Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht: Dissertationsschrift. 9783631637555, 9783653028515, 3631637551

Das Familiengefüge ändert sich, das Erbrecht hingegen wird nicht oder nur geringfügig geändert. Die nordischen Länder ha

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Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht: Dissertationsschrift.
 9783631637555, 9783653028515, 3631637551

Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Kapitel: Einleitung
2. Kapitel: Der nordische Rechtsraum
1. Die nordische Zusammenarbeit
1.1. Helsinkivertrag
1.2. Zusammenarbeit im Bereich der Erbrechtsgesetzgebung
2. Rechtsphilosophische Grundlagen
3. Methode der Gesetzgebung
4. Rechtsquellen und Methode der Rechtsfindung
3. Kapitel: Die Grundlagen der Ehe und des Erbrechts
1. Die Familie
2. Die Ehe
3. Die Grundlagen des Erbrechts
4. Erbrecht des überlebenden Ehegatten
4. Kapitel: Die Stellung des Ehegatten im österreichischen Recht, ein Überblick
1. Einführung
2. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
2.1. Grundlagen und Umfang des Ehegattenerbrechts
2.1.1. Das Ehegattenerbrecht
2.1.2. Umfang des Ehegattenerbrechts
2.2. Der Nachlass und der Einfluss des Güterstandes
2.2.1. Unterhaltsverpflichtungen
2.2.2. Einfluss des Güterstandes
2.2.2.1. Gütertrennung
2.2.2.2. Gütergemeinschaft
2.2.2.3. Errungenschafts- und Zugewinngemeinschaft
2.2.3. Die Auseinandersetzung des Güterstandes im Todesfall, § 81 EheG
3. Das Vorausvermächtnis
4. Weitere Rechte des überlebenden Ehegatten
4.1. Unterhaltspflicht des überlebenden Ehegatten § 796 ABGB
4.2. Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten
4.3. Sonstige Rechte
5. Das Pflichtteilsrecht
6. Die gewillkürte Erbfolge
6.1. Das gemeinschaftliche Testament, Errichtung und Aufhebung
6.2. Der Erbvertrag
6.3. Der Ehegatte als Allein- bzw. Vorerbe
7. Nachlassverfahren und Auseinandersetzung des Nachlasses
8. Zusammenfassung
5. Kapitel: Das norwegische Ehegattenerbrecht
1. Rechtsgrundlagen und historische Rechtsentwicklung
1.1. Die Rechtsgrundlagen und die norwegische Rechtsordnung
1.2. Die Geschichte des norwegischen Ehegattenerbrechts
2. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht
2.1. Überblick über die gesetzliche Erbfolge
2.2. Die Rechte des Ehegatten im Todesfall
2.2.1. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
2.2.2. Der Begriff des Ehegatten
2.2.3. Exkurs: Samboer - nichteheliche Lebensgemeinschaft
2.2.4. Der Nachlass eines Ehegatten
2.2.4.1. Güterstand
2.2.4.2. Auseinandersetzung des Güterstandes
2.2.4.3. Exkurs: Ansprüche aufgrund Haushaltsführung
2.2.4.4. Zusammensetzung des Nachlasses
2.3. Voraus, Übernahmerecht und Ersatzansprüche
2.4. Das Mindesterbe
3. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft „uskifte bo“
3.1. Einleitung
3.2. Gegenstand und Voraussetzungen der Fortsetzung
3.2.1. Befugnis zur Fortsetzung
3.2.2. Gegenstand der Fortsetzung
3.2.3. Dispositionsmöglichkeiten
3.2.4. Allgemeine Voraussetzung
3.3. Zulässigkeit und Rechtswirkungen der fortgesetzten Gütergemeinschaft
3.3.1. Zuständigkeit, Verfahren, Form, Frist
3.3.2. Rechtswirkungen
3.3.3. Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten
3.3.3.1. Grundsatz
3.3.3.2. Beschränkungen
3.3.3.3. Folgen einer Überschreitung der Verfügungsbefugnis
3.3.3.4. Verfügungen von Todes wegen
3.3.4. Die Stellung der Erben
3.4. Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft
3.4.1. Beendigungsgründe
3.4.2. Verfahren zur Beendigung und Auseinandersetzung
3.4.2.1. Beendigung zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten
3.4.2.2. Beendigung aufgrund Todes des zunächst Überlebenden
4. Die gewillkürte Erbfolge bei Ehegatten
4.1. Einleitung
4.2. Überblick über das norwegisches Testamentsrecht
4.3. Arten von letztwilligen Verfügungen
4.3.1. Testamente
4.3.2. Gemeinschaftliche und gegenseitige Testamente
4.3.2.1. Inhalt und Wirksamkeit
4.3.2.2. Bindungswirkungen und Änderungen
4.3.2.2.1. Widerruf zu Lebzeiten
4.3.2.2.2. Widerruf und Testierungskompetenz nach dem ersten Todesfall
4.3.2.3. Rechtsverhältnisse nach dem ersten Todesfall
4.3.2.4. Rechtsverhältnisse nach dem zweiten Todesfall
4.3.3. Erbverträge
4.3.3.1 Übersicht und rechtliche Einordnung
4.3.3.2. Bindungswirkungen
4.3.3.3. Form des Erbvertrags
4.3.3.4. Testationskompetenz und Verfügungsbefugnis beim Erbvertrag
4.4. Beschränkung durch Noterbrechte
5. Der Erwerb der Erbschaft und Auseinandersetzung
5.1. Reformüberlegungen
5.2. Begrifflichkeiten
5.3. Erwerb des Nachlasses, Ausschlagung
5.4. Systematische Einordnung des Nachlasses
5.5. Private und öffentliche Auseinandersetzung und Haftung
5.6. Die Auseinandersetzung des Nachlasses in formellerSicht
5.6.1. Überblick über die Verfahren
5.6.2. Die Rechte des Ehegatten bei der Auseinandersetzung
6. Zusammenfassung
6. Kapitel: Das dänische Ehegattenerbrecht
1. Einführung
2. Rechtsgrundlagen und historische Rechtsentwicklung
2.1. Die Rechtsgrundlagen und die dänische Rechtsordnung
2.2. Die Geschichte des dänischen Ehegattenerbrechtes
3. Die Erbrechtsreform 2007/2008
4. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht
4.1. Überblick über die gesetzliche Erbfolge
4.2. Die Rechte des Ehegatten im Erbrecht
4.2.1. Der Begriff des Ehegatten
4.2.2. Der Nachlass eines Ehegatten
4.2.2.1. Güterstand
4.2.2.2. Auseinandersetzung des Güterstandes
4.2.2.3. Güterrechtliche Ergänzungsansprüche
4.2.3. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
4.2.4. Der Voraus § 11 AL
4.2.5. Das Ergänzungserbe „suppleringsarv“
4.2.6. Das „svogerskabsarv“
4.2.7. Das Pflichtteilsrecht bzw. Zwangserbe
4.2.7.1. Einordnung des Zwangserbes
4.2.7.2. Die Entwicklung und Ausgestaltung des Zwangserbes
4.3. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft „uskifte bo“
4.3.1. Umfang der fortgesetzten Gütergemeinschaft
4.3.2. Die Fortsetzung mit Abkömmlingen
4.3.2.1. Fortsetzung bei ehelichen Abkömmlingen
4.3.2.2. Fortsetzung bei außerehelichen Abkömmlingen
4.3.2.3. Fortsetzung bei unmündigen außerehelichen Abkömmlingen
4.3.3. Zulässigkeit der fortgesetzten Gütergemeinschaft
4.3.4. Verfügungsmacht d. Ehegatten zu Lebzeiten und von Todes wegen
4.3.5. Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft
5. Die gewillkürte Erbfolge bei Ehegatten
5.1. Allgemeine Voraussetzungen
5.2. Ehegattentestamente
5.2.1. Inhalt
5.2.2. Testierbefugnis der Ehegatten
5.2.2.1. Inkompetenz
5.2.2.2. Die quantitative Testierkompetenz
5.2.2.3. Die qualitative Testierkompetenz
5.2.2.3.1. Erbverträge
5.2.2.3.2. Gemeinschaftliche Testamente
5.3. Exkurs: Testamente unehelicher Lebensgemeinschaften
6. Der Erwerb der Erbschaft und Nachlasssicherung
6.1. Allgemeines
6.2. Die private Auseinandersetzung
6.3. Die öffentliche Auseinandersetzung
6.4. Haftung und Anfall der Erbschaft
6.5. Rechte des Ehegatten bei der Auseinandersetzung
6.6. Ausblick, Reform des Auseinandersetzungsverfahrens
7. Zusammenfassung
7. Kapitel: Die Stellung des Ehegatten im schwedischen Erbrecht
1. Einführung
2. Rechtsgrundlagen und historische Entwicklung
2.1. Rechtsgrundlagen und schwedische Rechtsordnung
2.2. Die historische Entwicklung des Ehegattenerbrechts in Schweden
3. Einfluss des Güterstandes - Nachlass eines Ehegatten
3.1. Grundsätze
3.2. Allgemeiner Güterstand
3.3. Auseinandersetzung des Güterstandes
3.4. Abweichende Regelungen vom Halbteilungsprinzip
3.5. Wahlgüterstände
3.6. Exkurs: registrierte Partnerschaften und nichteheliche Lebensgemeinschaften
4. Das gesetzliche Erbrecht
4.1. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
4.1.1. Die Stellung des Ehegatten als Vorerbe
4.1.2. Die Stellung des Ehegatten bei dem Vorhandensein von einseitigen Abkömmlingen
4.1.3. Die Stellung des Ehegatten ohne Abkömmlinge und Erben zweiter Klasse
4.2. Die Verfügungsbefugnis des Vorerben
4.2.1. Zu Lebzeiten
4.2.2. Von Todes wegen
4.3. Die „secundosuccession“ oder Nacherbfolge
4.4. Grundbetragsregelung - „basbeloppsregeln“
4.5. Das Erbrecht des Ehegatten im Verhältnis zu den Noterbrechten
4.5.1. Das Noterbrecht der Abkömmlinge
4.5.2. Ausgestaltung des Noterbrechts
4.5.3. Pflichtteilsansprüche und testamentarische Begünstigungen
5. Die gewillkürte Erbfolge
5.1. Grundsätze
5.2. Gemeinschaftliche Testamente
5.3.Testierungskompetenz
6. Der Erwerb der Erbschaft und die Nachlassauseinandersetzung
6.1. Die rechtliche Einordnung des Nachlasses
6.2. Die Auseinandersetzung in formeller Hinsicht
7. Zusammenfassung
8. Kapitel: Rechtsvergleichendes Resümee
1. Grundlagen
2. Das eheliche Güterrecht
2.1. Exkurs: gleichgeschlechtliche Partnerschaften und nichteheliche Lebensgemeinschaften
2.2. Der gesetzliche Güterstand
2.2.1. Wahlgüterstände
2.2.2. Anpassungsmöglichkeiten
2.3. Der Nachlass im ersten Todesfall
3. Die Stellung des Ehegatten bei der sofortigen Auseinandersetzung
3.1. Auseinandersetzung oder Aussetzung der Erbrechte
3.2. Das gesetzliche Erbrecht
3.2.1. Bei Erben erster Klasse/Ordnung
3.2.2. Bei Erben entfernterer Klassen/Ordnungen
3.2.3. Regelungen zur Nacherbfolge
3.3. Die Mindestbeteiligung des Ehegatten am Nachlass
3.3.1. Inhalt der Mindestbeteiligung
3.3.2. Ausgestaltung und Qualifikation der Mindestbeteiligung
3.4. Besondere Rechte des überlebenden Ehegatten
3.4.1. Güterrechtliche Ergänzungsansprüche
3.4.2. Erbrechtliche Ansprüche
3.4.2.1. Der Voraus
3.4.2.2. Unterhalt
4. Die Stellung des Ehegatten bei der aufgeschobenen Auseinandersetzung
4.1. Einordnung und Verhältnis zu den Erbrechten
4.2. Allgemeine Voraussetzungen
4.2.1. Zustimmung gemeinschaftlicher Abkömmlinge
4.2.2. Zustimmung einseitiger Abkömmlinge
4.3. Gegenstand der Fortsetzung
4.4. Rechtswirkungen
4.4.1. Haftung
4.4.2. Verfügungsbefugnis
4.4.2.1. Zu Lebzeiten
4.4.2.2. Von Todes wegen
4.5. Beendigung des „uskifte bo“
4.5.1. Beendigung zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten
4.5.1.1. Auf „Betreiben“ des Ehegatten
4.5.1.2. Auf Betreiben von Abkömmlingen
4.5.2. Auseinandersetzung zu Lebzeiten
4.5.3. Auseinandersetzung von Todes wegen
4.6. Fazit
5. Die gewillkürte Erbfolge
5.1. Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge
5.1.1. Gemeinschaftliche Testamente
5.1.2. Erbverträge
5.2. Bindungswirkungen zu Lebzeiten
5.3. Rechtsverhältnisse nach dem ersten Todesfall
5.3.1. Verfügungsbefugnis nach dem ersten Todesfall
5.3.2. Verfügungen von Todes wegen
5.3.2.1. Bindungen
5.3.2.2. Testationskompetenz im Übrigen
5.4. Rechtsverhältnisse im zweiten Todesfall
6. Der Erwerb der Erbschaft und Auseinandersetzung
6.1. Erwerb der Erbschaft
6.2. Einordnung des Nachlasses
6.3. Einantwortung
7. Fazit und Zusammenfassung
8. Ausblick
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis

Citation preview

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www.peterlang.de

ISBN 978-3-631-63755-5

Studien zum Europäischen Privatrecht

Susanne Markmiller · Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht

Das Familiengefüge ändert sich, das Erbrecht hingegen wird nicht oder nur geringfügig geändert. Die nordischen Länder haben die wandelnden Familienmuster erkannt und deshalb ihr Erbrecht, insbesondere die erbrechtliche Stellung des Ehegatten, sukzessive erweitert und gestärkt. Dabei hat zuletzt Dänemark im Jahr 2008 das Erbrecht tiefgreifend reformiert und sich hierbei am praktischen Bedarf und dem mutmaßlichen Erblasserwillen orientiert: Pragmatisch wurden dazu die Testamentspraxis der vergangenen Jahre erhoben und ausgewertet und die Erkenntnisse im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt. Ein untypisches Vorgehen im Vergleich zur positivistisch geprägten Gesetzgebung Österreichs. Und auch die auf Rechtsharmonisierung bedachten Länder Norwegen, Dänemark und Schweden sind bei den letzten Reformen und Gesetzesänderungen jeweils eigene Wege gegangen. In diesem Buch wird nach einer kurzen Einführung in den nordischen Rechtsraum und die Problematik des Ehegattenerbrechts sowie einem Überblick über das Ehegattenerbrecht Österreichs die Stellung des Ehegatten in den Erbgesetzen der genannten drei nordischen Länder dargestellt. Im Wege der Rechtsvergleichung wird die jeweilige erbrechtliche Stellung des Ehegatten im Erbrecht der untersuchten Länder gegenübergestellt.

Salzburger

Band 31

Susanne Markmiller Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht

Salzburger Studien zum Europäischen Privatrecht Herausgegeben von Prof. DDr. J. Michael Rainer

Band 31

Susanne Markmiller

Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 1435-609 ISBN 978-3-653-02851-5 (E-Book) DOI 10.3726/978-3-653-02851-5 ISBN 978-3-631-63755-5 (Print) © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2013 Alle Rechte vorbehalten. PL Academic Research ist ein Imprint der Peter Lang GmbH Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.peterlang.de

Ein besonderes Bedürfnis ist es mir, die außerordentliche Unterstützung des Dissertationsprojektes durch meinen Doktorvater Herrn Prof. DDr. DDr. h.c. Johannes Michael Rainer hervorzuheben. Ihm sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

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Vorwort Mit großer Freude habe ich die Doktorarbeit von Toni Susanne Markmiller über die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht betreut. Dies aus zweierlei Gründen. Erstens, sind die sogenannten nordischen Rechte eine Gruppe von Rechtsordnungen, die auch heute noch trotz der Annäherungen in Europa vielfach vernachlässigt werden. Dies völlig zu Unrecht. Die nordischen Rechte, insbesondere jene von der Autorin behandelten, das schwedische, dänische und norwegische Recht, zählen zu den interessantesten Rechtsordnungen weltweit. Sie haben, insbesondere das Schwedische, aber auch die anderen, maßgeblichen Einfluss an der Erneuerung des Privatrechtes, insbesondere im Bereiche des Familienrechts, des Erbrechts und des Konsumentenschutzrechts. Zum zweiten ist die von der Verfasserin gewählte Problematik von großem Interesse. In vielen Rechtsordnungen weltweit wird über grundsätzliche Lösungen des Erbrechtes diskutiert und viele dieser Lösungen werden in Frage gestellt, darunter eben auch das Erbrecht bzw. die erbrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Ehegatten. Insofern war es außerordentlich wünschenswert, dass eine qualifizierte Arbeit zum Erbrecht der Ehegatten aus der Perspektive der nordischen Rechte verfasst wurde. Dies ist freilich nur möglich, wenn einem nicht nordischen Juristen die sprachlichen Kompetenzen zu Eigen sind. Toni Susanne Markmiller hat diese Kompetenzen mitgebracht und sie in bewundernswerter Weise verarbeiten können. Es ist dies die einzige Arbeit zu einem Rechtsproblem an der Schnittstelle zwischen Familie und Erbrecht, das in deutscher Sprache verfasst wurde. Gerade die deutschsprachigen Juristen sollten sich in weit größerem Ausmaße um jene Lösungen bemühen, die in den einzelnen nordischen Rechtsordnungen gefunden wurden und sie sollten insbesondere die überaus lebendige und juristisch hochstehende Debatte in jenen Ländern mit verfolgen. Dies ist vielfach aufgrund der sprachlichen Barrieren nicht möglich und insofern gebührt diesem Buche eine ganz außerordentliche Aufmerksamkeit. Was die nordischen Rechte weiters auszeichnet, ist ihre uneingeschränkte Verbindung zur Realität des Lebens. Die nordischen Rechte sind in viel höherem Ausmaße als dies in unseren Rechten, aber auch in den Rechten des romanischen Rechtskreises der Fall ist, mit der gesellschaftlichen Entwicklung verwoben, auch dieser Aspekt kommt in der Arbeit von Markmiller in bemerkenswerter Weise zum Tragen. Das klar und übersichtlich gestaltete Buch wird zur Diskussion de lege ferenda in den deutschsprachigen Ländern anregen. Es ist aber zum anderen auch überaus praxistauglich, können wir doch in ganz Europa ein ständiges Ansteigen von Rechtsfällen aus dem Familien- und Erbrecht beobachten, in welchem mehrere Rechtsordnungen beteiligt sind. Dies betrifft auch sämtliche skandinavischen Länder. Insofern sei dieses Buch nicht nur den wis-

8 senschaftlich arbeitenden Juristen, insbesondere aus dem Bereiche der Rechtsvergleichung anempfohlen, sondern auch denjenigen Praktikern, die eng mit ihren Kollegen in Schweden, Dänemark und Norwegen zusammenarbeiten. o.Univ. Prof. DDr. DDr. h.c. J. Michael Rainer

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Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................... 17 1. Kapitel: Einleitung .......................................................................................... 19 2. Kapitel: Der nordische Rechtsraum ................................................................ 21 1. Die nordische Zusammenarbeit .................................................................... 21 1.1. Helsinkivertrag ....................................................................................... 21 1.2. Zusammenarbeit im Bereich der Erbrechtsgesetzgebung ...................... 22 2. Rechtsphilosophische Grundlagen ............................................................... 24 3. Methode der Gesetzgebung .......................................................................... 24 4. Rechtsquellen und Methode der Rechtsfindung .......................................... 26 3. Kapitel: Die Grundlagen der Ehe und des Erbrechts ...................................... 29 1. Die Familie ................................................................................................. 29 2. Die Ehe ................................................................................................. 30 3. Die Grundlagen des Erbrechts ...................................................................... 31 4. Erbrecht des überlebenden Ehegatten .......................................................... 33 4. Kapitel: Die Stellung des Ehegatten im österreichischen Recht, ein Überblick ..................................................................................... 37 1. Einführung ................................................................................................. 37 2. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ....................................................... 37 2.1. Grundlagen und Umfang des Ehegattenerbrechts .................................. 38 2.1.1. Das Ehegattenerbrecht ............................................................ 38 2.1.2. Umfang des Ehegattenerbrechts ............................................. 40 2.2. Der Nachlass und der Einfluss des Güterstandes ................................... 40 2.2.1. Unterhaltsverpflichtungen....................................................... 41 2.2.2. Einfluss des Güterstandes ....................................................... 41 2.2.2.1. Gütertrennung ...................................................................... 41 2.2.2.2. Gütergemeinschaft ............................................................... 43 2.2.2.3. Errungenschafts- und Zugewinngemeinschaft .................... 44 2.2.3. Die Auseinandersetzung des Güterstandes im Todesfall, § 81 EheG ........................................................................... 44 3. Das Vorausvermächtnis ................................................................................ 46 4. Weitere Rechte des überlebenden Ehegatten ............................................... 48

10 4.1. Unterhaltspflicht des überlebenden Ehegatten § 796 ABGB ................ 48 4.2. Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten ....................................... 50 4.3. Sonstige Rechte ...................................................................................... 50 5. Das Pflichtteilsrecht...................................................................................... 50 6. Die gewillkürte Erbfolge .............................................................................. 51 6.1. Das gemeinschaftliche Testament, Errichtung und Aufhebung ............. 51 6.2. Der Erbvertrag ........................................................................................ 53 6.3. Der Ehegatte als Allein- bzw. Vorerbe .................................................. 53 7. Nachlassverfahren und Auseinandersetzung des Nachlasses ...................... 55 8. Zusammenfassung ........................................................................................ 55 5. Kapitel: Das norwegische Ehegattenerbrecht ................................................. 59 1. Rechtsgrundlagen und historische Rechtsentwicklung ................................ 59 1.1. Die Rechtsgrundlagen und die norwegische Rechtsordnung ................. 59 1.2. Die Geschichte des norwegischen Ehegattenerbrechts .......................... 59 2. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht ............................................................... 62 2.1. Überblick über die gesetzliche Erbfolge ................................................ 62 2.2. Die Rechte des Ehegatten im Todesfall ................................................. 63 2.2.1. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ................................. 63 2.2.2. Der Begriff des Ehegatten ....................................................... 63 2.2.3. Exkurs: Samboer - nichteheliche Lebensgemeinschaft .......... 64 2.2.4. Der Nachlass eines Ehegatten ................................................. 65 2.2.4.1. Güterstand ............................................................................ 66 2.2.4.2. Auseinandersetzung des Güterstandes ................................. 69 2.2.4.3. Exkurs: Ansprüche aufgrund Haushaltsführung .................. 70 2.2.4.4. Zusammensetzung des Nachlasses ...................................... 72 2.3. Voraus, Übernahmerecht und Ersatzansprüche ..................................... 72 2.4. Das Mindesterbe ..................................................................................... 73 3. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft „uskifte bo“......................................... 76 3.1. Einleitung................................................................................................ 77 3.2. Gegenstand und Voraussetzungen der Fortsetzung ............................... 78 3.2.1. Befugnis zur Fortsetzung ........................................................ 79 3.2.2. Gegenstand der Fortsetzung.................................................... 80

11 3.2.3. Dispositionsmöglichkeiten...................................................... 80 3.2.4. Allgemeine Voraussetzung ..................................................... 83 3.3. Zulässigkeit und Rechtswirkungen der fortgesetzten Gütergemeinschaft .................................................................. 83 3.3.1. Zuständigkeit, Verfahren, Form, Frist .................................... 83 3.3.2. Rechtswirkungen..................................................................... 84 3.3.3. Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten .................. 84 3.3.3.1. Grundsatz ............................................................................. 85 3.3.3.2. Beschränkungen ................................................................... 85 3.3.3.3. Folgen einer Überschreitung der Verfügungsbefugnis ........ 86 3.3.3.4. Verfügungen von Todes wegen ........................................... 87 3.3.4. Die Stellung der Erben ............................................................ 88 3.4. Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft ................................. 89 3.4.1. Beendigungsgründe................................................................. 89 3.4.2. Verfahren zur Beendigung und Auseinandersetzung ............. 90 3.4.2.1. Beendigung zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten ...... 90 3.4.2.2. Beendigung aufgrund Todes des zunächst Überlebenden ... 91 4. Die gewillkürte Erbfolge bei Ehegatten ....................................................... 91 4.1. Einleitung................................................................................................ 91 4.2. Überblick über das norwegisches Testamentsrecht ............................... 92 4.3. Arten von letztwilligen Verfügungen ..................................................... 92 4.3.1. Testamente .............................................................................. 93 4.3.2. Gemeinschaftliche und gegenseitige Testamente ................... 94 4.3.2.1. Inhalt und Wirksamkeit ....................................................... 95 4.3.2.2. Bindungswirkungen und Änderungen ................................. 95 4.3.2.2.1. Widerruf zu Lebzeiten ...................................................... 95 4.3.2.2.2. Widerruf und Testierungskompetenz nach dem ersten Todesfall ............................................................................. 96 4.3.2.3. Rechtsverhältnisse nach dem ersten Todesfall .................... 97 4.3.2.4. Rechtsverhältnisse nach dem zweiten Todesfall ................. 98 4.3.3. Erbverträge .............................................................................. 98 4.3.3.1 Übersicht und rechtliche Einordnung ................................... 98 4.3.3.2. Bindungswirkungen ............................................................. 99

12 4.3.3.3. Form des Erbvertrags ......................................................... 100 4.3.3.4. Testationskompetenz und Verfügungsbefugnis beim Erbvertrag ......................................................................... 100 4.4. Beschränkung durch Noterbrechte ....................................................... 101 5. Der Erwerb der Erbschaft und Auseinandersetzung .................................. 102 5.1. Reformüberlegungen ............................................................................ 102 5.2. Begrifflichkeiten ................................................................................... 103 5.3. Erwerb des Nachlasses, Ausschlagung ................................................ 104 5.4. Systematische Einordnung des Nachlasses .......................................... 105 5.5. Private und öffentliche Auseinandersetzung und Haftung................... 106 5.6. Die Auseinandersetzung des Nachlasses in formeller Sicht ................ 107 5.6.1. Überblick über die Verfahren ............................................... 108 5.6.2. Die Rechte des Ehegatten bei der Auseinandersetzung ........ 108 6. Zusammenfassung ...................................................................................... 109 6. Kapitel: Das dänische Ehegattenerbrecht...................................................... 111 1. Einführung ............................................................................................... 111 2. Rechtsgrundlagen und historische Rechtsentwicklung .............................. 111 2.1. Die Rechtsgrundlagen und die dänische Rechtsordnung ..................... 111 2.2. Die Geschichte des dänischen Ehegattenerbrechtes............................. 112 3. Die Erbrechtsreform 2007/2008 ................................................................. 115 4. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht ............................................................. 118 4.1. Überblick über die gesetzliche Erbfolge .............................................. 118 4.2. Die Rechte des Ehegatten im Erbrecht ................................................. 119 4.2.1. Der Begriff des Ehegatten..................................................... 119 4.2.2. Der Nachlass eines Ehegatten ............................................... 120 4.2.2.1. Güterstand .......................................................................... 120 4.2.2.2. Auseinandersetzung des Güterstandes ............................... 122 4.2.2.3. Güterrechtliche Ergänzungsansprüche .............................. 123 4.2.3. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ............................... 124 4.2.4. Der Voraus § 11 AL .............................................................. 125 4.2.5. Das Ergänzungserbe „suppleringsarv“ ................................. 125 4.2.6. Das „svogerskabsarv“ ........................................................... 126

13 4.2.7. Das Pflichtteilsrecht bzw. Zwangserbe ................................. 127 4.2.7.1. Einordnung des Zwangserbes ............................................ 127 4.2.7.2. Die Entwicklung und Ausgestaltung des Zwangserbes ..... 129 4.3. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft „uskifte bo“................................. 131 4.3.1. Umfang der fortgesetzten Gütergemeinschaft ...................... 131 4.3.2.1. Fortsetzung bei ehelichen Abkömmlingen ........................ 133 4.3.2.2. Fortsetzung bei außerehelichen Abkömmlingen ............... 133 4.3.2.3. Fortsetzung bei unmündigen außerehelichen Abkömmlingen ................................................................. 133 4.3.3. Zulässigkeit der fortgesetzten Gütergemeinschaft................ 134 4.3.4. Verfügungsmacht d. Ehegatten zu Lebzeiten und von Todes wegen ..................................................................... 135 4.3.5. Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft ................ 136 5. Die gewillkürte Erbfolge bei Ehegatten ..................................................... 137 5.1. Allgemeine Voraussetzungen ............................................................... 137 5.2. Ehegattentestamente ............................................................................. 138 5.2.1. Inhalt ..................................................................................... 139 5.2.2. Testierbefugnis der Ehegatten .............................................. 139 5.2.2.1. Inkompetenz ....................................................................... 139 5.2.2.2. Die quantitative Testierkompetenz .................................... 140 5.2.2.3. Die qualitative Testierkompetenz ...................................... 140 5.2.2.3.1. Erbverträge ...................................................................... 140 5.2.2.3.2. Gemeinschaftliche Testamente ....................................... 141 5.3. Exkurs: Testamente unehelicher Lebensgemeinschaften ..................... 141 6. Der Erwerb der Erbschaft und Nachlasssicherung ..................................... 143 6.1. Allgemeines .......................................................................................... 144 6.2. Die private Auseinandersetzung ........................................................... 144 6.3. Die öffentliche Auseinandersetzung .................................................... 145 6.4. Haftung und Anfall der Erbschaft ........................................................ 146 6.5. Rechte des Ehegatten bei der Auseinandersetzung .............................. 146 6.6. Ausblick, Reform des Auseinandersetzungsverfahrens ....................... 147 7. Zusammenfassung ...................................................................................... 148 7. Kapitel: Die Stellung des Ehegatten im schwedischen Erbrecht .................. 149

14 1. Einführung ............................................................................................... 149 2. Rechtsgrundlagen und historische Entwicklung ........................................ 149 2.1. Rechtsgrundlagen und schwedische Rechtsordnung............................ 149 2.2. Die historische Entwicklung des Ehegattenerbrechts in Schweden ..... 150 3. Einfluss des Güterstandes - Nachlass eines Ehegatten .............................. 151 3.1. Grundsätze ............................................................................................ 152 3.2. Allgemeiner Güterstand........................................................................ 152 3.3. Auseinandersetzung des Güterstandes ................................................. 154 3.4. Abweichende Regelungen vom Halbteilungsprinzip ........................... 154 3.5. Wahlgüterstände ................................................................................... 156 3.6. Exkurs: registrierte Partnerschaften und nichteheliche Lebensgemeinschaften .......................................................... 157 4. Das gesetzliche Erbrecht ............................................................................ 158 4.1. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ............................................... 158 4.1.1. Die Stellung des Ehegatten als Vorerbe ............................... 159 4.1.2. Die Stellung des Ehegatten bei dem Vorhandensein von einseitigen Abkömmlingen ............................................... 161 4.1.3. Die Stellung des Ehegatten ohne Abkömmlinge und Erben zweiter Klasse ................................................................... 162 4.2. Die Verfügungsbefugnis des Vorerben ................................................ 162 4.2.1. Zu Lebzeiten ......................................................................... 162 4.2.2. Von Todes wegen ................................................................. 163 4.3. Die „secundosuccession“ oder Nacherbfolge....................................... 165 4.4. Grundbetragsregelung - „basbeloppsregeln“........................................ 166 4.5. Das Erbrecht des Ehegatten im Verhältnis zu den Noterbrechten ....... 167 4.5.1. Das Noterbrecht der Abkömmlinge ...................................... 167 4.5.2. Ausgestaltung des Noterbrechts............................................ 168 4.5.3. Pflichtteilsansprüche und testamentarische Begünstigungen168 5. Die gewillkürte Erbfolge ............................................................................ 169 5.1. Grundsätze ............................................................................................ 169 5.2. Gemeinschaftliche Testamente............................................................. 170 5.3.Testierungskompetenz ........................................................................... 171 6. Der Erwerb der Erbschaft und die Nachlassauseinandersetzung ............... 172

15 6.1. Die rechtliche Einordnung des Nachlasses .......................................... 172 6.2. Die Auseinandersetzung in formeller Hinsicht .................................... 172 7. Zusammenfassung ...................................................................................... 173 8. Kapitel: Rechtsvergleichendes Resümee ...................................................... 177 1. Grundlagen ............................................................................................... 177 2. Das eheliche Güterrecht ............................................................................. 178 2.1. Exkurs: gleichgeschlechtliche Partnerschaften und nichteheliche Lebensgemeinschaften .......................................................... 179 2.2. Der gesetzliche Güterstand ................................................................... 180 2.2.1. Wahlgüterstände ................................................................... 181 2.2.2. Anpassungsmöglichkeiten .................................................... 182 2.3. Der Nachlass im ersten Todesfall ......................................................... 183 3. Die Stellung des Ehegatten bei der sofortigen Auseinandersetzung.......... 184 3.1. Auseinandersetzung oder Aussetzung der Erbrechte ........................... 184 3.2. Das gesetzliche Erbrecht ...................................................................... 185 3.2.1. Bei Erben erster Klasse/Ordnung ......................................... 185 3.2.2. Bei Erben entfernterer Klassen/Ordnungen .......................... 186 3.2.3. Regelungen zur Nacherbfolge .............................................. 187 3.3. Die Mindestbeteiligung des Ehegatten am Nachlass ........................... 188 3.3.1. Inhalt der Mindestbeteiligung ............................................... 188 3.3.2. Ausgestaltung und Qualifikation der Mindestbeteiligung .... 190 3.4. Besondere Rechte des überlebenden Ehegatten ................................... 191 3.4.1. Güterrechtliche Ergänzungsansprüche ................................. 191 3.4.2. Erbrechtliche Ansprüche ....................................................... 192 3.4.2.1. Der Voraus ......................................................................... 192 3.4.2.2. Unterhalt............................................................................. 193 4. Die Stellung des Ehegatten bei der aufgeschobenen Auseinandersetzung .............................................................. 194 4.1. Einordnung und Verhältnis zu den Erbrechten .................................... 194 4.2. Allgemeine Voraussetzungen ............................................................... 197 4.2.1. Zustimmung gemeinschaftlicher Abkömmlinge .................. 197 4.2.2. Zustimmung einseitiger Abkömmlinge ................................ 198 4.3. Gegenstand der Fortsetzung ................................................................. 198

16 4.4. Rechtswirkungen .................................................................................. 199 4.4.1. Haftung.................................................................................. 200 4.4.2. Verfügungsbefugnis .............................................................. 200 4.4.2.1. Zu Lebzeiten ...................................................................... 200 4.4.2.2. Von Todes wegen .............................................................. 202 4.5. Beendigung des „uskifte bo“ ................................................................ 204 4.5.1. Beendigung zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten ....... 204 4.5.1.1. Auf „Betreiben“ des Ehegatten .......................................... 204 4.5.1.2. Auf Betreiben von Abkömmlingen.................................... 205 4.5.2. Auseinandersetzung zu Lebzeiten ........................................ 205 4.5.3. Auseinandersetzung von Todes wegen ................................. 206 4.6. Fazit

............................................................................................... 206

5. Die gewillkürte Erbfolge ............................................................................ 207 5.1. Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge.................................. 208 5.1.1. Gemeinschaftliche Testamente ............................................. 208 5.1.2. Erbverträge ............................................................................ 209 5.2. Bindungswirkungen zu Lebzeiten ........................................................ 209 5.3. Rechtsverhältnisse nach dem ersten Todesfall ..................................... 210 5.3.1. Verfügungsbefugnis nach dem ersten Todesfall................... 210 5.3.2. Verfügungen von Todes wegen ............................................ 211 5.3.2.1. Bindungen .......................................................................... 211 5.3.2.2. Testationskompetenz im Übrigen ...................................... 211 5.4. Rechtsverhältnisse im zweiten Todesfall ............................................. 212 6. Der Erwerb der Erbschaft und Auseinandersetzung .................................. 213 6.1. Erwerb der Erbschaft ............................................................................ 213 6.2. Einordnung des Nachlasses .................................................................. 214 6.3. Einantwortung ...................................................................................... 214 7. Fazit und Zusammenfassung ...................................................................... 215 8. Ausblick

............................................................................................... 215

Literaturverzeichnis ........................................................................................... 221 Rechtsprechungsverzeichnis ............................................................................. 227

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Abkürzungsverzeichnis BlgNR EvBl LGZ NJA NOU NZ OGH OLG RG RH RT RZ SOU SZ TfR UfR ZVglRWiss

Beilage(n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen; in: Österreichische Juristen Zeitung (Österreich) Landesgericht für Zivilsachen Nytt Juridisk Arkiv (Schweden) Norges Offentlige Utredningar (Norwegen) Österreichische Notariatszeitung (Österreich) Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht (Österreich) Rettens Gang (Norwegen) Rättsfall från Hovrätterna (Schweden) Norsk Retstidene (Norwegen) Richterzeitung (Österreich) Statens Offentlige Utredningar (Schweden) Entscheidungen des österreichischen obersten Gerichtshof in Zivil- und Justizverwaltungssachen (Österreich) Tidskrift for Rettsvitenskap (Norwegen) Ugeskrift for Retsvæsen (Dänemark) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

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1. Kapitel: Einleitung Die Ehegatten sind nicht blutsverwandt und nur durch das Band der Ehe aneinander gebunden1. Die erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten wird in verschiedenen Rechtsordnungen nicht nur unterschiedlich betrachtet, es werden vielmehr an die Stellung des Ehegatten andere Rechtsfolgen geknüpft. Die Stellung des Ehegatten im erbrechtlichen Gefüge weist zwischen den Rechtsordnungen die größten Unterschiede auf2. Grund hierfür ist, dass die Beteiligung des Ehegatten am Nachlass des Verstorbenen rechtsgeschichtlich betrachtet neu ist. Die Beteiligung am Nachlass stand traditionell alleine den Blutsverwandten zu3. Eine Beteiligung des Ehegatten ist rechtsgeschichtlich sogar als umstritten zu bezeichnen. Vielfach wird der Ehegatte im Todesfall auf den güterrechtlichen Ausgleich verwiesen4, denn eine erbrechtliche Beteiligung des Ehegatten führt immer zu einer Beschneidung der Rechte der Abkömmlinge. Die Unterschiede knüpfen primär folgerichtig darauf an, ob der Ehegatte im Todesfall einen ehegüterrechtlichen Ausgleich erwarten kann oder ob er auf ein Erbrecht verwiesen wird. Diese eigentlich stringente Unterscheidung ist durch zahlreiche sozialpolitisch motivierte Reformen vor allem im Zuge der 60er- und 70er Jahre zwischenzeitlich aufgeweicht worden5. Zu Lasten der Abkömmlinge ist eine Ausweitung der Rechte des Ehegatten zu beobachten. Dies führt zu einem komplizierten Zusammenspiel von Ehegüter- und Ehegattenerbrecht, so auch in den nordischen Rechtsordnungen. Die nordischen Rechtsordnungen haben trotz aller Neigung zur Harmonisierung getrennte Wege eingeschlagen6, jedoch nach und nach in den letzten 100 Jahren tiefgreifende Reformen bei der Stellung des Ehegatten angesetzt. Zwischenzeitlich ist die Beteiligung des Ehegatten am Nachlass nicht nur innerhalb der Bevölkerung, sondern auch vom Gesetzgeber weithin akzeptiert und wird als selbstverständlich vorausgesetzt, wobei zu beobachten ist, dass das Gerechtigkeitsempfinden innerhalb der Bevölkerung regelmäßig dem Ehegatten eine stärkere Stellung einräumt und dies auch zum Gegenstand der gewillkürten 1 2 3 4 5 6

Neumayer, International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. V Succession, S. 3104. Welser, 17. ÖJT, S. 22. Neumayer, aaO, S. 3-104. Neumayer, aaO, S. 3-104. Neumayer, FS Ferid, S. 669. Neumayer in FS Ferid, Bewegung und Bewahrung im Erbrecht der Nationen, S. 666.

20 Erbfolge macht7. Daneben haben die skandinavischen Rechtsordnungen sukzessive ein Erbrecht des in „wilder Ehe“ lebenden Lebensgefährten eingeführt. Dies mag einhergehen mit dem Funktionsverlust der Familie, die das Verwandtenerbrecht begründet und der wachsenden Bedeutung der Ehegattenfamilie, auch wenn die Definition der Ehe selbst im Wandel begriffen ist. Bemerkenswert ist an den Rechtsordnungen der nordischen Staaten, dass diese trotz steigender Scheidungsraten in den letzten 50 Jahren die erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten sukzessive ausgeweitet haben und ihn auch einschneidend zu Lasten von Abkömmlingen im Todesfall bevorzugen. Lediglich bei der Frage der einseitigen Abkömmlinge wird die Stellung des Ehegatten beschnitten. Eine derartige Anknüpfung an die Familienstruktur ist dem österreichischen Recht gänzlich fremd, wie auch eine erbrechtliche Beteiligung des unehelichen Lebensgefährten. Überhaupt ist das Erbrecht kaum oder nur im geringen Maße, trotz der Aktivitäten des Gesetzgebers im übrigen Privatrecht, angetastet worden8. Anlässlich des 17. österreichischen Juristentages wurden das Erbrecht und vor allem das Ehegattenerbrecht im Jahr 2009 diskutiert. Alleine die Tatsache, dass sich der österreichische Juristentag bereits mit der Reformierung des Erbrechts auseinandergesetzt hat, zeigt die Bedeutung des Themas und den schwelenden Reformbedarf. Im Einzelnen weicht die Ausgestaltung des Ehegüter- und Ehegattenerbrechts, aber auch die Mindestbeteiligung des Ehegatten am Nachlass erheblich in den untersuchten Rechtsordnungen ab. Hier sind die größten Unterschiede feststellbar und zwar nicht nur zwischen dem österreichischen und dem nordischen Recht, sondern auch innerhalb des nordischen Rechtsraums, obwohl das nordische Erbrecht selbst auf denselben Grundwerten basiert und zumindest ähnliche Ergebnisse bezweckt9. Nachfolgend soll deshalb nach einem Überblick über den nordischen Rechtsraum und einer Skizzierung der Problematik des Ehegattenerbrechts die Stellung des Ehegatten in Österreich kurz überblicksartig dargestellt werden und sodann das jeweilige Erbrecht, insbesondere die Stellung des überlebenden Ehegatten in den Ländern Norwegens, Dänemarks und Schwedens, untersucht werden. Hieran anschließend werden die Regelungen untereinander verglichen und gewürdigt.

7

8 9

Für Österreich kann auf die stichpunktartigen Untersuchungen von Freisitzer: „Die Ausgestaltung des österreichischen Erbrechts und die Rolle der empirischen Sozialforschung“ S. 102 ff. verwiesen werden. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 409. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 39.

21

2. Kapitel: Der nordische Rechtsraum Die Verwendung des Begriffs „nordischer“ oder „skandinavischer Rechtsraum“ kann missverständlich sein, denn ein einheitliches Rechtssystem besteht trotz umfangreicher Rechtsvereinheitlichungsversuche im Zuge der nordischen Zusammenarbeit nicht10. Historisch hat Skandinavien und auch Dänemark aufgrund der abgeschiedenen Lage teilweise eine andere bzw. abgeschwächte Entwicklung wie Zentraleuropa erfahren, daneben war die Bevölkerungsdichte in Skandinavien und auch Dänemark noch nie so hoch wie in Kontinentaleuropa. All diese Faktoren schlagen sich auch im Rechtsdenken, welches mehr vom Pragmatismus und weniger von einer Vergeistigung geprägt ist, nieder. Sofern im Folgenden von den „nordischen Rechtsordnungen“ die Rede ist, bezieht sich dies auf die untersuchten Rechtsordnungen der Länder Norwegen, Dänemark und Schweden.

1. Die nordische Zusammenarbeit Der heutige Zustand der nordischen Rechtsordnungen beruht hauptsächlich auf der seit über 100 Jahren währenden, internordischen Zusammenarbeit in vielen Teilbereichen.

1.1. Helsinkivertrag Diese Zusammenarbeit hat, da sie sehr eng und detailliert ist, auf die Gesetzgebung in den einzelnen Staaten großen Einfluss gehabt, obwohl diese Zusammenarbeit keinen bindenden Charakter hat und zum Teil auf einer informellen und unbürokratischen Basis erfolgt11. Grundlage der aktuellen Zusammenarbeit ist der sogenannte Helsinkivertrag aus dem Jahr 196212, welcher eine rechtliche Kooperation vorsieht. Beabsichtigt ist ein einheitliches nordisches Recht, insbesondere im Bereich des Privatrechts13. Die Zusammenarbeit erfolgt durch die nationale Einrichtung gesetzgebender Ausschüsse, die gemeinsame internordische Beratungen durchführen. Sie erheben die jeweiligen Regelungen der beteiligten Länder und bewerten sie. Auf die10 11 12 13

Ring/Olsen-Ring, Einführung in das skandinavische Recht, S. 2. Ring/Olsen-Ring, aaO,S. 2, 3. Helsingforsavtalet (Grundvertrag) vom 23.03.1962, der am 01.07.1962 in Kraft getreten ist. Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 6.

22 ser Grundlage entstehen sodann Gesetzentwürfe, über die in den nationalen Parlamenten beraten wird, wobei der Gesetzesharmonisierung regelmäßig ein starkes Gewicht zukommt14. Die politische Zusammenarbeit erfolgt in dem 1951 errichteten Nordisk Råd bzw. nordischen Rat, dem Parlamentarier aller beteiligten Länder angehören. Daneben existiert der 1971 gegründete Ministerrat (Nordisk Ministerråd), dieser koordiniert die Zusammenarbeit der einzelnen Regierungen15.

1.2. Zusammenarbeit im Bereich der Erbrechtsgesetzgebung Bei der nordischen Erbrechtgesetzgebung hat man gemeinsame Grundlagen, obwohl es verschiedene historisch-traditionelle Ausgangspunkte gibt. Man kann zwei Hauptbereiche unterscheiden, nämlich den schwedisch-finnischen oder ostnordischen Rechtsraum und den dänisch-norwegisch-isländischen bzw. westnordischen Rechtsraum. Ersterer ist durch das Reichsgesetz von 1734, welches in Teilbereichen von Schweden und Finnland immer noch Geltung hat16, geprägt, letzterer von der Gesetzgebung Christian V. und der gemeinsamen Verwaltungstradition der historisch jahrelang verbundenen Länder17. Auf dem Treffen der nordischen Justizminister in Stockholm im Dezember 1953 wurde bekräftigt, dass die Erbgesetzgebung zum Gegenstand der gemeinsamen Erörterungen gemacht wird und eine Einheitlichkeit auf diesem Gebiet angestrebt wird. Es handelt sich um ein Bekenntnis zu der beabsichtigten Zusammenarbeit vom 19. November 193418. In den folgenden vier Treffen der nordischen Justizminister wurde das Mandat des schwedischen Repräsentanten hinsichtlich der Stellung des Ehegatten im Jahr 1956 auf den eines Beobachters zurückgestuft19. Trotzdem hat Schweden durch die Gesetzgebung bereits im Jahr 1924 und sodann nochmals im Jahr 1958 einen Alleingang gemacht, der für Irritationen bei den übrigen nordischen Ländern gesorgt hat20. Hieraus haben die Länder Dänemark im Jahr 1963 und Norwegen im Jahr 1972 Konsequenzen gezogen und ebenfalls auf die Harmonisierungsmöglichkeiten im nationalen Gesetzge-

14 15 16 17 18 19 20

Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 5. Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 6. Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 4. Lødrup, Arverett, S. 209, Snævarr, FS Borum, S. 491, 492. Snævarr, FS Borum, S. 491. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 38. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 1.

23 bungsprozess kaum bzw. gar keine Rücksicht genommen, obwohl letztere Länder von den gemeinsamen Gesetzesvorarbeiten profitiert haben21. Im Zuge des Helsinkivertrages und in der Folge aufgrund eines Auftrages des nordischen Ministerrates vom 01.06.1998 wurde eine Studie des Familienund Erbrechts in Auftrag gegeben, die eine Bestandsaufnahme, eine Praxisauswertung und die Möglichkeiten einer Gesetzesharmonisierung ausloten sollte22. Man wollte die angefangene gemeinsame Zusammenarbeit wieder aufnehmen. Die Ergebnisse wurden 2003 in zwei je ca. 300-seitigen Büchern der beiden Hauptberichtserstatter, dem norwegischen Professor Lødrup und dem schwedischen Professor Agell zusammengefasst. In Bezug auf alle untersuchten Rechtsordnungen wird kritisiert, dass die Trennung der Ehegatten zu Lebzeiten andere Rechtsfolgen auslöst als der Tod und dass dies aus Sicht der Gatten und deren Abkömmlingen kaum einen zufriedenstellenden Zustand darstellt23. Im Rahmen der Untersuchungen wurde festgestellt, dass gerade in der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten die wesentlichsten Unterschiede bestehen24. Aufgrund der Unterschiede zwischen den westlichen Ländern Norwegen, Dänemark und Island auf der einen, sowie Schweden und Finnland auf der anderen Seite, wurde lediglich in Teilbereichen eine Harmonisierung empfohlen und offen gelassen, ob und wie eine Harmonisierung aussehen kann, die wenn, dann nur aufgrund eines entsprechenden politischen Willens möglich ist 25. Demnach ist es nicht sinnvoll, im Rahmen der Harmonisierung nur auf die bereits existierenden Regelungen abzustellen und hierunter auszuwählen. Erforderlich ist vielmehr eine Gesetzgebung, die sich an den Erscheinungsformen der Ehe und des Erbgangs in der Gesellschaft richtet26. Es wurde aber explizit festgehalten, dass die Grundwertungen in den einzelnen Ländern im Wesentlichen dieselben sind27. In der Folge kam es, insbesondere in Dänemark im Jahr 2008, zu einer Erbrechtsreform, aber auch in Norwegen kam es im Juni 2009 zu einer Anpassung des Erbrechts. Hierbei wurden die Ergebnisse der Zusammenarbeit jedoch allenfalls indirekt berücksichtigt. Das Ziel einer Rechtsvereinheitlichung ist wenn, dann nur auf einen längeren Zeitraum möglich. 21 22 23 24 25 26 27

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 39/40. Agell/Lødrup, Äktenskapsrätten och Successionsrätten, S. 39, Lødrup, Nordisk Arverett, S. 1. Lødrup, Nordisk Arverett,S. 30. Lødrup, Nordisk Arverett,S. 39. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 34. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 31. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 34.

24

2. Rechtsphilosophische Grundlagen Zum Verständnis des nordischen Rechtsraums und des nordischen Rechtsdenkens und damit der Erkenntnis, Auslegung und Beschreibung des Rechts, muss kursorisch auf die nordische Rechtsphilosophie eingegangen werden, die das Rechtsdenken, aber auch die Gesetzgebung nachhaltig beeinflusst hat und immer noch beeinflusst. Das skandinavische Rechtsdenken ist weniger vergeistigt, als dies im deutschen Rechtsraum der Fall ist. Anfang der 30er Jahre wurde unter dem Begriff „skandinavischer Realismus“ diese Denkweise als Bezeichnung für die Lehrmeinungen einiger schwedischer und dänischer Philosophen sowie Rechtswissenschaftler geprägt. Diesen gemeinsam ist, dass sie die Ableitung des Rechts „a priori“ aus Denkgesetzen im Wesentlichen ablehnen. Maßgebend ist vielmehr die Wirklichkeit, also die „Summe, der nach dem Kausalitätsgesetz miteinander verknüpften Erscheinungen in Raum und Zeit“ 28, folgerichtig gibt es auch kein „Sollen“ bzw. gibt es keine Werte an die man sich halten muss 29. Auch nicht im Rahmen der Gesetzgebung. Insbesondere die unter anderem von A. Hägerström (1868-1939) gegründete „Uppsala-Schule der Philosophie“ hat die Rechtstheorie nachhaltig beeinflusst30. Demnach kann „das Recht nicht im Lichte einer Rechtsidee oder nach materialen Gerechtigkeitsnormen betrachtet werden. Das Recht muss vielmehr als eine rein tatsächliche Erscheinung der Wirklichkeit betrachtet werden“31. Rechtsnormen werden nicht als Imperative aufgefasst, diese müssen auch nicht nach dem Willen des Gesetzgebers ausgelegt werden. Die Rechtsnormen müssen sich vielmehr auf die Wirklichkeit und deren Sachlagen beziehen und der Gesetzgeber muss sich informieren, wie sie beschaffen sind32. Diese Denkweise hat großen Einfluss auf die Rechtswirklichkeit, Rechtswissenschaft sowie Gesetzgebung und korrespondiert mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung.

3. Methode der Gesetzgebung Als Folge der rechtsphilosophischen Begründung unterscheidet sich die Methode der Rechtsfindung und der Gesetzgebung im nordischen Recht bzw. den nordischen Rechtsordnungen von der auch Österreich prägenden Rechtsetzung. 28 29 30 31 32

Bjarup, Skandinavischer Realismus, S. 10, 39 ff.. Bjarup, aaO, S. 10, 39 ff.. Bjarup, aaO, S. 9. Bjarup, aaO, S. 37. Bjarup, aaO, S. 19.

25 Mit politischem Willen werden, gerade auf dem Gebiet des Familien- und Erbrechts, alte Gesetze verändert und neue eingeführt. Hierbei wird im skandinavischen Rechtsraum die Gesetzgebung auch genutzt, auf geänderte Sachlagen zu reagieren, tatsächliche Veränderungen einzuführen und Einfluss auf die allgemeine Rechtsauffassung zu nehmen33. Im Gegensatz zu der englischen „mischief rule“, nach der der Gesetzgeber nur da ändernd eingreifen darf, wenn und soweit Missstände tatsächlich auftreten34, revidiert der nordische Gesetzgeber regelmäßig seine Gesetze und führt eine Art Gesetzessupervision durch. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise die vom nordischen Ministerrat in Auftrag gegebene Studie zur Vereinheitlichung der Rechtsnormen auf dem Gebiet des Familien- und Erbrechts, trotz erheblicher Unterschiede gerade zwischen dem sog. ost- und westnordischen Rechtskreis, zu dem Ergebnis kommt, dass eine Rechtsvereinheitlichung mit politischem Willen möglich ist35. Daneben bemüht sich der nordische Gesetzgeber im Familien- und Erbrecht um eine Angleichung der Gesetzgebung an die gewandelten Verhältnisse und der aktuell vorherrschenden allgemeinen Rechtsauffassung. Der nordische Erblasser wertet deshalb im Zuge der Gesetzgebung auch die Testierpraxis aus und passt die gesetzliche Erbfolge an diese Entwicklungen an. Stimmt die Gesetzgebung nicht mehr mit der Rechtsauffassung der Bevölkerung überein, weicht die Bevölkerung auf testamentarische Verfügung aus. Aus einer derartigen Auswertung resultieren auch die Verbesserungen der erbrechtlichen Stellung des überlebenden Ehegatten36. In der Konsequenz hat der nordische Gesetzgeber mit dem Ausgleich der verschiedenen Grundprinzipien und Begründungen, auf die das Erbrecht zurückgeht, keine Probleme. Diese spielen im Rahmen der Gesetzgebung auch keine Rolle, obwohl festzuhalten ist, dass das nordische Recht historisch sicherlich auf den im germanischen Recht vorherrschenden Sippengedanken und damit auf dem Verwandtenerbrecht fußt. Dies liegt an der Annahme des Gesetzgebers, dass in einem funktionierenden Gesetzgebungssystem im Bereich des Erbrechts das dispositive Recht mit der durchschnittlichen Auffassung des Erblassers übereinstimmen sollte 37. Dann wird der Erblasser nicht gezwungen, seine Nachfolge abweichend durch ein Testament zu regeln.

33 34 35 36 37

Boström FS Henrich, Familienfreiheit und Testierfreiheit im europ. Vergleich, Schweden, S. 249. Neumayer, FS Ferid, aaO, S. 668. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 33 ff. Boström, aaO, S. 249. Boström, aaO, S. 250.

26 Eine Auswertung der Rechtsentwicklungen auf dem Gebiet des Erbrechts hat ergeben, dass soziale, ökonomische und demografische Faktoren die allgemeine Auffassung über die Verteilung der Erbschaft prägen. Folgerichtig wird die Rechtsentwicklung im Bereich des dispositiven gesetzlichen Erbrechts an diese Verhältnisse angepasst38. Die Berechtigung des Gesetzgebers, die gesetzliche Erbfolge inhaltlich auszugestalten, leitet sich damit primär aus dem „gemutmaßten Willen“ eines durchschnittlichen Testators ab. Dies steht auch im Einklang mit dem Selbstverständnis des Gesetzgebers.

4. Rechtsquellen und Methode der Rechtsfindung Das dänische, norwegische und schwedische Recht ist nicht vergleichbar dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch in einer Gesamtkodifikation normiert. Die Rechtsgrundlagen werden vielen einzelnen Gesetzen, die eine kleinere oder größere - aber begrenzte - Rechtsmaterie zum Gegenstand haben, entnommen 39. Diese Teilgesetzgebung hat ihren Hintergrund in dem Bemühen, notwendigen Reformansätze und Gewohnheitsrecht zu kodifizieren40.Insgesamt ist die Gesetzesdichte nicht so hoch und das nordische Rechtssystem nicht so verwissenschaftlicht wie das österreichische Recht und schon aus diesem Grunde „offener“41. Die größte Bedeutung kommt, wie in Österreich, dem geschriebenen Recht zu. Diese Gesetze beanspruchen in der Regel keine Vollständigkeit. Allgemeine und ungeschriebene Rechtsgrundsätze - auch durch die Rechtsprechung entwickelt - sowie Gewohnheitsrecht ergänzen diese und dienen der Auslegung. Zur Rechtsfindung wird daneben auch auf Gesetzesvorarbeiten, Rechtsprechung, Praxis der öffentlichen Verwaltung mit Verwaltungsanweisungen, Rechtsanwendung in der Gesellschaft, Auffassungen in der Lehre und rechtspolitische Bewertungen zurückgegriffen42. Dies kann im Einzelfall sogar dazu führen, dass „de lege lata“ von der bisherigen Rechtsprechung oder dem Gesetz abgewichen wird43. 38 39 40 41 42 43

Boström, aaO, S. 250. Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 8. Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 8. Frantzen, Die Stellung des überlebenden Ehegatten im int. Ehegüter- und Erbrecht, S. 10. Frantzen, aaO, unter Verweis auf Eckhoff, Rettskilddelælere, 2. Auflage, Oslo, 1989, S. 18. Frantzen, aaO, S.11.

27 Folgerichtig wird der grammatikalischen Auslegung eine im Vergleich zur teleologischen Interpretation nur untergeordnete Rolle eingeräumt 44. Die Rechtsprechung selbst ist ein wesentlicher Faktor bei der Rechtsfortbildung, insbesondere bei Gesetzeslücken. Dies spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass oftmals Richterrecht im Nachhinein, wie etwa bei dem später noch zu erörternden norwegischen „husmorsdomen“45, kodifiziert wird, auch wenn dies einen Bruch mit der Gesetzessystematik mit sich bringt. Richterrecht kommt insoweit auch eine große Bedeutung zu. Deshalb ist das nordische Recht nicht ohne weiteres dem civil law zuzuordnen. Unumstritten ist, dass das nordische Recht auch nicht dem Common Law zugeordnet werden kann, denn zum Common Law zählt man gemeinhin nur diejenigen Rechtsordnungen, die sich in ihrer historischen Abkunft aus dem mittelalterlichen englischen Recht ableiten lassen46. Diese sehen im Gegensatz zum skandinavischen Recht ein striktes „case law“ und eine Orientierung an Präzedenzfällen vor. Präjudizien kommt im nordischen Recht ebenfalls keine absolute, bindende Wirkung zu, wenn auch rein tatsächlich insbesondere Urteilen höherer Instanzen eine große Bedeutung mit Orientierungswirkung zukommt47. Dies ist zentral bei der Beurteilung der Frage, ob eine Rechtsordnung dem Civil Law zuzurechnen ist, oder ob die Rechtsordnung in mehr oder weniger starkem Maße vom römischen Recht geprägt ist48. Bei den untersuchten nordischen Rechtsordnungen ist dies nicht oder nur in untergeordnetem Maße der Fall. Es fehlt den nordischen Rechtsordnungen allgemein an einer umfassenden Kodifikation und „Verwissenschaftlichung“ der Rechtsanwendung und Rechtslehre, nachdem eine umfassende Rezeption des römischen Rechts nicht oder nur marginal stattgefunden hat49. Nachdem die Entwicklung des norwegischen, dänischen und schwedischen Rechts damit vollkommen unabhängig von der des englischen Rechts erfolgte, und auch die Techniken der Rechtsfindung, insbesondere das Zurückgreifen auf das sogenannte Case Law innerhalb der nordischen Rechtsordnungen, keine zentrale Bedeutung haben, wird das nordische Recht eher dem Civil Law zugeordnet. Teilweise wird von einem intermediären Charakter des skandinavischen Rechts ausgegangen50. Wenn auch die nordischen Rechtsordnungen regelmäßig 44 45 46 47 48 49 50

Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 9. Siehe Kap. 5, Punkt 2.2.4.4.. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 271. Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 11. Zweigert/Kötz, aaO, S. 271. Zweigert/Kötz, aaO, S. 272. Bogdan, komparativ Rättskunskap, S. 81 ff.

28 den kontinentaleuropäischen Rechtsfamilien zugeordnet werden, nehmen Zweigert und Kötz, aber auch Bogdan und Malmström die Unterschiede zum Anlass, die nordischen Rechtsordnungen einer eigenen Gruppe zu unterstellen51.

51

Bogdan, komparativ Rättskunskap, S. 81 ff., Zweigert/Kötz, aaO, S. 272.

29

3. Kapitel: Die Grundlagen der Ehe und des Erbrechts Die Stellung des Ehegatten im Erbrecht ist bereits Gegenstand zahlreicher Fachaufsätze und Überlegungen, gerade in den 60er- und 70er Jahren, gewesen und hatte in den hier untersuchten Rechtsordnungen zur Folge, dass das Ehegattenerbrecht früher oder später durch eine Erhöhung der Erbquote gestärkt wurde. So einfach diese Erkenntnis ist, so schwer ist es, die Familie und Ehe sowie deren Rechts- und Auswirkungen, beispielsweise im Erbrecht, rechtlich zu begründen. Im Rahmen der vorhandenen Abhandlung sollen nur die wichtigsten Begründungen kursorisch dargelegt werden, um die Problematik der Stellung des Ehegatten im Erbrecht zu skizzieren.

1. Die Familie Die Familie gilt als die älteste Form sozialer Bindung52 und damit als engste und natürliche Verbindung. Die Familie stellt damit ein sozial geprägtes Gebilde dar, welche sich trotz ihrer Konstanz in einem laufenden Wandel befindet53. Während Familien früher bzw. in einfachen Gesellschaften nicht nur auf Grundlage von Blutsverwandtschaft organisiert waren, sondern vielmehr in Abstammungslinien, wobei die Verwandtschaft entweder nach der männlichen oder der weiblichen Linie bestimmt worden ist, ist in neuerer Zeit die Grundlage der Familie nicht mehr in der Verwandtschaft, sondern in der Heirat zu sehen54. Dies geht auf die wichtigsten Veränderungen innerhalb der Familie zurück. Hierzu zählt sicherlich der Wandel von der Großfamilie, unter Einschluss des Gesindes als Produktions- und Lebensgemeinschaft, hin zur so genannten Kleinoder Kernfamilie55. Diese Veränderung ist in Ausmaß und Erscheinungsbild differenziert zu betrachten, gehört jedoch zu den maßgeblichen Entwicklungen der letzten Zeit. Nach diesem Familienbegriff entsteht die Familie mit jeder Ehe neu. Die Kinder gehören nur solange dazu, bis sie entweder ihrerseits heiraten56 oder eine

52 53 54 55 56

Röhl, Rechtssoziologie, S. 379. Röhl, aaO, S. 379. Röhl, aaO, S. 379. Leipold, AcP 180 (1980) S. 173. Röhl, aaO, S. 379.

30 eigene Familie gründen. Der heutige Familienbegriff erfasst primär nur noch die Ehegatten- oder Kernfamilie57. Es ist insgesamt eine Orientierung hin zur Konjugalfamilie erkennbar. Mit dem Auseinanderfallen der Großfamilien ist auch die persönliche Verbindung und Verhaftung des Einzelnen innerhalb der Großfamilie schwächer geworden und hat sich zu Gunsten der Eltern und Geschwister verstärkt. Die Familienmuster haben sich zudem durch die weite Akzeptanz und Häufigkeit von Scheidungen geändert und die Eingehung der Ehe ist nicht mehr zwingend auf Lebenszeit. In modernen Familien ist das Zusammentreffen verschiedener Familienstämme und damit Patchworkkonstellationen nicht mehr unüblich oder außergewöhnlich. Nach wie vor ist die Kernfunktion der Familie die Ausbildung und Erziehung von Kindern58. Die übrigen traditionellen Aufgaben, wie beispielsweise die Altersversorgung und Sicherung des Lebensbedarfs, sind als Folge des Funktionsverlustes zunehmend zur Staatsaufgabe des modernen Gemeinwesens geworden. Eine derartige Tendenz ist auch bei der Kindererziehung zu berücksichtigen. Kerschner geht deshalb soweit, die Familie als „Konsumeinheit“ zu betrachten59.

2. Die Ehe Nüchtern betrachtet ist die Ehe eine von der Rechtsordnung anerkannte Verbindung von Mann und Frau zur Lebensgemeinschaft60. Die Ehe wird oftmals als Institution gekennzeichnet, wobei die so genannten institutionellen Ehelehren tendenziell darauf abstellen, dass die Ehe eine traditionell überlieferte Konstante ist, die auf einem sicheren Wissen um das „Wesen der Ehe“ abgeleitet wird. Hierbei wird der „sittliche Gehalt“ nachhaltig betont. Während die Ehe als eine Art Sakrament gesehen wurde, konnte dieser Verbund nur durch den Tod gelöst werden61. Demgegenüber stehen die so genannten interviduellen Ehelehren, die die Ehe als individuelles Gemeinschaftsverhältnis mit individuellen Regelungen

57 58 59 60 61

Röhl, aaO, S. 379. Kerschner, Familienrecht, S. 1. Kerschner, aao, S. 1. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 23. Ryrsted, Bodelning och bostad, S. 30.

31 gewissermaßen „offen“ definieren62. Damit hat im Zuge des Wertewandels die klare Definition der Ehe gelitten63. In der Vergangenheit, bis ins 16. und 17. Jahrhundert, wurde die Ehe auf den Vertragscharakter und die willentliche Bindung zurückgeführt64. Die Ehe wurde von einem Einheitsgedanken getragen, nämlich einer Zusammenarbeit für das gemeinsame Beste65. Der Eheschluss war an der ökonomischen Vernunft orientiert und standesbewusst. Mit der Auflösung dieses Gedankens, hin zu einer mehr individuellen Sichtweise der Ehegatten, fällt die Zuerkennung der Eigentums- und Geschäftsfähigkeit der Frau zusammen66. Basis für den Eheschluss, und damit auch die Ehe selbst, ist heute ein Akt des Gefühls und der Zuneigung. Dies hat sicherlich seinen Grund darin, dass heute die „Liebe“ als einzig anerkanntes Fundament für eine Eheschließung gilt und nicht mehr die willentliche Verantwortung und Sorge für den jeweils anderen in den Mittelpunkt gestellt wird67. Die skandinavische Literatur geht davon aus, dass die Ehe nicht mehr sakral begründet wird, sondern ausschließlich aufgrund eines Willensaktes, der auf Liebe basiert68. Die Ehe hat sich in diesem Zug weg von einem Statusverhältnis hin zu einem Vertragsverhältnis entwickelt69. Dies begann und war gekennzeichnet - nicht zuletzt aufgrund der Emanzipation der Frau - durch einen Wechsel der sozialen Bindungen und der rechtlichen Situation. Diese in Skandinavien vorherrschende Ansicht bezieht sich auf den zur Eingehung und Auflösung der Ehe notwendigen Willensakt zweier Individuen70. Der vertragliche Charakter wird betont und ist vorherrschend. Die Liebe und Zuneigung ist Basis und „Geschäftsgrundlage“ dieses Vertrages.

3. Die Grundlagen des Erbrechts Die Grundlagen des Erbrechts sind einerseits in der Realität, andererseits im normativen Umfeld des Erbrechts zu suchen71.

62 63 64 65 66 67 68 69 70 71

Gernhuber/Coester-Waltjen, aaO, S. 24. Hermanns, FamRZ 1994, S. 1001. Hermanns, aaO, S. 1001. Ryrsted, aaO, S. 30. Ryrsted, aaO, S. 30. Herrmanns, aaO 1994, S. 1001. Ryrsted, aaO, S. 30. Ryrstedt, aaO, S. 31. Ryrstedt, aaO, S. 30 ff. mwN. Leipold, AcP, 180, S. 160 ff..

32 Die wesentliche Aufgabe des Erbrechts liegt in der Weitergabe des Vermögens des Erblassers72. Das Erbrecht ist eine notwendige Begleiterscheinung zum zivilrechtlichen Eigentum73. Erst durch das Erbrecht sind Eigentum und Vermögen mehr als ein lebenslänglicher Nießbrauch74. Die Bedeutung des Erbrechts ist angesichts des Wachstums der privaten Vermögen der Nachkriegsgeneration erheblich gestiegen. Dem steht jedoch keine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen im selben Umfang gegenüber75. Ursprünglich ist Eigentum, sofern es ein solches in den Frühformen der Gesellschaften gegeben hat und nicht als Grabbeigabe verwendet worden ist, innerhalb der Sippe bzw. dem Verband geblieben. Mit der Zeit entwickelten sich Abstammungslinien und das Erbrecht mit der Betonung der „Blutsverwandtschaft“ bildete sich heraus. Der Ehegatte stand hier „außen“ vor. An dem maßgeblichen Verwandtenerbrecht wurde auch in der Folgezeit lange festgehalten. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch ist für eine Gesellschaft geschaffen worden, die im Wesentlichen noch von der Landwirtschaft und hier besonders der bäuerlichen Wirtschaft vor dem Hintergrund der beginnenden Industrialisierung geprägt war. In der Folge entwickelte sich die Industrialisierung mit allen Auswirkungen auf die Gesellschaftsstrukturen. Dasselbe gilt im Grundsatz für das 1938 entstandene Ehegesetz. Die Sicherstellung der Versorgung durch Sozialsysteme war noch nicht so verlässlich und ausgestaltet wie heutzutage. Das 19. Jahrhundert ist eine Epoche des Umbruchs sowohl in politischer, philosophischer als auch in gesellschaftlicher Sicht. Als Folge der Industrialisierung löst die bürgerliche Familie die alten Lebens- und Produktionsgemeinschaften des Hauses ab, gleichzeitig verelenden unterste Bevölkerungsschichten. Unter diesen Umständen fiel dem Erbrecht neben seiner allgemeinen Funktion, nämlich der Überleitung von Vermögen „pro mortates“ von einer Generation auf die nächste Generation, noch die Funktion zu, der folgenden Generation eine Ausbildung bzw. eine wirtschaftliche Selbstständigkeit zu ermöglichen. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass der Tod früher eingetreten ist und die folgende Generation durchschnittlich früher das Erbe angetreten hat, als dies

72 73 74 75

Lange/Kuchinke, Erbrecht, S 1. Saldeen, Arvsrätt, S. 38. Lange/Kuchinke, aaO, S. 1 unter Hinweis auf Th. Kipps. Lange/Kuchinke, aaO, S. 3.

