Die Substantivbildung mit Suffixen bei Chrestien de Troyes
 9783111328096, 9783110984767

Table of contents :
Vorwort
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
Aufschlüsselung der einzelnen Handschriften9
ERSTER TEIL. MATERIAL
MATERIAL
ANHANG
ZWEITER TEIL. AUSWERTUNG
AUSWERTUNG
A
B
C
D
SCHLUSSBETRACHTUNG
LITERATURVERZEICHNIS
SUFFIXREGISTER
WORTREGISTER

Citation preview

BEIHEFTE

ZUR

Z E I T S C H R I F T FÜR R O M A N I S C H E

PHILOLOGIE

B E G R Ü N D E T V O N G U S T A V GRÖBER F O R T G E F Ü H R T VON W A L T H E R V O N WARTBURG H E R A U S G E G E B E N VON K U R T

BALDINGER

I I 8. H E F T

Doris Sammet Die Substantivbildung mit Suffixen bei Chrestien de Troyes

MAX N I E M E Y E R VERLAG T Ü B I N G E N 1968

Die Substantivbildung mit Suffixen bei Chrestien de Troyes

von

Doris Sammet

MAX N I E M E Y E R VERLAG T Ü B I N G E N 1968

Die vorliegende Arbeit wurde 1966 von der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg dem Thema : „Die in den Werken von Chrestien de Troyes lebendigen Suffixe zur Substantivbildung. Ein Beitrag zur altfranzösischen Wortbildungslehre" als Dissertation angenommen.

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1968 Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany Satz und Druck von Poppe & Neumann, Graph. Betrieb, Konstanz Einband von Heinr. Koch, Tübingen

Vorwort

Im Rahmen eines Oberseminars über Probleme der französischen Wortbildung lenkte Herr Professor Dr. Kurt Baldinger meine Aufmerksamkeit auf dieses Gebiet der Sprachwissenschaft. Ich möchte meinem verehrten Lehrer an dieser Stelle aufrichtig für die daraus entstandene Anregung zur vorliegenden Arbeit und für die uneingeschränkte Bereitschaft danken, mit der er mir bei den Fragen, die sich bei ihrer Abfassung ergaben, stets beratend zur Seite stand. Besondere Dankbarkeit bringe ich ihm auch als Herausgeber der Zeitschrift für Romanische Philologie für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe der Beihefte zu dieser Zeitschrift entgegen. Danken möchte ich ebenfalls Herrn Professor Dr. Bodo Müller für seine Mühe als Korreferent und für seine Anregungen zur vorliegenden Druckfassung, sowie Herrn Robert Harsch-Niemeyer für die zuverlässige verlegerische Betreuung und für sein Entgegenkommen bei der Finanzierung der Arbeit. Mannheim, im Juli 1968

Doris Sammet

V

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

IX-XV

ERSTERTEIL M A T E R I A L

i

ZWEITERTEIL A U S W E R T U N G

i°5

A § i Personalbezeichnungen -ier, -etier, -on, -(e)or, -in, -ain, -art, -aut

107

§ 2 Tierbezeichnungen -ier, -or, -on, -in, -art, -ot, -el (-ele)

115

§ 3 Pflanzenbezeichnungen -ier (Baumnamen), -gon, -on

120

§ 4 Bezeichnungen für den Ort, wo Pflanzen wachsen -oi, -iere, -ier, -ine (-in)

123

§ 5 Bezeichnungen für Rüstungsgegenstände und Rüstungszubehör -er, -el, -ier, -iere

125

§ 6 Werkzeug- und Gerätebezeichnungen -eor, -oir, -on, -et, -ail

128

§ 7 Bezeichnungen für Behälter und Gefäße -ier, -iere, -el, -cel

135

B § 8 Suffixe zum Ausdruck des Diminutiven

138

a) erstarrte Diminutivbildungen b) lebendige Diminutivbildungen (Personalbezeichnungen, Tierbezeichnungen, Pflanzenbezeichnungen, Bezeichnungen von Rüstungs- und Kleidungsstücken, Bezeichnungen für Kleidungszubehör und schmückendes Beiwerk, Bezeichnungen für Gebäude und Gebäudeteile, Schiffsbezeichnungen und vereinzelte Diminutivbildungen) c) Anhang (Bezeichnungen, die rein formales -el tragen) VII

§ 9 ~et

zum

Ausdruck der Ähnlichkeit

149

§ 10 -on zum Ausdruck des Augmentativen

ijo

§ 1 1 Individualisierendes -el, -ele zur Bezeichnung der durch die äußere Form charakterisierten Gegenstände

iji

§ 1 2 Suffixe zum Ausdruck der Zugehörigkeit und der H e r k u n f t . . . -¿er, -iere, -in, -ine

153

§ 1 3 Suffixe zur Bezeichnung des Ortes -al, -ier, -iere, -il Bezeichnungen für 'Versteck', 'Winkel' (-et, -aille) Bezeichnungen für 'Gesichtsschutz am Panzerhemd' (-aille)

ij5

C § 1 4 Suffixe zur Bezeichnung eines Eigenschaftserlebnisses -té, -été, -or, -ure, -esce, -ise, -ie, -erie § x j Suffixe zur Bezeichnung eines Handlungsvorgangs -ment, -ance, -ee, -(e)ure, -eiz, -age, -erie, -ison, -eison, -ise, -aille, -ine, -ange

158 162 -oison,

D § 16 Suffixe zum Ausdruck des Kollektiven Bezeichnungen eines Kollektivums von Personen (-aille, -age, -ie, -ee) Körperteilbezeichnungen (-aille, -ele) Bezeichnungen für 'Verhau, Umpfählung' (-eiz) Suffixe zur Bezeichnung eines Kollektivums in verschiedenen semantischen Bereichen (-age, -ee, -erie; -ier, -iere, -ele, -ine, -mente)

176

SCHLUSSBETRACHTUNG

i8

LITERATURVERZEICHNIS

192

SUFFIXREGISTER

196

WORTREGISTER

198

VIII

4

EINLEITUNG

Die vorliegende Arbeit untersucht die mit Hilfe von Suffixen gebildeten Substantive in den Werken Chrestiens de Troyes 1 . Sie versucht dadurch für ein Teilgebiet der altfranzösischen Wortbildungslehre erste Ergebnisse für eine umfassendere Untersuchung zu liefern. Wir sind dabei davon ausgegangen, daß die Historische Wortbildungslehre von Meyer-Lübke2 - wie ein Aufsatz Baldingers3 anhand der beiden Suffixe -ard und -aud gezeigt hat - in vielen Punkten revisionsbedürftig ist, »und zwar deshalb, weil Meyer-Lübkes Darstellung die Chronologie der Bildungen unberücksichtigt läßt, damit aber auch Synchronie und Diachronie vermischt und somit im Grunde unhistorisch ist. Auch die Entwicklung eines Suffixes bedeutet Struktur- oder Systemwandel, und zwar auf vier verschiedenen Ebenen: formal, begrifflich, semantisch und onomastisch. Die Wortbildungslehre basiert weitgehend auf denselben theoretischen Grundlagen wie die Lexikologie. In der Praxis der Forschung wurde dieser theoretischen Entwicklung bisher jedoch nur in Ansätzen Rechnung getragen« (p. 14). Baldingers Kritik an Meyer-Lübkes Wortbildungslehre trifft sich in einem entscheidenden Punkt mit der Kritik, die von Wartburg in seiner Besprechung zu Meyer-Lübkes Wortbildungslehre (erschienen in Z 42, 1922, p. 5 0 4 f r . ) geübt hat: »Der menschliche Geist ist eben nicht so beschaffen, daß er Querschnitt und Längsschnitt zugleich überblicken kann. Ich hätte es für vorteilhafter gehalten, wenn das Buch in zwei Teile geschieden worden wäre, einen historischen und einen deskriptiven. Vielleicht hätte der erstere sogar einmal unterbrochen werden können, um eine Beschreibung der Wortbildung im Afr., sagen wir des 12. Jahrhunderts zu geben« (p. 505). Mit einer Untersuchung des in den Werken Chrestiens de Troyes vorgegebenen Wortschatzes erhalten wir eine synchronische Ausgangsbasis, die zeitlich (2. Hälfte des 12. Jhs.) und gattungsmäßig (höfische Dichtung) eng umgrenzt ist. Doch selbst die natürliche Geschlossenheit eines solchen Wortschatzes birgt eine Fülle suffixaler Ableitungen vielfältigen Charakters. Bei einer 1

Christian von Troyes, Sämtliche erhaltene Werke. Nach allen bekannten Handschriften, hrsg. von Wendelin Foerster, Halle 1884-99. I. Cliges (C) 1884, II. Yvain (L) 1887, III. Erec (E) 1890, IV. Karrenritter (K) und Wilhelmsleben (W) 1899, V. Der Percevalroman (G) 1932, hrsg. von A. Hilka. 2 Meyer-Lübke, W., Historische Grammatik der französischen Sprache, Teil II: Wortbildungslehre, Heidelberg 1921 (von uns zitiert: ML FrGr II § . . . ) . 3 Baldinger, Kurt, Entstehung und Entwicklung der Suffixe -ard und -aud ... vollständiger Titel s. Bibliographie.

IX

systematischen Untersuchung dieser Ableitungen gilt es daher, die verschiedensten Aspekte zu berücksichtigen, was nicht unerhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Darstellung mit sich bringt. Unsere Arbeit besteht aus zwei Teilen, einem Materialteil und einem Auswertungsteil. Beide Teile sollen sich folgerichtig ergänzen und dabei sowohl den historischen als auch den synchronischen Verhältnissen Rechnung tragen, da sich ein auf synchronischer Ebene ermittelter Wortschatz einmal als eine in sich geschlossene und funktionstüchtige Einheit darstellt, zum andern aber zugleich als historisches Ergebnis eines sprachlichen

Entwicklungsprozesses

zu gelten hat. M i t der Beschreibung von Fakten, die an die Synchronie gebunden sind, lassen sich also historisch orientierte Fragen stellen, und gerade in unserem Falle erschien es sinnvoll, zur Klärung synchronischer Verhältnisse eine Verbindung von Synchronie und Diachronie vorzunehmen, da unsere Arbeit eine Untersuchung aus den Anfängen der altfranzösischen Wortbildung darstellt und es daher naheliegt, Parallelen zu den Wortbildungsverhältnissen des Lateins zu ziehen. Die Hauptfaktoren, die uns bei dem Ziel unserer Untersuchung - nämlich die Suffixe zu ermitteln, die funktionell bei der Bildung von altfranzösischen Substantiven beteiligt sind - geleitet haben, sind etymologischer

und seman-

tischer N a t u r . Mit diesen beiden Aspekten wird Form und Bedeutung eines einzelnen Wortes in synchronischer und diachronischer Sicht entscheidende Aussagekraft für die zu ermittelnde Suffixfunktion zugestanden. Die Anordnung des Materials im ersten Teil trägt in erster Linie dem historischen Aspekt Rechnung. Hier wird das gesamte Wortmaterial mit Belegstellen dargeboten. Die Aufgliederung des Materials erfolgt nach Suffixeinheiten, wobei eine etymologische Trennung der einzelnen Suffixeinheiten vorgenommen wurde. Sowohl die Zuordnung der aus dem Latein ererbten Bildungen als auch die der romanischen Ableitungen zu den einzelnen Suffixeinheiten

richtete sich nach der etymologischen Zugehörigkeit ihrer Suf-

fixe4. W a r eine endgültige Entscheidung bezüglich der Zuordnung nicht möglich, so wurde innerhalb der Gliederung auf die doppelte oder auch mehrfache etymologische Bezugsmöglichkeit des betreffenden Suffixes hingewiesen. In die Gliederung mit aufgenommen und als solche kenntlich gemacht wurden ferner sekundäre Bildungen 5 sowie im Altfranzösischen

4

5

substantivierte

Audi die geringere Anzahl der aus dem Germanischen übernommenen Wörter ist - soweit möglich - nach etymologischen Gesichtspunkten gegliedert worden. Unter sekundären Bildungen verstehen wir solche Wörter, die keine echten Suffixableitungen darstellen, deren Wortausgänge aber dennoch lautlich-formal mit einem echten Suffix identisch sind. Zu den sekundären Bildungen gehören u. a. Rückbildungen zu Verben (z. B. viele < vieler oder declin < decliner) oder Zusammensetzungen (z.B. torchepot). Audi die Lautenwicklung vom Latein zum Altfranzösischen konnte Wörter entstehen lassen, deren Ausgänge mit einem im Altfranzösischen lebendigen Suffix lautlich identisch sind (z. B. lat. SCRINIUM >

X

Adjektive, da Wörter beider Kategorien - wie wir noch sehen werden vom semantischen Gesichtspunkt aus für eine synchronisch orientierte Suffixuntersuchung bedeutsam sein können. Innerhalb der einzelnen Suffixeinheiten ist das Wortmaterial nach wortinhaltlichen Kriterien zusammengestellt. So stehen semantisch benachbarte Ableitungen mit historisch identischem Suffix (etwa die Personalbezeichnungen auf lat. - A R I U S = afr. -ier oder die Pflanzenbezeichnungen auf lat. - E T U M = afr. -oi) nebeneinander. Wo es sich nicht vermeiden ließ, daß semantisch eng benachbarte Wörter, die synchronisch-formal gesehen dasselbe Suffix bzw. dieselbe Endung aufweisen, historisch betrachtet aber etymologisch verschieden zu beurteilende Suffixe tragen bzw. als sekundäre Bildungen zu gelten haben, infolge der etymologisch ausgerichteten Gliederung der Suffixeinheiten an verschiedenen Stellen erscheinen, sind solche semantischen Berührungspunkte durch Verweise kenntlich gemacht. Der zweite, auswertende Teil sucht die zentrale Frage nach der Einheit der Funktion und ihrer sprachlichen Verwirklichung durch Suffixe zu beantworten. Dabei stützen wir uns auf die beiden Hauptgliederungsprinzipien des Materialteils, die durch die Wahrung der etymologisch-formalen Einheit der Suffixe einerseits und durch die Anordnung des Materials innerhalb dieser Einheiten andererseits eine wesentliche Ausgangsbasis für die Auswertung geschaffen haben. »Die sprachliche Leistung von der Wortbildung her liegt . . . nicht einseitig in den Wortbildungselementen selbst (nicht einseitig; denn sie wird immerhin von ihnen getragen!), sondern in einer semantischen Einheit, die diese Mittel zusammenhält« (Henzen, Inhaltsbezogene Wortbildung®, p. i). Diese Feststellung Henzens bezieht sich auf die Bedeutung der Gruppen- oder Reihenbildung bei der Erforschung der suffixalen Wortbildung. Wir verstehen unter einer Bedeutungsgruppe eine Anzahl von Wörtern (mindestens zwei semantisch eng benachbarte Wörter machen eine 'Paarbildung' aus), die eine bedeutungsmäßige Einheit bilden, d. h. begrifflich verwandte Wörter darstellen. Entscheidendes Merkmal einer solchen Bedeutungsgruppe ist - über diese begriffliche Zusammengehörigkeit ihrer einzelnen Glieder hinaus - die formale Identität der Suffixe bzw. der Wortausgänge.

