Die Rückwirkung im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Dissertationsschrift 9783161550225, 3161550226

Sarah Eickelmann behandelt die Rückwirkung im System des Bürgerlichen Rechts und die grundlegende zivilrechtsdogmatische

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Die Rückwirkung im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Dissertationsschrift
 9783161550225, 3161550226

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einführung und Ziel der Arbeit
Grundlagen
Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung
Einzelne Rückwirkungsanordnungen
Ergebnisse
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Studien zum Privatrecht Band 65

Sarah Eickelmann

Die Rückwirkung im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Mohr Siebeck

Sarah Eickelmann, geboren 1981; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Münster; 2007 Erstes Staatsexamen; Referendariat im OLG-Bezirk Hamm; 2009 Zweites Staatsexamen; Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Konstanz; seit 2012 Richterin im höheren Justizdienst des Landes Baden-Württemberg; 2016 Promotion; ab März 2017 abgeordnet an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin.

ISBN 978-3-16-155022-5 ISSN  1867-4275 (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.

Vorwort Gesetzliche Rückwirkungsanordnungen sind als spezifisches Mittel der Gesetzgebungstechnik in der deutschen und zahlreichen europäischen Rechtsordnungen von Bedeutung. Diese Arbeit analysiert, in welchen Konstellationen und insbesondere mit welchem Ziel und unter Ausnutzung welcher Vorteile der Gesetzgeber den Rückwirkungsmechanismus einsetzt. Sie untersucht einzelne zivilrechtliche Rückwirkungsanordnungen im Hinblick auf ihre Bedeutung für das System des Bürgerlichen Gesetzbuchs, widmet sich aber auch der Analyse beispielhafter Problemsituationen, wobei auch rechtshistorische und rechtsvergleichende Aspekte einbezogen werden. Sie hat im Wintersemester 2015/2016 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz als Dissertation vorgelegen. Das Verfassen dieses Buches ist mir nicht zuletzt durch die Unterstützung zahlreicher Menschen in fachlicher und persönlicher Hinsicht erleichtert worden. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Mein Dank gilt vor allen anderen meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Matthias Armgardt, der meine Arbeit nicht nur durch vielfältige Anregungen gefördert hat, sondern mir gleichzeitig den nötigen Freiraum ließ, meine Ideen zu entwickeln. Meinem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Christoph Althammer, bin ich ebenfalls sehr zu Dank verpflichtet, für die äußerst rasche Zweitkorrektur genauso wie für seine weitere Förderung über das Dissertationsverfahren hinaus. Danken möchte ich des Weiteren Max Häfner, der immer ein offenes Ohr für fachliche Diskussionen hatte, und mir während der gesamten Entstehungszeit meiner Arbeit auch persönlichen Rückhalt gegeben hat. Ich danke zudem Michael Busching für seine stets uneingeschränkte Hilfsbereitschaft vor allem bei technischen Fragen. Meinen Freundinnen und Kolleginnen an der Universität Konstanz, Nina Grumbrecht, Kerstin Düsch und Bettine Jankowski, möchte ich für die gemeinsame Zeit und fürs Korrekturlesen danken. Des Weiteren danke ich Consuela Mayer, die als belesene, vielseitig interessierte und hilfsbereite Lehrstuhlsekretärin stets bereit war, in allen organisatorischen Fragen unterstützend zur Seite zu stehen.

VI

Vorwort

Darüber hinaus möchte ich mich an dieser Stelle besonders bei meinen Eltern Ursula und Gerhard Eickelmann bedanken, die mich während meiner gesamten Ausbildungszeit uneingeschränkt unterstützt haben und immer für mich da waren. Mannheim, im Dezember 2016

Sarah Eickelmann

Inhaltsverzeichnis Erster Teil:  Einführung und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . 1 Zweiter Teil:  Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 §  1 Begriff und Rechtsnatur der Rückwirkung . . . . . . . . . . 5 I. Die Deklarationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Die Fiktionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Die Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

§  2 Ein Ausschnitt: Rückwirkung im römischen Recht . . . . . . 10 I. Rechtsinstitute ohne Entsprechung im heutigen Recht . . . 11 1. Die Lehre vom postliminium . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Erwerb von Eigentum durch einen Nießbrauchsklaven . 12 3. Das peculium castrense . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Rechtsinstitute mit Ähnlichkeiten zum heutigen Recht . . 14 1. Ususfructus gregis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Erwerb eines Vindikationslegats . . . . . . . . . . . . . 15 3. Weitere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 §  3 Rückwirkungsanordnungen im BGB . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Einteilungsmöglichkeiten der Rückwirkungsanordnungen im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

VIII

Inhaltsverzeichnis

§  4 Besondere Rechtfertigung des Einsatzes der Rückwirkung, auch in Bezug auf die möglichen Alternativen . . . . . . . . 24 I. Mögliche Rechtfertigung: Durchsetzung grundlegender Prinzipien des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Das „System“ des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . 25

a) Der Systembegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 b) Die Rechtsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2. Rückwirkung und das innere System des Privatrechts . 28

II. Einfügung in das System im Verhältnis zu anderen Regelungsmöglichkeiten – Einzelfallanalyse zur Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Technische Alternative direkte Verweisung . . . . . . . 30 2. Inhaltliche Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Bewertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4. Abwägung und Verhältnis zwischen den materiellen Prinzipien des Privatrechts und der Zweckmäßigkeit im hier verwendeten Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen . . . . . . . . . 35 §  5 Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB, vor allem in der Rechtsgeschäftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Die Rückwirkung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Ausgangspunkt und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Römisches Recht und Gemeines Recht . . . . . . . . . . 36 c) Gesetzgebungsmaterialien BGB . . . . . . . . . . . . . . 39 d) Andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

2. Rückwirkung der Anfechtung und Prinzipien des BGB 42

a) Das der Rechtsgeschäftslehre zugrunde liegende Prinzip der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Rückwirkung der Anfechtung als Wahrung der Privatautonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung gemäß §  123 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Anfechtung wegen Irrtums gemäß §§  119, 120 BGB . 49 cc) Alternative ex nunc-Wirkung der Anfechtung . . . . 50 dd) Weitere Anfechtungsmöglichkeiten im BGB, auf die sich §  142 BGB bezieht . . . . . . . . . . . . 50

Inhaltsverzeichnis

IX

ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

3. Das Prinzip der Zweckmäßigkeit: Vergleichende Analyse ausgewählter Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . 51

a) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Alternative Nichtigkeit ex nunc bei Anfechtung gegenseitiger Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 aa) Gestörte Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . 54 (1) Schuldrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . 54 (a) Anfechtung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . 54 (b) Anfechtung ex nunc . . . . . . . . . . . . . 56 (c) Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Dingliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (a) Anfechtung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . 62 (b) Anfechtung ex nunc . . . . . . . . . . . . . 62 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Zwischenverfügung an einen Dritten . . . . . . . . . 63 (1) Schuldrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . 64 (a) Anfechtung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . 64 (b) Anfechtung ex nunc . . . . . . . . . . . . . 64 (2) Dingliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (a) Anfechtung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . 64 (b) Anfechtung ex nunc . . . . . . . . . . . . . 65 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 66 cc) Anfechtung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . 66 (1) Schuldrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . 67 (2) Dingliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 69 dd) Anfechtung und Zwangsvollstreckung . . . . . . . . 69 (1) Schuldrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Dingliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 72 ee) Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen . . . . . . 72 ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

a) Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung gemäß §  123 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Anfechtung wegen Irrtums . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Wirkung ex tunc oder ex nunc . . . . . . . . . . . . 78 bb) Anfechtung ex nunc oder Rücktrittsrecht . . . . . . . 79 cc) Einseitige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

5. Gesamtbewertung und Ergebnis Rückwirkung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

II. Rückwirkung der Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Ausgangspunkt und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

X

Inhaltsverzeichnis

b) Römisches Recht und Gemeines Recht . . . . . . . . . . 86 c) Gesetzgebungsmaterialien zum BGB . . . . . . . . . . . 88 d) Andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

2. Prinzipien des Privatrechts als Grundlage der Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Rückwirkung aus dem „Begriff“ der Genehmigung . . . . 90 b) Rückwirkung der Genehmigung als Wahrung des dem BGB zugrundeliegenden Prinzips der Privatautonomie? . 91 aa) Genehmigungserfordernisse im BGB . . . . . . . . . 92 bb) Genehmigung mit Wirksamkeit für und gegen den Handelnden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) Genehmigung mit Wirksamkeit für und gegen den Genehmigenden . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 dd) Öffentlich-rechtliche Genehmigungen . . . . . . . . 97 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Rückwirkung der Genehmigung zwecks Simultanität des Rechtsgeschäfts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

3. Bewertung der Zweckmäßigkeit der Rückwirkung anhand ausgewählter Einzelsituationen . . . . . . . . . . 99

a) Leistungsstörungen zwischen Vertragsschluss und Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Leistungs- und Schutzpflichtverletzungen i. S. v. §  281 und §  282 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Genehmigung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . 102 (a) Leistungsbezogene Pflichtverletzung . . . . . 102 (b) Nicht-leistungsbezogene Pflichtverletzung . . 103 (2) Genehmigung ex nunc . . . . . . . . . . . . . . 104 (a) Leistungsbezogene Pflichtverletzung . . . . . 104 (b) Nicht-leistungsbezogene Pflichtverletzung . . 105 cc) Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Genehmigung mit ex tunc-Wirkung . . . . . . . 105 (2) Genehmigung mit ex nunc-Wirkung . . . . . . . 105 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Genehmigungsbefugnis und Gutgläubigkeit . . . . . . . . 106 aa) Genehmigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Genehmigung mit ex tunc-Wirkung . . . . . . . 106 (2) Genehmigung mit ex nunc-Wirkung . . . . . . . 109 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Zeitpunkt des guten Glaubens . . . . . . . . . . . . 112 (1) Genehmigung mit Wirkung ex tunc . . . . . . . 112 (2) Genehmigung mit Wirkung ex nunc . . . . . . . 112 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Genehmigung von Prozesshandlungen . . . . . . . . . . 113

Inhaltsverzeichnis

XI

e) Genehmigung von Gestaltungserklärungen . . . . . . . . 114 f) Genehmigung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Genehmigung mit ex tunc-Wirkung . . . . . . . . . 115 bb) Genehmigung mit ex nunc-Wirkung . . . . . . . . . 118 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 g) Genehmigung und Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . 118 h) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . 119

4. Exkurs: Rückwirkung der Bedingung und ihre Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

a) Allgemeine Einführung zur Rückwirkung der Bedingung 120 b) Gründe der unterschiedlichen Behandlung . . . . . . . . 122 c) Argumente für die Rückwirkung der Bedingung und Übertragbarkeit auf die Situation der Genehmigung . . . 123

5. Gesamtabwägung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Ergebnis zur Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB . 126

§  6 Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse . . . . . . . . 126 I. Rückwirkung der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Ausgangspunkt, Vergleich und Geschichte . . . . . . . . 126

a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Römisches Recht und Gemeines Recht . . . . . . . . . . 127 c) Gesetzgebungsmaterialien zum BGB . . . . . . . . . . . 129 d) Andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

2. Rückwirkung der Aufrechnung und Prinzipien des BGB 134

a) Die Begründung mit dem „Wesen“ der Aufrechnung . . . 134 b) Das Prinzip der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . 135 c) Prinzip der „Billigkeit“: Schutzwürdiges Vertrauen in die Aufrechnungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Prinzip der Unabhängigkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 e) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

3. Zweckmäßigkeit: Vergleichende Analyse ausgewählter Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

a) Praktische Bedeutung: Zinsen, Verzug, Vertragsstrafe . . 142 aa) Folgen bei ex tunc-Wirkung der Aufrechnung . . . . 142 bb) Folgen bei ex nunc-Wirkung der Aufrechnung . . . . 143 cc) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) „Praktischer Wert“ der Aufrechnung . . . . . . . 143 (2) Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (3) Verzug und Verfall einer Vertragsstrafe . . . . . 145 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Aufrechnung im Konkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

XII

Inhaltsverzeichnis

aa) Das Argument der Gesetzgebungsmaterialien im Lichte der Konkursordnung . . . . . . . . . . . . 147 bb) Beurteilung bei ex nunc-Wirkung der Aufrechnung . 148 cc) Das Konkursprivileg an sich: Ein kurzer Überblick . 150 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Forderungen mit veränderlicher Höhe . . . . . . . . . . 151 aa) Die aufgrund der Rückwirkung entstehende Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Beurteilung bei ex nunc-Wirkung der Aufrechnung . 154 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 d) Fremdwährungsschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) Vergleich zur hypothetischen ex nunc-Wirkung der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 e) Aufrechnung mit verjährter Forderung . . . . . . . . . . 158 aa) Die bestehende Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Vergleich mit hypothetischer ex nunc-Wirkung der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 f) Einfluss der Rückwirkung auf weitere Einzelprobleme . . 162 aa) Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Drittaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc) Abtretung an Dritte während der Schwebezeit . . . . 163 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

4. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Gesamtergebnis zur Rückwirkung der Aufrechnung und Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

§  7 Rückwirkung im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Rückwirkung der Erbschaftsausschlagung und der Erbunwürdigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Ausgangspunkt, Vergleich und Geschichte . . . . . . . . 167

a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Römisches Recht und Gemeines Recht . . . . . . . . . . 167 aa) Annahme einer Erbschaft und Enthaltung . . . . . . 167 bb) Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Gesetzgebungsmaterialien zum BGB . . . . . . . . . . . 170 d) Andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

2. Rückwirkung und Prinzip des Vonselbsterwerbs . . . . 175 3. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

a) Verhältnis zu Nachlassgläubigern und Nachlassschuldnern 177 aa) Forderungen der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . 177 bb) Leistungen der Nachlassschuldner – Insbesondere bei Erbunwürdigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . 178 b) Ansprüche zwischen endgültigem und vorläufigem Erben . 179

Inhaltsverzeichnis

XIII

c) Verfügung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Vereinigung der Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . 180 e) Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 f) Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Erbenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

4. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Fünfter Teil:  Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Erster Teil

Einführung und Ziel der Arbeit Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Rückwirkung im Bürgerlichen Recht. Das Problem der Rückwirkung im Recht taucht in unterschiedlicher Ge­ stalt auf. Es gibt zunächst die Problematik der Rückwirkung von Gesetzen und die damit verbundene Frage, ob ein Gesetz für Zeiträume vor seinem Inkrafttre­ ten Wirksamkeit entfalten kann. Ebenso kann sich die Frage der Rückwirkung bestimmter Staatsakte der Zivilgerichtsbarkeit stellen, insbesondere inwieweit die Aufhebung eines Urteils rückwirkende Kraft entfaltet1. Neben diesen Fra­ gen der Rückwirkung von bestimmten Akten der Staatsorgane finden sich je­ doch auch solche Rückwirkungsanordnungen, die sich auf Rechtsgeschäfte oder Realakte beziehen. Diese Arbeit befasst sich ausschließlich mit den letztgenannten zivilrechtli­ chen Anordnungen einer Rückwirkung. Der Rückwirkungsgedanke in Bezug auf die Anordnung einer Rechtsfolge war schon dem klassischen römischen Recht nicht fremd2. Seitdem mag die Nutzung der Rückwirkung in ihrer Häu­ figkeit zwar zurückgegangen sein3, jedoch ist sie aus dem deutschen Zivilrecht nie ganz verschwunden. Auch andere Rechtsordnungen kennen die Rückwir­ kung und setzen sie mitunter im Vergleich zum deutschen Recht ganz unter­ schiedlich ein. So ordnet der französische Code Civil beispielsweise in Art.  1179 S.  1 die Rückwirkung des Eintritts einer Bedingung an, während dieses Ereig­ nis im deutschen Recht nach §  158 BGB nach allgemeiner Meinung lediglich Wirkungen für die Zukunft entfaltet 4. Auch bei Überlegungen für zukünftige Rechtsgestaltung in Europa spielt die Rückwirkung weiterhin eine Rolle. Der 1  Siehe hierzu beispielsweise: Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Uni­ versitäts-Jubiläum, S.  21 (38 ff.); Oberndörfer, Die Rückwirkung und ihre Begrenzung bei der Aufhebung eines Gestaltungsurteils im zivilprozessualen Wiederaufnahmeverfahren; Alle Arten der Wiederaufnahmeklage sind auf die rückwirkende Aufhebung eines Urteils gerichtet, siehe beispielsweise: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Grundz §  578 Rn.  2. 2  Siehe im Folgenden vor allem den Überblick im zweiten Teil der Arbeit, §  2 , S.  10 ff. sowie jeweils bei den einzelnen Rückwirkungsanordnungen im vierten Teil der Arbeit. 3 So Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  27. 4 Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2015, §  158 Rn.  3, 20 f. m. w. N.; auf die andere Ansicht der Pendenztheorie, vertreten von Armgardt, AcP 206 (2006), 654–682 und Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162–201 wird an späterer Stelle eingegangen, siehe Vierter Teil, §  5 II. 4., S.  119 ff.

2

Erster Teil:  Einführung und Ziel der Arbeit

Draft Common Frame of Reference, ein Entwurf auf dem Weg zu einem ge­ meinsamen europäischen Zivilgesetzbuch, sieht beispielsweise die Rückwir­ kung der Anfechtung5 und die Rückwirkung der Genehmigung eines durch ei­ nen falsus procurator geschlossenen Vertrages vor6. Trotz dieses kontinuierlichen Einsatzes der Rückwirkung, war und ist sie im­ mer wieder der Kritik ausgesetzt7. So bezeichnete von Tuhr sie als „einigerma­ ßen gewaltsames Mittel der juristischen Technik“8 und Lippmann als „wahres Mysterium“9. Schon die sprachlich gekünstelt wirkende Formulierung, mit der eine Rückwirkung in der Regel ausgedrückt wird – „gilt als“, „ist als … anzu­ sehen“ – hebt sie gegenüber anderen gesetzestechnischen Mitteln hervor. Dane­ ben nötigt die Anordnung der Rückwirkung auch zu der nicht unkomplizierten und unnatürlichen Gedankenoperation, einen gegebenen Sachverhalt für die Zukunft rechtlich so zu betrachten, als sei er ein anderer gewesen. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen, in denen das Gesetz eine Rückwirkung anordnet, vergleich­ bare Situationen ohne die rückwirkende Folge auskommen. Zu nennen ist hier beispielsweise im Vergleich zur Anfechtung, die mit Rückwirkung ausgestattet ist, der Rücktritt von einem Vertrag. Während nach erfolgreicher Anfechtung ein Rechtsgeschäft so anzusehen ist, als wäre es von Anfang an nichtig gewesen, §  142 Abs.  1 BGB, führt der Rücktritt zur Umwandlung des ursprünglichen Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis10. Gleiches ergibt sich bei dem Vergleichspaar der Genehmigung nach §  184 BGB und dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung nach §  158 BGB. Beide Normen regeln Zu­ stände, in denen einem Rechtsgeschäft zur vollständigen Wirksamkeit noch das jeweils genannte Ereignis fehlt. Während die Genehmigung in der Regel auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts zurückwirkt, zeitigt die Bedin­ gung nur Wirkungen für die Zukunft. Gerade mit Blick auf diese Vergleichsfäl­ le und in Bezug auf die komplizierte Konstruktion der Rückwirkung stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung, eine solche Regelung einer bloß für die Zu­ kunft wirkenden und damit zumindest auf den ersten Blick einfacheren und sprachlich verständlicheren Regelung vorzuziehen. 5 

II. – 7:212 DCFR. II. – 6:111 DCFR. 7 Beispielsweise Goldschmidt, in: Verhandlungen des 21. Deutschen Juristentages I, S.  121 ff.; zur Rückwirkung allgemein beispielsweise: Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  171 ff.; für die Rückwirkung der Aufrechnung beispielsweise: P. Bydlinski, AcP 196 (1996), S.  281 ff.; Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  147 ff., 182 ff. 8  v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/1, S.  25. 9  Lippmann, JJ 43 (1901), S.  435 (436). 10  BT-Drucks. 14/6040, S.  191; BGHZ 16, 153, 155 f; MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemer­ kung zu §  346 – §  354 Rn.  35; BeckOK BGB/H. Schmidt, §  346 Rn.  9 m. w. N.; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, §  346 Rn.  69. 6 

Erster Teil:  Einführung und Ziel der Arbeit

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Bisherige Forschungen in Bezug auf den Zweck und die Rechtfertigung der Rückwirkung sind jedoch rar. Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts hatte die Diskussion um die Rechtsnatur der Rückwirkung ihren Höhepunkt, die im ein­ leitenden Teil dieser Arbeit näher erläutert wird. Diese Frage ist jedoch heute weitestgehend geklärt. Man geht einheitlich davon aus, dass es sich bei der Rückwirkung um eine Fiktion handelt11. Gelegentlich wird die Frage nach den Grenzen der Rückwirkung12 und ihre Auswirkung auf Dritte13 diskutiert. Die Frage nach der inhaltlichen Rechtfertigung einer Rückwirkungsanordnung im System des BGB scheint demgegenüber bislang weitestgehend unbearbeitet. An dieser Stelle soll die vorliegende Arbeit ansetzen. Sie stellt die Frage, welchem Zweck die Rückwirkung in einer konkreten Situation dient und ob dieser eine ausreichende Rechtfertigung für ihren Einsatz darstellt oder ob nicht vielmehr eine ex nunc-Regelung anzustreben wäre. Hierbei soll auf zwei As­ pekte abgestellt werden. Eine mögliche Rechtfertigung könnte in der Frage nach der Systemgerechtigkeit der Rückwirkung zu finden sein. Fügt sie sich problemlos in das System des Privatrechts ein und fördert sie dieses sogar noch, so könnte dies für ihren Einsatz sprechen. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist der der Anwendungsleichtigkeit der konkreten Norm. Werden durch die Rückwir­ kung bestimmte Probleme bei der Anwendung der Norm vermieden, könnte sie auch deshalb einer ex nunc-Wirkung vorzuziehen sein. Die Kombination beider Aspekte wird sodann zu untersuchen sein. Hierbei werden allgemeine Aussa­ gen für alle Rückwirkungsanordnungen im BGB nur schwerlich getroffen wer­ den können. Daher sollen, am System des BGB orientiert, einige Rückwir­ kungsanordnungen in der Reihenfolge der Bücher des BGB exemplarisch un­ tersucht werden. Hierzu sind zunächst einige allgemeine Ausführungen vor allem zu Begriff und Rechtsnatur der Rückwirkung notwendig. Nach einer Bestandsaufnahme der Rückwirkungsanordnungen im BGB ist der theoretische Ausgangspunkt der Untersuchung näher zu erläutern. Hierher gehört die Frage der Verankerung der Rückwirkung im System des BGB und das Verhältnis zu einer Einzelfallanaly­ se, bei der die ex tunc-Wirkung einer potentiellen ex nunc-Wirkung gegenüber gestellt werden soll. Nach Ausarbeitung der theoretischen Voraussetzungen können einzelne Rückwirkungsanordnungen daraufhin überprüft werden. Da­ 11  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  264; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/1, S.  25; Für §  142 Abs.  1 BGB: Staudinger/Roth Neubearb. 2015, §  142 Rn.  1 unter Verweis auf Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  31 f. m. w. N. 12 Beispielhaft: Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubi­ läum, S.  31 ff.; Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetz­ buchs; Zunft, AcP 152 (1952/1953), 289. 13 Beispielhaft: Bruck, Die Bedeutung der Anfechtbarkeit für Dritte, S.  59 ff.; Fellner, Die Rückwirkung gegen Dritte seit der Entstehung des BGB.

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Erster Teil:  Einführung und Ziel der Arbeit

bei sind auch Argumente aus Historie, Gesetzgebungsmaterialien und anderen Rechtsordnungen zumindest überblicksartig mit einzubeziehen. Der Hauptas­ pekt liegt jedoch in der Untersuchung der hinter der Rückwirkung stehenden Prinzipien und der Überprüfung anhand problematischer Fälle ob eine ex nunc-Wirkung den Anforderungen an eine gelungene und praktikable gesetzli­ che Regelung nicht eher gerecht würde. Ziel der Arbeit ist, zu untersuchen, ob die ausgewählten Rückwirkungsanordnungen im Hinblick auf System und An­ wendungsleichtigkeit eine Rechtfertigung finden, oder ob eine Regelung ohne Rückwirkung vor dem Hintergrund der Untersuchung vorzugswürdig wäre.

Zweiter Teil

Grundlagen §  1  Begriff und Rechtsnatur der Rückwirkung Gegenstand dieser Untersuchung sind die Rückwirkungsanordnungen im Bür­ gerlichen Gesetzbuch. Die bisher erwähnten – zum Teil kunstvoll anmutenden – Umschreibungen1 der Rückwirkung, sagen noch nichts über ihre Rechtsnatur aus. Das folgende Kapitel soll das hierzu bestehende Meinungsspektrum dar­ stellen. Während eine Rückwirkung im wörtlichen Sinne schon immer allgemein verworfen wurde – es besteht Einigkeit, dass nach Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses die Vergangenheit nicht tatsächlich umgestaltet werden kann 2 – war ihre Rechtsnatur dennoch lange Zeit umstritten3. Im Wesentlichen wurden zwei Auffassungen vertreten: Die Deklarationstheorie und die Fiktionstheorie.

I.  Die Deklarationstheorie Für Fitting4, den unter anderem Jacobi5 als Begründer dieser Theorie ansieht, hat das rückwirkende Ereignis lediglich deklaratorische Wirkung. Bei seinem Eintritt wird die schon immer vorhanden gewesene rechtliche Beschaffenheit einer Situation nur aufgedeckt. Vor dem Eintritt des rückwirkenden Ereignisses hingegen bestand Ungewissheit über dieselbe6. Weitere Vertreter dieser Ansicht mit jeweils unterschiedlichen Nuancen findet man beispielsweise in Ennecce­ 1  Beispielsweise die Bezeichnung als „wahres Mysterium“ von Lippmann, in: JJ 43 (1901), S.  435 (436). 2  RGZ 66, 266 (273); Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, S.  238; Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubiläum, S.  26 f., S.  27: „Aber das Gesetz kann, …, es nicht bewirken, dass sie [die Vergangenheit] sich rückwärts umge­ staltet.“. 3 Siehe beispielsweise Zusammenstellung bei: Jacobi, Über Rückwirkungsanordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  9 ff. m. w. N. 4  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, z. B. S.  6, 19. 5  Jacobi, Über Rückwirkungsanordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  9; daneben sieht Fitting als Begründer beispielsweise auch Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangs­ termin, S.  236. 6  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  6.

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Zweiter Teil:  Grundlagen

rus7, Rothkugel8, und Philipsborn9. Während Fitting eine Rückziehung nur für solche Fälle anerkannte, in denen vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses ein Schwebezustand vorlag10, war beispielsweise für Enneccerus auch die rück­ wirkende Änderung zunächst bestimmter Rechtszustände möglich, die jedoch dann als bloßer Schein aufgedeckt wurden11. Unbeschadet weiterer Abweichun­ gen bezüglich einzelner Punkte – vor allem in der Begründung der Auffas­ sung12 – kann als gemeinsamer Grundgedanke festgehalten werden, dass nach der Deklarationstheorie ein schon immer vorhanden gewesener rechtlicher Zu­ stand durch den Eintritt des rückwirkenden Ereignisses aufgeklärt wird. Ausgangspunkt für Fitting waren verschiedene Quellen des römischen Rechts, die eine Ungewissheit während eines Schwebeverhältnisses nahele­ gen13. Als Beispiel für eine Rückziehung sieht er unter anderem den Fall, dass ein Sklave, der im Nießbrauch eines anderen steht, eine Sache erwirbt, ohne sie sofort zu bezahlen14. Normalerweise stehe das Eigentum dem Herrn oder dem Nießbraucher zu, je nachdem, mit welchen Mitteln die Sache erworben werde. Hat der Sklave noch nicht bezahlt, bestehe eine Ungewissheit, wer Eigentümer sei, die durch Bewirkung der Mittel aufgehoben werde15. Eine andere Deutung derselben Stelle bietet hingegen Hellwege und zeigt so, dass Fittings Auslegung keineswegs zwingend ist: Er geht davon aus, dass die römischen Juristen mit dem genannten Beispiel keine wirkliche Ungewissheit beschreiben wollten, vielmehr ihre bildliche Ausdrucksweise zu diesem Missverständnis führte16. Er bezieht sich auf eine weitere Quelle, aus der sich ergeben soll, dass das Eigen­ tum dem Herrn zusteht und nur die Möglichkeit des Übergangs auf den Nieß­ braucher besteht17.

7 

Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, S.  238 f. Rothkugel, Die Rückwirkung der Genehmigung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S.  6 ff., vertritt eine Variante der Deklarationsauffassung, bei der die Genehmigung neben der deklarato­ rischen noch eine gewisse konstitutive und rezessive Funktion hat. 9  Philipsborn, in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts 64, S.  10 f. 10  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  21 f., Fälle in denen die Ungewissheit sich nur auf die Zukunft bezieht umschreibt Fitting hingegen mit dem Begriff der „Vorwirkung“, S.  22. 11  Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, S.  238 f. 12  Philipsborn, in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, S.  14 behauptet beispiels­ weise, dass die durch den Eintritt des rückwirkenden Ereignisses erkennbar werdende Rechtslage auf „den von vornherein gesetzten Vorgängen“ beruht, während Enneccerus, Rechtsgeschäft, Be­ dingung und Anfangstermin, S.  235 die Auffassung vertritt, das Recht könne von der Zukunft abhängen. 13  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  7 ff. 14  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  17, nimmt Bezug auf D. 41, 1, 43, 2. 15  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  16 f. 16  Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubiläum, S.  28 f. 17  Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubiläum, S.  29. 8 

§  1  Begriff und Rechtsnatur der Rückwirkung

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Die Deklarationstheorie wird in neuerer Zeit jedoch kaum noch vertreten18. Ihr wird im Wesentlichen folgende Kritik entgegengebracht: Die Variante Fit­ tings, welche einen objektiv unbestimmten Rechtszustand annimmt, der durch ein bestimmtes Ereignis rückwirkend geklärt wird, sei schon in sich wider­ sprüchlich. Denn wie schon Bekker erläutert, kann in einer solchen Situation später nur offenbar werden, dass sie eben objektiv ungewiss gewesen ist19. Eine deklarative rückwirkende Klärung könne daher lediglich bei einer bloß subjek­ tiven Ungewissheit möglich sein. Eine subjektive Ungewissheit über die Exis­ tenz eines Rechtsgeschäfts würde jedoch bedeuten, dass die daran Beteiligten bis zum Eintritt des rückwirkenden Umstandes nicht gewusst haben, was sie wollen, dieses aber dennoch rechtlich verbindlich war20. Ebenso wird ange­ merkt, dass schon die Phrase „rückwirkendes Eintreten eines Ereignisses“ deut­ lich mache, dass dies eine Gegenwirkung gegen eine vorher gegebene Wirkung sei21. Die Annahme einer unbestimmten Rechtslage vor Eintritt des rückwir­ kenden Ereignisses scheint also fernliegend. Nicht anders ergeht es der Variante der Deklarationsauffassung, die zunächst eine Art provisorische bestimmte Rechtslage annimmt, die jedoch mit Eintritt des rückwirkenden Ereignisses sich als bloße Täuschung herausstellt. Werde einem Zustand zunächst Wirkung bei­ gemessen, könne man nicht den Umstand, der ihn rückwirkend beseitigt als bloß deklaratorisch ansehen 22. Hinzu kommt, dass – worauf auch Jacobi hin­ weist – nicht jedes anfechtbare Rechtsgeschäft angefochten, nicht jedes geneh­ migungsbedürftige Rechtsgeschäft genehmigt wird 23. In diesem Falle müssen die Rechte und Pflichten der Beteiligten bestimmt sein. Insbesondere dieses Argument ist überzeugend und zeigt, warum die Deklarationstheorie heute wohl nicht mehr vertreten wird.

II.  Die Fiktionstheorie 1.  Inhalt Heute allgemein anerkannt ist die Fiktionstheorie, welche die Rückwirkung als Fiktion ansieht24. Vor dem Eintritt des rückwirkenden Ereignisses besteht keine 18  Man findet sie beispielsweise noch 1958 bei: Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I, S.  472 ff. 19  Bekker, System des heutigen Pandektenrechts II, S.  308; so auch Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  15: „Denn offenbaren kann sich immer nur etwas schon vorher bestimmt Bestehendes.“. 20  Bekker, System des heutigen Pandektenrechts II, S.  308. 21  Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubiläum, S.  27. 22  Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubiläum, S.  27. 23  Jacobi, Über Rückwirkungsanordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  21; ähnlich auch Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  196. 24 Beispielhaft: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  264; v. Tuhr, Der Allgemei­

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Zweiter Teil:  Grundlagen

Ungewissheit über den Rechtszustand, wie nach der Deklarationsauffassung. Vielmehr ist, wie Hellwig formuliert, allein die „Gestaltung der Zukunft“ in der Schwebe25. Ein bestimmter Rechtszustand kann also aufgrund des Eintritts ei­ nes bestimmten Ereignisses in der Zukunft so zu behandeln sein, als wäre er in der Vergangenheit ein anderer gewesen 26. Dabei handelt es sich um eine Fiktion, also eine Technik des Gesetzgebers, eine Form der Verweisung27. 2.  Die Fiktion Die Fiktion im heutigen Sinne hat eine lange Entwicklung hinter sich. Eine um­ fassende Untersuchung ihres Ursprungs findet sich beispielsweise bei Deme­ lius28. Als bewusst eingesetztes Mittel kann sie wohl schon im römischen Sak­ ralwesen verortet werden 29. Nach Demelius finden sich jedoch schon bei den Griechen Anhaltspunkte dafür, dass Opfertiere durch Nachbildungen ersetzt wurden30. Diese Sitte soll aus der allgemeinen Notwendigkeit gefolgt sein, we­ niger wertvolle Opfergegenstände einzusetzen und dennoch die Pflicht den Göt­ tern gegenüber wenigstens so gut wie möglich zu erfüllen31. Man konnte – so Demelius – hier jedoch wohl noch nicht davon reden, dass diese Nachbildungen gezielt eingesetzt wurden, vielmehr handelte es sich um eine bloße „reflexions­ lose Volkssitte“32. Das Bewusstsein über die Funktion dieser Praxis als techni­ sches Werkzeug entwickelte sich wohl bei den Römern33. Hier bestand dieselbe Notwendigkeit der Herabsetzung der Opfer und man sah in der Darbringung eines möglichst ähnlichen Gegenstands eine bessere Vorgehensweise als in ei­ nem offenem Verstoß gegen den Brauch34. Tiere wurden beispielsweise in Wachs oder Teig nachgebildet und es galt der Satz: „in sacris simulata pro veris ne Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/1, S.  25; für §  142 BGB z. B. Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  1 unter Verweis auf Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  31 f. m. w. N. 25  Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubiläum, S.  27. 26  Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universitäts-Jubiläum, S.  27; Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  20; Bernhöft, in: Aus Römischem und Bürgerlichem Recht, S.  239 (267 f.). 27  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  26, 175; Bernhöft, in: Aus Römischem und Bürgerlichem Recht, S.  267; Somló, Juristische Grundlehre, S.  426, 428. 28  Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung. 29  Honsell, Römisches Recht, S.  13; Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  8 ff.; a.A.: v. Jhering, Geist des römischen Rechts III, S.  288 f., der eine sukzessive Entwicklung der Fiktion zunächst auf dem Gebiet des Sakralrechts und einen da­ rauf folgenden Übergang in das weltliche Recht ablehnt. 30  Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  3 ff. 31  Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  7. 32  Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  8. 33  Honsell, Römisches Recht, S.  13; Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  8 ff. 34  Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  8 f.

§  1  Begriff und Rechtsnatur der Rückwirkung

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accipiuntur“ – bei den Heiligtümern wird das Ähnliche für das Wahre genom­ men35. Aus dem Sakralrecht übertrug sich dieser Satz dann auf andere Gebiete. Demelius nennt als ein Beispiel für das öffentliche Recht, dass die Regel, ein Diktator könne nur in der Stadt Rom oder in agro Romano ernannt werden, so umgangen wurde, dass man einfach ganz Italien zu ager Romanus erklärte36. Aber auch im Privatrecht fanden sich Fiktionen37. Wichtigstes Wesensmerkmal der Fiktion war und ist, dass nichts vorgetäuscht werden sollte, sondern es stets nur um die Gleichbewertung von offensichtlich Ungleichem ging38. In neuerer Zeit war das Wesen der Fiktion jedoch sehr umstritten, was wohl auch an der fehlenden Präzisierung ihres Begriffs lag39. Vor allem Esser40 hat hier wesentlich zur Entzerrung und Durchdringung des bestehenden Meinungs­ spektrums beigetragen. Er hat insbesondere auf die Notwendigkeit hingewie­ sen, den juristischen und den erkenntnistheoretischen Fiktionsbegriff zu tren­ nen, da es sonst zu einer falschen Bewertung der Fiktion im Recht komme41. Der erkenntnistheoretische Fiktionsbegriff Vaihingers geht davon aus, dass eine Fiktion eine „bewusst falsche Vorstellung zur Erkenntnis der Wirklichkeit“42 darstellt. Der juristische Fiktionsbegriff hingegen muss unabhängig davon be­ trachtet werden43. Dieser hat sich selbständig auf dem Gebiet des Rechts entwi­ ckelt. Aus ihrer Geschichte kann man entnehmen, dass die Rechtsfiktion nie die Vorspiegelung unwahrer Tatsachen zum Ziel hatte, sondern immer nur die Gleichbewertung verschiedener Sachverhalte44. Daher kann auch die heutige Gesetzesfiktion als eine besondere Form der Verweisung charakterisiert wer­

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Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  12. Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  26, m. w. N. 37  Beispiele bei: Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Be­ deutung, S.  28 ff. 38  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  21 f., 25; Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  8, 39; v. Jhering, Geist des römischen Rechts III, S.  303 f.; Meurer, in: Rödig (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S.  281 (283); a. A. wohl Wieacker, ZStW 1942, 176 (178). 39  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  15 ff.; Meurer, in: Rödig (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S.  281 (282). 40  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen; Genaue Analyse der Fiktion auch bei Jach­ mann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, insbesondere S.  46–232. 41  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  17; So auch Meurer, in: Rödig (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S.  281 (282 ff.). 42 So Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  18 unter Hinweis auf Vaihinger, Phi­ losophie des Als Ob, S.  175 ff. 43  Meurer, in: Rödig (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S.  281 (284 f.); Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  17. 44  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  21, 25; Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung, S.  8, 39. 36 

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Zweiter Teil:  Grundlagen

den45. Das Gesetz ordnet an, dass bei Vorliegen eines bestimmten Tatbestands – dieser stellt die „Fiktionsbasis“46 dar – dieselben Rechtsfolgen gelten, als wenn ein anderer Tatbestand – der „fingierte Tatbestand“47 – gegeben wäre48. Statt unzähliger Einzelverweisungen wird als Kurzform die Fiktion gewählt, welche die Rechtsfolgen eines anderen Tatbestands auf die Fiktionsbasis über­ trägt. Dabei sollte man sich immer bewusst sein, dass der fingierte Tatbestand nicht wirklich vorliegt. Der Umfang der Verweisung ist vielmehr im Einzelfall nach ihrem Zweck zu bestimmen49. 3. Ergebnis Es kann somit festgehalten werden, dass es sich bei der Rückwirkung um eine Fiktion handelt. Fiktionen sind vielschichtig, vor dem Hintergrund ihrer Ent­ wicklung aber vor allem als gesetzestechnisches Mittel der Gleichbewertung von Ungleichem, als verkürzende Verweisung anzusehen50.