33 nunmehr der Fall ist76. Auf diesen Gedanken fußt die Gesetzgebung der letzten tiefgreifenden großen Erbrechtsreformen77 . Nunmehr ist diese Verbundenheit sozialer und ökonomischer Art durch die moderne Ausgestaltung des Staates mit seiner Absicherung und der Grundversorgung abgeschwächt worden78. Die Betonung der Grundversorgung dient lediglich der Legitimation von Pflichtteils- oder Noterbansprüchen in allen untersuchten Rechtsordnungen. Hier wird der in dem Familienrecht wurzelnde Versorgungsgedanke noch „hochgehalten“, obwohl in der Zurücksetzung durch den Erblasser oftmals eine schwerwiegende Störung des Familienbandes zu Grunde liegt79. Einhergehend mit der Entlastung des Erbrechts aus versorgungsrechtlicher Sicht ist die Bedeutung des Erbrechts in seiner Funktion der Überleitung von Vermögen aufgrund des verbreiteten Wohlstands gestiegen, wenn sich auch das zu vererbende Vermögen nunmehr anders zusammensetzt. Historisch leitet sich das Verwandten- und Familienerbrecht aus dem Versorgungszweck, insbesondere bei der gesetzlichen Erbfolge der Abkömmlinge ab. So wie der Erblasser den Kindern zu Lebzeiten zu Unterhalt verpflichtet war, so soll sein Vermögen auch nach dem Tode zur Versorgung zur Verfügung stehen. Daneben spielten die in der Großfamilie natürliche enge Beziehung und die wirtschaftliche Verflechtung eine Rolle80. Trotz des Wandels des Familienbegriffs fußt das Erbrecht immer noch auf dem Gedanken des Verwandtenerbrechts, denn es ist in der Tradition verankert81. Nach Ansicht von Saldeen muss man sich, trotz aller neuen Begründungsansätze, die Frage stellen, was es für ein besseres System als das Verwandtenerbrecht gibt82.

4. Erbrecht des überlebenden Ehegatten Beim Erbrecht des Ehegatten stoßen familien- und erbrechtliche Grundprinzipien aufeinander, die historisch nicht selbstverständlich sind.

76 77 78 79 80 81 82

Saldeen, Arvsrätt, S. 38. Saldeen, aaO, S. 38. Lange/Kuchinke, aaO, S. 3. Lange/Kuchinke, aaO, S. 4. Leipold, Erbrecht, S. 33. Saldeen, aaO, S. 38. Saldeen, aaO, S. 38.

34 Wie bereits erwähnt, wurde ursprünglich das Vermögen bei der gesetzlichen Erbfolge für die Blutsverwandten bewahrt. Der Ehegatte wurde allenfalls durch einen Versorgungsnießbrauch abgesichert83. Von diesem Grundsatz wurde im letzten Jahrhundert mehr und mehr abgewichen, wobei nationalitätenübergreifend eine Tendenz zur Ausweitung im konservativen Erbrecht feststellbar ist84. Die erste Aufweichung war sicherlich dem im Zuge der Industrialisierung aufkeimenden Gleichberechtigungsgedanken der Stellung der Frau geschuldet85. Die Frau sollte auch eigentumsrechtlich gleich gestellt werden. Hinzu kommt der Wandel der Familienstruktur hin zur Kleinfamilie und deren Mitgliedern mit wachsenden persönlichen Bindungen. Gleichzeitig entwickelt sich die Ehe noch weiter weg vom sakralen Charakter, hin zum Versorgungs- und Vertragscharakter. Damit wurde der Ehegatte in den Kreis der zu Versorgenden miteinbezogen. Die Konzentration auf die Kleinfamilie und die damit verbundene Neudefinition des Familienbegriffs ist auch der Grund, warum vertreten wird, dass es sich beim Ehegattenerbrecht um einen Unterfall des Verwandtenerbrechts handelt86. Der Versorgungszweck der Ehe über den Tod hinaus wurde historisch nicht in Frage gestellt. Die Versorgung des Ehegatten über den Tod hinaus hing aber zunehmend mit der Frage des Güterstandes zusammen. Traditionell wurde dem Ehegatten entweder im Rahmen der Güterauseinandersetzung eine Versorgung zugestanden oder aber eine Beteiligung am Nachlass über das Erbrecht87. Die Fokussierung der Ehe auf einen gegenseitigen Akt der Zuneigung und Liebe ermöglicht es dem Ehegatten auch, vermehrt den Gedanken der persönlichen Nähe aufgrund des gemeinschaftlichen Bandes und Lebensplans für sich in Anspruch zu nehmen. Die persönliche Nähe wird auch zur Begründung des gesetzlichen Verwandtenerbrechts herangezogen. Weiterhin ist eine Orientierung hin zur Ehegattenfamilie erkennbar. Mit dem Auseinanderfallen der Großfamilien ist auch die persönliche Verbindung innerhalb der Großfamilie schwächer geworden. Wie bereits ausgeführt, haben sich die Ansichten über die Ehe geändert und im Zuge der neu entstandenen Familienmuster sowie der Neudefinition der Familie ist auch vor dem Hintergrund des Prinzips des Familien- und Verwandtenerbrechts die Stellung des Ehegatten im Erbrecht zu hinterfragen. 83 84 85 86 87

Neumayer, FS Ferid, aaO, S. 669. Neumayer, FS Ferid, aaO, S. 668. Neumayer, FS Ferid, aaO, S. 669. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 403. Neumayer, FS Ferid, aaO, S. 669.

35 Im liberalen Skandinavien hat sich der - im internationalen Vergleich politisch eher sozialistisch orientierte Gesetzgeber schon sehr früh mit verschiedenen Familien- und Zusammenlebensformen beschäftigt und zuletzt sogar ein begrenztes Erbrecht des nichtehelichen Lebensgefährten bei dem Vorhandensein gemeinsamer Abkömmlinge eingeführt. Aus diesem Grunde ist es interessant, die Aktivitäten des Gesetzgebers zu beobachten, zumal gerade im Bereich des Familienrechts viele Impulse aus Skandinavien für die kontinentaleuropäische Rechtssetzung gekommen sind.

37

4. Kapitel: Die Stellung des Ehegatten im österreichischen Recht, ein Überblick 1. Einführung Das österreichische Recht entstammt der Rechtstradition des kontinentaleuropäischen Zivilrechts, im Bereich des Erbrechts geprägt durch römische und germanische Rechtstraditionen. Obwohl auch das nordische Erbrecht durch diese beiden Rechtstraditionen geprägt ist, wird das Ehegattenerbrecht in Österreich mit anderen Rechtsinstituten ausgestaltet und geprägt. Die Sicherstellung der Versorgung des Ehegatten wird vornehmlich durch das gesetzliche Erbrecht, das Pflichtteilsrecht bzw. Unterhaltsansprüche gewährleistet. Keinen Einfluss hat nach der gesetzgeberischen Grundkonzeption der gesetzlich vorgesehene Güterstand.

2. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten Das österreichische Erbrecht war in vielen Einzelregelungen geregelt, die nur einen sehr engen, regional begrenzten Wirkungskreis hatten. Erste Ansätze eines Ehegattenerbrechts sind mit zunehmender Verfestigung ehegüterrechtlicher Ansprüche zu beobachten88. Während für Aschau bereits ab dem Jahre 1461 ein Ehegattenerbrecht belegt ist, kennt das übrige Recht bis ins 17. Jahrhundert kein gesetzliches Erbrecht des Ehegatten89. Für den Bereich des Herrenstandes und Adels galten schon seit jeher, aufgrund der im Bereich dieser Stände geltenden Gütertrennung, andere Regelungen und Erwägungen, als bei den Ständen, wo als Güterstand die Fahrnisgemeinschaft galt bzw. zuvor gegolten hatte90. Im Bereich der Errungenschaftsund Fahrnisgemeinschaft wurde die Vermögenskontinuität zunehmend unter erbrechtlichen Aspekten betrachtet91. Walther (Traktat V.) berichtet für den Bereich des Adels bzw. der Herrschaft, dass die Witwe, abhängig, ob es sich um die erste Ehe handelte, 1/2 bzw. als zweite Ehefrau 1/3 für sich beanspruchen konnte. Dieser Brauch wird von Pücher bestätigt92. 88 89 90 91 92

Flossmann, österreichische Privatrechtsgeschichte, S. 335. Wesener, Geschichte des Erbrechts in Österreich seit der Rezeption, S. 99. Wesener, aaO, S. 100. Flossmann, aaO, S. 335. Wesener, aaO, S. 101.

38 Erst im 18. Jahrhundert kam es zur Rezeption des Ehegattenerbrechts im Bereich der Neuordnung der Intestaterbfolge. Der Ehegatte erhielt nach Verwandten ein Erbrecht93. Das Josephinische Erbfolgepatent aus dem Jahre 1786 sah ein Fruchtgenussrecht des Ehegatten an 1/4 des Nachlasses vor94. Dieses diente im Bereich des Erbrechts als Vorlage für das ABGB. Bereits die ursprüngliche Fassung des ABGB aus dem Jahr 1811 hat ein gesetzliches Erbrecht des Ehegatten vorgesehen. Der Ehegatte erhielt neben den Kindern einen Kopfteil, begrenzt auf maximal ein Viertel des Nachlasses, als lebenslangen Fruchtgenuss, der kinderlose Ehegatte konnte dieses Viertel als Eigentum beanspruchen95. Nach der Teilnovelle des ABGB erbte der Ehegatte neben Abkömmlingen immer ein Viertel, im Übrigen zu 1/2 neben den (Groß)Eltern. Wie im geltenden Recht erbte der Ehegatte auch die hypothetisch auf die Nachkommen der Großeltern entfallenden Teile neben dem Vorausvermächtnis. 1978 wurde das Erbrecht, wie es heute noch in wesentlichen Teile erhalten ist eingeführt, erhöhte die Erbquote zuletzt und führte das Pflichtteilsrecht des Ehegatten ein96.

2.1. Grundlagen und Umfang des Ehegattenerbrechts Das objektive Erbrecht - wie auch das Erbrecht des Ehegatten - ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch zwar unter dem Begriff des Sachenrechts geregelt, es besteht jedoch Einigkeit, dass auch für das österreichische Recht das Pandektensystem gilt. Demnach handelt es sich bei dem Erbrecht um ein eigenständiges, vom Sachenrecht losgelöstes Recht. Die Vorschriften finden sich in den §§ 531 ff. ABGB, sowie §§ 1217 ff ABGB. Familienrechtliche Vorschriften, mit Ausnahme der Vorgenannten, finden sich auch in den §§ 44 - 100 ABGB sowie im Ehegesetz. Mit Einführung des Ehegesetzes im Jahr 1938 wurden jedoch viele Normen, soweit sie die Ehe betreffen, außer Kraft gesetzt, ersetzt und zwischenzeitlich mehrfach angepasst, so auch durch das FamRÄndG aus dem Jahr 2004.

2.1.1. Das Ehegattenerbrecht Der Ehegatte besitzt ein gesetzliches Erbrecht, wenn er mit dem Erblasser zum Zeitpunkt des Todes gültig verheiratet war (§ 757 ABGB). Folglich steht weder 93 94 95 96

Flossmann, aaO, S. 336. Flossmann, aaO, S. 337. Flossmann, aaO, S. 337. mwN Holzner, aaO, S. 21 ff..

39 dem nichtehelichen Lebensgefährten noch dem geschiedenen Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht zu. Mit dem 01.10.2010 ist das EPG (Eingetragene Partnerschaftsgesetz) in Kraft getreten und stellt die gleichgeschlechtliche Ehe im hier interessanten Bereich des Ehegattenerbrechts bzw. des Ehegattengüterrechts der Ehe gleich. Dies ist in § 537 a ABGB ausdrücklich verankert. Nach dem Wortlaut des § 759 Abs. 1 ABGB behält der schuldlos geschiedene Ehegatte sein Erbrecht eigentlich. Nach dem Inkrafttreten des EheG gilt dies gem. § 1266 S. 4 ABGB jedoch nicht mehr. Abs. 1 gilt nur für die vor dem Inkrafttreten des EheG „von Tisch und Bett geschiedenen Ehen“, die keine Auflösung des Ehebandes zur Folge hatten97. Die Beibehaltung der Erbrechte gilt selbst, wenn diese gem. § 115 EheG in eine Scheidung nach geltendem Recht „umgewandelt“ worden sind, solange der Ehegatte keine neue Ehe eingegangen ist98. Dies kann zu der misslichen Lage führen, dass der zweite Ehegatte des Erblassers nichts erbt, der erste Ehegatte demgegenüber schon. Der überlebende Ehegatte geht seines Erbrechts und zwar seines gesetzlichen Erbrechts, des Unterhaltsanspruchs gem. § 796 ABGB und des Vorausvermächtnisses auch dann verlustig, wenn der Erblasser ein Scheidungsverfahren oder eine Aufhebung der Ehe eingeleitet und Klage erhoben hat, sofern im Falle der Aufhebung oder der Scheidung der Ehegatte als schuldig anzusehen gewesen wäre (§ 759 Abs. 2 ABGB)99. Daneben verliert der schuldige Teil bei einem Versterben des anderen Ehegatten während des Scheidungsverfahrens auch seinen Aufteilungsanspruch gem. § 81 ff EheG100. Es handelt sich bei § 759 Abs. 2 ABGB um den gesetzlich geregelten Sonderfall, dass der in Scheidung befindliche Ehegatte noch vor materieller Rechtskraft, auf die es nach herrschender Meinung ankommt, sein Erbrecht verliert 101. Die materielle Rechtskraft tritt nicht vor Zustellung des Scheidungsurteils ein 102. Beachtet werden muss, dass weder ein gemeinschaftliches Testament noch ein Erbvertrag mit der Scheidung ipso jure seine Wirkung verliert oder als aufgehoben gilt. Die Regelung des § 1266 S. 1 ABGB gilt nur bei einer einvernehmlichen Trennung oder aber sinngemäß bei gleichteiligem oder beiderseits

97 98 99

Eccher, Bürgerliches Recht VI, Erbrecht, S. 33. Rummel, aaO, Band 1, § 759 Rn. 1, OGH SZ 21/53 = EvBl 1948/167. Voraussetzung ist hier, dass der Erblasser den Scheidungsantrag eingereicht hat und nicht etwa nur einen Mitverschuldensantrag gestellt hat. Vgl. Rummel, aaO, Band I, § 759 Rn. 3ff.. 100 Kerschner, aaO, S. 37. 101 Eccher, aaO, S. 33,. 102 Eccher, aaO, S. 33, mwN.

40 fehlendem Verschulden103. Nur dann gelten Ehepakte ipso jure nicht. Im Übrigen bleiben dem minderschuldigen oder schuldlosen Gatten die Rechte am Ehepakt vorbehalten für den Fall des Todes104. Der Ehegatte, der ein ihm auf den Todesfall zugedachtes Fruchtgenussrecht gem. §§ 1255 ff. ABGB aus dem Vermögen des Verstorbenen ganz oder teilweise annimmt, geht seines gesetzlichen Erbrechts ebenfalls verlustig (§ 1258 ABGB)105.

2.1.2. Umfang des Ehegattenerbrechts Der Umfang des Ehegattenerbrechts richtet sich grundsätzlich nach der Linie (Parentel), der die miterbenden Verwandten angehören. Neben Verwandten der 1. Parentel (also Abkömmlinge des Erblassers) erbt der Ehegatte 1/3 des Nachlasses (§ 757 Abs. 1 S. 1 Fall 1). Neben den Eltern und Geschwistern des Erblassers erbt der Ehegatte 2/3 des Nachlasses (§757 Abs. 1 S. 1 Fall 2). Gem. § 757 Abs. 1 S. 2 u. S. 3 ABGB werden Nachkommen der verstorbenen Geschwister des Erblassers durch den überlebenden Ehegatten von der Nachfolge ausgeschlossen. Der Anteil, der auf diese entfallen würde, fällt seit dem FamErbRÄndG 2004 dem Ehegatten zu. Dasselbe gilt auch, wenn der Ehegatte neben den Großeltern erbt. Er erhält dann immer noch 2/3. Deren Nachkommen, die nach dem Repräsentationsprinzip eintreten würden, erben ebenfalls nichts und der Anteil fällt dem überlebenden Ehegatten zu (§ 757 Abs. 1 S. 2 ABGB). Sind nur Verwandte der vierten Parentel vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte den gesamten Nachlass, er wird Alleinerbe. Zusammenfassend führt also das Vorhandensein eines Ehegatten bei dem Tod des Erblassers zu einer Verkürzung der Parentelordnung, da lediglich die Abkömmlinge, die Eltern, die Geschwister oder die Großeltern neben dem Ehegatten erben können. Durch die Ehe kommt es damit zu einer Schmälerung des Verwandtenerbrechts106.

2.2. Der Nachlass und der Einfluss des Güterstandes Nach der Legaldefinition des § 531 ABGB handelt es sich beim Nachlass bzw. der Verlassenschaft um den Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines

103 104 105 106

EvBl 2000/156. Rummel, aaO, Band 1 § 1266, Rn. 2. Eccher, aaO, S. 34. Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 70.

41 Verstorbenen, insofern diese nicht in „bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind“ (§ 531 ABGB).

2.2.1. Unterhaltsverpflichtungen Erwähnenswert im Vergleich zu den hier untersuchten Rechtsordnungen ist, dass Unterhaltsansprüche nach österreichischem Recht in den Nachlass fallen können. Soweit der Erblasser Unterhaltsberechtigter war, erlischt das Unterhaltsrecht mit dem Tod. Vererblich sind nur die bereits fällig gewordenen Unterhaltsansprüche, die als Aktiva in den Nachlass fallen (§ 77 EheG). War der Erblasser hingegen Unterhaltsschuldner, gehen auf den Nachlass bzw. die Erben die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern (§ 142 AGBG), die Unterhaltspflicht der Ehegatten aus aufrechter Ehe (§ 796 ABGB) sowie die Unterhaltspflicht gegenüber dem ehemaligen Ehegatten aus geschiedener Ehe (§ 78 EheG) über107. Es handelt sich hier nach überwiegender Ansicht um Erbgangs- bzw. Erbfallschulden und nicht um Erblasserschulden. Die Erbgangs- bzw. Erbfallschuld entsteht mit dem Tod des Erblassers und geht nur im übertragenen Sinne auf den Erben über108. Auf die Auswirkungen der Unterhaltspflicht wird unter Punkt 4. näher eingegangen.

2.2.2. Einfluss des Güterstandes Nicht nur bei der Beendigung des Güterstandes durch Scheidung, sondern auch beim Tod eines Ehegatten hat der Güterstand Bedeutung. Beantwortet er doch die Frage, was überhaupt zum Nachlass gehört oder was dem überlebenden Ehegatten ohnehin schon gehört, sodass er es gar nicht erst erben muss. Die nach österreichischem Recht wählbaren Güterstände sollen hier unter dem Gesichtspunkt der Auswirkung auf den Nachlass im Erbfall dargestellt werden. Das österreichische Ehegüterrecht ist in §§ 1217 - 1266 ABGB sowie im EheG geregelt. 2.2.2.1. Gütertrennung Treffen die Ehegatten keine Wahl, gilt der gesetzliche Güterstand der Gütertrennung (§§ 1233 Satz 1, 1237 ABGB). Dieses System gründet auf dem Gedanken, dass die Ehegatten ökonomisch grundsätzlich unabhängig voneinander sind109. Beide Ehegatten bleiben Eigen107 108 109

Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 31. Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 31, 483, 484, Rummel, Band I aaO, § 142, Rn 2. Chloros/Rheinstein/Glendon, aaO, S. 4-168.

42 tümer ihrer eingebrachten Güter bzw. können auch während der Ehe Alleineigentum erwerben, sofern die jeweiligen Güter nicht im Miteigentum erworben werden. Die Ehe beeinflusst nur insoweit, als zwischen den Ehegatten eine Beistandspflicht sowie ein gesetzliches Erbrecht bestehen110. Weitergehende Beschränkungen der Verfügungsbefugnis gibt es indes vom Grundsatz nicht. Bei diesem Güterstand ist jeder Ehegatte Alleineigentümer des von ihm eingebrachten und des später erworbenen Vermögens. Bei Beendigung der Ehe, egal aus welchem Grund, findet kein Vermögensausgleich statt. Jeder Ehegatte behält, was ihm gehört. Das Gesetz geht damit davon aus, dass in der Regel beide Ehegatten zum Vermögenserwerb beitragen111 und gleichberechtigt sind. Das gilt in der Regel auch für den haushaltsführenden Ehegatten, der den Vermögenserwerb des anderen erst ermöglicht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz statuieren die §§ 81 ff. EheG. Im Falle einer Scheidung kann jeder Ehegatte, unabhängig vom gewählten Güterstand, die gerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens sowie der ehelichen Ersparnisse nach dem §§ 81 ff EheG verlangen. Die Aufteilung hat nach Billigkeit zu erfolgen (§ 83 S. 1 EheG). Hierdurch wird auch der Haushaltsführende am Vermögenserwerb während der Ehe beteiligt112. Es kommt zu einer „Aufweichung“ des Güterstandes, sodass die Ehe im Scheidungsfall als eine Art Zugewinngemeinschaft wirkt113. Jeder Ehegatte kann Eigentum für sich erwerben. Bei der Beurteilung gelten die sachenrechtlichen Grundsätze. Es ist gerade bei während der Ehe erworbenem Vermögen zu differenzieren, ob es im Allein- oder Miteigentum erworben worden ist. Die Ehegatten haben stets die Möglichkeit, aufgrund einer Absprache im Innenverhältnis gemeinsam Eigentum zu erwerben. Im Zweifel wird aufgrund des Güterstandes von einem Alleineigentumserwerb, zumeist von dem Finanzierenden, auszugehen sein114. Soweit Wohnung, Hausrat, Nahrung und Kleidung betroffen sind, kommt eine Überlassung in Erfüllung der ehelichen Unterhaltspflicht gem. § 94 ABGB in Frage115. Demnach haben beide Ehegatten gleichrangig „nach Kräften“ zum Unterhalt beizutragen. Seit der Ehereform 1999 gewährt dieser Unterhaltsanspruch dem 110 111 112 113 114 115

Chloros/Rheinstein/Glendon, aaO , S. 4-48. Kerchner, aaO, S. 37. Kerschner, aaO, S. 37. Holzner, aaO, S. 29. Holzner, aaO, S. 50. Seit der Reform 1999 ist der Unterhaltsanspruch nicht mehr als Naturalunterhalt, sondern als Geldanspruch ausgestaltet.

43 alleine haushaltsführenden oder sonst beitragsunfähigen Partner einen Geldanspruch gegen den anderen Ehegatten116. Nach der Judikatur hat der wesentlich schlechter verdienende Ehegatte üblicherweise einen Anspruch auf 40% des gesamten Familieneinkommens, der Haushaltsführende auf 33 %117. Die teilweise als ungerecht und diskriminierend empfundene Quotenaufteilung wird von der Judikatur damit verteidigt, dass ein Leistungsanreiz für den verdienenden Gattenteil erhalten bleiben soll118. 2.2.2.2. Gütergemeinschaft Bei der Gütergemeinschaft wird das bislang getrennte Vermögen der beiden Partner durch die Heirat bzw. Erwerb während der Ehe zu deren Miteigentum. Die Vollziehung dessachenrechtlichen Erwerbs, gerade von Liegenschaften, und die Notwendigkeit eines sachenrechtlichen Anknüpfungsaktes wie Übergabe oder Verbücherung ist hierbei im Einzelnen strittig119. Das Miteigentum richtet sich nach der zwischen den Ehegatten gewählten Quote. Bei der Gütergemeinschaft werden verschiedene Formen unterschieden. Bei der allgemeinen Gütergemeinschaft handelt es sich je nach Zweck um eine auf bestimmte Güter beschränkte Gütergemeinschaft oder um eine umfassende Gütergemeinschaft gem. § 1233 ABGB, auf die das Recht der bürgerlichen Gesellschaften Anwendung findet. Bei der Errungenschaftsgemeinschaft werden künftiges Eigentum bzw. Erwerbe zu Miteigentum. Bei der Gütergemeinschaft unter Lebenden wird diese auch schon zu Lebzeiten praktiziert und entfaltet im Falle der Scheidung Wirkung. Neben dem der Gütergemeinschaft unterfallenden Gesamtgut kann auch Sondergut durch Ehepakt vereinbart werden. Jeder Gattenteil bleibt verfügungsbefugt und wird Miteigentümer. Die Gütergemeinschaft wird abgewickelt, indem zunächst die Schulden bereinigt werden und sodann das Gut entsprechend der Quote aufgeteilt wird. Das Auseinandersetzungsguthaben sowie evtl. Sondergut fällt in den Nachlass des verstorbenen Ehegatten. Die Gütergemeinschaft auf den Todesfall entfaltet nur Wirkung im Todesfall. Im Todesfall vereinigt sich das Vermögen und wird hälftig geteilt.

116 117 118 119

Kerschner, aO, S, 21 u 22. Rummel, Band 1, § 94 Rn. 5 ff mwN. Beispielsweise OGH EvBl 1994/148 vgl auch Schwimann, aaO, § 94 Rn. 12 ff. mwN. Holzner, aaO, S 46 mwN.

44 2.2.2.3. Errungenschafts- und Zugewinngemeinschaft Je nach Zweckvereinbarung kann auch eine Errungenschafts- und Zugewinngemeinschaft als Gütergemeinschaft vereinbart werden. Holzner stuft die Errungenschaftsgemeinschaft neben der Fahrnisgemeinschaft als Unterfall der Gütergemeinschaft ein120. Bei der Errungenschaftsgemeinschaft ist das in die Ehe eingebrachte Gut, sowie ererbtes Vermögen, Eigentum des jeweiligen Ehegatten, es gilt die Gütertrennung. Lediglich der Hinzuerwerb während der Ehe schafft Miteigentum beider Ehegatten. Die Fahrnisgemeinschaft ist eine Gütergemeinschaft beschränkt auf Fahrnis und Errungenschaft. Bei der Zugewinngemeinschaft besteht grundsätzlich Gütertrennung, bei Beendigung der Ehe hat jeder Ehegatte gegen den anderen einen Anspruch auf einen Teil dessen, was während der Ehe erworben worden ist. Durch Ehepakt kann weiterhin Heiratsgut bestimmt werden. Gem. § 1218 ABGB handelt es sich um das Vermögen, welches für sie von einem Dritten dem Manne zur Erleichterung des Eheaufwandes überlassen wird. Stirbt der Mann, bekommt die Frau das Heiratsgut, stirbt die Frau, bekommen das Heiratsgut deren Erben oder Dritte, die es geleistet haben.

2.2.3. Die Auseinandersetzung des Güterstandes im Todesfall, § 81 EheG Nach österreichischem Gesetz kommt es nicht zu einer Auseinandersetzung des Güterstandes im Todesfall. Weder tatsächlich noch durch eine Erhöhung der Erbquote. Aufgrund der getrennten Vermögenssphären im Rahmen der Gütertrennung bleibt es bei den bisherigen Regelungen und Eigentumsverhältnissen. Während sich die Ehe im Falle einer Scheidung aufgrund des Aufteilungsanspruchs gem.§ 81 EheG als Zugewinngemeinschaft darstellt121, bleibt im Falle einer Aufteilung von Todes wegen der gewählte Güterstand bestehen und der überlebende Ehegatte wird auf sein Erbrecht verwiesen. Der Aufteilungsanspruch des § 81 EheG ist dogmatisch höchstpersönlicher Natur 122und daher gem. § 96 EheG nur dann vererblich und übertragbar, wenn er von mindestens einem Ehegatten123 bereits gerichtlich geltend gemacht oder anerkannt worden ist. Wurde der Anspruch bereits geltend gemacht, ist dieser gegen den Nachlass

120 121 122 123

Holzner, aaO, S. 46. Vgl. oben unter Punkt 2.2.2.3. Schwimann, ABGB Band 1, § 96 EheG, Rn. 1. Gitschthaler/Höllwerth, § 96 Rn. 1.

45 des verstorbenen Ehegatten weiter zu verfolgen. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist der Tod zu berücksichtigen124. Begründet wird dies damit, dass der Aufteilungsanspruch als „lex specialis“ dem Scheidungsfolgenrecht zuzuordnen ist125. Der Gesetzgeber hat die Notwendigkeit einer die „näheren Umstände der Vermögensentwicklung“ beachtende Lösung im Todesfall, im Gegensatz zur Auseinandersetzung aufgrund einer Scheidung, nicht gesehen126. In dem ersten Entwurf über die Neuordnung des gesetzlichen Güterstandes aus dem Jahr 1961 war eine solche Regelung noch vorgesehen127. In der Regierungsvorlage aus dem Jahr 1978 heißt es, der Gesetzgeber dürfe „von der Annahme ausgehen, dass das Verhältnis der Ehegatten zueinander unbelastet gewesen ist. Es kann daher eine eingehende Untersuchung der Frage, ob sich das Vermögen des verstorbenen Ehegatten während der Ehe überhaupt vermehrt und wenn ja, ob der überlebende Ehegatte zu dieser Vermehrung beigetragen hat, vernachlässigt werden. Der Vorteil der einfachen und klaren Lösung des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten und des Pflichtteilsanspruchs überwiegt den Nachteil, dass die erbrechtliche Lösung den tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der Vermögensentwicklung nicht angepasst sein kann und manchmal auch nicht ist. Veranlassen die Ehegatten hingegen selbst die Lösung des Rechtsbandes, daß sie zu einer Gemeinschaft verbindet, so müsste eine, die näheren Umstände nicht beachtende Lösung in jedem Fall als unbillig und ungerecht empfunden werden. Die güterrechtliche Lösung verlangt, dass auf den Umfang der Vermögenszuwächse der Ehegatten, das Verhältnis dieser Zuwächse zueinander und das Ausmaß der Beiträge der Ehegatten zur vermögensrechtlichen Einordnung näher eingegangen werde. Leben beide Ehegatten noch, so können diese Fragen - mag ihre Beurteilung auch im Einzelfall schwierig sein - jedenfalls leichter entschieden werden als dann, wenn ein Ehegatte bereits tot ist.“128 Die Nichtanwendbarkeit der Billigkeitsregelungen führt damit zu einer Schlechterstellung des Ehegatten im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod als durch Scheidung129. Es ist aber mit Ausnahme der Praktikabilität, die für die Entscheidung des Gesetzgebers leitend gewesen sein dürfte130, kein Grund er-

124 125 126 127 128 129 130

Glitschthaler/Höllwerth, § 96 Rn. 4. Schwimann, ABGB Band 1 § 96 EheG Rn. 2. Holzner, aaO, S. 133. Holzner, aaO, S. 28. Lehner, S. 467ff, 635ff, 136 BlgNR 14 GP 7. Holzner, aaO, S. 145. Holzner, aaO, S.153.

46 sichtlich, warum die Beitragsleistung des Ehegatten im Falle einer Scheidung Berücksichtigung findet, im Todesfalle jedoch nicht131. Holzner weist darauf hin, dass die Differenzierung anhand der Funktionsfähigkeit der Ehe nicht geeignet ist, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Gerade in einer funktionierenden Ehe sei die Eigentumsfrage nebensächlich und werde zur Wahrung des Ehefriedens gerade nicht aufgeworfen132. Es ist daher festzuhalten, dass die Einräumung des gesetzlichen Erbrechts als Aufteilungsersatz in Österreich dient, welches der Disposition des Erblassers unterliegt133. Unterste Grenze ist der Pflichtteil. Dies entspricht der traditionellen Ansicht, die eine Teilhabe des Ehegatten am Nachlass erbrechtlich nur einräumt, sofern der Ehegatte durch eine Güterauseinandersetzung im Todesfall keinen Ausgleich erwarten darf134. Anlässlich der Diskussion bei dem 17. österreichischen Juristentag wurde der Vorschlag, die Regelung auch im Todesfall auszuweiten, stark hinterfragt 135.

3. Das Vorausvermächtnis Gem. § 758 ABGB steht dem nicht enterbten Ehegatten ein gesetzliches Vorausvermächtnis (neben dem gesetzlichen Erbrecht) zu. Dieses umfasst die zum ehelichen Haushalt gehörenden Sachen (Hausrat). Neben Kindern des Erblassers hat der Ehegatte nur ein Recht auf den „kleinen Voraus“ 136. Das Recht auf den Hausrat wird in diesem Fall begrenzt auf den eigenen, seinen bisherigen Lebensverhältnissen angemessenen, unbedingt nötigen Bedarf. Sinn und Zweck ist es, dem überlebenden Ehegatten die Fortführung der bisherigen Lebensumstände, sowie die Beibehaltung der gewohnten Umgebung zu ermöglichen. Das Vorausvermächtnis erfasst auch das Recht des Ehegatten, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, soweit sich dieses Recht nicht ohnehin auf dem Erbweg oder aufgrund Sonderbestimmungen im Miet- oder Eigentumswohnungsrecht ergibt. Hauptanwendungsbereich sind Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser im Alleineigentum des Erblassers. Hierdurch kann der überlebende Ehegatte das Wohnrecht unentgeltlich in Anspruch nehmen, er hat lediglich die Betriebs- und Erhaltungskosten zu tragen137. 131 132 133 134 135 136 137

Holzner, aaO, S. 150. Holzner, aaO, S 151. Holzner, aaO, S. 157. Neumayer, FS Ferid, S. 669. Welser, Schlussbericht des 17. ÖJT, S. 4. Rummel, aaO, Band I, § 759 Rn 3. Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 77.

47 Das Vorausvermächtnis ist ein schuldrechtlicher Anspruch, der mit dem Todesfall fällig wird und auch vor der Einantwortung geltend gemacht werden kann138. Strittig ist die rechtliche Einordnung dieses Anspruchs als Damnationslegat oder Vindikationslegat. Bei Letzterem muss keine Erfüllung hinzutreten. Das Vermächtnis steht unmittelbar mit dem Tod dem Ehegatten zu. Bei Ersterem ist noch eine Erfüllungshandlung dazwischengeschaltet139. Letzteres ist dem österreichischen Erbrecht mit Ausnahme des Wohnrechts fremd und führt zu einem Eigentumserwerb von Todes wegen, im Sinne einer echten Singularsukzession. Der OGH hat diese Frage bislang offen gelassen 140. Der OGH führt allerdings in der Entscheidung EvBl 2005/31 aus, dass bei dem Erwerb des Vorausvermächtnisses die Regelungen des Vermächtnisses Anwendung finden und dass das Vorausvermächtnis mit dem Todesfall fällig ist. Damit impliziert er, obwohl diese Frage eigentlich explizit nicht geklärt werden sollte, dass ein Damnationslegat vorliegt141. Nach herrschender Ansicht liegt ein rein schuldrechtlicher Anspruch vor, denn durch das ErbRÄG 1989 sollte am Vorausvermächtnis nichts geändert werden. Das Wohnrecht hat nur eine Einzelregelung gefunden.142 Die Gegenstände bzw. deren Wert sind nicht auf den gesetzlichen oder testamentarischen Erbteil einzurechnen. Rein faktisch belastet es den Ehegatten, sofern er (Mit)Erbe wird, da das Voraus den Erbteil schmälert143. Der Erblasser kann testamentarisch eine Einrechnungsbestimmung treffen144. Dies führt dazu, dass sich das Voraus zu einer „Teilungsordnung“ entwickelt.145 Der Erblasser kann das Vorausvermächtnis, ohne das Vorliegen von Enterbungsgründen, nicht entziehen. Das Vorausvermächtnis ist allerdings auf den Pflichtteil einzurechnen, weshalb ihm pflichtteilsähnlicher Charakter zugeschrieben wird146. Systematisch ist das konsequent, denn das Pflichtteilsrecht soll dem Noterben einen Mindestanteil am Nachlass sichern147. Nicht einzurechnen ist das Vorausvermächtnis allerdings auf den Unterhaltsanspruch des § 796 BGB. 138 139 140 141 142 143 144 145 146

OGH, EvBl 2005/31 Eccher, aaO, S. 123. Vgl. OGH, EvBl 2005/31, OGH JBl 2000/377. OGH, EvBl 2005/31. Ausführliche Darstellung mit Einzelnachweisen: Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 77. Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 73. Rummel, aaO, Band I, § 759 Rn. 1 mwN. Koziol/Welser, Grundriss bürgerlichen Rechts, Band II, S. 536. Welser in Rummel, aaO, Band I, § 759 Rn 6 unter Hinweis auf Welser u. OGH EvBl 2005/100, OGH NZ 1996, 243. 147 Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 73.

48 Vom Vorausvermächtnis umfasst sind weiterhin alle Gegenstände, die „schon irgendwie zu Haushaltszwecken gedient haben“, selbst wenn diese nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sind148. Auf die Regelmäßigkeit der Benutzung kommt es bei der großzügigen Auslegung des Hausratsbegriffs ebenfalls nicht an. Unter Hausrat können auch Gegenstände fallen, die der Berufsausübung gedient haben, aber in den Hausrat integriert waren149. Seit dem ErbRÄG 1989 erfasst das Vorausvermächtnis auch das Recht, in der Ehewohnung weiterzuwohnen. Durch diese Regelung sollte der als lückenhaft angesehene Schutz des Wohnbedürfnisses des überlebenden Ehegatten durch miet- und wohnrechtliche Bestimmungen vervollständigt werden. Das Vorausvermächtnis hat Vorrang gegenüber anderen Vermächtnissen, dem Pflichtteil und Unterhaltsansprüchen150. Erblasser- und Erbgangsschulden gegenüber ist das Vorausvermächtnis allerdings nachrangig. Wie bereits erwähnt, kann das Vorausvermächtnis testamentarisch nur entzogen werden, wenn ein Enterbungsgrund vorliegt.

4. Weitere Rechte des überlebenden Ehegatten Das österreichische Recht kennt Sonderregelungen, die auf die Stellung des Ehegatten Einfluss haben und diese berühren.

4.1. Unterhaltspflicht des überlebenden Ehegatten § 796 ABGB Es soll im Folgenden an dieser Stelle der Unterhaltsanspruch des nicht geschiedenen Ehegatten aufgrund des Sachzusammenhangs dargestellt werden, wenn es sich auch dogmatisch nicht um eine Erblasser-, sondern um eine Erbfall- bzw. Erbgangschuld handelt, die nur im untechnischen Sinn auf den Erben übergeht151. Demnach hat der überlebende Ehegatte bis zur Wiederverehelichung einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem bzw. den Erben oder dem Nachlass. Für die Höhe des Unterhaltsanspruchs verweist § 796 ABGB auf § 94 ABGB. Der Be148 149 150

Rummel, aaO, Band I, § 759 Rn. 5. Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 72. Zankl unterscheidet zwischen dem Vorausvermächtnis, das einen Unterhaltsanspruch absichert und dem nicht absichernden Vorausvermächtnis. Nur im ersteren Fall hat das Vorausvermächtnis Vorrang. Zankl, das Vorausvermächtnis, S. 125 ff.. 151 Rummel, aaO, Band 1 § 796 Rn. 2 unter Verweis auf Ostheim NZ 1979, 49 ff..

49 darf richtet sich nach der autonom zwischen den Ehegatten bestimmten Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft152.Unabhängig ist der Anspruch von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit, jedoch begrenzt auf den vorhandenen Nachlass153. Die Leistungsfähigkeit hat nur mittelbaren Einfluss über das Tatbestandsmerkmal der „ehelichen Lebensverhältnisse“154. Voraussetzung des “erbrechtlichen“155 Unterhaltsanspruchs ist weiterhin, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch aufrechterhalten war156. Der Unterhaltsanspruch des Ehegatten ist systematisch in § 796 ABGB, im Rahmen des Pflichtteilsrechts geregelt und lediglich „subsidiär“, da in den Anspruch alles einzurechnen ist, was der überlebende Ehegatte vom Erblasser durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil bzw. durch öffentlich- oder privatrechtliche Leistung erhält und entsteht auch erst, wenn der Berechtigte aus den anzurechnenden Posten keine Deckung erlangen kann157. Weiterhin hat der überlebende Ehegatte eigenes Vermögen bzw. eigene Erträgnisse einzubringen, wobei § 796 ABGB eine Erwerbsobliegenheit statuiert. Der überlebende Ehegatte hat sich Erträge aus einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm nach den Umständen erwartet werden darf, einrechnen zu lassen. Der Erbe haftet für diese Unterhaltsschulden „bis zum Wert der Verlassenschaft“ wobei es auf den Wert im Zeitpunkt der Einantwortung ankommt158. Gläubiger des Nachlasses sind allerdings vorrangig zu befriedigen. Im Verhältnis der Erbgangsgläubiger ist vieles unklar. Unstrittig ist, dass der Unterhaltsberechtigte den Vermächtnisnehmern vorgeht, da diese nach der Regelung des § 692 ABGB allen anderen Gläubigern nachstehen. Das Verhältnis zu den Pflichtteilsberechtigten ist weiterhin strittig. Die herrschende Meinung geht aufgrund der eigenen Pflichtteilsberechtigung des überlebenden Ehegatten davon aus, dass der Anspruch nicht dem Noterbrecht vorgeht, zumal mit der Reform der Rechte des Ehegatten diese Rechte eher abgeschwächt werden sollten159. 152 153 154 155

156 157 158 159

Rummel, Kommentar zum ABGB, Band 1 § 94 Rn. 2. Wobei der Nachlass zunächst um die Schulden bereinigt wird. Rummel, aaO, Band 1, § 796 Rn. 8. Rummel, aaO, Band 1, § 94 Rn. 3. Str. historisch wurde dieser Unterhaltsanspruch auch familienrechtlich qualifiziert und eingeordnet, vgl. Rummel, aaO, Band 1, § 796 Rn. 1. Früher war er „Surrogat“ für fehlendes Erbrecht des Gatten. Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut arg e contr. „außer in den Fällen der §§ 759…, vgl, Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 32. Rummel, aaO, Band 1, § 796 Rn. 11. Rummel, aaO, Band 1, § 796 Rn. 7. Rummel, aaO, Band 1 § 796 Rn. 10 mwN.

50 Historisch stammt dieser Unterhaltsanspruch noch aus der Zeit vor dem EheRÄndG, in dem der überlebende Ehegatte noch nicht pflichtteilsberechtigt war.

4.2. Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten Ebenfalls eine Erbgangsschuld ist die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten160. Diese geht von Gesetzes wegen gem. § 78 Abs. 1 EheG auf die Erben über. Unvererblich ist gem. § 78 Abs. 3 EheG lediglich die Beitragspflicht nach § 68 EheG. Auch im Falle des nachehelichen Unterhalts ist dieser auf den Wert des vorhandenen Nachlasses beschränkt und muss sich nach h.M.§ 796 ABGB analog einrechnen lassen, was dieser aus Anlass des Todes von dem Erblasser oder von einem Dritten erhalten hat161.

4.3. Sonstige Rechte Sondervorschriften für den überlebenden Ehegatten bestehen im Bereich des Anerbenrechts und sonstigen Sonderrechtsnachfolgen wie im Miet-, Wohnungseigentums-, Sozial- und Arbeitsrecht. Diese bleiben hier außer Acht, da sie den Rahmen der Darstellung sprengen würden.

5. Das Pflichtteilsrecht Wie die meisten europäischen Rechtsordnungen kennt das österreichische Recht ein Mischsystem zwischen dem Prinzip der Testierfreiheit und dem der Familienerbfolge andererseits. Das Pflichtteils- bzw. Noterbrecht ist in §§ 762 ff ABGB geregelt und gewährt dem Ehegatten, Abkömmlingen bzw., sofern letztere nicht vorhanden sind, den Eltern eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Pflichtteilsberechtigte Deszendenten und der Ehegatte sind zur Hälfte des gesetzlichen Erbrechts pflichtteilsberechtigt (§ 765 ABGB). Aszendenten in gerader Linie, sofern keine Deszendenten vorhanden sind, sind zu 1/3 des gesetzlichen Erbteils (§ 766 ABGB) pflichtteilsberechtigt. Hierzu muss der Reinnachlass und die einzelnen Aktiven und Passiven bewertet werden. Daneben stehen noch Pflichtteilsansprüche im Raum.

160 161

Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 35. OGH SZ 55/54 = EvBl 1982/169.

51 Etwa bei einem fehlenden Näheverhältnis kann das Pflichtteilsrecht durch letztwillige Anordnung nochmals um die Hälfte gem. § 773a ABGB reduziert werden. Bei dem Vorliegen von Enterbungsgründen kann der Pflichtteil ganz entzogen werden. Das österreichische Recht unterscheidet das Pflichtteilsrecht und den Pflichtteilsanspruch. Bei Letzterem handelt es sich um einen Ergänzungsanspruch, der geltend zu machen ist, wenn die Einsetzung hinter der Pflichtteilsquote zurück bleibt. Das Pflichtteilsrecht entscheidet, wie viel - im Sinne welcher Quote - der Pflichtteilsberechtigte aus dem Nachlass erhält162. Der Pflichtteilsanspruch ist auf einen Geldanspruch gerichtet und ein Erbersatzanspruch. Im Abhandlungsverfahren sind Noterbberechtigte Partei im Sinne des § 2 AußStrG. Sie haben im Verlassenschaftsverfahren das Recht, der Schätzung gem. § 784 ABGB beizuwohnen, Inventarisierung und Nachlassseparation zu verlangen. Der Pflichtteil ist auf einen Geldanspruch gerichtet, weshalb keine tatsächliche Nachlassbeteiligung vorliegt163. Das Vorausvermächtnis wird auf den Pflichtteilsanspruch gem. § 789 ABGB eingerechnet164.

6. Die gewillkürte Erbfolge Im Rahmen der gewillkürten Erbfolge soll nur auf die Regelungen eingegangen werden, die die Stellung des Ehegatten betreffen bzw. hieran anknüpfen, insbesondere soll auf das gemeinschaftliche Testament und den Erbvertrag eingegangen werden. Inhaltlich soll nachfolgend ein besonderes Gewicht auf die Möglichkeit, den Ehegatten als Allein- oder Vorerben einzusetzen, gelegt werden, da mit diesen Instituten nach österreichischem Recht eine zumindest teilweise aufgeschobene Auseinandersetzung erreicht werden kann.

6.1. Das gemeinschaftliche Testament, Errichtung und Aufhebung Bei dem gemeinschaftlichen Testament handelt es sich um eine besondere Form der letztwilligen Verfügung, dessen Besonderheit in dem gemeinschaftlichen Text in Form ein und desselben Aufsatzes besteht. Das gemeinschaftliche Testament ist in §§ 583, 1248 ABGB geregelt. Diese Form der letztwilligen Verfü-

162 163 164

Likar Peer in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 336. Likar Peer in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 398 ff.. Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 73.

52 gung steht nur Ehegatten und Brautleuten, unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Verehelichung, zu. Nach dem Sinn und Zweck des Verbots sonstiger gemeinschaftlicher Testamente gem. § 583 ABGB sollen Auslegungsprobleme und Beeinflussungen des Erblassers durch Dritte vermieden werden165. Im Übrigen gelten die allgemeinen Formvorschriften, insbesondere des fremdhändischen Testaments, die Errichtung und Bestätigung vor drei Zeugen und Unterschrift der Zeugen sowie beider Ehegatten. Die Zeugen dürfen gem. § 594 ABGB nicht befangen sein, was zu einer relativen Zeugenunfähigkeit führt. Strittig ist, ob ein gemeinschaftliches Testament auch in Form eines eigenhändigen Testaments errichtet werden kann, denn das Gesetz berücksichtigt nicht das Zusammentreffen von eigenhändigem und gemeinschaftlichem Testament166. Die herrschende Auffassung verlangt, dass wenn, dann beide einen inhaltlich identischen Text schreiben und unterfertigen müssen167. Nachdem das gemeinschaftliche Testament kein Ehepakt ist, kann jeder der Ehegatten jederzeit seine eigene Verfügung gem. § 1248 ABGB nach den Vorschriften der §§ 713 ff ABGB widerrufen. Von dem Widerruf muss auch der andere Teil nicht in Kenntnis gesetzt werden. Das Testament kann auch noch nach dem Tode des Erstversterbenden einseitig widerrufen werden168. Bindungswirkungen kann das gemeinschaftliche Testament somit per se nicht entfalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Ehegatten vereinbaren, dass die Geltung der einen Verfügung von der anderen abhängen soll und somit „Wechselbezüglichkeit“ gegeben ist169. Wechselbezüglichkeit liegt dann vor, wenn die Ehegatten sich gegenseitig als Erben einsetzen. In diesem Fall führt ein einseitiger Widerruf im Zweifel dazu, dass auch die andere Verfügung unwirksam wird. Im Zweifel ist nicht von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen (§ 1248 ABGB). Die Auflösung der Ehe zu Lebzeiten beeinflusst die Gültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments nicht170.

165 166 167 168 169 170

Rummel, aaO, Band 1, § 583 Rn. 2. Gschnitzer, Österr. Erbrecht, S. 51. Gschnitzer, aaO, S. 50, SZ 10/327. Weiss in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 178. Weiss in Ferrari/Likar Peer, aaO, S 178. Weiss in Ferrari/Likar Peer, aaO, S 179.

53

6.2. Der Erbvertrag Nur Ehegatten steht in Österreich der beidseitige bindende Erbvertrag im Rahmen der gewillkürten Erbfolge als Instrument zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, wodurch der eine Ehegatte den anderen bzw. beide sich gegenseitig und einseitig unwiderruflich zu höchstens 3/4 als Erben berufen können (vgl. §§ 602,1249 ff ABGB). Die Bindungswirkung erstreckt sich lediglich auf die Erbeinsetzung der Ehegatten als Erben. Wird ein Dritter in einen Erbvertrag eingesetzt, liegt ein einseitig widerrufliches Testament vor171. Mit der Beschränkung auf 3/4 soll vorrangig die Testierfreiheit über einen Teil des Nachlasses bezweckt werden. Das sogenannte freie Viertel wird aus dem Nachlass unter Abzug aller Nachlassverbindlichkeiten, Erbschaftslasten sowie beanspruchter Pflichtteile errechnet172, wobei die konkrete Berechnung äußerst umstritten ist173. In der Praxis wird in Bezug auf das freie Viertel meistens ein gemeinschaftliches Testament errichtet174. Der Erbvertrag unterliegt der doppelten Formstrenge. Dieser muss sowohl in Form eines Notariatsaktes im Sinne eines notariellen Testaments errichtet werden und zudem gem. § 1249 S. 2 ABGB die Formerfordernisse eines schriftlichen Testaments aufweisen, um gültig zu sein. Der Erbvertrag ist abweichend von den sonstigen letztwilligen Verfügungen nicht frei einseitig widerruflich. Gem. § 1254 S. 1 ABGB muss der Erbvertrag, soweit er den Vertragserben beeinträchtigen würde, „nur nach Vorschrift der Gesetze entkräftet werden“. Darunter wird aufgrund der Rechtsnatur des Erbvertrages als zweiseitiges Rechtsgeschäft die rechtsgeschäftliche Aufhebung durch neuen Erbvertrag, Erbverzichtsvertrag bzw. Aufhebungsvertrag in Form eines Notariatsaktes ohne das Formerfordernis für letztwillige Verfügungen gesehen175.

6.3. Der Ehegatte als Allein- bzw. Vorerbe Wie später noch darzustellen sein wird, sehen die nordischen Rechte zu Gunsten des überlebenden Ehegatten eine aufgeschobene Auseinandersetzung vor. Eine solche kennt das österreichische Recht nicht, insbesondere auch nicht die fortgesetzte Gütergemeinschaft. 171 172 173 174 175

Fritsch in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 249. Brauneder in Schwimann, aaO, § 1253 Rn. 2. Fritsch in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 255. Fritsch in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 254. Brauneder in Schwimann, § 1254 Rn. 1.

54 Zur besseren Gegenüberstellung, im Rahmen der Rechtsvergleichung, soll deshalb nachfolgend kurz skizziert werden, welche Auswirkungen es nach österreichischem Recht nach sich zieht, wenn der überlebende Ehegatte durch letztwillige Verfügung als Allein- oder Vorerbe eingesetzt wird. Bei einer Einsetzung des Ehegatten als Alleinerben, auch bei einer gegenseitigen, im Sinne der Einheitslösung des gemeinschaftlichen Testaments, kommen die Pflichtteilsrechte der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge bzw., sofern solche nicht vorhanden sind, der Eltern ins Spiel. Wird der überlebende Ehegatte als Alleinerbe eingesetzt, ist trotzdem eine Auseinandersetzung des Nachlasses in dem Sinne vorzunehmen, dass der Pflichtteil auf Verlangen ausbezahlt wird. Dies kann nur mit einer sogenannten Pflichtteilsstrafklausel bei der Einheitslösung des gemeinschaftlichen Testaments verhindert werden. Wird der überlebende Ehegatte als Vorerbe, beispielsweise im Rahmen der sog. Trennungslösung, eingesetzt und die Abkömmlinge als Nacherben, führt dies zu zwei getrennten Vermögensmassen bei dem überlebenden Ehegatten. Nachdem der Abkömmling - auch wenn er als Nacherbe eingesetzt worden ist zunächst enterbt worden ist, muss zunächst der Pflichtteil auf Verlangen berichtigt werden176. Zudem hat der Vorerbe nur ein zeitlich befristetes und inhaltlich beschränktes Eigentumsrecht177. Dem Vorerben kommen nur gem. §§ 613 iVm. §§ 509 ff. ABGB die Rechte eines Fruchtnießers zu. Dieser kann gem. § 631 S. 2 ABGB die Erbschaft nutzen, muss jedoch die Substanz schonen178. Hierzu wird im Verlassenschaftsverfahren ein Inventar errichtet (§ 165 Abs. 1 Z. 4 AußStrG) und die Beschränkung ist in den Einantwortungsbeschluss aufzunehmen (§ 178, Abs. 2 Z. 1 AußStrG), im Liegenschaftsregister findet die Beschränkung ebenfalls Berücksichtigung. Eine Veräußerung ist nicht bzw. nur eingeschränkt möglich, ohne Zustimmung des Nacherben nur bei der Erfüllung von Nachlass-, Erblasser-, und Erbgangsverbindlichkeiten, denen sich auch der Nacherbe nicht entziehen kann179. Der Nacherbe hat erst einen Anspruch auf Rechnungslegung gegenüber dem Vorerben ab der zweiten Einantwortung. Überschreitet der Vorerbe seine Verwaltungsbefugnisse, haftet dieser mit seinem Privatvermögen180. Der Erblasser kann den Vorerben jedoch von diesen Beschränkungen befreien und eine Substitution auf den Überrest anordnen. Dies führt dazu, dass der Nacherbe kein dingliches Recht am Substitutionsgut vor Eintritt des Nacherbfalls erhält. Der Vorerbe kann dann den Substitutionsnachlass veräußern, belasten oder verschenken. 176 177 178 179 180

Fritsch in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 215. Fritsch in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 216. Gschnitzer, aaO, S. 88. OGH RZ 1961, 182. Fritsch in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 219.

55 Das Surrogat fällt dann in die Substitionsmasse. Nur bei einem sittenwidrigen Missbrauch und einer absichtlicher Schmälerung der Substitutionsmasse kann der Nacherbe Schadensersatz gem. § 1295 Abs. 2 ABGB geltend machen 181. Die Substitution auf den Überrest ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, aber allgemein anerkannt und nach § 614 ABGB sogar im Zweifel zu vermuten182.

7. Nachlassverfahren und Auseinandersetzung des Nachlasses In Österreich darf niemand die Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen, diese ist vielmehr durch Beschluss des Außerstreitgerichts „einzuantworten“. Diesem Beschluss ist zwingend ein Verlassenschaftsverfahren vorgeschaltet und dient der Sicherung des Nachlasses bei Streitigkeiten um das Erbrecht sowie gegebenenfalls ordnungsgemäßer Beteiligung Pflegebefohlener183. Die Einantwortung führt zu einem Anfall der Erbschaft und Eigentumsübergang auf den Erben 184. Für den Ehegatten bzw. dessen Stellung ergibt sich aus den Verfahrensvorschriften nichts Besonderes. Dieser ist nicht explizit Partei im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 AußStrG. Diese Norm stellt auf den so genannten materiellen Parteibegriff ab, demnach ist jede Person Partei, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrten, in Aussicht genommenen Entscheidungen oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde. Hierzu gehören die Erben, Nacherben, Pflichtteilsberechtigte und Legatare185. Nachdem der Ehegatte zumindest pflichtteilsberechtigt ist, sofern er nicht einen Verzicht erklärt hat, ist er zwingend zu beteiligen. Wie bereits ausgeführt, kann der Ehegatte sein Recht auf das Vorausvermächtnis auch schon vor Einantwortung und außerhalb des Verlassenschaftsverfahrens geltend machen.

8. Zusammenfassung Die Stellung des Ehegatten ist im österreichischen Erbrecht abhängig von seinen eigenen Vermögensverhältnissen und der Zusammensetzung des Nachlasses des zuerst verstorbenen Gattenteils. 181 182 183 184 185

Fritsch in Ferrari/Likar Peer, aaO, S. 219 unter Hinweis auf OGH SZ 47/62. Eccer, aaO, S. 78. Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 440. Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 490. Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 442.

56 Ist das eheliche Gesamtvermögen gleich, im Sinne von wertmäßiger Gleichheit, auf die Ehegatten nach dem jeweils zustehenden Eigentum zu je 50% aufgeteilt, dann kann der überlebende Ehegatte seinen Anteil von 50% behalten und behält zusammen mit seinem gesetzlichen Erbrecht ein Vermögen in Höhe von 66,66%, oder eine Quote von 4/6 nebst Vorausvermächtnis, wobei letzteres auf den Erbteil nicht einzurechnen ist. Steht das Vermögen, welches im Rahmen der Eheführung zur Verfügung stand, vornehmlich im Eigentum des längerlebenden Ehegatten, dann muss dieser im Zuge eines güterrechtlichen Ausgleichs auch keinen Anteil an den Nachlass abgeben, denn es gilt die Gütertrennung. Zusätzlich kann er die Rechte des Erbrechts für sich in Anspruch nehmen. Eine güterrechtliche Anpassung wie im Falle der Scheidung findet bei der Beendigung der Ehe von Todes wegen gerade nicht statt. Die Vorschrift des § 81 EheG soll, aus meines Erachtens nicht überzeugenden Gründen, gerade dann nicht anwendbar sein. Dies birgt gerade für die sogenannte Haushaltsführungsehe erhebliche, meines Erachtens nicht gerechtfertigte Nachteile, sofern kein güterrechtlicher oder testamentarischer Ausgleich geschaffen wird. Vor dem Hintergrund der vom Gesetz vorausgesetzten und bezweckten Gleichberechtigung der Ehegatten ist dies sehr bedenklich, wenn auch die historische Rechtfertigung nicht zu übersehen ist. Steht das Vermögen, welches zu Lebzeiten des Erblassers noch beiden Ehegatten, zumindest indirekt, zur Lebensführung zur Verfügung stand, vornehmlich im Eigentum des zuerst verstorbenen Ehegatten, ist bei der Beurteilung der erbrechtlichen Stellung auf die Vermögenszusammensetzung des Nachlasses abzustellen. Befindet sich im Nachlass ein Haus, dann kann der überlebende Ehegatte, neben seinem gesetzlichen Erbrecht, das Wohnrecht gegen Übernahme der Betriebs- und Erhaltungskosten in Anspruch nehmen. Dies stellt meines Erachtens eine nicht zu verachtende Wertposition dar. Das Vorausvermächtnis wirkt sich in diesem Fall entscheidend auf die Rechtsstellung des Ehegatten aus, wenn es sich bei dem Wohnrecht auch nicht um eine Eigentumsposition handelt. Befindet sich kein Haus im Nachlass, dann wird der Ehegatte auf sein gesetzliches Erbrecht in Höhe von 1/3 verwiesen. Das Vorausvermächtnis fällt dann nicht mehr entscheidend ins Gewicht. Die Beibehaltung des Lebensstandards des Ehegatten ist damit nicht sicher gestellt, sondern allenfalls abgesichert. Weiter wird der Ehegatte über das Pflichtteilsrecht von 1/6 und Unterhaltsansprüche, die in den Nachlass fallen bzw. gegen den Nachlass geltend gemacht werden können, im Sinne einer Mindestbedarfsdeckung versorgt, wobei der Unterhaltsanspruch subsidiär ist und auf den Wert der Hinterlassenschaft begrenzt ist.

57 Bei der Unterhaltsbemessung spielt der bisherige Lebensstandard nur über den Umweg der Bedarfsfeststellung eine Rolle. Neben dem Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch steht dem Ehegatten das Vorausvermächtnis zu. Dieses ist jedoch auf Pflichtteil und Unterhalt einzurechnen. Im Wege der gewillkürten Erbfolge ist zu beachten, dass aufgrund der mit 3/8 des gesamten Nachlasses hohen Erbquote erhebliche Pflichtteilsansprüche im Raum stehen. Dies kann dazu führen, dass der überlebende Ehegatte zu einer Veräußerung im Falle des Falles gezwungen wird.

59

5. Kapitel: Das norwegische Ehegattenerbrecht 1. Rechtsgrundlagen und historische Rechtsentwicklung Das norwegische Erbrecht ist das „älteste“ und „konservativste“ der hier untersuchten nordischen Rechtsordnungen. Dies gilt auch für das Ehegattenerbrecht.

1.1. Die Rechtsgrundlagen und die norwegische Rechtsordnung Die Rechtsgrundlagen des norwegischen Erbrechtes finden sich primär in dem lov om arveret af 3. mars 1972 Nr. 5, nachfolgend als „Erbgesetz“ oder abgekürzt „AL“ bezeichnet. Dort wird vorwiegend das materielle Erbrecht geregelt. Die Frage der (Nachlass-)Auseinandersetzung wird in dem lov om skifte af 21. Februar 1930, nachfolgend als „skifteloven“ oder „SL“ bezeichnet, geregelt. Aufgrund des formellen Charakters der Nachlassauseinandersetzung ist ein Großteil der darin enthaltenen Regelungen dem formellen Recht zuzuordnen. Im Bereich des Ehegattenerbrechtes spielt zudem das lov om ektenskap af 4. Juli 1991 Nr. 47, nachfolgend als „Ehegesetz“ oder abgekürzt „EL“ bezeichnet, eine größere Rolle, zumal in dem Ehegesetz insbesondere die auch für die Güterteilung im Todesfalle einschlägigen Regelungen normiert sind. Im Bereich des Ehegattenerbrechtes sind sowohl die güterrechtlichen Erbregelungen, wie auch die erbrechtlichen Vorschriften von zentralem Interesse. Wie in den meisten anderen Rechtsordnungen auch, finden sich darüber hinaus vereinzelt Regelungen, die Randbereiche des Erbrechtes betreffen.

1.2. Die Geschichte des norwegischen Ehegattenerbrechts So natürlich es mittlerweile erscheint, dass dem Ehegatten ein Erbrecht zukommt, so selbstverständlich ist die Regelung in einer Gesamtbetrachtung der Erbrechtshistorie auch in Norwegen nicht. Erst durch das Norske Lov aus dem Jahr 1604, eingeführt von Christian V, wurde das Ehegattenerbrecht erstmals normiert, jedoch davon abhängig gemacht, dass ein gemeinschaftliches Kind vorhanden war186. In diesem Fall erbte der Ehegatte auflösend bedingt, bis zur Eingehung einer neuen Ehe, ein 186

Lødrup, Arverett, S. 59/60.

60 „broderlodd“187 und wurde damit dem Sohn erbrechtlich gleichgestellt188. War die Ehe kinderlos, wurde der Ehegatte auf den güterrechtlichen Ausgleich verwiesen. Zuvor galt in Norwegen, wie im gesamten nordischen Recht, das germanische Recht. Demnach erbten die Verwandten des Erblassers, sofern es etwas zu vererben gab. Gesetzgebende Gewalt war das jeweilige lagting189. Zugeständnisse zu Lasten des Sippenerbrechtes wurden nur bei Grabbeigaben gemacht. Welche Verwandten erbten und in welcher Reihenfolge, variierte hierbei. Dass der überlebende Ehegatte kein Erbrecht hatte, hing vor allem damit zusammen, dass die Voraussetzungen für eine Scheidung nicht allzu hoch waren und man verhindert wollte, dass eine Ehe zu einem Vermögenstransfer von einer Sippe zur anderen führte190. Auch heute noch ist dieser Gedanke im Bereich des Landwirtschaftsrechts zu finden191. Die älteste schriftliche Gesetzessammlung ist das Gulathingslov. Die genaue zeitliche Einordnung der erstmaligen schriftlichen Niederlegung der vormals mündlich überlieferten Normen ist umstritten und fällt in den Zeitraum zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert. Bemerkenswert ist, dass das Gulathingslov in der zweiten Erbordnung bereits ein Erbrecht der Tochter zur Hälfte nach dem Vater gekannt hat (Art. 103 Gulathingslov)192. Zeitlich danach ist das Frostathingslov193 einzuordnen, obwohl auch hier das genaue Verkündungsdatum unbekannt ist. Hierbei handelte es sich um ein weiteres Landschaftsgesetz, welches aber nicht so systematisch aufgebaut ist, wie das Gulathingslov. Magnus Lagabøtes Landslov aus dem Jahr 1274 sah vor, dass Sohn und Tochter nach dem Tode der Eltern erbberechtigt waren, weibliche Abkömmlinge erbten jedoch nur halb so viel wie Söhne194. Magnus Lagabøtes Landslov versuchte, die bis dahin geltenden, verschiedenen Landschaftsgesetze, oder die so genannten Lagthingsgesetze zu vereinheitlichen. Aber auch nach diesem Gesetz war der Nachlass an die Sippe des Erblassers gebunden. Die Erbfolge wurde hierbei auf den so genannten „siebten

187 188 189 190 191

Wörtlich übersetzt: Bruderteil. Hambro, Arveplanlegging og avtalt uskifte, aaO, S. 26. Unneberg, Arveretten med dødsboskifte, S. 30. Uneberg, aaO, S. 30. § 15 Lov om Odelsretten og Åsetelsretten. Demnach hat ein Ehegatte güterrechtlich nur begrenzten Zugang zu einem Grundstück, dass der andere Ehegatte bestellt. Dieses bleibt im Sondergut des bestellenden Ehegatten. 192 Abgedruckt bei: Meißner, Norwegisches Recht Das Rechtsbuch der Gulathings. 193 Abgedruckt bei: Meißner, Norwegisches Recht Das Rechtsbuch der Frostathings. 194 Hambro, Arveplanlegging och avtalt uskifte, S. 26.

61 Mann195“ begrenzt. Hierbei handelte es sich um eine Begrenzung des gesetzlichen Erbrechtes nach dem Gradsystem auf die siebte, vermittelnde Geburt. Gleichzeitig wurden in diesem Gesetz die Voraussetzungen für eine Scheidung erschwert und der Güterstand der Gütergemeinschaft bzw. erste Grundlagen hierzu geschaffen196. Im Jahr 1604 wurde dann durch die Neuausgabe des Magnus Lagabøtes Landslov durch Kristian IV. das Repräsentationsrecht eingeführt. In diese Zeit fällt auch der Übergang von den so genannten Seelgeräten197, die im Zusammenhang mit dem Übergang zum Christentum Einzug hielten und auf kanonischem Recht basierten, zum eigentlichen Testamentsrecht, welches zu Beginn noch nicht im Einzelnen ausgestaltet war und innerhalb Norwegens variierte198. Als Basis, die in Norwegen den Weg zur gewillkürten Erbfolge ebnete, gilt die Verordnung des Kardinals Nikolaus Breakspeares aus dem Jahr 1152199. Um das Jahr 1700 wurde die Rechtspraxis in Anlehnung an die dänischen Landschaftsgesetze eingeführt, dem überlebenden Ehegatten die Fortführung der ungeteilten Gütergemeinschaft zu bewilligen. Die gegenwärtig noch immer normierte Rechtsfigur des „uskifte bo“ hat hierin ihre Grundlage. Voraussetzung war unter anderem, dass der überlebende Ehegatte mündig und damit mindestens 25 Jahre war, sowie dass noch minderjährige Kinder vorhanden waren. Damit handelte es sich vor dem Hintergrund der damaligen Lebenserwartung um einen Ausnahmetatbestand, der kaum zur Anwendung kam. Eine vergleichbare Rechtsfolge konnte vermutlich durch einen Ehepakt herbeigeführt werden200. Mit der Einführung des zuvor erwähnten Norske Lov201 und den Anfängen des Ehegattenerbrechtes trafen ungefähr zeitgleich die Regelungen für Testamente, insbesondere für kinderlose Ehegatten zusammen. In dem Erbgesetz aus dem Jahr 1854 wurde die erbrechtliche Stellung des längerlebenden Ehegatten zugunsten der leiblichen Abkömmlinge wieder geschwächt. Hinterließ der Erblasser leibliche Abkömmlinge, erbte der Ehegatte 195 196 197 198

199 200 201

Norw: „syvende mann“. Unneberg, aaO, S, 31. Hierbei handelt es sich um Vermächtnisse, die Reiche zu Gunsten der Kirche aussetzen konnten. Die Landschaftsgesetze Gulathings in Art 107ff und Frostathings in Art 3. sahen vor, dass jeder im Sinne einer Schenkung unter Lebenden sein Erbe vergeben und dieses aber auch jederzeit wieder zurückfordern dürfe, wobei das Gulathingslov vorsah, dass diese Schenkung auf dem Thing geschehen müsse.. Dübeck, FS Lødrup, S. 228. Hambro, Arveplanlegging och avtalt uskifte, S. 31, 32. Abgedruckt in Kong Christian den Fjerdes Norske Lovbog af 1604, Carl C. Werner & Kom.S Bogtrykkeri, Christiana, 1855.

62 gar nicht. Hintergrund war, dass im Jahr 1851 das uskiftelov verabschiedet worden war202. Dies sah die Berechtigung des Ehegatten vor, im fortgesetzten Güterstand zu verbleiben203. Hier ist ein Zusammenhang mit den historischen Problemen bei der Absicherung des Ehegatten von Todes wegen zu erkennen. Die Absicherung erfolgte zunächst entweder güter- oder erbrechtlich. In den übrigen Fällen stand dem Ehegatten unabhängig von den vorhandenen Erbklassen ein Erbrecht von 1/3 zu. Im Jahr 1927 wurde das uskifteloven neu geregelt. Nach einer weiteren Änderung im Jahr 1937 wurde dann das uskiftelov im Zusammenhang mit der Neuregelung des Erbgesetzes in dieses integriert und teilweise verändert.

2. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht Das geltende Erbrecht stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1972 und gründet, wie bereits erwähnt, auf älteren Überlegungen und Rechtsvorstellungen, wobei allerdings in den darauf folgenden Jahren mehrere Anpassungen erfolgten. Dies gilt gerade für das Ehegattenerbrecht.

2.1. Überblick über die gesetzliche Erbfolge Die gesetzliche Erbfolge entspricht in den Grundprinzipien der des österreichischen Rechtes. Es gilt das Parentel- und damit Erbklassensystem. Innerhalb des Parentelsystems gelten das Stammes- oder Linienprinzip sowie das Repräsentationsrecht. Obwohl im Gesetz nicht als solche bezeichnet, werden die gesetzlichen Erben nach Erbklassen eingeteilt. Erben erster Klasse sind die Abkömmlinge des Erblassers, Erben zweiter Klasse sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, Erben dritter Klasse sind die Großeltern des Erblassers. Uneheliche Kinder erben nach dem Vater und werden nach der ausdrücklichen Regelung des § 4 AL auch von dem Vater und dessen Verwandten beerbt. Hat sich der Vater oder Verwandte aus der Linie des Vaters bei Zeugung des Kindes oder zu Lasten des Kindes eines Sexualverbrechens gem. §§ 192-196, 199 des Strafgesetzbuches204 strafbar gemacht und ist der Täter deshalb zu einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt worden, kann der Vater nach dem Kind nicht erben. Verwandte des Vaters treten in diesem 202

Mit näheren Ausführungen zu der Ausgestaltung dieses Gesetzes und weiteren Nachweisen vgl. Hambro, Arveplanlegging och avtalt uskifte, S. 33 ff.. 203 Nordisk Retsencyklpædie, den Nordiske Obligationsret, S.103. 204 Lov om straff av 22. mai 1902, Nr. 10.