6

afr. escrin). Als sekundäre Bildungen werden ferner vereinzelt aus dem Germanischen oder Arabischen übernommene Bildungen gewertet (z. B. esterlin < STERLINGUS oder meschin < arab. MESKIN). Diese W ö r t e r sind für die altfranzösische Wortbildung zunächst freilich ohne Bedeutung, doch sind sie aufgenommen worden, da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden soll, daß sie sich im Zuge späterer Suffixuntersuchungen auf Grund ihrer formalen Endungseinheiten durchaus als wichtig erweisen können. Nicht als sekundäre Bildungen dagegen gelten Wörter, die mit solchen Suffixen wie germ. -(H)ART oder -(W)ALD gebildet sind, die nachweislich im Altfranzösischen in lebendiger Funktion wirksam geworden sind. Vollständiger Titel s. Bibliographie.

XI

Die Erforschung von Bedeutungsgruppen ist aus zweierlei Gründen für die Untersuchung der Wortbildung mit Hilfe von Suffixen wichtig. a) In der Bedeutungsgruppe sehen wir einen wichtigen Ansatzpunkt für die Erforschung der suffixalen Ableitungen im Hinblick auf ihre Entstehung. Wie Baldinger in seinem Aufsatz ausgeführt hat, wird »in der künftigen Suffix- und P r ä f i x l e h r e . . . dem Begriff des Leitworts eine zentrale Stellung zukommen. Keine neue Ableitung mit einem Suffix vollzieht sich planlos oder willkürlich, sondern im Anschluß an eine schon bestehende Bildung. Ist eine ganze Gruppe 'synonymer' Bildungen konstituiert, so ist natürlich schwer zu sagen, welches Wort der Gruppe den Anstoß zur Neubildung gegeben hat« (Baldinger, Entstehung und Entwicklung der Suffixe -ard und - a u d . . . p. 13 Anm. 3). Damit ist ausgesprochen, daß Neubildungen in Analogie zu bereits geläufigen Wörtern bzw. analog zu bestehenden Ableitungsverhältnissen geschaffen werden. Doch braucht nicht unbedingt ein einzelnes Wort Vorbild für die Neubildung zu sein (zumindest ist es in dieser Funktion nicht immer ohne weiteres ermittelbar), sondern die Bedeutungsgruppe als Ganzes kann durchaus die Aufgabe eines 'leaderword' erfüllen, d. h. neben einem Leitwort gibt es eine Leitgruppe. Die Überlegung, daß unter Umständen vereinzelte Wortausgänge - wenn sie zu Wörtern gehören, die sich in eine Gruppe bedeutungsmäßig gleichgelagerter Bildungen einfügen - bedeutsam werden können, bewog uns zur A u f nahme sämtlicher sog. sekundärer Bildungen; denn wenn sie eine Gruppe auch zunächst nur rein zahlenmäßig stärken, so ist doch nicht ausgeschlossen, daß solche Bildungen später so weit aufrücken können, daß ihre Endungen als Suffixe empfunden werden und daß dann sogar eine sekundäre Bildung als leaderword fungieren kann. b) Die Analyse der inneren Struktur einer Bedeutungsgruppe führt uns zu der Frage nach der Bildungsweise jeder einzelnen Ableitung, d. h. zur Frage nach dem morphologischen Verhältnis von Grundwort und Ableitung. Wir haben versucht, zu jeder afr. Ableitung das dazugehörige Grundwort zu ermitteln, um so durch eine Bestimmung des Verhältnisses der Bedeutungen von Grundwort und Ableitung einerseits sowie durch die Kenntnis der spezifischen Wortart des Grundwortes (Substantiv, Adjektiv, Verb) andererseits zu den entscheidenden Kriterien für eine Aussage über das bei der Neubildung beteiligte Suffix und seine Funktion zu gelangen. Die Aufnahme der aus dem Latein ererbten Bildungen versprach Aufschluß darüber, ob die Lebenskraft eines lateinischen Suffixes in voraltfranzösischer Zeit bereits erloschen ist oder ob sie im Galloromanischen weiterwirkt, bzw. ob die Funktion eines im Altfranzösischen lebendigen Suffixes bis ins Lateinische zurückverfolgt werden kann. Durch seine Verbindung mit den Bedeutungsgruppen läßt sich erkennen, in welchen semantischen Bereichen ein aus dem Latein übernommenes Suffix gegebenenfalls fruchtbar geworden ist.

XII

Im zweiten Teil der Arbeit gilt es also zu prüfen, inwieweit die Bedeutungsgruppen, die sich innerhalb des vorgegebenen Materials zusammenstellen lassen, aus Wörtern bestehen, die von ihrer Bildungsweise her - und damit auch vom Standpunkt ihrer Suffixe aus gesehen - gemeinsame Merkmale tragen. Wenn dies zutrifft, kann hier der Grundstein liegen für eine spätere Gruppen- oder Reihenbildung. Es ist nicht überraschend, wenn ein zeitlich begrenzter Wortschatz eines einzigen Dichters im ganzen gesehen nur spärliche Gruppenbildungen, ja zuweilen nur Ansätze dazu erkennen läßt 7 . D a die Auswertung sich dem Material anpassen mußte, folgt nach der Behandlung der Gruppenbildungen (Teil A) die Auswertung vereinzelt auftretender Bezeichnungen (Teil B), deren Anordnung sich hier nach der durch das Verhältnis von Grundwort und Ableitungen ermittelten inneren Funktion der Suffixe richtet (vgl. Suffixe zum Ausdruck des Diminutiven, zum Ausdruck der Ähnlichkeit, zum Ausdrude des Augmentativen etc.). Eine eigene Behandlung erfahren die Suffixe, die bei der Bildung von Handlungs- und Eigenschaftsabstrakta funktionell beteiligt sind (Teil C) und die Kollektivsuffixe (Teil D) 8 .

' W i r haben versucht, dort, wo sich Ansätze zu Gruppen- oder Reihenbildungen gezeigt haben, diese gegebenenfalls durch weiteres Material aus dem F E W zu stützen, das jedoch jeglichen Anspruchs auf Vollständigkeit entbehrt. 8 Vgl. die Einführungen zu Teil C und D.

XIII

Aufschlüsselung der einzelnen Handschriften 9 I. Cliges s A P C R B T M

Anf. 13. Jh. Anf. 13. Jh. 13. Jh. 13. Jh. Ende 13. Jh. 13. Jh. 14-Jh. frühes 13. Jh.

Südfrankreich (oft nur nachgemalt) Ile de France/Champagne (2 Schreiber) pikardisch wohl zwei Schreiber Ile de France, schlechte, pikardisch gefärbte Handschrift pikardisch östlicher Teil der Pikardie südlicher Teil der Normandie, Anjou (?)

2. Yvain P H: F: G S: LV A M:

13. Jh. 13-Jh. 13. Jh. 13. Jh. 13./14. Jh. 16. Jh. 13. Jh. Ende 13. Jh. 14-Jh.

pikardisch (= A der Cligeshandschrift) ohne ausgeprägte dialektische Züge, hie und da pikardisch champagnisch pikardisch (von Foerster nicht aufgenommen) pikardisch pikardisch ohne Dialektmerkmale

3- Erec H 13. Jh. 13. Jh. C 13-Jh. P 13-Jh. B 13./14. Jh. V A Ende 13. Jh. E Ende 13. Jh.

pikardisch (= A der Cligeshandschrift) pikardisch burgundisch pikardisch pikardisch zentralfranzösisch

4- Karrenritter 13. Jh. C T 13. Jh. 13. Jh. V Ende 13. Jh. A Anf. 13. Jh. E F 13-Jh.

östl. Ile de France oder westl. Champagne champagnisch nördl. Mundart pikardisch westl. und nördl. Dialektmerkmale pikardischer Einschlag

5- Wilhelmsleben P: 13. Jh. C Anf. 14. Jh. 14. Jh. E:

8

vgl. P der Cliges- u. Erechandschrift wahrscheinlich südöstl. Champagne gekürzte span. Prosaübersetzung, von Foerster ab und zu herangezogen

Wir geben nur schematisch Datierung und Lokalisierung der einzelnen Handschriften; s. ausführlicher Foersters Ausführungen in den Einleitungen zu den verschiedenen Werken.

XIV

6. A: B: C: E: F: H: L: M: P: Q: R: S: T: U: V:

Percevalroman Mitte 13. Jh. 14. Jh. um 1300 1. Hälfte 13. Jh. 13. Jh. 2. Hälfte 14. Jh. 2. Hälfte 13. Jh. Ende 13. Jh. 13. Jh. 2. Hälfte 13. Jh. 1. Hälfte 13. Jh. 14. Jh. frühes 13. Jh. 14. Jh. spätes 13. Jh.

östl. Ile de France oder westl. Champagne östl. Mundart (etwa Norden der Champagne) franzisch östliche Mundart östliche Mundart anglonormannisch franzisch mit pikardischen Zügen franzisch nordöstliche Mundart champagnisch pikardisch franzisdi pikardisch franzisdi nördliche Mundart

XV

ERSTER TEIL

MATERIAL

Im folgenden Materialteil werden die einzelnen Suffixeinheiten alphabetisch angeordnet. In das Material wurden sämtliche Varianten mitaufgenommen; sie sind als solche kenntlich gemacht. Die Wortformen der Varianten werden dann zitiert, wenn sie in der Schreibung v o n der Form des betreffenden Stichwortes abweichen. Eine Aufschlüsselung der einzelnen Handschriften nach Foerster befindet sich hier p. X I I , X I I I . Z u allen Stichwörtern werden die betreffenden Belegstellen

angegeben;

Belege selbst werden nur dann zitiert, wenn das betreffende W o r t oder die betreffende Bedeutung selten belegt oder im F E W nicht verzeichnet sind. -ace1 1 . -ace


- A C E A 2 ) G 5946; Var. C 3 8 J 7 S 2. Sekundäre Bildungen biface 'étoffe à double face et brochée d'or' F E W I , 3 J I A (BIFAX) W 3232; V a r . W 3232C

(biffaces)

topace 'pierre précieuse transparente d'un jaune d'or brillant' F E W i 3 2 , 3 j b (TOPAZUS)

C 810; V a r . E.

1666e

eschace 'jambe de bois' F E W 17,75b (anfrk. * S K A K K J A ) G 3267; 3275; 7652 menace 'parole ou geste pour faire pressentir à qn le mal qu'on lui prépare' G d f ; B l W t b g (Rückbildung zu menacier)

E 856; 4443; 4844; L 4431;

K 809; G 3814; 8393; W 2800 -âge 1 . -âge


2CE; V a r . G 64OL

4. Sekundäre Bildungen groselle 'fruit du ribes grossularia' FEW 16,422b ( < anfrk. !t KRUsiL mit Angleichung des Wortausgangs an -eie) Var. W 434 e (grosselles); vgl. nodi die Früchtebezeichnungen p. 34 viele 'instrument à cordes qui se joue avec un archet' FEW 14,367a (Rückbildung zu fr. vieler 'jouer de la vielle') E 2045; 6382; 6773; Var. L 2352 H (uieles); vgl. noch frestele p. 33 und chalemele oben eschiele 'dispositif composé de 2 montants munis d'espace en espace de traverses qui servent de degrés' FEW 11,263a (SCALA) K 6471 chaele(s)M 'Neckerei'; FEW 2,557b E 1200

„Dites moi", fet eie, „chaeles, Savez vos quant Erec vandra?

79

80

Z u boele s. Zauner, R F 1 4 , 5 1 6 . Chaeles ist entstanden aus lat. C A V I L L A S 'Neckerei' durch Angleichung an das häufige -eie. Zur späteren Verwendung von chaeles als bloße Interjektion (auch bei Chrestien belegt in L 3698) schreibt von Wartburg im F E W »In Verbindungen

wie dites moi chaeles (Erec), dann parlés a moi, chaeles konnte die ursprüngliche 3i

-e/et81

-elet < -el + -et vantelet 'petit vent' FEW 14,259b (fr. vent82)

W 2375

Et la mers fu coie et rassise, Tuit li vant orent triue prise; Mes uns vantelez mout soés Vanta toz seus, qui fu remés Por l'er monder et baloiier

lacelet 'petit lacet' FEW 5,181b (fr. laz) Var. E i659 h (laceles) hoquelet 'esp. de piège' (in fïg. Verwendung); Gdf; T L ; zu FEW 16,219a, wo diese Ablt. nicht verzeichnet ist ( < afr. hoquerel 'id.' mit Suffw. > -elet)63 Var. L 67616

Et dit: „Se Damedeus me saut, Bien m'avez au hoquelet prise! Celui qui ne m'aimme ne prise Me feras amer maugré mien

hoquelet ist Var. zu hoquerel, das als Normalwort in L 6761 steht, s. p. 42 1 . -eor


fauconier 'celui qui dresse les faucons' F E W 3,381a (fr. faucon) W 1274 notonier

'matelot' F E W 7,57a (afr. noton

'id.') G 7373; G 7 4 1 1 ; 7447;

7474ff.; Var. G 7665Q; Var. G 8364 e ( 3 0 ) ; G 9 1 5 7 ; 9159 122

»Von den Ablt. ist carbonarius 'Köhler' schon lt. gewesen. O b aber d i e . . . erwähnten Formen . . . wirklich dieses fortsetzen oder nicht besser als gallorom. Neubildungen anzusehen sind, ist nicht auszumachen. Zum mindesten zeigt der seit ältester Zeit unabgeschwächt erhaltene Mittelvokal, daß sich die Ablt. stets eng an ihr Grundwort charbon angelehnt hat« (FEW).