§  2  Ein Ausschnitt: Rückwirkung im römischen Recht Die Rezeption des römischen Rechts hat zur Entwicklung des heutigen europä­ ischen Rechts einen wesentlichen Beitrag geleistet51. Daher scheint ein Blick auf das römische Recht hinsichtlich des Rückwirkungsgedankens, auch über die in dieser Arbeit untersuchten Rückwirkungsanordnungen hinausgehend, lohnend. Die folgende Zusammenstellung soll einen Überblick darüber geben, wie der Rückwirkungsgedanke im römischen Recht gegebenenfalls schon vorhanden war. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und möchte keine umfas­ sende Quellenanalyse darstellen, was den Rahmen der Arbeit, die sich vor allem auf das geltende Recht konzentriert, überschreiten würde. Bezüglich der Rege­ lungen mit Rückwirkungsanordnungen im BGB, die im Verlaufe der Arbeit nä­ her untersucht werden, wird ein kurzer historischer Überblick dort im Zusam­ 45  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  26, 175; Somló, Juristische Grundlehre, S.  526 m. w. N. 46  Begriff nach Bekker, System des heutigen Pandektenrechts II, S.  100. 47  Bezeichnung nach Bernhöft, in: Aus Römischem und Bürgerlichem Recht, S.  239 (241). 48  Bernhöft, in: Aus römischem und Bürgerlichen Recht, S.  239 (241); Bekker, System des heu­ tigen Pandektenrechts II, S.  100. 49  Bernhöft, in: Aus Römischem und Bürgerlichem Recht, S.  239 (242, 245); Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  40 ff.; Meurer, in: Rödig (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S.  286. 50  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  26, 175; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  262 ff.; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, S.  233 f. Rn.  371; Meurer, in: Rödig (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S.  281 (283, 289 f.). 51  Siehe beispielsweise: Honsell, Römisches Recht, S.  1 ff.

§  2  Ein Ausschnitt: Rückwirkung im römischen Recht

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menhang gegeben. Der vorliegende Abschnitt konzentriert sich auf weitere Fäl­ le, in denen ein Rückwirkungsgedanke angenommen wird. Dabei kann kein umfassender Überblick über das gesamte Meinungsspektrum gegeben werden. Dass Aussagen über das römische Recht niemals ganz unumstritten sind, muss dabei beachtet werden. Die Ausführungen stützen sich daher vor allem auf eini­ ge Werke, in denen die Rückwirkung im römischen Recht speziell angespro­ chen wird, sowie auf einige Standardwerke ohne auf einzelne Streitfragen ver­ tieft einzugehen.

I.  Rechtsinstitute ohne Entsprechung im heutigen Recht Zunächst sollen einige Rechtsinstitute des römischen Rechts dargestellt werden, für die im heutigen Recht keine Entsprechung gefunden werden kann, bei denen aber der Gedanke einer Rückwirkung entdeckt wurde. 1.  Die Lehre vom postliminium Die Lehre vom postliminium griff in dem Fall ein, in dem ein römischer Bürger in die Gewalt des Feindes fiel. Dieser wurde nach den Grundsätzen des ius gen­ tium, das die Beziehung zu Ausländern regelte, mit seiner Ergreifung Sklave des Feindes52. An diese Konstellation knüpfen sich in der Folgezeit zwei Mög­ lichkeiten an, die einer Regelung der Angelegenheiten des in Gefangenschaft Geratenen bedurften: Entweder kehrte der ehemalige römische Bürger lebend aus der Gefangenschaft zurück oder er verstarb dort. Für den ersten Fall, die Rückkehr aus der Gefangenschaft, regelt das ius postliminii, dass die Person so zu behandeln sei, als wenn sie nie in Gefangenschaft und damit immer römi­ scher Bürger gewesen wäre53. Beispielhaft sei folgende Stelle angeführt, in wel­ cher der Rückwirkungsgedanke erkannt wird54: D. 49, 15, 16: „Retro creditur in civitate fuisse, qui ab hostibus advenit.“55 „Wer vom Feinde zurückkommt, wird auch für die verflossene Zeit als im Staat anwesend betrachtet.“56

52 

Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  290 m. w. N. Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  290 m. w. N.; Fitting, Über den Begriff der Rückzie­ hung, S.  8. 54 So Wesnener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  272 f. m. w. N.; Fitting, Über den Be­ griff der Rückziehung, S.  8 f. 55  Lateinischer Text hier und im Folgenden zitiert nach: Krueger/Mommsen, Corpus Iuris Civi­ lis I. 56  Übersetzung nach: Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis IV, S.  1111. 53 

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Zweiter Teil:  Grundlagen

Kehrte die Person hingegen nicht aus der Gefangenschaft zurück, sondern starb dort, stellte sich die Frage, wie mit ihrem noch vor der Gefangenschaft errichte­ ten Testament verfahren werden sollte. Aus dem ius postliminii ergab sich in Zusammenhang mit der fictio legis Corneliae, dass der Gefangene so zu behan­ deln sei, als sei er im Zeitpunkt der Gefangennahme und somit als römischer Bürger gestorben57. Genau in dieser Stelle sah beispielsweise Fitting einen Fall der Rückziehung58. Den Zustand in der Zwischenzeit fasst er als Schwebezu­ stand auf, der durch die Rückkehr beziehungsweise den Tod in der Gefangen­ schaft beendet wird59. 2.  Erwerb von Eigentum durch einen Nießbrauchsklaven Sklaven standen unter der Gewalt ihres jeweiligen Herrn. Somit wurde auch alles, was ein Sklave erwarb, für seinen Herrn erworben60. Wenn nun der Sklave mit einem Nießbrauchrecht belastet war und beispielsweise eine Sache erwarb, stellt sich die Frage, für wen diese Sache erworben wurde: Für den Herrn des Sklaven oder für den Inhaber des Nießbrauchrechts. Vereinfacht zusammenge­ fasst kam es darauf an, mit wessen Mitteln der Sklave die Sache erwarb: Erwarb er sie mit Mitteln des Nießbrauchers oder mit seiner eigenen Arbeitskraft, so fiel die Sache dem Nießbraucher zu, ansonsten dem Eigentümer des Sklaven61. In bestimmten Fällen konnte es ungewiss sein, für wen erworben wurde, beispiels­ weise wenn die Sache noch nicht bezahlt war. Auch dann wurde wohl ein Schwebezustand angenommen, der mit Eintritt eines bestimmten Ereignisses beendet wurde und zu einem rückwirkenden Eigentumserwerb führte62. Bei­ spielhaft genannt wurde schon folgender Auszug aus den Quellen: 57 

Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  291 m. w. N. Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  8 f., der sich beispielsweise auf folgende Stel­ len bezieht: D. 49, 15, 18 (Übersetzung nach Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis IV, S.  1111): „In allen Zweigen des Rechts wird Derjenige, welcher vom Feinde nicht zurückgekom­ men ist, von damals an gleichsam für todt angesehen, wo er gefangen worden ist.“; D. 49, 15, 22 (Übersetzung nach Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis IV, S.  1113): „Der Nachlass Derjenigen, welche in die Gewalt des Feindes gerathen und daselbst verstorben sind, es mögen dieselben testamentsfähig gewesen sein oder nicht, gehört Denen, welchen er gehören würde, wenn sie nicht in die Gewalt des Feindes gefallen wären …“. 59  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  8. 60  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  262, 286; Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  16. 61 Genauer: Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  263; Gai. inst. II 91: „Hinsichtlich derjenigen Sklaven, an denen wir nun einen Nießbrauch haben, hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass alles, was sie mit Mitteln unseres Vermögens oder mit ihrer Arbeitskraft erwerben, für uns erworben wird; was sie aber aus anderen Gründen erworben haben, gehört dem Inhaber des Eigentumsrech­ tes …“ (nach Manthe, Gaius Institutionen, S.  143). 62  Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  275 f.; Rückwirkung i. S. d. Fiktionstheorie nimmt beispielsweise an: Hellwig, in: FS für die juristische Fakultät in Giessen zum Universi­ 58 

§  2  Ein Ausschnitt: Rückwirkung im römischen Recht

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D. 41, 1, 43, 2: „Cum servus, in quo alterius usus fructus est, hominem emit et ei traditus sit, antequam pretium solvat, in pendenti est, cui proprietatem adquisierit: et cum ex peculio, quod ad fructuarium pertinet, solverit, intellegitur fructuarii homo fuisse: cum vero ex eo peculio, quod proprietarium sequitur, solverit, proprietarii ex post facto fuisse videtur.“63 „Wenn ein Sclave, an dem ein Anderer einen Niessbrauch hat, einen Sclaven gekauft hat, und ihm derselbe übergeben worden ist, so ist es, so lange er den Preis noch nicht gezahlt hat, obschwebend, Wem er die Eigenheit erwirbt; zahlt er aus dem Sondergute, was dem Niess­ braucher gehört, so wird er als dem Niessbraucher gehörig angesehen; wenn aber aus dem dem Eigenheitsherrn gehörigen Sondergute, so wird angenommen, dass er durch das nachhe­ rige Ereignis dem Eigenheitsherrn gehörig geworden sei.“64

3.  Das peculium castrense Ein weiteres, dem heutigen Recht unbekanntes Rechtsinstitut ist das peculium castrense. Zur Erläuterung ist zunächst die Stellung der Hauskinder in Bezug auf das Vermögen im römischen Recht zu klären. Kinder waren vermögensun­ fähig und grundsätzlich in allen Angelegenheiten der Gewalt des Hausvaters – des paterfamilias – unterworfen65. Um einem Haussohn aber trotzdem die Mög­ lichkeit gewisser wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu geben, konnte ihm ein Sondervermögen zur eigenen Bewirtschaftung überlassen werden, das soge­ nannte peculium, das jedoch weiterhin Teil des Hausvatervermögens war66. Das peculium castrense stellte eine Erweiterung dieser Regelung und damit eine Einschränkung der Vermögensunfähigkeit dar67. Haussöhnen, die Soldaten wa­ ren, wurde hierbei das Recht zuerkannt, über das im Dienst erworbene Vermö­ gen testamentarisch zu verfügen68. Später waren dann auch Verfügungen unter Lebenden über dieses im Heeresdienst erworbene Sondervermögen möglich69. Der Gedanke einer Rückwirkung findet sich hier in den Regeln über die Be­ handlung des Vermögens nach dem Tod des Sohnes. Wenn dieser nämlich starb, ohne über das im Heeresdienst erworbene Vermögen im Testament verfügt zu haben oder das Erbe aus einem vorhandenen Testament nicht angetreten wurde, täts-Jubiläum, S.  28 f.; Kurz, Vor- und Rückwirkungen im klassischen römischen Recht, S.  62 ff. nimmt Rückwirkung i. S. d. Deklarationstheorie an (S.  65); genauso Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  16 f. 63  Lateinischer Text zitiert nach: Krueger/Mommsen, Corpus Iuris Civilis I. 64  Übersetzung nach: Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis IV, S.  267. 65  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  60 ff., insbesondere 63 f., 343; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  46; Honsell, Römisches Recht, S.  182. 66  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  6 4, 344; Harke, Römisches Recht, S.  74 f.; Honsell, Römisches Recht, S.  182. 67  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  344. 68  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  344; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  46; Honsell, Römisches Recht, S.  182. 69  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  344.

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Zweiter Teil:  Grundlagen

wurde dieses Sondervermögen wohl rückwirkend als Teil des Hausvermögens betrachtet70. Dies wird folgender Quelle entnommen: D. 49, 17, 19, 3: „… quod si intestatus decesserit filius, postliminii cuiusdam similitudine pater antique iure habeat peculium retroque videatur habuisse rerum dominia.“71 „… dass aber, wenn der Sohn ohne Testament gestorben, der Vater, nach der Analogie des Heimkehrrechts, kraft seines früheren Rechtes das Sondergut behalte, und als Eigenthümer desselben auch für die vergangene Zeit anzusehen sei.“72

II.  Rechtsinstitute mit Ähnlichkeiten zum heutigen Recht Im Folgenden sollen einige Rechtsinstitute und Regelungen des römischen Rechts behandelt werden, die Ansätze eines Rückwirkungsdenkens erkennen lassen und im heutigen Recht zumindest ansatzweise eine Entsprechung gefun­ den haben, auch wenn Regelungen im Einzelnen abweichen. 1.  Ususfructus gregis Ein erster Fall, bei dem der Rückwirkungsgedanke auftaucht, findet sich im Nießbrauchrecht. Ein ususfructus gab das dingliche Recht, zur Nutzung einer Sache – was vor allem Gebrauch und Erwerb der Früchte beinhaltete – und ent­ spricht somit dem heutigen Nießbrauch73. Ususfructis gregis war der Nieß­ brauch an einer Herde. Der Nachwuchs aus dieser Herde ist als Frucht des Nieß­ brauchgegenstands zu betrachten und stand somit grundsätzlich dem Nießbrau­ cher zu. Jedoch war dieser verpflichtet, fehlende Tiere aus dem Nachwuchs zu ersetzen. Nur die übrigbleibenden Jungtiere gingen in sein Eigentum über74. Vor dieser Ergänzung ist noch ungewiss, welche Tiere der Nießbraucher auswählen wird und somit auch in wessen Eigentum die jeweiligen Jungtiere stehen. Nach der Ergänzung war die Eigentumszuordnung klar. Die zur Herde hinzugefügten Tiere standen im Eigentum des Herdeneigentümers, die übrigen im Eigentum des Nießbrauchers. Dieses Eigentum wurde so angesehen als hätte es jeweils

70  Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  13; Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  11; Kurz, Vor- und Rückwirkungen im klassischen römischen Recht, S.  58; Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  273. 71  Lateinischer Text zitiert nach: Krueger/Mommsen, Corpus Iuris Civilis I. 72  Übersetzung nach Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis IV, S.  1136. 73  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  4 47 f. m. w. N.; Honsell, Römisches Recht, S.  74 f. 74  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  450 Fn.  24 m. w. N.; Fitting, Über den Begriff der Rück­ ziehung, S.  17; Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetz­ buchs, S.  39 f.

§  2  Ein Ausschnitt: Rückwirkung im römischen Recht

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von Anfang an, also ab Geburt der Tiere, bestanden75. Beispielhaft für den Rückwirkungsgedanken wird folgender Quellenauszug genannt76: D. 7, 1, 70, 1: „Interim tamen, quamdiu summittantur et suppleantur capita quae demortua sunt, cuius sit fetus quaeritur. et Iulianus libro tricensimo quinto digestorum scribit pendere eorum dominium, ut, si summittantur, sint proprietarii, si non summittantur, fructuarii: quae sententia vera est.“77 „Fraglich ist, wem für die Zwischenzeit, solange bis der Austausch vorgenommen und die toten Stücke ersetzt worden sind, die Tierjungen gehören. Julian schreibt im 35. Buch seiner Digesten, das Eigentum sei in der Schwebe, so daß sie mit dem Austausch dem Eigentümer zufallen, wenn sie aber nicht zum Austausch verwendet werden, dem Nießbraucher; eine Ansicht, die richtig ist.“78

Unser heutiger Nießbrauch ist in den §§  1030 ff. BGB geregelt. Er kann, wie sich aus §  1035 BGB schließen lässt, auch an Sachinbegriffen bestellt werden, also „mehreren selbständigen Sachen, die einem gemeinsamen Zweck dienen und unter einem einheitlichen Begriff zusammengefasst werden“79. Jedoch ist eine dem römischen Recht entsprechende Rückwirkung im BGB nicht vorgesehen. Eine ähnliche Ersatzpflicht findet sich vielleicht beim Nießbrauch an einem Grundstück mit Inventar. Hier ist gemäß §  1048 Abs.  1 S.  2 BGB für bestimmte fehlende Inventarstücke Ersatz zu beschaffen. Mit der Einverleibung in das In­ ventar werden diese Ersatzstücke Eigentum des Inventareigentümers, §  1048 Abs.  1 S.  2 letzter Halbsatz BGB. Eine Rückwirkung gibt es nicht80. 2.  Erwerb eines Vindikationslegats Ein weiterer – in den Bereich des Erbrechts fallender Rückwirkungsgedanke – findet sich beim Vindikationslegat. Unter einem legatum wurde die Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände durch Testament verstanden81. Für ein sol­ ches legatum gab es unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Die zwei be­ deutendsten waren das Vindikationslegat (legatum per vindicationem) und das

75  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  17; Greis, Wesen und Umfang der Rückwir­ kung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  39 f.; Wesener, in: Festgabe für Arnold Herd­ litczka, S.  276 m. w. N. 76 So Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  276. 77  Lateinischer Text zitiert nach: Krueger/Mommsen, Corpus Iuris Civilis I. 78  Übersetzung nach: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, Digesten 1–10, S.  622. 79  MünchKomm-BGB/Pohlmann, §  1035 Rn.  2. 80  MünchKomm-BGB/Pohlmann, §  1048 Rn.6; BeckOK-BGB/Wegmann, §  1048 Rn.  6; so auch Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  40. 81  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  109, 740; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S.  416 f.

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Zweiter Teil:  Grundlagen

Damnationslegat (legatum per damnationem)82. Letzteres gibt dem Begünstig­ ten einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf Leistung83. Es ent­ spricht damit am ehesten dem heute im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vermächtnis (§§  2147 ff. BGB), das gemäß §  2174 BGB einen Anspruch auf Leistung des vermachten Gegenstands gewährt. War hingegen jemand mit ei­ nem Vindikationslegat bedacht, erwarb er das Eigentum an der vermachten Sa­ che unmittelbar84. Das Vindikationslegat hatte also dingliche Wirkung, so dass die Sache nie zum Nachlass gehörte, sondern sofort auf den Bedachten über­ ging85. Beim Vindikationslegat taucht der Rückwirkungsgedanke in zwei ver­ schiedenen Konstruktionen auf. Bezüglich des Erwerbs eines Vindikationsle­ gats bestand ein Streit der zwei Rechtsschulen, der Sabinianer und der Prokuli­ aner. Nach den Sabinianern wurde der Erwerb so konstruiert, dass der Bedachte im Zeitpunkt des Erbfalls Eigentümer wurde. Er konnte das Legat jedoch ausschlagen, mit der Wirkung, dass es als nie erworben angesehen wur­ de86. Nach der Lehre der Prokulianer sollte der Bedachte hingegen nicht auto­ matisch Eigentümer werden, sondern er musste erklären, dass er Erbe werden wolle. Tat er dies, soll seiner Erklärung Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls beigemessen worden sein87. Der Streit der beiden Schulen findet sich in den Institutionen des Gaius: Gai. Inst. II 195: „In eo solo dissentiunt prudentes, quod Sabinus quidem et Cassius ceterique nostri praeceptores, quod ita legatum sit, statim post aditam hereditatem putant fieri legatarii, etiamsi ignoret sibi legatum esse dimissum; et posteaquam scierit et cesserit legato, proinde esse atque si legatum non esset; Nerva vero et Proculus ceterique illius scholae auctores non aliter putant rem legatarii fieri, quam si voluerit eam ad se pertinere. …“88. „Nur in folgendem Punkt sind die Juristen verschiedener Ansicht: Sabinus zwar und Cassius und alle unsere anderen Lehrer meinen, was derart vermacht worden sei, falle sofort nach dem Erbschaftsantritt ins Eigentum des Vermächtnisnehmers, selbst wenn er nicht wisse, dass ihm ein Vermächtnis hinterlassen worden sei; und wenn er davon erfahren und auf das 82  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  109 ff., 742 ff.; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S.  417 f. 83  Harke, Römisches Recht, S.  326; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  110 f. m. w. N., 743; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  203 f. 84  Harke, Römisches Recht, S.  326; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  110, 743; Mayer-Ma­ ly, Römisches Recht, S.  203 f. 85  Harke, Römisches Recht, S.  326; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  110, 743; Mayer-Ma­ ly, Römisches Recht, S.  204. 86  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  753; Fitting, Über den Begriff der Rückziehung, S.  15 f.; Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  274; Greis, Wesen und Umfang der Rück­ wirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  29. 87  Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  29; Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  274. 88  Text nach: Manthe, Gaius Institutionen, S.  184.

§  2  Ein Ausschnitt: Rückwirkung im römischen Recht

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Vermächtnis verzichtet habe, sei die Rechtslage so, als ob ihm nichts vermacht worden sei. Aber Nerva und Proculus und alle anderen Gewährsleute der anderen Schule meinen, die Sache falle nur dann ins Eigentum des Vermächtnisnehmers, wenn er wolle, dass sie ihm gehöre. …“89.

Unabhängig davon von welcher Lehre man also ausging, bei beiden spielte der Rückwirkungsgedanke eine Rolle. Die heutige Regelung im BGB – §  2174 BGB – ist eher dem Damnationslegat vergleichbar. Ein Vermächtnis mit dinglicher Wirkung findet sich im BGB nicht. 3. Weitere Der Gedanke der Rückwirkung findet sich weiterhin bei der Annahme und Ent­ haltung einer Erbschaft sowie bei der sogenannten ratihabitio, unter der zumin­ dest auch die nachträgliche Billigung von Rechtgeschäften durch den Berech­ tigten verstanden werden kann90. Für beides soll auf die folgenden Einzelunter­ suchungen der ausgewählten Rückwirkungsanordnungen im BGB verwiesen werden, zu denen jeweils auch ein kurzer historischer Überblick gegeben wird.

89 

90 

Übersetzung nach: Manthe, Gaius Institutionen, S.  185. Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S.  365 Fn.  3 m. w. N.

Dritter Teil

Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung §  3  Rückwirkungsanordnungen im BGB Der Gedanke der Rückwirkungsanordnungen in privaten Rechtsbeziehungen ist wie bereits dargestellt nicht neu, sondern schon im klassischen römischen Recht in zahlreichen Zusammenhängen zu verorten. Auch das Bürgerliche Gesetz­ buch in der heute geltenden Fassung kennt zahlreiche solcher Rückwirkungsan­ ordnungen. Einige sind im Laufe seines Bestehens bereits wieder beseitigt wor­ den. Zu nennen sind hier insbesondere die früher zunächst im Bürgerlichen Gesetzbuch und dann im Ehegesetz vorhandenen Rückwirkungsanordnungen im Eherecht. Diese bestimmten, dass eine nichtige Ehe, die geheilt wurde, von Anfang an als gültig anzusehen war. Dies galt für eine wegen Formmangels nichtige Ehe gemäß §  1324 Abs.  2 BGB a. F. (1896)1 ebenso wie für eine Ehe, die wegen Geschäftsunfähigkeit eines Teils gemäß §  1325 Abs.  2 BGB a. F. (1896)2 nichtig war. Zudem gab es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Ehe anzufechten, was gemäß §  1343 Abs.  1 BGB a. F. (1896)3 zur rückwir­ kenden Nichtigkeit der Ehe führte. Das spätere, eine entsprechende Regelung enthaltende, Ehegesetz ist seit dem 1. Juli 1998 aufgehoben und die Normen über die relevanten Rechtswirkungen der Ehe sind in das Bürgerliche Gesetz­ buch zurückgeführt. Die erwähnten Rückwirkungsanordnungen bestehen nicht mehr. Eine Ehe kann lediglich unter verschiedenen Voraussetzungen aufgeho­ ben (§§  1313 ff. BGB) oder geschieden werden (§§  1564 ff. BGB). Eine Anfech­ tung ist nicht möglich. Problematisch erschien bei den früheren Rückwirkungen unter anderem die Frage, wie die Situation zu behandeln ist, wenn nach der Eheschließung, aber vor Heilung der Nichtigkeit der Ehe eine zweite Ehe ge­ schlossen wurde4. Bei der rückwirkenden Nichtigkeit einer Ehe durch Anfech­ tung entstand vor allem das Problem, dass eheliche Kinder rückwirkend zu un­ ehelichen wurden und die Frage, ob eine während der anfechtbaren Ehe ge­ 1 

RGBl. 1896, S.  421. RGBl. 1896, S.  421. 3  RGBl. 1896, S.  424. 4  Dazu beispielsweise: Bernhöft, in: Aus Römischem und Bürgerlichem Recht, S.  239 (270 ff.). 2 

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Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung

schlossene und daher zunächst ungültige zweite Ehe nun rückwirkend gültig werde5. Die Konstruktionen standen also insbesondere vor praktischen Schwie­ rigkeiten. Auch die weiteren Rückwirkungen im Bürgerlichen Gesetzbuch waren im­ mer wieder Kritik ausgesetzt. Vor allem Esser plädierte in seinem Werk über Fiktionen gegen den größten Teil der Rückwirkungsfiktionen6. Einen gewissen Sinn konnte er unter dem Gesichtspunkt der Kürze des Ausdrucks jedoch in den Rückwirkungsfiktionen des §  1324 Abs.  2 BGB a. F. (1896) und des §  1343 Abs.  1 BGB a. F. (1896) sehen7, die inzwischen nicht mehr vorhanden sind. Die meisten anderen Rückwirkungsfiktionen existieren jedoch nach wie vor. Im ­Folgenden soll ein kurzer Überblick über diese aktuell im Bürgerlichen Ge­ setzbuch festgesetzten Rückwirkungen gegeben und eine Einteilung versucht werden.

I. Bestandsaufnahme Rückwirkungsfiktionen erkennt man in der Regel an der Formulierung. Diese kann sehr unterschiedlich sein. Hier sind beispielsweise die Formulierungen „gilt als“, „ist als … anzusehen“ und „wirkt zurück“ zu finden. Gemeinsam ist all diesen Formulierungen die Aussage, dass ein bestimmtes Ereignis Rechts­ wirkungen für einen vor seinem Eintritt liegenden Zeitpunkt auslöst, folglich eine Rückwirkung angeordnet wird. Sie finden sich über das gesamte Bürgerli­ che Gesetzbuch verteilt, sind also nicht auf einen bestimmten Teil begrenzt. Im allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden sich vor allem die Rückwirkung der Anfechtung in §  142 Abs.  1 BGB und die Rückwirkung der Genehmigung in §  184 Abs.  1 BGB. Beide sollen in der vorliegenden Arbeit näher untersucht werden. Weniger häufig denkt man an die in §  84 BGB ange­ ordnete Rückwirkung. Hiernach gilt eine Stiftung, die erst nach dem Tod des Stifters behördlich anerkannt wird, als vor seinem Tod entstanden. Im Minder­ jährigenrecht ordnet §  110 BGB an, dass ein von einem Minderjährigen mit ei­ genen und zu diesem Zweck überlassenen Mitteln bewirkter Vertrag von An­ fang an als wirksam gilt. Eine weitere Rückwirkungsanordnung ist in der Aus­ legungsregel des §  141 Abs.  2 BGB zu finden: Die Bestätigung eines nichtigen Vertrages wirkt im Zweifel zurück. §  212 BGB ordnet in seinen Absätzen 2 und 3 an, dass der Neubeginn der Verjährung rückwirkend entfällt, wenn die Voll­ streckungshandlung aufgehoben oder ein Antrag auf eine solche zurückgenom­ men oder ihm nicht stattgegeben wird. 5 Beispielhaft:

Bernhöft, in: Aus Römischem und Bürgerlichem Recht, S.  239 (276 ff.). Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  171 ff., 181 ff. 7  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  177 ff. 6 

§  3  Rückwirkungsanordnungen im BGB

21

Auch im allgemeinen Schuldrecht sind Rückwirkungsanordnungen vorhan­ den. Bei der Wahlschuld gilt gemäß §  263 Abs.  2 BGB die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete. §  333 BGB regelt den Fall, dass ein aus einem Vertrag zugunsten Dritter Begünstigter das erworbene Recht zurück­ weist. In diesem Fall gilt das Recht als nicht erworben. Im Rahmen der Hinter­ legung sind gleich mehrere Rückwirkungsfiktionen angeordnet. Zunächst in §  375 BGB, der der Postübersendung der hinterlegten Sache Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post beimisst. §  378 BGB ordnet an, dass der Schuldner bei Ausschluss der Rücknahme der hinterlegten Sache rückwirkend auf den Zeitpunkt der Hinterlegung von seiner Schuld befreit wird. Zu guter Letzt hat auch die Rücknahme der hinterlegten Sache Rückwirkung nach §  379 Abs.  3 BGB. Weitaus bekannter dürfte die in §  389 BGB angeordnete Rückwir­ kung der Aufrechnungserklärung sein, die auch in der vorliegenden Arbeit be­ sprochen werden soll. Danach gelten die Forderungen als im Zeitpunkt der Auf­ rechnungslage erloschen. Im besonderen Schuldrecht ordnet beispielsweise §  560 Abs.  2 BGB eine Rückwirkung an. Wenn Betriebskosten sich rückwirkend erhöht haben, hat auch die Erklärung des Vermieters zur Erhöhung der Pauschale Rückwirkung auf diesen Zeitpunkt, wobei jedoch im letzten Halbsatz der Norm eine zeitliche Einschränkung der Rückwirkung angeordnet ist. Im Sachenrecht findet sich eine Rückwirkungsanordnung im Rahmen der Re­ geln über die Ersitzung in §  940 Abs.  2 BGB. Eine durch Verlust des Eigenbesit­ zes erfolgte Unterbrechung der Ersitzung gilt rückwirkend als nicht erfolgt, wenn der Besitz ohne Willen des Eigenbesitzers verloren ging und dieser ihn in einem bestimmten Zeitraum wiedererlangt. Des Weiteren ordnet §  1139 S.  2 BGB die Rückwirkung der Eintragung des Widerspruchs bei einer Darlehens­ buchhypothek auf den Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek an, wenn dieser innerhalb eines Monats nach Eintragung letzterer eingetragen wird. Im Familienrecht sind zwar die Regeln über die rückwirkende Nichtigkeit der Ehe, wie bereits dargelegt, aufgehoben worden. Rückwirkungsanordnungen sind jedoch auch in diesem Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorhanden. Zum einen gilt eine fehlerhafte Ehe nach §  1310 Abs.  3 BGB bei Vorliegen bestimm­ ter Voraussetzungen rückwirkend als geschlossen. Zum anderen wirkt die nach Tod des Annehmenden erfolgte Annahme als Kind auf den Zeitpunkt vor sei­ nem Tod zurück, §  1753 Abs.  3 BGB. Auch im 5. Buch des BGB, dem Erbrecht, existieren Rückwirkungsanord­ nungen. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Wirkung der Ausschlagung der Erb­ schaft untersucht werden, die gemäß §  1953 Abs.  1 BGB den Anfall der Erb­ schaft rückwirkend beseitigt und gemäß §  1953 Abs.  2 BGB den neuen Erben rückwirkend auf den Erbfall zum Erben macht. Entsprechend geregelt sind die

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Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung

Wirkungen der Erbunwürdigkeitserklärung in §  2344 Abs.  1 und Abs.  2 BGB. Eine weitere interessante Rückwirkungsfiktion enthält §  1923 Abs.  2 BGB. Da­ nach gilt, wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war, als vor dem Erbfall geboren. Eine ähnliche Fiktion spricht der bereits erwähnte §  84 BGB mit der Rückbeziehung des Entstehungszeitpunkts der Stiftung aus. Aus diesem kurzen Überblick über die Rückwirkungsanordnungen in den fünf Büchern des Bürgerlichen Gesetzbuchs – das Fehlen einzelner Rückwir­ kungsanordnungen kann nicht ausgeschlossen werden – ergibt sich, dass der Rückwirkungsgedanke in allen Regelungsbereichen vorhanden ist und nicht etwa nur in bestimmten Bereichen eingesetzt wird.

II.  Einteilungsmöglichkeiten der Rückwirkungsanordnungen im BGB Für die oben aufgeführten Rückwirkungsanordnungen und ihre Verteilung auf die fünf Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt sich somit folgendes Bild: Allgemeiner Teil

Schuldrecht

Sachenrecht

Familienrecht

Erbrecht

§  84 §  110 §  141 II §  142 I §  184 I §  212 II, III

§  263 II §  333 §  375 §  378 §  379 III §  389 §  560 II

§  940 II §  1139 S.  2

§  1310 III §  1753 III

§  1923 II §  1953 I, II §  2344 I, II

Tabelle 1:  Verteilung der Rückwirkungsanordnungen auf die Bücher des BGB.

Eine weitere Einteilungsmöglichkeit kann nach der Art der Rechtsfolge8 vorge­ nommen werden, die rückwirkend durch ein bestimmtes Ereignis in Gang ge­ setzt wird. In einigen Fällen werden Rechtswirkungen, die vorher bestanden haben, rückwirkend vernichtet, beispielsweise bei einer Anfechtung gemäß §  142 Abs.  1 BGB. Hier wird eine bisher voll gültige Willenserklärung rückwir­ kend vernichtet. Das Rechtsgeschäft ist ab der Anfechtung so zu behandeln, als sei es von Anfang an nichtig gewesen. In anderen Fällen werden Rechtswirkun­ gen rückwirkend begründet, die zunächst nicht vorhanden waren. So etwa bei der Erteilung der Genehmigung gemäß §  184 Abs.  1 BGB. Hier ist zwar eine gewisse Bindung der Parteien an das Rechtsgeschäft vor der Genehmigung zu bejahen. Die Parteien sind jedoch noch nicht zur Leistung verpflichtet. Somit können auch die sich an die Leistungspflicht knüpfenden Folgen, wie beispiels­ 8 Einteilungsmuster folgt Dietl, Zur Frage der Rückwirkung im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  3 ff.; ähnlich: Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  174.

§  3  Rückwirkungsanordnungen im BGB

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weise Verzug und Verzugszinsen noch nicht eintreten9. Nicht so recht in dieses Schema einfügen lässt sich allein §  263 Abs.  2 BGB. Im Fall der Wahlschuld wird zunächst eine von mehreren Leistungen geschuldet. Es ist bis zur Aus­ übung der Wahl ungewiss, welche. Dies wird erst durch die Wahl konkretisiert und wirkt zurück. Es handelt sich hier also weniger um eine rückwirkende Ver­ nichtung oder Begründung von Rechtswirkungen. Vielmehr wird die inhaltli­ che Ausgestaltung der Rechtswirkungen rückwirkend verändert. Somit ergibt sich folgende Einteilung nach Art der Rechtsfolge: Negative Beendigung eines Schwebezustands bzw. rückwirkende Vernichtung von Rechtswirkungen

Positive Beendigung eines Schwebezustands bzw. rückwirkende Begründung von Rechtswirkungen

Rückwirkende Verände­ rung der inhaltlichen Ausgestaltung

§  142 I BGB §  212 II, III §  333 BGB §  379 III BGB §  389 BGB §  940 II BGB §  1953 I BGB §  2344 I BGB

§  84 BGB §  141 II BGB §  110 BGB §  184 I BGB §  375 BGB §  378 BGB §  560 II BGB §  1139 S.  2 BGB §  1310 III BGB §  1753 III BGB §  1923 II BGB §  1953 II BGB §  2344 II BGB

§  263 II BGB

Tabelle 2:  Einteilung der Rückwirkungsanordnungen im BGB nach Art der Rechtsfolge10.

Die vorliegende Arbeit wird sich in ihrer Vorgehensweise an der Einteilung in Tabelle 1 orientieren. Es soll das Zusammenspiel zwischen Rückwirkungsan­ ordnungen und Prinzipien des BGB untersucht werden. Da es neben den das ganze BGB durchziehenden Prinzipien auch solche gibt, die sich auf spezielle Rechtsgebiete beziehen, bietet sich eine Untersuchung der Rückwirkungsan­ ordnungen orientiert am System der Bücher des BGB an. Es sollen vor allem Rückwirkungsanordnungen aus dem allgemeinen Teil und dem Schuldrecht untersucht werden. Interessant erscheinen weiter die erbrechtlichen Rückwir­ kungsanordnungen. Die sachenrechtlichen und familienrechtlichen Rückwir­ kungsanordnungen erscheinen daneben nicht gleich ergiebig und sollen daher in der weiteren Untersuchung nicht berücksichtigt werden. 9 

Siehe beispielsweise: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  15. folgt Dietl, Zur Frage der Rückwirkung im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  3 ff.; ähnlich: Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  174. 10 Einteilungsmuster

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Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung

§  4  Besondere Rechtfertigung des Einsatzes der Rückwirkung, auch in Bezug auf die möglichen Alternativen Die gesetzlich angeordnete Rückwirkung ist eine Konstruktion, die aufgrund der fiktiven Beurteilung eines vorangegangenen Sachverhalts gegenüber einer Wirkung ex nunc erheblich komplizierter erscheint. Hinzu kommt, dass das Gesetz häufig vergleichbare Situationen ohne Rückwirkung regelt. Bei Einsatz einer Rückwirkung muss eine nicht unkomplizierte Gedankenoperation vorge­ nommen werden. Ein Zustand ist vom gegebenen Moment an so zu behandeln, als wäre er schon vorher ein anderer gewesen. Hinzu kommt, dass die Rückwir­ kung oft nicht konsequent angewendet wird. Häufig werden Ausnahmen ge­ macht, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden11. Dies erschwert die Anwendung von Normen mit Rückwirkungsanordnungen zusätzlich. Für ihren Einsatz soll­ ten also stets gewichtige Gründe vorliegen. Fraglich ist, welche Erwägungen den einzelnen Rückwirkungsnormen zugrunde liegen und ob sie dazu führen, dass man der Rückwirkung gegenüber einer Jetztwirkung den Vorzug geben sollte. Bevor eine Analyse einzelner Rückwirkungsanordnungen vorgenommen werden kann, ist zunächst die Frage einer möglichen Rechtfertigung theoretisch zu klären. Für eine Untersuchung der einzelnen Rückwirkungsanordnungen bieten sich dabei vor allem zwei Aspekte an: Die Frage nach den hinter der Rückwirkung stehenden Prinzipien sowie die Frage der Zweckmäßigkeit. Zu­ dem ist das Verhältnis dieser beiden Gesichtspunkte, anhand derer die Rückwir­ kung überprüft werden soll, zu klären.