63 Fall nicht in dessen Stellung ein, außer der Nachlass besteht aus Erwerben von Todes wegen oder Schenkungen des Vaters oder aus des Vaters Linie.

2.2. Die Rechte des Ehegatten im Todesfall Wie auch im sonstigen hier untersuchten nordischen Recht, kommen dem Ehegatten im Todesfall sowohl güter- als auch erbrechtliche Regelungen zu Gute, die seine Rechts- und, im Vergleich zu den übrigen Erben, Ausnahmestellung begründen.

2.2.1. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten Der überlebende Ehegatte erbt nach dem aus dem Jahr 1972 stammenden Erbgesetz, Kapitel 2, zu 1/4, unabhängig von dem für die Ehe geltenden Güterstand, sofern der Erblasser Abkömmlinge hinterlassen hat. Im Falle nur eines Abkömmlings hat dies jedoch zur Folge, dass der überlebende Ehegatte nur zu 1/4 erbt, während der Abkömmling den Erblasser zu 3/4 beerbt. Wird der Erblasser von Erben der Klasse 2 beerbt, erbt der Ehegatte neben diesen Erben zu 1/2, bei den übrigen Erbklassen ganz205.

2.2.2. Der Begriff des Ehegatten Mit Eingehung der Ehe stehen dem Ehegatten die nachfolgend näher dargestellten güter- und erbrechtlichen Rechte und Ansprüche zu. Die Ansprüche des Ehegatten im Todesfall setzen eine formgültig eingegangene Ehe voraus. Ein Eheschluss ist in Norwegen sowohl durch einen Standesbeamten, als auch durch einen Träger einer registrierten Glaubensgemeinschaft möglich (§ 12 EL). Es bedarf im Falle einer kirchlichen Hochzeit nicht noch zusätzlich einer standesamtlichen Trauung. Der König hat in Norwegen die Möglichkeit, eine rechtsunwirksam eingegangene Ehe bei dem Vorliegen „besonderer Gründe“ auf Antrag eines „Ehegatten“ für gültig zu erklären(§ 16 Abs. 2 EL). Dann erwacht auch das Erbrecht206. Wird die Ehe geschieden, fällt die gemeinsame gegenseitige Grundlage, die das Erbrecht des Ehegatten rechtfertigt, schon mit Verkündung weg 207. Erwähnenswert ist, dass das norwegische Recht die formelle, gerichtlich festgestellte Trennung als Vorstufe zur Scheidung kennt. Durch Beschluss wird die Trennung bewilligt. In diesem Fall fällt das Ehegattenerbrecht gem. § 8 AL iVm. 205 206 207

Vgl. hierzu § 6 AL. Lødrup, aaO, S. 61. Unneberg, aaO, S. 80.

64 § 43 S. 1 EL zum Todeszeitpunkt weg. Einer bewilligten Trennung rechtlich aber nicht erbrechtlich - gleich, steht eine tatsächliche Trennung von drei Jahren. In diesem Fall der faktischen Trennung fällt das Erbrecht nach dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers nicht weg208. Nehmen die Ehegatten nach einer bewilligten Trennung das Zusammenleben wieder auf, erwacht das Erbrecht ohne formellen Akt wieder209. Ein Wegfall des Erbrechtes, falls die Ehe aufhebbar, aber nicht unwirksam ist, kennt das norwegische Recht nicht. Gleichgeschlechtliche Paare können in Norwegen heiraten und sind Ehegatten damit auch erbrechtlich, durch das Gesetz über die registrierte Partnerschaft vom 30.04.1993 Nr. 40, vollständig gleich gestellt. Darüber hinaus hat auch der nichteheliche Lebensgefährte, unabhängig vom Geschlecht, wie sogleich darzustellen ist, unter bestimmten Voraussetzungen ein Erbrecht bzw. erbrechtliche Ansprüche.

2.2.3. Exkurs: Samboer - nichteheliche Lebensgemeinschaft Alleine durch das Eingehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft beim Zusammenleben werden in Norwegen, wie in den anderen hier untersuchten nordischen Jurisdiktionen, in güterrechtlicher Hinsicht Rechtswirkungen entfacht, die im Falle einer Trennung ein formelles Güterauseinandersetzungsverfahren notwendig machen. Aus österreichischer Sicht ist damit die nichteheliche Lebensgemeinschaft der Ehe in vielerlei Hinsicht gleichgestellt. Seit dem 01.09.2009 kann ein nichtehelicher Lebenspartner, „Samboer“, gleich ob es sich um ein hetero- oder homosexuelles Verhältnis handelt, ein beschränktes gesetzliches Erbrecht nach dem anderen Lebenspartner haben, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind. Durch das Gesetz 2008 Nr. 112 vom 19.12.2008 wurde das Erbgesetz in Kapitel 3 §§ 28a-28g um die Vorschriften für nichteheliche Lebensgemeinschaften ergänzt. Zweck war es, den überlebenden nichtehelichen Lebenspartner mit einem gemeinsamen Kind u.a. ökonomisch zu stärken210. Damit hat der Gesetzgeber auf die nicht nur in Norwegen vorherrschende Rechtsauffassung in der Bevölkerung reagiert, dass dem in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Partner, ein Erbrecht nach dem verstorbenen Partner zukommen soll211, zumal die nichteheliche Lebensgemeinschaft in vielerlei Hinsicht ohnehin schon einer Ehe angenähert ist. 208 209 210 211

Vgl. hierzu Hambro, Arveloven § 8, S. 47. Lødrup, aaO, S. 68 mwN. Ot.prp. nr. 73 (2007-2008). Ot.prp. nr. 73 (2007-2008).

65 Dem überlebenden nichtehelichen Partner steht für den Fall, dass mindestens ein gemeinsames Kind aus der Beziehung hervorgegangen ist, ein Erbteil212 in Höhe des vierfachen Grundbetrages213 zu (Kapitel 3: §28 a AL). Diese Konstruktion entspricht dem Pflichtteil bzw. Mindesterbe des Ehegatten. Hierauf wird nachfolgend noch näher einzugehen sein. Alternativ steht diesem nichtehelichen Partner mit mindestens einem gemeinsamen Kind gem. § 28 c das Recht zu, in fortgesetzter Gütergemeinschaft hinsichtlich des gemeinsamen Hauses bzw. Hausstandes und des dem gemeinsamen Gebrauch dienenden Kraftfahrzeugs und Freizeiteigentumes zu verbleiben. Unter letzterem ist insbesondere das in Skandinavien gebräuchliche Sommerhaus bzw. Boote etc. zu verstehen. Abweichende Regelungen sind durch Testament möglich. Wird von den oben näher beschriebenen Regelungen „nach unten“ im Sinne eines „weniger“ abgewichen, muss das Testament dem anderen noch zu Lebzeiten bekannt gemacht werden, um Gültigkeit zu erlangen 214.

2.2.4. Der Nachlass eines Ehegatten Bei der Beurteilung der Stellung des Ehegatten ist gerade im nordischen Erbrecht, wie sich dies auch bei den anderen untersuchten Rechtsordnungen noch zeigen wird, stets darauf Rücksicht zu nehmen, welche Rechte und welche Stellung der Ehegatte aufgrund güterrechtlicher Vorschriften im Todesfalle erlangt. Grundsätzlich beruht die starke rechtliche Stellung des Ehegatten innerhalb dieser Rechtsordnungen größtenteils auf als güterstandsrechtlich zu qualifizierenden Regelungen. So ist dies auch im norwegischen Recht der Fall, wobei hier im Vergleich zu den anderen hier untersuchten nordischen Jurisdiktionen aufgrund der signifikanten Abweichungen im Anwendungsbereich des Gesamtgutes die 212

Aus österreichischer Perspektive wird man wird hier sicherlich streiten können, inwieweit es sich bei dieser Regelung um ein gesetzliches Legat, ähnlich einem Pflichtteilsanspruch, oder tatsächlich um ein Erbrecht handelt, da dieses Erbrecht nur als Zahlungsanspruch ausgestaltet ist und der überlebende nichteheliche Partner nicht in die Rechte und Pflichten des Verstorbenen eintritt. Das norwegische Recht kennt jedoch eine Unterscheidung zwischen Legat und Erbe, wie dies im österreichischen Recht der Fall ist. nicht bzw. ignoriert diese Unterscheidung, da durch das vorgeschaltete zwingende Nachlassverfahren, sofern ein Nachlass vorhanden ist, dieser erst nach Bereinigung der Schulden und Abwicklung auf den Erben übergeht. 213 Norwegisch: grunnbeløpet i folketrygda. Es handelt sich hierbei um den Grundbetrag der Sozialversicherung, die im Sinne einer Mindestgrundlage zu verstehen ist. Dieser beträgt per 01.05.2009 72.881,- NOK oder umgerechnet € 9.178,96 (Kurs am 14.12.2010) im Jahr. 214 Das Bekanntmachen ist im Gesetz formlos ausgestaltet, im Sinne der Nachweisbarkeit empfiehlt sich die Schriftform und ein Zugangsnachweis.

66 Stellung im Todesfall nicht so stark sein kann wie in den anderen untersuchten Rechtsordnungen. Im Rahmen der internordischen Zusammenarbeit, bereits im Jahr 1921, haben sich die damals beteiligten Staaten auf einen einheitlich erarbeiteten Güterstand, einer Kombination aus Gütertrennung und Gütergemeinschaft, geeinigt. Gerade im Eherecht weicht das Recht ansonsten voneinander ab215. Ausgangspunkt war die universelle Gütergemeinschaft, deren Tradition die skandinavischen Staaten nicht aufgeben wollten216. Im Zuge der Gleichberechtigung beider Ehegatten musste dieses System jedoch überarbeitet werden, sofern man nicht auf der traditionellen Verwaltungs- und Verfügungsrolle des Ehemannes für die Gütergemeinschaft festhalten, sowie verhindern wollte, dass das „Schiff unter der Kontrolle zweier Kapitäne“ auslief 217. Die Lösung lag darin, dass man von einer Gütertrennung bei getrennten Vermögensmassen während der bestehenden Ehe ausging, und sodann im Falle der Auflösung der Ehe beide Vermögensmassen aufaddiert und jedem Ehegatten hieran einen Hälfteanteil zuspricht. Aufgrund dieser Anwartschaft bzw. dem latenten gegenseitigen Anspruch sind die Ehegatten in ihrer Verfügungsbefugnis jedoch nicht vollkommen frei, sondern unterliegen gewissen Beschränkungen. Vom Ergebnis werden die Ehegatten behandelt, als ob sie in Gütergemeinschaft gelebt hätten218. Rheinstein und Glendon sprechen in diesem Zusammenhang von einer „referred community“ bzw. aufgeschobenen Gütergemeinschaft. 2.2.4.1. Güterstand Im norwegischen Recht gilt der gesetzliche Güterstand der „Gütergemeinschaft“219 norwegischer Prägung bzw. „felleseie“ mit einigen Abweichungen zu den anderen hier im Fokus stehenden Rechtsordnungen des nordischen Rechts. Es gilt grundsätzlich die Regel, dass sämtliches Vermögen, welches im Eigentum bzw. Besitz eines Ehegatten ist, Gesamtgut („felleseie“)220 darstellt.

215 216 217 218 219

Ring/Olsen-Ring, aaO, S. 117. Chloros/Rheinstein/Glendon aaO, S. 4-48. Chloros/Rheinstein/Glendon aaO, S. 4-48. Chloros/Rheinstein/Glendon aaO, S. 4-48. wenn auch mit dem Güterstand der „felleseie“ nicht dieselben rechtlichen Wirkungen wie bei der Gütergemeinschaft österreichischer Prägung verbunden sind, wird „felleseie“ im folgenden als Gütergemeinschaft übersetzt, da ein vergleichbarer Güterstand in Österreich nicht bekannt ist. 220 Der Rechtsbegriff „falleseie“ wird daher auch mit Gesamtgut in Anlehnung an die Begrifflichkeiten der Gütergemeinschaft übersetzt. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff „falleseie“ mit dem des Gesamtgutes nicht identisch ist. Frantzen (ZvglRWiss 101, 482ff) geht weiter und übersetzt diesen Rechtsbegriff in An-

67 Demgegenüber steht das Vorbehalts- oder Eigengut („særeie“), welches durch Ehepakt, Schenkung oder Erbschaft begründet werden kann. Aufgrund der Nähe zu den Begriffen für Gemeinschafts- und Alleineigentum im norwegischen Sprachgebrauch besteht die Gefahr, dass es zu einer Vermischung und Gleichsetzung beider Begriffe kommt221. Grundsätzlich ist jedoch die Beurteilung, ob Gesamtgut oder Vorbehalts- bzw. Eigengut vorliegt, unabhängig von der sachenrechtlichen Beurteilung. Ring/Olsen-Ring in Ferid/Firsching gehen bei der Einordnung des norwegischen Güterstandes aufgrund der Eigentumsverhältnisse - es entsteht mit Schluss der Ehe kein originäres Miteigentum - von einer Kombination von Gütertrennung und Gütergemeinschaft aus, da die Gütergemeinschaft ihre Wirkungen erst mit Auflösung der Ehe zeigt222. Durch die Ehe ändert sich an den Eigentumsverhältnissen der Ehegatten nichts und während der Ehe gilt weiterhin der Grundsatz, dass jeder Ehegatte Eigentum erwerben und über dieses frei verfügen kann. Dies korrespondiert oberflächlich betrachtet auch mit Regelungen der anderen hier untersuchten Jurisdiktionen. Abweichend - aber mit weitreichenden Konsequenzen - ist, dass das norwegische gesetzliche Güterstandsrecht nicht davon ausgeht, dass Vermögen, welches vor Eingehung der Ehe im Eigentum eines Ehegatten stand, bzw. welches ein Gattenteil durch eine Schenkung bzw. aufgrund eines Erwerbes von Todes wegen erhalten hat, in das Gesamtgut der Ehegatten gem. § 59 EL fällt. Jeder der Ehegatten kann sich darauf berufen und verlangen, dass solches Vermögen nicht dem Halbteilungsprinzip223 unterfällt. Ferid/Firsching vergleicht diesen Anspruch mit einem Aussonderungsrecht224. Frantzen geht sogar soweit, dass er den gesetzlichen Güterstand Norwegens als ähnlich der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht225 und damit dem Wahlgüterstand der Zugewinngemeinschaft in Österreich einstuft. Agell räumt ein, dass eine nähere Betrachtung die Aufweichung der Grenzen zwischen Gesamt- und Eigen- bzw. Vorbehaltsgut erkennen lässt, hält jedoch an der Einordnung als gesetzlicher Gütergemeinschaft fest226, wenn es sich nach seiner An-

221 222 223

224 225 226

lehnung an die deutsche Zugewinngemeinschaft mit Zugewinngut. Der Einfachheit halber wird nachfolgend jedoch an der Begrifflichkeit des Gesamtgutes festgehalten. Agell, FS Lødrup, aaO, S. 40. Ferid/Firsching Norwegen, S. 34, Rn. 163. Das „Halbteilungsprinzip“ oder norwegisch „likedelningsprincip“ beschreibt die Grundregel, dass das jeweilige Eigentum der Ehegatten zur Hälfte zu teilen und zwischen den Ehegatten zur Ausgleichung zu bringen ist. Dies ist in § 58 EL geregelt. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 35 Rn. 164. Frantzen, ZVglRWiss 101 (2002) 482-500. Agell, Nordisk Äktenskapsrätt, S. 168.

68 sicht auch um einen halbherzigen Schritt hin zu einer grundlegenden Veränderung des Anwendungsbereiches des Gesamtgutes handelt227. Diese Regelung wurde im Rahmen der Neufassung des Ehegesetzes eingeführt, ändert jedoch an der grundsätzlichen Einteilung der Vermögensverhältnisse der Ehegatten in Vorbehalts- und Gesamtgut nichts, zumal diese Regelung als Anspruch ausgestaltet ist. Die Voraussetzungen muss der Ehegatte beweisen, der sich darauf beruft228. Dies geht auch aus der gesetzgeberischen Wertung hervor, wonach es sich bei dieser Regel schon aufgrund der amtlichen Überschrift um eine Ausnahmeregel innerhalb der Regelungen des Gesamtgutes handelt (norwegisch: „skjevdeling229“). Mit dieser Regelung sollte aufgrund der wachsenden Scheidungsraten vermieden werden, dass sich die Ehegatten: „skille sig til penger“ 230, frei übersetzt „zum Reichtum scheiden lassen“. Nicht nur im Gesetz, auch in der Rechtsprechung, sind die Beweishürden, um sich auf diese Vorschrift berufen zu können, sehr hoch angesetzt worden. Nach dem Gesetzeswortlaut muss sich der geltend gemachte Anspruch klar entweder auf vorhandenes Eigentum vor Eingehung der Ehe, eine Schenkung oder einen Erwerb von Todes wegen zurückführen lassen. In der Praxis stellt sich auch die Problematik der Surrogation und des Wertansatzes bei dieser Vorschrift231. Deshalb ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift begrenzt, wenn sich auf den ersten Blick auch etwas anderes vermuten lässt. Im Erbfall ist zu beachten, dass sich sowohl die Erben als auch der überlebende Ehegatte hierauf gem. § 77 EL berufen können232. Die Regelung hat Einfluss auf die Frage, ob unmittelbar nach dem ersten Erbfall eine Auseinandersetzung betrieben wird oder nicht. Gerade bei großen Vermögensunterschieden oder wenn ein Ehegatte jünger und damit einen höheren „Zugewinn“ erwirtschaftet hat, bietet es sich an, sogleich die Auseinandersetzung zu betreiben233. Grundsätzlich sind die Ehegatten in der Regelung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse frei und können auch durch Ehepakt andere Bestimmungen treffen.

227 228 229

230 231 232 233

Agell, Nordisk Äktenskapsrätt, S. 375. Agell, Nordisk Äktenskapsrätt, S. 383. Wörtlich übersetzt „schiefe Teilungsregelung“ im Gegensatz zu dem sonst geltenden Halbteilungsgrundsatz. Ferid/Firsching übersetzt dies als „asymmetrische Teilungsregelung“ Innst. O. 71 (1990 -91)- Instilling fra justiskomiten om lov om ektenskap S. 14 Vgl. hierzu Lødrup, Sverdrup, Familieretten, S. 255 ff.. Hambro, Arveloven, § 9, S. 53. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 128.

69 Im Ehepakt kann auch geregelt werden, ob die Regelungen des „skjevdeling“ im Todesfall Anwendung finden sollen oder nicht234. 2.2.4.2. Auseinandersetzung des Güterstandes Die Auseinandersetzung des gesetzlichen Güterstandes zu Lebzeiten folgt nach dem so genannten Halbteilungsprinzip gem. Kapitel 15 EL. Hierbei wird sämtliches Vermögen der Ehegatten, das zum Gesamtgut gezählt wird, ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse addiert (§ 58 EL). Der Wert wird sodann um die Schulden bereinigt und der verbleibende Wert hälftig zwischen den Ehegatten verteilt, mit der Möglichkeit die Halbteilung auf das während der Ehe Erworbene zu begrenzen und damit die Regelungen des „skjevdeling“ für sich in Anspruch zu nehmen, was auf einen Zugewinnausgleich hinausführt, wie soeben ausgeführt. Dieser Anspruch kann im Todesfall geltend gemacht werden, nicht bei der Auseinandersetzung der fortgesetzten Gütergemeinschaft 235. Die Regelungen finden sich sowohl für den Fall einer Scheidung/Trennung als auch anlässlich des Todes im ektenskapsloven (EL). Die korrespondierenden prozessualen Regelungen finden sich im skifteloven. Ebenfalls nur vom überlebenden Ehegatten im Todesfall kann der Schadensersatzanspruch, der sog. „vederlagskrav“, gem. § 63 EL iVm. § 77 EL geltend gemacht werden. Dies bedeutet, dass nur der überlebende Ehegatte einen Missbrauch der Verfügungsbefugnis innerhalb der Ehe geltend machen kann, nicht jedoch die Erben236. Aufgrund der Konstruktion des Güterstands und der Verflechtungen durch den latenten Halbteilungsanspruch können die Ehegatten nämlich nicht ohne schriftliche Zustimmung des jeweils anderen Ehegatten Eigentum, welches unter das Gesamtgut fällt, verpfänden oder verpachten bzw. sich zu Darlehensverträgen verpflichten (§ 32 EL).

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Lødrup, Nordisk Arverett, S. 149. Lødrup, aaO, S. 346. § 63 EL lautet auszugsweise: Andre særlige avvik fra likedelingsregelen - vederlagskrav. Har en ektefelle brukt felleseiemidler til å øke verdien av midler som er særeie, eller til å erverve eiendeler eller rettigheter som er unntatt fra deling etter § 61 bokstav c, kan den andre ektefellen kreve vederlag. Det samme gjelder ved erverv av rettigheter som nevnt i § 61 bokstav b i den utstrekning utgiftene overstiger det som må anses som rimelig. „Andere besondere Abweichungen von den Halbteilungsregelungen – Schadensersatzansprüche“. Hat ein Ehegatte Eigenmittel des anderen Ehegatten verwendet, um den Wert von Vorbehaltsgut zu erhöhen oder um Eigentum und Rechte zu erwerben, die von der Teilung gem. § 61 Buchst. c ausgenommen sind, so kann der andere Ehegatte Ersatz verlangen. Ersatz kann auch verlangt werden, wenn ein Ehegatte in einer ungehörigen Art und Weise die Teilungsgrundlage wesentlich geschwächt hat.

70 Grundsätzlich verweist § 77 EL bis auf wenige Ausnahmen auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften im Scheidungsfalle. Vertragliche Vereinbarungen zwischen den Ehegatten gelten auch im Todesfall237. Das gemeinschaftliche Vermögen wird im Rahmen der Teilung erfasst, bewertet, der Ausgleichsanspruch errechnet, sowie den Ehegatten zugewiesen. Sofern der überlebende Ehegatte nicht von seinem Recht auf Verbleib in der ungeteilten Gütergemeinschaft „uskifte bo“ (hierzu jedoch später) Gebrauch macht, wird eine Auseinandersetzung der Vermögensverhältnisse zwischen Ehegatten und Erben eingeleitet, sofern sich nicht etwas anderes aus Gesetz, Testament, Ehepakt oder der Bestimmung eines Dritten aufgrund einer Schenkung bzw. Erbschaft ergibt (§ 76 EL). § 46 AL sieht die Möglichkeit vor, unbillige Eheverträge anzupassen. Gem. § 77 AL kann nur der überlebende Ehegatte diese Anpassung verlangen, nicht jedoch die Erben238. 2.2.4.3. Exkurs: Ansprüche aufgrund Haushaltsführung Eine Besonderheit des norwegischen Rechtes ist in § 31 Abs. 3 EL geregelt und betrifft den Erwerb von Liegenschaften während der Ehe239. Diese Regelung ist durch das viel beachtete Hausfrauenurteil (norwegisch: Husmorsdomen) des Høyesterett (Rt. 1975, S. 220), welches zunächst im Rahmen des Richterrechts ausgeformt und sodann gesetzlich normiert worden ist, entstanden. Wie im nordischen Recht üblich, ist die Frage des Eigentums von der Frage, was unter die Regelungen der Gütergemeinschaft fällt, nach sachenrechtlichen Grundsätzen streng zu trennen. Grundsätzlich erwirbt jeder Ehegatte Eigentum für sich. Bei Zweifelsfällen ist unter anderem auch auf die Finanzierung abzustellen. Diese sachenrechtlichen Grundsätze werden mit § 31 EL durchbrochen240. Demnach gilt, dass die Ehegatten bei einem gemeinsamen Erwerb - von Wohnstätte und Hausrat - zum gemeinsamen Gebrauch, auch beide Miteigentümer werden (§ 31 Abs. 2 EL). Bei der Beurteilung, wer Eigentümer geworden ist, ist nunmehr nach der gesetzlichen Wertung auch auf die Hausarbeit abzustellen und besonderes Gewicht hierauf zu legen (§ 31 Abs. 3 EL). In den Vorarbeiten zu dem Gesetz heißt es, dass in jedem Fall Bewusstsein darüber besteht, dass im Normalfall, in dem ein Ehegatte mit Hinsicht auf die gemeinsamen Kinder zu Hause geblieben ist, die Haushaltsführung eine hinrei-

237 238 239 240

Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 11 Rn. 43. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 147. Agell, FS Lødrup, aaO, S. 45. Lødrup/Sverdrup, aaO, S. 115.

71 chende Erwerbsgrundlage darstellt241. Dies ist nichts anderes als die Überlegung, dass der Zuhause arbeitende Ehegatte dem anderen Ehegatten „den Rücken freihält“ und es ihm deshalb erst ermöglicht, das Eigentum an dem Haus zu erwerben242. Dies bedeutet, dass die Haushaltsführung, auch außerhalb des gesetzlichen Güterstandes, als solche eigentumsbegründend ist243. Die rechtliche Einordnung dieses Rechtes, da es gewissermaßen einen Systembruch darstellt und auch schwer mit sachenrechtlichen Prinzipien in Einklang zu bringen ist, ist umstritten. Es handelt sich hier nach Auffassung von Lødrup um ein dingliches Recht244, zumal auch bei dem Erwerb eines dinglichen Rechts in Norwegen kein derartiger Übertragungs- bzw. Eintragungsakt vorausgesetzt wird, wie dies im österreichischen Recht der Fall ist. Von Agell wird dies kritisiert, da eine derart unbestimmte Regelung zum gemeinschaftlichen Eigentumserwerb durch einen nicht näher definierten „indirekten Beitrag“ nicht in das nordische Rechtsgefüge passe und viele Fragen aufwerfe245. Problematisch ist, dass abweichend vom Sachenrecht nicht auf einen nach außen gerichteten Übertragungsakt, wie Übergabe oder Eintragung bei der Eigentumsbegründung, abgestellt wird und die Tätigkeit der Haushaltsführung eine „Dauertätigkeit“ darstellt. Nach der zu Grunde liegenden Vorstellung kann und soll wohl nur ein gewichtiger Beitrag zu einem Anspruch führen, nicht jedoch schon eine zeitweise Übernahme der Haushaltsführung. Zu den quantitativen Anforderungen an die Hausarbeit schweigt das Gesetz. Eine andere Auslegung würde dem Zweck des Gesetzgebers im Rahmen des „skjevdeling“ zuwiderlaufen, dass sich die Gatten nicht zum Reichtum scheiden lassen sollen können. In der Regel wird das gemeinsame Heim über die güterrechtlichen Regelungen im Falle des Todes bzw. der Scheidung abgewickelt, daher ist die Bedeutung dieser Regelung in der norwegischen Rechtspraxis nicht allzu groß 246. Bei der Frage, in welches Vermögen der Gläubiger eines Ehegatten vollstrecken kann, hat die Regelung jedoch durchaus Bedeutung.

241 242 243 244 245 246

Ot. Prp. 28 S.62. Agell, FS Lødrup, aaO, S. 45. Frantzen, aaO, S. 483. Lødrup/Sverdrup, aaO, S. 113, 114. Agell, FS Lødrup, aaO, S. 45. Lødrup/Sverdrup, aaO, S. 113, 114.

72 2.2.4.4. Zusammensetzung des Nachlasses Der Nachlass eines im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten setzt sich nach norwegischen Recht - sofern nicht von dem Recht auf Verbleib in der Gütergemeinschaft Gebrauch gemacht wird - aus dem auf den verstorbenen Ehegatten entfallenden Hälfteanteil des Gesamtgutes247 „felleseie“ sowie aus seinem Vorbehaltsgut „særeie“ zusammen. Theoretisch betrachtet kann sich der Nachlass des verstorbenen Ehegatten lediglich auf den Erwerb während der Ehezeit beschränken. Dies kann gerade bei kurzen Ehen unter Umständen dazu führen, dass der überlebende Ehegatte aufgrund güterrechtlicher Vorschriften keinen Vorteil aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung bzw. der ungeteilten Gütergemeinschaft ziehen kann. Dies hat Auswirkungen auf die rechtliche Stellung insgesamt. Im Wege des Ehepaktes können die Ehegatten legal und ohne Umgehung des starken Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge - auf welches nachher noch einzugehen sein wird - Einfluss auf die Höhe des Nachlasses nehmen248. Bei einer Umqualifizierung von Vermögen im Todesfall ohne besonderen Grund bzw. Rechtfertigung kann eine Anpassung durchzuführen sein249. Das Güterrecht spielt daher bei der Beurteilung der Stellung des Ehegatten eine große Rolle.

2.3. Voraus, Übernahmerecht und Ersatzansprüche Neben den erbrechtlichen Regelungen an sich hat in Norwegen der überlebende Ehegatte gesonderte Rechte, die nur dieser geltend machen kann. Ein Voraus im Sinne eines Vorentnahmerechtes ergibt sich explizit für den Ehegatten weder aus güter- noch aus erbrechtlichen Normen. Gewisse Stimmen in der Literatur weisen jedoch dem Ehegatten, für den Fall, dass er den Verstorbenen besonders gepflegt und versorgt hat, ein Recht auf einen Voraus zu250. Im Gesetz ist dies nicht verankert. Weiterhin nimmt § 61 EL bestimmte Aktiva, beispielsweise Gegenstände, die dem persönlichen Gebrauch von nur einem Ehegatten dienen, von der Gütertrennung aus. Diese Regelung kann auch so verstanden werden, dass es sich hier um ein Vorabentnahmerecht handelt. Dieses Vorabentnahmerecht, wenn man so will, steht jedoch nach der ausdrücklichen Regelung des § 77 EL nur dem über-

247 248 249 250

Lødrup, Arverett, S. 346 ff.. Hambro, aaO, § 29 Note 139. Rt 1985, 1291 ff.. Hambro, aaO, § 36 Note 232.

73 lebenden Ehegatten, nicht jedoch den Erben als Rechtsnachfolgern des Verstorbenen zu251. Dasselbe gilt für (Schadens-)Ersatzansprüche (norwegisch: „verderlagskrav“) gem.§ 63 EL 252, die einem Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten aufgrund einer lebzeitigen Überschreitung bzw. Missbrauch der Verfügungsbefugnis zustehen können. Dies liegt ebenfalls an der Verweisung des § 77 EL. Nur der überlebende Ehegatte und nicht die Erben sind zur Geltendmachung dieses Anspruchs befugt253. Nach § 62 EL iVm. § 77 EL hat der überlebende Ehegatte das Recht, den gewöhnlichen Hausrat, selbst wenn der Wert dessen den Nachlass übersteigt, zu übernehmen.254. Ein Vorabentnahmerecht ist damit nicht verbunden. Ein solches haben nur Kinder in gewissen Fällen gem. § 36 AL zur Sicherung der Ausbildung. Die Geltendmachung dieses Rechts darf aber nicht dazu führen, dass die Rechte des Ehegatten eingeschränkt werden255.

2.4. Das Mindesterbe Das norwegische Recht unterscheidet begrifflich zwischen dem „pliktdel“ bzw. Pflichtteil der Abkömmlinge und dem „minstearv“ bzw. Mindesterbe des überlebenden Ehegatten. Beiden gemeinsam ist, dass weder der Pflichtteil noch das Mindesterbe zur Disposition des Erblassers stehen. Ebenfalls ist beiden eine gewisse Mindestbeteiligung am Nachlass des Erblassers gemeinsam. Aufgrund des zwingend vorgeschalteten Nachlassverfahrens und der Haftungsvorschriften im norwegischen Recht spielt die Unterscheidung, ob es sich um ein Noterbrecht oder einen als Anspruch ausgestaltetes Pflichtteilsrecht handelt, in der norwegischen Dogmatik keine größere Rolle. Unumstritten ist, dass es sich bei dem „pliktdel“ der Abkömmlinge um ein echtes Anteilsrecht der Pflichtteilsberechtigten im Sinne eines Noterbrechts handelt256. Beim „minstearv“ des Ehegatten ist die Einordnung aufgrund der Begrenzung der Höhe nach und der Verweisung auf einen Geldbetrag nicht unumstritten.

251 252 253 254 255 256

Lødrup, aaO, S. 348. Siehe hierzu oben Kap. 5 Punkt 2.2.4.2. Lødrup, aaO, S. 349. Agell, aaO, S. 141. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 41 Rn. 197. Neumayer, FS Ferid, S. 665.

74 Lødrup ist der Ansicht, dass es sich bei dem „minstearv“ tatsächlich um einen als Betrag ausgedrückten „pliktdel“ und damit um ein echtes Anteilsrecht handelt257. In rechtlicher Hinsicht ist das Mindesterbrecht somit auch als Noterbrecht ausgestaltet. Es handelt sich um eine nicht der Disposition des Erblassers unterliegende gesetzliche Regelung der Erbenstellung. Bedenken drängen sich angesichts der Anknüpfung an einen Geldbetrag auf, ob es sich tatsächlich um ein Noterbrecht im eigentlichen Sinne handelt oder um einen Pflichtteilsanspruch im Sinne eines Geldanspruchs. Aus dem Sinn und Zweck des Mindesterbes, den Lebensstandard des überlebenden Ehegatten zu sichern, damit dieser nicht auf eine Veräußerung angewiesen ist, sowie aus dem Nebenzweck, die Nachlassgerichte zu entlasten, ist Lødrup zu folgen, dass es sich hier um eine echte Erbenstellung handelt. Während das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge als Bruchteil des Nettovermögens des Erblassers in Höhe von 2/3 ausgedrückt ist, wird das Mindesterbe des überlebenden Ehegatten von einer dem Inflationsausgleich unterliegenden Berechnungskonstante, nämlich dem Grundbetrag der gesetzlichen Rentenversicherung, abhängig gemacht, dem sogenannten „grunnbeløppet i folketrygda“ (im Folgenden Grundbetrag). Das Mindesterbe ist folglich unabhängig von dem (gewählten) Ehegüterstand258 und wird aus dem sogenannten freien Drittel des Nachlasses entnommen. Dies bedeutet, dass sich der überlebende Ehegatte sein Vermögen - auch durch Lebensversicherung - nicht anrechnen lassen muss259. Im Falle eines massearmen Nachlasses geht es dem Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge sogar vor260. Hinterlässt der Erblasser Abkömmlinge erster Klasse, beträgt das Mindesterbe des Ehegatten den vierfachen Grundbetrag gem. § 6 S. 1 AL. Dies entspricht einem Mindesterbe von 291.524,-- NOK (= 4 x 72.881,- NOK) oder umgerechnet € 36.715,40 (Kurs am 14.12.2010). Geht man davon aus, dass in der Mehrzahl der Fälle der Güterstand der Gütergemeinschaft mit ausschließlichem Gesamtgut vorliegt, dann kann der Ehegatte aufgrund der güterrechtlichen Vorschriften ebenfalls einen Betrag in Höhe von 583.048,- NOK (= achtfacher Grundbetrag) oder umgerechnet € 73.431,60 entnehmen. Nachlässe bis zu einem Betrag von 874.572,- NOK oder umgerechnet € 110.147,00 (= € 73.431,60 + € 36.715,80) können daher insgesamt von dem überlebenden Ehegatten, nur aufgrund der Vorschriften über das Mindesterbe und der Güterauseinandersetzung, entnommen werden. 257 258 259 260

Lødrup, Nordisk Arverett, aaO, S. 183. Agell, Nordisk Äktenskapsrätt, S. 140. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 140. Ferid/Firsching, Norwegen, S. 50.

75 Hinterlässt der verstorbene Ehegatte nur Erben 2. Klasse, dann beträgt das Mindesterbe gemäß § 6 S. 2 AL das sechsfache des Grundbetrages. Die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten eines Mindesterbes, die im internationalen Vergleich sehr spät - nämlich im Jahr 1990 - gefallen ist, beruht auf der Überlegung, dass der überlebende Ehegatte auch nach dem Tod des anderen Ehegatten im Falle eines bescheidenen Nachlasses den ursprünglich gemeinsamen Lebensstandard aufrechterhalten soll, insbesondere durch die Beibehaltung der Wohnstätte261. Zur Begründung hat sich die damalige Kommission auf die allgemein in der Bevölkerung vorherrschende Rechtsauffassung gestützt, wonach der überlebende Ehegatte bevorzugt werden soll 262. Aufgrund der Ausgestaltung der Mindestbeteiligung des Ehegatten an dem Nachlass wird sichergestellt, dass der überlebende Ehegatte gegenüber anderen Erben bevorzugt wird und auch die Rangfolge im Falle eines dürftigen Nachlasses zu Gunsten des Ehegatten noch vor den Pflichtteilsansprüchen der Abkömmlinge ausfällt263. Daneben spielte eine Entlastung der Nachlassgerichte in massearmen Nachlässen eine Rolle, da in diesen Fällen der Ehegatte ohne aufwändiges Verfahren den Nachlass als Alleinerbe übernehmen kann264. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass ein Vermögen in Höhe von € 73.431,60 aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Norwegen nicht dem Wert eines Nachlasses zum selben Betrag in Österreich entspricht. Bereits im Rahmen der Gesetzgebung wurde erkannt, dass durch die Ausgestaltung als Mindesterbe und Kopplung an den Grundbetrag der Rentenversicherung auf Kosten der einseitigen Abkömmlinge des Erblassers (norwegisch: særkullsbarn) der überlebende Ehegatte bevorzugt wird, da gemeinsame Abkömmlinge in der Regel den Nachlass insgesamt nach dem Tode des länger lebenden Ehegatten übernehmen werden265. Dies wurde jedoch in Kauf genommen und ist als deutliches Bekenntnis des Gesetzgebers zur Stärkung der Stellung des überlebenden Ehegatten zu werten266. Umstritten ist das Verhältnis zwischen Mindesterbe und Voraus der Kinder gem. § 36 AL. Nach dieser Vorschrift steht Abkömmlingen ein Recht auf Voraus zur Deckung des Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs zu. Gemäß § 37 AL gilt, dass der Voraus der Kinder gemäß § 36 AL, welcher vor allem die Erziehung und Ausbildung minderjähriger Abkömmlinge sicherstellen soll, dem Pflichtteilsrecht des Ehegatten vorausgeht. 261 262 263 264 265 266

Lødrup, aaO, S. 63 mwN. Ot. Prp. 46 S. 14. Lødrup, aaO, S. 63. Lødrup, aaO, S. 63. Inst.O (1989-90) Nr. 56, S. 4. Lødrup, aaO, S. 63.

76 Nach Ansicht von Lødrup folgt aus der Gesetzesbegründung eine Bevorzugung des überlebenden Ehegatten. Hinzu kommt, dass das Mindesterbe nicht allzu hoch ist, weshalb das Mindesterbe vorgeht. Dies entspricht der vormaligen Auffassung des Justizministeriums, wie in dem Rundschreiben G 141/90 geäußert. Diese Ansicht wurde jedoch durch das Rundschreiben G 8/91 revidiert. Folglich ist nun davon auszugehen, dass der Voraus der Kinder dem Mindesterbe vorgeht, auch wenn es hierzu keine höchstrichterliche Judikatur gibt267. Die ist nicht der Fall in Bezug auf die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft. Hier gehen die Rechte des Ehegatten dem Voraus der Kinder vor268. Beachtet werden muss, dass die Regelungen über das Mindesterbe nur dann anwendbar sind, wenn der überlebende Ehegatte von seinem Recht auf Verbleib in der Gütergemeinschaft nicht Gebrauch macht269. Anerkannt ist, dass die ehevertraglichen Möglichkeiten Einfluss auf das Mindesterbe haben können. Während dies früher aufgrund des familienrechtlichen Charakters derartiger Verfügungen uneingeschränkt für wirksam erachtet worden ist, zumal der Status der Mindesterbberechtigung nicht in Zweifel gezogen worden ist, hat das oberste Gericht in einer Entscheidung (Rt 1985, 1291 ff) einer unbeschränkten Einflussnahme eine Absage erteilt. Haben derartige Verfügungen keinen vernünftigen Grund, dann sind diese als Schenkungen zu qualifizieren, die im Rahmen der Erbauseinandersetzung ggfls. zu berücksichtigen sind.

3. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft „uskifte bo“ Wie nur noch das dänische und das isländische Recht, kennt auch das norwegische Recht die Rechtsfigur der fortgesetzten Gütergemeinschaft270, die sogenannte „uskifte bo“, bei der die Auseinandersetzung der nach dem Tode des ersten Ehegatten entstandenen Erbengemeinschaft in Bezug auf das Gesamtgut ausgesetzt wird271.

267 268 269 270

Lødrup, aaO, S. 64 mwN. Unneberg, aaO, S.84. Lødrup, aaO, S. 65. „uskifte“ bedeutet wörtlich übersetzt die „Nichtauseinandersetzung“. „skifte“ heißt Auseinandersetzung. Das Präfix „u“ stellt eine Verneinung dar. Bei der Bezeichnung „bo“ gibt es keine entsprechende Übersetzung im Deutschen. Zusammenfassend handelt es sich bei „bo“ um eine Vermögensmasse, die rechtlich teilweise selbstständig und an besondere Rechte und Pflichten gebunden ist. Der Ausdruck „uskifte bo“ wird bei Paulsen (norsk-tysk ordbok) mit „ungeteilte Hinterlassenschaft“ übersetzt. 271 Hambro, Arveplanleging og avtalt uskifte, S. 20.

77 Damit führt es zu einem Aussetzen der erbrechtlichen Regelungen - und damit auch des Pflichtteilsrechts - bis die fortgesetzte Gütergemeinschaft, aus welchem Grund auch immer, beendet wird272. In § 6 Abs. 3 AL ist explizit geregelt, dass der Ehegatte im Falle der Fortsetzung der Gütergemeinschaft nicht mit den Erben des Erstverstorbenen zu rechnen braucht, bis der Nachlass auseinandergesetzt wird. Der Einfachheit halber wird, da es Parallelen zu der deutschen in § 1415 BGB geregelten Gütergemeinschaft und der Möglichkeit der Fortsetzung über den Tod hinaus mit den Abkömmlingen gem. § 1483 ff BGB gibt, die Bezeichnung „uskifte bo“ mit „fortgesetzte Gütergemeinschaft“ übersetzt. Beiden Rechtsinstituten ist gemeinsam, dass eine Auseinandersetzung aufgeschoben wird, und deshalb ähnliche Probleme, wie beispielsweise die Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten, die Schuldenhaftung sowie die Rechtsstellung der Erben auftreten273. Dies soll allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hier um ein eigenständiges, vom (gewählten) Güterstand weitestgehend unabhängiges Rechtsinstitut eigener Art handelt274, insofern es im Todesfall nicht zu einer Beibehaltung des güterrechtlichen Zustandes kommt, sondern zu einer dann „originären“ Gütergemeinschaft. Frantzen, wie wohl auch die herrschende norwegische Meinung, stuft dieses Rechtsinstitut als erbrechtlich ein275, nach anderer Ansicht ist dieses Rechtsinstitut güterrechtlich einzuordnen276. Aufgrund der Regelung im Erbgesetz und der Tatsache, dass das Recht auf „sitter i uskiftet bo“ nur im Todesfall zum Tragen kommen kann, sowie dass das Rechtsinstitut jedenfalls in Norwegen unabhängig vom Güterstand ist, ist es auch in Bezug auf internationale Sachverhalte meines Erachtens als Erbrecht einzuordnen.

3.1. Einleitung In der weit überwiegenden Zahl der Fälle, in der die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst wird, kommt es zu einer Aufschiebung der Auseinandersetzung, da der überlebende Ehegatte von seinem Recht auf Verbleib in dem Gü-

272 273

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 129. So auch Frantzen, Die Stellung des überlebenden Ehegatten im internationalen Ehegüter- und Erbrecht, aaO, S. 17. 274 Hambro, Arveloven, § 9, S. 53, vgl. auch die Ausführungen unter Kap. 5, Punkt 3.2.2. 275 Frantzen, ZVglRWiss 101, S. 482 ff mwN., Frantzen, Die Stellung des überlebenden Ehegatten im internationalen Ehegüter- und Erbrecht, S. 36ff. und Giertsen, TfR 1995, S. 263. 276 Süß in Süß/Haas, Erbrecht in Europa, S. 696, Rn.9 mwN.

78 terstand Gebrauch macht277. Den Vorschriften über den so genannten „uskifte bo“ kommt deshalb im norwegischen Recht eine zentrale Bedeutung zu 278. Das Rechtsinstitut selbst hat in Norwegen bereits seit über 200 Jahren Bestand 279. Die Regelungen über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft sind in Kapitel 3 bzw. §§ 9-28 des Erbgesetzes geregelt. Wird der Verbleib gewählt, gehen die Regelungen in Kapitel 3 allen anderen erbrechtlichen Regelungen vor. Die Geltendmachung weiterer Rechte, wie beispielsweise des Mindesterbes, ist - nachdem die erbrechtlichen Regelungen „ausgesetzt werden“ - neben der Fortsetzung der Gütergemeinschaft nicht möglich280. Primär die formellen Verfahrensregelungen finden sich zudem auch im skifteloven.

3.2. Gegenstand und Voraussetzungen der Fortsetzung Gem. § 9 Abs. 1 AL hat der überlebende Ehegatte das Recht, das Gesamtgut „felleseie“ zusammen mit den anderen Erben des verstorbenen Erben zu übernehmen. Durch die Möglichkeit des Verbleibs im Güterstand und der damit einhergehenden faktischen Beibehaltung des Ist-Zustandes während der Ehe über den Tod hinaus führt dieses Rechtsinstitut zu einer einseitigen Bevorzugung des Ehegatten zu Lasten der (übrigen) Erben281. Hierdurch kommt es zu einem Aussetzen der erbrechtlichen Regelungen, bis zur Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft282. Historisch ist diese Aufschiebung im Falle des Bestandes der ursprünglichen Kernfamilie auch gerechtfertigt. Stand es doch im Interesse der Erben, bei denen es sich in der Regel um die gemeinschaftlichen Kinder handelte, dass das Vermögen der Eltern beibehalten und nicht durch eine „Teilung“ gefährdet wird, 277

278 279 280 281 282

Wenn auch die letzten statistischen Erhebungen hierzu im Rahmen der Untersuchungen zum neuen Erbgesetz in dem Zeitraum von Juli 1955 bis Juni 1959 stammen, hat sich trotz Veränderungen in der Familienstruktur an der grundsätzlichen Bedeutung dieses Rechtsinstitutes wohl nichts geändert. In dem untersuchten Zeitraum verstarben 10.992 Personen, die sowohl einen Ehegatten als auch einen werthaltigen Nachlass hinterlassen haben. In 64,6% der Fälle wurde dem überlebenden Ehegatten eine Fortsetzung bewilligt. In 27,6% der Fälle war der Nachlass zu gering und in 2,6% der Fälle lagen die Voraussetzungen für eine Bewilligung nicht vor. Folglich haben 92,6% der überlebenden Ehegatten von ihrem Recht auf Fortsetzung Gebrauch machen wollen (Utkast til lov om arv, S. 25 ff). Lødrup, aaO, S. 359. Hambro, Arveplanleging og avtalt uskifte, S. 19. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 129. Lødrup, aaO, S. 359. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 129.

79 denn dies hätte unter Umständen zu Unterhaltsverpflichtungen etc. geführt. Vor allem erbten die Kinder in der Regel ohnehin nach dem zuletzt versterbenden Ehegatten. Deshalb konnte die Rechtsfolge „Aussetzung“ von der Erbfolge, und damit auch faktische Enterbung, in Kauf genommen werden283. Inwieweit es für den überlebenden Ehegatten sinnvoll ist, von seinem Recht auf „uskifte bo“ Gebrauch zu machen, ist eine Frage des Einzelfalles und hängt unter anderem von den Vermögensverhältnissen der Ehegatten ab. Hat der überlebende Ehegatte beispielsweise in einem großen Umfang Vermögen, welches kein Gesamtgut darstellt und damit dem Halbteilungsgrundsatz nicht unterfällt, lohnt sich in der Regel eine Auseinandersetzung.

3.2.1. Befugnis zur Fortsetzung Aufgrund der historischen Rechtfertigung hat der überlebende Ehegatte auch nur dann einen Anspruch auf Verbleib im Güterstand, wenn gemeinsame Abkömmlinge vorhanden sind. Sind jedoch auch oder nur „einseitige“ Abkömmlinge bzw. „særkullsbarn“ 284 des Erblassers vorhanden, so benötigt der Ehegatte die ausdrückliche Zustimmung dieser „særkullsbarn“, anderenfalls muss auseinandergesetzt werden. Wie und wann die Zustimmung erklärt werden muss, war in der Vergangenheit Gegenstand zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen, insbesondere ob die Zustimmung bedingt abgegeben werden kann. Aufgrund der höchstrichterlichen Abklärung und Klarstellung in den Gesetzesmotiven ist nunmehr klar, dass diese Erklärung bedingungsfeindlich ist285. Im Übrigen gelten für die Zustimmung die normalen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Willenserklärungen. Treffen einseitige Abkömmlinge mit gemeinschaftlichen Abkömmlingen zusammen, kann der überlebende Ehegatte nach einer Teilauseinandersetzung mit den Stiefkindern, die Gütergemeinschaft mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortführen. Unabhängig davon, muss beim Vorhandensein von unmündigen einseitigen oder gemeinschaftlichen Abkömmlingen das Vormundschaftsgericht seine Zustimmung zur Fortsetzung erteilen286.

283 284

Lødrup, aaO, S. 360. Norwegisch: særkullsbarn, in etwa Abkömmlinge aus einer anderen Geschwisterschar, der Einfachheit im Folgenden als „einseitige“ oder „außereheliche“ Abkömmlinge bzw. aus Sicht des überlebenden Ehegatten als Stiefkind(er) bezeichnet. 285 vgl. prp 36, 139 ff., Rt 1982, S. 149, Rt 1992, S. 374, Rt 2004, S. 777. 286 Lødrup, Arverett, S. 366.

80 Begrenzt anwendbar sind die Regelungen des „uskifte bo“ seit dem 01.09.2010 auch auf Zusammenlebende mit gemeinsamen Kindern. Im Erbgesetz finden sich diese Vorschriften in den neu eingefügten §§ 28a - 28g AL. Das Recht der fortgesetzten Gütergemeinschaft bezieht sich dann nur auf die gemeinsame Wohnstätte und Hausrat, sowie das zum gemeinsamen Gebrauch angeschaffte Fahrzeug und/oder Sommerhaus, wobei der Umfang im Wege einer testamentarischen Bestimmung erweitert werden kann.

3.2.2. Gegenstand der Fortsetzung Die Berechtigung zur Fortsetzung der Gütergemeinschaft ist unabhängig vom Güterstand287. Lediglich bei der Abwicklung und bei der Frage, ob daneben noch eine Auseinandersetzung durchzuführen ist, ergeben sind Abweichungen. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass unter den Begriff des „felleseie“ bzw. Gesamtgut in Norwegen auch das Gut fällt, welches aufgrund des „skjevdeling“ normalerweise nicht unter den Halbteilungsgrundsatz fallen würde288. In dem Gesetzgebungsverfahren wurde die Möglichkeit erörtert, eine Begrenzung für den Fall, dass das zu übernehmende Gut viel höher ist, als es dem eigentlichen Bedarf des überlebenden Ehegatten entspricht, einzuführen. Hiervon ist man jedoch mit der Begründung abgewichen, dass eine derartige Begrenzung zu einem Unsicherheitsmoment führt. Dieses Unsicherheitsmoment kann schließlich zu Druck von den Erben und damit zu Streitigkeiten führen289. Folglich wurde hier bewusst der Weg der Bevorzugung des Ehegatten über den eigentlichen Zweck der Absicherung und Erhaltung des Lebensstandards des überlebenden Ehegatten gewählt. Im Falle des Landwirtschaftserbrechtes gibt es hiervon noch Abweichungen, deren Darstellung jedoch den Umfang dieser Arbeit sprengen würde.

3.2.3. Dispositionsmöglichkeiten Dem Erblasser und den Ehegatten stehen mehrere Möglichkeiten offen, die Auseinandersetzung und die Fortsetzung der Gütergemeinschaft über den Tod hinaus, im Wege des Testaments oder durch Ehepakt zu regeln und auszugestalten. Haben die Ehegatten einen Ehepakt geschlossen und darin beispielsweise geregelt, dass das Vorbehaltsgut nur im Falle einer Scheidung berücksichtigt werden soll, so unterfällt im Todesfall auch das eigentliche Vorbehaltsgut dem „uskifte bo“. Es kommt faktisch im Todesfall zu einer Umqualifizierung bzw. 287 288 289

Hambro, aaO, § 9, S. 53. Hambro, aaO, § 9, S. 53. Ot.prp. 36 (1969-1969), S. 63.

81 Umwidmung des Eigentums290. Je nach Ausgestaltung erscheint es auch denkbar, dass die Widmung des Gesamtgutes auflösend und nur bedingt für den Fall der Scheidung erklärt wird291. Das Høyesterett hat klargestellt, dass Änderungen der Vermögensordnung abhängig von der Bedingung des Todes, auch wenn dies Bedeutung im Rahmen der Erbauseinandersetzung hat, grundsätzlich zulässig sind292. Die Umqualifizierung kann allerdings als reine Schenkung zu betrachten sein. Dann ist der Vorteil der Schenkung im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen. Die Schenkung ist im Rahmen der Erbauseinandersetzung nicht zu berücksichtigen. Damit verbunden ist eine Absage an die frühere Ansicht, wonach ein Ehepakt eine rein familienrechtliche Angelegenheit und alleine nach diesen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (Rt 1985, 1295). In Abweichung zum dänischen Recht bezieht sich die Berechtigung zur Fortsetzung des Güterstandes nicht nur auf das Gesamtgut, sondern auch auf das Vorbehaltsgut, sofern dies durch Ehepakt angeordnet ist bzw. sofern die Erben hierzu ihr Einverständnis geben (§ 9 AL). Hierbei ist zu beachten, dass nach der zwingenden gesetzlichen Regelung der überlebende Ehegatte im Gegenzug sein Vorbehaltsgut gewissermaßen in die dann fortgesetzte Gütergemeinschaft einbringen muss, wenn im Ehepakt nichts anderes geregelt ist (§ 9, 2. Abs. AL). Diese vertraglichen Möglichkeiten dürfen aber nicht darüber hinweg täuschen, dass sich die Fortsetzung grundsätzlich nicht auf das Sondergut bezieht. Im Gegensatz zu einer testamentarischen Verfügung kann jeder Ehegatte selbst auf sein Recht der Fortsetzung der Gütergemeinschaft, wie auf das Erbrecht, ehevertraglich verzichten. Sofern sich dies im Nachhinein als unangemessen und missbräuchlich darstellt, kann eine nachträgliche Anpassung immer noch über § 36 des Vertragsgesetzes293 erreicht und die Unwirksamkeit geltend gemacht werden. Nachdem die Ehegatten berechtigt sind, ihre Vermögensverhältnisse frei zu regeln, sind auch Konstellationen denkbar, in denen nur ein Ehegatte besondere Rechte eingeräumt bekommt. Im Wege einer letztwilligen Verfügung kann dem überlebenden Ehegatten nicht das Recht auf Verbleib in der fortgesetzten Gütergemeinschaft genommen werden (§ 7 AL), es kann nur ausgestaltet werden294. Begrenzt das Testament 290 291 292 293

so Lødrup/Sverdrup, aaO, S. 178 ff.. Lødrup/Sverdrup, aaO, S. 180. Rt 1985, S. 1291 ff.. Avtalslov af 31. mai 1918 Nr. 4 (lov om avslutning av avtaler, om fuldmagt og ugyldige viljeserklæringer). 294 Lødrup, Arverett, S. 367.

82 das Recht des überlebenden Ehegatten auf Fortsetzung der Gütergemeinschaft, so sind diese Anordnungen nur wirksam, wenn das Testament und die diesbezüglichen Bestimmungen dem anderen Ehegatten vor dem Todesfall zur Kenntnis gelangt sind (§ 7 Abs. 1 AL). Eine Angemessenheitsüberprüfung findet in diesem Fall nicht statt295. Bei einer Begrenzung der fortgesetzten Gütergemeinschaft von Todes wegen erstreckt sich selbige nur auf den Teil, der nicht der Disposition des Erblassers unterliegt296. Der Erblasser kann gem. § 11 AL anordnen, dass trotz Ausübung des Rechtes der Fortsetzung der Gütergemeinschaft einem oder allen leiblichen Abkömmlingen das Recht zustehen soll, dass auf Verlangen das Erbe ausbezahlt werden kann. Eine solche Bestimmung kann sich nicht nur auf das durch den Pflichtteilsanspruch gebundene Vermögen, sondern auch auf das übrige Vermögen beziehen297. Beruft sich ein leiblicher Abkömmling hierauf, kann das Nachlassgericht unter Berücksichtigung der Interessen des überlebenden Ehegatten und der Erben anordnen, dass eine vollständige oder teilweise Auseinandersetzung stattfindet. Hierbei handelt es sich um eine Möglichkeit des Erblassers, auch die Interessen der leiblichen Abkömmlinge, abweichend von der gesetzlichen Regelung, zu berücksichtigen. Im Interesse des Rechtsfriedens ist hier jedoch nochmals eine neutrale Instanz, nämlich das Nachlassgericht mit einer eigenen Ermessenskompetenz zwischengeschaltet. Umstritten ist, ob im Rahmen der Abwägung nach § 11 AL auch die Interessen des Erblassers vom Gericht zu würdigen sind. Nach Ansicht von Lødrup sind diese ebenfalls mit einzubeziehen und rechtfertigen sich schon daraus, dass der Wille des Erblassers maßgeblich ist 298. Demgegenüber steht jedoch die Tatsache, dass infolge der Gesetzesänderung schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht auf die Interessen des Erblassers Rücksicht zu nehmen ist. Dieser Auffassung folgt auch Giertsen299. Hat der Erblasser testamentarisch einen Erben eingesetzt, kann das Recht auf Fortsetzung der Gütergemeinschaft hinsichtlich des „freien“ Erbes von der Zustimmung dieses Erben abhängig gemacht werden 300. Weiterhin kann der Erblasser testamentarisch bestimmen, dass ein Teil des Vermögens im Falle des „uskifte bo“ nach dem Tode des Längerlebenden an

295 296 297 298 299 300

Lødrup, Arverett, S. 367. Vgl. hierzu die Ausführungen unter Kap. 5, Punkt 4. Rt 2004, 777. Lødrup Arverett, S. 368. Giertsen, Generasjonsskifte, S. 74. Lødrup, Arverett, S. 367.

83 seine Erben im Sinne einer Teilungsanordnung bzw. Vor- und Nacherbschaft geht (§ 18 Abs. 2 AL). Der Ehegatte ist in diesem Fall durch das Mindesterbe und die Tatsache, dass das Testament ihm noch zu Lebzeiten bekannt gegeben werden muss, abgesichert (§ 7 AL). Anderenfalls ist das Testament unwirksam301.

3.2.4. Allgemeine Voraussetzung Das Recht auf „uskifte bo“ setzt voraus, dass die Ehe zum Todeszeitpunkt bestanden hat und keine bewilligte Trennung vorlag. Insoweit kann auf obige Ausführungen verwiesen werden. Daneben müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des übernehmenden Ehegatten stabil sein, da die fortgesetzte Gütergemeinschaft und damit die Schlechterstellung der Erben damit gerechtfertigt wird, dass die Abkömmlinge nach dem Tode des Längerlebenden den gesamten Nachlass übernehmen. Der Übernehmende darf zudem nicht unter Vormundschaft stehen, die Geschäftsfähigkeit ist somit Voraussetzung.

3.3. Zulässigkeit und Rechtswirkungen der fortgesetzten Gütergemeinschaft Die Fortsetzung der Gütergemeinschaft tritt nicht von Gesetzes wegen ein. Voraussetzung ist vielmehr, dass der überlebende Ehegatte die Geltendmachung seines Anspruches förmlich in einem gerichtlichen Verfahren vorbringt. Der überlebende Ehegatte muss folglich von seinem Recht auf „uskiftet bo“ nicht Gebrauch machen. Die formellen Regelungen hierzu sind in § 14 ff. AL geregelt.

3.3.1. Zuständigkeit, Verfahren, Form, Frist Zuständig ist das Nachlassgericht. Der überlebende Ehegatte muss spätestens innerhalb von 60 Tagen nach dem Todesfall einen entsprechenden Antrag bzw. Anmeldung bei Gericht einreichen. Hierzu hat der überlebende Ehegatte die Voraussetzungen glaubhaft zu machen, also eventuelle Ehepakte, Zustimmungserklärungen etc. einzureichen. In der Praxis stellt sich oft die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn der Überlebende zwar die Gütergemeinschaft tatsächlich fortführt, jedoch die formelle Anmeldungsfrist nicht einhält. Aufgrund der Auswirkungen des „uskifte 301

Lødrup Arverett, S. 367.

84 bo“, insbesondere für die Gläubiger und im Rahmen der Auseinandersetzung, ist nach der Judikatur bei Versäumen der Antragsfrist grundsätzlich nicht von einer Fortsetzung auszugehen302. Sofern der „uskifte bo“ auch das Vorbehaltsgut erfassen soll, muss der Antragssteller auch einen Vertrag mit den Erben über die Bewertung und den Umfang des Nachlasses einreichen. Sofern dies nicht möglich war, kann der überlebende Ehegatte einen Antrag auf Bewertung stellen. Hierzu gelten die Bewertungsregelungen des skifteloven, insbesondere § 2 und § 13 S. 3 SL aufgrund einer gesetzlichen Verweisung entsprechend.

3.3.2. Rechtswirkungen Nachdem der Nachlass ungeteilt übernommen wird, wird der überlebende Ehegatte auch persönlich für den übernommenen Nachlass verantwortlich303. Eine wichtige Regelung stellt die persönliche und unbegrenzte Haftung auch des Eigenvermögens des überlebenden Ehegatten für Schulden und Verpflichtungen des Verstorbenen dar (§ 20 AL). Nach norwegischem Recht kann diese Haftung durch ein Gläubigeraufgebot nach dem 12. Kapitel des skifteloven auf die in diesem Verfahren angemeldeten Forderungen begrenzt werden. Eine weitere Haftungsbegrenzungsmöglichkeit gibt es jedoch nicht. Erwirbt der überlebende Ehegatte während der Fortsetzung der Gütergemeinschaft durch eine Schenkung oder ein Erbe eine Begünstigung, kann er innerhalb von 3 Monaten nach Erhalt die Auseinandersetzung betreiben, mit der Folge, dass die Schenkung bzw. das Erbe nicht miteingerechnet wird (§ 17 Abs. 3 AL).304 Erwerbe, die in die Zeiträume zwischen Todesfall und tatsächlicher Fortsetzung und zwischen dem Antrag auf Auseinandersetzung bis zur tatsächlichen Auseinandersetzung fallen, unterfallen nicht den Rechtswirkungen des „uskifte bo“305.

3.3.3. Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten Die Regelungen über die Verfügungsbefugnis des Ehegatten sind ein wichtiger Maßstab für die rechtliche Stellung des Ehegatten. Denn indem der überlebende Ehegatte über den Nachlass des verstorbenen Ehegatten nach mehr oder weniger freien Belieben wirtschaften kann, steigt das Risiko, dass der Nachlass bei Be-

302 303 304 305

Vgl z.B. Rt 1986, 1002, RG 1977, 469 (Oslo Skifterett), RG 1980, 827 (Eidsivating). Lødrup Arverett, S. 374. Lødrup Arverett, S. 373. Lødrup Arverett, S. 374.

85 endigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft mehr oder weniger aufgebraucht ist und dass damit die Erben „leer ausgehen“. 3.3.3.1. Grundsatz Nach dem gesetzlichen Wortlaut übernimmt der überlebende Ehegatte das den Regelungen unterfallende Vermögen „wie ein Eigentümer“ (§ 18 AL). Trotzdem ist der überlebende Ehegatte gewissen Beschränkungen unterworfen306. Solche folgen jedoch nicht ohne weiteres aus einer testamentarischen Bestimmung, die einen Gegenstand einem Erben zuweist, jedoch unter die Bestimmungen des „uskifte bo“ fällt307. 3.3.3.2. Beschränkungen Die Einschränkungen folgen vornehmlich aus § 19 AL und betreffen die Weggabe von Eigentum und Schenkungen. Diese sind ohne Zustimmung der Erben nur zulässig, wenn diese nicht im Missverhältnis zu dem unter die fortgesetzte Gütergemeinschaft unterfallenden Vermögen stehen. Die Einschränkungen betreffen deshalb auch eigenes Vermögen, im Gegensatz zu den Beschränkungen des Vorerben nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese betreffen nur den Nachlass, der als Vorerbe erworben worden ist. Ein Verbrauch ist, selbst wenn dies zu einer Masseminderung führt, zulässig auch zur Altersvorsorge. Demzufolge kann der überlebende Ehegatte beispielsweise Leibrenten zeichnen etc.308. Als Messlatte, ob ein Missverhältnis vorliegt, ist die sogenannte 20%- Regel einschlägig. Ab einem Wert von 20% des aktuellen Wertes des verfangenen Vermögens ist davon auszugehen, dass ein Missverhältnis vorliegt, auch wenn diese Regel nicht unumstritten ist und es sich hierbei stets um eine Frage des Einzelfalles handelt. Diese Frage ist in der Rechtsprechung noch nicht eindeutig geklärt309. Nach Ansicht der Literatur ist auch zu berücksichtigen, ob bereits eine Teilauseinandersetzung stattgefunden hat, an wen die Schenkung gehen soll und ob beispielsweise ein anderer Erbe bereits eine Schenkung erhalten hat. Weiterhin soll Bedeutung haben, wie lange der Ehegatte die fortgesetzte Gütergemeinschaft bereits fortgeführt hat. Zur Vermeidung dieser Problematik wird

306 307 308 309

Lødrup Nordisk Arverett, S. 170, Lødrup, Arverett, S. 375. Vgl. Rt 2004, 777. Lødrup Arverett, S. 375 Vgl. zB. Rt 2006, 776, Rt 1982, 777.

86 entgegen dem Gesetzeswortlaut vorgeschlagen, einen Missbrauch nur bei einer entsprechenden Absicht des überlebenden Ehegatten anzunehmen310. Ein Missbrauch kann auch dann vorliegen, wenn eine gemischte Schenkung, beispielsweise der Verkauf einer Immobilie unter Wert, vorliegt311. Ein Missbrauch ist es aber auch dann, wenn der überlebende Ehegatte ein SamboerVerhältnis eingeht und in diesem das gesamte - auch das dem „uskifte bo“ unterworfene Vermögen - als Gesamtgut qualifiziert312. Auch wenn der Ehegatte in seiner Vermögensverfügungsbefugnis eingeschränkt ist, bedeutet dies nicht, dass die Erben ebenfalls über dieses Vermögen dahingehend verfügungsbefugt sind, dass sie dieses etwa verkaufen oder über dieses in einem vorweggenommenen Auseinandersetzungsvertrag verfügen können, während es im „uskifte bo“ verhaftet ist313. Dies folgt aus der Regelung des § 44 AL. Demnach darf ein erwartetes Erbe nicht verpfändet werden. Das Erbe gilt im Falle des „uskifte bo“ gem. § 22 AL als nicht angefallen. Demgegenüber können aber zwischen überlebenden Ehegatten und Erben Absprachen und vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden, die beispielsweise eine Begrenzung der Verfügungsmacht vorsehen314. 3.3.3.3. Folgen einer Überschreitung der Verfügungsbefugnis Schon aus der Gesetzesformulierung ergibt sich, dass die Einschränkungen nur die Verfügungsbefugnis, nicht das Innenverhältnis zu den Erben betreffen. Liegt ein Fall der Überschreitung der Verfügungsbefugnis vor, dann ist der Erwerb von dem überlebenden Ehegatten nicht rechtssicher und kann angefochten und rückabgewickelt werden315. Die Einzelheiten hierzu regelt § 19 Abs. 2 AL. Hierzu müssen die Erben innerhalb von einem Jahr nach Kenntnis der beeinträchtigenden Schenkung eine Klage gegen den bösgläubigen Empfänger auf Herausgabe und gegebenenfalls Wertersatz der Begünstigung erheben, sofern dieser eine Rückgabe der Schenkung zugunsten des Nachlasses verweigert316. Der böse Glaube des Empfängers muss sich sowohl darauf beziehen, dass der Leistende den Regelungen des „uskifte bo“ unterworfen ist, als auch darauf, 310 311 312 313 314 315 316

Hambro, aaO, § 19 S. 102 ff. mit ausführlicher Darstellung der Literaturstimmen sowie weiteren Nachweisen und umfangreicher Rechtsprechungsdarstellung Hier liegt in der Praxis die größte Streitanfälligkeit (vgl. hierzu Hambro § 19 S. 66 ff., Rt 2006, 776, Rt 1982, 1165). Rt 1989, 539. Rt. 2004, S. 777. Lødrup, Arverett, S. 377. Das norwegische Recht spricht hier von „omstøte“, wörtlich übersetzt ist dies gleichbedeutend mit umstoßen. Rt 2002, 127.

87 dass die Begünstigung im Missverhältnis zum Nachlass steht. Dies hat der Høyesterett in einer Entscheidung klargestellt317. Die Voraussetzungen einer derartigen Schenkungsanfechtung sind daher sehr hoch. Nach der Rechtsprechung müssen die Erben beweisen, dass der übergangene Vermögensgegenstand in dem „uskifte bo“ verhaftet war, der Erwerber bösgläubig war und die übrigen tatsächlichen Verhältnisse bekannt waren, die dazu führen, dass der Erwerb als Schenkung angesehen werden kann318. Trotzdem stellen derartige Auseinandersetzungen den Schwerpunkt der Streitigkeiten der beteiligten Parteien, gerade bei dem Verkauf von Immobilien, dar319. Die Erben können in der Regel nicht aufgrund einer anfechtbaren Schenkung die Auseinandersetzung verlangen. Der Tatbestand des § 24 Abs. 2 AL, der die vorgezogene Auseinandersetzung im Falle einer Minderung des Nachlasses vorsieht, ist nämlich in diesem Fall nicht erfüllt, da der Nachlass bei der Rückabwicklung gerade nicht vermindert wird 320. Dieser Vorschrift kommt also nur Bedeutung bei einer misslungenen Rückabwicklung zu. Kann eine Rückabwicklung nicht erreicht werden, stehen den Erben gegenüber dem überlebenden Ehegatten weitere Rechte, insbesondere Schadensersatzbzw. sonstige Ersatzansprüche zu. Gem. § 27 AL können die Erben Rückzahlung auch aus dem Gesamtgut verlangen. Reicht das Gesamtgut nicht aus, können die Erben Rückzahlung aus dem Vorbehaltsgut des überlebenden Ehegatten verlangen. Eine Begrenzung auf den Halbteil wie in Dänemark findet nicht statt. Liegt eine Schenkung an einen Erben vor, besteht nach norwegischem Recht die Gefahr, dass diese Schenkung als (teilweise) Auseinandersetzung und Erbanteilsauszahlung gewertet werden kann. Dies hat zur Folge, dass gem. § 21 AL auch die übrigen Erben eine Auseinandersetzung beanspruchen können321. 3.3.3.4. Verfügungen von Todes wegen Gemäß § 18 AL kann der überlebende Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen nur über sein Erbe, welches nicht im „uskifte bo“ verfangen ist, testieren. Es gelten bei der Testierung die unter Kap. 5 Punkt 4. dargestellten Grundsätzen entsprechend. In quantitativer Hinsicht kann der überlebende Ehegatte in der Regel nur über den freien Anteil an seinem Halbteil verfügen. Dies folgt direkt aus dem

317 318 319 320 321

Rt 1982, 948. Lødrup, Nordisk Arverett aaO, S. 172 unter Hinweis auf Rt. 1982, S. 948. Lødrup, Nordisk Arverett, aaO, S. 171, 172. Lødrup, Nordisk Arverett, aaO, S. 177. Lødrup, Arverett, S. 381.