57

marinier 'homme qui sert à la manoeuvre d'un navire' FEW 6,345a (fr. marin adj. 'qui appartient à la mer') C 243; W 751 (maronier123); W 2 3 1 4 ; 2410; Var. G 7 4 1 1 s ; Var. G 7477 s ; Var. G 8976 s messagier 'celui qui fait un message' (afr. message 'id.' oder afr. message 'Botschaft') C 3963; Var. C 6 7 1 4 ^ Var. E 1908« parçonier 'participant' FEW 7,962a (afr. parçon) C 3162 despansier 'celui qui dépense largement' FEW 3,97b (despense 'ce qu'on dépense') L 1 1 7 0 rentier 'celui qui doit des rentes seigneuriales' FEW 10,174a (fr. rente 'revenu annuel d'un fonds cédé ou affermé') C 3153 (rantiers); Var. E 3867 p eschacier 'celui qui a une jambe de bois, qui marche avec une béquille' FEW 17,75b (afr. eschace 'jambe de bois') K 3774; G 765 iff. losangier 'flatteur' FEW 16,452a (afr. losange 'flatterie insidieuse, tromperie, fausse louange') C 4564 mançongier 'celui qui dit des mensonges' G d f ; BlWtbg (fr. mensonge) L 2720; W 2598 pautonier 'voyou, coquin' FEW 16,616a 1 2 4 ; W 6 5 1 ; Var. E 6447® (pautoner) murtrier 'celui qui a commis un meurtre' FEW 16,582b (afr. murtre 'hommicide commis avec violence') K 421 ; W 975

levrier 'chien pour la chasse aux lièvres' FEW 5,260a

(LEPORARIUS

adj. 125 )

6

E 2 3 9 3 ; 53 4! W 1450 somier 'bête de somme, surtout cheval de charge' FEW 11,68b SAGMARIUS adj. 'einen Saumsattel tragend' 126 ) E 1853; 1859; 2 7 1 1 ; 4128; Var. E 3392 a ( 6 ) ; G 4146; Var. G 5323U plovier 'charadrius pluvialis (oiseau)' FEW 9,107b ("TLUVIARIUS) E 1307; G 7482 destrier 'cheval de bataille du chevalier' FEW 3,62a (afr. destre f. 'la main droite') E 94; 3683; C 1 8 9 1 ; 3499; 4035; K 2585; Var. G 3 9 2 6 H < 1 6 0 ) (destrer) und oft esprevier 'accipiter nisus' FEW 1 7 , 1 7 1 b (SPERVARIUS 1 2 7 < anfrk. ;;'SPARWARI mit Angleichung der Endung an -ARIUS) E 352; 646; 1308; 1983; 5362; C 6 4 3 1 ; G 179758537 123

124

125

128 127

Die Form maronier ist wohl durch Dissimilation aus marinier hervorgegangen (nach F E W 6,345a + Anm. 3). »Morphologisch ist das Wort -wohl in zwei Etappen zu erklären: zuerst wurde mit dem rom. Individualsuffix -one ein Typus *PALTONE (zu andd. ::'PALTA 'Lappen') gebildet, an welches dann noch das Suffix -ier a n t r a t . . . « ( F E W ) . »Der erste, noch adjektivische Beleg steht in der Lex Salica: veltrus leporarius Schramm 52« ( F E W ) . Mit. sagmarii pl. 'Saumtiere' ist 8 : 4 bezeugt, s. F E W . Das Wort kommt als SPERUARIUS schon in der Lex Salica und im Capitulare de Villis vor (s. F E W ) .

58

olivier 'olea europae' FEW 7,347b (fr. olive) G 6783 corneillier 'cornus (arbrisseau)' FEW 2,1205b (afr. cornoille 'cornouille') L 5515 (cornellier); Var. L 5 5 1 5 v p (cornillier) lorier 'laurus nobilis' FEW 5,208b (afr. lor 'Lorbeer') C 4779; vgl. noch rosier unten denier 'esp. de monnaie' Gdf; FEW 3,59b (DENARIUS) E 2452; 6542; G 859; 1770; K 2 7 1 7 ; L 5308 und oft sentier 'chemin étroit pour les piétons, dans les champs, les bois, les montagnes' FEW 1 1 , 4 4 1 a (*SEMITARIUS) E 3256; G 1067; K 1356; L 375; W 443 und oft ses tier 'mesure pour les grains et autres matières sèches' FEW 11,557b (SEXTARIUS) C 4 2 7 4 ; E 6542; K 1 1 4 ; L 2847; 3008; 6500; W 931 sestier mit der Bed. 'mesure de capacité pour liquides' FEW 11,557b in: G 7442 ; Var. G 7442 A (setier) tablier 'grande nappe' FEW i 3 1 , 2 i b (fr. table) Var. K 995 e ; vgl. noch doblier p. 61 2. -ier

< -ARiu

(n.)

-ARIU

n. s. noch p. 8

vergier 'lieu planté d'arbres fruitiers' FEW 14,506a

(VIRIDIARIUM)

E 2321;

5 7 3 8 ; K . 4 5 2 9 ; L 2 8 i 2 und oft rosier 'arbuste qui porte les roses' FEW 10,477b (ROSARIUM) W 2207; vgl. noch die Baumnamen olivier, corneillier und lorier hier oben rochier 'masse de pierre à fleur de terre' FEW 10,436a (fr. roche 'bloc considérable de pierre très dure, en masse ou isolée') W 793; Var. E 2 3 1 2 e ; Var. G 2995 r ; Var. G 5678 s gravier 'sable à gros grains qui provient de la désagrégation des roches pierreuses; gros sable que l'on étale dans les allées d'un jardin' FEW 4,254b (fr. grève 'terrain uni sablonneux, au bord de la mer ou d'une fleuve', grave) C 1267; K 7 0 1 5 ; Var. E 5962 s encensier 'encensoir' FEW 4,621a (fr. encens 'esp. de résine aromatique dont on fait usage dans les cérémonies religieuses') E 6902 (ancansier); L u 69 chandelier 'support destiné à recevoir les chandelles, les cierges' FEW 2,180b (fr. chandelle) G 3214ÎÏ.; 3564; K 998; Var. E 6902 p (candeler) hanstier 'engin fait pour tenir la lance' FEW 4,392a (afr. hanste 'bois de la lance') ; Schultz, Hôf. Leben 2, p. 47 1 2 8

K 1013 128

De son col oste son escu Li chevaliers, et si le pant A un croc, et sa lance prant Et met sor un hanstier au haut

Schultz, Alwin, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, 2. vermehrte und verbesserte Auflage, 2 Bände, Berlin 1889. - Nach Schultz ist die Bedeutung 'Lanzenschrank' für hanstier weitaus wahrscheinlicher als die Bedeutung 'Lanzenfutteral'; auch unser Beleg spricht für die Bedeutung 'Lanzenschrank'. 59

forgier 'grand coffre' F E W 19,72a (wohl aus dem Iberromanischen entlehnt 129 mit Angleichung des Wortausgangs an -ier) E 5128 eschaquier 'table carrée, divisée en soixante-quatre cases pour jouer aux échecs'; BlWtbg (zu afr. escbac 'pièce d'échecs'; pl. eschas) C 2373; G 5893 ( eschequier) portier 'portail' FEW 9,201b (fr. porte) G 4900 clochier 'construction qui surmonte une église et où sont suspendues les cloches' F E W 2,790b (fr. cloche) Var. G 6447 L quartier 'chacune des divisions d'un écusson écartelé' F E W 2,1424b (fr. quart) G 8309; 8554; Var. C 4795 11 acier 'alliage de fer et d'autres métaux de caractère très dur'; F E W 1,21a ( A C I A R I U M ) E 768; 947; 2638; 5963; C 3778; K 866 und oft mortier 'sable ou ciment mélangé avec de la chaux et délayé dans de l'eau, servant à lier les pierres d'une construction' G d f ; BlWtbg ( M O R T A R I U M ) G 4899; Var. K 6i46 T fumier 'tas d'engrais' F E W 3,542a ( * F I M A R I U M ) L 116 3. Wörter, die zu 1. oder 2. gehören können braiier 'ceinture qui maintient les braies' FEW 1,480a (afr. brate) E 959; W 2487; Var. W 2487C (breer) chevaucier 'licou du cheval' (afr. chevece 'id.'); diese Form fehlt im F E W 2,262a, w o nur die Ablt. cheveciere 'id.' aufgeführt wird. Chevaucier fehlt auch im Gdf und FoeWtb. Var. K 268 i A

Bien sanble qu'il doit estre suens Li cheuauciers, tant Ii avenoit, E t Ii escuz que il tenoit

estrier 'triangle, à base plate, suspendu de chaque côté de la selle pour les pieds du chevalier' F E W 17,253a ( < afr. estrief, estriésli0 pl. 'id.' mit Suffw. > -ier) E 101 ; 872; 3017; C 2924; K 2586; L 2374 und oft soulier 'chaussure qui couvre tout le pied ou seulement une partie' FEW 12,326b ( < afr. soler 'id.' mit Suffw. > -ier) Var. K 3118 E ; zu soler s. hier p. 41 oreillier 'coussin qui sert à soutenir la tête quand on est couché'; F E W 1,179b (fr. oreille) G 1933; Var. G i933 A (orellier); G 4145; G 8260; Var. G 826o u (orillier); W 509; Var. G 1 9 3 3 s (oreiller) 4. -ier < -ERiu (n.)

mostier 'couvent, église en général' G d f ; BlWtbg 6901; C 6098; L 628; G 6447; W 1348 und oft 129

1,0

(*MONISTERIUM)

E 700;

D i e iberroman. Formen pg. alforje, sp. alforja (seit 1400 belegt), gehen zurück auf ar. HURÖA 'Quersack'. Bei Chrestien sind die Formen estrier, -ie, -eu, -ief, -if belegt, w o b e i die Formen auf -ier überwiegen.

60

sautier 'psaltérion' F E W 9 , j o o b

(PSALTERIUM)

E 6383

sautier mit der Bed. 'psautier' F E W 9 , j o o b 1 3 1 in: L 1414 5. Substantivierungen doblier

'nappe pliée en 1, linge de table' F E W 3,185b (afr. doblier

adj.

'double' < afr. doble 'id.') K 995 ; vgl. tablier p. 59 couchier 'lieu où on se repose' nach F E W 2,907b erst Fur 1960-Trév 1752 (fr. coucher 'action de se coucher, de coucher qn') 1 3 2 L 4019; G 1934

L 4019

Quant ore fu, si l'an menerent Couchier an une chanbre clere, Et la dameisele et sa mere Furent andeus a son couchier

G 1934

Et oreillier au thief li metent Cil qui del couchier s'antremetent -iere

1.

-iere


-ARIA) Var. E 3 3 1 3 A proiiere 'demande instante d'une grâce; acte de religion par lequel on s'adresse à Dieu, aux saints, etc. pour demander des grâces ou pour les honorer' F E W 9,339a (PRECARIA 1 3 6 ) C 4763; 4268; K 1 2 3 ; 1 8 5 7 ; 3492; L 2 1 4 3 und oft lumiere 'rayonnement de certains corps qui rend les objets visibles; spéc. clarté que le soleil répand sur la terre' F E W 5,445 a (LUMINARIA 1 3 7 ) C 5842; Var. C 7 3 6 a ; Var. C 5 7 9 9 ™ maniere 'façon d'être, façon d'agir, façon dont une chose se produit; façon habituelle d'agir' F E W 6,280b (MANUARIA 1 3 8 adj. f.) E 1 2 8 5 ; C 1 3 8 7 ; 3 0 9 1 ; Var. C 4407 s (manjerros); C 4267; K 1589; 3491 und oft 2. -iere < -ERIA mattere f. 'substance dont une chose est faite; sujet de récit' F E W 6,481b/ 482a (MATERIA; zur lautlichen Entwicklung des Suffixes -ERIA s. Cohn p. 283; ThomasNEss p. 139) E 1 5 0 7 ; C 1 5 4 2 ; K 3 1 9 8 ; 4485; 7 1 2 1 (matire); Var. K 7 i 2 i v (matiere); W 3364; K 6267 (matire) meisiere139 f. 'mur, muraille, paroi' F E W 6,9a (MACERIA) L 965; G 7 7 1 9

135

136

137

138

139

des F E W ergab, daß s eignere als 'sorte d'étoffe réticulée, d'orfrois' auch dort aufgenommen worden ist. Wir neigen zu der Auffassung seigniere als Ablt. zu seigne (vgl. F E W 11,605b) zu betrachten. »L'afr. ba(n)ne est si mal assuré pour la forme et le sens qu'il ne permet pas de restituer le francique *BENNA correspondant au gotique BANDTA . . .« (BlWtbg). »Das lt. Adj. precarius findet sich in der Merowingerzeit mit charta verbunden als Bezeichnung einer Bittschrift, und in dieser Verbindung wird es zum Subst. fem. PRECARIA, so in den Formulae Marculfi (ca. 7 0 0 , . . . ) « F E W . »Lt. laminare, eigentlich 'Ort wo das Licht gesammelt, gefaßt w i r d ' , . . . Seit dem 4. Jh. findet sich luminare auch in der Bed. 'Lichtquelle, Lampe' sowie 'Licht'; da im Leuchter mehrere Kerzen usw. zusammengefaßt sind, erscheint hier besonders der Plural« ( F E W ) . »Aus der adjektivischen Verwendung entsteht hier [im Französischen] schon früh das Subst. manière. Entstanden ist dieses wohl in der Verbindung mit einem Substantiv, wie etwa guise: *de (en) guise maniere 'auf geschickte, handliche Weise'« (FEW). Zur lautlichen Entwicklung des Suffixes s. Cohn p. 288; ThomasNEss p. 1 3 3 .

