiliarvollstreckung im öffentlichen Interesse, nämlich der Vermeidung einer Störung der Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland, liege. Zudem hätten die Beschwerdeführer ihre Forderungen gegen Deutschland nicht verloren, sondern könnten diese später oder anderswo vollstrecken. 245 Zur Vollstreckungsimmunität für Kulturgüter siehe näher Kapitel D. V. 1. d. 243

244 EGMR,

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 339

Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie aus dem Verhältnis der Regeln zur Staatenimmunität zum Recht auf Zugang zu Gericht folgt allerdings nicht, dass ein Exekutivorgan die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines verurteilten ausländischen Staates auch dann blockieren darf, wenn diesem keine Vollstreckungsimmunität zukommt. Auch die Regierung ist bei ihren politischen Entscheidungen nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz und somit an das Recht auf Zugang zu Gericht gebunden. Wie bereits aufgezeigt, stehen beide Rechtsinstitute zueinander in einem reziproken Verhältnis: Das Recht auf Zugang zu Gericht hört erst dort auf, wo die von Völkerrechts wegen gebotene Staatenimmunität beginnt. Gewährt der Gerichtsstaat einem ausländischen Staat aus politischen Erwägungen über das völkerrechtlich gebotene Maß hinaus Immunität, so verletzt er das Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht.246 Darüber hinaus könnte das durch ein Exekutivorgan erteilte Verbot der Zwangsvollstreckung gegen den in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen. Dies hält Habscheid für zweifelhaft, da die Regierung mit einem Vollstreckungsverbot keine rechtliche, sondern eine politische Entscheidung treffe.247 Nichtsdestotrotz bleibt die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines ausländischen Staates, auch wenn ihr eine politische Dimension zukommen kann, Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt, die nach Art. 92 GG exklusiv durch die Gerichte ausgeübt wird. Jedenfalls ohne eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist es daher dem deutschen Justiz‑ bzw. Außenminister verwehrt, in den ureigenen Aufgabenbereich der Judikative einzugreifen und dieser die Vollstreckung zu verbieten. Eine solche Einmischung wäre mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gewaltenteilung nicht in Einklang zu bringen.248 Aus dem Primat der Judikative für die Zwangsvollstreckung folgt allerdings nicht, dass die Exekutive die daraus möglicherweise resultierenden Risiken diplomatischer Verwicklungen und außenpolitischer Spannungen hinnehmen müsste. Mit der Nebenintervention zugunsten eines ausländischen Staates kann sie sich an einem Zivilprozess beteiligen und dadurch auf dessen Ausgang Einfluss nehmen.249

6. Staatsnotstand wegen Zahlungsunfähigkeit Der Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat könnten dessen Zahlungsunfähigkeit und ein daraus resultierender Staatsnotstand entgegen Vgl. auch Reinisch, EJIL 17 (2006), 803 (814) sowie Kapitel B. IV. 2. a. b. in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (259). 248  Kritisch auch Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (153 f.). 249 Siehe hierzu im Einzelnen Kapitel C. VI. 2. c. 246

247 Habscheid

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

stehen. Diese Problematik stellte sich im Zusammenhang mit argentinischen Staatsanleihen. a. Das rechtstatsächliche Problem mit den Argentinien-Anleihen Die 1999 in eine schwere Wirtschaftskrise geratene Republik Argentinien bediente sich zur Kapitalbeschaffung in bedeutendem Umfang des Instruments der Staatsanleihen, die auch etliche deutsche Gläubiger zeichneten.250 So wurden allein in Deutschland etwa 40.000 Inhaber argentinischer Staatsanleihen mit einem Gesamtforderungsvolumen von umgerechnet knapp 5 Mrd. US-Dollar vermutet.251 Die Anleihebedingungen sahen die Anwendung deutschen Sachrechts, einen ausschließlichen Gerichtsstand in Frankfurt a. M. sowie einen Immunitätsverzicht vor.252 Anfang 2002 stellte Argentinien nach Erklärung des öffentlichen Notstands durch Gesetz Nr. 25.561 vom 6. 1. ​2002 und einer hierauf erlassenen Verordnung vom 6. 2. ​2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlung der argentinischen Regierung seinen Auslandsschuldendienst ein. Von dem Zahlungsmoratorium waren auch die Inhaber der auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgelegten argentinischen Staatsanleihen betroffen.253 Im Dezember 2004 unterbreitete Argentinien den privaten Anleihegläubigern ein befristetes Umtauschangebot, nach dem die sog. Alt-Anleihen in langfristige Schuldverschreibungen umgetauscht werden konnten. Hierbei mussten die Gläubiger auf 75 Prozent des Nominalwerts der Anleihen bei gleichzeitiger Streichung eines Teils der aufgelaufenen Zinsansprüche verzichten. 76 Prozent der privaten Gläubiger nahmen das Umtauschangebot an.254 2010 unterbreitete Argentinien den Gläubigern, die 2004 das Umtauschangebot abgelehnt hatten, ein neues Angebot, so dass insgesamt 93 Prozent der Gläubiger im Rahmen der beiden Umschuldungen auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichteten.255 Etliche Inhaber der Schuldverschreibungen, die dieses Angebot abgelehnt hatten, sog. Hold-outs, erhoben in der Folge vor dem Amts‑ bzw. Landgericht Frankfurt Klage gegen die Republik Argentinien auf Zahlung der in den Schuld250  BVerfGE 118, 124 (126); OLG Frankfurt, NJW 2003, 2688 (2688); Cranshaw, jurisPRHaGesR 07/2013 Anm. 3. 251 Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (446, Fn. 3). 252  Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (449 ff.); Cranshaw, DZWIR 2007, 133 (134); Toussaint, jurisPR-BGH ZivilR 21/2008 Anm. 3. 253 Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 73; Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (447); Cranshaw, jurisPR-InsR 26/2006 Anm. 3; ders., DZWIR 2007, 133 (134 f.); Toussaint, jurisPRBGH ZivilR 21/2008 Anm. 3. 254 Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 74; Baars/Böckel, ZBB 2004, 445 (446); Cranshaw, DZWIR 2007, 133 (135); Ohler, JZ 2005, 590 (591); Schill, ZaöRV 68 (2008), 45 (46). 255  Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 74; FAZ v. 8. 2. ​2016, S. 19; v. 18. 2. ​2016, S. 16.

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verschreibungen und den zugehörigen Zinsscheinen versprochenen Geldbeträge. Da Argentinien seine mithilfe des Internationalen Währungsfonds eingeleitete Umschuldung durch die Erfüllung der klageweise geltend gemachten Ansprüche gefährdet sah, widersetzte es sich den Klagen und berief sich wegen seiner Zahlungsunfähigkeit auf das völkerrechtliche Institut des Staatsnotstands.256 b. Das rechtliche Problem: Staatsnotstand als Vollstreckungshindernis? Vor und von den Frankfurter Zivilgerichten wurde ausführlich diskutiert, ob ein auf Zahlungsunfähigkeit beruhender Staatsnotstand der Republik Argentinien in materieller Hinsicht ein Erfüllungsverweigerungsrecht als anspruchshemmende Einrede gewährt und damit ihre Zahlungsverpflichtungen suspendiert.257 Das Amtsgericht Frankfurt legte diese Frage schließlich 2003 und 2006 nach Art. 100 Abs. 2 GG dem Bundesverfassungsgericht vor, das von folgender Hypothese ausging: Bestehe eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die es der Republik Argentinien gestatte, sich auch im Privatrechtsverhältnis gegenüber ihren Gläubigern auf den völkerrechtlichen Notstand als Rechtfertigung für eine Zahlungsverweigerung zu berufen, so könne ein Urteil, solange diese Einrede wirke, jedenfalls nicht für vollstreckbar erklärt werden.258 Damit könnte der Staatsnotstand ein selbstständiges, im Völkerrecht wurzelndes Vollstreckungshindernis darstellen. Nun sind aber rechtskräftige Endurteile bereits nach § 704 Abs. 1 ZPO vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung seitens des Gerichts bedarf. Die Hypothese des Bundesverfassungsgerichts ist demzufolge dahingehend zu deuten, dass der Staatsnotstand nicht der Vollstreckbarerklärung eines Urteils, sondern der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil entgegenstehen könnte. Das Landgericht Frankfurt gab aber zu Recht zu Bedenken, dass es der Systematik des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts besser entspreche, das Interesse des Schuldners, das sich aus einer besonderen Härte im Zusammenhang mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung ergebe, erst im Vollstreckungsverfahren in Bezug auf die konkrete Maßnahmen zu berücksichtigen. Damit könne auf Änderungen der wirtschaftlichen Lage des Schuldners in der Zwangsvollstreckung flexibel reagiert werden.259 Daher wäre auch denkbar, dass der durch Zahlungsunfähigkeit verursachte Staatsnotstand die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO ermöglicht, sofern die konkrete Voll256 Cranshaw, DZWIR 2007, 133 (135); ders., jurisPR-HaGesR 07/2013 Anm. 3; Sester, NJW 2006, 2891 (2891); Toussaint, jurisPR-BGHZivilR 21/2008 Anm. 3; Schill, ZaöRV 68 (2008), 45 (46). 257  Vgl z. B. OLG Frankfurt, NJW 2003, 2688 (2689 f.); WM 2007, 929 (931); LG Frankfurt, JZ 2003, 1010 (1011 ff.); WM 2003, 783 (787). 258  BVerfGE 118, 124 (134). 259 LG Frankfurt, JZ 2003, 1010 (1012); WM 2003, 783 (787).

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streckungsmaßnahme unter Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeuten sollte, die mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre. Sowohl die fehlende Vollstreckbarkeit eines Urteils als auch die Gewährung von Vollstreckungsschutz setzen voraus, dass sich ein ausländischer Staat gegenüber einer Privatperson wirksam auf seine Zahlungsunfähigkeit berufen kann. Das Bundesverfassungsgericht verneinte dies und kam zu dem zutreffenden Ergebnis, dass gegenwärtig keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar sei, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtige, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern.260 Zwar sei im Völkergewohnheitsrecht die Berufung auf den Staatsnotstand in solchen Rechtsverhältnissen anerkannt, die ausschließlich dem Völkerrecht unterlägen. Für eine Erstreckung auf Rechtsverhältnisse zu privaten Gläubigern fehle es hingegen an einer einheitlichen Staatenpraxis, die einen solchen Rechtfertigungsgrund kraft Völkerrechts anerkennen würde. Auch bei dem Notstand nach Art. 25 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit handele es sich nur um einen Rechtfertigungsgrund in einem Völkerrechtsverhältnis. Damit könne ein wirtschaftlich oder finanziell definierter Notstand eines Staates nicht gegenüber Privaten eingewendet werden, solange es an einer gewohnheitsrechtlichen Regel des Völkerrechts fehle, die die Übertragbarkeit der Einrede des Notstands von Völkerrechtsverhältnissen auf Privatrechtsverhältnisse anerkenne.261 In zwei späteren parallelen Entscheidungen aus dem Jahr 2015 stellte der Bundesgerichtshof klar, dass dies auch gegenüber den Hold-outs gelte, die eine Beteiligung an einer mit der Mehrheit der Gläubiger zustande gekommenen Umschuldung der Staatsanleihen verweigert hätten. Auch habe sich nicht als Folge der Weltfinanzmarktkrise 2008/2009 und der Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Zypern eine allgemeine Regel des Völkerrechts herausgebildet, dass sich sämtliche private Gläubiger eines Staates im Falle eines Staatsnotstands an einer Umstrukturierung seiner Schulden beteiligen müssten und dem notleidend gewordenen Staat bis zu einer entsprechenden Vereinbarung ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich fälliger Zahlungsansprüche aus Privatrechtsverhältnissen zustehe.262 260 BVerfGE 118, 124 (134); folgend OLG Frankfurt, Beschluss v. 9. 8. ​2007, Az. 26 W 37/07 – juris; NJOZ 2008, 234 (236); BeckRS 2011, 22179; Freitag in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6.656. Bereits das OLG Frankfurt, NJW 1981, 1650 (1651) war der Auffassung, dass eine Forderungspfändung in aller Regel nicht einmal zu einer abstrakten Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Schuldnerstaates führt. 261  BVerfGE 118, 124 (137 ff.); so auch BGH, ZIP 2015, 769 (771); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (413 f.); kritisch hierzu Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 152 ff. 262  BGH, ZIP 2015, 769 (770 ff.) m. Anm. Müller, RIW 2015, 717 ff.; Paulus, EWiR 2015, 297 f.; Schroeter/Krämer, LMK 2015, 370161; Storck, DB 2015, 1277 f. und Weller/Grotz, JZ 2015, 989 ff.; BGH, Urteil v. 24. 2. ​2015, Az. XI ZR 47/14 – juris m. Anm. Kräft, GWR 2015, 211.

III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische Vollstreckungshürden 343

Abgesehen davon sah das Oberlandesgericht Frankfurt bereits 2006 und damit ein Jahr vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die tatsächlichen Voraussetzungen eines völkerrechtlichen Staatsnotstands der Republik Argentinien als nicht mehr gegeben an. Schon aus diesem Grund könne der argentinische Staat die Rückzahlung der Ansprüche aus Staatsanleihen gegenüber privaten Gläubigern nicht mehr mit der Berufung auf einen Staatsnotstand verweigern, da es in rund vier Jahren nach dem Moratorium seine Wirtschafts‑ und Finanzlage erheblich verbessert habe. Es habe ein umfangreiches Umschuldungsverfahren mit privaten Gläubigern der Alt-Anleihen durchführen können und dem Internationalen Währungsfonds sämtlichen Kredite vor Fristablauf zurückgezahlt.263 Seit der Ablösung der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner durch Mauricio Macri im Dezember 2015 hat sich eine Lösung des 14 Jahre währenden Streits um die Argentinien-Anleihen abzuzeichnen begonnen. Im Februar 2016 unterbreitete Argentinien einer Gruppe von italienischen Hold-outs ein Angebot über die Rückzahlung des in den Staatsanleihen verbrieften Kapitals zum vollen Nennwert zuzüglich eines Aufschlags von 50 Prozent, das circa 50.000 italienische Gläubiger annahmen. Darüber hinaus einigte sich Argentinien mit vier Hedgefonds, die ihre Forderungen vor einem New Yorker Gericht eingeklagt hatten, auf 75 Prozent der ursprünglich geforderten Zahlungen.264 Im August 2016 unterbreitete die Republik Argentinien den Inhabern der in Deutschland ausgegebenen und in Globalverwahrung gehaltenen Anleihen ein Vergleichsangebot (fast track settlement)265, das sie im September 2016 auf die Gläubiger eines Zahlungstitels erstreckte (individual settlement)266. Danach zahlt Argentinien 150 Prozent der Anleihenominale, wodurch sämtliche Ansprüche einschließlich Zinsen und Kosten abgegolten sind, es sei denn, in einem Urteil ist ein niedrigerer Betrag tituliert. Den Inhabern derjenigen Anleihen, die in effektiv ausgelieferten Urkunden verbrieft sind, hat Argentinien dagegen noch kein entsprechendes Angebot vorgelegt. Nicht zuletzt bedingt durch die Argentinien-Krise wird in der gegenwärtigen Kautelarpraxis verstärkt nach vertraglichen Lösungen für den Fall einer staatlichen Zahlungskrise gesucht. So enthalten die Anleihebedingungen zunehmend kollektive Neuverhandlungsklauseln (Collective Action Clauses), nach denen bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldnerstaates die Gläubigermehrheit für alle 263  OLG Frankfurt, WM 2007, 929 (931). Auch nach Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 163 sind die Hürden eines Staatsnotstands wegen Zahlungsunfähigkeit nur schwierig zu überwinden. 264  Die Welt v. 2. 3. ​2016, S. 13; FAZ v. 18. 2. ​2016, S. 16; Handelsblatt v. 1. 3. ​2016, S. 32. 265 Abrufbar unter http://argentina.deutschebondset.com/pdf/information_letter_en.pdf (28. 2. ​2017). 266   Abrufbar unter http://argentina.deutschebondset.com/pdf_individual/information_ letter_en.pdf (28. 2. ​2017).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Anleihegläubiger verbindlich beschließen kann, dass ein Umschuldungsangebot angenommen wird.267 Nach Art. 12 Abs. 3 ESM-Vertrag sind für seit dem 1. 1. ​ 2013 ausgegebene Staatsanleihen im Euro-Währungsgebiet mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr zwingend Collective Action Clauses vorgesehen.

IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks Auch bei Vorliegen der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen steht ein Vollstreckungsgläubiger, der einen Titel gegenüber einem ausländischen Staat vollstrecken will, oftmals vor der Schwierigkeit, vollstreckbares Vermögen zu finden. Nur wenn ein Gegenstand nicht von der Vollstreckungsimmunität erfasst ist, unterliegt er seinem Zugriff.

1. Inhalt und Konturen des Verwendungszwecks In seiner bereits skizzierten Grundsatzentscheidung vom 13. 12. ​1977 stellte das Bundesverfassungsgericht folgende allgemeine Regel des Völkerrechts fest: Die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über dessen nichthoheitliches Verhalten ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaates befinden oder dort belegen sind, ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungshandlung hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, ohne dessen Zustimmung unzulässig.268 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines fremden Staates auch ohne seine Zustimmung zulässig ist, soweit es bei Beginn der Vollstreckung nicht seinen hoheitlichen Zwecken dient.269 So prägnant und klar diese völkerrechtliche Regel auf den ersten Blick scheinen mag, bei genauerem Hinsehen kann sich die Differenzierung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Verwendungszeck als schwierig erweisen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Vollstreckungsverfahren die Abgrenzung nicht wie im Erkenntnisverfahren nach einem objektiven Kriterium, sondern nach der vom ausländischen Staat getroffenen subjektiven 267  Vgl. hierzu näher Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 65 ff., 163; Tietje, Die Argentinien-Krise aus rechtlicher Sicht: Staatsanleihen und Staateninsolvenz, S. 20; Grüneberg, WM 2016, 1621 (1621); Kolling, BKR 2007, 481 (487 f.); Schill, ZaöRV 68 (2008), 45 (65). 268  BVerfGE 46, 342 (345, 392); folgend BGH, WM 2013, 1469 (1470); NJW-RR 2014, 1088 (1088); WM 2014, 1431(1431); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (365); IPRspr. 2010 Nr. 182, S. 447 (448); LG Bonn, NJW-RR 2009, 1316 (1317); LG Hagen, IPRspr. 2008 Nr. 106, S. 348 (349). 269 So bereits LG Stuttgart, IPRspr. 1971, Nr. 129, S. 389 (392); Dahlhoff, BB 1997, 321 (324).

IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks

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Zweckbestimmung erfolgt.270 Daher drängt sich primär die Frage auf, unter welchen konkreten Voraussetzungen der zu vollstreckende Gegenstand einem hoheitlichen Zweck dient. Diese Frage lässt sich wiederum nur beantworten, wenn geklärt ist, nach welcher Rechtsordnung sich die Qualifikation des Verwendungszwecks richtet. a. Maßgebliches Recht für die Qualifikation des Verwendungszwecks Die Qualifikation des Verwendungszwecks als hoheitlich oder nichthoheitlich bestimmt sich vorrangig nach dem Völkerrecht.271 So bedarf es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Pfändung der Konten der National Iranian Oil Company keiner Heranziehung des nationalen Rechts bei der Qualifikation des Verwendungszwecks von Guthaben, die sich auf Konten bei Banken im Gerichtsstaat befinden und zur Überweisung auf ein der Deckung des Haushalts eines fremden Staates dienenden Kontos bei seiner Zentralbank bestimmt sind.272 Insbesondere für die Zwangsvollstreckung in Gegenstände, die der Wahrnehmung der amtlichen Funktionen der diplomatischen Mission eines ausländischen Staates im Gerichtsstaat dienen, enthält das Völkerrecht spezielle Regeln.273 Diese ergeben sich – so das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum „philippinischen Botschaftskontofall“ – aus dem Grundsatz der Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen und aus der Immunität des fremden Staates bezüglich der amtlichen Funktionen seiner diplomatischen Vertretung.274 Darüber hinaus sind in Art. 21 Abs. 1 UN-Übereinkommen in einer nicht abschließenden Aufzählung Vermögensgegenstände genannt, die bereits von Völkerrechts wegen einem hoheitlichen Verwendungszweck dienen. Enthält das Völkerrecht mit Blick auf den zu vollstreckenden Gegenstand keine Regeln, so richtet sich die Qualifikation des Verwendungszwecks – wie auch im Erkenntnisverfahren die Qualifikation der staatlichen Tätigkeit275 – nach der lex fori. Demzufolge ist für die Zwangsvollstreckung durch ein deutsches Vollstreckungsorgan subsidiär das deutsche Recht maßgeblich.276 Andernfalls 270  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 590; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (307). 271 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 179; Weller, Rpfleger 2006, 364 (368); ders., IPRax 2011, 574 (574). 272  BVerfGE 64, 1 (42). 273 BVerfG 46, 342 (394); BGH, NZM 2010, 55 (56); Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (307); Weller, RIW 2010, 599 (599). 274  BVerfG 46, 342 (394); zustimmend BGH, SchiedsVZ 2006, 44 (45); Krauskopf, WM 1986, 89 (92). 275  Siehe hierzu Kapitel C. I. 2. b. aa. 276  BVerfG, NJW 2012, 293 (295); BGH, NJW-RR 2006, 198 (199); NZM 2010, 55 (56); WM 2013, 1469 (1470) NJW-RR 2014, 1088 (1088); OLG Köln, SchiedsVZ 2004, 99 (101);

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hätte es ein ausländischer Staat in der Hand, durch die Gestaltung seines nationalen Rechts all sein Vermögen einem hoheitlichen Zweck zu widmen und sich dadurch einem Vollstreckungszugriff zu entziehen.277 Es kommt daher nicht darauf an, ob der Gegenstand nach dem Recht des ausländischen Staates, der lex causae, einem hoheitlichen Zweck dient.278 Die Qualifikation des Verwendungszwecks eines im Gerichtsstaat belegenen Vermögensgegenstandes ist keine ausschließliche Angelegenheit des ausländischen Staates. Daher verstößt der Vollstreckungsstaat auch nicht gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot, wenn er den Verwendungszweck anders als der ausländische Staat qualifiziert.279 Darüber hinaus ist eine Vollstreckungshandlung, die auf einer abweichenden Qualifikation beruht, in aller Regel kein Druckmittel, mit welcher der Gerichtsstaat auf die Ausgestaltung der politischen oder wirtschaftlichen Ordnung des Schuldnerstaates Einfluss zu nehmen versucht.280 Vielmehr vermeidet die Qualifikation nach der lex fori nicht nur eine ungleiche Behandlung ausländischer Staaten durch das Vollstreckungsgericht, sondern entspricht auch der Grundregel des internationalen Zivilprozessrechts, dass sich Verfahrensfragen nach dem jeweiligen Prozessrecht des Gerichtsstaates bestimmen.281 b. Präzisierung des Verwendungszwecks Bestimmt sich der Verwendungszweck nach dem Völkerrecht und hilfsweise nach der lex fori, so ist immer noch die Frage offen, wie sich der hoheitliche Verwendungszweck präzisieren lässt. Die Herkunft des Vollstreckungsobjekts ist jedenfalls nicht von Belang, so dass es keinen Unterschied macht, ob der ausländische Staat es von einem anderen Staat oder von einer Privatperson, durch gesetzlichen Eigentumserwerb, durch Verstaatlichung oder durch privatrechtliches Rechtsgeschäft erworben hat.282 Vielmehr richtet sich die Bestimmung des Verwendungszwecks nach der Funktion des zu vollstreckenden Gegenstandes. Diesem kommt dann ein hoheitWefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 230; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (307); Dutta, IPRax 2007, 109 (110); Kröll, IPRax 2004, 223 (226); Weller, Rpfleger 2006, 364 (368); ders., IPRax 2011, 574 (574). 277 Kröll, IPRax 2004, 223 (226). 278  BVerfGE 64, 1 (43); Kröll, IPRax 2004, 223 (226); Weller, IPRax 2011, 574 (574), a. A. Gramlich, RabelsZ 45 (181), 545 (593). 279 BVerfGE 64, 1 (43); Dutta, IPRax 2007, 109 (111); Krauskopf, WM 1986, 89 (92). 280  BVerfGE 64, 1 (43); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 595; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308); Krauskopf, WM 1986, 89 (92). 281 Vgl. BGHZ 48, 327 (331); Junker, Internales Zivilprozessrecht, § 24 Rdnr. 1; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 Rdnrn. 2 f.; Geimer in: Habscheid/Schwab (Hrsg.), FS Nagel, S. 36 (40). 282 BVerfGE 64,1 (42); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986).

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licher Zweck zu, wenn er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll.283 Hierzu gehören insbesondere Gegenstände, die der Erfüllung von Aufgaben dienen, die dem Kernbereich der Staatsgewalt, also der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn, zuzurechnen sind.284 Damit setzt sich die im Erkenntnisverfahren zur Bestimmung der acta iure imperii verwendete „Kernbereichsformel“285 auf der Vollstreckungsebene fort, nur der Bezugspunkt ist verschieden. Während einem ausländischen Staat im Erkenntnisverfahren Immunität für sein Handeln zukommt, das zum Kernbereich staatlicher Tätigkeit zählt, steht ihm im Vollstreckungsverfahren Immunität für diejenigen Gegenstände zu, die der Erfüllung staatlicher Kernaufgaben dienen. Ungeachtet dieser Verknüpfung wird dem Präzisierungskriterium mangelnde Präzision vorgeworfen. Über kaum etwas soll völkerrechtlich weniger Klarheit herrschen als darüber, welche Staatszwecke zum Kernbereich gehörten.286 Dieser Vorwurf vermag jedenfalls in dieser Pauschalität nicht zu überzeugen. Der Kernbereich staatlicher Gewalt bestimmt sich nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung, mithin nach der anerkannten Auffassung der Völkergemeinschaft. Zum allgemein anerkannten Kernbereich der staatlichen Aufgaben gehören insbesondere die Gesetzgebung, die Rechtspflege, die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt sowie die Ausübung der Polizeigewalt.287 Die Qualifikation einer Zweckbestimmung als hoheitlich ist allerdings – wie schon das staatliche Handeln im Erkenntnisverfahren  – nicht auf den Kernbereich staatlicher Tätigkeit beschränkt. Vielmehr können auch andere Gegenstände einem hoheitlichen Verwendungszweck dienen. Als solcher anerkannt ist vor allem die kulturelle Repräsentation eines ausländischen Staates in Deutschland.288 So entschied der Bundesgerichtshof, dass das Russische Haus in Berlin als ausländische Vertretung des russischen Zentrums für internationale, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit eine Kultureinrichtung der Russischen Föderation sei, mit der diese einen hoheitlichen Zweck – die Förderung russischer Kultur in Deutschland – verfolge. Daher werde das Russische Haus von der Vollstreckungsimmunität erfasst.289

283  BGH, NJW-RR 2006, 198 (200); NJW-RR 2010, 55 (55); NJW-RR 2014, 1088 (1088); WM 2014, 1431 (1431); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 230. 284 OLG Frankfurt, NJW 1981, 2650 (2650); Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (265); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 285  Siehe Kapitel C. I. 2. b. aa. 286 Von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 287  BVerfG 2014, 1723 (1723); Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 76; Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1236). 288 BGH, NJW-RR 2014, 1088 (1088); BeckRS 2014, 14869; WM 2014, 1431(1431); ZfBR 2016, 571 (575); Weller, RIW 2010, 599 (599); ders., IPRax 2011, 574 (575); vgl. auch IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (148) – Jurisdictional Immunities. 289 BGH, NZM 2010, 55 (55 f.).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Schließlich enthält der bereits angesprochene Art. 21 Abs. 1 UN-Übereinkommen einen nicht abschließenden Katalog von Vermögensgegenständen, die vom Schuldnerstaat zu hoheitlichen Zwecken benutzt werden oder für eine solche Nutzung bestimmt sind. Hierzu zählt das Vermögen, einschließlich Bankkonten, das für die Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Mission des Staates oder seiner konsularischen Vertretungen, Sondermissionen, Missionen bei internationalen Organisationen oder Delegationen bei Organen internationaler Organisationen oder bei internationalen Konferenzen benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist (lit. a). Weiterhin gehört hierzu Vermögen militärischer Art oder für die Wahrnehmung militärischer Aufgaben genutztes oder bestimmtes Vermögen (lit. b) sowie Vermögen der Zentralbank oder einer anderen Währungsbehörde des Staates (lit. c). Darüber hinaus ist das Vermögen von der Vollstreckung ausgenommen, das Bestandteil des kulturellen Erbes des Staates oder seiner Archive ist und nicht zum Verkauf steht oder zum Verkauf bestimmt ist (lit. d). Schließlich zählt hierzu Vermögen, das Bestandteil einer Ausstellung von wissenschaftlich, kulturell oder historisch bedeutsamen Gegenständen ist und nicht zum Verkauf steht oder zum Verkauf bestimmt ist (lit. e). c. Tatsächlicher oder vorgesehener Verwendungszweck? Eine Frage ist immer noch nicht hinreichend geklärt, nämlich ob der Vermögensgegenstand tatsächlich einem hoheitlichen Verwendungszweck dienen muss oder ob es ausreicht, dass er dazu bestimmt ist, künftig diesem Verwendungszweck zu dienen. Oder anders gefragt: Kommt es auf den tatsächlichen oder den beabsichtigten Verwendungszweck an? Die vom Bundesverfassungsgericht im „philippinischen Botschaftskontofall“ festgestellte völkerrechtliche Regel, nach der die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat in seine Gegenstände ohne seine Zustimmung unzulässig ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungshandlung hoheitlichen Zwecken dienen,290 deutet eher auf die Maßgeblichkeit des tatsächlichen Verwendungszwecks hin. So ist auch nach Damian und sich ihm anschließend Hausmann für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität die gegenwärtige Aufgabe des Vollstreckungsobjekts entscheidend. Die bloße Möglichkeit, dass ein Gegenstand, der aktuell einem nichthoheitlichen Zweck diene, künftig einem hoheitlichen Verwendungszweck zugeführt werde, stehe dem Vollstreckungszugriff nicht entgegen.291 Bei dem Begriff der Zweckbestimmung handele es sich lediglich um eine façon de parler, der nicht entnommen werden könne, dass Vermögens BVerfGE 46, 342 (364).  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 178 f.; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (310); hierzu tendiert auch von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 290

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IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks

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gegenstände ausländischer Staaten bereits dann dem Zugriff inländischer Vollstreckungsorgane entzogen seien, wenn ein hoheitlicher Verwendungszweck vorgesehen sei.292 Für diese enge Interpretation spricht, dass sich der tatsächliche, aktuelle Verwendungszweck in aller Regel leichter bestimmen lässt als der nur beabsichtigte, künftige Verwendungszweck.293 Auch § 1610 (a) FSIA lässt umgekehrt die Vollstreckung zu, wenn der Vermögensgegenstand tatsächlich für eine privatwirtschaftliche Tätigkeit gebraucht wird. Darüber hinaus könnte ein kreativer ausländischer Staat auf die Idee kommen, sich für jeden potentiellen Vollstreckungsgegenstand eine hoheitliche Verwendung vorzubehalten, um sich auf diese Weise vor einer Zwangsvollstreckung zu schützen. Dieser restriktiven Auffassung stehen allerdings Art. 19 lit. c) und 21 Abs. 1 UN-Übereinkommen entgegen. Diese Bestimmungen setzen für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität voraus, dass das Vermögen nicht von dem ausländischen Staat eigens zu anderen als nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist. Es genügt also die Bestimmung eines Gegenstandes für eine künftige hoheitliche Nutzung. Hierzu tendiert auch der Bundesgerichtshof, indem er in seinen neueren Entscheidungen auf die Zweckbestimmung abstellt.294 Auch sec. 13 (4) SIA lässt umgekehrt die Vollstreckung in diejenigen Vermögensgegenstände zu, die zu privatwirtschaftlichen Zwecken benutzt werden oder deren Nutzung hierzu beabsichtigt ist. Darüber hinaus liefe die Reduktion der Vollstreckungsimmunität auf den tatsächlichen Verwendungszweck ihrem Sinn und Zweck zuwider. Sie soll einem ausländischen Staat die Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben ermöglichen anstatt zu erschweren oder gar zu vereiteln. Eine Erschwerung oder Vereitelung kann allerdings auch darin bestehen, dass dem ausländischen Staat Gegenstände entzogen werden, die er für eine hoheitliche Aufgabenerfüllung eingeplant hat. Der Schutz der hoheitlichen Funktionen des Staates wäre lückenhaft.295 Mit der Vollstreckung in solche Gegenstände würde sich der Vollstreckungsstaat in die inneren Angelegenheiten des ausländischen Staates einmischen und damit dessen Souveränität verletzen. Gleichwohl wäre der Schritt zurück zur absoluten Vollstreckungsimmunität nicht mehr weit, ließe man eine pauschal geäußerte Absichtserklärung eines Vertreters des ausländischen Staates, irgendwann einmal den zu vollstreckenden Gegenstand für hoheitliche Zwecke verwenden zu wollen, genügen. So betonte 292 Damian,

Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 179.  Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (529). 294  BGH, BeckRS 2016, 20152; ZfBR 2016, 571 (575); ähnlich bereits BGH, NJW-RR 2006, 198 (200). 295  BVerfGE 46, 342 (401); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 297 f.; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (145). 293

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur National Iranian Oil Company, dass eine mögliche künftige Verwendung von Guthaben, die sich auf Konten bei Banken im Gerichtsstaat befänden und zur Überweisung auf ein der Haushaltsdeckung dienendes Konto eines fremden Staates bei seiner Zentralbank bestimmt seien, keine Vollstreckungsimmunität begründe.296 Andernfalls stünde die Gewährung von Vollstreckungsimmunität zur Disposition des ausländischen Staates. Er könnte für jeden Gegenstand einen künftigen hoheitlichen Zweck ins Auge fassen und sich damit dem Vollstreckungszugriff durch deutsche Vollstreckungsorgane entziehen. Dieser Gefahr lässt sich aber durch das Erfordernis begegnen, dass der ausländische Staat seinen Willen, den zu vollstreckenden Gegenstand künftig für hoheitliche Aufgaben zu verwenden, spätestens zu Beginn der Vollstreckungshandlung nach außen kundgetan haben muss. Dies kann etwa geschehen, indem er den Gegenstand einem konkreten hoheitlichen Zweck in Form eines Widmungsaktes zuführt.297 So erhalten auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Bankguthaben ihre maßgebende Zweckbestimmung erst dann, wenn sie in die Verfügungsgewalt der Zentralbank gelangt sind.298 Bei einem Grundstück kann beispielsweise der Verwendungszweck im Kaufvertrag genannt und durch den Baubeginn umgesetzt werden.299 d. Gemischte Zweckbestimmung Nicht immer lässt sich der Verwendungszweck eines Gegenstandes eindeutig den Kategorien hoheitlich oder nichthoheitlich zuordnen. Vielmehr gibt es auch Gegenstände mit einem gemischten Verwendungszweck, die also zugleich einem hoheitlichen und einem nichthoheitlichen Zweck dienen. Relevant wird diese Problematik bei gemischten Konten (sog. mixed accounts) eines ausländischen Staates bei einer deutschen Bank, bei denen das Guthaben sowohl für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben als auch für die Abwicklung von Handelsgeschäften eingesetzt wird.300 Insbesondere mit Blick auf solche gemischte Konten wird von einigen Stimmen im Schrifttum vertreten, dass ein Gegenstand bereits dann dem Vollstreckungszugriff entzogen sei, sobald ihm auch ein hoheitlicher Verwendungs296 BVerfGE 64, 1 (42); vgl. dazu auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 595; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (531); Rest, VersR 1986, 933 (941); Stein, IPRax 1984, 179 (182). 297 Vgl. auch Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 298; Habscheid, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (265); Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (856). 298 BVerfGE 64, 1 (42). 299  So OLG München, FGPrax 2015, 17 (18 f.). 300  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 183; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (531 f.).

IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks

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zweck zukomme. Dieser schütze den Gegenstand vor der Vollstreckung in seiner Gesamtheit.301 Diese immunitätsfreundliche Auffassung trägt allerdings der Verwirklichung der titulierten Ansprüche des Vollstreckungsgläubigers und damit seinem Recht auf Zugang zu Gericht nicht hinreichend Rechnung, da bereits eine untergeordnete hoheitliche Zweckbestimmung der Vollstreckbarkeit entgegenstünde. Daher scheint es überlegenswert, auf den Schwerpunkt der tatsächlichen oder konkret beabsichtigten Verwendung abzustellen. Verfolgt ein Staat mit dem zu vollstreckenden Gegenstand überwiegend einen nichthoheitlichen Zweck, so könnte dieser dem Vollstreckungszugriff der deutschen Vollstreckungsorgane unterliegen. Kommt dem Gegenstand überwiegend ein hoheitlicher Zweck zu, so könnte er von der Vollstreckung ausgeschlossen sein. Eine solche Lösung wird aber weder der Souveränität des ausländischen Staates noch dem Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht vollends gerecht. Wenn die Zwangsvollstreckung in einem überwiegend nichthoheitlich verwendeten Gegenstand zulässig wäre, würde sie nichtsdestotrotz den ausländischen Staat in der Erfüllung seiner Aufgaben behindern, indem er den vollstreckten Gegenstand auch nicht mehr hoheitlich verwenden kann. Im umgekehrten Fall wäre dem Vollstreckungsgläubiger die Zwangsvollstreckung über Gebühr auch dann verwehrt, wenn eine Vollstreckung in den nichthoheitlich verwendeten Teil an und für sich möglich wäre. Das Völkerrecht sieht deshalb bei einer gemischten Zweckbestimmung einen anderen Weg vor. Nach der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Pfändung eines Kontoguthabens der philippinischen Botschaft festgestellten völkergewohnheitsrechtlichen Grundregel ist die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat in Gegenstände eines verurteilten Staates unzulässig, soweit sie im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungshandlung dessen hoheitlichen Zwecken dienen.302 In einem späteren Nichtannahmebeschluss hob das Gericht nochmals hervor, es habe durch die Formulierung „soweit“ bereits festgestellt, dass das allgemeine Völkerrecht bei gemischt genutzten Gegenständen einer Vollstreckung in die nichthoheitlich genutzten Teile von Gegenständen grundsätzlich nicht entgegenstehe.303 Die Zwangsvollstreckung in den nichthoheitlich genutzten Teil eines Vermögensgegenstandes setzt voraus, dass der Gegenstand teilbar ist. Diese Voraussetzung verneinte das Kammergericht, als es um die Eintragung einer Zwangs301 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 288 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 183; Dahlhoff, BB 1997, 321 (324). 302  BVerfGE 46, 342 (345, 364); zum Spezialfall der Zwangsvollstreckung in Forderungen aus einem allgemeinen Bankkonto einer Botschaft siehe näher Kapitel D. V. 3. a. aa. (2). 303  BVerfG, NJW 2012, 293 (295); so auch bereits KG, BeckRS 2010, 15531; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 54.

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sicherungshypothek an Gebäudeeigentum der Russischen Föderation ging. Die Sicherungsmaßnahme sei bereits deshalb unzulässig, weil mindestens drei Wohnungen in dem Gebäude Diplomaten der russischen Mission als Dienstwohnungen überlassen worden seien. Wegen der Unteilbarkeit des Gebäudeeigentums sei die beantragte Eintragung insgesamt ausgeschlossen, auch wenn die Nutzung für Zwecke der diplomatischen Mission nicht den überwiegenden Teil des Gebäudes betreffe.304 Die Vollstreckung in einen unteilbaren Gegenstand, dem auch ein hoheitlicher Verwendungszweck zukommt, ist also unzulässig. Dies ist konsequent, da der ausländische Staat andernfalls in der Erfüllung seiner Aufgaben – in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall der diplomatischen Vertretung im Empfangsstaat  – behindert werden könnte. Ist dagegen ein zu vollstreckender Gegenstand teilbar, so bleibt es bei der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten völkerrechtlichen Grundregel, nach der einem ausländischen Staat nur insoweit Immunität zukommt, als der Gegenstand einem hoheitlichen Verwendungszweck dient. Für die Vollstreckung in den für einen nichthoheitlichen Zweck bestimmten Teil kann er hingegen keine Immunität beanspruchen. e. Zweckbestimmung und Zweckänderung vor und während des Vollstreckungsverfahrens Entscheidender Zeitpunkt für die Bestimmung, ob der zu vollstreckende Gegenstand einem hoheitlichen Zweck dient, ist nach der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten völkerrechtlichen Grundregel der Beginn der Zwangsvollstreckung.305 Entscheidend ist die konkrete Vollstreckungsmaßnahme, nicht dagegen das Vollstreckungsverfahren insgesamt. Daher kommt es für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität für eine Zwangsversteigerung eines Grundstücks nicht darauf an, ob dieses bei einer vorausgegangenen Eintragung einer Zwangssicherungshypothek bereits einem hoheitlichen Verwendungszweck gedient hat.306 Unbeachtlich ist es, wenn ein ausländischer Schuldnerstaat einem Gegenstand erst nach Einleitung der Vollstreckungsmaßnahme einen hoheitlichen Zweck verleiht. Dies gilt unabhängig davon, ob er den Gegenstand zuvor noch keinem Zweck gewidmet hat oder ob er ihn von einem nichthoheitlichen in einen hoheitlichen Zweck umwidmet. Da es auf den Beginn der Vollstreckungs304  KG, BeckRS 2010, 15531 – im Ergebnis bestätigt durch BVerfG, NJW 2012, 293 (295), das die Verfassungsbeschwerde des Vollstreckungsgläubigers nicht zur Entscheidung annahm. 305  BVerfGE 46, 342 (345, 364); 64, 1 (44); so auch BGH, MDR 2003, 1135 (1136); BeckRS 2016, 20152 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 591; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 138; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 230; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308); Kröll, IPRax 2004, 223 (225 f.); Weller, IPRax 2011, 574 (574). 306 BGH, BeckRS 2016, 20152.

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handlung ankommt, kann eine nachträgliche Zweckbestimmung oder Zweckänderung den Vollstreckungszugriff nicht verhindern.307 Das Völkerrecht kennt keine überholende Vollstreckungsimmunität.308 Dem ausländischen Staat ist es damit verwehrt, sich durch eine nachträgliche hoheitliche Zweckbestimmung der Zwangsvollstreckung zu entziehen. Zugleich gewährt der Beginn der Zwangsvollstreckung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität Rechtssicherheit für den Vollstreckungsgläubiger. Kommt es auf den Beginn der Zwangsvollstreckung an, so bleibt es einem ausländischen Staat in aller Regel unbenommen, vor Beginn der Zwangsvollstreckung einen Vermögensgegenstand in einen hoheitlichen Zweck umzuwidmen. Als Ausfluss seiner inneren Souveränität ist es allein seine Entscheidung, für welchen Zweck er die ihm gehörigen Vermögensgegenstände einsetzt. Solange ein Vollstreckungsorgan gegenüber dem ausländischen Staat noch keine Vollstreckungshandlung vorgenommen hat, können aus der Umwidmung regelmäßig keine für den Staat ungünstigen Schlussfolgerungen gezogen werden.309 Dieser Grundsatz findet seine Grenze im Verbot des Rechtsmissbrauchs. Widmet ein ausländischer Staat einen Gegenstand ausschließlich deshalb einem hoheitlichen Verwendungszweck, um ihm einen späteren Vollstreckungszugriff zu entziehen, so soll diese Zweckänderung dem im Völkerrecht allgemein anerkannten Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen und daher unbeachtlich sein.310 Dieser Wertung ist im Ergebnis zuzustimmen. Ein ausländischer Staat verfolgt in dieser Konstellation letztlich mit dem Gegenstand gar keinen hoheitlichen Zweck, da die Entziehung eines Gegenstandes vom Zugriff durch deutsche Vollstreckungsorgane nicht der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dient. Vielmehr verleiht er dem zu vollstreckenden Gegenstand nur dem äußeren Anschein nach einen hoheitlichen Zweck. Der Nachweis, dass ein ausländischer Staat eine Umwidmung ausschließlich deshalb vorgenommen hat, um sich einer absehbaren Zwangsvollstreckung zu 307 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 290; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 177 f., 182; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 180; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 230 f.; Hausmann, in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (310); Kröll, IPRax 2004, 223 (226); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986). 308  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 177 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 180. 309  BGH, BeckRS 2016, 20152; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 301; Kröll, IPRax 2004, 223 (226). Auch der US-amerikanische Supreme Court verneinte bereits in The Schooner Exchange v. McFaddon 11 U. S. 116 (1812) seine Gerichtsbarkeit für eine Klage auf Herausgabe eines Handelsschiffes, das 1810 unter Napoleon gekapert und in ein Kriegsschiff umgewandelt worden war, da Kriegsschiffe von der Jurisdiktion des Empfangsstaates ausgenommen seien; vgl. hierzu Berg, ZaöRV 42 (1982), 295 (310). 310  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 289; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 177 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 591.

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entziehen, kann sich in der Praxis als schwierig erweisen. Für den Gläubiger kann es daher ratsam sein, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen dinglichen Arrest zu erwirken und durch dessen Vollzug den Zugriff auf die zu vollstreckenden Gegenstände zu sichern.311 Hierfür muss er die bevorstehende Umwidmungsgefahr als Arrestgrund i. S. v. § 917 Abs. 1 ZPO glaubhaft machen. Dies setzt das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte voraus, etwa weil der ausländische Staat eine Umwidmung angekündigt hat oder bereits andere Gegenstände umgewidmet hat, um diese vor einem Vollstreckungszugriff zu schützen.312 f. Analoge Anwendung des § 882a Abs. 2 ZPO Auf die Gewährung von Immunität für einen ausländischen Staat in der Zwangsvollstreckung ist es ohne Einfluss, ob dem deutschen Staat in der vergleichbaren Situation Immunität vor seinen eigenen Gerichten gewährt würde. Ungeachtet dessen haben – wie bereits von Schaumann und Habscheid vorgeschlagen313 – das Kammergericht und ihm folgend das Landgericht Berlin § 882a Abs. 2 ZPO auf die Zwangsvollstreckung von Kunstgegenständen des libyschen bzw. syrischen Staates analog angewandt.314 Nach dieser Vorschrift ist die Zwangsvollstreckung gegenüber dem Bund und dessen Untergliederungen – konkret gegenüber den Ländern sowie den Körperschaften, den Anstalten und den Stiftungen des öffentlichen Rechts mit Ausnahme öffentlich-rechtlicher Bank‑ und Kreditanstalten – unzulässig in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht. Für eine analoge Anwendung des § 882a Abs. 2 ZPO auf die Zwangsvollstreckung gegenüber ausländischen Staaten fehlt es jedoch – wie schon bei § 882a Abs. 1 ZPO315 – an einer planwidrigen Regelungslücke. § 20 Abs. 2 GVG verweist in der Frage der Reichweite der deutschen Gerichtsbarkeit auf das Völkerrecht. Mit dieser Art. 25 S. 1 GG und Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG präzisierenden, dynamischen Verweisung hat der deutsche Gesetzgeber den innerstaatlichen Rechtsraum für die völkerrechtlichen Immunitätsregeln geöffnet und damit dem Völkerrecht die Beurteilung der Frage überlassen, unter welchen Voraussetzungen einem ausländischen Staat Vollstreckungsimmunität zukommt. 311 Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 176; Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 312  Zum einstweiligen Rechtsschutz siehe näher Kapitel C. IX. 2. 313 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (269 f., 272); Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (143). 314  KG, Beschluss v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02  – juris; LG Berlin, IPRspr. 2010 Nr. 180a, S. 440 (441) – bestätigt durch KG, IPRspr. 2010 Nr. 180b, S. 440 (444), nach dem für eine analoge Anwendung des § 882a Abs. 2 ZPO manches spreche, es darauf aber nicht ankomme; offenlassend: KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (373) und KG, IPRspr. 2003 Nr. 121, S. 373 (379). 315 Siehe hierzu Kapitel D. III. 4. a.