88 Gesetz (§ 18 Abs. 2 AL), sogar dann, wenn es sich um Erben einer anderen Erbklasse handelt. Die Stellung der jeweiligen Erben nach den Ehegatten nähert sich hier in gewisser Weise der Nacherbenstellung im österreichischen Recht an, wenn auch die Ausgestaltung im Einzelnen anders ist. In qualitativer Hinsicht, also bei der Frage, über welche Gegenstände der überlebende Ehegatte im Sinne einer Teilungsanordnung testieren kann, ist auf die Eigentumsverhältnisse zur Zeit der Ehe abzustellen. Dies wird aus § 18 Abs. 2 S. 2 AL gefolgert. An Vermögen, an dem der überlebende Ehegatte zumindest ein Miteigentumsanteil hatte, kann er nunmehr auch im Sinne einer Teilungsanordnung testieren322. Unbeschränkt verfügungsbefugt in qualitativer Hinsicht ist der Ehegatte, der mit Erben der zweiten Erbklasse in einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gem. § 18 Abs. 2 AL verhaftet ist.323.

3.3.4. Die Stellung der Erben Das Erbrecht der Erben im ersten Erbfall wird aufgrund des „uskifte bo“ zunächst ausgesetzt. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes führt der Ehegatte die Gütergemeinschaft mit den Erben fort. Folglich stehen den Erben auch Rechte an dem „uskifte bo“ zu, auch wenn diese nicht im Einzelnen vom Gesetz definiert werden. Es dürfte sich wohl zumindest um eine Art Anwartschaft auf das Auseinandersetzungsgut handeln, die nicht verpfändbar ist. In dieses Recht der Erben können nach der ausdrücklichen Regelung des § 22 AL Gläubiger zum Schutz der Vermögensmasse nicht hinein vollstrecken und auch nicht eine Auseinandersetzung erzwingen. Auch in eine eventuelle Konkursmasse eines beteiligten Erben fällt dieses „Anteilsrecht“ nicht. Das Anwartschaftsrecht gem. § 22 Abs. 1 ist nicht vererblich. Verstirbt ein Erbe, solange noch keine Auseinandersetzung eingeleitet worden ist, wächst sein Anteil zunächst den anderen Erben zu. Praktisch hat diese Regelung nur dann Bedeutung, wenn der Erbe keine eigenen Abkömmlinge hat, die im Rahmen des Repräsentationsrechtes beim zweiten Todesfall zum Zuge kommen324. Nachdem die Erbauseinandersetzung durch das Rechtsinstitut des „uskifte bo“ nur ausgesetzt wird, steht den übrigen Erben im Falle der Fortsetzung der Gütergemeinschaft kein Pflichtteilsrecht zu, obwohl die Auseinandersetzung einer Enterbung nahe kommt.

322 323 324

Lødrup, Arverett, S. 383. Vgl. hierzu Hambro, aaO, § 18 S. 97 ff.. Hambro, aaO, § 22, S. 153.

89

3.4. Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft Die fortgesetzte Gütergemeinschaft kann sowohl zu Lebzeiten als auch aufgrund des Todes des zunächst überlebenden Ehegatten beendet werden. Dies führt zu einem „Wiederaufleben“ der erbrechtlichen Vorschriften, insbesondere der gesetzlichen Erbrechte.

3.4.1. Beendigungsgründe Der überlebende Ehegatte kann von sich aus jederzeit die vollständige oder teilweise Auseinandersetzung gem. § 24 Abs. 1 AL verlangen. Bei einer teilweisen Auseinandersetzung können in Abweichung zur dänischen Erbrechtsordnung auch die anderen Erben eine Auseinandersetzung verlangen325. Wie bereits weiter oben ausgeführt, können die Erben im Rahmen der Missbrauchssanktionierung für den Fall, dass ein anderer Miterbe eine Begünstigung erhält, die als Auseinandersetzung gedeutet werden kann, ebenfalls berechtigt sein, die Auseinandersetzung gem. § 21 AL zu verlangen, damit kein Erbe im Gegensatz zu den anderen bevorzugt werden kann 326. Dies kommt einem Anspruch auf Teilauseinandersetzung nahe. Daneben besteht die Möglichkeit, die Auseinandersetzung zu verlangen, wenn der Nachlass durch die Handlungen des überlebenden Ehegatten unnötig verringert wird oder dieser der Gefahr einer Verringerung ausgesetzt wird327. Hauptgrund der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist entweder der Tod des überlebenden Ehegatten, oder aber die Eingehung einer neuen Ehe durch den überlebenden Ehegatten (§ 23 AL). Beim Vorliegen dieser Gründe, sowie beim Verlust der Geschäftsfähigkeit des überlebenden Ehegatten, tritt die Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft von Gesetzes wegen ein, im Übrigen muss die Beendigung geltend gemacht werden. Bei Eingehung einer neuen Ehe kann die fortgesetzte Gütergemeinschaft auch nicht mit Zustimmung der übrigen Beteiligten fortgesetzt werden. Die Regelung ist insoweit zwingend328. Eine faktische Fortsetzung kann jedoch herbeigeführt werden, wenn die Erben auf ihr Erbe verzichten329. Nachdem die Geschäftsfähigkeit des überlebenden Ehegatten Voraussetzung für die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ist, ist die Gütergemeinschaft im Falle des Fortfalls der Geschäftsfähigkeit bzw. Unmündigkeit gem. § 23 Abs. 2 AL 325 326 327 328 329

Lødrup, Arverett, S. 175. Unneborg, aaO, S. 373. Siehe hierzu Kap. 5, Punkt. 3.3.3.3. Lødrup, Nordisk Arverett, aaO, S. 175. Lødrup, Nordisk Arverett, aaO, S. 175.

90 aufzuheben, eine derartige Regelung findet sich in den anderen nordischen Jurisdiktionen, die auch das Rechtsinstitut des „uskifte bo“ kennen, nicht. Die Erben können auch dann die Auseinandersetzung verlangen, wenn diese zunächst unmüdig waren und dann volljährig werden. Weiterhin, wenn der überlebende Ehegatte seinen Verpflichtungen gegenüber den Erben nicht nachkommt. Dritte können die Auseinandersetzung des „uskifte bo“ weder einleiten noch erzwingen(§ 22 Abs. 4 AL).

3.4.2. Verfahren zur Beendigung und Auseinandersetzung Wird der „uskifte bo“ warum auch immer beendet, stellen sich gerade aus österreichischer Sicht viele Fragen. Bei einer Beendigung von Todes wegen müssen nunmehr sogar zwei Erbfälle, in die noch besondere Regelungen einspielen, abgewickelt werden. Die Beendigung wird durch ein förmliches Verfahren eingeleitet. Nachfolgend soll nur auf die Besonderheiten bei der Beendigung und Auseinandersetzung des „uskifte bo“ zu Lebzeiten und von Todes wegen eingegangen werden, sofern dies abweichend zu den Regelungen der normalen Auseinandersetzung steht. 3.4.2.1. Beendigung zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten Bei der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten behält dieser sein gesetzliches Erbrecht gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 AL iVm. § 6 AL, also auch sein Recht auf das Mindesterbe330. Daneben erben die Erben des zuerst verstorbenen Ehegatten. Beachtet werden muss, dass bei der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft die Regelung des § 59 EL nicht gilt. Weder die Erben noch der Ehegatte können sich folglich auf die „skjevdelingsregel“ berufen. Im Übrigen ist § 77 EL zu beachten. Weiterhin müssen die Vereinbarungen zwischen Ehegatten und Erben bei der Übernahme des Vorbehaltsgutes, insbesondere die Wertansätze, berücksichtigt werden (§ 26 Abs. 2 AL), dasselbe gilt auch für bereits vorgenommene Teilauseinandersetzungen, die in die Berechnungen nach dem Gesetz Einfluss finden sollen. Im Übrigen gelten dieselben Regelungen wie bei einer Auseinandersetzung unmittelbar nach dem Versterben des ersten Ehegatten331.

330 331

Lødrup, Nordisk Arverett, aaO. S. 174. Lødrup, Arverett, S. 389.

91 3.4.2.2. Beendigung aufgrund Todes des zunächst Überlebenden Hauptregel ist auch hier, dass die Erben nach dem zuerst verstorbenen Ehegatten erben. Daneben kommen noch die Erben nach dem zunächst überlebenden Ehegatten hinzu. Die Frage des Verhältnisses regelt § 26 Abs. 1 AL um eine komplizierte Auseinandersetzung zu vermeiden dahingehend, dass beide Erbgruppen jeweils zur Hälfte erben, sofern nichts anderes bestimmt oder vereinbart ist. Dies gilt dann beispielsweise nicht, wenn die Fortsetzung sich auf Sondergut bezieht. In diesem Fall ist gem. § 26 Abs. 2 AL eine verhältnismäßige Teilung vorzunehmen. Das Verhältnis bestimmt sich anhand der bewerteten Anteile bei der Übernahme.§ 77 EL gilt nicht. Es gelten ausschließlich die Regelungen des arve- bzw. skifteloven. Damit können sich die jeweiligen Erben weder auf eine „Schiefteilung“ noch auf Ersatzansprüche zu berufen332.

4. Die gewillkürte Erbfolge bei Ehegatten Um die Rechtsstellung des Ehegatten im norwegischen Recht zu beurteilen, muss auch in Betracht gezogen werden, wie und in welchem Umfang Ehegatten durch Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge abändern können. Dies macht es zunächst notwendig, einen Überblick über das norwegische Testamentsrecht zu geben, da sich die Ehegatten in der Regel allen dort vorgesehenen Möglichkeiten bedienen können. Schwerpunkt wird aber im Rahmen der folgenden Ausführungen nach wie vor darauf gelegt, welche Möglichkeiten die Ehegatten zusammen haben.

4.1. Einleitung Die Regelungen über die gewillkürte Erbfolge sind im Erbgesetz im 2. Teil, Kapitel VIII-XII §§ 48-70 enthalten. Wie bereits ausgeführt, enthält sich das norwegische Recht im Rahmen des „uskifte bo“ beispielsweise einer Regelung bei dem Vorhandensein außerehelicher Kinder und verweist in diesem Zusammenhang alleine auf die gesetzliche Erbfolge, die jedoch aufgrund der niedrigen gesetzlichen Erbquote nicht im Sinne des überlebenden Ehegatten sein dürfte. Die Feststellung, dass die Häufigkeit, Testamente zwischen Ehegatten zu errichten, insgesamt zugenommen hat, dürfte unter anderem auch auf diese

332

Vgl. den Wortlaut des § 77 EL.

92 Problematik zurückgehen333. Angesichts der Gesetzesvorbereitungen für das Erbgesetz aus dem Jahr 1972 wurden Untersuchungen über die Inanspruchnahme von Testamenten in Norwegen durchgeführt. In dem untersuchten Zeitraum von Juli 1955 bis Juni 1956 starben 31.241 Personen. Hiervon errichteten 2308 ein Testament. Die Errichtungsquote betrug damals folglich 7,4%. Von diesen 7,4% hatten nur 1,7% der Erblasser leibliche Abkömmlinge, der Rest nicht. Bei einer Erhebung im Jahr 1987 war die Quote der testamentarischen Erbfolge mit 28% viel höher. Von denen, die testiert hatten, waren wiederum 40% ohne leibliche Abkömmlinge334. Neuere Erhebungen liegen hierzu nicht vor. Aufgrund der im Jahr 2006 bei Gericht hinterlegten 11.600 Testamente ist jedoch von einer weiteren Erhöhung auszugehen335.

4.2. Überblick über das norwegisches Testamentsrecht Das norwegische Testamentsrecht wird von denselben Grundregeln und Rechtsinstituten wie das österreichische Recht bzw. die hier untersuchten Rechtsordnungen geprägt. Der Erblasser muss, um wirksam testieren zu können, mindestens 18 Jahre alt und testierfähig sein. Das Testament muss persönlich errichtet werden und darf an keinem Willensmangel leiden, da es ansonsten anfechtbar wäre. Grundsätzlich ist der letzte Wille des Erblassers zu achten, außer es wird hierdurch Gesetz oder „Ehrbarkeit“ verletzt. Eine Besonderheit kennt das norwegische Recht allerdings: ist eine letztwillige Verfügung offensichtlich unwirksam, kann sie wieder Gültigkeit erlangen, indem die Erben sie anerkennen (§ 60, 70 Abs. 2 AL)336.

4.3. Arten von letztwilligen Verfügungen Das norwegische Recht kennt neben der einseitigen letztwilligen Verfügung noch gemeinschaftliche, gegenseitige Testamente und Erbverträge. Bei der Art bzw. den Umständen der Errichtung, unterscheidet das norwegische Recht nach schriftlichen Zwei-Zeugen-Testamenten und Nottestamenten. Hier gibt es im Vergleich zu den übrigen untersuchten Rechtsordnungen keine maßgeblichen Unterschiede, mit Ausnahme des notariellen Testamentes. Während dies in Dänemark die Regel ist, sieht das norwegische Recht ein sol333 334 335 336

Lødrup, Arverett, S. 74. Lødrup, Arverett, S. 74. Lødrup, Arverett, S. 74. Hambro, aaO, § 60 AL Note 281, Lødrup, Arverett, S. 218 ff..

93 ches Testament nicht vor. Begründet wird dies zum einen mit der historischen Rechtsentwicklung in Norwegen und zum anderen, soll ein vor einer öffentlichen Stelle errichtetes Testament die trügerische Gewissheit vermittle, dass ein solches Testament auch inhaltlich richtig sei, was nicht der Wahrheit entspreche337.

4.3.1. Testamente Bei Ausgestaltung und Inhalt eines Testamentes ergeben sich im Verhältnis zum österreichischen Recht, aber auch zu den untersuchten nordischen Rechtsordnungen keine grundlegenden Änderungen. Der Testator kann Erben einsetzen, den Erben mit Legaten und Auflagen belasten, sowie einen Testamentsvollstrecker einsetzen. Letzteren allerdings nur, wenn dieser auch Zeuge bei der Testamentserrichtung gewesen ist (§ 61 AL). Testamentszeugen und Testamentsvollstrecker dürfen durch das Testament nicht begünstigt werden338. Die Formvorschriften, die gerade bei dem Zwei-Zeugen-Testament hohe Anforderungen an die abzugebenden Erklärungen stellen, haben Besinnungs-, Beweis- und Publizitätsfunktion339. Ein Verstoß gegen Formvorschriften hat zur Folge, dass das Testament ungültig ist. Sofern das Testament inhaltlich unklar oder lückenhaft ist, wird das Testament subjektiv aufgrund des Willens des Erblassers ausgelegt. War der Testator im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig, kann sein Wille doch noch zur Geltung gelangen, wenn er im Zustand der Testierfähigkeit den dann niedergelegten Willen nur wiederholt hat340. In § 66 AL sind darüber hinaus Zweifelsregelungen enthalten, sollte eine vorrangige Auslegung keinen anderen Inhalt ergeben. § 49 Abs. 2 AL enthält eine Beweislastumkehr. Enthält das Testament die Bestätigung der Zeugen, dass der Testator den Inhalt des Testamentes anerkannt hat, dies seinem Willen entspreche und dieses Dokument ein Testament sein solle, sowie dass er seine Unterschrift in Anwesenheit der Zeugen geleistet oder sich zu Eigen gemacht hat, so gilt die gesetzliche Vermutung, dass dies der Fall gewesen ist. Ein einseitiges Testament kann ganz oder auch teilweise und jederzeit vom Erblasser widerrufen werden. Für den Widerruf sind die Formvorschriften über Testamente im Normalfall zu beachten. Der Widerruf kann auf dem Originaltestament oder aufgrund eines neuen Testamentes erklärt werden. Dar337 338 339 340

Lødrup, Arverett, S. 83. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 49. Lødrup, Arverett, S. 81/82. Hambro, aaO, § 62 Note 290, Unneberg, aaO, S. 104.

94 über hinaus besteht nach § 57 Abs. 2 AL die Möglichkeit, das Testament durchzustreichen bzw. zu zerstören.

4.3.2. Gemeinschaftliche und gegenseitige Testamente Wie sich aus der Bezeichnung „gegenseitige“ Testamente ableiten lässt, können auch andere Personen als Ehegatten in einem Dokument testieren. Noch im Erbgesetz von 1854 war dies nur Ehegatten eingeräumt341. Gem. § 49 Abs. 3 S. 2 AL ist ausdrücklich klargestellt, dass nach dem Gesetz keine Gründe dagegen sprechen, dass auch mehrere Personen ein Testament gemeinsam errichten. „Gegenseitig“ bedeutet nicht zwingend, dass das Testament in einem Dokument errichtet werden muss. Verschiedene Personen können auch testamentarisch zum Vorteil füreinander testieren. Das Gesetz formuliert hier „til føremon for kvarandre“342. Im Gegenzug bedeutet dies jedoch nicht, dass ein gegenseitiges Testament auch zwingend in derselben Urkunde errichtet werden muss. Von einem gemeinschaftlichen Testament wird ausgegangen, wenn es in einer Urkunde errichtet wird (§ 49 AL). Fast ausnahmslos wird das gemeinschaftliche Testament gewählt, wenn auch ein Gegenseitigkeitsverhältnis vorliegt343. Diese Form des Testaments wird daher von Ehegatten, unehelichen Lebenspartnern und/oder Personen, die gemeinsam ein Unternehmen führen, gewählt. Bei gegenseitigen bzw. gemeinschaftlichen Testamenten gibt es keine besonderen Vorschriften. Dies bereitet jedoch in der Praxis Umstände, da keine klaren gesetzlichen Regelungen existieren und viel durch Richterrecht entschieden werden musste. Nachdem auch in Norwegen ein Testament nicht handschriftlich, sondern vielmehr nur schriftlich aufgesetzt und vor Zeugen unterschrieben werden muss, ist unerheblich, wer das Testament schriftlich aufsetzt, solange der Erblasser vor den Zeugen kundtut, dass es sich um seinen eigenen letzten Willen handelt und das Testament eigenhändig unterschrieben wird. Unabhängig von der Frage, ob bei gemeinschaftlichen bzw. gegenseitigen Testamenten in einer Urkunde ein oder zwei letztwillige Verfügungen errichtet werden, ist auch die Frage der benötigten Zeugen zu beantworten. Bei einem gegenseitigen Testament, welches in einer Urkunde errichtet wird, sind auch nur zwei Zeugen notwendig. Es bestehen keine besonderen Formvorschriften.

341 342 343

Innst O XIX (1970-71) S. 49. deutsch: zum gegenseitigen Vorteil Lødrup, Arverett, S. 77/78.

95 4.3.2.1. Inhalt und Wirksamkeit Für das gegenseitige bzw. gemeinschaftliche Testament gelten inhaltlich dieselben Regelungen wie für ein normales Testament. Insoweit ergeben sich hier keine Besonderheiten. In der Regel enthält ein solches Testament zumindest eine Primär-, eventuell auch eine Sekundärdisposition. Zwingend ist dies allerdings nicht. Gerade bei gemeinschaftlichen bzw. gegenseitigen Testamenten kann sich die Frage stellen, inwieweit der überlebenden Person mit Hinsicht auf das Persönlichkeitsprinzip ein Ermessensspielraum bei der Verteilung des Erbes bzw. der Erbeinsetzung eingeräumt wird. Dies ist im norwegischen Recht umstritten. Nach der älteren Auslegung konnte die Bestimmung, wie das Erbe nach dem Verstorbenen verteilt werden soll, aufgrund der Verpflichtung des Erblassers, sein Testament persönlich zu errichten, nicht delegiert werden 344. Nach einer neueren Auffassung wird die Frage pragmatischer gelöst. Sofern ein praktisches und vernünftiges Bedürfnis besteht, die Verteilung einem Dritten zu überlassen, ist die Verfügung wirksam, solange der Erblasser ein Minimum an Vorgaben macht345. 4.3.2.2. Bindungswirkungen und Änderungen Das norwegische Recht kennt als solches keine Bindungswirkungen eines gegenseitigen Testamentes. Das folgt aus der Gesetzessystematik und der Tatsache, dass der Erbvertrag gem. § 56 AL dahingehend definiert wird, dass nur der Erbvertrag einen Verzicht auf die Testationsbefugnis enthalten kann und es sich bei dem gegenseitigen Testament nicht um einen Unterfall des Erbvertrages handelt346. Weiterhin ist die gesetzliche Regel die volle Testationsbefugnis, der Verzicht auf diese stellt die Ausnahme dar. Es handelt sich nach der norwegischen Ausgestaltung bei dem Erbvertrag um ein mögliches Beiwerk eines Testamentes, in welcher Ausgestaltung auch immer. 4.3.2.2.1. Widerruf zu Lebzeiten Der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments ist in §§ 57 Abs. 3, 58 und 67 AL geregelt. Ein Widerruf zu Lebzeiten ist gem. § 54 AL jederzeit möglich und hat keinen Einfluss auf die Verfügung des anderen, außer es geht aus den Umständen hervor, dass eine Unwiderruflichkeit und damit ein Erbvertrag gewollt ist.

344 345 346

Lødrup, Arverett, S. 153. Lødrup, Arverett, S. 153. Vgl. hierzu, Andernæs, TfR 1985, S. 38.

96 Bei einem gemeinsamen Testament kann jeder jederzeit seine eigene Verfügung widerrufen oder ändern347. Eine Änderung erfolgt entweder durch ein neues Testament oder durch einen Änderungsvermerk auf dem alten Testament. Ein Widerruf kann durch Vernichtung des Testaments oder durch Errichtung eines Widerrufstestaments erfolgen. Beim gemeinschaftlichen Testament gem. § 57 Abs. 3 AL kommt als zusätzliche Voraussetzung hinzu, dass der andere Part über die Änderungen oder den Widerruf in Kenntnis gesetzt werden muss, damit die Änderung Wirksamkeit erlangt. Ist die Änderung jedoch ausschließlich zum Vorteil des anderen oder dessen Sekundärerben, ist eine Unterrichtung nicht erforderlich348. Dies hat das Høyesterett entschieden349. Ebenfalls nicht, wenn nach den Umständen eine Unterrichtung des anderen nicht möglich war350. Eine einseitige Abänderung der im eigenen Interesse ausschließlich verfügten Sekundärdisposition ohne Unterrichtung des anderen Teils ist nach einer Entscheidung nicht möglich (Rt 1959, S.689). Vom Grundsatz ist von einer Unterrichtungspflicht auszugehen, selbst wenn die Rechte des anderen nicht berührt werden351. 4.3.2.2.2. Widerruf und Testierungskompetenz nach dem ersten Todesfall Ausgangspunkt nach dem ersten Todesfall ist, dass der andere nach der Zweifelsregelung des § 67 Nr. 3 AL auch noch nach dem Tode frei testieren und verfügen darf. Bei einer Sekundärerbeinsetzung gilt § 58 Abs. 1 AL. Der überlebende Teil kann das Testament nur in Bezug auf die Erben ändern, die zu gesetzlichen Erben nach dem Längerlebenden berufen sein würden, wenn diese auch ursprünglich eingesetzt waren. Dasselbe gilt für Erben, die aufgrund des Wunsches des längerlebenden Ehegatten eingesetzt worden sind. Nicht jedoch, wenn es sich um den Wunsch beider gehandelt hat 352. Im Übrigen ist das Testament bindend. Die Ehegatten können jedoch testamentarisch abweichende Regelungen treffen. Eine übliche Formulierung, die auf eine Testationskompetenz schließen lässt, findet sich in Testamenten, wonach der überlebende Ehegatte zum „Alleinerben des Verstorbenen mit vollständiger Verfügungsbefugnis zu Lebzei-

347 348 349 350 351 352

Hambro, aaO, § 55 Note 252. Hambro, aaO, § 57 Note 272. Rt 1946, 1108. Hambro, aaO, § 57 Note 272. Vgl. Rt 1961, 1153, Rt 1979, S. 922. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 57 Rn. 288.

97 ten und durch Testament“353 wird. Spätestens seit einer Entscheidung des Høyesterett aus dem Jahr 1965 ist dies unstreitig354. Haben die Ehegatten keine gemeinsamen Abkömmlinge, kann der überlebende Ehegatte „wie ein Eigentümer“ über das gesamte Vermögen verfügen (§ 67 Nr. 1 AL), auch von Todes wegen (§ 67 Nr. 3 AL). 4.3.2.3. Rechtsverhältnisse nach dem ersten Todesfall Der überlebende Ehegatte kann, aber muss nicht von seinen Rechten aus dem Testament Gebrauch machen. Er kann auch seine Rechte als testamentarischer Erbe ausschlagen und von seinem Recht auf Fortsetzung der Gütergemeinschaft Gebrauch machen bzw. eine Auseinandersetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge forcieren355. Damit gilt, dass eine Inanspruchnahme des gesetzlichen Erbes zeitgleich mit der Befugnis der Fortsetzung am jeweiligen Vermögen nicht möglich ist. Wird das Erbe angenommen, gilt hinsichtlich der Verfügungsbefugnis die testamentarische Anordnung und Ausgestaltung. Lediglich für den Fall, dass die Verwandten des zuerst Verstorbenen im Rahmen der Sekundärerbfolge berufen sind, ist der überlebende Ehegatte nicht berechtigt, durch lebzeitige Verfügungen zu Gunsten seiner eigenen Verwandtschaft den Nachlass zu entleeren356. Lødrup leitet hieraus eine allgemeine Regel ab, wonach illoyale Vermögensverschiebungen grundsätzlich unzulässig sein sollen und der überlebende Ehegatte insoweit in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt ist 357. In diese Richtung weist auch eine Entscheidung des Borgarting. Demnach darf der überlebende Ehegatte ein Haus, welches durch die Sekundärdisposition „gebunden“ ist, nicht ohne weiteres veräußern358. Geht der überlebende Ehegatte eine neue Ehe ein, ist dieser von Gesetzes wegen zwingend verpflichtet, sich mit den Erben des zuerst Verstorbenen auseinanderzusetzen. Das Gesetz geht in § 67 Abs. 2 AL damit von dem Vorliegen einer Vor- und Nacherbfolge aus, auch wenn sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Der Nacherbfall tritt mit Eingehung der neuen Ehe ein. In diesem Fall behält der überlebende Ehegatte jedoch sein gesetzliches Erbrecht gem. § 6 AL. Die Ehegatten können allerdings etwas anderes testamentarisch verfügen. 353 354 355 356 357 358

Norwegisch: „avdødes enearving med full disposisjonsrett i levande live og ved testament“. Rt 1965, 1296. Lødrup, Arverett, S. 182. Rt 1953, S. 1274. Lødrup, Arverett, S. 184. RG 2000, S. 873.

98 Liegt ein besonders gravierender Fall vor, dass sich der Überlebende über die testamentarische Bestimmungen hinweggesetzt hat, dann folgt nach einer Entscheidung des Høyesterett, dass die Sekundärerben unter Umständen sogar berechtigt sind, die vorzeitige Auseinandersetzung zu verlangen. Jedenfalls kann der böswillige Erwerber zur Rückerstattung an den Nachlass verurteilt werden359. 4.3.2.4. Rechtsverhältnisse nach dem zweiten Todesfall Nach dem Tod des Längerlebenden richtet sich die Sekundärerbfolge nach dem Testament und den darin getroffenen Anordnungen. Trifft das Testament hierzu keine Anordnungen, gilt die gesetzliche Erbfolge nach dem überlebenden Ehegatten. War im Gesetz von 1854 noch eine abweichende Regelung enthalten, hat das Høyesterett in einer Entscheidung (Rt 1968, S.540) ausdrücklich klargestellt, dass die gesetzlichen Erben des zuerst Verstorbenen nicht zur Erbfolge gelangen, wenn dies nicht aus dem Testament hervorgeht 360. Gehen aus dem Testament klare Bestimmungen361 über ein Erbrecht der Erben des zuerst Verstorbenen hervor, ist das Vermögen zwischen den Erben beider Ehegatten hälftig zu teilen (§ 67 Nr. 2 S. 1 AL)

4.3.3. Erbverträge Nach römischen Recht unvorstellbar und als Verstoß gegen die bonos mores362 unwirksam ist ein Verzicht auf bzw. eine Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers. Eine Begrenzung bzw. Verzicht auf die Testierbefugnis ist im norwegischen Recht relativ unproblematisch und nicht durch besondere Regelungen ausgestaltet. Dies kann man als Beispiel dafür sehen, dass die Adaption römischen Rechts in Norwegen im Gegensatz zu anderen, hier im Focus stehenden Staaten, allen voran Schweden, am wenigsten stattgefunden hat363. 4.3.3.1 Übersicht und rechtliche Einordnung Unter einem Erbvertrag wird gem. § 56 AL eine testamentarische Verfügung verstanden, wonach sich der Erblasser vertraglich verpflichtet hat, ein Testament nicht zu ändern oder zu widerrufen bzw. zugesichert hat, kein Testament zu errichten. 359 360 361 362 363

Rt 1953, 1274. Rt 1968, S. 540. Norw. „klare føresegner“. lateinisch: Verstoß gegen die guten Sitten. Andenæs, aaO S. 19.

99 Zentraler Inhalt des Erbvertrages nach norwegischem Recht ist daher die Begrenzung bzw. der Verzicht auf die Testierbefugnis für die Zukunft. Voraussetzung schon nach dem Wortlaut ist ein Vertrag zwischen zwei Personen, also gilt auch allgemeines Vertragsrecht. Im Übrigen verweist § 56 AL auf die §§ 48-52 AL, auf das allgemeine Testamentsrecht und insbesondere auf die Formvorschriften. Hierbei handelt es sich um die einzige Vorschrift für Erbverträge. 4.3.3.2. Bindungswirkungen Der Erblasser verpflichtet sich erbvertraglich in der Regel, ein Testament bzw. eine testamentarische Verfügung nicht zu widerrufen. Die Frage, ab wann und inwieweit der Erblasser hieran gebunden ist, wird im Wege der Auslegung und unter Zuhilfenahme der allgemeinen vertraglichen Auslegungsregelungen gelöst. Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der eine Bindungswirkung behauptet, diese auch beweisen muss364. Probleme können sich bei der Reichweite der Bindung ergeben. Hierzu hat das Høyesterett bislang noch nicht Stellung genommen. Nachdem jedoch der Gesetzgeber davon ausgehen musste, dass gegenseitige Testamente immer ein Moment des Nehmens und Gebens in sich tragen und trotzdem von der Grundregel der Widerruflichkeit ausgegangen wird, müssen sich für Andenæs deutliche Anhaltspunkte für eine Unwiderruflichkeit aus dem Testament bzw. den Umständen ergeben365. Eine Bindungswirkung muss sich deshalb aus anderen Aspekten ergeben. Frantzen spricht hier von einer „Hineininterpretation der Unwiderruflichkeit“366, da sowohl nach seiner, als auch nach der Auffassung von Andenæs der ausdrückliche Hinweis auf die Unwiderruflichkeit nicht notwendig ist 367. Auch Lødrup ist der Auffassung, dass die norwegische Rechtspraxis der Auslegung nicht mit überzogenen Formvorschriften in Einklang zu bringen ist 368. Eine Andeutungstheorie369 wie im österreichischen Recht ist in diesem Zusammenhang nicht gebräuchlich und gibt es daher im norwegischen Recht nicht. Beachtet werden muss die Vorschrift des § 7 AL. Demnach muss ein Testament, auch das durch Erbvertrag unwiderruflich gewordene, dem (neuen) Ehegatten vor dem Tode des Erblassers zur Kenntnis gebracht werden, wenn die Dispositionen die Rechte des Ehegatten verkürzen. Ist dies nicht der Fall, kann 364 365 366 367 368 369

Rt 1979, S. 922. Andenæs, aaO, S. 39. Vgl. Frantzen, TfR 1996, S. 85 ff.. Vgl. Frantzen, TfR 1996, S. 9, Andenæs, aaO, S. 37 ff.. Lødrup, Arverett, S. 175/176. Siehe hierzu: Ferrar/Likar-Peer, aaO, S. 115 mwN.

100 beispielsweise der Erbvertrag keine Wirkungen entfalten, weil schon das Testament dahingehend ungültig geworden ist. Dasselbe gilt auch für einen Erbvertrag, der die Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge nicht beachtet. Werden durch den Erbvertrag Pflichtteilsansprüche teilweise betroffen, so wird dieser, soweit Pflichtteilsansprüche tangiert sind, ungültig und entfaltet keine Rechtswirkungen.370 4.3.3.3. Form des Erbvertrags Bei einem Erbvertrag besteht kein besonderer Formzwang. Es gelten die Vorschriften für ein normales bzw. gemeinschaftliches Testament. Ergänzend ist das allgemeine Vertragsrecht einschlägig. Dies bedeutet, dass der Erbvertrag erst dann bindend und nicht mehr frei widerrufbar wird, wenn er dem Begünstigten gegenüber zur Kenntnis gebracht worden ist371. Die Willenserklärung muss deshalb auch zugehen. Dies muss ggfls. nachgewiesen werden, wobei die Beweishürden hier hoch sind372. Nach der norwegischen Dogmatik liegt in einem Erbvertrag kein bindender Vertrag zu Gunsten Dritter, auch nicht bei Ehegatten, vor373. Sofern die Bindungswirkung im Falle des Zugangs beseitigt werden soll, steht dem Testator das allgemeine Vertragsrecht zur Verfügung. Da es sich um einen Vertrag handelt, muss dieser nicht wie ein Testament aus einer subjektiven Sichtweise, sondern objektiver ausgelegt werden. Es gelten alleine die vertraglichen Auslegungsregelungen. Im Gegensatz zur österreichischen Andeutungstheorie müssen die Umstände, aus denen sich eine Auslegung ergibt, auch nicht „irgendwie“ in dem Vertrag niedergelegt sein, damit der im Wege der Auslegung ermittelte Inhalt auch formgerecht erklärt worden ist. Eine solche Rechtsprechung kennt das norwegische Recht nicht. 4.3.3.4. Testationskompetenz und Verfügungsbefugnis beim Erbvertrag Ist der Erbvertrag wirksam errichtet und die Willenserklärung auch zugegangen, dann ist der Erblasser in seiner Testationskompetenz beschränkt. Er ist jedoch vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung nicht in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt.

370 371 372 373

Unneberg, aaO, S. 171. Lødrup, Arverett, S. 200. Lødrup, Arverett, S. 200. Lødrup, Arverett, S. 200.

101

4.4. Beschränkung durch Noterbrechte Soweit letztwillige Verfügungen durch Noterbrechte bzw. das Mindesterbe des überlebenden Ehegatten beschränkt werden, ist der Erblasser nach der gesetzlichen Systematik in seiner Testationskompetenz beschränkt. Abkömmlingen des Erblassers steht gem. § 29 Abs. 1 AL ein Pflichtteil in Höhe von 2/3 des gesamten Nettovermögens des Erblassers zu. Das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge ist dabei maximal auf 1 Mio. NOK (= € 125.944,00 Stand 14.12.2010) pro Abkömmling begrenzt. Fernere Abkömmlinge wie beispielsweise Enkel haben nur einen Anspruch auf 200.000 NOK (=€ 25.188,90 Stand 14.12.2010) maximal. Hinterlässt der Erblasser einen Ehegatten, dann wird dessen Mindesterbanspruch aus dem freien Drittel bedient, wobei der Mindesterbanspruch des Ehegatten im Mangelfall dem Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge vorgeht 374. Der Mindesterbanspruch des Ehegatten wird bei der Festlegung der Testationskompetenz, die sich nur auf 1/3 des Nachlasses nach norwegischer Dogmatik bezieht, wie bereits oben ausgeführt, berücksichtig. Durch Auslegung kommt es regelmäßig zu einer Geltungserhaltung des Testaments. Überschreitet der Erblasser durch die Errichtung der letztwilligen Verfügung seine Testationskompetenz - wobei der Wert des Nachlasses im Todesfall maßgeblich ist - zieht dies die Unwirksamkeit des Testaments nach sich, wenn nicht eine besondere Rechtsgrundlage für die Beschränkung, sei sie qualitativer oder quantitativer Art, besteht375. Eine solche Grundlage kann beispielsweise in der Zustimmung der Abkömmlinge gesehen werden. Die Unwirksamkeit des Testamentes muss von den Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht werden. Bleiben diese passiv, kann ein derartiges Testament geheilt werden376. Wird durch eine testamentarische Verfügung, beispielsweise durch eine Teilungsanordnung, das Pflichtteilsrecht verletzt, muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob dem Bedachten das freie Drittel in bar ausbezahlt werden soll377.

374 375 376 377

Hambro § 29, Rn.139. Hambro § 29 Rn. 139. Siehe oben, Kapitel 5, Punkt 2.4. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 52.

102

5. Der Erwerb der Erbschaft und Auseinandersetzung Bislang sind die materiellrechtlichen Regelungen des Erwerbs der Erbschaft und der Haftung im Erbgesetz, mit einzelnen Ausnahmen der Haftung, die im Gläubigerschutzgesetz niedergelegt sind, nämlich die der Auseinandersetzung im skifteloven oder lov om skifte 1930 (Gesetz über die Auseinandersetzung vom 21.02.1930 Nr. 00, nachfolgend SL) geregelt. In dem Auseinandersetzungsgesetz wird nicht nur die Nachlassauseinandersetzung, sondern auch die güterrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten geregelt.

5.1. Reformüberlegungen Hauptkritikpunkt des skifteloven ist, dass die Trennung zwischen formellen und materiellen Regelungen in Zusammenschau mit dem Erbgesetz bzw. arveloven nicht eingehalten wird. Dies macht das skifteloven insgesamt schwer handhabbar und „sperrig“378. Im Jahr 2005 wurde deshalb ein Komitee zur Untersuchung der aktuellen Gesetzgebung und Reformmöglichkeiten des skifteloven eingesetzt. Im Jahr 2007 wurde das Mandat noch zusätzlich auf materiellrechtliche Regelungen erweitert379. Das Komitee wurde von Peter Lødrup geleitet. Weiteres Mitglied war unter anderem Torstein Frantzen, der sich eine Zeit lang in Heidelberg an der dortigen Universität gerade mit deutsch-norwegischen rechtsvergleichenden, erbrechtlichen Fragestellungen auseinandergesetzt hat. Das Komitee hat in seinem Gutachten festgestellt, dass das geltende skifteloven aus dem Jahr 1930 inzwischen veraltet sei und nicht mehr dem aktuellen Bedarf entspräche380. Einen besonderen Schwerpunkt hat das Komitee unter anderem den Konstellationen gewidmet, bei denen ein überlebender Ehegatte beteiligt ist381. Das Komitee hat vorgeschlagen, eine größere Reform anzustoßen, bei der die Nachlassauseinandersetzung in einem separaten Gesetz geregelt werden soll382. Weiterhin soll eine striktere Trennung zwischen materiellen Regelungen im Erbgesetz und formellen Regelungen im Rahmen der Nachlassauseinander378 379 380 381 382

NOU 2007: 16, S. 34. NOU 2007:16, S. 5. NOU 2007: 15, S. 33. NOU 2007: 16, S. 33. Die güterrechtliche Auseinandersetzung soll hingegen in das Ehegesetz eingearbeitet werden, vgl. NOU 2007: 16, S. 33.

103 setzung angestrebt werden383. Ein anderes Ziel ist es, die private Auseinandersetzung zu erleichtern, um die Gerichte zu entlasten384. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die private unbegrenzte Haftung der Erben im Rahmen der privaten Nachlassauseinandersetzung auf den vorhandenen Nachlass zu begrenzen, da die Haftung der Erben gemäß der geltenden Regelung - auf die später noch genauer einzugehen sein wird - oftmals Grund für die Wahl der öffentlichen Auseinandersetzung unter Einbeziehung der Gerichte ist. Dem überlebenden Ehegatten soll die Möglichkeit eingeräumt werden, seinen bisherigen Lebensstandard in vollem Umfang aufrechtzuerhalten385. Es ist davon auszugehen, dass die Vorschläge des Komitees in den Grundzügen im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses auch übernommen werden.

5.2. Begrifflichkeiten Begrifflich unterscheidet das skifteloven zwischen den Erben („arvinger“) und Vermächtnisnehmern („legatare“). Zentraler Begriff ist derjenige des „loddeier“, dieser wird in §124 SL386 legal definiert und im Folgenden mit Anteilseigner übersetzt387.

383 384 385 386

NOU 2007: 16, S. 33. NOU 2007: 16, S. 34. NOU 2007: 16, S. 119. § 124 SL lautet: Med loddeier forståes i denne lov enhver der i egenskap av ektefelle eller arving har krav på lodd i boet. Med arving forståes enhver der efter lovens arvegangsregler eller siste viljeserklæring inntrer i avdødes efterlatenskaper helt ut eller efter et fastsatt forhold. Med legatar forståes enhver annen som ved siste viljeserklæring er tilsagt nogen fordel ved arvelaterens død. Unter Anteilseigner versteht man in diesem Gesetz denjenigen, der in seiner Eigenschaft als Ehegatte oder Erbe einen Anspruch auf einen Anteil von der Nachlassmasse hat. Unter einem Erben versteht man denjenigen, der nach den gesetzlichen Erbregelungen oder aufgrund des letzten Willens in die Hinterlassenschaft des Erblassers ganz oder nach einem festgelegten Verhältnis eintritt. Unter einem Vermächtnisnehmer versteht man denjenigen, der durch letzten Willen irgendeinen Vorteil bei dem Tode des Erblassers zugesprochen bekommt. 387

Wie auch „bo“ entweder in der Verwendung als Substantiv oder als Pre -bzw. Suffix eine eindeutige und übertragbare Entsprechung im deutschen Sprachgebrauch sucht, gilt dies auch für „lodd“, in welcher Ausprägung auch immer. Der Begriff „lodd“ bezeichnet einen Anteil. Im Rahmen deutschsprachiger Rechtsliteratur werden diese Begriffe unter den verschiedenen Autoren auch nicht einheitlich in die deutschsprachige Rechtsbegrifflichkeit übersetzt.

104 Das skifteloven unterscheidet darüber hinaus den so genannten „boslodd“388 sowie den „arveslodd“389. Der erste Begriff stellt auf den Anteil am güterrechtlichen Gesamtgut, der zweite auf den Anteil am Erbteil ab390. Verstirbt ein Ehegatte, spricht man von einem so genannten zusammengesetzten Nachlass391, wobei es sein kann, dass dieser zusammengesetzte Nachlass nur einen „loddeier“ hat, wenn nämlich einzig und alleine der überlebende Ehegatte Erbe ist und auch keine Pflichtteilsberechtigten vorhanden sind. Sofern eine Vermögensmasse zwischen verschiedenen Personen aufgeteilt wird, wird diese Vermögensmasse nicht nur im norwegischen Recht, sondern in allen hier untersuchten nordischen Rechtsordnungen als „bo“ bezeichnet392. Die Aufteilung dieser Vermögensmasse wird traditionell als „skifte“ bezeichnet.

5.3. Erwerb des Nachlasses, Ausschlagung Obwohl das Nachlassverfahren im nordischen Recht einen großen Stellenwert einnimmt, fällt die Erbschaft dem Erben automatisch an, d.h. der Erbe braucht keine Annahmeerklärung abzugeben393. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 74 AL. Im Rahmen der Universalsukzession rückt der Erbe unmittelbar in die Stellung des Verstorbenen ein. Im Rahmen der Singularsukzession erwirbt der Vermächtnisnehmer unmittelbar Rechte an dem „Legat“394. Nach norwegischer Dogmatik fällt jedoch das Erbe nicht unmittelbar mit dem Privatvermögen des Erben zusammen395. Erforderlich ist in den meisten Fällen vielmehr zunächst, dass eine Teilung und Auseinandersetzung vergleichbar mit der Einantwortung stattfindet396. In diesem Rahmen hat der Erbe die Möglichkeit, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen bzw. einen Erbverzicht zu erklären. Die Ausschlagung des gesamten oder eines Teils der Hinterlassenschaft kann bis zum endgültigen Abschluss des Auseinandersetzungsverfahrens gegen388 389 390 391 392 393 394 395 396

Der Anteil, der dem (überlebenden) Ehegatten bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung des Gesamtgutes zukommen würde. Der Anteil, der einem Erben zukommen kann. Lødrup, Arverett, S. 285. Norwegisch: „sammansatt skifte“. Das Gegenteil im Falle eines unverheirateten Erblassers stellt der reine „dødsboskifte“ oder „arveskifte“ dar. Lødrup, Arverett, S. 281, Das norwegische Recht kennt den „konkursbo“ im Sinne der Konkursmasse und den „dødsbo“ im Sinne des Nachlasses. Lødrup, Arverett, S. 30. Lødrup, Arverett, S. 283. Lødrup, Arverett, S. 283. Dies gilt nicht, wenn es nur einen geschäftsfähigen und mündigen Erben gibt. Dann tritt Verschmelzung automatisch ein.

105 über den Miterben, dem Gericht erster Instanz, dem Nachlassverwalter oder dem Testamentsvollstrecker, selbst wenn sich der Nachlass in der Insolvenz befindet, erklärt werden397. Bei den übrigen Erben tritt dann Anwachsung ein.

5.4. Systematische Einordnung des Nachlasses Obwohl die Bezeichnung „bo“ bei den verschiedenen Vermögensmassen eine einheitliche rechtliche Bewertung suggeriert, ist dies nicht der Fall. Einzig und alleine der Nachlass bzw. der „dødsbo“ stellt eine selbstständige Vermögensmasse dar398. Dies darf aber nicht dazu verleiten, den Nachlass als juristische Person oder als eigenes Rechtssubjekt einzustufen. Innerhalb der verschiedenen Möglichkeiten der Auseinandersetzung gibt es nämlich Abstufungen hinsichtlich der Selbstständigkeit des Nachlasses. Dies führt aber nicht dazu, dass angenommen wird, dass dem Nachlass eigene Rechte und Pflichten zukommen sollen, obwohl der Nachlass vom Gesetz als eigenes Besteuerungsobjekt ausgestaltet ist399. Darüber hinaus kann der Nachlass im Falle der öffentlichen Auseinandersetzung klagen und verklagt werden, nicht jedoch im Rahmen der privaten Auseinandersetzung. Weitere Rechte und Pflichten hat der Nachlass nicht, weshalb dieser nur als „trennbare“ Vermögensmasse eingestuft wird und nicht als Rechtssubjekt400. Dogmatisch handelt es sich bei dem Nachlass im Falle einer Erbengemeinschaft um eine Gesamthand in dem Sinne, dass den Erben bzw. dem überlebenden Ehegatten gemeinschaftliches Eigentum zukommt 401. Keiner der Nachlassbeteiligten kann alleine über den Nachlass verfügen ohne die Mitwirkung des jeweils anderen. Die norwegische Dogmatik geht jedoch davon aus, dass jeder Nachlassbeteiligte über seinen „Nettoanteil“402 verfügen kann, auch wenn dies im Gesetz keinen Niederschlag findet403. Lødrup spricht in diesem Zusammenhang von einer langjährigen Tradition404.

397 398 399

400 401 402 403 404

Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 58. Lødrup, Arverett, S. 282. Die steuerrechtliche Einstufung des Nachlasses als eigenes Besteuerungsobjekt ist jedoch nur vorübergehender Natur und nicht zeitlich unbegrenzt. Lødrup, Arverett, S. 294. Lødrup, Arverett, S. 282. Norwegisch: „sameie“ im Sinne einer „bundet sameie“ vgl. Lødrup, Arverett, S. 290. „nettoandelen“. Lødrup, Arverett, S. 290, Andenæs, aaO, S. 46. Lødrup, Arverett, S. 291.

106 Somit ist der Erbe bzw. der überlebende Ehegatte berechtigt und in der Lage, über seinen „ideellen“ Anteil zu verfügen und kann diesen insbesondere abtreten oder veräußern. Der Zessionar bzw. Käufer kann dann aber im Rahmen der Auseinandersetzung nicht die Rechte und Stellung des Anteilseigners erreichen. Der Erwerber kann aber die öffentliche Auseinandersetzung verlangen405. Der Anteil kann mit denselben Rechtsfolgen auch von einem Gläubiger eines Anteilseigners gepfändet werden.406

5.5. Private und öffentliche Auseinandersetzung und Haftung Wie bereits angedeutet, kennt das norwegische Recht die sogenannte private und öffentliche Auseinandersetzung des Nachlasses. Die private Auseinandersetzung wird ausschließlich zwischen den Nachlassbeteiligten, die öffentliche unter Einbeziehung des Gerichtes durchgeführt. Die „prozessualen“ oder formellen Regelungen sind im Grundsatz allerdings dieselben. Aus der Wahl zwischen privater und öffentlicher Auseinandersetzung soll nämlich kein Beteiligter Voroder Nachteile ziehen können, auch wenn eine öffentliche Auseinandersetzung insgesamt formeller ist 407. Beide Formen der Auseinandersetzung unterscheiden sich lediglich im Bereich der Haftung der Erben. Im Rahmen der privaten Auseinandersetzung muss mindestens einer der Erben die persönliche Haftungsübernahme erklären. Dies geschieht gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht, dem „tingsrätten“. Übernehmen mehrere Anteilseigner die Haftung, haften sie gesamtschuldnerisch gem. § 78 Abs. 1 S. 2 SL. Die gesamtschuldnerische Haftung wird bei einem massearmen Nachlass, der weniger als das Dreifache des Grundbetrages408 oder NOK 218.643,00 oder umgerechnet € 27.536,90 (Stand 14.12.2010) ausmacht, auf den vorhandenen Nachlass beschränkt. Zweck ist es, die Beerdigungskosten abzusichern409. Die übrigen Anteilseigner, die keine Haftungsübernahmeerklärung abgegeben haben, haften gem. § 78 Abs. 1 S. 3 nur begrenzt auf deren Erbteil. Bei der Einleitung eines Gläubigeraufgebots bzw. im Rahmen der Gesamtschuld können sich hiervon abweichende Regelungen ergeben410.

405 406 407 408 409 410

Lødrup, Arverett, S. 293. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 63, Rn. 328. Lødrup, Arverett, S. 283. Siehe die Ausführungen unter Kapitel 5, Punkt 2.4. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 64, Rn. 335. Vgl. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 64, Rn. 337 ff..

107 Im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung wird die Haftung auf den vorhandenen Nachlass beschränkt. Deshalb bedarf es im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung keiner Haftungsübernahmeerklärung411. In der Praxis wird in den meisten Fällen die private Auseinandersetzung durchgeführt. Lediglich wenn der Nachlass massearm ist oder die Beteiligten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Durchführung der privaten Auseinandersetzung haben, wird die öffentliche Auseinandersetzung bevorzugt412. Grundsätzlich kann jeder Nachlassbeteiligte die Auseinandersetzung und damit Aufteilung des Nachlasses jederzeit verlangen413. Eine verpflichtende Auseinandersetzung kennt das Gesetz nicht, sofern unter den Beteiligten Einigkeit besteht. Faktisch wird der Nachlass ab einem gewissen Zeitablauf als auseinandergesetzt gelten, sofern die Anteilseigner selbst passiv bleiben. Hieran und an den Nachweis stellt die Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen414.

5.6. Die Auseinandersetzung des Nachlasses in formeller Sicht Wie bereits erwähnt, läuft die Auseinandersetzung des Nachlasses in formeller Sicht, unabhängig von der gewählten Form, im Wesentlichen gleich ab. Strittig ist, ob auch Gläubiger des Erblassers ein solches Verlangen stellen können. Das Gesetz spricht in § 60 Abs. 2 SL von „seinen“ Gläubigern. Hieraus wird abgeleitet, dass es sich lediglich um die Gläubiger des Erben handelt415. Die Auseinandersetzung können deshalb neben den Anteilseignern auch Gläubiger der Anteilseigner verlangen. Der Vermächtnisnehmer kann nach dem Grundsatz, dass seine Rechte nur soweit reichen sollen, wie unbedingt notwendig ist416, ein solches Recht nur geltend machen, wenn er ein Interesse an der Auseinandersetzung geltend machen kann. Dies ist gem. § 84 Abs. 4 SL der Fall, wenn ihm ein wesentlicher Teil des Nachlasses zusteht oder dessen Anspruch aus dem Nachlass nicht erfüllt wird. Gemäß § 60 SL kann das Recht auf Auseinandersetzung vom Erblasser testamentarisch ausgeschlossen oder gestaltet werden. Bindend ist dies weder für Pflichtteilsberechtigte noch für den überlebenden Ehegatten. 411 412

413 414 415 416

Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 65. Auch wenn im Rahmen der privaten Auseinandersetzung Uneinigkeit zwischen den Beteiligten besteht, kann jederzeit die öffentliche Auseinandersetzung verlangt werden. Vgl. Lødrup, Arverett, S. 293. Lødrup, aaO, S. 293. Lødrup, aaO, S. 293. Lødrup, Arverett, S. 294. Lødrup, Arverett, S. 287.

108

5.6.1. Überblick über die Verfahren Im Rahmen der privaten Auseinandersetzung erhält derjenige Erbe bzw. erhalten diejenigen Erben, die eine Haftungsübernahmeerklärung abgegeben haben, ein so genanntes „sikfteattest“417. Ähnlich wie der deutsche Erbschein legitimiert dieses Zeugnis das Erbrecht und eröffnet Zugang zu dem Vermögen des Erblassers bei Banken, gegenüber Ämtern etc. Gemäß § 82 SL „stehen“ diese haftungsübernehmenden Erben auch der Auseinandersetzung „vor“ und haben diese zu betreiben. Eine Abkehr vom gemeinschaftlichen Verfügungsrecht ist damit nicht verbunden. Die öffentliche Auseinandersetzung wird durch das Gericht erster Instanz (= tingsrätten) meistens aufgrund eines entsprechenden Antrags eröffnet. Das Verfahren gliedert sich sodann in die Inbesitznahme und damit einhergehende Inventarisierung des Nachlasses, das zwingende Gläubigeraufgebotsverfahren sowie das Liquidationsverfahren. Bei Letzterem werden zunächst die Schulden des Erblassers beglichen, sodann die des Vermächtnisses erfüllt, bevor der Rest an die Erben ausverfolgt wird. Im Falle der Überschuldung wird nach Verwertung des Nachlasses eine quotale Befriedigung der Gläubiger herbeigeführt418.

5.6.2. Die Rechte des Ehegatten bei der Auseinandersetzung Unabhängig davon, ob ein sogenannter zusammengesetzter Nachlass (bei dem auch eine Güterauseinandersetzung durchzuführen ist) oder eine reine Nachlassauseinandersetzung vorliegt, stehen dem überlebenden Ehegatten im Rahmen der Auseinandersetzung und im Vergleich zu den übrigen Nachlassbeteiligten besondere Rechte zu. Wie bereits ausgeführt, kann der überlebende Ehegatte auch noch während des Auseinandersetzungsverfahrens verlangen, in der fortgesetzten Gütergemeinschaft zu verbleiben. Die Nachlassauseinandersetzung wird dann gem. § 32 SL eingestellt und der Nachlass zurückgewährt, soweit nicht noch Sonderbzw. Vorbehaltsgut auseinanderzusetzen ist. Bemerkenswert sind die verschiedenen, dem überlebenden Ehegatten zustehenden Aussonderungsrechte an einzelnen Nachlassgegenständen. Dies sind Gegenstände, die unter das eheliche Gesamtgut gefallen sind und die der überlebende Ehegatte ganz oder im wesentlichen Teil „eingebracht hat“. An der Im417

Übernehmen alle Erben übereinstimmend die Haftung wird dieser Erbschein umgehend ausgestellt. In allen übrigen Fällen wird der Erbschein erst nach Ablauf von 60 Tagen erstellt (§ 81 SL). Dies ermöglicht es allen Beteiligten, sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen. 418 Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 65, Rn. 341 ff..

109 mobilie oder der gemeinsam genutzten Wohnung, dem Hausrat sowie den zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenständen kann Aussonderung gem. § 63 SL begehrt werden. Übersteigen diese abgesonderten Gegenstände den dem Ehegatten zustehenden Wert, ist dieser verpflichtet, den nicht gedeckten Anteil zu Gunsten des Nachlasses wertmäßig auszugleichen. Dieses Recht geht auch anderen Aussonderungs- und Absonderungsrechten gem. 63 SL vor419. An Gegenständen, die dem Vorbehaltsgut zuzurechnen sind, kann ein solches Aussonderungsrecht nicht geltend gemacht werden, außer es liegen „besondere Gründe“ vor. Solche können sich beispielsweise aufgrund des jahrelangen Lebens in der Wohnung ergeben420. Dem Ehegatten steht gem. § 63 Abs. 5 SL für Gegenstände, die zum Gesamtgut gehört haben, ein Vorkaufsrecht gegenüber einem Dritten zu denselben Bedingungen zu. Vom Gesetz vorgesehen, aber in der Praxis wenig in Anspruch genommen, ist das Institut der beschleunigten Nachlassabwicklung gem. § 98 SL. Der überlebende Ehegatte hat für den Fall, dass er nicht von der fortgesetzten Gütergemeinschaft Gebrauch gemacht hat und keiner der Erben die vollständige öffentliche Auseinandersetzung verlangt hat, das Recht, selbst ein Inventar zu erstellen und nicht durch das Gericht erstellen zu lassen, um eine schnellere Auseinandersetzung herbeizuführen und eine Inbesitznahme durch das Nachlassgericht zu verhindern.

6. Zusammenfassung Die rechtliche Stellung des Ehegatten kann in Norwegen nicht pauschal bewertet werden. Grundsätzlich bietet das Ineinandergreifen von Erbrecht und „uskiftet bo“ einen wirksamen Schutz, um dem Ehegatten den Lebensstandard zu sichern. Dieser Schutz besteht aber nicht bei Patchworkkonstellationen oder gar beim Zusammentreffen von Patchworkkonstellation und Gütertrennung, zumal die Erbquote mit 1/3 im Vergleich zu den anderen Rechtsordnungen gering ist. Eine gewisse Absicherung bietet das Mindesterbe, welches dem Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge vorangeht. Der relativ hohe Betrag des Mindesterbes darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lebenshaltungskosten in Norwegen im Vergleich zu Zentraleuropa oder den skandinavischen Ländern sehr hoch sind. Durch das Zusammentreffen des Mindesterbes mit den güterrechtlichen Vorschriften wird der Ehegatte bei - aus norwegischer Sicht - geringeren Nachlässen

419 420

Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 67 mwN und Ausführungen hierzu. Vgl. hierzu Lødrup, Arverett, S. 337.

110 wie ein Alleinerbe gestellt. Das Erbrecht der Abkömmlinge tritt dann vollkommen zurück. Der Gattenteil muss sich nicht eigenes Vermögen anrechnen lassen. Bei hohen Nachlässen ist das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge nach oben „gedeckelt“. Dies führt bei hohen Nachlässen zu einer Stärkung der Stellung des Ehegatten. Bei kleinen Nachlässen wird der Ehegatte durch das Mindesterbe des Ehegatten, welches aus dem freien Drittel bedient wird, und dem Pflichtteil der Abkömmlinge vorgeht, gesichert. Hieraus wird die stärkere Stellung des Ehegatten deutlich. Bei kleinen Nachlässen wird es sich in der Regel nicht lohnen zu testieren, da der überlebende Ehegatte durch das Mindesterbe abgesichert ist. Ohnehin ist zu berücksichtigen, dass bei kleineren Nachlässen, die gerade das Mindesterbe und das Pflichtteilsrecht decken, überhaupt keine Testierbefugnis gegeben ist. Bei mittleren Nachlässen ist zu berücksichtigen, dass das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge sehr hoch ist und nach norwegischer Didaktik die Ehegatten in diesem Umfang überhaupt keine Testierungskompetenz haben. Bei höheren Nachlässen kann dem Ehegatten die betragsmäßige Begrenzung des Pflichtteilsrechts zu Gute kommen. Im Rahmen der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann sich diese bei entsprechender Vereinbarung der Ehegatten sogar auf das Vorbehaltsgut erstrecken. Hierdurch wie auch durch die umfangreichen gütervertraglichen Möglichkeiten kann im Todesfall erhebliches Vermögen dem „Nachlass“ entzogen werden. In Patchworkkonstellationen, bei normalen oder durchschnittlichen Nachlässen enthält sich das Gesetz einer Regelung. Der Ehegatte kann ohne die Zustimmung der Stiefkinder nicht in der fortgesetzten Gütergemeinschaft verbleiben und wird auf sein gesetzliches Erbrecht verwiesen. Es ist dann zumindest in Bezug auf den Anteil des Stiefkindes der Nachlass zwingend auseinanderzusetzen. Den Ehegatten steht in diesem Fall die Möglichkeit zu, durch güterrechtliche Vereinbarungen auf den Nachlass und dessen Zusammensetzung, flankierend zu Verfügungen von Todes wegen, Einfluss zu nehmen. Zusammenfassend ist die Absicherung und Stellung des Ehegatten vom Nachlassumfang und den familiären Verhältnissen abhängig. Gegebenenfalls müssen die Ehegatten von sich aus bei Problemkonstellationen tätig werden. Im Rahmen der Auseinandersetzung werden dem Ehegatten viele Aus- und Absonderungs- bzw. Übernahmerechte eingeräumt und bevorzugen ihn im Vergleich zu Abkömmlingen.

111

6. Kapitel: Das dänische Ehegattenerbrecht 1. Einführung Das dänische Erbrecht hat seit Ende des 19. Jahrhundert umfangreiche Entwicklungen erfahren, die nach Ansicht des Gesetzgebers auf tiefgreifenden, gesellschaftlichen Entwicklungen und Änderungen fußen421. Diese hat der dänische Gesetzgeber, beispielsweise durch eine Auswertung statistischer Daten, analysiert und die Erkenntnisse in der Gesetzgebung zuletzt im Rahmen der Reform aus dem Jahr 2008 berücksichtigt. Interessant hierbei ist, dass die Reformbestrebungen eine sukzessive Ausweitung und Stärkung der Rechte der Ehegatten zum Gegenstand hatten. Unter Berücksichtigung des germanischen Ansatzes, dass dem Ehegatten eigentlich gar kein Erbrecht zukommt, ist diese Entwicklung bemerkenswert. Im Folgenden sollen sowohl die Reform als auch die Rechte des Ehegatten näher beleuchtet werden. In diesem Abschnitt soll deshalb verstärkt auch auf die Auslöser der Reformgesetzgebung sowie die Umsetzung der Regelungen eingegangen werden.

2. Rechtsgrundlagen und historische Rechtsentwicklung Das dänische Recht ist, wie auch die anderen nordischen Rechtsordnungen, durch eine weitestgehend eigenständige, historische und systematische Entwicklung und in letzter Zeit durch die gemeinsame Zusammenarbeit der nordischen Länder auf dem Gebiet der Gesetzgebung geprägt. Bei aller Selbstständigkeit wurden Einflüsse aus anderen Rechtsordnungen aufgenommen und eingefügt.

2.1. Die Rechtsgrundlagen und die dänische Rechtsordnung Das dänische Recht ist nicht in einer Kodifikation, vergleichbar dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, normiert. Die Rechtsgrundlagen werden - wie in den untersuchten nordischen Rechtsordnungen üblich - vielen einzelnen 421

Vgl. die Ausführungen unter Punkt 3.) dieses Kapitels und den dortigen Nachweisen.

112 Gesetzen entnommen, teilweise wird auf die Rechtsprechung zurückgegriffen. Demzufolge sind auch die Normen, die dem dänischen Erbrecht zuzuordnen sind, auf mehrere Einzelgesetze verteilt. Die materiellen Normen sind vorwiegend in dem Erbgesetz (lov om arv, Nr. 515 vom 06.06.2007), im Folgenden „arveloven“ oder „AL“, kodifiziert. Gerade im Bereich des Erbrechtes wirken auch familienrechtliche Normen entscheidend ein. Beispielhaft seien noch die folgenden Gesetze genannt, die ebenfalls im Erbfall relevante Regelungen enthalten: ægteskabsloven (Ehegesetz), børneloven (Kindschaftsgesetz), myndighetsloven (Vormundschaftsgesetz), fællesboskifteloven (Gütergemeinschaftsgesetz) und konkursloven (Konkursgesetz). Die verfahrensrechtlichen Normen sind vornehmlich in dem Nachlassauseinandersetzungsgesetz (im Folgenden „dødsboskifteloven“ oder „DSKL“) geregelt.

2.2. Die Geschichte des dänischen Ehegattenerbrechtes Primär war das dänische Erbrecht germanisch geprägt. Die erbrechtlichen Regelungen waren mit der Sippengemeinschaft und deren Vermögens- sowie Besitzverhältnissen verbunden. Innerhalb dieser Sippengemeinschaft gab es jeweils Regelungen, die über die Zeit weitergegeben wurden und die die Nachfolge ordneten. Meistens stellte sich die Frage der Nachfolge nicht, da die Sippe gemeinschaftlich über das gemeinsame Vermögen verfügte und oftmals nur das persönliche Eigentum dem Verstorbenen mit in das Grab gelegt wurde. Aus dem Ansatz der Familiengebundenheit folgte, dass testamentarische Verfügungen dem germanischen Recht fremd waren422. In der älteren germanischen Rechtstheorie ist die Auffassung vorherrschend, dass während des frühen Mittelalters die Verwandtschaft nach dem Parentelsystem bestimmt wurde. In der jüngeren Rechtstheorie wurde bei der Bestimmung des Verwandtschaftsbegriffes eher auf Verwandtschaftskreise konzentrischer Art abgestellt. Nach einer engeren Auffassung fallen hierunter nur Vater, Mutter, Abkömmlinge, Geschwister und eventuell noch Neffen und Nichten423, nicht jedoch der Ehegatte. Ein Repräsentationsrecht für Enkel wurde zu Beginn des 10. Jahrhunderts erwähnt und anerkannt. Es erfolgte zu dieser Zeit eine Einteilung der Verwandt-

422 423

Agell, Testamentsrätt, S. 17. Dübeck, Kvinder, Familie og Formue, S. 94 unter Hinweis auf Claudius von Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte, 123-124.

113 schaft in Stämme. Die Parentelordnung breitete sich im Laufe des Mittelalters aus424. Mit teilweiser Rezeption des römischen Rechts, insbesondere der Novelle 118 von Justitian, erfolgte die Einteilung der Erbfolge in Partentel- und Gradualsystem. Der Rezeption des römischen Rechts folgte auch die Abkehr von dem auf langobardisches Recht zurückgehenden rein männlichen Erbrecht in Dänemark425. Obwohl sich in den älteren dänischen Landschaftsrechten keine ausdrückliche Regelung zum männlichen Erbrecht findet, ist nach Ansicht von Gelting426 anzunehmen, dass das dänische Recht hier auf die überbrachten Eigentumsregelungen des älteren norwegischen und schwedischen Rechts zurückgegriffen hat. Hier galt das Gradualprinzip in rein männlicher Linie. Frauen konnten nur erben, sofern keine männlichen Abkömmlinge vorhanden waren. Frauen wurde die Mitgift zuerkannt, die nach Ansicht von Gelting eine “Antizipation des Erbes weiblicher Abkömmlinge“ darstellt427. Auf dem heutigen Gebiet Dänemarks galten im Mittelalter die Landschaftsrechte Sjællands und Jütlands. Diese sahen im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge die Beerbung durch die Abkömmlinge vor. Waren keine Abkömmlinge am Leben, erbten Vater und Mutter. Formell war allerdings die Mutter, solange der Vater am Leben war, nach jütländischem Recht ausgeschlossen. Nach sjælländischem Recht erbten beide Eltern in Konkurrenz mit den Geschwistern des Erblassers. Verstarb ein Ehegatte, wurde die Frau von dem Mann alleine beerbt, gab es gemeinsame Abkömmlinge, dann erbte der Mann alles als so genanntes „myndelod“. Nicht hingegen beerbte die Frau den Mann, auch dann nicht, wenn gemeinsame Abkömmlinge vorhanden waren428. Sowohl die alten Landschaftsgesetze als auch die jüngeren Gesetze unterscheiden demnach, ob es Abkömmlinge gibt und inwieweit diese gemeinschaftlich sind oder nicht. Sowohl in der Strafgesetzgebung als auch im Erbrecht ist das sogenannte „hovedlodden“ die Grenze der Verfügungsbefugnis gewesen. Die frühesten Regelungen hierzu stammen aus der dänischen Landschaftskirchengesetzgebung des 12. Jahrhunderts. Demnach durfte der Erblasser nicht mehr als ein halbes „hovedlodd“ am Sterbebett der Kirche geben. Diese Grenze wurde sodann in den jüngeren Landschaftsgesetzen für Schenkungen von Todes wegen und testamentarischen Bestimmungen übernommen und stellt den Beginn des so ge424 425 426 427 428

Dübeck, aaO, S. 95. Dübeck, aaO, S. 95. Gelting, Odelsrett-lovbydelse-bördsrätt, 140, Dübeck, aaO, S. 97. Dübeck aaO, S. 97. Dübeck aaO, S.110 ff..

114 nannten Zwangserbes dar. Erst in dieser Zeit, auch durch den wachsenden Einfluss der katholischen Kirche, die die so genannten Seelgeräte entgegennahm und im Gegenzug dem Erblasser Seelenheil im Jenseits in Aussicht stellte, wurde das römische Testamentsrecht immer mehr adaptiert und konnte auch in Dänemark Fuß fassen429. Das älteste bekannte dänische Testament stammt aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, nachdem die älteren dänischen Landgesetze die Möglichkeit der Testierung weder voraussetzten noch regelten. Erstmals das jütländische Gesetz aus dem Jahr 1241 adaptierte das Testamentsrecht430. Zunächst dürfte der Erblasser aber nur zugunsten der Kirche oder anderer frommer Zwecke testieren. Dieses Recht wurde sodann Schritt für Schritt ausgeweitet, jedoch konnte der Erblasser nur über einen bestimmten Teil testieren, der andere war den gesetzlichen Erben im Sinne eines „Zwangserbes“ vorbehalten431. Das so genannte „huvudlottsystem“ bzw. hoveloddsystem“ baute auf der im kanonischen Recht verankerten Vorstellung auf, dass der Erblasser zusätzlich zu seinen Abkömmlingen einen weiteren Kopfteil - oder hier einen hälftigen - für Christus hinzurechnen konnte. Über diesen Kopfteil dürfte der Erblasser sodann letztwillig verfügen432. In die Zeit der Landschaftsgesetze fällt auch der Beginn der Rechtsfigur der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Unter den dänischen Landschaftsgesetzen kannte man eine Rechtsfigur, die der heutigen Rechtsfigur des „uskifte bo“ sehr ähnlich war. Demnach hatte die überlebende Mutter das Recht, die Gütergemeinschaft „felaget“ mit den Kindern fortzusetzen, ohne das Erbe der Kinder festzusetzen bzw. auszubezahlen. Dieses Rechtsinstitut wurde zunächst im Jahr 1547 im Zuge der neueren Rechtssetzung und Rechtspraxis abgeschafft. Um das Jahr 1700 stellte sich ein Gewohnheitsrecht dahingehend ein, wonach der überlebende Ehegatte auf Antrag bewilligt bekommen konnte die Gütergemeinschaft fortzuführen. 433 Im Danske Lov (DL) vom 15.04.1683 sah das gesetzliche Erbrecht bis zu acht Erbklassen vor und beinhaltete unter anderem auch für Abkömmlinge der Großeltern ein gesetzliches Erbrecht. Wie im nordischen Erbrecht damals - jedenfalls im Bereich der Landgesetzgebung - üblich434, erbten Frauen nur halb so viel wie Männer. Dies folgte aus DL 5-2-29435. 429 430 431 432 433 434

Nørgaard, Arveret, S. 30 f. Nørgaard, aaO, S. 31. Nørgaard, aaO, S. 31. Agell, Testamentsrätt, S. 17. Hambro, Arveplanlegging og avtalt uskifte, S. 30. Vgl. hierzu das schwedische Recht. Dieses unterschied lange zwischen dem Land- und dem Stadtrecht. Nach dem Stadtrecht erbten Frauen und Männer gleich viel. Nachdem

115 Nach dem Danske Lov konnte dem überlebenden Ehegatten ebenfalls ein Anteil am Nachlass des Erstverstorbenen im Sinne einer Mindestbeteiligung zustehen, wenn gemeinsame Kinder vorhanden waren und keine neue Ehe eingegangen wurde. Die Einordnung dieses Anteils ist innerhalb der Literatur umstritten. Nørregaard stuft diesen Anteil als gesetzliches Erbrecht ein436, demgegenüber stuft Dübeck dieses Recht als güterrechtliche Auseinandersetzungsregelung ein.437 Waren keine gemeinsamen Abkömmlinge vorhanden, dann bekam der Ehegatte hiernach nichts. In DL 5-4 wurde geregelt, dass für den Fall, dass Abkömmlinge vorhanden waren, über einen Halbteil testamentarisch verfügt werden konnte; aber nur zugunsten der Kirche, der Armen oder der Schule. Waren keine Abkömmlinge vorhanden, konnte hingegen frei testiert werden. 1842 wurde schließlich auf Anregung u.a. der Viborg Ständeversammlung von Ørsted, in Anlehnung an das Österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, eine neue Erbregelung ausgearbeitet. Diese wurde mit teilweisen Änderungen mit Datum vom 21.05.1845 als „arveforordningen af 21. Maj 1845“ von der Ständeversammlung beschlossen438. Dieses sah ein gesetzliches Ehegattenerbrecht in Höhe von 1/4 vor. Dieses Landschaftsrecht wiederum ging als Hauptgrundlage in die Gesetzgebung des nationalen dänischen Erbgesetzes von 1964 ein. Im Jahr 1910 wurde von den nordischen Ländern auch auf dem Gebiet des Familien- und Erbrechtes die Zusammenarbeit bei der Gesetzgebung vorbereitet und die hier erarbeiten Ergebnisse flossen zum Teil in das Erbgesetz von 1964 ein. Bei Letzterem wurde die Ehegattenerbquote von 1/4 auf 1/3 erhöht.