63

cemetiere m. 'lieu où l'on ensevelit les morts' FEW 2,834b ( < cimitereli0 Suffw. > -iere) Var. C 6 i 8 o T ; Var. C 6i8$T (chimentieres)

mit

3. Sekundäre Bildung buiere f. 'cruche'; zu F E W 1,602b wo diese Form nicht verzeichnet ist (anfrk. *BUKA 'Krug' mit Einschub eines -r-) das Wort fehlt FoeWtb. Var. L 2 8 y 6 A

E t Ii pains et l'iaue an la buiere Estoit toz jorz sor la fenestre Por l'ome forsené repestre

-il i.-il
-oir) V a r . K 2033 V 2. -oir < -ORiu (n.)

covertoir

'couverture (de lit etc.)' F E W 2 , 1 1 5 1 a

(COOPERTORIUM)

K

JII;

515 ; V a r . E 4 2 7 6 ^ ; V a r . K 1 2 1 2 ™ ; V a r . G 3089S; V a r . W 1 j o p tailleoir

'assiette de bois (ou métal) sur laquelle on coupe la viande' F E W

i3 1 ,44b (afr. taillier) V a r . G 323 i T ; zu tailleor s. hier p. 39 mireoir 'miroir' B l W t b g (fr. se mirer) V a r C 7 i 2 p ; zu mireor s. p. 39 -o/ 1 8 3 1.-O/ ei > oi > p); damit wendet sich v o n W a r t b u r g gegen die These Cohns, der f ü r chevol vulgärsprachliches ,:'CAPOLLUS ansetzt (nach F E W 6,53a + A n m . 2). 82

C 1 1 6 1 ; Var. C 79 -URA] schon im Mittelalter stark konkurrenziert durch die Form rancune und verschwindet mit E n d e des Mittelalters völlig. D a s Nebeneinander v o n rancune und -ume [die F o r m auf -ume ist bei Chrestien nicht belegt] in den fr. Mundarten, das seine Entsprechung in a f r . amertume, -une hat, zeigt, d a ß es sich um die Vertreter des lat. Suffixes -UDINE h a n d e l t . . . « ( F E W ) . A f r . (comune) comugne beruht auf lat. COMMUNIA. Lautlich ist a f r . comugne mit der Zeit dem Fem. des A d j . gleichgestellt, also zu commune u m g e f o r m t w o r d e n (nadi F E W 2,963b). 98

-ure I.

-éure s. p. 5 2

-ure < -URA

nature 'disposition, tendance que l'être apporte en naissant' F E W 7,46a (NATURA) C 3 0 9 1 ; 3 1 1 3 ; 2379; G 1480; W 1 3 6 3 ; 1380; 1 3 8 1 nature mit der Bed. 'force active qui a établi et maintient l'ordre de l'univers' F E W 7,45b erscheint personifiziert in: E 4 1 3 ; C 829; 907; 2734; L 798; G 385 und oft par nature 'd'une façon qui correspond à la disposition d'un être' F E W 7,46a in: G 243 creature 'être humain' F E W 2,1297b (CREATURA) E 200; C 2380; L 290; 4 1 4 2 ; K 6390; G 386;5044 creature mit der Bed. 'être que Dieu a créé' in: G 8545 (criature) feiture 'forme, façon' F E W 3,362b (FACTURA) C 1 6 1 6 ; Var. E 6743 p (faiture)-, Var. C 2779 e feiture mit der Bed. 'créature, personne' F E W 3,362b in: E 199; 1024 estature 'stature, taille' F E W 12,247b (STATURA) C 2779 fauture 'manque (concernant la stature d'une créature)'; F E W 3,390a (*FALLI^ Var. E 1024C

T r o p grant orguel assez feïs, Q u a n t tu tel outrage veïs, Si le sofris et si te plot D ' u n e tel fauture220 d'une bot, Q u i feri la pucele et moi

coverture 'ce qui couvre, spéc. pièce d'étoffe dont on couvre un lit, un cheval etc.' F E W 2 , 1 1 4 5 a (*COOPERTURA) C 844; L 1838; K 4562; 6051 und oft ceinture 'bande d'étoffe, de cuir etc., destinée à serrer les vêtements à la taille' F E W 2,677a (CINCTURA) E 1 9 9 1 ; L 1 8 9 1 ; K 4278; G 5 5 1 ; 5776 und oft cheveçure 'ouverture d'un vêtement, pour passer la tête' F E W 2,260b (afr. chevece) Var. E 1 5 9 7 s (cauecure) painture 'tableau, résultat du travail de l'artiste peintre' F E W 8,430a (PICBE TURA mit Einfluß des -n- von PINGERE) E 5572; Var. E 5 5 7 2 (pointure); C4033 costure 'suite de points par lesquels des étoffes sont cousues' F E W 2,1097b A (CONSUTURA) C 1 1 5 6 ; C 1 3 8 3 ; 1 5 7 0 ; G 3724; Var. G 3 7 2 3 roture 'rupture' F E W 10,580a (RUPTURA) G 3723 antr'overture 'ouverture' F E W 1 , 1 0 3 a (fr. ent'ouvrir 'ouvrir') C 843; 6 0 2 1 ; T Var. C 6 0 2 1 s (entruuerture), (entrouuerture) voiture 'mode, moyen de transport, tout ce qui sert à transporter' F E W 1 4 , 2 1 2 b (VECTURA); das Wort fehlt FoeWtb Mes si te f e r a i p a a g i e r Q u a n t de l'autre part te tandrai 220

Es mutet w i e ein Wortspiel an, wenn der Schreiber der Handschrift C d'un bot 'Mißgestalt eines Z w e r g e s ' statt feiture d'un bot einsetzt.

fauture

99

Var.

Et cil respont que il ne quiert

K 265 i A

. . . de sa uoiture221

jointure 'endroit où se joignent des objets (pierres etc)' FEW 5,69a ( J U N C T U R A ) C 5594; Var. C 6 i j 7 p aventure 'ce qui arrive inopinément à qn, ce qui arrive par hasard, par accident' G d f ; F E W 1,41b ( A D V E N T U R A ) E 13; 253; C 1569; 3128; K 318; 4826; G 3430 und oft bonavanture 'bonheur' F E W 1,41b in: C 5449 maie avanture 'malheur' FEW 1,41b in: G 8056 mesavanture 'malheur' F E W 1,41b; E 4673; 5 j 19; L 4 1 4 1 ; Var. G 6/iyM; Var. G J043 f desavanture 'malheur'; F E W 1,41b in: K 2651 mesure 'manière d'agir modérée' G d f ; BlWtbg ( M E N S U R A ) K 1610; G 6695; Var. E 4 i 8 8 p und oft mesure mit der Bed. 'proportion' in: G 4754; 7959 desmesure 'excès au sens moral pour désigner une conduite qui passe les bornes de la raison'; G d f ; E 1484; 1795; K 2619; 4613; L 289; 3025 conjointure 'conclusion morale tirée d'un conte' F E W 2,1054b ( C O N J U N C TURA) E

14

usure 'intérêts que produit l'argent qu'on prête' F E W 14,83a ( U S U R A ) C 4086 pasture 'lieu où l'on fait brouter le bétail' F E W 7,763a ( P A S T U R A ) L 3419; G 244 sepouture 'tombeau' F E W 11,486a ( S E P U L T U R A ) L 1257; C 5340; 5466; Var. C 5337 s (sepultere), TR(sepulture) droiture 'justice' F E W 3,89a (fr. droit 'Recht') E 1796; K 4825; L 495 droiture mit der Bed. 'ce qui est de droit, ce qui convient' in: G 1349 droiture mit der Bed. 'direction en droite ligne' F E W 3,87b (droit adj.) in: E 160; 3619; L 2705; Var. C 843 p ; Var. C 3688 B ; W 632 ordure 'partie sale ou de rebut, immondices, balayures' F E W 4,486b (fr. ort adj. 'sale, immonde (au phys. et au moral, de personnes et de choses')222 L 3408 laidure 'laideur' F E W 16,439b (fr. laid adj.) Var. G 4623 A laidure mit der Bed. 'outrage, tort, préjudice, vilenie' F E W 16,439b in: E 901; K 4884; 6981; L 6102; G 2903; Var. G 6718Q rancure 'vif mécontentement, haine, indignation, rancune' F E W 10,55a ( < R A N C O R mit Suffw. > -uré) Var. G 7 0 1 8 V froidure 'température froide' F E W 3,799a (fr. froid) C 6114; G 1556; 7960; 7965; Var. G 4 1 6 3 e

221 222

Die Zeile ist verstümmelt. »ML 4187 setzt ein vlt. S:"HORRIDOR 'Sdimutz' an, das in rum. urdoare 'Augentriefen' weiterlebt, und aus dem fr. ordure ... entstanden wäre« F E W 4,487b Anm. 5.

100

norreture228 'éducation' F E W 7 , 2 5 3 b (NUTRITURA) W 1 3 6 4 ; 1 3 8 9 ; 1 3 9 5 norreture mit der übertragenen Bed. 'personne qu'on a élevée' ( F E W ) in: E 1464 porreture224

'décomposition, fait de pourrir'; F E W 9,641b (fr. purir v. n. 'se

gâter, se décomposer (de choses matérielles)'); das Wort fehlt FoeWtb; Var. W i 3 8 9 p 2. Sekundäre Bildung murmure

'grondement, bruit sourd' BlWtbg (Rückbildung zu

murmurer)

E 290; 6474; C 4 9 2 4 ; J 7 5 7 und oft

223

Zur lautlichen Form von norreture (lt. NUTRITURA ist Ablt. zu NUTRIRE) S. FEW 7,254a, wo ausgeführt wird, daß »die häufige Verwendung von NUTRITURA in der Urkundenspradie das Wort in einer volleren Form festhielt, als die volkssprachliche Entwicklung [die *norreure ergeben hätte, vgl. Anm. 7 im FEW] sie hervorgebracht hätte«. 224 »Zur lautlichen Entwicklung des Wortes s. NUTRITURA« FEW 9,643 Anm. 16.

101

ANHANG

-ant22i 1 . -ant


3

4

cheval

/ chevalier;

CASTELLUM / CÄSTEL-

LANUS > chastel / chastelain u. a.). Auch solche Bezeichnungen, bei denen das Suffix historisch gesehen eine Funktion erfüllte (vgl. etwa die lateinischen Bildungen auf -MENTUM wie FRUMENTUM, TORMENTUM etc.) lassen im Altfranzösischen keine Deutung der Endungen mehr zu, da die G r u n d w ö r t e r der betreffenden Bildungen nicht mehr weiterleben. Die Anlage dazu wäre in den einzelnen Bedeutungsgruppen geschaffen, bei denen -an(t) als typische Endung empfunden werden könnte (vgl. z.B. die Personalbezeichnungen, die Tierbezeichnungen und die Gewebebezeichnungen auf -ant). 10 6

A

§ i. Personalbezeichnungen -ier Der Ursprung der Personalbezeichnungen auf -ier ist in dem lat. Suffix - A R I U S zu suchen, das in adjektivischer Verwendung die Zugehörigkeit zu einer Sache ausdrückte. In Verbindung mit Bezeichnungen wie F A B E R , A R T I FEX, F U S O R u. a. benannten die Adjektive Personen, die sich speziell mit einem Gegenstand beschäftigten: FABER C A R P E N T A R I U S 'Wagner', FABER F E R R A R I U S 'Schmied' oder auch F U S O R O L L A R I U S 'Töpfer'. Durch Substantivierung der Adjektive ergab sich - unter Wegfall der Beziehungswörter F A B E R , A R T I F E X , F U S O R etc. — eine Reihe von lateinischen Bezeichnungen f ü r Personen, die mit einem Gegenstand - meist in beruflicher Hinsicht - beschäftigt waren. 1 Zugleich mußte dieser Schritt f ü r das Suffix eine zusätzliche Belastung bezüglich der Funktion bedeuten, indem -ARIUS nun nicht mehr nur die Zugehörigkeit ausdrückte, sondern darüberhinaus funktionell an der Bildung von Personalbezeichnungen beteiligt wird. Das Suffix lebt als Träger dieser Funktion im Altfranzösischen weiter; so wird es auch hier in denominaler Verwendung 2 herangezogen, um die Person zu bezeichnen, »die aus der Beschäftigung mit dem Stammsubstantivum ihren Beruf macht, ihren Lebensunterhalt verdient, benennt also vor allem Handwerker« 3 (vgl. unsere Bildungen charbonier, forestier, fauconier, bovier etc.). Die übrigen Personalbezeichnungen zeigen, daß -ier entsprechend seiner Grundtendenz, die Beziehung einer Sache oder auch eines abstrakten Begriffs zu einer Person auszudrücken, nicht an den Bereich der Berufsbezeichnungen gebunden ist, sondern daß die Ableitungen 1

2

V g l . hierzu L e u m a n n - H o f m a n n , Lateinische G r a m m a t i k , i . B a n d (Laut- und F o r menlehre), München 1963, p. 211 und v o r allem C o o p e r , Fr. T., W o r d F o r m a t i o n in the R o m a n Sermo Plebeivs, N e w Y o r k 1895, p. 70S.; ferner N y r o p I I I § 2 4 8 2 5 1 ; M L F r G r II § 36. Es w a r e n auch deverbale A b l e i t u n g e n auf -ARIUS möglich; v g l . hierzu a f r . Courier 'porteur de depeches, a pied, a cheval' ( F E W sub CURRERE); d a z u v o n W a r t b u r g : »Für corier w i l l Baist Z 32,33 nicht v o n CURRERE ausgehen, da v o n V e r b a l s t ä m men keine A b l t . auf -ier (-ARIUS) gebildet w ü r d e n . Er sieht darin vielmehr eine U m g e s t a l t u n g v o n a f r . correre (nom. z u coreour) nach corsier (zu CURSUS). Doch ist es nicht richtig, d a ß A b l t . v o n Verbalstämmen g a n z fehlen, v g l . N y r o p 3,124; M L F r G r 2,28; B S L W 53,391« ( F E W 2,1572b/!573b). Ferner weist v o n W a r t b u r g auf die deverbale Ableitungsmöglichkeit v o n -ier in seiner Besprechung z u M e y e r - L ü b k e s Wortbildungslehre hin: »Ich glaube nicht, d a ß -ier erst im Französischen die Fähigkeit zu deverbalen A b l e i t u n g e n erlangt habe. Schon das Latein kennt Bildungen w i e INTERCALARIUS, PRECARIUS U. a., die sicher auf Verben zurückgehen. D a ß diese Ableitungsmöglichkeit den romanischen Sprachen w o h l nie abhanden gekommen ist und daher nicht wieder neu erworben w e r d e n mußte, w i r d erwiesen durch ihre starke Verbreitung in f r z . und ital. 3 M L F r G r II § 36. M u n d a r t e n . . . « (Z 42,506).