I.  Mögliche Rechtfertigung: Durchsetzung grundlegender Prinzipien des Privatrechts Ein starkes Argument für den Einsatz einer Rückwirkung könnte sich ergeben, wenn ihre Anordnung für das „innere System des Privatrechts“12 notwendig wäre. Dieser Gedanke soll im Folgenden erläutert werden.

11  So hat die Rückwirkung nach allgemeiner Meinung beispielsweise keinen Einfluss auf den Beginn bestimmter Fristen, siehe etwa MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  13 m. w. N. 12  Begriffe „inneres System“ und „äußeres System“ nach Heck, Begriffsbildung und Interes­ senjurisprudenz, S.  139 ff.; vgl. auch Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  4 f.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  474 ff.; Bydlinski, Über prinzipiell-systema­ tische Rechtsfindung im Privatrecht, S.  30 ff.; zum äußeren System auch Meyer, Grundzüge einer systemorientierten Wertungsjurisprudenz, S.  84 f.

§  4  Besondere Rechtfertigung des Einsatzes der Rückwirkung

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1.  Das „System“ des Privatrechts a)  Der Systembegriff Unter den verschiedenen vertretenen Systembegriffen soll hier in Teilen dem von Canaris entwickelten Systembegriff gefolgt werden13, jedoch in der Aus­ prägung, die er durch Bydlinski erfahren hat14. Canaris selbst macht zunächst deutlich, warum zahlreiche andere Systembegriffe für die Rechtswissenschaft keine Anwendung finden können15. Entweder seien sie lediglich formaler Natur, wie beispielsweise die „Systeme reiner Grundbegriffe“16, oder sie könnten auf­ grund des Erfordernisses von Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit nicht auf die Rechtswissenschaft angewendet werden, wie beispielsweise das „axio­ matisch-deduktive System“17. Dass jedoch gerade die beiden zuletzt genannten Kriterien eine entscheidende Rolle für das System des BGB spielen können, wird in der Arbeit im Folgenden aufgegriffen werden. Auch das „äußere Sys­ tem“ betrifft nach Canaris vereinfacht lediglich die Anordnung des Stoffs in einer bestimmten Weise18. Für Canaris spielen sodann Rechtsprinzipien bei der Bildung des „inneren Systems“ des Privatrechts eine entscheidende Rolle19. Das „innere System“ hat die Aufgabe „die wertungsmäßige Folgerichtigkeit und in­ nere Einheit der Rechtsordnung darzustellen und zu verwirklichen“20, womit durchaus auch der Punkt der Widerspruchsfreiheit angesprochen ist. Dies kann nur durch die zugrunde liegenden Wertungen in ihren Beziehungen zu anderen Wertungen geschehen 21. Wertungen werden am besten durch allgemeine Recht­ sprinzipien ausgedrückt22. Damit kann das „innere System“ als eine „Ordnung allgemeiner Rechtsprinzipien“23 bezeichnet werden. Die Rechtsprinzipien wer­ den im Zusammenhang mit der Systembildung auch von anderen Autoren ge­ 13  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  40 ff.; ihm folgt beispiels­ weise Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S.  61 ff.; Dass das Recht insgesamt ein Sys­ tem darstellt, wird beispielsweise nach dem von ihm entwickelten Systembegriff abgelehnt von Peine, Das Recht als System, S.  114 ff., der lediglich Teilsysteme für möglich hält. 14  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  31 ff. 15  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  19 ff. m. w. N.; Zusam­ menfassung bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  168 f. 16  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  20 m. w. N. 17  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  25 ff. m. w. N. 18  Begriff nach Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S.  142 f.; vgl. Canaris, Sys­ temdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  19; Bydlinkski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  4; Meyer, Grundzüge einer systemorientierten Wertungsjurisprudenz, S.  84 f. 19  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  46 ff. 20  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  18. 21  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  46. 22  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  46 ff.; so auch Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S.  63; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  38. 23  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  47; dem folgt Bydlinski,

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Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung

nannt24: Beispielsweise vertritt Engisch, dass ein strenges mathematisches Sys­ tem in der Rechtswissenschaft nicht möglich sei, sie jedoch durch Prinzipien ausgemacht werde25. Auch Esser sieht die Rechtsprinzipien als systembildend an 26 und Coing macht deutlich, dass ein vollständiges juristisches System alle in Betracht kommenden Prinzipien enthalten müsste27. Höpfner unterscheidet zwischen induktiv aus dem positiven Recht gewonnenen Prinzipien und Prinzi­ pien, die aus einer überpositivistischen Idee abgeleitet werden. Nur erstere er­ kennt er als Teil des „inneren Systems“ des Privatrechts an 28. Der Systembegriff von Bydlinski stimmt mit dem von Canaris im Wesentli­ chen überein. Abweichungen ergeben sich jedoch vor allem im Hinblick auf folgende Aspekte: Zunächst ist hervorzuheben, dass Bydlinski das „innere Sys­ tem“ nicht bloß abstrakt erfassen will, sondern eine anwendungsorientierte Dar­ stellung anstrebt, also den Schwerpunkt auf den praktischen Nutzen der Sys­ tembildung legt29. Das „innere System“ soll die „inhaltlichen Begründungszu­ sammenhänge“ der vorhandenen Regelungen wiedergeben und daher die Beurteilung konkreter Probleme, auch bei künftiger Rechtsgewinnung, erleich­ tern30. Zudem geht Bydlinski in seiner Begründung anders vor. Er hält eine de­ duktive Herangehensweise für nicht unvereinbar mit der Auffassung vor allem von Canaris und Larenz31. Des Weiteren sieht er eine Beschränkung des „inne­ ren Systems“ auf die Prinzipienebene vor allem deswegen als notwendig an, weil eine vollständige Darstellung aller Begründungszusammenhänge schlicht­ weg unmöglich sei32. Zudem sind das „innere“ und „äußere System“ nach An­ sicht Bydlinskis nicht etwa austauschbar, sondern vielmehr zwei verschiedene Dinge33, die jedoch nicht abstrakt nebeneinander stünden. Ein „äußeres Sys­ tem“ sei notwendig, um innere Begründungszusammenhänge überhaupt dar­ stellen zu können, dadurch, dass für jeden äußerlich abgrenzbaren Bereich die inneren Zusammenhänge zunächst gesondert herausgearbeitet werden könn­ System und Prinzipien des Privatrechts, S.  50; Gedanken zur Systembildung durch Prinzipien bei Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, S.  227 f. 24  Überblick über verschiedene Systembegriffe bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissen­ schaft, S.  165 ff. 25  Engisch, Studium Generale 1957, 173 ff. 26  Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, S.  7. 27  Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S.  294. 28  Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  92 ff.; so wohl auch Kramer, Juristische Me­ thodenlehre, S.  102 ff. für das innere System des schweizerischen Privatrechts; a. A. wohl: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  479 f., 481 f., der von „offenen Prinzipien“ im Gegen­ satz zu „rechtssatzförmigen Prinzipien“ spricht. 29  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  31 ff. 30  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  32 ff. 31  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  37 f. 32  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  46, 50. 33  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  47.

§  4  Besondere Rechtfertigung des Einsatzes der Rückwirkung

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ten34. Bydlinski stimmt mit Canaris darin überein, dass die Erfassung des „in­ neren Systems“ am besten über die Ermittlung der Rechtsprinzipien geschehen kann, da sie „umfassende und erfahrungsgemäß relativ stabile Elemente im Recht“35 seien. Für Bydlinski ist somit das „innere System“ eine „Darstellung und […] allenfalls Exemplifizierung […] der Prinzipienebenen der jeweiligen ‚äußeren‘ Systemteile“36. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass trotz bestehender Un­ terschiede in Einzelheiten Prinzipien nach den prominentesten Auffassungen Teil des inneren Systems des Privatrechts sind. Diese sollen im Folgenden ge­ nauer betrachtet werden. b)  Die Rechtsprinzipien Unter Rechtsprinzipien versteht man „leitende Gedanken einer (möglichen oder bestehenden) rechtlichen Regelung, die selbst noch keine der ‚Anwendung‘ fä­ higen Regeln sind, aber in solche umgesetzt werden können“37. Es handelt sich also um „materiale Prinzipien“38, die den Weg zur Findung von Regeln vorge­ ben39. Sie sind nicht selbst unmittelbar anwendbar, in dem Sinne, dass sie einen Handlungsauftrag enthalten, sondern liegen den rechtlichen Regeln zugrunde40. Sie lassen einerseits mit ihnen nicht im Einklang stehende Wertungen nicht zu und geben andererseits den Weg für nachrangige Überlegungen vor41. Prinzi­ pien bestehen auf unterschiedlichen Ebenen, womit sich „pluralistische Prinzi­ pienschichten“42 bilden. Einerseits gibt es Prinzipien, die dem gesamten Bürger­ lichen Gesetzbuch zugrunde liegen, andererseits können sie mit weiteren Unter­ prinzipien konkurrieren43. Etwaige Kollisionen von Prinzipien führen jedoch nicht zur Ungültigkeit des einen Prinzips, die Vorrangfrage ist vielmehr im Rahmen einer Abwägung zu treffen44. Erst durch dieses Wechselspiel der ver­ 34 

Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  47 f., 50 f. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  38. 36  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  49. 37  Larenz, Richtiges Recht, S.  23; ähnlich: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  474; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  57. 38  Larenz, Richtiges Recht, S.  23; ähnlich: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  474. 39  Larenz, Richtiges Recht, S.  23. 40  Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts. S.  51 f.; La­ renz, Richtiges Recht, S.  23 ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  46. 41  Larenz, Richtiges Recht, S.  24. 42  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  25 ff. 43  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  25 ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  52 f.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  475 ff. 44  Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S.  97 f., 244 ff.; Bydlinski, Über prinzipi­ 35 

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Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung

schiedenen Prinzipien untereinander bekommen die Prinzipien ihren eigentli­ chen Inhalt45. Bei der Gewinnung von Prinzipien sind zwei Methoden zu unter­ scheiden. Einerseits können sie sich durch Ableitung aus dem Gesetz – unmit­ telbar oder mittelbar – ergeben46. Andererseits werden Prinzipien zum Teil aus der Rechtsidee oder der Natur der Sache hergeleitet 47. Die Legitimation der ersten Methode ergibt sich aus ihrer Rückführbarkeit auf das positive Recht und damit auf den Gesetzgeber48. Umstritten ist jedoch die Legitimation von Prinzi­ pien, die aus der Rechtsidee oder der Natur der Sache hergeleitet werden49. Hier besteht immer die Gefahr, dass dies als bloßes Scheinargument benutzt wird 50. Teilweise werden diese Prinzipien nicht als Teil des inneren Systems des Rechts angesehen51. Sollte auf solche Prinzipien im Verlaufe der Arbeit eingegangen werden, ist die Zugehörigkeit zum inneren System des Privatrechts an der ent­ sprechenden Stelle zu diskutieren. 2.  Rückwirkung und das innere System des Privatrechts Das innere System des Privatrechts und die Rückwirkungsanordnungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sollen im Rahmen dieser Arbeit auf etwaige Zusam­ menhänge untersucht werden. Ausgehend vom „äußeren System“, das man als Aufteilung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in fünf Bücher, das auf Heise zurück­ gehende Pandektensystem52 , verstehen kann, können anhand dieser systemati­ schen Darstellung des Rechtsstoffs für jeden Teil gewisse Prinzipien festgestellt werden, die diesen ausmachen53. In jedem Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs ell-systematische Rechtsfindung, S.  12; Alexy, Theorie der Grundrechte, S.  78 f.; Larenz, Metho­ denlehre der Rechtswissenschaft, S.  475 ff. 45  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  55 m. w. N.; Larenz, Me­ thodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  475 ff. 46  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  68; Höpfner, Die system­ konforme Auslegung, S.  92 f.; ebenso im Ergebnis für das innere System des schweizerischen Pri­ vatrechts: Kramer, Juristische Methodenlehre, S.  102 ff.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, S.  94 f. Rn.  144a; kritisch: Larenz, Richtiges Recht, S.  42 f. 47  Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S.  70; Larenz, Methoden­ lehre der Rechtswissenschaft, S.  474; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  93 f. 48  Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  94 f. 49  Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  95 f. m. w. N. 50  Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  95 f. m. w. N.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, S.  459 Rn.  756c, S.  548 ff. Rn.  913 ff. 51  Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  96; so wohl auch: Kramer, Juristische Metho­ denlehre, S.  102 ff. für das innere System des schweizerischen Privatrechts; a. A. wohl: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  479 f., 481 f., der von „offenen Prinzipien“ im Gegen­ satz zu „rechtssatzförmigen Prinzipien“ spricht. 52  Heise, Grundriss eines Systems des Gemeinen Zivilrechts. 53  So geht im Rahmen seiner Untersuchung auch vor: Bydlinsky, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  117.

§  4  Besondere Rechtfertigung des Einsatzes der Rückwirkung

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finden sich wie bereits dargestellt auch Rückwirkungen. Einzelne dieser Rück­ wirkungsanordnungen sollen exemplarisch untersucht werden. Zunächst ist die Frage zu klären, ob hinter der jeweiligen Rückwirkung einer konkreten Norm Prinzipien des Privatrechts stehen. Es ist denkbar, dass eine Rückwirkung zur Wiederherstellung eines sonst verletzten Prinzips führt oder seiner weiteren Durchsetzung dient. Dabei soll lediglich auf solche Prinzipien eingegangen werden, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Untersu­ chungsgegenstand in Betracht kommen. Für den allgemeinen Teil des Bürgerli­ chen Gesetzbuchs beispielsweise ist dies insbesondere das später genauer zu erläuternde, der Rechtsgeschäftslehre zugrunde liegende Prinzip der Privatau­ tonomie, das im Übrigen in Unterprinzipien – beispielsweise der Testierfrei­ heit54 – auch in anderen Bereichen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu finden ist. Nach der Untersuchung der Rückwirkung auf zugrunde liegende Prinzipien ist ein Vergleich mit einer hypothetischen ex nunc-Wirkung der jeweils untersuch­ ten Norm vorzunehmen. So kann festgestellt werden, ob gerade die Rückwir­ kung zur Durchsetzung bestimmter Prinzipien notwendig ist. Sie stünde dann gegenüber einer ex nunc-Wirkung im Einklang mit dem „inneren System“ des Privatrechts und damit mit dessen Folgerichtigkeit, was für den Einsatz der Rückwirkung sprechen würde55.

II.  Einfügung in das System im Verhältnis zu anderen Regelungsmöglichkeiten – Einzelfallanalyse zur Zweckmäßigkeit Der zweite Aspekt, unter dem die hier ausgewählten Rückwirkungen betrachtet werden sollen, ist die Frage nach der Zweckmäßigkeit. Unter Zweckmäßigkeit soll hier verstanden werden, ob die Rückwirkung ihren Zweck im Sinne eines praktisch brauchbaren gesetzestechnischen Mittels erfüllt und die Regelung sich so in das System einfügt. Im Vergleich ist wieder zu untersuchen, ob und wie dies auch mit einer Jetztwirkung zu erreichen wäre. Es können im Rahmen einer Analyse der Einzelfälle weitere, über die ex nunc-Wirkung hinausgehende alternative Lösungsmöglichkeiten denkbar sein. Da in der vorliegenden Arbeit jedoch nur die ex nunc-Wirkung als Alternative untersucht werden soll, sind zunächst die weiteren in Betracht kommenden Alternativen zu erläutern und abzugrenzen. Sodann ist noch ein kurzer Blick auf die Bewertungskriterien hinsichtlich der Zweckmäßigkeit zu werfen.

54  55 

Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  150, 403. So auch – allgemein gehalten – Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  65.

30

Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung

1.  Technische Alternative direkte Verweisung Die Möglichkeit einer direkten Verweisung soll im Rahmen der Untersuchung in der vorliegenden Arbeit nicht einbezogen werden. Dies soll im Folgenden erläutert werden. Wenn man die Rückwirkungsanordnung als technischen Kunstgriff der Ge­ setzgebung genauer betrachtet, findet man in ihr eine weitere Verkürzung eines anderen, ohnehin schon aus ökonomischen Gründen eingesetzten Mittels. Die Rückwirkung stellt, wie oben festgestellt, eine Fiktion dar56. In dieser Eigen­ schaft setzt sie zwei verschiedene Sachverhalte gleich und verweist damit auf die Anwendbarkeit bestimmter Normen. Die Rückwirkungsfiktion stellt also einen besonderen Fall der Verweisung dar57. Die direkte Verweisung – also nicht in Form einer Fiktion – erklärt eine Norm für einen bestimmten Sachver­ halt anwendbar, obwohl sie einen anderen Sachverhalt regelt58. Die Verweisung in Form einer Fiktion setzt hingegen eher an, indem sie nicht einzelne Normen auf einen durch diese nicht geregelten Sachverhalt für anwendbar erklärt, son­ dern schon die zwei verschiedenen Sachverhalte gleichsetzt59. Somit impliziert sie eine Anwendung aller für den einen Sachverhalt relevanten Normen auf den anderen. Eine technische Alternative zur Verweisung kraft Rückwirkungsfikti­ on stellt also die direkte Verweisung dar. Da die Fiktion neben der Gleichset­ zung zweier ungleicher Sachverhalte in den Fällen der Rückwirkungsfiktion aber immer auch die fiktive Rückverlegung der Rechtsfolgen betrifft, würde dies zu einer Vielzahl von notwendigen Verweisungen für die jetzige Beurtei­ lung der gesamten zurückliegenden Zeitspanne führen. An dieser Stelle sollen kurz die Ausführungen von Esser zur rückwirkenden Fiktion aufgegriffen werden. Nach ihm liegt der einzige Sinn der rückwirken­ den Fiktionen in der Verdeckung der „Verletzung einer irrtümlich vorausgesetz­ ten Gegenständlichkeit der Rechtsbegriffe“60. Damit ist gemeint, dass der Glau­ be an die Existenz von Rechtstatsachen – den Esser ablehnt – die Rückwirkung erfordert, um Widersprüche zu vermeiden. Wenn man beispielsweise einem bestehenden Vertrag eine Existenz beimesse, könne man seinen rückwirkenden Wegfall nur durch eine Fiktion erklären61. Nach Esser ist dies jedoch nicht nötig, da jede rückwirkende Fiktion als Verweisung auch direkt ausgedrückt werden 56 

Zweiter Teil §  1, S.  5 ff. beispielsweise: Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  26, 175; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, S.  234 f. Rn.  373; Somló, Juristische Grundlehre, S.  526. 58  Siehe beispielsweise: Noll, Gesetzgebungslehre, S.  227 ff.; Müller, Elemente einer Rechtsset­ zungslehre, S.  227 Rn.  360; ähnlich: Schneider, Gesetzgebung, S.  235 Rn.  378. 59  Siehe beispielsweise: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  261 ff., 264; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, S.  233 f. Rn.  371. 60  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  171. 61  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  172. 57  Siehe

§  4  Besondere Rechtfertigung des Einsatzes der Rückwirkung

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könnte62. Er schlägt also nur einen anderen Ausdruck der Rückwirkungen vor. Sie sollen nicht im Wege einer Fiktion ausgedrückt werden, sondern direkt an­ ordnen, was rechtlich zu geschehen hat63. Es geht also auch dabei nicht um die Frage, ob die Verhältnisse für die Vergangenheit geregelt werden sollen, son­ dern wie. Auf diese Art der Alternative bezieht sich der Untersuchungsgegenstand der Arbeit jedoch nicht. Vielmehr soll hier die Rückwirkung an sich betrachtet und die Frage nach ihrer Rechtfertigung im Hinblick auf solche Alternativen über­ prüft werden, die auch eine inhaltliche Änderung der Regelung bedeuten könn­ ten und somit als inhaltliche Alternativen bezeichnet werden sollen. 2.  Inhaltliche Alternativen Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der inhaltlichen Rechtfertigung der Rückwirkung an sich. Bei der Frage nach der inhaltlichen Alternative sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zum einen stellt sich die naheliegende Frage, warum überhaupt zukünftig die Beurteilung der Vergangenheit geändert werden sollte, warum nicht vielmehr eine einfache ex nunc-Wirkung angeordnet wurde, unter Beibehaltung des bisher bestehenden Systems. Diese Frage stellt sich insbeson­ dere im Hinblick auf gleichgelagerte Situationen, die gerade nicht mit Rückwir­ kung ausgestattet sind. Bereits genannte Beispiele sind die Vergleichspaare An­ fechtung und Rücktritt sowie Genehmigung und Eintritt einer aufschiebenden Bedingung. Hierzu zählt auch die Aufnahme weiterer im Gesetz bereits vorhan­ dener Regelungsmöglichkeiten als Alternativen. Zu denken wäre hier im Rah­ men einer ex nunc-Alternative beispielsweise an ein Rücktrittsrecht bei auf Wil­ lensmängeln beruhenden Verträgen statt der Anfechtungsmöglichkeit. Die un­ terschiedlichen praktischen Auswirkungen von ex nunc- und ex tunc-Wirkung herauszuarbeiten, ist Ziel des hier mit „Zweckmäßigkeit“ bezeichneten Unter­ suchungsaspekts. Auf einer zweiten – hier nicht zu untersuchenden Ebene – bewegt sich die Frage, ob die in Rede stehenden Fälle nicht auch völlig anders gelöst werden könnten und zwar mit Mitteln, die den Grundlagen und Prinzipien des Bürger­ lichen Gesetzbuchs in der vorliegenden Form nicht entsprechen. So könnte man beispielsweise statt der Lösung von einem unter einem Willensmangel geschlos­ senen Vertrag durch Anfechtung auch an eine Nichtigkeit des Vertrags ipso iure denken. Solche Alternativen können jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weitergehend betrachtet werden. Dies würde bedeuten, die grundsätz­ lichen Wertentscheidungen des Gesetzgebers in den verschiedenen Teilen des 62 

63 

Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  176 ff. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S.  176 ff.

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Dritter Teil:  Überlegungen zu Rechtfertigung und Nutzen der Rückwirkung

Bürgerlichen Gesetzbuchs im Grundsatz in Frage zu stellen. Ein solches Vorge­ hen würde den Rahmen der Arbeit sprengen, die sich ausschließlich auf inhalt­ liche Alternativen beschränken soll und gerade die Frage der Übereinstimmung der Rückwirkung mit vorhandenen Wertungen behandelt. Trotzdem soll auf naheliegende Möglichkeiten der Umgestaltung hingewiesen und gegebenenfalls eine kurze Zusammenfassung des Meinungsstands gegeben werden. Dies dient dem Zweck der Arbeit insoweit, als aus Regelungsmöglichkeiten abseits einer Rückwirkung eventuell auch Rückschlüsse für ihren Einsatz gezogen werden können. Der Kern der Zweckmäßigkeitsuntersuchung beschäftigt sich jedoch mit der Gegenüberstellung von ex tunc- und ex nunc-Wirkung. 3. Bewertungskriterien Für die Frage der Bewertung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit einer ex tuncoder ex nunc-Gestaltung sind die festgestellten konkreten Unterschiede genau in den Blick zu nehmen und insbesondere darauf zu überprüfen, welche Rege­ lungsmöglichkeit das Ziel auf einfachere Weise erreicht und gegebenenfalls auch ohne Zuhilfenahme von Ausnahmen zur Vermeidung unbilliger Ergebnis­ se auskommt. Gerade Letzteres macht deutlich, dass auch hier Aspekte des in­ neren Systems angesprochen werden. Ist eine Regelung widerspruchsfrei und sind keine Ausnahmen von ihrer Geltung erforderlich, fügt sie sich unproblema­ tisch in das bestehende System ein. Dies ist nicht der Fall, wenn zur Vermei­ dung von Wertungswidersprüchen zahlreiche Grenzen, Ausnahmen und An­ passungen erforderlich sind64. Weichen die Ergebnisse bei einem Vergleich der beiden Regelungsmöglichkeiten voneinander ab, ist zu klären, wie erheblich diese Abweichung ist und ob dies mit den hinter der Regelung stehenden zuvor erarbeiteten Wertungen unvereinbar ist. 4.  Abwägung und Verhältnis zwischen den materiellen Prinzipien des Privatrechts und der Zweckmäßigkeit im hier verwendeten Sinne Nachdem die Fälle der ausgewählten Rückwirkungsanordnungen im Hinblick auf beide Aspekte untersucht worden sind, sind die jeweiligen Ergebnisse im Zusammenhang zu betrachten und abzuwägen. Hinsichtlich der Prinzipien wird sich feststellen lassen, ob solche hinter einer Rückwirkung zu sehen sind oder nicht. Schwieriger wird es im Fall der Zweckmäßigkeit sein, zu eindeutigen, zwingenden Ergebnissen zu kommen. Hier ist vieles eine Abwägungsfrage. Es erscheint daher nicht sinnvoll, vorweg konkrete Entscheidungskriterien aufzu­ stellen. Vielmehr ist jeweils für die einzelne Rückwirkung eine Abwägung vor­ 64 

So wohl auch Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, S.  140 ff. Rn.  211 ff.

§  4  Besondere Rechtfertigung des Einsatzes der Rückwirkung

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zunehmen, in die alle erzielten Untersuchungsergebnisse einzubeziehen sind. Zu beachten ist bei dieser Abwägung beispielsweise, dass bei einer Abkehr von einer Regelung, die mit dem System im Einklang steht, ein besonderer Begrün­ dungsaufwand erforderlich sein dürfte, da man damit auch an der Einheit und Folgerichtigkeit der Rechtsordnung rüttelt. Es muss in die Abwägung einbezo­ gen werden, welchen Stellenwert das potentiell verletzte Prinzip im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat und wie hoch das Maß der Verletzung wäre, ge­ rade gegenüber einer eventuell durch eine ex nunc-Wirkung entstehenden prak­ tischen Erleichterung. Wie schon mehrfach angesprochen, sind dabei die zwei aufgestellten Unter­ suchungskriterien nicht streng voneinander trennbar. Aspekte der Zweckmäßig­ keit sind auch Aspekte des inneren Systems. Beide Kriterien gehen ineinander über.

Vierter Teil

Einzelne Rückwirkungsanordnungen Im Folgenden sollen einzelne Rückwirkungsanordnungen in den verschiedenen Büchern des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die obige Fragestellung hin unter­ sucht werden, nämlich ihre Bedeutung im Hinblick auf die diesem Teil des Rechtsstoffes zugrunde liegenden Prinzipien sowie auf den Grundsatz der Zweckmäßigkeit. Da eine Untersuchung aller Rückwirkungsanordnungen den Umfang der Arbeit sprengen würden, sollen exemplarisch einige herausgegrif­ fen werden. Da sich die meisten Rückwirkungsanordnungen im allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs und im Schuldrecht finden, sollen jedenfalls aus diesen Büchern ausgewählte Rückwirkungsfiktionen untersucht werden. Für den allgemeinen Teil sind dies die Rückwirkung der Anfechtung und die Rückwirkung der Genehmigung. Im Schuldrecht soll die Rückwirkung der Aufrechnung behandelt werden. Interessant erscheinen zudem die erbrechtli­ chen Rückwirkungen, von denen die parallel geregelten Rückwirkungsanord­ nungen der Ausschlagung und der Erbunwürdigkeitserklärung besprochen wer­ den sollen. Die im Sachen- und Familienrecht aufgefundenen Rückwirkungen hingegen sollen hier zurückstehen, da sie gegenüber den ausgewählten Rück­ wirkungen von geringerer Relevanz scheinen. Den einzelnen Untersuchungen soll dabei jeweils einleitend ein kurzer Überblick über Erkenntnisse aus der Geschichte und aus anderen Rechtsordnungen vorangestellt werden, bevor die obige, zweiteilige, Untersuchung vorgenommen wird.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB, vor allem in der Rechtsgeschäftslehre Im allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden sich die oben bereits aufgezählten Rückwirkungsanordnungen. Ein Großteil dieser, die §§  110, 141 Abs.  2, 142 Abs.  1 und 184 Abs.  1 BGB, sind im Abschnitt über Rechtsgeschäfte zu finden. Die zwei wohl bekanntesten und meist diskutierten Rückwir­ kungsanordnungen sind die Rückwirkung der Anfechtung und die Rückwir­ kung der Genehmigung. Diese beiden sollen im Folgenden beispielhaft betrach­ tet werden.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

I.  Die Rückwirkung der Anfechtung 1.  Ausgangspunkt und Vergleich a)  Deutsches Recht Nach §  142 Abs.  1 BGB hat die Erklärung der Anfechtung Rückwirkung. Das Rechtsgeschäft ist von Anfang an als nichtig anzusehen. Die Frage nach der Rechtfertigung dieser Rückwirkung ergibt sich insbesondere im Hinblick auf andere im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Lösungsmöglichkeiten von einem Vertrag. Zu nennen sind hier hauptsächlich der Rücktritt und der Wider­ ruf, dessen Rechtsfolgen sich in der Regel gemäß §  357 BGB an denen des Rücktritts orientieren. Nach altem Schuldrecht war die Wirkung des Rücktritts zwar umstritten. Die Ansicht, die von einer ex tunc-Wirkung des Rücktritts ausging1, konnte dabei wohl als herrschend angesehen werden 2. Nach heutigem Schuldrecht hat der Rücktritt jedoch nach allgemeiner Ansicht keine rückwir­ kende Kraft: Stattdessen wandelt sich durch Erklärung des Rücktritts das ur­ sprüngliche Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um3. Eine weitere Auflösung eines bestehenden Rechtsgeschäfts kann sich durch den Ein­ tritt einer auflösenden Bedingung ergeben, §  158 Abs.  2 BGB. Auch dieses Er­ eignis hat nach geltender Ansicht nur Wirkung für die Zukunft4. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum gerade bei der Anfechtung eine Rück­ wirkungsanordnung getroffen wurde. b)  Römisches Recht und Gemeines Recht Für die Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften findet sich keine Grundlage im römischen Recht. Eine Theorie der Rechtsgeschäfte war noch nicht entwickelt und somit konnte man sich auch nicht mit verschiedenen Arten der Unwirksam­ keit gezielt auseinandersetzen5. Fälle der rückwirkenden Auflösung bestehender

1  RGZ 50, 255, 266 f.; RGZ 107, 345, 348; OLG München NJW 1953, 424; Enneccerus/Leh­ mann, Recht der Schuldverhältnisse, §  38 II, S.  159; Herholz, AcP 130 (1929), 257 (269). 2  So jedenfalls: BeckOK BGB/H. Schmidt, §  346 Rn.  9; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, §  346 Rn.  69 m. w. N.; Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitli­ ches Problem, S.  28. 3  BT-Drucks. 14/6040, S.  191; BGHZ 16, 153, 155 f; MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  35; BeckOK BGB/H. Schmidt, §  346 Rn.  9 m. w. N.; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, §  346 Rn.  69. 4  BGHZ 133, 331, 334; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2015, §  158 Rn.  3, 21; Jauernig/Man­ sel, BGB, §  158 Rn.  8; BeckOK BGB/Rövekamp, §  158 Rn.  32; auf die andere Ansicht der Pendenz­ theorie vertreten von Armgardt, AcP 206 (2006), 654–682 und Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162– 201 wird an späterer Stelle eingegangen, Vierter Teil, §  5 II. 4., S.  119 ff. 5  Mitteis, Römisches Privatrecht bis auf die Zeit Diokletians I, S.  237; Kaser, Das römische

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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Rechtsgeschäfte sind nur vereinzelt auffindbar6. Der Begriff der Anfechtbarkeit war dementsprechend im römischen Recht noch nicht herausgearbeitet7. Eine Anfechtbarkeit wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung jedenfalls war nicht bekannt. Es wurde ebenso nicht, wie in unserem heutigen Recht, zwischen Irr­ tum und Dissens unterschieden, der Irrtum stellte – soweit beachtlich – eine Konsensstörung dar8. Die Irrtümer wurden nach ihrem jeweiligen Objekt einge­ teilt9. War der Irrtum beachtlich, so war auch das Geschäft nichtig10. Dies war beispielsweise der Fall bei einem error in corpore, einem Irrtum über den Ver­ tragsgegenstand11. Teilweise war die Behandlung der unterschiedlichen Irrtü­ mer auch streitig. So beim error in materia, dem Irrtum über die Substanz des Vertragsgegenstands12. Festzuhalten bleibt jedoch, dass es eine Anfechtung wie im heutigen Recht nicht gab. Der Vertrag war – vereinfacht zusammengefasst – entweder von Anfang an nichtig oder gültig, je nachdem ob der Irrtum für wesentlich erachtet wurde oder nicht. Täuschung und Drohung – dolus und metus – hatten nach dem ius civile grundsätzlich überhaupt keinen unmittelbaren Einfluss auf die Wirksamkeit ei­ nes Rechtsgeschäfts13. Der bedrohten oder getäuschten Partei standen vor dem Prätor jedoch gewisse Ansprüche zum Ausgleich der beim Drohenden oder Täuschenden eingetretenen Bereicherung, sowie Einreden gegen die Inan­ spruchnahme zu14. Es kann somit festgehalten werden, dass die Lösung von einem Rechtsge­ schäft in Form der heutigen Anfechtung im römischen Recht nicht bekannt war. Beachtliche Irrtümer wurden wohl ähnlich einem heutigen Dissens behandelt und Zwang oder Drohung berührten die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht. Privatrecht I, §  60 I, S.  246 ff. m. w. N.; Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, S.  26. 6  Siehe beispielsweise Überblick bei: Kurz, Vor- und Rückwirkungen im klassischen römi­ schen Recht, S.  10 ff. m. w. N. 7  Mitteis, Römisches Privatrecht bis auf die Zeit Diokletians I, S.  240. 8  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  435 f.; Kaser, Das Römische Privat­ recht I, S.  237 f.; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  115; Schermaier, Die Bestimmung des wesent­ lichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, S.  26. 9  Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  115; Überblick über verschiedene Irrtümer bei: Scher­ maier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, S.  26 f. 10  Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  116. 11  Kaser, Römisches Privatrecht I, S.  238; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  115; Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, S.  26. 12  Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  115; Harke, Römisches Recht, S.  54 ff.; Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, S.  27. 13  Harke, Römisches Recht, S.  59 f.; Honsell, Römisches Recht, S.  45 f.; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  243, 246. 14  Harke, Römisches Recht, S.  60; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  244 ff., 246; Kaser/ Knütel, Römisches Privatrecht, S.  68 ff.; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  116 ff.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Ansätze eines Rückwirkungsgedankens können aufgrund des Mangels der Möglichkeit der Anfechtung nicht gefunden werden. Auch im älteren gemeinen Recht bestand noch kein einheitlich herausgear­ beitetes System der Behandlung von Willensmängeln. Ein Irrtum hatte Nichtig­ keit zur Folge, jedoch nur dann, wenn er wesentlich war15. Unklar ist, ob Ent­ schuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eine Rolle für die Beurteilung spielen sollten16. Diese Beurteilungen waren im Kern wohl auch in der Pandektenwis­ senschaft noch vorhanden17. Bei der Beurteilung des Betruges kann hinsichtlich seiner Folgen zunächst hingegen keine Einigkeit festgestellt werden18. Teilweise wurde Nichtigkeit ipso iure angenommen, teilweise die Möglichkeit einer nach­ träglichen Annullierbarkeit19. Später erlangte die Gültigkeit der Erklärung mit der Möglichkeit einer Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zu­ stands Vorrang20. Ähnlich verhielt es sich in Bezug auf die Drohung. Auch hier war die Beurteilung der Folgen streitig21. Insgesamt kommt die Wiedereinset­ zung in den vorigen Stand der heutigen Anfechtung wohl am nächsten. Dieses „Anfechtungsrecht“ stand in der Regel aber nur gegen den unmittelbar Beteilig­ ten und seinen Erben zu22. Im Ergebnis lässt sich somit lediglich festhalten, dass die Lösung von einem Rechtsgeschäft in Form der heutigen Anfechtung nicht bekannt war. Es bestan­ den vielmehr erhebliche Unterschiede zur heutigen Anfechtung, die als Gestal­ tungsrecht konzipiert ist. Wohl zum ersten Mal wurde der Begriff der Anfecht­ barkeit von Friedrich Carl von Savigny23 im Jahre 1841 genannt24. Als ein ein­ schneidendes Ereignis für die Entwicklung der Anfechtung kann die erstmalige Aufnahme eines Abschnitts über die „Folgen der Nichtigkeit und Anfechtbar­ keit“ in ein Gesetzbuch durch eine Vorlage von Friedrich Ortloff bei der Revi­ sion des ersten Entwurfs des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs gesehen werden 25. 15  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  416 f. m. w. N.; Überblick über verschiedene Quellen bei: Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, insbes. S.  309 ff. 16  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  417 m. w. N. 17 So Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  4 49 f. m. w. N. 18  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  420. 19  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  420 m. w. N. 20  Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  450 f.; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandekten­ rechts I, S.  593 f., 594 Fn.  6. 21  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  420 f. m. w. N. 22  Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, §  203, S.  1224 Fn.  2. 23  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts IV (1841), 536 ff. 24  So jedenfalls: Harder, AcP 173 (1973), 209 (211); auch: Kuhlmann, Relative (einseitige) Un­ wirksamkeit, S.  4. 25  Richter, Studien zur Geschichte der Gestaltungsrechte des deutschen bürgerlichen Rechts, S.  76 f.; Harder, AcP 173 (1973), S.  214.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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c)  Gesetzgebungsmaterialien BGB Der Weg zur Rückwirkung der Anfechtung war im Rahmen der Vorarbeiten zum BGB keineswegs eindeutig vorgezeichnet. Wie dargestellt, sah das Gemei­ ne Recht keine Rückwirkung der Anfechtung vor. So beispielsweise auch der Hessische Entwurf (Abth. IV, Buch I Art.  67 Abs.  2, 70, 76) und der Bayerische Entwurf (I Art.  84; 20 Abs.  2, 29 Abs.  2, 30 Abs.  1)26. Zunächst war auch die Anfechtbarkeit an sich nicht in allen heute bekannten Fällen vorgesehen. Der erste Entwurf nahm eine solche nur für die Fälle der Täuschung und Drohung an, hier jedoch auch schon mit Rückwirkung27. Ein wesentlicher Irrtum hinge­ gen sollte zur Nichtigkeit der Willenserklärung führen 28. Bei den Beratungen über die Wirkung der Anfechtung war es Windscheid, der die verschiedenen Möglichkeiten in einer Anlage zu Protokoll gab: Im Falle der Entscheidung ei­ ner Anfechtung könne diese entweder ex nunc oder ex tunc wirken 29. Dies müs­ se von der Gesetzgebung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls entschieden werden30. Dies zeigt deutlich, dass eine Rückbezüglich­ keit der Anfechtung nicht als zwingend angesehen wurde. Die Möglichkeit der Wirkung lediglich für die Zukunft war gegeben und wurde erkannt. Warum man sich letztendlich für eine ex tunc-Wirkung der Anfechtung im Falle der Täuschung oder Drohung entschied, lässt sich den Motiven, soweit ersichtlich, nicht entnehmen. Insbesondere ein Hinweis auf eine intensive Auseinanderset­ zung mit den Folgen für den Einzelfall findet sich in den Gesetzgebungsmateri­ alien nicht. Man betrachtete die Rückwirkung wohl als Wesensmerkmal der Anfechtung31. Auf Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit wurde in den Motiven kurz eingegangen32. Hierunter verstand man jedoch wohl allein den Schutz Dritter. Dieser sei durch die Gutglaubensvorschriften hinreichend ge­ wahrt33. Die zweite Kommission führte dann auch die Anfechtbarkeit im Falle des Irrtums ein, auch hier mit rückwirkender Kraft34. Den Materialien lassen sich wiederum keine weitergehenden Auseinandersetzungen mit der Rückwir­ kung der Anfechtung entnehmen. Es scheint als wäre man sich – sei es aus übereinstimmender Überzeugung von der Vorteilhaftigkeit der Rückwirkung, sei es aus der Annahme sie sei der Anfechtung wesensimmanent oder aus ande­ 26 