3. Die Erbrechtsreform 2007/2008 Im Laufe der neueren Zeit wurde das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten auch in Dänemark öfters abgeändert. Zu Lasten der Abkömmlinge wurde im Laufe der Zeit das Ehegattenerbrecht insgesamt immer mehr ausgeweitet.

435 436 437 438

Landslag erbten Frauen nur einen Bruchteil, meistens die Hälfte des einem Mann zustehenden Anteils. Dübeck, aaO, S. 244. Dübeck, aaO, S. 244, 254 unter Hinweis auf Nørregaard, Naturrettens første Grunde, S. 214 – 218. Dübeck, aaO, S. 244, 254. Nørgaard, aaO, S. 31.

116 Basis des bislang geltenden Erbrechtes war das Erbgesetz von 1964, welches in Randbereichen im Laufe der Zeit abgeändert wurde. Speziell erfuhr das Gesetz eine Anpassung im Bereich des Erbrechtes eines Adoptionskindes. Ungefähr zeitgleich mit den Bestrebungen Ende der 90er-Jahre, die internordische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Erbrechts wieder aufzunehmen, wurde in Dänemark im Jahr 2000 eine Kommission mit dem Auftrag, das Erbrecht zu überarbeiten, eingesetzt. Der Auftrag lautete, den Bedarf an eine Gesetzesreform im Lichte moderner und seit 1963 neu entstandener Familienformen zu ermitteln. Hierbei sollten auch die Wunschvorstellungen der Bevölkerung im Rahmen derzeitiger Familienformen berücksichtigt werden439. Als Basis dienten insbesondere die vom Justizministerium im Jahr 1988 repräsentativ durchgeführte Untersuchungen von notariell errichteten Testamenten sowie Stichproben, die in der Zuständigkeit des Kopenhagener Amtsgerichtes aus dem Jahr 1999 gemacht worden waren. Ergebnis dieser Erhebungen war, dass die Testamentserrichtung weitestgehend unabhängig von den Familienmustern stets die Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten zum Gegenstand hatte440. Darüber hinaus sah man im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern und aufgrund der Hinweise aus der Praxis einen Bedarf dafür, das Erbgesetz insgesamt einer Überarbeitung zu unterziehen441, zumal die Familienformen der Großfamilien und des Sippenverbandes gerade im letzten Jahrhundert immer mehr zurückgegangen sind442 und im heutigen Dänemark die Generationen nicht unter einem Dach zusammenleben. Einhergehend mit den neuen Familienformen, namentlich der Patchwork Familie, leben unter einem „dänischen“ Dach nach Ansicht des Gesetzgebers unter Umständen mehrere Familienstämme 443. Die Ergebnisse dieser Kommission sind auf über 700 Seiten in der Publikation Betænkning af Revision af Arvelovgivningen Nr. 1473 aus dem Jahr 2006444 zusammengefasst. Dort werden unter anderem eine Erhöhung der 439 440

441 442 443 444

Bet. 2006/1473 S. 59. Über 75% der von Ehegatten mit gemeinsamen Abkömmlingen gemeinschaftlich errichteten Testamente enthielten Bestimmungen, die dem überlebenden Ehegatten bei der Auseinandersetzung einen erhöhten Erbteil zukommen lassen wollten. Wobei diese Anzahl sicherlich auch seinen Grund darin hat, dass die Gesetzes-änderungen, die eine Gütertrennung möglich gemacht haben, einen Bedarf an komplizierteren Regelungen nach sich gezogen haben (vgl. hierzu Finn Taksøe-Jansen, Redegørelse, S. 3 mit weiteren Nachweisen) . Taksøe-Jansen, Redegørelse, S. 3 ff.. Taksøe-Jansen, Redegørelse, S. 6. Taksøe-Jansen, Redegørelse, S. 7. Bet. 2006/1473 S. 1ff..

117 Erbquote, eine Stärkung der Stellung des überlebenden Ehegatten, eine Neuregelung des Pflichtteilsrechts, erbrechtliche Regelungen für bestimmte Gruppen unverheirateter Zusammenlebender und neue Bestimmungen zur Testamentserrichtung befürwortet445. Wurde die gesetzliche Erbquote des Ehegatten mit dem Erbgesetz aus dem Jahr 1963 von 1/4 auf 1/3 heraufgesetzt, so wurde im Zuge der Reformen 2007/2008 die Erbquote beispielsweise auf 1/2 erhöht und die Pflichtteilsansprüche von der Hälfte des gesetzlichen Erbrechts auf ein Viertel heruntergesetzt. Daneben wurden jedoch auch andere Änderungen, die die Stellung des überlebenden Ehegatten betreffen und stärken, eingeführt. Zur Begründung der Erhöhung der Erbquote bezieht sich das Justizministerium auf Untersuchungen aus dem Jahr 1961 und stellt lapidar fest, dass sich diese Umstände heutzutage noch verstärkt haben446. Hauptargument der Vorarbeiten zu der Gesetzgebung von 1963 war, dass die erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten gestärkt werden sollte, da der überlebende Ehegatte mit dem Erblasser eine Lebensgemeinschaft gebildet hatte und dies eine begünstigte erbrechtliche Stellung des Ehegatten rechtfertigt447. Dies stellt damit auch den Ausgangspunkt und die Begründung der aktuellen Reformen dar448. Aber auch diese Gesetzesänderungen von 1963 gingen schon auf Diskussionsansätze der 50er Jahren zurück. Insbesondere seien hier die Treffen der nordischen Juristen, insbesondere das 21. aus dem Jahr 1956, genannt. Walin führt in seinem Vortrag aus dem Jahr 1956 anlässlich des 21. nordischen Juristentreffens449 aus, dass der Schutz des überlebenden Ehegatten nicht nur aus der Tatsache folgt, dass es sich bei der Ehe um ein heiliges Sakrament handle, sondern auch aus der Tatsache, dass es sich bei der Ehe um das stärkste Band handelte, welches zwischen Menschen geknüpft werden könne. Die Zusammengehörigkeit, die hierdurch gegründet wird, umfasst die meisten der Lebensinteressen der Ehegatten und im besten Fall wird das Zusammengehörigkeitsgefühl während der Ehe noch weiter vertieft und aus der gegenseitigen Verbundenheit folgt eine selbstverständliche gegenseitige Sorge. 450 Allgemein ist im Vorwort der Gesetzesvorlage des Justizministeriums zur aktuellen Reform zu lesen, dass eine Reform notwendig sei, da sich seit der letzten grundlegenden Überarbeitung im Jahr 1963 tiefgreifende Änderungen in der 445 446 447 448 449 450

Feldthusen & Nielsen, Arveretten, S. 18 u. 19. Bet. 2006/1473 S. 59. Bet. 1961/291, S. 40. Axelsson, Juristen Nr. 1/2008, S. 24. Schwedisch: 21. Nordiska Juristmötet. Walin, efterlevandes makes rättställning, S. 11.

118 Familiensituation vollzogen haben. Insbesondere sei es zwischenzeitlich akzeptiert, dass in die Familien Kinder aus verschiedenen Verhältnissen eingebracht würden, sowie dass nichteheliche Lebensgemeinschaften weithin akzeptiert seien und einen großen Anteil der Beziehungen in Dänemark ausmachten451. Die geänderte familiäre Situation führe dazu, dass der überlebende Ehegatte fast gar nicht mehr in der fortgesetzten Gütergemeinschaft, wie dies eigentlich vom Gesetz als Regelfall ausgestattet ist, verbleiben bzw. hierzu Vorsorge treffen könne452.

4. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht Folgend soll ein Überblick über die Rechte und damit die Stellung des Ehegatten innerhalb des dänischen Erbrechtes gegeben werden. Auch das dänische Recht zeichnet sich dadurch aus, dass dem Ehegatten nicht nur Rechte, die dem erbrechtlichen Bereich zuzuordnen sind, zukommen, sondern der Ehegatte auch von umfangreichen güterrechtlichen Vorzügen profitieren kann. Neben dem gesetzlichen Erbrecht stehen dem überlebenden Ehegatten unter anderem Pflichtteilsansprüche, Vorschussrechte, Ergänzungs- und Übernahmeansprüche sowie teilweise Rechte zu, die einer Singularsukzession nahe kommen.

4.1. Überblick über die gesetzliche Erbfolge Grundsätzlich richtet sich auch das dänisches Erbrecht hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge nach dem Parentel-, Stammes-, Linien-, Repräsentations- und Eintrittsrecht. Erben erster Klasse sind die Abkömmlinge des Erblassers (=livsarvinger, børn, børnebørn, oldebørn m.v.). Erben zweiter Klasse sind die Eltern des Erblassers bzw. deren Abkömmlinge (forældrelinjen), Erben dritter Klasse sind die Großeltern zu je gleichen Teilen bezüglich der väterlichen und mütterlichen Linie sowie deren Kinder (bedsteforældrelinjen). Übrige Abkömmlinge erben seit der Erbrechtsreform nicht mehr453. Das sogenannte Cousinenund Cousinerbrecht wurde, wie in anderen skandinavischen Ländern auch, durch die Reformgesetzgebung 2008 abgeschafft. Hat der Erblasser in diesem Fall kein Testament errichtet, erbt der Staat454.

451 452 453 454

Bet. 2006/1473, S. 13f. Bet. 2006/1473, S. 13f. Werlauff, Arv og Skifte, S. 21. Werlauff, aaO, S. 21.

119

4.2. Die Rechte des Ehegatten im Erbrecht Die Erbquote des überlebenden Ehegatten hängt davon ab, inwieweit der Verstorbene Abkömmlinge hinterlassen hat. Hinterlässt der Verstorbene Abkömmlinge, wobei es unerheblich ist, ob diese ehelich oder unehelich sind, dann erbt der überlebende Ehegatte 1/2 gem. §8 Abs. 1 AL. Die Quote wurde, wie bereits erwähnt, durch die Reformgesetzgebung 2007/2008 erhöht, da es nach Meinung des Gesetzgebers das typische Interesse der Ehegatten ist, ihren bisherigen Lebensstandard fortzuführen455. Dieser mutmaßliche Wille der durchschnittlichen Ehegatten soll auch ohne Errichtung eines Testaments verwirklicht werden können456. Hinterlässt der Verstorbene keine Abkömmlinge, erbt der längerlebende Ehegatte den gesamten Nachlass gem. § 9 Abs. 2 AL. Versterben beide Ehegatten gleichzeitig, beerben sie sich gem. § 94 Abs. 2 AL von Gesetzes wegen nicht457. Der Nachlass fällt dann separat an die jeweiligen Abkömmlinge.

4.2.1. Der Begriff des Ehegatten Mit Eheschluss „erwerben“ die Ehegatten jeweils nach dem Tode des anderen Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht. Gem. AL § 49 fällt dieses weg, wenn die Ehegatten sich trennen oder die Ehe geschieden wird. Dasselbe gilt auch hinsichtlich des Rechtes auf die Fortsetzung der Gütergemeinschaft oder „uskifte bo“. Auf letzteres wird nachfolgend noch einzugehen sein. Bei der Frage, inwieweit noch ein Erbrecht besteht, ist alleine auf die Verkündung des Urteils, nicht jedoch auf die Rechtskraft des Urteils abzustellen458. Heben die Ehegatten im Vorfeld einer Trennung die eheliche Gemeinschaft auf, hat dies keinen Einfluss auf das Erbrecht, auch nicht wenn das Scheidungsverfahren bereits eingeleitet worden ist459. In Abweichung hiervon erbt gem. § 49 Abs. 2 AL derjenige Ehegatte nicht, dessen Ehe annullierbar ist.

455 456 457

Karnov, Lovsamling, Lov 2007-0606, Nr. 515, S. 8. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 19. Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit ein gleichzeitiges Versterben vorliegt, gelten die allgemeinen Beweisregelungen. Ein gleichzeitiges Versterben liegt dann nicht vor, wenn nur ein minimaler Zeitabstand nachgewiesen werden kann (vgl. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 180). 458 Bormann u.a., Arveloven § 49, S. 274. 459 Bormann u.a., aaO § 49, S. 274.

120 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften können sich seit dem 01.10.1989 registrieren lassen460. Gem. § 3 Lov Nr. 372 af 07.06.1989 hat die Registrierung einer Partnerschaft dieselben Rechtswirkungen wie eine Ehe. Bis ins Jahr 2009 waren hiervon die Regelungen des Adoptionsgesetzes ausgenommen. Dies bedeutet, dass registrierte Partner nunmehr wie Ehegatten im Güterstands- und Erbrecht zu behandeln sind und dieselben Rechte und Pflichten wie Ehegatten haben. Im Folgenden wird deshalb aus Vereinfachungsgründen nur von den Ehegatten gesprochen. Hierunter fallen jedoch auch registrierte Partner.

4.2.2. Der Nachlass eines Ehegatten Um beurteilen zu können, welche Rechte dem Ehegatten im Erbfall zustehen, muss man sich näher mit den güterrechtlichen Regelungen des dänischen Erbrechtes auseinandersetzen, insbesondere ist es wichtig zu beurteilen, welches Vermögen eines Ehegatten überhaupt in den Nachlass fällt. 4.2.2.1. Güterstand Das dänische Güterrecht ist in drei verschiedenen Gesetzen geregelt, dem „retsvirkningsloven (RVL)“ in Form des „lovbekendtgørelse“ aus dem Jahr 1995 mit mehreren kleineren Änderungen dem „loven om ægtenskaps ingæelse og opløsning (ÆL)“ aus dem Jahr 1922 in Form der Änderungen, des Jahres 1969 sowie im „fællesboskifteloven (FSKL)“ aus dem Jahr 1986. Es ist festzuhalten, dass trotz massiver Bedenken und der Aufsplitterung der Gesetzesmaterie an der Einteilung seitens des Gesetzgebers festgehalten worden ist461. Die Gesetzeslage im Familienrecht und vor allem deren Systematik in Dänemark basiert folglich noch auf den Arbeiten aus dem Jahr 1910 zur Harmonisierung der Gesetzgebung im Bereich des Familienrechts462. Sofern nichts anderes vereinbart wird, gilt in Dänemark der allgemeine Güterstand der Gütergemeinschaft („fælleseje“), es können teilweise oder vollständig Bestimmungen zur Gütertrennung („særeje“) getroffen werden. Bereits das Dankse Lov aus dem Jahr 1683 sah als regulären Güterstand die Gütergemeinschaft zwischen den Ehegatten vor463. Lediglich die Frage der

460

Dänemark hat im Jahr 1989 als erstes Land gleichgeschlechtliche Beziehungen gesetzlich anerkannt hat. 461 Agell, Nordisk Äktenskapsrätt, S. 103. 462 Agell, Nordisk Äktenskapsrätt, S. 104. 463 Pedersen & Pedersen, Familie- og Arverett, S. 19.

121 Vermögensverfügungsbefugnis hat sich in letzter Zeit zugunsten einer Gleichberechtigung von einer patriarchalisch geprägten Sichtweise weg geändert.464 Bei der Gütergemeinschaft in Dänemark wird sowohl bei Eintritt in die Ehe vorhandenes, als auch während der Ehe erworbenes Vermögen in der Regel Gesamtgut, sogenanntes „fælleseje“. Die Beurteilung, ob Vermögen Gesamtgut ist, ist, wie auch in Norwegen, unabhängig von der Frage, wer Eigentümer des Vermögens und wer darüber verfügungsbefugt ist. Es handelt sich nur um einen Anspruch auf einen Anteil am Vermögen des jeweiligen anderen465. Die Frage, ob Gesamtgut oder Vorbehaltsgut vorliegt, bestimmt sich zunächst nach dem Grundsatz, dass alles, was den Ehegatten bei Eingehung der Ehe gehört und was diese später erwerben, Gesamtgut wird (§ 15 Abs. 1 ÆL). Durch Ehepakt und Testament können die Ehegatten hiervon abweichen. Daneben können sich Abweichungen aufgrund von Bestimmungen Dritter, beispielsweise bei Lebensversicherungen, Schenkungen oder testamentarischen Verfügungen, ergeben466. Die eigentlichen Wirkungen der Gütergemeinschaft zeigen sich erst bei Beendigung der Gütergemeinschaft, da beiden Ehegatten ein Hälfteteil aus dem Gesamtgut, nämlich der sogenannte „boslod“ zusteht. Bis dahin können beide Ehegatten Eigentum erwerben und auch über das Gesamtgut verfügen. Zu beachten ist, dass auch bereits vor der Ehe erworbenes Eigentum zu Gesamtgut wird, sofern dieses nicht explizit zu Vorbehaltsgut erklärt wird. Auch Schenkungen und Erwerbe von Todes wegen werden Gesamtgut, sofern der Schenker bzw. Erblasser diese nicht mit der Bestimmung versieht, dass die Begünstigung Vorbehaltsgut sein soll. In der dänischen Praxis werden deshalb sowohl Testamente aber auch sogenannte Schenkungsbriefe mit entsprechenden Bestimmungen versehen467. Die Ehegatten haben die Möglichkeit, ihre Vermögensverhältnisse auch anders zu regeln, beispielsweise durch einen Ehepakt. Hierdurch kann ein Teil 464

Pedersen & Pedersen, aaO, S. 19; Erst seit dem Jahr 1880 bestand die Möglichkeit für die Frau, über bestimmte Gegenstände, die aus ihrem Erwerb resultieren, zu verfügen. Die Möglichkeit, Verträge einzugehen hatte die Ehefrau allerdings nicht. Dieses Recht kam erst 1899 hinzu, als die Frau auch für geschäftsfähig erklärt wurde. Über Gegenstände, die unter die Gütergemeinschaft fielen, konnte eine Frau jedoch dann immer noch nicht verfügen. Noch zu diesem Zeitpunkt war der Mann ökonomisch überlegen. Die Gleichstellung erfolgte erst im Jahr 1925. 465 Viggo/Pedersen, Familie og arveret, S. 25. 466 Viggo/Pedersen, aaO, S. 25ff.. 467 Pedersen & Pedersen, aaO, S. 26ff..

122 bzw. das gesamte Vermögen zum Vorbehaltsgut erklärt werden. Dieses Vermögen ist im Falle einer Beendigung der Ehe nicht zum Ausgleich zu bringen. Das dänische Recht kennt, wie das norwegische Recht auch, Kombinationsmöglichkeiten der Güterstände. Begrifflich wird von der so genannten „kombinationssærreje“468 gesprochen. In § 28 Abs. 1 ÆL ist hierzu explizit geregelt, dass die Ehegatten bestimmen können, dass jeder Ehegatte im Falle einer Trennung oder Scheidung behält, was ihm gehört, im Todesfalle jedoch Gütergemeinschaft gelten soll 469. Dies kann noch ergänzt werden um eine Vereinbarung, wonach Vorbehaltsgut des einen Ehegatten auch nur dem anderen Ehegatten bzw. den Abkömmlingen zukommen soll470 471. Seit der so genannten „særejereform“472 aus dem Jahr 2007 kann vereinbart werden, dass einzelne Teile des Vermögens für den Fall des Versterbens nur eines Ehegatten zu Gesamtgut erklärt werden, während gleichzeitig mit dem Tode des Erstversterbenden sämtliches Vermögen des überlebenden Ehegatten zu Vorbehaltsgut umqualifiziert wird. Neben der Vereinbarung von unterschiedlichen Güterständen je nach Grund der Auflösung der Ehe kann auch Eigentum „umgewidmet“ werden. Dies geht aus § 28 Abs. 2 ÆL hervor473. Dies kann zur Folge haben, dass nur ein minimaler Anteil des ursprünglich gemeinschaftlichen Gutes in den Nachlass fällt. Flankierend mit einem Testament und unter Berücksichtigung von Lebens- und Pensionsversicherungen kann so die maximale Absicherung des überlebenden Ehegatten zu Lasten der Abkömmlinge erreicht werden. 4.2.2.2. Auseinandersetzung des Güterstandes Mit dem Tode eines Ehegatten endet der Güterstand von Gesetzes wegen. Es ist deshalb im Todesfall nicht nur der Nachlass auseinanderzusetzen, sondern auch eine Auseinandersetzung des Güterstandes vorzunehmen, sofern eine solche nicht aufgrund der Vereinbarung einer reinen Gütertrennung entfällt. Die Regelungen hierzu finden sich in Kapitel 2 und 3 a des arveloven.

468 469 470 471

472 473

Frei übersetzt: „kombinierte Gütertrennung“ im Sinne von „modifizierter Gütertrennung“. Sogenannte „skilsmissesæreje“ oder frei übersetzt „Gütertrennung bei Scheidung“. Sogenannte „fuldstændigt særeje“ oder „vollständige Gütertrennung“. Das Gegenteil Gütertrennung im Todesfalle und Gütergemeinschaft bei Scheidung kann nicht vereinbart werden; dies geht aus der Gesetzesformulierung hervor (siehe Viggo/Pedersen, S. 24 m.w.N). Frei übersetzt: „Gütertrennungsreform“. Nørgaard, aaO, S. 53.

123 Im Falle der güterrechtlichen Auseinandersetzung werden die dem Gesamtgut unterfallenden Aktiva sowie Passiva der beiden Gatten aufgelistet und bewertet. Jeder Ehegatte bzw. dessen Rechtsnachfolger hat zu Gunsten des anderen Ehegatten einen Halbteil seines Gesamtgutes aufzugeben und erhält dafür von dem anderen einen Halbteil dazu474. Dies führt zu einer Halbteilung des Vermögens. Das Vorbehaltsgut bleibt außen vor. Es kommt sodann zu einer Verteilung des Gesamtgutes, die dem quantitativen Verhältnis entspricht, sofern es nicht zu einer Anpassung der Halbteilungsregelungen gem. § 69 ÆL, beispielsweise aufgrund einer besonders kurzen, unter 5 Jahre dauernden Ehe, kommt. Eine weitere Justierungsregelung stellt der sogenannte „vederlagskrav“ gem. § 23 ÆL dar. Hierauf wird später noch genauer einzugehen sein. Bei der qualitativen Verteilung der Güter gilt der Grundsatz, dass jeder Ehegatte sein Eigentum bis zur Höhe seines eigenen Anspruchs entnehmen kann (§ 70 a ÆL). Handelt es sich um Gemeinschaftseigentum bzw. können die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt werden und ist eine einvernehmliche Regelung nicht möglich, entscheidet das Los. Notfalls muss ein Ehegatte dem anderen Ehegatten, sofern der beanspruchte Anteil höher zu bewerten ist, als der eigene Anspruch, Geldersatz leisten. Diese Regelungen können noch aus persönlichen Gründen zu einer Anpassung führen. Auf den Todestag wird zwar die Auseinandersetzung abgeleitet. Maßgebend bis dahin ist jedoch der Auseinandersetzungsstichtag. Dieser liegt zeitlich nach dem Todestag und berücksichtigt auch noch aufgelaufene und von beiden Parteien einzustellende Zu- und Abgänge475. § 46 ÆL sieht eine Billigkeitsanpassung vor, wenn das Vermögen durch die Scheidung unangemessen verringert wird. Diese Norm findet im Erbfall allerdings keine Anwendung. In diesem Fall erfolgt eine Justierung über § 36 des Vertragsgesetzes476. 4.2.2.3. Güterrechtliche Ergänzungsansprüche Während die Ehegatten in ihrer Verfügungsbefugnis über das Vorbehaltsgut weitestgehend frei sind, soweit die gegenseitigen Unterhalts- und 474 475 476

Viggo/Pedersen, aaO, S75. Viggo/Pedersen, aaO, S. 91ff.. Nielsen/Rasmussen, Familieretten, S. 172.

124 Fürsorgeleistungen nicht gefährdet werden, sind diese über Gegenstände, die zum Gesamtgut gezählt werden, in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt 477. Hat ein Ehegatte einseitig Dispositionen zu Lasten des Gesamtgutes vorgenommen, zu denen er im Innenverhältnis oder von Gesetzes wegen nicht berechtigt war, gegen die wirtschaftliche Vernunft gehandelt oder sogar missbräuchliche Dispositionen getroffen, so kann der andere Ehegatte einen Ausgleich des Wertes dieser Verwendungen aus dem Vorbehaltsguts des verstorbenen Ehegatten fordern478. Es handelt sich hier um den so genannten „vederlagskrav“, einen Ersatzanspruch der gem.§ 23 ÆL bei der Auseinandersetzung des Güterstandes zu berücksichtigen ist479. Dogmatisch handelt es sich wohl um eine als Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen einordenbare Einwendung. Der Erstattungsanspruch führt im Rahmen der Verteilung unmittelbar zu einer Kürzung des Anspruchs auf den Anteil des Gesamtgutes, soweit der Anteil am Gesamtgut deckend ist. Ein Erstattungsanspruch steht immer dann im Raum, wenn es aufgrund einer Überschreitung der Verfügungsbefugnis zu Schäden bzw. Nachteilen kommt 480. Dasselbe gilt dem Grunde nach auch für Verfügungen oder Verwendungen eines Ehegatten zu Lasten des Gesamtgutes um sein Vorbehaltsgut zu unterstützen bzw. zu fördern. Derjenige Ehegatte, der zur Unterhaltung des Gesamtgutes, Dispositionen aus seinem Vorbehaltsgut gemacht hat, hat ebenfalls Ausgleichsansprüche. Diese Ansprüche gem. § 23 ÆL können sowohl der überlebende Ehegatte als auch die Erben nach dem Tod des ersten Ehegatten geltend machen.

4.2.3. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten Nicht nur die Verwandten, sondern auch der Ehegatte gehören systematisch zu den gesetzlichen Erben. Die Erhöhung des Erbrechtes des überlebenden Ehegatten auf 1/2 hat zur Folge, dass der Ehegatte bei dem Vorhandensein nur eines Erben 1. Klasse nicht weniger erbt als dieser. 477 478 479

Viggo/Pedersen, aaO, S. 40. Viggo/Pedersen, aaO, S. 92, 93. Zu Lebzeiten kann in einem solchen Fall bzw. bei der Gefahr von derartigen Verfügungen die Absonderung der Vermögensmassen gem. § 38 RVL begehrt werden. 480 Viggo/Pedersen, aaO, S. 91ff..

125 Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, dann erbt der überlebende Ehegatte auch nach der Erbrechtsreform alleine gem. § 9 Abs. 2 AL. Noch vor der letzten Erbrechtsreform im Jahr 1964 musste der längerlebende Ehegatte den Nachlass mit Erben 2. Ordnung teilen und erbte nur 1/4481. In § 9 Abs. 1 AL ist zwar geregelt, dass der Ehegatte die Hälfte des Vermögens des verstorbenen Ehegatten erbt. Wie sich das Vermögen des verstorbenen Ehegatten zusammensetzt, wird aber im gesamten Erbgesetz nicht geregelt. Es ist auf die güterrechtlichen Vorschriften abzustellen. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Nachdem die Ehegatten in Dänemark jedoch üblicherweise im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft leben, fällt in der Regel das hälftige Vermögen in den Nachlass482.

4.2.4. Der Voraus § 11 AL Daneben kennt das dänische Erbrecht den so genannten Voraus, welcher in § 11 AL geregelt ist. Der Ehegatte kann als Voraus Gegenstände, die zu seinem ausschließlichen persönlichen Gebrauch dienen, entnehmen sowie diejenigen Gegenstände entnehmen, die zum Gebrauch der minderjährigen Kinder erworben worden sind. Dies steht unter der Voraussetzung, dass die Entnahme auch im Verhältnis zu den Vermögensverhältnissen der Ehegatten steht. Der Voraus ist weder im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung noch im Rahmen der Auseinandersetzung oder gar auf das Mindesterbe einzurechnen483. Sofern sich aus Sicht der Abkömmlinge des Verstorbenen der Voraus aufgrund der Wertverhältnisse als unangemessen darstellt, kann im Einzelfall durch das Nachlassgericht der Voraus durch Einrechnung berücksichtigt werden484.

4.2.5. Das Ergänzungserbe „suppleringsarv“ Dem Ehegatten steht daneben das „suppleringsarv“ oder Ergänzungserbe gem. § 11 Abs. 2 AL zu. Dieses kommt zur Anwendung, wenn der Nachlass massearm ist. Der überlebende Ehegatte darf, unabhängig von seiner Beteiligung am Nachlass, unter Anrechnung des Erb- und Güteranteils einen Betrag in Höhe von DKK 600.000,-- (= € 80.491,30 Stand 14.12.2010)485 entnehmen. Da es sich hier um den Nettowert handelt, kann dem Nachlass hiermit eine erhebliche Wertpo-

481 482 483 484 485

Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 30. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 30. Karnov, aaO, § 11 Rn. 21. Karnov, aaO, § 11 Rn. 21. Der Betrag wird jährlich neu festgesetzt.

126 sition entnommen werden486. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass der Ehegatte durch die Auseinandersetzung auf einmal wesentlich schlechter gestellt wird487. Früher war diese Vorschrift im „Auseinandersetzungsgesetz“ oder „skifteloven“ verankert und führte aufgrund des Normzwecks und der Verortung zu Qualifikationsproblemen, ob es sich um eine güter- oder erbrechtliche Vorschrift handelte488. Nach der Reform und nunmehr herrschender Meinung handelt sich beim Ergänzungserbe um eine Art Zwangserbe oder Pflichtteilsrecht, das nicht „wegtestiert“ werden kann und der Versorgung des überlebenden Ehegatten dient489. Nach Ansicht von Feldthusen und Nielsen handelt es sich um ein spezielles, gesetzlich auf einen Betrag begrenztes Zwangserbe490. Gemäß Abs. 3 muss sich der Ehegatte auf das Ergänzungserbe Zahlungen von Pensionskassen und Lebensversicherungen aufgrund des Todesfalles anrechnen lassen.

4.2.6. Das „svogerskabsarv“ Das „svogerskapsarv“491, welches im 3. Kapitel bzw. den §§ 15 und 16 AL geregelt ist, kommt zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte verstirbt, nachdem zuerst dieser den verstorbenen Ehegatten beerbt hat. Entweder als gesetzlicher Erbe gem. § 9 Abs. 2 AL oder aufgrund einer testamentarischen Verfügung. Ebenso, wenn der überlebende Ehegatte von seinem Recht gem. § 11 Abs. 2 AL (Recht auf Voraus) Gebrauch macht. Nicht jedoch wenn die Regelungen des „suppleringsarv“ zur Anwendung gekommen sind. Dieses führt im Ergebnis zu einer gesetzlich angeordneten Nacherbschaft, sofern testamentarisch nichts anderes verfügt worden ist. Voraussetzung ist, dass keine gemeinsamen Abkömmlinge vorhanden sind und der überlebende Ehegatte folglich den anderen von Gesetzes wegen oder testamentarisch alleine beerbt492. Dieses hat zum Inhalt, dass der Nachlass nach dem zweiten Tode zwischen den jeweiligen Stämmen493 der beiden Erblasser zu gleichen Teilen aufgeteilt

486 487 488 489 490 491

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 138. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 54. Neumayer, FS Ferid, S. 668. Axelsson, aaO, S. 24, Karnov, aaO, § 11 Rn. 24. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 37. Dieses wurde früher als „secundosuccession“ bezeichnet. „svogerskapsarv“ bezeichnet wörtlich übersetzt das Schwägererbe 492 Karnov, aaO, § 15 Rn. 35 493 Dänisch „slægtsarvinger“ wörtlich übersetzt: Erben aus dem Geschlecht

127 wird (so genannter Gleichteilungsgrundsatz494). Dies gilt jedoch nur, wenn der überlebende Ehegatte keine neue Ehe eingegangen ist sowie der überlebende Ehegatte niemanden aufgrund eines „zusammenlebenden“ Testamentes gem. §§ 87ff AL beerbt hat. Mit Ausnahme des Falles, dass nur der überlebende Ehegatte einen Abkömmling hinterlassen hat, der dann alles erbt (§ 16 Abs. 2 AL), gilt der Gleichteilungsgrundsatz. Durch den Gleichteilungsgrundsatz wird das Vermögen hälftig geteilt und jede „Sippe“ erhält einen halben Teil des Erbes, wobei hier auch einseitige Abkömmlinge mit Verwandten anderer Erbklassen zusammentreffen können. Sind die verwandten Erben eines Ehegatten ebenfalls vorverstorben, erben die Verwandten des anderen Ehegatten alles. Die Teilung erfolgt unabhängig davon, auf welchem Grund der erbrechtliche Erwerb des überlebenden Ehegatten im Sinne eines rein erb- oder eines güterrechtlichen Erwerbs erfolgte. Der überlebende Ehegatte wird durch das „svogerskapsarv“ in seiner Testierfähigkeit über den gesamten Nachlass nicht eingeschränkt (§ 16 Abs. 7 AL). Es handelt sich hierbei um den Versuch, den Mehrheitswillen der Bevölkerung im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge und der schlussendlichen Verteilung des „gemeinsamen“ Nachlasses nach dem Versterben des letzten Ehegatten umzusetzen. Damit soll verhindert werden, dass die Verteilung des gemeinschaftlichen Erbes letztendlich vom Zufall und damit davon abhängt, welcher von beiden Ehegatten zuerst verstirbt495. Im Rahmen der Untersuchungen zum Erbgesetz 1964 hat eine Erhebung der Testamentspraxis ergeben, dass die Rechtsfolgen des „svogerskapsarv“ dem Willen der Mehrheit der Testatoren entsprechen496.

4.2.7. Das Pflichtteilsrecht bzw. Zwangserbe Noterbberechtigt sind sowohl die Abkömmlinge des Erblassers, als auch der überlebende Ehegatte des Erblassers. Dies folgt aus § 5 AL und § 10 AL. In der Ausgestaltung des Noterbrechtes sind zwischen dem Noterbrecht der Abkömmlinge und dem des Ehegatten teilweise gravierende Unterschiede feststellbar. 4.2.7.1. Einordnung des Zwangserbes Nach dänischer Systematik handelt es sich bei dem Zwangserbe primär um eine Frage der Testationskompetenz, also der qualitativen Testierbefugnis des Erb494 495 496

Dänisch: „likdelningsreglen“ Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 60, Bet. Nr. 291/1961,S. 87, Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 60.

128 lassers. Hierauf liegt der Schwerpunkt der jeweiligen Darstellungen. Das Zwangserbe wird traditionell definiert als dasjenige Erbe, welches aufgrund der Vorschriften des Erbgesetzes nicht den Abkömmlingen durch Testament entzogen werden kann497. Keine Einigkeit besteht in der Frage, inwiefern das „tvangsarv“ oder wörtlich übersetzt „Zwangserbe“ als Anteilsrecht am Nachlass ausgestaltet ist oder nicht. Die Einordnungsprobleme dürften auf die unterschiedliche Behandlung des überlebenden Ehegatten auf der einen Seite und Abkömmlingen auf der anderen Seite zurückgehen. Während Ersterem unumstritten ein tatsächliches Anteilsrecht am Nachlass zukommt, wie dies auch geschichtlich stets der Fall war, hat der Erblasser bei Abkömmlingen die Möglichkeit, testamentarisch zu verfügen, dass der Pflichtteil als Geldbetrag ausbezahlt wird und diesen auf einen Höchstbetrag zu begrenzen. Die Möglichkeit, im Wege der Testierung zu verfügen, dass das Zwangserbe ausbezahlt werden soll, stellt einen Bruch mit dieser Rechtsstellung der Pflichtteilsberechtigten dar498. Aufgrund dieser Regelungen geht das dänische Recht einen Zwischenweg zwischen dem so genannten Noterbenrecht als Anteilsrecht und dem Pflichtteil im Sinne eines Anspruchs. Das Zwangserbe wird als Bruchteil des gesetzlichen Erbteils ausgedrückt. Ursprünglich war das Zwangserbe als reines Anteilsrecht am Nachlass ausgestaltet. Dies hatte zur Folge, dass der Zwangserbe im Sinne eines Noterbrechts an der Nachlassauseinandersetzung zu beteiligen war und wohl auch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zunächst teilweise in die Rechtstellung des Verstorbenen mit eingerückt ist. Während Irene Nørgaard ausführt, dass das Zwangserbe nach der Reform nicht mehr ein Anteilsrecht im Nachlass ist499, wird von Rasmus Feldthusen und Linda Nielsen darauf hingewiesen, dass nur noch der längerlebende Ehegatte ein „eigentliches“ Anteilsrecht am Nachlass hat 500. Aufgrund der betragsmäßigen Deckelung und der Auszahlungsoption stufen Feldthusen und Nielsen deshalb das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge als bedingtes Anteilsrecht am Nachlass ein501.

497 498 499 500 501

Nørgaard, aaO, S. 231. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 139. Nørgaard, aaO, S. 231 Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 139. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 139.

129 4.2.7.2. Die Entwicklung und Ausgestaltung des Zwangserbes Hintergrund des Zwangserbes ist, dass dies im Rahmen der mit der Rezeption des römischen Rechtes einhergehenden Testationskompetenz mit dem althergebrachten Sippengedanken des germanischen Erbrechtes kollidierte. Das Zwangserbe wurde als Kompromiss aus dem Aufeinandertreffen beider Rechtsordnungen erkoren502. In dem Erbgesetz von 1845 durfte der Erblasser, der weder Abkömmlinge hatte noch verheiratet war, unbegrenzt testieren. Hatte der Erblasser Abkömmlinge, war er nur zu 1/4 befugt zu testieren503. War der Erblasser hingegen verheiratet, wurde die Testationsbefugnis auf 2/3 seines Nachlasses begrenzt. War der Erblasser verheiratet und gingen aus dieser Ehe Abkömmlinge hervor, so durfte der Erblasser nur zu einem Anteil von 1/4 testieren. Im Erbgesetz von 1963 wurde die Hälfte des gesetzlichen Erbrechtes der Abkömmlinge sowie des Ehegatten zum „Zwangserbe“ gemacht, wenn auch in den Vorarbeiten dieses Gesetzes eine Abschaffung des Zwangserbes erwogen worden ist504. Durch die Reformgesetzgebung wurde sowohl das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge als auch des Ehegatten auf 1/4 heruntergesetzt und die Bedeutung des Zwangserbes somit „beschnitten“505. Der Erblasser ist folglich in Höhe von 3/4 in seiner Testationskompetenz frei506. Begründet wurde dies mit der gestiegenen Lebenserwartung der Erblasser, die heutzutage dazu führt, dass die Abkömmlinge durchschnittlich 45-60 Jahre alt sind, wenn ein Elternteil verstirbt. In diesem Zeitpunkt haben Versorgungsund Etablierungsgedanken nicht mehr dasselbe Gewicht wie früher. Hinzu kommt, dass die Versorgung und Ausbildung im modernen Staat von der Gesellschaft übernommen wird. Zusätzlich hat der Erbausschuss angeführt, dass gerade vor dem Hintergrund der wachsenden Scheidungszahlen bei Eingang einer neuen Beziehung das Pflichtteilsrecht eher kontraproduktiv ist, um die neue Beziehung abzusichern507. Zu einer vollständigen Abschaffung des Zwangserbes konnte man sich im Hinblick auf die gefestigte Rechtstradition nicht entschließen, weiter sollten gerade minderjährige und einseitige Kinder beschützt werden. Auf eine Altersbeschränkung konnte und wollte man sich aufgrund von befürchteten 502 503 504 505 506 507

Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 136. Bet. 1473/2006, S. 75. Nørgaard, aaO, S. 230. Nørgaard, aaO, S. 231. Axelsson, aaO, S. 24. Bet. 1473/2006, S. 87, Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 134.

130 Ungerechtigkeiten nicht entschließen508. Erwachsenen Kindern soll eine Mindestbeteiligung zukommen, um diese nicht in ihrer Wahl des Partners, des Berufs oder der Lebensumstände durch den Erblasser und dessen Ansichten einzuschränken509. Der Vorschlag, das Zwangserbe des Ehegatten bei 1/2 zu belassen, wurde von dem Erbausschuss abgelehnt. Grund hierfür war, dass man das Erbrecht so einfach wie möglich halten wollte und bei der Quote von 1/4 das Pflichtteilsrecht des Ehegatten somit dem des Abkömmlings entspricht510. Der Pflichtteilsanspruch beträgt demnach sowohl bei dem Ehegatten als auch bei den Abkömmlingen 1/4 des gesetzlichen Erbrechts. Nach der gesetzlichen Systematik ist der Pflichtteilsanspruch folglich als Bruchteil des Erbrechts ausgestaltet. Der Höhe nach kann der Erblasser das Pflichtteilsrecht mittels testamentarischer Bestimmung - jedoch nur bei Abkömmlingen - beeinflussen. Nunmehr kann bestimmt werden, dass das Zwangserbe ein Geldanspruch sein soll, wie auch das Recht, auf den Wert von 1 Mio. DKK (= € 134.152,00, Stand 14.12.2010) zu begrenzen (§§ 5 Abs. 1, 10 iVm. § 5 Abs. 2 AL). Die jeweilige Grenze kann nach der Öffnungsklausel des § 97 AL reguliert werden. Das Pflichtteilsrecht bezieht sich im Falle des gesetzlichen Güterstandes der Gütergemeinschaft nur auf den Anteil des Verstorbenen an dem Gesamtgut sowie an seinem Vorbehaltsgut. Der Erblasser kann weiterhin testamentarisch im Sinne einer Teilungsanordnung verfügen, dass der pflichtteilsberechtigte Abkömmling bestimmte Aktiva des Nachlasses zugewiesen bekommen kann bzw. bis zum Wert seiner Beteiligung auswählen darf (§ 50 Abs. 2 AL). Übersteigt der Wert des zugewiesenen bzw. ausgewählten Nachlassgegenstandes den Wert des Pflichtteilsanspruchs, so hat der Pflichtteilsberechtigte den übersteigenden Betrag in bar zugunsten des Nachlasses zu bezahlen. Hierbei geht jedoch das Recht des Ehegatten auf seinen eigenen Voraus gem. § 11 AL vor und ist nach der Verweisung zu beachten. Mit Rücksicht auf die Rechte des Ehegatten gem. § 11 AL kann der Erblasser anordnen, dass der Pflichtteilsberechtigte aus dem Gesamtgut oder Vorbehaltsgut zu befriedigen ist.

508 509 510

Bet. 1473/2006, S. 91. Bet. 1473/2006, S. 88. Axelsson, aaO, S. 24.

131

4.3. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft „uskifte bo“ Das Rechtsinstitut des „uskifte bo“511 oder der „fortgesetzten Gütergemeinschaft“ ist auch in Dänemark seit längerer Zeit bekannt, es wurde zur Zeit des Absolutismus geschaffen512. Der dänische Gesetzgeber hat sich im Jahr 1925 für das Rechtsinstitut des „uskifte bo“ ausgesprochen, da es anderenfalls unbillig erscheinen würde, den überlebenden Ehegatten beim Tod des anderen Ehegatten zu zwingen, einen wesentlichen Teil des Vermögens auszusondern, auf dem seine ökonomischen Verhältnisse beruhen. Eine solche Aussonderung kann nach Ansicht des Gesetzgebers auf den weiteren Lebensweg zerstörende Wirkung haben513. Die Fortsetzung bedeutet, dass dem Ehegatten das Recht eingeräumt wird, das Gesamtgut beider Ehegatten zu übernehmen ohne eine Auseinandersetzung mit den Abkömmlingen des Erstverstorbenen durchführen zu müssen. Es kommt, wie auch in Norwegen, zu einem Aussetzen der erbrechtlichen Rechte. Im dänischen Recht ist der Verbleib im „uskiftet bo“ also im ungeteilten Nachlass als Rechtsanspruch ausgestaltet, welcher sich nur zu einem Recht umwandelt, wenn er geltend gemacht wird. Das Rechtsinstitut hat in der Praxis eine große Bedeutung. Von 57.776 Nachlässen wurde 12.175 – mal das Recht auf Verbleib in der Gütergemeinschaft geltend gemacht. Es handelt sich damit um eine Quote von rund 21% 514. In der Zeit vor der Reform war vermehrt zu beobachten, dass die Auseinandersetzung nach dem ersten Todesfall betrieben wurde515. Dies konnte einerseits an der Begrenzung der Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten bei der Fortsetzung liegen, aber auch andererseits an der wachsenden Bedeutung der Lebensversicherung, die nach altem Recht den Wirkungen der fortgesetzten Gütergemeinschaft unterfallen ist516. Im dänischen Erbrecht wird die fortgesetzte Gütergemeinschaft im Kapitel 4 des arveloven aus dem Jahr 2008 geregelt.

4.3.1. Umfang der fortgesetzten Gütergemeinschaft Voraussetzung des Verbleibs in der ungeteilten Gütergemeinschaft ist unter anderem, dass der Güterstand der Gütergemeinschaft im Todesfall Anwendung 511 512 513 514 515 516

Hinsichtlich der Übersetzungsproblematik wird auf die Ausführungen zum norwegischen Recht verwiesen. Feldthusen & Nielsen, Arveretten, S. 67. Feldthusen/Nielsen, aaO, S. 67. Feldthusen/Nielsen, aaO, S. 68. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 128. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 128.

132 findet. Bei Kombinationsgüterständen kann das Recht auf „uskifte bo“ nur hinsichtlich des Gesamtguts und damit des Teils geltend gemacht werden, der der Gütergemeinschaft unterfällt. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft wird mit dem Anteil des Verstorbenen an dem Gesamtgut zu „Lebzeiten“ des längerlebenden Ehegatten fortgesetzt 517. Anders ausgedrückt umfasst die fortgesetzte Gütergemeinschaft die gesamten Aktiva des eingebrachten Gutes des Erstverstorbenen und des Überlebenden518. Das Vorbehaltsgut bzw. das als Vorbehaltsgut Erworbene des Verstorbenen fällt zwingend in den Nachlass und muss auseinandergesetzt werden. Eine Fortsetzung der Gütergemeinschaft mit dem Vorbehaltsgut ist im Gegensatz zum norwegischen Recht nicht möglich519. Nachdem der Fortbestand der Gütergemeinschaft gewissermaßen fingiert wird, erfasst die Gütergemeinschaft auch alles, was der überlebende Ehegatte erwirbt, sofern dies nicht zu Vorbehaltsgut wird (§ 23 Abs.1 AL). Weiterhin unterfallen nur solche Rechte der Gütergemeinschaft, die nicht (höchst)persönlicher Natur oder unübertragbar sind (§ 23 Abs. 6 AL). Nicht zum Gesamtgut gem. § 23 Abs. 1, 2 und 3 AL wird Vermögen gerechnet, welches der überlebende Ehegatte durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall im weiteren Sinne erworben hat. Hierzu zählen beispielsweise Lebensversicherungen520, Pensionszahlungen etc.. Dies gilt jedoch nur, sofern eine Auseinandersetzung noch zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten eingeleitet wird. Lebensversicherungen aufgrund eines Vertrages zugunsten des überlebenden Ehegatten auf den Todesfall sind nach dem bisherigen Recht unter das Gesamtgut gefallen, wie bereits erwähnt. 4.3.2. Die Fortsetzung mit Abkömmlingen Ob der Ehegatte in ungeteilter und fortgesetzter Gütergemeinschaft verbleiben kann, richtet sich danach, ob die Ehegatten gemeinsame Abkömmlinge hinterlassen haben oder ob der Erblasser Abkömmlinge in die Ehe „miteingebracht“ hat. Im Übrigen entscheidet alleine der überlebende Ehegatte, inwieweit er von seinem Recht Gebrauch macht oder nicht.

517

Dies bedeutet, dass die Rechte des überlebenden Ehegatten weder von Todes wegen noch zu Lebzeiten abtretbar oder übertragbar sind. Es handelt sich um ein höchstpersönliches Recht, vgl. Viggo/Pedersen, aaO, S. 86. 518 Ferid/Firsching, Dänemark S. 20. 519 Bormann, Arveloven af 2008, § 23 S. 150. 520 Auch Lebensversicherungen des verstorbenen Ehegatten zu Gunsten des überlebenden Ehegatten.

133 4.3.2.1. Fortsetzung bei ehelichen Abkömmlingen Haben die Ehegatten nur gemeinsame Abkömmlinge hinterlassen, so hat der überlebende Ehegatte einen Rechtsanspruch auf Fortsetzung der Gütergemeinschaft (§ 17 AL). Keine Bedeutung hat hierbei, ob die gemeinsamen Abkömmlinge unmündig sind oder nicht. 4.3.2.2. Fortsetzung bei außerehelichen Abkömmlingen Hat der Verstorbene Abkömmlinge in die Ehe miteingebracht, so kann der Ehegatte mit Zustimmung dieser (mündigen) Kinder in fortgesetzter Gütergemeinschaft verbleiben (§ 18 Abs. 1 AL). Die Zustimmung kann formlos anlässlich der Auseinandersetzung erfolgen. Diese kann jedoch auch im Voraus durch einen Vermerk der Abkömmlinge auf dem Testament erfolgen und bindet auch die Abkömmlinge der außerehelichen Kinder521. Die bereits erfolgte Zustimmung kann nicht widerrufen werden, selbst dann nicht, wenn sich der überlebende Ehegatte noch zu Lebzeiten des Erblassers eines Ehebruchs schuldig macht522. Allerdings können die Abkömmlinge ihre Zustimmung zeitlich begrenzen oder die Zustimmung nur auf einen Teil des Nachlasses beziehen. Weiter kann die Zustimmung aufschiebend und auflösend bedingt erklärt werden523. Minderjährige Kinder können die Zustimmung im Voraus nicht durch ihre gesetzlichen Vertreter erteilen. Möglich ist allerdings, diese Zustimmungserklärung der Staatsverwaltung zur Überprüfung und Genehmigung vorzulegen524. Die Probleme im Zusammenhang mit der Zustimmung haben in der Testamentspraxis dazu geführt, dass für den Fall, dass der betreffende Abkömmling, der einer Fortsetzung der Gütergemeinschaft nicht zustimmt, auf das Noterbenrecht verwiesen wird525. Es handelt sich damit um eine Art Pflichtteilsstrafklausel. 4.3.2.3. Fortsetzung bei unmündigen außerehelichen Abkömmlingen Sind zum Zeitpunkt des Todes unmündige, einseitige Kinder des Verstorbenen im Sinne des Vormundschaftsgesetz (værgemålslovens) vorhanden oder wurde für einen Abkömmling eine Auseinandersetzungspflegschaft angeordnet, so kann mit Zustimmung des Nachlassgerichtes bzw. des Pflegers die Gütergemeinschaft fortgesetzt werden (vgl. § 18 Abs. 2 AL). 521 522 523 524 525

Bormann, aaO, § 18, S. 127, 128. Bormann, aaO, § 18, S. 129 unter Hinweis auf UfR 2007.1397 V. Bormann, aaO, § 18, S. 129. Bormann, aaO, § 18, S. 131. Bormann, aaO, § 18, S. 128.

134 Nach dänischem Recht macht es hierbei keinen Unterschied, ob diese Abkömmlinge minderjährig sind oder unter Vormundschaft stehen526. Bei der Fortsetzung hat der überlebende Ehegatte allerdings die Interessen der unmündigen Abkömmlinge zu wahren und gleichzeitig die Vermögensfürsorge für die minderjährigen Abkömmlinge des zuerst verstorbenen Ehegatten und damit die Unterhaltspflicht zu übernehmen (§ 18 Abs. 3 AL). Die nicht erteilte Zustimmung der außerehelichen Kinder bzw. das Vorhandensein unmündiger Stiefkinder stellt nach wie vor ein großes Problem in der Praxis dar und schränkt die Rechte der Ehegatten deutlich ein. Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen, nachdem immer mehr Ehen geschieden werden und so auch mehr außereheliche Kinder in Beziehungen mit eingebracht werden. Dies führte dazu, dass eine Vielzahl der überlebenden Ehegatten die Gütergemeinschaft mangels Zustimmung oder aufgrund der Unmündigkeit nicht fortsetzen konnten und können527. Trotzdem hat der Gesetzgeber diese Regelungen anlässlich der Reform unangetastet gelassen, diese Probleme jedoch zum Anlass genommen, die Erbquote des Ehegatten zu erhöhen528.

4.3.3. Zulässigkeit der fortgesetzten Gütergemeinschaft Die Geltendmachung der fortgesetzten Gütergemeinschaft liegt im Ermessen des überlebenden Ehegatten. Dieser muss bei der Fortsetzung gegenüber dem Nachlassgericht die persönliche Haftung für die Schulden des Erblassers übernehmen (§ 25 Abs. 1 AL). Das Nachlassgericht informiert dann die Erben über die Ausübung des Rechtes. Der überlebende Ehegatte hat sodann innerhalb von sechs Monaten ein Verzeichnis beim Nachlassgericht gem. § 22 AL einzureichen, welches die Vermögensverhältnisse der Ehegatten darlegt. Hindernisse für eine Fortsetzung der Gütergemeinschaft stellen der Konkurs des übernehmenden Ehegatten oder der Nachweis des bedürftigen Nachlasses dar. Letzteres liegt vor, wenn der Nachlass nicht ausreicht, um die Verpflichtungen des Verstorbenen zu decken. Hierunter fallen die Schulden des Verstorbenen, aber auch die Verpflichtungen aus dem „tvangsarv“ bzw. „Zwangserbe“. In gewissen Fällen kann das Nachlassgericht die Berechtigung des Verbleibs auf Antrag aussprechen. Durch die Erbrechtsreform 2007/2008 wurden die Regelungen des „uskifte bo“ weitestgehend beibehalten. Bei den Anforderungen an die Solvenz des Ehegatten wurden die Voraussetzungen im Vergleich zu früher entschärft529. 526 527 528 529

Bormann, aaO, § 18, S. 130. Bet. 2006/1473, S. 56 u. 57. Bet. 2006/1473, S. 56 u. 57. Axelsson, aaO, S. 25.

135

4.3.4. Verfügungsmacht d. Ehegatten zu Lebzeiten und von Todes wegen Zu seinen Lebzeiten kann der überlebende Ehegatte über das übernommene Gesamtgut fast uneingeschränkt verfügen und auch gem. § 28 Abs. 1 AL das Gesamtgut verbrauchen530. Er ist nur durch die Missbrauchsregelungen beschränkt. Der überlebende Ehegatte hat über die der fortgesetzten Gütergemeinschaft unterliegenden Güter zu Lebzeiten die Verfügungsmacht eines Eigentümers. Er kann folglich mit Wirkung gegenüber Dritten über die Aktiva verfügen (vgl. § 24 Abs. 1 AL). Er ist aber aufgrund der Fortsetzung mit den Abkömmlingen auch beschränkt. Er hat seine Rechte daher so auszuüben, dass diese nicht in Konflikt mit den Rechten der Erben geraten531. Der überlebende Ehegatte ist in seiner Verfügungsbefugnis durch die allgemeinen in §§ 29-31 AL normierten Missbrauchs- und Umgehungsregelungen eingeschränkt. Vor der Reform war der Ehegatte zudem an die Interessen der Erben gebunden. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Der überlebende Ehegatte darf nunmehr nur nicht vorsätzlich das Gesamtgut durch Verfügungen verringern, das Gesamtgut in Gefahr bringen oder aber seine Unterhaltspflichten verletzen. In § 29 Abs. 2 AL wird als Missbrauch der Verfügungsgewalt über das Gesamtgut die unverantwortliche Spekulation, der unangemessene Verbrauch, die Vereinbarung einer unverhältnismäßigen Renten- oder Versicherungsverpflichtung bzw. die Gewährung von Geschenken oder anderen Begünstigungen angesehen, die im Missverhältnis zu den Mitteln des Gesamtgutes stehen. Auch ein Unterlassen kann zu einem Missbrauch führen532. Bei der Beurteilung, ob beispielsweise eine Schenkung einen Missbrauch darstellt, ist auf das Verhältnis des dem „uskifte bo“ unterfallenden Vermögens zu dem Vermögen der Ehegatten sowie der Zusammensetzung dieses Vermögens abzustellen533. Unabhängig von diesen Grundsätzen ist dann nicht von einer missbräuchlichen Schenkung auszugehen, wenn die Schenkung erkennbar auf eine Gleichbehandlung der Abkömmlinge zielt und beispielsweise alle Abkömmlinge eine vergleichbare Schenkung erhalten haben534. Der Schenkung muss stets ein „illoyaler Charakter“ zukommen, damit von einem Missbrauch auszugehen ist535. So führt die Einräumung eines Wohnrechts - auch zusammen 530 531 532 533 534 535

Feldthusen/Nielsen, aaO, S. 67. Viggo/Pedersen, aaO, S. 248. UfR 2004.2562 Ø. Viggo/Pedersen, aaO, S. 250. UfR 1970.171. Vgl. Beispielsweise UfR 1970.412, UfR 1959.619.

136 mit einem Abkömmling - zu Gunsten des überlebenden Ehegatten dazu, dass in der Regel nicht von einem Missbrauch auszugehen ist, insbesondere wenn der Zweck in der Erhaltung der Immobilie im Familienbesitz liegt536. Im Falle des Missbrauchs können die mündigen Abkömmlinge die Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft verlangen. Unmündige erst, wenn sie volljährig bzw. mündig werden. Eine Auseinandersetzung geschieht nur mit denjenigen Erben, die dies auch verlangen. Zudem können diese Schadensersatzansprüche geltend machen537. Ausreichend für das Verlangen der Auseinandersetzung ist unter Umständen, dass das Vermögen der Gefahr einer wesentlichen Verringerung ausgesetzt wird538. Aufgrund der detaillierten Regelungen sowie der damit verbundenen Kontrollrechte der Erben wurde von einer weiteren Einschränkung, auch vor dem Hintergrund, dass der überlebende Ehegatte möglichst frei in seiner Verfügungsbefugnis sein soll, abgesehen539. Der überlebende Ehegatte kann unproblematisch über seinen Anteil am Gesamtgut testamentarisch gem. § 15 Abs. 2 AL verfügen, nicht hingegen über den Anteil des Erstverstorbenen540.

4.3.5. Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft Neben den soeben gezeigten Missbrauchskonstellationen, dem Mündigwerden eines Stiefkindes, das die Zustimmung nicht selbst erteilt, oder der Konstellation, dass einer der Beteiligten verstirbt, dessen Abkömmlinge die Zustimmung nicht erteilen, kann der Ehegatte gem. § 26 Abs. 1 AL von sich aus stets die Auseinandersetzung und damit die Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft herbeiführen. Hierbei kann auch lediglich eine Teilauseinandersetzung mit nur einem Erben von mehreren erfolgen. Zur Auseinandersetzung ist der überlebende Ehegatte darüber hinaus verpflichtet, wenn dieser eine neue Ehe eingeht. Dies geht aus § 26 Abs. 2 AL hervor. Daneben endet die fortgesetzte Gütergemeinschaft spätestens dann, wenn der überlebende Ehegatte selbst stirbt. Die Verteilung des bislang ungeteilten Nachlasses geschieht nach den allgemeinen Regelungen über die Verteilung zwischen den Erben des Erstverstorbenen sowie - soweit noch vorhanden - dem Ehegatten bzw. dessen Erben541. 536 537 538 539 540

UfR 1996.1438. Viggo/Pedersen, aaO, S. 252. UfR 1995, 23. Bet. 2006/1473, S. 108 f.. Viggo/Pedersen, aaO, S. 248.

137 Bei der Auseinandersetzung der fortgesetzten Gütergemeinschaft gilt gem. § 33 AL die Vermutung, dass alles, was der Ehegatte besitzt, dem „uskifte bo“ unterfällt. Es handelt sich um eine Beweislastumkehr. Abgemildert wird diese Wirkung durch ein bei der Übernahme eingereichtes Vermögensverzeichnis, welches die Qualifikation des Vermögens als Gesamt- oder Vorbehaltsgut enthält. Stirbt der überlebende Ehegatte, wird deshalb das vorhandene Vermögen in der Regel hälftig geteilt und fällt den jeweiligen Erben der Ehegatten zu542.

5. Die gewillkürte Erbfolge bei Ehegatten Die Regelungen über die gewillkürte Erbfolge finden sich in den Kapiteln 6 ff. des arvelovens. In Kapitel 13 und 14 finden sich Bestimmungen über Testamente von Ehegatten. Angesichts der Vorarbeiten zu der Erbrechtsreform hat eine Untersuchung anhand der im Jahr 1987 notariell errichteten Testamente stattgefunden. Fast die Hälfte, oder 46%, aller der in dem relevanten Zeitraum errichteten Testamente wurden von verheirateten Personen aufgesetzt. Wiederum 22,2% gingen auf unverheiratete zusammenlebende Personen zurück 543. Von letztwilligen Verfügungen wird folglich von Ehegatten und Zusammenlebenden lebhaft Gebrauch gemacht544.

5.1. Allgemeine Voraussetzungen Zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung ist grundsätzlich die Testierfähigkeit Voraussetzung. Weiterhin muss aus der letztwilligen Verfügung hervorgehen, dass es sich um eine Verfügung von Todes wegen handelt545. Grundsätzlich kennt das dänische Recht sowohl Testamente als auch Erbverträge. Das Testament muss in schriftlicher oder notarieller Form errichtet werden (§ 63 AL). Beide Testamentsformen stehen selbstständig nebeneinander. Die Formvorschrift hat ihren Grund primär in der Beweisfunktion, um sicherzustellen, dass die letztwillige Verfügung echt, rechtswirksam und verständlich ist546.

541 542 543 544 545 546

Viggo/Pedersen, aaO, S. 253. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 87. Taksøe-Jansen, Testamenter, S. 14. Taksøe-Jansen, aaO, S. 14. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 106. Nørgaard, aaO, S. 126.

138 Wie im skandinavischen Rechtsraum üblich, muss das schriftliche Testament in Anwesenheit von zwei Zeugen unterschrieben werden. Dessen Inhalt hat sich der Testator in deren Anwesenheit zu Eigen zu machen. Die Zeugen haben sodann auf dem Testament ebenfalls gem. § 64 Abs. 1 AL zu unterschreiben. Ausnahmen von den Formanforderungen werden bei so genannten „indbotestamenten“ also reinen Hausratstestamenten547 und Nottestamenten gemacht, auf die hier nicht näher einzugehen ist. Folge eines Verstoßes gegen die Formvorschriften ist gem. § 69 AL die Unwirksamkeit des Testamentes. Aus der Formulierung des § 69 AL wird abgeleitet, dass zumindest für den Fall, dass ein Verstoß gegen die notarielle Form bzw. die Zwei-Zeugen-Vorschrift vorliegt, lediglich eine Anfechtbarkeit des Testamentes begründet wird und keine Unwirksamkeit548. Grundsätzlich unterscheidet das dänische Recht einseitige, gemeinschaftliche und gegenseitige letztwillige Verfügungen, wobei letztere regelmäßig in einer Urkunde errichtet werden. Zwingend ist dies nicht549. Aufgrund der Relevanz und der untersuchten Thematik beschränkt sich die folgende Darstellung auf mehrseitige Testamente.

5.2. Ehegattentestamente Ein gemeinsames Testament ist eine letztwillige Verfügung, die von Mehreren errichtet wird, wohingegen unter einem gegenseitigen Testament ein Testament verstanden wird, welches wechsel- oder gegenseitige Erbeinsetzungen oder Vermächtnisse550 enthält. Unter den Begriff Ehegattentestament, der auch vom Gesetz so verwendet wird, fallen sowohl gegenseitige als auch gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen. Das Ehegattentestament ist in Kapitel 13 arveloven geregelt. Die Vorschriften gelten jedoch auch für sonstige gemeinschaftliche Testamente551 und beinhalten Regelungen zum Widerruf von gemeinschaftlichen Testamenten sowie den damit einhergehenden Testierungsbeschränkungen. Auch wenn die Vorschriften grundsätzlich allen gemeinschaftlich Testierenden offen stehen, wird im Folgenden die gesetzliche Terminologie, nämlich die der Ehegattentestamente, verwendet.

547 548 549 550 551

Es handelt sich hierbei um reine Hausratsverteilungslisten, die den strengen Formanforderungen nicht unterliegen. Nørgaard, aaO, S. 175. Nunmehr unstrittig seit: UfR 2005, 1936. Nørgaard, aaO, S. 279. Nørgaard, aaO, S. 279.

139

5.2.1. Inhalt Inhaltlich können in einem Ehegattentestament dieselben Dispositionen getroffen werden, wie in einem normalen Testament auch, d.h. Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Auflagen und Einsetzung eines Testamentsvollstreckers. Möglich und unter Ehegatten nicht unüblich ist insbesondere auch die vermächtnisweise Zuwendung eines Fruchtgenussrechtes an dem Nachlass552. Setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Erben ein und die gesetzlichen Erben als Schlusserben, so ist nach einer Entscheidung des Høyesteret davon auszugehen, dass die Erbauseinandersetzung auf den zweiten Erbfall aufgeschoben ist553. Durch die Erbrechtsreform wurden die Regelungen über gemeinschaftliche Testamente überarbeitet. Die Regelungen finden sich nunmehr in §§ 80-86 AL und haben durch die Reform eine Ausweitung der Rechte des längerlebenden Ehegatten, gerade zu dessen Lebzeiten, gefunden554. Die Untersuchungen in der Testamentspraxis haben bestätigt, dass die testamentarische Erbfolge abhängig von der Situation, in der sich die potentiellen Erblasser befinden, gewählt wird555.

5.2.2. Testierbefugnis der Ehegatten Grundsätzlich sind die Ehegatten in ihrer Testierfähigkeit nicht eingeschränkt. Einschränkungen können sich aufgrund des Pflichtteilsrechts, Rechten dritter Personen, zu denen auch Erbverträge und Ehegattentestamente gehören, ergeben. Die dänische Rechtsliteratur unterscheidet zwischen der Inkompetenz zu testieren sowie qualitativen und quantitativen Einschränkungen der Testationskompetenz. 5.2.2.1. Inkompetenz Eine Inkompetenz zu testieren kann insbesondere aufgrund von Rechten Dritter folgen. Zu nennen sind hierbei insbesondere Bindungswirkungen aufgrund von Erbverträgen556 oder gemeinschaftlichen Testamenten nach dem ersten Todesfall.

552 553 554 555 556

Nørgaard, aaO, S. 280. UfR 1900.257 H. Nørgaard, aaO, S. 280. Taksøe, Testamentsrätt, S. 16. Vormals im dänischen Recht als konservative Erbverträge und nunmehr als Verträge zur Sicherung des Erbrechts bezeichnet.

140 5.2.2.2. Die quantitative Testierkompetenz Die quantitative Testierkompetenz bezieht sich auf die Mindestbeteiligung der Pflichtteilsberechtigten am Nachlass, aber auch auf sonstige Mindestbeteiligungen, wie beispielsweise das Vorschussrecht der Abkömmlinge unter 21 Jahren. Nach der dänischen Dogmatik kann der Erblasser über diesen Anteil grundsätzlich nicht verfügen. Dies führt dazu, dass die Anteile aufgrund Erb- und Pflichtteil auch getrennt ausgewiesen werden müssen. Der Erblasser kann nur über sein so genanntes freies Erbe verfügen. Es handelt sich hierbei um den Nachlass, der nicht für Pflichtteilsrechte und Mindestbeteiligungen „gebunden“ ist. Dieses richtet sich jedoch nicht nach der Anzahl der Pflichtteilsberechtigten, sondern beträgt grundsätzlich 3/4 des Nachlasses unabhängig davon, ob der Erblasser einen Ehegatten und/oder Abkömmlinge hinterlässt 557. Das verbleibende 1/4 wird als „freies Erbe“ bezeichnet. Für den Fall eines Erbverzichtsvertrages war es lange insbesondere aufgrund der Motive des Gesetzgebers streitig, ob ein Erbverzicht auf das freie Erbe Einfluss hat. Seit einer Entscheidung aus dem Jahr 1993 558 ist in der Judikatur anerkannt, dass ein Erbverzicht das „freie Erbe“ erhöht. 5.2.2.3. Die qualitative Testierkompetenz Qualitativ ist der Erblasser über Gegenstände nur soweit befugt zu testieren, als diese nicht wertmäßig die Mindestbeteiligungen am Nachlass betreffen und dem „freien Erbe“ zuzuordnen sind559. Gem. § 66 Abs. 2 AL benötigt der andere Ehegatte, soweit Aktiva dem Gesamtgut zuzuordnen sind, das Einverständnis des anderen Ehegatten, um über diese zu testieren. Dies betrifft namentlich gemeinsam bewohnte Liegenschaften und Hausrat. Wird die qualitative Testierkompetenz überschritten, ist das Testament anfechtbar, soweit es nicht durch ergänzende Auslegung aufrechterhalten werden kann560. 5.2.2.3.1. Erbverträge Je nach Inhalt eines solchen Erbvertrages kann der Erblasser sich verpflichten, entweder kein (neues) Testament zu errichten oder das Alte nicht zu widerrufen (§ 68 AL). Solche Bindungswirkungen können durch einfache Erklärungen in der zur Testamentserrichtung bestimmten Form abgegeben werden. Ein qualifiziertes Formerfordernis sieht das dänische Recht für derartige Verträge 557 558 559 560

Axelsson, aaO, S. 24. UfR 1993.799. Viggo/Pedersen, aaO, S. 167. Viggo/Pedersen, aaO, S. 169.

141 nicht vor; ggfls. wird die Zustimmung der Staatsverwaltung bei Minderjährigen oder unter Vormundschaft stehenden Personen benötigt. Der Anwendungsbereich von Erbverträgen ist nicht auf Ehegatten begrenzt. Die Vorschriften über die qualitative bzw. quantitative Testationsbefugnis gelten auch hier. 5.2.2.3.2. Gemeinschaftliche Testamente Sofern ein gemeinschaftliches Testament nicht zu Lebzeiten gegenüber dem anderen, noch lebenden Teil widerrufen wird (§ 80 AL) oder sich ein solches nicht aus dem Testament oder den Umständen ergibt, wird dieses bindend. Das Recht auf Widerruf kann wie bei einem Erbvertrag ausgeschlossen werden (§ 68 AL). Der Umfang der Testationskompetenz hängt von dem Inhalt des Testaments und den darin getroffenen Verfügungen ab. Ausgangspunkt der neuen Regelungen ist, dass der Längerlebende - auch wenn er das Erbe nach dem zuerst Verstorbenen angenommen hat - in seiner Testationskompetenz über sein freies Erbe nicht beschränkt sein soll561. Hiervon gibt es nur zwei Ausnahmen, nämlich sofern der zuerst Verstorbene einseitige Abkömmlinge hinterlässt und der freie Nachlass diesen nach dem Tode des Längerlebenden zukommen soll (§ 81 Abs. 2 AL) sowie wenn die Ehegatten gemeinschaftliche Abkömmlinge haben. In diesem letzteren Fall ist der überlebende Ehegatte nur in Höhe von 1/2 des freien Erbes testierbefugt562. Obwohl es sich dogmatisch bei ersterer Einschränkung um eine Testationsinkompetenz, bei letzterer um eine quantitative Einschränkung der Testationskompetenz handelt, wird dies aufgrund des Sachzusammenhangs an dieser Stelle dargestellt. Dies gilt jedoch nur, sofern sich die Ehegatten in dem Testament nicht zu einer weitergehenden Bindungswirkung oder zu gar keiner Bindungswirkung verpflichten (§ 81 Abs. 3 AL).