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Nach der völkergewohnheitsrechtlichen Grundregel sind die Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates vor der Zwangsvollstreckung geschützt, soweit sie einem hoheitlichen Verwendungszweck dienen. Für eine analoge Anwendung des § 882a Abs. 2 ZPO ist daher kein Raum. Abgesehen davon ist diese Vorschrift deutlich enger gefasst als die völkerrechtliche Regel. Danach genügt nicht lediglich eine hoheitliche Zweckbestimmung, sondern der zu vollstreckende Vermögensgegenstand muss für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Vollstreckungsschuldners unentbehrlich sein.316

2. Darlegung und Nachweis des Verwendungszwecks Nicht immer ist der einem Vollstreckungsgegenstand zukommende Verwendungszweck klar erkennbar, sondern er kann auch zwischen Vollstreckungsgläubiger und ausländischem Staat als Vollstreckungsschuldner umstritten sein. In diesem Fall spitzt sich die Frage nach dem Vollstreckungszugriff oder umgekehrt nach der Vollstreckungsimmunität regelmäßig darauf zu, wer die Darlegungs‑ und Beweislast für den Verwendungszweck trägt und welche Anforderungen an das Beweismaß zu stellen sind. a. Prüfung des Verwendungszwecks von Amts wegen Dies setzt voraus, dass das Vollstreckungsgericht nicht von Amts wegen verpflichtet ist, selbst Ermittlungen zum Verwendungszweck anzustellen. So vertritt Albert der Auffassung, dass für die Frage des Verwendungszwecks nicht der Beibringungsgrundsatz, sondern der Untersuchungsgrundsatz gelte. Dieser komme dem öffentlichen Interesse an einer möglichst vollständigen Aufklärung der Voraussetzungen für das Vorliegen der Gerichtsbarkeit entgegen, zumal bei der komplizierten Rechtslage dem Gläubiger nicht immer die notwendigen Informationen zugänglich seien.317 Diese gläubigerfreundliche Ansicht deckt sich allerdings nicht mit der vom Bundesverfassungsgericht im „philippinischen Botschaftskontofall“ festgestellten Maxime, dass das Bestehen und die Grenzen der deutschen Gerichtsbarkeit als einer allgemeinen Verfahrensvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten sind.318 Wie bereits im Erkenntnisverfahren die streitgegenständliche Handlung so hat das Gericht in der Zwangsvollstreckung auch den Verwendungszweck zwar von Amts wegen zu prüfen, nicht aber von Amts wegen zu ermitteln. Die Prüfung von Amts wegen lässt den Beibringungs316 Albert,

Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 295.  Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 282 f. 318  BVerfGE 46, 342 (359); vgl. auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 176; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 210. 317

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grundsatz unberührt, so dass das Vollstreckungsgericht nicht gehalten ist, eigene Nachforschungen zum Verwendungszweck anzustellen. Es bleibt vielmehr Sache der Parteien, zur Art des Verwendungszwecks Stellung zu nehmen.319 Das Gericht darf hierbei allerdings nicht die Behauptungen einer Partei unbesehen zu Grunde legen, sondern muss sie auf ihre Plausibilität hin prüfen.320 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Anhörung des ausländischen Staates als Vollstreckungsschuldners  – so nach § 834 ZPO bei der Forderungspfändung  – ausgeschlossen ist. Liegen trotz gegenteiliger Behauptungen des Vollstreckungsgläubigers Anhaltspunkte vor, die eindeutig dafür sprechen, dass der zu vollstreckende Gegenstand einen hoheitlichen Zweck aufweist, so muss das Vollstreckungsorgan von der Vollstreckung Abstand nehmen. Andererseits schließt das Völkerrecht die Zwangsvollstreckung nicht aus, wenn keine oder nicht genügend Indizien vorliegen, die einen hoheitlichen Verwendungszweck eindeutig erkennen lassen.321 Über den Grundsatz, dass die Vollstreckungsimmunität in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist, setzte sich der Bundesgerichtshof in einem Beschluss über die Drittwiderspruchsklage der Russischen Föderation gegen die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung der „Russen-Siedlung“ in Köln hinweg. Ein ausländischer Staat könne sich ebenso wie der private Einzelne im deutschen Hoheitsbereich nur im Rahmen des jeweiligen Verfahrensrechts auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts berufen. Daher sei die der Russischen Föderation möglicherweise zukommende Vollstreckungsimmunität nicht mehr zu berücksichtigen, da der neue Sachvortrag, nach dem das Grundstück hoheitlichen Zwecken diene, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung ohne nachgelassene Schriftsatzfrist erfolgt sei.322 Der Bundesgerichtshof verkannte, dass er die deutsche Gerichtsbarkeit als Verfahrensvoraussetzung in jedem Verfahrensstadium und daher auch noch bis Erlass seiner Entscheidung von Amts wegen hätte prüfen müssen,323 anstatt den Vortrag der Russischen Föderation als präkludiert zurückzuweisen. b. Darlegungs‑ und Beweislast Hat das Gericht die Art des Verwendungszwecks zwar von Amts wegen zu prüfen, nicht aber zu ermitteln, so bedarf es der Klärung, wer von beiden Par Siehe auch Kapitel C. VII. 2. a.   So z. B. OLG München, FGPrax 2015, 17 (19); vgl. allgemein Zöller/Greger, ZPO, § 139 Rdnr. 9. 321  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 176; ferner Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 227. 322 BGH, WM 2008, 2302 (2303 f.). 323  BVerfGE 46, 342 (359); BGH, Rpfleger, 2003, 518 (519); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 9; Zöller/Lückemann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18–20 GVG Rdnr. 3. 319 320

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teien die Darlegungs‑ und Beweislast trägt. Nach überwiegender Auffassung trägt diese nach allgemeinen Regeln derjenige, der sich auf sie berufe. Dies sei der ausländische Staat, weil er die Vollstreckungsimmunität für einen Vermögensgegenstand in Anspruch nehme.324 Verblieben nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen Zweifel, welchem Zweck der zu vollstreckende Vermögensgegenstand des ausländischen Staates diene, gelte der Grundsatz in dubio pro iurisdictione, non pro immunitate.325 Die Gegenauffassung weist dem Vollstreckungsgläubiger die Darlegungs‑ und Beweislast zu. Lasse sich der Verwendungszweck nicht aufklären, so gelte die normale Beweislastverteilung. Zweifel führten dazu, dass die deutsche Gerichtsbarkeit nicht angenommen werden könne.326 Beide Auffassungen gehen damit wie selbstverständlich davon aus, dass eine Antwort auf die Frage nach der Darlegungs‑ und Beweislast in der deutschen Rechtsordnung zu suchen ist.327 Hierbei übersehen sie, dass sich die Beweislast im internationalen Zivilprozessrecht vorrangig nach der lex causae, also den völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität, beurteilt.328 Eine entsprechende Beweislastregel enthält Art. 19 lit. c) UN-Übereinkommen. Nach dieser Bestimmung dürfen gegen das Vermögen eines Staates im Zusammenhang mit einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Staates nach der Entscheidung keine Zwangsmaßnahmen angeordnet werden, sofern und soweit nicht der Nachweis erbracht worden ist, dass das Vermögen von dem Staat eigens zu anderen als nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist und dass es sich im Gerichtsstaat befindet. Wefelscheid folgert aus dieser Regelung, dass das Vollstreckungsorgan auch bei verbleibenden Zweifeln vollstrecken müsse.329 Einer solchen Schlussfolgerung steht allerdings der Wortlaut der Vorschrift entgegen, nach dem der Nachweis zu erbringen ist, dass der Vollstreckungsgegenstand anderen als nicht privatwirtschaftlichen staatlichen, also nichthoheitlichen Zwecken dient. Die Beweislast trägt demzufolge der Vollstreckungsgläubiger.330 324  BGH, NZM 2010, 55 (56); KG, IPRax 2011, 594 (595 f.); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 176; Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 82 f., Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 191; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (310); Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (534 f.): für gemischt genutzte Konten; Dutta, IPRax 2007, 109 (111); Weller, RIW 2010, 599 (600); ders., IPRax 2011, 574 (574); implizit auch OLG Köln, IPRspr. 2003 Nr. 118, S. 354 (359). 325  Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 82; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (310); Dutta, IPRax 2007, 109 (111). 326 OLG München, FGPrax 2015, 17 (19); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 296 und für Staatsunternehmen S. 303 f. 327  So explizit Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 188. 328 Vgl. BGHZ 3, 342 (346); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 2340; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 752. 329  Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 232. 330 OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412.

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Vor allem aber gilt im Völkerrecht nach wie vor nicht nur im Erkenntnisverfahren,331 sondern auch in der Zwangsvollstreckung der Grundsatz in dubio pro immunitate.332 Bis jedenfalls in die Anfänge des 20. Jahrhunderts bestand die allgemeine völkerrechtliche Regel, dass ausländischen Staaten absolute Vollstreckungsimmunität zukam. Dieser Grundsatz wurde zu Gunsten der Zwangsvollstreckung in Gegenstände mit einem nichthoheitlichen Verwendungszweck zwar modifiziert, nicht aber so weit zurückgedrängt, dass einem ausländischen Staat nur noch in Ausnahmenfällen Vollstreckungsimmunität zu gewähren wäre. Die Gewährung von Vollstreckungsimmunität bleibt weiterhin der Regelfall, wie es auch Art. 18, 19 UN-Übereinkommen, Art. 23 EuStImm, § 1609 FSIA und sec. 13 (2) (b) SIA vorsehen. Damit gehen  – parallel zum Erkenntnisverfahren333  – verbleibende Zweifel im Hinblick auf den Verwendungszweck zulasten des Vollstreckungsgläubigers. Dieser muss darlegen und im Streitfall beweisen, dass dem zu vollstreckenden Gegenstand ein nichthoheitlicher Verwendungszweck zukommt. Aber selbst wenn die deutschen Regeln zur Darlegungs‑ und Beweislast heranzuziehen wären, so käme man zu dem gleichen Ergebnis: Die Vollstreckungsimmunität begründet kein Pfändungsverbot wie zum Beispiel die Regelung des § 811 ZPO über unpfändbare Sachen, sondern sie schließt die deutsche Gerichtsbarkeit aus. Diese ist – wie bereits das Bundesverfassungsgericht darlegte – eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung334 und wie jede andere solche Voraussetzung auch vom Vollstreckungsgläubiger darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Gleichwohl kann der Vollstreckungsgläubiger vor der Schwierigkeit stehen, nichts Substantielles zum Verwendungszweck vortragen zu können. Während etwa bei einer beabsichtigten Vollstreckung in ein Grundstück dessen Verwendungszweck eher nach außen hin erkennbar ist, so hat er bei einer beabsichtigten Kontopfändung regelmäßig keinen Einblick, wie genau der ausländische Staat das Guthaben zu verwenden bezweckt. Besteht für den Vollstreckungsgläubiger keine Möglichkeit, den Verwendungszweck substantiiert darzulegen, so trifft den ausländischen Staat als Vollstreckungsschuldner eine sekundäre Darlegungslast.335 Der Vollstreckungsgläubiger muss also zunächst vortragen, dass der Vollstreckungsgegenstand nichthoheitlichen Zwecken dient. Hierfür genügt es, dass er Anhaltspunkte darlegt, die den nichthoheitlichen Verwendungszweck nicht von vornherein als abwegig erscheinen lassen. Sodann liegt es beim ausländischen  Siehe hierzu bereits ausführlich Kapitel C. VII. 2. b. Internationales Wirtschaftsrecht, § 7 Rdnr. 12; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 186 f. 333  Siehe Kapitel C. VII. 2. b. 334 BVerfGE 46, 342 (359); ebenso BGH, Rpfleger, 2003, 518 (519); OLG Frankfurt, NJW 1981, 2650 (2650); MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 9; Weller, Rpfleger 2006, 364 (365). 335 OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412. 331

332 Herdegen,

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Staat als Vollstreckungsschuldner, Angaben zum Verwendungszweck des zu vollstreckenden Gegenstandes machen, indem er diesen hinreichend konkret benennt. Die bloße Berufung auf Vollstreckungsimmunität ohne Darlegung des Verwendungszwecks genügt indessen nicht.336 Kommt der ausländische Staat seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, so gilt die Behauptung des primär darlegungspflichtigen Vollstreckungsgläubigers trotz mangelnder Substantiierung gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.337 Zeigt er hingegen einen hoheitlichen Verwendungszweck auf, so obliegt es im Anschluss wiederum dem Vollstreckungsgläubiger, diesen Vortrag durch einen substantiierten Sachvortrag mit entsprechenden Beweisangeboten zu widerlegen.338 Dem ausländischen Staat steht die Möglichkeit eines Gegenbeweises offen. Verbleiben nach einer Beweisaufnahme Zweifel am Verwendungszweck, so gehen diese zulasten des Vollstreckungsgläubigers. Ein Paradebeispiel, wie die Darlegungs‑ und Beweislast auf keinen Fall funktionieren können, lieferte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung über die Pfändung von Mietzinsforderungen der Russischen Föderation aus der Vermietung eines Ladenlokals im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin. Hierin konstatierte er zunächst in einem Nebensatz ohne nähere Begründung, die Russische Föderation trage nach allgemeinen Regeln die Darlegungs‑ und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vollstreckungsimmunität.339 Daraufhin erachtete er allein die eidesstattliche Versicherung des Direktors des Russischen Hauses, die Zahlungen auf die Mietzinsforderungen würden zum Zweck des Betriebs der kulturellen Einrichtungen des Russischen Hauses verbraucht, für maßgeblich. Das Bestreiten des Vollstreckungsgläubigers hielt er hingegen für unbeachtlich und setzte sich mit den von diesem vorgetragenen Tatsachen, die einen nichthoheitlichen Verwendungszweck nahelegten, nicht auseinander.340 Damit übersah der Bundesgerichtshof den sich aus dem Recht auf rechtliches Gehör und aus der prozessualen Waffengleichheit ergebenden elementaren zivil336  BGH, IPRspr. 2008 Nr. 108, S. 354 (355 f.); OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412. In diese Richtung auch Weller, RIW 2010, 599 (602), obwohl nach seiner Auffassung der ausländische Staat die Beweislast trägt: Könne der Gläubiger ohne jegliches Mitwirken des ausländischen Staates objektive Umstände dartun, welche die Überzeugung des Richters von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verwendung des Vermögensgegenstandes zu hoheitlichen Zwecken entfallen ließen, dann müsse der ausländische Staat seinerseits genau darlegen, dass dennoch das Gegenteil mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Fall sei. 337  Vgl. MünchKomm/Fritsche, ZPO, § 138 Rdnr. 21; Zöller/Greger, ZPO, vor § 284 Rdnr. 34c. 338  OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24412. 339  BGH, NZM 2010, 55 (56). 340 BGH, NZM 2010, 55 (56); kritisch hierzu Weller, LMK 2010, 304719. Anders hingegen BGH, NJW-RR 2003, 1218 (1220) zur Vollstreckungsimmunität eines für diplomatische Zwecke genutzten Grundstücks, indem er den Gläubigervortrag zur nichthoheitlichen Nutzung zumindest würdigte.

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prozessualen Grundsatz, dass der Vortrag beider Parteien im Erinnerungsverfahren gem. § 766 ZPO als kontradiktorisch ausgestaltetem Verfahren Berücksichtigung finden muss. Indem er den Vortrag des Vollstreckungsgläubigers für unbeachtlich hielt und ihm damit die Möglichkeit zum Gegenbeweis abschnitt, stellte er im praktischen Ergebnis die Zwangsvollstreckung zur Disposition des russischen Staates und kehrte damit zum längst überwundenen Prinzip der absoluten Vollstreckungsimmunität zurück.341 Die ausdifferenzierte Darlegungs‑ und Beweislastverteilung gilt auch dann, wenn in ein gemischt genutztes Konto vollstreckt werden soll. Gleichwohl wird vereinzelt vertreten, dass ein ausländischer Staat, der ein solches Konto unterhalte, die Beweislast für den hoheitlichen Verwendungszweck zu tragen habe, da rechtspolitisch die Haltung gemischter Konten unerwünscht sei. Er habe konkret nachzuweisen, dass die beabsichtigte Vollstreckungshandlung eine wesentliche Beeinträchtigung der öffentlichen Aufgaben, denen das Konto diene, darstelle. Im Hinblick auf die Nachschussmöglichkeit werde dieser Beweis nicht leicht fallen.342 Diesem Petitum steht allerdings entgegen, dass weder der rechtspolitische Wunsch die geltende Rechtslage zu ersetzen noch eine Nachschussmöglichkeit den Verwendungszweck zu beeinflussen vermag. Vor allem aber verstößt eine derartige Darlegungs‑ und Beweislastverteilung gegen das in Art. 2 Nr. 7 UN-Charta verankerte völkerrechtliche Nichteinmischungsgebot.343 Die Entscheidung eines ausländischen Staates, welche Konten er zu welchen Zwecken führen will, gehört zu seinen inneren Angelegenheiten und ist Ausdruck seiner Souveränität. Der Gerichtsstaat darf dessen Entscheidungsbefugnis nicht in der Weise beeinflussen, dass er an die Gewährung von Vollstreckungsimmunität Anforderungen über das völkerrechtlich gebotene Maß hinaus stellt. Das Völkerrecht verlangt nur einen hoheitlichen Verwendungszweck, nicht aber die Offenlegung der einzelnen Buchungspositionen zum Nachweis, dass eine Vollstreckungshandlung trotz Nachschussmöglichkeit den ausländischen Staat in der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben wesentlich beeinträchtigt.344 Dem hinter dieser Forderung stehenden Gedanken eines größeren Schutzes des Vollstreckungsgläubigers wird bereits mit einer sekundären Darlegungslast des ausländischen Staates hinreichend Rechnung getragen, ohne zugleich dessen Souveränität zu verletzen.  Weller, RIW 2010, 599 (599, 602 f.).  Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (534 f.); Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 285 ff. fordert den Strengbeweis für Konten, die für Beschaffungskäufe oder Anleihebegebungen ausgewiesen sind; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 180 plädiert für höhere Anforderungen an die Beweislast bei gemischten Konten. 343  Siehe hierzu auch Kapitel B. I. 1. 344  So auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 183; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 594. 341 342

IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks

361

c. Anforderungen an das Beweismaß Noch unbeantwortet ist die Frage nach dem Beweismaß, wenn es um den Verwendungszweck des zu vollstreckenden Gegenstandes geht: Genügt die bloße Behauptung des ausländischen Staates, der Vermögensgegenstand diene einem hoheitlichen Zweck, muss er die Zweckbestimmung glaubhaft machen oder ist der Strengbeweis erforderlich? Das Bundesverfassungsgericht konstatierte in seiner Grundsatzentscheidung über die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung in das Bankkonto der philippinischen Botschaft, dass das allgemeine Völkerrecht es nicht verwehre, vom Entsendestaat zu verlangen, glaubhaft zu machen, dass das zu vollstreckende Konto der Aufrechterhaltung der Funktionen seiner diplomatischen Vertretung diene. Für Inhalt und Form der Glaubhaftmachung müsse eine gehörige Versicherung durch ein zuständiges Organ des Entsendestaates genügen. Das Gericht ließ allerdings ausdrücklich offen, welche völkerrechtlichen Grenzen für das Beweisrecht im Hinblick auf Forderungen und sonstige Rechte aus anderen Konten als Botschaftskonten eines fremden Staates bei Banken im Gerichtsstaat zu beachten sind.345 Auch in den nachfolgenden Entscheidungen zur Staatenimmunität bezog es zu dieser Frage keine Stellung, so dass über die Anforderungen an das Beweismaß nach wie vor keine Einigkeit besteht. Teils wird es für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität als ausreichend erachtet, dass der ausländische Staat den hoheitlichen Zweck des zu vollstreckenden Gegenstandes benennt.346 Der Nachweis der tatsächlichen Verwendung könne dagegen nicht verlangt werden, da andernfalls der Schutz hoheitlicher Funktionen des ausländischen Staates lückenhaft bliebe. Dies sei auch mit dem Rechtsschutzinteresse des Vollstreckungsgläubigers vereinbar, da dieser im Gegenzug an mehreren Orten eine potentielle Zwangsvollstreckung betreiben könne, wenn ein ausländischer Staat und nicht eine Privatperson Vollstreckungsschuldner sei.347 Diese Auffassung wird jedoch dem Gewährleistungsgehalt des Rechts des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht nicht gerecht. Einem ausländischen Staat stünde Tür und Tor offen, sich durch die bloße Behauptung eines hoheitlichen Verwendungszwecks der Zwangsvollstreckung zu entziehen. Diese Missbrauchsgefahr ist nicht nur theoretischer Natur, da es ohnehin nur dann zur Zwangsvollstreckung kommt, wenn der Schuldnerstaat sich weigert, die titulierte Forderung zu erfüllen. Damit hätte er es im Ergebnis in der Hand, über die Gewährung von Vollstreckungsimmunität durch den Gerichtsstaat zu ent BVerfGE 46, 342 (402).  Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (145). Das KG, IPRax 2011, 594 (596) hielt sogar die Behauptung des ausländischen Staates für entbehrlich, wenn es auf der Hand liege, dass er mit dem zu vollstreckenden Gegenstand hoheitliche Zwecke verfolge. 347 Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (145). 345 346

362

D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

scheiden. Eine solche Aushöhlung der Beweisanforderungen bedeutete de facto eine Rückkehr zur absoluten Vollstreckungsimmunität.348 Daher werden von einigen Stimmen an einen ausländischen Staat dieselben Anforderungen im Hinblick auf das Beweismaß gestellt wie an einen privaten Vollstreckungsschuldner. Für beide würden das Strengbeweisverfahren und die Mittel des Strengbeweises gelten.349 Dies ermögliche dem Vollstreckungsgläubiger eine effektive Zwangsvollstreckung, weil die Missbrauchsmöglichkeiten für einen ausländischen Staat – etwa indem er Auslandskonten ausschließlich auf den Namen seiner Zentralbank lauten lasse und damit währungspolitische Zwecke für sich reklamiere – verringert würden.350 Allerdings verlangt das in Art. 2 Nr. 7 UN-Charta verankerte Nichteinmischungsgebot, dass sich der Gerichtsstaat nicht mehr als nötig in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einmischt. Müsste dieser den vollen Beweis erbringen, dass der zu vollstreckende Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient, so wäre dies häufig nur durch die Preisgabe von Staatsinterna möglich. So könnte ein ausländischer Staat beispielsweise gezwungen sein, militärische Vorhaben durch die Vorlage von Urkunden im Detail zu offenbaren. Durch eine Offenbarungsobliegenheit interner Vorgänge hoheitlicher Art im Rahmen einer Beweiserhebung wären die völkerrechtlichen Grenzen des Nichteinmischungsgebotes überschritten. Den vollen Beweis darf ein deutsches Gericht mit Rücksicht auf die Souveränität des ausländischen Staates nicht verlangen.351 Vielmehr erfordern das Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht einerseits und das Nichteinmischungsgebot zu Gunsten des ausländischen Staates andererseits einen Kompromiss dergestalt, dass Letzterer den hoheitlichen Zweck des zu vollstreckenden Vermögensgegenstandes glaubhaft macht. Die vom Bundesverfassungsgericht im „philippinischen Botschaftskontofall“ festgestellte völkerrechtliche Regel, dass das Völkerrecht es nicht verwehre, vom Entsendestaat die Glaubhaftmachung darüber zu verlangen, dass das zu vollstreckende Konto der Aufrechterhaltung der Funktionen seiner diplomatischen Vertretung diene,352 lässt sich mithin auf andere Vollstreckungsgegenstände über348 Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (531); kritisch auch SeidlHohenveldern in: Sandrock (Hrsg.), FS Beitzke, S. 1081 (1098); Kröll, IPRax 2004, 223 (227). 349  Dutta, IPRax 2007, 109 (111); ferner Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, S. 287 für Konten, die für Beschaffungskäufe oder Anleihebegebungen ausgewiesen seien, und S. 304 für Staatsunternehmen als Vollstreckungsschuldner sowie Stein, IPRax 1984, 179 (183), der gesteigerte Beweisanforderungen befürwortet. 350 Stein, IPRax 1984, 179 (183). 351  BGH, Rpfleger 2003, 518 (520); SchiedsVZ 2006, 44 (46); MDR 2007, 1282 (1282 f.); NZM 2010, 55 (56); BeckRS 2016, 20152; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 176 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 594; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (267); Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308 f.); Roeder, JuS 2005, 215 (218); Weller, RIW 2010, 599 (600). 352 BVerfGE 46, 342 (364).

IV. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks

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tragen. So hat sich das Beweismaß der Glaubhaftmachung mittlerweile in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum weitgehend etabliert, wenn es um die Vollstreckung in die Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates geht.353 Die Glaubhaftmachung i. S. v. § 294 Abs. 1 ZPO erfordert im Unterschied zum Vollbeweis, der erst bei voller richterlicher Überzeugung geführt ist, einen geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit. Eine Behauptung ist bereits dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Das Gericht muss das Vorliegen von Tatsachen, aus denen sich ein hoheitlicher Verwendungszweck ergibt, für wahrscheinlicher halten als das Vorliegen von Tatsachen, aus denen sich ein nichthoheitlicher Verwendungszweck ergibt.354 Als Mittel der Glaubhaftmachung kommt neben den Strengbeweismitteln insbesondere eine eidesstattliche Versicherung der Parteien oder Dritter in Betracht.355 Teilweise wird das Mittel der Glaubhaftmachung nivelliert. So lässt selbst der Bundesgerichtshof in einigen, wenn auch nicht in allen Entscheidungen eine formelhafte Glaubhaftmachung durch gehörige Versicherung eines zuständigen Organs genügen, um eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Vortrags des ausländischen Staates trotz widerstreitenden Vortrags des Gläubigers anzunehmen.356 So erachtete er eine Erklärung des Botschaftsrates der russischen Botschaft für ausreichend, in der dieser formelhaft versicherte, die gepfändeten Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche des russischen Staates dienten ausschließlich der Aufrechterhaltung der Funktionen seiner diplomatischen Mission und konsularischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland.357 In ähnlicher Weise ließ das Kammergericht die schriftliche Bestätigung des argentinischen Botschafters genügen, dass die Konten der argentinischen Botschaft der Abwicklung von Ausgaben und Kosten für die Einrichtung und die Tätigkeit der diplomatischen Mission dienten und eine Pfändung den Botschaftsbetrieb schwerwiegend beeinträchtigen würde.358 Eine derartige pauschale Glaubhaftmachung hat allerdings nichts mit der Glaubhaftmachung i. S. v. § 294 Abs. 1 ZPO zu tun und findet auch sonst keine Stütze im Gesetz. Der zwischen dem Recht des Vollstreckungsgläubigers auf 353 BGH, Rpfleger 2003, 518 (520); SchiedsVZ 2006, 44 (46); MDR 2007, 1282 (1282 f.); NZM 2010, 55 (56); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (367); LG Frankfurt, RIW 2001, 308 (308); LG Bonn, NJW-RR 2009, 1316 (1317); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 594; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 192; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308 f.); Roeder, JuS 2005, 215 (218); Weller, Rpfleger 2006, 364 (368); ders., RIW 2010, 599 (601); ders., LMK 2010, 304719; ders., IPRax 2011, 574 (574). 354 Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 191; Weller, RIW 2010, 599 (601); vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 294 Rdnrn. 1 f. 355  Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 294 Rdnr. 2; Weller, RIW 2010, 599 (602). 356 BGH, NJW-RR 2003, 1218 (1220); SchiedsVZ 2006, 44 (46); WM 2006, 41 (42); BeckRS 2016, 20152; KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (367); Weller, Rpfleger 2006, 364 (368). 357  BGH, WM 2006, 41 (41 f.); so auch KG, IPRspr. 2003 Nr. 121, S. 373 (375 f.) als Vorinstanz. 358 KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (367).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Zugang zu Gericht und dem Nichteinmischungsgebot zu Gunsten des ausländischen Staates gefundene Kompromiss wird zur Makulatur, lässt man eine formelhafte Erklärung eines Vertreters des ausländischen Staates für die Glaubhaftmachung eines hoheitlichen Verwendungszwecks genügen. Durch eine solch weite Absenkung des Beweismaßes könnte ein ausländischer Staat durch eine entsprechende Erklärung jeden Vermögensgegenstand dem inländischen Vollstreckungszugriff entziehen. Soll das Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht ernst genommen werden, so bedarf auch die Glaubhaftmachung einer nicht gänzlich unsubstantiierten Darlegung des Verwendungszwecks.359 Der ausländische Staat darf einen hoheitlichen Verwendungszweck nicht lediglich pauschal behaupten, umgekehrt muss er ihn aber nicht bis ins letzte Detail offenlegen. Die Glaubhaftmachung erfordert vielmehr, dass er einen konkreten Zweck benennt und hierzu insoweit Angaben macht, dass der Vollstreckungsgläubiger die Chance zu einem konkretem Gegenvortrag erhält. So hielt es der Bundesgerichtshof – zutreffend – für ausreichend, dass im Hinblick auf die Zwangsversteigerung eines in Bonn belegenen Grundstücks des kenianischen Staates dessen Botschafter in einer Verbalnote erklärt hatte, das Grundstück diene trotz seiner Veräußerung nach wie vor als diplomatische Residenz der Botschaft. Sie werde zur Unterbringung des Botschafters und der Mitarbeiter der diplomatischen Mission bei Dienstreisen von Berlin nach Bonn und der Besucherdelegationen aus Kenia genutzt.360 Vor allem darf eine falsch verstandene Völkerrechtsfreundlichkeit nicht dazu führen, jede Erklärung eines staatlichen Vertreters als Mittel der Glaubhaftmachung anzusehen. Vielmehr kennt die Zivilprozessordnung als solche Mittel nur die Strengbeweismittel und gem. § 294 Abs. 1 ZPO die Versicherung an Eides statt361. Darüber hinaus genügt von Völkerrechts wegen  – so auch das Bundesverfassungsgericht im „philippinischen Botschaftskontofall“  – eine gehörige Versicherung eines zuständigen Organs des Entsendestaates.362 So kann insbesondere der Leiter der diplomatischen Vertretung in Deutschland mit einer Verbalnote die tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen sich ein hoheitlicher Verwendungszweck ergibt, glaubhaft machen.363 Aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit folgt weiter, dass auch für den primär beweisbelasteten Vollstreckungsgläubiger nicht der Vollbeweis, sondern das abgestufte Beweismaß der Glaubhaftmachung gilt. Dieser muss Tatsachen darlegen und glaubhaft machen, aufgrund derer ein nichthoheitlicher  Dutta, IPRax 2007, 109 (111); Weller, RIW 2010, 599 (601). Rpfleger 2003, 518 (520). 361  Zur Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung vgl. auch LG Frankfurt, RIW 2001, 308 (308); Weller, RIW 2010, 599 (602). 362 BVerfGE 46, 342 (400); BGH, BeckRS 2016, 20152; ZfBR 2016, 571 (575); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 195. 363  BGH, Rpfleger 2003, 518 (520); BeckRS 2016, 20152; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 176 (Fn. 292). 359

360 BGH,

V. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt

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Verwendungszweck des zu vollstreckenden Gegenstandes wahrscheinlicher ist als ein hoheitlicher Verwendungszweck.364 Vor allem aber begründet eine eidesstattliche oder gehörige Versicherung zu Gunsten des ausländischen Staates keine unwiderlegliche Vermutung für einen hoheitlichen Verwendungszweck. Vielmehr hat das Gericht auch den Vortrag des Vollstreckungsgläubigers zu berücksichtigen und das Ergebnis der Beweisaufnahme umfassend zu würdigen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Versicherung zu Gunsten des ausländischen Staates der vom Vollstreckungsgläubiger glaubhaft gemachten tatsächlichen Verwendung des Gegenstandes widerspricht.365 Dies übersah der Bundesgerichtshof, indem er die Erklärung des Botschaftsrates der russischen Botschaft, die gepfändeten Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche dienten der Aufrechterhaltung der Funktionen der Botschaft und der Konsulate in Deutschland, genügen ließ und dabei den unter Beweis gestellten Vortrag des Vollstreckungsgläubigers außer Acht ließ. So ging er auf dessen Argument, die Rückerstattungsansprüche beruhten auf fiskalischem Handeln, ebenso wenig ein wie auf die Frage, ob es glaubhaft ist, dass die an einzelne Diplomaten und Konsularbeamte geleisteten Erstattungen für zum persönlichen Gebrauch bestimmte Gegenstände und Leistungen Teil des Budgets der Botschaft bzw. der Konsulate werden.366 Zu Recht weist daher Geimer darauf hin, dass es selbst bei restriktivster Betrachtungsweise keine völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des russischen Staates gewesen wäre, wenn das Kammergericht als Vorinstanz beim deutschen Bundesministerium der Finanzen nachgefragt hätte, auf welches Konto die Erstattungsbeträge von deutscher Seite überwiesen worden seien.367

V. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt Ist der Verwendungszweck hinreichend präzisiert und sind Beweislast und Beweismaß geklärt, so stellt sich für den Vollstreckungsgläubiger immer noch die vordringliche Frage, auf welche konkreten Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates er im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen kann.

364  Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 193; Weller, LMK 2010, 304719; ders., RIW 2010, 599 (602); ders., IPRax 2011, 574 (574 f.); vgl. allgemein Zöller/Greger, ZPO, § 294 Rdnr. 2. 365  Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308 f.); Weller, LMK 2010, 304719; ders., RIW 2010, 599 (602). 366 BGH, WM 2006, 41 (41 f.); so bereits das KG, IPRspr. 2003 Nr. 121, S. 373 (375 f.) als Vorinstanz – kritisch hierzu Fassbender, IPRax 2006, 129 (132) und Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108 f.). 367 Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

1. Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen Als potentielle Vollstreckungsobjekte bieten sich zunächst bewegliche Sachen wie Schiffe, Flugzeuge, militärische Gegenstände, Kunstwerke und andere Kulturgüter sowie Gegenstände der diplomatischen Mission und der konsularischen Vertretungen an. Die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in bewegliche Sachen erfolgt in der Regel durch Pfändung nach §§ 808 ff. ZPO.368 Dies gilt nach § 930 Abs. 1 ZPO auch für die Vollziehung eines Arrestbefehls. a. Schiffe Staatliche Schiffe gerieten bereits ins Visier der Vollstreckungsgläubiger, als nach dem Ersten Weltkrieg etliche Staaten begannen, verstärkt Handelsschifffahrt zu betreiben. Da private Reeder und ihre Versicherer es als ungerecht empfanden, dass die Gerichte ausländischen Staaten für ihre Handelsschiffe uneingeschränkt Vollstreckungsimmunität gewährten, waren Staatsschiffe bereits frühzeitig Gegenstand völkervertraglicher Regelungen. Den Anfang machte das auch für die Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren369 relevante Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über die Immunität der staatliche Seeschiffe vom 10. 4. ​1926 (Brüsseler Übereinkommen) nebst Zusatzprotokoll vom 24. 5. ​1934.370 Nach Art. 3 § 1 S. 1 Brüsseler Übereinkommen sind die Beschlagnahme und die Arrestierung folgender staatlicher Seeschiffe unzulässig: Kriegsschiffe, Staatsjachten, Schiffe des Überwachungsdienstes, Hospitalschiffe, Hilfsschiffe, Proviantschiffe und andere Schiffe, die einem anderen Staat gehören oder von ihm verwendet werden und die zur Zeit des Entstehens der titulierten Forderung ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt sind oder verwendet werden. Dem Sicherungs‑ und Vollstreckungszugriff ebenfalls entzogen sind nach Art. 3 § 3 S. 1 Brüsseler Übereinkommen Ladungen, die einem Staat gehören und an Bord von privaten Schiffen für staatliche und nicht für Handelszwecke befördert werden. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen371 (SRÜ), das am 10. 12. ​1982 in Montego Bay (Jamaika) geschlossen wurde und am 16. 11. ​1994 in Kraft trat, enthält ebenfalls Regeln zur Vollstreckungsimmunität im Hinblick auf staatliche Seeschiffe. Das SRÜ, dem mittlerweile 167 Staaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, beigetreten sind, fasst das vorher geltende, in den vier Genfer Seerechtskonventionen von 1958 kodifizierte Seerecht zusammen. Nach Art. 95 SRÜ genießen Kriegsschiffe auf Hoher See vollständige Immunität 368 Zur

Herausgabevollstreckung siehe Kapitel D. V. 4. a.  Siehe Kapitel C. II. 6. 370  Brüsseler Übereinkommen: RGBl. 1927 II, S. 483; Zusatzprotokoll: RGBl. 1936 II, S. 303. 371 BGBl. 1994 II, S. 1799. 369

V. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt

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von der Hoheitsgewalt jedes anderen Staates als des Flaggenstaates. Nach Art. 96 SRÜ gilt dies auch für einem Staat gehörende oder von ihm eingesetzte Schiffe auf Hoher See, die im Staatsdienst ausschließlich für andere als Handelszwecke genutzt werden. Für Schiffe, die sich im Küstenmeer i. S. v. Art. 3 ff. SRÜ befinden, gelten folgende Regelungen: Nach Art. 32 SRÜ bleiben die Immunitäten der Kriegsschiffe und der sonstigen Staatsschiffe, die anderen als Handelszwecken dienen, unberührt. Im Hinblick auf die Gewährung von Immunität für Staatsschiffe, die Handelszwecken dienen, differenziert Art. 28 SRÜ zwischen den das Küstenmeer durchfahrenden und den im Küstenmeer liegenden Schiffen: So darf nach Art. 28 Abs. 2 SRÜ der Küstenstaat Vollstreckungs‑ oder Sicherungsmaßnahmen gegen ein das Küstenmeer durchfahrendes Schiff nur wegen Verbindlichkeiten oder der Haftung ergreifen, die für das Schiff selbst während oder wegen seiner Durchfahrt durch die Gewässer des Küstenstaates entstanden sind. Für im Küstenmeer liegende oder dieses nach Verlassen der inneren Gewässer durchfahrende Staatsschiffe, die Handelszwecken dienen, erklärt Art. 28 Abs. 3 SRÜ das Recht des Küstenstaates, in Übereinstimmung mit seinen Rechtsvorschriften Vollstreckungs‑ oder Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, für unberührt. Insoweit gelten also vor deutschen Gerichten die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln zur Vollstreckungsimmunität. Schließlich folgt aus der allgemeinen Regelung in Art. 21 Abs. 1 lit. b) UNÜbereinkommen die Vollstreckungsimmunität für Kriegsschiffe. Danach unterliegt Vermögen militärischer Art oder für die Wahrnehmung militärischer Aufgaben genutztes oder bestimmtes Vermögen nicht dem Vollstreckungszugriff eines anderen Staates. Da es sich hierbei nur um eine beispielhafte, nicht aber abschließende Regelung handelt, entscheidet im Hinblick auf alle anderen Schiffe nach Art. 19 lit. c) UN-Übereinkommen – wie auch nach dem Völkergewohnheitsrecht – der Verwendungszweck über die Gewährung von Vollstreckungsimmunität. Wird ein Schiff für hoheitliche Zwecke genutzt, so unterliegt es nicht dem Vollstreckungszugriff, während einem ausländischen Staat für seine Staatshandelsschiffe keine Immunität zukommt.372 Auf den Verwendungszweck stellte auch der Internationale Seegerichtshof in Hamburg ab, den Argentinien anrief, weil der High Court of Accra 2012 auf Antrag eines Hedgefonds mit Sitz auf den karibischen Cayman Islands das in den Hafen von Tema in Ghana eingelaufene Segelschulschiff ARA Libertad der argentinischen Marine wegen ausstehender Forderungen über circa 300 Mio. US-Dollar aus argentinischen Staatsanleihen beschlagnahmt hatte. Da das Schiff 372  Menzel, Die Immunität der Staatsschiffe, S. 12 f.; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 44; Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 127; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 101; für Kriegsschiffe vgl. auch Berg, ZaöRV 42 (1982), 295 (312) und Mössner, NJW 1982, 1196 (1197).

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der Ausbildung der argentinischen Marine diene und daher als Kriegsschiff immun sei, forderte der Internationale Seegerichtshof Ghana auf, es sofort und bedingungslos freizugeben.373 b. Flugzeuge Neben Schiffen sind auch Flugzeuge begehrte Vollstreckungsobjekte, wenn es um die Durchsetzung einer titulierten Forderung gegen einen ausländischen Staat geht. So beantragte der Insolvenzverwalter der Walter Bau AG beim Oberlandesgericht München374, die Sicherungsvollstreckung nach § 1063 Abs. 3 ZPO aus einem Schiedsspruch zuzulassen, mit dem ein Genfer Schiedsgericht das Königreich Thailand zur Schadensersatzzahlung i.  H.  v. 29,21 Mio. Euro wegen entgangener Mauteinnahmen für eine Schnellstraße von der Bangkoker Innenstadt zum ehemaligen internationalen Flughafen Don Mueang verurteilt hatte. Das Oberlandesgericht München erklärte sich für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Kammergericht, das dem Antrag stattgab und die Sicherungsvollstreckung aus dem Schiedsspruch anordnete. Daraufhin ließ der Insolvenzverwalter durch einen Obergerichtsvollzieher am Amtsgericht Erding eine Boeing 737–400 der Royal Thai Air Force, die der thailändische Kronprinz während seines Deutschlandaufenthaltes nutzte, auf dem Münchener Flughafen festsetzen.375 Militärflugzeuge unterliegen ebenso wie Kriegsschiffe nach Art. 21 Abs. 1 lit. b) UN-Übereinkommen nicht dem Vollstreckungszugriff eines anderen Staates. Darüber hinaus bleiben nach Art. 3 Abs. 3 UN-Übereinkommen die Immunitäten, die ein Staat für die ihm gehörenden oder von ihm eingesetzten Luftfahrzeuge und Weltraumgegenstände genießt, unberührt. Eine explizite völkervertragliche Regelung enthält das in Rom geschlossene Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29. 5. ​1933376 (Römer Abkommen). Das Abkommen gilt nach Art. 2 Abs. 1 für Sicherungsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz, nicht hingegen für die Zwangsvollstreckung aus einem Hauptsachetitel. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) Römer Abkommen sind Luftfahrzeuge, die ausschließlich für einen staatlichen Dienst bestimmt sind oder verwendet werden, der Sicherungsbeschlagnahme nicht unterworfen. Dabei wird klargestellt, dass der Dienst für Handelszwecke nicht als staatlicher Dienst gilt.

373  ITLOS, Entscheidung v. 15. 12. ​2012, Fall Nr. 20 – The „ARA Libertad“ Case, Rdnrn. 95, 108, abrufbar unter https://www.itlos.org/fileadmin/itlos/documents/cases/case_no.20/C20_ Order_15.12.2012.corr.pdf (28. 2. ​2017); vgl. auch Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597. 374  OLG München, IPRspr. 2011 Nr. 303, S. 811 (812 f.). 375  Vgl. zum Sachverhalt BGH, NJW-RR 2014, 64 (64) und Kapitel A. I. 376 RGBl. 1935 II, S. 302.

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Darüber hinaus richtet sich die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in staatliche Flugzeuge in Anwendung der allgemeinen völkerrechtlichen Regel zur Vollstreckungsimmunität wiederum nach dem Verwendungszweck: Während Flugzeuge, die kommerziellen Zwecken dienen, dem Vollstreckungszugriff unterliegen, ist die Pfändung von hoheitlichen Zwecken dienenden Flugzeugen unzulässig. Hierzu gehören insbesondere Militär-, Zoll‑ und Polizeiflugzeuge.377 Vor diesem rechtlichen Hintergrund verwundert die Festsetzung des Flugzeugs der Royal Thai Air Force auf dem Münchner Flughafen mit der Begründung, der thailändische Kronprinz habe es in Deutschland zur Absolvierung privater Flugstunden genutzt, ebenso wie die Freigabe durch das das Kammergericht nur gegen eine Bürgschaft über 42 Mio. Euro.378 Bereits das Oberlandesgericht München führte in seinem Verweisungsbeschluss aus, dass das Flugzeug militärischen Zwecken diene und deshalb nicht dem Vollstreckungszugriff unterliege. Schon die Beschriftung und Kodierung des Flugzeugs deute auf einen militärischen Zweck hin. Auch spreche nichts dafür, dass es aus seiner militärischen Verwendung herausgelöst und dem thailändischen Kronprinzen zur Privatnutzung überlassen worden sei, zumal dieser es in militärischer Uniform benutzt habe.379 Diese Qualifikation verdient Zustimmung. Selbst wenn der thailändische Kronprinz das Flugzeug während seines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland als Privatperson und nicht als Hoheitsträger benutzt hätte, so wäre dies keine Umwidmung. Vielmehr war mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der thailändische Kronprinz das Flugzeug in Thailand weiterhin zumindest auch in seiner Eigenschaft als staatlicher Hoheitsträger verwendet. Selbst bei der Annahme einer gemischten Zweckbestimmung kam daher dem Königreich Thailand wegen der Unteilbarkeit des Flugzeugs als Vollstreckungsobjekts Vollstreckungsimmunität zu.380 c. Militärische Gegenstände Neben Kriegsschiffen und Militärflugzeugen unterliegen auch andere militärische Gegenstände nicht der Zwangsvollstreckung. So bestimmt der bereits erwähnte Art. 21 Abs. 1 lit. b) UN-Übereinkommen, dass einem ausländischen Staat für Vermögen militärischer Art oder für die Wahrnehmung militärischer Aufgaben benutztes oder bestimmtes Vermögen Vollstreckungsimmunität zu-

377  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 182; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 592; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 106; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (309); Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 378  Vgl. hierzu KG, SchiedsVZ 2013, 112 (114). 379  OLG München, IPRspr. 2011 Nr. 303, S. 811 (812). 380 Zur gemischten Zweckbestimmung siehe auch Kapitel D. IV. 1. d.

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kommt. Auch nach § 1611 (b) (2) FSIA ist das für militärische Aktivitäten bestimmte oder verwendete Staatseigentum von der Vollstreckung ausgenommen. Diese Bestimmungen sind wiederum Ausdruck der allgemeinen völkerrechtlichen Regel zur Vollstreckungsimmunität. Militärische Gegenstände unterliegen nicht dem Vollstreckungszugriff eines anderen Staates, weil sie dem hoheitlichen Gebrauch durch das Militär dienen.381 Hierzu gehören – auch in Friedenszeiten – nicht nur die bereits erwähnten Kriegsschiffe und Militärflugzeuge, sondern zum Beispiel auch Panzer, Militärtransporter, Kriegswaffen nebst Munition, Geräte zur Übermittlung militärischer Nachrichten sowie Materialien für die Versorgung der Truppen.382 Im Erkenntnisverfahren kommt einem ausländischen Staat hingegen für Ansprüche aus einem Kaufvertrag, aufgrund dessen er militärische Gegenstände erworben hat, als actum iure gestionis keine Immunität zu.383 Während den auf deutschem Staatsgebiet stationierten ausländischen Truppenverbänden kraft Völkergewohnheitsrechts Vollstreckungsimmunität zuteilwird, ist dies für die einzelnen Truppenmitglieder und das zivile Gefolge in Art. VIII Abs. 5 lit. g) des NATO-Truppenstatuts vom 19. 6. ​1951384 explizit geregelt. Danach dürfen diese keinem Verfahren zur Vollstreckung eines Urteils unterworfen werden, das in dem Aufnahmestaat in einer aus der Ausübung des Dienstes herrührenden Angelegenheit gegen sie ergangen ist. d. Kunstgegenstände und andere Kulturgüter Der internationale Leihverkehr von Museen und der teils beträchtliche Gegenstandswert können Kunstgegenstände und andere Kulturgüter für Gläubiger zu attraktiven Vollstreckungsobjekten machen.385 Allerdings ist nach Art. 21 Abs. 1 lit. d) UN-Übereinkommen das Vermögen von der Vollstreckung ausgenommen, das Bestandteil des kulturellen Erbes des Staates oder seiner Archive ist und nicht zum Verkauf steht oder dazu bestimmt ist. Ein gewichtiges Indiz, ob ein Gegenstand zum kulturellen Erbe eines ausländischen Staates oder seiner Archive zählt, ist dessen Aufnahme in ein vom jeweiligen Staat geführtes Verzeichnis.386 So werden nach § 7 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zum Schutz von Kultur-

381  Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 539; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (529 f.). 382  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 180; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht, S. 54; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 590; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (147). 383 Siehe bereits Kapitel C. I. 2. c. 384  BGBl. 1961 II, S. 1190. 385  Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 113. 386 O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 21, S. 344.

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gut387 (KGSG) Kulturgüter, die für das kulturelle Erbe Deutschlands besonders bedeutsam sind und deren Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen. Darüber hinaus ist nach Art. 21 Abs. 1 lit. e) UN-Übereinkommen, der sich im Anwendungsbereich teilweise mit lit. d) überschneidet, das Vermögen dem Vollstreckungszugriff entzogen, das Bestandteil einer Ausstellung von wissenschaftlich, kulturell oder historisch bedeutsamen Gegenständen ist und nicht zum Verkauf steht oder hierzu bestimmt ist. Art. 21 Abs. 1 lit. d) und e) UNÜbereinkommen sind Ausdruck der allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Regel, nach der diejenigen Kunstgegenstände und anderen Kulturgüter dem Vollstreckungszugriff entzogen sind, denen ein hoheitlicher Verwendungszweck zukommt. Dies ist der Fall, wenn sie nicht zum Verkauf stehen oder hierzu bestimmt sind, sondern der kulturellen Repräsentation eines ausländischen Staates dienen.388 Dies gilt insbesondere für Kunstleihgaben an deutsche Museen389, selbst wenn sie noch nicht oder nicht mehr ausgestellt sind, aber auch für Gegenstände, die zum Betrieb von Kultur‑ und Forschungseinrichtungen in Deutschland bestimmt sind390. Darüber hinaus ist einem ausländischen Staat auch dann Vollstreckungsimmunität zu gewähren, wenn er Kulturgut als sog. Beutekunst völkerrechtswidrig durch entschädigungslose Enteignung erlangt hat. Wie bereits dargelegt, unterliegen die einem hoheitlichen Zweck dienenden Gegenstände unabhängig von ihrer Herkunft nicht dem Zugriff deutscher Vollstreckungsorgane.391 Die Vollstreckungsimmunität von in Deutschland vorübergehend ausgestellten Kunstgegenständen eines ausländischen Staates war auch Gegenstand zweier Entscheidungen des Kammergerichts. Die erste Entscheidung aus dem Jahr 2002 betraf einen Antrag auf Pfändung von Kunstgegenständen des Staates Libyen, die im ehemaligen Staatsratsgebäude in Berlin ausgestellt waren. Zutreffend 387 BGBl

I 2016, S. 1914. I. C. J. Reports 2012, 99 (148)  – Jurisdictional Immunities; Dickinson/Lindsay/ Loonam, State Immunity, Rdnr. 2.041; Weller, IPRax 2011, 574 (576). 389 KG, IPRax 2011, 594 (595); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 115; Weller, Rpfleger 2006, 364 (370). 390  Weller, IPRax 2011, 574 (575). So entschied der IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (148) für die umgekehrte Konstellation, dass der Bundesrepublik Deutschland für ihr in der Nähe des Comer Sees gelegenen Grundstücks, auf dem sich die Villa Vigoni befand, gegenüber den italienischen Gerichten Vollstreckungsimmunität zukomme. Da die Villa Vigoni Sitz eines Zentrums sei, das dem kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Italien und daher einem hoheitlich Zweck diene, verletze die Belastung des Grundstücks mit einer Zwangshypothek die Immunität Deutschlands. 391  Siehe hierzu näher Kapitel D. I. 2. b. aa.; speziell für „Beutekunst“ Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 116, dessen Annahme, § 1605 (a) (3) FSIA stufe die Staatenimmunität als nachrangig gegenüber dem Rückgabeanspruch des Eigentümers ein, allerdings fehlgeht, da sich diese Vorschrift ausdrücklich nur auf völkerrechtswidrig erlangte Gegenstände bezieht, die in den Vereinigten Staaten kommerziell verwendet werden. 388 IGH,

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entschied das Gericht, dass Libyen für die Kunstgegenstände Vollstreckungsimmunität zu gewähren sei, da ihnen ein hoheitlicher Verwendungszweck zukomme. Habe ein ausländischer Staat Kunstschätze des nationalen Erbes für eine Ausstellung in Deutschland zur Verfügung gestellt, so zähle dies zu seiner kulturellen Repräsentation und gehe über bloße kommerzielle Tourismuswerbung deutlich hinaus.392 Anknüpfend an diese Entscheidung entschied 2010 folgerichtig das Kammergericht, dass auch Syrien für seine Kulturgüter Vollstreckungsimmunität zukomme, da sie wiederum hoheitlichen Zwecken dienten. Diese wurden im Landesmuseum Baden-Württemberg in Stuttgart in der Ausstellung „Schätze des alten Syriens – die Entdeckung des Königreichs Qanta“, die unter der Schirmherrschaft des Vorsitzenden des syrischen Ministerrates stand, gezeigt. Syrien habe die Ausstellungsgegenstände über das Nationalmuseum in Damaskus zur Verfügung gestellt, um syrisches Kulturgut darzustellen und zu verbreiten. Den Gegenständen komme damit ein hoheitlicher Verwendungszweck zu.393 Ein Vollstreckungsverbot besonderer Art ergibt sich aus § 76 Abs. 2 KGSG für Kulturgüter aus dem Ausland, die vorübergehend für eine Ausstellung im Bundesgebiet ausgeliehen werden. So kann nach §§ 73 ff. KGSG die oberste Landesbehörde am Hauptsitz des Entleihers im Einvernehmen mit der für Kultur und Medien zuständigen obersten Bundesbehörde dem ausländischen Staat als Verleiher die Rückgabe für die Aufenthaltsdauer der Kulturgüter im Bundesgebiet schriftlich und unter Gebrauch der Formulierung „rechtsverbindliche Rückgabezusage“ zusagen, ohne dass diese Zusage zurückgenommen oder widerrufen werden kann. In diesem Fall sind nach § 76 Abs. 2 KGSG bis zur Rückgabe der Kulturgüter an den Verleiher nicht nur Herausgabeklagen und Arrestverfügungen, sondern auch Pfändungen und Beschlagnahmen unzulässig. Den Kunstleihgaben kommt damit freies Geleit zu.394 e. Bewegliche Gegenstände diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen Einem Gläubiger ist die Zwangsvollstreckung auch in all diejenigen beweglichen Gegenstände verwehrt, die einem ausländischen Staat zur Wahrnehmung der amtlichen Funktionen seiner diplomatischen Mission oder seiner konsulari-

392 KG,

Beschluss v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris.  KG, IPRax 2011, 594 (595); vgl. auch LG Berlin, IPRspr. 2010 Nr. 180a, S. 440 (441) als Vorinstanz. 394 Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 115 f.; Hirsch, NJW 2001, 1627 (1627); Weller, Rpfleger 2006, 364 (370). Den Sachverhaltsschilderungen des KG, Beschluss v. 26. 6. ​2002, Az. 9 W 176/02 – juris und des KG, IPRax 2011, 594 (594) lässt sich nicht entnehmen, dass eine „rechtsverbindliche Rückgabezusage“ vorgelegen hätte. 393

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schen Vertretungen dienen.395 Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen enthalten hierzu nicht abschließende, spezielle Regelungen, die auf der Pflicht des Empfangsstaates beruhen, die Erfüllung der Aufgaben der diplomatischen Mission (Art. 3 WÜD) und der konsularischen Vertretungen (Art. 5 WÜK) des Entsendestaates und damit deren Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. So untersagt Art. 22 Abs. 3 WÜD die Vollstreckung in die Einrichtung und in die sonstigen Gegenstände, die sich in den Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission befinden, sowie in deren Beförderungsmittel. Art. 31 Abs. 4 WÜK schützt diese Gegenstände hingegen nur vor einer Beschlagnahme für Zwecke der Landesverteidigung oder des öffentlichen Wohls. Darüber hinaus garantieren Art. 24 WÜD und Art. 33 WÜK die Unverletzlichkeit der diplomatischen bzw. konsularischen Archive und Schriftstücke. Art. 27 Abs. 2 WÜD und Art. 35 Abs. 2 WÜK erklären die amtliche Korrespondenz der diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung für unverletzlich. Nach Art. 27 Abs. 3 WÜD und Art. 35 Abs. 3 S. 1 WÜK darf das diplomatische bzw. konsularische Kuriergepäck nicht zurückgehalten werden. Neben diesen speziellen Bestimmungen ist auch nach Art. 21 Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen staatliches Vermögen, das für die Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Mission des Staates oder seiner konsularischen Vertretungen, Sondermissionen, Missionen bei internationalen Organisationen oder Delegationen bei Organen internationaler Organisationen oder bei internationalen Konferenzen benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist, von der Vollstreckung ausgenommen. Diese Regelung ergänzt – wie Art. 3 Abs. 1 UN-Übereinkommen klarstellt – die einem Staat von Völkerrechts wegen zukommenden Vorrechte und Immunitäten, anstatt sie zu verdrängen.396 Ebenso wenig ist in den beiden Wiener Übereinkommen über diplomatische bzw. konsularische Beziehungen ausweislich des fünften bzw. sechsten Erwägungsgrundes ihrer Präambeln die diplomatische bzw. konsularische Immunität abschließend geregelt. Vielmehr verpflichtet auch die völkergewohnheitsrechtliche Regel ne impediatur legatio den Gerichtsstaat, in keine Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates zu vollstrecken, derer er sich zur Wahrnehmung der amtlicher Funktionen seiner diplomatischen Mission oder konsularischen Vertretungen bedient.397 Angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Mission 395 BGH, Rpfleger 2003, 518 (519); MDR 2007, 1282 (1282); IPRspr. 2008 Nr. 108, S. 354 (355); NZM 2010, 55 (55); OLG Köln, FGPrax 2004, 100 (100); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 180. 396 Vgl. auch O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 21, S. 340. 397  BVerfGE 46, 342 (394 f.); BGH, MDR 2003, 1135 (1136); MDR 2007, 1282 (1282); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 80 f.; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308); siehe hierzu auch Kapitel D. I. 2. c.