Zitiert nach: Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs AT I, S.  745. Motive I, S.  204 f. 28  Motive I, S.  200. 29  Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs AT I, S.  752, 753. 30  Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs AT I, S.  753. 31  Motive I, S.  219. 32  Motive I, S.  219. 33  Motive I, S.  219. 34  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S.  715. 27 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

ren Gründen – wohl stillschweigend einig gewesen, dass es einer Diskussion darüber nicht bedürfe. Was sich den Protokollen im Rahmen der Erörterung einer anderen Frage entnehmen lässt, ist aber die Tatsache, dass man davon ausging, die Anfechtung werde in den meisten Fällen vor Erfüllung der vertrag­ lichen Pflichten erfolgen35. Legt man dies als Prämisse zu Grunde, scheint eine Auseinandersetzung mit den praktischen Folgen der Rückwirkung nicht ge­ winnbringend, da die Vernichtung eines Vertrages vor Austausch der Leistun­ gen in der Regel wenig Probleme mit sich bringen dürfte. Die zweite Kommis­ sion stimmte letztlich der beantragten Fassung in folgender Form zu: „Ein an­ fechtbares Rechtsgeschäft wird, wenn die Anfechtung erfolgt, als von Anfang an nichtig angesehen.“36. d)  Andere Rechtsordnungen In anderen europäischen Rechtsordnungen ist die Wirkung der Anfechtung in vergleichbarer Weise geregelt. In der Regel ist sie auch mit Rückwirkung ausge­ stattet37. Dies gilt zunächst für das Schweizerische Obligationenrecht. Hier ist herrschende Meinung, dass der anfechtbare Vertrag in der Regel von Anfang an gültig ist und bei einer Anfechtung rückwirkend entfällt38. Auch nach dem ös­ terreichischen ABGB besteht die Möglichkeit der Anfechtung eines Vertrages unter bestimmten Voraussetzungen. Sagen die §§  870, 871 ABGB dies auch nicht ausdrücklich und legen sie sogar eher den Schluss nahe, dass ein Vertrag überhaupt nicht zustande kommt, so geht doch die ganz herrschende Meinung von einer gerichtlich geltend zu machenden Anfechtbarkeit aus39. Diese hat auch Rückwirkung40. In Frankreich stellt die nullité relative ebenso nicht wie die Anfechtung ein Gestaltungsrecht dar, sondern bedarf einer gerichtlichen Gel­ tendmachung41. Sie hat jedoch ebenso wie nach deutschen Recht grundsätzlich Rückwirkung42. Eine ex nunc-Wirkung als Regel findet sich – soweit ersichtlich 35 

Protokolle I, 107. Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs AT I, S.  772. 37  Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, S.  121. 38  Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, S.  300 f. i. V. m. S.  295 f. jeweils m. w. N. 39  Koziol/Welser/Kletecka, Grundriss des bürgerlichen Rechts I, S.  178 f. Rn.  506 f., S.  187 Rn.  530 ff.; Schwimann/Kodek/Riedler, ABGB IV, §  871 Rn.  36 ff., 38; Rummel/Rummel, ABGB, 3.  Aufl., §  871 Rn.  19 m. w. N. 40  Koziol/Welser/Kletecka, Grundriss des bürgerlichen Rechts I, S.  176 Rn.  500 m. w. N.; Rum­ mel/Rummel, ABGB, 3.  Aufl., §  871 Rn.  20; Schwimann/Kodek/Riedler, ABGB IV, §  871 Rn.  40. 41  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht I/1, Bem. 1 F 915; Sonnenberger, in: Son­ nenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S.  185. 42  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht I/1, Bem. 1 F 937; Sonnenberger, in: Son­ nenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S.  185. 36 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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– in keiner europäischen Rechtsordnung43. Es werden jedoch in den verschiede­ nen Rechtsordnungen immer wieder Ausnahmen von der Rückwirkung der An­ fechtung gemacht44. Während solche in Deutschland vor allem für Arbeits- und Dienstverträge von der Rechtsprechung entwickelt worden sind45, finden sich in anderen Rechtsordnungen auch ausdrückliche gesetzliche Regelungen. Zu nen­ nen ist beispielhaft Art.  320 Abs.  3 des Schweizerischen Obligationenrechts, der eine ex nunc-Wirkung für das fehlerhaft begründete Arbeitsverhältnis vorsieht. Eine interessante und wohl am weitesten von den anderen Systemen abweichen­ de Regelung findet sich in Buch 3 des niederländischen Burgerlijk Wetboek. Dieses geht grundsätzlich auch von der Rückwirkung der Anfechtung aus, ord­ net in Art.  53 Abs.  3 jedoch an, dass ihr diese Wirkung auf Antrag durch den Richter genommen werden kann, wenn Folgen des Rechtsgeschäfts bereits ein­ getreten sind und nur schwer rückgängig gemacht werden können46. Insgesamt erscheint es jedoch, als bestünde im europäischen Rechtsraum weitestgehend Einigkeit über die grundsätzlich rückbezügliche Wirkung der Anfechtung. e) Zusammenfassung Die Rückwirkung der Anfechtung zieht sich konstant durch alle angesproche­ nen Rechtsordnungen. Selbst in Überlegungen für ein gemeinsames europäi­ sches Zivilgesetzbuch ist sie weiterhin enthalten47. Insbesondere zwei Punkte geben jedoch Anlass, der Rechtfertigung der Rückwirkung der Anfechtung trotzdem auf den Grund zu gehen: Dass sich diese Rückwirkung eben nicht zwingend „aus der Natur des Geschäfts ergibt“48, wird zunächst dadurch deut­ lich, dass die Möglichkeit einer ex nunc-Wirkung bei den Gesetzgebungsarbei­ ten von Windscheid angesprochen wurde und einige Entwürfe für ein BGB die­ se auch tatsächlich vorsahen49. Die Materialien erwecken jedoch den Anschein, 43 

Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, S.  121 ff. Frage der Ausnahme von der Ex-tunc-Wirkung beispielsweise: Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, S.  130 m. w. N. 45  Dazu ausführlich Vierter Teil, §  5 I. 3. b) ee), S.  72 ff. 46  Burgerlijk Wetboek, Boek 3, Art.  53: Abs.  1: De vernietiging werkt terug tot het tijdstip waarop de rechtshandeling is verricht. Abs.  2: Indien de reeds ingetreden gevolgen van een rechtshandeling bezwaarlijk ongedaan gemaakt kunnen worden, kann de rechter desgevraagd aan een vernietiging geheel of ten dele haar werking ontzeggen. Hij kann aan een partij die daardoor onbillijk wordt bevoordeeld, de verplich­ ting opleggen tot een uitkering in geld aan de partij die benadeeld wordt. 47  II. – 7:212 Abs.  1 DCFR: „A contract which may be avoided under this Section is valid until avoided but, once avoided, is retrospectively invalid from the beginning.“ 48  So aber beispielsweise: Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürger­ lichen Gesetzbuchs, S.  60. 49  So beispielsweise der Hessische Entwurf (Abth. IV, Buch I, Art.  67 Abs.  2 , 70, 76), zitiert nach: Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs AT I, S.  745. 44 Zur

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

als habe über die Frage der Rückwirkung der Anfechtung niemals Uneinigkeit bestanden. Zudem fällt im Vergleich mit anderen Lösungsmöglichkeiten von einem Vertrag auf, dass diese – wie beispielsweise der Rücktritt – mit ex nunc-Wirkung ausgestattet sind. 2.  Rückwirkung der Anfechtung und Prinzipien des BGB In einem ersten Schritt soll die Rückwirkung der Anfechtung auf ihre Bezie­ hung zum inneren System des BGB untersucht werden. Hierfür ist zu klären, ob es Prinzipien gibt, denen durch die Rückwirkung der Anfechtung zur Geltung verholfen wird und die somit zur Daseinsberechtigung der Rückwirkung beitra­ gen könnten. a)  Das der Rechtsgeschäftslehre zugrunde liegende Prinzip der Privatautonomie Das Recht des Rechtsgeschäfts ist in hohem Maße geprägt von dem Prinzip der Privatautonomie50. Es kann mit Flume definiert werden als ein „Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem ­Willen“51. Die Privatautonomie als Wertentscheidung wurde seit dem 17. Jahrhundert immer stärker anerkannt52. Ihre weitere Ausprägung fand besonders im 19. Jahr­ hundert statt53. Als grundsätzliche Wertentscheidung ist das Prinzip der Priva­ tautonomie Ausfluss eines Staatssystems, das im Gegensatz zu einer gänzlich verstaatlichten Wirtschaft, die freie wirtschaftliche Betätigung Privater zu­ lässt54. Die Privatautonomie hat somit auch eine ideologische Komponente, in­ dem sie die Freiheit des Menschen in der Gestaltung seiner eigenen Angelegen­ heiten als grundsätzlichen Wert anerkennt55. Dieser Wertung liegt der philoso­ 50  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  147 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, Vorwort zur ersten Auflage sowie S.  1 ff.; Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Wirklichkeit, S.  1 ff. 51  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  1; ähnlich beispielsweise BVerfGE 72, 155, 170. 52  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  15; Flume, in: v. Caemmerer u. a. (Hrsg.), Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben I, S.  135 (145); ausführlich zur Entwicklung des Unterprinzips Vertragsfreiheit: Scherrer, Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Ver­ tragsfreiheit. 53  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  15; Flume, in: v. Caemmerer u. a. (Hrsg.), Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben I, S.  135 (145). 54  Oftinger, in: Die juristischen Fakultäten der Schweiz (Hrsg.), Die Freiheit des Bürgers im schweizerischen Recht, S.  315 (317 f., 323 f.). 55  v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S.  79 f.; Oftinger, in: Die juristischen Fakultäten der Schweiz (Hrsg.), Die Freiheit des Bürgers im schweizerischen Recht, S.  315 (323 f.).

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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phische Gedanke zugrunde, dass das Leben nur mit Sinn ausgefüllt wird, wenn der Einzelne die Möglichkeit hat, sich frei zu entfalten56. So dient die autonome Betätigung des Einzelnen auch der Bildung und Erhaltung einer Gemeinschaft, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht57. Sowohl das Prinzip der Privatautonomie als auch ihre Unterprinzipien sind nicht ausdrücklich in das Grundgesetz aufgenommen worden – im Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung, die die Vertragsfreiheit in Art.  152 nannte58. Als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit ist Privatautonomie jedoch über Art.  2 Abs.  1 GG grundgesetzlich garantiert, falls nicht schon ein speziel­ leres Grundrecht einschlägig ist59. Spätestens hieran wird deutlich, dass das Prinzip der Privatautonomie aus dem Gesetz abgeleitet werden kann und somit auch nach der engsten Auffassung zum inneren System des Privatrechts gezählt werden kann60. Als ein Teil der Privatautonomie wird die Vertragsfreiheit61 angesehen62. Die­ se stellt wohl auch ihren häufigsten Anwendungsfall dar63. Die Vertragsfreiheit umfasst Abschlussfreiheit, inhaltliche Gestaltungsfreiheit, Freiheit in der Wahl des Vertragspartners sowie die Abänderungs- und Beendigungsfreiheit, wobei die einzelnen Differenzierungen abweichen, im Ergebnis aber dieselben Frei­ heiten umfassen64. Das Prinzip der Privatautonomie kann durch das Gesetz eingeschränkt wer­ den. Manchmal ist dies im Rahmen des Schutzauftrags des Sozialstaats, der sich aus Art.  20 Abs.  1 und Art.  28 Abs.  1 GG und auch aus Art.  2 Abs.  1 GG

56  Oftinger, in: Die juristischen Fakultäten der Schweiz (Hrsg.), Die Freiheit des Bürgers im schweizerischen Recht, S.  315 (324). 57  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  17; v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S.  80. 58  Ausführlich dazu Nipperdey/Stoll, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfas­ sung III, Art.  152 Vertragsfreiheit, S.  175 ff. 59  BVerfGE 72, 155, 170; BVerfG NJW 1992, 2409, 2410; Maunz/Dürig/Di Fabio, GG I, Art.  2 Rn.  101, 103; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S.  22 ff. 60  Siehe Dritter Teil, §  4. I., S.  28. 61  Eine ausführliche Analyse des Begriffs der Vertragsfreiheit findet sich beispielsweise bei: Fischer, Der Begriff der Vertragsfreiheit. 62  Maunz/Dürig/Di Fabio, GG I, Art.  2 Rn.  101. 63  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  7, 12; Huber, Die verfassungsrechtli­ che Bedeutung der Vertragsfreiheit, S.  12. 64  Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, S.  11; Fikentscher/Heine­ mann, Schuldrecht, S.  70 Rn.  111; Fischer, Der Begriff der Vertragsfreiheit, S.  31, 34 ff.; Maunz/ Dürig/Di Fabio, GG I, Art.  2 Rn.  101 m. w. N. differenziert zwischen Abschluss- beziehungsweise Nichtabschlussfreiheit und Gestaltungsfreiheit; MünchKomm-BGB/Busche, Vor §  145 Rn.  2; Of­ tinger, in: Die juristischen Fakultäten der Schweiz (Hrsg.), Die Freiheit des Bürgers im schweize­ rischen Recht, S.  315 (316); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S.  41 f.; noch differenzierter: Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, S.  34.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

selbst ergibt, sogar zwingend65. Eine konstante Bedrohung der Privatautonomie geht trotz Wandels der Gesellschaft immer wieder durch eine ungleiche Macht­ verteilung, Zwang oder Drohung im Rahmen von Vertragsverhandlungen aus66. Grundlegende Voraussetzung einer autonomen Entscheidung ist immer die Willensherrschaft des Einzelnen. Dies fasste bereits Friedrich Carl von Savigny so: „Denn eigentlich muß der Wille an sich als das einzig Wichtige und Wirksa­ me gedacht werden, und nur weil er ein inneres, unsichtbares Ereigniß ist, be­ dürfen wir eines Zeichens, woran er von Anderen erkannt werden könne, und dieses Zeichen, wodurch sich der Wille offenbart, ist eben die Erklärung.“67. Wirken äußere Einflüsse wie Drohung oder Zwang auf den Erklärenden ein, so kann diese Willensherrschaft fehlen und die Erklärung unter Umständen nicht mehr als tatsächlich autonom angesehen werden. Für die Lösung dieser Proble­ matik haben sich im Laufe der Zeit verschiedene und die Privatautonomie hier immer stärker schützende Ansätze herausgebildet68. Wie den meisten westlichen Rechtsordnungen liegt auch dem BGB das Prin­ zip der Privatautonomie als prägende Wertentscheidung zugrunde69. Das BGB normiert dies zwar nicht ausdrücklich, lässt es aber aus Normen wie §§  241, 311 Abs.  1 BGB, die einen Gestaltungsraum für den Abschluss von Verträgen ge­ ben, als ein dem Zivilrecht zugrunde liegendes Strukturelement erkennen70. Zu beachten ist, dass Art.  2 Abs.  1 GG die Privatautonomie nicht etwa in den Rang einer Institutsgarantie hebt71. Privatautonomie wird immer nur innerhalb dessen gewährt, was die Zivilrechtsordnung an Möglichkeiten vorgibt: Inhalt und Form des jeweiligen Rechtsgeschäfts richten sich danach, was nach der Zivilrechts­ ordnung möglich ist72. 65 

Maunz/Dürig/Di Fabio, GG I, Art.  2 Rn.  107 f. m. w. N. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  10; Flume, in: v. Caemmerer u. a. (Hrsg.), Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben I, S.  135 (143 f.); Eine Nachzeichnung der Entwick­ lung der Anerkennung faktischer Ungleichheit als Rechtsproblem bei: Hönn, JuS 1990, 953 ff. 67  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts III, S.  258. 68  Eine Nachzeichnung der Entwicklung der Anerkennung faktischer Ungleichheit als Rechts­ problem bei: Hönn, JuS 1990, S.  953 ff. 69  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  147 ff.; Flume, in: v. Caemmerer u. a. (Hrsg.), Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben I, S.  135 (141); Flume, Allgemeiner Teil des Bürger­ lichen Rechts II, Vorwort zur ersten Auflage sowie S.  1; Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Wirklichkeit, S.  1 ff. 70  Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S.  2. 71  Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, S.  31; Eine Einordnung der Vertragsfreiheit als Institutsgarantie hält für möglich, verneint aber letztlich: Manssen, Privat­ rechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S.  169 f. 72  Ausführlich hierzu: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  2 f., 18 ff.; Flu­ me, in: v. Caemmerer u. a. (Hrsg.), Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben I, S.  135 (136 f.); Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, S.  20 f.; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  126 f.; Canaris, Vertrauenshaftung, S.  413. 66 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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Insbesondere das Gebiet des Rechtsgeschäftsrechts ist von dem Prinzip der Privatautonomie entscheidend geprägt73. Jedoch werden diese Regeln trotz ei­ ner gewissen Dominanz des Prinzips der Privatautonomie74 auch von weiteren Zwecken und Prinzipien durchzogen75. So muss neben Beachtung des Willens der Parteien das Recht des Rechtsgeschäfts vor allem funktionieren, seine Re­ geln sollten das effiziente Schließen von Verträgen begünstigen76. Hiermit sind insbesondere die Prinzipien des Vertrauens- und Verkehrsschutzes angespro­ chen77. Die Notwendigkeit im Interesse eines funktionsfähigen Rechtsge­ schäftsrechts und damit im Interesse der genannten Prinzipien die Partei an eine so nicht gewollte Erklärung zu binden und damit die Privatautonomie einzu­ schränken, hängt eng mit dem Prinzip der Selbstverantwortung zusammen. Zu­ grunde liegt diesem im Wesentlichen der Gedanke, wer frei entscheiden darf, muss auch für die Folgen seiner Erklärung, die nicht nur ihn, sondern auch sei­ nen Vertragspartner und eventuell Dritte betreffen, im Rechtsverkehr einste­ hen78. Entscheidend ist also, dass das Rechtsgeschäftsrecht neben dem Prinzip der Privatautonomie von weiteren Prinzipien durchzogen ist, insbesondere dem Prinzip der Selbstverantwortung. Die Gewichtung dieser Prinzipien ist eine Wertungsfrage, dessen Lösung durch den Gesetzgeber sich beispielsweise im Irrtumsrecht niederschlägt79. b)  Rückwirkung der Anfechtung als Wahrung der Privatautonomie? In der vorliegenden Untersuchung stellt sich nun die Frage, ob und wie sich die Rückwirkung der Anfechtung in die Prinzipienschichten des Rechtsgeschäfts­ rechts einordnen lässt. Möglicherweise rechtfertigt sie sich daraus, dass sie nachträglich das tragende Prinzip der Privatautonomie wieder herstellen soll, wenn die Entscheidung für eine Anfechtung gefallen ist. Zu beachten ist, dass es sich lediglich um eine fiktive Wiederherstellung handeln kann, da die Rück­ 73  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  147 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, Vorwort zur ersten Auflage sowie S.  1 ff.; Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Wirklichkeit, S.  1 ff. 74 Für Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, Vorwort zur 1. Auflage, ist das ge­ samte Rechtsgeschäftsrecht allein auf diesen Grundsatz gestützt. 75  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  156 f.; Bydlinksi, JZ 1975, 1. 76  Bydlinksi, JZ 1975, 1. 77  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  156; Bydlinksi, JZ 1975, 1; zum Prinzip des Vertrauensschutzes ausführlich beispielsweise: Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht; Meier-Hayoz, Das Vertrauensprinzip beim Vertragsabschluss. 78  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  61; Jahr, JuS 1989, 249 (255); Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  75 ff. m. w. N.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  30 Rn.  8, S.  355. 79  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  156.

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wirkung die Rechtslage nicht tatsächlich umgestaltet80. Es muss also untersucht werden, ob und in welcher Form das Prinzip der Privatautonomie der Wertung des §  142 Abs.  1 BGB zugrunde liegt. Dabei ist zwischen den verschiedenen Anfechtungsgründen, Täuschung oder Drohung einerseits und den Irrtümern andererseits, zu differenzieren. aa)  Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung gemäß §  123 Abs.  1 BGB Fraglich ist zunächst, ob man von einer autonomen Erklärung sprechen kann, wenn eine Partei durch Täuschung oder Drohung zur Abgabe dieser veranlasst worden ist. Zunächst zum Fall der Täuschung. Bei einer Täuschung handelt es sich um das Erregen oder Aufrechterhalten eines Irrtums81. Im Unterschied zu den Fäl­ len des §  119 BGB ist die Partei also für den Irrtum, dem sie unterliegt, nicht selbst verantwortlich. Dieser beruht vielmehr auf den Handlungen oder Aussa­ gen eines Dritten, der zudem nach §  123 Abs.  1 BGB arglistig, also vorsätz­ lich82 , handeln muss. Für eine selbstbestimmte Erklärung ist die Willensherr­ schaft der Partei erforderlich. Diese denkt bei einer Täuschung zwar, sie gebe eine autonome Erklärung ab, ihre Erklärung kann somit als „formell selbstbe­ stimmt“83 bezeichnet werden. Jedoch ist die Partei erst durch die Täuschung zu dieser Erklärung veranlasst worden. Sie konnte ihren Willen also nicht frei von sachfremden Einflüssen von außen bilden. Eine Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen der Erklärung konnte nicht vorgenommen werden, da sie nicht über alle dafür notwendigen Informationen verfügte. Eine Erklärung ist jedoch nur wirklich autonom, wenn alle diese Merkmale gegeben sind84. Die Erklärung ist somit nicht „materiell selbstbestimmt“85. In einem nächsten Schritt ist nun der Einfluss der zurückwirkenden Anfech­ tung auf die nicht selbstbestimmte Erklärung zu bestimmen. Die getäuschte Partei hätte bei Kenntnis der wahren Sachlage die Erklärung nicht so abgege­ ben. Das Merkmal der Kausalität lässt sich dem Wort „durch“ in §  123 Abs.  1 80 

S. Ausführungen zur Rechtsnatur der Rückwirkung als Fiktion: Zweiter Teil, §  1 II., S.  7 ff. MünchKomm-BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  13; Staudinger/Singer/von Finckenstein BGB, Neubearb. 2017, §  123 Rn.  6. 82  MünchKomm-BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  17; BeckOK BGB/Wendtland, §  123 Rn.  17. 83  Terminologie „formell privatautonom“ und „materiell privatautonom“ hier und im Folgen­ den folgt Mankowski, Beseitigungsrechte, z. B. S.  28 f. 84  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  77.; inhaltlich übereinstimmend Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, S.  209. 85  Terminologie „formell privatautonom“ und „materiell privatautonom“ hier und im Folgen­ den folgt Mankowski, Beseitigungsrechte, z. B. S.  28; inhaltlich übereinstimmend Singer, Selbst­ bestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, S.  209. 81 

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BGB entnehmen. Die Partei hat nun die Möglichkeit ihre unter dem Einfluss der Täuschung geäußerte Willenserklärung anzufechten und die Erklärung da­ mit gemäß §  142 Abs.  1 BGB von Anfang an zu vernichten. Sie steht nach der Anfechtung also genauso da, als hätte sie ihre Erklärung in freier Willensbil­ dung unter vernünftiger Abwägung und ohne äußere Einflüsse und damit selbstbestimmt abgeben können. Damit dient die Rückwirkung der Anfechtung im Fall des Anfechtungsgrunds der arglistigen Täuschung der Wahrung der „materiellen Privatautonomie“, beziehungsweise ihrer nachträglichen Wieder­ herstellung86. Entscheidet sich die getäuschte Partei nach Entdeckung der Täu­ schung gegen eine Anfechtung, so beruht diese Entscheidung auf einer erneu­ ten Willensbildung, die in der Regel unbeeinflusst und damit selbstbestimmt vorgenommen wurde. Der zweite in §  123 Abs.  1 BGB geregelte Fall ist der der widerrechtlichen Drohung. Eine Drohung kann definiert werden als das Inaussichtstellen eines Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt87. Auch die Abgabe einer Willenserklärung unter dem Einfluss einer Drohung scheint zunächst ganz selbstverständlich nicht autonom. Der Bedrohte ist bei seiner Willensbildung immerhin erheblichen sachfremden Einflüssen ausgesetzt. Es ist jedoch zu be­ achten, dass der Erklärende hier nicht – wie im Fall der Täuschung – es nicht besser weiß. Er weiß, dass er eine Erklärung abgibt, die er so nicht will. Man könnte sich fragen, ob er den Einflüssen von außen, denen er nachgibt, nicht vielleicht widerstehen müsste88. Hiermit ist das Element der Selbstverantwor­ tung angesprochen. Selbstverantwortung und Privatautonomie sind im Zusam­ menhang zu betrachten89. Die geäußerte Erklärung ist auch „Sozialakt“90. Man darf sie frei bestimmen, muss aber auch Verantwortung dafür übernehmen. Fraglich ist also, inwiefern eine unter Drohung geäußerte Willenserklärung noch als autonom bezeichnet werden kann, aus dem Grund, dass der Erklärende den Zwangseinflüssen nicht widerstanden hat. Solange ein Widerstehen im kon­ kreten Fall nicht unmöglich ist, scheint auch die Verantwortlichkeit nicht völlig ausgeschlossen91. Wolf beispielsweise nimmt an, dass Privatautonomie nicht nur die Gestaltung der eigenen Angelegenheiten bedeutet, sondern die Entschei­ 86 

Im Ergebnis so auch: Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  28. MünchKomm-BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  97; Staudinger/Singer/von Finckenstein BGB, Neubearb. 2017, §  123 Rn.  69 m. w. N. 88  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  80 ff. 89  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  61; Jahr, JuS 1989, 249 (255); Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  75 ff. m. w. N. 90  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  61. 91  So zunächst: Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessen­ ausgleich, S.  80 ff. 87 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

dung, ob und wie der Einzelne die von der Rechtsordnung geschaffenen Mög­ lichkeiten wahrnimmt92. Es komme somit nicht darauf an, ob ein Vertrag tat­ sächlich frei ausgehandelt worden sei, sondern nur darauf, ob die Möglichkeit dazu gegeben war und die Erklärung sei dem Bedrohten in diesem Fall im Inte­ resse des Rechtsverkehrs zuzurechnen93. Wolf führt jedoch weiter aus, dass die Selbstbestimmung bei Drohung unter Umständen schutzbedürftig ist und die Zurechnung entfallen kann94. Insbesondere, wenn die „Freiheit zur gerechten Entscheidung“95 nicht gegeben ist, könne von einer privatautonomen Entschei­ dung nicht mehr gesprochen werden, was bei einer durch Drohung abgegebenen Willenserklärung der Fall sei96. Dann müsse der Selbstverantwortungsteil der Privatautonomie hinter ihrer Schutzbedürftigkeit zurücktreten. Dies ist für den Fall der Drohung im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB generell vertretbar, da es im Rahmen dieser Norm kaum zu einer Drohung kommen kann, die nicht zu einer Zwangslage führt, oder der zu widerstehen wäre. Eine Drohung, die nicht zu einer Zwangslage führt, würde schon tatbestandlich ausgeschieden. Dies ergibt sich aus §  124 Abs.  2 BGB97. Hinzu kommt, dass bei Drohungen mit Kleinigkei­ ten das Merkmal der Kausalität vom Bedrohten wohl nur schwer nachzuweisen sein wird, der hier die Beweislast tragen würde98. Zudem wird die Drohung auf ihre Widerrechtlichkeit anhand von Zweck, Mittel und Zweck-Mittel-Relation im Rahmen der Rechtswidrigkeit überprüft99, so dass an dieser Stelle die große Zahl der Drohungen, denen vertretbar Stand zu halten wäre, ausgeschieden wird. Unter Beachtung dessen wird es zu einer Drohung, bei der dem Bedrohten in vertretbarer Weise die Verantwortlichkeit für seine Erklärung auferlegt und die deswegen als privatautonom bezeichnet werden könnte, kaum kommen. Folglich sind Erklärungen, die unter Einfluss einer Drohung im Sinne der Norm abgegeben werden nicht Ausdruck einer „materiell privatautonomen“ Entschei­ dung. 92  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  80 ff. 93  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  81 f. 94  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  82, und ausführlich Kapitel III, S.  101 ff. 95  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  115. 96  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  115 ff.; im Ergebnis so auch: Weiler, Die beeinflusste Willenserklärung, S.  251 ff. m. w. N.; für Zwangslagen allgemein: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  10 f. 97 Palandt/Ellenberger, BGB, §  123 Rn.  15. 98  MünchKomm-BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  102, 118. 99  MünchKomm-BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  103 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, §  123 Rn.  19 ff.; BeckOK BGB/Wendtland, §  123 Rn.  29 ff.

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Auch hier führt die ex tunc-Wirkung der Anfechtung wieder dazu, dass die bedrohte Person so angesehen wird, als habe sie die nicht autonom geäußerte Erklärung niemals abgegeben. Die Rückwirkung dient also auch in diesem Fall der nachträglichen Durchsetzung der „materiellen Privatautonomie“. Ebenso würde die Entscheidung der Nichtausübung des Anfechtungsrechts auf einem neuen privatautonomen Willensbildungsprozess beruhen. bb)  Anfechtung wegen Irrtums gemäß §§  119, 120 BGB Einen von den bisher besprochenen Anfechtungsgründen grundverschiedenen Fall stellen die Irrtümer im Sinne von §  119 BGB dar. Diese sind gänzlich unbe­ einflusst von einem Machtungleichgewicht, wie es bei §  123 Abs.  1 BGB be­ schrieben wurde. Niemand hätte den Erklärenden an der Abgabe der richtigen Erklärung gehindert100. Allein der Erklärende ist hier der Verantwortliche für den Irrtum. Er hat sich gegebenenfalls versprochen, verschrieben oder über den Inhalt seiner Erklärung geirrt. Ein unsachgemäßer Einfluss von außen kommt dabei höchstens im Fall des Eigenschaftsirrtums nach §  119 Abs.  2 BGB in Be­ tracht, nicht jedoch in den Fällen des Inhalts- (§  119 Abs.  1 Alt.  1 BGB) oder Erklärungsirrtums (§  119 Abs.  1 Alt.  2 BGB). Auch hier kann die Erklärung zu­ nächst einmal als „formell privatautonom“ bezeichnet werden, da sie aus freien Stücken und in der Vorstellung ihrer Richtigkeit abgegeben wurde. Jedoch wird nicht das erklärt, was der Erklärende tatsächlich äußern möchte, da er einem Irrtum unterliegt. In materieller Hinsicht kann die Erklärung also nicht als pri­ vatautonom bezeichnet werden, da aufgrund des Störfaktors „Irrtum“ nicht das erklärt wird, was erklärt werden soll101. Materiell gesehen findet eine Störung der privatautonomen Willensbildung statt. Die Störung liegt hier jedoch nicht in einem sachfremden Einfluss von außen, sondern in einem Irrtum. Die zunächst vorgenommene Einschränkung der Privatautonomie durch Bin­ dung an die Willenserklärung, wird durch die Anfechtungsmöglichkeit mit Rückwirkung wieder aufgehoben. Sie zeigt, dass der Erklärende die Erklärung bei Kenntnis des Irrtums so nicht abgegeben hätte und stellt „materielle Privat­ autonomie“ nachträglich her, indem sie die Willenserklärung von Anfang an vernichtet102. 100  Siehe auch Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessen­ ausgleich, S.  78. 101  Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  28; vom Grundgedanken ebenso für den Erklärungsirr­ tum: Brehmer, JuS 1986, 440 (442). 102  Im Ergebnis so auch Clasen, DJ 1941, S.  658; Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  28, 379 f.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S.  163; nur auf die Anfechtungsmöglichkeit und nicht ausdrücklich auf die Rückwirkung abstellend: Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  260 f.; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärun­ gen, S.  69; für den Erklärungsirrtum Brehmer, JuS 1986, 440 (442).

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Es kann also festgehalten werden, dass die Rückwirkung der Anfechtung in allen hier besprochenen Fällen der Wiederherstellung von Privatautonomie dient. cc)  Alternative ex nunc-Wirkung der Anfechtung Würde die Anfechtung oder ein anderes Institut zur Lösung von einer Erklä­ rung in den Fällen der Täuschung, Drohung oder des Irrtums nur ex nunc wir­ ken, wäre diese die Privatautonomie wiederherstellende Wirkung nicht in vol­ lem Umfang gegeben. Zwar bestünde auch die Möglichkeit, sich von der nicht gewollten Erklärung zu lösen, jedoch nur für die Zukunft. Die einmal abgege­ bene nicht materiell selbstbestimmte Erklärung hätte bis zur Anfechtung Be­ stand und würde für diesen Zeitraum auch nicht wieder aus der Welt geschafft. Eine möglichst vollständige Herstellung der „materiellen Privatautonomie“ kann daher – wenn auch für die Vergangenheit nur fiktiv – lediglich über die Rückwirkung der Anfechtung erreicht werden. dd)  Weitere Anfechtungsmöglichkeiten im BGB, auf die sich §  142 BGB bezieht §  142 BGB ist nicht einschlägig für die Anfechtung der Vaterschaft gemäß §§  1599 ff. BGB und für die Anfechtung der Erbschaft wegen Erbunwürdigkeit gemäß §  2340 ff. BGB103. Maßgeblich ist §  142 BGB hingegen für die §§  1954, 1956, 2078 ff., 2281 ff., 2308 BGB104. Für die Anfechtung der Erbschaftsannah­ me oder -ausschlagung nach §  1954 BGB sind auch die Anfechtungsgründe des allgemeinen Teils maßgeblich105. Bei der Anfechtung der Fristversäumung nach §  1956 BGB richtet sich die Anfechtung gegen eine Unterlassung einer Willen­ serklärung. Hierauf lassen sich jedoch auch die Anfechtungsgründe der §§  119 ff. – zum Teil modifiziert – übertragen106. Auch die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung nach §  2078 BGB ist eine Anfechtung wegen Inhalts- oder Erklä­ rungsirrtum oder Drohung107. Der zweite Absatz dieser Vorschrift regelt in der ersten Alternative einen Motivirrtum108. Die Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten gemäß §  2079 BGB, von dem der Erblasser bei 103  MünchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  3; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  7; BeckOK BGB/Wendtland, §  142 Rn.  2. 104  MünchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  3; Erman/Arnold, BGB, §  142 Rn.  1; Staudinger/ Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  6. 105  MünchKomm-BGB/Leipold, §  1954 Rn.  3; BeckOK BGB/Siegmann/Höger, §  1954 Rn.  1. 106  MünchKomm-BGB/Leipold, §  1956 Rn.  4 ff. 107  MünchKomm-BGB/Leipold, §  2078 Rn.  19 ff., 51 ff.; BeckOK BGB/Litzenburger, §  2078 Rn.  4 f., 14. 108  MünchKomm-BGB/Leipold, §  2078 Rn.  24; BeckOK BGB/Litzenburger, §  2078 Rn.  6.