5.3. Exkurs: Testamente unehelicher Lebensgemeinschaften Zwar war im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses ein allgemeines, gesetzliches Erbrecht für unverheiratete Zusammenlebende in Höhe von 25% bzw. maximal DKK 500.000,- 563 vom Justizministerium vorgeschlagen, diskutiert und unter-

561 562

Nørgaard, aaO, S. 284. Bei der Begrifflichkeit des „freien Erbes“ ist hier alleine auf den Nachlass des längerlebenden Ehegatten abzustellen. Vgl. hierzu Nørgaard, aaO, S. 285. 563 Entspricht € 67.070,90 (per 14.12.2010).

142 sucht worden564. Schlussendlich hat der Vorschlag im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Begründet wurde dies damit, dass unverheiratete Paare sich gerade bewusst nicht dafür entschieden haben, eine Ehe mit allen Rechtswirkungen einzugehen und dieser Wunsch respektiert werden solle. Dem Vorschlag einer gesonderten Regelung zur Testamentserrichtung wurde jedoch nachgekommen. Ziel war es, der Paarbeziehung eine gewisse Stabilität zu geben, weswegen in testamentarischer Hinsicht eine Gleichsetzung mit Ehepaaren, die in Gütertrennung leben, erfolgt ist565. In § 87 AL ist nunmehr geregelt, dass zwei Personen durch Testament bestimmen können, dass sie sich gegenseitig ganz oder teilweise nacheinander beerben können, als ob sie Ehegatten sind566. Nicht testamentarisch regeln können unverheiratete Paare, dass im Todesfall Gütergemeinschaft gelten soll bzw. dass der überlebende Partner in fortgesetzter Gütergemeinschaft verbleiben kann. Ebenfalls kann keine Pflichtteilsberechtigung herbeigeführt werden. § 87 AL und damit die Privilegierung von Zusammenlebenden gilt nicht, wenn zusammengefasst keine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt, sondern etwa eine reine Wohngemeinschaft, sofern einer der Partner noch verheiratet ist oder bei einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nicht zumindest einer der Partner dänischer, schwedischer, norwegischer oder isländischer Staatsbürger ist567. Neben einer testamentarischen weitestgehenden Gleichsetzung stehen unverheirateten, zusammenlebenden Paaren auch außererbrechtliche Absicherungsmöglichkeiten durch Pensions- und Lebensversicherungen wie Ehegatten zur Verfügung. 564 565

vgl. Bet. 1473/2006, S. 161-169. Nørgaard, aaO, S. 243. Der in der Gütertrennung lebende Ehegatte kann gem. § 13 AL lediglich Gegenstände entnehmen, die seinem Anteil an den Gütern entsprechen. Ein Auslösungsrecht ist nicht vorgesehen. 566 § 87 AL lautet: I.) To personer kann ved testamente bestemme, at de gelt eller delvis vis arve hinanden og arves, som var de ægtefælleer. II.) Det kann ikke i et testamente efter stk. 1 bestemmes, at lovens regler om arv vedrørende fælleseje, herunder reglerne om uskifte bo, skal finde anvendelse. III.) Et testamente efter stk. 1 indebærer ikke, at § 10 finder anvendelse. Übersetzung: I.) Zwei Personen können testamentarisch bestimmen, dass sie sich ganz oder teilweise beerben, als ob sie Ehegatten wären. II.) Es kann nicht in einem Testament bestimmt werden, dass die gesetzlichen Erbregelungen auf Gütergemeinschaft, insbesondere die Regelungen der fortgesetzten Gütergemeinschaft, Anwendung finden sollen. III.) Ein Testament nach Absatz 1 kann nicht enthalten, dass § 10 AL Anwendung findet (Anm: § 10 AL regelt das Pflichtteilsrecht des Ehegatten) 567 § 2 lov om registered partnerskap.

143 Daneben wird der unverheiratete zusammenlebende Partner im Vergleich zu dem vormals in Gütertrennung lebenden Ehegatten sogar gem. § 111a DSKL bevorzugt behandelt568. Aufgrund dieser Regelung kann der ehemalige Partner, der nicht testamentarisch bedacht worden ist, die gemeinsame Wohnstätte und Hausrat (= „bolig“ und „indbo“) gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrages an den Nachlass übernehmen. Dieses Recht können nur Zusammenlebende in Anspruch nehmen, die in eheähnlichen Verhältnissen die letzten zwei Jahre zusammengewohnt haben oder ein gemeinsames Kind haben. Ist der Partner testamentarisch eingesetzt worden, wird dieses Entnahmerecht umgedeutet, wonach eine Ausgleichspflicht nur besteht, soweit das Erbe nicht reicht 569. Wünschen Erbe und ehemaliger Lebensgefährte die Übernahme desselben Gegenstandes, hat der ehemalige Lebensgefährte ein Vortrittsrecht. Nutzen die nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit einem gemeinsamen Kind alle möglichen Vorteile, können diese unter Anwendung des § 87 AL im bestmöglichen Falle erreichen, dass der überlebende Partner 3/4 des Nachlasses als freies Erbe erhält und die Hälfte des verbleibenden 1/4 (also 1/8) als so genanntes „§ 87 AL- Erbe“. Zusammengefasst kann er dann 7/8 des Nachlasses für sich beanspruchen. Die Anwendung des § 87 AL führt damit zu einer Reduzierung des gesetzlichen Erbrechts der Abkömmlinge und in der Folge auch zu einer Reduzierung des Pflichtteils. Letzteres geht nicht unmittelbar aus dem Gesetz hervor, ergibt sich aber aus den Motiven des Gesetzgebers im Gesetzesvorschlag 100/2006570. Weiterhin ergibt sich dies auch aus der Anwendung des Ergänzungserbes, welches zwangsläufig zu einer Reduzierung des Pflichtteilsanspruches führt. Nachdem nach dänischem Recht nur die Unterzeichnung vor mindesten zwei Zeugen, für ein gültiges Testament ausreichend ist und auch andere Personen gemeinsame letztwillige Verfügungen errichten können, begegnet das Testament unehelicher Lebensgemeinschaften auch von daher keinen Bedenken.

6. Der Erwerb der Erbschaft und Nachlasssicherung Der bzw. die Erben treten entsprechend dem Grundsatz der Universalsukzession als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechte und Verpflichtungen des Erblassers ein. Jedoch erfolgt der Eintritt keinesfalls automatisch, vielmehr muss eine Er-

568 569 570

Nørgaard, aaO, S. 245. Nørgaard, aaO, S. 245. Lovforslag 100/2006.

144 klärung abgegeben werden, dass die Erbschaft angenommen wird. Verfahren wird im „skifteloven“, im folgenden „DSKL“, geregelt.

571

Dieses

6.1. Allgemeines Das Gesetz sieht zwei verschiedene Verfahren vor, die Annahmeerklärung abzugeben. Einmal im Rahmen der informellen, privaten Auseinandersetzung gem. §§ 71-81 DSKL sowie im Rahmen der sogenannten öffentlichen Auseinandersetzung gem. §§ 12-70b DSKL. Schon aufgrund des Raums, welchen die einzelnen Verfahren im Rahmen der Auseinandersetzung einnehmen, kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die öffentliche Auseinandersetzung favorisiert hat 572. Dies folgt auch aus § 5 DSKL. Diese Norm entzieht viele Fälle der privaten Auseinandersetzung und ordnet die öffentliche Auseinandersetzung an. Im Gegenzug stehen einer privaten Auseinandersetzung nur Nachlässe offen, bei denen Erbe und Erbberechtigung unzweifelhaft ist573. Gem. § 4 DSKL hat jeder Erbe jederzeit das Recht, die öffentliche Auseinandersetzung zu verlangen sofern er das wünscht. Dies hat beispielsweise den Vorteil, dass die Erben, sowie deren Erbberechtigung gem. § 14 DSKL von Amts wegen geklärt und die Aktiva und Passiva des Nachlasses von Amts wegen ermittelt und bewertet werden (§§ 15, 16 DSKL). Das Nachlassverfahren wird mit der Todesfallmeldung an das zuständige Nachlassgericht „eröffnet“. Das Gericht übernimmt zunächst die Nachlassverwaltung (dänisch: gældsfragåelsebo574), solange die Erben noch nicht bestimmt sind, wobei in der Praxis der Nachlassbesitzer zum sorgsamen Umgang mit dem Nachlass angewiesen und angeleitet wird. Zu diesem Zeitpunkt finden weder eine Haftungsübernahme des Erben noch eine Verteilung des Nachlasses statt.

6.2. Die private Auseinandersetzung Gem. §§ 12, 13 DSKL ruft das Gericht alsbald nach dem Tode eine Versammlung mit den Nachlassbeteiligten ein, womit faktisch die öffentliche Auseinandersetzung eingeleitet wird. Eine private Auseinandersetzung, verbunden mit der Zuleitung einer gemeinschaftlichen Erklärung, dass eine private Auseinandersetzung erfolgt, ist nur bis zu diesem Zeitpunkt möglich und muss 571 572 573 574

Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 68. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 69. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 69. Wörtlich übersetzt: Nachlass, der die Schuld ablehnt.

145 dem Gericht rechtzeitig zugehen575. In dieser übereinstimmenden Erklärung kann in der Regel auch eine konkludente Erbschaftsannahmeerklärung gesehen werden, zumal die Erben sodann ein Gläubigeraufgebot (dänisch: arveproklama) einzuleiten haben576. Obwohl die private Auseinandersetzung des Nachlasses eigentlich ohne Mitwirkung des Gerichtes geschieht, gibt das Nachlassgericht gem. § 75 AL den Nachlass nur frei, wenn sämtliche Gläubiger befriedigt worden sind. Hieraus folgt, dass mit der übereinstimmenden Beantragung der privaten Auseinandersetzung faktisch eine Haftungsübernahme- und Erbschaftsannahmeerklärung verbunden ist, wenngleich dies aus dem Gesetz nicht ausdrücklich hervorgeht577. Nur wenn nicht alle relevanten Unterlagen zum Nachweis der Erbberechtigung vorliegen, kann nach einer fruchtlosen, vom Nachlassgericht gesetzten Frist in die öffentliche Auseinandersetzung übergegangen werden. In einem solchen Fall entfaltet die Auseinandersetzungserklärung mangels Vorliegens aller Voraussetzungen keine Wirksamkeit578.

6.3. Die öffentliche Auseinandersetzung Bei der öffentlichen Auseinandersetzung wird noch im Rahmen der Einleitung des Verfahrens von den Erben eine eindeutige Erklärung über die Erbscheinannahme gem. § 16 Abs. 2 DSKL verlangt. Sodann wird der Nachlass durch geeignete Maßnahmen bspw. durch Eintragung eines Vermerks im Liegenschaftsregister oder Versiegelung in Besitz genommen, ein Nachlassverzeichnis erstellt, die Erben ermittelt und zu einem ersten Termin, dem so genannten „begyndelseforretning“, geladen oder gegebenenfalls eine Nachlassversammlung (dänisch: „skiftesamling“) einberufen. In dieser Versammlung wird das Nachlassverzeichnis vorgelegt und die Erben haben sich noch in der Versammlung ggfls. nach einer kurzen Bedenkzeit gem. § 16 Abs. 2 S. 2 DSKL zu erklären, ob sie die Haftung für die Schulden des Verstorbenen übernehmen wollen oder nicht. Eine Form ist hierfür nicht vorgesehen. In der Praxis wird die Übernahmeerklärung in dem so genannten „skiftebog“, einem Auseinandersetzungsprotokoll, welches zu unterschreiben ist, festgehalten. Wird die Übernahmeerklärung nicht von allen Erben abgegeben und wird kein Nachlassinsolvenzverfahren beantragt, wird gem. § 18 Abs. 2 DSKL der

575 576 577 578

Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 69. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 69. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 70. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 70.

146 Nachlass so abgewickelt, dass eine Haftung über den vorhandenen Nachlass hinaus entfällt579.

6.4. Haftung und Anfall der Erbschaft Bis zur Annahme der Erbschaft, die einer ausdrücklichen Annahmeerklärung bedarf, haftet der Erbe nicht für Nachlassschulden. Eine Haftungsübernahme und damit persönliche Schuldübernahme kann nach dem dänischen Recht auch nicht erzwungen werden580. Ab der Übernahme der Haftung, egal in welchem Verfahren, können die Nachlassgläubiger bei Vorliegen eines Titels gem. § 54 DSKL in den Nachlass die Zwangsvollstreckung betreiben oder aber ihre Forderungen klageweise gem. § 55 DSKL gegen den oder die Rechtsnachfolger des Verstorbenen geltend machen. Übernimmt der Erbe die Haftung für die Schulden nicht, hat dies alleine zur Konsequenz, dass das Nachlassgericht die Befriedigung der Nachlassgläubiger übernimmt, soweit der Nachlass reicht und gegebenenfalls den schuldenfreien Nachlass auskehrt. Aus diesem Grunde kennt das dänische Recht auch eine „Ausschlagung“ im eigentlichen Sinne nicht581. Verzichtet der Erbe im Erbfalle auf die Erbschaft, wird dieser Verzicht dahingehend umgedeutet, dass eine Zuwendung an diejenigen vorliegt, die dann zum Zuge kommen582. Egal ob privat oder öffentlich, die Erben sind in der Art und Weise der Auseinandersetzung frei, außer der Erblasser hat hierzu anderes angeordnet. Bei Streitigkeiten oder Uneinigkeiten, auch zwischen den Erben, hat das Nachlassgericht jedoch eine Aufsichts- und Vermittlungsrolle. Eine Verteilung der Nachlassmittel ist erst nach der Befriedigung der Gläubiger möglich. Erst dann sind die Erben in ihrer Verfügungsbefugnis über die einzelnen Nachlassgegenstände frei.

6.5. Rechte des Ehegatten bei der Auseinandersetzung Wird dem Nachlassgericht bekannt, dass der Erblasser einen Ehegatten hinterlassen hat und die Ehegatten vormals im Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt haben, kann das Gericht gem. § 57 DSKL von der Einleitung eines 579 580 581

Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 71. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 68. Lediglich im Konkursgesetz wird der Begriff der Ausschlagung „afkald“ verwendet. Dort wird darunter das Abstandnehmen von einer gesetzlichen oder testamentarischen Erbschaft gegenüber dem Erblasser im Sinne eines Verzichtes gem. § 31 AL verstanden (vgl. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 74. 582 Ferid/Frisching, Dänemark, aaO, S. 76.

147 Auseinandersetzungsverfahrens absehen, sofern beabsichtigt ist, vom Recht der fortgesetzten Gütergemeinschaft Gebrauch zu machen und keine anderweitigen Ansprüche der Erben im Raum stehen. Im Übrigen wird auf die besonderen Rechte des Ehegatten und die obigen Ausführungen verwiesen. Der Ehegatte hat die Möglichkeit, diese Rechte im Auseinandersetzungsverfahren geltend zu machen. Es handelt sich sowohl um Rechte, die bei der qualitativen als auch bei der quantitativen Teilung geltend gemacht werden können583. Der längerlebende Ehegatte hat das Recht, Gegenstände des persönlichen Gebrauchs gem. § 11 Abs. 1 AL als Voraus zu entnehmen. Auch als Auseinandersetzungsrecht kann das Mindest- bzw. Ergänzungserbe (sog. „suppleringsarv“), welches schon zuvor vorgestellt worden ist, gesehen werden584. Der Ehegatte hat weiterhin Aussonderungs- und Ablöserechte an Gegenständen des Gemeinguts und unter Umständen auch an dem Vorbehaltsgut §§ 12, 13, 11 Abs. 4 AL. Er kann sich gegenüber den Erben auch auf einen Stundungsanspruch gem. Kapitel 5 AL berufen, sofern er anderenfalls zu einer Verwertung von bestimmten Nachlassaktiva gezwungen wäre. Im Rahmen der Auseinandersetzung kann der Ehegatte, sowohl im Verhältnis zu gemeinsamen, als auch zu einseitigen Abkömmlingen Stundung (dänisch: „arvehenstand“) seitens des Nachlassgerichts gewährt bekommen. Diese Regelungen finden sich nicht im skifteloven, sondern in den §§ 35-39 AL und kommen zur Anwendung, wenn es ein wirtschaftliches Bedürfnis hierfür gibt und der überlebende Ehegatte anderenfalls gezwungen wäre, Aktiva zu veräußern, die Grundlage seiner Wohnsituation oder seines Erwerbs sind. Der Anwendungsbereich der Stundung wurde durch die Reformgesetzgebung zu Gunsten des Erblassers ausgeweitet585.

6.6. Ausblick, Reform des Auseinandersetzungsverfahrens Derzeit befindet sich das Auseinandersetzungsgesetz in Überarbeitung. Es wurde vom Justizministerium eine Kommission eingesetzt mit dem Ziel, Vorschläge zur Änderung des Gesetzes zu erarbeiten. Im Jahr 2010 hat die Kommission die Ergebnisse in den „Betaenkningen Nr. 1519/2010“ festgehalten und herausgestellt, dass die Regelungen des „dødsboskifteloven“ grundsätzlich für gut gehalten werden und die Ziele des Gesetzgebers durch dieses Gesetz hinreichend si-

583 584 585

Nørgaard, aaO, S. 65. So Nørgaard, aaO, S. 67. Axelsson, aaO, S. 25.

148 chergestellt sind, wobei es zu Präzisierungen und Justierungen einzelner Normen kommen soll586.

7. Zusammenfassung Der dänische Gesetzgeber räumt dem Ehegatten gerade im Rahmen der „2008-er“ Reformen eine stärkere Stellung ein. Grund für die Reformen war die Notwendigkeit einer Reaktion auf die Änderung der Familienmuster, die dazu führt, dass der überlebende Ehegatte oftmals nicht von seinem Recht auf fortgesetzte Gütergemeinschaft Gebrauch machen kann und dies den Ehegatten benachteiligt. Das gesetzliche Erbrecht wurde deshalb auf 1/2 erhöht. Zusammen mit den güterrechtlichen Vorschriften und dem in Dänemark üblichen Güterstand der Gütergemeinschaft führt dies zu einer starken Stellung. Alleine auf diesem Weg kann der überlebende Ehegatte 3/4 des ursprünglich gemeinschaftlichen Vermögens übernehmen. Durch das suppleringsarv bei massearmen Nachlässen bzw. Nachlässen bis ca. € 80.491,30 zusammen mit der Möglichkeit der Stundung von Pflichtteilsoder Erbansprüchen der Abkömmlinge wird sichergestellt, dass der Erblasser seinen Lebensstandard beibehalten kann. Interessant ist, dass im Bereich des reinen Pflichtteilsrechts der Ehegatte wie ein Abkömmling behandelt wird. Hier hat die Frage der Sicherung der Versorgung gegenüber der Einfachheit und Klarheit des Erbrechts eine mindere Priorität eingeräumt bekommen. Dies mag sicherlich seinen Grund darin haben, dass die Basis des Ehegattenerbrechts nach der dänischen Dogmatik der Lebensbund der Ehegatten ist. Halten ihn diese selbst nicht mehr aufrecht und enterben sich gar, fehlt auch der besondere Anknüpfungspunkt, der den Ehegatten gegenüber den Abkömmlingen besser stellen kann. Das Pflichtteilsrecht kann zudem der Höhe nach begrenzt werden. Daneben stärkt das Rechtsinstitut des „uskifte bo“ die Stellung des Ehegatten merklich, dies gilt aber nur, sofern keine einseitigen Abkömmlinge des Erblassers vorhanden waren. Durch vielfache flankierende detaillierte Regelungen kann der Ehegatte noch besondere Rechte geltend machen und wird zu Lasten gemeinsamer Abkömmlinge bevorzugt. Die Ehegatten können testamentarisch auf die Rechte der Abkömmlinge Einfluss nehmen und diese ausgestalten, wobei dann eine Einschränkung zu Gunsten der einseitigen Abkömmlinge vorgenommen wird. Die Rechte der gemeinschaftlichen Kinder können regelmäßig mehr eingeschränkt werden, als die der einseitigen Abkömmlinge.

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Bet. 1519/2010, S. 7.ff.

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7. Kapitel: Die Stellung des Ehegatten im schwedischen Erbrecht 1. Einführung Die Regelungen des schwedischen Ehegattenerbrechts weichen - trotz der zunächst gemeinsam im nordischen Raum angegangenen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gesetzgebung um 1920 - erheblich von den bisherigen Darstellungen ab und gehen einen eigenen Sonderweg587. Dies rechtfertigt auch eine im Vergleich zu den anderen untersuchten Rechtsordnungen leicht abweichende Darstellung, insbesondere in Bezug auf die güterrechtlichen Ausführungen sowie das Ehegattenerbrecht.

2. Rechtsgrundlagen und historische Entwicklung Die schwedische Jurisprudenz unterscheidet begrifflich zwischen dem „arvrätt“ bzw. Erbrecht und dem „testamentsrätt“ bzw. Testamentsrecht. Der Begünstigte wird folgerichtig als „arving“ bzw. Erbe oder „testamentstagere“ bzw. Testamentsnehmer bezeichnet. Der Oberbegriff für die gesetzliche und gewillkürte Erbfolge ist das „sucessionsrätt“ bzw. das Nachfolgerecht.

2.1. Rechtsgrundlagen und schwedische Rechtsordnung Das geltende schwedische Erbrecht, wurde vormals im dritten Abschnitt des schwedischen Reichsgesetzbuchs von 1734 (Sveriges Rikes Lag) geregelt. Nunmehr findet sich das Erbrecht im „ärvdabalken“ (1958:637) bzw. Erbgesetzbuch (im Folgenden als „Erbgesetz“ oder „ÄB“ bezeichnet). Das Erbgesetzbuch gliedert sich in 25 Kapitel, wobei das Testamentsrecht in den Kapiteln 9-14 geregelt wird. Das Ehegattenerbrecht ist im 3. Kapitel geregelt. Flankiert wird das Erbgesetz noch durch Einzelgesetze, wie beispielsweise das Gesetz Nr. 243 aus dem Jahr 1994 über den öffentlichen Erbfonds etc. Das .Ehe- und Ehegüterrecht ist in dem „äktenskapsbalken“ (1987:230) (im Folgenden „Ehegesetz“ oder „ÄktB“) geregelt. Diese Gesetze enthalten auch Vorschriften zur Auseinandersetzung.

587

Agell/Lødrup, Äktenskapsrätten och Successionsrätten, S. 40

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2.2. Die historische Entwicklung des Ehegattenerbrechts in Schweden Der überlebende Ehegatte hat erst seit 1928 in Schweden ein eigenes aber begrenztes Erbrecht. Dieses wurde motiviert von dem Gedanken der sozialen und ökonomischen Verbindung des Ehegatten mit dem Erblasser.588 Zuvor galten auch in Schweden Landschaftsgesetze, nämlich die der Götar im Süden und der Schweden (Svear) im Norden aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Diese enthielten Abschnitte über die Ehe und Erbschaften, insbesondere sahen diese Landschaftsgesetze Vorschriften über die Verwandtenerbfolge, so unter anderem ein weibliches Erbrecht, Repräsentations- und Eintrittsrechte vor. Zwischen den einzelnen Landschafts- und Stadtrechten waren die Abweichungen teilweise erheblich, insbesondere in Bezug auf die Testierfreiheit und das weibliche Erbrecht. Nach dem Stadtrecht erbten Frauen und Männer gleich viel. Nach dem „Landslag“ erbten Frauen nur einen Bruchteil, meistens die Hälfte, des einem Mann zustehenden Anteils. Das Recht der Götar sah, wie auch das dänische Recht, Beschränkungen zu Gunsten des „huvudlott“ vor. Demnach durfte der Erblasser unter Einbeziehung eines weiteren Kopfteils - für Jesus als seinen eigenen Sohn - für die christliche Kirche letztwillig verfügen589. Demgegenüber stellte das Recht der Svea auf das sogenannte „arvejordsystem“ ab. Demnach durfte der Erblasser maximal über 1/10 seines Grund und Bodens testieren590. Die Stadtrechte sahen vor, dass der Erblasser nur mit Einwilligung der Kinder testieren konnte. Hatte der Erblasser keine Abkömmlinge, war er zu 2/3 in seiner Testierbefugnis beschränkt591. Mitte des 14. Jahrhunderts schließlich wurden die verschiedenen Land- und Stadtgesetze durch Magnus Erikssons allgemeines Land- und Stadtrecht vereinheitlicht592. Das 16. Jahrhundert war von großen sozialen Änderungen, insbesondere steigendem Wirtschaftswachstum und damit Wohlstand bei gleichzeitig hoher Sterblichkeit aufgrund des Krieges geprägt. Hieraus erwuchs ein Bedarf an Regelungen zur Übertragung des Vermögens auch durch letztwillige

588 589 590 591 592

Saldeen, aaO, S. 74. Agell, Testamentsrätt, S. 17. Agell, Testamentsrätt, S. 17. Hafström, den svenska familjerättens historia, S. 137. Firsching in Ferid/Firsching, Schweden, aaO, S. 5.

151 Verfügungen593. Dies führte zur Einführung der Testamentsverordnung im Jahr 1686594. Erst im Jahr 1734 mit Inkrafttreten des schwedischen Reichsgesetzbuches (Sveriges Rikes Lag) wurde das Erbrecht wieder grundlegend, insbesondere das Testaments- und Pflichtteilsrecht, umgestaltet595. Seit dem Jahr 1920 und der durch viele Einzelgesetze geregelten Rechtsnachfolge hat der Ehegatte ein gesetzliches Erbrecht und rangiert zwischen den Erben der ersten sowie zweiten Parentel596, obwohl er zu dieser Zeit noch durch Abkömmlinge des Erblassers verdrängt wird. Lediglich bei dem Vorhandensein von Verwandten der zweiten Ordnung stand dem Ehegatten als Miterben die Erbschaft zur Hälfte zu, im Übrigen erbte der überlebende Ehegatte alleine597. Im Rahmen der Gesetzesvorbereitung wurden umfangreiche Gesetzesmaterialien erstellt, diese werden heute noch zur Auslegung herangezogen 598. Mit der Neuregelung aus dem Jahr 1928 erbten die Verwandten zweiter Ordnung nur noch im Sinne einer Vor- und Nacherbfolge (sog. „efterarv“ oder „secundosuccession“). Diese Regelung wurde auch ins Erbgesetz von 1958 übernommen und als ärvdabalk in das schwedische Reichsgesetzbuch von 1734 wieder integriert599. Im Jahr 1987 kam es zu einer erneuten Überarbeitung des Ehegattenerbrechts, bei der die Stellung des Ehegatten noch weiter ausgeweitet wurde.

3. Einfluss des Güterstandes - Nachlass eines Ehegatten Wie auch in den anderen untersuchten Rechtsordnungen, hat der Güterstand Einfluss auf die Stellung des Ehegatten im Todesfall, da der Ehegatte nach schwedischem Recht das gesamte Vermögen aufgrund des Ineinandergreifens güter- und erbrechtlicher Vorschriften erhält600.

593 594 595 596 597 598 599 600

Agell, Testamentsrätt, S. 18. Agell, Testamentsrätt, S. 18. Agell, Testamentsrätt, S. 18. Dopffel, JUS COMMUNE, 29, S. 199. Firsching in Ferid/Firsching, Schweden, aaO, S. 7. Firsching in Ferid/Firsching, aaO, Schweden, S. 6. Firsching in Ferid/Firsching, aaO, Schweden, S. 7. Firsching in Ferid/Firsching, aaO, Schweden, S. 7.

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3.1. Grundsätze Das Familien- und damit auch Eherecht ist in Schweden im Wesentlichen im äktenskapsbalken 1987:230 geregelt. Dieses enthält das Recht der Eheschließung und -scheidung, wie auch das eheliche Güterrecht. Das schwedische Recht kennt zudem das „äktenskapsregistret“ oder Eheregister. Dieses ist zentral beim statistischen Amt „statistiska centralbyrån“ eingerichtet. Änderungen, abweichend vom gesetzlichen Güterstand, sind dort zentral zu erfassen. Die formelle Registrierung ist Wirksamkeitsvoraussetzung.

3.2. Allgemeiner Güterstand Das schwedische Recht kennt nur einen (gesetzlichen) Güterstand, nämlich die „giftorättsgemenskap“. Hierbei handelt es sich, wie bei den anderen untersuchten Rechtsordnungen, um eine Kombination aus Gütertrennung und Gütergemeinschaft, da die Gütergemeinschaft nur im Falle der Auflösung der Ehe zum Tragen kommt601. Wie auch schon im Rahmen der vorherigen Darstellungen wird der Güterstand der „giftorättsgemenskap“602 mit „Gütergemeinschaft“603 übersetzt. Sofern keine anderweitigen Vereinbarungen getroffen worden sind oder aus dem Gesetz etwas anderes hervorgeht (hierzu später), erlangt sämtliches Vermögen der Ehegatten auch in Schweden mit der Heirat die Stellung von „giftorättgods“. Dieses Vermögen ist im Falle der Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Tod im Rahmen des „bodelning“ bzw. der Auseinandersetzung hälftig zu teilen604 und unterliegt somit einem latenten Anspruch des anderen Ehegatten605. Den „giftorättgods“ diametral gegenüber steht das sogenannte „enskild egendom“, das wörtlich übersetzt „besonderes Eigentum“ bedeutet und im Folgenden auch mit „Vorbehaltsgut“ übersetzt und bezeichnet wird. „Enskild egendom“ wird gem. Kap. 7, § 2 ÄktB entweder durch Ehepakt, durch Auflage eines Schenkers oder Testators sowie bei gewissen Versicherungsleistungen begründet und bezieht sich auch auf eventuelle Surrogate, regelmäßig jedoch nicht auf hieraus erwirtschaftete Erträge.

601 602 603 604 605

Carsten, in Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden, S. 13. Wörtlich übersetzt „Heiratsgutgemeinschaft“. Auch als „deferred community“ oder aufgeschobene Gütergemeinschaft bezeichnet Es handelt sich hier um das schon zuvor ausführlich dargestellte Halbteilungsprinzip Firsching, in Rieck, aaO, Schweden, S. 19.

153 Durch die Eheschließung, wie auch während der Ehe, ändert sich an den Vermögens- und Eigentumsverhältnissen der Ehegatten nichts606. Beide Ehegatten bleiben zwei selbstständige Rechtssubjekte und als solche Eigentümer ihres Vermögens. Sie verwalten dies regelmäßig unabhängig von dem anderen Ehegatten. Bei einem Erwerb während der Ehezeit gilt der Grundsatz, dass derjenige, der den Erwerb finanziert, auch Eigentümer wird607. Im Gegenzug haftet auch jeder der Ehegatten gesondert für seine Schulden. Dahinter steht die gesetzgeberische Wertung, dass jeder Ehegatte auch während der Ehe gleichberechtigt, selbstständig und unabhängig ist608. Dies findet seinen Ausdruck in Kapitel 1 § 3 ÄktB. Nur in Einzelfällen wird die Selbstständigkeit der Ehegatten eingeschränkt, nämlich dann, wenn die Verfügungen des einen Ehegatten geeignet sind, den Ausgleichsanspruch bei Beendigung der Ehe oder die ökonomischen Verhältnisse nachhaltig zu gefährden, beispielsweise benötigt ein Ehegatte die Zustimmung des anderen Ehegatten, wenn er Immobilien Dritten überlässt. Unterhaltsansprüche sind der schwedischen Rechtspraxis eher fremd. Das schwedische Recht geht davon aus, dass beiden Ehegatten die Verantwortung des eigenen Unterhalts sowie des gemeinsamen Unterhalts obliegt. In diesem Zusammenhang geht das Gesetz davon aus, dass beide Ehegatten am Erwerb beteiligt sind und auch beide an der Haushaltsführung mitwirken. Diese Verpflichtung zum gemeinsamen Unterhalt gilt auch während der Trennung der Ehe609. Spätestens mit dem Tode erlöschen Unterhaltsansprüche. An dieser Stelle soll aufgrund des Sachzusammenhangs auf den Unterhaltsanspruch aus dem Nachlass eingegangen werden. Gem. Kap. 18 § 5 ÄB haben sowohl der Ehegatte als auch „nicht versorgte“ Abkömmlinge einen Unterhaltsanspruch aus dem Nachlass für maximal drei Monate. Diese Regelung findet keine Entsprechung in den anderen nordischen Rechtsordnungen und dient der Übergangsversorgung. Aufgrund der Anknüpfung und der Verankerung im Erbgesetz ist von einer als erbrechtlich zu qualifizierenden Norm auszugehen. Nachdem Kapitel 18 die Auseinandersetzung regelt, ist streng genommen von einem besonderen Auseinandersetzungsrecht auszugehen. Sind der Ehegatte sowie die Abkömmlinge abhängig von dem Erblasser gewesen und sind als Anteilseigner am Nachlass beteiligt, können diese in An606 607 608 609

Grauers, Ekonomisk Familjerätt, S. 23. Grauers, aaO, S. 23. Firsching, in Rieck, aaO, Schweden, S. 10. Firsching in Rieck, aaO, Schweden, S. 15.

154 rechnung auf ihren Anteil als Vorschuss einen Betrag beanspruchen, der zur Versorgung notwendig ist. Das schwedische Erbrecht verfügt über keine ausdrücklichen Vorschriften über den Erwerb, die Annahme, Ausschlagung oder Übertragung der Hinterlassenschaft. Carsten folgert hieraus, dass die Frage, ob die Hinterlassenschaft ipso iure auf den/die Erben oder aber zunächst auf den Nachlass übergeht, keine Relevanz zu besitzen scheint610.

3.3. Auseinandersetzung des Güterstandes Im Normalfall fällt in den Nachlass des verstorbenen Ehegatten sein Anteil am Gesamtgut (in der Regel 50%) sowie das Vorbehaltsgut. Die Unterscheidung erfolgt im Todesfall nach schwedischem Recht regelmäßig erst im Rahmen der sog. „secundosuccession“611. Eine vollständige Auseinandersetzung wird im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge nicht durchgeführt und ist auch nicht notwendig (vgl. Kap. 7 Punkt 4.3.). Dies führt im Rahmen der „secundosuccession“ und bei der Bewertung der Testierfreiheit zu Unklarheiten und Nachweisproblemen, sodass im Rahmen der Reformgesetzgebung diskutiert worden ist, dass sowohl der Vor- als auch der Nacherbe eine Anteilsbestimmung verlangen kann612. Auch im schwedischen Recht wird der Güterstand im Todesfall auseinandergesetzt. Das Halbteilungsprinzip findet als Grundsatz Anwendung. Der Halbteilungsgrundsatz wird auch in Schweden im Einzelfall durch „jämkning“ oder Anpassung durchbrochen. Die Anwendung von Anpassungsregelungen führt unter Umständen zu einer Verwischung des Güterstands. Es handelt sich um Billigkeitsregelungen für den Fall, dass die konsequente Halbteilung zu Ungerechtigkeiten führt.

3.4. Abweichende Regelungen vom Halbteilungsprinzip Systematisch führt die gesetzgeberische Grundannahme der Gleichberechtigung und Selbstverantwortlichkeit bei einer Einverdienerehe dazu, dass der nicht erwerbstätige Ehegatte während der Ehezeit kaum oder gar kein Eigentum erwirbt. Dasselbe gilt auch, sofern die Ehegatten einen Verdienst zur Deckung des täglichen Bedarfs einsetzen, den des anderen zum Erwerb von Gütern613. 610 611 612 613

Carsten in Ferid/Firsching, Schweden, S. 17 Rn. 22. Im Folgenden mit Nacherbfolge übersetzt, vgl. Kap. 7, Punkt 4.3. SOU 1998:110, S. 92 ff.. Firsching, in Rieck, aaO, Schweden, S. 10.

155 Dies hat dazu geführt, dass im Wege des Richterrechts die Rechtsfigur des „dold samäganderätt“ bzw. „versteckten Eigentumserwerbs“ bei Grundbesitz im Paarverhältnis entwickelt worden ist614. Auch wenn nur ein Ehegatte als Käufer auftritt, hat der Högsta Domstolen615 in seiner Rechtsprechung angenommen, dass zwischen den Ehegatten Miteigentum an der Immobilie entsteht, sofern die Immobilie für den gemeinsamen Gebrauch angeschafft worden ist und der andere Ehegatte einen wirtschaftlichen Anteil derart trägt, dass dies für den Ehegatten, der nach außen Eigentümer ist, erkennbar ist. Dann ist nach der Argumentation des Högsta Domstolen anzunehmen, dass Ziel des Erwerbes von Anfang an die Miteigentumsgemeinschaft war616. Systematisch handelt es sich nicht um einen sachenrechtlichen, sondern nur um einen schuldrechtlichen Anspruch617. Das Rechtsinstitut des „dold äganderätt“ ist zwar nach Ansicht von Grauers noch nicht „ganz klar“, zwischenzeitlich jedoch weithin anerkannt618. Trotzdem wurden die Grundsätze bislang nicht auf andere Anwendungsbereiche erstreckt, denn das Rechtsinstitut des dold äganderätt wurde alleine aus familienrechtlichen Motiven entwickelt619 Das Institut des „dold samäganderätt“ ist auf uneheliche Lebensgemeinschaften übertragbar620621. Bei der umgekehrten Konstellation kommt 12. Kap § 2 ÄB zur Anwendung und kann Auswirkungen auf den Halbteilungsgrundsatz haben. Denn demnach kann der längerlebende Ehegatte verlangen, dass er sein Eigentum am Gesamtgut behält und es nicht zu einem Ausgleich kommt. Dieses Recht gilt auch im Rahmen der unbeschränkten Vorerbschaft. Es wird dann eine gedachte Vermögensauseinandersetzung durchgeführt, was zu einem anderen quotalen Anteil führen kann. Dies ist besonders dann relevant, wenn der längerlebende Ehegatte mehr Vermögen in die Ehe eingebracht hat622.

614 615 616 617 618 619 620 621

Ryrsted, aaO, S. 63,Grauers, aaO, S. 45. Übersetzt: Oberster Gerichtshof bzw. Höchstes Gericht. NJA 1980 S. 705, NJA 1981 S. 693 und NJA 1982 S. 589. Firsching, in Rieck, aaO, Schweden, S. 10. Grauers, aaO, S. 46. NJA 2002, S. 142. NJA 1983, S. 550. Exkus: Interessant ist, dass die Ehegatten jederzeit aus dem versteckten Miteigentum ein offizielles Eigentum machen können, indem sie einen Vertrag abschließen, der die Formvorschriften eines Immobilenkaufs erfüllt. Die Ehegatten können jedoch, da es sich um ein persönliches Recht der Ehegatten handelt, nicht ohne weiteres gezwungen werden, dieses geltend zu machen. Auf der anderen Seite ist der versteckte Eigentümer gegenüber Gläubigern des offiziellen Eigentümers solange geschützt, bis das Recht geltend gemacht wird (vgl. Grauers, aaO, S. 46). 622 Lødrup, Nordisk Arverett, S. 126.

156 Diese Regelungen stellen eine Weiterentwicklung des güterrechtlichen Grundprinzips der hier untersuchten Rechtsordnungen dar, wonach die Ehegatten bei Eheschluss gewissermaßen ein Anwartschaftsrecht 623 in das Eigentum des anderen Ehegatten erwerben. Demnach ist im Falle der Auflösung der Ehe das jeweilige Eigentum der Ehegatten hälftig zu teilen624. Entweder als Unterkategorie des „enskild egendom“ oder als Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz kann das Eigentum besonderer Art behandelt werden. Es handelt sich hier um Eigentum, welches formal als „giftorättgod“ einzuordnen wäre, der Halbteilung jedoch von Gesetzes wegen nicht unterfällt. Es handelt sich hier vornehmlich um Pensions- und Versicherungsansprüche oder Schadensersatzansprüche bei Personenschäden625.

3.5. Wahlgüterstände Die ehevertraglichen Möglichkeiten sind in Schweden durch das Gesetz sehr eingeschränkt, wenn auch Modifikationen möglich sind. Der Ehepakt (schwedisch: „äktenskapsförord“) ist ausnahmsweise, da das schwedische Recht im Übrigen von der Formfreiheit ausgeht, formgebunden. Ein Ehepakt kann nur durch Ehegatten oder werdende Ehegatten geschlossen werden. Er ist schriftlich niederzulegen und von beiden (werdenden) Ehegatten zu unterschreiben (Kap. 7 § 3 Abs. 2 ÄktB). Die Namensunterschrift ist nunmehr nicht mehr zu bezeugen. Damit der Ehepakt Gültigkeit erlangt, ist er beim Amtsgericht zu registrieren. In materieller Hinsicht führt die Registrierung nicht zur Wirksamkeit der vereinbarten Regelungen626. Inhaltlich können die Ehegatten nur das vereinbaren, was vom Gesetz vorgesehen ist, nämlich die Regelung des Güterrechts (Kap. 7 § 3 Abs. 1 ÄktB)627. Vereinbaren die Ehegatten nur „enskild egendom“, kommt es zu einer Gütertrennung. Vereinbaren die Ehegatten, dass sämtliches Vermögen „giftorättgods“ sein soll, kommt es vom Grundsatz zu einer Gütergemeinschaft, jedoch nicht zu einer originären, wobei die Besonderheiten in Bezug auf Bestimmungen Dritter, insbesondere bei Schenkungen und/oder letztwilligen Verfügungen zu beachten sind.

623 624 625 626 627

Firsching spricht von einem latenten, versteckten Forderungsrecht, vgl. Firsching, in Rieck, aaO, Schweden, S. 10. Firsching, in Rieck, aaO, Schweden, S. 11. Siehe hierzu Grauers, aaO, S. 36ff.. Grauers, aaO, S. 50. Grauers, aaO, S 47.

157 Der Ehepakt darf nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, beispielsweise dürfen die darin enthaltenen Regelungen nicht nur für eine Scheidung oder nur für den Todesfall gelten628. Dies dürfte seinen Hintergrund im Gläubigerschutz haben.

3.6. Exkurs: registrierte Partnerschaften und nichteheliche Lebensgemeinschaften Während früher noch Regelungen über gleichgeschlechtliche Beziehungen gesondert normiert waren, ist das nunmehrige Ehegesetz seit dem Änderungsgesetz 2009:253 geschlechtsneutral und gilt sowohl für heterosexuelle als auch für homosexuelle Paare. Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft wurde damit rechtlich einer Ehe gleichgestellt. Auch eine Adoption von Kindern ist seit dem Jahr 2002 für homosexuelle Paare möglich. Nachdem registrierte Partner aufgrund der Adoption gemeinsame Abkömmlinge haben können, finden die Vorschriften über das Vor- und Nacherbrecht ebenfalls Anwendung. Wie in den anderen hier untersuchten Ländern gibt es in Schweden Regelungen über außereheliche Lebensgemeinschaften so genannte „sambos“, gleich ob hetero- oder homosexueller Natur. Die Regelungen finden sich in dem sambolagen (Gesetz 2003:376). Im Vergleich zu Österreich, bei dem sich der Gesetzgeber bewusst einer Regelung der „wilden Ehe“ enthält, werden in Schweden durch das Eingehen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft Rechtswirkungen entfacht. Nach Ansicht des schwedischen Gesetzgebers hat der überlebende Lebensgefährte ein mindestens genauso großes Interesse, wie ein Ehegatte, dass das gemeinsame Heim nicht „zersplittert“ wird629. Es kommt deshalb auch im Todesfall zu einer formellen Vermögensaufteilung, ähnlich der von Ehegatten, jedoch beschränkt auf Wohnstätte und Hausrat630. Das Recht auf Anteilsbestimmung kann aber nur der längerlebende Lebensgefährte geltend machen. Demnach hat der überlebende Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft besondere Rechte in Bezug auf das gemeinsame Heim gem. § 12 sambolagen. Der Lebensgefährte hat zudem ein Recht auf den „kleinen Grundbetrag“, den „lilla basbelopp“. Dies entspricht derzeit einem Betrag in Höhe von SEK 9.272,41,- oder umgerechnet

628 629 630

Grauers, aao, S. 48. Brattström, aaO, S. 84. Saldeen, aaO, S. 59.

158 € 9.265,83 (Stand 14.12.2010). Durch Testament können Rechtswirkungen entstehen, die den gesetzlichen Ehegattenerbrechtsvorschriften entsprechen mit Ausnahme, dass das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge - auch der gemeinsamen - im ersten Todesfall nicht abgewendet werden kann.

4. Das gesetzliche Erbrecht Das schwedische Erbrecht geht vom Parentelsystem im Sinne von Erbklassen aus, wobei dieses auf drei Erbklassen beschränkt ist. Das sogenannte Cousinenerbrecht wurde abgeschafft. Gesetzliche Erben erster Klasse sind die Abkömmlinge des Erblassers, die in gerader Linie von ihm abstammen (Kapitel 2 § 1 ÄB). Diese werden in Schweden in Abweichung zu den anderen hier untersuchten Rechtsordnungen als „bröstarvingar“, wörtlich übersetzt als „Brusterben“ oder auch „Leibeserben“, bezeichnet631. Hierunter fallen entgegen dem eigentlichen Wortlaut zwischenzeitlich auch nichteheliche bzw. angenommene Kinder632. Es gilt sowohl das Eintrittsrecht (schwedisch: „istadarätt“) als auch das Repräsentationsrecht. Erben zweiter Klasse sind gem. Kapitel 2 § 2 Abs. 2 ÄB die Eltern des Erblassers sowie deren Abkömmlinge. Sind keine Geschwister vorhanden, aber noch ein Elternteil, so erbt der Elternteil alleine. In der dritten Erbklasse erben ausschließlich die Großeltern zum gleichen Anteil, sind diese verstorben, dann erben deren Kinder, nicht aber wiederum deren Kinder (Kapitel 2 § 2 Absatz 4 ÄB). Sind nur noch teilweise Erben einer Seite vorhanden, fällt diesen auch der Anteil der anderen Seite zu.

4.1. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten Im Jahr 1987 wurde das Erbrecht im Zusammenhang mit dem Ehegesetz grundlegend reformiert. Der Gesetzgeber hat sich in Schweden von einer umfassenden Auswertung der Testierpraxis und den damals gewonnenen Erkenntnissen zu einer derartigen Reform veranlasst gesehen. Auch die in der Testierpraxis üblichen Beschränkungen wurden gesetzlich in Kapitel 3 § 2-10 AB übernommen. Durch die Reform im Jahr 1987 wurde das Ehegattenerbrecht erheblich gestärkt und dem Ehegatten der Vortritt gegenüber gemeinsamen Abkömmlingen

631 632

Ferid/Firsching, Schweden, S. 20. Walin, aaO, 2. Kapitel § 1 ÄB Fn. 1.

159 eingeräumt633. Das Erbrecht der ersten Klasse wird auf den Zeitpunkt aufgeschoben, an dem der zweite Ehegatte stirbt634. Durch Beschluss vom März 1996 hat die Regierung den Justizminister ermächtigt, einen Sachverständigenrat zur Reformbedürftigkeit des Erbrechts einzurichten. Die Kommission, die den Namen „ärvdabalkutredningen“ bekommen hat, sollte sich den zentralen Fragen des Erbrechts, vornehmlich der Auseinandersetzungsvorschriften annehmen. Weiterhin sollte untersucht werden, ob sich die Reform des Ehegattenerbrechts und des gesetzlichen Erbrechts der Abkömmlinge, die 1987 stattgefunden hat, bewährt hat und inwieweit die damaligen Ziele erreicht worden sind635. In diesem Zusammenhang hat die Kommission wiederum die Rechtslage in den anderen nordischen Staaten untersucht und verglichen636. Ein grundlegender Reformbedarf konnte nicht festgestellt werden, insbesondere wurde an den Regelungen auch im Rahmen des Ehegattenerbrechts festgehalten637.

4.1.1. Die Stellung des Ehegatten als Vorerbe Grundsätzlich fällt gem. Kap. 3 § 1 ÄB die Hinterlassenschaft an den längerlebenden Ehegatten, sofern der Erblasser verheiratet war. Dies gilt auch, wenn gemeinsame Abkömmlinge vorhanden sind. Der überlebende Ehegatte erhält den gesamten Nachlass als gesetzlicher, unbeschränkter Vorerbe, nämlich als sogenannter Erbe mit „fri förfogandarätt“638. Damit muss das Erbe mit „fri förfogandarätt“ im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Nacherbrecht, der so genannten „secundosuccession“, gesehen werden. Grund für diese Kehrtwendung innerhalb der schwedischen Rechtstradition war die Überlegung, dass das Erbrecht der Abkömmlinge vornehmlich aus kulturellen und historischen Gründen dem Erbrecht des Ehegatten vorangegangen ist. Daneben wurde das Erbrecht der Abkömmlinge vor der Reform in seiner sozialen Funktion erkannt. Das Erbrecht sollte die ökonomischen Verhältnisse der Abkömmlinge sicherstellen. Letzteres hat für den Gesetzgeber der 80er Jahre nicht mehr im Vordergrund gestanden, da sich durch soziale Reformen der Sicherung der Versorgung und der Wirtschaftsverhältnisse durch den Staat sich die ökonomischen Verhältnisse des Einzelnen entscheidend geändert haben. 633 634 635 636 637 638

Saldeen, aaO, S. 52. Saldeen, aaO, S. 52. Bilaga 1 – utredningens direktiv SOU 1998:110, ebenda S. 67. SOU 1998:110, S. 77. SOU 1998: 110, S. 1 ff. Übersetzt: mit freiem Verfügungsrecht.

160 Nach Feststellung des Gesetzgebers hatte dies dazu geführt, dass es in der Bevölkerung als unbillig empfunden worden ist, dass die Abkömmlinge dem Ehegatten vorangingen, zumal das Vermögen der Ehegatten hierdurch aufgesplittert worden und der Ehegatte unter Umständen gezwungen war, umzuziehen und/oder sich von Vermögen zu trennen639. Maßgeblich dürfte auch die Abschaffung der Unterhaltsverpflichtung der Kinder gegenüber den Eltern im Jahr 1978 gewesen sein, die ein Interesse des überlebenden Ehegatten an dem Nachlass in den Augen des Gesetzgebers immer wichtiger hat werden lassen640. Aufgrund dieser Hintergrundüberlegungen und der Annahme des Gesetzgebers, dass es für die leiblichen Abkömmlinge „natürlich“ sei, mit der Geltendmachung des Erbes abzuwarten, bis der letzte Elternteil gestorben ist641, sollte eine Situation herbeigeführt werden, die dem üblichen Ehegattentestament, dem so genannten „inbördes testament“ entspricht642 Im Rahmen der Untersuchungen des „ärvdabalkutredningen“ hat sich herausgestellt, dass eine derartige gesetzliche Regelung der Rechtsauffassung und dem Gerechtigkeitsempfinden der breiten Bevölkerung entspricht643. Eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass der überlebende Ehegatte gegebenenfalls nach der gesetzlichen Erbfolge zum Zug kommt, ist, dass die Eheleute nicht einen Antrag auf Ehescheidung gestellt haben (Kap. 3 § 10 ÄB)644. In einem solchen Fall wird die Aufteilung des Vermögens nach güterrechtlichen Vorschriften durchgeführt und die Verteilung des Nachlasses erfolgt gem. Kap. 3 § 2 ÄB. Das Erbrecht entfällt bereits zu diesem Zeitpunkt, da der Gesetzgeber bei der Entscheidung zu Gunsten des Ehegattenerbrechts sich von dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Gatten hat leiten lassen und bei Einreichung der Scheidung dieses Gefühl nachweisbar nicht mehr vorhanden ist 645. Dieselbe Überlegung gilt auch im Rahmen der gewillkürten Erbfolge. Im Zweifel bleibt eine solche Verfügung im Scheidungsfalle gem. Kapitel 11 § 8 ÄB ohne Wirkung.

639 640 641 642 643 644

Brattström, Rätt Arv, S. 24. Brattström, Rätt Arv, S. 24. SOU 1998:110, S. 77. SOU 1998:110, S. 77. SOU 1998: 110, S. 90. Es kommt auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht an, siehe Kap. 13 § 4 RB (= Rättegangsbalken) - „rättegangsbalken“ entspricht der Zivilprozessordnung. 645 Saldeen, aaO, S. 57.

161

4.1.2. Die Stellung des Ehegatten bei dem Vorhandensein von einseitigen Abkömmlingen Die gesetzliche Erbfolgeregelung zu Gunsten des überlebenden Ehegatten gilt nicht für den Fall, dass sogenannte „särkullsbarn“646, also nur einseitige Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind. Ein „särkullsbarn“ hat jederzeit das Recht, seinen Erbteil dem Nachlass zu entnehmen (Kap. 3 § 1 Abs. 1 S. 2 ÄB). Das Stiefkind kann jedoch auch auf dieses Recht verzichten und wird dann wie ein gemeinschaftliches Kind behandelt und damit Nacherbe (3. Kap § 9 ÄB). Beim Verzicht muss jedoch deutlich gemacht werden, dass der Verzicht nicht zugunsten der eigenen Kinder, sondern zu Gunsten des überlebenden Ehegatten erfolgt647. Der überlebende Ehegatte wird im Falle der Entnahme auf den güterrechtlichen Ausgleich verwiesen, wenn die Ehegatten keine anderweitige testamentarische Vorsorge getroffen haben. Misslich ist die Situation, wenn die Ehegatten in einem Güterstand gelebt haben, der keine „giftorättgods“ kennt, denn dann erhält der überlebende Ehegatte, mit Ausnahme der Garantie, dass sein Vermögen nicht unter den vierfachen Grundbetrag (siehe hierzu unter 4.7.) fallen darf, nichts aus dem Nachlass648. Daneben kann er sich höchstens noch auf die Anpassungsregelung aus dem Güterrecht berufen, dass jeder Teil seine Güter, die der Gütergemeinschaft unterfallen würden, behält. Treffen einseitige und gemeinschaftliche Abkömmlinge zusammen, kann der überlebende Ehegatte den „Anteil“ der gemeinschaftlichen Kinder erben 649. Maßgebend für den Gesetzgeber, das Erbrecht des Ehegatten bei Stiefkindern einzuschränken, war die Überlegung, dass ein solcher Erbe zu seiner Stiefmutter bzw. Stiefvater nicht dieselbe gefühlsmäßige Bindung hat wie gemeinschaftliche Abkömmlinge. Daher sei es nachvollziehbar, dass ein Stiefkind nicht mit der Geltendmachung seines Erbteils abwarten wolle650. Daneben dürfte auch das mit der Nacherbschaft verbundene Risiko der Nachlassentleerung maßgeblich gewesen sein651. Diese Regelung hat innerhalb der Bevölkerung zu Beunruhigung geführt, da es gerade Paare, die nochmals geheiratet haben, sind, die Rechtsrat einholen und testamentarisch in die gesetzliche Erbfolge eingreifen, sofern die einseitigen Kinder keinen Bezug zur (neuen) Familie haben. Diese Paare versuchen dann, 646 Wörtlich übersetzt: Kinder aus einer anderen Geschwisterschar, im Übrigen „Stiefkind“. 647 Saldeen, aaO, S. 56. 648 Ferid/Firsching,Schweden, S. 21, Rn. 29. 649 Brattström, aaO, S. 78. 650 Saldeen, aaO, S. 56. 651 Saldeen, aaO, S. 56.

162 durch Eheverträge, Schenkungen etc. die Stellung des einseitigen Abkömmlings zu verändern652. Seitens des Gesetzgebers wird nicht davon ausgegangen, dass die Stellung des einseitigen Abkömmlings noch weiter verstärkt werden muss. Es sei vielmehr die Angelegenheit der Ehegatten, über ihr Vermögen zu verfügen653. Einen Reformbedarf sieht der Gesetzgeber folglich nicht. Hinterlässt der Erblasser mit dem überlebenden Ehegatten sowohl gemeinsame Abkömmlinge als auch einseitige Kinder, dann tritt der überlebende Ehegatte in den Erbteil der gemeinsamen Kinder als Vorerbe ein, während das einseitige Kind das Recht hat, seinen Anteil dem Nachlass zu entnehmen 654. Dies widerspricht meines Erachtens dem gesetzlich verankerten Postulat, dass alle Abkömmlinge, seien sie ehelich oder nicht, erbrechtlich gleich gestellt sind (Kap. 3 § 2 ÄB).

4.1.3. Die Stellung des Ehegatten ohne Abkömmlinge und Erben zweiter Klasse Hat der Erblasser weder eigene Abkömmlinge noch Erben zweiter Klasse, wird der längerlebende Ehegatte Alleinerbe mit dem so genannten „fri äganderätt“, also freiem Eigentumsrecht (gelegentlich auch als Erbe mit freiem Testierungsrecht, dem so genannten „fri testationsrätt“ bezeichnet). In diesem Fall geht das Gesetz nicht von einer Vor- und Nacherbfolge aus, sodass der Ehegatte wie ein Alleinerbe über den Nachlass nach seinem Gutdünken verfügen darf.

4.2. Die Verfügungsbefugnis des Vorerben Sowohl der Nachlass aber auch das Vermögen des überlebenden Ehegatten verschmelzen nach herrschender Meinung zu einer Vermögensmasse655. Es kommt allerdings zu einer ideellen Trennung der Vermögensmassen. Dies wirkt sich zu Lebzeiten und im Todesfall aus.

4.2.1. Zu Lebzeiten Wie die Bezeichnung „fri förfogandarätt“ bzw. freie Verfügungsbefugnis andeutet, ist der Ehegatte, wenn er den Nachlass übernimmt, frei. Er kann insbesondere den Nachlass verbrauchen, veräußern oder durch Handlungen unter Lebenden beeinträchtigen656. Auch zu Schenkungen ist er berechtigt. Er unterliegt keiner 652 653 654 655 656

SOU 1998: 110, S. 81. SOU 1998: 110, S. 81. Saldeen, aaO, S. 77. Saldeen, aaO, S 72. Saldeen, aaO, S. 52.

163 eigentlichen Kontrolle657. Minderungen aber auch Wertsteigerungen der Vermögensmasse kommen damit grundsätzlich beiden Seiten zu gleichen Teilen zu658. Die Stellung des Vorerben findet ihre Grenze bei missbräuchlichen Verfügungen des überlebenden Ehegatten. Das Gesetz spricht in 3. Kap. § 3 ÄB von Verfügungen, die zu einer wesentlichen Minderung des Eigentums führen und bei denen nicht genug Rücksicht auf die Erben des überlebenden Ehegatten genommen wird. Die Verfügungsbeschränkungen betreffen jedoch nur den quotalen Anteil, der dem Nachlass des Erstverstorbenen entspricht. In Bezug auf den eigenen Anteil ist der Ehegatte unbeschränkt verfügungsbefugt. Der quotale Anteil wird durch das Verhältnis des Vermögens des jeweiligen Ehegatten zum Gesamtvermögen per Todestag bestimmt659. Dieser Wert bleibt auch für die schlussendliche Auseinandersetzung beim zweiten Todesfall maßgeblich. Verfügungen, die über diesen Anteil hinaus gehen, sind zwar wirksam, im Rahmen der Nacherbfolge können die Erben aber einen Schadensersatzanspruch, den so genannten „vederlagskrav“, geltend machen und mit dem auf den überlebenden Ehegatten entfallenden Anteil aufrechnen. Nur wenn das Vermögen nicht mehr ausreicht, kann der Beschenkte in Anspruch genommen werden (Kap. 3 § 3 Abs. 2 ÄB). Die Stellung des Ehegatten ist unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte wieder eine Ehe oder eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eingeht660. Wird die zweite Ehe allerdings geschieden, muss zunächst eine Anteilsbestimmung erfolgen, bevor die Vermögensverhältnisse der Ehegatten im Rahmen der Scheidung auseinandergesetzt werden können661.

4.2.2. Von Todes wegen Von Todes wegen darf der überlebende Ehegatte trotz Verschmelzung der Anteile ebenfalls nicht über den ideellen, quotal geerbten Anteil (schwedisch: „ideella kvotdel“) des Vermögens des ersten Ehegatten verfügen (vgl. 3. Kap. § 2 Abs. 1 S. 2 ÄB). Ob aufgrund dieser Regelung überhaupt von einer Verschmelzung der Vermögensmassen ausgegangen werden kann, wird mehr und mehr in Frage gestellt. Es handelt sich nämlich nicht um eine homogene

657 658 659 660 661

Saldeen, aaO, S. 82. Saldeen, aaO, S. 82. Saldeen, aaO, S. 82. Saldeen, aaO, S. 79. Saldeen, aaO, S. 87.

164 Vermögensmasse, da an die unterschiedlichen Anteile unterschiedliche Rechte und Pflichten geknüpft werden662. Der ideelle Anteil beträgt im Todesfall normalerweise die Hälfte des Vermögens gem. 3. Kap. § 2 ÄB, wenn nicht etwas anderes aus dem Gesetz oder den Umständen hervorgeht. Die nur anteilige Bestimmung ist die Folge der Annahme des Entstehens einer einheitlichen Vermögensmasse663. Die Frage der Anteilszuordnung ist eine Frage, die innerhalb der Literatur viel diskutiert wird. Außer ein Stiefkind macht seine Rechte geltend, kommt es gerade nicht zu einer Auseinandersetzung des Güterstandes bzw. des Nachlasses. Nachdem der Ehegatte regelmäßig die Hinterlassenschaft als Alleinerbe übernimmt und es zu einer Verschmelzung der Vermögensmassen kommt, würde die Anteilsbestimmung nach einer Ansicht in der Literatur zu einem unzulässigen Vertragsschluss mit sich selbst führen664. In konkludenter Anwendung des 9. Kap. § 5 ÄktB wurde diskutiert, dass den Erben in diesem Fall ein Recht auf Beantragung eines „bodelningförrättare“665 wie bei einer Scheidung zustehen soll. Das Göta Hovrätt hat in einer Entscheidung allerdings klar gestellt, dass eine solche Möglichkeit nicht aus dem Gesetz hervorgeht und daher auch nicht durch die Gerichte geklärt werden kann666. Den Beteiligten bleibt daher momentan nur die Möglichkeit, durch einen „reelt bodelande avtal“ freiwillig eine Klarheit herbeizuführen667. Auch in Schweden ist aufgrund der gesetzlich nicht vorgeschriebenen und damit fehlenden Anteilsbestimmung nicht ganz klar, inwieweit sich die Bindung auch auf bestimmtes Eigentum bezieht oder nur auf die ideelle Quote. Der Högsta Domstolen hat entschieden, dass eine derartige Beschränkung auf die Eigentumsverhältnisse per Todestag weder aus dem Gesetzestext noch aus den Vorarbeiten des Gesetzes hervorgeht668. Eine von der Halbteilungsregelung abweichende Regelung kann sich insbesondere aufgrund dem Verhältnis von „giftorättgods“, „enskild egendom“, „dold äganderätt“, Anpassungsvorschriften oder Schadensersatzansprüchen ergeben.

662 663 664 665

Höglund, FS Bengtsson, S. 249. Agell, Testamentsrätt, S. 9. Saldeen, aaO, S. 73. Entspricht in etwa der Einsetzung eines Pflegers zur Durchführung der Vermögensauseinandersetzung im Rahmen der Gütertrennung bei der Scheidung. 666 Göta Hovrätt (RH 1993:7). 667 Saldeen, aaO, S. 77. 668 NJA 1995, S. 303.

165 Durch testamentarische Verfügung kann der überlebende Ehegatte von diesen Beschränkungen befreit werden und erlangt damit das vollständige Eigentumsrecht669. Zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten wirkt sich folglich die Qualifizierung des Erbes mit „fri förfoganderätt“ oder „full äganderätt“ nicht aus670.

4.3. Die „secundosuccession“ oder Nacherbfolge Bei der Erbfolge im Rahmen der „secundosuccession“ oder Nacherbfolge werden die Erben des zuerst verstorbenen Ehegatten auch Erben im zweiten Erbfall. Die Regelungen der Nacherbfolge gem. 3. Kap. § 9 ÄB finden nur dann Anwendung, wenn Abkömmlinge vorhanden sind oder aber Erben der zweiten Klasse. Grund für diese Beschränkung ist, dass der Gesetzgeber die Nacherbfolge mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen dem zuerst verstorbenen Ehegatten und dessen Verwandtschaft gerechtfertigt hat671. Im Rahmen der „secundosuccession“ wird nämlich der Nachlass, der nach dem Letztversterbenden noch vorhanden ist, zwischen den Erben beider Ehegatten je zur Hälfte nach Stämmen verteilt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Erbauseinandersetzung, sondern um eine Auseinandersetzung eigener Art672. Derjenige, der das beste Erbrecht hat, verdrängt den bzw. die anderen (3. Kap. § 2 ÄB). Sofern ein Abkömmling bereits sein Erbe im ersten Todesfall entnommen hat, ist dieser Erbe von der Erbfolge im Rahmen der „secundosuccession“ ausgeschlossen. Das „secundosuccessionsrätt“ baut auf der Annahme auf, dass zwischen den Ehegatten Gütergemeinschaft schwedischer Prägung geherrscht hat bzw. sämtliche Güter dem Güterausgleich unterlegen sind und „giftorättsgods“ dargestellt haben673. Wird diese Annahme durch das Vorhandensein von „enskild egendom“ oder „Vorbehaltsgut“ widerlegt, kommt es im zweiten Erbfall zu einer Anpassung und Abweichung vom Halbteilungsprinzip gem. Kap. 3 § 2 3. Abs. ÄB. Wegen den Problemen bei der Anteilsbestimmung kann auf die Ausführungen unter 4.2. und der Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten verwiesen werden. Das Göta Hovrätt hat in RH 1993:7 hat einen Antrag auf Nachlassverwaltung mit dem Ziel einer Anteilsbestimmung von Nacherben mit dem Hinweis, dass es dafür gute Gründe gäbe, es aber nicht Aufgabe der Judikatur sei, ein solches Recht zu statuieren, abgelehnt. 669 670 671 672 673

SOU 1998: 110, S. 77. Saldeen, aaO, S. 79. Saldeen, aaO, S. 71. Saldeen, aaO, S. 88. Höglund, aaO, S. 248.

166 Die Regelungen der Nacherbfolge sind durch Verfügung von Todes wegen abänderbar, wie unter Punkt 4.5.3 dieses Kapitels noch näher auszuführen sein wird. Vorweggenommen sei allerdings, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Högsta Domstolen mit der (gegenseitigen) Einsetzung des längerlebenden Ehegatten „med full äganderätt“ regelmäßig auch die gesetzliche Nacherbfolge abbedungen ist674.

4.4. Grundbetragsregelung - „basbeloppsregeln“ Das Erbrecht des Ehegatten ist nicht durch das Pflichtteilsrecht675 geschützt. Dies bedeutet, dass der verstorbene Ehegatte auf das Ehegattenerbrecht durch Testament einwirken und es entziehen kann676. Der Erblasser ist nach schwedischer Dogmatik nicht in seiner Testationskompetenz durch das Ehegattenerbrecht beeinträchtigt. Um zu verhindern, dass das gemeinschaftliche Vermögen der Ehegatten, welches den Lebensstandard geprägt hat, allzu sehr „zersplittert“ wird, wenn beispielsweise das Stiefkind seinen Erbanteil direkt dem Nachlass entnimmt oder aber der überlebende Ehegatte testamentarisch enterbt wird, soll dem überlebenden Ehegatten ein Grundbetrag verbleiben, damit dessen Überleben gesichert ist677. Es handelt sich um eine Grund- oder Basisversorgung678. In Kap. 3 § 1 Abs. 2 ÄB ist geregelt, dass der längerlebende Ehegatte jederzeit das Recht hat, der Hinterlassenschaft - soweit diese reicht - einen so hohen Betrag zu entnehmen, dass dieser zusammen mit dem Anteil des überlebenden Ehegatten aufgrund der Auseinandersetzung des Güterstandes sowie des eigenen Vorbehaltsgutes dem vierfachen Grundbetrag679 entspricht. Dem überlebenden Ehegatten muss folglich ein Vermögen von mindestens 169.600,00 SEK oder umgerechnet € 18.544,80 (für das Jahr 2010, Umrechnungskurs per 14.12.2010) verbleiben. Dieses Recht kann testamentarisch nicht eingeschränkt werden. Das Gesetz spricht dem Wortlaut nach davon, dass ein Testament, welches diese Regelung einschränkt, „ohne Wirkung“ sei. Allgemein wird jedoch nicht von einer generellen Unwirksamkeit des Testaments ausgegangen, lediglich in

674 675 676 677 678 679

NJA 1950, S. 483, NJA 1963, S. 11. Schwedisch: inte „laglottskyddad“. Saldeen, aaO, S. 58. SOU 1998:110, S. 126. Saldeen, spricht vom “bottenskydd”, Saldeen, aaO, S. 58. Inflationsbereinigter Grundbetrag der Sozialversicherung Lag 1962:381. Der einfache Grundbetrag beträgt für das Jahr 2010 SEK 42.400 oder umgerechnet € 4.636,21 (Kurs 14.12.2010).

167 dem Bereich, in dem das Testament die „basbeloppsregelung“ tangiert, entfaltet es keine Wirkung680. Die Grundbetragsregelung war früher im Ehegesetz verankert. Dies hat zu Qualifikationsproblemen bei internationalen Sachverhalten im Rahmen der Anknüpfung geführt. Durch die 1987er Reform sind die Grundbetragsregelungen in das Erbgesetz eingefügt worden und es wurde klargestellt, dass es sich bei diesem Rechtsinstitut um eine erbrechtliche Garantieregel handelt.681 Aufgrund des Wortlautes, wonach ein Testament, welches die Grundbetragsregelungen einschränkt, „ohne Wirkung ist“, war zudem strittig, ob der letzte Wille des Testators dann keine Wirkung entfaltet, wenn sich das Vermögen auf gleich bzw. weniger des vierfachen Grundbetrags beläuft, denn dies hätte eine Negierung der Testationskompetenz zur Folge682. Agell löst diese Problematik im Rahmen der Auslegung und unterstellt dem Testator in der Regel den Willen, dass der durch das Testament Begünstigte jedenfalls im Wege der Nacherbfolge zur Erbfolge gelangen soll 683. Diese Auslegung vertritt auch Walin, der der Ansicht ist, dass das Gesetz hier nicht wörtlich genommen werden solle684.

4.5. Das Erbrecht des Ehegatten im Verhältnis zu den Noterbrechten Das Noterbrecht wird in Schweden vornehmlich unter dem Aspekt der Begrenzung der Testierbefugnis behandelt und wird weniger im Bereich des eigentlichen Erbrechts angesiedelt.

4.5.1. Das Noterbrecht der Abkömmlinge Pflichtteilsberechtigt im engeren Sinne sind nur die Abkömmlinge, wobei der lebende nähere Abkömmling, entferntere Abkömmlinge ausschließt. Abkömmlingen gleichgestellt sind adoptierte Kinder. Ehegatten und Eltern haben nach schwedischem Recht kein Pflichtteilsrecht. Der Ehegatte wird durch den Grundbetrag bzw. die Regelungen über den „basbelopp“ geschützt685. Das schwedische Recht kennt auch eine Art Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. Kap. 7 § 4 ÄB. Ansprüche wegen einer beeinträchtigenden Schenkung 680 681 682 683 684 685

Agell, Testamentsrätt, S. 86. Saldeen, aaO, S. 58. Agell, Testamentsrätt, S. 87. Agell, Testamentsrätt, S. 88. Walin, I, S. 263 ff . Siehe hierzu unter 3.5.