107

verschiedenen semantischen Bereichen angehören: Bezeichnungen für Personen, die einem sozial gehobenen Stand angehören (chevalier4, escuiier) oder für Personen, die ein A m t am H o f e bekleiden (portier, chamberier, celerier, boteillier, clacelier). Eine weitere Gruppe stellen die pejorativen Personalbezeichnungen dar 5 (murtrier, losangier, pautonier). Sie haben keine lateinischen Vorbilder. Die semantische Geschlossenheit dieser Gruppe beruht ausschließlich auf dem Bedeutungsgehalt der Grundwörter, die die pejorative Nüance schon in sich tragen; -ier bleibt auch hier in seinem semantischen Gehalt neutral. Es erhebt sich an dieser Stelle die generelle Frage - sie läßt sich mehr oder weniger bei allen Suffixbildungen stellen, die keine Modifikationssuffixe 6 tragen - inwieweit nämlich bei dem A k t der Neuschöpfung die innere Funktion eines Suffixes 7 bewußt ist, und inwieweit Neubildungen im Anschluß an begrifflich gleich, gelagerte Wörter, die dieses Suffix schon tragen, entstanden sind. Diese Frage wird häufig zugunsten der Analogiewirkung beantwortet. 8 Bei Paarbildungen (z. B. parrastre-marrastre) ist die Kraft der 'Proportionsanalogie' 9 leicht durchschaubar. Im Idealfall wird sich die ältere solcher Paarbildungen ermitteln lassen, die Anlaß zur zweiten Bildung gegeben hat; das Warum der Bildung und damit die innere Funktion des Suffixes bleibt bei solchen Bildungen auch im Augenblick der Neuschöpfung durchsichtig. Die BedeutungsVerschiebung von lat. CABALLARIUS 'Pferdewärter' zu 'Ritter' vollzog sich in der Karolingerzeit (nach F E W ) . 5 Die pejorativen Personalbezeichnungen werden von Meyer-Lübke F r G r II nicht erwähnt, w o h l aber v o n N y r o p III § 251. • V g l . zu den Modifikationssuffixen v. Wartburg, Einführung 2 p. 83. 7 Wir meinen mit der 'inneren Funktion' eines Suffixes die Funktion, die wir auf historischem Wege ermittelt haben und die sich oft auf synchronisier Ebene nicht ohne weiteres ablesen läßt. 8 V o n Wartburg weist auf die Bedeutung der Analogie in der Wortbildung ausdrücklich hin in: Einführung 2 p. 82ÍF. • Henzen erklärt den V o r g a n g der Analogie mit dem von H . Paul übernommenen Begriff der Proportionsanalogie: »Nach bestehenden Verhältnissen zwischen W ö r tern entstehen analogisch dieselben Verhältnisse zwischen anderen, mit den ersten irgendwie verwandten Wörtern. Nach Vorbildern wie Wirt: Wirtin, Gatte : Gattin usw. wurden zunächst Parallelen wie Wolf : Wölfin, Löwe : Löwin, Bär : Bärin, Affe : Äffin, Hund : Hündin gebildet, und nach diesen entstanden nachträglich wiederum die Parallelen Katz : Kätzin, Spatz : Spätzin. So kann eine Gruppe v o n Bildungen mit gleichem Verhältnis in mehr oder weniger ununterbrochenem Prozeß analogisch weiterwirken (Proportionsreihen). Für neu entstehende Bildungen ließen sich jedesmal Gleichungen aufstellen w i e . . . Hund : Hündin = Katze : X, wobei X die Neubildung b e z e i c h n e t . . . Versteht man unter Analogie . . . einfach und richtig einen Ausgleichungsvorgang, hervorgerufen durch eine „Ähnlichkeit, die sich auf das Verhältnis zwischen Eigenschaften oder Teilen gründet" (nach H . H ö f f d i n g , Der Begriff der Analogie, 1924, p. 25), so ist die Analogie für die Wortbildung so wesentlich, daß man . . . die Wortbildungen geradezu einteilen kann in solche, die m i t und solche, die o h n e Analogiewirkung entstanden sind« (Henzen, Deutsche Wortbildung p. 13). 4

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Handelt es sich dagegen um eine ganze Reihe solcher begrifflich gleichgelagerter Bezeichnungen, so wird der Forschung nur durch Zufall das Wort in die Hände gespielt, das als 'Leitwort' (leaderword 10 ) den Anstoß zur Bildung einer Wortreihe gegeben hat. Ist bei der Entstehung eines Leitwortes die innere Funktion seines Suffixes bewußt gewesen, so geht, wenn ein leaderword eine Reihe von Neubildungen nach sich zieht, diese ursprüngliche Funktion durchaus nicht verloren (sie bleibt zumindest für den Historiker transparent). Allerdings kann sie allmählich verblassen und hinter der sich neu anbahnenden, nun reihenbildenden Kraft des Suffixes zurücktreten. Die vorläufig letzte Phase einer solchen Entwicklung ist dann erreicht, wenn das ursprüngliche Suffix 'nur noch' als einreihendes, formales Bildungselement 11 fungiert, das sein Grundwort in keiner Weise verändert, sondern es in einen größeren morphologischen Zusammenhang stellt. Auch für die Rolle des einreihenden Suffixes liefert das Wortmaterial der Personalbezeichnungen auf -ier einige Beispiele: noton (bei Chrestien nicht belegt) - notonier, prison-prisonier, message-messagier. Das Nebeneinander der Belege gibt deutlich Aufschluß darüber, daß das Suffix den Bedeutungsgehalt seiner Grundwörter in keiner Weise verändert hat. -etier Das Suffix -etier12 tritt auf bei den Berufsbezeichnungen penetier, charretier13 und peletier. Die Funktion des Suffixes entspricht der von -ier, so daß der Bedeutungsgehalt der Bezeichnung panetier dem von boteillier, clacelier etc. gleichkommt, wie sich auch pelletier und charretier den Berufsbezeichnungen auf -ier (charbonier, charpentier etc.,) anschließen. -on Das Suffix -on wird von Meyer-Lübke als 'individualisierendes Suffix' charakterisiert und »spielt dementsprechend in der Bildung von Necknamen 10

11

12 13

Zum leaderword s. Malkiel, Y . , The Latin Background of the Spanish Suffix -uno, in: Romance Philology, Bd. 4, 1 9 5 0 - 5 1 , p. 1 7 - 4 5 . Was wir unter einreihendem Suffix zu verstehen haben erklärt von Wartburg, Einführung 2 p. «joff. Ausgehend von fr. boulanger < pik. boulenc 'Bäcker' führt von Wartburg aus: »Als das Wort [pik. bollenc] aus dem Pikardischen ins Französische überging, fügte man die Endung -ier (wie in den vielen Berufsnamen: menuisier, jardinier usw.) hinzu; daher afr. bolangier, nfr. boulanger. In all diesen Fällen hat das Suffix nur die Funktion, das Wort in einen größeren morphologischen Zusammenhang aufzunehmen. Bei dieser Yerwendungsweise eines Suffixes spricht man gerne von einreihendem Suffix« (von Wartburg hat den Begriff des einreihenden Suffixes von Meyer-Lübke übernommen, vgl. von Wartburgs Besprechung zu Meyer-Lübkes Wortbildungslehre in Z 42,504). Zur Entstehung des Suffixes -etier s. F E W 7,553a Anm. 19. Z u charretier in seiner Rolle als formales Übergangsbeispiel s. p. 52 Anm. 1 1 3 .

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eine bedeutende Rolle: NASO, CICERO . . . Ferner werden die Personalbezeichnungen auf -ier durch -on erweitert und dadurch verdeutlicht, da -ier ja noch andere Funktionen hat: bücheron, forgeron«u (ML FrGr II §47). Damit erschöpft sich Meyer-Lübkes Kapitel über die Personalbezeichnungen auf -on. Mit der Feststellung, daß -on durch eine individualisierende Funktion gekennzeichnet ist, trifft Meyer-Lübke die Kernfunktion des Suffixes, die ins Lateinische zurückverfolgt werden kann. Lateinisches -o, -ONIS trat zunächst an Adjektive, um die auffallende Eigenschaft eines Menschen zu kennzeichnen. »Es dient also -on zur Bezeichnung eines einzelnen Wesens, das eine Eigenschaft in besonders auffälligem Maße besitzt. Psychologisch leicht erklärlich ist es, wenn hauptsächlich schlechte, den Tadel oder Spott hervorrufende Eigenschaften am ehesten Anlaß geben, ein Individuum danach zu kennzeichnen« (Meyer, A L L 5,223) 15 . Der Weg von der individualisierenden zur pejorativen Funktion von -on ist demnach vorgezeichnet. Das Suffix erscheint auch bei unserem Material an vier Wörtern 16 , die pejorative Bedeutung haben; es sind dies die aus dem Latein ererbten Bildungen larron und gloton und die in voraltfranzösischer Zeit entstandenen Bildungen bricon und felon17. Die ursprünglich individualisierende Funktion des Suffixes ist durch diese pejorative Richtung, die es einschlagen konnte, keineswegs geschmälert worden. Das zeigen die beiden denominalen Ableitungen charreton und }erronw, 14

15

19

17

19

Bei Chrestien sind keine Personalbezeichnungen auf -eron belegt. Z u -on s. noch N y r o p I I I § 282-286. Reiches M a t e r i a l lateinischer Bildungen auf - o , -ONIS stellt C o o p e r p. 5 6fT. zusammen; Bildungen, die - w i e C o o p e r sagt - »were largely abandoned to the 'sermo plebejus'. H e r e they s u r v i v e d a n d flourished, chiefly as comic or v u l g ä r expressions of abuse and in m a l a m partem in g é n é r a l . . .«. Z u dieser Wortbildungsklasse auf -on schreibt Weinrich: » I m Altfranzösischen w u r d e diese Wortbildungsklasse (pej. Personenbezeichnungen auf -on), die v o n der lateinischen H e r k u n f t her pejorativ getönt w a r , mit einer Wortbildungsklasse germanischer H e r k u n f t ( T y p u s : Charles/Charlon, ber/baron) kontaminiert. Diese germanische Wortbildungsklasse w a r z w a r phonetisch v e r w a n d t (vgl. hanol hanun ' H a h n ' ) , aber in der semantischen T ö n u n g auf G r u n d der vielen Eigennamen und Standesbegriffe eher a u f - als abwertend. I m ganzen gesehen ist also diese Wortbildungsklasse im Altfranzösischen w e r t i n d i f f e r e n t . D a s W o r t fei/ felon konnte aus diesem G r u n d e einerseits die pejorative Bedeutung als T a d e l w o r t behalten, andererseits aber auch in der Literatursprache erscheinen, ohne v u l g ä r zu w i r k e n « ( H . Weinrich, Z u r E t y m o l o g i e v o n f r z . felon p. 394). In diesen semantischen Bereich gehört auch die Bezeichnung garçon mit der B e deutung 'Spitzbub', die gemäß der bei Chrestien erhaltenen Z w e i k a s u s f l e x i o n als N o m . g a r z und A k k . garçon erscheint. Beide Ableitungen berühren sich semantisch mit einer im Französischen ausgeprägten G r u p p e v o n Berufsbezeichnungen, an deren B i l d u n g -on funktionell beteiligt ist. Doch handelt es sich dabei um deverbale Ableitungen, deren U r sprung schon im Lateinischen liegt und ursächlich mit der individualisierenden Funktion zusammenhängt, wie M e y e r , A L L 5,224 ausgeführt h a t : » V e r b a n d sich -on einmal mit Substantiven, zunächst mehr oder weniger in tadelndem Sinne,

110

i n s o f e r n als die spezielle Beschäftigung eines Menschen m i t der durch das G r u n d w o r t bezeichneten Sache (char,

fer)

auch hier das A u f f a l l e n d e u n d

Charakteristische der b e t r e i f e n d e n P e r s o n ist. B e d e u t u n g s m ä ß i g schließt sich hier das aus d e m G e r m a n i s c h e n a d a p t i e r t e maçon

an.

-(e)or D a s lateinische S u f f i x -(A)TOR, - ( A ) T O R I S bildet m a s k u l i n e n o m i n a agentis 1 9 . D i e lateinische T r a d i t i o n ist im A l t f r a n z ö s i s c h e n b e w a h r t ; das S u f f i x tritt auch hier a n V e r b a l s t ä m m e , um den T r ä g e r einer durch das b e t r e i f e n d e V e r b u m ausgedrückten H a n d l u n g zu bezeichnen. D i e schon i m L a t e i n gebildeten Personalbezeichnungen T O R N A T O R , P I S C A T O R , P R A E D I C A T O R , J O C U L A T O R U. a. stehen neben den i m A l t f r a n z ö s i s c h e n gebildeten A b l e i t u n g e n josteor,

veinqueor

conbateor,

u. a. D a s S u f f i x bleibt v ö l l i g f r e i v o n a f f e k t i v e n W e r t e n .