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Errichtung des Testaments nicht wusste, läuft im Grunde auf einen Irrtum über die Pflichtteilsberechtigten und damit einen Irrtum bei der Willensbildung hin­ aus. Hier ist ein beachtlicher Motivirrtum geregelt worden109. Für die Anfech­ tung eines Erbvertrages nach §  2280 BGB wird auf die eben erwähnten §§  2078, 2079 BGB verwiesen. Zuletzt ist noch eine Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses gemäß §  2308 BGB möglich. Hier wird ein Motivirrtum über den Wegfall von Beschränkungen oder Beschwerungen für beachtlich erklärt110. All diese Anfechtungsmöglichkeiten setzen also ebenso einen Mangel in der Willensbildung als Anfechtungsgrund voraus. Zum Teil sind sogar die Normen des allgemeinen Teils einschlägig. Auch hier geht es also um die Lösung von einer Willenserklärung, die nicht frei von Willensmängeln und damit nicht autonom zustande gekommen ist. ee) Zusammenfassung Es wurde gezeigt, dass der Rückwirkung der Anfechtung in allen Fällen die Wertung zugrunde liegt, die Privatautonomie des Erklärenden zumindest fiktiv von Anfang an zu wahren. Einer möglichen ex nunc-Wirkung der Anfechtung hingegen, kann diese Wertung nicht in gleichem Umfang zugrunde liegen, da die nicht selbstbestimmt geäußerte Erklärung nicht vollständig auch für die Vergangenheit vernichtet würde, sondern nur ab dem Zeitpunkt der Anfech­ tungserklärung. Weitere der Anfechtung zu Grunde liegende Prinzipien sind nicht ersichtlich. 3.  Das Prinzip der Zweckmäßigkeit: Vergleichende Analyse ausgewählter Einzelfälle Als zweiter Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung von Rückwirkungsan­ ordnungen wurde das Prinzip der Zweckmäßigkeit benannt. Im Folgenden sol­ len daher ausgewählte Einzelfälle im Hinblick auf alternative Regelungsmög­ lichkeiten auf ihre Zweckmäßigkeit im oben erarbeiteten Sinne betrachtet wer­ den, wobei eine Trennung nach den unterschiedlichen Anfechtungsgründen erst wieder im dritten Schritt, bei der Abwägung zwischen den verschiedenen Prin­ zipien, notwendig erscheint. a) Abgrenzung Mit der grundsätzlichen Bindung an eine mit Willensmängeln behaftete Erklä­ rung, zusammen mit der nachträglichen Anfechtungsmöglichkeit hat der Ge­ 109  110 

MünchKomm-BGB/Leipold, §  2079 Rn.  1; BeckOK BGB/Litzenburger, §  2079 Rn.  1. MünchKomm-BGB/Lange, §  2308 Rn.  1; Jauernig/Stürner, BGB, §  2308 Rn.  1.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

setzgeber sich für eine mögliche Lösung des Konflikts zwischen Privatautono­ mie und Selbstverantwortung entschieden und somit eine bestimmte Wertung festgelegt. Aus Eingrenzungsgesichtspunkten sollen daher keine Modelle dis­ kutiert werden, denen völlig andere Wertungen zugrunde liegen. Die die Arbeit bestimmende Frage ist lediglich, ob die Rückwirkung der Anfechtung unter Beachtung der bestehenden Wertungen zwingend ist und sich aus diesen recht­ fertigen lässt oder ob vielmehr überwiegende Gründe der Anwendungsleichtig­ keit für eine ex nunc-Wirkung sprechen. Nicht näher zu betrachten ist somit insbesondere die Nichtigkeit ipso iure ei­ ner mit Willensmängeln behafteten Willenserklärung, die noch im Gesetzge­ bungsverfahren von Bedeutung war111. Die Problematik eines der Erklärung entgegengesetzten Willens drückt sich in dem Streit der Willens- und der Erklä­ rungstheorie aus. Zunächst nahm die Pandektistik entgegen dem älteren gemei­ nen Recht die Willenserklärung als Ansatz für alle weiteren Überlegungen112. Diese sogenannte Willenstheorie beruht wesentlich auf Ausführungen von Sa­ vignys113 und besagt, dass der Wille das wesentliche Element eines Rechtsge­ schäfts ist114. Zudem muss es eine mit diesem Willen übereinstimmende Erklä­ rung geben115. Danach war eine nicht vom Willen gedeckte Erklärung grund­ sätzlich nichtig116. Als Gegenmodell entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die sogenannte Erklärungstheorie, die das Erklärte für maß­ geblich hielt, so wie es von außen verstanden werden durfte117. Bei der Beratung des BGB war die Nichtigkeit ipso iure für den Gesetzgeber die Alternative zur rückwirkenden Anfechtung wegen Irrtums: Noch der erste Entwurf sah in Fällen eines Irrtums die sofortige Nichtigkeit der Willenserklä­ rung vor118. Gründe für die Umkehrung zur vorläufigen Geltung der Erklärung mit Anfechtungsmöglichkeit im zweiten Entwurf119 sind, soweit ersichtlich, den Protokollen nicht zu entnehmen120. 111 

S.o.: Vierter Teil, §  5 I. c), S.  39. Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  275 ff. m. w. N. 113  v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts III, S.  258 ff. 114  Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  276; v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts III, beispielsweise S.  258. 115  v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts III, S.  258; Titze, in: FS Heymann II, S.  77 (107). 116  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  54 f.; v. Savigny, System des heuti­ gen Römischen Rechts III, S.  268. 117  Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  277 f.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  54 f.; Titze, in: FS Heymann II, S.  77 (109). 118  Motive I, S.  200. 119  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S.  715. 120  So auch Jahr, JuS 1989, 249 (256). 112 

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Im Gegensatz zu den Fällen des Irrtums war die Möglichkeit der ipso iureNichtig­keit bei den Fällen der arglistigen Täuschung und der Drohung nur selten ein Thema. Während dieses Modell im gemeinen Recht vereinzelt vertreten wurde121, schlossen sich die Gesetzgebungsarbeiten zum Bürgerlichen Gesetz­ buch der Auffassung an, die eine Gültigkeit der Willenserklärung mit der Mög­ lichkeit der Anfechtung annahm122. Die Willenserklärung in den Fällen von Täuschung und Drohung war von Anfang der Gesetzgebungsarbeiten an nur anfechtbar. Mit dieser Regelung des Anfechtungsrechts schloss sich das BGB in seiner endgültigen Fassung keiner Auffassung in ihrer reinen Form an123. Die Beurtei­ lung der Vorschriften des BGB im Hinblick darauf, welcher Theorie sie folgten, war jedoch in der Folge umstritten124. Heute werden die Vorschriften als Mittel­ weg angesehen125. An dieser Wertung des Gesetzgebers soll die vorliegende Ar­ beit festhalten. Eine Nichtigkeit ipso iure wird daher hier nicht als Alternative in die Prüfung einbezogen. b)  Alternative Nichtigkeit ex nunc bei Anfechtung gegenseitiger Verträge Während der Gesetzgebungsarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch wurde, so­ weit ersichtlich, eine lediglich für die Zukunft wirkende Anfechtungsmöglich­ keit im Einzelnen nicht diskutiert126. Für eine solche kommen verschiedene Ge­ staltungsmöglichkeiten in Betracht. Zunächst könnte geregelt werden, dass die Anfechtung in den Fällen der §§  119, 120 BGB nur ex nunc wirkt. Bei bereits vollzogenen Verträgen würde dann §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  1 BGB für die Rückab­ wicklung greifen. Jedenfalls für die Auflösung gegenseitiger Verträge kann aber auch daran gedacht werden, die Rechtsfolgen eines anderen ex nunc wir­ kenden Auflösungsgrundes zu übernehmen: Die des Rücktritts, §§  346 ff. BGB. Die Loslösung von einseitigen Willenserklärungen muss in diesem Fall geson­ dert betrachtet werden. Für die Frage ob die Anfechtung mit Rückwirkung oder nur mit Wirkung für die Zukunft ausgestattet werden soll oder eventuell durch ein Rücktrittsrecht beziehungsweise einen Verweis auf die §§  346 ff. für die Rückabwicklung gere­ gelt werden soll, müssen vor allem die praktischen Unterschiede betrachtet wer­ 121 

Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  420 m. w. N. Motive I, S.  204 f. 123  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  56; Mugdan, Die gesammten Mate­ rialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S.  710. 124 Dazu Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  56. 125  MünchKomm-BGB/Armbrüster, Vorbemerkung zu §  116 – §  144 Rn.  21; Protokolle I, S.  94 belegen die Einigkeit darüber, dass weder die eine noch die andere Theorie vollumfänglich zu­ grunde gelegt werden sollte. 126  S.o.: Vierter Teil, §  5 I. c), S.  39 f. 122 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

den, die sich bei den jeweiligen Regelungsmöglichkeiten ergeben. Hierfür sind insbesondere Fälle problematischer Rückabwicklung zu betrachten. Vor allem in diesen kommt es darauf an, eine möglichst einfache und widerspruchsfreie Lösung zu finden. Es sollen folgende Konstellationen untersucht werden: Zu­ nächst ist die Situation der „gestörten Rückabwicklung“127 eines angefochtenen Vertrages näher zu betrachten. Hiermit ist die Situation angesprochen, in der die gegenseitigen Leistungen vor der Anfechtungserklärung bereits ausgetauscht worden sind und nun eine der Leistungen wegen Untergangs gar nicht oder we­ gen Verschlechterung nicht im ursprünglichen Zustand herausgegeben werden kann. Eine weitere Konstellation, die zu Problemen bei der Rückabwicklung führen kann, ergibt sich in Fällen, in denen zwischenzeitlich an einen Dritten verfügt worden ist. Insbesondere wenn eine Kaufsache vor Anfechtung des Kaufvertrages weiterveräußert wurde. Auch das Zusammentreffen von Insol­ venz oder Zwangsvollstreckung und Anfechtung nach dem Bürgerlichen Ge­ setzbuch scheint eine konfliktreiche Konstellation im Hinblick auf die Frage nach der Wirkung der Anfechtung. Zuletzt ist die Rückabwicklung von Dauer­ schuldverhältnissen zu betrachten. Die genannten Konstellationen sollen im Hinblick auf eine mögliche ex nunc-Wirkung der Anfechtung im Vergleich zur geltenden ex tunc-Wirkung untersucht werden. Auch die Möglichkeit einer Rückabwicklung über Rücktrittsrecht soll dabei angesprochen werden. aa)  Gestörte Rückabwicklung Zunächst sollen die Fälle betrachtet werden, in denen die Leistungen bereits ausgetauscht worden sind und erst dann angefochten wird. Probleme ergeben sich hier, wenn – beispielsweise ausgehend von einem Kaufvertrag – eine Kauf­ sache nicht mehr oder nur verschlechtert zurückgegeben werden kann. (1)  Schuldrechtliche Ebene (a)  Anfechtung ex tunc Auch im Rahmen einer Anfechtung ist das Abstraktionsprinzip zu beachten und streng zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zu unterschei­ den. Die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts hat in der Regel keinen Ein­ fluss auf das Verfügungsgeschäft128. Ausnahmen ergeben sich bei sogenannter Fehleridentität und im Rahmen des §  123 BGB129. Hier soll zunächst die An­ 127  Terminologie nach: Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, zuerst S.  1. 128 Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  21; BeckOK BGB/Wendtland, §  142 Rn.  7. 129 Palandt/Ellenberger, BGB, Überbl v §  104 Rn.  23, §  142 Rn.  2; Staudinger/Roth, BGB, Neu­ bearb. 2015, §  142 Rn.  22; BeckOK BGB/Wendtland, §  142 Rn.  7.

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fechtung des schuldrechtlichen Geschäfts betrachtet werden. In diesem Fall können die bereits ausgetauschten Leistungen nach allgemeiner Ansicht130 nach §  812 Abs.  1 S.  1 Var. 1 BGB im Wege der condictio indebiti heraus ver­ langt werden131, da der Rechtsgrund aufgrund der Rückwirkung von Anfang an fehlte. Kann eine Partei die empfangene Leistung nicht mehr herausgeben – wurde beispielsweise ein Kaufvertrag geschlossen und die Kaufsache nach Austausch der Leistungen zerstört – muss sie nach §  818 Abs.  2 BGB Ersatz des Wertes leisten. Sie kann jedoch unter Fehlen dies ausschließender Voraus­ setzungen den Einwand der Entreicherung gemäß §  818 Abs.  3 BGB geltend machen, wenn die Bereicherung in ihrem Vermögen nicht mehr vorhanden ist und muss dann nichts herausgeben. Die Wertersatzpflicht ist also bereiche­ rungsabhängig ausgestaltet132. Im Ergebnis müsste dann in einem solchen Fall – um bei dem Beispiel eines Kaufvertrages zu bleiben – der Verkäufer den Kaufpreis herausgeben, während der Käufer gemäß §  818 Abs.  3 BGB von der Wertersatzpflicht befreit wäre. Um dieses Ergebnis, das nach allgemeiner An­ sicht als nicht wertungsgerecht angesehen wird133, zu korrigieren, sind ver­ schiedene Ansätze entwickelt worden134. Dies sind vor allem die modifizierte Zweikondiktionenlehre und die Saldotheorie in ihrer Fortentwicklung als Leh­ re vom faktischen Synallagma. Die modifizierte Zweikondiktionenlehre geht grundsätzlich von zwei unab­ hängig nebeneinander bestehenden Kondiktionsansprüchen aus und möchte das gewünschte Ergebnis über einen Ausschluss des Entreicherungseinwands nach §  818 Abs.  3 BGB erreichen, wobei hier vielfältige Unteransichten bestehen135. 130  MüchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  15; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, S.  146; Schulze/Dörner, BGB, §  142 Rn.  5; Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  812 Rn.  88; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S.  321 Rn.  726; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  31; Coester-Waltjen, Jura 1990, 362, (367). 131  Eine Mindermeinung vertrat ein Vorgehen nach §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  1 BGB mit der con­ dictio ob causam finitam. Siehe beispielsweise Palandt/Sprau, BGB, 75.  Aufl., §  812 Rn.  26. 132  MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  4; MünchKomm-BGB/ Schwab, §  818 Rn.  1; BeckOK BGB/H. Schmidt, §  346 Rn.  18; Koppensteiner/Kramer, Ungerecht­ fertigte Bereicherung, S.  111; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S.  112 ff.; Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  87. 133  MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  209; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Be­ reicherung, S.  138 f.; Blomeyer, AcP 154 (1955), 527 (535); Honsell, NJW 1973, 350; Rengier, AcP 177 (1977), 418 (422, 438 ff.); Wieling, JuS 1973, 397; Erman/Buck-Heeb, BGB, §  818 Rn.  41; Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S.  116; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, S.  321. 134  Heute kaum noch vertreten wird die dem Gesetz entsprechende Zweikondiktionentheorie, nach der sich die jeweiligen Kondiktionsansprüche unabhängig voneinander gegenüberstehen. Eine neuere Vertreterin findet sich in Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung nach BGB, S.  318 ff., insbes. 329 ff. 135  Vertreter der modifizierten Zweikondiktionenlehre in verschiedenen Spielarten sind bei­ spielsweise: Erman/Buck-Heeb, BGB, §  818 Rn.  44; Wieling, Bereicherungsrecht, S.  77; Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S.  261 ff.; Rengier, AcP 177 (1977),

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Als in der Praxis herrschend – und darauf kommt es somit für die Zweckmä­ ßigkeitserwägungen auch entscheidend an – kann wohl die sogenannte Saldo­ theorie angesehen werden136. Diese besagt insbesondere, dass der Anspruch des jeweiligen Bereicherungsgläubigers um den Wert des Empfangenen zu mindern ist, wenn dieser das Empfangene nicht mehr zurückgewähren kann, also entrei­ chert ist137. Die Saldotheorie ist in bestimmten Ausnahmefällen nicht einschlä­ gig138, worauf später im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der Zweckmäßig­ keitserwägungen noch einzugehen sein wird. Im hier gebildeten Fall müsste sich der Käufer somit den Wert der Kaufsache von seinem eigenen Anspruch abziehen lassen und könnte nur einen etwaigen Restbetrag von dem Verkäufer heraus verlangen. Die Lehre vom faktischen Synallagma kommt zu denselben Ergebnissen wie die ursprüngliche Saldotheorie, leitet diese aber anders her. Anfangs wurde die Saldotheorie damit begründet, dass das Erlangte nur in der Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe139. Die Lehre vom faktischen Synallagma hingegen geht davon aus, dass in Fortwirkung des ursprünglichen vertraglichen Synallagmas auch die sich gegenüberstehenden Bereicherungsansprüche synal­ lagmatisch verknüpft sind140. (b)  Anfechtung ex nunc Fraglich ist, welche Unterschiede sich im Fall der gestörten Rückabwicklung bei einer lediglich ex nunc wirkenden Anfechtung im Hinblick auf die Zweckmä­ ßigkeit ergeben. 418 (418 ff., insbes. 430 ff.); Rudorf, Leistung und Gegenleistung beim Bereicherungsausgleich, S.  179 ff; Flume, AcP 194 (1994), 427 ff.; Canaris, in: FS W. Lorenz, S.  19 ff.; Zur Ansicht von Flume und Canaris ein Überblick bei: Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  127 ff., 136 ff. 136  Von der Anwendbarkeit der Saldotheorie gehen beispielsweise aus: RGZ 54, 137, 140 ff.; RGZ 94, 253, 254 f.; BGHZ 53, 144, 145; BGHZ 72, 252, 254; BGHZ 78, 216, 222; BGHZ 146, 298, 307; BGHZ 147, 152, 157. 137  RGZ 94, 253, 254 f.; BGHZ 53, 144, 145; BGHZ 72, 252, 254; BGHZ 78, 216, 222; Wein­ traud, Die Saldotheorie, S.  2, 23; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S.  743 f. Rn.  1522; Honsell, MDR, 1970, 717; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  137; Medicus/­Lorenz, Schuldrecht II, Rn.  1185; Palandt/Sprau, BGB, §  818 Rn.  47. 138  Die Saldotheorie ist wohl nicht anwendbar zu Ungunsten nicht voll Geschäftsfähiger, zu Ungunsten Getäuschter oder Bedrohter, zu Ungunsten der gemäß §  138 Abs.  1 benachteiligten Partei, in speziellen Fällen des Sachmangels und bei verschärfter Haftung eines Vertragspartners, s. Überblick bei Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S.  744 f. m. w. N.; z.T. MünchKomm-BGB/ Schwab, §  818 Rn.  216 m. w. N. 139  RGZ 54, 137, 141; RGZ 137, 324, 336 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  372. 140  v. Caemmerer, in: FS Rabel, S.  333 (386); Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S.  110 ff.; Reu­ ter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  376, 381 f.; BGHZ 57, 137, 150; BGHZ 72, 252, 256; BGHZ 78, 216, 223.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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Würde die Anfechtung den Vertrag nur ex nunc beseitigen, könnten die be­ reits ausgetauschten Leistungen wegen des späteren Wegfalls des Rechtsgrunds jeweils über die condictio ob causam finitam gemäß §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  1 BGB heraus verlangt werden. Für den hier besprochenen Fall der gestörten Rückabwicklung gegenseitiger Verträge ergeben sich somit keine Unterschiede. Die Saldotheorie – oder eine ihrer konkurrierenden Auffassungen – müsste hier genauso Anwendung finden. Diese Fragen sind Teil des Umfangs der Bereiche­ rung und gelten für alle Kondiktionsansprüche. Zum Teil wurde sogar bei der geltenden Regelung der zurückwirkenden Anfechtung eine Rückabwicklung über die condictio ob causam finitam angenommen141. Ein Unterschied ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den Kondiktionsaus­ schluss nach §  814 BGB. Dieser kann zwar grundsätzlich nicht auf die Kondik­ tion nach §  812 Abs.  1 S.  2 Var. 1 BGB angewendet werden142 , denn im Fall des späteren Wegfalls des Rechtsgrunds war der Leistende zum Zeitpunkt der Leis­ tung zu dieser noch verpflichtet143. Bei einer Anfechtung ist gemäß §  142 Abs.  2 BGB auf die Kenntnis von der Anfechtbarkeit abzustellen. Wenn der Leistende anfechtungsberechtigt ist und die Anfechtungsmöglichkeit kannte, ist §  814 BGB also trotz Anwendung von §  812 Abs.  1 S.  2 Var. 1 BGB einschlägig144. Die Leistung trotz Wissens um die Anfechtungsmöglichkeit kann jedoch auch schon als Bestätigung aufgefasst werden und so nach §  144 Abs.  1 BGB die Anfechtung an sich ausschließen145. Zudem ist der nicht zur Anfechtung Be­ rechtigte zur Leistung bis zur Ausübung des Anfechtungsrechts auf der anderen Seite verpflichtet, selbst wenn er von der Möglichkeit der Anfechtung des ande­ ren wusste146. Er setzt sich mit der Geltendmachung seines Kondiktionsan­ spruchs also nicht in Widerspruch zu seinem Vorverhalten. Damit ist §  814 BGB nach seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar147. Dies muss sowohl im Fall der ex tunc-Wirkung als auch einer möglichen ex nunc-Wirkung der Anfechtung gelten. Man kommt also auch hier zu denselben Ergebnissen. Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass sich mit Bezug auf die Frage der Anwendungsleichtigkeit für den Fall der gestörten Rückabwicklung gegen­ seitiger Verträge bei Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts kein Unterschied daraus ergibt, ob die Anfechtung den Vertrag rückwirkend oder nur für die 141 

Siehe beispielsweise: Palandt/Sprau, BGB, 75.  Aufl., §  812 Rn.  26. BGHZ 111, 125, 130; RGRK/Heimann-Trosien, §  814 Rn.  1. 143  MünchKomm-BGB/Schwab, M., §  814 Rn.  3; Wieling, Bereicherungsrecht, S.  28; Erman/ Buck-Heeb, BGB, §  814 Rn.  1. 144  MünchKomm-BGB/M. Schwab, §  814 Rn.  13; RGRK/Heimann-Trosien, §  814 Rn.  6. 145  MünchKomm-BGB/M. Schwab, §  814 Rn.  13. 146  MünchKomm-BGB/M. Schwab, §  814 Rn.  3, 13. 147  BGH NJW 2008, 1878, 1879; RGRK/Heimann-Trosien, §  814 Rn.  6; MünchKomm-BGB/M. Schwab, §  814 Rn.  13; Erman/Buck-Heeb, BGB, §  814 Rn.  1. 142 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Zukunft beseitigt. Die Streitfragen und Lösungen bezüglich der Rückabwick­ lung sind identisch. (c)  Rücktrittsrecht Auch der Rücktritt ermöglicht eine ex nunc wirkende Loslösung von einem Ver­ trag. Er ähnelt der Situation einer Anfechtung darin, dass auch hier ein Vertrag ursprünglich gültig war und die Leistungen schon erbracht worden sein können. Dann wird ein Grund zur Lösung vom Vertrag offenbar und die Parteien begeh­ ren dessen Rückabwicklung. Schon hier zeigt sich, dass die Interessenlage ei­ gentlich identisch ist. Die Parteien wollen jeweils nichts anderes, als in den Zu­ stand vor Vertragsschluss zurückversetzt zu werden148. Bei der Ausübung eines Rücktrittsrechts verwandelt sich das ursprüngliche Schuldverhältnis in ein Rückabwicklungsverhältnis und zwar mit Wirkung ex nunc149. Es wäre durchaus vorstellbar, auch der Anfechtung gegenseitiger Ver­ träge nach §  119 BGB nicht nur ex nunc-Wirkung zu geben, sondern die Rückab­ wicklung entsprechend der §§  346 ff. BGB anzuordnen. Fraglich ist, welche Folgen sich daraus für den Fall der gestörten Rückabwicklung ergeben würden. Stellt man sich vor, im genannten Beispielsfall der Anfechtung eines Kauf­ vertrages sei für die Rückabwicklung auf die §§  346 ff. BGB verwiesen, ergä­ ben sich folgende Abweichungen: Zunächst ist ein Unterschied eher konstrukti­ ver Art zu benennen. Die Anfechtung beseitigt unmittelbar nur die Willenser­ klärung. Rückabwicklungsansprüche können erst in einem zweiten Schritt geltend gemacht werden, in dem die Voraussetzungen der §§  812 ff. BGB vorlie­ gen müssen150. Die Rücktrittserklärung hingegen lässt unmittelbar das Rückab­ wicklungsverhältnis entstehen, was jedoch nur einen sogenannten „gedankli­ chen Bruch“151 bewirkt. Materielle Unterschiede ergeben sich daraus nicht152. Zunächst erheblich wirkende Unterschiede zwischen Anfechtung und Rück­ tritt beim Umfang der Rückabwicklung werden durch die Anwendung der Saldotheorie beziehungsweise auch der modifizierten Zweikondiktionenlehre im Rahmen der Anfechtung gemildert. Wie gesehen, ist die Rückabwicklung nach §§  812 ff. BGB grundsätzlich abhängig von der noch vorhandenen Berei­ 148  So auch Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  535 f., mit ausführlicher Argumentation für einen einheitlichen Rückabwicklungsmodus in §  11 des 3. Kapitels, S.  521 ff. 149  MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  35; BeckOK BGB/H. Schmidt, §  346 Rn.  9 m. w. N.; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, §  346 Rn.  1, 69. 150  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  82 ff.; v. Caemmerer, in: FS Rabel, S.  333 (343 f.); König, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S.  1526. 151  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  82. 152  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  82.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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cherung153. Das Risiko des zufälligen Untergangs ist damit jedem für das selbst Geleistete auferlegt154. Zur Korrektur sich aus diesen Grundsätzen ergebender unerwünschter Ergebnisse sind für die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge zunächst die Saldotheorie und in der Literatur die modifizierte Zweikondiktio­ nentheorie entwickelt worden155. Im Rücktrittsrecht besteht die Wertersatz­ pflicht im Rahmen der Rückabwicklung seit der Schuldrechtsreform grundsätz­ lich unabhängig von einer verbleibenden Bereicherung156. Damit trägt grund­ sätzlich jeder das Zufallsrisiko für das jeweils Empfangene157. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergibt sich jedoch insbesondere aus §  346 Abs.  3 S.  1 Nr.  3 BGB. Diese Norm verlagert das Zufallsrisiko zurück auf den Rücktritts­ gegner. Dahinter steht die Überlegung des Gesetzgebers, dass der Rücktritts­ gegner im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts in den allermeisten Fällen seinen Leistungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sein wird und so auch nicht auf den Gefahrübergang vertrauen dürfen soll158. Jedoch ist es wohl relativ einhellige Meinung – vor allem für den Fall des §  313 Abs.  3 S.  1 BGB –, dass diese Norm deswegen dann nicht anwendbar sein soll, wenn dem Rücktrittsgegner keine Pflichtverletzung zur Last fällt159. Somit handelt es sich hier eher um eine Ausnahme. Im gedachten Fall des Kaufvertrages würde eine Rückabwicklung über Rücktrittsrecht bedeuten, dass der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis zurückzahlen müsste. Der Käufer müsste, da Herausgabe in na­ tura bei Zerstörung der Kaufsache gemäß §  346 Abs.  1 BGB nicht möglich ist, nach §  346 Abs.  2 Nr.  3 BGB Wertersatz für die Kaufsache leisten. Zu demsel­ ben Ergebnis kommt man im Bereicherungsrecht im Wesentlichen über die Korrektur der modifizierten Zweikondiktionenlehre, die den Entreicherungs­ 153  MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  4; MünchKomm-BGB/ Schwab, §  818 Rn.  1; BeckOK BGB/H. Schmidt, §  346 Rn.  18; Koppensteiner/Kramer, Ungerecht­ fertigte Bereicherung, S.  111; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S.  112 ff.; Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  87. 154  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  87 und Rückschluss aus den in Fn.  149 genannten Quellen. 155  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  88. 156  MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  3; BeckOK BGB/­H. Schmidt, §  346 Rn.  18; Palandt/Grüneberg, BGB, Einf v §  346 Rn.  2, §  346 Rn.  1; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn.  420, S.  217. 157  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  54, 59 f. ; Hütte, Gefahrverteilung und Schadensersatz im Rückabwicklungsschuldverhältnis nach ge­ setzlichem Rücktritt, S.  34 ff. 158  BT-Drucks. 14/6040, S.  196. 159  jurisPK-BGB/Faust, §  346 Rn.  74; MünchKomm-BGB/Gaier, §  346 Rn.  54; BeckOK BG­ B/H. Schmidt, §  346 Rn.  54; NomosKommentar-BGB/Hager, Bd. II/1, §  346 Rn.  58; Staudinger/ Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, §  346 Rn.  207, S.  174; Annuss, JA 2006, 184 (188); Gaier, WM 2002, 1 (11); Kamanabrou, NJW 2003, 30 (31); Nur zu §  313 Abs.  3: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. XLV; Erman/Röthel, BGB, §  346 Rn.  27; a. A.: Forst, ZGS 2011, 107 (108 f.).

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

einwand ausschaltet160. Bei einer Korrektur über die Saldotheorie würde man einen Schritt weitergehen, indem man bereits eine automatische Saldierung der beiden Kondiktionsansprüche vornimmt161. Die Wertungen sind jedoch im Er­ gebnis ähnlich. Der Gesetzgeber wollte bei der Neuregelung des Rücktrittsrechts im Rahmen der Schuldrechtsreform auch gerade eine Annäherung an das Bereicherungs­ recht und die Saldotheorie erzielen162. Eine vollständige Angleichung wird be­ zweifelt, insbesondere in Bezug auf die „verfahrensrechtliche Seite“163 der Saldotheorie164. Wenn man jedoch über eine entsprechende Anwendung der Re­ geln über das Rücktrittsrecht im Bereicherungsrecht nachdenkt, sind trotz der oben festgestellten generellen Ähnlichkeit der Wertungen die einzelnen Vor­ schriften kritisch auf ihre Übertragbarkeit zu überprüfen. Hier wären also auch von einer etwaigen entsprechenden Anwendung unter Umständen wieder Rückausnahmen zu machen, wobei die Einzelheiten – auf die im Folgenden überblicksartig eingegangen werden soll – nicht immer unumstritten sind165. Neben der bereits erörterten Regel zur Gefahrtragung in §  346 Abs.  3 S.  1 Nr.  3 BGB ist hier vor allem §  346 Abs.  2 S.  2 BGB zu nennen, der bestimmt, bei der Berechnung des Wertersatzes die Gegenleistung zugrunde zu legen. Im Be­ reicherungsrecht bestimmt sich der Wertersatz nach allgemeiner Ansicht jedoch objektiv166. Diese Regelung des Rücktrittsrechts scheint nicht übertragbar, weil der Vertrag in den Fällen der Anfechtung nichtig ist und die weitere Bindung daran durch Berücksichtigung des vereinbarten Entgelts bei der Wertersatzbe­ messung dieser Wertung zuwider laufen würde167. Ob man das jedoch in dieser generellen Form vertreten kann, ist umstritten. Man könnte eine Übertragung des §  346 Abs.  2 S.  2 BGB auch lediglich für die Fälle ausschließen, in denen 160 

Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  155 ff. MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  250. 162  Bundesminister der Justiz, Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schul­ drechts, S.  185; Bundesminister der Justiz, Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisie­ rungsgesetzes, S.  383 f.; BT-Drucks. 14/6040, S.  195. 163  Zum Begriff und Unterschied zur materiellen Seite siehe beispielsweise: Flume, ZIP 2001, 1622 f.; Ernst, Einleitung, in: Flume, Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S.  16 f. 164 Hierzu Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  155 f.; zu auch materiellen Unterschieden weiter Hager, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivil­ rechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S.  429 (441 ff.); MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbe­ merkung zu §  346 – §  354 Rn.  4; Kohler, ZGS 2005, 386, 387. 165  Siehe beispielsweise: Bockholdt, AcP 206 (2006), 769 (778 ff.); Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S.  385 ff. 166 Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  28 f. m. w. N.; a. A. wird vertreten, Überblick bei MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  75 f. 167  BT-Drucks. 14/6040, S.  196; Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als ein­ heitliches Problem, S.  158; MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  265; Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S.  388. 161 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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der Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund sich auch auf die Vereinbarung über das Entgelt bezieht, was nicht stets der Fall ist168. Im Fall einer analogen Anwendung der Rücktrittsregeln müsste auch über den Umfang der Übertragbarkeit von §  346 Abs.  3 BGB nachgedacht werden, insbesondere über den bereits angesprochenen §  346 Abs.  3 S.  1 Nr.  3 BGB. Wie zum Teil schon dargestellt, ist diese Norm nicht einmal bezüglich ihrer Voraus­ setzungen im Rücktrittsrecht selbst unumstritten. Die Frage der Übertragbar­ keit gestaltet sich somit kompliziert und wird entsprechend umfangreich disku­ tiert169. Die Diskussionen um die Auslegung von §  346 Abs.  3 S.  1 Nr.  3 BGB würden sich bei der Frage der Übertragbarkeit auf das Bereicherungsrecht fort­ setzen. Auch dort müsste bei einer analogen Anwendung dieser Norm ihr Um­ fang und Anwendungsbereich geklärt werden. Zudem ist auf §  347 Abs.  1 BGB hinzuweisen, der eine Wertersatzpflicht für entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogene Nut­ zungen anordnet. Im Bereicherungsrecht ist eine solche Pflicht nach dem Gesetz nicht vorhanden. Auch hier sind unterschiedliche Auffassungen zur Anglei­ chung möglich170. Ist man der Ansicht, dass jede Partei mit Abschluss des Ver­ trages auch das Risiko der erfolgreichen Verwendung der empfangenen Leis­ tung übernimmt, so bietet sich eine Übertragung des §  347 Abs.  1 BGB vor an­ deren Begründungsmöglichkeiten im Rahmen einer Gesamtübertragung der Regeln des Rücktrittsrechts an171. Zusammenfassend scheinen die §§  346 ff. BGB und die §§  812 ff. BGB trotz unterschiedlicher Vorgehensweise und einiger Abweichungen im Detail ähnli­ che Ergebnisse zu erzielen172. Befürwortet man dementsprechend eine analoge Anwendung der Vorschriften des Rücktrittsrechts auf die Rückabwicklung an­ gefochtener Verträge, sind wie gesehen die einzelnen Vorschriften dennoch kri­ tisch auf ihre Übertragbarkeit zu überprüfen. Dies führt – wie in der Gesamtab­ wägung zu berücksichtigen sein wird – zu neuen Streitfragen und Diskussio­ nen, jedoch auch dazu, dass die Saldotheorie nicht mehr erforderlich wäre.

168 

Bockholdt, AcP 206 (2006), 769 (781 ff.). Diskussion beispielsweise bei: Bockholdt, AcP 206 (2006), 769 (785 ff.); MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  255 f.; für eine Übertragbarkeit wohl auch Linke, Die Rückabwicklung gescheiterter gegenseitiger Verträge, S.  138 ff.; ablehnend: Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  27 S.  18. 170  Verschiedene Ansichten beispielsweise: Bockholdt, AcP 206 (2006), 769 (798 ff.), der eine analoge Anwendung von §  347 Abs.  1 BGB für sinnvoll hält; Canaris, FS Lorenz, S.  19 (44 ff.), der eine Analogie zu §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4, 292, 987 Abs.  2 BGB befürwortet. 171  Bockholdt, AcP 206 (2006), 769 (798 ff.) m. w. N. 172  Dafür MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  4; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  33; kritisch Kohler, JZ 2001, 325 (331). 169 Ausführliche

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

(2)  Dingliche Ebene (a)  Anfechtung ex tunc Im Folgenden soll die Anfechtung des dinglichen Geschäfts betrachtet werden. Auch dieses besteht aus Willenserklärungen, die der Anfechtung unterliegen173. Im Rahmen der bestehenden Regelung – Anfechtung ex tunc – bedeutet eine Anfechtung des dinglichen Geschäfts, dass das übertragene Eigentum automa­ tisch zurückfällt und zwar rückwirkend: Der ursprüngliche Eigentümer ist so anzusehen, als wäre er immer Eigentümer gewesen174. Er hat einen Anspruch auf Herausgabe der Sache aus §  985 BGB175. Ist die Sache in der Zwischenzeit beschädigt oder zerstört worden – der Fall der Weiterveräußerung soll erst im nächsten Abschnitt bezüglich der Interessen Dritter besprochen werden –, rich­ ten sich seine Ersatzansprüche nach den §§  987 ff. und im Fall der Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung nach §  951 Abs.  1 BGB176. Hierbei ist zu beach­ ten, dass die §§  989, 990 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz zubilligen. Ein Wertersatzanspruch und insbesondere eine dem §  818 Abs.  3 BGB entspre­ chende Vorschrift ist hier nicht vorhanden177. Über §  951 Abs.  1 BGB gelangt man hingegen wieder in das Bereicherungsrecht, so dass eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung möglich wäre178. (b)  Anfechtung ex nunc Wenn nun die Anfechtung nur ex nunc wirken würde, könnte das Eigentum erst mit der Anfechtungserklärung wieder an den ursprünglichen Inhaber zurück­ fallen. In der Zeit zwischen Übereignung und Anfechtungserklärung war der durch die Übereignung Begünstigte Eigentümer und bleibt es für diese Zeit­ spanne auch. Die genannten Normen wären nicht mehr einschlägig. Ansprüche aus den §§  987 ff. BGB würden daran scheitern, dass zum Zeitpunkt der Schä­ digung kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vorlag. Genauso hilft §  951 Abs.  1 BGB nicht weiter, da der Anfechtende im Moment des gesetzlichen Eigentums­ verlusts nicht Eigentümer war. Bei strikter Durchführung der ex nunc-Wirkung bleibt ihm also lediglich der Anspruch auf Wertersatz aus §§  812 Abs.  1 S.  1 173 

Statt aller Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S.  321 Rn.  727. MünchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  15; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S.  321 Rn.  727. 175 Schulze/Dörner, BGB, §  142 Rn.  5; BeckOK BGB/Wendtland, §  142 Rn.  7. 176  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  163. 177  Hellwege, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge als einheitliches Problem, S.  164; Zu den Einzelheiten der Ansprüche siehe beispielsweise Kommentierung in MünchKomm-BGB/Raff, §  989, §  990. 178  Siehe beispielsweise Palandt/Herrler, BGB, §  951 Rn.  2. 174 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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Var. 1, 818 Abs.  2 BGB. Sachenrechtliche Ansprüche scheiden wegen der man­ gelnden Eigentümerstellung zur Zeit des schädigenden Ereignisses aus. Die Anwendung der §§  346 ff. BGB wäre im Fall der Anfechtung des dingli­ chen Geschäfts nicht möglich. Die Normen über den Rücktritt sind nur auf schuldrechtliche Verträge anwendbar179 und kommen daher hier von vornherein nicht in Betracht. (3) Zusammenfassung Es kann also festgehalten werden, dass bei einer Anfechtung des schuldrechtli­ chen Geschäfts, die Unterschiede der jeweiligen Regelungsmöglichkeiten recht gering sind. Bleibt man bei einer Abwicklung über Bereicherungsrecht, sind die Folgen identisch, egal ob die Anfechtung ex tunc oder ex nunc wirkt. Auch wenn man als Alternative eine Rückabwicklung über §§  346 ff. BGB annimmt, halten sich die Unterschiede in Grenzen. Über die Entwicklung der Saldotheorie beziehungsweise der modifizierten Zweikondiktionenlehre und die Neurege­ lung des Rücktrittsrechts im Rahmen der Schuldrechtsreform sind Bereiche­ rungsrecht und Rücktrittsrecht weitestgehend angeglichen worden. Unterschiede ergeben sich vor allem für den Fall der Anfechtung des dingli­ chen Geschäfts. Würde diese bloß Jetztwirkung haben, wäre ein sachenrechtli­ cher Ausgleich mangels Eigentümerstellung zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht möglich. Einen Vorteil hätte der Anfechtende nur für den Fall, dass der Gegner die Sache weiter unbeschädigt in Besitz hat. Dann stünde dem Anfechtenden gegen diesen ein Anspruch auf Herausgabe aus §  985 BGB zu. Ist die Sache jedoch beschädigt oder zerstört, so kommen nur bereicherungsrecht­ liche Ansprüche in Betracht. Dem gegenüber stehen dem Anfechtenden bei ei­ ner ex tunc wirkenden Anfechtung des dinglichen Geschäfts weitere sachen­ rechtliche Ansprüche zur Verfügung. bb)  Zwischenverfügung an einen Dritten Ein weiterer Fall, der hier zu betrachten ist, ist die Beeinträchtigung der Interes­ sen Dritter. Dies ist vor allem gegeben wenn der Käufer – es soll wieder von einem Kaufvertrag und anschließender Übereignung der Kaufsache ausgegan­ gen werden – die Sache bereits an einen Dritten weiterveräußert hat, bevor die Anfechtung erklärt wird.