168 müssen binnen Jahresfrist nach Errichtung des Inventars oder Nachlassverzeichnisses (schwedisch: „bouppteckning“) geltend gemacht werden. Danach sind die Pflichtteilsberechtigten mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen. Eine solche beeinträchtigende Schenkung muss entweder rückabgewickelt werden oder aber Ersatz geleistet werden686.

4.5.2. Ausgestaltung des Noterbrechts Das Pflichtteilsrecht des Abkömmlings ist als Noterbrecht ausgestaltet. Dies bedeutet, dass Abkömmlinge ein echtes Anteilsrecht in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbrechts haben687. Den Pflichtteilsberechtigten wird damit die Stellung eines Miterben eingeräumt und sie sind Nachlassbeteiligte. Der Noterbe muss jedoch gem. § 7 Abs. 3 ÄB sein Recht „auf Abänderung des Testaments“ oder seine Stellung innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod geltend machen, anderenfalls ist er mit seinen Rechten ausgeschlossen688.

4.5.3. Pflichtteilsansprüche und testamentarische Begünstigungen Nachdem der Pflichtteilsanspruch abhängig von der gesetzlichen Erbquote ist, stellt sich die Frage, wie die Pflichtteilsansprüche der gemeinschaftlichen Kinder zu behandeln sind, wenn der Ehegatte oder gar ein Dritter testamentarisch als Alleinerbe eingesetzt wird. Gesetzlich hat der überlebende Ehegatte vor den gemeinschaftlichen Abkömmlingen ein alleiniges Erbrecht. Gemeinschaftliche Abkömmlinge würden im Falle der gesetzlichen Erbfolge folglich gar nicht zum Zuge kommen. Sieht das Testament den Ehegatten als Alleinerben vor, so ist hinsichtlich des Pflichtteils der gemeinsamen Kinder und der einseitigen Kinder sowie wer Begünstigter wird, zu unterscheiden. Bei einer Begünstigung des Ehegatten beispielsweise „med full äganderätt“ erhalten die gemeinschaftlichen Kinder ihren Anteil nach wie vor erst nach dem Versterben des Längerlebenden. Der überlebende Ehegatte wird jedoch nicht Eigentümer des auf ihn entfallenden „gebundenen“ Nachlasses, er hat jedoch das freie Verfügungsrecht (vgl. Kap. 7 § 3 ÄB) 689. Wird ein Dritter testamentarisch begünstigt, ist in Kap. 7 § 3 Abs.2 ÄB eine gesetzliche Fiktion enthalten, dass für den Fall, dass die Kinder wegen einer Überschreitung der Testationskompetenz Anpassung verlangen, der angepasste 686 687

Süß/Haas, Erbrecht in Europa, Schweden, S. 870. Ferid/Firsching, Schweden, S. 28, Süß/Haas, Erbrecht in Europa, Schweden, S. 869, Rn. 91. 688 Ferid/Firsching, Schweden, S. 28. 689 Agell & Malmström, Civilrätt, S. 397.

169 Teil, und damit der Pflichtteilsanspruch, nicht vom Recht des Ehegatten auf Übernahme des Nachlasses erfasst ist. Die Kinder können sodann ihren Pflichtteil sofort geltend machen690. Die einseitigen Abkömmlinge des Erblassers können dagegen ihren Pflichtteil in jedem Fall sofort fordern. Der Högsta Domstolen hatte zu entscheiden, ob ein Pflichtteilsberechtigter das Recht hat, seinen Pflichtteil im ersten Erbfall zu fordern, wenn das Testament diesbezüglich vor dem Eindruck des alten Rechts eine ausdrückliche Regelung enthielt, wie mit dem Pflichtteilsanspruch zu verfahren sei. Das Gericht stellte auf den Willen des Testators ab und unterstellte, dass sich die Ehegatten selbst gegenseitig begünstigen wollten und damit in der Regel aus dem Testament hervorgeht, dass der Nachlass möglichst ungeschmälert übernommen werden sollte. Ein „testamentarischer“ Pflichtteilsanspruch besteht demnach nicht691.

5. Die gewillkürte Erbfolge Testamente oder letztwillige Verfügungen sind in Schweden zulässig. Unzulässig ist aber die Eingehung eines bindenden Erbvertrages. Dies ergibt sich aus dem Verbot des Kap. 17 § 1, 3 ÄB. Demnach ist ein Vertrag, den jemand über eine gesetzliche Erbschaft nach einem anderen schließt, unwirksam, wie auch, wenn der Erblasser mittels Vertrag über seinen Nachlass verfügt. Teilweise Wirkungen eines Erbvertrages können über den Umweg eines Erbverzichtsvertrags zumindest mit den gesetzlichen Erben erreicht werden.

5.1. Grundsätze Letztwillige Verfügungen bedürfen der Schriftform und der Unterschrift durch den Testator. Das Testament muss entweder in Anwesenheit zweier Zeugen errichtet oder sich zu Eigen gemacht und unterschrieben werden (Kap. 10 § 1 ÄB). Eine Abänderung erfordert dieselbe Form. Ein Widerruf durch Streichung oder Vernichtung ist immer möglich, selbst wenn der Erb-lasser sich dazu verpflichtet hat, das Testament nicht zu widerrufen. Das schwedische Recht kennt insoweit keine Bindungswirkung, denn Verträge zwischen zwei oder mehr Personen über den Nachlass einer noch lebenden Person

690 691

Agell & Malmström, Civilrätt, S. 397. RH 1992:42.

170 sind stets unwirksam. Möglich ist allenfalls ein schriftlicher Vertrag zwischen dem Erblasser und einem volljährigen Erben, der einen Erbverzicht vorsieht692.

5.2. Gemeinschaftliche Testamente Das schwedische Recht kennt gemeinschaftliche Testamente, diese werden üblicherweise vornehmlich von Ehegatten bzw. Zusammenlebenden errichtet. Die Form entspricht der eines normalen Testaments. Das sogenannte „inbördestestament“693 hat keine Bindungswirkung und kann jederzeit von beiden oder auch nur einem der Testierenden widerrufen werden. Der Widerruf gilt nur für die eigene Verfügung. Die andere bleibt erhalten. Eine Bekanntgabe des Widerrufs an den anderen Teil ist nicht erforderlich. Dies gilt auch nach dem Tod eines Ehegatten694. Von diesem Grundsatz statuiert Kap. 10 § 7 ÄB eine Ausnahmeregel. Demnach geht der Widerrufende seines eigenen Rechtes aus dem Testament verlustig, wenn durch den Widerruf oder die Änderung seiner Verfügung die Voraussetzungen, unter denen das Testament errichtet worden ist, wesentlich erschüttert werden. Es handelt sich um eine gesetzliche Auslegungsregel für den Fall, dass aus dem Testament nichts anderes hervorgeht695. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn eine gegenseitige Erbeinsetzung tangiert wird, nicht jedoch, wenn die Verteilung des eigenen Nachlasses nach dem Tode des Längerlebenden betroffen ist696. Setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Erben ein und treffen keine Schluss- oder Nacherbfolgeregelung, wird im Zweifel der überlebende Ehegatte Alleinerbe697. Wird der überlebende Ehegatte mit „full äganderätt“ eingesetzt, führt dies nicht nur zu einer Befreiung des Ehegatten von der gesetzlich vorgesehenen Verfügungsbeschränkung, sondern im Zweifel auch zur Annahme, dass die gesetzliche Nacherbschaft abbedungen ist698. Der Högsta Domstolen hat festgehalten, dass ein gemeinschaftliches Testament, welches in Bezug auf die Schlusserbeinsetzung keine Regelung getroffen hat, mit Rücksicht auf die gängige Praxis dahingehend auszulegen ist, dass die gesetzliche Nacherbfolge abbedungen ist699. Diese Linie hat die Judikatur trotz starker Kritik hieran 692 693 694 695 696 697 698 699

Süß/Haas, Erbrecht in Europa, Schweden, S. 865. Übersetzt: gegenseitiges, gemeinschaftliches Testament. Agell, Testamentsrätt, S. 88. Agell, Testamentsrätt, S. 89. Agell, Testamentsrätt, S. 89 mwN. Süß/Haas, Erbrecht in Europa, Schweden, S. 865. Agell, Testamentsrätt, S. 92. NJA 1950, S. 483.

171 weiterverfolgt700. Setzen sich die Ehegatten mit „full äganderätt“ gegenseitig ein und schließen einen Abkömmling von der gesetzlichen Erbfolge aus, dann ist nach Ansicht des Högsta Domstolen hingegen keine Abänderung der Nachbzw. Schlusserbfolge gewollt701.

5.3.Testierungskompetenz Der Testator ist nach schwedischem Recht nicht befugt, über die Hälfte seines Nachlasses zu testieren, da dieser für die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten vorgesehen ist. Diese Hälfte ist gebunden, während die andere Hälfte disponibel ist702. Wie bereits erwähnt, kann ein Pflichtteilsberechtigter bei einer Überschreitung dieser Testierungskompetenz Anpassung verlangen. Der überlebende Ehegatte ist nicht berechtigt, über den ideellen Anteil des verstorbenen Ehegatten testamentarisch zu verfügen. Ist der Ehegatte allerdings mit „full äganderätt“ eingesetzt, kann dieser auch letztwillig über den Anteil des anderen Ehegatten verfügen703. Im Rahmen der Auslegung wird sich dann regelmäßig herausstellen, dass kein Raum mehr für eine Nacherbschaft ist 704. In Kap. 3 § 2 Abs. 1 S. 2 ÄB ist geregelt, dass der längerlebende Ehegatte im Falle der gesetzlichen „Vorerbschaft“ nicht durch Testament über Eigentum bestimmen kann, welches den Erben des zuerst verstorbenen Ehegatten zufallen soll. Durch den Högsta Domstolen wurde klargestellt, dass sich die Beschränkung der Testierfreiheit nur auf die ideelle Quote, nicht jedoch (gleichzeitig) auf Gegenstände bezieht, die im Eigentum des verstorbenen Ehegatten standen705. Dies war lange Zeit streitig706. Als Begründung wurde angeführt, dass sich eine solche Begrenzung weder aus dem Gesetzestext noch aus den Vorarbeiten des Gesetzes ableiten lässt. Nach Ansicht des obersten Gerichts bezieht sich der Wortlaut nur auf den Anteil und nicht auf das Eigentum. Abgeleitet wurde die Ansicht unter Berücksichtigung des Kap. 3 § 5 ÄB707. Diese Norm 700 701 702 703 704

NJA 1993, S. 145. NJA 1996, S. 791. Agell, Civilrätt, S. 396, 397. Brattström, aaO, S. 127. Brattström, aaO, S. 127, zumal die Judikatur im Falle einer solchen Anordnung regelmäßig von einer Abbedingung der Nacherbfolge ausgeht, wie bereits dargestellt (vgl. NJA 1993, S. 145). 705 NJA 1995, S. 303 706 Eine ausführliche Zusammenfassung mit weiteren Nachweisen findet sich bei Höglund, Efterlevandes Makes Testationsrätt, FS Bertil, S. 248.ff . 707 NJA, 1995, S. 303.

172 enthält Vorschriften zur Auseinandersetzung nach dem Tode des überlebenden Ehegatten, insbesondere dass sich der Anteil der Erben des zuerst Verstorbenen auch auf Surrogate im Alleineigentum des Längerlebenden bezieht. Die Problematik ist synonym zu der im Rahmen der gesetzlichen Vorerbschaft.

6. Der Erwerb der Erbschaft und die Nachlassauseinandersetzung Formelle Regelungen zur Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft finden sich im Ehegesetz, die zur Auseinandersetzung des Nachlasses im Erbgesetz. Ausdrückliche Vorschriften zu Erwerb, Annahme, Ausschlagung und Übertragung der Erbschaft kennt das schwedische Recht nicht. Die damit zusammenhängenden Fragen scheinen für den Gesetzgeber und die Rechtswissenschaft nicht wichtig zu sein708.

6.1. Die rechtliche Einordnung des Nachlasses Der Nachlass oder „dödsbo“ ist ein Sondervermögen und eine juristische Person, die mit dem Tode des Erblassers entsteht. Dieses Sondervermögen haftet für die Schulden des Erblassers709. An diesem Nachlass bzw. Nachlassverfahren sind der Ehegatte, der Sambo (egal ob registriert oder nicht), Erben und Pflichtteilsberechtigte sowie ggfls. testamentarisch Begünstigte zu beteiligen (Kapitel 18 § 1 ÄB). Nacherben und Legatare sind nicht am Nachlass beteiligt710. Erst im Nacherbfall sind die Nacherben beteiligt. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass die Frage der Haftung für Schulden sowie des Erwerbs in Schweden nicht den Stellenwert hat, den es in anderen Rechtsordnungen hat.

6.2. Die Auseinandersetzung in formeller Hinsicht Übernimmt der Ehegatte als Alleinerbe den Nachlass, findet weder eine Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft noch eine Auseinandersetzung des Nachlasses statt711. Die Auseinandersetzung des Güterstandes übernimmt der Ehegatte zusammen mit den übrigen Erben und testamentarisch Begünstigten. Hier gilt 708 709 710 711

Carsten in Ferid/Firsching, Schweden, aaO, S. 17. Süß/Haas, Erbrecht in Europa, Schweden, S. 870, Agell & Malmström, aaO, S. 403. Agell & Malmström, aaO, S. 403. Agell & Malmström, aaO, S. 407.

173 das, was auch bei einer Scheidung gilt (Kap. 9 § 5 ÄktB). Die Erbauseinandersetzung wird von den Erben und den testamentarisch Begünstigten betrieben (Kap. 23 § 1 Abs. 1 ÄB). An der Auseinandersetzung ist zwar nicht zwingend der Ehegatte oder der Zusammenlebende zu beteiligen. Diese sind nur dann zu beteiligen, wenn ihnen im konkreten Fall auch Rechte zustehen können 712. Dies wird jedoch regelmäßig der Fall sein. Der Erbschaftsbesitzer hat die Verwaltung des Nachlasses zu besorgen. Bei einem entsprechenden Antrag eines Nachlassbeteiligten kann dies von einem Gericht eingesetzten Nachlassverwalter geschehen713. Dieser hat binnen drei Monaten ein Nachlassverzeichnis zu erstellen und binnen eines weiteren Monats bei Gericht einzureichen. Es hat eine förmliche Verhandlung über das Nachlassverzeichnis zu erfolgen. Das Vermögen ist zu bewerten und der Anteil am Gesamtgut des überlebenden Ehegatten (Kap. 12 § 2 ÄktB), das Gesamtgut „giftorättsgod“ an sich sowie das „enskild egendom“ der Ehegatten ist ebenfalls festzuhalten und zu benennen. Im Falle der testamentarischen Erbfolge wird von den eingesetzten Erben von der Rechtsprechung - ohne gesetzliche Verankerung - ein Willensakt verlangt, der auf die Erbschaftsannahme schließen lässt714. Bei der Auseinandersetzung der Vermögensverhältnisse der Gatten nach dem Tode des längerlebenden Gattenteils handelt es sich nicht um eine Erbauseinandersetzung im klassischen Sinne, sondern um eine Auseinandersetzung besonderer Art715.

7. Zusammenfassung Nach schwedischem Recht wird der überlebende Ehegatte bei dem Vorhandensein gemeinsamer Abkömmlinge Vorerbe mit freier Verfügungsbefugnis. Sind weder Abkömmlinge noch Erben zweiter Klasse vorhanden, wird der Ehegatte weitestgehenst befreiter Vorerbe („med full äganderätt“). Dies spricht für eine starke Stellung zumal nur einige wenige Verfügungsbeschränkungen normiert sind. 712 713

Håkansson, Juridiska Handbok, S. 726. Schwedisch: boutredningsman. Das schwedische Recht kennt den „bodelningsförrättare“, also denjenigen, der den Güterstand der Eheleute auseinandersetzt und den „skiftesman“, der den Nachlass auseinandersetzt. Im Falle der Bestellung eines „boutredningsmans“ hat dieser die Rechte des „bodelningsförrättare“ und des „skiftesman“ (Kap. 17 § 1 Abs. 2 ÄktB und Kap. 23 § 5 ÄB). 714 Agell, Testamentsrätt, S. 103. 715 Saldeen, aaO, S. 87.

174 Diese starke Stellung, wird jedoch bei dem Vorhandensein von einseitigen Abkömmlingen erheblich abgeschwächt. In diesem Fall können die einseitigen Abkömmlinge eine (Teil-) Auseinandersetzung verlangen. Der Ehegatte hat dann überhaupt kein gesetzliches Erbrecht mit Ausnahme der Mindestbeteiligung über die Grundbetragsregeln. Der Ehegatte wird lediglich auf den güterrechtlichen Ausgleich verwiesen. Im ungünstigsten Fall bestand das Vermögen der Ehegatten hauptsächlich aus Vorbehaltsgut, dann kann der überlebende Ehegatte seine Stellung in diesem Fall überhaupt nicht beibehalten und wohl auch nicht sichern. Den Betrag, den der Ehegatte über den Grundbetrag für sich beanspruchen kann, ist sehr gering und der Gatte hat sich eigenes Vermögen anrechnen zu lassen. Das schwedische Recht ordnet als logische Konsequenz des Vorerbrechts auch eine Nacherbfolge an, die jedoch testamentarisch umgangen werden kann. Die Nacherben sind gegen Verfügungen des überlebenden Ehegatten mit Ausnahme testamentarischer Verfügungen jedoch kaum oder nur lückenhaft abgesichert und tragen damit das Risiko der Entleerung des Nachlasses, denn der überlebende Ehegatte ist zum Verbrauch und auch zu Schenkungen grundsätzlich berechtigt. Problematisch ist im schwedischen Recht die Frage der entstehenden Vermögensmasse bei Übernahme des Nachlasses durch den überlebenden Ehegatten ausgestaltet. An die auf den ersten Blick einheitliche Vermögensmasse werden anteilig unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft. Der schwedische Gesetzgeber hat meines Erachtens versucht, gesetzlich eine Regelung ähnlich der Trennungslösung beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament herbeizuführen. Aufgrund der Eigenheiten des Güterstandes ist es allerdings problematisch, von getrennten Vermögensmassen auszugehen. Für die Annahme der Trennungslösung sprechen die Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten und die Haftungsvorschriften, die sich jeweils nur auf den ideellen Anteil des Verstorbenen beziehen. Abkömmlinge haben nur auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, eine Klärung herbeizuführen, welches Vermögen unter welche Rechtswirkungen fällt. Kehrseite dieser unklaren Situation ist, dass der überlebende Ehegatte ebenfalls nicht abschließend bestimmen kann, inwieweit er von Todes wegen über den Nachlass verfügen kann. Die Halbteilungsregelung nach dem Tode des Längerlebenden kann bei einer wesentlichen Minderung des Vermögens aber auch bei Zuwächsen und Verschiebungen im Güterstand zu Unbilligkeiten führen. Insgesamt dürfte es für die jeweiligen Erben im zweiten Todesfall nicht leicht sein, den Nachweis zu führen, welches Eigentum welchen Regelungen unterfällt. Dies birgt meines Erachtens Konfliktpotential.

175 Zwar können die Ehegatten in diesem Fall durch Erbvertrag und Ehepakt Regelungen bei einseitigen Abkömmlingen zur Vorsorge treffen. Nachdem dem Ehegatten selbst kein Erbrecht zukommt, ist der Pflichtteilsanspruch der Abkömmlinge recht hoch und stellt eine echte Mindestbeteiligung am Nachlass dar. Damit werden aber gemeinschaftliche Abkömmlinge und außereheliche Abkömmlinge unterschiedlich behandelt. Nur im Falle der einseitigen Abkömmlinge und bei einer Begünstigung des Ehegatten durch Testament kann der Pflichtteil der gemeinschaftlichen Abkömmlinge „abgewendet“ werden. Der Ehegatte kann dann über das Vermögen, welches durch latente Pflichtteilsansprüche gebunden ist, frei verfügen, nicht jedoch wie ein Eigentümer. Im Wege des Ehepaktes stehen den Ehegatten in Schweden im Vergleich zu den anderen untersuchten Rechtsordnungen die wenigsten Möglichkeiten zur Verfügung, da dieser bedingungsfeindlich ist. Die Regelung, gemeinschaftliche Testamente zu errichten, birgt meines Erachtens aufgrund der fehlenden Bindungswirkungen und der freien Widerruflichkeit ohne gleichzeitige Bekanntgabe des Widerrufs beim anderen Teil ein hohes Risiko, dass die beabsichtigte Erbfolge doch noch durch eine Änderung in Frage gestellt wird, auch wenn der Widerrufende seines Vorteils aus der Verfügung des anderen verlustig geht. Die Stellung des Ehegatten in Schweden ist insgesamt bei dem Vorhandensein von gemeinschaftlichen Abkömmlingen sehr stark, bei dem Vorhandensein von einseitigen Abkömmlingen jedoch schwach, wenn diese ihren Erbteil fordern. Misslich ist, dass dem Ehegatten kein eigenes Erbrecht bei einseitigen Abkömmlingen zukommt. Dies führt dazu, dass außereheliche und eheliche Abkömmlinge in höchstem Grade unterschiedlich behandelt werden.

177

8. Kapitel: Rechtsvergleichendes Resümee Die hier untersuchten Rechtsordnungen haben in den letzten hundert Jahren die Stellung des überlebenden Ehegatten erheblich gestärkt, obwohl die Ausgangssituation wie auch die Rechtstradition in den einzelnen Ländern unterschiedlich gewesen ist716. Angesichts der Entwicklung der Stellung des Ehegatten im nordischen und österreichischen Recht im Laufe des letzten Jahrhunderts kann die These aufgestellt werden, dass die Stärkung der Stellung des Ehegatten eine aktuelle Tendenz717, allerdings unterschiedlicher Intensität und Prägung, darstellt.

1. Grundlagen Es gibt innerhalb der nordischen Länder einen klaren Unterschied zwischen Dänemark und Norwegen auf der einen Seite sowie Schweden auf der anderen Seite. Dies erklärt sich teilweise aus der gemeinsamen Entwicklung, die Norwegen und Dänemark durch die Vereinigung beider Länder bis ins Jahr 1814 erfahren haben. Die damaligen Traditionen prägen noch immer in Randbereichen die Stellung des überlebenden Ehegatten in der Rechtsordnung718. Auf der einen Seite steht das Recht Schwedens, auf der anderen Seite das Recht Dänemarks und Norwegens. Auch wenn die untersuchten Länder keine gemeinsame Rechtstradition, gerade im Bereich des Erbrechts gehabt haben, ist Schweden im Bereich der Rechtsetzung und Ausgestaltung neue, im Verhältnis zur überlieferten Rechtstradition, unkonventionelle, am praktischen Bedarf orientierte Wege gegangen719. Demgegenüber steht das österreichische Recht. Dieses weist zwar im Wesentlichen dieselben Grundprinzipien wie die nordischen Rechtsordnungen auf, hat jedoch eine andere Entwicklung und Prägung genommen. Interessant ist, dass das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch als Vorlage für ein dänisches Landschaftsgesetz Ende des 18. Jahrhunderts gedient hat und dieses maßgeblich in das Erbgesetz aus dem Jahr 1964 eingeflossen ist 720. Trotz dieser gemeinsamen Tradition wird im österreichischen Recht der Ehegatte zwischenzeitlich durch andere Rechtsinstitute abgesichert, als dies im 716 717 718 719 720

Für das nordische Recht: Lødrup, Nordisk Arverett, S. 122. Welser, Verhandlungen zum 17. ÖJT, S. 29, Lødrup, Nordisk Arverett, S. 122. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 122. Agell/Lødrup aaO, S. 40. Nørgaard, aaO, S. 244, 245, siehe Darstellung unter Kap. 6 Punkt 2.2.

178 nordischen Recht der Fall ist, wobei der Fokus im österreichischen Recht auf der Sicherstellung des Lebensbedarfs liegt und nicht auf der Beibehaltung des Lebensstandards. Die Orientierung am praktischen Bedarf und am durchschnittlichen Willen (potentieller) Erblasser spielt kaum bzw. gar keine Rolle, dies haben die Verhandlungen des 17. österreichischen Juristentages beispielhaft gezeigt721. Die erbrechtliche Stellung des Ehegatten wurde in allen nordischen Rechtsordnungen aufgrund von Auswertungen des Gerechtigkeitsempfindens der Bevölkerung, teilweise durch empirische Erhebungen der Testierpraxis, ausgestaltet. Demgegenüber wurde in Österreich die Diskussion anlässlich der letzten großen Reform im Jahr 1978 eher interessensbezogen geführt722. Nach Ansicht von Freisitzer ist das österreichische Erbrecht inhaltlich Ergebnis formalrechtlicher Überlegungen und philosophisch-ethischer Überlieferungen723. Aber auch bei den Verhandlungen zum letzten österreichischen Juristentag hat sich gezeigt, dass die Diskussion sehr zurückhaltend geführt wird. Welser, der Berichterstatter für das Erbrecht, führt aus, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des Gesetzgebers sei, der Judikatur „hintendreinzulaufen“ und auch gesellschaftliche Veränderungen nicht zwingend einer Reform bedürften, da es in Wirklichkeit nur wenige „zum Himmel schreiende Dinge“ gäbe. Lediglich bei Fehlleistungen des Gesetzgebers sei Mut zur Veränderung notwendig724.

2. Das eheliche Güterrecht Die isolierte Betrachtung der erbrechtlichen Rechte ist in allen Rechtsordnungen nicht geeignet, abschließend die Stellung des Ehegatten zu beurteilen, da anderenfalls nicht beurteilt werden kann, was genau der Nachlass des Ehegatten darstellt und inwieweit ein güterrechtlicher Ausgleich vom Gesetz als Regel vorgesehen und geeignet ist, eine Versorgung des überlebenden Ehegatten sicher zu stellen. Daneben hat der Güterstand aber auch Einfluss auf das Vermögen des überlebenden Ehegatten selbst. Kennzeichnend für die nordischen Rechtsordnungen

721

vgl. hierzu Schlussbericht des 17. österreichischen Juristentages, abgerufen unter www.juristentag.de am 15.11.2010. 722 vgl. hierzu Stenographisches Protokoll der 96. Sitzung des Nationalrates GP XIV, vom 15.06.1978. 723 Freisitzer, aaO, S. 102 ff.. 724 Welser, Verhandlungen zum 17. ÖJT, S. 12.

179 ist eine enge Verbindung von Erbrecht und Ehegüterrecht725. Nicht so im österreichischen Recht. Zwar kennt das österreichische Recht auch als güterrechtlich einzuordnende bzw. aus dem Güterrecht resultierende Absicherungsinstrumente, auf den Nachlass hat das Güterrecht aber in der Regel aufgrund der Gütertrennung keinen Einfluss.

2.1. Exkurs: gleichgeschlechtliche Partnerschaften und nichteheliche Lebensgemeinschaften In allen nordischen Ländern - in Österreich erst seit dem 01.10.2010 - sind nicht registrierte Partner, nunmehr in den nordischen Ländern sogar mit Adoptionsbefugnis, den heterosexuellen Ehegatten gleich gestellt. In Österreich kann nicht einmal ein Abkömmling eines Partners von dem anderen Partner adoptiert werden. Während sich der österreichische Gesetzgeber bewusst einer Regelung der unehelichen Lebensgemeinschaft bzw. „wilder Ehe“ enthält, trifft der nordische Gesetzgeber hier Regelungen, die jedoch innerhalb der nordischen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgestaltet sind. Im norwegischen Recht hat der überlebende Lebensgefährte bei mindestens einem gemeinsamen Kind seit dem 01.09.2009 ein gesetzliches Erbrecht. Der Lebensgefährte kann, wie der Ehegatte, im Rahmen des „minstearv“ einen Betrag in Höhe von € 36.715,40 (Stand 14.12.2010) beanspruchen und daneben von dem Recht, in „fingierter“ fortgesetzter Gütergemeinschaft hinsichtlich der gemeinsamen Wohnstätte, des Hausstandes sowie des Kraftfahrzeugs und Freizeiteigentums zu verbleiben, Gebrauch machen726. In Dänemark wurde ein gesetzliches Erbrecht diskutiert, aber schließlich abgelehnt, da uneheliche Lebensgefährten nicht dieselben Verpflichtungen füreinander haben wie Ehegatten727. Die seit mindestens zwei Jahren in nichtehelicher Lebensgemeinschaft Lebenden bzw. solche, die gemeinschaftliche Kinder haben, können allerdings testamentarisch bestimmen, dass sie sich beerben, als ob sie Ehegatten wären. Eine Fortsetzung der „Gütergemeinschaft“ kann nicht erreicht werden. Die gemeinsame Wohnstätte sowie der Hausrat können gegen Anrechnung auf das testamentarische Erbe oder eine Ausgleichszahlung übernommen werden. Die Anwendung dieser gesetzlichen Möglichkeit führt zu einer Beschränkung des gesetzlichen Erbrechts vor allem der Abkömmlinge und damit auch zu einer Reduzierung der Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge. Die 725 726 727

Korkisch, Einführung in das Privatrecht der nordischen Länder, I, S. 152. Vergleiche die Ausführungen unter Kapitel 5 Punkt 2.2.3. Bet. 1473/2006, S. 161-169.

180 nichtehelichen Lebensgefährten können daher durch ein Testament ein „gesetzliches Erbrecht schaffen“. Das Rechtsinstitut des „uskifte bo“ kann nicht zur Anwendung kommen728. Nichteheliche Lebensgefährten können in Schweden ebenfalls testamentarisch eine Regelung erreichen, die dem Ehegattenerbrecht, jedoch ohne Aussetzung bzw. Reduzierung des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge nahe kommt. Der Längerlebende kann zudem Rechte in Bezug auf das gemeinsame Heim sowie den sog. kleinen Grundbetrag geltend machen.729

2.2. Der gesetzliche Güterstand Wie bereits erwähnt, haben sich die skandinavischen Staaten im Rahmen der internordischen Zusammenarbeit bereits im Jahr 1921 auf einen einheitlich erarbeiteten Güterstand, einer Kombination aus Gütertrennung und Gütergemeinschaft, geeinigt. Auf Güter, die dem Gesamtgut zugeordnet werden, erwirbt jeder Ehegatte für den Fall der Auflösung der Ehe einen Hälfteanspruch im Sinne einer Anwartschaft, welches in allen nordischen Rechtsordnungen als „Halbteilungsprinzip“ bezeichnet wird. Letzteres bedingt, dass die Ehegatten in der Verfügungsbefugnis zwar weitestgehenst frei sind, aber eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis wegen der Verflechtungen und damit der latenten Gefahr missbräuchlichen Verfügungen notwendig ist. 730. Der andere Gatte soll vor illoyalen Vermögensverschiebungen geschützt werden731. Demgegenüber steht der Güterstand der Gütertrennung in Österreich, der von getrenntem Eigentum ausgeht und in der Konsequenz auch keine Verfügungsbeschränkungen der Ehegatten kennt. So sehr sich die Regelungen der Gütergemeinschaft in den nordischen Staaten oberflächlich gleichen, so gibt es doch innerhalb der nordischen Rechtsordnungen teilweise gravierende Unterschiede gerade bei der Frage, welches Vermögen dem Gesamtgut und damit dem Halbteilungsgrundsatz unterfällt und welches nicht. Dies zeigt sich am ehesten im norwegischen Recht, welches aufgrund der Möglichkeit, sich auf die „skjevdeling“ bzw. asymmetrische Teilungs-

728 729 730

Vergleiche die Ausführungen unter Kapitel 6 Punkt 5.3. Vergleiche die Ausführungen unter Kapitel 7, Punkt 176. So kennen alle nordischen Rechtsordnungen auch den sogenannten „vederlagskrav“, den Schadensersatzanspruch, sofern ein Gatte über seine im Innenverhältnis geltende Verfügungsbeschränkung nach außen überschreitet. Vgl für N: § 63 EL, DK: § 23 ÆL, S: Kap. 11 § 4 ÄktB. 731 Agell & Malmström, aaO, S. 367.

181 regelung zu berufen, zu einem Güterstand führen kann, der der Zugewinngemeinschaft entspricht732. Aber auch an der unterschiedlichen Behandlung von Schenkungen an einen Ehegatten werden Unterschiede deutlich. Während diese im norwegischen Recht grundsätzlich dem Vorbehaltsgut zuzurechnen sind733, ist dies im dänischen Recht allerdings nur bei einer Bestimmung des Schenkers der Fall, sonst fällt das geschenkte Vermögen unter die Regelungen des Halbteilungsprinzips 734. Letzteres gilt auch für das schwedische Recht735. Das schwedische Recht kennt zudem die Kategorie „enskild egendom“. Es handelt sich hierbei um Eigentum, welches eigentlich dem Gesamtgut unterfallen würde, aber dem Halbteilungsprinzip von Gesetzes wegen entzogen wird. Hierzu gehören vornehmlich Schadensersatzansprüche oder Pensions- und Versicherungsansprüche736.

2.2.1. Wahlgüterstände Bei der Wahl der Vermögensverhältnisse und des Güterstandes sind die Ehegatten in allen untersuchten Rechtsordnungen grundsätzlich frei. Die vertraglichen Möglichkeiten sind in Schweden im Vergleich zu den übrigen Rechtsordnungen eingeschränkt. Die Ehegatten können lediglich Vorbehalts- und Gesamtgut bestimmen (Kap. 7 § 3 Abs. 1 ÄktB). Der Ehepakt darf aufgrund des Gesichtspunkts des Gläubigerschutzes nicht von Bedingungen abhängig gemachten werden737. Regelungen, wonach im Falle einer Scheidung eine andere Beurteilung wie im Falle des Todes erfolgen soll, wie in Dänemark, Norwegen und Österreich, sind nicht möglich. Die größten Wahlmöglichkeiten sieht das norwegische und dänische Recht vor. Die Ehegatten können durch vertragliche Gestaltungen und (Um)Qualifizierungen in Todesfall erhebliches Vermögen dem Nachlass des zuerst Versterbenden entziehen738.

732 733 734 735 736 737 738

Frantzen, ZVglRWiss 101 (2002), S. 482 ff.. Norwegen: § 59 EL. §§ 15, 28 ff. lov om ægteskabets retsvirkningar Nr. 56/1925. Kap. 7 § 2 ÄktB. Grauers, aaO, S. 36 ff.. Grauers, aaO, S. 580. Für Dänemark folgt dies aus § 28 Abs. 2 ÆL, vgl. Ferid/Firsching, Norwegen, aaO, S. 11.

182

2.2.2. Anpassungsmöglichkeiten Alle Rechtsordnungen kennen, zumindest aufgrund von allgemeinem Vertragsrecht, die Möglichkeit, einen Ehepakt „anzufechten“ bzw. nach Billigkeitserwägungen das Ergebnis anzupassen. Unterschiede ergeben sich bei der Frage, ob diese Billigkeitserwägungen auch bei einer Auseinandersetzung des Güterstandes im Todesfalle zur Anwendung kommen. Das österreichische Recht kennt eine Anpassung des Ergebnisses der Güterauseinandersetzung nach Billigkeitserwägungen gem. § 81 EheG, bei der es im Scheidungsfalle zu einer Aufteilung des Gebrauchsvermögens, unabhängig vom gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung kommt. Dieser sogenannte Aufteilungsanspruch findet nur bei einer Beendigung der Ehe durch eine Scheidung Anwendung, jedoch nicht im Todesfalle739. Hier wird der Ehegatte alleine auf das gesetzliche Erbrecht verwiesen. Die hierdurch entstehenden Ungerechtigkeiten hat der Gesetzgeber nicht als solche gesehen bzw. bewusst hingenommen 740. Dies führt regelmäßig zu einer Schwächung der Stellung des überlebenden Ehegatten, kann er doch diesen Anspruch nicht geltend machen. Das norwegische Recht kennt gem. § 59 EL eine Anpassung des Güterstandes über die Regelung des „skjevdeling“. Demnach kann geltend gemacht werden, dass Vermögen, welches vor Eingehung der Ehe bereits vorhanden war, nicht der Halbteilung unterfällt. Nachdem sich sowohl der überlebende Ehegatte als auch die Erben auf diese Vorschrift berufen können, hängt die Frage, ob diese Vorschrift zum Vor- oder Nachteil des überlebenden Ehegatten ist, von den Vermögensverhältnissen der Ehegatten ab. Die Regelung des § 59 EL ist disponibel, die Ehegatten können noch zu Lebzeiten auf die Anwendung durch Ehepakt Einfluss nehmen. § 59 EL gilt auch im Todesfall, nicht jedoch bei der Auseinandersetzung des „uskifte bo“ (§ 77 EL). Unbillige Eheverträge können über § 46 EL eine Anpassung finden. Gem. § 77 AL kann sich auf die Anpassung nur der überlebende Ehegatte berufen, nicht jedoch die Erben. Dies stärkt die Stellung des Ehegatten. Daneben kann auf sachenrechtlicher Zuordnungsebene eine Anpassung über die nunmehr gesetzlich normierte Regelung des Hausfrauenurteils erreicht werden. Nach norwegischem Recht kann die Hausarbeit eigentumsbegründend sein741. Im Verhältnis zu den Pflichtteilsberechtigten können seit dem Jahr 1985 unbillige Vermögensverschiebungen durch die Regelung des Güterstandes im

739 740 741

Schwimann, ABGB Band 1, aaO, § 96 EheG. Vgl. Ausführungen in Kap. 4, Punkt 2.2.3. Frantzen, aaO, S. 483.

183 Ehepakt im Rahmen der Güterauseinandersetzung bzw. Nachlassauseinandersetzung wie Schenkungen beurteilt werden742. Das dänische Recht kennt eine Anpassung gem. § 69a DSKL bei offenbarer Unangemessenheit, insbesondere sofern die Ehe nur kurz währte oder ungleiche Vermögensverhältnisse vorlagen. Eine Anpassung des Ehepaktes, falls das Vermögen durch eine Scheidung unangemessen verringert werden würde, kennt das dänische Recht ebenfalls (§ 56 ÆL). Diese Norm ist im Todesfall jedoch nicht anwendbar. Zur Schließung der Lücke wird das allgemeine Vertragsrecht, namentlich § 36 des Vertragsgesetzes, herangezogen743. Im schwedischen Recht kann im Todesfall vom überlebenden Ehegatten, aber nicht von den Erben geltend gemacht werden, dass jeder sein Gesamtgut behält (Kap12 § 2 ÄktB). Daneben kann im Falle der Unangemessenheit eine Anpassung gem. Kap. 12 § 3 ÄktB erfolgen. Diese Regelung ist auch im Todesfall anwendbar. Zu einer Anpassung führt auch das Institut des „dold äganderätt“, welches ebenfalls auf sachenrechtlicher Ebene anknüpft. Damit kennen die nordischen Rechtsordnungen grundsätzlich Anpassungsmöglichkeiten nach Billigkeitserwägungen, die im Todesfall nur der überlebende Gattenteil geltend machen kann bzw. bei dem zweiten Todesfall nicht geltend gemacht werden können.

2.3. Der Nachlass im ersten Todesfall Allen Rechtsordnungen ist gemeinsam, dass eine Auseinandersetzung des Güterstandes im Todesfall vorgesehen ist, wobei aufgrund des gesetzlichen Güterstands der Gütertrennung eine förmliche Auseinandersetzung nach österreichischem Recht nicht notwendig ist. Es kommt zu einer Verteilung bzw. Zuordnung des Vermögens. Es kommt jedoch nicht, wie beispielsweise in Deutschland, zu einer pauschalen Erhöhung der Erbquote. Sofern jedoch der überlebende Ehegatte entweder den Nachlass als Vorerbe in Schweden oder aber im Rahmen der fortgesetzten Gütergemeinschaft übernimmt bzw. übernehmen kann, kann in Norwegen oder Dänemark aus Praktikabilitätserwägungen von einer Auseinandersetzung des Güterstandes abgesehen werden. Die Rechte des längerlebenden Ehegatten umfassen in Schweden Anteile des Ehegatten, seien sie Gesamt- oder Vorbehaltsgut. Dies liegt aber an der alleinigen Vorerbenstellung und weniger an den Grundlagen des Güterrechts.

742 743

Rt 1985, S. 1291 ff.. Siehe Kap. 6, Punkt 4.2.2.2.

184 In den anderen nordischen Ländern wird danach unterschieden, ob es sich um Gesamt- oder Vorbehaltsgut handelt. Nur der Anteil am Gesamtgut sowie das Vorbehaltsgut des Verstorbenen fallen in den Nachlass. Diese Unterscheidung kommt in Schweden regelmäßig erst dann zum Zug, wenn der überlebende Ehegatte von seinem Vorerbrecht Abstand nimmt - was jedoch in der Praxis nicht häufig geschieht - bzw. enterbt und auf seinen „Pflichtteil“ gesetzt wird.

3. Die Stellung des Ehegatten bei der sofortigen Auseinandersetzung Alle Rechtsordnungen sehen die Möglichkeit vor, nach dem ersten Todesfall den Nachlass bzw. die Vermögensverhältnisse auseinanderzusetzen. Der Regelfall ist dies in den nordischen Rechtsordnungen jedoch nicht.

3.1. Auseinandersetzung oder Aussetzung der Erbrechte Das nordische Recht unterscheidet sich von dem österreichischen Recht vornehmlich dadurch, dass eine Auseinandersetzung nach dem ersten Todesfall von der Grundkonzeption her vermieden wird und es erst nach dem zweiten Erbfall zu einer Auseinandersetzung, dann allerdings auch mit den Erben des zuerst Verstorbenen, kommt. Dies soll es dem überlebenden Ehegatten möglich machen, seinen Lebensstandard im vorherigen Umfang zu erhalten und führt zur vergleichsweise starken Stellung des überlebenden Ehegatten, denn immer wenn er den Nachlass entweder aufgrund eines Erbrechts oder aufgrund eines starken Nutzungsrechts nicht mit Abkömmlingen teilen muss, ist die Stellung als stark zu beurteilen. Muss der Ehegatte keine Auseinandersetzung durchführen, ist bei der Beurteilung seiner Stellung darauf abzustellen, inwieweit er verfügungsbefugt ist und inwieweit die Erben Kontrollrechte geltend machen können. Daneben spielt eine Rolle, ob durch das Erbrecht an sich oder aufgrund der Aussetzung der Erbrechte Noterb- oder Pflichtteilsrechte bestehen, mit denen sich der überlebende Ehegatte konfrontiert sieht. Denn auch solche Rechte können zu einer Minderung des Nachlasses und damit zu einer Schwächung der Stellung des Ehegatten führen. Das österreichische Recht sieht nach der Grundkonzeption, selbst wenn eine Vor- und Nacherbschaft testamentarisch zu Gunsten des überlebenden Ehegatten angeordnet wird, keine Aussetzung der Erbrechte oder eine verzögerte Auseinandersetzung vor. Selbst bei einer testamentarischen Alleinerbeinsetzung des

185 Ehegatten, ist wegen der Pflichtteilsrechte ein gewisser Teil des Nachlasses regelmäßig herauszugeben. Das norwegische und dänische Recht vermeidet die Auseinandersetzung durch das Rechtsinstitut des „uskifte bo“. Lødrup spricht in diesem Zusammenhang von dem „zweispurigen System“744. Der Ehegatte hat es in der Hand, die Auseinandersetzung sogleich einzuleiten oder auf den Zeitpunkt nach seinem eigenen Tod zu verschieben745. Das schwedische Recht sieht zu Gunsten des überlebenden Ehegatten ein alleiniges (Vor-) Erbrecht mit „fri förfoganderrätt“ vor und verweist die Abkömmlinge auf die Nacherbschaft. Der längerlebende Gattenteil hat kein Wahlrecht. Der Ehegatte ist auch nicht mit den Abkömmlingen in einer Sonderrechtsverbindung „verbunden“746. Die Aussetzung des Erbrechts der Abkömmlinge steht unter gewissen Voraussetzungen, ist disponibel und in allen Rechtsordnungen gerade bei Stiefkindern keineswegs gesichert. Es sollen daher die einzelnen Rechte des überlebenden Ehegatten zunächst ohne die besonderen Rechte, die eine Aussetzung der Erbrechte bzw. eine Aufschiebung der Auseinandersetzung vorsehen, verglichen werden und sodann die nur im nordischen Recht vorgesehenen Rechte, die die Auseinandersetzung zu Gunsten des überlebenden Ehegatten aussetzen oder aufschieben747.

3.2. Das gesetzliche Erbrecht Allen untersuchten Rechtsordnungen gemeinsam ist, dass dem Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht zukommt bzw. zukommen kann. Dieses ist unabhängig vom gewählten Güterstand bzw. der Ausgestaltung des Güterstandes.

3.2.1. Bei Erben erster Klasse/Ordnung In Österreich, Norwegen und Dänemark kommt dem Ehegatten eine feste Erbquote, unabhängig von der Anzahl oder der Einstufung der Erben erster Klasse, zu.

744

Lødrup bezeichnet es als „tosporet“, also „zweispurig“. Das Ostnordische System bezeichnet er aber nicht als „einspurig“. 745 Lødrup, Nordiske Arverett, S. 127. 746 Lødrup, Nordisk Arverett, S. 130. 747 Diese Einteilung, Gliederung bzw. Unterscheidung verwendet auch Lødrup in seiner rechtsvergleichenden Darstellung, Nordiske Arverett.

186 Erhebliche Unterschiede ergeben sich jedoch bei der Erbquote. Während der Ehegatte in Norwegen lediglich zu 1/4 am Nachlass beteiligt ist, beträgt die Beteiligung in Dänemark und Österreich je 1/3. In Schweden wird unterschieden: Der überlebende Ehegatte hat in Schweden ein der Vollerbschaft angenähertes, alleiniges Vorerbenrecht, dieses kann jedoch vollständig entfallen, wenn Stiefkinder vorhanden sind. Dann wird der Ehegatte auf den güterrechtlichen Ausgleich sowie die Grundbetragsregelungen verwiesen. In diesem Fall hat der Ehegatte - auch wenn er von dem Vorerbe Abstand nimmt - gar kein gesetzliches Erbrecht, mit Ausnahme der Grundabsicherung über die Grundbetragsregelungen, die jedoch dem Bereich des Pflichtteilsrecht zuzuordnen sind. Einen solchen kompletten „Wegfall“ des Erbrechts kennen die anderen Rechtsordnungen nicht. Angesichts der steigenden Scheidungszahlen sowie immer mehr Patchwork Familien führt dies meines Erachtens zu einer Schwächung der eigentlich starken Stellung des Ehegatten insgesamt.

3.2.2. Bei Erben entfernterer Klassen/Ordnungen Wiederum allen Rechtsordnungen gemeinsam ist, dass es bei dem Vorhandensein von Erben anderer Erbklassen zu einer Erhöhung der Erbquote kommt. Diese Quote, bis hin zur Alleinerbenstellung, ist unterschiedlich ausgestaltet. Während der überlebende Ehegatte in Norwegen bei dem Vorhandensein von Erben zweiter Klasse zur Hälfte Erbe wird, hat der Ehegatte in Österreich schon einen Anspruch auf zwei Drittel. In Dänemark wird er zum Alleinerben und in Schweden zum gänzlich „befreiten“ bzw. „unbeschränkten Alleinerben“. In diesem Fall kann in Schweden das gesetzliche Ehegattenerbrecht nicht mehr entfallen. In Österreich sind Abkömmlinge der Geschwister von der Erbfolge ausgeschlossen. In diesem Fall erbt der überlebende Ehegatte alleine. Bei konkurrierenden Erben der dritten Erbklasse wird der überlebende Ehegatte auch in Norwegen zum Alleinerben, während in diesem Fall in Österreich weiterhin eine gesetzliche Erbquote von 2/3 zugestanden wird. Die dritte Erbklasse ist jedoch beschränkt. Erst ab der vierten Erbklasse, die die anderen untersuchten Rechtsordnungen zu Gunsten des Fiskuserbrechts abgeschafft haben, erbt der österreichische Ehegatte den gesamten Nachlass. Ab der zweiten Erbklasse ist in den untersuchten Rechtsordnungen ein erheblicher Anstieg der Quote des Ehegatten zu verzeichnen. Er wird daher im Verhältnis zu den Blutsverwandten gestärkt.

187

3.2.3. Regelungen zur Nacherbfolge Von Gesetzes wegen kennen die Rechtsordnungen Norwegens und Österreichs keine Regelungen zur Nacherbfolge. Gelangt in diesen beiden Rechtsordnungen der Ehegatte nach dem ersten Todesfall zur Erbfolge, dann fällt dieser Erbteil bei seinem Versterben in seinen eigenen Nachlass. Es kommt damit zu einer Verschiebung des Vermögens des Erstverstorbenen in den Stamm des Zweitverstorbenen. Von der Intention sind das dänische „svogerskapsarv“ sowie die schwedische „secundosuccession“ gleich, versucht doch das Gesetz durch die Anordnung einer Nacherbfolge das Vermögen des zuerst verstorbenen Ehegatten in dessen Familie bei dem zweiten Todesfall zu erhalten. Dies führt dazu, dass das Erbrecht des Ehegatten die Qualität eines „erstarkten Fruchtgenusses“ erhält. Im Unterschied zum Fruchtgenuss darf der überlebende Ehegatte als formaler Erbe bzw. aufgrund der Rechtswirkungen des „uskifte bo“ fast unbeschränkt wie ein Eigentümer über den Nachlass verfügen und diesen auch verbrauchen. Lediglich bei der Weggabe von Eigentum und vor allem Schenkungen ist der Ehegatte nicht mehr in der Verfügungsbefugnis frei. Das Risiko der Nachlassentleerung liegt damit bei den Erben des zuerst verstorbenen Gattenteils. Die Ausgestaltung beider Rechtsinstitute ist denkbar unterschiedlich. Während es sich im schwedischen Recht um eine echte gesetzliche Nacherbfolge handelt, welches für die Abkömmlinge einen Ausgleich für die Alleinerbenstellung des Ehegatten darstellt, handelt es sich bei dem dänischen „svogerskapsarv“ eher um eine Auffangregelung, wenn keine gemeinschaftlichen Abkömmlinge vorhanden sind. Diese Regelung soll verhindern, dass es schlussendlich vom Zufall abhängt, in welchem Stamm das Erbe beider Gatten verbleibt. Konsequenterweise kann im dänischen Recht der Ehegatte auch im Anwendungsbereich der Regelung testamentarisch über das gesamte Vermögen verfügen, während im schwedischen Recht der überlebende Ehegatte nicht über den ererbten ideellen Anteil des Erstverstorbenen testamentarisch verfügen kann. Damit kommt der Erbregelung des „svogerskapsarv“ die Qualität einer Schlusserbenfestsetzung, vergleichbar der österreichischen Gesamtlösung, zu, während der schwedischen Regelung die Qualität einer echten, befreiten Vorund Nacherbfolge im Sinne der Trennungslösung zukommt, wie man diese Unterscheidung im österreichischen Recht angesichts des gebräuchlichen Ehegattentestamentes kennt. Hier ist nach Ansicht der Verfasserin am deutlichsten erkennbar, dass sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Regelung von der Auswertung der Testierpraxis und Umfragen hat leiten lassen.

188

3.3. Die Mindestbeteiligung des Ehegatten am Nachlass Alle Rechtsordnungen sehen eine Mindestbeteiligung des Ehegatten am Nachlass vor. Die Ausgestaltung weicht - auch innerhalb der nordischen Rechtsordnungen - teilweise erheblich voneinander ab748. Die Mindestbeteiligung ist jedoch stets unabhängig vom gewählten Güterstandsmodell bzw. der Ausgestaltung des Güterstandes.

3.3.1. Inhalt der Mindestbeteiligung Das österreichische und dänische Recht kennt eine Pflichtteilsberechtigung, die als quotale Beteiligung des Ehegatten am Nachlass ausgestaltet ist. Während der Ehegatte im österreichischen Recht in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils am Nachlass beteiligt wird, ist der Ehegatte in Dänemark zu nur 1/4 seines gesetzlichen Erbrechts beteiligt. Das norwegische und schwedische Recht kennt eine Mindestbeteiligung, die von dem inflationsbereinigten Grundbetrag der jeweiligen Sozialversicherung abhängig ist. Dieser Betrag kann durch Rechtsverordnung angepasst werden. Im norwegischen und schwedischen Recht ist dies die einzige Mindestbeteiligung, während es im dänischen Recht als „Ergänzungserbe“ zusätzlich zur Pflichtteilsberechtigung ausgestaltet ist. Dies führt im dänischen Recht dazu, dass der Ehegatte alleine dem gemeinschaftlichen Vermögen einen Betrag in Höhe von mind. € 80.491,30 (Stand 14.12.2010) entnehmen darf, während der Ehegatte in Norwegen € 36.715,40 (jeweils ohne güterrechtliche Beteiligung, Umrechnungskurs per 14.12.2010) für sich vom Nachlass beanspruchen kann. Im norwegischen Recht muss der Ehegatte sich nicht seinen Anteil an der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder gar eigenes Vermögen anrechnen lassen. Dieser Anspruch ist in Norwegen aus dem so genannten freien Drittel zu entnehmen und geht dem Pflichtteilsanspruch der Abkömmlinge vor. Lediglich das Voraus der Kinder zur Deckung der Ausbildung geht diesem Anspruch vor. Im dänischen Recht muss sich der Ehegatte seinen güterrechtlichen Anteil bei der Gütertrennung, andere erbrechtliche Beteiligungen sowie sonstige Begünstigungen anlässlich des Todesfalls anrechnen lassen. Nicht jedoch sein eigenes Vermögen im Sinne seines Vorbehaltsgutes. Der Pflichtteil ist dem „gebundenen“ Viertel zu entnehmen. Dies führt dazu, dass es sich im norwegischen Recht um eine tatsächliche und feste Mindestbeteiligung des Erblassers handelt, während im dänischen Recht die feste Mindestbeteiligung durch das Zwangserbe bzw. den Pflichtteil 748

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 137.

189 gewährleistet wird. Im dänischen Recht handelt es sich bei dem „suppleringsarv“ um eine Sicherung bei massearmen Nachlässen. Nachdem sich der Ehegatte in Norwegen eigenes Vermögen bzw. seinen Anteil aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht einrechnen lassen muss, steht dieser in der Regel besser als der dänische Ehegatte. Aufgrund der Höhe sowie dem Rang gewähren diese Rechte meines Erachtens nicht nur eine Sicherung der Lebensgrundlage, sondern die Möglichkeit, bei kleineren Vermögen den Lebensstandard beizubehalten. Ähnlich wie beim dänischen „suppleringsarv“ ist der Ehegatte in Schweden durch die so genannten Grundbetragsregelungen geschützt. Der Ehegatte kann einen Betrag in Höhe von € 18.544,80 (Stand 14.12.2010), unter Anrechnung seines Vermögens im Sinne seines Vorbehaltsgutes und Begünstigungen im Todesfall, für sich beanspruchen. Der Anwendungsbereich in Schweden ist aufgrund der Höhe des Betrages und der Anrechnung auch des Vorbehaltsgutes gering. In Norwegen hat diese Regelung reellen Einfluss auf die Nachlassauseinandersetzung. An der Ausgestaltung der „basbeloppsregelungen“, die vergleichsweise schwach ist, sieht man, wie schutzlos der Ehegatte in Schweden bei Stiefkindern sein kann. Alle Mindestversorgungen gehen im Zweifel den Rechten der Abkömmlinge und deren Pflichtteilsrecht bis auf wenige Ausnahmen, insbesondere zur Deckung des Ausbildungsbedarfs der Abkömmlinge, vor. Bei der Beurteilung der Stellung des Ehegatten muss auf die Werthaltigkeit des Nachlasses abgestellt werden. Bei höheren Nachlässen ist der Ehegatte in Österreich und Dänemark nahezu gleich gestellt. Bei massearmen Nachlässen kann der Ehegatte bei einer Quote auch nur einen geringen oder gar keinen Betrag für sich in Anspruch nehmen. Bei dem Vorhandensein von Abkömmlingen erster Klasse können der österreichische und dänische Gatte eine Quote von 1/6 für sich in Anspruch nehmen. Bei massearmen Nachlässen ist der dänische Ehegatte noch zusätzlich durch das „suppleringsarv“ abgesichert. Die Mindestbeteiligung des Ehegatten geht somit dem Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge im Zweifel voran. Lediglich auf den ersten Blick führen die unterschiedlichen Beträge in Norwegen und Dänemark zu einer anderen Beurteilung der Stellung des Ehegatten. Der Ehegatte in Norwegen muss sich weder eigenes Vermögen noch Begünstigungen anlässlich des Todesfalls anrechnen lassen. Erst ab einem reinen Nachlasswert ohne güterrechtliche Beurteilung von € 220.292,40 (= € 36.715,40 x 6, Umrechnungskurs per 14.12.2010) wirkt sich die Beteiligung beim Ehegatten in Norwegen im Vergleich zur quotalen Beteiligung in Österreich und Dänemark nachteilig aus.

190 In Dänemark ist zwar der Mindestbetrag höher, der Ehegatte muss sich jedoch seinen eigenen Anteil an der Güterauseinandersetzung und Begünstigungen von Todes wegen anrechnen lassen, nicht jedoch eigenes Vermögen. Je nach Vermögensverhältnissen führt dies zu einer hohen Beteiligung. Am Schlechtesten schneidet die Stellung des Ehegatten in Schweden ab. Der Betrag ist von der Höhe sehr niedrig und der Ehegatte hat sich hierauf sogar eigenes Vermögen und eigenes Vorbehaltsgut anrechnen zu lassen. In Österreich wird der überlebende Ehegatte neben dem Pflichtteilsrecht noch durch einen Unterhaltsanspruch abgesichert. Bei massearmen Nachlässen kann der Ehegatte gegen den Nachlass einen Unterhaltsanspruch geltend machen, bis dieser erschöpft ist. Bei der Bedarfsbestimmung muss er sich allerdings eigenes Vermögen und Erwerbe von Todes wegen anrechnen lassen. Beim Pflichtteilsanspruch kommt es daneben zu einer Einrechnung des Vorausvermächtnisses. Sind nur Erben zweiter Klasse vorhanden, ändert sich die Pflichtteilsquote des österreichischen und dänischen Ehegatten nur mittelbar. Nichts ändert sich bei dem Mindesterbe des dänischen und schwedischen Gatten. In Norwegen kommt es zu einer Erhöhung der Mindestbeteiligung.

3.3.2. Ausgestaltung und Qualifikation der Mindestbeteiligung Gerade bei den als Ergänzungen ausgestalteten Mindestbeteiligungen des Erblassers kam es in der Vergangenheit in den nordischen Rechtsordnungen zu Einordnungsproblemen749. Einigkeit besteht nunmehr in der nordischen Literatur, dass sämtliche Ansprüche erbrechtlich zu qualifizieren sind750. Die Frage, ob es sich bei den Rechten des Ehegatten um eine echte Nachlassbeteiligung handelt oder um einen reinen Anspruch gegen den Nachlass. ist ebenfalls problematisch. Aufgrund der Haftungsvorschriften und den jeweiligen Auseinandersetzungsvorschriften ist die Unterscheidung im nordischen Recht primär von dogmatischem und weniger von praktischem Interesse. In Norwegen wird das Mindesterbe als echtes, aber betragsmäßig beschränktes Anteilsrecht angesehen751. Das dänische Zwangserbe, aber auch das „suppleringsarv“ ist nach herrschender Meinung ebenfalls als echtes Anteilsrecht ausgestaltet752. Bei den schwedischen Grundbetragsregeln muss ebenfalls

749 750

Neumayer, FS Ferid, S 668. für Dänemark: Karnov, aaO, § 11,Rn. 24, für Norwegen: vgl. Ausführungen in Kap. 5, Punkt 2.4, mwN., für Schweden: Saldeen, aao, S. 58. 751 Lødrup, Nordisk Arverett, S. 183. 752 Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 37.

191 von einem echten Anteilsrecht aufgrund der Bindung im Rahmen der Nacherbfolge ausgegangen werden753. In Österreich wird der Pflichtteil, trotz des Wortlautes des Gesetzes, welches vom Noterbrecht spricht, nicht als echtes Anteilsrecht angesehen 754. Bei dem Unterhaltsanspruch des österreichischen Rechts handelt es sich dogmatisch um eine Erbfall- bzw. Erbgangschuld und damit um ein Erbrecht755.

3.4. Besondere Rechte des überlebenden Ehegatten Der überlebende Ehegatte kann flankierend zum eigentlichen Erbrecht bzw. Recht auf Auseinandersetzung noch weitere güter- und erbrechtliche Ansprüche geltend machen, die den Ehegatten sichern und vor unberechtigten Verfügungen schützen. Diese ergänzen den Schutz des Ehegatten.

3.4.1. Güterrechtliche Ergänzungsansprüche Den so genannten „vederlagskrav“, also den Schadensersatzanspruch bei der Überschreitung der Verfügungsbefugnis und missbräuchlichen Verwendung des in der aufgeschobenen Gütergemeinschaft verhafteten Vermögens, kennen alle nordischen Rechtsordnungen und ist gewissermaßen notwendige Folge des Güterstandes der Gütergemeinschaft nordischer Prägung. In Norwegen kann der Ehegatte im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung seine zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände gem. § 61 EL von der Güterauseinandersetzung ausnehmen. Dieses Recht kann gem. § 77 AL nur der überlebende Ehegatte, nicht die Erben geltend machen. Dasselbe gilt auch für Schadensersatzansprüche aufgrund missbräuchlicher Verwendungen des verstorbenen Ehegatten gem. § 63 EL, dem so genannten „vederlagskrav“. Auch das dänische Recht kennt einen solchen Anspruch und hat diesen in § 23 ÆL geregelt. Im Falle des Todes können sich hierauf sowohl der überlebende Ehegatte als auch die Erben berufen. Dies führt zu einer Schwächung der Stellung des Ehegatten im Vergleich zum norwegischen Recht. Im schwedischen Recht ist der „vederlagskrav“ in Kap. 11 § 4 ÄktB geregelt. Dieser gilt nach seinem Wortlaut nur im Rahmen von Scheidungen. Es wird allgemein angenommen, dass dieser auch im Falle der Auseinandersetzung von Todes wegen Anwendung finden kann756. Aufgrund der alleinigen Vorerb753 754 755 756

Saldeen, aaO, S. 58. Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 335 ff.. Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 31. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 147.

192 schaft des Ehegatten hat die Norm jedoch im Todesfall praktisch wenig Anwendungsbereiche. Solche güterrechtlichen Ansprüche kennt das österreichische Recht nicht und diese sind aufgrund des gesetzlichen Güterstands der Gütertrennung, bei der jeder Ehegatte unbegrenzt verfügungsbefugt ist, nicht notwendig.

3.4.2. Erbrechtliche Ansprüche Alle untersuchten Rechtsordnungen kennen spezielle erbrechtliche Ansprüche, insbesondere Entnahme- bzw. Aussonderungsrechte im Zuge der Auseinandersetzung oder aber sogar Vorausvermächtnisse, die bereits mit dem Erbfall fällig werden. 3.4.2.1. Der Voraus Eine im Vergleich zu den übrigen Rechtordnungen große Bedeutung kommt dem Vorausvermächtnis gem. § 758 ABGB bei den erbrechtlichen Rechten des Ehegatten in Österreich zu. Dieser Anspruch betrifft den Hausrat im weitesten Sinne und gewährleistet dem Ehegatten darüber hinaus auch das Recht, weiter in der Ehewohnung wohnen zu bleiben. Der Ehegatte hat hierdurch einen schuldrechtlichen Anspruch auf ein Wohnrecht. Der Begriff des Hausrats ist im österreichischen Recht weiter gefasst als in den nordischen Rechtsordnungen. Dieser erstreckt sich auch auf Gegenstände, die „irgendwie“ Haushaltszwecken gedient haben, selbst wenn diese nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sind, und kann sich auch auf Gegenstände der Berufsausübung beziehen757. In Norwegen hat der Ehegatte kein Recht auf einen Voraus, wenn auch gewisse Stimmen in der Literatur ein Recht auf einen Voraus bei besonderer Pflege des Erblassers befürworten758. Ansonsten haben die Kinder ein Recht auf Voraus zur Sicherung der Ausbildung. Dieser Anspruch darf aber die Rechte des Ehegatten nicht schmälern. Daneben darf der überlebende Ehegatte in Norwegen gem. § 62 EL i.V.m. § 77 AL den Hausrat übernehmen. Ein Voraus ist damit nach herrschender Ansicht nicht verbunden759. Das dänische Recht kennt auch ein Hausratsübernahmerecht, dieses ist in § 11 AL als Voraus ausgestaltet. Aufgrund des Umfangs des Vorausvermächtnisses, das auch das Recht in der Ehewohnung weiter zu wohnen erfasst, ist der Voraus des Ehegatten in Österreich als am Stärksten zu beurteilen.

757 758 759

Vgl. Kapitel 4, Punkt 3. Vgl. Kapitel 5, Punkt 2.3. Lødrup, aaO, S. 348.

193 3.4.2.2. Unterhalt Das nordische Recht geht von dem Grundsatz aus, dass beide Partner innerhalb der Ehe selbstständig sind760. Überhaupt geht das Ehebild vom Grundsatz der freien Willensentscheidung der Ehegatten aus, die Ehe einzugehen und solange aufrecht zu erhalten, wie beide Ehegatten dies wünschen. Die Beziehung umfasst daher die Idee der Einheit und Gemeinschaft der Ehegatten 761. Aufgrund des Gedankens des freien Willens der Ehegatten sowie dass die Gemeinschaft nur solange währt, wie ein übereinstimmender Wille vorhanden ist, ist dem nordischen Recht der Unterhalt sowieso eher fremd. Aufgrund des gemeinsamen Willens können die Ehegatten einen gemeinsamen ökonomischen Standard während der Ehe leben. Würde man für den Fall, dass die Ehe ausschließlich auf dem gemeinsamen Willen und nicht etwa einem Sakrament gründet, einen nachehelichen Unterhalt gesetzlich begründen, würde dies den Gemeinschaftsgedanken in seiner Gänze nach nordischer Dogmatik ad absurdum führen, da so durch das Gesetz die Gemeinschaft ökonomisch aufrecht erhalten bliebe762. Auch wenn das Gesetz in den nordischen Ländern einen Unterhaltsanspruch vorsieht, so wird die Zuerkennung restriktiv gehandhabt. In der Regel wird ein Unterhaltsbedarf bereits verneint, da es beiden Partner zugemutet werden kann, sich durch Arbeit zu unterhalten, auch wenn damit einhergehend der ehemalige Lebensstandard nicht aufrecht erhalten bleiben kann763. Im österreichischen Recht kommt dem Unterhalt demgegenüber eine größere Bedeutung zu, wenn auch schon vom Güterstandsmodell ebenfalls von der Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit beider Gattenteile auszugehen ist764. Das österreichische Recht kennt einen „erbrechtlichen“ Unterhaltsanspruch, der im Rahmen des Pflichtteilsrechts geregelt und lediglich subsidiär ist. Hier kann auf die obigen Ausführungen im Rahmen des Pflichtteilsrechts verwiesen werden765.

760 761 762 763 764 765

Ryrsted, aao, S. 34 ff.. Vgl hierzu, Ryrsted, aaO, S. 39. Ryrsted, aaO, S. 49. Ryrsted, aaO, S. 50. Chloros/Rheinstein/Glendon, aaO, 4-168. Vgl. Kap. 8 Punkt 3.3.

194

4. Die Stellung des Ehegatten bei der aufgeschobenen Auseinandersetzung Besonders deutlich lässt sich die gemeinsame Rechtstradition von Norwegen und Dänemark auf der einen Seite und Schweden auf der anderen Seite an dem Rechtsinstitut des „uskifte bo“, erkennen. Dieses Rechtsinstitut führt im Ergebnis zu einer Aussetzung der Erbauseinandersetzung. Aber auch im schwedischen Recht kommt es durch die Vor- und Nacherbfolge zu einer Aussetzung der Erbauseinandersetzung. Damit kommt das ost- und westnordische Erbrecht zu demselben Ergebnis, nämlich Aufschub der Auseinandersetzung nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten. So verschieden die Institute sind, so ist es gerade in letzter Zeit bei den Rechtswirkungen zu einer Angleichung der Stellung des Ehegatten vom Ergebnis her gekommen. In allen nordischen Ländern kann der Ehegatte - sofern keine einseitigen Abkömmlinge vorhanden sind - die Übernahme des gesamten gemeinschaftlichen Vermögens verlangen766. Das österreichische Recht hingegen sieht eine Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem Versterben des ersten Ehegatten zwingend vor. Zumindest zur Bestimmung der Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge muss eine Bewertung des Nachlasses erfolgen. Nachdem meines Erachtens durch die nordischen Regelungen des „uskifte bo“, aber auch der Erbschaft mit „fri förfoganderätt“ eine Art gesetzliche Vorund Nacherbschaft normiert wird, erfolgt ein Vergleich dieser Institute anhand der in Österreich möglichen Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft von Todes wegen, obwohl es sich hier um ein Institut der gewillkürten Erbfolge handelt.

4.1. Einordnung und Verhältnis zu den Erbrechten Die Einführung des „uskifte bo“ führte historisch zunächst zu einer Schwächung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten im Verhältnis zu den früheren Regelungen, denn dieses Rechtsinstitut sicherte den Ehegatten in der Vergangenheit umfassend ab767. Bei dem Rechtsinstitut des „uskifte bo“ wird die Fortsetzung der Ehe nicht nur in güterrechtlicher Hinsicht fingiert768, es kommt erstmals tatsächlich zu einer Gütergemeinschaft was das Eigentum angeht. Die Erbrechte

766 767 768

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 157. Lødrup, Arverett, S. 359. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 129.

195 werden ausgesetzt und der überlebende Ehegatte wird auch keinen Pflichtteilsoder Noterbrechten der gemeinschaftlichen Abkömmlinge ausgesetzt. Wird in Schweden der überlebende Ehegatte zum Alleinerben aufgrund der gesetzlichen Regelung oder wird zu Gunsten des überlebenden Ehegatten die gesetzliche Erbfolge abgeändert, führt dies in Schweden dazu, dass die Abkömmlinge nur dann ihren Pflichtteil geltend machen können, wenn ein anderer als der überlebende Ehegatte durch das Testament begünstigt wird 769. Die Abkömmlinge werden mit der Geltendmachung ihrer Rechte auf die Nacherbfolge verwiesen. Die durch Testament erweiterten Rechte des Ehegatten können sich allerdings nicht auf den für die Abkömmlinge gebundenen Teil beziehen. Damit wird eine Auseinandersetzung auch im schwedischen Recht vermieden, sofern keine Stiefkinder „beteiligt“ sind. Gerechtfertigt wird die Übergehung der Abkömmlinge im ersten Todesfall durch die innerfamiliären Bindungen, insbesondere an den längerlebenden Elternteil. In den Vorarbeiten des schwedischen Gesetzgebers heißt es hierzu, dass es für die Kinder natürlich sei, mit der Geltendmachung des Erbes bis nach dem zweiten Todesfall abzuwarten770. Der dänische Gesetzgeber betont das Interesse des überlebenden Ehegatten an einer Beibehaltung des Lebensstandards771. Dieses Interesse wurde auch nochmals im Rahmen der Erbrechtsreform thematisiert772. Der norwegische Gesetzgeber rechtfertigt die Fortsetzung der Gütergemeinschaft mit dem Interesse der Kinder, dass das gemeinschaftliche Vermögen nicht durch Teilung gefährdet wird und sie sich ggfls. Unterhaltsansprüchen des überlebenden Elternteils gegenübersehen 773. Problematisch ist die Rechtfertigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft bei Stiefkindern, den so genannten „saerkullsbarn“, denn diese haben zu ihren Stiefeltern regelmäßig keine derart tiefe Bindung wie leibliche Kinder, war doch der Verstorbene das einzige Bindungsglied774. Der Begriff der „saerkullsbarn“ bzw. „särkullsbarn“ ist in allen nordischen Rechtsordnungen bekannt und führt zu umfangreichen Sonderregelungen. Allen nordischen Rechtsordnungen gemeinsam ist, dass einseitige Abkömmlinge des Verstorbenen ihr Erbe sofort verlangen können775. Gemeinschaftliche Abkömmlinge und Stiefkinder haben im Erbfall nicht dieselben Rechte.