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bzw. Vertretung und angesichts latenter Missbrauchsmöglichkeiten  – so das Bundesverfassungsgericht im „philippinischen Botschaftskontofall“ – zieht das Völkerrecht den Schutzbereich zu Gunsten eines ausländischen Staates weit. Die Gegenstände sind dem Vollstreckungszugriff bereits dann entzogen, wenn dadurch die Erfüllung der diplomatischen oder konsularischen Tätigkeit auch nur abstrakt gefährdet sein könnte.398

2. Zwangsvollstreckung in und im Hinblick auf Grundstücke In Deutschland belegene Grundstücke eines ausländischen Staates sind angesichts ihres Wertes und ihrer Ortsgebundenheit ebenfalls begehrte Vollstreckungsobjekte. Die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in ein Grundstück kann gem. § 866 Abs. 1 ZPO durch Eintragung einer Zwangshypothek, durch Zwangsversteigerung und durch Zwangsverwaltung erfolgen. Ein Arrest wird gem. § 932 Abs. 1 S. 1 ZPO durch die Eintragung einer Arresthypothek vollzogen. a. Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Soll ein Grundstück nach § 869 ZPO i. V. m. §§ 15 ff. ZVG zwangsversteigert werden, so ordnet das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist, auf Antrag des Gläubigers die Versteigerung an und bestimmt einen Versteigerungstermin, in dem das Grundstück an den Meistbietenden versteigert und ihm durch Zuschlag übereignet wird. Der dadurch erzielte Versteigerungserlös wird im Verteilungstermin an den Gläubiger ausgezahlt. Auf dessen Antrag kann das Amtsgericht auch nach § 869 ZPO i. V. m. §§ 146 ff. ZVG die Zwangsverwaltung eines Grundstücks anordnen und einen Zwangsverwalter bestimmen. Dieser setzt die für die Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld um und zahlt den Erlös an den Gläubiger aus. Beantragt ein Gläubiger die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines im Eigentum eines ausländischen Staates stehenden Grundstücks, so richtet sich die Gewährung von Vollstreckungsimmunität wiederum nach dessen Verwendungszweck. So erachtete beispielsweise der Bundesgerichtshof die von dem Investor Franz Sedelmayer beantragte Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung der sog. Russen-Siedlung in Köln als zulässig. Da das Grundstück von einem Einheitsunternehmen – einem Versorgungsunternehmen mit der Befugnis zur wirtschaftlichen Verwaltung russischen Staatseigentums  – verwaltet und 398 BVerfGE 46, 342 (395); so auch BVerfGE 117, 141 (156); BGH, MDR 2003, 1135 (1136); SchiedsVZ 2006, 44 (46); MDR 2007, 1282 (1282); NZM 2010, 55 (55); OLG Köln, FGPrax 2004, 100 (101); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 594; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (308); Roeder, JuS 2005, 215 (218); Weller, Rpfleger 2006, 364 (369).

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an eine Wohnungsbaugesellschaft weitervermietet werde, sei es einem nichthoheitlichen Verwendungszweck gewidmet. Demzufolge könne sich weder die Russische Föderation noch das Einheitsunternehmen als hoheitlich organisierte juristische Person auf Vollstreckungsimmunität berufen, da Letzterem jedenfalls keine weitergehende Immunität als dem russischen Staat zukomme.399 Dieser Entscheidung ist beizupflichten. Dagegen verfängt die Argumentation der Russischen Föderation nicht, mit der Übertragung der Grundstücksverwaltung auf das Einheitsunternehmen habe sie es einem hoheitlichen Zweck gewidmet.400 Die Vollstreckungsimmunität wird objektbezogen gewährt, so dass es allein auf den Verwendungszweck des Vollstreckungsobjekts ankommt. So stellte auch das Bundesverfassungsgericht zu Recht klar, dass nicht der Zweck des dem Einheitsunternehmen eingeräumten Rechts auf wirtschaftliche Verwaltung, sondern allein der Zweck des zu vollstreckenden Grundstücks entscheidend sei. Andernfalls hätte es ein ausländischer Staat in der Hand, einer juristischen Person ein hoheitlich ausgestaltetes Wirtschaftsverwaltungsrecht einzuräumen und dadurch ein Grundstück dem Vollstreckungszugriff zu entziehen.401 Insbesondere Grundstücke, auf denen sich die Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission oder konsularischen Vertretung befinden, sind vor einer Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung geschützt. Hierbei handelt es sich kraft Völkerrechts um exterritoriales Gebiet.402 Wie auch bei der Pfändung von beweglichen Gegenständen genügt es, dass die Vollstreckungsmaßnahme die Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung abstrakt gefährdet.403 Demzufolge vermag die von Becker aufgestellte These nicht zu überzeugen, eine Zwangsversteigerung beeinträchtige nicht die hoheitliche Funktion eines Botschaftsgrundstücks, weil der neue Eigentümer seinen Räumungsanspruch nicht durchsetzen könne.404 Bereits durch den Entzug des Eigentums und den damit verbundenen Verlust des Besitzrechts besteht jedenfalls die abstrakte Gefahr, dass eine diplomatische Mission in der Erfüllung ihrer Aufgaben tangiert wird, zumal der Zuschlagsbeschluss nach § 93 Abs. 1 S. 1 ZVG zugleich einen Räumungstitel darstellt.

399  BGH, WM 2008, 2302 (2304); auch OLG Köln, IPRspr. 2008 Nr. 187, S. 588 (598) als Vorinstanz und der Nichtannahmebeschluss des BVerfG, IPRax 2011, 389 (391 ff.). 400 Siehe dazu BVerfG, IPRax 2011, 389 (390 f.); auch Bungenberg, IPRax 2001, 356 (358) stellt auf den hoheitlichen Zweck des Wirtschaftsverwaltungsrechts ab. 401  BVerfG, IPRax 2011, 389 (391 f.). 402 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 535; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (147). 403 BGH, MDR 2003, 1135 (1136); BeckRS 2016, 20152; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (264 f.); Dahlhoff, BB 1997, 321 (324); Becker, JuS 2004, 470 (472). 404 So Becker, JuS 2004, 470 (472).

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Auch Art. 22 Abs. 3 WÜD bestimmt, dass der Entsendestaat für die Räumlichkeiten seiner Mission Vollstreckungsimmunität genießt. Zu diesen Räumlichkeiten gehören nach der in Art. 1 lit. I) WÜD enthaltenen Definition die Gebäude oder Gebäudeteile und das dazugehörige Gelände, die für die Zwecke der Mission verwendet werden, einschließlich der Residenz des Missionschefs. Art. 30 Abs. 1 WÜD erweitert den Immunitätsschutz um die Privatwohnungen der Diplomaten. Das vor einer Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung geschützte Botschaftsgrundstück muss dabei weder dem Publikumsverkehr der Botschaft dienen, noch muss seine diplomatische Nutzung in einer ins Gewicht fallenden Weise für Dritte bemerkbar sein.405 Dementsprechend hielt der Bundesgerichtshof die Zwangsversteigerung eines in Bonn gelegenen Grundstücks des kenianischen Staates für unzulässig und stellte dabei zutreffend auf den Beginn der Zwangsvollstreckung als maßgeblichen Zeitpunkt ab. Neben der Berliner Botschaft würden die darauf befindlichen Räumlichkeiten zur Unterbringung des Botschafters, der Mitarbeiter der diplomatischen Mission bei Dienstreisen von Berlin nach Bonn und der Besucherdelegationen aus Kenia genutzt. Weder der Auszug eines Botschaftsmitglieds aus seiner auf dem Grundstück gelegenen Wohnung noch die für den Fall der Löschung des Zwangsversteigerungsvermerks beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaft seien hinreichende Belege dafür, dass das Objekt bis zu seiner Übereignung an den Käufer nicht mehr der Wahrnehmung der amtlichen Funktionen der Botschaft dienen solle. Vielmehr liege es nahe, dass Kenia das Grundstück schon aus Kostengründen bis dahin für Zwecke seiner Botschaft verwenden wolle.406 Die ausführlich begründete Entscheidung verdient Zustimmung, da ein Gesandtschaftsgrundstück erst mit der endgültigen Aufgabe eines hoheitlichen Verwendungszwecks seinen Immunitätsschutz verliert. Art. 31 Abs. 4 WÜK schützt dagegen die konsularischen Räumlichkeiten – wie auch ihre Einrichtung und das Vermögen der konsularischen Vertretung – nur vor einer Beschlagnahme für Zwecke der Landesverteidigung und des öffentlichen Wohls. Aus dem Fehlen einer Art. 22 Abs. 3 WÜD vergleichbaren Regelung folgt allerdings nicht, dass Räumlichkeiten der konsularischen Vertretungen dem Vollstreckungszugriff unterliegen. Vielmehr gewährt Art. 21 Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen, der das Völkergewohnheitsrecht widerspiegelt,407 auch für dasjenige Vermögen Vollstreckungsimmunität, das für die Wahrnehmung der Aufgaben der konsularischen Vertretung benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist.

 LG Bonn, IPRspr. 2003 Nr. 119, S. 361 (363).  BGH, Rpfleger 2003, 518 (518 ff.); vgl. hierzu Geimer, LMK 2003, 174 (174 f.). 407 O’Keefe/Tams/Brown/O’Keefe, UNCSI, Art. 21, S. 340. 405 406

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b. Eintragung einer Zwangshypothek Kommt es einem Gläubiger zunächst nur auf die Sicherung seiner titulierten Geldforderung an, so steht es ihm offen, nach § 867 Abs. 1 ZPO eine Zwangshypothek als Sicherungshypothek ins Grundbuch eintragen zu lassen. Die Zwangshypothek ist vielfach ein Druckmittel, den Schuldner zur Zahlung zu bewegen. Führt dies nicht zum Erfolg, so kann der Gläubiger den Anspruch aus der Hypothek auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. § 1147 BGB verfolgen. Nach § 867 Abs. 3 ZPO genügt zur Durchführung der Zwangsversteigerung der vollstreckbare Zahlungstitel, auf dem die Eintragung der Zwangshypothek vermerkt ist.408 Die Vollstreckungsimmunität gewährt einem ausländischen Staat auch Schutz vor der Eintragung einer Zwangshypothek, sofern dem Grundstück ein hoheitlicher Verwendungszweck zukommt. Zwar dient sie zunächst nur der Sicherung der titulierten Forderung, so dass der Staat weiterhin Eigentümer des Grundstücks bleibt und es unbeschränkt nutzen kann. Nach Auffassung des Landgerichts Bonn stellt die Eintragung einer Zwangshypothek in das Grundbuch aber auch eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht im „philippinischen Botschaftskontofall“ festgestellten völkerrechtlichen Regel dar. Zutreffend führte es an, dass der Gläubiger nach § 867 Abs. 3 ZPO unmittelbar die Zwangsversteigerung erwirken könne, ohne dass es eines gesonderten dinglichen Titels bedürfe. Aus diesem Grund wies es die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers zurück, der die Eintragung einer Zwangshypothek für ein konsularisch genutztes Grundstück des argentinischen Staates beantragt hatte.409 Dem Beschluss ist beizupflichten, da die Eintragung einer Zwangshypothek für ein konsularisch genutztes Grundstück die Funktionsfähigkeit der konsularischen Vertretung wegen der dadurch unmittelbar drohenden Zwangsversteigerung zumindest abstrakt gefährden kann. Die Eintragung einer Zwangshypothek für ein Grundstück, das einem diplomatischen, konsularischen oder sonstigen hoheitlichen Zweck dient, kann die Souveränität eines ausländischen Staates ebenso verletzen wie die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. Demzufolge hielt auch das Oberlandesgericht München die Eintragung einer Zwangshypothek für ein im Eigentum der Republik Griechenland stehendes Grundstück für unzulässig, da sie es für den Bau einer Schule erworben und bereits vor Eintragung der Hypothek mit dem ersten Spatenstich begonnen hatte.410

408 Vgl. dazu Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 1036 ff.; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs‑ und Insolvenzrecht, § 23 Rdnrn. 1 ff. 409  LG Bonn, NJW-RR 2009, 1316 (1316 f.). 410 OLG München, FGPrax 2015, 17 (18 f.).

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Ebenso kann die Vollstreckungsimmunität der Eintragung einer Zwangshypothek für das einem ausländischen Staat zustehende Wohnungseigentum gem. § 1 Abs. 2 WEG oder Gebäudeeigentum gem. § 288 Abs. 4 ZGB der ehemaligen DDR i. V. m. Art. 233 § 4 EGBGB entgegenstehen. So entschied das Kammergericht, dass die Eintragung einer Zwangshypothek für das in Berlin bestehende Gebäudeeigentum der Russischen Föderation, in dem das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur als ausländische Vertretung des Russischen Zentrums für internationale, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit betrieben werde, unzulässig sei. Der russische Staat verfolge mit dieser Kultureinrichtung einen hoheitlichen Zweck, nämlich die Förderung der Kultur in Deutschland.411 Unabhängig davon scheidet nach Auffassung des Gerichts eine Eintragung einer Zwangshypothek auch deshalb aus, weil die Russische Föderation drei Wohnungen in dem Gebäude Diplomaten als Dienstwohnungen überlassen habe. Die durch die Eintragung einer Zwangshypothek wegen § 867 Abs. 3 ZPO unmittelbar drohende Zwangsversteigerung begründe Unsicherheiten über den Fortbestand des Nutzungsverhältnisses über die Dienstwohnungen und über eine etwaige Räumungspflicht nach § 93 Abs. 1 ZVG. Zutreffend bejahte daher das Gericht die abstrakte Gefahr, dass dadurch die Erfüllung der diplomatischen Aufgaben der Mission beeinträchtigt werden könnte, und hielt eine konkrete Einzelfallprüfung, ob den Diplomaten der Schutz des § 57 ZVG i. V. m. § 566 Abs. 1 BGB vor einer Räumung zukomme, für entbehrlich.412 c. Eintragung einer Arresthypothek Nach § 932 Abs. 1 S. 1 ZPO erfolgt die Vollziehung eines Arrests in ein Grundstück durch Eintragung einer Arresthypothek als Sicherungshypothek für die Forderung. Fraglich ist, ob die Vollstreckungsimmunität auch der Eintragung einer solchen Hypothek entgegensteht. Im Unterschied zur Zwangshypothek kann sich der Arrestgläubiger nicht gem. § 867 Abs. 3 ZPO aufgrund des vollstreckbaren Titels, auf dem die Eintragung vermerkt ist, durch eine Zwangsversteigerung aus dem Grundstück befriedigen. So verweist § 932 Abs. 2 ZPO lediglich auf Abs. 1 und 2, nicht aber auf Abs. 3 des § 867 ZPO. Vielmehr sichert die Arresthypothek nur den Anspruch des Gläubigers aus der bereits titulierten Forderung und wahrt den Rang. Will er aus der Arresthypothek vorgehen, so muss er erst auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 1147 BGB klagen.413 Hieraus schloss das Oberlandesgericht Köln, dass für ein zu diplomatischen Zwecken genutztes Grundstück der Republik Argentinien eine Arresthypothek eingetragen werden könne. Die diplomatische Immunität werde hierdurch nicht 411 KG,

IPRspr. 2010 Nr. 182, S. 447 (448 ff.).  KG, IPRspr. 2010 Nr. 182, S. 447 (450). 413  MünchKomm/Drescher, ZPO, § 932 Rdnr. 12; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1553. 412

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beeinträchtigt, da es an einer typischen, abstrakten Gefahr für die diplomatische Tätigkeit fehle. Zwar ermögliche der Wortlaut des Art. 22 Abs. 3 WÜD keine eindeutige Entscheidung, ob die Eintragung einer Arresthypothek unter dem Begriff der Vollstreckung zu fassen sei. Dessen Schutzzweck – die Gewährung von Schutz für die diplomatische Tätigkeit  – gebiete aber keine solche Subsumtion.414 Eine Arresthypothek diene lediglich der vorläufigen Sicherung, ohne die Rechte und Nutzungsmöglichkeiten eines ausländischen Staates als Grundstückseigentümer zu beschränken. Sie führe nicht zu einer Beschlagnahme des Grundstücks und berechtige nicht zur Durchführung der Zwangsversteigerung. Auch wenn der Gläubiger einen rechtskräftigen Hauptsachetitel erlange, wandle sich die Arresthypothek nicht automatisch in eine Zwangshypothek um, sondern er müsse einen neuen Vollstreckungsantrag beim Grundbuchamt stellen. Der eigentliche Zweck der Eintragung einer Arresthypothek liege in der Wahrung des Ranges. In dem neuen Verfahren auf Umschreibung der Arresthypothek habe das Grundbuchamt eigenständig zu prüfen, ob die Eintragung einer Zwangshypothek mit den Wirkungen des § 867 Abs. 3 ZPO die Immunität beeinträchtige.415 Das Bundesverfassungsgericht billigte in einem Nichtannahmebeschluss die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, dass auch für ein Grundstück der diplomatischen Mission eine Arresthypothek eingetragen werden könne. Die Gewährung von Immunität für ein Gesandtschaftsgrundstück werde durch den Zweck, der diplomatischen Tätigkeit Schutz zu gewähren, gerechtfertigt, aber auch begrenzt. Von einer bloßen Sicherungsmaßnahme gehe keine abstrakte Gefährdung des Botschaftsbetriebs aus, so dass die völkerrechtlichen Regeln zum Schutz der diplomatischen Mission vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht einschlägig seien.416 Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln ist nicht ohne Kritik geblieben. So vertritt Fassbender die Auffassung, dass die Eintragung einer Arresthypothek zwar wünschenswert, nach geltendem Völkerrecht aber unzulässig sei, da sie der erste Schritt eines Zwangsvollstreckungsverfahrens sei bzw. erst in einem solchen Verfahren ihren Zweck finde.417 Auch wenn es durchaus diskutabel ist, ob nach dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 3 WÜD die Eintragung einer Arresthypothek eine Vollstreckungsmaßnahme darstellt, so stellen das Oberlandesgericht Köln und das Bundesverfassungsgericht zu Recht auf dessen Regelungszweck ab. Maßgeblich für die Gewährung diplomatischer Immunität

414 OLG

Köln, FGPrax 2004, 100 (101); ebenso Weller, Rpfleger 2006, 364 (369).  OLG Köln, FGPrax 2004, 100 (101 f.); zustimmend Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 416  BVerfG, WM 2006, 2084 (2086). 417 Fassbender, IPRax 2006, 129 (134); ähnlich auch Ohler, JZ 2005, 590 (596). 415

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ist, ob die Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission zumindest abstrakt gefährdet und damit der Grundsatz ne impediatur legatio tangiert würde.418 Das Oberlandesgericht Köln legte hierbei überzeugend dar, dass dies mit der Eintragung einer Arresthypothek, der lediglich eine rangwahrende Wirkung zukommt, nicht der Fall ist. Da der ausländische Staat weiterhin Eigentümer des Grundstücks bleibt, es unbeschränkt nutzen kann und mangels Anwendbarkeit des § 867 Abs. 3 ZPO auch nicht unmittelbar eine Zwangsversteigerung fürchten muss, wird die diplomatische Mission durch die Eintragung einer Arresthypothek in der Erfüllung ihrer Aufgaben auch nicht abstrakt beeinträchtigt. Fraglich ist, ob sich dieses Ergebnis auch auf andere Grundstücke als Gesandtschaftsgrundstücke eines ausländischen Staates übertragen lässt, wenn diese einem hoheitlichen Verwendungszweck dienen. Maßgeblich sind in diesem Fall nicht die völkerrechtlichen Regeln zur diplomatischen Immunität, sondern die zur allgemeinen Staatenimmunität. Aber auch deren Gewährung reicht nur so weit, wie eine Vollstreckungsmaßnahme einen ausländischen Staat in der Erfüllung eines hoheitlichen Verwendungszwecks beeinträchtigen würde. Durch die Eintragung einer Arresthypothek ist dies weder bei einem Gesandtschaftsgrundstück, noch bei einem sonstigen Grundstück der Fall. Ein entsprechender Grundbucheintrag schränkt einen ausländischen Staat in seiner hoheitlichen Nutzung in keinerlei Weise ein. Damit stehen weder die diplomatische bzw. konsularische Immunität noch die allgemeine Vollstreckungsimmunität der Eintragung einer Arresthypothek im Grundbuch entgegen. d. Bewilligung einer Grundbuchberichtigung Auch gegenüber einem ausländischen Staat ist – wie bereits aufgezeigt – die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben, da entsprechendes Urteil die Eigentumsverhältnisse und die tatsächliche Nutzung des Grundstücks unberührt lässt.419 Ebenso wenig steht die Vollstreckungsimmunität dem Vollzug eines Urteils entgegen, nach dem ein ausländischer Staat als Bucheigentümer gem. § 894 BGB seine Zustimmung zur Grundbuchberichtigung erteilen muss. Hierbei gilt gem. § 894 S. 1 ZPO seine Erklärung als abgegeben, sobald das Urteil in Rechtskraft erwächst. Befindet sich auf dem Grundstück eine Botschaft oder ein Konsulat, so beeinträchtigt die Fiktion der Grundbuchbewilligung – vergleichbar der Eintragung einer Arresthypothek – nicht einmal abstrakt die Funktionen der diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung.420 Ebenso wenig wird ein ausländischer Staat dadurch in der Nutzung seines Grundstücks, das er zu einem sonstigen hoheitlichen Zweck verwendet, eingeschränkt.  Siehe hierzu Kapitel D. I. 2. c.  Siehe bereits Kapitel C. II. 4. b. 420 BVerfGE 15, 25 (43); Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 418 419

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So entschied bereits 1962 das Bundesverfassungsgericht, dass eine Grundbuchberichtigung gegenüber der ehemaligen Republik Jugoslawien als Bucheigentümerin die auf dem Grundstück ansässige jugoslawische Militärmission, der die Stellung einer diplomatischen Vertretung zukam, nicht in ihrer diplomatischen Funktion beeinträchtige. Durch die Grundbuchberichtigung ergebe sich lediglich eine Eigentumsvermutung gem. § 891 BGB zu Gunsten des wahren Eigentümers. Außerdem hindere sie einen gutgläubigen Erwerb des Grundstücks gem. § 892 BGB durch eine dritte Person. Für die Erfüllung der Aufgaben der Mission komme es dagegen nicht darauf an, ob der Entsendestaat oder eine andere Person als Eigentümer des Gesandtschaftsgrundstücks im Grundbuch eingetragen sei.421 Diese Begründung verdient Zustimmung. Durch eine Grundbuchberichtigung verliert ein ausländischer Staat lediglich seine Buchposition, nicht aber sein Eigentum. Demzufolge hat sie keine unmittelbaren Auswirkungen auf etwaige Besitzrechte und die Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks. Will der wahre Eigentümer das Grundstück räumen lassen, so muss er unabhängig vom Grundbucheintrag zunächst einen Herausgabetitel erwirken.422 Diesen kann er allerdings nur dann vollstrecken, wenn der ausländische Staat auf seine Vollstreckungsimmunität verzichtet oder die hoheitliche Zwecksetzung aufgibt.423

3. Zwangsvollstreckung in Forderungen Wenn es um die Vollstreckung eines gegen einen ausländischen Staat gerichteten Zahlungstitels geht, sind dessen Forderungen gegen einen Drittschuldner ein beliebtes Vollstreckungsobjekt, zumal die bei anderen Vollstreckungsgegenständen nicht selten auftretende Frage der Bewertung entfällt.424 Die Zwangsvollstreckung in eine Forderung erfolgt nach §§ 828 ff. ZPO durch Pfändungs‑ und Überweisungsbeschluss. Das nach § 828 ZPO zuständige Vollstreckungsgericht verbietet hierbei nach § 829 Abs. 1 ZPO dem Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen (Arrestatorium), und gebietet Letzterem, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten (Inhibitorium). Mit der nach § 829 Abs. 2 ZPO obligatorischen Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner gilt nach § 829 Abs. 3 ZPO die Pfändung als bewirkt. Die gepfändete Geldforderung wird nach § 835 Abs. 1 ZPO dem Gläubiger nach seiner Wahl zur Einziehung oder an Zahlungs statt zum Nennwert überwiesen.

421 BVerfGE

15, 25 (43); vgl. hierzu Fassbender, IPRax 2006, 129 (134).  Zur Reichweite der Immunität im Immobiliarprozess siehe Kapitel C. II. 4. 423  Siehe noch ausführlich Kapitel D. V. 4. a. 424 Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (530). 422

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a. Ausländischer Staat als Forderungsinhaber Ob einem ausländischen Staat als Forderungsinhaber Vollstreckungsimmunität zu gewähren ist, bestimmt sich wiederum nach dem Verwendungszweck. Eine Geldforderung ist jedoch zumeist zweckneutral, ihr kommt also weder ein hoheitlicher noch ein nichthoheitlicher Zweck zu.425 Regelmäßig unterliegen erst die zur Erfüllung der Forderung zufließenden Gelder einer Zweckbestimmung, so dass es auf deren Verwendungszweck ankommt. Im Folgenden sollen in der Praxis relevante und zugleich problematische Konstellationen, in denen ein ausländischer Staat Forderungsinhaber ist, näher beleuchtet werden – konkret die Zwangsvollstreckung in Guthabenansprüche, in Mietzinsforderungen, in Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche sowie in Gebühren‑ und Steuerforderungen. aa. Ansprüche auf Auszahlung eines Kontoguthabens Will ein Gläubiger gegenüber einem ausländischen Staat in dessen Guthabenforderung gegen eine Bank mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland vollstrecken, so kann der Pfändung neben allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Problemen, wie etwa der Bestimmtheit der zu pfändenden Forderung, die Vollstreckungsimmunität entgegenstehen. Bereits die Pfändung einer Forderung greift in die Souveränität eines ausländischen Schuldnerstaates ein, da er nach §§ 136, 135 Abs. 1 BGB seine Verfügungsbefugnis verliert.426 (1) Allgemeines zur Vollstreckung in Guthaben auf staatlichen Konten. Auch bei der Vollstreckung in das Guthaben auf einem Bankkonto, dessen Inhaber ein ausländischer Staat ist, gilt der völkerrechtliche Grundsatz, dass es auf den Verwendungszweck für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität ankommt. Demzufolge unterliegt eine Guthabenforderung dem Vollstreckungszugriff, wenn sie – oder präziser die zur Erfüllung zufließenden Gelder – im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme für einen nichthoheitlichen Zweck oder noch für keinen Zweck vorgesehen sind. Sind diese Gelder hingegen bereits für einen hoheitlichen Zweck bestimmt, so kommt dem ausländischen Staat als Kontoinhaber und Vollstreckungsschuldner Immunität zu.427 Bei einem gemischt genutzten Konto ist die Pfändung des Guthabens – wie bereits ausgeführt – zulässig, soweit die zufließenden Gelder keinem hoheitlichen Zweck dienen.428

 Vgl. Fassbender, IPRax 2006, 129 (131). NJW-RR 2013, 1532 (1535); BeckRS 2013, 12429. 427  BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533); Stein, IPRax 1984, 179 (182). 428  BVerfGE 46, 342 (345, 364); BVerfG, NJW 2012, 293 (295); Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 108; siehe näher Kapitel D. I. 1. d. 425

426 BGH,

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Ein maßgebliches Indiz für den Verwendungszweck ist die Bezeichnung des Kontoinhabers. So entschied bereits 1971 das Landgericht Stuttgart, dass ein Kontoguthaben einem hoheitlichen Zweck gewidmet sei, da es für den Betrieb des spanischen Konsulats in Stuttgart und des spanischen Generalkonsulats in Frankfurt bestimmt sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Konten nicht auf den spanischen Staat, sondern auf diese Dienststellen lauteten.429 Dagegen lässt der Umstand, dass ein ausländischer Staat ein Konto bei einem deutschen Kreditinstitut durch einen privatrechtlichen Vertrag errichtet hat, nicht auf einen kommerziellen Verwendungszweck schließen, zumal eine anderweitige Errichtung schwerlich möglich ist.430 Ebenso unerheblich ist die Qualifikation der Tätigkeit, die zur Entstehung des Guthabens geführt hat.431 Die unterschiedlichen Kriterien für die Gewährung von Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren und im Vollstreckungsverfahren können insbesondere bei der Pfändung von Bankguthaben zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. So genießt beispielsweise ein ausländischer Staat im Erkenntnisverfahren für eine Forderung aus einem Kaufvertrag über die Lieferung von Militärausrüstung keine Immunität, da dieses Rechtsverhältnis dem Bereich der acta iure gestionis zuzuordnen ist. Geht es allerdings um die Vollstreckung in eine Forderung aus einem Bankkonto, das der Aufgabenerfüllung des Militärs und damit auch der Erfüllung des Kaufvertrags dient, so kommt ihm Immunität zu, da der Verwendungszweck hoheitlicher Art ist.432 (2) Bankkonten diplomatischer Missionen.  Diplomatische Missionen unterhalten regelmäßig Konten bei den Banken des Empfangsstaates, über die sie ihre Ausgaben für den Unterhalt der Botschaft abwickeln. Für die entsprechenden Guthabenforderungen gewährt das UN-Übereinkommen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit dem Entsendestaat ausdrücklich Immunität. So genießt ein ausländischer Staat nach Art. 21 Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen Immunität für sein Vermögen einschließlich seiner Bankkonten, das für die Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Mission des Staates benutzt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist. Dagegen enthält das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen keine vergleichbare Regelung, es schließt aber ausweislich des fünften Erwägungsgrundes seiner Präambel die Regeln des Völkergewohnheitsrechts nicht aus.433

429 LG

Stuttgart, IPRspr. 1971, Nr. 129, S. 389 (392 f.).  BVerfGE 46, 342 (398); 64, 1 (42); BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (365 f.); Seidl-Hohenveldern in: Sandrock (Hrsg.), FS Beitzke, S. 1081 (1097); Gramlich, NJW 1981, 2618 (2619 f.). 431  BVerfGE 64, 1 (42); Krauskopf, WM 1986, 89 (93); Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 432  Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (535). 433 So auch BVerfGE 46, 342 (395). 430

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Das Bundesverfassungsgericht zog bereits in seiner Grundsatzentscheidung zur Pfändung einer Guthabenforderung der Republik der Philippinen aus einem Botschaftskonto bei der Deutschen Bank den Schutzbereich für die Konten einer diplomatischen Mission weit und konstatierte folgende Regel des Völkerrechts: Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Gerichtsstaat bestehe und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt sei, unterlägen nicht der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat.434 Dieser völkerrechtlichen Regel liege der Gedanke zu Grunde, dass das Funktionieren der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates im Empfangsstaat zur Erfüllung ihrer Aufgaben gewährleistet sein müsse. Hierzu sei der Einsatz finanzieller Mittel unerlässlich. Die Unterhaltung solcher Mittel und die Organisation sowie die Verwaltung der finanziellen Abwicklung der Ausgaben und Kosten der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates gehörten unmittelbar zum Aufgaben‑ und Funktionsbereich einer diplomatischen Vertretung.435 Aus dieser Entscheidung wurde vereinzelt gefolgert, ein ausländischer Staat müsse für die Gewährung diplomatischer Immunität nur dartun, dass es sich überhaupt um ein Botschaftskonto handele.436 Diese Interpretation widerspricht jedoch der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Regel, nach der das allgemeine Völkerrecht es nicht verwehre, vom Entsendestaat die Glaubhaftmachung zu verlangen, das Konto diene der Aufrechterhaltung der Funktionen seiner diplomatischen Vertretung.437 Vielmehr kommt dem Entsendestaat für ein Konto der Handelsabteilung seiner Botschaft, das nicht der Deckung und Abwicklung der Ausgaben und Kosten der diplomatischen Mission dient, keine Immunität zu. In diesem Fall gelangen die völkerrechtlichen Regeln zur diplomatischen Immunität nicht zur Anwendung.438 Aus diesem Grund hielt auch das Landgericht Hamburg die Pfändung des Guthabens eines Bankkontos, das die Handelsabteilung eines in Hamburg ansässigen Generalkonsulats unterhielt, für zulässig, weil deren Hauptaufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung bestünden. Da sie lediglich wirtschaftliche Zwecke wahrnehme, unterlägen die Gelder dem Vollstreckungszugriff.439 Der Schutzbereich der diplomatischen Immunität ist weiter als der der allgemeinen Staatenimmunität. So unterstrich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im „philippinischen Botschaftskontofall“, dass eine Gutha434  BVerfGE 46, 342 (345, 399); ebenso BVerfGE 117, 141 (157); KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (365 f.); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 595; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 179. 435  BVerfGE 46, 342 (398 f.); ebenso KG, IPRspr. 2003 Nr. 120, S. 364 (365 f.); Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (533). 436 So Weller, RIW 2010, 599 (601 f.). 437  BVerfGE 46, 342 (400); zur Glaubhaftmachung siehe Kapitel D. IV. 2. c. 438  OLG Frankfurt, IPRax 1999, 247 (249); so auch noch Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 439 LG Hamburg, RIW 1981, 712 (713); so auch Lindacher, WRP 1999, 54 (55).

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benforderung aus einem Botschaftskonto, das der Aufrechterhaltung der Funktionen der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates diene, auch dann nicht dem Vollstreckungszugriff unterliege, wenn die darüber abgewickelten Leistungen aus einem nichthoheitlichen Rechtsverhältnis stammten. Entscheidend für die Gewährung diplomatischer Immunität sei, dass der Entsendestaat glaubhaft mache, dass das Konto zur Aufrechterhaltung der Funktionen seiner diplomatischen Vertretung diene.440 Die Anwendung dieser völkerrechtlichen Regel kann für den Vollstreckungsgläubiger zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, wenn das Botschaftskonto auch dazu genutzt wird, unter dem Schutz der diplomatischen Immunität finanzielle Leistungen abzuwickeln, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Aufgaben der diplomatischen Vertretung stehen.441 Gleichwohl haben ausweislich des vierten Erwägungsgrundes der Präambel des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen die Vorrechte und Immunitäten zum Ziel, den diplomatischen Missionen als Vertretungen von Staaten die wirksame Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu gewährleisten. Müsste sich ein deutsches Vollstreckungsorgan im Detail über die Zwecke, zu denen der Entsendestaat das Bankguthaben oder Teilbeträge davon bestimmt hat, vergewissern, so wäre  – so das Bundesverfassungsgericht  – die Gefahr des Eindringen in den internen Funktionsbereich der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates heraufbeschworen.442 (3) Bankkonten ausländischer Zentralbanken.  Ausländische Staaten unterhalten über ihre Zentralbanken als sog. fiscal agents443 oftmals beträchtliche Guthaben bei deutschen Banken,444 so dass für einen Vollstreckungsgläubiger die Pfändung eines Anspruchs auf Auszahlung eines solchen Guthabens bereits wegen der Höhe des Kontostandes verlockend sein kann. Jedoch nimmt Art. 21 Abs. 1 lit. c) UN-Übereinkommen das Vermögen einer Zentralbank oder einer anderen Währungsbehörde des Staates unabhängig vom Verwendungszweck von der Vollstreckung aus. Auch sec. 14 (4) SIA gewährt für die Guthaben ausländischer Zentralbanken oder anderer Währungsbehörden Vollstreckungsimmunität. § 1611 (b) (1) FSIA schließt das Guthaben ausländischer Zentralbanken und anderer Währungsbehörden dann vom Vollstreckungszugriff aus, wenn es sich um für ihre Funktionen unterhaltenes Guthaben handelt („held for its own account“). Diese Regelungen sollen der Bedeutung der  BVerfGE 46, 342 (398 ff.); vgl. auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 179. auch BVerfGE 46, 342 (401). 442  BVerfGE 46, 342 (399). 443  Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (589); Krauskopf, WM 1986, 89 (94). 444 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr.  185; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 39. Nach Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 193 f. ist das Vermögen von Zentralbanken das bedeutendste Vollstreckungsobjekt außerhalb des Schuldnerstaates. 440

441 So

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Zentralbanken für Staaten Rechnung tragen und sie nicht davor abschrecken, Guthaben in ausländischer Währung zu unterhalten.445 Auch die Volksrepublik China erließ 2005 ein Gesetz über die gerichtliche Immunität von Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Vermögen ausländischer Zentralbanken, nach dessen Art. 1 für das Vermögen ausländischer Zentralbanken Immunität vor Zwangsmaßnahmen wie der Beschlagnahme und der Vollstreckung gewährt wird.446 Diese Bestimmungen sind allerdings nicht Ausdruck einer allgemein anerkannten Regel des Völkerrechts, nach der einem Staat für das Vermögen seiner Zentralbank absolute Vollstreckungsimmunität zu gewähren wäre.447 Vielmehr gilt auch für die Pfändung von Guthaben ausländischer Zentralbanken der allgemeine völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der relativen Vollstreckungsimmunität, nach dem nur das für einen hoheitlichen Zweck bestimmte Vermögen nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt.448 Andernfalls wäre das völkerrechtlich etablierte Abgrenzungskriterium nach dem Verwendungszweck, das einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Souveränitätsinteresse des ausländischen Staates und dem Interesse des rechtsschutzsuchenden Gläubigers auf Verwirklichung seiner Rechte darstellt, ohne Not aufgeweicht. Für einen ausländischen Staat wäre es ein leichtes Spiel, durch den Immunitätsschirm seiner Zentralbank seine Guthaben bei deutschen Banken dem Vollstreckungszugriff zu entziehen.449 Zentralbanken erfüllen typischerweise zugleich hoheitliche und nichthoheitliche Aufgaben: Einerseits verwalten sie als staatliche Währungsbehörden die Währungsreserven eines Staates, andererseits wickeln sie zum Beispiel durch die Eröffnung von Akkreditiven den Zahlungs‑ und Kapitalverkehr im Ausland ab.450 So kann es sich bei einem Kontoguthaben einer ausländischen Zentralbank um Devisenreserven oder aber um dem Wirtschaftsverkehr gewidmetes Umlaufvermögen handeln.451 Damit lassen sich folgende zwei Fallkonstellationen unterscheiden: Auf der einen Seite besteht Vollstreckungsimmunität für Bankguthaben ausländischer Zentralbanken, die hoheitlichen Zwecken dienen. Dazu zählen ins445 Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 524; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 187; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (539 f.). 446  Vgl. dazu näher Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 523. 447  Fox/Webb, The Law of State Immunity, S. 523; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 85. 448  Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 195 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 187; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 44; Krauskopf, WM 1986, 89 (93); Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 449  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 187; Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (310). 450 Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 194; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 185; Krauskopf, WM 1986, 89 (94). 451  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 185; Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (588 f.).

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besondere ihre offen deklarierten Devisenreserven.452 Dementsprechend entschied der Bundesgerichtshof, dass die auf Konten bei der Deutschen Bundesbank verwalteten Währungsreserven der Zentralbank der Mongolei von einer Pfändung ausgenommen seien. Währungsreserven seien maßgeblich für die Tätigkeit eines Staates zur Unterstützung der eigenen Währung auf den Devisenmärkten. Sie dienten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Ausland und letztlich im Ernstfall der gesamten Volkswirtschaft bei einer Verknappung privater Devisenbestände für den Import lebensnotwendiger Güter. Indem die Währungsreserven die internationale Handlungsfähigkeit der Mongolei gewährleisteten, erfüllten sie einen hoheitlichen Verwendungszweck.453 Zwar sind Zentralbanken weltweit unterschiedlich organisiert: als unselbstständige Einheiten der Staatsverwaltung, als juristische Personen des öffentlichen Rechts oder auch als privatrechtlichen Aktiengesellschaften.454 Deren rechtlicher Status ist aber – wie bereits an früherer Stelle erörtert – für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität für Bankguthaben, die währungspolitischen Zwecken dienen, nicht entscheidend.455 So verabschiedete sich auch der Bundesgerichtshof mit seiner soeben erwähnten Entscheidung endgültig von der zuvor von der Rechtsprechung vertretenen formalen Betrachtungsweise und schloss sich der bereits im Schrifttum vertretenen und völkergewohnheitsrechtlich etablierten funktionellen Betrachtungsweise an. Demnach kommt es nicht auf die Organisationsform der Zentralbank, sondern auf den Zweck der zu pfändenden Guthabenforderung an.456 Daher erfasst die Vollstreckungsimmunität auch diejenigen Bankkonten, die eine rechtlich selbstständige Zentralbank zu währungspolitischen und damit hoheitlichen Zwecken unterhält.457 Auf der anderen Seite besteht – ebenfalls unabhängig von der Organisationsform einer ausländischen Zentralbank – keine Vollstreckungsimmunität für ein Bankguthaben, das als dem Wirtschaftsverkehr gewidmetes Umlaufvermögen einem nichthoheitlichen Zweck dient. Daher sind Konten, über die ein Staat seine Handelsgeschäfte abwickelt,458 ebenso pfändbar wie Konten, über die 452  BVerfGE 64, 1 (45); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 626a; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 44; Krauskopf, WM 2000, 269 (272); Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 453  BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533). 454  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 185; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 40; Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (581 f.). 455  Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, S. 194 sowie Kapitel B. III. 3. c. 456  BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533); siehe hierzu bereits Kapitel B. III. 3. b. 457 BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533); so auch Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, § 57 Rdnr. 25; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 40; Krauskopf/ Steven, WM 2000, 269 (269 f.); Mertens, AG 1976, 47 (52). 458 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 182; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 592; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 179; Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (144); Hausmann in: Schütze (Hrsg.), FS Geimer, S. 289 (309); Stein, IPRax 1984, 179 (182).

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er Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zugunsten heimischer Unternehmen finanziert459. Abgesehen davon setzt die Pfändung voraus, dass Vollstreckungsschuldner und Kontoinhaber identisch sind, bei einer rechtlich selbstständig organisierten Zentralbank der Vollstreckungstitel also gegen diese und nicht gegen den ausländischen Staat ergangen ist. Darüber hinaus kann auch in einen Anspruch auf Auszahlung eines Guthabens vollstreckt werden, das auf einem Konto bei einer deutschen Bank besteht und zur Weiterleitung auf ein Konto bestimmt ist, welches ein ausländischer Staat bei seiner Zentralbank zur Deckung seines Staatshaushaltes unterhält. So wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der National Iranian Oil Company (NIOC) wegen der Pfändung ihrer Kontoguthaben bei deutschen Banken i. H. v. knapp 200 Mio. US-Dollar durch mehrere englische und USamerikanische Gesellschaften aufgrund eines dinglichen Arrests zurück. Die Guthabenforderungen seien nicht von der Vollstreckung ausgenommen, auch wenn sie nach iranischem Recht an die Staatshauptkasse bei der Zentralbank des iranischen Staates zu überweisen seien. Zutreffend führte das Gericht aus, dass die in Rede stehenden Guthaben nach dem Willen des iranischen Staates ihre maßgebende Zweckbestimmung erst dann erhielten, wenn sie in die Verfügungsgewalt der Zentralbank gelangt seien.460 (4) Bankkonten ausländischer Staatsunternehmen.  In zunehmendem Maße erfüllen Staaten ihre Aufgaben nicht ausschließlich selbst, sondern verlagern deren Erfüllung auf Staatsunternehmen, die einer gesteigerten Kontrolle des Staates unterliegen und/oder an denen er finanziell beteiligt ist.461 Fraglich ist, ob die Vollstreckungsimmunität auch der Pfändung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Guthabens entgegenstehen kann, wenn Inhaber des Bankkontos ein Staatsunternehmen ist. Entscheidend für Inhaberschaft und Verfügungsbefugnis ist nach dem maßgeblichen deutschen Recht die Kontobezeichnung. Gläubiger einer Guthabenforderung ist also derjenige, auf dessen Namen das Konto errichtet worden ist.462 Das Bundesverfassungsgericht ließ in seiner soeben erwähnten Entscheidung zur Pfändung der Kontoguthaben der NIOC bei deutschen Banken die Frage ausdrücklich offen, ob ausländische Staatsunternehmen Träger eines völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsanspruchs sein können und ihrem „Mutterstaat“ insoweit völkerrechtlich gleichgestellt sind. Jedenfalls komme dem ira459 Lindacher,

WRP 1999, 54 (55); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2986).  BVerfGE 64, 1 (42 ff.); vgl. dazu Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 184; Krauskopf, WM 1986, 89 (90). 461 Fischer in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 25 (1984), S. 7 (13); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 181; Roeder, JuS 2005, 215 (219). 462  BVerfGE 64, 1 (22) und Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 626, nach denen diese Regel nicht gegen das völkerrechtliche Verbot sachwidriger Anknüpfung verstoße. 460

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nischen Staat selbst keine Vollstreckungsimmunität zu. So führte es aus, dass einer Pfändung auch dann kein Gebot des allgemeinen Völkerrechts entgegenstünde, wenn ausländischen Staatsunternehmens in gleichem Umfang Immunität einzuräumen wäre wie dem dahinterstehenden Staat. Der Gerichtsstaat wäre auch nicht gehindert, auf Forderungen aus Guthaben zuzugreifen, die sich auf Konten bei Banken im Gerichtsstaat befänden und die zur Weiterleitung auf ein Konto bestimmt seien, das ein fremder Staat bei seiner Zentralbank zur Deckung seines Staatshaushaltes unterhalte.463 Aus dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgerten einige Stimmen im Schrifttum, Konten ausländischer staatlicher Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit unterlägen dem uneingeschränkten Vollstreckungszugriff.464 Das Bundesverfassungsgericht ließ diese Frage jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit explizit offen.465 Ungeachtet dessen hat sich im Völkerrecht – wie bereits aufgezeigt – ein Wandel von einer rein formalen hin zu einer funktionellen Betrachtungsweise vollzogen, der zufolge selbstständigen Staatsunternehmen Immunität ratione materiae zuteilwird. Danach ist für die Gewährung von Staatenimmunität nicht der Inhaber der zu pfändenden Forderung, sondern der Verwendungszweck der auf die Forderung gezahlten Gelder maßgeblich. Auch einem rechtlich selbstständigen Staatsunternehmen ist in seiner Funktion als Träger von Hoheitsrechten Vollstreckungsimmunität zu gewähren.466 Nichtsdestotrotz ist es ein Indiz für einen nichthoheitlichen Verwendungszweck, wenn nicht ein ausländischer Staat selbst, sondern ein ausländisches Staatsunternehmen Kontoinhaber und damit Forderungsinhaber ist, da es oftmals nichthoheitliche Aufgaben erfüllt.467 Dennoch entscheidet die konkrete Zweckbestimmung, ob dessen Anspruch auf Auszahlung eines Bankguthabens dem Vollstreckungszugriff unterliegt.468 So war auch die Pfändung der Guthabenansprüche der NIOC zulässig, da ihnen im Zeitpunkt des Vollstreckungsbeginns kein hoheitlicher Verwendungszweck zukam. Das Oberlandesgericht Frankfurt bejahte indes die Pfändbarkeit der Ansprüche auf Auszahlung des Guthabens der NIOC mit teils anderer Begründung: Da sie die Konten wie eine Privatperson errichtet habe und die Guthaben im 463  BVerfGE 64, 1 (23); vgl. auch Herz, Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit im französischen und deutschen Zivilprozessrecht, S. 63 ff. und Esser, RIW 1984, 577 (579). 464  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 625; Dahlhoff, BB 1997, 321 (324); ferner Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 555. 465  So BVerfGE 64, 1 (23). 466 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel B. III. 3. c. 467  Vgl. Hausmann, IPRax 1982, 51 (55). 468  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 184; Schreuer in: Barfuß/Dutoit u. a. (Hrsg.), FS Neumayer, S. 521 (538).