D i e drei B e d e u t u n g s g r u p p e n unseres M a t e r i a l s (Berufsbezeichnungen / B e zeichnungen f ü r Personen, die a m K r i e g s l e b e n beteiligt sind / Bezeichnungen

19

so konnte es bald, diese spezielle Färbung aufgebend, einen Menschen bezeichnen, der sich in irgend einer Weise speziell beschäftigt mit dem im Substantiv liegenden Begriffe: EPULUM 'die Mahlzeit', EPULO 'einer, der sich um Mahlzeiten kümmert, der Schlemmer'. Zu EPULUM gehört EPULARI. Nach einem im sprachlichen Leben unendlich oft wiederkehrenden Vorgange stellen sich EPULO und EPULARI nebeneinander mit Uberspringung des beiden zugrundeliegenden EPULUM; nach ihnen bildet man weiter ERRO von ERRARE U. a. Natürlich ist nicht gesagt, daß gerade EPULO wirklich den Anstoß gegeben habe; es dient nur als typisches Beispiel«. Unser Material hat keine deverbalen Ableitungen auf -on im Bereich der Personalbezeichnungen, doch sollen einige Beispiele aus dem F E W zeigen, daß im Altfranzösischen deverbales -on zur Bildung von Berufsbezeichnungen herangezogen wurde: A f r . maguignon de chevaux 'marchand de chevaux' (1279), mfr. nfr. maquingnon . . . »wird wohl aus makelare 'courtier' umgebildet sein, unter Anlehnung an die Sippe von fr. barguigner, wobei -on das Suffix des nomen agentis darstellt« F E W i6,j04a/b. Fr. espion m. 'individu qui se mêle parmi les ennemis pour épier (t. de guerre)' (hap. 13. jh.; hap. 14. jh. . . . ) »ist nicht als Ablt. von espie oder Entlehnung aus it. Spione anzusehen . . . sondern eher als Ablt. von afr. espier (wie so viele andere Ablt. von Verben)« F E W 1 7 , 1 7 5 b . M f r . nfr. forgeron 'Sdimied' (seit 1538) »ist ähnlich von forger abgeleitet, wie gagneron von gagner« F E W 3,344b; vgl. aber noch Anm. 9. Pik. hortillon, -onne 'jardinier qui cultive les légumes' (seit 1492) »-on zur Bildung eines nomen agentis« F E W 4,490a + Anm. 7. Saint, plançon 'ouvrier employé à planter la vigne' »vom Verbum aus abgeleitet mit dem nomina agentis bildenden Suffix -on« F E W 9,23a + Anm. 16. Vgl. zur deverbalen Verwendungsweise des Suffixes auch Hinweise bei Gamillscheg, Grundzüge p. 53; N y r o p I I I § 283; ferner hier p. 1 2 2 sowie p. I 3 i f . (-on zur Bildung von Werkzeugnamen). Vgl. Leumann-Hofmann p. 238; Cooper p. j 8 f f . ; für die romanischen Verhältnisse s. N y r o p I I I § 230, 2 3 1 ; M L F r G r I I § 43,44. III

für Personen, die eine negativ zu bewertende Handlung ausüben) konstituieren sich auf Grund der Verben, d. h. in jedem einzelnen Fall ist das Verbum für den Bedeutungsgehalt seiner Ableitung verantwortlich zu machen20. -in Es ist auf Grund unseres Materials nicht möglich, ein Aussage über die Funktion des Suffixes -in zu machen, da die Bildungen veisin

und cosin im Alt-

französischen zu keinem Grundwort mehr in Beziehung gebracht werden können 21 und auch mit den sekundären Bildungen eschevin

und meschin in

keinem engeren semantischen Verhältnis stehen. Die Bezeichnungen finden lediglich deshalb hier Erwähnung, weil -in im Altfranzösischen zur Bildung von Personalbezeichnungen durchaus lebendig war 2 2 und deshalb die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden soll, daß auch erstarrtes -in in größerem Rahmen als typische Endung für Personalbezeichnungen empfunden werden konnte.

20

Dieselbe Bildungsweise liegt empereor und comandeor zugrunde (IMPERATOR ist nomen agentis zu IMPERARE, comandeor ist nomen agentis zu comander). Das Moment der Handlung tritt bei beiden Bezeichnungen zurück, sofern sie - wie im Falle unserer Belege - als Titel fungieren bzw. als Anrede gebraucht werden. Bedeutungsmäßig entsprechen beiden Wörtern die Rangbezeichnungen contor 'Graf', vavassor 'Vassal', seignor 'Herrscher' und prior 'Prior'; doch haben die Endungen dieser Bildungen genetisch nichts mit dem besprochenen -or Suffix zu tun

( v g l . l a t . SENIOR, PRIOR, V A S S U S V A S S O R U M ) , SO d a ß

die G e m e i n s a m k e i t

der

Wortausgänge auf reiner Zufälligkeit beruht. Allein contor verdankt sein Suffix der semantischen Nachbarschaft zu vavassor und wohl auch zu den übrigen Bildungen. Das Suffix von contor hat einreihende Funktion. 21 Cosin und veisin liegt lat. -INUS zugrunde in seiner Eigenschaft, Adjektive zu bilden, die die Zugehörigkeit ausdrücken. Diese Funktion des Suffixes wurde im Latein fruchtbar zur Bildung von Ethnika: »Les dérivés toponymiques en -INUS, presque aussi nombreux que ceux en -ANUS, sont assez fréquents dans le latin classique... ces suffixes indiquaient originairement, comme le font en général tous les suffixes, un certain rapport entre le dérivé et le primitif. Ils prirent plus tard un sens plus net d'appartenance, d'origine, ou de site, et il va sans dire que ces suffixes, par suite de leurs fonctions, s'ajoutaient à des noms géographiques et surtout à des noms de pays et de villes, en indiquant quelque chose comme y appartenant ou comme en étant originaire, etc. Par conséquant ils servaient aussi à former des noms d'habitants, dans lesquels, d'adjectifs qu'ils étaient originairement, ils passèrent à des substantifs« (Collijn, Isak, Les suffixes toponymiques dans les langues française et provençale. Première partie: développement des suffixes latins -ANUS, -INUS, -ENSIS. Thèse, Upsal 1902, p. 48). Zur Bildung von Ethnika im Französischen s. M L FrGr II § 41. 22 Neben der Bildung von Ethnika ist -in auch beteiligt an der Bildung von nomina agentis, wie von Wartburg zu bedenken gibt: »Wird -in nicht auch zur Bildung von nomina agentis verwendet? Daß galopin 'Laufbursche' ein Italianismus sei . . . kann ich kaum glauben. Diesem frz. galopin wird sich trottin angeschlossen haben, wozu dann noch weitere Ableitungen kommen, wie rapin, grondin usw.« (Z 42,506). Vgl. außerdem Gamillscheg, Grundzüge p. 52. 112

-ain Ähnlich wie - I N U S ist lateinisches - A N U S bei der Bildung von Ethnika funktionell beteiligt. Das Suffix war in seiner Eigenschaft, die Zugehörigkeit auszudrücken, in Verbindung mit Appellativen, die einen Ort bezeichnen, gebräuchlich 23 , vgl. die Bezeichnungen C A P P E L L A N U S , C A S T E L L A N U S und V I L L A N U S . Auch im Altfranzösischen werden Grundwörter und Ableitungen der genannten Bezeichnungen noch als zusammengehörig empfunden. Nicht einheitlich dagegen ist -ain bei den Bezeichnungen chevetain, chanbrelain, parrain und bei den durch das Zweikasussystem bestimmten Formen nonain und antain. Die Endungen von nonain und antain — ursprüngliches Flexionsmerkmal - haben keinen Suffixcharakter, da die Nominative none und ante nicht als Grundwörter gewertet werden können, die durch Anfügen von -ain in ihrem Gehalt verändert worden wären. Da aber andererseits -ain beide Wörter mit der Gruppe der Personalbezeichnungen auf -ain verbindet, gewinnen sie für eine Suffixbetrachtung an Bedeutung 24 . Parrain ist als altfranzösische Bildung schwer zu beurteilen; sie hat kein Grundwort, und das Nebeneinander von parrin { afr. estalon 'cheval entier destiné à la reproduction' ( 1 3 . J h - 1 3 1 0 ) F E W 17,210b. Vögel: anfrk. "'SPRAWO 'Star' > afr. esprohon 'étourneau' (seit 13. Jh., hain., flandr., pik.) F E W 17,188a. Insekten: anfrk. 1>HURSLO 'Hornisse' > a f r . frelon F E W 16,271a. Anfrk. '!'MADO 'Made' > Vouth. Brillon maçon, nam. molon F E W 16,495 a. Hunde: germ. BRAKKO 'Bracke, Jagdhund' > afr. bracon, apr. brac(on) 'bradiet' F E W i,493a/b. Zur zunächst diminutiven, dann neutral gewordenen Bedeutung von -on vgl. noch fr. cochon 'jeune porc' (13. Jh.-Pom 1700 . . ) nfr. 'porc en gén.'. Von Wartburg schreibt dazu: »Das Simplex coche ist im Fr. veraltet, in den Mde. aber noch lebendig. Die Ablt. cochon, die zuerst das junge Tier bezeichnete, wurde seit dem 16. Jh. zum generellen Namen des Tieres und herrscht heute vor« (FEW 2,1256a). Ganz ähnlich gelagert ist das Wortpaar dindon / dindonneau: mfr. dindon m. 'dindonneau' (Ol de S e r r e s ; . . . ) »da hauptsächlich der junge, eben ausgewachsene Truthahn auf die Tafel gelangt, ist dindon das für die meisten Leute am stärksten mit dem Begriff verbundene Wort, und es wird daher zur Bezeichnung des männlichen Tieres ü b e r h a u p t . . . Als Ersatz rückt dindonneau nach, das vorher das ganz kleine Tier, das Kückchen bezeichnet hat« F E W 4,64oa/64ia. " 7

Andererseits wird zu untersuchen sein, ob für -ort in dem Suffix -in eine Konkurrenz erwachsen konnte; denn wenn auch unser Material keine Neubildungen auf -in aufweist, lassen doch die aus dem Latein übernommenen Tierbezeichnungen erkennen, daß Ansätze zu einer solchen Konkurrenz vorhanden waren, wenn es sich um die Benennung von kleinen Tieren handelte. -in Eine Zusammenstellung der Adjektive auf -INUS im späteren Latein, wie sie durch die Arbeit von Cooper vorliegt, überrascht durch die Fülle von Bildungen, die von Tiernamen abgeleitet sind 10 . Das Suffix drückt bei den von Cooper erwähnten Bildungen nicht nur die Zugehörigkeit zu einer im Grundwort benannten Sache aus (auf dieser Grundlage entstanden die Tierb e z e i c h n u n g e n *RUNCINUS >

a f r . roncin

u n d *MANSUETINUS >

afr.

mastin),

sondern erweckt auch die Vorstellung der Ähnlichkeit, die zwei Dinge miteinander verbindet. Diese Ähnlichkeit wird bewußt durch ein wechselseitiges Vergleichen. Es ist einleuchtend, daß ein solches Vergleichen aufzeigen kann, daß eine Sache häufig nicht gleichwertig, sondern anders (z. B. durchaus kleiner, vielleicht auch minderwertiger) sein kann als der Gegenstand, zu dem sie in Beziehung gebracht wird. Hieraus ergibt sich für ein Suffix wie -in, daß in seiner Funktionskraft, die Ähnlichkeit auszudrücken, zugleich die Funktionskraft, das vergleichsweise Kleine zu kennzeichnen, schlummert (s. hierzu ML R G r § 452). Wir stellten fest, daß die Bezeichnungen conin und poucin11 ihre Endungen einem Suffixwechsel zu -in verdanken. Die Ursache für diesen Suffixwechsel ist wiederum bei der Kleinheit der Tiere selbst zu suchen. -In deckt sich hier in seiner Funktion mit -on12, da beide Suffixe nicht im Sinne von Modifi10

11

12

C o o p e r gibt Listen v o n Bildungen auf -INUS und f ü h r t d a z u aus: » A m a j o r i t y o f the adjectives o f this termination are derived f r o m names o f animals . . . Their use b y classic writers is chiefly confined to p r o v e r b i a l expressions in which they are frequent at all periods of language, a further evidence o f their popular character« (p. 139fr.). V g l . p. 66 des Materialteils. - Conin und poucin sind als N o r m a l w ö r t e r z u betrachten; z u m Beleg E 492 ist noch z u sagen, d a ß das Hühnchen, das z u m Braten bestimmt ist, allgemein als junges Hühnchen gilt; es ist ebenfalls A u f g a b e v o n -in, diese D i f f e r e n z i e r u n g , die v o n der Sache her zu verstehen ist, zu kennzeichnen. In diesem Zusammenhang ist Gamillscheg ( G r u n d z ü g e p. 47ft.) z u erwähnen, der eine Reihe französischer Bildungen auf -in zur Bezeichnung 'junger Tiere' anf ü h r t ; dabei stehen sich jedoch jeweils G r u n d w o r t und A b l e i t u n g auf -in gegenüber, w i e chevrot-chevrotin, corp-corbin, bouc-bouquin, turbot-turbotin u. a. (wir müssen hier festhalten, d a ß w i r solche Fälle in unserem Material nicht haben; hier nämlich m ü ß t e das S u f f i x auf seinen Modifikationscharakter als D i m i n u t i v suffix hin untersucht werden, es w ä r e nicht tierbenennend schlechthin). G a m i l l scheg verdeutlicht an einer Reihe v o n Beispielen, d a ß die Funktion v o n -on (-on w i e d e r u m zur Bezeichnung des 'jungen Tieres') der Funktion v o n -in gleichgeschaltet ist. Dieses -in trennt Gamillscheg sowohl v o n lat. -INUS (im Gegensatz 118

k a t i o n s s u f f i x e n als d i m i n u i e r e n d z u v e r s t e h e n sind, s o n d e r n sich als tierben e n n e n d 1 3 schlechthin a u s g e w i e s e n h a b e n , w e n n es sich u m die B e n e n n u n g v o n Tieren kleiner Tiergattungen handelte. -art / D i e S u f f i x e v o n maslart

-otu

' E n t e r i c h ' u n d malot

e l e m e n t e z u m S t a m m e masle

(
-or'e > -ore, fr. -eur, dial. -o(u)r noch Z 40,144.

130

-on / -et

A l s A b l e i t u n g z u avirer

' r u d e r n ' l e b t aviron

'Ruder'. Charakterisiert

durch

die i m V e r b u m a u s g e d r ü c k t e H a n d l u n g ' h i n - u n d h e r b e w e g e n ' ist aviron B e z e i c h n u n g des G e g e n s t a n d e s , d e r z u r A u s f ü h r u n g dieser H a n d l u n g b z w . sie a u s f ü h r t . Ä h n l i c h g e l a g e r t ist die B i l d u n g trabuchet A b l t . z u trabuchier

die dient

'Schlagfalle',

'zu Fall bringen'.