179  MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §§  346–354 Rn.  6; BeckOK BGB/H. Schmidt, §  346 Rn.  4; Palandt/Grüneberg, BGB, Einf v §  346 Rn.  7.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

(1)  Schuldrechtliche Ebene (a)  Anfechtung ex tunc Betrifft die Anfechtung lediglich das schuldrechtliche Geschäft, kann der ur­ sprüngliche Verkäufer von seinem Käufer Wertersatz nach den §  812 Abs.  1 S.  1 Var. 1, 818 Abs.  2 BGB verlangen, da dieser die Kaufsache nicht mehr herausge­ ben kann. Gegen den Dritten hat der Verkäufer keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche, da zwischen ihnen keine Leistungsbeziehung besteht. Eine etwaige Nichtleistungskondiktion scheidet wegen der Leistung zwischen dem Käufer und dem Dritten aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes der Rechtsprechung180 in der Praxis aus181. (b)  Anfechtung ex nunc Für den Fall, dass die Anfechtung nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlus­ ses zurückwirkt, ergibt sich bei der Anfechtung des Kausalgeschäfts dieselbe Abweichung wie bereits bei der gestörten Rückabwicklung. Der Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer würde sich auf Wertersatz richten, sich jedoch hier wegen der ex nunc-Wirkung aus den §§  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  1, 818 Abs.  2 BGB ergeben. Gegen den Dritten bestehen hier wegen des Vorrangs der Leis­ tungsbeziehung wieder keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche182. Für den Fall, dass eine ex nunc wirkende Anfechtung nach den Regeln über den Rücktritt abgewickelt werden soll, ist Folgendes zu beachten: Wenn die Sache zwischenzeitlich weiterveräußert wurde, führt dies dazu, dass der ur­ sprüngliche Käufer sie nicht mehr herausgeben kann und daher nach §  346 Abs.  2 ff. BGB Wertersatz leisten muss. Hier ergeben sich im Vergleich zur Ab­ wicklung nach Bereicherungsrecht bei bloßer Anfechtung des Verpflichtungs­ geschäfts die oben dargestellten Probleme. (2)  Dingliche Ebene (a)  Anfechtung ex tunc Ist auch das dingliche Geschäft von der Anfechtung betroffen, gestaltet sich die Lage interessanter. Als Ausgangsfall soll hier die Übereignung einer Sache zwi­ schen Verkäufer und Käufer dienen. In der Folge wird die Sache an einen Dritten übereignet. Danach wird eine auf die erste Übereignung bezogene Willenserklä­ 180 

Siehe beispielsweise: BGHZ 40, 272, 278; 56, 228, 240 f.; 69, 186, 189. In der Literatur ist der Subsidiaritätsgrundsatz nicht unumstritten. Befürwortend beispiels­ weise: Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  26–41; Skeptisch beispielsweise: Stau­ dinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  812 Rn.  64 m. w. N. 182  S.o. Fn.  180, 181. 181 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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rung angefochten. Ein sachenrechtlicher Herausgabeanspruch des ursprünglich Übereignenden gegen den Dritten könnte nach §  985 BGB bestehen. Die Verfü­ gung an den Dritten ist nämlich durch die Anfechtung der der Eigentumsüber­ tragung zugrundeliegenden Einigung nachträglich rückwirkend die Verfügung eines Nichtberechtigten geworden183. Der Dritte kann also nur Eigentum erwer­ ben, wenn er nach §  932 BGB in Verbindung mit §  142 Abs.  2 BGB gutgläubig war, oder der ursprüngliche Eigentümer die nachfolgende Verfügung des Käu­ fers nach den §§  185 Abs.  2 S.  1 Var.1, 184 Abs.  1 BGB genehmigt. Die Gutgläu­ bigkeit muss sich gemäß §  142 Abs.  2 BGB auf die Anfechtbarkeit beziehen184. War der Dritte gutgläubig oder genehmigt der ursprüngliche Eigentümer die Verfügung, scheidet ein Anspruch dessen gegen den Dritten aus §  985 BGB aus. Er hat jedoch gegen seinen Vertragspartner einen Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB. Die Verfügung des rückwirkend nichtberechtigten Käufers war wegen der Gutgläubigkeit des Dritten oder der Genehmigung des ursprünglichen Eigentü­ mers diesem gegenüber wirksam. Der Käufer muss folglich das durch die Ver­ fügung Erlangte herausgeben, nach herrschender Meinung also das tatsächlich Erlangte185. Gegen den Dritten bestehen in diesem Fall keine Ansprüche. Liegt weder Gutgläubigkeit noch eine Genehmigung vor, hat der Verkäufer gegen den Dritten einen Anspruch auf Herausgabe aus §  985 BGB. (b)  Anfechtung ex nunc Würde die Anfechtung nur ex nunc wirken, bedeutete dies, dass der Käufer ab der Übereignung durch den ursprünglichen Eigentümer und bis zur Anfechtung Eigentümer war und dies für die genannte Zeitspanne auch bleibt. Er hat also in jedem Fall als Berechtigter an den Dritten verfügt, weshalb der Verkäufer sein Eigentum verloren hat und ein Anspruch aus §  985 BGB gegen den Dritten oder aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB gegen den ursprünglichen Vertragspartner ausschei­ det. Auch durch die Anfechtung des Verfügungsgeschäfts kann der ursprüngli­ che Eigentümer nicht dem Dritten gegenüber wieder Eigentümer werden, da das Eigentum bereits auf den Dritten übergegangen ist und die Anfechtung nur die vertraglichen Erklärungen gegenüber seinem Vertragspartner vernichtet. Hätte der ursprüngliche Vertragspartner nicht an den Dritten verfügt und sieht man mit der Anfechtung die betroffene Erklärung ex nunc als nicht gegeben an, 183 Schulze/Dörner, BGB, §  142 Rn.  8; Palandt/Ellenberger, BGB, §  142 Rn.  4; Medicus, Allge­ meiner Teil des BGB, S.  321 Rn.  727. 184 Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  41; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S.  321 Rn.  727; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  41 Rn.  163, S.  510. 185  Nach anderer Ansicht ist der objektive Wert der Sachen herauszugeben, zum Streitstand jeweils m. w. N. beispielsweise: MünchKomm-BGB/M. Schwab, §  816 Rn.  37 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  240 f.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

müsste das Eigentum mit der Anfechtung ex nunc wieder an den Verkäufer fallen und er könnte die Sache gemäß §  985 BGB herausverlangen. Im hier in­ teressierenden Fall der Zwischenverfügung an einen Dritten hätte der Verkäufer jedoch bei Annahme einer ex nunc-Wirkung der Anfechtung keinerlei Ansprü­ che gegen den Dritten. Auf dessen Gut- oder Bösgläubigkeit käme es nicht an, da er vom Berechtigten erwarb. Die Ansprüche gegen den ursprünglichen Ver­ tragspartner bei Übereignung an einen Dritten beschränkten sich auf Wert­ ersatz aus §§  812 Abs.  1 S.  2 Var. 1, 818 Abs.  2 BGB mit einem möglichen Entreicherungseinwand. Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis kom­ men nicht in Betracht, da ein solches zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignis­ ses nicht vorlag. Zum Zeitpunkt der Veräußerung war der ursprüngliche Ver­ tragspartner Eigentümer. (3) Zusammenfassung Es ist somit festzuhalten, dass die Unterschiede bei einer Anfechtung allein des schuldrechtlichen Vertrages wiederum gering sind. Hier kommen bezüglich der Herausgabe nur bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Wertersatz – entweder die condictio indebiti bei Wirkung ex tunc oder die condictio ob causam finitam bei Wirkung ex nunc – in Betracht, die genauso wie bereits im Rahmen der ersten Fallgruppe besprochen von den Normen des Rücktrittsrechts abweichen. Neu sind hier Fragen der Ansprüche gegen den Dritten. Gegen diesen sind bei einer Anfechtung nur des Verpflichtungsgeschäfts keine Kondiktionsansprüche des ursprünglichen Verkäufers gegeben. Bei einer Anfechtung des dinglichen Geschäfts hingegen ist ein Anspruch aus §  985 BGB gegen den Dritten möglich, wenn dieser bösgläubig war. Gegen den ursprünglichen Vertragspartner besteht unter Umständen ein Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB. Bei einer ex nunc-Wirkung der Anfechtung des dinglichen Geschäfts sind Ansprüche gegen den Dritten hingegen ganz ausgeschlossen, da er in jedem Fall vom Berechtigten erworben hat. Gegen den ursprünglichen Käufer würde dem Verkäufer die condictio ob causam finitam zustehen. §  816 Abs.  1 S.  1 BGB kommt hier nicht in Betracht. Auch bei der Betrachtung dieser Fallgruppe – der Berührung Interessen Drit­ ter – zeigt sich also, dass sich wesentliche Unterschiede nur für den Fall der Anfechtung des dinglichen Geschäfts ergeben. Wirkt die Anfechtung ex tunc, ergeben sich hier zusätzliche mögliche Anspruchsgrundlagen. cc)  Anfechtung und Insolvenz Interessant scheint auch die Situation des Zusammentreffens einer Anfechtung nach §  142 Abs.  1 BGB mit einem laufenden Insolvenzverfahren und die Frage

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welche Unterschiede sich hier in Bezug auf eine ex tunc- oder ex nunc-Wirkung der Anfechtung ergeben. (1)  Schuldrechtliche Ebene (aa) Zunächst soll die Situation betrachtet werden, in der ein Vertrag vor Eröff­ nung eines Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde und der Vertragspartner der Partei, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, nach dieser Eröffnung das schuldrechtliche Geschäft anficht. Weder die An­ fechtung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch noch ihre rückwirkende Kraft werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen186. Dem Anfechtenden entsteht damit mit Erklärung der Anfechtung ein Anspruch auf Rückgewähr des Leistungsgegenstands. Dieser entsteht auch rückwirkend, so dass nach herrschender Ansicht §  812 Abs.  1 S.  1 Var. 1 BGB einschlägig ist187. Aufgrund der Rückwirkung ist der Anspruch dann auch als schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet anzusehen und der Vertragspartner nach §  38 InsO Insolvenzgläubiger188. Damit kann er seine Forderung innerhalb der vom Gericht bestimmten Zeit beim Insolvenzverwalter anmelden und kann mit den anderen Insolvenzgläubigern quotal aus der Masse befriedigt werden189. Dies könnte anders zu beurteilen sein, wenn die Anfechtung nur ex nunc wirken würde. Der Anspruch würde dann erst mit der Anfechtung, im gedach­ ten Fall also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entstehen. Dies würde dazu führen, dass der Anfechtende nicht mehr nach §  38 InsO als Insolvenz­ gläubiger anzusehen wäre. Er könnte damit nicht auf die Insolvenzmasse zu­ rückgreifen190. Vielmehr müsste er für die Realisierung seines Anspruchs auf die Zeit nach Abschluss des Insolvenzverfahrens hoffen191. Allerdings soll es für die Annahme einer Insolvenzforderung auch ausreichen, wenn das an­ spruchsbegründende Schuldverhältnis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, auch wenn der Anspruch noch nicht fällig ist192. Dieser Gedanke ist bei einer ex nunc wirkenden Anfechtung jedoch nicht einschlägig. Das Schuldverhältnis, aus dem sich der Rückgewähranspruch dann ergibt, entsteht erst originär mit dem Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs aus un­ gerechtfertigter Bereicherung193, also erst mit der Anfechtung und damit nach 186 Uhlenbruck/Hirte/Ede,

InsO, §  129 Rn.  50; Wimmer/Dauernheim, FK InsO, §  129 Rn.  12. Zum früheren Streit s. Vierter Teil, §  5 I. 3. b) aa) (1) (a), S.  54 f. 188  MünchKomm-InsO/Ehricke, §  38 Rn.  71. 189  Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, S.  162, 237. 190  Foerste, Insolvenzrecht, S.  35. 191  Foerste, Insolvenzrecht, S.  35. 192  MünchKomm-InsO/Ehricke, §  38 Rn.  16; Uhlenbruck/Sinz, InsO, §  38 Rn.  26; Jaeger/Hen­ ckel, InsO, §  38 Rn.  82. 193  MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  4. 187 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Insolvenzeröffnung. Über eine andere Beurteilung könnte man jedoch bei Ein­ räumung eines Rücktrittsrechts statt der Anfechtungsmöglichkeit nachdenken. Hier bleibt das ursprüngliche Schuldverhältnis bestehen und wandelt sich durch den Rücktritt nur um in ein Rückgewährschuldverhältnis194. Das anspruchsbe­ gründende Schuldverhältnis könnte also durchaus als schon vor Insolvenzeröff­ nung bestehend angesehen werden195. Dies ist jedoch umstritten196. Der Streit beträfe dann auch den hier diskutierten Fall. Auch könnte in bestimmten Fällen schon über einen Ausschluss des Rücktrittsrechts analog §  112 InsO nachge­ dacht werden197. Auch diese Konstellation ist daher nicht problemlos. (bb) Besteht ein Anfechtungsgrund nach bürgerlichem Recht hingegen auf Seiten der Partei, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, so wird das Anfechtungsrecht vom Insolvenzverwalter ausgeübt198. Bei An­ fechtung eines Verpflichtungsgeschäfts mit Wirkung ex nunc würde die Ver­ pflichtung erst zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung entfallen und ein Rückgewähranspruch entstehen, also während des bereits eröffneten Insolvenz­ verfahrens, was jedoch praktisch keinen Unterschied bedeuten dürfte, da die Verpflichtung – ob ex tunc oder ex nunc – jedenfalls entfiele. (2)  Dingliche Ebene Die Anfechtung des dinglichen Geschäfts führt zum rückwirkenden Rückfall des Eigentums am Leistungsgegenstand. Aufgrund dieser Rückwirkung ist der Anfechtende so anzusehen, als wäre er schon vor Eröffnung des Insolvenzver­ fahrens Eigentümer gewesen. Eigentum führt zu einem Aussonderungsan­ spruch199. Würde die Anfechtung nur ex nunc wirken, könnte der Anfechtende das Ei­ gentum nur ab dem Zeitpunkt der Anfechtung zurückerwerben. Dies dürfte je­ doch wegen §  91 Abs.  1 InsO nicht möglich sein, der einen Rechtserwerb an Massegegenständen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließt, auch wenn dieser ohne Verfügung des Schuldners geschieht. Hier könnte der An­

194 

MünchKomm-BGB/Gaier, Vorbemerkung zu §  346 – §  354 Rn.  3. auch Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, S.  524 Rn.  13.117, S.  305 Rn.  7.17. 196  Nachweise und kurzer Überblick zum Streit im Zusammenhang mit der Diskussion um §  36 Abs.  2 S.  2 VerglO, der durch §  105 S.  2 InsO ersetzt wurde, bei: Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, S.  524 Rn.  13.117, Fn.  239. 197  Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, S.  524 Rn.  13.117, Fn.  237; Kay­ ser/Thole/Marotzke InsO, §  112 Rn.  22. 198 Uhlenbruck/Hirte/Ede, InsO, §  129 Rn.  50. 199  RGZ 70, 55, 57; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, §  47 Rn.  10; Jaeger/Henckel, InsO, §  47 Rn.  37; Niesert, Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz, S.  93 Rn.  349 f. 195 So

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fechtende lediglich auf die mögliche Genehmigung durch den Insolvenzverwal­ ter nach §  185 Abs.  2 BGB200 hoffen. Ficht auf der anderen Seite der Insolvenzverwalter das dingliche Geschäft an, so müsste der Leistungsgegenstand – bei ex tunc-Wirkung der Anfechtung – rückwirkend in das Vermögen des Insolvenzschuldners fallen. Damit gehört er nach §  35 Abs.  1 Alt.  1 InsO zur Insolvenzmasse. Aber auch ein bei einer ledig­ lich ex nunc wirkenden Anfechtung erfolgter Neuerwerb dürfte nach §  35 Abs.  1 Alt.  2 InsO der Masse zufallen. (3) Zusammenfassung Bei der Kollision einer Anfechtung mit einem beim Anfechtungsgegner bereits eröffneten Insolvenzverfahren zeigen sich sowohl auf der schuldrechtlichen als auch auf der dinglichen Ebene Abweichungen im Vergleich von ex tunc- und hypothetischer ex nunc-Wirkung der Anfechtung. Die schuldrechtliche Ebene wird durch die Rückwirkung erheblich vereinfacht. Bei einer ex nunc-Wirkung wäre der Anfechtende mit seinem Rückgewähranspruch wohl nicht als Insol­ venzgläubiger anzusehen, jedenfalls nicht ohne erheblichen Begründungsauf­ wand. Leichter zu begründen wäre dies hingegen bei Einräumung eines Rück­ trittsrechts, was aufgrund bereits bestehender Streitigkeiten jedoch auch nicht problemlos ist. Auf der dinglichen Ebene zeigen sich wieder erhebliche Abwei­ chungen: Der Anfechtende wird ex tunc Eigentümer oder er erhält sein Eigen­ tum nur bei Genehmigung des Insolvenzverwalters zurück. dd)  Anfechtung und Zwangsvollstreckung Auch das Verhältnis von Anfechtung und Zwangsvollstreckung soll untersucht werden. Als einfacher Beispielsfall soll folgender dienen: Ein Dritter betreibt wegen einer Geldforderung die Zwangsvollstreckung gegen den Käufer. Dabei wird der Kaufgegenstand gepfändet. Dies führt grundsätzlich zur Verstrickung und Belastung mit einem Pfändungspfandrecht nach §  804 Abs.  1 ZPO201. Frag­ lich ist die Beurteilung der Situation, wenn nun angefochten wird. Als zweiter Zeitpunkt ist noch die Anfechtung nach abgeschlossener Zwangsvollstreckung zu betrachten.

200  OLG Düsseldorf, ZIP 1992, 256, 257 (noch zur KO); MünchKomm-InsO/Breuer, §  91 Rn.  69; Jaeger/Windel, InsO, §  91 Rn.  114; Uhlenbruck/Mock, InsO, §  91 Rn.  87. 201  Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, S.  341 ff.; Jauernig/Berger, Zwangsvoll­ streckungs- und Insolvenzrecht, S.  58 Rn.  1, S.  59 Rn.  7.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

(1)  Schuldrechtliche Ebene Bei Anfechtung des schuldrechtlichen Vertrags erlangt der Verkäufer einen An­ spruch auf Herausgabe nach §  812 Abs.  1 S.  1 Var. 1 BGB. Hierbei handelt es sich um einen bloßen Verschaffungsanspruch, der in der Regel kein die Veräu­ ßerung hinderndes Recht im Sinne des §  771 ZPO begründet202. Ein Vorgehen im Wege der Drittwiderspruchsklage ist also nicht erfolgsversprechend. Die Er­ füllung des Anspruchs in natura – Rückübereignung und Besitzverschaffung – wird dem Schuldner wegen der eingetretenen Verstrickung und dem damit ver­ bundenen Veräußerungsverbot nach §§  135, 136 BGB203 nicht möglich sein. Hier kommt also nur noch ein Anspruch auf Wertersatz mit den üblichen mög­ lichen Folgen in Betracht. Gleiches würde sich für den Fall einer ex nunc wir­ kenden Anfechtung ergeben, nur dass hier §  812 Abs.  1 S.  2 Var. 1 BGB ein­ schlägig wäre. Auch für ein mögliches Rücktrittsrecht dürften sich im Ergebnis kaum Abweichungen ergeben. (2)  Dingliche Ebene Wird das dingliche Geschäft angefochten, so wird der übereignende Verkäufer rückwirkend wieder Eigentümer des Kaufgegenstands. Die Pfändung bezog sich dann also auf eine schuldnerfremde Sache. Gemäß §  808 Abs.  1 ZPO reicht es jedoch für die Pfändung aus, dass sich die Sache im Gewahrsam des Schuld­ ners befand. Der Gerichtsvollzieher muss das Eigentum nicht prüfen und so ist auch eine Pfändung an schuldnerfremden Sachen grundsätzlich wirksam 204. Ob ein Pfändungspfandrecht entsteht, richtet sich nach der Beurteilung der Rechts­ natur desselben. Nach der wohl herrschenden 205 „gemischt-privatrechtlich-­ öffentlich-rechtlichen Theorie“ ist für das Entstehen eines Pfändungspfandrechts erforderlich, dass es sich nicht um eine schuldnerfremde Sache handelt206. Es wäre also hier durch den rückwirkenden Eigentumsrückfall nicht entstanden. Eine Verwertung der Sache wäre trotzdem möglich, da hierfür nach dieser The­ orie die Verstrickung ausreicht207. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie, ist Eigentum des Schuldners keine Voraussetzung für das Entstehen eines Pfän­ 202  MünchKomm-ZPO/K. Schmidt/Brinkmann, §  771 Rn.  39; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Handke, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, ZPO, §  771 Rn.  24. 203  MünchKomm-ZPO/Gruber, §  803 Rn.  53 ff.; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Kindl, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, ZPO, §  803 Rn.  7; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungs­ recht, S.  341. 204  BGHZ 80, 296, 298 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, §  808 Rn.  1 f. 205  So beispielsweise: Musielak/Voit/Becker, ZPO, §  804 Rn.  2 m. w. N. 206  Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Kindl, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, ZPO, §  804 Rn.  2; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, S.  347. 207  RGZ 156, 395, 397 ff.; MünchKomm-ZPO/Gruber, §  804 Rn.  7; Musielak/Voit/Becker, ZPO, §  804 Rn.  2.

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dungspfandrechts, welches die Grundlage für die Verwertung darstellt208. Der Verkäufer müsste in beiden Fällen sein Recht im Wege einer Drittwider­ spruchsklage nach §  771 ZPO geltend machen. Hierfür besteht grundsätzlich vom Vollstreckungsakt bis zur vollständigen Beendigung der Zwangsvollstre­ ckung ein Rechtsschutzbedürfnis209. Dies bedeutet, dass eine Drittwider­ spruchsklage bei Anfechtung des dinglichen Geschäfts nach Abschluss der Zwangsvollstreckung, also Auskehr des Erlöses, unzulässig wäre. Zwar würde das Eigentum grundsätzlich auch hier rückwirkend an den Anfechtenden zu­ rückfallen, jedoch ist es schon kraft Hoheitsakt mit der Ablieferung wirksam auf einen Ersteigerer übergegangen, unabhängig davon, ob er von dem man­ gelnden Eigentum beziehungsweise der Anfechtbarkeit des dinglichen Ge­ schäfts wusste210. In diesem Fall sind nur noch Ersatzansprüche gegen Ersteige­ rer, Gläubiger und Schuldner in Betracht zu ziehen. In der Regel bestehen nur Bereicherungsansprüche aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB gegen den Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung betrieben hat211. Weitere Ansprüche sind im Ein­ zelfall möglich 212. Würde die nach der Pfändung aber vor der Verwertung vorgenommene An­ fechtung nur ex nunc wirken, wäre schon keine schuldnerfremde Sache gepfän­ det worden. Das Eigentum würde theoretisch erst nach der Pfändung zurückfal­ len. Fraglich ist, ob auch dies vom wegen der Verstrickung gemäß §§  135, 136 BGB bestehenden 213 Verfügungsverbot erfasst wäre. Hier handelt es sich jedoch nicht um eine Verfügung des Schuldners. Da selbst bei Verfügungen des Schuld­ ners ein gutgläubiger Erwerb möglich wäre, müsste ein Erwerb durch Anfech­ tung des Vertragspartners – zumindest soweit er nichts von der Pfändung weiß – auch möglich sein. Er könnte dann auch hier im Rahmen der Drittwider­ spruchsklage vorgehen. Diese müsste auch während des Vollstreckungsvor­ gangs erworbene die Veräußerung hindernde Rechte erfassen. Wird die Anfechtung erst nach Verwertung vorgenommen, kann auch das Eigentum nicht mehr ex nunc an den Anfechtenden zurückfallen, da es beim 208  MünchKomm-ZPO/Gruber, §  804 Rn.  5; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und In­ solvenzrecht, S.  60. 209  Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Handke, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, ZPO, §  771 Rn.  15; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, §  771 Rn.  9. 210  BGHZ 55, 20, 25; MünchKomm-ZPO/Gruber, §  817 Rn.  12, 16; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, S.  366 f.; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenz­ recht, S.  71. 211  Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, S.  371 f.; Lackmann, Zwangsvollstre­ ckungsrecht, S.  223 f. Rn.  643. 212  S. Überblick bei Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, S.  223 ff. Rn.  6 43 ff. 213  MünchKomm-ZPO/Gruber, §  803 Rn.  53 ff.; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Kindl, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, ZPO, §  803 Rn.  7; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungs­ recht, S.  341.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Anfechtungsgegner nicht mehr vorhanden ist. Es ist im Wege eines staatlichen Hoheitsaktes auf den Ersteigerer übergegangen 214. Auf Eigentumsverletzung basierende Ersatzansprüche scheiden hier somit aus. Insbesondere ein Anspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Var. 2 BGB kommt nicht in Betracht, da mangels Eigentum kein Eingriff in die Rechte des Verkäufers vorliegt. (3) Zusammenfassung Es bleibt festzuhalten, dass sich relevante Unterschiede wiederum nur auf der dinglichen Ebene zeigen. Wirkt die Anfechtung ex tunc, kommen bei abge­ schlossener Zwangsvollstreckung Ansprüche wegen Verletzung beziehungs­ weise Eingriff in das Eigentum in Betracht. Bei einer ex nunc-Wirkung würden diese nicht bestehen. ee)  Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen Als letzter Sonderfall soll die Gruppe der Fälle betrachtet werden, die hier unter dem Begriff „Abwicklungsschwierigkeiten“ zusammengefasst werden. Damit sind insbesondere Dauerschuldverhältnisse gemeint. Diese Fallgruppe unter­ scheidet sich von den vorangegangenen Konstellationen. Es ist nicht ein be­ stimmtes Ereignis zwischen Vertragsabschluss und Anfechtung, das Probleme bei der Rückabwicklung verursacht, sondern die hier beispielsweise im Gegen­ satz zu einem Kaufvertrag für eine längere Zeitspanne vorhandenen wiederkeh­ renden Rechte und Pflichten 215. In diesen Fällen wird die Rückwirkung der An­ fechtung häufig eingeschränkt216. Vor allem im Bereich des Gesellschaftsrechts ist die Anfechtung einzelner Verträge von der Rechtsprechung nur mit ex nunc-Wirkung anerkannt wor­ den 217. Eine Anfechtung des Gesellschaftsvertrags einer offenen Handelsgesell­ schaft oder Kommanditgesellschaft wurde beispielsweise als nicht praktikabel und „mit den Bedürfnissen eines geordneten Handels- und Geschäftsverkehrs schlechthin unvereinbar“218 zunächst ganz ausgeschlossen. Auch eine rückwir­ kende Anfechtung folgender Verträge ist nicht möglich: Der Beitritt zu einer 214  BGHZ 55, 20, 25; MünchKomm-ZPO/Gruber, §  817 Rn.  12, 16; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, S.  366 f.; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenz­ recht, S.  71. 215  Zum Begriff des Dauerschuldverhältnisses siehe beispielsweise: BT-Drucks. 14/6040, S.  176 f.; Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, S.  8 f. Rn.  4. 216  Überblick zur Thematik bei MünchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  17 ff.; Staudinger/Roth, BGB I, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  32 ff. 217  Siehe beispielsweise: BGHZ 13, 320 ff.; 55, 5 ff.; BGH MDR 1975, 736. 218  RGZ 165, 193, 204, 206 f., das statt der Anfechtung auf eine Auflösung nach §  133 HGB verweist.

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Kommanditgesellschaft219, BGB-Gesellschaft220 oder Genossenschaft221. Ab­ tretung und Kauf von GmbH-Anteilen können jedoch wegen §  16 GmbHG mit ex tunc-Wirkung angefochten werden 222. Im Vordergrund der Überlegungen zum Ausschluss der Rückwirkung steht der Schutz des Verkehrs223. Die ge­ nannten Grundsätze werden jedoch dann wieder eingeschränkt, wenn gewichti­ ge Interessen der Allgemeinheit oder Einzelner dies verlangen 224, beispielswei­ se bei einem Gesetzesverstoß, einer besonders groben Sittenwidrigkeit oder in besonderen Fällen der arglistigen Täuschung oder Drohung225. Auch bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen soll zumindest die Anfech­ tung wegen Irrtums lediglich für die Zukunft wirken 226, genauso wie die An­ fechtung einzelner rechtsgeschäftlicher Erklärungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer227. Auch hier finden sich jedoch kritische Stimmen, vor allem in der Literatur. Die Rückabwicklung sei zwar unpraktisch, jedoch nicht unmög­ lich. Zwar müssten die synallagmatischen Verknüpfungen berücksichtigt wer­ den, jedoch würden sich die Wertersatzansprüche im Regelfall decken 228. Zu­ dem wird auch hier eine Rückausnahme gemacht. Während früher auch bei Täuschung oder Drohung eine bloße ex nunc-Wirkung der Anfechtung für in Vollzug gesetzte Arbeitsverhältnisse angenommen wurde229, hat das Bundesar­ beitsgericht in neuerer Zeit in diesen Fällen wieder eine ganz normale ex tunc-Wirkung der Anfechtung – zumindest auf den Zeitpunkt der Außerfunkti­ onssetzung des Arbeitsverhältnisses – angenommen und dies zum Teil auch damit begründet, dass der Täuschende keinen Schutz verdiene230. Teilweise wird sogar eine generelle Rückwirkung vertreten 231. Auch für das Gesellschafts­ recht werden – wie bereits angesprochen – Rückausnahmen von der ausnahms­ 219 

BGH NJW 1973, 1604. BGHZ 183, 112, Rn.  49; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 1321, 1322 f. 221  BGH DB 1976, 861 f. 222  BGH NJW 1990, 1915 (1916); BGH NJW-RR 1998, 1406; MünchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  19; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  32. 223  BGHZ 3, 285, 287 f.; BGHZ 13, 320, 323 f. 224  BGHZ 3, 285, 288; 13, 320, 322 f.; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  33 m. w. N. 225  BGHZ 13, 320, 323; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  33 m. w. N. 226  BAGE 5, 159, 161; 51, 167, 176; MünchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  18; Staudinger/Roth, BGB I, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  34 f. 227  BAG NJW 1960, 1734 (1734 f.); MünchKomm-BGB/Busche, §  142 Rn.  18. 228  So HKK-BGB I/Schermaier, §  142, S.  814, Fn.  108; ähnlich: Molitor, Die Kündigung, S.  23 ff. 229  BAG NJW 1958, 516; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  34. 230  BAGE 90, 251, 255 ff.; 51, 167, 177. 231  Für Arbeitsverträge: Brox, Anmerkung zu BAG, Urt. v. 16.09.1982 – 2 AZR 228/80, in: AP Nr.  24 zu §  123 BGB, Bl. 1243 ff.; Ramm AuR 1963, 97, 106 f.; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  147; Picker, ZfA 1981, 1 (53 ff., 57 ff.) m. w. N. 220 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

weisen ex nunc-Wirkung der Anfechtung in den besonderen Fällen der arglisti­ gen Täuschung oder Drohung vertreten 232. Hinzu kommt, dass andere Dauerschuldverhältnisse wie Miet- oder Pacht­ verträge von der Rechtsprechung zur ausnahmsweisen ex nunc-Wirkung der Anfechtung zum Teil nicht erfasst sind233. Ihre Behandlung ist umstritten 234, so dass sich ein allgemeiner Grundsatz für Dauerschuldverhältnisse nicht herleiten lässt. Festzuhalten ist also, dass in der Rechtsprechung zahlreiche Einzelentschei­ dungen zu finden sind. Auch die jeweils zugrundeliegenden Erwägungen sind nicht einheitlich. Verallgemeinernde Grundsätze können daraus kaum gezogen werden. Eine reine ex nunc-Wirkung der Anfechtung würde sich also teilweise mit den schon jetzt erzielten Ergebnissen decken und zwar – hier läge ein Vor­ teil – ohne eine Ausnahme von der generellen Wirkung der Anfechtung machen zu müssen. Die geschilderten Rückausnahmen wären dennoch als Ausnahmen zu diskutieren. Insbesondere der Fall der arglistigen Täuschung könnte dafür Anlass geben, wie sich im Rahmen der folgenden Abwägung zeigen wird. Das Problem wäre also lediglich um eine Ausnahmen-Ebene verlagert. Aus demsel­ ben Grund wäre jedoch der Systemkohärenz insgesamt besser gedient als mit der bestehenden Regelung. Zwar wären weiterhin Ausnahmen erforderlich, je­ doch entfielen die Rückausnahmen. ff) Zusammenfassung Die vorgehende Untersuchung kann keine abschließende Untersuchung im Hinblick auf eine Gegenüberstellung von ex tunc- oder ex nunc-Wirkung der Anfechtung sein. Anhand einfacher Beispielsfälle wurden lediglich die wesent­ lichen Unterschiede herausgestellt. Unzählige weitere problematische Konstel­ lationen mögen denkbar sein. Es soll dennoch, anhand der erarbeiteten Ergeb­ nisse eine Analyse dahingehend versucht werden, ob die Rückwirkung der An­ fechtung eine nach den aufgestellten Kriterien in der Tendenz zweckmäßigere Lösung darstellt oder nicht. Im Hinblick auf die erarbeiteten Ergebnisse zur Frage der Zweckmäßigkeit kann zusammenfassend folgendes festgehalten werden: In den begutachteten Fallgruppen der gestörten Rückabwicklung und der Zwischenverfügung an ei­ 232  BGHZ 13, 320, 323; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichten­ den Rechtsgeschäfts, S.  147; zu den Rückausnahmen bei arglistiger Täuschung und Drohung: Küb­ ler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S.  397 m. w. N. 233  BGHZ 178, 16, 27; KG, MDR 1967, 404; LG Trier, MDR 1990, 342; MünchKomm-BGB/ Busche, §  142 Rn.  20; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  36 m. w. N.; a. A.:LG Nürn­ berg-Fürth, MDR 1966, 1003, 1003 f.; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, S.  237. 234  Kurzer Überblick über den Streitstand beispielsweise bei: BGHZ 178, 16, 24 ff.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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nen Dritten ergeben sich Unterschiede nur in Bezug auf die dingliche Seite. Hier stehen bei zurückwirkender Anfechtung weitere sachenrechtliche Anspruchs­ grundlagen zur Verfügung. Im Fall der Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts ergeben sich jedoch keine Unterschiede. Bei der Anfechtung nach bürgerlichem Recht während eines laufenden Insolvenzverfahrens zeigen sich sowohl auf schuldrechtlicher als auch auf dinglicher Ebene Abweichungen, während bei der Kollision mit einer Zwangsvollstreckung wieder nur die dingliche Ebene rele­ vant betroffen ist. Bei den Fällen der „Abwicklungsschwierigkeiten“ zeigt sich ohnehin ein unübersichtliches und von Ausnahmen und Rückausnahmen ge­ prägtes Bild, das durch eine generelle ex nunc-Wirkung der Anfechtung wahr­ scheinlich nur geringfügig geändert würde. 4.  Abwägung Es wurde zunächst gezeigt, dass die Rückwirkung der Anfechtung der Wieder­ herstellung der „materialen Privatautonomie“ dient. Bei der Untersuchung der Zweckmäßigkeit zeigte sich, dass eine ex nunc-Wirkung in den meisten Fällen lediglich auf der dinglichen Ebene zu nennenswerten Unterschieden führen würde. Fraglich ist nun, ob die Herstellung „materialer Privatautonomie“ und die Ergebnisse der Zweckmäßigkeitserwägungen als Argumente für den Einsatz der Rückwirkung überwiegen. Für die hierzu vorzunehmende Abwägung soll aufgrund des unterschiedlichen Grades der Betroffenheit der Privatautonomie wiederum zwischen den verschiedenen Anfechtungsgründen getrennt werden. a)  Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung gemäß §  123 Abs.  1 BGB Im Fall der Täuschung beziehungsweise der Drohung ist die Lage schon im Ausgangspunkt anders, als im Falle eines Irrtums. In beiden Fällen des §  123 Abs.  1 BGB führt, wie gesehen, eine unsachgemäße Beeinflussung von außen zur Zurückdrängung der Selbstbestimmung und damit zu einer vorherrschen­ den Fremdbestimmung235. Diese Verletzung der Privatautonomie wiegt im Ver­ gleich zum selbstverursachten Irrtum also weitaus schwerer. Fraglich ist, ob dadurch von vornherein eine andere Wertung auszuschließen ist, oder ob eine solche durch Gründe der Zweckmäßigkeit gerechtfertigt werden könnte. Vieles spricht dafür, dass in dem Fall einer unsachgemäßen Beeinflussung von außen die vom Gesetzgeber durch die Rückwirkung getroffene Wertent­ scheidung nicht abgeändert werden darf und sollte. Schon die Unterscheidung im Gesetz zwischen Irrtumsanfechtung einerseits und Anfechtung wegen Täu­ schung oder Drohung andererseits, die sich vor allem in unterschiedlich langen 235 