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Zusammenhang mit Kaufverträgen entstanden seien, habe sie nichthoheitlich gehandelt. Auch wenn die Einnahmen aus Öllieferungsverträgen unmittelbar in die iranische Staatskasse fließen sollten, dienten sie nicht dadurch hoheitlichen Aufgaben, da der iranische Staat diese Gelder gewinnbringend anlegen könnte, anstatt sie zu verbrauchen. Außerdem bestehe keine abstrakte Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Irans, weil eine Forderungspfändung bei einem Staat von seiner Größe und Finanzkraft hierzu nicht ausreiche. Daher könne von einer Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des iranischen Staates keine Rede sein.469 Dieser Argumentation erteilte allerdings das Bundesverfassungsgericht zu Recht eine Absage, soweit das Oberlandesgericht Frankfurt nicht auf den Verwendungszweck abstellte. Die Qualifikation des Rechtsverhältnisses zwischen Bank und Staatsunternehmen ist für die Qualifikation der Zweckbestimmung eines Guthabens ebenso wenig entscheidend wie die Qualifikation der Tätigkeit, die zur Entstehung eines solchen Guthabens geführt hat.470 Für die Gewährung allgemeiner Staatenimmunität kommt es im Unterschied zur diplomatischen Immunität auch nicht auf eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit eines ausländischen Staates an, zumal ein deutsches Gericht – wie Gramlich zutreffend anmerkt – zu einem solchen Urteil nicht prädestiniert ist.471 bb. Mietzinsforderungen Neben dem „klassischen Vollstreckungsobjekt“ – der Pfändung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Bankguthabens – könnte ein Vollstreckungsgläubiger auch versucht sein, in eine Mietzinsforderung eines ausländischen Staates als Vermieters zu vollstrecken. Allerdings könnten auch solche Forderungen wiederum dem Vollstreckungszugriff deutscher Gerichte entzogen sein. Das Landgericht Hagen verneinte diese Frage, nachdem das Amtsgericht Iserlohn aus einem Schiedsspruch, den der Investor Franz Sedelmayer gegen die Russische Föderation erwirkt hatte, deren Ansprüche aus Mietzinszahlungen für ein vermietetes Ladenlokal im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur gepfändet und dem Vollstreckungsgläubiger zur Einziehung überwiesen hatte. Der Russischen Föderation sei keine Vollstreckungsimmunität zu gewähren, da die gepfändeten Forderungen aus ihrer Teilnahme am normalen Wirtschaftsleben, nämlich der Vermietung von Ladenlokalen, resultierten. Die Forderungen hätten damit ihre Grundlage im Privatrecht. Dem stehe nicht entgegen, dass die erzielten Mieterlöse der Wahrnehmung der Aufgaben des Russischen Hauses

 OLG Frankfurt, NJW 1981, 2650 (2651); vgl. dazu Krauskopf, WM 1986, 89 (93).  BVerfGE 64, 1 (42); siehe auch Kapitel D. V. 3. a. aa. (1). 471 Gramlich, NJW 1981, 2618 (2619 f.). 469 470

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auf dem Gebiet der Wissenschaft und Kultur zur Verfügung gestellt würden, da die Forderungen dadurch allenfalls mittelbar öffentlichen Zwecken dienten.472 Das Gericht verkannte hierbei, dass für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität nicht das Rechtsverhältnis, auf dem die Forderung beruht, entscheidend ist, sondern der Verwendungszweck. Nun verfolgt ein ausländischer Staat mit einer Forderung selbst in der Regel noch keinen Zweck, sondern erst mit dem ihm durch die Erfüllung zufließenden Geldbetrag.473 Entscheidend wäre also gewesen, welchem Zweck der gezahlte Mietzins diente. So entschied dann auch zutreffend der Bundesgerichtshof, dass der Russischen Föderation für die Pfändung ihrer Ansprüche aus Mietzinszahlungen für das vermietete Ladenlokal Vollstreckungsimmunität zukomme. Die Mieteinnahmen würden ausschließlich für den Erhalt des Russischen Hauses der Wissenschaft und Kultur als kultureller Einrichtung der Russischen Föderation verwendet und dienten damit einem hoheitlichen Verwendungszweck.474 Im Vergleich zur Sachpfändung besteht bei einer Forderungspfändung eine ungleich größere Gefahr, dass ein ausländischer Staat einen hoheitlichen Verwendungszweck der darauf gezahlten Gelder nur vorschiebt, um die Forderung dem Vollstreckungszugriff zu entziehen. Gleichwohl kann daraus nicht geschlossen werden, Mietzinsansprüche eines ausländischen Staates unterlägen stets der Zwangsvollstreckung. Auch bei der Vollstreckung in solche Forderungen gilt, dass der Verwendungszweck zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht werden muss.475 Ein wichtiges Indiz bei Mietzinsansprüchen als regelmäßig wiederkehrenden Ansprüchen ist hierbei, wofür der ausländische Staat die früheren Einnahmen aus dem Mietverhältnis verwendet hat. cc. Ansprüche auf Rückerstattung der Umsatzsteuer Ein Vollstreckungsgläubiger stets oftmals vor der Schwierigkeit herauszufinden, welche vollstreckbaren Forderungen einem verurteilten ausländischen Staat gegenüber welchen Drittschuldnern zustehen. So ist der in der Praxis auf Verdacht gestartete Versuch einer Kontopfändung bei den hundert größten in Deutschland ansässigen Geldinstituten eine nicht immer von Erfolg gekrönte und darüber hinaus kostspielige Angelegenheit. Eine bessere Alternative könnte die Vollstreckung in Ansprüche auf Rückerstattung der Umsatzsteuer darstellen, die einem ausländischen Staat regelmäßig gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zustehen.

 LG Hagen, IPRspr. 2008 Nr. 106, S. 348 (349 f.). bereits die Einführung zu Kapitel D. V. 3. a. 474  BGH, NZM 2010, 55 (55 f.); vgl. auch Weller, LMK 2010, 304719, der bezweifelt, dass die Forderungen tatsächlich einem gewerblichen Zweck dienten. 475 Zur Glaubhaftmachung siehe näher Kapitel D. IV. 2. c. 472

473 Siehe

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Solche Ansprüche haben ihre Grundlage in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Erstattung von Umsatzsteuer an ausländische ständige diplomatische Missionen und berufskonsularische Vertretungen sowie an ihre ausländischen Mitglieder476 (UStErstV). Danach wird einer diplomatischen Mission bzw. einer berufskonsularischen Vertretung auf ihren Antrag hin die ihr in Rechnung gestellte und von ihr bezahlte Umsatzsteuer erstattet, wenn sie für ihren amtlichen Gebrauch Gegenstände erworben oder sonstige Leistungen in Anspruch genommen hat, sofern der Rechnungsbetrag einschließlich der Steuer 100 Euro übersteigt. Nach § 2 Abs. 1 UStErstV gilt dies ebenso zu Gunsten eines Mitglieds der Mission oder der berufskonsularischen Vertretung, auch wenn die Gegenstände und die sonstigen Leistungen für seinen persönlichen Gebrauch bestimmt sind. Das Mitglied darf lediglich weder deutscher Staatsangehöriger noch in Deutschland ständig ansässig sein. So erließ das Amtsgericht Mitte in Berlin zunächst wiederum auf Antrag des Investors Franz Sedelmayer einen Pfändungs‑ und Überweisungsbeschluss gegenüber der Russischen Föderation. Mit diesem Beschluss pfändete es deren Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland und überwies sie dem Vollstreckungsgläubiger zur Einziehung. Die Russische Föderation legte dagegen Erinnerung ein, woraufhin das Amtsgericht seinen Pfändungs‑ und Überweisungsbeschluss aufhob.477 Das im Wege der sofortigen Beschwerde angerufene Kammergericht bestätigte diese Entscheidung, da nach Auskunft des russischen Botschaftsrates die Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche ausschließlich der Aufrechterhaltung der Funktionen der diplomatischen Mission und der konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland und deren bevorrechtigten Mitglieder dienten.478 Auch der Bundesgerichtshof hielt auf die Rechtsbeschwerde des Vollstreckungsgläubigers hin die Zwangsvollstreckung in die Ansprüche der Russischen Föderation auf Umsatzsteuerrückerstattung für unzulässig. Ihr komme insoweit diplomatische Immunität zu, da die Ansprüche ihrer diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienten. Hierbei komme es nicht darauf an, ob die Umsatzsteuer unmittelbar an die Russische Föderation als Vollstreckungsschuldnerin erstattet werde oder ob ihre Botschaft als Zahlstelle fungiere. Entscheidend sei lediglich, dass die Erstattungsansprüche für Zwecke der diplomatischen Mission verwendet würden.479 Die Gewährung von Immunität für Ansprüche auf Umsatzsteuerrückerstattung ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen. So habe das Kammergericht, dessen  BGBl. I 1988, S. 1780. Berlin-Mitte, Beschluss v. 27. 12. ​ 2002, Az. 32/34 M 5767/01 (zitiert nach KG, IPRspr. 2003 Nr. 121, S. 373). 478  KG, IPRspr. 2003 Nr. 121, S. 373 (375 f.). 479 BGH, SchiedsVZ 2006, 44 (44 ff.); vgl. auch Weller, Rpfleger 2006, 364 (369). 476

477 AG

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Entscheidung der Bundesgerichtshof bestätigte, wohl berücksichtigt, dass eine andere Entscheidung zu einem breiten Zugriff von Gläubigern ausländischer Staaten auf Steuerrückerstattungsansprüche und damit zu zahlreichen Konflikten zwischen der Bundesrepublik und dem Ausland geführt hätte.480 Kritikwürdig ist in der Tat, dass der Bundesgerichtshof wie bereits das Kammergericht die bloße Erklärung des Botschaftsrates der russischen Botschaft in Berlin genügen ließ, die gepfändeten Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche dienten der Aufrechterhaltung der Funktionen der Botschaft, ohne den unter Beweis gestellten Vortrag des Vollstreckungsgläubigers zu berücksichtigen.481 Die rechtliche Bewertung des Bundesgerichtshofs ist indes unter Zugrundelegung des von ihm als glaubhaft erachteten Sachverhalts prinzipiell nicht zu beanstanden. Dient der Erstattungsbetrag tatsächlich der Wahrnehmung der amtlichen Funktionen der diplomatischen Mission, so könnte die Pfändung der Ansprüche auf Rückerstattung der Umsatzsteuer diese zumindest abstrakt in ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. In diesem Fall verbietet die diplomatische Immunität einen Vollstreckungszugriff. Kommt der Erstattungsbetrag allerdings nicht der diplomatischen Mission zugute, etwa weil er nicht auf das Botschaftskonto, sondern auf ein allgemeines Konto des ausländischen Staates überwiesen wird, so scheidet auch eine abstrakte Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Mission aus.482 Dienen die dem Staat zufließenden Gelder einem nichthoheitlichen Zweck, so stehen weder die diplomatische Immunität noch die allgemeine Staatenimmunität einer Pfändung entgegen. dd. Gebühren‑ und Steuerforderungen Darüber hinaus könnte ein Vollstreckungsgläubiger versucht sein, in Gebühren‑ und Steuerforderungen eines ausländischen Staates zu vollstrecken. Die Möglichkeit einer solchen Pfändung würde den Gläubigern eine schier unerschöpfliche Quelle zur Befriedigung ihrer titulierten Ansprüche eröffnen.483 Eine öffentlichrechtliche Forderung unterliegt nicht zwingend einem Pfändungsverbot wegen Nichtübertragbarkeit gem. § 851 Abs. 1 ZPO, da auch eine solche Forderung im Wege der Abtretung oder der Legalzession auf Private übergehen kann.484 Gleichwohl steht der Pfändung einer Gebühren‑ oder Steuerforderung eines ausländischen Staates entgegen, dass die deutschen Vollstreckungsgerichte – wie bereits ausgeführt  – international unzuständig sind.485 Außerdem ist eine Gebührenforderung von einer Vollstreckung ausgenommen, sofern der dem ausländischen Staat daraus zufließende Geldbetrag einem hoheitlichen Verwendungs Fassbender, IPRax 2006, 129 (135); kritisch auch Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108).  Siehe hierzu bereits ausführlich Kapitel D. IV. 2. c. 482 So auch angedeutet von Geimer, SchiedsVZ 2004, 108 (108). 483  So Dutta, IPRax 2007, 109 (109). 484  Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (863 f.); Dutta, IPRax 2007, 109 (109). 485 Siehe näher Kapitel D. III. 1. 480 481

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zweck dient. Nur aus der öffentlich-rechtlichen Natur einer Gebührenforderung folgt allerdings noch nicht, dass die von einem Drittschuldner in Erfüllung der Forderung gezahlten Gelder auch einem hoheitlichen Zweck dienen. Maßgeblich bleibt wie stets der konkrete Verwendungszweck, nicht hingegen das der Forderung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis.486 Der Bundesgerichtshof verneinte die deutsche Gerichtsbarkeit für die wiederum vom deutschen Investor Franz Sedelmayer beantragte Pfändung von öffentlich-rechtlichen Gebührenforderungen der Russischen Föderation aus der Einräumung von Überflugrechten, Transitrechten und Einflugrechten gegenüber der Lufthansa AG. Hierbei stellte der Bundesgerichtshof auf den hoheitlichen Verwendungszweck ab, da der Erlös aus den Gebührenforderungen unmittelbar für Zwecke der Luftverkehrsverwaltung verwendet werden sollte und es sich bei der Luftverkehrsverwaltung um eine hoheitliche Aufgabe handele.487 In der Literatur stieß die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vereinzelt auf Kritik, da eine genaue Untersuchung des Verwendungszwecks angezeigt gewesen wäre. So wurde gemutmaßt, die Russische Föderation verwende die Gebühren vor allem zum Betrieb der mehrheitlich von ihr beherrschten Luftlinie Aeroflot und damit nichthoheitlich.488 Allerdings war der Bundesgerichtshof an die Tatsachenfeststellungen des Oberlandesgerichts Köln als Beschwerdegericht489 gebunden, da die Rechtsbeschwerde insoweit nichts erinnert hatte.490 Unter der Maßgabe, dass die auf die Gebührenforderungen geleisteten Gelder tatsächlich für Zwecke der Luftverkehrsverwaltung verwendet werden sollten, ist die Annahme eines hoheitlichen Verwendungszwecks jedenfalls zutreffend. Mit der Luftverkehrsverwaltung nimmt ein Staat eine hoheitliche Aufgabe wahr. Sie ist Ausdruck seiner Gebietshoheit, zu der auch die Hoheit über den Luftraum gehört, und damit Ausfluss seiner territorialen Souveränität.491 Konsequenterweise sah auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf die Individualbeschwerde des Investors Franz Sedelmayer hin weder in der Unpfändbarkeit der Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche noch in der Unpfändbarkeit der Gebührenforderungen aus der Einräumung von Überflugrechten Anzeichen für eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere des von Art. 1 des Zusatzprotokolls geschützten Eigentums. Die deutschen Gerichte hätten für das Vollstreckungsverfahren nicht de facto eine absolute Immunität konstruiert, sondern einen gerechten Ausgleich  Dutta, IPRax 2007, 109 (110); siehe auch Kapitel D. I. 1.  BGH, NJW-RR 2006, 198 (200); ähnlich OLG Köln, IPRspr. 2003 Nr. 118, S. 354 (359) als Vorinstanz; vgl. auch Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 140 ff.; Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (854). 488  Vgl. hierzu Dutta, IPRax 2007, 109 (111). 489 Vgl. OLG Köln, IPRspr. 2003 Nr. 118, S. 354 (359). 490  BGH, NJW-RR 2006, 198 (200). 491  Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 143; Kröll, IPRax 2004, 223 (226 f.). 486 487

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zwischen den Erfordernissen des Gemeinwohls – der Achtung des Völkerrechts und damit der Förderung der Völkercourtoisie sowie der guten zwischenstaatlichen Beziehungen – und dem gebotenen Schutz der Grundrechte des Einzelnen herbeigeführt.492 Im Unterschied zu Gebührenforderungen unterliegen Steuerforderungen, die der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines ausländischen Staates dienen, regelmäßig keiner Zweckbestimmung. Nach Lange unterfallen solche Forderungen nichtsdestotrotz dem Immunitätsschutz, da sie zweifelsfrei der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung des Staates zuzuordnen seien.493 Dem steht jedoch entgegen, dass die aus einer Steuerforderung dem ausländischen Fiskus zufließenden Gelder ebenso nichthoheitlich verwendet werden können. Vielmehr bleibt es bei der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten völkerrechtlichen Regel, dass nur diejenigen Gegenstände von einer Vollstreckung immun sind, die zu Beginn der Zwangsvollstreckung einem hoheitlichen Verwendungszweck zu dienen bestimmt sind. Nur wenn einem Gegenstand bereits ein hoheitlicher Zweck zukommt, kann ein ausländischer Staat durch einen Vollstreckungszugriff in der Wahrnehmung seiner hoheitlichen Aufgaben beeinträchtigt werden.494 b. Ausländischer Staat als Drittschuldner Im Rahmen einer Forderungspfändung könnte ein ausländischer Staat nicht nur Anspruchsgläubiger und Vollstreckungsschuldner sein, sondern auch die Rolle eines Anspruchsschuldners und Drittschuldners einnehmen. Das Vollstreckungsgericht  – die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vorausgesetzt – verhängt gegenüber dem Drittschuldner nach § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO ein Arrestatorium, verbietet ihm also, an den Schuldner zu zahlen. Die Staatenimmunität könnte der Verhängung eines Arrestatoriums gegenüber einem ausländischen Staat als Drittschuldner entgegenstehen. Mit dem bloßen Erlass eines Pfändungs‑ und Überweisungsbeschlusses als gerichtsinternem Vorgang übt das Vollstreckungsgericht jedenfalls keinen gerichtlichen Zwang aus, da nach § 829 Abs. 3 ZPO die Forderungspfändung erst mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner wirksam wird.495 Ist der Beschluss einem ausländischen Staat als Drittschuldner  – in der Regel auf diplomatischem Weg496  – bereits zugestellt, so könnte es nach dem Grundsatz der relativen Staatenimmunität darauf ankommen, ob die zur 492 EGMR,

EuGRZ 2011, 374 (377 f.) – Sedelmayer v. Deutschland.  Lange in: Stamm (Hrsg.), FS Rüßmann, S. 853 (857). 494  Siehe allgemein bereits Kapitel D. IV. 1. e. 495 LG Bonn, MDR 1966, 935 (935); Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 187. 496  Vgl. hierzu Zöller/Stöber, ZPO, § 829 Rdnr. 33; Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 328; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil‑ und Handelssachen, S. 125 f. 493

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Begleichung der gepfändeten Forderung vorgesehenen Gelder einem hoheitlichen oder einem nichthoheitlichen Zweck dienen.497 So wird vertreten, dass das Ausbringen eines Arrestatoriums unzulässig sei, wenn ein ausländischer Staat von einem Konto eine Forderung begleichen würde, das zur Befriedigung von Sold‑ und Lohnforderungen von Soldaten und Angestellten der Streitkräfte unterhalten werde.498 Allerdings beschränkt ein Arrestatorium nicht die Verfügungsbefugnis eines Drittschuldners über sein Konto, sondern nur seine Erfüllungsbefugnis im Hinblick auf die dem Vollstreckungsschuldner zustehende Forderung. Der Drittschuldner kann lediglich nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an den Vollstreckungsschuldner leisten, da sich mit der Zustellung des Pfändungs‑ und Überweisungsbeschlusses der Forderungsinhaber und damit der Zahlungsempfänger ändert. Bei dem Zahlungsverbot des § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO handelt es sich also nicht um ein Verbot, mit dem ein deutsches Vollstreckungsgericht Zwangsgewalt gegenüber einem ausländischen Staat als Drittschuldner ausübt. Vielmehr ist das Arrestatorium nur eine Mitteilung des Gerichts, dass der Leistung des ausländischen Staates als Drittschuldners an den Schuldner keine schuldbefreiende Wirkung mehr zukommt, also ein Hinweis auf die sich aus §§ 136, 135 Abs. 1 BGB ergebende Rechtslage.499 Demzufolge steht dem Erlass und der Zustellung eines Pfändungs‑ und Überweisungsbeschlusses die Staatenimmunität nicht entgegen, so dass eine in Deutschland belegene Forderung gegenüber einem ausländischen Staat als Drittschuldner unabhängig davon pfändbar ist, mit welchen Geldern er sie zu erfüllen beabsichtigt.500 Im Lichte des Gebots der Völkerrechtsfreundlichkeit empfiehlt es sich für das Vollstreckungsgericht, den ausländischen Staat auf die geänderte Rechtslage und den nunmehrigen Zahlungsempfänger hinzuweisen, ohne hierbei ein Verbot zu formulieren. Davon zu trennen ist die Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit für die Einziehungsklage. Erfüllt ein ausländischer Staat als Drittschuldner eine gepfändete Forderung nicht freiwillig, so muss der Gläubiger nach erfolgter Überweisung die Forderung zunächst ihm gegenüber einklagen. Hierbei finden die Grundsätze zur Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren Anwendung. Soll anschließend die titulierte Forderung gegenüber dem ausländischen Staat als nunmehrigen Vollstreckungsschuldner durchgesetzt werden, so gelten die Grundsätze zur 497  Bejahend Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 187 f.; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 ( 267 f.); Tauchmann, Die Immunität internationaler Organisationen gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, S. 124. 498  So Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (267 f.); offenlassend KG, Beschluss v. 6. 10. ​2011, Az. 8 W 61/11 – juris. 499 Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 137 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 1086; ders., Rpfleger 1980, 175 (176). 500  LG Bonn, MDR 1966, 935 (935); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 611; Lange, Internationale Rechts‑ und Forderungspfändung, S. 137 f.

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Staatenimmunität in der Zwangsvollstreckung. Infolgedessen erlangt der Vollstreckungsgläubiger durch die Pfändung und Überweisung einer Forderung im Hinblick auf ihre Realisierbarkeit keine bessere Rechtsposition, als sie dem Vollstreckungsschuldner gegenüber dem ausländischen Staat als Drittschuldner zugestanden hat.501 In diesem Zusammenhang findet das Prinzip der relativen Staatenimmunität auch dann Anwendung, wenn es um die in § 840 Abs. 1 ZPO normierte Erklärungspflicht geht. Danach hat der Drittschuldner dem Vollstreckungsgläubiger auf sein Verlangen binnen zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses nähere Auskunft über die Forderung zu geben, damit dieser sein weiteres Vorgehen zur Durchsetzung der gepfändeten Forderung sinnvoll planen kann. Die Erklärungspflicht dient also nicht der Pfändung und Überweisung der Forderung, sondern sie soll die Einziehung der gepfändeten und überwiesenen Forderung vorbereiten.502 Die entsprechende Aufforderung wird nach § 840 Abs. 2 S. 1 ZPO in der vom Gerichtsvollzieher zu übermittelnden Zustellungsurkunde über den Pfändungsbeschluss aufgenommen. Als Vorstufe zur Einziehungsklage ist ein ausländischer Staat als Drittschuldner folglich nur dann zur Auskunft gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger verpflichtet, wenn der Forderung sein nichthoheitliches Handeln zu Grunde liegt. Andernfalls verbietet der Grundsatz der relativen Staatenimmunität für das Erkenntnisverfahren eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des ausländischen Staates, indem ihm die Aufforderung zur Abgabe der in § 840 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Erklärungen durch den Gerichtsvollzieher zustellt wird. An diesen Informationen hat der Gläubiger ohnehin kein berechtigtes Interesse, da es für eine Einziehungsklage an der deutschen Gerichtsbarkeit fehlt.

4. Zwangsvollstreckung von Handlungen, Unterlassungen und Duldungen In den meisten Fällen erfolgt die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat wegen einer Geldforderung. Möglich ist aber auch, dass dieser neben der bereits erwähnten Grundbuchberichtigung503 zur Herausgabe von Sachen oder zu einer anderweitigen Handlung, Unterlassung bzw. Duldung verurteilt worden ist und ein diesbezüglicher Titel nun nach §§ 883 ff. ZPO vollstreckt werden soll.

501  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 610; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 48. 502  Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 840 Rdnr. 1; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 621; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55 Rdnr. 15. 503 Siehe Kapitel D. V. 2. d.

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

a. Herausgabe von Sachen Bei der Zwangsvollstreckung aus einem Titel über die Herausgabe einer beweglichen Sache nimmt der Gerichtsvollzieher dem ausländischen Staat nach § 883 Abs. 1 ZPO die Sache weg und übergibt sie dem Gläubiger. Soll die Herausgabe eines Grundstücks vollstreckt werden, so setzt der Gerichtsvollzieher nach § 885 Abs. 1 S. 1 ZPO den ausländischen Staat aus dem Besitz und weist den Gläubiger in den Besitz ein. Allerdings bleibt der Zugriff durch den Gerichtsvollzieher versagt, wenn die Sache einem hoheitlichen Verwendungszweck dient und dem ausländischen Staat daher Vollstreckungsimmunität zukommt. Hierbei ist es durchaus möglich, dass einem Staat im Erkenntnisverfahren keine Immunität zuteilwird, da das der Herausgabeklage zu Grunde liegende Rechtsverhältnis nichthoheitlicher Natur ist. So ist beispielsweise ein Vertrag über den Kauf militärischer Ausrüstungsgegenstände dem Bereich der acta iure gestionis zuzuordnen,504 während der ausländische Staat mit den Ausrüstungsgegenständen selbst einen hoheitlichen Zweck verfolgt. Verklagt der Verkäufer den ausländischen Staat auf Herausgabe, weil er von dem unter Eigentumsvorbehalt geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten ist, so steht dem ausländischen Staat für das Erkenntnisverfahren keine Immunität zu. Nach Bobrik sei in einer solchen Konstellation der Herausgabetitel vollstreckbar, da der Richterspruch andernfalls wirkungslos wäre.505 Diese gegenüber dem Gläubiger freundliche Auffassung wird zwar seinem Interesse gerecht, nicht nur einen Herausgabetitel zu erlangen, sondern diesen auch durchsetzen zu können. Es fehlt aber im Völkerrecht an einer entsprechenden Regel, die einen Gleichlauf der Immunität im Erkenntnisverfahren und der im Vollstreckungsverfahren vorsieht. Vielmehr gilt auch für die Herausgabevollstreckung der Grundsatz der relativen Vollstreckungsimmunität, nach dem die einem hoheitlichen Verwendungszweck dienenden Gegenstände von der Zwangsvollstreckung ausgenommen sind. Diese Diskrepanz ist letztendlich die Konsequenz dessen, dass das Völkerrecht für die Gewährung von Immunität im Erkenntnisverfahren und im Vollstreckungsverfahren von unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben ausgeht. So ist für den Vollstreckungszugriff nicht mehr die Rechtsnatur der zu beurteilenden Handlung oder des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses, sondern der Verwendungszweck der herauszugebenden Sache maßgebend. In diesem Ergebnis liegt – wie Habscheid zu Recht bemerkt – keine grobe Unbilligkeit, da einem Gläubiger bereits vor der Erhebung einer Herausgabeklage die Nichtdurchsetzbarkeit eines entsprechenden Titels bekannt ist oder bekannt sein sollte.506 Nicht zuletzt zeigen auch die zahlreichen Pfändungsschutzvorschriften wie zum Beispiel §§ 850a ff. ZPO, dass das Zivilprozessrecht einem Gläubiger  Siehe Kapitel C. I. 2. c.  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 177 f. 506 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (269). 504 505

V. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt

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keine Garantie gewährt, seinen Titel gegenüber einem Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen zu können. Eine Korrektur dieses Ergebnisses zu Gunsten des Gläubigers würde letztendlich die dem ausländischen Staat von Völkerrechts wegen zukommende relative Vollstreckungsimmunität unterlaufen. Nichtsdestotrotz soll nach Habscheid der Vollstreckungsgläubiger nicht völlig rechtlos gestellt sein. Es bleibe ihm unbenommen, den verurteilten ausländischen Staat auf Schadensersatz zu verklagen, wenn er die Sache nicht freiwillig herausgebe. Zur Befriedigung der titulierten Schadensersatzforderung als Geldforderung könne der Vollstreckungsgläubiger dann in das Vermögen des ausländischen Staates vollstrecken, soweit es der Vollstreckung unterliege.507 Zwar kommt ein Schadensersatzanspruch insbesondere aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB neben der Herausgabevollstreckung prinzipiell in Betracht, wenn ein Schuldner seiner in einem Urteil titulierten Herausgabepflicht nicht nachkommt.508 Dient die herauszugebende Sache aber einem hoheitlichen Verwendungszweck, so ist dem ausländischen Staat keine Verletzung dieser Pflicht anzulasten, nur weil er die Sache nicht freiwillig herausgibt. Ist sie von Völkerrechts wegen vor dem Vollstreckungszugriff durch die deutschen Gerichte geschützt, so würde eine drohende Verurteilung zu Schadensersatzleistungen mittelbar Zwang auf den ausländischen Staat ausüben. Kommt einer herauszugebenden Sache ein nichthoheitlicher Verwendungszweck zu, so kann der Herausgabevollstreckung immer noch das Territorialitätsprinzip entgegenstehen. Die Gerichtsgewalt des Gerichtsvollziehers reicht nur bis an die deutschen Staatsgrenzen, nicht aber darüber hinaus. Befindet sich die herauszugebende Sache nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Staat, so verbleibt dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber den deutschen Gerichten nur die Möglichkeit, nach § 888 ZPO die Verhängung von Zwangsmitteln zwecks der Herausgabe als unvertretbarer Handlung zu beantragen.509 Darüber hinaus kommt die soeben erwähnte Schadensersatzklage wegen Nichterfüllung des titulierten Herausgabeanspruchs in Betracht, wenn ein ausländischer Staat die Herausgabe der Sache verweigert. Schließlich bleibt es dem Vollstreckungsgläubiger unbenommen, in demjenigen Staat, in dem sich die herauszugebende Sache befindet, mithilfe der dortigen Gerichte die Zwangsvollstreckung zu betreiben. b. Erwirkung von sonstigen Handlungen Bei der Vollstreckung anderweitiger Handlungen differenziert die Zivilprozessordnung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Handlungen. Ist ein auslän Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (269). Brandenburg, Urteil. 16. 1. ​2007, Az. 6 U 54/06 – juris; jurisPK/Seichter, BGB, § 281 Rdnr. 7; Staudinger/Schwarze, BGB, § 281 Rdnr. B 16. 509  Vgl. allgemein Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 1073; zur Vollstreckung unvertretbarer Handlungen siehe genauer Kapitel D. V. 4. b. 507

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

discher Staat zu einer vertretbaren Handlung verurteilt worden und erfüllt er diese nicht freiwillig, so ermächtigt gem. § 887 Abs. 1 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs den Gläubiger auf dessen Antrag hin, die Handlung auf Kosten des Schuldnerstaates vornehmen zu lassen. Voraussetzung für eine vertretbare Handlung ist, dass die Vornahme auch durch einen Dritten erfolgen kann.510 Dies ist keine Selbstverständlichkeit, wenn ein ausländischer Staat zu einer Handlung verurteilt worden ist. Insbesondere ist eine Handlung dann nicht vertretbar, wenn sie die Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch den ausländischen Staat erfordert. Ist eine nichthoheitliche Handlung wie häufig nicht in Deutschland, sondern auf ausländischem Territorium vorzunehmen, so ist die Ermächtigung zur Ersatzvornahme nur dann zulässig, wenn sie dort ohne Anwendung von Zwang ausgeführt werden kann.511 Liegt hingegen eine unvertretbare Handlung vor und hängt sie ausschließlich vom Willen des Schuldners ab, so richtet sich ihre Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO. Danach erklärt das Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Antrag des Gläubigers, dass der Schuldner zur Vornahme der verurteilten Handlung durch Zwangsgeld bis zu 25.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder sogleich durch Zwangshaft anzuhalten ist. Auch wenn die unvertretbare Handlung im Ausland vorzunehmen ist, so hält sich ihre Vollstreckung – im Unterschied zur Vollstreckung nach § 887 ZPO – in den Grenzen der inländischen Gerichtsgewalt.512 Die Immunität eines ausländischen Staates könnte allerdings der Verhängung eines Zwangsgeldes entgegenstehen. Das für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität maßgebliche völkerrechtliche Kriterium des hoheitlichen Verwendungszwecks hilft bei der Vollstreckung unvertretbarer Handlungen jedoch nicht weiter, da dieses nur für die Zwangsvollstreckung in Gegenstände passt. So regeln auch Art. 18 und 19 UN-Übereinkommen nur die Zulässigkeit von gerichtlichen Zwangsmaßnahmen gegen das Vermögen eines Staates. Führt man sich allerdings vor Augen, dass ein ausländischer Staat im Erkenntnisverfahren wegen der streitgegenständlichen Handlung keine Immunität beanspruchen konnte, so muss dies in gleicher Weise für die Vollstreckung zur Erwirkung dieser Handlung gelten. Insoweit ergibt sich kein Perspektivenwechsel. Damit kommt einem ausländischen Staat gegenüber der Verhängung eines Zwangsgeldes wegen der Nichtvornahme einer nichthoheitlichen Handlung, zu der er im Erkenntnisverfahren verurteilt worden ist, ebenfalls keine Immunität zu.513 510 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 1065 ff.; Prinz von Sachsen Gessaphe, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 480. 511  BGH, EuZW 2010, 114 (116); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 1077. 512 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 3208; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 1077. 513  Vgl. auch Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 173 (Fn. 285); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 604.

V. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt

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Differenzierter ist die Verhängung einer Zwangshaft zur Vornahme einer nichthoheitlichen Handlung zu betrachten. Diese kann naturgemäß nicht gegenüber dem ausländischen Staat selbst, sondern nur gegenüber dem verantwortlichen Staatsvertreter erfolgen. Der Anordnung und dem Vollzug einer Zwangshaft gegenüber einem besonders exponierten Staatsorgan – namentlich dem Staatsoberhaupt, dem Regierungschef oder dem Außenminister  – steht dessen Immunität aus eigenem Recht entgegen, die im Unterschied zur Staatenimmunität absolut ist.514 Die Verhängung von Zwangshaft gegenüber einem sonstigen Vertreter eines ausländischen Staates bleibt hingegen – jedenfalls aus der rechtlichen Perspektive – möglich.515 Ist ein ausländischer Staat zur Abgabe einer Willenserklärung wie zum Beispiel der bereits erwähnten Zustimmung zur Grundbuchberichtigung516 verurteilt worden, so wird diese Erklärung nach § 894 S. 1 ZPO fingiert, sobald das Urteil in Rechtskraft erwächst. Dies gilt allerdings nur, wenn die Willenserklärung in Deutschland abzugeben ist. Hat hingegen die Abgabe der Willenserklärung im Ausland zu erfolgen, so bleibt nur der Ausweg über die Verhängung eines Zwangsgeldes bzw. einer Zwangshaft gem. § 888 ZPO517 oder die Zwangsvollstreckung durch die dortigen Gerichte. c. Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen Ist ein Schuldner zu einer Unterlassung oder einer Duldung verurteilt worden und handelt er schuldhaft dieser Verpflichtung zuwider, so verurteilt ihm gem. § 890 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Antrag des Gläubigers und nach entsprechender Androhung zu einem Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass es nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder sogleich zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten. Parallel zur Vollstreckung einer unvertretbaren Handlung könnte auch die Vollstreckung einer Unterlassung oder einer Duldung dann zulässig sein, wenn diese nichthoheitlicher Natur ist. So sind nach einigen Literaturstimmen keine durchschlagenden Gründe ersichtlich, welche die Festsetzung eines Ordnungsgelds als völkerrechtlich ausgeschlossen erscheinen ließen.518 Allerdings besteht zwischen der Vollstreckung einer unvertretbaren Handlung und der Vollstreckung einer Unterlassung oder Duldung ein entscheidender Unterschied: Anders als die in § 888 ZPO vorgesehenen Zwangsmittel sind die Ordnungsmittel des § 890 ZPO keine bloßen  Siehe dazu Kapitel B. III. 2.  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 173 (Fn. 285). 516 Siehe Kapitel D. V. 2. d. 517  Vgl. Schack, internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 1082. 518  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 173 (Fn. 285); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 604; Lindacher, WRP 1999, 54 (55). 514 515

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D. Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

Beugemittel, sondern ihnen kommt auch ein Strafcharakter zu. Sie dienen also nicht lediglich der Erwirkung einer Unterlassung oder Duldung, sondern sie sollen zusätzlich den Vollstreckungsschuldner für seine schuldhafte Zuwiderhandlung sanktionieren.519 Nun ist zwar die Verhängung von Sanktionsmaßnahmen kein völkerrechtliches Novum. So können beispielsweise der UN-Sicherheitsrat nach Art. 41 UN-Charta gegenüber einem den Frieden störenden Mitgliedstaat Embargomaßnahmen und der Rat nach Art. 126 Abs. 11 AEUV im Falle eines übermäßigen Haushaltsdefizits ein Bußgeld gegenüber einem EU-Mitgliedstaat verhängen. Allerdings wird in diesen Konstellationen kein Staat gegenüber einem anderen Staat als gleichwertiges Völkerrechtssubjekt, sondern eine inter‑ bzw. supranationale Organisation gegenüber ihrem Mitgliedstaat tätig. Vor allem aber verbietet Art. 24 Abs. 1 S. 2 UN-Übereinkommen dem Gericht, eine Geldbuße oder sonstige Strafe gegen einen anderen Staat zu verhängen, weil dieser es unterlässt oder ablehnt, eine gerichtliche Anordnung zu befolgen. Diese Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung in den mit „Miscellaneous Provisions“ titulierten Teil V nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern für das gesamte gerichtliche Verfahren und damit auch für die Zwangsvollstreckung.520 Sie ist Ausdruck des völkerrechtlichen Grundgedankens, dass Gerichtsstaat und ausländischer Staat souveräne, gleichwertige Völkerrechtssubjekte sind und sich daher Sanktionen mit Strafcharakter verbieten. Demzufolge darf ein deutsches Gericht gegenüber einem ausländischen Staat nicht nur keine Ordnungsmittel im Rahmen der Sitzungsgewalt nach §§ 177 f. GVG521, sondern auch keine Ordnungsmittel im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO verhängen522.

519  BVerfG, NJW-RR 2007, 860 (861); Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1100; Prinz von Sachsen Gessaphe, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 483. 520  So auch O’Keefe/Tams/Gazzini, UNCSI, Art. 24, S. 369. 521  Siehe Kapitel C. V. 2. e. 522 So im Ergebnis auch Heß, JBl 1989, 285 (293).

E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagungsowie alternative Lösungsstrategien Bislang war der Blick vornehmlich auf die Ausgestaltung des Erkenntnisverfahrens und der Zwangsvollstreckung gerichtet, um dem Interesse eines ausländischen Schuldnerstaates an der Gewährung von Immunität und dem Interesse eines privaten Gläubigers an der Gewährung von Rechtsschutz angemessen Rechnung zu tragen. Damit sind allerdings noch nicht die Fragen beantwortet, welche Rechtsfolgen eine Immunitätsverletzung und umgekehrt eine Rechtsschutzversagung nach sich ziehen können und welche Lösungsstrategien einem Gläubiger als Alternative zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte zur Verfügung stehen.

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen einer Immunitätsverletzung Die besondere Stellung eines ausländischen Staates als Völkerrechtssubjekt bringt es mit sich, dass der Erlass eines Urteils und der Vollzug einer Vollstreckungsmaßnahme trotz entgegenstehender Staatenimmunität völkerrechtliche sowie verfassungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

1. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit Verletzt ein deutsches Gericht die Immunität eines ausländischen Staates, so könnte die Bundesrepublik Deutschland ihm gegenüber nach den völkerrechtlichen Regeln zur Staatenverantwortlichkeit haften. a. Haftungsgrundlagen Handelt ein Staat gegenüber einem anderen Staat völkerrechtswidrig, so trägt er die völkerrechtliche Verantwortlichkeit. Niedergelegt ist dieser völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz in den von der Völkerrechtskommission (International

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Law Commission) der Vereinten Nationen ausgearbeiteten Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts1 (ILC-Entwurf). Nach Art. 1 ILC-Entwurf hat jedes völkerrechtswidrige Handeln eines Staates dessen völkerrechtliche Verantwortlichkeit zur Folge. Dies setzt nach Art. 2 ILC-Entwurf voraus, dass das Verhalten dem Staat völkerrechtlich zurechenbar ist und eine Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung begründet. Eine Verletzung i. S. v. Art. 12 ILC-Entwurf kann darin liegen, dass ein deutsches Gericht einem ausländischen Staat nicht die von Völkerrechts wegen gebotene Immunität gewährt, indem es ihm gegenüber trotz fehlender Gerichtsbarkeit ein Urteil erlässt oder in sein hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen vollstreckt.2 Dem steht nicht entgegen, dass das Gericht nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung als von der Exekutive unabhängiges Organ völkerrechtswidrig handelt. Vielmehr tritt im zwischenstaatlichen Bereich jeder Staat als Einheit auf, so dass nach Art. 4 Abs. 1 ILC-Entwurf das Verhalten jedes staatlichen Organs als völkerrechtliches Handeln des Staates betrachtet wird. Dies gilt nicht nur für die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, sondern auch für die der Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte als Organe der Länder.3 Aber auch eine Fehlinterpretation des Völkerrechts durch das Bundesverfassungsgericht zulasten eines ausländischen Staates kann zur Haftung der Bundesrepublik Deutschland führen.4 Jedoch könnte deren völkerrechtliche Haftung ausgeschlossen sein, solange ein in seiner Immunität verletzter Staat primären Rechtsschutz durch Einlegung von Rechtsmitteln erlangen kann. So sieht Art. 44 lit. b) ILC-Entwurf vor, dass ein Staat nicht verantwortlich gemacht werden kann, wenn auf den Anspruch die Regel der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs (local remedies rule) Anwendung findet und nicht alle zur Verfügung stehenden, effektiven Rechtsmittel ausgeschöpft worden sind. Ein Haftungsausschluss setzt also zunächst voraus, dass diese völkerrechtliche Regel auf die Konstellation, dass ein ausländischer Staat Partei eines Zivilprozesses ist, Anwendung findet. Die local remedies rule hat sich im Zusammenhang mit der Gewährung diplomatischen Schutzes durch den Heimatstaat für seine Staatsangehörigen herausgebildet. Dieser gewährt einem Individuum gegenüber einem anderen Staat nur dann diplomatischen Schutz, wenn es vor den Gerichten des Verletzerstaates alle zumutbaren Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat.5 Keine Anwendung findet  Anlage zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung v. 12. 12. ​2001.  Vgl. IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (153) – Jurisdictional Immunities; Weller, Rpfleger 2006, 364 (372). 3  Vgl. IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 (154)  – Jurisdictional Immunities; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 193; ders., LMK 2003, 215 (216). 4 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 280; Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (182). 5  Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 128; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 333, 349 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 4 Rdnr. 35; Heß, LMK 2003, 174 (175); zum diplomatischen Schutz siehe näher Kapitel E. III. 3. 1 2

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen

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die local remedies rule hingegen, wenn es nicht um die Gewährung diplomatischen Schutzes für eine Privatperson geht, sondern ein ausländischer Staat selbst verletzt worden ist. In diesem Fall entfällt die völkerrechtliche Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland nicht deswegen, weil der in seiner Immunität verletzte Staat den innerstaatlichen Rechtsweg nicht ausgeschöpft hat. Vielmehr hat der Gerichtsstaat die Immunitätsverletzung selbst wiedergutzumachen.6 Ist die Bundesrepublik Deutschland einem anderen Staat dem Grunde nach für eine Immunitätsverletzung völkerrechtlich verantwortlich, so hat sie nach Art. 31 i. V. m. Art. 34 ff. ILC-Entwurf volle Wiedergutmachung für den dadurch verursachten Nachteil zu leisten. Der ausländische Staat kann hierbei vorrangig nach Art. 35 ILC-Entwurf Naturalrestitution, also die Wiederherstellung der Situation verlangen, die vor Erlass der immunitätsverletzenden Entscheidung oder Vollstreckungsmaßnahme bestanden hat. Dies gilt aber nur, wenn und soweit die Wiederherstellung nicht tatsächlich unmöglich ist und keine Belastung enthält, die außer allem Verhältnis zu dem Vorteil steht, der sich aus der Wiederherstellung anstelle einer Geldkompensation ergibt. Soweit der Schaden nicht durch Wiederherstellung wiedergutgemacht ist, kann der verletzte Staat von dem verantwortlichen deutschen Staat nach Art. 36 ILC-Entwurf eine Schadenskompensation in Geld verlangen. Soweit der ihm zugefügte Nachteil nicht durch Wiederherstellung oder Schadensersatz wiedergutgemacht werden kann, hat die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 37 ILC-Entwurf für die Völkerrechtsverletzung Genugtuung – in Form einer Anerkennung der Verletzung, einer Erklärung des Bedauerns, einer formalen Entschuldigung oder einer anderen angemessenen Vorgehensweise7  – zu leisten. Diese kommt etwa in Betracht, wenn ein deutsches Gericht völkerrechtswidrig gegenüber einem ausländischen Staat Ordnungsmittel nach § 890 ZPO verhängt hat, um ihn für eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine titulierte Unterlassung oder Duldung zu sanktionieren.8 b. Wiedergutmachung für ein völkerrechtswidriges Endurteil Hat ein deutsches Gericht gegenüber einem ausländischen Staat im Erkenntnisverfahren ein Urteil ohne Gerichtsbarkeit erlassen, so hat die Bundesrepublik Deutschland diesen Völkerrechtsverstoß vorrangig im Wege der Naturalrestitution nach Art. 35 ILC-Entwurf wiedergutzumachen. Fraglich ist, auf welche konkrete Art und Weise sie ihrer Verpflichtung im Einklang mit den nationalen Rechtsvorgaben gerecht werden kann. 6  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 199 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1308; Geimer, LMK 2003, 174 (175). 7  Von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 433; ähnlich auch Ipsen in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, § 30 Rdnr. 67. 8 Siehe hierzu Kapitel D. V. 4. c.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

aa. Wege und Irrwege der Wiedergutmachung Schaumann und Habscheid schlagen vor, der deutsche Staat könne einen zur Zahlung einer Geldsumme verurteilten ausländischen Staat ablösen und als Dritter i. S. v. § 267 Abs. 1 S. 1 BGB den ausgeurteilten Geldbetrag an den Kläger zahlen.9 Damit muss sich aber ein in seiner Immunität verletzter ausländischer Staat nicht begnügen, da es ihm nach Art. 43 Abs. 2 lit. b) ILC-Entwurf unbenommen ist, vorrangig Naturalrestitution zu verlangen. Hierbei ist nach Art. 35 ILC-Entwurf die Situation wiederherzustellen, die vor Erlass des ohne Gerichtsbarkeit ergangenen Urteils bestanden hat. Da ein völkerrechtswidriges Urteil auch bei einer Ablösezahlung an den Gläubiger bestehen bleibt und Wirkungen entfaltet,10 kann die Bundesrepublik Deutschland dadurch ihrer Verpflichtung zur Wiederherstellung nicht gerecht werden. Ebenso wenig muss sich der in seiner Immunität verletzte ausländische Staat damit begnügen, dass sie ihm nach Art. 36 ILC-Entwurf den ausgeurteilten Betrag einschließlich der Kosten des Rechtsstreits ersetzt. Vielmehr kann sie ihrer vorrangigen Pflicht zur Naturalrestitution nur nachkommen, indem sie das völkerrechtswidrige Urteil aufhebt.11 Die Pflicht zur Aufhebung eines ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenen Urteils trifft nach Art. 1 und 4 Abs. 1 ILC-Entwurf die Bundesrepublik Deutschland. Ungeachtet dieser völkerrechtlichen Verpflichtung enthält das deutsche Recht keine expliziten Regeln, welches staatliche Organ nach welchem Prozedere ein immunitätsverletzendes Urteil aufheben muss. Im Unterschied dazu gewährt § 42 Abs. 2 der österreichischen Jurisdiktionsnorm der obersten Verwaltungsbehörde ein Antragsrecht zum Obersten Gerichtshof, wenn der Mangel der österreichischen Gerichtsbarkeit erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens offenbar wird. Dieser ist dann befugt, die Nichtigkeit des gerichtlichen Verfahrens auszusprechen. Der deutsche Gesetzgeber hat hingegen keine vergleichbare Regelung getroffen. Da das erkennende Gericht nach § 318 ZPO an seine Entscheidung gebunden ist, kann es sie jedenfalls nicht von sich aus aufheben, mag sie auch noch so völkerrechtswidrig sein. Ebenso wenig können das Berufungsgericht und das Revisionsgericht aus Eigeninitiative ein ohne Gerichtsbarkeit ergangenes Urteil revidieren. Damit verbleibt noch die Möglichkeit, dass der verletzte ausländische Staat selbst vor den deutschen Gerichten Rechtsmittel gegen ein immunitätsverletzendes Urteil einlegt. Gleichwohl besteht hierzu keine völkerrechtliche  9  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (261 f.); Schaumann in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 1 (153); sich anschließend Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 225. 10  Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (184). Zu den einzelnen Urteilswirkungen (v. a. innerprozessuale Bindungswirkung, formelle und materielle Rechtskraft sowie Vollstreckbarkeit) siehe näher Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 606 ff. 11  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 204; Becker, JuS 2004, 470 (471); Geimer, LMK 2003, 215 (216); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (181 f.).

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen

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Obliegenheit, da  – wie soeben aufgezeigt  – die in Art. 44 lit. b) ILC-Entwurf verankerte local remedies rule keine Anwendung findet, wenn der in seiner Immunität verletzte Staat den innerstaatlichen Rechtsweg nicht ausgeschöpft hat.12 Vielmehr reicht es nach Art. 43 Abs. 1 ILC-Entwurf aus, dass er gegenüber der Bundesrepublik Deutschland seinen Anspruch mitteilt. Erhebt also die Regierung des verletzten ausländischen Staates gegenüber der Bundesregierung diplomatischen Protest, so muss diese aktiv werden und die Aufhebung des Urteils von Amts wegen veranlassen.13 Demzufolge kann einem ausländischen Staat auch kein Mitverschulden nach Art. 39 ILC-Entwurf zur Last gelegt werden, weil er sich gegen eine sein hoheitliches Handeln betreffende Klage vor einem deutschen Gericht nicht verteidigt hat. Es ist unbeachtlich, ob er durch die rechtzeitige Geltendmachung seiner Immunität gegenüber dem erkennenden Gericht ein gegen ihn erlassenes Versäumnisurteil hätten verhindern können oder ob er Einspruchs‑ oder Rechtsmittelfristen hat verstreichen lassen. Vielmehr sind die deutschen Gerichte von Amts wegen verpflichtet, die einem Staat von Völkerrechts wegen zukommende Immunität zu gewährleisten und ohne deutsche Gerichtsbarkeit gegen ihn kein Urteil zu erlassen.14 Der Aufhebung des Urteils könnte entgegenstehen, dass es der deutschen Bundesregierung hierfür wegen des in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verankerten Gewaltenteilungsgrundsatzes und der in Art 97 Abs. 1 GG verbürgten richterlichen Unabhängigkeit an der innerstaatlichen Zuständigkeit fehlt.15 Allerdings ist die Naturalrestitution nach Art. 35 lit. a) ILC-Entwurf nur in Fällen tatsächlicher Unmöglichkeit ausgeschlossen. Dagegen sind Fälle rechtlicher Unmöglichkeit, etwa weil es dem verantwortlichen Staat an einer nationalen Kompetenzvorschrift fehlt, nicht erfasst. So kann sich nach Art. 32 ILC-Entwurf die verantwortliche Bundesrepublik Deutschland nicht auf ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften berufen, um sich ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Naturalrestitution zu entziehen.16 Tut sie dies dennoch, so könnte ein in seiner Immunität verletzter ausländischer Staat versucht sein, einen anderen Weg einzuschlagen und seinen völkerrechtlichen Anspruch auf Aufhebung des Urteils vor dem Internationalen Gerichtshof geltend zu machen. Da sich die Bundesrepublik Deutschland nach der Fakultativklausel des Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut durch Erklärung vom 30. 4. ​  Siehe bereits Kapitel E. I. 1. a.  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 349 (Fn. 215). 14 BGH, NJW 1979, 1101 (1101); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15; von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2980). 15  So Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 218, 531; Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (166, 181 f.). 16  Vgl. auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 193, 205; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (241 f., 245); Geimer, LMK 2003, 174 (175). 12 13

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

2008 seiner Gerichtsbarkeit unterworfen hat,17 kann der verletzte Staat den Internationalen Gerichtshof anrufen, soweit er ebenfalls eine solche Erklärung abgegeben hat. In diesem Fall kann dieser nach Art. 36 Abs. 2 lit. d) IGH-Statut über Art und Umfang der wegen Verletzung einer internationalen Verpflichtung geschuldeten Wiedergutmachung, also auch über die Aufhebung eines völkerrechtswidrigen Urteils, entscheiden.18 Verurteilt der Internationale Gerichtshof die Bundesrepublik Deutschland, so muss sie zwar nach Art. 94 Abs. 1 UN-Charta das Urteil befolgen. Ihm kommt aber weder kassatorische Wirkung zu, noch ist es vollstreckbar.19 Der UN-Sicherheitsrat könnte zwar nach Art. 94 Abs. 2 UN-Charta Empfehlungen abgeben oder Maßnahmen beschließen, die dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs Wirksamkeit verschaffen sollen, nicht aber das immunitätsverletzende Urteil eines deutschen Gerichts aufheben. Auch eine Feststellungsklage nach Art. 21 EuStImm vor dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität oder vor dem vom verletzten Vertragsstaat bezeichneten Gericht führt nicht zur automatischen Aufhebung eines immunitätsverletzenden Zivilurteils.20 Damit ist das Problem, wie die Bundesrepublik Deutschland ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils nachkommen kann, immer noch nicht gelöst. Ausgehend von der Prämisse, dass angesichts ihrer Souveränität nur sie selbst und angesichts des Grundsatzes der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit nur ihre Gerichte ein völkerrechtswidriges Urteil aufheben können,21 verbleibt nur ein letzter Ausweg, wenn ein ausländischer Staat nicht von sich aus die deutschen Gerichte anruft: die Nebenintervention der Bundesrepublik Deutschland im Rechtsstreit zwischen dem privaten Kläger und dem beklagten ausländischen Staat. Wie bereits aufgezeigt, kann die Bundesrepublik Deutschland einem ausländischen Staat nach § 66 Abs. 1 ZPO als Streithelfer zur Unterstützung beitreten.22 Sie hat ein rechtliches Interesse daran, ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem ausländischen Staat zur Naturalrestitution in Form der Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils nachzukommen. Vertreten wird sie hierbei durch den Außenminister als das für die auswärtigen Beziehungen zuständige Organ. Hat er ein immunitätsverletzendes Urteil eines deutschen Gerichts gegenüber einem ausländischen Staat völkerrechtlich zu verantworten,  BGBl. 2008 II, S. 713.  Vgl. auch die Entscheidung des IGH, I. C. J. Reports 2012, 99 ff. – Jurisdictional Immunities in der umgekehrten Konstellation, in der Deutschland den IGH wegen der Verletzung seiner Staatenimmunität durch italienische Gerichte anrief. 19  Vgl. Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 55 Rdnrn. 71, 74; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 206 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 7 Rdnr. 151. 20  Siehe dazu Kapitel D. I. 3. a. dd. 21  Vgl. auch Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 201. 22 Siehe ausführlich Kapitel C. VI. 2. c. 17 18

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen

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so muss ihm auch im Wege der implied powers innerstaatlich die Befugnis zustehen, seiner Verantwortung gerecht zu werden.23 Als Nebenintervenient ist die Bundesrepublik Deutschland nicht nur nach § 67 Hs. 2 ZPO berechtigt, Prozesshandlungen zu Gunsten eines beklagten ausländischen Staates bis zum Erlass eines erstinstanzlichen Urteils vorzunehmen, sondern sie kann auch Rechtsmittel für ihn einlegen. So stellt § 66 Abs. 2 ZPO klar, dass die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, möglich ist. Solange also jedenfalls ein immunitätsverletzendes Urteil noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, kann der Außenminister der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland dadurch nachkommen, dass er im Wege der Nebenintervention Rechtsmittel zu Gunsten des ausländischen Staates einlegt.24 bb. Rechtsmittel gegen ein immunitätsverletzendes Endurteil vor Eintritt der Rechtskraft Der deutsche Staat kann einen ausländischen Staat im Wege der Nebenintervention nur dann wirksam unterstützen, wenn die Zivilprozessordnung geeignete Rechtsmittel gegen ein ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenes Endurteil vorsieht. Ist es noch nicht in Rechtskraft erwachsen, so kann es mit den herkömmlichen Rechtsmitteln der Berufung und der Revision nach Maßgabe der §§ 511 ff. ZPO bzw. §§ 542 ff. ZPO angefochten werden. Dies gilt nicht nur, wenn ein Urteil an allgemeinen Mängeln leidet, die bei Gerichtsentscheidungen schlechthin denkbar sind. Vielmehr sind diese Rechtsmittel auch dann statthaft, wenn ein deutsches Gericht einen ausländischen Staat ohne Gerichtsbarkeit verurteilt und damit den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität verletzt. Selbst unter der Prämisse, ein ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenes Urteil wäre nichtig,25 würde nichtsdestotrotz der Rechtsschein eines Urteils existieren, den es zu beseitigen gälte.26 Der Anfechtung eines unter Verkennung fehlender Gerichtsbarkeit ergangenen Urteils könnten § 513 Abs. 2 ZPO bzw. § 545 Abs. 2 ZPO entgegenstehen. Nach diesen Vorschriften kann die Berufung bzw. Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht 23  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 218, 531; Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (193 f.). 24 Zur Problematik, ob die völkerrechtlichen Vertretungsorgane auch noch nach Eintritt der Rechtskraft dem Rechtsstreit im Wege der Wiederaufnahmeklage beitreten können, siehe Kapitel E. I. 1. b. cc. (2). 25 Siehe hierzu bereits ausführlich Kapitel D. III. 2. a. 26  Vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 483; Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (241) und Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (74), nach denen ein immunitätsverletzendes Urteil nur mit Rechtsmitteln anfechtbar ist.