B e i d e W ö r t e r stehen a m A n f a n g einer g a n z e n R e i h e v o n W e r k z e u g b e z e i c h n u n g e n a u f -ori* u n d -et10,

die erst in einer s p ä t e r e n E p o c h e h ä u f i g e r a u f z u -

Vgl. weitere Werkzeugbezeichnungen auf -on, die von Verben abgeleitet sind: M f r . nfr. piton m. 'clou, vis dont la tête est en forme d'anneau' (Rouen 1382, Rouen 1432, H a v ; seit Paré) »es ist A b l t . vom Verbum piter mit dem oft zur Bildung von Werkzeugnamen verwendeten Suffix -on, vgl. Adams 250« F E W 8,6i3a/6i4a. Poit centr. penon m. 'petit pied' ( < Paris 'petit pied d'enfant' Vill) »-one wird hier also wohl ursprünglich als Werkzeugnamensuffix verwendet worden sein: penoun ist der Körperteil, mit dem die Kleinen in der Wiege nach allen Richtungen ausschlagen« F E W 8,126b. Vaudioux satchon 'morceau de bois passé dans une corde pour serrer la charge d'une voiture' »weil die Bindung ruckweise angezogen wird, -on dient hier zur Bildung des Namens eines Werkzeugs, ähnlich wie fr. bâillon usw.« F E W 11,27b + Anm. 28. N f r . tangon 'esp. de vergne' »hat in Form und Funktion große Ähnlichkeit mit einer Zange. Es kann daher sehr wohl aus ndl. tange entlehnt sein, mit Erweiterung um das bei Werkzeugnamen häufige Suffix -on« F E W 17,306a. N f r . curon 'curette de laboureur' (Trév 1721 - Lar 1869) F E W 2,1559b. Ebenfalls nomina agentis bildendes -on liegt vor in lardon 'Speckstück (das zum Spicken bestimmt ist)', A b l t . zu larder 'spicken'; lardon ist bereits bei Chrestien belegt. 10 Nicht geklärt ist das Suffix von quanivet, das allgemein mit 'Messerdien' definiert wird. Das Simplex ist allerdings erst im 15. Jh. belegt, so daß es also auch eine Rückbildung zu quanivet sein könnte. Wir sehen keine Möglichkeit, quanivet als deverbale A b l t . mit einem Verbum in Verbindung zu bringen. A u f der anderen Seite gibt unser Beleg keinen Aufschluß darüber, ob es sich tatsächlich bei quanivet um ein kleines Messer gehandelt hat. V g l . weitere deverbale Ableitungen auf -et zur Bezeichnung von Werkzeugen: Z u afr. soufflet s. hier p. 134 Anm. 15. Fr. sifflet 'instrument avec lequel on siffle' (seit ca. 1250) F E W 12,567a. A f r . surquette 'sourcière' (ca. 1250) »Zur Bezeichnung der Mäusefalle ist v o m Verbum auszugehen, an welches das Suffix -ette angetreten ist, M L R G r 2,549« F E W 12,110. Fr. houlette 'bâton de berger' (seit 1278) »Von bouler abgeleitet, wobei -ette den Begriff des Werkzeugs ausdrückt« F E W 16,223a. Fr. fausset „cheville de bois terminée en pointe avec laquelle on bouche le trou fait à un tonneau' (seit 1322) »Diese A b l t . ist vom Verbum fausser in der Bed. 'beschädigen, durchbohren' abgeleitet, vermittelst des für Werkzeuge häufigen Suffixes -et« F E W 3,393^3943. M f r . nfr. cachet 'petit sceau gravé portant en creux ou en relief les armes, les initiales du possesseur et servant à cacheter' (seit 1 4 7 4 , . . .) »Das Suffix -et hat 9

131

treten scheinen. Uns muß, wenn auch die denominale Verwendung dieser beiden Suffixe überwiegt, die Frage beschäftigen, wie es sich erklärt, daß sie in deverbaler Verwendung lebendig sind und damit in den Dienst der Bildung von nomina agentis gestellt werden können. Nachdem für -on ein Ubergang von denominaler zu deverbaler Verwendung bereits im Latein vollzogen ist 1 1 und sich somit - wenn auch mit einigem Vorbehalt - die werkzeugnamenbildende Funktion dieses Suffixes im A l t französischen eher erklären ließe, taucht bei der Nennung von -et

sofort

der Gedanke an seine beherrschende Rolle als Diminutivsuffix auf. Seine daneben bestehende Verwendungsweise im deverbalen Bereich (die ebenfalls zur Bildung von Werkzeugnamen führt) scheint dagegen bisher nicht eindeutig geklärt zu sein. Meyer-Lübkes Erklärung, daß -et(te)

über den Weg des Diminutiven zu der

Funktion, Werkzeugnamen zu bilden, gelangt sei, ist wenig überzeugend. 12

11

12

hier wohl die Funktion, eine Werkzeugbezeichnung zu schaffen. Die Bedeutung 'aufdrücken' genügt als Grundlage vollkommen« F E W 2,807a + Anm. 1. N f r . ramonette f. 'sorte de brosse' ( 1 6 4 0 , . . . ) »Könnte statt Diminutiv zu ramon, auch Werkzeugnamen, gebildet zum Verbum sein« FEW 10,41b + Anm. 12. N f r . épuisette f. 'filet pour prendre les petits oiseaux dans la volière' (seit 1709) »ML F r G r 2,$i meint, hier habe -ette diminutive Funktion. Da aber épuise erst viel später liegt und die Bedeutung eine ganz andere ist, muß -ette hier von Anfang an als werkzeugnamenbildendes Suffix verwendet worden sein« F E W 9,629 + Anm. 14. N f r . purette f. 'sable noir ferrugineux du bord de la mer' (seit Trév 1 7 J 2 ) »-ette ist hier Werkzeugsuffix. Dieser Sand wurde bis gegen 1900 verwendet, um die Tinte der beschriebenen Blätter aufzutrocknen. Also 'Gegenstand zum Reinigen'« FEW 9,608b + Anm. 1 . N f r . margoulette 'bouche' (seit 1756 . . . ) »margoulette ist aus margouiller abgeleitet unter dem Einfluß von gottle mit dem Werkzeugsuffix -ette« FEW 4,3i4b/32oa. Vgl. ferner eine Reihe von Werkzeugbezeichnungen, die in den Mundarten belegt sind, aufgeführt im F E W 16,687b + Anm. 3; 10,62a + Anm. 3; 8,39b + Anm. 68; 16,140a + Anm. 4; 2,1283a + Anm. 34; 11,266a + Anm. 1 3 ; 17,60a. S. hier p. 1 1 0 Anm. 18. Wir können aber nicht endgültig entscheiden, ob die deverbale Verwendungsweise von -on in der lateinischen Tradition begründet ist und sich in gerader Linie ins Altfranzösisdhe fortsetzt oder ob sie sich in altfranzösischer Zeit - in ähnlicher Weise wie -et - neu entwickelte. Vgl. den Wortlaut bei Meyer-Lübke (FrGr II §69): »Entschieden vom Diminutiven [bei der Bildung von Werkzeugnamen] geht nun aber -ette aus. Zugrunde liegen zum Teil postverbale Bildungen, mit denen sich der Begriff des Kleinen, Niedlichen verbindet, Bildungen, denen man neben der verstandesmäßigen Bezeichnung noch eine gefühlsmäßige Abschattierung geben w i l l . . . « Bei der Erklärung seiner Beispiele sucht Meyer-Lübke häufig wieder zugleich den diminutiven Wert des Suffixes herauszustellen: »Lorgnette sodann ist nicht nur an sich ein kleiner Gegenstand, es gehört auch Kreisen an, in denen das Elegante, luxusartig Ausgestattete über dem bloß Zweckmäßigen steht, daher das Suffix gewählt wird, das das Kleine, Feine bedeutet«. Vgl zu lorgnette F E W 16,491b: nfr. lorgnette f. 'éventail au milieu duquel une petite ouverture garnie d'un verre permet de voir sans être vu' (1694 . . . ) zu mfr. nfr. lorgner 'regarder du coin 132

Auch Gamillsciiegs These bringt uns einer Lösung des Problems nicht näher, obwohl er die semantische Verschiedenheit der beiden Funktionen erkennt und deshalb das werkzeugnamenbildende -et von dem diminutiv-bildenden -et zu trennen versucht, indem er zwei historisch verschiedene Ausgangspunkte ansetzt: »-ITTUS, - I T T A ist Deminutivsuffix zur Ableitung von Substantiven. Daneben hat das Galloromanische ein homonymes Suffix -et, -ette, in erster Linie zur Bildung von Werkzeugnamen nach Zeitwörtern, das fränkischen Ursprungs ist. . .« (Gamillscheg, Grundzüge p. 26). Von Wartburg weist Gamillschegs These zurück und betont - ohne im einzelnen näher auf die angeschnittene Frage einzugehen — daß individualisierende und Diminutivsuffixe sehr leicht zur Bildung von Benennungen handelnder Personen und Werkzeuge verwendet würden, so daß gar kein semantischer Grund vorliege, die beiden Bedeutungen des Suffixes als heterogen aufzufassen (vgl. von Wartburgs Besprechung zu Gamillscheg, Grundzüge in: Z 43,112). Unserer Meinung nach ist die deverbale Verwendung von -ei 1 3 von seiner individualisierenden Funktion her zu erklären. Wir haben weiter oben gesehen, daß ein Werkzeug als ausführendes Element einer Handlung ohne diese Handlungsbezogenheit nicht zu begreifen ist. So wie sich das Individuelle eines Gegenstandes oder einer Person in charakteristischen Merkmalen wie z. B. Form, Farbe, Aussehen etc. hervorkehrt, so ist die Handlung ihrerseits ein charakteristisches, ja stereotyp mit jedem Handlungsvollzug sich wiederholendes Merkmal des Werkzeugs. Eine ganze Reihe von Suffixen (in der Mehrzahl sog. 'Diminutivsuffixe') können sowohl denominal als auch deverbal verwendet werden. So fungieren neben dem schon besprochenen lat. -10 (s. hier p. 116f., bes. Anm. 8 und p. 122) die Suffixe -et, -on, -el, -in, -ot, auch -art und -aut als Ableitungselemente von Nomina zur Kennzeichnung des Diminutiven (-et, -on, -el, -in, -ot), des Augmentativen (-on) oder auch des Pejorativen (-art, -aut). In deverbaler Verwendung führen dieselben Suffixe zur Bildung von nomina agentis (u. a. Werkzeugnamen) 14 .

13

14

d'oeil' (1450 . . . ) . V g l . noch die K r i t i k von Wartburgs an Meyer-Lübkes A u f fassung bezüglich epuisette, von uns zitiert p. 131 Anm. i o f . Entsprechende Erklärung gilt auch auch für -on, wenn das Suffix im A l t f r a n zösisdien die deverbale Verwendungsweise neu erworben hat; vgl. nodi Anm. 11, hier p. 132. Es sei hier noch besonders verwiesen auf die deverbale Verwendung von -el (-eau) zur Bezeichnung von Werkzeugen. Neben dem bei Chrestien belegten afr. trossel ( < afr. trosser, s. Materialteil p. 31) und einer kleinen A n z a h l von Beispielen aus dem F E W , die durchweg aus mfr. und nfr. Zeit stammen, verdient bendel (Var. aus dem späten 13. Jh., belegt bei Chrestien) Beachtung. D e r Beleg zu bendel steht einer Reihe v o n Belegen für bände 'Binde, Streifen' gegenüber. Die Ablt. bendel bezeichnet eindeutig den 'Verband', der dazu bestimmt ist, Wunden zu verbinden (vgl. auch den Plural bandes in den übrigen Varianten derselben Textstelle), bände dagegen ist generelle Bezeichnung für ein

133

M a g auch für ein einziges Suffix, in diesem Fall für -et, eine Erklärung, wie sie von Wartburg im F E W gegeben hat 1 5 , überzeugend sein, so muß es fraglich bleiben, ob für die übrigen Suffixe solche 'Idealfälle' in den Anfängen des Altfranzösischen zu finden sind. Mit einem Erklärungsversuch, wie wir ihn gegeben haben, verbindet sich eine Reihe von Fragen, die w i r hier nur anschneiden, da sie erst durch eine intensive Materialsammlung in der altfranzösischen und mittelfranzösischen Epoche geklärt werden können. Außer der Frage nach dem Charakter der Verben (iterative Verben, Verben zum Ausdruck einer manuellen Tätigkeit etc.), die den Werkzeugnamen zugrundeliegen, müßte sich eine systematische Untersuchung mit der Häufigkeit 16 beschäftigen, mit der die genannten Suffixe werkzeugnamenbildend sind. Es wäre also festzustellen, ob die denominale und deverbale Verwendung der betreffenden Suffixe in gleich starkem Maße durchgeführt worden ist oder nicht. Eine der wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang wäre, ob es semantisch bedingte, störende Momente gibt, die der Entwicklung einer deverbalen Verwendungsweise entgegenwirken, bzw. ob andererseits Beziehungen, wie sie im Falle von souffle - souffler - soufflet vorliegen, fördernd für eine deverbale Ableitungsweise sein konnten. 'Band', einen 'Streifen Stoff'. Es erhebt sich die Frage, ob bendel in einem Ableitungsverhältnis bandelbendel steht, oder ob das Wort nicht vielmehr als Ableitung zu dem Verbum bander 'verbinden' (häufig bei Chrestien belegt) zu gelten hat und -el dann werkzeugnamenbildende Funktion zuzusprechen ist. Weitere -el Ableitungen von Verben aus dem FEW: Mfr. lancelle 'navette du tisserand' (norm. ca. 1350) »Nicht zu LANCEA; das Suffix hat hier die Funktion, einen Werkzeugnamen zu bilden« F E W 5,155b + Anm. 5. N f r . videlle f. 'roulette dont le pâtissier se sert pour couper la pâte' (seit Duez 1659) »-Elle wird von D G , wohl mit Recht, als Werkzeugnamensuffix erklärt, als welches das mask. -eau häufig erscheint« FEW 14,592b + Anm. 14. N f r . pureau m. 'partie d'une tuile, d'une ardoise supérieure' (seit Félib 1 6 7 6 , . . . ) »-eau ist hier Werkzeugsuffix, wie in gratteau u. a.« F E W 9,609b + Anm. 7. N f r . gratteau 'instrument du fourbisseur, etc., pour gratter les pièces avant de les dorer' (seit SavBr 1723) FEW 16,374a. N f r . doleau 'hachette dont on se sert pour équarir les ardoises' (seit 1 7 5 1 , Enc 1,631a) F E W 3,116b. Zu nomina agentis auf -in s. hier p. 1 1 2 Anm. 22; zu solchen auf -ot s. N y r o p I I I § 290; zu -ard s. Nyrop I I I § 352, 353; M L F r G r I I § 67. 15 Vgl. die Erklärung zu fr. soufflet 'instrument à souffler, à faire du vent, surtout pour activer le feu' (seitWace) im F E W 12,409a Anm. 3 1 , wo es heißt: »Es scheint die älteste Ablt. auf -et zur Bezeichnung eines Werkzeugs zu sein; sifflet erscheint ein Jh. später als nächste Bildung. Es ist daher wohl möglich, das soufflet ursprünglich ein Diminutivum zu souffle ist, daß sifflet nach dem Vorbild von soufflet entstanden ist und daß erst sekundär diese beiden Wörter als Ableitungen vom Verbum aufgefaßt worden sind. Claquet, foret liegen noch viel später. Der Gebrauch von -et als Suffix von Werkzeugnamen könnte hier seinen Ausgangspunkt haben«. 16 Wir möchten nochmals darauf hinweisen, daß unsere Materialsammlung aus dem FEW in keiner Weise systematisch durchgeführt wurde, sondern nur eine zufällige Auswahl ist.