S. Vierter Teil, §  5 I. 2. b) aa), S.  46 ff.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Anfechtungsfristen – unverzüglich bei Anfechtung wegen Irrtums, §  121 Abs.  1 BGB, und ein Jahr ab Drohung oder ab Kenntnis von der Täuschung, §  124 Abs.  1 und 2 BGB – auswirkt, legt dies nahe. Auch hat der Täuschende oder Drohende keinen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nach §  122 BGB. Des Weiteren nimmt die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung in zahl­ reichen anderen Fällen eine Sonderstellung gegenüber der Anfechtung wegen Irrtums ein und dem Bedrohten oder Getäuschten kommt ein besonderer Schutz zugute. Ein besonderer Schutz des nach §  123 Abs.  1 BGB Anfechtungsberech­ tigten ist zunächst bei der Frage des Durchschlagens der Anfechtung des Ver­ pflichtungsgeschäfts auf das Erfüllungsgeschäft gegeben. In der Regel bewirkt die Anfechtung aufgrund des Abstraktionsprinzips nur das Erlöschen der auf das schuldrechtliche Geschäft bezogenen Willenserklärung236. Nur ausnahmsweise, in Fällen sogenannter Fehleridentität, erstreckt sich die Anfechtungserklärung auch auf das dingliche Geschäft237. Diese liegt zumeist bei Täuschung oder Dro­ hung vor, da beide im Zeitpunkt der Vornahme des dinglichen Geschäfts noch fortwirken und der Täuschende beziehungsweise Drohende den von ihm er­ wünschten Erfolg erst mit Erfüllung erreicht238. Hier liegt der Gedanke zugrun­ de, dass das Geschäft auf Seiten des Bedrohten oder Getäuschten an einem „be­ sonders schwerwiegenden Mangel in der Selbstverantwortlichkeit der dinglichen Entscheidung“239 leidet und der Täuschende oder Drohende im Gegenzug auf­ grund seiner unsachgemäßen Einwirkung weniger schutzwürdig ist240. Des Weiteren wird eine Anfechtung aus dem Grund des §  123 Abs.  1 BGB nicht durch die Einschlägigkeit der Vorschriften über das Mängelgewährleis­ tungsrecht ausgeschlossen 241. Eine Anfechtung nach §  119 Abs.  2 BGB wegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache hingegen wäre durch Gewährleistungsrecht ausgeschlossen 242. Auch hier ist eine Sonder­ behandlung des Getäuschten wegen des besonders groben Eingriffs in seine Willensbildung zu sehen. 236 Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  21; BeckOK BGB/Wendtland, §  142 Rn.  7. 237 Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2015, §  142 Rn.  22; BeckOK BGB/Wendtland, §  142 Rn.  7. 238 Staudinger/Roth, Neubearb. 2015, BGB I, §  142 Rn.  22; Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (404 ff.); Weimar, JR 1971, 64. 239  Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (405 f.). 240  Grigoleit, AcP 199 (1999), 379 (405 f.). 241  BGH NJW 2009, 1266, 1268 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, §  123 Rn.  29; Staudinger/Singer/ von Finckenstein, BGB, Neubearb. 2017, §  123 Rn.  103; MünchKomm-BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  89; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S.  439 Rn.  897; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  41 Rn.  120, S.  500. 242  MünchKomm-BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  89, §  119 Rn.  29; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, §  24, 3a, S.  484; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S.  338 Rn.  775.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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Ein weiteres Argument für die Notwendigkeit der ex tunc-Wirkung der An­ fechtung im Falle des §  123 Abs.  1 BGB lässt sich den Diskussionen um die Einschränkung der ex tunc-Wirkung bei der Anfechtung von Dauerschuldver­ hältnissen entnehmen. Wie dargestellt werden hier Ausnahmen insbesondere für in Vollzug gesetzte Arbeits- und Gesellschaftsverträge gemacht243. Die An­ fechtung soll hier nur für die Zukunft wirken 244. Eine Rückausnahme davon wird jedoch zum Teil bei der Anfechtung wegen §  123 Abs.  1 BGB gemacht. Das Bundesarbeitsgericht begründet eine ex tunc-Wirkung der Anfechtung – zumindest auf den Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung des Arbeitsverhältnis­ ses – jedenfalls auch mit der mangelnden Schutzwürdigkeit des Täuschenden 245. Vor allem in der Literatur wird sogar eine generelle Rückwirkung vertreten 246. Aus alldem lässt sich der Grundgedanke entnehmen, dass der Getäuschte oder Bedrohte besonders schutzwürdig ist und umgekehrt der Täuschende oder Drohende nicht zu Lasten des anderen begünstigt werden darf. Ein adäquates Mittel, der Selbstbestimmung des Getäuschten oder Bedrohten wieder zur Gel­ tung zu verhelfen, ist dabei die Annahme einer ex tunc-Wirkung der Anfech­ tung. Dies sogar in Fällen, in denen man eigentlich erst einmal überwiegende Gründe für eine ausnahmsweise ex nunc-Wirkung sah. Im Ergebnis kann aufgrund obiger Ausführungen der Schluss gezogen wer­ den, dass eine Täuschung oder Drohung eine derart starke Beeinflussung des Willensbildungsprozesses darstellt, dass dort, wo die Anfechtung wegen Irr­ tums eingeschränkt wird, die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung aus überwiegenden Schutzgründen mit ex tunc-Wirkung erhalten bleiben muss. So­ mit können auch Überlegungen zur Abkehr von der die Selbstbestimmung nachträglich wiederherstellenden Rückwirkung der Anfechtung durch Zweck­ mäßigkeitserwägungen nicht gerechtfertigt werden. Zur Wiederherstellung der Privatautonomie muss im Falle der die Selbstbestimmung besonders stark be­ einflussenden Täuschung oder Drohung die Rückwirkung der Anfechtung er­ halten bleiben. Dies steht im Einklang mit den Wertungen des BGB und der Rechtsprechung.

243 

S. Vierter Teil, §  5 I. 3. b) ee), S.  72 ff. Wie die andere Auffassung, Anfechtungsgründe könnten nur durch Kündigung geltend ge­ macht werden (beispielsweise RGZ 165, 193, 206), zu bewerten ist, ist für die vorliegende Unter­ suchung nicht weiter relevant. Auch bei dieser Auffassung wird eine Auflösung mit ex nunc-Wir­ kung vorgenommen. 245  BAGE 90, 251, 255 ff.; 51, 167, 177. 246  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  147; Die Anfechtung von Arbeitsverträgen, Ramm, AuR 1963, 97 (106 f.) m. w. N.; Brox, Anmer­ kung zu BAG, Urt. v. 16.09.1982 – 2 AZR 228/80, in: AP Nr.  24 zu §  123 BGB, Bl. 1243 ff.; Picker, ZfA 1981, 1 (53 ff., 57 ff.) m. w. N. 244 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

b)  Anfechtung wegen Irrtums aa)  Wirkung ex tunc oder ex nunc Eine andere Beurteilung könnte sich jedoch bezüglich der Anfechtung wegen Irrtums ergeben. Die Lage bei der Anfechtung wegen Irrtums unterscheidet sich insofern von der Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung, als der Man­ gel in der Willensbildung in der Regel nicht auf einen unsachgemäßen Einfluss eines Dritten zurückzuführen ist. Der Irrende hat seinen Fehler hier nur auf sich selbst zurückzuführen. Wegen dieses fehlenden Einflusses von außen, kann die Beeinträchtigung der Privatautonomie bei der Abgabe der Erklärung als weni­ ger stark angesehen werden als im Fall der Drohung oder Täuschung. Das Prin­ zip der Privatautonomie ist also lediglich in einer viel schwächeren Form beein­ trächtigt. Die Rückwirkung hingegen hat gegenüber einer Regelung mit Wir­ kung für die Zukunft – wie gesehen – nur wenig praktische Vorteile. Es stellt sich also die Frage, ob die Durchsetzung des hier ohnehin nur schwach beein­ trächtigten Prinzips der Privatautonomie durch die Rückwirkung der Anfech­ tung aufgrund der oben herausgearbeiteten praktischen Unterschiede im Ver­ gleich zu einer ex nunc-Wirkung notwendig ist, oder ob nicht vielmehr das Prin­ zip der Zweckmäßigkeit hier überwiegt. Ein wichtiger Aspekt für die Abwägung ist, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Anfechtung davon ausging, dass diese in der Regel vor Vollzug des Vertrages stattfinden würde247. Es liegt nahe, dass bei dieser Grundauffas­ sung nicht weitergehend geprüft werden musste, welche Probleme sich bei einer nach Vollzug notwendigen Rückabwicklung ergeben würden. Deutlich wird diese Problematik beispielsweise bei der Anfechtung von in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen. Die aktuell geltenden Prinzipien wurden von der Rechtsprechung anhand von Einzelfällen als Ausnahmen von der Rückwirkung der Anfechtung herausgearbeitet, wieder eingeschränkt oder verändert und er­ weitert. Ihnen liegen zudem unterschiedliche Argumentationen zu Grunde. Ein einheitlicher Grundsatz hat sich bisher nicht herausgebildet. Die generelle An­ ordnung einer ex nunc-Wirkung wäre bezüglich der Anfechtung wegen Irrtums insofern hilfreich, als sie alle Dauerschuldverhältnisse gleich behandeln und die jetzigen Ausnahmen überflüssig machen würde. Zumindest betreffend der An­ fechtung wegen arglistiger Täuschung müsste man jedoch bei der oben festge­ stellten Wertung bleiben und weiterhin eine ex tunc-Wirkung annehmen. Im Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägungen ergab sich der wichtigste Un­ terschied in den untersuchten Fällen bezüglich der Alternativen ex tunc- oder ex nunc-Wirkung mit jeweiliger bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung bei der 247 

Protokolle I, S.  107.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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Anfechtung des dinglichen Geschäfts. Hier würden bei einer Rückwirkung der Anfechtung weitere, sachenrechtliche Ansprüche zur Verfügung stehen. Bei der Kollision mit einem Insolvenzverfahren wäre eine günstigere Rechtsposition auch auf der schuldrechtlichen Ebene gegeben. Dieser Aspekt würde neben dem grundlegenden Prinzip der nachträglichen vollständigen Wiederherstellung der Privatautonomie also für eine Rückwirkung sprechen. Die zusätzlichen mögli­ chen Anspruchsgrundlagen bei Anfechtung des dinglichen Geschäfts allein vermögen jedoch den Einsatz der Rückwirkung nicht zu rechtfertigen. In den problematischen Fällen geht es immer um die Situation bereits ausgetauschter Leistungen. Das würde bedeuten, dass der Irrende trotz des Irrtums geleistet hat und die Gegenleistung angenommen hat. Selbst wenn er den Irrtum in diesem Moment noch nicht bemerkt haben sollte, besteht keine Notwendigkeit, ihm zu­ sätzliche sachenrechtliche Ansprüche zuzuerkennen. Er allein hätte den Irrtum bemerken können. Somit ist er nicht etwa besonders schutzwürdig. Zudem hat eine ex nunc-Wirkung gegenüber der ex tunc-Wirkung den Vor­ zug der gedanklichen und sprachlichen Einfachheit. Unter diesem Aspekt wäre also für die Fälle des Irrtums eine Lösung mit ex nunc-Wirkung zu bevorzugen. Diese Lösung hätte auch nicht die völlige Missachtung der Privatautonomie zur Folge. Denn obwohl sie nicht vollständig – also von Anfang an – hergestellt wird, bekommt der Irrende doch die Möglichkeit, sich von seiner nicht gewoll­ ten Erklärung zu lösen. Eine ex nunc-Wirkung für die Fälle der Irrtumsanfech­ tung scheint also zunächst zumindest vertretbar. bb)  Anfechtung ex nunc oder Rücktrittsrecht Zu beachten ist, dass durch bloße Anordnung einer ex nunc-Wirkung der An­ fechtung neben den erwähnten Vereinfachungen in der Gesetzestechnik und -anwendung inhaltlich keine Vorteile gewonnen würden. Betrachtet man die dingliche Ebene, so ist eher das Gegenteil der Fall. Anders zu beurteilen wäre dies jedoch bei der zusätzlich angesprochenen Möglichkeit der Einräumung ei­ nes Rücktrittsrechts oder analogen Anwendung der §§  346 ff. BGB. Die Unter­ schiede zur Abwicklung über Bereicherungsrecht sind, wie gesehen, im Ergeb­ nis gering. So könnte man auf die für die Rückabwicklung gegenseitiger Verträ­ ge nach Bereicherungsrecht entwickelte Saldotheorie verzichten. An dieser werden vor allem die zahlreichen Ausnahmen von ihrer Anwen­ dung kritisiert. Diese sind notwendig, weil die Saldotheorie den Grund der Nichtigkeit des Geschäfts nicht beachtet und so vor allem dem Minderjährigen­ schutz nicht hinreichend Rechnung trägt248. Insbesondere auch die Ausnahme 248  Medicus/Lorenz, Schuldrecht BT II, Rn.  1187; Braun, JuS 1981, 813 (816); Honsell, MDR 1970, 717 (718); Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Verträge, S.  163 f.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

zu Gunsten des arglistig Getäuschten wird als nicht mit den Gedanken der Saldotheorie erklärbar kritisiert: Wenn von vornherein nur eine Differenz ge­ schuldet werde, so sei auch der Täuschende nicht um mehr bereichert249. Auch wurde diese Ausnahme als reine Strafe für den Täuschenden kritisiert, was dem Zivilrecht fremd sei250. Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass die Saldotheorie in Fällen der Vorleistung nicht von Nutzen ist251. Wäre also im gedachten Fall des angefoch­ tenen Kaufvertrages die Kaufsache bereits übereignet, der Kaufpreis aber noch nicht gezahlt worden, bestünde kein Rückabwicklungsanspruch des Käufers gegen den Verkäufer. Letzterer könnte grundsätzlich die Kaufsache herausver­ langen, wobei der Käufer jedoch hier den Einwand der Entreicherung ohne wei­ teres vorbringen könnte. Diese Situation würde also im Ergebnis einen erhebli­ chen Unterschied gegenüber der Situation bedeuten, in der beide Leistungen bereits ausgetauscht sind, ohne dass ein Grund zu einer solch unterschiedlichen Behandlung ersichtlich wäre252. Insbesondere übernimmt man mit einer Vor­ leistung zwar das Risiko der Insolvenz des Vertragspartners, nicht jedoch das Risiko einer zufälligen Verschlechterung oder des Untergangs der Sache253. Dies ist nur ein Auszug der Kritik, der die Saldotheorie ausgesetzt war und ist254. Die modifizierte Zweikondiktionenlehre wird in der Praxis nicht ange­ wandt255, weshalb sie als Vergleichsfall und Argument bezüglich der Anwen­ dungsleichtigkeit nicht in Betracht kommt. Die von der Praxis angewandte Saldotheorie erscheint jedoch aufgrund der umfassenden Kritik nicht einwand­ 249 

Flume, NJW 1970, 1161; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  137 f. BGB, Neubearb. 2007, §  818 Rn.  42, S.  340; Honsell, MDR 1970, 717 (720); Honsell, NJW 1973, 350 (351); Wieling, JuS 1973, 397 (401); a. A.: Pawlowski, Rechtsge­ schäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S.  51. 251 Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  818 Rn.  42; MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  230; Braun, JuS 1981, 813 (816); Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung, S.  319; Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Aus­ tauschverträge, S.  167; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S.  124; Rengier, AcP 177 (1977), 418 (441 f.). 252  MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  230; Honsell, MDR 1070, 717 (718); Kohler, Die ge­ störte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S.  167; Reeb, Grundprobleme des Berei­ cherungsrechts, S.  124; Rengier, AcP 177 (1977), 418 (441 f.); a. A. beispielsweise Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  188 f.; Leser, Von der Saldotheorie zum faktischen Synallagma, S.  58 ff. 253  MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  230; Canaris, in: FS Lorenz, S.  19 (23); Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, S.  167. 254 Weiter dazu beispielsweise: Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  818 Rn. 41 ff.; MünchKomm-BGB/Schwab, §  818 Rn.  220 ff.; Flume, NJW 1970, 1161 ff.; Diesselhorst, Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle verfolgt an der Rechtsprechung zur Saldotheorie, S.  50 ff., Zusammenfassung S.  200 f.; Honsell, MDR 1970, 717 f.; Kaiser, Die Rückabwicklung ge­ genseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung nach BGB, S.  318 ff.; Linke, Die Rück­ abwicklung gescheiterter gegenseitiger Verträge, S.  29 ff. 255  Herrschend ist die Saldotheorie, vgl. Palandt/Sprau, BGB, §  818 Rn.  47 f. 250 Staudinger/Lorenz,

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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frei geeignet, um eine Angleichung an das Rücktrittsrecht zu erreichen. Es wäre also vom Standpunkt der Einfachheit und Klarheit aus gesehen naheliegender, für den Fall, dass man eine ex nunc-Wirkung befürwortet, zur Rückabwicklung auf die §§  346 ff. zurückzugreifen. Dem steht auch nicht direkt entgegen, dass die analoge Anwendung der Regeln über den Rücktritt auf das Bereicherungs­ recht zu weiteren Streifragen und eventuellen Rückausnahmen führen würde256. Diese Kritikpunkte betreffen die Saldotheorie ebenfalls und eine Anwendung der §§  346 ff. BGB hätte ihr gegenüber zumindest den Vorteil der Einheitlich­ keit in Bezug auf die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge. Würde man somit eine Rückabwicklung über Rücktrittsrecht befürworten, dürfte dennoch für die Fälle der Anfechtung die besondere Wertung des §  122 BGB nicht übergangen werden. Hier wird dem Anfechtenden eine verschul­ densunabhängige Haftung auf den Vetrauensschaden begrenzt durch das Erfül­ lungsinteresse auferlegt. Es ist weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit erforderlich. Die Haftung ergibt sich nach allgemeiner Ansicht allein daraus, dass der Man­ gel der Erklärung aus dem Risikobereich des Anfechtenden stammt257. Eine sol­ che Haftung ist im Rücktrittsrecht nicht vorgesehen. Zwar können vertragliche Schadensersatzansprüche gemäß §  325 BGB trotz des Rücktritts geltend ge­ macht werden. Jedoch ist dafür im Gegensatz zu §  122 BGB ein Verschulden gemäß §§  280 Abs.  1 S.  2, 276 BGB erforderlich. Diese Wertung des §  122 BGB, die Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Anfechtenden, wird zum Teil als „Preis“ für die Mög­ lichkeit der Anfechtung einer zunächst gültigen Erklärung gesehen 258. Diese Wertung erscheint sinnvoll, denn der Erklärungsempfänger kann den Irrtum nicht beherrschen. Er nimmt die Erklärung so wahr, wie sie abgegeben wurde und vertraut auf diese. Eine reine Anfechtungsmöglichkeit für den Irrenden ohne Haftung erscheint unbillig. Es ist ein „Ausgleich“ auf Seiten des Erklä­ rungsempfängers erforderlich, um die widerstreitenden Interessen zwischen Vernichtung und Bestand des Vertrages anzunähern 259. Diese wichtige Wer­ tung müsste also auch bei einer Rückabwicklung über Rücktrittsrecht berück­ sichtigt werden.

256 

S. Vierter Teil, §  5 I. 3. b) aa) (1) (c), S.  58 ff. beispielsweise: Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  535; Oertmann, Das Recht 1922, Sp.  5 (11); Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  375; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (437); Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, S.  189; Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  544 m. w. N. 258  Jahr, JuS 1989, 249 (254); Lange, JJ 89 (1941), S.  277 (341 f.). 259  Levy, JW 1922, 1313; Locher, AcP 121 (1923), 1 (110 f.). 257 Siehe

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

cc)  Einseitige Rechtsgeschäfte Die bisherigen Ausführungen zur Anfechtung erfassen nur gegenseitige Verträ­ ge. Es können jedoch auch einseitige Rechtsgeschäfte, beispielsweise ein Testa­ ment oder die Ausübung eines Gestaltungsrechts, angefochten werden. Hier besteht der Unterschied zu obigen Fällen darin, dass keine gegenseitigen Ver­ pflichtungen bestanden, die vielleicht schon erfüllt worden sind, und somit kei­ ne Rückabwicklung im obigen Sinne erforderlich ist. Man müsste sich dann auch hier die Frage stellen, ob die Anfechtung solch einseitiger Erklärungen ex tunc oder ex nunc wirken sollte. Insbesondere bei der Anfechtung eines Gestal­ tungsrechts können Dritte in erheblichem Maße betroffen sein 260. Problematisch kann hier beispielsweise das Ingangsetzen von Fristen sein. Wird eine Frist zunächst durch eine Erklärung in Gang gesetzt, dann die Erklä­ rung angefochten und zuletzt wieder die Anfechtung angefochten, kann bei Rückwirkung der Anfechtung der Fall auftreten, dass eine Frist abgelaufen ist, bevor der von ihr Betroffene überhaupt weiß, dass sie in Gang gesetzt wurde. Dieses Ergebnis erscheint unbillig. Daher nimmt man allgemein an, dass Fristen grundsätzlich nicht rückwirkend in Gang gesetzt werden können 261. Problema­ tisch ist auch der Fall, dass eine durch Bürgschaft eines Dritten gesicherte For­ derung erlassen und der Erlass später angefochten wird. Hier stellt sich die Fra­ ge, welche Nachteile dem Dritten daraus entstehen, dass die Bürgschaft rück­ wirkend wieder auflebt262. Bei einer ex nunc-Wirkung der Anfechtung müssten die Voraussetzungen der Bürgschaftserteilung im Zeitpunkt der Anfechtung vorliegen. Während vertreten wurde, dass ein genereller Ausschluss der Rückwirkung für die Anfechtung von Gestaltungsrechten nicht vorgenommen werden sollte, sie stattdessen nur in Einzelfällen bei unbilligen Ergebnissen auszuschließen oder anderweitige Möglichkeiten des Ausgleichs zu finden 263, zeigen schon die zwei gewählten Beispiele, dass eine ex nunc-Wirkung auch bei der Anfechtung von Gestaltungserklärungen zu einer zweckmäßigeren Lösung führen würde. Zum anderen sollte, um einen Gleichlauf innerhalb der jeweiligen Willensmän­ gel zu erzielen, die Anfechtung einseitiger Willenserklärungen aus einem Grund der §§  119, 120 BGB ebenfalls ex nunc wirken, wenn man sich so bezüg­ lich der Anfechtung gegenseitiger Verträge entscheiden würde. Ein Rücktritts­ 260  Überblick über einige Einzelfälle und Lösungsmöglichkeiten beispielsweise bei: Fellner, Die Rückwirkung gegen Dritte seit der Entstehung des BGB, S.  88 ff. 261  Fellner, Die Rückwirkung gegen Dritte seit der Entstehung des BGB, S.  89 f.; für die Rück­ wirkung der Genehmigung beipielsweise Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  13 m. w. N. 262  Fellner, Die Rückwirkung gegen Dritte seit der Entstehung des BGB, S.  88, 93 ff. 263  Fellner, Die Rückwirkung gegen Dritte seit der Entstehung des BGB, S.  89.

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recht ist hier nicht kompatibel, da ein solches sich nur auf Schuldverhältnisse aus Verträgen bezieht, wie sich der Systematik des BGB entnehmen lässt264. c) Ergebnis Obige Überlegungen führen somit zu folgendem Ergebnis: Die Rückwirkung der Anfechtung dient in allen Fällen der Durchsetzung „materieller Privatauto­ nomie“. In den Fällen des §  123 BGB ist diese Wertung überwiegend und damit beizubehalten. In den Fällen des Irrtums hingegen scheinen aufgrund des man­ gelnden Fremdeinflusses die Aspekte der Einfachheit und Klarheit der Abwick­ lung zumindest bei gegenseitigen Verträgen zunächst zu überwiegen. Eine ex nunc-Wirkung erscheint durchaus vertretbar. Eine solche würde jedoch nur aus­ reichend Vorteile bringen, wenn sie im Rahmen eines Rücktrittsrechts ausge­ staltet würde. Die Angleichungsbemühungen für das Bereicherungsrecht an das Rücktrittsrecht wären damit hinfällig. Jedoch dürften bestimmte Wertungen des Anfechtungsrechts nicht umgangen werden, so dass insbesondere der Ge­ danke des §  122 BGB erhalten bleiben muss. Nicht vergessen werden dürfen auch die einseitigen Rechtsgeschäfte und die dinglichen Rechtsgeschäfte, für die dann wiederum eine andere Regelung erfor­ derlich wäre, da ein Rücktrittsrecht hier nicht möglich ist. Dies würde in der Gesamtheit gesehen zu einer völligen Zerklüftung und Zersplitterung des Rechts über die Folgen fehlerhafter Willenserklärungen führen, die im Ergebnis schwerer wiegt, als alle Vorteile, die im Einzelnen bestehen mögen. Selbst wenn es sinnvoll erscheint, die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge aufgrund der identischen Interessenlagen der Parteien einheitlich zu regeln, so ist davon, auf­ grund der aufgezeigten, mit dem Anfechtungsrecht zusätzlich verbundenen Problematiken Abstand zu nehmen. Hinzu kommt, dass die Gründe, die in Tei­ len für eine ex nunc-Wirkung sprechen, aufgrund der auch vorhandenen und im Rahmen der Untersuchung aufgezeigten Nachteile nicht so stark überwiegen, dass sie nichts entkräften könnte. Ein sehr starkes Argument zu ihrer Entkräf­ tung ist vielmehr sogar die Vermeidung einer vollständigen Zerklüftung der Regeln über die Loslösung von Willenserklärungen aufgrund von Willensmän­ geln. Folglich sollte die ex tunc-Wirkung der Anfechtung im Ergebnis beibehal­ ten werden.

264  Die Rücktrittsfolgen sind im 3. Abschnitt des 2. Buchs des BGB geregelt. Dieser Abschnitt trägt den Titel: „Schuldverhältnisse aus Verträgen“.

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5.  Gesamtbewertung und Ergebnis Rückwirkung der Anfechtung Nach der vorstehenden Untersuchung ergibt sich, dass die Rückwirkung der Anfechtung im Ergebnis sowohl aus Gründen des Systems des Bürgerlichen Gesetzbuchs als auch unter dem Aspekt der Zweckmäßigkeit beibehalten wer­ den sollte.

II.  Rückwirkung der Genehmigung 1.  Ausgangspunkt und Vergleich a)  Deutsches Recht Die Genehmigung ist in §  184 BGB legal definiert. Es handelt sich um die nach­ trägliche Zustimmung265. Diese muss – in Abgrenzung zur Bestätigung i. S. von §  141 BGB – zu einem fremden Rechtsgeschäft erteilt werden. Ein solches Rechtsgeschäft kann aus den verschiedensten Gründen zustimmungsbedürftig sein, was in den betreffenden Normen geregelt ist. Das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft ist bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam 266. In diesem Zeitpunkt der Schwebe bestehen zwar gewisse Bindungen, Leistungs­ pflichten jedoch noch nicht267. Die Genehmigung oder Verweigerung der Geneh­ migung beseitigt dann den Schwebezustand 268. Eine Frist für die Erteilung der Genehmigung ist nicht vorgesehen 269. Eine Verkürzung des Unsicherheitszu­ stands kann jedoch in einigen Fällen für den dritten Teil durch ein gesetzlich geregeltes Aufforderungsrecht zur Genehmigung erreicht werden. Wenn der zur Genehmigung Berechtigte diese dann nicht innerhalb einer bestimmten Frist erteilt, gilt die Genehmigung als verweigert270. Wird die Genehmigung jedoch erteilt, so wirkt sie nach §  184 Abs.  1 BGB „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“ – dies bedeutet, dass die in §  184 Abs.  1 BGB angeordnete Rückwirkung dispositiv ist271 – auf den Zeitpunkt zurück, in dem das Rechtsgeschäft abge­ schlossen wurde. Dieses ist also so anzusehen, als sei es schon zur Zeit seiner 265  MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  1 f.; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  1. 266  BeckOK BGB/Bub, §  182 Rn.  25; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  3; Staudinger/ Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  15. 267 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  15 m. w. N. 268  BeckOK BGB/Bub, §  184 Rn.  8, 13; Schulze/Dörner, BGB, §  184 Rn.  6, 8; Staudinger/Gur­ sky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  4, 15, 17. 269  MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  5; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  16; Jauernig/Mansel, BGB, §  184 Rn.  4. 270  Siehe beispielsweise: §  108 Abs.  2 oder §  177 Abs.  2 BGB; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  9. 271  MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  28; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  39.

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Vornahme wirksam geworden 272. Die Rückwirkung der Genehmigung kann sich sowohl auf obligatorische als auch auf dingliche Geschäfte beziehen 273. Zustimmungserfordernisse finden sich in den verschiedensten Kontexten. Dies ist beispielsweise der Fall bei gewissen Rechtsgeschäften von beschränkt Geschäftsfähigen, bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht, bei einer Verfü­ gung über ein fremdes Recht im eigenen Namen und zur Vermeidung von mit­ telbaren Rechts- und Interessenbeeinträchtigungen 274. Grob kann man die Ge­ nehmigungserfordernisse somit in Genehmigungen kraft Aufsichtsrechts – wie bei Geschäften beschränkt Geschäftsfähiger – und Genehmigungen kraft Rechtsbeteiligung – was die übrigen genannten Fälle erfasst – aufteilen 275. Zudem gibt es Fälle, in denen die Genehmigung einer Behörde oder eines Gerichts erforderlich ist. So ist die Kündigung durch den Arbeitgeber in be­ stimmten Fällen von einer behördlichen Zustimmung abhängig, beispielsweise gemäß §  9 MuSchG oder §  18 KSchG. Auch in §  144 BauGB finden sich Be­ stimmungen über genehmigungspflichtige Vorhaben. Im BGB selbst sind be­ stimmte Rechtsgeschäfte des gesetzlichen Vertreters für das Kind genehmi­ gungsbedürftig. Dies ist geregelt in den §§  1643 ff., 1811 f., und 1821 ff. BGB. Diese öffentlich-rechtlichen Genehmigungen stellen staatliche Hoheitsakte dar, weshalb die §§  182 ff. BGB jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar sind276. Ins­ besondere die Frage der Rückwirkung der Genehmigung ist nach dem Zweck des jeweiligen Zustimmungserfordernisses zu bestimmen 277. Im Zweifel ist je­ doch wohl von einer Rückwirkung auszugehen 278, so dass die Fragen und Prob­ leme um die Rückwirkung der Genehmigung sich in der Regel auch bei öffent­ lich-rechtlichen Genehmigungen stellen. Die geltende gesetzliche Regelung der Genehmigung vor Augen geführt, taucht unwillkürlich – vielleicht noch deutlicher als bei dem Vergleich von An­ fechtung und Rücktritt – ein abweichend geregelter Vergleichsfall auf. Hiermit ist die Regelung der aufschiebenden Bedingung in §  158 Abs.  1 BGB gemeint. Der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung entfaltet nach überwiegender An­ sicht im geltendem Recht keine dingliche Rückwirkung. Und doch ist dieser Fall dem der Genehmigung sehr ähnlich. In beiden Fällen besteht eine Schwebesitu­ 272  RGZ 134, 185, 187; BeckOK BGB/Bub, §  184 Rn.  8; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  12; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2009, §  184 Rn.  31. 273  MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  12; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  32. 274 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, Vor §§  182–185 Rn.  20 ff. 275  Einteilung nach v. Blume, JJ 48 (1904), 417 (417, 424, 426); und ihm folgend Graba, Bestä­ tigung und Genehmigung von Rechtsgeschäften, S.  120. 276  BeckOK BGB/Bub, §  182 Rn.  11; MünchKomm-BGB/Bayreuther, Vor. §  182 Rn.  17. 277  BGHZ 32, 383, 389; BeckOK BGB/Bub, §  182 Rn.  11; MünchKomm-BGB/Bayreuther, Vor. §  182 Rn.  17; O. Lange, AcP 152 (1952/1953), 241, (243). 278  BeckOK BGB/Bub, §  182 Rn.  11.

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ation. Ein Rechtsgeschäft soll wirksam werden, ist es jedoch noch nicht voll­ ständig. Erst mit Eintritt eines bestimmten Ereignisses – der Genehmigung oder der Bedingung – erlangt das Rechtsgeschäft seine volle Wirksamkeit. Im ersten Fall ex tunc, im zweiten ex nunc. Es drängt sich die Frage geradezu auf, warum eine solch unterschiedliche Regelung gewählt wurde. Zur Klärung der Frage, ob auch im Fall der Genehmigung ein oder mehrere hinter der Rückwirkung ste­ hende Prinzipien gefunden werden können und ob diese zur Beibehaltung der Rückwirkung zwingen, ist neben einem Überblick über die Regelungen in an­ deren Rechtsordnungen auch ein Blick auf die Geschichte zu werfen. Hier erge­ ben sich möglicherweise Anhaltspunkte für die heute existierenden Regelun­ gen. Dabei soll zunächst die Genehmigung untersucht werden, bei der eine Rückwirkung tatsächlich angeordnet ist. Die Bedingung soll gesondert betrach­ tet werden, ein Vergleich mit der Genehmigung in dortigem Zusammenhang vorgenommen werden. b)  Römisches Recht und Gemeines Recht Für das römische Recht ist die Rückwirkung der sogenannten ratihabitio um­ stritten. Hierunter wird in den wohl meisten Fällen die nachträgliche Billigung von solchen Rechtsgeschäften durch den Berechtigten verstanden, die ein Unbe­ rechtigter abgeschlossen hat – also unsere heutige Genehmigung279. Ein Befür­ worter der Rückwirkung der Genehmigung war Justinian280, was sich durch verschiedene Stellen im Codex ergeben soll. In C. 4, 28, 7 beispielsweise geht es um den Fall, dass ein Haussohn ohne vom Vater berechtigt zu sein einen Vertrag geschlossen hat. Wenn der Vater diesen Vertrag genehmigt, soll er nach Justini­ an so behandelt werden, wie wenn der Vater von vornherein zugestimmt hätte. Er macht deutlich, dass jede Genehmigung zurückbezogen werden soll281. Zum Teil wurde der Genehmigung jedoch auch keine Rückwirkung beigemessen, wie bei Africanus282. Marcian machte es wohl von dem Willen des Genehmi­ genden abhängig, ob eine Rückwirkung anzunehmen war oder nicht283. Das Wort ratihabitio wurde aber wohl auch in einem Sinn verwendet, wel­ cher eher unserer heutigen Bestätigung aus §  141 BGB entspricht, also in Fällen, in denen jemand ein nichtiges Rechtsgeschäft bekräftigt, das er selbst vorge­

279  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S.  365 Fn.  3; Kaser, Das römische Pri­ vatrecht, S.  265 m. w. N.; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S.  85. 280 So Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  277. 281  „… da nach Unserm neuerlichen Gesetz jede Genehmigung überhaupt gänzlich zurückbe­ zogen wird, …“, zitiert nach Otto/Schilling/Sintenis, Corpus Iuris Civilis V, S.  595. 282 So Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  277 über D. 46, 8, 24, 1. 283 So Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  278 über D. 20, 1, 16, 1.

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nommen hat284. Auch hier konnte ihr wohl Rückwirkung zukommen. Ein Bei­ spiel hierfür soll folgende Stelle aus dem Codex des Justinian sein, in der es um eine letztwillige Erklärung geht, durch welche eine nichtige Schenkung bestä­ tigt wird: C. 5, 16, 25 §  2 „… sicut et alias ratihabitiones negotiorum ad illa reduci tempora oportet, in quibus contracta sunt.“285 „… so wie auch in andern Fällen Genehmigungen von verrichteten Geschäften auf den Zeit­ punkt, wo diese vollzogen sind, sich zurückerstrecken müssen …“286

Nach Kaser war die Genehmigung im klassischen römischen Recht lediglich eine formlose Erklärung, weder dogmatisch noch begrifflich besonders kontu­ riert herausgearbeitet287. Hierfür sprechen auch die betrachteten Textstücke, die unter ratihabitio eben nicht nur unsere heute Genehmigung im Sinne von §  184 Abs.  1 BGB, sondern zum Teil auch eine Bestätigung im Sinne von §  141 BGB verstehen. Eine klare Trennung dieser beiden Rechtsinstitute kann wohl nicht unterstellt werden. Festgehalten werden kann lediglich, dass der Rückwirkungs­ gedanke bei beiden Verständnisformen auftaucht, aber nicht unstreitig feststeht. Im gemeinen Recht war die Wirkung dessen, was wir heute unter einer Ge­ nehmigung verstehen, umstritten 288. Die Rückwirkung war jedoch wohl als herrschend anzusehen 289. Auch Windscheid hatte keine Zweifel daran, dass der Genehmigende das Rechtsgeschäft so annehmen möchte, wie es geschlossen wurde, also auch seiner zeitlichen Perspektive nach und sich so behandeln las­ sen muss, als wären die Rechtswirkungen des Geschäfts schon zum Zeitpunkt des ursprünglichen Abschlusses eingetreten 290. Im heutigen Bürgerlichen Gesetzbuch sind Genehmigung und Bestätigung klar voneinander abgrenzbar. Die Genehmigung nach §  184 Abs.  1 BGB bezieht sich immer auf ein Rechtsgeschäft, das durch einen Dritten vorgenommen wur­ de, während die Bestätigung nach §  141 BGB ein durch die bestätigende Person selbst vorgenommenes Rechtsgeschäft betrifft291. Auch die Frage der Rückwir­ kung ist, wie oben dargestellt, geklärt. Mit §  184 Abs.  1 BGB hat der Gesetzge­ 284  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S.  4 40, Fn.  8; v. Seuffert, Die Lehre von der Ratihabition der Rechtsgeschäfte, S.  117 ff. 285  Text nach Krueger, Corpus Iuris Civilis II, S.  211. 286  Übersetzung nach: Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis V, S.  776. 287  Kaser, Das römische Privatrecht, S.  265. 288  Wacke, in: Au-delà des frontières. Mélanges de droit romain offerts à Witold Wolodkiewicz II, S.  1027 (1044) m. w. N. 289  Seuffert, Die Lehre von der Ratihabition der Rechtsgeschäfte, S.  69; Wolff, Archeion idioti­ ku dikaiu, S.  14. 290  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S.  367 Fn.  6. 291  Vgl. beispielsweise: MünchKomm-BGB/Busche, §  141 Rn.  6; BeckOK BGB/Wendtland, §  141 Rn.  4.