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angenommen hat. Allerdings sind die deutsche Gerichtsbarkeit und die (internationale) Zuständigkeit zwei voneinander zu trennende Prozessvoraussetzungen. Während die Regeln über die Gerichtsbarkeit bestimmen, ob ein Gericht den ihm unterbreiteten Rechtsstreit überhaupt entscheiden darf, bestimmen die Regeln über die Zuständigkeit, ob es den Rechtsstreit entscheiden muss.27 Demzufolge stellt der Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit keinen mit der Unzuständigkeit vergleichbaren Ausschlussgrund dar, der eine analoge Anwendung dieser Ausschlussvorschriften rechtfertigen könnte. Vielmehr haben auch das Berufungsgericht und das Revisionsgericht die deutsche Gerichtsbarkeit erneut in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.28 cc. Rechtsmittel gegen ein immunitätsverletzendes rechtskräftiges Endurteil Ist hingegen ein Endurteil nach § 705 ZPO in formelle Rechtskraft erwachsen, so kann es nicht mehr mit den herkömmlichen Rechtsmitteln der Berufung oder der Revision angefochten werden. Trotz fehlender deutscher Gerichtsbarkeit würde es im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens endgültig rechtsverbindlich werden, käme nicht an dieser Stelle das Völkerrecht ins Spiel. Die deutsche Rechtsordnung erkennt über Art. 25 S. 1 GG den völkerrechtlichen Anspruch auf Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils nach den Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit an. Da dieser Anspruch nicht mit Eintritt der Rechtskraft erlischt, bedarf es zu seiner Verwirklichung eines innerstaatlichen Rechtsmittels. Die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe helfen allerdings nicht weiter, um gegen ein rechtskräftiges Urteil vorzugehen, das trotz fehlender deutscher Gerichtsbarkeit gegen einen ausländischen Staat ergangen ist. Diese Rechtsbehelfe richten sich nur gegen die Zwangsvollstreckung als solche, ohne das im Erkenntnisverfahren ergangene Urteil zu beseitigen. Ebenso wenig kann eine Feststellungsklage dazu führen, dass ein völkerrechtswidriges Urteil aufgehoben und damit die Immunitätsverletzung im Wege der Naturalrestitution beseitigt wird. Es verbleibt nur die Möglichkeit, die Wiederaufnahme des bereits abgeschlossenen Verfahrens nach §§ 578 ff. ZPO anzustreben und die Wiederaufnahmeklage gegebenenfalls mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 707 ZPO zu verbinden. (1) Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage. Bei schweren Urteilsmängeln kann ausnahmsweise die Rechtskraft durchbrochen und das Verfahren wieder aufgenommen werden, weil andernfalls das Vertrauen in die Rechtspflege er-

27  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (165); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 155. 28 Siehe auch Kapitel C. IV. 1. a.

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schüttert wäre.29 Daher sieht die Zivilprozessordnung gem. § 578 Abs. 1 ZPO die Wiederaufnahme eines bereits durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens durch die Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) und die Restitutionsklage (§ 580 ZPO) als sog. außerordentliche Rechtsmittel30 vor. Mithilfe der Nichtigkeitsklage können schwere Verfahrensmängel, mithilfe der Restitutionsklage können schwere und zugleich kausale Mängel der Urteilsgrundlagen geltend gemacht werden.31 Für beide Arten der Wiederaufnahmeklage ist nach § 584 Abs. 1 ZPO das Gericht ausschließlich zuständig, welches das immunitätsverletzende Urteil gegen den ausländischen Staat erlassen hat. Die Nichtigkeitsklage zielt darauf ab, rechtskräftige Entscheidungen zu korrigieren, die aufgrund besonders schwerer Verfahrensfehler zustande gekommen sind. Jedoch passt keiner der in § 579 Abs. 1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe dem Gesetzeswortlaut nach auf den Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit.32 In Betracht kommt nur eine analoge Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO,33 nach dem die nicht ordnungsgemäße Vertretung einer Prozesspartei einen Nichtigkeitsgrund darstellt, sofern diese die Prozessführung nicht ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Dieser Vertretungsmangel ist mit dem Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit insoweit vergleichbar, als es in beiden Fällen am Vorliegen einer Prozessvoraussetzung fehlt.34 Stellt bereits der Verstoß gegen einfachgesetzliche Vertretungsvorschriften einen Nichtigkeitsgrund dar, so ist es nur konsequent, wenn dies erst für die Verletzung des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität gilt. Andererseits könnte auch die Restitutionsklage gem. § 580 ZPO statthaft sein, wenn es um die Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils geht.35 Zwar passt wiederum keiner der genannten Restitutionsgründe unmittelbar auf den Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit, es bietet sich aber eine analoge Anwendung des § 580 Nr. 8 ZPO an.36 Nach dieser Vorschrift besteht ein Restitutionsgrund, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der EMRK oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Ver29  Musielak/Voit/Musielak, ZPO, § 580 Rdnr. 1; Zöller/Greger, ZPO, § 580 Rdnr. 1; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 677. 30 So MünchKomm/Braun, ZPO, Vorbem. zu §§ 578 ff. Rdnr. 5; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 1049 spricht von einem rechtsmittelartigen Charakter. 31  Zöller/Greger, ZPO, § 578 Rdnr. 1; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnrn. 678 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 159 Rdnr. 1. 32  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (241 f.); Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 201. 33 So Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (242 ff., 273 f.). 34  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (242 ff., 273 f.). 35  So Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 193, 217 ff.; Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (192). 36 So auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 217.

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letzung beruht. Diese 2006 eingefügte Regelung soll es den deutschen Gerichten ermöglichen, dem Gebot völkerfreundlichen Verhaltens Rechnung zu tragen und ein im Widerspruch zur EMRK stehendes Urteil aufzuheben.37 Ebenso muss es dem erkennenden Gericht möglich sein, ein im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität stehendes Urteil aufzuheben, da sich diese Pflicht aus dem völkerrechtlichen Grundsätzen zur Staatenverantwortlichkeit und damit ebenfalls aus dem Völkerrecht ergibt. Spätestens an dieser Stelle drängt sich aber die Frage auf, ob die Wiederaufnahmegründe überhaupt einer Analogie zugänglich sind.38 So kommt dem Wiederaufnahmeverfahren wegen der damit verbundenen Rechtskraftdurchbrechung nicht nur ein Ausnahmecharakter zu, sondern auch die Nichtigkeits‑ bzw. Restitutionsgründe sind in § 579 und § 580 ZPO abschließend aufgelistet. Mittlerweile hat sich jedoch allgemein die Auffassung durchgesetzt, dass auch diese beiden Vorschriften zwar nicht überdehnt werden dürfen, aber an und für sich einer Analogie zugänglich sind.39 So darf insbesondere nicht übersehen werden, dass das Zivilprozessrecht als Verfahrensrecht nicht um seiner selbst willen besteht, sondern der Verwirklichung subjektiver Rechte dient.40 Hat ein ausländischer Staat gegenüber dem deutschen Staat einen völkerrechtlichen Anspruch auf Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils, dann muss ein zivilprozessualer Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, um diesen Anspruch verwirklichen zu können. So kann sich nach Art. 32 ILC-Entwurf die verantwortliche Bundesrepublik Deutschland nicht auf die Vorschriften ihres innerstaatlichen Rechts als Rechtfertigung dafür berufen, sie könne ihrer Verpflichtung zur Wiedergutmachung nicht nachkommen. Daher ist die Wiederaufnahmeklage statthaft, gleich ob man § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO oder § 580 Nr. 8 ZPO um eine Analogie bemüht. Um der Rechtsklarheit willen empfiehlt es sich, den von Habscheid gemachten Vorschlag aufzugreifen und den Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit als weiteren Wiederaufnahmegrund in der Zivilprozessordnung zu verankern.41 (2) Hürden im Wiederaufnahmeverfahren.  Noch unbeantwortet ist die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland noch im Wiederaufnahmeverfahren dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten kann. Nach § 66 Abs. 2 ZPO kann 37 Vgl. dazu Musielak/Voit/Musielak, ZPO, § 580 Rdnr. 24; Braun, NJW 2007, 1620 (1620); Schumann in: Bammer/Holzinger/Vogl/Wenda (Hrsg.), FS Machacek und Matscher, S. 901 (902 ff.). 38 Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 154 und Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 201 lehnen mit Verweis auf den Gesetzeswortlaut eine Wiederaufnahme des Verfahrens ab, ohne eine analoge Anwendung zu diskutieren. 39 Vgl. statt vieler MünchKomm/Braun, ZPO, Vorbem. zu §§ 578 ff. Rdnrn. 7 ff. m. w. N. 40  Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, Einl. Rdnr. 3; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rdnr. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rdnr. 7. 41 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (245).

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die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen. Das Wiederaufnahmefahren setzt aber voraus, dass bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Allerdings zielt die Vorschrift nicht darauf ab, die Nebenintervention vom Wiederaufnahmeverfahren auszuschließen, sondern dem Streithelfer die Unterstützung einer Prozesspartei in jedem Stadium des Erkenntnisverfahrens zu ermöglichen. Letztlich soll mit der Wiederaufnahmeklage die Rechtskraft der Entscheidung beseitigt werden, um den Rechtsstreit nach § 590 Abs. 1 ZPO erneut verhandeln zu können, soweit er vom Wiederaufnahmegrund betroffen ist. Wenn das Verfahren wieder aufgenommen wird, kann die Bundesrepublik Deutschland unzweifelhaft nach dem Wortlaut des § 66 Abs. 2 ZPO dem ausländischen Staat zur Unterstützung beitreten. Konsequenterweise muss es ihr auch möglich sein, diesem den Weg zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu ebnen. Damit ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Außenminister, auch für das Wiederaufnahmeverfahren zum Streitbeitritt berechtigt und kann dadurch ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gerecht werden.42 Die Wiederaufnahmeklage ist nach § 586 Abs. 1 ZPO vor Ablauf einer Notfrist von einem Monat zu erheben. Diese Frist beginnt nach § 586 Abs. 2 S. 1 ZPO mit dem Tag, an dem der ausländische Staat vom Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils. Die Wiederaufnahmeklage wäre verfristet, wenn ein in seiner Immunität verletzter Staat erst nach Ablauf der einmonatigen Notfrist vom deutschen Staat Wiedergutmachung verlangt. Allerdings ist die Geltendmachung des völkerrechtlichen Anspruchs nicht auf eine Notfrist von einem Monat ab Rechtskraft des immunitätsverletzenden Urteils beschränkt, sondern zeitlich unbegrenzt. Wiederum kommt Art. 32 ILC-Entwurf zum Tragen: Die verantwortliche Bundesrepublik Deutschland kann sich nicht auf zivilprozessualen Fristen als Rechtfertigung für die Nichterfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils berufen, sondern sie hat unabhängig von innerprozessualen Einschränkungen Wiedergutmachung zu leisten. Die in § 586 Abs. 1 ZPO geregelte Klagefrist wird insoweit durch das nach Art. 25 S. 1 GG vorrangige Völkergewohnheitsrecht modifiziert. Die Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils durch Wiederaufnahme des Verfahrens könnte aber ausgeschlossen sein, wenn das Gericht bereits ausdrücklich seine Gerichtsbarkeit bejaht hat. So soll es in diesem Fall nach einigen Stimmen im Schrifttum mit einem gegen einen ausländischen Staat ergangenen Urteil sein Bewenden haben, da man andernfalls nie zu einer abschließenden 42  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (245 ff.); vgl. allgemein auch Zöller/Vollkommer, ZPO, § 66 Rdnr. 15; Zöller/Greger, ZPO, vor § 578 Rdnr. 6.

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Entscheidung käme und der Grundsatz der Rechtskraft ausgehöhlt wäre.43 Diese Argumentation erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als Trugschluss: Gelangt das erkennende und zugleich für die Wiederaufnahme nach § 584 Abs. 1 ZPO zuständige Gericht zur Überzeugung, dass es dem verurteilten ausländischen Staat zu Recht keine Immunität gewährt hat, so wird es das Verfahren nicht wieder aufnehmen. Es verbleibt bei dem rechtskräftigen Endurteil, ohne dass ein erneutes Wiederaufnahmeverfahren gegen das die Wiederaufnahmeklage abweisende Urteil angestrengt werden könnte. Mit diesem Urteil lehnt das Gericht nur die Wiederaufnahme des Verfahrens ab, entscheidet aber nicht über staatliches Handeln in der Sache. Damit schafft es von vornherein keinen potentiellen Wiederaufnahmegrund, aufgrund dessen die deutsche Gerichtsbarkeit erneut zur Überprüfung gestellt werden könnte. Kommt hingegen das Gericht im Wiederaufnahmeverfahren zu dem Ergebnis, es sei wegen der dem ausländischen Staat zu gewährenden Immunität nicht zur Entscheidung in der Sache befugt gewesen, so wird es das Verfahren wieder aufnehmen und die ursprüngliche Klage mangels deutscher Gerichtsbarkeit als unzulässig abweisen. Gewährt es dem ausländischen Staat Immunität, so schafft es keinen neuen Wiederaufnahmegrund. In beiden Konstellationen entscheidet das Gericht also im Wiederaufnahmeverfahren abschließend über die deutsche Gerichtsbarkeit. Demzufolge ist der Grundsatz der Rechtskraft durch die Wiederaufnahme des Verfahrens zwar eingeschränkt, keinesfalls aber ausgehöhlt. Abgesehen davon kann es durchaus von der „Schreibfreudigkeit“ des einzelnen Richters abhängen, ob er das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit nur in Gedanken prüft, in den Entscheidungsgründen lapidar behauptet oder ausführlich begründet. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Entscheidungsgründe nach § 313 Abs. 3 ZPO nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten sollen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Käme es auf die Bejahung der deutschen Gerichtsbarkeit im Urteil an, so könnte das Gericht durch die bloße Behauptung, dem beklagten Staat komme keine Immunität zu, die Wiederaufnahme des Verfahrens verhindern und damit einen völkerrechtswidrigen Zustand perpetuieren. Schließlich scheitert die Wiederaufnahmeklage auch nicht an § 582 ZPO, weil der ausländische Staat es schuldhaft unterlassen hätte, im Ausgangsverfahren seine Immunität geltend zu machen. Insoweit fehlt es schon an einem Verschulden, da die deutsche Gerichtsbarkeit und die ihr entgegenstehende Staatenimmunität in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen sind44. Unabhängig davon können wiederum nach Art. 32 ILC-Entwurf die zivilprozessualen Be43  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (244 f.); Schlosser, ZZP 79 (1966), 164 (191 f.); ohne Begründung auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 217. 44  Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (182); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rdnr. 15.

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stimmungen der Bundesrepublik Deutschland nicht als Rechtfertigung dienen, sich ihrer völkerrechtlichen Wiedergutmachungspflicht zu entziehen. c. Wiedergutmachung für eine völkerrechtswidrige Zwangsvollstreckung Die Bundesrepublik Deutschland ist im Rahmen ihrer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit einem ausländischen Staat nicht nur im Erkenntnisverfahren, sondern auch in der Zwangsvollstreckung gem. Art. 35 ILC-Entwurf zur Wiederherstellung der Situation verpflichtet, die vor der Immunitätsverletzung bestanden hat. Damit stellt sich für dieses Verfahrensstadium erneut die Frage, mit welchen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen sich eine immunitätsverletzende Vollstreckungshandlung rückgängig machen lässt. Hierbei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: zum einen die Vollstreckung in einen Gegenstand, für den ein ausländischer Staat Immunität genießt, und zum anderen die Vollstreckung aus einem Urteil, das wegen fehlender Gerichtsbarkeit nicht hätte erlassen werden dürfen. aa. Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung in einen immunen Gegenstand Pfändet der Gerichtsvollzieher nach § 808 Abs. 1, 2 ZPO eine bewegliche Sache eines ausländischen Staates, obwohl sie wegen ihres hoheitlichen Verwendungszwecks nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt, so ist die Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 1 S. 1 ZPO der statthafte Rechtsbehelf.45 Mit ihr können Verfahrensfehler bei der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme zur richterlichen Überprüfung gestellt werden.46 Die Vollstreckungserinnerung ist auch dann statthaft, wenn der Gerichtsvollzieher dem ausländischen Staat eine bewegliche Sache im Rahmen der Herausgabevollstreckung nach § 883 Abs. 1 ZPO wegnimmt, da er bei beiden Vollstreckungsmaßnahmen die formellen Vollstreckungsvoraussetzungen verletzt.47 Ebenso kann mit der Vollstreckungserinnerung gegen die Pfändung einer immunen Forderung gem. §§ 829 ff. ZPO vorgegangen werden, weil § 834 ZPO die Anhörung des Vollstreckungsschuldners über das Pfändungsgesuch ausschließt und daher eine Vollstreckungsmaßnahme vorliegt.48

45  Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 176; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 234; Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (779); Becker, JuS 2004, 470 (471). 46  Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, § 766 Rdnrn. 1, 10; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1160; Prinz von Sachsen Gessaphe, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 494. 47 Vgl. Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, § 883 Rdnr. 10; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1212. 48  Vgl. auch BGH, NJW-RR 2013, 1532 (1533); Prinz von Sachsen Gessaphe, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 497.

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Die Vollstreckungserinnerung erfolgt durch Antrag nach §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO zum gem. § 764 ZPO zuständigen Vollstreckungsgericht, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären und die bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahme aufzuheben. Auch eine Vollstreckungsmaßnahme, die wegen entgegenstehender Vollstreckungsimmunität nicht hätte ergehen dürfen, ist ebenso wie ein immunitätsverletzendes Urteil nicht schlechthin nichtig, sondern mit den von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen anzufechten.49 Die Vollstreckungserinnerung kann nach § 766 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 732 Abs. 2 ZPO mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden werden, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen.50 Die Vollstreckungserinnerung ist dagegen unstatthaft, wenn es um die Zwangs­ vollstreckung in ein Grundstück geht, das wegen seines hoheitlichen Verwendungszwecks nicht dem Vollstreckungszugriff unterliegt. Gegen die Zwangsverwaltung bzw. Zwangsversteigerung ist nach (§ 146 Abs. 1 i. V. m.) § 95 ZVG die sofortige Beschwerde statthaft. Gegen die Eintragung einer Zwangshypothek ist dagegen die einfache Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 71 Abs. 1 GBO der statthafte Rechtsbehelf mit dem Ziel, dass der nach § 3 Nr. 1 lit. h) RPflG zuständige Rechtspfleger des Grundbuchamts angewiesen wird, nach § 53 Abs. 1 GBO einen Amtswiderspruch einzutragen oder eine Amtslöschung vorzunehmen.51 Ein in seiner Vollstreckungsimmunität verletzter ausländischer Staat kann die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe selbst einlegen, er muss sich damit allerdings nicht begnügen. Vielmehr ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Außenminister, im Rahmen ihrer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit verpflichtet, aktiv Wiedergutmachung zu leisten. Nicht nur die Parteien des Vollstreckungsverfahrens selbst, sondern auch Dritte sind erinnerungs‑ bzw. beschwerdebefugt, wenn das durch die Vollstreckung verletzte Recht zumindest auch ihren rechtlichen Interessen dient.52 Da die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 1 ILC-Entwurf die völkerrechtliche Verantwortung für eine immunitätsverletzende Vollstreckungshandlung trägt, hat sie ein maßgebliches Interesse, dass ihre Gerichte eine bereits begonnene Pfändung eines immunen Gegenstandes aufheben. Damit setzt sich ihr rechtliches Interesse an einer Neben49  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 483; Becker, JuS 2004, 470 (471); Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (74); a. A. Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (780), der einen immunitätsverletzenden Vollstreckungsakt zwar für nichtig, das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungserinnerung aber für gegeben hält. 50  Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 234. 51 OLG München, FGPrax 2015, 17 (18). 52  Vgl. Zöller/Stöber, ZPO, § 793 Rdnr. 4; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1198; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Sternal, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 766 Rdnr. 39.

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intervention im Erkenntnisverfahren auf der Vollstreckungsebene in Form der Erinnerungsbefugnis fort.53 Darüber hinaus sind die aufgezeigten vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe nur solange zulässig, wie die Zwangsvollstreckung noch nicht beendet ist, also der Gläubiger zum Beispiel aus dem Vollstreckungserlös wegen seiner titulierten Geldforderung noch nicht befriedigt oder bei der Herausgabevollstreckung die Sache ihm noch nicht übergeben ist. Danach fehlt es am Rechtsschutzinteresse, da das Vollstreckungsgericht mit Abschluss der Zwangsvollstreckung den vollzogenen Übergang von Eigentum oder Forderung auf den Gläubiger oder auf einen Dritten nicht mehr rückgängig machen kann.54 Aber auch nach Beendigung der Zwangsvollstreckung wird die Bundesrepublik Deutschland nicht von ihrer vorrangigen Pflicht zur Naturalrestitution nach Art. 35 ILC-Entwurf frei, solange andere Möglichkeiten bestehen, die Situation wiederherzustellen, die vor der völkerrechtswidrigen Vollstreckung bestanden hat. So hat sie sich darum zu bemühen, eine zur Versteigerung gelangte Sache vom nunmehrigen Eigentümer zu erwerben und sie sodann dem ausländischen Staat rückzuübereignen.55 Entsprechendes gilt im Fall der Pfändung und Überweisung einer Forderung, solange sie noch nicht wegen Erfüllung erloschen ist. Vor allem bei der Sachpfändung darf der deutsche Staat bis zur Unverhältnismäßigkeitsgrenze des Art. 35 lit. b) ILC-Entwurf keine Kosten scheuen, die den Wert des zwangsversteigerten Gegenstandes übersteigen.56 Übersteigen hingegen die Ankaufskosten dessen Wert erheblich und stehen sie daher außer Verhältnis, so kann der ausländische Staat nur noch eine Geldkompensation nach Art. 36 ILCEntwurf verlangen. Ebenso scheidet eine Naturalrestitution nach Art. 35 lit. a) ILC-Entwurf aus, wenn der Erwerb und die Rückübertragung auf den ausländischen Staat tatsächlich unmöglich ist, etwa weil die versteigerte Sache zerstört oder die überwiesene Forderung erloschen ist. Weigert sich der neue Eigentümer bzw. Forderungsinhaber, den durch Zwangsversteigerung erworbenen Gegenstand dem deutschen Staat zu übereignen bzw. abzutreten, so ist zu erwägen, ob die völkerrechtliche Wiederherstellungspflicht auch den Entzug durch Enteignung erfasst. Eine Enteignung würde zwar einem Gemeinwohlzweck dienen, nämlich der Erfüllung einer völkerrechtlichen Pflicht der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem in seiner Immunität verletzten ausländischen Staat. Abgesehen von der Frage der Verhältnismäßigkeit und insbesondere dem Schutz des Vertrauens des neuen Eigentümers bzw. 53 Habscheid

in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (274 f.).  Vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 1189, 1191; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 37 Rdnr. 59, § 44 Rdnr. 6. 55 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 213 f.; ders., LMK 2003, 215 (216); ders., IPRax 2008, 225 (227). 56  Ähnlich Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 213 f.; ders., LMK 2003, 215 (216). 54

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Forderungsinhabers, fehlt es jedenfalls für einen derartigen Eingriff in das verfassungsrechtlich von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Eigentum an einer von Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG geforderten gesetzlichen Grundlage. In diesem Fall verbleibt nur noch eine Wiedergutmachung durch Schadenskompensation in Geld nach Art. 36 ILC-Entwurf. bb. Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung aus einem ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenen Urteil Ein ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenes Urteil, das für vorläufig vollstreckbar erklärt oder rechtskräftig geworden ist, bildet nach zutreffender Auffassung eine taugliche Vollstreckungsgrundlage, solange es das für Berufung, Revision oder Wiederaufnahme zuständige Gericht nicht aufgehoben hat. Dies folgt, wie bereits aufgezeigt, aus der in der Zivilprozessordnung angelegten Kompetenzverteilung zwischen Erkenntnisgericht und Vollstreckungsgericht sowie aus der Rechtssicherheit als Element des Rechtsstaatsprinzips.57 Daher kann gegen eine Immunitätsverletzung im Erkenntnisverfahren nicht mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen vorgegangen werden. Insbesondere scheidet eine Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 732 Abs. 1 ZPO aus, da mit dieser nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel erhoben werden können58. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat aber zu Recht nach § 724 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des wirksamen Urteils erteilt.59 Vielmehr sind vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe erst nach Aufhebung eines immunitätsverletzenden Urteils statthaft. Bis dahin kann mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach (§ 719 i. V. m.) § 707 ZPO verhindert werden, dass der Vollstreckungsgläubiger aus dem noch wirksamen Urteil vollstreckt.60 Ist das Urteil hingegen – gegebenenfalls auch im Wege der Wiederaufnahmeklage – wirksam angefochten, so fehlt es für eine Klauselerinnerung am Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 717 Abs. 1 ZPO tritt die vorläufige Vollstreckbarkeit bereits mit Verkündung des aufhebenden Urteils außer Kraft, so dass es keiner Klauselerinnerung mehr bedarf. Erachtet man dagegen mit dem Bundesverfassungsgericht ein ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenes Urteil für nichtig,61 so wäre in der Tat die Klauseler Siehe ausführlich Kapitel D. III. 2. b., c.  Zöller/Stöber, ZPO, §  732 Rdnrn.  1  f.; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 138. 59  Hein, Das wirkungslose Urteil, S. 283; Becker, JuS 2004, 470 (471); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985). 60 Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, S. 153 f.; Weller, Rpfleger 2006, 364 (365); ähnlich auch Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (273 f.). 61 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725); siehe dazu näher Kapitel D. III. 2. a. 57

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innerung nach § 732 Abs. 1 ZPO der geeignete Rechtsbehelf, damit das Prozessgericht des ersten Rechtszugs die vollstreckbare Ausfertigung aufhebt und die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt.62 Bestünde kein wirksames Urteil, so hätte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht nach § 724 ZPO dem Vollstreckungsgläubiger eine mit einer Vollstreckungsklausel versehene Urteilsausfertigung erteilen dürfen.63 Nun hält aber das Bundesverfassungsgericht konsequenterweise nicht nur ein immunitätsverletzendes Urteil, sondern auch die Erteilung der Vollstreckungsklausel für nichtig.64 Dann dürfte zwar aus einem nichtigen Urteil mit einer ebenfalls nichtigen Vollstreckungsklausel ohnehin keine Zwangsvollstreckung erfolgen. Da aber allein die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils nicht erkennen lässt, dass dieses nichtig sein soll, könnte die Klauselerinnerung den Rechtsschein beseitigen. Wahlweise kann analog § 767 Abs. 1 ZPO die Titelgegenklage als prozessuale Gestaltungsklage zum Prozessgericht des ersten Rechtszugs erhoben werden, hält man die Zwangsvollstreckung wegen der Nichtigkeit des Titels für unzulässig. Während auf die Klauselerinnerung hin die Zwangsvollstreckung aus der mit einer Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung für unzulässig erklärt wird, kann mit der Titelgegenklage die Vollstreckbarkeit des Titels selbst beseitigt werden.65 Erachtet man dagegen mit den besseren Argumenten ein ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenes Urteil für wirksam, so scheidet auch die Titelgegenklage aus. d. Befugnis des ausländischen Staates zu Gegenmaßnahmen Erfüllt die Bundesrepublik Deutschland ihre völkerrechtliche Verpflichtung zur Wiedergutmachung einer Immunitätsverletzung nicht, so ist der verletzte ausländische Staat nach Maßgabe der Art. 49 ff. ILC-Entwurf zur Ergreifung völkerrechtlicher Gegenmaßnahmen berechtigt. Als Repressalien stellen sie ein an sich völkerrechtswidriges Handeln dar, mit dem ein Staat auf die Völkerrechtsverletzung eines anderen Staates reagiert, um dessen Rückkehr zu einem völkerrechtskonformen Verhalten und die Erfüllung von Wiedergutmachungsansprüchen zu erwirken.66 Insbesondere kann ein in seiner Immunität verletzter Staat befugt sein, die Bundesrepublik Deutschland für hoheitliches Handeln 62 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725); LG Gießen, NJW 1956, 555 (555); Zöller/Stöber, ZPO, § 732 Rdnr. 6; Walter in: Waseda Universität (Hrsg.), FS Waseda Universität, S. 771 (780 f.); von Schönfeld, NJW 1986, 2980 (2985). 63 Vgl. auch BGH, NJW-RR 2003, 1218 (1219). 64  BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725). 65  BGH, NJW-RR 2004, 1718 (1718 f.); Zöller/Herget, ZPO, § 767 Rdnr. 7; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1314; Prinz von Sachsen Gessaphe, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 549 f. 66  Herdegen, Völkerrecht, § 59 Rdnr. 6; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnrn. 71; Malanczuk, ZaöRV 45 (1985), 293 (295).

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

und für hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen seiner Gerichtsbarkeit zu unterwerfen.67 Allerdings sind Gegenmaßnahmen nach Art. 49 Abs. 2 ILC-Entwurf auf die vorläufige Nichterfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung und nach Art. 51 ILC-Entwurf durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt. Dabei muss nach Art. 50 Abs. 2 lit. b) ILC-Entwurf die Unverletzlichkeit der diplomatischen und konsularischen Einrichtungen, Archive und Dokumente gewahrt bleiben. Auch dürfen nach Art. 52 Abs. 3 ILC-Entwurf keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden bzw. diese müssen unverzüglich ausgesetzt werden, wenn das völkerrechtswidrige Handeln eingestellt ist und die Streitigkeit bereits vor dem Internationalen Gerichtshof anhängig ist. Kommt der verantwortliche deutsche Staat seine Wiedergutmachungspflicht nach, so hat der ausländische Staat nach Art. 53 ILC-Entwurf die Gegenmaßnahmen zu beenden. Trotz der an und für sich bestehenden Möglichkeit haben Gegenmaßnahmen als Reaktion auf eine Immunitätsverletzung in der Staatenpraxis kaum Bedeutung. So scheidet insbesondere eine Unterwerfung unter die eigene Gerichtsbarkeit oftmals bereits deshalb aus, weil vor den Gerichten des in seiner Immunität verletzten ausländischen Staates kein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland über ihr hoheitliches Handeln anhängig ist. Aber auch so manche innerstaatlichen Rechtsgrundlagen für die Ergreifung von Gegenmaßnahmen wurden im Zuge der weltweiten Etablierung des Grundsatzes der relativen Staatenimmunität gestrichen. So ist zum Beispiel Art. 425 der ukrainischen ZPO a. F. mit der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 18. 3. ​2004 ersatzlos entfallen. Danach war das Ministerkabinett oder ein anderes bevollmächtigtes Organ zur Anwendung von Gegenmaßnahmen ermächtigt, wenn der Ukraine vor ausländischen Gerichten nicht im gleichen Umfang Immunität gewährt wurde, wie sie in der Ukraine sichergestellt war.68 Auch im deutschen Recht wurde § 24 EGZPO a. F., nach dem unter Zustimmung des Bundesrats durch Anordnung des Reichskanzlers bestimmt werden konnte, dass gegen einen ausländischen Staat ein Vergeltungsrecht zur Anwendung gebracht wird, mit Wirkung zum 1. 10. ​1998 aufgehoben.69

2. Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter Durch die Versagung von Staatenimmunität könnte ein deutsches Gericht auch das grundrechtsgleiche Recht eines ausländischen Staates auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzen, so dass dem Völkerrechtsverstoß  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 648.  Vgl. zu dieser Vorschrift Boguslawskij, IPRax 2002, 43 (45). 69 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 605. 67 68

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen

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zugleich eine verfassungsrechtliche Dimension zukäme. Der ausländische Staat könnte diesen Verstoß nach Erschöpfung des zivilprozessualen Rechtsweges mit der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG rügen. Hat die Verfassungsbeschwerde Erfolg, so stellt das Bundesverfassungsgericht nach § 95 Abs. 1 S. 1 BVerfGG fest, dass und durch welche gerichtliche Entscheidung Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzt worden ist, hebt diese nach § 95 Abs. 2 BVerfGG auf und verweist die Sache an ein zuständiges Gericht zurück. a. Verstoß gegen die Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 2 GG Eine Verletzung der von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Garantie des gesetzlichen Richters kann sich insbesondere daraus ergeben, dass ein Gericht seiner Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 2 GG nicht nachkommt.70 Eine Verletzung dieses Prozessgrundrechts setzt voraus, dass ein ausländischer Staat von dessen persönlichem Schutzbereich erfasst ist. Allgemein anerkannt ist, dass sich nicht nur inländische natürliche Personen, sondern auch ausländische juristische Personen auf das in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte grundrechtsgleiche Recht berufen können. Als sog. Jedermannrecht gebührt es jedem, der an einem gerichtlichen Verfahren als Partei beteiligt ist.71 Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei konsequent klargestellt, dass auch ausländische Staaten als ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts dem Schutz dieses Prozessgrundrechts unterfallen, da es weniger der individuellen Selbstbestimmung als vielmehr der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege diene.72 Ein Zivilgericht kann seine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 2 GG dadurch verletzen, dass es keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als gesetzlichen Richters i. S. v. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG über die völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsregeln einholt.73 Dies setzt voraus, dass objektive Zweifel an Existenz, Rechtscharakter, Tragweite oder Bindungskraft einer dieser Regeln vorliegen, die völkerrechtliche Zweifelsfrage für den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich ist und die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Vorlage beruht.74

70 BVerfGE 64, 1 (12 ff.); BVerfG, WM 2006, 2084 (2084); NJW 2012, 293 (294); von Arnauld, Völkerrecht, Rdnr. 533; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 278; Weller, Rpfleger 2006, 364 (373). 71 BVerfGE 64, 1 (11); Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rdnr. 170. 72  BVerfG, DVBl 2003, 661 (661); WM 2006, 2084 (2084); BVerfG, Beschluss v. 16. 10. ​2013, Az. 2 BvR 736/13 – juris; NJW 2014, 1723 (1723). 73 BVerfGE 64, 1 (12 f.); 96, 68 (77); BVerfG, WM 2006, 2084 (2084); NVwZ 2008, 878 (878); NJW 2012, 293 (294); Maunz/Dürig/Maunz, GG, Art. 101 Rdnr. 54; Weller, Rpfleger 2006, 364 (372 f.). 74 Siehe hierzu bereits Kapitel C. VII. 2. c. bb.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Gleichwohl führt nicht jeder Vorlageverstoß in einem zivilprozessualen Verfahren zu einem Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters. Voraussetzung ist wie stets die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Ein ausländischer Staat kann die Entziehung seines gesetzlichen Richters erst dann im Wege der Verfassungsbeschwerde erfolgreich angreifen, wenn dem Zivilgericht mit der unterbliebenen Vorlage nicht nur ein einfacher Rechtsfehler unterlaufen ist, sondern dies willkürlich erfolgt ist.75 Das ist dann der Fall, wenn die gerichtliche Entscheidung auf grober Missachtung oder grober Fehlanwendung der Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 2 GG beruht oder wenn das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkannt hat.76 Gleichwohl verbleibt nur ein geringer Raum für die Konstellation, dass ein Zivilgericht zwar seine Vorlagepflicht rechtsirrtümlich verkennt, nicht aber willkürlich verletzt. Das Bundesverfassungsgericht billigt den Gerichten keinen Vertretungsspielraum bei der Würdigung ernstzunehmender Zweifel an Existenz, Rechtscharakter, Tragweite oder Bindungskraft einer allgemeinen Regel des Völkerrechts zu. Vielmehr gebiete Art. 100 Abs. 2 GG  – wie es in seiner Entscheidung zur National Iranian Oil Company ausführte –, in allen Rechtsstreitigkeiten bei Vorliegen objektiver Zweifel eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, um im Interesse der Rechtssicherheit divergierende Entscheidungen zu verhindern und der Gefahr von Verletzungen der allgemeinen völkerrechtlichen Regeln durch die deutschen Gerichte vorzubeugen.77 b. Entscheidung trotz fehlender Gerichtsbarkeit Herkömmlicherweise prüft das Bundesverfassungsgericht bei einer mit einer Verfassungsbeschwerde gerügten Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters ausschließlich, ob ein Gericht willkürlich seiner Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 2 GG wegen bestehender Zweifel am Inhalt und Umfang der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität nicht nachgekommen ist. Dies liegt bereits nach dem Wortlaut des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG auf der Hand. Ausdrücklich offen ließ es diese Frage dagegen in seiner bereits angesprochenen Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde der Republik Griechenland, welche die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für ein Urteil über Lohnnachzahlungen wegen des Einbehalts von Quellensteuer betraf. Stattdessen erkannte es

75  BVerfGE 64, 1 (20 f.); BVerfG, WM 2006, 2084 (2084); Beschluss v. 16. 10. ​2013, Az. 2 BvR 736/13 – juris; Weller, Rpfleger 2006, 364 (372 f.). 76  BVerfGE 64, 1 (21); BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725). 77  BVerfGE 64, 1 (21); so auch BVerfG, WM 2006, 2084 (2085); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 278; Weller, Rpfleger 2006, 364 (373).

I. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen

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in dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts selbst eine unmittelbare Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.78 Die Verfahrensgeschichte sei nochmals kurz in Erinnerung gerufen: Das Arbeitsgericht München erließ zugunsten einer bei der griechischen Schule in München beschäftigten Lehrkraft gegen die Republik Griechenland ein Teilversäumnisurteil über die Nachzahlung von Arbeitslohn, den diese zur Abführung von Quellensteuer einbehalten hatte. Es erteilte der Lehrkraft eine Vollstreckungsklausel und wies die daraufhin eingelegte Erinnerung Griechenlands zurück. Während das Landesarbeitsgericht München auf die sofortige Beschwerde hin diesen Beschluss zunächst aufhob, hob das Bundesarbeitsgericht wiederum den Beschluss des Landesarbeitsgerichts auf und wies die Beschwerde Griechenlands gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurück.79 Das von der Republik Griechenland im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufene Bundesverfassungsgericht verneinte schließlich die Gerichtsbarkeit der deutschen Arbeitsgerichte, da es sich bei der Besteuerung mit griechischer Quellensteuer durch den griechischen Staat um eine hoheitliche Tätigkeit gehandelt habe. Demzufolge habe das Bundesarbeitsgericht wie auch schon das Arbeitsgericht München gegen den Grundsatz der Staatenimmunität verstoßen und wegen der grundlegenden Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG Griechenland in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Da der Grundsatz der Staatenimmunität die gerichtliche Beurteilung hoheitlichen Handelns ausländischer Staaten von vornherein verbiete, sei der bestätigende Beschluss über die Erteilung der Vollstreckungsklausel grob fehlerhaft und willkürlich, da er Maßnahmen betreffe, die dem Kernbereich des völkerrechtlich anerkannten staatlichen Handelns zuzurechnen seien.80 Dieser Paradigmenwechsel des Bundesverfassungsgerichts überrascht, gewährt Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG doch, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. So verwies es noch in einer früheren Entscheidung auf den durch das grundrechtsgleiche Recht beschränkten Prüfungsmaßstab, nach dem es nur einen Verstoß gegen die sich aus Art. 100 Abs. 2 GG ergebende Vorlagepflicht, nicht aber das Völkerrecht prüfe.81 In seinem späteren Beschluss zur griechischen Quellensteuer interpretierte dann das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich dieses Prozessgrundrechts weit und erweiterte ihn um eine negative Abwehrkomponente dergestalt, dass der gesetzliche Richter keine Entscheidung treffen darf, wenn es an der deutschen Gerichtsbarkeit fehlt. Bedau78 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725); anders noch BVerfG, Beschluss v. 16. 10. ​2013, Az. 2 BvR 736/13 – juris in seiner vorangegangenen einstweiligen Anordnung, in der es nur erörterte, ob die unterbliebene Vorlage eine Verletzung des Rechts aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG begründen kann. 79  BAG, NZA 2013, 468 (469 ff.); siehe bereits Kapitel C. II. 7. b. 80  BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725). 81 BVerfG, WM 2006, 2084 (2085 f.).

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

erlicherweise enthält der Beschluss keine Ausführungen, warum das in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte Recht auf den gesetzlichen Richter nicht nur vor dessen Entziehung, sondern auch davor schützen soll, dass ein Gericht ohne Gerichtsbarkeit eine Entscheidung zulasten eines ausländischen Staates fällt. Eine nähere Begründung hätte Licht ins Dunkel bringen und die Akzeptanz der Erweiterung des Schutzbereichs steigern können. So aber erweckt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts den Eindruck, als hätte es trotz gegenteiliger Behauptung die Rolle einer „Superrevisionsinstanz“ eingenommen, um die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts München zu verhindern und so eine vermeintliche Immunitätsverletzung Griechenlands zu revidieren. Über eine Verletzung der Vorlagepflicht hätte hingegen das Bundesverfassungsgericht dessen Entscheidung nicht aufheben und damit eine Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nicht verhindern können. Vielmehr attestierte es dem Bundesarbeitsgericht eine grundlegende Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, weil der Grundsatz der Staatenimmunität die gerichtliche Beurteilung hoheitlichen Handelns ausländischer Staaten von vornherein verbiete.82 Daher bestanden seiner Auffassung zufolge bereits keine objektiven Zweifel an den völkerrechtlichen Immunitätsregeln, aufgrund derer das Bundesarbeitsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Vorlage verpflichtet gewesen wäre. Der Eindruck, das Bundesverfassungsgericht sei als vermeintlich übergeordnete Instanz darum bemüht gewesen, die Vollstreckung aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil zu verhindern, wird dadurch verstärkt, dass es ihm eine grob fehlerhafte und daher willkürliche Verletzung der Staatenimmunität bescheinigte. Das Bundesarbeitsgericht gewährte Griechenland allerdings – wie an früherer Stelle erörtert – zu Recht keine Immunität, indem es zutreffend auf die verminderte Auszahlung des Arbeitslohns anstatt auf die Erhebung und Abführung der Quellensteuer abstellte.83 Aber selbst wenn Griechenland Immunität zugekommen wäre, so ist die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Behauptung, das Bundesarbeitsgericht hätte diese grob fehlerhaft und daher willkürlich verletzt, gewagt, da der Bezugspunkt für die Immunitätsgewährung durchaus diskutabel ist. So wies selbst das Bundesverfassungsgericht in seiner einstweiligen Anordnung noch auf die Komplexität der Rechtslage hin.84

 BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725).  BAG, NZA 2013, 468 (471); siehe näher Kapitel C. II. 7. b. 84 BVerfG, Beschluss v. 16. 10. ​2013, Az. 2 BvR 736/13 – juris. 82 83

II. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung

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II. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung Ein deutsches Gericht kann nicht nur die Staatenimmunität verletzen, sondern auch umgekehrt einem Individuum den Rechtsschutz zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber einem ausländischen Staat verwehren. Erfolgt dies ohne Bestehen einer völkerrechtlichen Pflicht, so verletzt es dessen Recht auf Zugang zu Gericht. In diesem Fall stellt sich die Frage nach den Rechtsschutzmöglichkeiten des privaten Klägers bzw. Vollstreckungsgläubigers und sekundär nach der Haftung der Bundesrepublik Deutschland.

1. Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers im Erkenntnisverfahren Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers im Erkenntnisverfahren verdienen in zwei Konstellationen besonderes Augenmerk: zum einen wenn das Gericht seine Prozessförderungspflicht verletzt und zum anderen wenn es eine Klage wegen vermeintlichen Fehlens seiner Gerichtsbarkeit als unzulässig abweist. a. Rechtsbehelfe gegen die Verletzung der Prozessförderungspflicht Hat ein Gläubiger eine Klage gegen einen ausländischen Staat erhoben, so kann sich das Gericht angesichts einer falsch verstandenen Völkerrechtsfreundlichkeit weigern, prozessleitende und zugleich prozessfördernde Maßnahmen zu treffen. Selbst wenn einem beklagten ausländischen Staat Immunität zukommt, hat es  – wie bereits aufgezeigt  – ihm die Klage zuzustellen, einen Termin zur abgesonderten mündlichen Verhandlung über die deutsche Gerichtsbarkeit anzuberaumen und dem ausländischen Staat durch die Mitteilung des Termins Gelegenheit zu geben, daran teilzunehmen.85 Andernfalls verletzt das Gericht das verfassungsrechtlich verbürgte und explizit in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verankerte Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht. Besteht nicht nur eine objektive Pflicht zur Ergreifung prozessfördernder Maßnahmen, sondern auch ein korrespondierendes subjektives Recht des Klägers, so muss es einen effektiven Rechtsbehelf geben, um das untätige Gericht zum Handeln zu bewegen.86 Ausdrücklich ist dies in Art. 13 EMRK verbürgt. Danach hat jede Person das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, wenn sie in ihren in der Konvention anerkannten Rechten verletzt worden ist. 85 Siehe

Kapitel C. V. 1. a., 2. a., b.  OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 09664; MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnrn. 26, 31. Zum Erfordernis eines Rechtsbehelfs bei überlanger Verfahrensdauer vgl. EGMR, NJW 2006, 2389 (2390) – Sürmeli v. Deutschland. 86

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, mit welchem Rechtsbehelf der in seinem Recht auf Zugang zu Gericht verletzte Kläger gegen einen Beschluss, mit dem das Gericht die Zustellung einer Klage oder die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung verweigert, wirksam vorgehen kann. Zwar plante die Bundesregierung 2005 die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde, das Vorhaben scheiterte aber noch im Entwurfsstadium.87 Die Dienstaufsichtsbeschwerde nach § 26 Abs. 2 DRiG als bloßer formloser Rechtsbehelf ist hierfür jedenfalls nicht geeignet, da mit ihr nur insgesamt eine ordnungswidrige Geschäftserledigung, nicht aber die Verweigerung einer prozessleitenden Verfügung im Einzelfall gerügt werden kann.88 Auch der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens vermag nicht weiterzuhelfen, wenn der Kläger im Wege des Primärrechtsschutzes eine Klagezustellung oder eine Terminsanberaumung gegenüber einem ausländischen Staat erwirken will. Entsprechendes gilt für die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG, die lediglich eine Warnfunktion für das Gericht entfaltet, allerdings keinen echten Rechtsbehelf darstellt,89 zumal das Gericht die Durchführung des Verfahrens nicht nur verzögert, sondern gänzlich ablehnt. Gegen die Verletzung der Prozessförderungspflicht könnte der Kläger mit der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO vorgehen. Nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist diese aber jedenfalls mangels einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung nicht statthaft. Es verbleibt noch § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, nach dem die sofortige Beschwerde gegen eine die mündliche Verhandlung nicht erfordernde, erstinstanzliche Entscheidung statthaft ist, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Dies setzt voraus, dass die anzufechtende Entscheidung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Klägers ergehen kann.90 Zwar impliziert eine Klageschrift das Gesuch des Klägers, dass das Gericht über die von ihm gestellten Anträge nach dem von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Verfahren in der Sache entscheidet.91 Daher oder auch ohne Begründung wird von einigen Stimmen im Schrifttum § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auf die Ablehnung der Klagezustellung bzw. Terminsanberaumung für anwendbar

87 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion u.  a., BTDrcks. 16/7655, S. 4; MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnr. 30. 88  Vgl. MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnr. 26; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 216 Rdnr. 11; Zöller/Stöber, ZPO, § 216 Rdnr. 21. 89  Hk/Rathmann, ZPO, § 198 GVG Rdnr. 19; MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnr. 30. 90  BGH, MMR 2014, 417 (418); MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnrn. 10 f.; Musielak/ Voit/Ball, ZPO, § 567 Rdnr. 14. 91  MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnr. 10; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, § 271 Rdnr. 36; Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 190.

II. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung

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erachtet.92 Auch das Landgericht Kiel hob auf eine sofortige Beschwerde hin den Beschluss des Amtsgerichts Neumünster auf, das die Anberaumung eines Verhandlungstermins für eine Klage abgelehnt hatte, mit welcher der Kläger Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall mit einem Reiseomnibus gegenüber dem Königreich Dänemark geltend machte.93 Der Anwendbarkeit des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO steht allerdings entgegen, dass in der Einreichung der Klageschrift kein selbstständiges, vom Sachantrag zu trennendes Verfahrensgesuch liegt.94 Abgesehen davon wird die Klageschrift nach §§ 271 Abs. 1, 166 ff. ZPO ebenso von Amts wegen zustellt, wie der Termin nach § 216 Abs. 1 ZPO von Amts wegen bestimmt wird. Damit ist  – so auch der Bundesgerichtshof – jedenfalls nach dem unmittelbaren Wortlaut des § 567 Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde kein statthafter Rechtsbehelf, um gegen die Weigerung, eine Klage einem ausländischen Staat zuzustellen oder einen Termin zur abgesonderten mündlichen Verhandlung anzuberaumen, vorzugehen.95 Nichtsdestotrotz erfordern das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht und insbesondere Art. 13 EMRK einen effektiven Rechtsbehelf, damit der Kläger die Klagezustellung bzw. die Anberaumung eines Verhandlungstermins seitens des Gerichts erwirken kann. Andernfalls wäre das rechtsschutzsuchende Individuum rechtlos gestellt, muss es einerseits die Gerichte wegen des staatlichen Gewaltmonopols in Anspruch nehmen, verweigert aber andererseits das angerufene Gericht wegen einer falsch verstandenen Völkerrechtsfreundlichkeit die Ergreifung prozessfördernder Maßnahmen. Da allein die sofortige Beschwerde einen an sich geeigneten und effektiven Rechtsbehelf darstellt, mit dem die Beschwerdeinstanz erstinstanzliche Entscheidungen revidieren kann, bietet sich eine analoge Anwendung der §§ 567 ff. ZPO an, um die bestehende planwidrige Regelungslücke zu schließen.96 Die Suche nach einer Vorschrift i. S. v. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine der Verweigerung der Prozessförderung vergleichbare Konstellation enthält, führt zu § 252 ZPO. Danach findet gegen eine Entscheidung, durch die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet wird, die sofortige Beschwerde statt. Ebenso kommt es zum Verfahrensstillstand, wenn das Gericht das Verfahren nicht förmlich aussetzt, sondern die Klagezustellung oder die Anberaumung eines Verhandlungstermins ablehnt. In beiden Fällen ist 92 MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, § 271 Rdnr. 19; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, § 271 Rdnr. 36; Zöller/Greger, ZPO, § 271 Rdnr. 6; Halbach, Die Verweigerung der Terminsbestimmung und der Klagezustellung im Zivilprozeß, S. 189 f.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rdnr. 973. 93  LG Kiel, JZ 1954, 117 (117). 94  MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnr. 10. 95 Vgl. BGH, MMR 2014, 417 (418) m. Anm. Kefferpütz, GRUR-Prax 2014, 213 (213); auch MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnr. 11. 96  So auch allgemein bei gerichtlicher Untätigkeit MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnrn. 26, 31.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

das Interesse des Beschwerdeführers darauf gerichtet, den Fortgang des Verfahrens zu erwirken. Kommt also ein erstinstanzliches Gericht seiner Pflicht zur Prozessleitung nicht nach und lehnt es die Zustellung der Klageschrift gegenüber einem ausländischen Staat oder die Anberaumung eines Termins zur abgesonderten Verhandlung ab, so kann der Kläger im Wege der sofortigen Beschwerde analog § 252 i. V. m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dagegen vorgehen.97 Die sofortige Beschwerde könnte auch dann statthaft sein, wenn der Kläger die – völkerrechtlich unzulässige – Zustellung der Klage an den in Deutschland ansässigen Botschafter98 erwirken will. So hielt das Landgericht Bonn die sofortige Beschwerde des Klägers, der wegen der radioaktiven Verstrahlung seiner Gartenanlage infolge des Reaktorunfalls in Tschernobyl die ehemalige Sowjetunion auf Schadensersatz verklagte und die Klagezustellung an den sowjetischen Botschafter in Bonn beantragte, ohne nähere Begründung für zulässig.99 Allerdings fehlt es für eine analoge Anwendung von § 252 i. V. m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, da die mit der Zustellung der Klageschrift an einen ausländischen Staat auf diplomatischem Weg verbundene Dauer dem Völkerrecht geschuldet ist.100 Darüber hinaus führt die Klagezustellung auf diplomatischem Weg anders als die Aussetzung des Verfahrens und die Weigerung der Klagezustellung nicht zu einem Verfahrensstillstand, so dass es auch an einer vergleichbaren Interessenlage mangelt. b. Rechtsbehelfe gegen ein zu Unrecht ergangenes Prozessurteil Auch wenn ein Gericht zunächst einem ausländischen Staat eine Klage zustellt und einen (abgesonderten) Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, kann es die Klage gleichwohl wegen fehlender Gerichtsbarkeit abweisen. Erfolgt die Klageabweisung zu Unrecht, weil dem beklagten ausländischen Staat für den konkreten Rechtsstreit keine Immunität zukommt, so kann der Kläger dagegen Berufung nach §§ 511 ff. ZPO bzw. Revision nach §§ 542 ff. ZPO unter Beachtung der jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen einlegen. Diese Rechtsmittel sind auch dann statthaft, wenn das erkennende Gericht die Klage nicht durch Endurteil nach § 300 Abs. 1 ZPO, sondern durch Zwischenurteil nach § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO abweist. Zwar müsste es in diesem Fall richtigerweise auch nach  97 OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 316 (316); Heß, RIW 1989, 254 (255); vgl. allgemein für einen Verfahrensstillstand herbeiführende Entscheidungen: OLG Köln, NJOZ 2003, 172 (172); OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 09664; MünchKomm/Stackmann, ZPO, § 252 Rdnr. 13; MünchKomm/Lipp, ZPO, § 567 Rdnr. 26; Zöller/Stöber, ZPO, § 216 Rdnr. 21.  98  Siehe hierzu Kapitel C. V. 1. c.  99  LG Bonn, IPRax 1987, 231 (231). 100 Vgl. BGH, MMR 2014, 417 (418) zur Zurückweisung des Antrags, die Klageschrift in einer Streitigkeit um einen Domainnamen dem in Deutschland wohnenden Administrator anstelle der in den USA ansässigen Beklagten zuzustellen. Zur Zustellung auf diplomatischem Weg siehe näher Kapitel C. V. 1. b.

II. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung

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einer abgesonderten Verhandlung durch Endurteil entscheiden, da es mangels Gerichtsbarkeit ohnehin nicht zur Hauptsache verhandeln und entscheiden darf und der Rechtsstreit damit beendet ist.101 Weist es nichtsdestotrotz die Klage durch Zwischenurteil ab, dann ist dieses nach § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO mit Blick auf die Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Wie an früherer Stelle aufgezeigt, gebietet der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität, dass bei Zweifeln über das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit diese Frage vorab im Rahmen einer abgesonderten Verhandlung nach § 280 Abs. 1 ZPO geklärt werden muss. Ein deutsches Gericht darf seine Gerichtsbarkeit zunächst nur insoweit ausüben, als dies zur Klärung der Immunitätsfrage erforderlich ist.102 Da der Grundsatz der Staatenimmunität in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist, ist eine abgesonderte Verhandlung nicht von nur vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs, sondern auch vor dem Berufungs‑ und Revisionsgericht geboten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gewährung von Staatenimmunität in der Berufungs‑ bzw. Revisionsinstanz jedenfalls dann nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wenn das erstinstanzliche Gericht seine Gerichtsbarkeit verneint hat. In der für einen Rechtsstreit mit einem ausländischen Staat eher seltenen Konstellation, dass die Berufung unzulässig ist, weil entgegen § 511 Abs. 2 ZPO der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro nicht übersteigt und die Berufung nicht zugelassen ist, verbleibt dem unterliegenden Kläger nur die Möglichkeit einer Gehörsrüge nach § 321a ZPO. Hierzu müsste das Gericht sein Recht auf rechtliches Gehör i. S. v. Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben, insbesondere indem es seinen Ausführungen über das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit keine Beachtung geschenkt hat. Es genügt dagegen nicht, dass es in seinem Urteil zu einer anderweitigen Einschätzung der Sach‑ und Rechtslage gelangt ist und daher dem ausländischen Staat – wenngleich rechtsirrig – Immunität gewährt hat.103 Hat der Kläger mit einer Berufung, Revision oder Gehörsrüge keinen Erfolg, so kann er nach Erschöpfung des Rechtswegs unter den Voraussetzungen der Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 90 ff. BVerfGG Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben. Neben seinem soeben angesprochenen Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG kann er insbesondere in seinem Justizgewährungsanspruch, der seine Grundlage in dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG hat,104 verletzt sein. Darüber hinaus ist eine Verletzung des durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten  Siehe bereits Kapitel C. VIII. 1. b. näher Kapitel C. V. 2. d. 103  Vgl. MünchKomm/Musielak, ZPO, § 321a Rdnrn. 12 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 321a Rdnr. 8. 104 Siehe näher Kapitel B. IV. 2. b. 101

102 Siehe

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Eigentums, zu dem auch privatrechtliche Forderungen zählen,105 ebenso möglich wie eine Verletzung des in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Rechts auf den gesetzlichen Richter, wenn das erkennende Gericht seiner Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 2 GG nicht nachgekommen ist106. Allerdings hat eine Verfassungsbeschwerde nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das Zivilgericht seine Gerichtsbarkeit nicht nur irrtümlich verkannt, sondern auch spezifisches Verfassungsrecht verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn es seine Gerichtsbarkeit willkürlich verneint hat, indem es die völkerrechtlichen Immunitätsregeln grob missachtet oder grob fehlerhaft angewandt hat.107 Bei einem Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 2 GG billigt das Bundesverfassungsgericht – wie bereits ausgeführt – den Gerichten bei der Würdigung ernstzunehmender Zweifel am Bestehen einer allgemeinen Völkerrechtsregel keinen Ermessensspielraum zu.108 Gibt es der Verfassungsbeschwerde statt, so hebt es nach § 95 Abs. 2 BVerfGG das klageabweisende Urteil auf und verweist die Sache an ein zuständiges Gericht zurück. Schließlich verbleibt dem Kläger noch die Möglichkeit einer Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung seines von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK garantierten Rechts auf Zugang zu Gericht, wenn die deutschen Gerichte sich der Titulierung seiner Forderung verweigert haben.109 Ein Konventionsverstoß kommt aber nur in Betracht, wenn ein deutsches Gericht einem beklagten ausländischen Staat über das völkerrechtlich gebotene Maß hinaus Immunität gewährt und daher die Klage zu Unrecht wegen fehlender deutscher Gerichtsbarkeit abgewiesen hat. Nur wenn die Gewährung von Staatenimmunität keiner völkerrechtlichen Regel entspricht, ist das Recht des rechtsschutzsuchenden Individuums auf Zugang zu Gericht unverhältnismäßig beschränkt.110 Stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung fest und beruht das klageabweisende Urteil darauf, so kann der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 580 Nr. 8 ZPO beantragen.

105 Siehe

näher Kapitel E. II. 3. b.  BVerfGE 64, 1 (12 f.); Maunz/Dürig/Dederer, GG, Art. 100 Rdnr. 339; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 278, 524; Weller, Rpfleger 2006, 364 (373). 107 BVerfGE 64, 1 (21); BVerfG, NJW 2014, 1723 (1725); vgl. allgemein Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rdnrn. 1307 ff. 108  BVerfGE 64, 1 (21); BVerfG, BeckRS 2006, 17948; siehe auch Kapitel E. I. 2. a. 109 Vgl. hierzu EGMR, NJW 2004, 273 (274) – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EuGRZ 2011, 374 (377) – Sedelmayer v. Deutschland. 110  Siehe bereits ausführlich Kapitel B. IV. 2. a., b. sowie Lengelsen, Aktuelle Probleme der Staatenimmunität im Verfahren vor den Zivil‑ und Verwaltungsgerichten, S. 56 f., 63. 106

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2. Rechtsschutzmöglichkeiten des Vollstreckungsgläubigers in der Zwangsvollstreckung Auch wenn ein Gläubiger ein seiner Klage stattgebendes Urteil gegen einen ausländischen Staat erlangt hat, kann das beauftragte Vollstreckungsorgan nichtsdestotrotz die Zwangsvollstreckung verweigern. Erfolgt dies zu Unrecht, weil dem ausländischen Staat als Vollstreckungsschuldner von Völkerrechts wegen keine Immunität zukommt, so richten sich die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vollstreckungsgläubigers danach, welches Vollstreckungsorgan die Vornahme eines Vollstreckungsaktes abgelehnt hat. Verweigert der Gerichtsvollzieher die Ausführung eines Vollstreckungsauftrags, so ist nach § 766 Abs. 2 ZPO die Vollstreckungserinnerung statthaft. Hierbei ist es gleich, ob er die Vollstreckung aus dem Titel insgesamt oder nur die Vollstreckung in einen konkreten Vermögensgegenstand für unzulässig hält. Gegen den Ablehnungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts, eine Forderung eines ausländischen Staates zu pfänden, ist nach § 793 ZPO die sofortige Beschwerde statthaft.111 Dies gilt auch dann, wenn das Prozessgericht erster Instanz es ablehnt, einen auf Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichteten Titel gegen einen ausländischen Staat zu vollstrecken.112 Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines Grundstücks durch den nach § 3 Nr. 1 lit. i) RPflG zuständigen Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts kann sich der Vollstreckungsgläubiger mit der sofortigen Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 793 ZPO wenden. Dagegen ist gegen die Zurückweisung des Antrags auf die Eintragung einer Zwangshypothek durch den nach § 3 Nr. 1 lit. h) RPflG zuständigen Rechtspfleger des Grundbuchamts die Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 71 Abs. 1 GBO statthaft.113 Weigert sich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, dem Gläubiger nach § 724 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils zu erteilen, weil es wegen eines Immunitätsverstoßes nichtig sei, so kann dieser gegen die Entscheidung mit der befristeten Erinnerung gem. § 573 Abs. 1 ZPO vorgehen.114 Nach Erschöpfung des Rechtswegs besteht für den Vollstreckungsgläubiger, dem die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat zu Unrecht verweigert worden ist, wiederum die prinzipielle Möglichkeit einer Verfassungs111  Vgl. KG, SchiedsVZ 2004, 103 (105); Zöller/Stöber, ZPO, § 829 Rdnr. 28; Lippross/Bittmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 549. 112  Vgl. Hk/Kindl, ZPO, §  793 Rdnr.  2; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1253. 113 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 1296 f.; Lippross/Bittmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 639. 114  Vgl. Zöller/Stöber, ZPO, § 724 Rdnr. 13; Lippross/Bittmann, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnrn. 86 f.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

beschwerde zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG. In Betracht kommen insbesondere eine Verletzung seines in Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Justizgewährungsanspruchs, der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG115 und seines Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG wegen Verstoßes gegen die Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 2 GG. Eine Verfassungsbeschwerde hat abermals nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, die völkerrechtlichen Immunitätsregeln grob missachtet oder deren Reichweite grundsätzlich verkannt hat und dadurch die Grundrechte des Vollstreckungsgläubigers in spezifischer Weise verletzt hat.116 Als letzte Möglichkeit bleibt dem Vollstreckungsgläubiger wiederum die Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und die anschließende Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 580 Nr. 8 ZPO. In Betracht kommt die Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK garantierten Rechts des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht und der Eigentumsgarantie aus Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK (ZP EMRK), die auch titulierte privatrechtliche Ansprüche erfasst117. Wie auch schon im Erkenntnisverfahren so haftet die Bundesrepublik Deutschland wegen eines Konventionsverstoßes in der Zwangsvollstreckung nur dann, wenn das deutsche Gericht dem ausländischen Staat als Vollstreckungsschuldner über das völkerrechtlich gebotene Maß hinaus Immunität gewährt hat. Dies gilt auch dann, wenn einem Vollstreckungsgläubiger die Zwangsvollstreckung bislang verwehrt geblieben ist, weil die deutschen Gerichte bereits mehrere Anträge auf Vollstreckung in das Vermögen eines ausländischen Staates abgelehnt haben. Ist die Ablehnung unter Anwendung der völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität jeweils zu Recht erfolgt, so ist weder das Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK noch sein von Art. 1 ZP EMRK geschütztes Eigentum verletzt. Auch wenn der ausländische Staat in Deutschland über kein vollstreckbares Vermögen verfügt und der Vollstreckungsgläubiger daher einen Vollstreckungstitel mithilfe der deutschen Gerichte nicht realisieren kann, so führt dies nicht zu einer Aufweichung des austarierten völkergewohnheitsrechtlichen Konzepts der relativen Vollstreckungsimmunität. Dementsprechend hatte der Investor Franz Sedelmayer, der vor deutschen Gerichten mit seinen Anträgen auf Vollstreckung in die der Russischen Födera115 Prinz von Sachsen Gessaphe, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 48; siehe hierzu genauer Kapitel E. II. 3. b. 116  Siehe schon Kapitel E. II. 1. b. 117 EGMR, NJW 2004, 273 (274) – Kalogeropoulou u. a. v. Griechenland und Deutschland; EuGRZ 2011, 374 (377) – Sedelmayer v. Deutschland; Baldegger, Das Spannungsverhältnis zwischen Staatenimmunität, diplomatischer Immunität und Menschenrecht, S. 187; Schill, ICSID Review 27 (2012), 87 (110).

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tion zustehenden Ansprüche auf Rückerstattung von Umsatzsteuer und aus der Einräumung von Überflug-, Transit‑ und Einflugrechten gescheitert war, mit seiner Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keinen Erfolg. Zu Recht verneinte der Gerichtshof insbesondere eine Verletzung von Art. 1 ZP EMRK, da die bisherige Verweigerung der Zwangsvollstreckung entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht de facto einer absoluten Vollstreckungsimmunität gleichkomme. Auch wenn dieser bislang erfolglos versucht habe, aus dem Schiedsspruch zu vollstrecken, so hätten die deutschen Gerichte lediglich die Vollstreckung in immune Vermögensgegenstände abgelehnt. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sie die Pfändung von nicht von der Immunität geschützten Vermögensgegenständen verweigern würden.118

3. Haftung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem rechtsschutzsuchenden Individuum Haben die deutschen Gerichte einem ausländischen Staat zu Recht Immunität gewährt, so bleibt dem rechtsschutzsuchenden Gläubiger trotz der soeben aufgezeigten Rechtsbehelfe die Durchsetzung seiner Ansprüche versagt. Gleichwohl verlangen die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität nicht, dass er die Beschränkung seines Rechts auf Zugang zu Gericht entschädigungslos hinnehmen müsste. Vielmehr bleibt es dabei, dass der deutsche Staat als Korrelat zu dem von ihm beanspruchten Rechtsschutzmonopol verpflichtet ist, dem Einzelnen bei der Verwirklichung seiner Rechte zu helfen. Sind ihm aber wegen der völkerrechtlichen Immunitätsregeln die Hände gebunden, so könnte er verpflichtet sein, dieses Rechtsschutzdefizit wenigstens durch eine Entschädigung auszugleichen. Erst recht besteht ein Rechtsschutzdefizit, wenn die deutschen Gerichte einem ausländischen Staat zu Unrecht Immunität ohne völkerrechtliche Pflicht gewährt haben. Hat der Gläubiger erfolglos die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft, so verbleibt sekundär nur noch die Haftung des deutschen Staates. a. Amtshaftung Die Staatshaftung erfordert, gleich ob einem ausländischen Staat zu Recht oder zu Unrecht Immunität gewährt worden ist, eine Haftungsgrundlage. In Betracht kommt die Amtshaftung gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB hat ein Beamter Schadensersatz für die schuldhafte Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht zu leisten. Art. 34 S. 1 GG leitet die Haftung für hoheitliches Handeln auf den Staat über, wenn jemand in 118 EGMR,

EuGRZ 2011, 374 (377 f.) – Sedelmayer v. Deutschland.

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Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes eine ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat. Dem der Amtshaftung zu Grunde liegenden haftungsrechtlichen Beamtenbegriff zufolge kommt es allein auf die öffentlich-rechtliche Funktionsausübung an,119 so dass unabhängig von der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses die Versagung von Rechtsschutz durch den Richter, den Gerichtsvollzieher, den Rechtspfleger und den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfasst sein kann. Die Haftung trifft denjenigen Hoheitsträger, der dem Amtsträger das Amt anvertraut hat,120 für die Bundesgerichte also den Bund und für Amts-, Land‑ und Oberlandesgerichte das jeweilige Bundesland. Die Haftung setzt die Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht voraus. Den deutschen Staat trifft als Ausfluss seines Gewaltmonopols die Pflicht, dem rechtsschutzsuchenden Individuum Zugang zu seinen Gerichten zu gewähren und ihm so die Durchsetzung seiner Rechte zu ermöglichen. Aus dieser Justizgewährungspflicht resultiert ein Justizgewährungsanspruch des Einzelnen, der als subjektiv-öffentliches Recht ausgestaltet ist.121 Gewährt ein deutsches Gericht einem ausländischen Staat Immunität, ohne dass dies von Völkerrechts wegen geboten ist, so verletzt es das Recht des Klägers bzw. Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht und damit eine drittbezogene Amtspflicht.122 Allerdings hört dieses Recht dort auf, wo die von Völkerrechts wegen gebotene Staatenimmunität beginnt. Solange daher die Gewährung von Immunität aus einer völkerrechtlichen Verpflichtung heraus erfolgt, scheidet eine Amtspflichtverletzung aus. Weiterhin erfordert die Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, dass das Gericht die völkerrechtlichen Immunitätsregeln und deren Einfluss auf das nationale Zivilprozessrecht vorsätzlich oder fahrlässig verkennt und daher dem Kläger bzw. Vollstreckungsgläubiger keinen Rechtsschutz gegenüber einem ausländischen Staat gewährt. Trotz der nicht alltäglichen Rechtsmaterie hat es erforderlichenfalls unter Heranziehung von Hilfsmitteln die Rechtslage sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Hierbei muss es zu einer auf vernünftigen Überlegungen beruhenden, jedenfalls nicht unvertretbaren Auffassung gelangen.123 Bei Vorliegen objektiver Zweifel am Bestehen und Umfang der völkerrechtlichen 119  Maunz/Dürig/Papier, GG, Art.  34 Rdnr.  107; MünchKomm/Papier, BGB, §  839 Rdnr. 131; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 101. 120  Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 216; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 1096; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts‑ und Staatshaftungsrechts, Rdnr. 129. 121  BVerfGE 107, 395 (401); Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rdnr. 48; Karwacki, Der Anspruch der Parteien auf einen fairen Zivilprozess, S. 64; siehe näher Kapitel B. IV. 2. b. 122 Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (259 f.). 123  Vgl. BGHZ 36, 144 (148 f.); Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rdnr. 53; Breuer, Staatshaftung für judikatives Unrecht, S. 232 ff. Zum Kriterium der Unvertretbarkeit siehe näher Staudinger/ Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 313.

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Immunitätsregeln ist nach Maßgabe des Art. 100 Abs. 2 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Aber auch wenn die Gewährung von Immunität nicht mehr vertretbar ist, steht dem rechtsschutzsuchenden Gläubiger nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nur dann ein Anspruch zu, wenn er nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. So könnte er vorrangig darauf zu verweisen sein, Rechtsschutz durch die Gerichte des ausländischen Staates oder eines Drittstaates zu ersuchen. Allerdings kommt das Verweisungsprivileg nur dann zur Anwendung, wenn der anderweitige Ersatz nicht nur tatsächlich und rechtlich möglich, sondern auch zumutbar ist.124 So schließt die fehlende internationale Zuständigkeit ausländischer Gerichte eine Verweisung des Gläubigers ebenso aus wie der Mangel eines rechtsstaatlichen Standards entsprechenden, unabhängigen Justizwesens. Aber auch deutlich höhere Prozesskosten können die Erlangung von Rechtsschutz durch ein ausländisches Gericht unzumutbar machen.125 Die Amtshaftung wird begrenzt durch das Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB, um die Rechtskraft richterlicher Entscheidungen zu sichern und damit den Rechtsfrieden zu wahren.126 Demzufolge begründet eine Amtspflichtverletzung bei einem Urteil nur dann eine Haftung, wenn sie in der Begehung einer Straftat besteht. Abgesehen von diesem Sonderfall scheidet ein Anspruch aus, wenn ein Richter durch Urteil oder durch eine vergleichbare, der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung, zum Beispiel einen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz, einem ausländischen Staat zu Unrecht Immunität gewährt und damit das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht verletzt.127 Dagegen findet das Spruchrichterprivileg  – wie § 839 Abs. 2 S. 2 BGB klarstellt – auf die pflichtwidrige Verweigerung der Amtsausübung keine Anwendung. So bleibt beispielsweise eine Amtshaftung möglich, wenn das Gericht sich weigert, eine Klageschrift einem ausländischen Staat zuzustellen oder einen Termin zur abgesonderten mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Ebenso wenig erfasst das Spruchrichterprivileg die Konstellationen, dass das Gericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Rechtsstreit gegen einen ausländischen Staat zu Unrecht abweist oder dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ablehnt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Gerichtsvollzieher die Pfändung einer 124  BGHZ 120, 124 (126); Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rdnrn. 58 ff.; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 87. 125 Siehe hierzu genauer Kapitel E. III. 1. b. 126  OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 736 (738); Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 34 Rdnr. 262; Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 314; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rdnr. 50. 127  Vgl. BGHZ 187, 286 (291); Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 329; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 190; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amtsund Staatshaftungsrechts, Rdnr. 634.

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nicht immunen beweglichen Sache oder der Rechtspfleger die Eintragung einer Sicherungshypothek für ein nicht immunes Grundstück verweigert. Darüber hinaus ist die Amtshaftung nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn der Gläubiger es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Nur wenn er keinen Primärrechtsschutz gegenüber einem ausländischen Staat hat erlangen können, kommt die Amtshaftung zum Tragen. Einem rechtsschutzsuchenden Gläubiger kann dagegen nicht im Wege des Mitverschuldenseinwandes nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB entgegenhalten werden, er hätte vom Vertragsschluss mit einem ausländischen Staat Abstand nehmen oder zumindest auf Vorleistung oder Sicherungsmittel bestehen müssen. Das Recht auf Zugang zu Gericht als Korrelat zum Gewaltmonopol des Staates gebietet vielmehr, dass ein Gläubiger seine Ansprüche mithilfe der staatlichen Gerichte auch gegenüber einem ausländischen Staat durchsetzen kann, solange diesem keine Immunität zukommt.128 Die Amtshaftung des Bundes und der Länder für die Verletzung des Justizgewährungsanspruchs in einem Zivilrechtsstreit mit einem ausländischen Staat ist also prinzipiell möglich, ihre Hürden sind aber hoch. Sie gilt nicht für Urteile und urteilsvertretende Entscheidungen, nur bei Überschreitung der Schwelle zur Unvertretbarkeit und bildet als Sekundäranspruch die Ultima Ratio. Darüber hinaus gewährt sie nur Schadenskompensation in Geld, nicht aber Naturalrestitution. Wegen der Haftungsüberleitung nach Art. 34 S. 1 GG haftet die Bundesrepublik Deutschland nur wie das Rechtspflegeorgan als Privatperson, das als solches zur Vornahme von Amtshandlungen nicht befugt und nicht in der Lage ist.129 b. Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff Neben der Amtshaftung könnte die Bundesrepublik Deutschland aus enteignungsgleichem Eingriff haften, wenn ein Gericht einem Gläubiger den Rechtsschutz verweigert, um den Regeln zur Staatenimmunität gerecht zu werden und dadurch die guten zwischenstaatlichen Beziehungen zu wahren. Versagt ein Gericht aus diesem Grund dem Kläger bzw. Vollstreckungsgläubiger den Zugang zu Gericht und damit die Realisierung seiner Ansprüche gegenüber einem ausländischen Staat, so bürdet es ihm ein Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit auf. Der Rechtsschutz bleibt dem Gläubiger nur deshalb verwehrt, weil es sich bei dem Schuldner um einen ausländischen Staat handelt.130 So fußt 128 Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S.  353 (372 f.); siehe auch Kapitel B. IV. 2. a., b. 129  MünchKomm/Papier, BGB, § 839 Rdnr. 19; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 111; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts‑ und Staatshaftungsrechts, Rdnr. 170. 130  Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (373); vgl. auch Habscheid in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 8 (1968), S. 159 (260); Aubin, JZ 1954, 118 (121).

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das Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriff auf dem allgemeinen Aufopferungsgedanken gem. §§ 74, 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 (Einl. ALR) und ist inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt.131 Grundvoraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist ein unmittelbarer hoheitlicher Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Eigentum.132 Im Unterschied zum sachenrechtlichen Eigentumsbegriff sind hiervon alle privatrechtlichen vermögenswerten Rechtspositionen und damit nicht nur das Sacheigentum, sondern auch beschränkt dingliche Rechte, Urheberrechte und insbesondere auch auf Geld gerichtete Ansprüche des Gläubigers gegenüber einem ausländischen Staat erfasst.133 Gewährt ein Gericht einem ausländischen Staat Immunität, so bleibt dem rechtsschutzsuchenden Gläubiger die Realisierung seines Anspruchs versagt, obwohl der Staat die Gewährung von Rechtsschutz als Ausgleich zum Verbot der Selbsthilfe bei sich monopolisiert hat. Ist ein Anspruch nicht durchsetzbar, so ist er wertlos. Folglich begründet die förmliche Versagung eines Antrags, hier die Klageabweisung bzw. die Abweisung eines Antrags auf Zwangsvollstreckung, als qualifiziertes Unterlassen134 einen hoheitlichen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum, der aus der Eigenart der gerichtlichen Entscheidung folgt und somit unmittelbar ist.135 Die Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff setzt zudem dessen Rechtwidrigkeit voraus.136 Sie kommt nur dann zum Tragen, wenn ein deutsches Gericht seine Gerichtsbarkeit verneint, ohne dass die völkerrechtlichen Immunitätsregeln dies gebieten. Im Gegensatz zur Amtshaftung erfordert die Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff kein Verschulden, ist aber ebenso durch den Vorrang des Primärrechtsschutzes analog § 254 Abs. 2 S. 1 BGB137 und das Spruchrichterprivileg analog § 839 Abs. 2 S. 1 BGB138 beschränkt. Eine Entschädigung 131  BGHZ 6, 270 (275 f.); 90, 17 (29 f.); Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 34 Rdnr. 40; Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 428. 132 Maunz/Dürig/Papier, GG, Art.  34 Rdnr.  37; Staudinger/Wöstmann, BGB, §  839 Rdnr. 435. In der eher seltenen Konstellation, dass der Streitgegenstand das Leben, die Gesundheit oder die persönliche Freiheit des Gläubigers betrifft, kommt parallel zur Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff ein Aufopferungsanspruch in Betracht. 133  BVerfGE 83, 201 (208 f.); Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 14 Rdnr. 201; Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 437; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rdnrn. 353 ff. 134 Vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 308 f. Mangels eines gezielten konkretindividuellen Zugriffs auf das Eigentum ist die Rechtsschutzversagung keine Enteignung i. S. v. 14 Abs. 3 GG, vgl. Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (373 f.). 135 Zur Immunität internationaler Organisationen vgl. auch Wenckstern, Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Band II/1, Rdnrn.174 ff. 136  Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 34 Rdnr. 37; MünchKomm/Papier, BGB, § 839 Rdnr. 26. 137 BGHZ 90, 17 (31 f.); Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 482; Wöckel, Grundzüge des deutschen Staatshaftungsrechts, S. 32. 138  Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 315; Breuer, Staatshaftung für judikatives Unrecht, S. 288, 290.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

kommt also nur dann in Betracht, wenn der Gläubiger keinen Primärrechtsschutz gegenüber einem ausländischen Staat hat erlangen können. Wiederum scheidet zum Schutz der Rechtskraft –sollte der Eingriff nicht einen Straftatbestand erfüllen  – eine Haftung aus, wenn das Gericht durch Urteil oder urteilsvertretende Entscheidung einem ausländischen Staat zu Unrecht Immunität gewährt hat. Damit kann ein rechtsschutzsuchendes Individuum insbesondere keine Entschädigung für die Abweisung seiner Klage gegen einen ausländischen Staat wegen vermeintlich fehlender deutscher Gerichtsbarkeit verlangen.139 Liegen die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff vor, so ist der durch den Eigentumseingriff entstandene Vermögensverlust auszugleichen. Kann zum Beispiel ein Vermieter seinen Räumungstitel gegenüber einem ausländischen Staat mithilfe der deutschen Gerichte nicht vollstrecken, so erfasst die Entschädigung den fiktiven Mietzins zur Kompensation des Nutzungsausfalls. Eine Frage ist aber noch unbeantwortet, nämlich die nach dem richtigen Anspruchsgegner. Der Anspruch richtet sich vorrangig gegen den begünstigten Verwaltungsträger, zu dessen Wohl der Einzelne zur Preisgabe seiner Rechtsgüter gezwungen worden ist.140 Da die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten und damit auch die Achtung ihrer Souveränität als ein Ausdruck der Völkercourtoisie nach Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes ist, haftet dieser auch dann, wenn ein Amts-, Land‑ oder Oberlandesgericht einem Gläubiger zu Unrecht die Durchsetzung seiner Rechte gegenüber einem ausländischen Staat verweigert hat. c. Weitere Haftungsansprüche Parallel zum Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff könnte einem Gläubiger, dem die deutschen Gerichte den Rechtsschutz gegenüber einem ausländischen Staat versagt haben, ein Anspruch aus enteignendem Eingriff zustehen. Die Haftung aus enteignendem Eingriff, die ebenfalls auf dem §§ 74, 75 Einl. ALR zugrunde liegenden Aufopferungsgedanken beruht und mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, erfordert wiederum einen unmittelbaren hoheitlichen Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Eigentum, der dem Gläubiger einen Sonderopfer abverlangt.141 Der enteignende Eingriff stellt  – im Unterschied zum enteignungsgleichen Eingriff – eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme dar, die zu atypischen 139 Zum

Spruchrichterprivileg siehe näher Kapitel E. II. 3. a.  BGHZ 134, 316 (321); Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 481; Baldus/Grzeszick/ Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 412. Ersatzweise ist der Verwaltungsträger, dessen Aufgaben wahrgenommen worden sind, der richtige Anspruchsgegner. 141  BGHZ 91, 20 (26 f.); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnrn. 1161, 1163; Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (37 4 f.); siehe zu diesen Voraussetzungen bereits Kapitel E. II. 3. b. 140

II. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung

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und unvorhersehbaren Nebenfolgen führt.142 Das Recht auf Zugang zu Gericht und das Recht auf Staatenimmunität stehen aber in einem Wechselwirkungsverhältnis. Die Gewährung des einen Rechts und die Versagung des anderen Rechts sind zwei Seiten derselben Medaille. Das Recht auf Zugang zu Gericht hört dort auf, wo die von Völkerrechts wegen gebotene Staatenimmunität beginnt. Wird dem Individuum Rechtsschutz gewährt, so wird dem ausländischen Staat Immunität versagt. Wird umgekehrt dem ausländischen Staat Immunität gewährt, so wird dem Individuum der Rechtsschutz verweigert.143 Demzufolge scheidet eine Haftung aus enteignendem Eingriff aus, wenn ein Gericht einem ausländischen Staat den völkerrechtlichen Regeln entsprechend Immunität gewährt, da sich eine Klageabweisung oder eine Ablehnung der Zwangsvollstreckung nicht als bloße Nebenfolge eines anderen rechtmäßigen Handelns erweist.144 Vielmehr geben die völkerrechtlichen Immunitätsregeln dem Recht auf Zugang zu Gericht wie auch der Eigentumsgarantie ihre Konturen. Sie stellen eine Inhalts‑ und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar, die vom Kläger bzw. Vollstreckungsgläubiger entschädigungslos hinzunehmen ist.145 Selbst wenn diese wegen unverhältnismäßiger Belastung ausgleichspflichtig wäre, so enthalten weder das Völkerrecht noch das deutsche Recht eine Ausgleichsregelung. Folglich könnte der rechtsschutzsuchende Gläubiger keine Entschädigung verlangen, sondern die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität wären unanwendbar.146 Konsequenterweise müssten dann die deutschen Gerichte dem Kläger bzw. Vollstreckungsgläubiger Rechtsschutz gegenüber einem ausländischen Staat gewähren. Verweigern sie aber unter Außerachtlassung des Völkerrechts einem ausländischen Staat die Gewährung von Immunität, so hat die Bundesrepublik Deutschland diesen Völkerrechtsverstoß nach den völkerrechtlichen Grundsätzen zur Staatenverantwortlichkeit wiedergutzumachen. Daraus wird wiederum deutlich, dass bereits die Grundhypothese, die Immunitätsregeln führten zu einer unverhältnismäßigen Belastung des rechtsschutzsuchenden Individuums, unzutreffend ist. Kommt einem ausländischen Staat von Völkerrechts wegen Immunität zu, so hat vielmehr der Kläger bzw. Vollstreckungsgläubiger die Beschränkung seines Eigentums entschädigungslos hinzunehmen. 142  BGHZ 91, 20 (26); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 1162; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rdnrn. 109, 112; Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (375). 143  Siehe hierzu bereits Kapitel B. IV. 1., 2. b. 144 So aber Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (374 f.), ohne auf das Kriterium der atypischen Nebenfolge näher einzugehen. 145  A. A. Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (374), nach dem die Immunitätsregeln das Eigentum nicht begrenzen, sondern nur die konkrete Verhaltensweise des ausländischen Staates dem Gläubiger ein Sonderopfer abverlange. 146  Vgl. Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rdnr. 490; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnrn. 1176 f.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte Erfüllt ein ausländischer Staat die ihm obliegenden Verbindlichkeiten nicht freiwillig, so liegt es für einen in Deutschland ansässigen Gläubiger nahe, seine Ansprüche mithilfe der deutschen Gerichte durchzusetzen. Diese gewähren ihm aber nur insoweit Rechtsschutz, als dem ausländischen Staat von Völkerrechts wegen keine Immunität zukommt. Andernfalls bleibt der private Gläubiger vor den deutschen Gerichten rechtsschutzlos gestellt. Einen Ausweg könnte der Rechtsschutz durch die Gerichte des ausländischen Staates oder durch Schiedsgerichte, die Gewährung diplomatischen Schutzes durch die Bundesrepublik Deutschland oder auch – in engen Grenzen – die eigenmächtige Rechtsdurchsetzung darstellen.

1. Rechtsschutz durch die Gerichte des ausländischen Schuldnerstaates Gewähren die deutschen Gerichte einem privaten Gläubiger keinen Rechtsschutz gegenüber einem ausländischen Staat, weil diesem Immunität zukommt, so liegt die Idee nahe, Rechtsschutz vor den Gerichten des ausländischen Staates zu suchen. Nur vor den eigenen Gerichten kommen die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität nicht zur Anwendung.147 Auf diese Möglichkeit deutet auch Art. 31 Abs. 4 WÜD hin. Danach befreit die Immunität des Diplomaten von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates ihn nicht von der Gerichtsbarkeit des Entsendestaates. a. Pflicht zur Rechtsschutzgewährung als Pendant zum Recht auf Staatenimmunität Kommt einem ausländischen Staat von Völkerrechts wegen Immunität vor den Gerichten anderer Staaten zu, so könnte er als Ausgleich verpflichtet sein, seinem Gläubiger durch seine eigenen Gerichte Rechtsschutz zu gewähren. Eine solche völkerrechtliche Verpflichtung könnte sich aus dem in Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, aber auch in Art. 47 Abs. 2 S. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in Art. 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und in Art. 14 Abs. 1 S. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verbürgten Rechts auf Zugang zu Gericht ergeben.148

 Kloth/Brunner, AVR 50 (2012), 218 (242); Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2061).  So Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 313 f. ohne Bezugnahme auf Art. 47 Abs. 2 S. 1 GR-Charta; zum Recht auf Zugang zu Gericht siehe näher Kapitel B. IV. 2. a., b. 147 148

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

441

Für die Bediensteten internationaler Organisationen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Grundsatzurteil Waite und Kennedy gegen Deutschland149 sowie in seinem Parallelurteil Beer und Regan gegen Deutschland150 aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK ein Recht auf alternativen Rechtsschutz abgeleitet. Internationale Organisationen hätten als Ausgleich für ihre Immunität vor staatlichen Gerichten angemessene andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um das in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK garantierte Recht auf Zugang zu Gericht zu schützen. Diese Entscheidung steht in einer Linie mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsmäßigen Ausgestaltung des Rechtsschutzes der Bediensteten von Eurocontrol. So verlangt es von Internationalen Organisationen einen Rechtsschutz, der einem internationalen Mindeststandard an elementarer Verfahrensgerechtigkeit entspricht, wie er sich aus den entwickelten rechtsstaatlichen Ordnungen und aus dem Verfahrensrecht internationaler Gerichte ergibt.151 Für den Rechtsschutz gegenüber und durch ausländische Staaten kann nichts anderes gelten: Bleibt dem rechtsschutzsuchenden Individuum der Zugang zu deutschen Gerichten verwehrt, weil einem ausländischen Staat von Völkerrechts wegen Immunität zukommt, so verbleibt nur ein Ausweg: Aus dem Recht auf Zugang zu Gericht folgt die Pflicht eines Staates, als Kompensation für die Inanspruchnahme von Staatenimmunität seinen rechtsschutzsuchenden Gläubigern Zugang zu seinen Gerichten zu gewähren.152 Dies umfasst nicht nur die Eröffnung eines Forums, sondern auch ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das öffentlich und binnen angemessener Frist verhandelt und entscheidet.153 Dem steht nicht entgegen, dass der ausländische Staat nach seinem Recht nicht vor seinen eigenen Gerichten verklagt werden kann oder es für den konkreten Rechtsstreit an der internationalen Zuständigkeit fehlt. Zwar ist es zunächst die souveräne Entscheidung eines ausländischen Staates, für welche Streitigkeiten er ein Forum eröffnet. Seine Entscheidungsfreiheit ist allerdings durch die Garantie des privaten Gläubigers auf Zugang zu seinen Gerichten eingeschränkt, wenn dieser andernfalls rechtsschutzlos gestellt wäre. Er muss die Beschränkung seiner Souveränität als Tribut für die Gewährung von Immunität durch den deutschen  EGMR, NJW 1999, 1173 (1175) – Waite und Kennedy v. Deutschland. Urteil v. 18. 2. ​1999, Az. 28934/95 – Beer und Regan v. Deutschland. 151  BVerfGE 59, 63 (91); vgl. dazu Ullrich, ZaöRV 71 (2011), 157 (164 ff.). 152  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 318 f.; für die diplomatische Immunität auch Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 800b (anders dagegen Rdnr. 641); Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (363). Nach Sąd Najwyższy (Oberster Gerichtshof Polens), IPRax 2011, 596 (597) ist das Recht auf Zugang zu Gericht durch die Staatenimmunität nicht unzulässig beschränkt, wenn der Gläubiger Klage vor den Gerichten des ausländischen Staates erheben kann. 153  Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 319; ähnlich auch Leipold in: Prütting/ Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (362 f.). 149

150 EGMR,

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Staat hinnehmen und seinem rechtsschutzsuchenden Gläubiger Rechtsschutz durch die Eröffnung eines Forums gewähren. b. Hürden der Rechtsverfolgung im Ausland Aus der Pflicht zur Gewährung von Rechtsschutz folgt allerdings nicht, dass ihr alle ausländischen Staaten auch gerecht werden. Selbst wenn einem privaten Gläubiger unzweifelhaft Ansprüche gegenüber einem ausländischen Staat zustehen, so ist dessen Verurteilung durch seine eigenen Gerichte keineswegs immer gewährleistet.154 Zwar fußt das Völkerrecht auf der souveränen Gleichheit aller Staaten, so dass auch die Rechtspflege in allen Staaten prinzipiell als gleichwertig zu akzeptieren ist.155 Dennoch kann ein privater Gläubiger, der seine Rechte gegenüber einem ausländischen Staat vor dessen Gerichten durchsetzen will, sowohl vor rechtlichen als auch vor tatsächlichen Hürden stehen, die seine Rechtsverfolgung im Ausland erschweren oder unmöglich machen. So stellte schon Breit 1911 fest: „Es ist durchaus verständlich, daß ein deutscher Gläubiger nach Möglichkeit seinen Schuldner im Inlande zu belangen sucht. Hier sind ihm die Gerichtsorganisation, die Prozeßgestaltung, die mit der Führung des Prozesses zu betrauenden Persönlichkeiten, die Kostenverhältnisse usw. genau bekannt. Ein Prozeß dagegen, der im Auslande geführt wird, spielt sich nicht selten hinter einem undurchsichtigen Schleier ab.“156 Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Gerichte eines ausländischen Staates einem privaten Gläubiger einen dem deutschen Standard vergleichbaren, effektiven Rechtsschutz gewähren, ist die Anerkennung der dortigen Entscheidungen durch die deutschen Gerichte. Das Primat der Gleichwertigkeit der Rechtspflege ist Grundvoraussetzung für die Anerkennung ausländischer Urteile im internationalen Rechtsverkehr.157 So lassen die zwischen Deutschland und einem ausländischen Staat geschlossenen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen158 und insbesondere für die EUMitgliedstaaten Art. 36 ff. EuGVVO vermuten, dass auch die dortigen Gerichte einem in Deutschland ansässigen Gläubiger effektiven Rechtsschutz gewähren. 154 Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, S. 363; Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (364); Cremer, AVR 41 (2003), 137 (138); Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (422); Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2061 f.). 155 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 39. 156  Breit, JW 1911, 636 (637). 157  OGH, JBl 2009, 457 (460); Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 16 Rdnrn. 4 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 39. 158  Vgl. z. B. Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen v. 2. 11. ​1929, RGBl. 1930 II, S. 1066; Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen vom 20. 7. ​ 1977, BGBl. 1980 II, S. 926.

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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Daher hielt es der österreichische Oberste Gerichtshof für zumutbar, dass eine österreichische Immobilienmaklerin ihren Anspruch auf Vermittlungsprovision gegenüber dem tunesischen Staat in Tunesien verfolgt. Aus den Bestimmungen des Vertrags zwischen beiden Staaten über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil‑ und Handelsrechts ergebe sich, dass die Entscheidung eines tunesischen Gerichts auch in Österreich vollstreckbar sei. Zudem bestehe zwischen der Republik Österreich und der tunesischen Republik ein Vertrag über die Rechtshilfe in Zivil‑ und Handelssachen, der den Angehörigen beider Vertragsstaaten wechselseitig zur Verfolgung und Verteidigung ihrer Rechte freien Zugang zu den Gerichten gewähre.159 Umgekehrt ist einem privaten Gläubiger der Zugang zu den Gerichten eines ausländischen Schuldnerstaates versperrt, wenn es nach dessen Rechtsordnung an der internationalen Zuständigkeit fehlt160 oder Klagen gegen den Staat prinzipiell ausgeschlossen sind161. Einer effektiven Rechtsverfolgung steht aber auch entgegen, wenn es an einem rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden, fairen Verfahren vor den Gerichten des ausländischen Staates mangelt.162 Dies gilt insbesondere für Staaten, in denen Krieg oder politische Unruhen herrschen. So erachtete das Oberlandesgericht Frankfurt die Rechtsverfolgung im Iran wegen Werklohnforderungen aus dem Bau eines zivilen Staudamms im Zeitpunkt der Klageerhebung im Oktober 1992 wegen der dortigen instabilen Lage nach dem Zweiten Golfkrieg für unzumutbar.163 Einem Gläubiger kann aber auch dann die klageweise Durchsetzung seiner Forderungen vor den Gerichten des ausländischen Staates nicht zuzumuten sein, wenn die dortigen Richter nicht unabhängig und unparteiisch sind, sondern sich nur durch die Zahlung eines Obolus motivieren lassen oder einer Klage bzw. einer Zwangsvollstreckung gegen den eigenen Staat skeptisch gegenüberstehen.164 Erst recht wird er von einer Rechtsverfolgung im ausländischen Staat vernünftigerweise absehen, wenn ihm oder seinem Prozessvertreter durch eine Klageerhebung politische Verfolgung drohen kann.165 Aber auch profanere Gründe wie die räumliche Distanz und fehlende Sprachkenntnisse des rechtsschutzsuchenden Individuums können eine Rechtsverfol OGH, JBl 2009, 457 (460). Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 303; Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2062). 161  Cranshaw, jurisPR-HaGesR 07/2013 Anm. 3; Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2062). 162 Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2062). 163  OLG Frankfurt, RIW 1999, 461 (463). 164  Vgl. Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, S. 363; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnr. 24; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 303; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rdnr. 546; Leipold in: Prütting/ Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (368); Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2062). 165 OGH, JBl 2009, 457 (460); Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2062). 159

160 Heß,

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

gung im Ausland ebenso unattraktiv machen wie eine übermäßig lange Verfahrensdauer. So rät beispielsweise das Außenwirtschaftszentrum Bayern in seinem Exportbericht für Indien wegen der Überlastung der indischen Justiz und der damit verbundenen erheblichen Prozessverzögerungen von der Inanspruchnahme der dortigen staatlichen Gerichte ab. Allein bei den indischen Höchstgerichten seien über 1 Mio. Verfahren anhängig.166 Ebenso kann sich die Rechtsverfolgung gegenüber einem ausländischen Staat vor den dortigen Gerichten als unattraktiv erweisen, wenn die Prozesskosten deutlich höher als in Deutschland sind,167 dem bedürftigen Gläubiger keine Prozesskostenhilfe bewilligt wird, eine hohe Prozesskostensicherheit gefordert wird oder die Rechtsschutzversicherung keine Deckungszusage erteilt. So hält beispielsweise das Außenwirtschaftszentrum Bayern in seinem Exportbericht für Saudi-Arabien die gerichtliche Eintreibung von Forderungen vor den dortigen Gerichten aufgrund der Höhe der Rechtsanwaltskosten, aber auch wegen der komplizierten Verfahrensordnungen und der langen Dauer eines Gerichtsverfahrens erst ab einer Höhe von circa 100.000 Euro für wirtschaftlich vertretbar.168

2. Rechtsschutz durch internationale Schiedsgerichte Rechtsschutz gewähren klassischerweise die staatlichen Gerichte. Will sich allerdings ein Staat als souveränes und gleichwertiges Völkerrechtssubjekt nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterwerfen oder will umgekehrt der private Gläubiger nicht vor den international zuständigen Gerichten des ausländischen Staates klagen, so stellt eine Streitentscheidung durch Schiedsgerichte häufig eine gangbare Alternative dar. Die Parteien können hierzu im Wege einer Schiedsabrede die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten einem Schiedsgericht übertragen und damit zugleich den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ausschließen. a. Überblick über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit Im internationalen Rechtsverkehr werden insbesondere institutionelle Schiedsgerichte favorisiert, die nach den Schiedsregeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht, der Internationalen Handelskammer 166 Außenwirtschaftszentrum Bayern, Exportbericht Indien, S. 20, abrufbar unter http:// www.auwi-bayern.de/awp/inhalte/Laender/Anhaenge/exportbericht-indien.pdf (28. 2. ​2017). 167  OGH, JBl 2009, 457 (460); Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 303; Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (421); Whytock, BULR 93 (2013), 2033 (2062). 168  Außenwirtschaftszentrum Bayern, Exportbericht Saudi-Arabien, S. 14, abrufbar unter http://www.auwi-bayern.de/awp/inhalte/Laender/Anhaenge/exportbericht-saudi-arabien2. pdf (28. 2. ​2017).