769 770 771 772 773 774 775

Agell & Malmström, aaO, S. 397. SOU 1998:110, S. 77. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 67. Bet. 1519/2010, S. 101 ff.. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 129. Saldeen, aaO, S. 56. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 159.

196 Im österreichischen Recht wird um derartige Abkömmlinge keine „Umstände“ gemacht und das Gesetz knüpft an das Vorhandensein von Stiefkindern keine abweichenden Regelungen. Gemeinschaftliche Abkömmlinge und Stiefkinder werden erbrechtlich gleich behandelt. Der dänische Gesetzgeber hat im Rahmen der Reform erwogen, den Anwendungsbereich des „uskifte bo“ auch auf einseitige Abkömmlinge zu erweitern, jedoch schlussendlich davon abgesehen, da man eine Reihe von Problemen befürchtete. Nach Ansicht des Gesetzgebers hätten Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit der überlebende Ehegatte nicht zum Nachteil dieses Kindes wirtschaftet776. Dies hätte zu einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten und vor allem zu mehr Kontrollrechten der Abkömmlinge geführt, die für den übernehmenden Ehegatten „unangenehm sein könnten“777. Interessant ist, dass der Gesetzgeber auch die Problematik des Altersunterschiedes gesehen hat, denn in manchen Fällen sei der überlebende Ehegatte im etwa gleichen Alter oder sogar jünger als die Stiefkinder und das würde dazu führen, dass diese Abkömmlinge die Ausbezahlung ihres Erbes „nicht überleben“778. Der schwedische Gesetzgeber hat die unterschiedlichen Rechtfolgen anlässlich der Reformgesetzgebung im Jahr 1998 unangetastet gelassen779 und auch anlässlich einer Revision im Jahr 2006 bestätigt780. Wird in Österreich durch Testament eine Vor- und Nacherbschaft herbeigeführt, sieht sich der überlebende Ehegatte grundsätzlich einem Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge oder, sofern nicht vorhanden, der Eltern ausgesetzt. Interessant ist, dass sämtliche nordischen Rechtsordnungen die fortgesetzte Gütergemeinschaft als erbrechtlich qualifizieren781, während die deutschsprachige Literatur zur güterrechtlichen Qualifikation neigt782. Bei der Beurteilung der Stellung des Ehegatten ist auch ein Augenmerk darauf zu legen, inwieweit der Ehegatte dem längerlebenden Ehegatten durch testamentarische Dispositionen seine Rechte entziehen bzw. diese beeinflussen kann. Das Recht auf „uskifte bo“ kann weder im norwegischen noch im dänischen Recht komplett entzogen werden, allenfalls durch eine ehevertragliche Vereinbarung. Es ist lediglich eine testamentarische Ausgestaltung und Verkür776 777 778 779 780 781

Bet. 1519/2010, S. 115. Bet. 1519/2010, S. 116. Bet. 1519/2010, S. 116. SOU 1998:110, S. 77 ff.. Vgl. Hierzu Bedenken des Zivilausschusses; Bet. 2207/07 CU 21, S. 4 ff.. Für N: Frantzen, ZVglRWiss, S. 101, 482 ff., in Dänemark wird die Frage gar nicht thematisiert. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft wird jedoch nur im erbrechtlichen Kontext dargestellt und die Einordnung folgt aus der Stellung im Erbgesetz. 782 Süß/Haas, Erbrecht in Europa, S. 696, Rn. 9.

197 zung möglich, im norwegischen Recht muss die Verkürzung dem anderen Gattenteil zur Kenntnis gebracht werden783.

4.2. Allgemeine Voraussetzungen In den Rechtsordnungen, die die fortgesetzte Gütergemeinschaft kennen, werden Anforderungen an die Solvenz des überlebenden Ehegatten gestellt. Dies muss jedoch im Zusammenhang mit den Haftungsvorschriften und auch aus Gläubigerschutzaspekten gesehen werden. In Norwegen muss der überlebende Ehegatte in „stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen“ leben, während die Anforderungen an die ökonomischen Verhältnisse seit der Reform in Dänemark geringer sind. Der Ehegatte kann das Gesamtgut übernehmen, wenn kein Konkursverfahren über das Vermögen des Überlebenden eröffnet ist und der Nachlass nicht so massearm ist, dass die Schulden des Erblassers nicht gedeckt werden können. In Norwegen und Dänemark muss nämlich der längerlebende Gattenteil die unbeschränkte Haftung übernehmen. In Norwegen muss der übernehmende Gattenteil zudem geschäftsfähig sein, in Dänemark nicht. Im schwedischen Recht werden bei der Übernahme des Vermögens keine Anforderungen ökonomischer Art gestellt. Bei dieser gesetzlichen Konstruktion, die an die Trennungslösung erinnert, haftet der Ehegatte auch nur bis zur Höhe des übernommenen Nachlasses. Aus Gläubigerschutzaspekten halte ich die Regelung für problematisch, zumal gerade keine Auseinandersetzung des Vermögens stattfindet und somit die Haftungseinheit nach außen hin nicht bestimmt und publiziert wird.

4.2.1. Zustimmung gemeinschaftlicher Abkömmlinge Das Recht auf Fortsetzung der Gütergemeinschaft muss vom Ehegatten geltend gemacht werden. In Norwegen ist dies in einem gerichtlichen Verfahren binnen 60 Tagen geltend zu machen. Sind gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden, die noch minderjährig sind, bedarf es der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts. Sind diese mündig, ist deren Zustimmung nicht Voraussetzung. In Dänemark ist das Institut des „uskifte bo“ als Rechtsanspruch ausgestaltet. Die Mündigkeit oder Volljährigkeit gemeinsamer Abkömmlinge ist nicht Voraussetzung. Eine Frist zur Geltendmachung dieses Rechts existiert, im Gegensatz zur 60-Tageregelung in Norwegen, nicht. Auch im Rahmen der formellen Auseinandersetzung kann sich der Ehegatte darauf berufen. 783

Lødrup, Arverett, S. 367, Lødrup, Nordisk Arverett, S. 183.

198 Die Aussetzung der Erbrechte tritt in Schweden, sofern kein Verzicht oder eine Ausschlagung geltend gemacht wird, von Gesetzes wegen ein.

4.2.2. Zustimmung einseitiger Abkömmlinge Bei einseitigen Abkömmlingen ist bei allen untersuchten nordischen Rechtsordnungen deren Zustimmung zur Fortsetzung der Gütergemeinschaft, aber auch zur Übernahme des Nachlasses als Vorerbe in Schweden notwendig. Sind diese unmüdig oder minderjährig, wird deren Zustimmung vom Vormundschaftsgericht bzw. der zuständigen Behörde ggfls. ersetzt. In Dänemark muss in diesem Fall der überlebende Ehegatte die Unterhaltspflicht für diese Kinder übernehmen.

4.3. Gegenstand der Fortsetzung In Norwegen ist Gegenstand der Fortsetzung der Gütergemeinschaft primär das Gesamtgut „fælleseie“. Aufgrund eines Ehepakts kann nicht nur ein im Todesfall abweichender Güterstand vereinbart werden, sondern auch eine Umqualifikation von Eigentum im Todesfalle erfolgen. Daneben kann zwischen den Ehegatten vereinbart werden, dass sich die Befugnis zur Fortsetzung auch auf das Vorbehaltsgut bezieht. Wird Vorbehaltsgut übernommen, kommt es zu einer Bewertung des Nachlasses, da in diesem Fall die hälftige Teilung im zweiten Todesfall nicht angemessen wäre784. Letztere Möglichkeit der Erstreckung der Fortsetzung auf das Vorbehaltsgut lässt das dänische Recht nicht zu. Eine Umqualifikation des Eigentums im Todesfall ist ehevertraglich im dänischen Recht allerdings möglich. Aus österreichischer Sicht führt dies zur interessanten sachenrechtlichen Frage, wann von Gesamtgut auszugehen ist. Die Frage des sachenrechtlichen Publizitätsaktes hat in den nordischen Rechtsordnungen insgesamt nach Ansicht der Verfasserin nicht den Stellenwert, den es im österreichischen Recht hat. Darunter leidet die Klarheit und Bestimmtheit der Eigentumsübertragung. Diese Unklarheiten setzen sich folgerichtig in der Frage der Verfügungsbefugnis, nämlich der quantitativen und qualitativen Testationskompetenz fort. Inwieweit der längerlebende Ehegatte eine Auseinandersetzung dem Verbleib in der fortgesetzten Gütergemeinschaft vorzieht, wird in Dänemark und Norwegen im Wesentlichen von den güterrechtlichen Verhältnissen und dem jeweiligen Vermögen der Ehegatten abhängen785.

784 785

Lødrup, Arverett, S. 389. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 126.

199 Aufgrund der alleinigen Vorerbenstellung des Ehegatten in Schweden ist die Unterscheidung irrelevant bzw. spielt selten eine Rolle, der Ehegatte ist bei einer Ausschlagung nur marginal abgesichert786.

4.4. Rechtswirkungen Bei der Fortsetzung der Gütergemeinschaft erfolgt keine Auseinandersetzung. Die Vermögensmassen werden nicht getrennt, diese verschmelzen in allen Rechtsordnungen gedanklich787. Aufgrund der Qualifikation des Güterstandes als Mischung zwischen Gütertrennung und Gütergemeinschaft kommt es streng genommen erstmals zu dem Entstehen einer originären Gütergemeinschaft, bei der auch das Eigentum auf den längerlebenden Ehegatten übergeht. Konsequenz der Verschmelzung ist die Beschränkung der Verfügungsmacht des überlebenden Gattenteils in Bezug auf das gesamte Vermögen. Dies wird auch für den Bereich des „uskifte bo“, bis auf die Frage der Verfügungsbefugnis von Todes wegen, konsequent durchgehalten. Bei der Ausgestaltung der Vor- und Nacherbschaft im schwedischen Recht kommt es ebenfalls zu einer Verschmelzung788. Das Eigentum geht auf den übernehmenden Ehegatten über. Das Gesetz trennt die Vermögensmassen jedoch ideell, um nach dem Tod eine Verteilung zu ermöglichen. Es kommt zu einer quotalen Anteilsbildung an dem Vermögen. Im schwedischen Recht stellt sich deshalb zunehmend die Frage, ob aufgrund der gedanklichen Anteilsbestimmung und der Anknüpfung der Verfügungsbefugnis und Haftung an den Anteil des Erblassers überhaupt von einer einheitlichen Vermögensmasse auszugehen ist. Höglund vertritt die Auffassung, dass es sich aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen, die an unterschiedliche quotale Anteile gestellt werden, zumindest um eine inhomogene Vermögensmasse handelt789. Meines Erachtens handelt es sich in Schweden um den Versuch des Gesetzgebers, die aus den Ehegattentestamenten bekannte Trennungslösung zu konstruieren. Dies spricht für verschiedene Vermögensmassen790. Zumindest würde eine derartige Sichtweise für mehr Klarheit sorgen.

786 787 788 789 790

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 126. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 188, Saldeen, aaO, S. 82. Saldeen, aaO, S. 72. Höglund, aaO, S. 248. Dies ist allerdings nicht unproblematisch, da es dem nordischen Güterstand zu Eigen ist, dass jeder Gatte einen Hälfteanspruch auf das Eigentum des jeweils anderen Gatten hat.

200 Erwerbe - hierunter fallen auch Schenkungen Dritter und sonstige Erbschaften - des überlebenden Ehegatten nach der Fortsetzung führen zu einer Verschmelzung mit dieser einheitlichen Vermögensmasse. Der Ehegatte hat, um diese Folge zu verhindern, in einem solchen Fall die Auseinandersetzung zu betreiben, wenn er nicht möchte, dass die Begünstigung des Dritten unter die Regeln der fortgesetzten Gütergemeinschaft fällt. Dies sieht das norwegische Recht binnen 3 Monaten nach Erhalt der Schenkung in § 17 AL vor. Im dänischen Recht muss der Ehegatte noch zu Lebzeiten eine Auseinandersetzung einleiten, damit diese Erwerbe nicht unter die Gütergemeinschaft fallen.

4.4.1. Haftung In allen nordischen Rechtsordnungen übernimmt der Ehegatte mit der Fortführung der Gütergemeinschaft die persönliche Haftung für Schulden, die in Norwegen gem. § 25 AL nach einem Gläubigeraufgebotsverfahren begrenzbar ist. Als Konsequenz der hier vertretenen - zumindest gedanklich - getrennten Vermögensmassen und der Ausgestaltung als Vor- und Nacherbfolge haftet der Ehegatte mit „friförfogandarätt“ nur begrenzt auf seinen Halbteil (vgl. Kap. 21 ÄB).

4.4.2. Verfügungsbefugnis Die größten Unterschiede der untersuchten Rechtsordnungen sind bei der Frage der Verfügungsbefugnis festzustellen. Aufgrund der Konstruktion und Verweisung auf den zweiten Todesfall sollen die „Nacherben“ und Abkömmlinge vor Missbrauch geschützt werden. Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang, dass die Ehegatten auch zu Lebzeiten aufgrund der Verflechtungen im Güterstand nicht in ihrer Verfügungsbefugnis wirklich frei waren. 4.4.2.1. Zu Lebzeiten Im norwegischen und dänischen Recht übernimmt der Ehegatte das Vermögen „wie ein Eigentümer“ gem. § 18 AL (norwegisch) bzw. § 24 Abs. I AL (dänisch). In beiden Rechtsordnungen ist der übernehmende Ehegatte, obwohl es zu einer Verschmelzung der Vermögensmassen kommt und eine Übernahme „wie ein Eigentümer“ erfolgt, bei dem Vorhandensein von Erben erster Klasse nicht mehr, auch nicht über seinen eigenen Anteil, in seiner Verfügungsbefugnis frei. Zum Verbrauch „zu seinem Besten“ ist der überlebende Ehegatte bei der Fortsetzung befugt791. 791

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 170.

201 Im dänischen Recht hat der Ehegatte seine Rechte so auszuüben, dass er nicht in Konflikt mit den Erben gerät792. Das dänische Recht stellt bei der Beschränkung auf vorsätzliche und missbräuchliche Verfügungen ab, die zu einer Minderung des Vermögens führen bzw. dieses ernsthaft in Gefahr bringen können. Dies stellen vornehmlich Schenkungen oder Begünstigungen dar. Im dänischen Recht kommt es auf die Missbrauchsabsicht gem. § 24 Abs. I AL (dänisch) an, die sich in dem illoyalen Charakter der Vermögensverschiebung nach der Rechtsprechung manifestiert793. In Dänemark kann bei einem Missbrauch sofort die Auseinandersetzung von den bzw. dem begehrenden Erben verlangt werden. Im norwegischen Recht stellen Verfügungen im Sinne von Weggaben von Eigentum und Schenkungen über 20% des Vermögens regelmäßig einen Missbrauch dar. In Norwegen ist eine missbräuchliche Verwendung bei einem bösgläubigen Erwerber nicht rechtssicher und kann angefochten werden. Nur wenn eine Rückführung in das Vermögen des überlebenden Ehegatten nicht möglich ist, können die Erben eine vorzeitige Auseinandersetzung in Norwegen verlangen. In Dänemark können sie bei einem Missbrauch sofort die Auseinandersetzung verlangen. Schadensersatzansprüche der Erben wegen missbräuchlicher Verwendungen sind in Norwegen nicht auf den Halbteilungsanspruch aus dem Gesamtgut begrenzt, sondern der überlebende Ehegatte muss im Gegensatz zum dänischen Recht ggfls. aus seinem Vorbehaltsgut Ersatz leisten. Die Ausgestaltung in Norwegen ist deshalb im Gegensatz zum dänischen Recht stärker zu Gunsten der Abkömmlinge ausgestaltet. Es ist festzuhalten, dass meines Erachtens die Rechtsordnungen Dänemarks und Norwegens im Rahmen der Verfügungsbefugnis von einer einheitlichen Vermögensmasse im Sinne einer Vorerbschaft nach der Gesamtlösung ausgehen. Im schwedischen Recht wird der Gatte sogar Erbe. Im Zuge der Übernahme des Vermögens kommt es zu einer gedachten Auseinandersetzung und Anteilsbestimmung794. Die Verfügungsbefugnis bemisst sich nach dem so ermittelten quotalen Anteil. Der überlebende Ehegatte kann zwar, wie der Name schon sagt, frei über den gedachten Anteil des Verstorbenen verfügen. Er ist bei Verfügungen, die zu einer wesentlichen Minderung des Eigentums führen, jedoch an die Interessen der Erben gebunden.

792 793 794

Viggo/Pedersen, aaO, S. 248. Vgl die Ausführungen unter Kapitel 6 Punkt 4.3.4. Saldeen, aaO, S. 82.

202 Die gesetzliche Ausgestaltung des Kap. 3 § 3 Abs. 2 ÄB ist unklar, denn mit der Anknüpfung an das Eigentum ist der ideelle Anteil des Verstorbenen am Vermögen gemeint. Dies führt jedenfalls ideell zu einer Trennung der eigentlich einheitlichen Vermögensmasse795. Die Bindung an die Interessen der Erben stellt meines Erachtens die größte Einschränkung der Verfügungsbefugnis dar, denn dadurch wird die Frage der Verfügungsbefugnis von objektiven Merkmalen auf subjektive Erwägungen übertragen. Allerdings bezieht sich diese Beschränkung nicht auf den eigenen Anteil. Die missbräuchlichen Verfügungen sind nach schwedischem Recht grundsätzlich wirksam, ziehen aber eine Schadensersatzverpflichtung „vederlagskrav“ am ideellen Anteil des überlebenden Ehegatten nach sich. Erst wenn der Schadensersatz nicht realisiert werden kann, kommt eine Inanspruchnahme des Beschenkten in Frage796. Die Anknüpfung der Verfügungsbefugnis an den ideellen Anteil legt deshalb einen Vergleich mit der Trennungslösung nahe, obwohl der Ehegatte im schwedischen Recht das Vermögen des Verstorbenen übernimmt und es dogmatisch zu einer Verschmelzung des Vermögens kommt. An die unterschiedlichen Anteile werden jedoch andere Rechte und Pflichten geknüpft797. Bei der Annahme einer testamentarisch verfügten Vor- und Nacherbschaft im österreichischen Recht ist der Ehegatte wie ein Fruchtnießer beschränkt. Ihm kommt lediglich ein Verwaltungsrecht zu. Der als Vorerbe eingesetzte Ehegatte kann von diesen Beschränkungen durch ausdrückliche Anordnung „befreit“ werden. Dies führt sodann zu einer freien Verfügungsbefugnis, jedoch begrenzt auf Missbrauchskonstellationen. Surrogate fallen dann in den Nachlass. Geht der Fruchtnießer über seine Rechte im Innenverhältnis hinaus, führt dies zu einem Schadensersatzanspruch. Bei der Vor- und Nacherbschaft österreichischer Prägung beziehen sich die Beschränkungen jedoch nur auf den „übernommenen Teil“, nicht auf das eigene Vermögen. 4.4.2.2. Von Todes wegen Obwohl eine Vermögensmasse entsteht, ist der überlebende Ehegatte nicht nur im schwedischen, sondern auch im dänischen und norwegischen Recht nur befugt, über seinen Hälfteanteil bzw. seinen ideellen Anteil am Vermögen von Todes wegen zu verfügen, soweit er hierüber nach den allgemeinen Regeln Testierungskompetenz hat. Dies stellt an und für sich einen Systembruch dar. Nach795 796 797

Höglund, aaO, S. 249. Saldeen, aaO, S. 83. Höglund, aaO, S. 249.

203 dem jedoch in den Rechtsordnungen Norwegens und Dänemarks ansonsten konsequenterweise der Ehegatte nicht mehr testieren könnte, wird der Systembruch in Kauf genommen. Die „Eigentumsrechte“ des Ehegatten an der „übernommenen Vermögensmasse“ erfahren hier eine deutliche Einschränkung, denn nach der nordischen Grundsystematik wird durch das Institut des „uskifte bo“, aber auch durch das Erbe mit „fri förfoganderätt“ nach der hier vertretenen Auffassung eine gesetzliche Vor- und Nacherbschaft angeordnet. Die Bindung durch die Substitution wirkt sich im nordischen Recht vornehmlich bei der Testationsbefugnis aus und im Übrigen weniger zu Lebzeiten. Bei der Frage, inwieweit von einheitlichen Vermögensmassen auszugehen ist, ist das nordische Recht und die Anknüpfungen hieran nach Ansicht der Verfasserin inkonsequent. Dies liegt aber auch an den Eigenheiten der Gütergemeinschaft nordischer Prägung, bei der eine originäre Gütergemeinschaft erst im Todesfalle bzw. bei Auflösung der Ehe entsteht798. Bei der Anordnung einer - auch befreiten - Vor- und Nacherbschaft ist der als Vorerbe eingesetzte Ehegatte, da es nach der hier vertretenen Auffassung nicht zu einer echten Verschmelzung der Vermögensmassen kommt, nicht in der Lage, über den im Wege der Vorerbschaft erworbenen Anteil bzw. die Surrogate letztwillig zu verfügen. In qualitativer Hinsicht macht die Verfügungsbefugnis von Todes wegen deshalb Probleme, da der Ehegatte nur noch in Bezug auf seinen Anteil testierbefugt ist, über dessen Zusammensetzung er sich zumindest in den Rechtsordnungen Dänemarks und Norwegens aber auch angesichts der ideellen Quote in Schweden zuvor keine Gedanken machen musste. In Schweden ist im Gesetz nicht von Eigentum die Rede, sondern nur von Anteilen, daraus folgert die Rechtsprechung keine qualitative Einschränkung.799 In Norwegen wird auf die Rechte des Ehegatten noch zu Ehezeiten abgestellt. Hatte er zumindest ein Miteigentumsanteil, dann ist er unbeschränkt qualitativ verfügungsbefugt800. In Dänemark kann der überlebende Ehegatte testieren, soweit er nicht mit testamentarischen Anordnungen in Konflikt gerät und die quantitativen Grenzen beachtet. Die Problematik, dass der überlebende Ehegatte meist gar nicht weiß, über welche Gegenstände er testieren darf, ist bekannt. Die Praxis hilft sich in

798 799 800

Chloros/Rheinstein/Glendon, aaO, S. 4-48. HD NJA 1995, S. 303. Vgl. Lødrup, Arverett, S. 383.

204 Dänemark mit Formulierungen wie „soweit möglich“ bzw. „so viel wie möglich“801.

4.5. Beendigung des „uskifte bo“ Sowohl in Dänemark als auch in Norwegen kann die fortgesetzte Gütergemeinschaft jederzeit zu Lebzeiten und von Todes wegen auseinandergesetzt werden. Hauptgrund der Beendigung ist in beiden Rechtsordnungen der Tod des Ehegatten. In Schweden und Österreich ist eine vorzeitige Abstandnahme vom Erbe, nachdem dieses angenommen worden bzw. angefallen ist, vom Gesetz nicht vorgesehen. Eine Übertragung an die Nacherben ist allenfalls durch Verfügung von Todes wegen und im Rahmen der vorweggenommene Erbfolge im Einverständnis mit den Erben möglich bzw. in Österreich zudem beim Eintritt des Nacherbfalles.

4.5.1. Beendigung zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten Die Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft führt sowohl in Dänemark als auch in Norwegen zu einem „Wiedereinsetzen“ der erbrechtlichen Regelungen802. Sowohl die Abkömmlinge aber auch der Ehegatte können ihr Erbrecht, hierzu gehört auch das Mindesterbrecht, geltend machen. Dritte können generell nicht die Auseinandersetzung erzwingen. Allenfalls können sie die Anwartschaft bzw. Anteile pfänden. 4.5.1.1. Auf „Betreiben“ des Ehegatten Der Ehegatte kann von sich aus in Norwegen und Dänemark stets die Auseinandersetzung betreiben. In Norwegen ist die Geschäftsfähigkeit des Ehegatten Voraussetzung zur Fortsetzung. Folglich muss beim Verlust der Geschäftsfähigkeit die Auseinandersetzung eingeleitet werden. Auch wenn es sich im letzteren Fall in der Regel nicht um ein willentliches „Betreiben“ handelt, liegt doch der Grund der Auseinandersetzung in der Sphäre des Gattenteils. Sowohl in Norwegen als auch in Dänemark ist bei Eingehung einer neuen Ehe ebenfalls eine Auseinandersetzung durchzuführen bzw. die Beendigung tritt von Gesetzes wegen ein, nicht jedoch in Schweden. Hier sieht man meines Erachtens am deutlichsten, dass das „uskifte bo“ ein Rechtsinstitut ist, das güterrechtlichen Erwägungen unterliegt, während die Vor-

801 802

Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 90, 91. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 129.

205 und Nacherbschaft schwedischer Prägung ein rein erbrechtliches Gestaltungsmittel ist. In Schweden ist lediglich für den Fall, dass sich der Vorerbe und damit längerlebende Ehegatte nach erneuter Heirat wieder scheiden lässt, zuvor eine Auseinandersetzung im Sinne einer Anteilsbestimmung durchzuführen803, die Vermögensverflechtungen würden ansonsten unübersichtlich werden. In Schweden ist eine Beendigung auf „Betreiben“ des Ehegatten nur im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Beachtung der „secundosucession“ sowie der Rechte der Erben möglich. 4.5.1.2. Auf Betreiben von Abkömmlingen Wurde die Zustimmung minderjähriger Stiefkinder ersetzt und werden diese volljährig, können diese eine (Teil-)Auseinandersetzung mit Eintritt der Volljährigkeit in Dänemark und Norwegen herbeiführen. In Dänemark kann eine Auseinandersetzung von den Abkömmlingen forciert werden, wenn der überlebende Gattenteil seiner ihnen gegenüber übernommenen Unterhaltspflichten nicht nachkommt (§ 18 Abs. 2 dän AL). In Schweden müssen die Stiefkinder in einem solchen Fall auf ihre Erbrechte verzichten und damit die Ausschlagung erklären. Die Ausschlagung ist nur eingeschränkt widerruflich bzw. rückgängig zu machen. Zur Missbrauchssanktionierung können die Abkömmlinge in den westnordischen Ländern eine Auseinandersetzung betreiben. In Norwegen setzt dies voraus, dass die Verfügung nicht mit Erfolg angefochten werden kann und der Nachlass nachhaltig vermindert wird (§ 19 Abs. 2 iVm. § 24 Abs. 2 norw. AL)804. In Norwegen können auch andere Abkömmlinge, wenn eine teilweise Auseinandersetzung stattfindet, ebenfalls eine Auseinandersetzung für sich beanspruchen, um eine einseitige Bevorzugung zu vermeiden805.

4.5.2. Auseinandersetzung zu Lebzeiten Bei einer Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft zu Lebzeiten des Gattenteils leben die erbrechtlichen Rechte - und hierzu gehören auch die erbrechtlichen Rechte des Ehegatten - wieder auf. Dies führt in Dänemark und Norwegen dazu, dass eine güterrechtliche Auseinandersetzung durchzuführen ist

803 804

Saldeen, aaO, S. 88. Vgl. für Dänemark Kap. 6 Punkt 4.3.4 u. 4.3.5., für Norwegen Kap. 5 Punkt 3.3.3, 3.4 ff. und dortige Nachweise. 805 Unneberg, aaO, S. 373, Lødrup, Arverett, S. 171.

206 und der Ehegatte dem Nachlass seinen Erbteil sowie ggfls. das Mindesterbe entnehmen kann806. Im dänischen Recht ist nach der Beweislastregel sämtliches Vermögen Gesamtgut und wird hälftig geteilt, sofern nicht etwas anderes nachgewiesen werden kann. Auf eine Besonderheit im norwegischen Recht muss hingewiesen werden: Gem. § 77 EL können sich bei einer Auseinandersetzung der fortgesetzten Gütergemeinschaft weder die Erben noch der Ehegatte auf das „skjevdeling“ berufen.

4.5.3. Auseinandersetzung von Todes wegen Im Todesfall erben sowohl die Erben des zuerst Verstorbenen als auch die Erben des zuletzt Verstorbenen. Sowohl das dänische, norwegische als auch schwedische Recht kennen gesetzliche Regelungen, die im Zweifel zu einer Beerbung durch beide Erbgruppen je zur Hälfte führen, wenn nicht etwas anderes bestimmt oder festgesetzt ist. Im dänischen Recht wird dies durch eine Beweislastumkehr, dass sämtliches Vermögen, welches dem „uskifte bo“ unterfällt, auch Gesamtgut ist, erreicht (§ 33 dän. AL)807. Bei der Übernahme des Vermögens muss der überlebende Ehegatte jedoch ein Vermögensverzeichnis, welches auch eine Zuordnung zu Vorbehalts- oder Gesamteigentum enthält, einreichen. Dies ermöglicht zumindest einen konkreten Nachweis. In Norwegen gilt der Halbteilungsgrundsatz im Zweifel weder bei einer Auseinandersetzung zu Lebzeiten noch von Todes wegen, wenn Vorbehaltsgut übernommen worden ist. Dann bestimmen die Anteilsverhältnisse bei Übernahme des Vermögens die Quote (§ 26 Abs. 2 norw. AL).

4.6. Fazit Die aufgeschobene Auseinandersetzung entspricht der gewünschten Regelung der meisten Ehegatten. Auch in Österreich sehen sogenannte Ehegattentestamente regelmäßig eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung vor. Die Rechtsfolge kann sowohl durch das Institut der fortgesetzten Gütergemeinschaft, aber auch durch die alleinige Vorerbenstellung des Ehegatten erreicht werden. In den nordischen Rechtsordnungen liegt der entscheidende Vorteil darin, dass die Rechte der Abkömmlinge aufgeschoben werden und daher auch kein Pflichtteil bzw. Noterbrecht geltend gemacht werden kann. 806 807

Viggo/Pedersen, aaO, S. 253. Feldthusen & Nielsen, aaO, S. 87.

207 Um insgesamt einen Ausgleich der Interessen des überlebenden Ehegatten und der Abkömmlinge im zweiten Todesfall zu erreichen, müssen umfangreiche, teilweise detaillierte Regelungen getroffen werden. Besonders deutlich zeigt sich dies an den Regelungen der Verfügungsbefugnis. Die Ausgestaltung im nordischen Recht leidet nach Ansicht der Verfasserin an Bestimmtheit und Klarheit, da aufgrund des Abstellens auf Anteilsverhältnisse nicht klar ist, welches Vermögen betroffen ist. Wobei anlässlich des Todes zum Teil nicht einmal eine Anteilsbestimmung vorgenommen wird. Die aus österreichischer Sicht erheblichen Beschränkungen der Verfügungsbefugnis sind aus nordischer Perspektive allerdings nicht derart gravierend, sind die Gatten doch auch während der Ehe in ihrer Verfügungsbefugnis aufgrund des Güterstandes beschränkt. In den nordischen Rechtsordnungen wird zudem den Ehegatten umfangreich das Recht eingeräumt, auf die Ausgestaltung durch Ehepakt oder Testament Einfluss zu nehmen. Dies führt dazu, dass diejenigen Ehegatten, die sich eines juristischen Beistands bedienen, die Rechte der Abkömmlinge stark einschränken können.

5. Die gewillkürte Erbfolge Allen untersuchten Rechtsordnungen gemeinsam ist, dass sie die Abänderung der gesetzlichen Erbfolge durch eine letztwillige Verfügung zu Gunsten aber auch zu Lasten des Ehegatten zulassen. Das norwegische Recht kennt die Besonderheit, dass ein unwirksames sowie formunwirksames Testament durch Anerkennung Gültigkeit erlangen kann (§§ 60, 70 Abs. 2 norw. AL). Das norwegische Recht kennt zudem kein notarielles Testament. In Schweden existiert kein Notariat österreichischer Prägung. In Dänemark stellt das notarielle Testament hingegen den Normalfall dar, die vor dem Notar errichteten Testamente werden zentral hinterlegt808. Das nordische Recht - sofern es einen Erbvertrag überhaupt kennt - knüpft an diesen keine besonderen Formvorschriften, auch nicht das dänische Recht. Der Erbvertrag wird allenfalls durch das Element der Bindungswirkung charakterisiert. Alle untersuchten Rechtsordnungen bieten den Ehegatten bestimmte Instrumente, im Rahmen der gewillkürten Erbfolge die Rechtsnachfolge gemeinschaftlich zu regeln. Hinsichtlich der Formvorschriften weichen diese zwar von-

808

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 272.

208 einander ab. Dies aber nicht vor dem Hintergrund der Stellung der Ehegatten im erbrechtlichen Gefüge.

5.1. Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge Die größten Unterschiede ergeben sich bei der Frage, inwieweit ein Testament Bindungswirkungen entfalten kann oder nicht, obwohl in allen untersuchten Rechtsordnungen der Grundsatz, dass ein einmal errichtetes Testament jederzeit frei widerrufen und abgeändert werden kann, gilt809.

5.1.1. Gemeinschaftliche Testamente Gemeinsam ist den untersuchten Rechtsordnungen, dass diese für die Ehegatten die Möglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments vorsehen, wobei dieses entweder in einer Urkunde oder in zwei aufeinander bezugnehmenden Urkunden errichtet werden kann. Hierbei müssen die Verfügungen weder identisch noch gegenseitig sein. Die nordischen Rechtsordnungen eröffnen diese Möglichkeit auch in „wilder Ehe“ Zusammenlebenden. Dies ist im österreichischen Recht nicht möglich. Im nordischen Recht ist das gemeinschaftliche Testament gebräuchlich, wenn einseitige Abkömmlinge vorhanden sind oder es sich bei den Testierenden um in „wilder Ehe“ Zusammenlebende handelt. Dies zeigen die dänischen Untersuchungen810. Hierdurch können die Rechte der einseitigen Abkömmlinge auf den Pflichtteil begrenzt werden. Möglich und üblich ist es, die Rechte des Ehegatten im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung zu erweitern oder die Nacherbenregelung abzuändern811. Üblich ist es weiterhin, durch ein gemeinschaftliches Testament dem überlebenden Ehegatten auch die Testierungskompetenz über den gesamten Nachlass einzuräumen812. Sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind, ist das praktische Bedürfnis in den nordischen Staaten nicht so hoch, ein Testament zu errichten, da in diesem Fall der überlebende Ehegatte durch eine erhöhte Erbquote bzw. Alleinerbenstellung schon von Gesetzes wegen abgesichert ist813.

809 810 811 812 813

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 278. Taksøe-Jensen, aaO, S. 250. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 308. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 308. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 309.

209

5.1.2. Erbverträge Im dänischen und norwegischen Recht kann sich der überlebende Ehegatte dazu verpflichten, ein Testament nicht zu ändern. Hierdurch wird der Erbvertrag in Norwegen und Dänemark definiert, wenn dies auch in Dänemark nicht ausdrücklich aus dem Gesetz hervorgeht814. Durch den Erbvertrag, der auch Bestandteil eines gemeinschaftlichen Testaments sein kann, wird der Erblasser in seiner quantitativen und qualitativen Testationskompetenz beschränkt. An die Errichtung selbst werden keine besonderen Voraussetzungen geknüpft. Nicht so im schwedischen Recht. Bindungswirkungen sind dort unbekannt und sogar verboten. Dies ergibt sich aus Kap. 10 § 5 S. 2 ÄB.

5.2. Bindungswirkungen zu Lebzeiten Die Frage, inwieweit Bindungswirkungen bestehen, ist primär eine Auslegungsfrage in allen Rechtsordnungen. Grundsätzlich ist im Zweifel nicht von Bindungswirkungen auszugehen. Nach überwiegender Auffassung muss sich der Wille der Bindung aus dem Testament ergeben, wenn auch eine Andeutungstheorie wie in Österreich unbekannt ist. Zu Lebzeiten kann deshalb jede der Parteien das Testament frei widerrufen und abändern, außer es liegt ein Erbvertrag (in Norwegen oder Dänemark) vor. Inwieweit dies der Fall ist, ist Auslegungsfrage. Eine Änderung ist dann nur zusammen mit dem Erbvertragspartner möglich. Eine andere Frage ist, inwieweit ein gemeinschaftliches Testament bei einem einseitigen Widerruf Bestand hat, wenn ein Gegenseitigkeitsverhältnis vorliegt. In Norwegen und Dänemark ist es für die Wirksamkeit der Änderung deshalb Voraussetzung, dass der andere Part über die Änderung informiert wird, außer dies ist ausschließlich zum Vorteil der Sekundärerben und bezieht sich nur auf den Sekundärerbfall bzw. des Vertragspartners815. Ist die Änderung nach dänischem Recht wirksam, dann verliert die andere Verfügung schon von Gesetzes wegen ebenfalls ihre Wirkung und fällt ohne weitere Schritte weg816. In Norwegen ist dies nicht der Fall. Die andere Verfügung bleibt grundsätzlich wirksam bis auch der andere Part seine Verfügung ändert oder widerruft817.

814 815 816 817

Lødrup, Nordisk Arverett, S. 301. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 301. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 310. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 310.

210 Obwohl das schwedische Recht keine Bindungswirkungen kennt, kennt es jedoch bei gemeinschaftlichen Testamenten - eigentlich nicht systemkonform eine gewisse Abhängigkeit der Verfügungen an. Soweit also der Widerruf oder die Änderung die wesentlichen Grundlagen und Voraussetzungen berührt, unter denen das Testament errichtet worden ist, dann bleibt die andere Verfügung zwar wirksam, der Widerrufende bzw. Ändernde geht dann seines Vorteils aus dem Testament ebenfalls verlustig818. Auch im österreichischen Recht gilt, dass ein gemeinschaftliches Testament jederzeit frei widerruflich ist. Bindungswirkungen können nur durch einen Erbvertrag begründet werden. Liegt jedoch eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen vor, dann führt dies dazu, dass auch die andere Verfügung unwirksam wird. Der Erbvertrag ist an einen Notariatsakt zwingend gebunden. Während im österreichischen und norwegischen Recht bei einer Scheidung oder Trennung die Rechte aus einer Verfügung von Todes wegen nicht grundsätzlich wegfallen, ist dies in den Rechtsordnungen Dänemarks und Schwedens der Fall819.

5.3. Rechtsverhältnisse nach dem ersten Todesfall Auch für die Rechtsverhältnisse nach dem ersten Todesfall ist primär der Inhalt des Testaments entscheidend.

5.3.1. Verfügungsbefugnis nach dem ersten Todesfall Inwieweit der Erbe verfügungsbefugt ist, hängt von dem Inhalt des jeweiligen Testamentes ab. Grundregel ist allerdings, dass der längerlebende Gattenteil frei verfügungsbefugt ist820. Dies ist für das norwegische Recht grundsätzlich in § 67 Nr. 1 AL gesetzlich normiert. Soweit Regelungen zur Nacherbfolge enthalten sind, haben diese keinen Einfluss auf die Verfügungsbefugnis821. Dies gilt für Österreich jedoch nur, wenn nicht eine Vor- und Nacherbschaft testamentarisch verfügt worden ist, denn dann ist der überlebende Ehegatte aufgrund der Substitution in Bezug auf den Nachlass nicht mehr frei.

818 819 820 821

Agell, Testamentsrätt, S. 89. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 312. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 313. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 313.

211

5.3.2. Verfügungen von Todes wegen Auch nach dem Tod ist von der Grundregel auszugehen, dass der überlebende Ehegatte in seiner Testierbefugnis frei ist. 5.3.2.1. Bindungen Bindungen können sich aus einem Erbvertrag ergeben oder aufgrund des Inhalts des Testaments. Grundsätzlich kann aber auch in Österreich ein gemeinschaftliches Testament widerrufen werden. 822 In Norwegen und Dänemark wird danach unterschieden, ob eine Sekundärerbeinsetzung vorliegt oder nicht. In Norwegen kann nur zum Vorteil der eingesetzten gesetzlichen Erben bzw. der auf Wunsch des Verstorbenen eingesetzten Erben testiert werden. Im dänischen Recht ist der Überlebende hinsichtlich seines „freien Anteils“ nicht begrenzt. Hiervon gibt es nur zwei Ausnahmen, nämlich wenn der Nachlass insgesamt dem Stiefkind zukommen sollte, dann ist der überlebende Gatte überhaupt nicht testierbefugt oder wenn gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden sind, dann ist der Gatte nur noch in Höhe von 1/2 seines „freien“ Erbes testierbefugt. Das norwegische Recht kennt noch eine Regelung, wonach bei einem gemeinschaftlichen Testament - ähnlich dem „uskifte bo“ - der Nacherbfall eintritt, nämlich wenn der Gatte erneut heiratet. Dies stellt im weitesten Sinne eine Verfügungsbeschränkung dar. In Schweden kann der Vorerbe über seinen ideellen Anteil jederzeit frei testieren. 5.3.2.2. Testationskompetenz im Übrigen Die folgenden Ausführungen betreffen nicht nur die Testationskompetenz nach dem ersten Todesfall, sondern sind allgemeiner Natur und werden aufgrund des Sachzusammenhangs an dieser Stelle kurz dargestellt. Allen nordischen Erbgesetzen gemeinsam ist, dass diese den Pflichtteil oder das Noterbrecht unabhängig von der genauen Bezeichnung als den Anteil des Abkömmlings sehen, auf den ein gesetzlicher Erbe, ungeachtet einer dazu im Widerspruch stehenden letztwilligen Verfügung, einen Anspruch hat 823. Aus dieser Definition folgt auch schon die Einordnung in der nordischen Didaktik als Beschränkung der Testationskompetenz, obwohl es sich eigentlich um einen Bestandteil des gesetzlichen Erbrechts handelt824. Regelmäßig führt dies von der 822 823 824

Weiß in Ferrari/Likar-Peer, aaO, S. 178. Korkisch, aaO, Band I, S. 166. Korkisch, aaO, Band I, S. 166.

212 Didaktik dazu, dass ein Testament, welches gegen das Pflichtteilsrecht verstößt, zumindest latent unwirksam ist. Die Unwirksamkeit des Testamentes muss bei allen Rechtsordnungen von den Abkömmlingen geltend gemacht werden. In Dänemark und Norwegen kann auch im Wege der Auslegung hierauf Rücksicht genommen werden 825. In Schweden muss der Pflichtteilsberechtigte Anpassung verlangen826. Dies gilt auch für die jeweiligen Mindestrechte des Ehegatten am Nachlass im Falle einer Enterbung827. Es wird in allen nordischen Rechtsordnungen die quantitative und die qualitative Testationskompetenz unterschieden. Die quantitative Testationskompetenz betrifft die Frage, ob der Erblasser über den gesamten Nachlass testieren darf. Hierunter fällt die Frage der Beschränkung durch Pflichtteilsrechte, aber auch andere Rechte Dritter. Die qualitative Testationskompetenz betrifft die Frage, über welche Gegenstände testiert werden darf. In allen Rechtsordnungen darf der Ehegatte nur über sein so genanntes „freies Erbe“ verfügen. In Dänemark beträgt der freie Nachlass grundsätzlich ¾, unabhängig davon, ob der Erblasser einen Ehegatten und/oder Abkömmlinge hinterlässt, da der Pflichtteilsanspruch sowohl des Ehegatten als auch der Abkömmlinge 1/4 beträgt. In Norwegen beträgt das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge 2/3 des Nettonachlasses (§ 29 Abs. 1 norwegisches AL). In Folge dessen ist der Erblasser zu 1/3 in seiner Testierkompetenz frei, in Schweden zu 1/2. In Österreich kann sich der Erblasser nur zu 3/4 erbvertraglich binden. Das letzte Viertel muss zu Gunsten seiner Testierfreiheit ungebunden bleiben. Testamentarisch kann in den nordischen Ländern Dänemarks und Norwegens das Pflichtteilsrecht begrenzt und ausgestaltet werden. In Norwegen kann das Pflichtteilsrecht gedeckelt werden, in Dänemark ist die Deckelung auf 1 Mio. DKK (= € 134.125,00 Kurs per 14.12.2010) gesetzlich vorgesehen. Dies ist in Österreich nicht möglich.

5.4. Rechtsverhältnisse im zweiten Todesfall Beim zweiten Todesfall kommt es in allen Rechtsordnungen zu einer Auseinandersetzung abhängig von den Regelungen des Testamentes bzw. des Erbvertrages. 825 826 827

Korkisch, aaO, Band I, S. 167. Lødrup, Nordiske Arverett, S. 337. Lødrup, Nordiske Arverett, S. 337.

213 Lassen sich im Wege der Auslegung des Testamentes bzw. des Erbvertrages in Dänemark und Schweden keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass die gesetzliche Nacherbfolge, die auch bei testamentarischen Verfügungen einschlägig ist, abbedungen werden soll, so sind diese im Regelungen im Zweifel anzuwenden wie auch etwaige Abweichungen vom Gleichteilungssatz. Soweit der überlebende Ehegatte allerdings testamentarisch in Schweden mit „full äganderätt“ zu Lebzeiten und von Todes wegen eingesetzt ist, ist davon auszugehen, dass er nicht nur anderweitig testieren darf, sondern sogar die gesetzliche Nacherbfolge abbedungen ist828. Dies hat zur Konsequenz, dass das Vermögen auf die gesetzlichen Erben des längerlebenden Ehegatten übergeht. Dies ist im norwegischen Recht der gesetzlich vorgesehene Regelfall. Aufgrund der eher getrennten Vermögensverhältnisse kommt es in Schweden zur Nacherbfolge, wie vom Gesetz vorgesehen.

6. Der Erwerb der Erbschaft und Auseinandersetzung Auch wenn sich bereits gezeigt hat, dass der Ehegatte bei dem Erwerb der Erbschaft keine besonderen Rechte geltend machen kann, so sollen trotzdem die Rechtsordnungen kurz vorgestellt werden. Die besonderen Rechte im Rahmen der Auseinandersetzung wurden größtenteils - soweit diese relevant sind - an anderer Stelle beleuchtet.

6.1. Erwerb der Erbschaft Der Übergang des Nachlasses geschieht in allen Rechtsordnungen durch ein formelles Verfahren, ähnlich einem Verlassenschaftsverfahren. Im Zuge dieses Verfahrens erfolgt auch im nordischen Recht eine Auseinandersetzung des Güterstandes829. Die Erbschaft selbst fällt in Norwegen automatisch an, vor einer Übernahmeerklärung findet aber kein Zusammenfall mit dem Privatvermögen des Erben statt. Dies gilt auch für das dänische Recht, hier ist jedoch im Rahmen der Universalsukzession eine Annahmeerklärung erforderlich, diese kann aber nicht erzwungen werden830.

828 829 830

NJA 1950, S. 483. Lødrup, Nordisk Arverett, S. 383. Ferid/Firsching, Dänemark, aaO, S. 534.

214 Das schwedische Recht trifft hierzu keine Regelungen und auch die Rechtswissenschaft hat sich mit dieser Frage, soweit ersichtlich, noch nicht auseinandergesetzt831.

6.2. Einordnung des Nachlasses Der Nachlass selbst stellt im Rahmen der Auseinandersetzung eine „Art juristische Person“ unterschiedlichster Ausprägung dar. In Schweden ist der Nachlass eine juristische Person832, in Norwegen abhängig von dem Verfahren eine zumindest mehr oder wenige selbstständige und trennbare Vermögensmasse833. In Dänemark ist der Nachlass nicht selbstständig, außer es wird keine Erbantrittserklärung abgegeben, denn dann kommt es de fakto dazu, dass der Nachlass eine trennbare Vermögensmasse, ähnlich der Konkursmasse wird834. Bis zur Auseinandersetzung haben die Erben an diesem Nachlass ein latentes Anteilsrecht. Erst mit Übernahme des Nachlasses haften der bzw. die Erben. Im österreichischen Recht haftet ebenfalls der ruhende Nachlass und nicht die Erben, jedoch nur bis zur Einantwortung.

6.3. Einantwortung Bei der Frage, wie die Auseinandersetzung und Einantwortung zu handhaben ist, kennen die nordischen Rechtordnungen die öffentliche und die private Auseinandersetzung im weitesten Sinne. In Österreich ist zwingend ein Verfahren zur Inbesitznahme vorgesehen. Zwar kommen dem überlebenden Ehegatten bei allen untersuchten Rechtsordnungen - je nach seiner Stellung - unterschiedliche Beteiligungsrechte an dem Verfahren zu. Diese sind jedoch nur untergeordnet geeignet, eine Bewertung der Stellung des Ehegatten in der jeweiligen Rechtsordnung durchzuführen, weshalb im Rahmen der Rechtsvergleichung hierauf nicht gesondert einzugehen ist. Soweit diese Rechte Relevanz hatten, sind diese schon vorab, beispielsweise im Rahmen des Voraus, dargestellt worden.

831 Carsten in Ferid/Firsching, Schweden, aaO, S. 17. 832 Agell & Malmström, aaO, S. 403. 833 Lødrup, Arverett, S. 294. 834 Vgl. Ausführungen im Kap. 6, Punkt 6, sowie Ferid/Forsching, Dänemark, aaO, S. 71.

215

7. Fazit und Zusammenfassung Die Stellung des Ehegatten im nordischen Recht ist aufgrund des Ineinandergreifens von Güter- und Erbrecht im Regelfall stärker ausgestaltet als in Österreich, wenn auch die erbrechtlichen Quoten unabhängig vom gewählten Güterstand sind. Der Ehegatte kann durch die aufgeschobene Auseinandersetzung mit den Abkömmlingen regelmäßig das gesamte Vermögen, das den Ehegatten während der Ehezeit zur Verfügung gestanden hat, übernehmen, in der Regel jedoch nicht das Vorbehaltsgut. Die erbrechtlichen Rechte der Abkömmlinge sind solange ebenfalls ausgesetzt. Güterrechtlich sind die Ehegatten zumindest nach westnordischem Verständnis in ihren Vermögensverhältnissen frei und können als Konsequenz hieraus auch unter der Bedingung des Todes güterrechtliche Bestimmungen treffen. Damit können die Gatten je nach individuellem Verständnis von Ehe und Familie für den Fall des Todes Vorsorge treffen. Dies gilt für Schweden eingeschränkt, denn aus Gläubigerschutzgesichtspunkten können die Ehegatten keine aufschiebend bedingten, güterrechtlichen Bestimmungen treffen. In Österreich kann im Vergleich zwar Einfluss auf das Vermögen durch die Wahl des Güterstandes getroffen werden. An der Erbquote des Ehegatten ändert dies allerdings nichts. Innerhalb der nordischen Rechtsordnungen ist nach Ansicht der Verfasserin die Stellung des dänischen Ehegatten am Stärksten ausgestaltet, da der überlebende Gattenteil entweder den Nachlass in der Regel vollständig durch das Rechtsinstitut des „uskifte bo“ übernehmen oder, sofern einseitige Abkömmlinge vorhanden sind, im Vergleich die höchste Erbquote, nämlich 1/2, für sich beanspruchen kann. Daneben ist der Ehegatte noch durch ein Pflichtteilsrecht und ein Ergänzungserbe bei massearmen Nachlässen geschützt. Im schwedischen Recht kann der überlebende Ehegatte von seinem Vorerbrecht nur profitieren, wenn keine Stiefkinder vorhanden sind. Sobald dies der Fall ist, steht der Ehegatte nach meiner Ansicht schutzlos da. Die schwedische Grundbetragsregelung ist die vergleichsweise am Schwächsten ausgestaltete Mindestbeteiligung des Erblassers bei den untersuchten Rechtsordnungen.

8. Ausblick Es ist davon auszugehen, dass eine Aufwertung der Stellung des Ehegatten auch in Österreich von der Mehrzahl der verheirateten Erblasser gewünscht wird. Generell ist die Diskussion um die Aufwertung des Ehegattenerbrechts auch aktuell, wie dies auch das Beispiel des 17. österreichischen Juristentages zeigt.

216 Obwohl die Berücksichtigung des Gerechtigkeitsempfindens der Bevölkerung im Gesetzgebungsverfahren in Österreich nicht den Stellenwert hat wie im nordischen Recht, schadet es nach Auffassung der Verfasserin nicht, dieses Gerechtigkeitsempfinden im Rahmen des Erbrechts zu berücksichtigen, zumal die Begründung des gesetzlichen Erbrechts und damit auch die Befugnis des Gesetzgebers, in die Privatautonomie der Bürger einzugreifen unter anderem damit gerechtfertigt wird, dass das gesetzliche Erbrecht dem durchschnittlichen Willen eines Testators entspricht. Daneben ist die Begründung des Erbrechts wie auch die Definition von Familie und Ehe im Übrigen eher im Laufe der Zeit verschwommen und damit mehr und mehr individualisiert. Die Legitimation des Gesetzgebers, die Vermögensnachfolge zu regeln, sollte einen größeren Stellenwert in der Diskussion finden. Meines Erachtens kann der Gesetzgeber bei einem derartigen Vorgehen auch auf eine größere Akzeptanz in der Bevölkerung bauen. Dies zeigen die untersuchten nordischen Rechtsordnungen und die im jeweiligen Gesetzgebungsprozess vorgenommenen Auswertungen. Die Frage des Ehegattenerbrechts wird immer noch, und da ist Freisitzer835 zuzustimmen, primär an überlieferten, interessensbezogenen Denkmustern gemessen. Dies steht nach wie vor im Widerspruch zu den damals von Freisitzer durchgeführten empirischen, stichpunktartigen Untersuchungen, bei denen ein erhebliches Abweichen der Gerechtigkeitsempfindungen der Bevölkerung vom (damals) geltenden Erbrecht festgestellt werden konnte836. Diese Bewertung dürfte meines Erachtens angesichts der derzeitigen Rechtslage, den praktischen Erfahrungen und dem Ergebnis der Befragung immer noch aktuell sein. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich diese Einschätzung zwischenzeitlich sogar noch zusätzlich verstärkt hat. Nach meiner Ansicht ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung von der Vorstellung ausgeht, dass dem überlebenden Ehegatten mindestens die „Hälfte des Ganzen“ gebührt. Dies hat auch Freisitzer empirisch so ermittelt837. Nach dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung sollen die Kinder auf lange Sicht nicht leer ausgehen, ihnen soll ein Anspruch auf das Vermögen erst nach dem Tode des überlebenden Ehegatten zukommen. Die damals von Freisitzer befragten Probanden838 haben zu 50% eine damit verbun835 836 837 838

Freisitzer, aaO, S. 102. Freisitzer, aaO, S. 107. Freisitzer, aaO, S. 106. Freisitzer hat 207 Einzelinterviews mit ausgewählten Personen mit relevantem Vermögen geführt. Angesichts des Erfordernisses der Vermögenslage hat dies zu einem Überhang von Personen mit höherer Schulbildung und höherem Alter geführt. Die Erhebung nimmt keinen Anspruch auf Repräsentativität in Anspruch.

217 dene Einschränkung der Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten sogar in Kauf genommen839. Dieses Gerechtigkeitsempfinden entspricht der Regelung des Erbrechts in den Ländern Norwegens und Dänemarks bei Inanspruchnahme des Rechtsinstituts des „uskifte bo“. Die andere Hälfte der befragten Probanden will dem überlebenden Ehegatten die volle Verfügungsbefugnis zukommen lassen840. Dies entspricht teilweise der in Schweden kodifizierten Rechtslage mit einer der Alleinerbschaft angenäherten Vorerbenstellung. Wenn auch das Erbrecht in noch stärkerem Maße als andere Rechtsgebiete in der Tradition verankert ist, darf der Mut für neue Wege und Ansätze nicht fehlen. Es dürfen nicht erst dann Änderungen angegangen werden, wenn Fehlleistungen des Gesetzgebers vorliegen, wie dies nach Ansicht von Welser der Fall ist841. Der Gesetzgeber hat sich daher zumindest auch am praktischen Bedarf zu orientieren. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die im Rahmen der Abhandlung vorgestellten Rechtsordnungen Rechtsinstitute vorsehen, die aus einer historischen Perspektive dem österreichischen Recht nicht fremd sind. Es ist weiter festzuhalten, dass die nordischen und hier insbesondere die westnordischen Rechtsordnungen es den Ehegatten frei stellen, ihre Vermögensverhältnisse, aber auch ihre Erbfolge zu regeln und damit zwar in der Grundwertung ein eheliches Leitbild bzw. in erbrechtlicher Hinsicht eine Grundentscheidung vorgeben, die die Ehegatten noch zusätzlich abändern können und zwar zu ihren Gunsten, aber auch zu ihren Lasten und damit zum Vorteil der Abkömmlinge, auch wenn dies im Falle einseitiger Abkömmlinge eingeschränkt ist. Damit reagiert der Gesetzgeber auf die zunehmende Individualisierung der Definition der Ehe. Eine Übernahme derart weitgehender Rechte für den Ehegatten ist aber auch problematisch. Auffällig und nachteilig ist nämlich, dass die Regelungen, die eine aufgeschobene Auseinandersetzung vorsehen, auch wenn sie dem Willen des durchschnittlichen, verheirateten Erblassers entsprechen, einen erheblichen Regelungsaufwand nach sich ziehen. Die Probleme stellen sich bei einer aufgeschobenen Auseinandersetzung an anderer Stelle, beispielsweise wenn Stiefkinder vorhanden sind bzw. wenn der überlebende Ehegatte nicht zum Besten der 839 840 841

Freisitzer, aaO, S. 106. Freisitzer, aaO, S. 106. Welser, Verhandlungen des 17. ÖJT, S. 12 ff..

218 „Nacherben“ handelt. Um die Aussetzung der Erbrechte der Abkömmlinge zu rechtfertigen, muss von der Rechtsordnung sichergestellt werden, dass diese im zweiten Todesfall auch „zum Zug kommen“ und der Nachlass bis dahin nicht durch lebzeitige Verfügungen oder testamentarische Dispositionen des überlebenden Ehegatten entleert ist. In diesen als neuralgisch zu bezeichnenden Punkten treffen die nordischen Rechtsordnungen meines Erachtens keine zufriedenstellende Lösung, wenn auch die einzelnen Regelungen in den nordischen Ländern gerade in diesen Punkten am meisten abweichen. Die genaue Ausgestaltung wird der Judikatur vom Gesetzgeber überlassen. Durch die Anknüpfung unterschiedlicher Rechte an gemeinschaftliche und einseitige Abkömmlinge wird auch das Interesse des Erblassers nicht berücksichtigt, der - sofern das Verhältnis zu seinen Abkömmlingen zu Lebzeiten noch intakt ist - weder die gemeinschaftlichen, ehelichen Abkömmlinge noch seine einseitigen Abkömmlinge bevorzugen oder benachteiligen will. Dieser strebt in der Regel eine Gleichbehandlung an. Direkt als unglücklich ist meines Erachtens die schwedische Lösung zu bezeichnen, wenn einseitige Abkömmlinge des zuerst verstorbenen Ehegatten vorhanden sind, denn dann steht der Ehegatte schlechthin schutzlos und wird nur auf den güterrechtlichen Ausgleich verwiesen, sofern der überlebende Ehegatte einen solchen überhaupt aufgrund der Lebensgestaltung, beispielsweise bei einer Einverdienerehe, erwarten darf. Gerade im Rahmen der Verfügungsbefugnis und der Verteilung des Vermögens zwischen den jeweiligen Stämmen im zweiten Todesfall, aber auch bei einer vorzeitigen Auseinandersetzung ist in den nordischen Rechtsordnungen die Frage der Anteilsbestimmung sehr problematisch und nach Ansicht der Verfasserin auch aus sachenrechtlichen Erwägungen unklar. Aus österreichischer Perspektive ist zudem die Begründung in dogmatischer Hinsicht zweifelhaft. Überhaupt leidet die sachenrechtliche Bestimmtheit in den nordischen Rechtsordnungen bei dem Ineinandergreifen von Güter- und Erbrecht. Aus österreichischer dogmatischer Sicht müsste ein noch höherer Regelungsaufwand betrieben werden, wenn eine Aussetzung der Erbrechte der Abkömmlinge im ersten Erbfall normiert werden müsste. Zusammenfassend ist nach Ansicht der Verfasserin eine Aufwertung der Stellung des Ehegatten - ggfls. auch zu Lasten der Abkömmlinge - in Österreich angezeigt. In diesem Rahmen sollte, unter Einbeziehung der Erkenntnisse des nordischen Gesetzgebers, die Diskussion offen geführt werden. Hierbei muss die Legitimation und Begründung des Ehegattenerbrechts konkretisiert und eine Grundentscheidung herbeigeführt werden oder es den Ehegatten im Rahmen ihrer individuellen Gestaltungsbefugnis des ehelichen Vermögens überlassen wer-

219 den, in diesem Zusammenhang auch ihre Stellung nach dem Tod individuell zu definieren. Für eine Übernahme der nordischen Rechtsinstitute bzw. eine komplette Aussetzung der Erbrechte im ersten Todesfall dürfte jedoch, nach dem derzeitigen Diskussions- und Meinungsstand, kein Raum sein.

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226 Innst. O 71, Instilling O. Nr. 71 (1990-91) - Instilling fra justiskomiteen om lov em ektenskap. Innst.O 56, Instilling O. Nr. 56 (1989-90) - Instilling fra jusitiskomiteen om endringer i skifteloven. Innst. O XIX, Instilling O Nr. XIX (1970-71) - Tilråding frå Jusitisnemnda om lov om arv m.m Lovforslag nr. L 100/2006, med bemærkninger. Lovforslag nr. L 100 fremsat den 6.deember 2006 af justitsministeren (Lene Espersen). Optryk i FT 2006-07, till A, S. 3414-3465. NOU 2007:16, Norges offentlige utredningar 2007:16 Ny skiftelovgivning, herausgegeben von Justis-og Politidepartementet, Oslo, 2007. Österr. Nationalrat Stenographische Protokolle des Nationalrates, der 96. Sitzung, Gesetzgebungsperiode XIV vom 15.06.1978. Ot.Prp. 28, Odelstingsproposisjon. Prp. Nr. 28 (1990-91) Om lov om ektenskap. Ot. Prp. 46, Odelstingsproposisjon. Prp. Nr. 46 (1989-1990) Om lov om endringer i skifteloven mv. Ot. Prp. 73, Odelstingsproposison. Prp. Nr. 73 (2007-2008) om lov om endringer i arveloven mv. (arv og uskifte for samboere). SOU 1929:22, Förslag till lag om testamente, Statens Offentlige Utredningar, Justitiedepartementet, Stockholm, 1929. SOU 1998:110, Makes arvsrätt, dödboförvaltare och dödförklaring, Statens Offentlige Utredningar, Justitiedepartementet, Stockholm, 1998. Utkast 1962, Utkast til lov om Arv, Oslo, 1962.

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Rechtsprechungsverzeichnis Österreich: OGH Spruch vom 21.11.1928, Geschäftszeichen 2Ob1029/28 SZ 10/327 OGH Spruch vom 17.12.1947, Geschäftszeichen: 1OB889/47, OGH SZ 21/53 = EvBl 1948/167 OGH Spruch vom 31.05.1961, Geschäftszeichen 5Ob 174/61, RZ 1961, 182 OGH Spruch vom 14.05.1979, Geschäftszeichen 4 Ob529/74, SZ 47/62 OGH Spruch vom 21.04.1982, Geschäftszeichen: 1Ob592/82, SZ 55/54 = EvBl 1982/169 OGH Beschluss vom 02.01.1994, Geschäftszeichen 2Ob603/93, EvBl 1994/148 OGH Beschluss vom 28.09.1995, Geschäftszeichen 6 Ob 580/95, NZ 1996, 243 OGH Beschluss vom 11.11.1999, Geschäftszeichen 6Ob184/99y, JBl 2000/377 OGH Spruch vom 14.11.2000, Geschäftszeichen: 4 Ob281/00b, EvBl 2000/156 OGH Spruch vom 14.01.2003, Geschäftszeichen 1 Ob 215/03d, EvBl 2005/100, OGH Spruch vom 11.05.2004, Geschäftszeichen 5Ob191/03d, EvBl 2005/31 Norwegen: Entscheidungen des Høyesterett: Rt 1946, 1108 Rt 1953, 1274 Rt 1959, S.689 Rt 1961, 1153 Rt 1965, 1296 Rt 1968, 540 Rt. 1975, 220 (Husmordommen) Rt 1979, 922 Rt 1982, 149 Rt 1982, 777 Rt 1982, 948

Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle: Fundstelle:

228 Rt 1982, 1165 Rt 1985, 1291 Rt 1986, 1002 Rt 1989, 539 Rt 1992, 374 Rt 2002, 127 Rt 2004, 777 Rt 2006, 776 Entscheidungend der Lagmansretter & Tingretter RG 1977, 469 (Oslo Skifterett), RG 1980, 827 (Eidsivating) RG 2000, S. 873 (Borgarting) Dänemark: Entscheidungen des Højesteret: UfR 1959.619 UfR 1970.171 UfR 1970.412, UfR 1993.799 UfR 1995, 23 UfR 1996.1438 Entscheidungen des Handelsretten und der Landsretterne: UfR 1900.257 H (Handelsretten) UfR 2007.1397 V (Vestre Landsret) UfR 2004.2562 Ø (Østre Landsret) UfR 2005. 1936 Ø (Østre Landsret)

Schweden: Entscheidungen des Högsta Domstolen NJA 1950, S. 483, (Makarna Karlssons Testamente) NJA 1963, S. 11 NJA 1980 S. 705, NJA 1981 S. 693 NJA 1982 S. 589 NJA 1983, S. 550

229 NJA 1993, S. 145 NJA 1995, S. 303 NJA 1996, S. 791 NJA 2002, S. 142 Entscheidungen der Hovrätterna bzw. des Revisionsgerichts RH 1993:97(Göta Hovrätt) RH 1992:42 (Hovrätt)

Salzburger Studien zum Europäischen Privatrecht Herausgegeben von J. Michael Rainer

Band 1

Marc Herzog: Die Haftung des Gastwirts für eingebrachte Sachen des Gasts nach §§ 701 703 des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs. 1999.

Band 2

Andreas Reinhart: Familienplanungsschaden. Wrongful birth, wrongful life, wrongful conception, wrongful pregnancy. Eine rechtsvergleichende Untersuchung anhand des deutschen und des anglo-amerikanischen Rechts. 1999.

Band 3

Markus Frank: Untersuchungen zu den Politika des Aristoteles. 1999.

Band 4

Stefan Josef Schermaier: Der Gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch. Entwicklung, Perspektiven und Auswirkungen auf das österreichische Recht. 1999.

Band 5

Carmen Windhaber: Reiserecht in Österreich, Deutschland und Kanada. 2000.

Band 6

Korbinian Dietl: Unfallhaftung beim Expeditions- und Trekkingbergsteigen. Zugleich ein Beitrag zum Reiserecht für den Bereich der Bergreisen sowie zum Sporthaftungsrecht für den Bereich des Bergsports. 2000.

Band 7

Erich Jeroscheg: Eigentum an beweglichen Sachen. Französisches Recht und Rechtsvergleich. 2000.

Band 8

Thomas Tschaler: Das Moment der Gefahr als Element der Schadenszurechnung im System des Haftpflichtrechts. Eine rechtstheoretische Untersuchung der möglichen Schwächen gängiger Haftungsmodelle. 2000.

Band 9

Christian Hellenthal: Zulässigkeit einer supranationalen Fußball-Europaliga nach den Bestimmungen des europäischen Wettbewerbsrechts. 2000.

Band 10

Wolfgang Bengen: Die Systematik des § 823 I BGB im Deliktsrecht. Zugleich ein Beitrag zu den Verkehrspflichten. 2000.

Band 11

Gerhard Pöttler: Vergleichende Verbraucherschutzrichtlinienumsetzung in europäischen Mitgliedsstaaten. Anhand ausgewählter Beispiele der Pauschalreise-, Timesharing- und Produkthaftungsrichtlinie. 2001.

Band 12

Johannes Michael Rainer: Europäisches Privatrecht. Die Rechtsvergleichung. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. 2007.

Band 13

Erwin Schön: Allgemeines Vertragsrecht und Kaufvertragsrecht - ein Rechtsvergleich Österreich, USA, Spanien und UN-Kaufrecht. Unter Einbeziehung von PECL und UNIDROITPrinzipien. Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Bewertungsversuche. 2003.

Band 14

Patrick Schenner: Skiunfall! Wer haftet? Schadenersatz im österreichischen Skirecht. 2003.

Band 15

Peter Unterkofler: Die rechtliche Stellung des Pflichtteilsberechtigten im Spannungsverhältnis zwischen Erbrecht und Privatstiftungsrecht. 2003.

Band 16

Susanne Spaun: Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern. 2003.

Band 17

Josef Wolff: Trust, Fiducia und fiduziarische Treuhand. Historisch-rechtsvergleichende Untersuchung mit einer Darstellung des Trust in Schottland sowie des römischen und österreichischen Fideikommiss. 2005.

Band 18

Johannes Michael Rainer / Johanna Filip-Fröschl: Transfer of Title Concerning Movables Part I – Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen in Europa Teil I. Introduction, Estonia, Italy, Poland, Portugal, Scotland, Slovenia, Spain. Einführung, Estland, Italien, Po-

len, Portugal, Schottland, Slowenien, Spanien. Edited by Johannes Michael Rainer – Herausgegeben von Johannes Michael Rainer. 2006. Band 19

Mary-Rose McGuire: Transfer of Title Concerning Movables Part II – Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen in Europa Teil II. National Report: Germany. Edited by Johannes Michael Rainer – Herausgegeben von Johannes Michael Rainer. 2006.

Band 20

Claes Martinson: Transfer of Title Concerning Movables Part III – Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen in Europa Teil III. National Report: Sweden. Edited by Johannes Michael Rainer – Herausgegeben von Johannes Michael Rainer. 2006.

Band 21

Arthur Salomons: Transfer of Title Concerning Movables Part IV – Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen in Europa Teil IV. National Report: The Netherlands. Edited by Johannes Michael Rainer – Herausgegeben von Johannes Michael Rainer. 2006.

Band 22

Viola Heutger: Ein gemeineuropäisches Kaufrecht. Vision oder nahe Zukunft? 2007.

Band 23

Thomas Käferböck: Erleichterungen und Erschwernisse zur Realisierung des Erblasserwillens im internationalen Erbrecht. Das Haager Testamentsübereinkommen einerseits und die Problematik der Pflichtteilsermittlung bei Nachlassspaltung andererseits. 2008.

Band 24

Astrid Hauser: Der Europäische Gerichtshof und der U.S. Supreme Court. Eine vergleichende Analyse ausgewählter Aspekte. 2008.

Band 25

Philipp Riesenkampff: Die Beweisbarkeit der Übermittlung unverkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden in Deutschland, Österreich und England. 2009.

Band 26

Daniele Mattiangeli: Vorteile der Romanitas im Bereich des Vertragsrechts aus einer historisch-vergleichenden Perspektive. 2009.

Band 27

Johannes Michael Rainer (Hrsg.): Vis a potestas legum. Liber amicorum Zoltán Végh. Herausgegeben von Michael Rainer. 2010.

Band 28

Lorenz Wolff: Pflichtteilsrecht – Forced Heirship – Family Provision. Österreich – Louisiana – Schweiz – England und Wales. Ein Rechtsvergleich. 2011.

Band 29

Karin Schwarz: Mediation und Collaborative Law unter besonderer Berücksichtigung relevanter Rechtsbereiche im österreichischen Zivilrecht. 2011.

Band 30

Daniele Mattiangeli: Die Anwendung des ABGB in Italien im 19. Jahrhundert und seine historischen Aspekte. 2012.

Band 31

Susanne Markmiller: Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht. 2013.

www.peterlang.de