134

-ail Afr. governali 'Ruder' ist eine schon im Lateinischen gebildete Ableitung zu GUBERNARE mit dem zur Bildung von Werkzeugnamen häufig verwendeten Suffix -ACULUM (afr. -etil)17. Afr. fermali 'Schließe', Ablt. zu fermer 'schließen, befestigen', läßt sich von seiner Bildungsweise her hier anschließen; es fällt semantisch unter die Rubrik 'Kleidungszubehör und Schmuckgegenstände'18.

§ 7. Bezeichnungen für Gefäße und Behälter

-ier Von den Bezeichnungen encensier, chandeller und hanstier ist encensler eine schon lateinische Ableitung zu INCENSUM 'Weihrauch' (INCENSARIUM). Diese Bildung ist repräsentativ für die lateinischen und altfranzösischen Verhältnisse: lat. -ARIUM wurde in seiner ortsbezeichnenden Funktion herangezogen, um Gefäße und Behälter zu bezeichnen, die den im Grundwort benannten Gegenstand beinhalten. Im Altfranzösischen leben eine Reihe bereits im Latein gebildeter Gefäßnamen weiter 1 . Daneben stehen afr. Neubildungen, in unserem Material durch cbandelier2 und hanstier vertreten. 17

18

1

S. Nyrop III § 1 5 4 , 155; ML FrGr II §60; Gamillscheg, Grundzüge p. 2off., bes. p. 23. Ferner Hinweise aus dem FEW: Afr. retineil m. 'filet de pêcheur' (PsOxf) » . . . doch handelt es sich kaum, wie Gdf meint, um eine irrtümlich gebildete Form; vielmehr ist hier das Werkzeugnamen bildende Suffix -ACULUM an den Verbalstamm getreten. R E T I N A C U L U M ist ja auch schon lt., allerdings in anderer Bedeutung« FEW 10,335b + Anm. 8. Mfr. verail 'verrou' (1360) »Hier ist das zur Bildung von Werkzeugnamen häufig verwendete -ACULUM an Stelle von -eil getreten« [VERICULUM 'kleiner Spieß'] FEW 14,283a + Anm. 1. Mfr. ventrail 'tablier' (hap. 15. Jh.) »Hier hat -ail den Sinn eines werkzeugnamenbildenden Suffixes« FEW 14,249b + Anm. 6. Vgl. ferner: Afr. atachail 'cordon qui attache le manteau' (ca. 1260) FEW 17,201b. Afr. afichail 'agrafe' (12. Jh. - Anfang 15. Jh., bes. pik., norm., G d f . . . ) FEW 3,508b. Afr. afublail 'sorte de vêtement', apr. afiblalh 'attache de manteau' FEW 1,49b. Vgl. das Weiterleben lat. Gefäßnamen im Französischen: Lat. PAN ARIUM 'Brotkorb' > fr. panier m. FEW 7, y 3 jb/j 36a. Lat. sALARIUM 'Salzfaß' > afr. saler, sallier FEW n,87b/88b. - »Das substantivierte Neutrum LIBRARIUM [zu LIBRARIUS adj. 'zum Buch gehörig'] bedeutete im Kit. einen Behälter für Bücher und Schriften« FEW 5,308a. Von hier aus spaltet sich ein eigener semantischer Bereich ab, in dem -ier den Ort bezeichnet, wo eine

135

-ière W i e -ier, so ist auch -iere aus

-ARIA

m i t lateinischen V e r h ä l t n i s s e n z u e r k l ä r e n :

ist z u n ä c h s t in F ä l l e n w i e

CARBONARIA

'Köhlerei',

CALCEARIA

ARGENTARIA

(TÄBERNA)

(FODINA)

»-iere

'Silbergrube',

' S c h u s t e r b u d e ' u. a. v o n d e r

adjektivischen z u r substantivischen F u n k t i o n übergegangen u n d bezeichnet also auch d e n O r t , w o ein G e g e n s t a n d v o r k o m m t , h e r g e s t e l l t , v e r k a u f t , a u f b e w a h r t w i r d . . . « ( M L F r G r I I § 62). A u f G r u n d seiner o r t s b e z e i c h n e n d e n F u n k t i o n k a n n -iere

d e n G r u n d w ö r t e r n e n t s p r e c h e n d in v e r s c h i e d e n e n se-

mantischen Bereichen b i l d u n g s f ä h i g w e r d e n . Aumosniere,

Ablt. zu

aumosne,

ist i n n e r h a l b unseres M a t e r i a l s d e r e i n z i g e V e r t r e t e r einer g r o ß e n

seman-

tischen G r u p p e , in d e r d a s S u f f i x f u n k t i o n e l l an der B i l d u n g v o n

Gefäß-

n a m e n b e t e i l i g t ist 3 .

Sammlung von schriftlich fixierten Psalmen und Liedern etc. zusammengestellt ist, eine Funktion, die ebenfalls schon im Latein ausgeprägt w a r ; z. B. LIBRARIUM, BREVIARIUM,

CALENDARIUM,

RATIONARIUM

u.a.

(s.

Leumann-Hofmann

p. 211/

212). A l s afr. Neubildungen in diesem semantischen Bereich seien folgende Wörter genannt: A f r . leçonier m. 'livre de liturgie qui contient les leçons' ( 1 2 . - 1 4 . Jh.) F E W 5,234a; vgl. noch Anm. i des F E W . Fr. lêgendier m. 'recueil de légendes' (14. J h - 1 6 3 4 ; . . . ) F E W 5,244a. A p r . espistolier 'missel qui contient les épitres' F E W 3,232a. M f r . évangelier 'livre contenant les évangiles à chaque messe' (14.-15. Jh.; G a y ) F E W 3,251b; vgl. noch Anm. 2 des F E W . M f r . chansonnier 'manuscrit contenant des oeuvres lyriques de trouvères et de troubadours' (14. Jh.) F E W 2,235a. Zu sautier s. Anm. 131 hier p. 61. 2 Das Suffix von kit. CANDELABRUM wird im Altfranzösischen durch -ier ersetzt; dadurch wird die Beziehung von Grundwort und Ableitung wieder eine engere Das Suffix ist hier im Grunde schon als einreihendes Suffix zu werten, vgl. ähnlich: fr. cuvier m. 'grand baquet pour la lessive' (seit 12. Jh.) »-¿er in cuvier 'Bottich' ist w o h l einreihendes Suffix, da so viele andere Gefäßnamen damit gebildet sind« F E W 2, 1549b + Anm. 7. Die Bildung forgier ' K o f f e r ' ist vom Grundwort her nicht klar. Semantisch schließt es sich den Behälterbezeichnungen auf -ier an; s. Materialteil p. 60 und Anm. 129. 3 Das Nebeneinander der beiden Suffixe -ier und -ière im Altfranzösischen in demselben semantischen Bereich fordert eine Untersuchung bezüglich eventueller Bedeutungsschattierungen heraus; da das Wortmaterial Chrestiens jedoch keinerlei Beispiele für eine solche Untersuchung bereithält, verweisen wir auf folgende Fälle: A f r . saler m. 'salière' (hap. 12. Jh.), sallier A i m o n F l . . . neben fr. salliere 'petit vase pour mettre le sel sur la table' (ca. 1180) F E W 11,88a. Fr. pannier m. 'réceptable en osier, en jonc tressé, de dimension et de formes variées, qui sert à contenir, à transporter des provisions, des denrées, etc.' (seit ca. 1165) neben afr. penniere f. 'panier très grand' ( R e n a r t . . ) F E W 7 , i 3 j b / j 3 7 b + Anm. 9, w o es heißt: »Das Fem. hat, w o eine Differenzierung eingetreten ist, meist augmentative, in einigen wenigen Fällen diminutive Funktion«. 136

-el, -cel Schließlich ist eine Reihe von Behälterbezeichnungen zu nennen, die -el bzw. -cel tragen, und die - mit Ausnahme von forrel - ohne Grundwort im Altfranzösischen leben: veissel 'Gefäß', tüel 'Wasserrohr', orcel (Var.) 'Krug', bocel 'Weinschlauch' und gastet 'Brotkissen'. Während für veissel, bocel und orcel5 von lateinischen Diminutivbildungen auszugehen ist, die unter Verlust ihrer Grundwörter zu Normalbezeichnungen geworden sind6, beruht tüel auf einer Bildung, die in voraltfranzösisdier Zeit geschaffen sein muß. Doch ist anzunehmen, daß -ELLU hier nicht in diminutiver Funktion an das Grundwort trat, sondern daß *TUTELLU sowie die altfranzösische Ableitung forrel (< fuerre) in Analogie an die schon bestehenden, semantisch benachbarten Gefäßnahmen entstanden sind, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die ehemals diminutiven Bildungen bereits ihres diminutiven Charakters verlustig gegangen waren 7 .

Fr. panetiere f. 'petit sac oü l'on met son pain' (seit ca. 1220) neben mfr. partthier m. 'sac h provisions' C o h e n M y s t . . . F E W 7,547a/b; vgl. noch den Artikel PANTHER 'Fangnetz' F E W 7,j68ff. 4 Gastet scheidet hier auf Grund seiner Herkunft aus, insofern als wohl von einem fränkisdien *WASTIL auszugehen ist, dessen Endung an fr. -el adaptiert wurde. 5 Kit. URCEOLUS, Dim. zu URCEUS, unterliegt einem Suffixwechsel zu -ELLUS (nach FEW). 6 S. zu diesem Vorgang noch unsere Kapitel über die Diminutivbildungen p. 13 8ff. 7 Anders ist die Bildung boissel zu bewerten; hier liegt zweifellos eine Diminutivableitung zu boisse vor, selbst wenn boisse nach Gdf erst 1446 zu belegen ist, boissel jedoch sdion in Handschriften aus dem 13. Jh. erscheint (vgl. unseren Materialteil p. 31). 137

B

§ 8. Suffixe zum Ausdruck des Diminutiven Eine Begriffsbestimmung der D i m i n u t i v b i l d u n g e n stößt nicht nur auf terminologische, sondern auch auf inhaltliche Schwierigkeiten. In überzeugender Weise hat Hasselrot 1 f o l g e n d e Eingrenzung v o r g e n o m m e n : »Je réserverai le terme de diminutifs (diminutifs synthétiques) aux seuls dérivés où le suffixe (ou la chaîne de suffixes, p. ex. -elet) comme le ferait l'épithète petit

modifie la signification du thème

qui précéderait le m o t simple«. Diese Defini-

tion eines D i m i n u t i v u m s 2 schließt solche Wörter aus, die z w a r (noch) ein 'Diminutivsuffix' tragen, durch dieses S u f f i x jedoch den Gehalt ihrer Grundwörter nicht mehr in Richtung auf das Kleine modifizieren können, da die Verbindung zu ihrem Beziehungswort nicht mehr eng genug, mitunter sogar unterbrochen ist. Hasselrots präzise Eingrenzung der D i m i n u t i v e berührt bezüglich ihrer Suffixe eine z u w e i l e n z u beobachtende Fehlinterpretation, die darin besteht, daß der formale A s p e k t insofern überbewertet wird, als für die inhaltliche Beurteilung eines Suffixes v o n der Form her auf seinen Funktionsgehalt geschlossen wird. Es kann nun aber selbstverständlich nicht nur die formale Seite allein ausschlaggebend sein, sondern es müssen auch v o m Semantischen her

1

Hasselrot, Bengt, Etudes sur la formation diminutive dans les langues romanes, Uppsala 1957, p. 171. 2 Hasselrot erläutert ferner, daß der Ersatz eines Diminutivsuffixes durch das Voransetzen von petit in der Mehrzahl der Fälle deshalb durchführbar sei, da auch petit in der Lage sei, »toutes les grandes écluses de l'affectivité« zu öffnen (P-173)Mit seiner Definition der 'diminutifs véritables' bezieht sich Hasselrot auf die Verhältnisse der französischen Sprache, wie sie seit dem 17. Jh. bestehen; doch ist die von uns zitierte Definition allgemein gültig und daher auch auf altfranzösische Verhältnisse übertragbar. In ihrem Sinne ist auch unsere Untersuchung der 'diminutifs véritables' (synthetische Diminutive) durchgeführt worden, ohne daß eine Gegenüberstellung von 'diminutifs synthétiques' und 'diminutifs analytiques' angestellt, d . h . etwa die Verwendungsweise von petit in den Werken Chrestiens ergänzend untersucht worden ist. Freilich ließe sich erst durch eine solche Gegenüberstellung - sie ginge über den Rahmen unserer Arbeit hinaus - die von Togeby aufgestellte These überprüfen, die besagt, daß einerseits die synthetischen Diminutive in der 'ancienne langue française' - verglichen mit den spanischen oder italienischen Verhältnissen - relativ selten seien; und daß andererseits die Diminutive »aparaissent presque toujours liés à une atmosphère paysanne ou pastorale, ce qui n'est pas le cas au même degré en italien ou en e s p a g n o l . . . Tout le monde sait que les diminutifs fourmillent dans Aucassin et Nicolette, et l'on se figure peut-être qu'il s'agit d'un style enfantin. Il n'en est rien. Encore une fois c'est l'atmosphère rustique ou pastorale qui fait naître les diminutifs« (Togeby, Knud, Les diminutifs dans les langues romanes du moyen âge, in: StNeoph 30, i