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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in Paris, des London Court of International Arbitration oder des Instituts für Schiedsverfahren der Stockholmer Handelskammer errichtet sind. Diese bieten den Parteien im Unterschied zu Ad-hoc-Schiedsgerichten nicht nur eine Schiedsordnung, sondern unterstützen sie auch bei der Auswahl der Schiedsrichter und der Organisation des Verfahrens.169 Hat ein ausländischer Staat eine Schiedsvereinbarung getroffen, so kann er sich nicht durch Berufung auf seine Immunität der Durchführung des schiedsgerichtlichen Verfahrens entziehen.170 Dies folgt nicht aus einem etwaigen in der Schiedsabrede enthalten Immunitätsverzicht, sondern aus dem Grundsatz pacta sunt servanda. Nur staatliche Gerichte können Gerichtsbarkeit, also die aus der Souveränität eines Staates fließende Rechtsprechungsbefugnis, ausüben. Schiedsgerichte als private Institutionen entscheiden hingegen nicht kraft staatlicher Souveränität, sondern weil die Parteien dies vertraglich vereinbart haben. Sie legitimieren ihre Rechtsprechung nicht aus der Hoheitsgewalt eines Staates, sondern aus dem Willen der Parteien.171 Die daraus resultierende Staatsferne der privaten Schiedsgerichte vermeidet Souveränitätskonflikte zwischen Staaten.172 Darüber hinaus bieten Schiedsgerichte den Vorteil, einen Rechtsstreit durch selbst ausgewählte, fachlich versierte Schiedsrichter flexibler, häufig schneller und teils auch kostengünstiger entscheiden zu lassen.173 Die Parteien können insbesondere dann geneigt sein, einen Rechtsstreit einem Schiedsgericht zu übertragen, wenn es vor den international zuständigen staatlichen Gerichten an einem rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden, fairen Verfahren mit unabhängigen und unparteiischen Richtern mangelt.174 b. Schiedsverfahren wegen Investitionsstreitigkeiten Vor allem bilaterale Investitionsschutzabkommen enthalten häufig eine Schiedsabrede. Diese völkerrechtlichen Verträge dienen dem Schutz privater Investoren des Heimatstaates im Gaststaat insbesondere vor entschädigungslosen Enteignungen und Diskriminierungen und der Sicherstellung einer fairen und 169  Siehe ausführlich Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rdnrn. 557 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41 Rdnrn. 13 ff. 170 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 385 f.; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rdnr. 24; Berger, RIW 1989, 956 (957). 171 Siehe hierzu bereits Kapitel C. III. 2. a. bb. 172  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnr. 3700; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 26; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 18 Rdnr. 6. 173 MünchKomm/Münch, ZPO, Vorbem. zu §§ 1025 ff. Rdnrn. 64 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rdnr. 7; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rdnrn. 539 ff.; Prütting, AnwBl 2015, 546 (548). 174 Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rdnr. 546; Gundel, AVR 51 (2013), 108 (136).

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

gerechten Behandlung.175 Die Vereinbarung einer Schiedsklausel sichert diese Garantien verfahrensrechtlich ab, indem vor allem die seit den 1990er Jahren geschlossenen Abkommen regelmäßig nicht nur den Vertragsstaaten, sondern auch den Investoren selbst das Recht einräumen, Streitigkeiten mit dem Gaststaat wegen der Verletzung von Investitionsschutzpflichten einem internationalen Schiedsgericht zu unterbreiten.176 Der Heimatstaat nutzt dabei seine Stellung als Völkerrechtssubjekt, um seinen Investoren effektive Instrumente zum Selbstschutz an die Hand zu geben, und ersetzt somit das Bemühen des einzelnen Investors um die Vereinbarung einer Schiedsabrede, das nur bei entsprechender Verhandlungsmacht erfolgsversprechend ist.177 So sehen beispielsweise Art. 10 Abs. 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 3 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 24. 6. ​2002178 (ISV 2002) vor, dass Streitigkeiten in Bezug auf Kapitalanlagen zwischen der einen Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei auf Verlangen einer der Streitparteien einem von Fall zu Fall gebildeten Schiedsgericht unterworfen werden. Auf dieser Grundlage erhob – um den bereits geschilderten Rechtsstreit in Erinnerung zu rufen – die in Deutschland ansässige Walter Bau AG 2005 Schiedsklage gegen das Königreich Thailand wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Investitionsschutzvertrag vor einem ad hoc gebildeten Schiedsgericht mit Sitz in Genf. Dieses verurteilte den thailändischen Staat zur Zahlung von Schadensersatz i. H. v. 29,21 Mio. Euro nebst Zinsen und Kosten wegen entgangener Mauteinnahmen für eine Schnellstraße von der Bangkoker Innenstadt zum Flughafen Don Mueang durch Erhebung zu niedriger Mautgebühren, den Bau mautfreier Alternativrouten und die zeitweilige Schließung des Flughafens.179 Der Blick auf die deutsche Rechtsprechung zeigt, dass ausländische Staaten die gegen sie ergangenen Schiedssprüche keineswegs immer akzeptieren. So versuchte der thailändische Staat der Vollstreckbarerklärung des von dem Genfer Schiedsgericht erlassenen Schiedsspruchs durch das Kammergericht dadurch zu begegnen, dass er sich auf seine Immunität berief.180 Dieser Argumentation erteilte der Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdeinstanz zu Recht eine Ab175  Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnrn. 14, 19 ff.; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rdnrn. 597 ff.; Gundel, AVR 51 (2013), 108 (127 f.); Krajewski/Ceyssens, AVR 45 (2007), 180 (191 ff.). 176  Gundel, AVR 51 (2013), 108 (127 f.); Krajewski, ZUR 2014, 396 (397); Krajewski/Ceyssens, AVR 45 (2007), 180 (211). 177  Gundel, AVR 51 (2013), 108 (129). 178  BGBl. 2004 II, S. 48. 179 Siehe hierzu auch Kapitel A. I., D. III. 3. b. sowie BGH, NJW 2013, 3184 (3184 f.); KG, SchiedsVZ 2013, 112 (112 ff.); Genius, jurisPR-BGHZivilR 9/2013 Anm. 3; Wilske/Nettlau, LMK 2013, 345597. 180 Vgl. KG, SchiedsVZ 2013, 112 (114).

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sage, da nach Art. 10 Abs. 2 S. 3 ISV 2002 der Schiedsspruch nach innerstaatlichem Recht vollstreckt werde. Damit habe sich das Königreich Thailand auch dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs als Vorstufe zur späteren Zwangsvollstreckung unterworfen. Andernfalls könnte es durch die Berufung auf seine Immunität im Exequaturverfahren eine Vollstreckung von vornherein vereiteln.181 Im Unterschied zu den Verfahren vor staatlichen Gerichten war im Verfahren vor Schiedsgerichten die Öffentlichkeit bis vor kurzem grundsätzlich ausgeschlossen. Während der Ausschluss dem Interesse der Parteien an der Wahrung ihrer Staats‑ oder Betriebsgeheimnisse dient, verhindert er zugleich eine Kontrolle des verfahrensbeteiligten Staates durch die Öffentlichkeit.182 Aus diesem Grund hat die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht am 11. 7. ​2013 die UNCITRAL Rules on Transparency in Treatybased Investor-State-Arbitration183 verabschiedet, nach denen insbesondere alle Schiedsverfahren öffentlich registriert, die Schriftsätze veröffentlicht, die Verhandlungen des Schiedsgerichts öffentlich durchgeführt und die Schiedssprüche veröffentlicht werden, sofern nicht besonders vertrauliche oder geschützte Informationen tangiert sind.184 Da diese Transparenzregeln allerdings unmittelbar erst für seit dem 1. 4. ​2014 geschlossene Investitionsschutzverträge gelten, erstreckt die seit dem 17. 3. ​2015 in Port Louis zur Zeichnung aufgelegte United Nations Convention on Transparency in Treaty-based Investor-State Arbitration185 („Mauritius-Konvention“) die Anwendbarkeit dieser Regeln auf Altverträge, sofern der beklagte Staat die Konvention ratifiziert hat. Neben den 131 von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen bilateralen Investitionsschutzabkommen186 kann ein privater Investor auch nach Art. 26 181 BGH,

NJW 2013, 3184 (3185 f.); ähnlich auch KG, SchiedsVZ 2013, 112 (115).  Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnrn. 1273, 1279; Buntenbroich/Kaul, SchiedsVZ 2014, 1 (5 ff.); ähnlich auch Krajewski, ZUR 2014, 396 (401). 183  Abrufbar unter http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/rules-on-t​r​a​n​s​p​a​r​ e​n​c​y​/Rules-on-Transparency-E.pdf (28.  2. ​2017). 184  Vgl. Buntenbroich/Kaul, SchiedsVZ 2014, 1 (7 f.); Duve/Wimalasena, AnwBl 2014, 511 (512); Krajewski, ZUR 2014, 396 (401 f.). 185 Abrufbar unter http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/transparency-c​ o​ n​v​e​n​t​i​o​n​/Transparency-Convention-e.pdf (28.  2. ​2017). Die Mauritius-Konvention ist bislang noch nicht in Kraft getreten, da sie zwar 17 Staaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, unterzeichnet, aber nur Mauritius und Kanada sie bereits auch ratifiziert haben (Stand: Februar 2017). 186  Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, § 1061 Rdnr. 11; Krajewski, ZUR 2014, 396 (396); vgl. im Einzelnen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, http://www.bmwi. de/Navigation/DE/Service/Investitionsschutzvertraege/investitionsschutzvertraege.html (28.  2. ​ 2017). Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zum 1. 12. ​2009 ist die Kompetenz für ausländische Direktinvestitionen nach Art. 207 Abs. 1 S. 1 AEUV auf die Europäische Union übergegangen, so dass nunmehr die Kommission für diese sowie für die EU-Mitgliedstaaten Investitionsschutzabkommen verhandeln kann. Art. 3 der EU-Verordnung Nr. 1219/2012 zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den 182

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

des Energiecharta-Vertrags vom 17. 12. ​1994187, der auf die Schaffung eines Ordnungsrahmens für Investitionen und Handel auf dem Energiesektor zielt, ein internationales Schiedsverfahren betreiben.188 Auf dieser Grundlage erhob der schwedische Energiekonzern Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland 2009 Schiedsklage wegen der Verschärfung der Umweltauflagen beim Bau des Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg und 2012 erneut Schiedsklage wegen des Ausstiegs aus der Atomenergie.189 Daneben können Handelsabkommen wie das zwischen der Europäischen Union und Kanada geschlossene Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) und das zwischen der Europäischen Union und den USA geplante Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) Schiedsklauseln enthalten.190 c. Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen Die Mehrheit der bilateralen Investitionsschutzabkommen sieht ebenso wie der Energiecharta-Vertrag vor, dass ein Schiedsverfahren zwischen Investor und Gaststaat nach dem Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18. 3. ​1965191 (ICSID-Übereinkommen) durchgeführt wird, sofern die Beteiligten nichts anderes vereinbaren.192 Mit dem von der Weltbankgruppe initiierten Übereinkommen wurde das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, kurz ICSID) mit Sitz in Washington D. C. errichtet, das den institutionellen Rahmen für die Durchführung der Schiedsverfahren bereitstellt.193 Dem ICSID-ÜberMitgliedstaaten und Drittländern (ABl. EU 2012 Nr. L 351, S. 40: „Grandfathering“-Verordnung) stellt klar, dass die bisherigen bilateralen Investitionsschutzabkommen solange fortgelten, bis sie durch die geplanten EU-Investitionsschutzabkommen ersetzt sind. 187  BGBl. 1997 II, S. 5. 188 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, §  23 Rdnr. 26; Buntenbroich/Kaul, SchiedsVZ 2014, 1 (2 f.). 189  Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany (ICSID Case No. ARB/09/6 and ARB/12/12), https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/AdvancedSearch.aspx (28. 2. ​2017); vgl. hierzu Krajewski in: ders./Reuß/Tabbara (Hrsg.), GS Rittstieg, S. 80 (90 f.); Buntenbroich/ Kaul, SchiedsVZ 2014, 1 (2 ff.); Krajewski, ZUR 2014, 396 (399 f.). 190  Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnr. 2; Gramlich/Conen, SchiedsVZ 2015, 225 (225 f.). 191  BGBl. 1969 II, S. 371. 192  Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnr. 23; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rdnr. 653; Semler, SchiedsVZ 2003, 97 (98 f.); siehe auch Art. 10 Abs. 2 des Deutschen Mustervertrags über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen von 2009, der informell vom Bundeswirtschaftsministerium entworfen wurde, abgedruckt in AVR 45 (2007), 276 ff. 193  Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnrn. 3, 28; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rdnr. 571; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41 Rdnr. 5; Gundel, AVR 51 (2013), 108 (128).

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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einkommen sind mittlerweile 153 Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland beigetreten,194 so dass es für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten einen multilateralen Rahmen von globaler Bedeutung bildet.195 Nach Art. 25 Abs. 1 S. 1 ICSID-Übereinkommen ist das ICSID-Schiedsverfahren für alle unmittelbar mit einer Investition zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Vertragsstaat und einem Angehörigen eines anderen Vertragsstaates eröffnet, wenn die Streitparteien hierzu ihre schriftliche Einwilligung erklärt haben. Diese ist erteilt, wenn der Gaststaat im Investitionsschutzabkommen vereinbart hat, dass Streitigkeiten aus diesem Abkommen vor einem ICSID-Schiedsgericht entschieden werden sollen und der Investor eine entsprechende Schiedsklage erhebt.196 Nach Art. 26 S. 1 ICSID-Übereinkommen gilt die Zustimmung der Parteien zum ICSID-Schiedsverfahren grundsätzlich als Verzicht auf jeden anderen Rechtsbehelf und damit auch auf eine Inanspruchnahme staatlicher Gerichte. Dementsprechend unterliegt ein Schiedsspruch nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 ICSIDÜbereinkommen nicht deren Kontrolle, sondern kann nur im Wege des Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 51 ICSID-Übereinkommen oder durch einen Aufhebungsantrag wegen schwerer Verfahrensmängel nach Art. 52 ICSIDÜbereinkommen überprüft werden.197 Jeder Vertragsstaat erkennt nach Art. 54 Abs. 1 S. 1 ICSID-Übereinkommen einen ICSID-Schiedsspruch als bindend an und sorgt für die Vollstreckung der darin auferlegten finanziellen Verpflichtungen in seinem Hoheitsgebiet, als handele es sich um ein rechtskräftiges Urteil eines seiner innerstaatlichen Gerichte.

3. Diplomatischer Schutz durch die Bundesrepublik Deutschland Bislang war der Blick darauf gerichtet, welche Möglichkeiten und Mittel einem privaten Gläubiger zur Verfügung stehen, seine Ansprüche gegenüber einem ausländischen Staat zu verwirklichen. Darüber hinaus könnte die Bundesrepublik Deutschland ihm bei der Durchsetzung seiner Rechte behilflich sein, indem sie ihm diplomatischen Schutz gewährt198 und im Rahmen dessen gegenüber dem ausländischen Staat völkerrechtliche Maßnahmen ergreift. Damit könnte das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Individuums auf Zugang zu Gericht und der Souveränität des ausländischen Staates endgültig aufgelöst werden. 194  International Centre for Settlement of Investment Disputes, https://icsid.worldbank.org/ en/Pages/about/Database-of-Member-States.aspx (28. 2. ​2017). 195  So Lörcher, SchiedsVZ 2005, 11 (11); Schlechtriem, IPRax 1986, 69 (69). 196  Semler, SchiedsVZ 2003, 97 (100). 197 Vgl. Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rdnr. 673; Herdegen, RIW 1989, 329 (331); Lörcher, SchiedsVZ 2005, 11 (11); Semler, SchiedsVZ 2003, 97 (101). 198  Vgl. hierzu auch die von der Völkerrechtskommission ausgearbeiteten Draft Articles on Diplomatic Protection, Anlage zur Resolution 62/67der UN-Generalversammlung v. 6. 12. ​2007.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Dies gilt insbesondere für die Realisierung anderer Ansprüche als Zahlungsansprüche, da auch die bereits angesprochenen Haftungsansprüche gegen den deutschen Staat dem privaten Gläubiger stets nur Schadensersatz bzw. Entschädigung in Geld gewähren. a. Voraussetzungen für die Gewährung diplomatischen Schutzes Nach der klassischen Konzeption des Völkerrechts hat das Individuum auf der völkerrechtlichen Ebene gegenüber einem ausländischen Staat keine Rechte. Daher wird nicht es, sondern nur sein Heimatstaat durch einen Völkerrechtsstoß verletzt.199 Das Völkergewohnheitsrecht gewährt dem Heimatstaat einen Anspruch gegenüber einem Verletzerstaat, dass seine Staatsangehörigen und staatszugehörigen juristischen Personen von diesem völkerrechtsgemäß behandelt werden. Hierbei kann er ihnen im Rahmen seiner Personalhoheit für eine Völkerrechtsverletzung diplomatischen Schutz gewähren, indem er seinen Anspruch gegenüber dem ausländischen Staat geltend macht.200 Die Gewährung diplomatischen Schutzes setzt voraus, dass die schutzsuchende Person durch den ausländischen Staat in einer durch das Völkerrecht geschützten Rechtsposition verletzt worden ist.201 Daher kann die Bundesrepublik Deutschland für die Verletzung rein zivilrechtlicher Pflichten, etwa weil ein ausländischer Staat seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinem privaten Vertragspartner nicht nachkommt, keinen diplomatischen Schutz gewähren. Dieser ist vielmehr auf Völkerrechtsverletzungen beschränkt, etwa weil ein ausländischer Staat einen deutschen Investor entschädigungslos enteignet und damit seine gegenüber der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Verpflichtungen aus einem Investitionsschutzabkommen verletzt. Aber auch wenn ein ausländischer Staat einem deutschen Staatsangehörigen bzw. einem deutschen Unternehmen zu Unrecht keinen Rechtsschutz durch seine Gerichte gewährt, kann der deutsche Staat ihnen unter Berufung auf das zum fremdenrechtlichen Mindeststandard gehörende völkergewohnheitsrechtliche Verbot der Justizverweigerung (déni de justice) diplomatischen Schutz zukommen lassen.202 In beiden Konstellationen kann der deutsche Heimatstaat den zum Nachteil seines Bürgers oder staatszugehörigen Unternehmens begangenen 199 StIGH, CPJI, sér. A, no 2, S. 12 – Mavrommatis; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnrn. 115, 123; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 132 ff., 222a; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 1300. 200 Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnrn. 115 f., 119; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 7 Rdnr. 26; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 4 Rdnr. 35; Gundel, AVR 51 (2013), 108 (108). 201 Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 115; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rdnr. 103; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1300. 202  Ipsen in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, § 29 Rdnr. 49; zum Verbot der Justizverweigerung siehe bereits Kapitel B. IV. 2. c.

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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Völkerrechtsverstoß als Verletzung seiner eigenen Rechte gegenüber dem Verletzerstaat geltend machen.203 Die Gewährung diplomatischen Schutzes ist allerdings nur möglich, wenn das schutzsuchende Individuum alle zumutbaren Rechtsbehelfe vor den Gerichten des ausländischen Staates ohne Erfolg ausgeschöpft hat.204 Daher muss es zum Beispiel bei einer entschädigungslosen Enteignung seines im Ausland investierten Vermögens zuvor vergeblich versucht haben, vor den dortigen Gerichten eine Entschädigung zu erstreiten. Der ausländische Staat erhält durch diese local remedies rule die Möglichkeit, den ihm zur Last gelegten Völkerrechtsverstoß angesichts seiner Stellung als souveränen und gleichwertigen Völkerrechtssubjekts selbst zu korrigieren.205 Mit der Geltendmachung diplomatischen Schutzes verliert der Gläubiger zugleich die Befugnis, seine Rechte vor den Gerichten anderer Staaten selbst weiter zu verfolgen.206 Umgekehrt darf aber auch nach Art. 27 Abs. 1 ICSID-Übereinkommen ein Heimatstaat keinen diplomatischen Schutz für eine Streitigkeit gewähren, die einer seiner Angehörigen und ein anderer Vertragsstaat im gegenseitigen Einvernehmen einem ICSID-Schiedsverfahren unterwerfen wollen oder bereits unterworfen haben. Damit ist die Ausübung diplomatischen Schutzes subsidiär zum Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen. Das diplomatische Schutzrecht lebt jedoch wieder auf, wenn der Gaststaat den in der Streitsache erlassenen Schiedsspruch nicht befolgt. Dadurch wird verhindert, dass ein Verstoß gegen die in Art. 53 f. ICSID-Übereinkommen verankerte Befolgungspflicht die Gewährung diplomatischen Schutzes abschneidet.207 b. Überblick über die Mittel und Möglichkeiten zur Ausübung diplomatischen Schutzes Entschließt sich die Bundesrepublik Deutschland, einem deutschen Gläubiger diplomatischen Schutz zu gewähren, so stehen ihr verschiedene Mittel und Möglichkeiten offen. Üblicherweise macht der Heimatstaat bei der Ausübung diplomatischen Schutzes den anderen Staat zunächst auf die erlittene Rechtsverletzung aufmerksam und ersucht ihn um Abhilfe, bevor er zu weitergehenden 203  Vgl. Maunz/Dürig/Giegerich, GG, Art. 16 Rdnr. 202; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 4 Rdnr. 33; Geimer, ZfRV 5 (1992), 321 (338). 204  Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, S. 365; Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 128; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 4 Rdnr. 35. 205 Epping in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 5 Rdnr. 128; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 348. 206  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 132 ff., 222a; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 346; Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 126; Heß, JBl 1989, 285 (292). 207  Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnr. 28; Gundel, AVR 51 (2013), 108 (133 f.); Lörcher, SchiedsVZ 2005, 11 (20).

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Maßnahmen greift. So kann das Auswärtige Amt der diplomatischen Vertretung des ausländischen Staates in Deutschland eine Verbalnote übersenden, in der es uneingeschränkte Hochachtung versichert und um Erledigung der Ansprüche bittet.208 Darüber hinaus kann der deutsche Staat vom ausländischen Staat Wiedergutmachung nach den Grundsätzen zur Staatenverantwortlichkeit für völkerrechtswidriges Handeln fordern,209 indem er nach Maßgabe der Art. 34 ff. ILC-Entwurf einzeln oder in Kombination Wiederherstellung, Schadensersatz und Genugtuung verlangt. Überdies bleibt es der Bundesrepublik Deutschland unbenommen, eine Klage gegen den ausländischen Staat vor dem Internationalen Gerichtshof oder einem internationalen Schiedsgericht zu erheben.210 Insbesondere Investitionsschutzabkommen sehen regelmäßig die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens nicht nur zwischen Investor und Gaststaat, sondern auch zwischen Heimatstaat und Gaststaat vor. So kann beispielsweise nach Art. 9 des deutsch-thailändischen ISV 2002 jede Vertragspartei eine Streitigkeit über die Auslegung oder die Anwendung des Abkommens einem ad hoc gebildeten Schiedsgericht unterbreiten, sofern die Regierungen keine Einigung erzielen können. Schließlich kann die Bundesrepublik Deutschland auch zu Ergreifung einer Retorsion oder einer Repressalie befugt sein, wenn der verantwortliche ausländische Staat seiner völkerrechtlichen Verpflichtung zur Wiedergutmachung nicht nachkommt.211 Auf die Möglichkeit einer Retorsion als unfreundlicher, aber an sich völkerrechtmäßiger Maßnahme212 verwies bereits zu Zeiten der absoluten Staatenimmunität das Reichsgericht, als es seine Gerichtsbarkeit für eine Schadensersatzklage einer deutschen Reederei gegen die USA wegen einer Kollision ihres Stückgutfrachters „The Ice King“ mit deren Dampfer „Jonas Sell“ in der Wesermündung verneinte: Nähmen die USA weiterhin Immunität für ihre Staatshandelsschiffe in Anspruch, anstatt sich der deutschen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, dann könnte das Deutsche Reich diesen Schiffen künftig die Einfahrt in deutsche Hoheitsgewässer verbieten und so auf eine Anpassung des Völkerrechts hinwirken.213 208 Bongartz, MDR 1995, 780 (780); ferner Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 341 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 4 Rdnr. 33. 209  Hailbronner in: ders./Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, Teil I Kap. E Rdnr. 85; zur Verantwortlichkeit des deutschen Staates gegenüber dem ausländischen Staat siehe bereits Kapitel E. I. 1. a. 210  BVerwG, NJW 1989, 2208 (2208 f.); Hailbronner in: ders./Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, Teil I Kap. E Rdnr. 91; Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (427). 211 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 7 Rdnr. 26; Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (427); für ausgebeutetes Hauspersonal einer Botschaft vgl. auch Baldegger, Das Spannungsverhältnis zwischen Staatenimmunität, diplomatischer Immunität und Menschenrecht, S. 232; zur Repressalie siehe bereits Kapitel E. I. 1. d. 212  Herdegen, Völkerrecht, § 59 Rdnrn. 6  f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnrn. 71 f. 213 RGZ 103, 274 (280).

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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c. Anspruch auf Gewährung diplomatischen Schutzes Die soeben aufgezeigten Mittel und Möglichkeiten haben allerdings nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Bundesrepublik Deutschland überhaupt bereit ist, einem deutschen Gläubiger diplomatischem Schutz gegenüber einem ausländischen Staat zukommen zu lassen. Insbesondere wenn eine Verschlechterung der politischen oder wirtschaftlichen Beziehungen zum ausländischen Staat zu erwarten ist, könnte sie geneigt sein, von einer Schutzausübung Abstand zu nehmen.214 Die Bundesrepublik Deutschland könnte allerdings nicht nur berechtigt, sondern seinen Staatsbürgern und staatszugehörigen Unternehmen auch zur Gewährung diplomatischen Schutzes verpflichtet sein. Es besteht keine allgemeine völkerrechtliche Regel, aus der sich ein Recht des Individuums auf Schutzausübung ergibt, da es nicht als Völkerrechtssubjekt verletzt ist, sondern nur Objekt der Völkerrechtsverletzung ist. Vielmehr überlässt das Völkerrecht den nationalen Rechtsordnungen, ob sie einen Anspruch auf diplomatische Schutzmaßnahmen gewähren.215 Das Bundesverfassungsgericht hat einen in den grundrechtlichen Schutzpflichten216 wurzelnden Anspruch des deutschen Bürgers bzw. Unternehmens gegenüber dem deutschen Staat auf die Gewährung diplomatischen Schutzes prinzipiell anerkannt, diesen aber zugleich wieder deutlich eingeschränkt. So soll der nötige außenpolitische Handlungsspielraum der deutschen Bundesregierung unangetastet bleiben, damit sie ihre nach Art. 32 Abs. 1 GG obliegende Aufgabe, die Beziehungen zu auswärtigen Staaten zu pflegen, ungehindert erfüllen kann.217 Bei der Abwägung des Interesses des Einzelnen an der Gewährung diplomatischen Schutzes gegenüber den daraus möglicherweise resultierenden negativen außenpolitischen Auswirkungen für die Bundesrepublik Deutschland besteht ein großer Einschätzungsspielraum. Es steht daher im Ermessen des deutschen Staates, ob er eine Völkerrechtsverletzung gegenüber einem anderen Staat geltend macht und welche diplomatischen Mittel und Wege er hierzu wählt.218 Dem

214 Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, S. 369; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rdnr. 1. 215  IGH, I. C. J. Reports 1970, 3 (44) – Barcelona Traction; Doehring, Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes, S. 13 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 4 Rdnr. 34, Kap. 6 Rdnr. 54; Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (430 f.). 216  Hierzu näher Klein, NJW 1989, 1633 (1633 ff.). 217 BVerfGE 6, 290 (299); 40, 141 (178); 55, 349 (365); so auch BVerwG, NJW 1989, 2208 (2208 f.); Doehring, Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes, S. 93 f.; Hailbronner in: ders./Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, Teil I Kap. E Rdnrn. 97 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 54. 218  BVerfGE 40, 141 (178 f.); 55, 349 (364 ff.); BVerwG, NJW 1989, 2208 (2208 f.); Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 342 f.; Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1234 f.); Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (431).

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

schutzsuchenden Individuum steht nur ein Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, d. h. ein formelles subjektives-öffentliches Recht, zu.219 Die Weigerung, einem Staatsangehörigen bzw. staatszugehörigen Unternehmen diplomatischen Schutz zu gewähren, ist nur dann ermessensfehlerhaft, wenn der für den deutschen Staat handelnden Bundesregierung ein offensichtlicher völkerrechtlicher Rechtsirrtum oder eine willkürliche Einschätzung der politischen Lage vorzuwerfen ist.220 Eine Ermessensreduzierung auf null scheidet angesichts der vielfältigen, das außenpolitische Handeln bestimmenden Faktoren regelmäßig aus. Damit sind die Möglichkeiten des Individuums, von der Bundesrepublik Deutschland die Gewährung diplomatischen Schutzes gegenüber einem ausländischen Staat als Alternative zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte einzufordern, außerordentlich begrenzt.221

4. Möglichkeiten und Grenzen eigenmächtiger Rechtsdurchsetzung In seiner Grundsatzentscheidung zum philippinischen Botschaftskontofall verwies das Bundesverfassungsgericht die privaten Gläubiger darauf, ihre Rechte gegenüber ausländischen Staaten im Vorfeld zu sichern. Ihnen bleibe es unbenommen, durch eine Vereinbarung über die Art und Weise der Leistungsabwicklung, über einen Immunitätsverzicht oder über Sicherheiten ihre Interessen zu wahren.222 Während ein Immunitätsverzicht nur die Rechtsdurchsetzung mithilfe staatlicher Gerichte erleichtert, kann ein privater Gläubiger durch das Leistungsabwicklungsprozedere und durch die Inanspruchnahme von Sicherheiten möglicherweise unmittelbar seine Rechte gegenüber einem ausländischen Staat wahren. Er könnte aber auch auf die Idee kommen, als Ultima Ratio Selbsthilfe gegenüber einem ausländischen Staat zu üben, statt die Gerichte um Rechtsschutz zu ersuchen. a. Aufrechnung Stehen einem privaten Gläubiger und einem ausländischen Staat gegenseitig Forderungen zu, so könnte Ersterer statt einer Klageerhebung auch die Auf219 Doehring, Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes, S. 94, 100; Hailbronner in: ders./Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, Teil I Kap. E Rdnr. 98; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Kap. 6 Rdnr. 54; Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (431). 220 Vgl. Doehring, Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes, S. 100; Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1235). 221  Vgl. auch Maunz/Dürig/Giegerich, GG, Art. 16 Rdnr. 210; Bongartz, MDR 1995, 780 (780); Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1235); Schwarze, AVR 24 (1986), 408 (432). 222  BVerfGE 46, 342 (401 f.); so auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis‑ und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, S. 549 f. und Hailbronner, ZaöRV 38 (1978), 242 (244 f.).

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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rechnung erklären. Die Voraussetzungen und Wirkungen der Aufrechnung als materiellen Gestaltungsrechts bestimmen sich gem. Art. 17 Rom I-VO mangels einer Vereinbarung über das anwendbare Sachrecht nach dem Recht, dem die Hauptforderung des ausländischen Staates unterliegt. Ist auf diese deutsches Sachrecht anwendbar, so richtet sich die Aufrechnung nach §§ 387 ff. BGB. Die Prozessaufrechnung ist gegenüber einem ausländischen Staat, wie bereits an früherer Stelle aufgezeigt, prinzipiell möglich.223 So kann zum einen der Beklagte, gegen den ein ausländischer Staat vor einem deutschen Gericht Klage erhoben hat, die Aufrechnung im Prozess mit seiner Gegenforderung über dessen nichthoheitliches Handeln erklären. Zum anderen ist die Prozessaufrechnung auch zulässig, wenn eine gegen einen ausländischen Staat gerichtete Gegenforderung über sein hoheitliches Handeln mit der Hauptforderung konnex ist, indem die Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis oder zumindest auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhen. Ist bereits die Prozessaufrechnung, der bekanntlich eine Doppelnatur zukommt, gegenüber einem ausländischen Staat möglich, so gilt dies erst recht für die aprozessual erklärte Aufrechnung nach §§ 387 ff. BGB als materiellrechtliches Gestaltungsrecht. Der Gläubiger kann einem ausländischen Staat aber auch die Aufrechnung mit einer Gegenforderung über dessen hoheitliches Handeln erklären, wenn dieses zur Hauptforderung in keinem Zusammenhang steht. Die einem ausländischen Staat für sein hoheitliches Handeln zukommende Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren befreit ihn nur von der deutschen Gerichtsbarkeit, nicht aber von der Bindung an das materielle Recht.224 Demzufolge kann ein privater Gläubiger nach Maßgabe der §§ 387 ff. BGB mit seiner gegenüber einem ausländischen Staat bestehenden Forderung unabhängig von deren Inhalt aufrechnen.225 Voraussetzung für die Aufrechnung ist wie stets eine Aufrechnungslage gem. § 387 BGB, also das Bestehen gegenseitiger und gleichartiger Forderungen, bei denen die Hauptforderung erfüllbar und die Gegenforderung fällig und einredefrei ist.226 Eine solche verneinte zutreffend das Landgericht Bonn, als ein Kreditinstitut mit seinen Forderungen gegen die irakische Zentralbank gegenüber Ansprüchen des irakischen Staates gegen das Kreditinstitut aufrechnen wollte. Da die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht gegen den irakischen Staat als Gläubiger der Hauptforderung, sondern gegen die irakische Zentralbank als

223 Siehe

bereits Kapitel C. VI. 4. a.  Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 73; Dahlhoff, BB 1997, 321 (321); Kleinlein, AVR 44 (2006), 405 (417). 225 Zur Zulässigkeit der Aufrechnung gegenüber einem ausländischen Staat vgl. auch Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (355 f.); Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1237). 226  Jauernig/Stürner, BGB, § 387 Rdnrn. 3 ff.; Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, § 16 Rdnr. 4. 224

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

selbstständige Rechtspersönlichkeit bestünden, fehle es an der Gegenseitigkeit der Forderungen.227 Die Aufrechnung bringt die Hauptforderung des ausländischen Staates nach § 389 BGB nicht zum Erlöschen, wenn ein Aufrechnungsverbot gem. § 394 S. 1 BGB besteht. Danach ist die Aufrechnung gegen die Hauptforderung ausgeschlossen, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Kommt daher einem ausländischen Staat für seine Forderung Vollstreckungsimmunität zu, so bleibt dem privaten Gläubiger die Aufrechnung mit einer Gegenforderung verwehrt. Damit beeinflusst die Staatenimmunität letztlich doch „durch die Hintertür“ die materielle Rechtslage. Im Unterschied zur Zulässigkeit der Prozessaufrechnung ist allerdings nicht die Immunität im Erkenntnisverfahren, sondern die in der Zwangsvollstreckung maßgebend. Darüber hinaus könnte sich aus § 395 BGB ein Aufrechnungsverbot gegeben. Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung gegen eine Forderung des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbands nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist. Dem Wortlaut nach findet dieses Aufrechnungsverbot also nur auf die Bundesrepublik Deutschland und ihre rechtlich selbstständigen Untergliederungen, nicht aber auf ausländische Staaten Anwendung.228 Aber auch eine analoge Anwendung des § 395 BGB scheidet aus. Hält man sich den Sinn und Zweck der Vorschrift vor Augen, nämlich die Privilegierung zugunsten der öffentlich-rechtlichen Kassen in Deutschland durch eine Verschärfung der in § 387 BGB vorausgesetzten Gegenseitigkeit,229 so nicht davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber auch ausländische Staaten im Vergleich zu privaten Aufrechnungsgegnern hätte bevorzugen wollen. Praktische Bedeutung kommt der Aufrechnung nach Beendigung eines Mietverhältnisses über diplomatisch oder konsularisch genutzte Räumlichkeiten zu. So kann der private Vermieter mit einem Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses oder einem Schadensersatzanspruch gegen einen Anspruch des ausländischen Staates als Mieters auf Rückzahlung der geleisteten Kaution aufrechnen, sofern dieser die ansonsten vom Vermieter rückzuzahlende Kaution nicht für einen diplomatischen, konsularischen oder sonstigen hoheitlichen Verwendungszweck vorgesehen hat und daher kein Aufrechnungsverbot nach § 394 S. 1 BGB besteht. Angesichts der nach Beendigung eines solchen Mietverhältnisses für den Vermieter regelmäßig auftretenden Schwierigkeiten, seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, ist die Vereinbarung einer hinreichend hohen Mietsicherheit  LG Bonn, WM 2003, 780 (782).  Spruth, Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, S. 97. 229 Palandt/Grüneberg, BGB, § 395 Rdnr. 3; Staudinger/Gursky, BGB, § 395 Rdnr. 3. 227 228

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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oftmals ratsam.230 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Räumung eines Grundstücks, auf dem sich eine Botschaft oder ein Konsulat eines ausländischen Staates befindet, die diplomatische bzw. konsularische Immunität entgegensteht. Dabei ist die Höhe der Mietkaution nicht wie bei Wohnraummietverhältnissen nach § 551 Abs. 1 BGB auf das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Kaltmiete begrenzt, da selbst dann ein Geschäftsraummietvertrag mit einem ausländischen Staat vorliegt, wenn dieser Wohnräume zwecks Weitervermietung an seine Botschaftsmitarbeiter anmietet.231 b. Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts Scheidet eine Aufrechnung insbesondere wegen der fehlenden Gleichartigkeit der wechselseitigen Ansprüche aus, so kann die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gem. § 273 oder § 320 BGB den privaten Gläubiger ebenfalls davor bewahren, einem ausländischen Staat eine geschuldete Leistung erbringen zu müssen, ohne von diesem eine geschuldete Gegenleistung zu erhalten. Voraussetzung ist wiederum die sich gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) Rom I-VO nach dem Recht der Hauptforderung richtende Anwendbarkeit deutschen Sachrechts,232 die gegebenenfalls einer vorherigen Vereinbarung bedarf. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts begegnet keinen spezifischen Einschränkungen und ist prinzipiell auch dann möglich, wenn einem ausländischen Staat für die von ihm geschuldete Forderung Immunität im Erkenntnisverfahren oder auch in der Zwangsvollstreckung zukäme.233 Es besteht keine § 394 S. 1 BGB vergleichbare Vorschrift, welche die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegenüber unpfändbaren Forderungen verbieten würde. Das Zurückbehaltungsrecht lässt aber auch die Existenz einer Forderung unberührt und stellt damit ein ungleich „milderes Mittel“ dar. Im Unterschied zur Aufrechnung kann der private Gläubiger die ihm obliegende Leistung nur bis zur Bewirkung der dem ausländischen Staat obliegenden Gegenleistung verweigern, ohne dass dessen Forderung erlischt. Von diesem Grundsatz besteht eine Ausnahme, wenn dem Gläubiger einer Forderung auf Bergelohn oder Bergungskosten wegen eines in Seenot geratenen Seeschiffs an den übrigen geborgenen Sachen nach § 585 Abs. 2 HGB ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, weil er Alleinbesitzer der Sachen ist. In diesem  Buch, NZM 2000, 367 (368). Urteil v. 20. 5. ​2005, Az. 8 U 234/04 – juris; MünchKomm/Bieber, BGB, § 549 Rdnr. 7. 232  JurisPK/Geiben, Rom I-VO, Art. 12 Rdnr. 15; Ferrari in: ders./Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Rom I-VO, Art. 12 Rdnr. 15. 233 Allgemein zum Zurückbehaltungsrecht gegenüber ausländischen Staaten und Diplomaten vgl. Kissel/Mayer, GVG, § 18 Rdnr. 8; MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 5; Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (355 f.); Schneider/Stoll, BB 1986, 1233 (1237); Steinmann, MDR 1965, 706 (712). 230

231 KG,

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Sonderfall darf er das Zurückbehaltungsrecht nach § 585 Abs. 3 Nr. 2 HGB nicht ausüben, wenn die geborgenen Sachen einem Staat gehören, nichtgewerblichen Zwecken dienen und diesem im Zeitpunkt der Bergungsmaßnahmen nach den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts Staatenimmunität zukommt. c. Ausübung eines Pfandrechts Ein privater Gläubiger kann, um im Duktus des bereits zitierten Bundesverfassungsgerichts zu bleiben, seine Interessen gegenüber einem ausländischen Staat auch durch Sicherheiten wahren.234 Dies setzt nicht nur ein geeignetes Sicherungsmittel, sondern auch die Bereitschaft des ausländischen Staates zu dessen Bestellung voraus, sollten keine gesetzliche Sicherheiten in Betracht kommen. Eine Gruppe von Sicherheiten, nämlich die Pfandrechte, verdient in diesem Zusammenhang eine nähere Betrachtung. Hierbei ist zwischen den Grundpfandrechten, dem Pfandrecht an beweglichen Sachen und den gesetzlichen Pfandrechten zu differenzieren. Ausgegangen wird wiederum von der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts, die nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB die Belegenheit der Sache in Deutschland voraussetzt. Der private Gläubiger eines ausländischen Staates könnte sich eine geldwerte Forderung durch die Bestellung einer Hypothek gem. §§ 1113 ff. BGB oder einer Grundschuld gem. §§ 1191 ff. BGB als Grundpfandrechts, das auf einem in Deutschland belegenen Grundstück lastet, sichern lassen. Er hat dann nach (§ 1192 Abs. 1 i. V. m.) § 1147 BGB prinzipiell die Möglichkeit, sich aus dem Grundstück und den Gegenständen, auf die sich das Grundpfandrecht erstreckt, im Wege der Zwangsvollstreckung zu befriedigen. Dies hat allerdings für den Gläubiger mehrere „Haken“: So kann er nicht unmittelbar die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben, sondern benötigt hierzu einen Titel.235 Hat sich der ausländische Staat nicht darauf eingelassen, sich in einer vollstreckbaren Urkunde gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, so muss der Gläubiger zunächst ein entsprechendes Urteil vor Gericht erwirken. Dies ist insofern unproblematisch, als der ausländische Staat für eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein in Deutschland belegenes Grundstück keine Staatenimmunität beanspruchen kann. Befindet sich auf dem belasteten Grundstück allerdings die Botschaft oder ein Konsulat des ausländischen Staates, so steht dem Erlass eines der Klage stattgebenden Urteils die diplomatische bzw. konsularische Immunität entgegen.236  So BVerfGE 46, 342 (401 f.).  MünchKomm/Eickmann, BGB ,§ 1147 Rdnr. 6; Palandt/Bassenge, BGB, § 1147 Rdnr. 2. 236 Siehe näher Kapitel C. II. 4. 234 235

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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Aber selbst wenn der private Gläubiger einen Duldungstitel gegen den ausländischen Staat erwirkt hat, kann der Zwangsvollstreckung in das Grundstück wiederum die Vollstreckungsimmunität bzw. die diplomatische oder konsularische Immunität entgegenstehen. Da der Beginn der Zwangsvollstreckung für die Bestimmung des Verwendungszwecks maßgebend ist,237 besteht die Gefahr, dass der ausländische Staat sein belastetes Grundstück erst nach Bestellung des Grundpfandrechts einem hoheitlichen Zweck widmet und es dadurch dem Vollstreckungszugriff entzieht. Daher kann es für den privaten Gläubiger ratsam sein, bereits im Zeitpunkt der Begründung von Hypothek oder Grundschuld einen entsprechenden Immunitätsverzicht zu vereinbaren. Voraussetzung ist – und dies dürfte wohl die größte Hürde sein –, dass der ausländische Staat sich nicht nur auf die Bestellung eines Grundpfandrechts, sondern auch auf einen Verzicht einlässt. Deutlich einfacher ist die Verwertung eines Pfands an einer beweglichen Sache gem. §§ 1204 ff. BGB.238 Hat der private Gläubiger ein Pfandrecht an einer dem ausländischen Staat gehörenden beweglichen Sache erlangt, so kann er sich nach Maßgabe der §§ 1228 Abs. 1, 1233 Abs. 1, 1234 ff. BGB aus dem Pfand nach Fälligkeit der dadurch gesicherten Forderung durch Verkauf befriedigen, ohne dass er hierzu einen Vollstreckungstitel benötigt. Auch wenn die verpfändete Sache einem hoheitlichen Zweck dient, so steht dem privaten Pfandverkauf keine Vollstreckungsimmunität entgegen. Vergegenwärtigt man sich die Wurzel der Staatenimmunität, nämlich den Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten, so kann ein Staat nur gegenüber einem anderen Staat, nicht aber gegenüber einer Privatperson Immunität beanspruchen. Durch den Verkauf der verpfändeten Sache übt der Pfandgläubiger keine Hoheitsgewalt, sondern nur sein Recht aus, das ihm der ausländische Staat durch die Bestellung des Pfandrechts verliehen hat.239 Schließlich könnte dem privaten Gläubiger gegenüber einem ausländischen Staat ein gesetzliches Pfandrecht zustehen, aus dem er sich gem. § 1257 i. V. m. §§ 1228 ff. BGB ebenfalls ohne Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte nach Fälligkeit der gesicherten Forderung durch Verkauf befriedigen kann. Beispielhaft sei das Vermieterpfandrecht genannt, um auf das obige Beispiel der Vermietung von diplomatisch oder konsularisch genutzten Räumlichkeiten zurückzukommen. Nach § 578 i. V. m. § 562 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Vermieter für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein Pfandrecht an den eingebrachten Sa-

237 BVerfGE 46, 342 (345, 364); 64, 1 (44); Wefelscheid, Vollstreckungsimmunität fremder Staaten, S. 230; Weller, IPRax 2011, 574 (574). Vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 1189; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs‑ und Insolvenzrecht, § 7 Rdnr. 9. 238  Vgl. hierzu Kissel/Mayer, GVG, § 18 Rdnr. 8; MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 5. 239 Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 171 f.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

chen des ausländischen Staates als Mieters.240 Jedoch erstreckt es sich nach § 562 Abs. 1 S. 2 BGB nicht auf diejenigen Sachen, die der Pfändung nicht unterliegen. Damit entsteht kein Vermieterpfandrecht an den eingebrachten Sachen, für die dem ausländischen Staat Vollstreckungsimmunität zukommt. Entsprechendes gilt für das gesetzliche Pfandrecht des Gläubigers einer Forderung auf Bergelohn, Sondervergütung oder Bergungskosten wegen eines in Seenot geratenen Seeschiffs. Dieser erhält nach § 585 Abs. 1 i. V. m. § 597 HGB ein Pfandrecht an dem von ihm geborgenen Seeschiff sowie nach § 585 Abs. 2 HGB ein Pfandrecht an den übrigen geborgenen Sachen. Nach § 585 Abs. 3 Nr. 2 HGB darf der Retter sein gesetzliches Pfandrecht ebenso wie sein Zurückbehaltungsrecht241 nicht ausüben, wenn das geborgene Schiff oder die sonstigen geborgenen Sachen einem Staat gehören, nichtgewerblichen Zwecken dienen und diesem im Zeitpunkt der Bergungsmaßnahmen nach den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts Staatenimmunität zukommt. Anders ist die Rechtslage beim Werkunternehmerpfandrecht gem. § 647 BGB, etwa wenn ein ausländischer Staat einen Unternehmer mit der Reparatur eines hoheitlichen Zwecken dienenden Fahrzeugs beauftragt hat. Danach steht dem Werkunternehmer für seine Forderungen aus dem Werkvertrag ein Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des ausländischen Staates zu, wenn sie hierzu in seinen Besitz gelangt sind.242 Im Unterschied zu § 562 Abs. 1 S. 2 BGB ist das Werkunternehmerpfandrecht nicht auf pfändbare Sachen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf diejenigen Sachen, für die einem ausländischen Staat in der Zwangsvollstreckung Immunität zu gewähren wäre. Zu erwägen ist, ob die Entstehung eines Werkunternehmerpfandrechts vergleichbar der des Vermieterpfandrechts und des Pfandrechts an einem geborgenen Schiff nicht auch auf diejenigen Sachen zu beschränken ist, für die einem ausländischen Staat keine Vollstreckungsimmunität zukommt. Jedoch verlangt das Völkerrecht keine solche Reduktion des Anwendungsbereichs des § 647 BGB. Vielmehr begrenzt die Staatenimmunität nur die Ausübung der Gerichtsbarkeit über einen anderen Staat, nicht aber das materielle Recht. Die völkerrechtlichen Immunitätsregeln kommen im materiellen Recht nur dann zur Anwendung, wenn es durch Öffnungsklauseln auf diese Regeln direkt oder über die Unpfändbarkeitsvorschriften indirekt Bezug nimmt. Daher bleibt es dabei, dass ein ausländischer Staat mit dem Abschluss eines dem deutschen Sachrecht unterstellten 240 So auch MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 5; Stein/ Jonas/Jacobs, ZPO, § 18 GVG Rdnr. 6; Bongartz, MDR 1995, 780 (781); Steinmann, MDR 1965, 706 (712) für das Vermieterpfandrecht gegenüber einem Diplomaten. 241 Siehe hierzu Kapitel E. III. 4. b. 242  Für die Zulässigkeit der Ausübung des Werkunternehmerpfandrechts vgl. auch Kissel/ Mayer, GVG, § 18 Rdnr. 8; MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 5; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 18 GVG Rdnr. 6; Steinmann, MDR 1965, 706 (712).

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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Werkvertrags an die zwingenden werkvertraglichen Vorschriften und damit auch an § 647 BGB gebunden ist. d. Selbsthilfe Zur Wahrung des Rechtsfriedens verbietet die deutsche Rechtsordnung Selbstjustiz und verweist den Gläubiger darauf, seine Rechte stattdessen mithilfe der staatlichen Gerichte zu verwirklichen. Gleichwohl ist in eng begrenzten Ausnahmefällen Selbsthilfe zulässig, wenn sie zur Abwendung eines Rechtsverlusts zwingend geboten ist.243 So erlaubt das in §§ 229 f. BGB verankerte Recht zur Selbsthilfe dem Gläubiger, eine Sache wegzunehmen, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Insbesondere wenn die deutschen Gerichte einem ausländischen Staat Immunität gewähren und damit dem Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers nur unzureichend Rechnung tragen, kann für diesen die Möglichkeit naheliegen, selbst die Initiative zu ergreifen und seine Ansprüche im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen. So kam in einem letztinstanzlich vom Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall ein Rechtsanwalt auf die Idee, zusammen mit seinem Mandanten dessen Hausgrundstück, das ein Botschaftsrat trotz Beendigung des Mietverhältnisses weiterhin bewohnte, eigenmächtig zu räumen.244 Einige Stimmen im Schrifttum lassen den Gläubiger optimistisch stimmen. Danach soll private Selbsthilfe gegenüber ausländischen Staaten oder auch Diplomaten zulässig sein, weil das materielle Recht für sie ebenso gelte wie für alle anderen Schuldner. Private Maßnahmen im Wege der Selbsthilfe fielen nicht unter den Anwendungsbereich der §§ 18 ff. GVG, so dass die Immunität ihnen nicht entgegenstehe.245 Der genauere Blick auf die in §§ 229 f. BGB geregelten Voraussetzungen macht jedoch deutlich, dass der Selbsthilfe gegenüber einem ausländischen Staat enge Grenzen gesetzt sind. Dies gilt auch dann, wenn die ausländische lex causae Selbsthilfe in größerem Umfang ermöglicht. Da bei einer in Deutschland geübten Selbsthilfe der deutsche Rechtsfrieden auf dem Spiel steht, werden deren Grenzen durch die lex fori bestimmt.246 243 JurisPK/Backmann, BGB, § 229 Rdnr. 1; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rdnr. 6; Palandt/Ellenberger, BGB, § 229 Rdnr. 1. 244  OLG Köln, NJW 1996, 472 (472); vgl. dazu Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (353 f.); Bongartz, MDR 1995, 780 (780). 245  Kissel/Mayer, GVG, § 18 Rdnr. 8, § 20 Rdnr. 8; MünchKomm/Zimmermann, ZPO, Vorbem. zu §§ 18 ff. GVG Rdnr. 5; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 18 GVG Rdnr. 6; Zöller/Lückemann, ZPO, vor §§ 18–20 GVG Rdnr. 4; Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (354); Bongartz, MDR 1995, 780 (781 f.). 246  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rdnrn. 334 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 53.

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

Die Ausübung des Selbsthilferechts gegenüber einem ausländischen Staat setzt einen Anspruch voraus, den sich der Gläubiger anschließend im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sichern lassen kann. Die Selbsthilfe schließt nur die Lücke bis zur Erlangung staatlichen Rechtsschutzes, bis also das Gericht auf den nach § 230 Abs. 2, 3 BGB obligatorischen Antrag des Gläubigers hin zur Sicherung des Anspruchs einen dinglichen Arrest bzw. eine einstweilige Verfügung gegen einen ausländischen Staat verhängt.247 Im Fall eines verzögerten oder abgelehnten Arrestantrags hat der Gläubiger nach § 230 Abs. 4 BGB die weggenommenen Sachen unverzüglich zurückzugeben. Daher genügt es entgegen der Auffassung von Bongartz nicht, dass zwar ein Anspruch besteht, er aber vor den staatlichen Gerichten nicht durchsetzbar ist248. Vielmehr erfordern §§ 229, 230 BGB, dass der im Wege der Selbsthilfe vorläufig gesicherte Anspruch mithilfe der staatlichen Gerichte auch verwirklicht werden kann und nur die besondere Dringlichkeit ein sofortiges Eingreifen nötig macht. Ein Gericht erlässt aber gegenüber einem ausländischen Staat zur Anspruchssicherung keinen dinglichen Arrest bzw. keine einstweilige Verfügung, wenn diesem Immunität zukommt. In dieser Konstellation fehlt es bereits an einem klagbaren Anspruch, der durch die Selbsthilfe vorübergehend gesichert werden könnte. Auch wenn obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig zu erlangen wäre, könnte der Anspruch vor deutschen Gerichten nicht durchgesetzt werden.249 Grund ist nicht die besondere Dringlichkeit, sondern der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität. Aber selbst wenn einem ausländischen Staat für einen zu sichernden Anspruch im Erkenntnisverfahren keine Immunität zukommt, darf der private Gläubiger ihm gegenüber nach § 229 BGB nur dann Selbsthilfe üben, wenn die Verhängung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung zu spät käme, um die spätere Durchsetzung des Anspruchs zu sichern. Dies kann der Fall sein, wenn ein ausländischer Staat sich anschickt, der gerichtlichen Verwirklichung eines Herausgabeanspruchs zuvorzukommen, indem er die herauszugebende Sache außer Landes bringt. Käme selbst eine unverzüglich beantragte einstweilige Verfügung zu spät, dann besteht ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr, dass die Realisierung des Anspruchs vereitelt oder zumindest wesentlich erschwert wird.250 Der Ausübung des Selbsthilferechts steht nicht die prinzipielle Möglichkeit entgegen, die Zwangsvollstreckung mithilfe der Gerichte desjenigen Staates zu betreiben, in den die Sache verbracht werden soll.251 Bedarf die Vollstreckung zu247  JurisPK/Backmann, BGB, § 229 Rdnrn. 2, 5; Staudinger/Repgen, BGB, § 229 Rdnr. 17; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Rdnr. 6. 248  So Bongartz, MDR 1995, 780 (782). 249  Vgl. Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (355 f.) für die Selbsthilfe gegenüber Diplomaten. 250  Vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 229 Rdnr. 5; Staudinger/Repgen, BGB, § 229 Rdnr. 21. 251  So aber Bongartz, MDR 1995, 780 (780 f.), der darauf verweist, dass Ansprüche auf Räumung einer in Deutschland belegenen Diplomatenwohnung und auf Mietzahlung durch

III. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte

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nächst der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des deutschen Titels durch ein ausländisches Gericht, so wäre die Verwirklichung des Anspruchs gem. § 229 BGB jedenfalls wesentlich erschwert. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Gläubiger nicht weiß, wohin genau die zu vollstreckende Sache hingeschafft werden soll. Allerdings setzt die Ausübung des Selbsthilferechts voraus, dass die Vollstreckung in die Sache ohne die drohende Verbringung ins Ausland möglich wäre.252 Kommt einem ausländischen Staat aber Vollstreckungsimmunität zu, so wäre auch bei sofortigem Eingreifen die Verwirklichung des Anspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung durch ein deutsches Gericht unmöglich. Damit stand auch in dem eingangs erwähnten Fall dem Rechtsanwalt, der zusammen mit seinem Mandanten eigenmächtig das von einem Botschafter bewohnte Hausgrundstück räumte, kein Selbsthilferecht zu, so dass der von ihm begangene Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Nötigung gem. §§ 123 Abs. 1, 240 Abs. 1, 52 StGB nicht gerechtfertigt war. Das Oberlandesgericht Köln wies hierbei zu Recht darauf hin, dass im Rahmen der Selbsthilfe nur solche Maßnahmen ergriffen werden dürften, welche auch die staatlichen Organe zur Sicherung des gefährdeten Anspruchs treffen könnten. Eine Räumung der Diplomatenwohnung durch einen Gerichtsvollzieher auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung wäre nach § 940a ZPO unzulässig gewesen.253 Aber auch einer Räumung in Vollzug eines Hauptsachetitels wäre die diplomatische Immunität entgegengestanden.254 Summa summarum ist die Ausübung des Selbsthilferechts gegenüber einem ausländischen Staat nur dann möglich, wenn ihm weder im Erkenntnisverfahren für den zu sichernden Anspruch noch in der Zwangsvollstreckung im Hinblick auf die wegzunehmende Sache Immunität zukommt. Damit schließt das Selbsthilferecht zwar auch gegenüber einem ausländischen Staat die Rechtsschutzlücke bei besonderer Eilbedürftigkeit, es kann aber nicht den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität überwinden.255 Können die deutschen Gerichte einem Gläubiger mangels deutscher Gerichtsbarkeit keinen Rechtsschutz gegeneine Klage vor dem Gericht des Entsendestaates durchsetzbar wären. Allerdings ist bereits die internationale Zuständigkeit der ausländischen Gerichte fraglich, zumal nach Art. 24 Nr. 1 S. 1 EuGVVO wegen der unveränderbaren Belegenheit des Mietobjekts die deutschen Gerichte ausschließlich zuständig sind. 252  Vgl. jurisPK/Backmann, BGB, § 229 Rdnr. 13; Palandt/Ellenberger, BGB, § 229 Rdnr. 6. 253 OLG Köln NJW 1996, 472 (473); vgl. auch Palandt/Ellenberger, BGB, § 229 Rdnr. 6; Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, S. 169 und Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (355 f.), die ebenfalls ein Selbsthilferecht bzw. ein „Notwehrrecht“ verneinen. Aber auch die „kalte Räumung“ einer nicht zu diplomatischen genutzten Mietwohnung ist unzulässig, da die Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte die Durchsetzung des Räumungsanspruchs nur verzögern, nicht aber vereiteln würde; vgl. BGH, NJW 2010, 3434 (3434). 254  Siehe näher Kapitel D. V. 4. a. 255  Vgl. im Hinblick auf die diplomatische Immunität auch Leipold in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (355 f.).

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E. Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

über einem ausländischen Staat gewähren, so ist dieser nicht befugt, seine Rechte im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen. Der Immunität den „privaten Krieg“ zu eröffnen, kann – so Leipold – in einem Rechtsstaat keine angemessene Lösung sein.256

256 Leipold

in: Prütting/Rüßmann (Hrsg.), FS Lüke, S. 353 (356).

F. Ergebnisse Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatenimmunität 1. Herkunft und Entwicklung der Staatenimmunität Die Staatenimmunität – die Befreiung eines Staates von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates – wurzelt im Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten als grundlegendem Strukturprinzip des Völkerrechts. Während den Staaten lange Zeit absolute Immunität zukam, rückte mit der Zunahme ihrer grenzüberschreitenden privatwirtschaftlichen Betätigung im 20. Jahrhundert die Souveränität des Gerichtsstaates in den Vordergrund. Mit den beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1963 und 1977 zur relativen Staatenimmunität setzte sich – der allgemeinen völkerrechtlichen Entwicklung folgend – in der deutschen Rechtsprechung endgültig die Auffassung durch, dass ausländische Staaten nur noch partiell von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind.

2. Rechtsquellen der Staatenimmunität Über die Öffnungsklauseln der Art. 25 und Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG binden die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität die deutschen Gerichte. Auf europäischer Ebene ist die Bundesrepublik Deutschland neben sieben weiteren Staaten dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität von 1972 beigetreten, während das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit von 2004 mangels erforderlicher Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten ist. Das Völkergewohnheitsrecht bestimmt daher maßgeblich Inhalt und Umfang der Staatenimmunität. Dieses wird vor allem durch die beiden Immunitätsübereinkommen sowie durch Immunitätsgesetze wie den US-amerikanischen Foreign State Immunities Act of 1976 und den englischen State Immunity Act 1978 geprägt.

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F. Ergebnisse

3. Personaler Geltungsbereich der Staatenimmunität Die Staatenimmunität wird in erster Linie den Staaten zuteil, und zwar unabhängig von ihrer Anerkennung durch den Gerichtsstaat. Auch den Gliedstaaten eines föderalen Bundesstaates kann persönliche Immunität zukommen, soweit sie Handlungen in Wahrnehmung ihrer Völkerrechtssubjektivität vornehmen. Darüber hinaus genießen sie ebenso wie die Gebietskörperschaften funktionelle Immunität. Den besonders exponierten Staatsorganen wird während ihrer Amtszeit persönliche und absolute Immunität zuteil, wohingegen den anderen Staatsorganen nur funktionelle Immunität zukommt. Während die deutsche Rechtsprechung lange Zeit Staatsunternehmen jegliche Immunität absprach, hat ihnen der Bundesgerichtshof erstmals 2013 – wie seit längerem von einem Teil des Schrifttums gefordert – funktionelle Immunität zugebilligt. Die diplomatische und konsularische Immunität sowie die Immunität internationaler Organisationen haben sich als eigenständige Immunitätskategorien herausgebildet. Den Diplomaten wird während ihrer Amtszeit persönliche Immunität zuteil, den Konsuln kommt dagegen nur funktionelle Immunität zu. Internationale Organisationen genießen häufig umfassende Immunität.

4. Staatenimmunität aus der Perspektive des rechtsschutzsuchenden Individuums Die Bundesrepublik Deutschland hat einem rechtsschutzsuchenden Individuum als Ausgleich zum prinzipiellen Verbot der Selbsthilfe und als Ausfluss seines Gewaltmonopols Rechtsschutz zu gewähren. Das Recht des Gläubigers auf Zugang zu Gericht, das sich aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und dem in Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG wurzelnden Justizgewährungsanspruch ergibt, ist allerdings nicht verletzt, solange die Gewährung von Immunität aufgrund einer völkerrechtlichen Verpflichtung erfolgt. Die Staatenimmunität und das Recht auf Zugang zu Gericht stehen in keinem Grundwiderspruch, sondern in einem reziproken Verhältnis: Das Recht auf Zugang zu Gericht hört dort auf, wo die von Völkerrechts wegen gebotene Staatenimmunität beginnt.

Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren 1. Grundregeln und Sonderfälle zur deutschen Gerichtsbarkeit Die deutsche Gerichtsbarkeit ist als allgemeine Prozessvoraussetzung im Erkenntnisverfahren die aus der Souveränität fließende Befugnis des deutschen Staates, innerhalb seines Territoriums Recht zu sprechen. Im Verhältnis zur

Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

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internationalen Zuständigkeit ergibt sich für das erkennende Gericht keine zwingende Prüfungsreihenfolge. Kraft Völkergewohnheitsrechts unterliegt ein ausländischer Staat nur für acta iure gestionis der deutschen Gerichtsbarkeit, während ihm für acta iure imperii Immunität zukommt. Die Qualifikation staatlichen Handelns richtet sich nach der lex fori, wird aber für den Kernbereich staatlicher Tätigkeit durch das Völkerrecht eingeschränkt. Maßgeblich sind nach dem deutschen Recht die Natur und die äußere Erscheinungsform der staatlichen Handlung bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses. Greift ein ausländischer Staat in einen privatrechtlichen Vertrag mit hoheitlichen Mitteln ein, um sich seinen vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen, so genießt er keine Immunität. Der deutsche Staat kann die Gewährung von Immunität nicht von der Verbürgung der Gegenseitigkeit durch den beklagten Staat abhängig machen. Auch für schwere Menschenverletzungen kann einem Staat Immunität zu gewähren sein.

2. Fallgruppen der deutschen Gerichtsbarkeit Ein ausländischer Staat kann insbesondere dann der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, wenn ein Rechtsstreit eine der folgenden Regelungsmaterien betrifft: privatrechtliche Verträge, Beteiligungen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen, Immaterialgüterrechte, Grundstücke, Vermögen aus Erbschaft oder Schenkung, Vermögensverwaltung, Personen‑ und Sachschäden, Staatshandelsschiffe und Arbeitsverhältnisse. Die entsprechenden Regelungen im Europäischen Übereinkommen und im UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität spiegeln hierbei weitgehend, nicht aber vollständig das Völkergewohnheitsrecht wider. Vor allem die völkervertraglichen Immunitätsausnahmen zum Schadensrecht differenzieren nicht zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln, sondern erfordern einen doppelten territorialen Bezug der schadensstiftenden Handlung zum Forumstaat.

3. Verzicht des ausländischen Staates auf seine Immunität Ein Staat kann sich freiwillig der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterwerfen, indem er auf seine Immunität verzichtet. Einen ausdrücklichen Verzicht kann er durch internationale Vereinbarung, durch privatrechtlichen Vertrag oder durch Mitteilung gegenüber dem erkennenden Gericht erklären. Darüber hinaus ist ein konkludenter Verzicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung, eine Schiedsvereinbarung, eine Klageerhebung oder eine rügelose Einlassung zur Hauptsache prinzipiell möglich. Dagegen implizieren eine Sachrechtsvereinbarung, eine Entgegennahme der Klageschrift, eine fehlende Verfahrensbetei-

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F. Ergebnisse

ligung und ein Auftreten eines Vertreters des ausländischen Staates als Zeugen keinen Verzichtswillen. Einem Immunitätsverzicht kann konstitutive oder auch nur deklaratorische Wirkung zukommen. Der verzichtende Staat kann abgesehen von einer Klagerücknahme seine einmal abgegebene Verzichtserklärung nicht frei widerrufen.

4. Weitere Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage gegen einen ausländischen Staat kann sich aus den im EuStImm enthaltenen Immunitätsausnahmen, bei Vorliegen einer Zivil‑ oder Handelssache aus der EuGVVO oder aus den Regeln der ZPO über die örtliche Zuständigkeit ergeben. Hat eine Klage ein Rechtsgeschäft zum Gegenstand, das ein ausländischer Staat von seiner Botschaft in Deutschland aus geschlossen hat, so kann sie am Gerichtsstand der Niederlassung erhoben werden. Auch der Vermögensgerichtsstand begründet die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage gegen einen ausländischen Staat, wenn dieser in Deutschland über Vermögen verfügt, für das ihm keine Vollstreckungsimmunität zukommt. Ein darüber hinausgehender Inlandsbezug ist nicht erforderlich. Den deutschen Gerichten fehlt es an der internationalen Zuständigkeit für die Klage eines ausländischen Staates, mit der er eine öffentlich-rechtliche Forderung geltend macht. Ausländische Staaten sind als Völkerrechtssubjekte bereits nach dem Völkergewohnheitsrecht parteifähig. Ihre von Amts wegen zu prüfende Vertretungsbefugnis bestimmt sich nach ihrem Heimatrecht. Nach dem autonomen deutschen Zivilprozessrecht steht die Rechtshängigkeit der Streitsache vor einem ausländischen Gericht der Zulässigkeit einer Klage vor einem deutschen Gericht nur dann entgegen, wenn dem beklagten Staat keine Immunität zukommt. Die EU-Mitgliedstaaten sowie die Vertragsstaaten des EWR und des EuStImm sind von der Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit.

5. Gerichtliche Prozessleitung Einem ausländischen Staat ist eine Klage auch dann zuzustellen, wenn die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben oder zweifelhaft ist. Dies gebieten nicht nur das Recht des Klägers auf Zugang zu Gericht und der zivilprozessuale Mündlichkeitsgrundsatz, sondern auch das Völkerrecht selbst. Die Zustellung der Klageschrift an einen beklagten Staat erfolgt in aller Regel auf diplomatischem Weg. Bei Bestellung eines in Deutschland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten kann sie auch im Inland zugestellt werden, während der Zustellung an den Botschafter die diplomatische Immunität entgegensteht.

Staatenimmunität und Erkenntnisverfahren

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Unabhängig vom Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit hat ein Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen und einem beklagten Staat durch die Mitteilung des Termins Gelegenheit zu geben, daran teilzunehmen. Dagegen ist es nicht befugt, das persönliche Erscheinen eines vertretungsbefugten Staatsorgans anzuordnen. Lässt sich die Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit nicht bereits nach Aktenlage eindeutig beantworten, so gebietet das Völkerrecht die Anberaumung einer abgesonderten Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage. Während der mündlichen Verhandlung ist das Gericht nicht befugt, ein beteiligtes Staatsorgan aus dem Sitzungssaal zu entfernen und ihm gegenüber Ordnungsmittel zu verhängen.

6. Prozessuale Gestaltungsrechte der Parteien Eine Klagehäufung sowie eine Klageänderung, gleich ob in objektiver oder subjektiver Hinsicht, sind im Grundsatz auch dann möglich, wenn ein ausländischer Staat an einem deutschen Zivilprozess beteiligt ist. Eine Streitverkündungsschrift ist ihm stets zuzustellen. Tritt er einer Prozesspartei im Wege der Nebenintervention bei, so verzichtet er damit nicht auf seine Immunität für einen Folgeprozess. Auch der deutsche Staat kann einem beklagten ausländischen Staat zur Unterstützung beitreten, da er ein rechtliches Interesse daran hat, von ihm nicht nach den völkerrechtlichen Grundsätzen zur Staatenverantwortlichkeit in Anspruch genommen zu werden. Eine Widerklage kann gegen einen ausländischen Staat nur dann erhoben werden, wenn ihm für den damit geltend gemachten Anspruch keine Immunität zukommt oder wenn dieser mit dem Anspruch der Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht. Hierbei ist die Höhe der Widerklageforderung nicht auf die Höhe der Klageforderung begrenzt. Erhebt ein ausländischer Staat eine Widerklage, so verzichtet er zugleich auf seine Immunität für die gegen ihn erhobene Klage, ohne dass es einer Konnexität bedarf. Eine Prozessaufrechnung ist gegenüber einem ausländischen Staat nur dann zulässig, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung sein nichthoheitliches Handeln zum Gegenstand hat oder wenn sie zur Hauptforderung konnex ist. Umgekehrt lässt sich ein beklagter Staat mit einer Prozessaufrechnung in der Regel rügelos auf eine Klage ein. Bei einer Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung hat das Gericht das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit nicht nur nach dem bisherigen Sach‑ und Streitstand zu prognostizieren, sondern vollumfänglich zu prüfen.

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7. Sachvortrag, Prüfung von Amts wegen und Beweiserhebung Ein ausländischer Staat muss sich in einem deutschen Zivilprozess vollständig und wahrheitsgemäß erklären, jedoch braucht er kein Staatsgeheimnis preiszugeben. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist von Amts wegen zu prüfen, nicht aber von Amts wegen zu ermitteln. Lassen sich deren tatsächliche Voraussetzungen nicht aufklären, so trägt der Kläger die Beweislast. Das Gericht darf zur Ermittlung der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zur Staatenimmunität kein Rechtsgutachten in Auftrag geben, sondern muss bei Zweifeln über deren Existenz und Inhalt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Bei Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der Immunitätsübereinkommen können deren Vertragsparteien das Europäische Gericht für Staatenimmunität bzw. den Internationalen Gerichtshof anrufen. Ein Vertreter des ausländischen Staates muss nur dann vor einem deutschen Gericht als Zeuge aussagen, wenn ihm keine Immunität und kein Zeugnisverweigerungsrecht zukommen. Andernfalls darf das Gericht ihn nicht als Zeugen laden, wohl aber anfragen, ob er freiwillig in dieser Eigenschaft aussagt oder die Beweisfrage schriftlich beantwortet. Mit einer ausländischen öffentlichen Urkunde kann ein fremder Staat, sofern sie als echt anerkannt ist, die dadurch beurkundeten Tatsachen beweisen. Das Gericht kann gegenüber einem prozessbeteiligten Staat anordnen, dass er eine in seinen Händen befindliche Urkunde vorlegt, dies allerdings nicht durch Ordnungsmittel erzwingen.

8. Urteil und Vergleich Ergibt die abgesonderte Verhandlung zur Zulässigkeit einer Klage, dass einem ausländischen Staat keine Immunität zukommt, so stellt das Gericht seine Gerichtsbarkeit durch Zwischenurteil fest. Andernfalls weist es die Klage sogleich durch Endurteil als unzulässig ab. Unterliegt ein ausländischer Staat der deutschen Gerichtsbarkeit, so kann gegen ihn auch ein Versäumnisurteil in nicht abgekürzter Form ergehen. Hierbei empfiehlt es sich, die Einspruchsfrist auf mindestens vier Monate festzusetzen. Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch auf die Verurteilung, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, einschließlich des Erlasses eines Kostenfestsetzungsbeschlusses. Mit dem Abschluss eines Prozessvergleichs verzichtet ein ausländischer Staat auf seine Immunität für das Erkenntnisverfahren, nicht aber für die Zwangsvollstreckung.

Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

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9. Spezielle Verfahrensarten Die EU-Mitgliedstaaten und die EWR-Vertragsstaaten sind an und für sich prozesskostenhilfeberechtigt, aber nur dann mittellos, wenn eine Prozessfinanzierung aus eigenen Mitteln unter allen denkbaren Gesichtspunkten ausscheidet. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen einen ausländischen Staat ist möglich, sofern ihm nicht unzweifelhaft Immunität zukommt, und unabhängig davon, ob er in absehbarer Zeit über vollstreckbares Vermögen in Deutschland verfügen wird. Auch gegenüber einem ausländischen Staat kann einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, sofern der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen der deutschen Gerichtsbarkeit glaubhaft gemacht hat. Als Arrestgrund kommt vor allem der besondere Arrestgrund der Auslandsvollstreckung in Betracht. Gegenüber einem EU-Mitgliedstaat können ein Mahnbescheid, ein Vollstreckungsbescheid und – mit Ausnahme Dänemarks – auch ein Europäischer Zahlungsbefehl erlassen werden, sofern sie sein nichthoheitliches Handeln zum Gegenstand haben.

Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung 1. Grundlagen der Vollstreckungsimmunität Auch in der Zwangsvollstreckung gilt der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der relativen Staatenimmunität. Danach sind Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates ohne seine Zustimmung dem Vollstreckungszugriff nur entzogen, wenn sie zu Beginn der Vollstreckungshandlung einem hoheitlichen Zweck dienen. Dies gilt auch für völkerrechtswidrig erlangte Gegenstände, während sich der immunitätsrechtliche Schutz nicht auf Gegenstände erstreckt, die ein ausländischer Staat in den Hoheitsbereich des Vollstreckungsstaates unter Verletzung von dessen Gebietshoheit verbracht hat. Der Vollstreckungszugriff auf ein Vollstreckungsobjekt erfordert keine Konnexität zum titulierten Anspruch. Das EuStImm gewährt den Vertragsstaaten, wenn sie nicht dem Fakultativregime beigetreten sind, absolute Vollstreckungsimmunität. Als Ausgleich sind sie verpflichtet, eine gegen sie ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates zu erfüllen. Andernfalls besteht für die obsiegende Prozesspartei und gegebenenfalls auch für den verurteilten Staat die Möglichkeit, Feststellungsklage vor seinen nationalen Gerichten oder dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität zu erheben. Nach dem UN-Übereinkommen können Sicherungsmaßnahmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nur mit Zustimmung des Schuldnerstaates verhängt werden. Dagegen können Vollstreckungsmaßnahmen in der Hauptsache auch in sein zu privatwirtschaftlichen Zwecken genutztes Vermögen erfolgen.

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2. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität Der Immunitätsverzicht für das Erkenntnisverfahren präjudiziert keinen Immunitätsverzicht für die Zwangsvollstreckung. Die Immunitätsübereinkommen erfordern prinzipiell einen ausdrücklichen Verzicht in Schriftform. Darüber hinaus lässt das UN-Übereinkommen einen konkludenten Verzicht dergestalt zu, dass ein ausländischer Staat Vermögen für die Befriedigung des streitgegenständlichen Anspruchs bereitstellt oder bestimmt. Das Völkergewohnheitsrecht stellt hingegen an die Form des Immunitätsverzichts keine besonderen Anforderungen, obgleich bei der Annahme eines konkludenten Verzichts Zurückhaltung geboten ist. Daher ist einer Klageerhebung, einem Prozessvergleich, einem Rechtsmittelverzicht, einer Schiedsabrede und einer notariellen Urkunde regelmäßig kein Immunitätsverzicht immanent. Ein pauschal erklärter Verzicht erstreckt sich nicht auf Gegenstände, die ein ausländischer Staat für die Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission benötigt.

3. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen und spezifische ­Vollstreckungshürden Die deutschen Vollstreckungsgerichte sind international nur zuständig, wenn die Zwangsvollstreckung in Vermögen erfolgen soll, das in Deutschland belegen ist. Bei Sachen ist der Lageort und bei Forderungen ist der Wohnsitz des Drittschuldners maßgeblich. Es fehlt an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Vollstreckung in Forderungen, die sich aus ausländischem öffentlichem Recht ergeben. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität ergangene Entscheidung nichtig und bildet daher keine taugliche Vollstreckungsgrundlage. Diese Rechtsfolge ergibt sich allerdings weder aus dem Völkerrecht noch aus dem deutschen Vollstreckungsrecht. Vielmehr verlangen die in der Zivilprozessordnung angelegte Kompetenzverteilung zwischen Erkenntnisgericht und Vollstreckungsgericht, der Vergleich mit dem verfassungswidrigen oder menschenrechtswidrigen Urteil sowie der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Rechtssicherheit, dass auch solche Urteile wirksam sind. Ein Urteil eines Staates, der nicht EU-Mitgliedstaat ist, kann nur für vollstreckbar erklärt werden, wenn sowohl dem Exequaturgericht als auch dem Erstgericht Gerichtsbarkeit zukommt. Ein Urteil eines EU-Mitgliedstaates über das nichthoheitliche Handeln eines fremden Staates ist in Deutschland ohne Exequaturverfahren vollstreckbar. Ein ausländischer Schiedsspruch ist nach dem New Yorker Übereinkommen nur dann vollstreckbar, wenn er von der Schiedsabrede erfasst ist. Das Exequaturgericht darf dagegen nicht prüfen, ob ein ICSID-Schiedsgericht einen Schiedsspruch erlassen durfte.

Staatenimmunität und Zwangsvollstreckung

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Weder das Völkerrecht noch § 882a Abs. 1, 3 ZPO fordern für die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat die Einhaltung einer Wartefrist. Die Vollziehungsfrist im einstweiligen Rechtsschutz ist bereits mit der Stellung des Antrags beim zuständigen Vollstreckungsorgan gewahrt. Verbietet die Exekutive einem Vollstreckungsorgan aus politischen Erwägungen die Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat, ohne dass ihm von Völkerrechts wegen Immunität zukommt, so verletzt sie das Recht des Vollstreckungsgläubigers auf Zugang zu Gericht und den Gewaltenteilungsgrundsatz. Das völkerrechtliche Institut des Staatsnotstands wegen Zahlungsunfähigkeit eines Staates ist nicht auf Privatrechtsverhältnisse übertragbar und stellt damit kein Vollstreckungshindernis dar.

4. Bestimmung und Nachweis des Verwendungszwecks Einem Gegenstand kommt dann ein hoheitlicher Zweck zu, wenn er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll. Hierzu gehören insbesondere diejenigen Gegenstände, die der Erfüllung von Aufgaben dienen, die dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen sind. Für die Gewährung von Vollstreckungsimmunität genügt es, dass ein ausländischer Staat seinen Willen, einen Gegenstand künftig für hoheitliche Aufgaben zu verwenden, spätestens zu Beginn der Vollstreckungshandlung nach außen kundgetan hat. In einen gemischt verwendeten Gegenstand kann vollstreckt werden, sofern er teilbar ist und soweit der nichthoheitliche Verwendungszweck reicht. Eine Zweckbestimmung oder Zweckänderung nach Vollstreckungsbeginn kann einen Vollstreckungszugriff nicht verhindern, während eine Umwidmung vor Vollstreckungsbeginn prinzipiell beachtlich ist. Für eine analoge Anwendung des § 882a Abs. 2 ZPO auf die Vollstreckung in hoheitlich genutzte Gegenstände besteht mangels einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum. Das Gericht hat den Verwendungszweck zwar von Amts wegen zu prüfen, nicht aber von Amts wegen zu ermitteln. Vielmehr muss der Vollstreckungsgläubiger darlegen und im Streitfall beweisen, dass dem zu vollstreckenden Gegenstand ein nichthoheitlicher Verwendungszweck zukommt. Besteht für ihn keine Möglichkeit zu einer substantiierten Darlegung, so trifft den ausländischen Staat als Vollstreckungsschuldner eine sekundäre Darlegungslast. Für den Nachweis des Verwendungszwecks gilt nicht der Vollbeweis, sondern das abgestufte Beweismaß der Glaubhaftmachung. Als Mittel der Glaubhaftmachung kommen die Strengbeweismittel, die Versicherung an Eides statt sowie die gehörige Versicherung in Betracht.

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5. Zwangsvollstreckung differenziert nach Art und Objekt Schiffe, Flugzeuge und Kulturgüter eines ausländischen Staates unterliegen nur dann dem Vollstreckungszugriff, wenn sie einem nichthoheitlichen Zweck dienen. Dagegen sind militärische Gegenstände und bewegliche Gegenstände, derer er sich zur Wahrnehmung der amtlichen Funktionen seiner diplomatischen Mission oder konsularischen Vertretungen bedient, stets von der Vollstreckung ausgenommen. Grundstücke unterliegen der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, sofern einem ausländischen Staat wegen ihres hoheitlichen Verwendungszwecks keine Vollstreckungsimmunität bzw. keine diplomatische oder konsularische Immunität zukommt. Dies gilt auch für die Eintragung einer Zwangshypothek, während die Eintragung einer Arresthypothek und die Fiktion der Zustimmung zur Grundbuchberichtigung unabhängig vom Nutzungszweck des Grundstücks möglich sind. Die Pfändung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Kontoguthabens – auch das einer Zentralbank oder eines Staatsunternehmens – ist unzulässig, soweit die zur Erfüllung zufließenden Gelder einem hoheitlichen Verwendungszweck dienen. Forderungen aus einem laufenden Bankkonto einer Botschaft, das zur Deckung ihrer Ausgaben und Kosten bestimmt ist, unterliegen nicht der Zwangsvollstreckung. Auch die Zulässigkeit der Pfändung von Mietzinsforderungen und von Ansprüchen auf Rückerstattung der Umsatzsteuer richtet sich nach dem Verwendungszweck bzw. der abstrakten Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen oder konsularischen Vertretung, während Steuer‑ und Gebührenforderungen eines ausländischen Staates nicht durch deutsche Gerichte pfändbar sind. Die Vollstreckungsimmunität steht einer Forderungspfändung nicht entgegen, wenn ein ausländischer Staat Drittschuldner ist. Für die Einziehungsklage gelten die Grundsätze zur Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren. Die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe einer Sache ist möglich, wenn dieser ein nichthoheitlicher Verwendungszweck zukommt. Ist ein ausländischer Staat zu einer sonstigen Handlung verurteilt worden, so ist die Vollstreckung zulässig, wenn diese nichthoheitlicher Natur ist. Dagegen dürfen gegenüber einem ausländischen Staat keine Ordnungsmittel mit Strafcharakter zur Erzwingung einer Unterlassung oder Duldung verhängt werden.

Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagung

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Rechtsfolgen von Immunitätsverletzung und Rechtsschutzversagungsowie alternative Lösungsstrategien 1. Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Konsequenzen einer Immunitätsverletzung Hat ein Gericht einem ausländischen Staat zu Unrecht in einem Zivilprozess keine Immunität gewährt, so hat die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen seiner völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Wiedergutmachung zu leisten. Dies erfolgt im Erkenntnisverfahren dadurch, dass er – vertreten durch seinen Außenminister – dem ausländischen Staat als Streithelfer beitritt und gegen ein immunitätsverletzendes Urteil Rechtsmittel einlegt. Ist das Urteil bereits rechtskräftig, so hat er die Wiederaufnahme des Verfahrens anzustreben. Die Wiedergutmachung für die Vollstreckung in einen immunen Gegenstand erfolgt dadurch, dass die Bundesrepublik Deutschland vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe einlegt. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung muss er bis zur Unverhältnismäßigkeitsgrenze versuchen, einen bereits gepfändeten Gegenstand vom nunmehrigen Eigentümer rückzuerwerben. Vollstreckungsrechtsbehelfe wegen eines ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenen Urteils sind dagegen unstatthaft, da es eine taugliche Vollstreckungsgrundlage bildet, solange es nicht aufgehoben ist. Erfüllt die Bundesrepublik Deutschland ihre völkerrechtliche Verpflichtung zur Wiedergutmachung einer Immunitätsverletzung nicht, so kann der ausländische Staat zur Ergreifung völkerrechtlicher Gegenmaßnahmen befugt sein. Die willkürliche Verletzung der Vorlagepflicht zum Bundesverfassungsgericht kann das Recht des ausländischen Staates auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzen. Nach kritikwürdiger Auffassung des Bundesverfassungsgerichts soll dies auch bei der Erteilung einer Vollstreckungsklausel für ein ohne deutsche Gerichtsbarkeit ergangenes Urteil gelten.

2. Rechtsfolgen der Rechtsschutzversagung Gegen die Weigerung des Gerichts, einem ausländischen Staat eine Klage zuzustellen oder einen Termin zur abgesonderten mündlichen Verhandlung anzuberaumen, kann der Kläger mit der sofortigen Beschwerde vorgehen. Im Fall der Klageabweisung wegen fehlender Gerichtsbarkeit oder der Versagung der Zwangsvollstreckung gegenüber einem ausländischen Staat stehen dem Kläger bzw. Vollstreckungsgläubiger die üblichen in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Nach Rechtswegerschöpfung kommt auch eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht insbesondere wegen Verletzung des Justizgewährungsanspruchs sowie eine Individualbeschwerde

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zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor allem wegen Verletzung von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Betracht. Sind die Möglichkeiten des Primärrechtsschutzes ausgeschöpft, so können dem rechtsschutzsuchenden Gläubiger gegenüber der Bundesrepublik Deutschland auch Ansprüche aus Amtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff zustehen. Dagegen scheidet eine Haftung aus enteignendem Eingriff aus, wenn einem ausländischen Staat zu Recht Immunität gewährt worden ist.

3. Alternativen zum Rechtsschutz durch deutsche Gerichte Ein ausländischer Staat ist verpflichtet, seinem Gläubiger als Kompensation für die Inanspruchnahme von Staatenimmunität Zugang zu seinen Gerichten zu gewähren. Gleichwohl können rechtliche und tatsächliche Hürden seine Rechtsverfolgung im Ausland erschweren oder unmöglich machen. Die Parteien können einen Rechtsstreit auch durch ein internationales Schiedsgericht entscheiden lassen, das seine Rechtsprechungsbefugnis nicht aus der Hoheitsgewalt eines Staates, sondern aus dem Willen der Parteien legitimiert. Vor allem bilaterale Investitionsschutzabkommen enthalten häufig eine Schiedsabrede, nach der ein Schiedsverfahren zwischen Investor und Gaststaat nach dem ICSID-Übereinkommen durchgeführt wird. Ein deutscher Gläubiger hat gegenüber der Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, dass diese ihm diplomatischen Schutz wegen einer durch einen ausländischen Staat begangenen Völkerrechtsverletzung gewährt. Schließlich steht es einem privaten Gläubiger im Einzelfall offen, sein Befriedigungsinteresse selbst durch Aufrechnung, Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts oder Inanspruchnahme eines Pfandrechts zu wahren. Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann er auch zur Ausübung von Selbsthilfe gegenüber einem fremden Staat berechtigt sein, sofern diesem weder im Erkenntnisverfahren für den zu sichernden Anspruch noch in der Zwangsvollstreckung für die wegzunehmende Sache Immunität zukommt.

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Sachregister Abgesonderte Verhandlung ​206 ff., 210, 254, 256, 429 Act of State-Doktrin ​72 f. Actum iure imperii vel gestionis ​16, 74 f., 156, 191 f. Ägypten ​23 Algerien ​127 f., 157, 238 Amtshaftung ​433  ff. Anerkenntnisurteil ​257 Anerkennung – einer Entscheidung ​180, 325 ff., 442 – eines Staates ​35 ff., 176 Annahmeverweigerung ​196  ff. Anzeige der Vollstreckungsabsicht ​32 ff. Arbeitsverhältnis ​119 ff., 157 f. Argentinien ​2, 21, 99 f., 126, 131, 170, 264 f., 271 f., 277, 307 f., 314, 340 ff., 367 f., 377 ff. Arrest ​266  ff. Arrestatorium ​395  f. Arresthypothek ​378  ff. Aufrechnung ​230 ff., 454 ff. Ausländisches Gericht ​325 ff., 440 ff. Auslandsvollstreckung ​270  ff. Außenpolitik ​4, 337 ff., 453 f. Bankkonto ​382  ff. Belgien ​22, 121 Beschwerde – einfache ​416, 431 – sofortige ​416, 426 ff., 431 Bewegliche Sache ​366 ff., 398 f. Beweiserhebung ​245  ff. Beweislast ​239 ff., 356 ff. Beweismaß ​361  ff. Botschaft ​121 ff., 157 ff. Botschaftskonto ​382  ff. Brüsseler Übereinkommen ​29 f., 117, 366 China ​23  f., 386 Collective Action Clauses ​83, 343 f. Dänemark ​114, 177 f., 427 Darlegungslast ​356  ff.

Deutschland ​63, 89 ff., 180 f., 196, 218 ff., 337 ff., 403 ff., 433 ff., 449 ff. Diplomatische Immunität ​52 f., 121, 194 f., 285 f. Diplomatische Mission ​106, 108, 247, 307 ff., 372 ff., 383 ff. Diplomatischer Schutz ​449  ff. Doppelrolle ​129 f., 190, 196 Drittbeteiligung ​215  ff. Drittschuldner ​395  ff. Duldung ​401  f. Eigentum ​394 f., 429 f., 432, 437 ff. Einmischungsklage ​221  f. Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ​410, 418, 336 f. Einstweiliger Rechtsschutz ​266 ff., 281 f., 297 f. Einziehungsklage ​396  f. Endurteil ​256 f., 409 ff. Enteignender Eingriff ​438  f. Enteignung ​282 f., 417 f., 450 Enteignungsgleicher Eingriff ​436  ff. Erbschaft ​106 f., 109 f. Erfüllungsort ​93 Erfüllungspflicht ​289  ff. Erkenntnisverfahren ​69  ff. Erledigterklärung ​234  f. Ermessen – bei abgesonderter Verhandlung ​207 f. – bei Gewährung diplomatischen Schutzes ​ 453 f. – bei übereinstimmender Erledigterklärung ​ 234 f. Europäischer Gerichtshof ​87, 155 ff., 191 f. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ​60 ff., 122 f., 338 ff., 394 f., 430, 432 Europäisches Gericht für Staatenimmunität ​ 244, 293 Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität ​24 ff., 73 f., 154, 243 ff., 287 ff. Exekutive ​219, 337  ff. Exequaturverfahren ​140 ff., 325 ff.

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Sachregister

Fakultativregime ​25 f., 154, 161 f., 288 f. Federal States Immunities Act ​18 f., 39, 78 f., 227, 283 f., 332 Feststellungsklage ​107, 292 ff., 310 f. Flugzeug ​368  f. Forderung – Belegenheit ​312 – öffentlich-rechtliche ​172 ff., 313, 393 ff. – Zwangsvollstreckung ​381  ff. Forum shopping ​165, 167, 169 Frankreich ​23, 32 f., 47, 65, 79, 116, 122, 174, 304 f. Frist – Einspruch gegen Versäumnisurteil ​259 f. – Verfahrensbeteiligung ​199  ff., 258 – Vollziehung eines Arrestbefehls ​336 f. – Wiederaufnahmeklage ​413 – Zwangsvollstreckung ​331  ff. Gebietskörperschaft ​40 Gebührenforderung ​393  ff. Gegenmaßnahme ​419  f. Gegenseitigkeit ​88 f., 271 f., 328 f., 455 f. Gehörige Versicherung ​364 Gehörsrüge ​429 Gemischtes Konto ​350 f., 360 Gerichtsbarkeit ​9, 69 ff., 237 ff. Gerichtsstand ​156  ff. – allgemeiner ​156  f. – der Niederlassung ​157  ff. – der unerlaubten Handlung ​167 ff. – des Vermögens ​159 ff., 312 f. – infolge rügeloser Einlassung ​172 Gerichtsstandsvereinbarung ​138, 170  ff. Gesellschaft ​101  ff. Gestaltungsrecht ​209  ff. Gewaltenteilung ​219 ff., 339, 407 Gewaltmonopol ​57, 173 Ghana ​367  f. Glaubhaftmachung ​267 f., 362 ff. Gliedstaat ​37  ff. Griechenland ​63, 82 ff., 90, 100, 128 ff., 169 f., 180 f., 191 f., 315, 337 f., 337, 422 ff. Grundbuchberichtigung ​109, 380  f. Grundregeln zur Staatenimmunität ​16 f., 69 ff., 279 ff. Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ​9 f., 207, 209 Grundstück ​105 ff., 374 ff., 458 f. Handlung ​397  ff. Hauptintervention ​221  f.

Herausgabe ​398  f. Herrenloses Vermögen ​106  f. Hinweispflicht ​238 ICSID-Übereinkommen ​143, 305 f., 331, 448 f., 451 Immaterialgüterrecht ​103  ff. Immunitätsverletzendes Urteil ​314 ff., 405 ff. Immunitätsverletzung ​403  ff. In dubio pro immunitate ​240, 358 Indien ​246, 444 Individualbeschwerde ​430, 432 Inlandsbezug ​164  ff. Internationale Organisation ​54  ff. Internationale Zuständigkeit ​70 ff., 152 ff., 311 ff. Internationaler Gerichtshof ​41, 90 ff., 243 f., 328, 407 f. Internationaler Seegerichtshof ​367  f. Interventionswirkung ​216, 220 Investitionsschutzabkommen ​142 f., 445 ff. Irak ​97 f., 161, 163, 165, 171 f., 455 f. Iran ​16, 97, 388 ff., 443 Irland ​62  f., 145 Italien ​22 f., 89 ff., 328 Justizgewährungsanspruch ​66 f., 429, 432, 434 Kenia ​364, 376 Kernbereich ​77 ff., 125, 347 Klageänderung ​212  ff. Klageerhebung ​145  f. Klagehäufung ​209  ff. Klagerücknahme ​151  f., 233 Klauselerinnerung ​418  f. Konnexität ​223 ff., 231, 284 f. Konsularische Immunität ​53 f., 121, 285 f. Konsularische Vertretung ​106, 108, 247, 372 ff. Kosten des Rechtsstreits ​147, 233 ff., 260 Kriegsverbrechen ​63, 89 ff., 180 f. Kroatien ​127 Kuba ​84  f. Kulturgut ​370  ff. Kündigungsschutzklage ​124  ff. Kunstgegenstand ​370  ff. Ladung ​203 ff., 247 ff. Legalisation ​250 Lex causae ​76 f., 239, 357 Lex fori ​75 ff., 252, 343 f. Libyen ​78, 269, 271, 371 f.

Sachregister Litauen ​32 f., 65, 123 Local remedies rule ​404 f., 451 Mahnverfahren ​272  ff. Maklervertrag ​98  f. Market place-Doktrin ​85 Mauretanien ​145  f., 214 Menschenrechtsverletzung ​89  ff. Mietkaution ​456  f. Mietzins ​106 f., 390 f. Militärischer Gegenstand ​79, 81, 369 f. Mongolei ​50, 387 Montenegro ​32  f. Mündliche Verhandlung ​201  ff. Mündlichkeitsgrundsatz ​188 f., 201 f. National Iranian Oil Company ​47 ff., 281, 345, 388 ff. Natur staatlichen Handelns ​89 ff., 96 f. Naturalrestitution ​405 ff., 417 f. Ne impediatur legatio ​108, 285 f., 373 Nebenintervention ​217 ff., 373, 408 f., 412 f. New Yorker Übereinkommen ​305, 330 f. Nichteinmischungsgebot ​10, 123, 164, 236, 360, 362, 418 f. Nichtiges Urteil ​315  f. Nichtigkeitsklage ​411  f. Niederlande ​174 Niederlassung ​94, 120, 157 ff. Nigeria ​47, 100  f. Notifikation ​25 f., 37 f., 179 f., 288 f. Öffnungsklausel ​33  f. Ordnungsmittel ​208 f., 248, 401 f., 405 Ordre public ​290  f. Österreich ​86 f., 159, 322 f., 406, 443 Pacta sunt servanda ​140, 150, 445 Parteifähigkeit ​176 Parteiwechsel ​214  f. Perpetuatio fori ​163  f. Persönliches Erscheinen ​205  f. Pfandrecht ​458  ff. Pfändungs‑ und Überweisungsbeschluss ​ 381, 395 f. Philippinen ​16  f., 279 Philippinischer Botschaftskontofall ​16  f., 279 f., 318, 344 f., 351, 355, 361, 384 f. Polen ​37, 187, 196 Portugal ​99, 161, 225 f. Postulationsfähigkeit ​203 Privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft ​94  ff. Prozessbeendende Erklärung ​233  ff.

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Prozessfähigkeit ​176  ff. Prozessförderungspflicht ​425  ff. Prozesskostenhilfe ​262  ff. Prozesskostensicherheit ​181  f. Prozessleitung ​182  ff. Prozessurteil ​256, 428  ff. Prozessvertrag ​132 f., 150 f. Prüfung von Amts wegen ​70, 153, 177, 237 ff., 272 ff., 278, 326 f., 355 ff., 410 Prüfungsreihenfolge ​71  f. Qualifikation – des Verwendungszwecks ​345  f. – staatlicher Tätigkeit ​75  ff. Räumung ​108, 378, 461 ff. Recht auf den gesetzlichen Richter ​324 f., 420 ff., 430, 432 Recht auf Zugang zu Gericht ​59 ff., 187 f., 255, 425 ff., 440 ff. Rechtsbehelf ​415 ff., 425 ff. Rechtsgutachten ​291 Rechtshängigkeit ​179  ff. Rechtshilfe ​196 Rechtskraft ​151, 254 f., 410 ff. Rechtsmittel ​254 ff., 409 ff., 428 f. Rechtspfleger ​272  ff. Rechtsschutzverweigerung ​58 f., 171 f. Rechtssicherheit ​254 f., 322 f. Rechtsträger ​299 Rechtsverfolgung im Ausland ​440 ff. Rechtsweg ​152 Repressalie ​89, 282 f., 419 f. Restitutionsklage ​151, 321, 411 f. Retorsion ​452 Révision au fond ​294, 327 f., 331 Rügelose Einlassung ​148, 152, 172 Russland ​21 f., 49 f., 114 f., 142 f., 168 f., 174, 194, 196, 198 f., 263, 305, 313, 347, 351 f., 356, 359 f., 365, 378, 390 ff., 428, 432 f. Sachrechtsvereinbarung ​144 Saudi-Arabien ​98, 444 Schadensersatz ​110 ff., 167 ff., 433 ff. Schenkung ​106  f., 110 Schiedsgericht ​444  ff. Schiedsvereinbarung ​139 ff., 304 ff., 329 ff., 444 ff. Schiff ​29 f., 84 f., 116 ff., 225 f., 251, 284, 366 ff., 452, 457 f., 460 Schweiz ​23, 86, 283 f. Säumnis ​146  ff.

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Sachregister

Sedelmayer, Franz ​142 f., 196, 305, 313, 390 ff., 432 f. Seerechtsübereinkommen ​366  f. Selbsthilfe ​57, 461  ff. Sicherheitsinteresse ​123 Sicherungsmaßnahme ​281  f. Sitzungsgewalt ​208  f. Souveränität ​9  f., 35 Spanien ​105, 383  f. Spruchrichterprivileg ​435  f. Staat ​35  ff. Staatenimmunität – absolute ​11 f., 42, 287 f., 297 f. – Entwicklung ​11  ff. – funktionelle ​42  f. – Herkunft ​9  f. – personaler Geltungsbereich ​34  ff. – persönliche ​35  ff., 42 – Rechtsquellen ​15  ff. – relative ​12 ff., 42, 279 ff. Staatsanleihen ​99  f. – argentinische ​2, 99 f., 340 ff. – griechische ​82 ff., 100, 169 f., 191 f. Staatsgeheimnis ​235  f. Staatsnotstand ​339  ff. Staatsorgan ​40 ff., 135, 205 f., 208 f., 245 ff. Staatsunternehmen ​42 ff., 96 f., 388 ff. State Immunity Act ​19 f., 38 f., 88, 267 Steuern ​128 ff., 172 ff., 393 ff. Streitgenossenschaft ​211 Streitverkündung ​215  ff. Syrien ​372 Terminsbestimmung ​210  ff. Territorialer Bezug ​111 f., 120 f. Territorialitätsgrundsatz ​108, 311 f., 399 Terrorismus ​78  f. Thailand ​2 f., 142, 329 f., 368 f., 446 f. Titel ​314 ff., 325 ff. Titelgegenklage ​419 Trennung des Prozesses ​210 f., 232 Tschernobyl ​114 f., 168 f., 194, 198 f., 428 Tunesien ​443 Türkei ​138 Ukraine ​420 Umsatzsteuerrückerstattung ​391  ff. Umweltimmission ​112, 114 ff., 168 Umwidmung ​352  f. Unterlassung ​401  f. UN-Übereinkommen über Staaten­ immunität ​27 ff., 73 f., 297 ff.

Urkunde – Beweis ​250  ff. – notarielle ​306  f. Urteil ​253 ff., 325 ff. Verbot der Justizverweigerung ​67 f., 450 Vereinigte Staaten ​18 f., 116 f., 126 f., 452 Vereinigtes Königreich ​19 f., 43, 62, 76, 84 f., 145 Vereinigung ​101  ff. Verfassungsbeschwerde ​321, 421 ff., 429 f. Vergleich ​261  ff., 295 Verkehrsunfall ​112, 114 Vermieterpfandrecht ​459  f. Vermögensgerichtsstand ​159 ff., 312 f. Vermögensverwaltung ​107 Versäumnisurteil ​147, 204 f., 257 ff. Vertrag ​92  ff. Vertragsbruch ​85  f. Vertretungsbefugnis ​176  ff. Verweisung des Rechtsstreits ​71 f., 153, 263 Verwendungszweck ​280, 344  ff. Verzicht auf Immunität ​131 ff., 217 f., 221 ff., 231 f., 261 f., 300 ff. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit ​218, 403 ff. Völkerrechtsfreundlichkeit ​66, 255 Vollstreckbarerklärung ​325  ff. Vollstreckungserinnerung ​415, 431 Vollstreckungsgefährdung ​272 Vollstreckungshindernis ​341  ff. Vollstreckungsimmunität ​16 f., 277 ff. Vollziehungsfrist ​336  f. Vorlage an Bundesverfassungsgericht ​88, 242 f., 269 f., 451 f., 430, 432 Wahrheitspflicht ​235  ff. Wartefrist ​332  ff. Wechsel der Handlungsform ​83 ff. Werkunternehmerpfandrecht ​460 Werkvertrag ​97  f. Widerklage ​222  ff. Wiederaufnahmeklage ​410  ff. Wiedergutmachung ​405  ff. Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen ​52 f., 194 ff., 247, 308 f., 373, 376 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ​53 f., 247, 251, 373, 376 Zahlungsunfähigkeit ​264 f., 339 ff. Zentralbank ​385  ff. – griechische ​83

Sachregister – irakische ​455  f. – mongolische ​50, 387 – nigerianische ​19, 47, 100 f. – türkische ​165 Zeuge ​149, 245  ff. Zeugnisverweigerungsrecht ​246 f., 252 f. Zivil‑ und/oder Handelssache ​155 f., 190 f., 274 f., 326 Zurückbehaltungsrecht ​457  f. Zuständigkeitskonzentration ​175 Zustellung – an Botschafter ​194  f. – auf diplomatischem Weg ​189 ff. – einer Klageschrift ​183  ff. – einer Streitverkündungsschrift ​216 f., 221 – eines Pfändungsbeschlusses ​395  f.

– eines Versäumnisurteils ​259 – Ersatzzustellung ​195 – fiktive ​196  f. – im Inland ​194  ff. – öffentliche ​197  ff. – trotz fehlender Gerichtsbarkeit ​183 ff. Zustellungsbevollmächtigter ​195  f. Zwangshypothek ​90, 351 f., 377 f. Zwangsmittel ​400  f. Zwangsumtausch ​82  ff., 100 Zwangsversteigerung ​372  ff. Zwangsverwaltung ​374  ff. Zwangsvollstreckung ​277  ff. Zweck staatlichen Handelns ​79 f., 96 Zweckänderung ​352  ff. Zwischenurteil ​254 ff., 428 f.

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