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ber sich für eine Rückwirkung der Genehmigung im Regelfall entschieden. Die Bestätigung stellt gemäß §  141 Abs.  1 BGB eine erneute Vornahme dar, wirkt also grundsätzlich nur ex nunc292. Für den Fall der Bestätigung eines nichtigen Vertrages ordnet §  141 Abs.  2 BGB jedoch im Zweifel eine Rückwirkung an 293: Die Parteien sind verpflichtet, sich zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig wäre. c)  Gesetzgebungsmaterialien zum BGB In den Gesetzgebungsmaterialien zum BGB finden sich keine Hinweise darauf, dass es Streitigkeiten um die Rückwirkung der Genehmigung gab. In den Moti­ ven ging man davon aus, dass sie die Regel bilde294. In den Protokollen der zweiten Kommission ist ausdrücklich festgehalten, dass die Rückwirkung „von keiner Seite beanstandet“ wurde295. Auch die Vorkommission des Reichsjustiz­ amts hatte keinerlei Einwände gegen die Rückwirkung296. Weitere Aussagen zur Frage der Rückwirkung der Genehmigung finden sich nicht297. Zudem finden sich keine näheren Ausführungen zu der angedeuteten Problematik, dass eine ex nunc-Wirkung vor allem im Hinblick auf neu entstehende Probleme einfa­ cher zu handhaben sei. Ein tragender Grundgedanke lässt sich nicht feststellen. Vor allem ist an keiner Stelle eine Begründung dafür zu finden, warum gerade bei der Genehmigung im Gegensatz zur Bedingung eine Rückwirkung eintre­ ten soll298. d)  Andere Rechtsordnungen Auch bezüglich der Rechtsfolgen der erteilten Genehmigung sollen beispielhaft die Regelungen in einigen anderen Rechtsordnungen betrachtet werden. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass schon eine allgemeine Regelung wie in den §§  182 ff. BGB häufig nicht vorhanden ist299. Auch ist die Terminologie der Ge­ 292 

MünchKomm-BGB/Busche, §  141 Rn.  16; BeckOK BGB/Wendtland, §  141 Rn.  12. MünchKomm-BGB/Busche, §  141 Rn.  17; Schulze/Dörner, BGB, §  141 Rn.  6. 294  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S.  489. 295  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S.  761. 296  Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusam­ menstellung der unveröffentlichten Quellen, AT II, S.  953. 297 Dies bemängelt auch Münzel, NJW 1959, 1657, 1657, 1660. 298  So auch HKK-BGB I/Finkenauer, §§  182–185 Rn.  6. 299  So beispielsweise im Schweizer Recht, das die Genehmigung speziell bei den einzelnen Rechtsinstituten regelt, beispielsweise bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht (Art.  38 Abs.  1 OR): Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, S.  325; und im französi­ schen Recht: Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht I/1, Bem. 1 F 11, 1 F 1101. 293 

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setze beispielsweise im Schweizerischen Recht nicht ganz einheitlich300. Ein gesetzlich verankerter Anhaltspunkt dahingehend, dass mit der Genehmigung in der Regel die nachträgliche Zustimmung bezeichnet ist, lässt sich in Art.  401 Abs.  1 ZGB finden301. Die so bestimmte Genehmigung hat im schweizerischen Recht auch in der Regel Rückwirkung302. Auch im französischen Recht gibt es verschiedene Ausdrücke, die nicht immer gleich verwendet werden. Der Geneh­ migung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch entspricht wohl am ehesten der Be­ griff der ratification303. Die Rückwirkung der Genehmigung bei Verträgen durch einen falsus procurator findet sich hier304 und im italienischen Recht305. Auch im österreichischen Recht wirkt die Genehmigung der Willenserklärung eines Minderjährigen zurück 306. Im englischen Recht entfaltet die Genehmi­ gung in den Fällen des Vertragsschlusses durch Minderjährige und durch voll­ machtlose Vertreter Rückwirkung307. Eine Regelung ohne Rückwirkung der Genehmigung hingegen findet sich wohl im dänischen Recht: Hier hat die Ge­ nehmigung, insbesondere die von Rechtsgeschäften Minderjähriger, grundsätz­ lich nur ex nunc-Wirkung308. Eine Rückwirkung wird jedoch ausnahmsweise vertreten für die Genehmigung des Geschäfts eines Vertreters ohne Vertre­ tungsmacht309. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Genehmigung üblicherweise zurückwirkt. Jedoch findet sich zumindest im dänischen Recht eine abweichen­ de Regelung. Hier wirkt sie in der Regel nur ex nunc. e) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rückwirkung der Genehmi­ gung zwar nicht immer eindeutig vorhanden war, sie jedoch für das römische 300 

Vogt, Zustimmung des Dritten zum Rechtsgeschäft, S.  12 f. m. w. N. Art.  410 Abs.  1 ZGB: „Ist der Bevormundete urteilsfähig, so kann er Verpflichtungen einge­ hen oder Rechte aufgeben, sobald der Vormund ausdrücklich oder stillschweigend zum voraus seine Zustimmung gegeben hat oder nachträglich das Geschäft genehmigt.“ 302  Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, S.  325; Vogt, Zustim­ mung des Dritten zum Rechtsgeschäft, S.  92. 303  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht I/1, Bem. 1 F 1102 m. w. N. 304  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht I/1, Bem. 1 F 1031 m. w. N. 305  Art.  1399 Abs.  2 Codice Civile: „La ratifica ha effetto retroattivo …“. 306  Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, S.  571, auch bzgl. der Genehmigung im Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht: S.  779; Schwimann/Kolmasch, ABGB Taschen­ kommentar, §  865 Rn.  10. 307  Hillebrenner, Die private Zustimmung zu Rechtsgeschäften Dritter im englischen, däni­ schen und deutschen Recht, S.  60, 94 f. m. w. N. 308  Hillebrenner, Die private Zustimmung zu Rechtsgeschäften Dritter im englischen, däni­ schen und deutschen Recht, S.  61 f. m. w. N. 309  Hillebrenner, Die private Zustimmung zu Rechtsgeschäften Dritter im englischen, däni­ schen und deutschen Recht, S.  95, Fn.  298 m. w. N. 301 

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und gemeine Recht auch nicht ausgeschlossen werden kann. Aus den Gesetzge­ bungsmaterialien ergeben sich keine näheren Erkenntnisse über die Gründe für den Einsatz der Rückwirkung. Eine Genehmigung ohne Rückwirkung findet sich im dänischen Recht, was zeigt, dass auch diese Regelung möglich ist. 2.  Prinzipien des Privatrechts als Grundlage der Rückwirkung Die Gründe für die Regel-Rückwirkung der Genehmigung im BGB bleiben im Unklaren. Noch Münzel beklagt rund 60 Jahre nach Inkrafttreten des BGB, dass eine fundierte Rechtfertigung für die Rückwirkung der Genehmigung ebenso wenig vorhanden sei, wie eine grundsätzliche Untersuchung über die Frage, welche Rechtswirkungen von der Rückwirkung betroffen sein sollen310. Bis heute ist eine solche Untersuchung und Begründung nicht ersichtlich. Dies ver­ wundert vor allem vor dem Hintergrund, dass abweichende Regelungen denk­ bar und wie gezeigt auch vorhanden sind. Es wurde sogar vertreten, die Rück­ wirkung der Genehmigung sei – zumindest soweit Dritte betroffen sind – ver­ fassungswidrig311. Diese Auffassung war Kritik ausgesetzt312 und hat, soweit ersichtlich, keine Anhänger gefunden. Die Regelung der Genehmigung ist ebenso wie die Anfechtung bei den Re­ geln über Rechtsgeschäfte zu finden. Nach einigen Ausführungen zur Frage der Rückwirkung aus dem „Begriff“ der Genehmigung, ist daher wieder zu unter­ suchen, ob die Rückwirkung der Genehmigung dem dem Rechtsgeschäftsrecht zugrunde liegenden Prinzip der Privatautonomie dient. Darüber hinaus muss das Prinzip der Simultanität des Rechtsgeschäfts angesprochen werden. a)  Rückwirkung aus dem „Begriff“ der Genehmigung Vor allem in der älteren Literatur findet sich immer wieder die Formulierung, die Rückwirkung ergebe sich aus dem Begriff der Genehmigung mit Bezug auf das zeitlich vorher liegende Geschäft313. Dies wird jedoch nicht weiter erläutert, so dass auch der scheinbar zwingende Schluss auf die Rückwirkung nicht aus­ reichend erklärt erscheint. Soweit ersichtlich, wird diese Auffassung heute auch richtigerweise nicht mehr vertreten. Folgt man der – wie oben dargestellt heute weitestgehend unbestrittenen – Theorie von der konstitutiven Wirkung der Rückziehung, kann ein vor dem Zeitpunkt der Genehmigung liegendes Ereignis ohnehin nicht zur Begründung ihrer Rückwirkung verwendet werden, da hier­ nach lediglich die Beurteilung der Rechtswirkungen für die Zukunft in Frage 310 

Münzel, NJW 1959, S.  1657. Lorenz, ZRP 2009, 214–217. 312  Böttcher, ZRP 2010, S.  27–28. 313  Strohal (Hrsg.), Planck’s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch I, §  184 Anm.  1a. 311 

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steht314. Die mit der Rückwirkung der Genehmigung befasste Literatur geht nunmehr weitestgehend einhellig davon aus, dass es sich bei der Rückwirkung um ein technisches Mittel handelt, das der Gesetzgeber bewusst einsetzt oder eben nicht. So ist auch im Fall der Genehmigung die angeordnete Rückwirkung eine „positivistische Entscheidung des Gesetzgebers“315. Mit dem Verweis auf den „Begriff“ der Genehmigung ist jedenfalls nichts erklärt. Man erspart sich so nur eine umfassende Auseinandersetzung mit den einzelnen Auswirkungen der Rückwirkung. Zudem wäre dadurch kein Prinzip im hier verstandenen Sin­ ne angesprochen. Für das innere System kann somit aus diesem Argument nichts gewonnen werden. b)  Rückwirkung der Genehmigung als Wahrung des dem BGB zugrundeliegenden Prinzips der Privatautonomie? Auch die Regeln über die Genehmigung finden sich im Rechtsgeschäftsrecht. Dieses ist, wie gesehen, zum großen Teil geprägt durch das Prinzip der Priva­ tautonomie, welches aufgrund obiger Ausführungen als Teil des inneren Sys­ tems des Privatrechts angesehen werden kann. In der Literatur finden sich zu­ dem immer wieder Äußerungen, die Rückwirkung entspreche den vermuteten Parteiinteressen316. Daher soll auch hier untersucht werden, ob die Wahrung der Privatautonomie ebenfalls ein der Rückwirkung der Genehmigung zugrunde­ liegender Gedanke sein könnte. Geht man unbefangen an die vorliegende Frage heran, liegt der Gedanke nahe, dass das Zustimmungserfordernis an sich eine Beschränkung der Priva­ tautonomie der Partei darstellt, welche auf die Zustimmung angewiesen ist. Wird die Zustimmung nicht im Vorfeld, in Form einer Einwilligung gemäß §  183 BGB, erteilt, ist das zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäft zunächst ein­ mal schwebend unwirksam. Die Beteiligten des genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfts sind also in ihrer Freiheit eingeschränkt, die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts zu einem von ihnen bestimmten Zeitpunkt, nämlich bei dessen Vornahme, eintreten zu lassen. Falls jedoch die Genehmigung als nachträgliche Zustimmung erteilt wird, so wirkt sie auf den Zeitpunkt der Vornahme des 314 

Anton, Die „Genehmigung“ von Rechtsgeschäften und Prozesshandlungen, S.  88. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, §  56, S.  899; ähnlich auch Anton, Die „Genehmigung“ von Rechtsgeschäften und Prozesshandlungen, S.  90; Graba, Bestätigung und Genehmigung von Rechtsgeschäften, S.  143 f.; Oertmann, Die Rechtsbedingung, S.  113. 316  Vgl. beispielsweise: Motive I, S.  242; Hoffmann, Die Genehmigung im Bürgerlichen Ge­ setzbuch, S.  13; Krantz, Zur Auslegung des §  184 BGB, S.  8; Oertmann, Die Rechtsbedingung, S.  113 f.; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/2, S.  240; ähnlich: Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S.  367 Fn.  6; kritisch differenzierend: Münzel, NJW 1959, 1657 (1660) und Anton, Die „Genehmigung“ von Rechtsgeschäften und Prozesshand­ lungen, S.  88 ff. 315 

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Rechtsgeschäfts zurück. Die Rechtswirkungen gelten also als bereits bei Ge­ schäftsabschluss eingetreten. So, könnte man nun meinen, ist auch die Privatau­ tonomie der Genehmigungsbedürftigen nachträglich durch eine Fiktion wieder­ hergestellt. Dieser zunächst schlüssig klingende Gedankengang soll im Folgen­ den kritisch überprüft werden. Insbesondere sollen die verschiedenen Situationen abstrahiert werden, in denen eine Genehmigung erforderlich ist. Diese einzel­ nen Gruppen sollen dann auf Beeinträchtigung der Privatautonomie durch das Genehmigungserfordernis und mögliche Wiederherstellung durch die Rückwir­ kung untersucht werden. aa)  Genehmigungserfordernisse im BGB Zu Beginn dieses Kapitels wurden bereits einige Situationen aufgeführt, in de­ nen eine Genehmigung erforderlich ist. Diese konnten zudem schon anhand des Ursprungs der jeweiligen Genehmigungsbefugnis unterschieden werden in Ge­ nehmigung kraft Aufsichtsrechts und Genehmigung kraft Rechtsbeteiligung317. Hinzufügen muss man noch die öffentlich-rechtlichen Genehmigungen. Die Differenzierung kann ferner anhand der Schutzrichtung des Genehmigungser­ fordernisses vorgenommen werden: Im Fall der Genehmigung kraft Aufsichts­ rechts, richtet sich der Schutz auf eine am Geschäft beteiligte Person. Bei Ge­ nehmigungen kraft Rechtsbeteiligung hingegen soll eine Person geschützt wer­ den, die zwar nicht unmittelbar am Abschluss des Rechtsgeschäfts beteiligt ist, davon aber materiell betroffen wird. Als Sonderfall sind noch die behördlichen Genehmigungserfordernisse zu erwähnen. Hier wird die Wahrnehmung öffent­ licher Interessen verfolgt318. Für die vorliegende Frage nach den Parteiinteressen ist jedoch eine Einteilung der Genehmigungssituationen davon ausgehend zu wählen, wer von den Wirkungen der Genehmigung betroffen ist. Hier sind zwei Situationen denkbar. Zum einen kann die Genehmigung die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts für und gegen den Handelnden herbeiführen. Dies ist beispiels­ weise der Fall bei der Genehmigung von Rechtsgeschäften, die durch Minder­ jährige abgeschlossen wurden. Hierunter würden auch die behördlichen Geneh­ migungen fallen, die jedoch aufgrund ihrer hoheitsrechtlichen Natur – es han­ delt sich um privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte319 – und nur im Einzelfall 317  Einteilung nach: v. Blume, JJ 48 (1904), 417 (417, 424, 426); und ihm folgend Graba, Bestä­ tigung und Genehmigung von Rechtsgeschäften, S.  120; so auch Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  76, der hier auch noch eine weitere, feiner untergliederte, Eintei­ lungsmöglichkeit anspricht, und S.  143 ff., 158 ff. mit der weiteren Gruppe der Zustimmungen bei Rechtsgeschäften in Arbeitsteilung (S.  145 ff.). 318  Zur Einteilung nach dem Schutzzweck insgesamt s. beispielsweise: Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  140. 319  BeckOK BGB/Bub, §  182 Rn.  11; MünchKomm-BGB/Bayreuther, Vor §  182 Rn.  17.

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festzustellender Rückwirkung320 in einem gesonderten Punkt behandelt werden sollen. Zum anderen kann die Genehmigung jedoch auch Wirkungen für und gegen den Genehmigenden herbeiführen. Hier sind die Fälle des falsus procu­ rator und der Verfügung durch einen Nichtberechtigten im eigenen Namen er­ fasst321. Diese zwei Gruppen sollen im Folgenden unter dem Aspekt der Rück­ wirkung als Durchsetzung von Privatautonomie betrachtet werden. Im An­ schluss ist noch auf die behördlichen Genehmigungen einzugehen. bb)  Genehmigung mit Wirksamkeit für und gegen den Handelnden Zunächst sind die Fälle der Genehmigung mit Wirkung für und gegen den Han­ delnden im Hinblick auf ihr Verhältnis zur Privatautonomie zu betrachten. Der Eindruck liegt nahe, durch das Genehmigungserfordernis entstehe – beispiels­ weise für den Minderjährigen – eine Beschränkung der Privatautonomie. Denn er kann nicht allein die Wirkungen des Rechtsgeschäfts zu dem von ihm für den Abschluss gewählten Zeitpunkt herbeiführen. Er bedarf dafür der Genehmi­ gung des gesetzlichen Vertreters. So gesehen erscheint eine Rückwirkung in diesem Fall einleuchtend322. Da der minderjährige Vertragspartner die Wirkun­ gen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages herbeiführen wollte, kann die Rückziehung der Rechtswirkungen auf diesen Zeitpunkt als Mittel zur Durchsetzung dieses Willens und damit zur Herstellung der Privatautonomie dienen. Zunächst ist jedoch zu klären, ob das Zustimmungserfordernis in den Fällen der Wirkung für und gegen den Handelnden überhaupt eine wirkliche Beschränkung der Privatautonomie darstellt oder sich nicht vielmehr selbst aus dem Prinzip der Privatautonomie ergibt. Wie bereits dargestellt323 bedeutet Privatautonomie die selbständige Rege­ lung der jeweils eigenen Rechtsangelegenheiten. Im hier vorliegenden Fall be­ fasst sich jedoch zunächst einmal ein gesetzlicher Vertreter mit den Angelegen­ heiten des Minderjährigen, also mit fremden Angelegenheiten. Dies wider­ spricht grundsätzlich dem Prinzip der Privatautonomie324. Jedoch ist der gesetzliche Vertreter nach dem Gesetz verpflichtet, sich der Angelegenheiten des Vertretenen anzunehmen. Für den Fall des minderjährigen Kindes ergibt sich dies aus §§  1626 Abs.  1, 1627 BGB. Somit ist die Entscheidung des Vertre­ 320  BGHZ 32, 383, 389; BeckOK BGB/Bub, §  182 Rn.  11; MünchKomm-BGB/Bayreuther, Vor. §  182 Rn.  17. 321  Zur Einteilung nach der Richtung der Genehmigungswirkung s. beispielsweise: Münzel, NJW 1959, S.  1660. 322 Allgemein Münzel, NJW 1959, S.  1660. 323  S. Vierter Teil, §  5 I. 2. a), S.  42 ff. 324  So beispielsweise vertreten von Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  361 f.

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ters hinsichtlich des Rechtsgeschäfts des Minderjährigen auch eine eigenverant­ wortliche Gestaltung seiner eigenen Angelegenheiten, nämlich der Erfüllung seiner Pflicht zur elterlichen Sorge325. Diese Pflichtbindung schließt auch nicht etwa von vornherein eine mögliche privatautonome Entscheidung aus326. Der gesetzliche Vertreter kann – abgesehen von speziellen Beschränkungen der Vertretungsmacht beispielsweise gemäß §  1643 BGB, der für bestimmte Rechts­ geschäfte unter Verweis auf §  1821 BGB und Teile von §  1822 BGB eine famili­ engerichtliche Genehmigung vorschreibt – sehr wohl wirksame Rechtsgeschäf­ te abschließen, die nicht dem Wohl des Vertretenen dienen327. Eine Entschei­ dungsfreiheit ist damit gegeben. Für die jedoch unbestreitbar auch vorhandene Fremdeinwirkung auf die Rechtssphäre des Minderjährigen hat Thiele die An­ sicht vertreten, dass auch hierdurch keine Beeinträchtigung der Privatautono­ mie gegeben sei328. Er geht davon aus, dass eine gesetzliche Vertretung nur dort vom Gesetzgeber vorgesehen wird, wo der Vertretene zur freien Selbstgestal­ tung noch nicht in der Lage ist oder zumindest von der Rechtsordnung als noch nicht in der Lage dazu angesehen wird329. Die Zustimmung durch den gesetzli­ chen Vertreter könne also kein Ausdruck von Fremdbestimmung sein, da der Zustimmungsbedürftige nicht zur Selbstbestimmung fähig sei. Durch die Ver­ tretung werde eine Teilnahme am Rechtsverkehr überhaupt erst möglich330. Die­ se Auffassung überzeugt vor dem Hintergrund, dass auch Privatautonomie nicht Freiheit ohne irgendwelche rechtlichen Regeln bedeutet. Privatautonomie ist nur möglich, wenn es ein System gibt, dass eine Spannbreite möglicher „Ak­ tionstypen“ und Rechtsverhältnisse vorgibt331. In diesem von der Rechtsord­ nung vorgegebenen Rahmen kann der Einzelne sich dann privatautonom ent­ falten. In diesem Sinne kann die Rechtsordnung auch weitere Begrenzungen der Privatautonomie vornehmen. Sie kann sogar aufgrund der sozialrechtlichen Aufgabe des Staates dazu verpflichtet sein332. Dies muss immer dann gelten, 325 

Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  72 f., 76. aber Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  363 ff., der davon aus­ geht, der gesetzliche Vertreter müsse von der „Idee des Objektiv-Richtigen“ (S.  364) ausgehen und ihm verbleibe so kein für eine privatautonome Entscheidung erforderlicher Gestaltungsspielraum. 327  Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  68 ff.; zu den haftungs­ rechtlichen Konsequenzen eines Missbrauchs: Steenbuck, FamRZ 2007, 1064 ff. 328  Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  6 4 ff., 76 f., der sich aus­ drücklich gegen die Feststellungen von Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, v. a. S.  361 ff., wendet; so auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  886. 329  Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  70.; so auch Flume, Allge­ meiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  886; zur Geschäftsfähigkeit im Zusammenhang mit der Privatautonomie auch v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S.  116 ff., 135 ff. 330  Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  71. 331  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  1 f. 332  Maunz/Dürig/Di Fabio, GG I, Art.  2 Rn.  107 f. 326  So

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wenn die Parteien sich nicht beide gleichberechtigt privatautonom gegenüber­ stehen. Eine solche Situation kann in eine Fremdbestimmung durch die überle­ gene Partei münden und so der Privatautonomie geradewegs zuwider laufen. Die Grenzen sind umstritten333. Dem Staat muss hier jedoch eine Einschät­ zungsprärogative zukommen. Im vorliegenden Fall wurde die volle Geschäfts­ fähigkeit vom Gesetzgeber an den Eintritt der Volljährigkeit geknüpft. Dem Minderjährigen ist aber eine Beteiligung am Rechtsverkehr über seinen gesetz­ lichen Vertreter möglich. Das Zustimmungserfordernis beeinträchtigt also das Prinzip der Privatautonomie nicht. Vielmehr ist es in den Vorgaben des Geset­ zes begründet, das selbst durch die soziale Aufgabe des Staates in diesem Be­ reich gerechtfertigt ist, der die Zustimmung an dieser Stelle als eigene und da­ mit selbstverantwortliche Angelegenheit des gesetzlichen Vertreters wertet334. Hinzu kommt, dass es keineswegs zwingend wäre, dass es dem Interesse des Handelnden entspricht, dass seine Rechtshandlung durch die Genehmigung rückwirkend wirksam wird. Überlegungen hierzu können nur Spekulation über mutmaßliche Interessen sein und dürften einer allgemeinen Aussage kaum zu­ gänglich sein. Gerade wenn Kenntnis von dem Genehmigungserfordernis be­ stand, kann genauso gut gesagt werden, der Laie gehe eher davon aus, dass der Vertrag erst mit Erteilung der Genehmigung „fertig“ sei335. Diese Annahme ist genauso plausibel, wie die gegenteilige, die Parteien sähen den Abschlusszeit­ punkt als relevant an. Eindeutige Belege dafür, dass die Rückziehung in der Regel den Parteiinteressen entspricht, finden sich jedoch nicht. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass entgegen dem ersten Eindruck, das Erfordernis der Genehmigung in den Fällen, in denen sie für und gegen den Handelnden wirkt, keine wirkliche Beschränkung der Privatautonomie dar­ stellt. Mangels einer solchen Beeinträchtigung kann auch die angeordnete Rückziehung nicht der Durchsetzung oder Wiederherstellung materieller Pri­ vat­auto­nomie dienen. Fraglich ist auch, ob eine Rückbeziehung wirklich den Parteiinteressen entspräche. cc)  Genehmigung mit Wirksamkeit für und gegen den Genehmigenden Eine zweite Fallgruppe ergibt sich aus den Situationen, in denen die Genehmi­ gung für und gegen den Genehmigenden selbst wirkt. Die bekanntesten Anwen­ dungsfälle sind die des Vertreters ohne Vertretungsmacht und der Verfügung 333  Ein Beispiel ist die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften, die teilweise als Beschränkung und nicht als Stärkung der Privatautonomie angesehen wird. Dazu siehe beispielsweise: Maunz/Dürig/Di Fabio, GG I, Art.  2 Rn.  113 ff. m. w. N. 334  Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  74. 335  So beispielsweise: Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  46.

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durch einen Nichtberechtigten über fremdes Eigentum im eigenen Namen. Hier liegt schon von vornherein der Gedanke an eine Beeinträchtigung der Privatau­ tonomie durch das Zustimmungserfordernis fern. Dies erklärt sich schon dar­ aus, dass die an der Vornahme des Rechtsgeschäfts Beteiligten nicht die alleini­ gen Betroffenen sind. Die Wirkungen würden einen Dritten treffen, nämlich den vermeintlich Vertretenen oder den Verfügungsberechtigten. Damit fällt das Rechtsgeschäft auch in seine Rechtssphäre. Privatautonomes Handeln, das die Rechtssphäre eines Dritten betrifft, kann aber ohne dessen Beteiligung nicht möglich sein336. Die Genehmigungsmöglichkeit des Dritten ist also auch hier keine Beschränkung der Privatautonomie der unmittelbar Vertragsschließen­ den, sondern vielmehr unmittelbar aus dem Prinzip der Privatautonomie erfor­ derlich337. Somit kann auch die Rückwirkung nicht der Wiederherstellung der Privatautonomie der unmittelbar Handelnden dienen. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob eine Rückziehung der Durchset­ zung des Willens des Genehmigenden selbst dient. Auch dies ist zu verneinen. Der Genehmigende ist an der eigentlichen Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beteiligt, weiß zu diesem Zeitpunkt in der Regel noch nicht einmal davon. Da­ her fällt es auch schwer zu sagen, dass die Rückwirkung seinen Interessen ent­ spricht. Sie kann natürlich von ihm gewünscht sein, vor allem in den Fällen, in denen das Rechtsgeschäft ihm einem Vorteil bringt338. In den Fällen hingegen, in denen es ihm einen Nachteil bringt, weil er Rechte verliert, ist sie höchst zweifelhaft339. Hier kann man noch weniger von einer den Interessen des Ge­ nehmigenden dienenden Regelung sprechen. Man dürfte eher annehmen, dass er den Rechtsverlust gerade nicht zu einem früheren Zeitpunkt als dem der Ge­ nehmigung wünscht340. Das Genehmigungserfordernis jedenfalls sorgt für die Wahrung seiner Privatautonomie, indem es eine Umgestaltung seiner Rechts­ sphäre ohne seine Beteiligung verhindert. Die Rückwirkungsanordnung hinge­ gen hat keinen Einfluss auf die Privatautonomie des Genehmigenden, da sie ­einen Beurteilungszeitpunkt betrifft, zu dem er noch nicht beteiligt war. Die Rückwirkung dient somit auch hier nicht der Durchsetzung des Prinzips der Privatautonomie.

336  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  886; Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  22 ff., 75; Vogt, Die Zustimmung des Dritten zum Rechtsge­ schäft, S.  24. 337  Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  75. 338  Münzel, NJW 1959, S.  1660. 339  Münzel, NJW 1959, S.  1660. 340  Münzel, NJW 1959, S.  1660.

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dd)  Öffentlich-rechtliche Genehmigungen Für den Fall, dass bei einer behördlichen oder gerichtlichen Genehmigung die privatrechtlich in §  184 Abs.  1 BGB angeordnete Rückwirkung im Einzelfall für anwendbar zu erklären ist, ist zu fragen, ob sie in diesem Fall der Durchsetzung der Privatautonomie der Beteiligten dient. Vorgelagert ist also wiederum die Frage, ob das Genehmigungserfordernis die Privatautonomie der Beteiligten überhaupt beeinträchtigt, was in den beiden zuvor besprochenen Fallgruppen zu verneinen war. Im Gegensatz zu diesen Fallgruppen ergibt sich die Mit­ wirkungsbefugnis staatlicher Stellen jedoch nicht aus deren persönlicher Be­ troffenheit341. Der Staat nimmt stattdessen im Rahmen von Zustimmungser­ fordernissen besondere öffentliche Interessen wahr und beeinträchtigt so die rechtsgeschäftliche Regelung der Privaten342. Eine Beeinträchtigung der Selbst­ bestimmung der Beteiligten liegt somit im Fall der öffentlich-rechtlichen Ge­ nehmigung vor. In den Fällen, in denen die Rückwirkung einschlägig ist, führt sie durchaus dazu, dass die Rechtswirkungen als zu dem Zeitpunkt eingetreten angesehen werden, zu dem sie von den Beteiligten auch gewollt waren, nämlich bei Vornahme des Rechtsgeschäfts. Im Wege der Fiktion der Rückwirkung kann somit die „materielle Privatautonomie“ der Beteiligten auch als wiederherge­ stellt angesehen werden. ee) Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Rückwirkung in den Fällen der Genehmi­ gung durch Private nicht der Durchsetzung einer privatautonomen Regelung dient, da die Selbstbestimmung der am Rechtsgeschäft Beteiligten durch das Genehmigungserfordernis schon gar nicht beeinträchtigt ist. Im Falle der Ge­ nehmigung durch eine Behörde oder ein Gericht, ist hingegen eine Beeinträch­ tigung der freien Selbstbestimmung festzustellen. Falls einer solchen Rückwir­ kung beigemessen werden kann, werden die Rechtswirkungen aber fiktiv auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts verlegt und die selbstbestimmte Regelung der Verhältnisse somit wieder hergestellt. Des Weiteren ist zu beach­ ten, dass selbst wenn man eine Wahrnehmung der Parteiinteressen durch die Rückwirkung annähme, dies nicht allein ausschlaggebend sein kann. Durch die Rückwirkung wird immer in einen bestimmten bereits bestehenden Rechtszu­ stand eingegriffen. Dieser wird für die Zukunft anders behandelt. Dabei werden häufig auch Interessen Dritter berührt sein, die – da am Rechtsgeschäft gänzlich unbeteiligt – ebenfalls berücksichtigt werden müssen343. 341 

Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  54 f. Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S.  55. 343  Anton, Die „Genehmigung“ von Rechtsgeschäften und Prozesshandlungen, S.  89 f.; allge­ 342 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

c)  Rückwirkung der Genehmigung zwecks Simultanität des Rechtsgeschäfts? Zu untersuchen ist des Weiteren das Prinzip der Simultanität des Rechtsge­ schäfts im Zusammenhang mit der Rückwirkung der Genehmigung. Vor allem im römischen344 und gemeinen Recht345 war die Vorstellung vorherrschend, dass die Vornahme des Grundtatbestands eines Rechtsgeschäfts und der Ein­ tritt von dessen Rechtswirkungen zeitlich zusammenfallen mussten. Sind die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts von einer Genehmigung abhängig, kann sich die Erteilung einer solchen mangels gesetzlicher Fristen jedoch im Einzelfall sehr lange hinziehen. Abschluss und Wirkung des Rechtsgeschäfts fallen dann ebenso lange auseinander, was dem Gedanken der Simultanität des Rechtsge­ schäfts widersprechen würde. Zur Überwindung dieses Problems wurden un­ terschiedliche Lösungsansätze gesucht. Enneccerus beispielsweise sah die Wahrung der Simultanität schon in dem Schwebeverhältnis an sich – die Wir­ kung trat nach ihm als schwebende schon bei Vornahme des Geschäfts ein346. Das setzt jedoch voraus, dass man die Rückwirkung der Genehmigung als de­ klarativ betrachtet, dass durch die Erteilung der Genehmigung nur deutlich wird, dass das Rechtsgeschäft von Anfang an bestanden hat. Vertreter der Fik­ tionstheorie können somit nicht an das Schwebeverhältnis anknüpfen, sondern an die Rückwirkung als Fiktion. Sie bezieht die Rechtswirkungen fiktiv auf den Abschlusszeitpunkt des Rechtsgeschäfts. Das Prinzip der Simultanität wäre zwar durch die Rückwirkung nicht tatsächlich, aber doch gedacht – im Wege einer Fiktion – beibehalten. Das Prinzip der Simultanität des Rechtsgeschäfts ist jedoch nach anfängli­ chen Durchbrechungen mittlerweile vollständig beseitigt worden und im BGB nicht mehr zu finden347. Das Gesetz lässt ausdrücklich verschiedene Zeitpunkte für die Vornahme des Rechtsgeschäfts und dessen Wirkung zu, beispielsweise bei der Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung. „Tatbestandsteilung“, wie Kühne348 das sukzessive Verwirklichen eines Tatbestands bezeichnete, ist ohne weiteres zulässig und häufig zu finden. Es ist nicht einzusehen, warum eine zeitliche Aufspaltung einerseits ohne weiteres möglich sein soll, anderer­ seits aber durch den Einsatz einer Rückwirkung korrigiert werden muss. Im Ergebnis muss festgehalten werden, dass die Rückwirkung jedenfalls heute mein für die Rückwirkung: v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/1, S.  28. 344  Jhering, Geist des römischen Rechts III, S.  151 ff. 345  Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, S.  219 ff., 240 ff.; Fellner, Die Rückwirkung gegen Dritte seit der Entstehung des BGB, S.  107. 346  Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, S.  249 ff. 347  Bergmann, in: FS für Dieter Reuter zum 70. Geburtstag am 16. Oktober 2010, S.  18; Ennec­ cerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  906. 348  Kühne, Tatbestandsteilung, S.  1 ff., 6.

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nicht aus dem Prinzip der Simultanität gerechtfertigt werden kann, womit auch die Frage nach der Zugehörigkeit dieses Prinzips zum inneren System nicht gestellt werden muss. d) Zwischenergebnis Es ist festzuhalten, dass die Rückwirkung der Genehmigung in den meisten Fällen nicht mit dem Prinzip der Privatautonomie in Zusammenhang gebracht werden kann. Weitere mögliche zugrundeliegende Prinzipien waren nicht er­ sichtlich. 3.  Bewertung der Zweckmäßigkeit der Rückwirkung anhand ausgewählter Einzelsituationen Da – bis auf den Sonderfall der öffentlich-rechtlichen Genehmigung – keine der Rückwirkung zugrundeliegenden allgemeinen Prinzipien gefunden werden konnten, ist die Frage ihres Einsatzes anhand der konkreten Anwendung der Norm zu beurteilen. Auch hier sollen, wie bereits bei der Anfechtung, einzelne problematische Situationen herausgegriffen werden. Bei der Lösung soll die geltende ex tunc-Wirkung der Genehmigung wiederum einer möglichen ex nunc-Wirkung gegenübergestellt werden. Dies sind jedoch nicht die einzigen denkbaren Regelungen der Wirkung einer Genehmigung. Es wäre auch denk­ bar, den Eintritt der Verpflichtungswirkungen je nach Beteiligtem zu differen­ zieren. Wie dargestellt, hat das Genehmigungserfordernis auch eine Schutz­ funktion. Es dient entweder dem Schutz einer unmittelbar am Geschäftsab­ schluss beteiligten Person, oder einer dritten Person, deren Rechte betroffen sind349. Man könnte hiernach differenzierend also das Rechtsgeschäft für die nicht schutzbedürftige Partei sofort mit dessen Abschluss Verpflichtungswir­ kungen entfalten lassen, für die genehmigungsbedürftige Partei jedoch erst mit Erteilung der Genehmigung350. Für letztere dann rückwirkend oder mit Wir­ kung für die Zukunft. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sollen im Folgenden jedoch nur die geltende ex tunc-Regelung und als direkter Gegensatz dazu eine mögliche ex nunc-Wirkung besprochen werden. Die weitere genannte Alterna­ tive dient lediglich zur Verdeutlichung dessen, dass der gesetzlichen Regelung durchaus mehrere abweichende Regelungsmöglichkeiten gegenüberstehen und daher ihre kritische Überprüfung geboten ist. Es ist insbesondere zu untersu­ chen, ob die Rückwirkungsregelung Vorzüge aufweist, die es gebieten, sie einer 349 

S. Vierter Teil, §  5 II. 2. b) aa), S.  92. So auch HKK-BGB I/Finkenauer, §§  182–185 Rn.  6 unter Verweis auf Gebhard, in: Schu­ bert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Ent­ wurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgemeiner Teil II, S.  46 f. 350 

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ex nunc-Wirkung der Genehmigung vorzuziehen. Hierbei sind die widerstrei­ tenden Interessen der unterschiedlichen Beteiligten – auch Dritter – zu berück­ sichtigen. Es bieten sich für diese Diskussion zunächst das Problem der Leis­ tungsstörung vor Genehmigungserteilung sowie die Fragen von Genehmi­ gungsbefugnis und Gutgläubigkeit an. Weitere Problempunkte stellen das Ingangsetzen von Fristen, die Genehmigung von Prozesshandlungen und die Genehmigung von Gestaltungserklärungen sowie das Verhältnis zu Insolvenz und Zwangsvollstreckung dar. a)  Leistungsstörungen zwischen Vertragsschluss und Genehmigung Die Frage der Leistungsstörungen ist nur für das zu genehmigende Verpflich­ tungsgeschäft relevant. Allein bei diesem kommt es darauf an, wie bei Unmög­ lichkeit, Schlechtleistung usw. vorzugehen ist. Es interessieren nur die Fälle der Leistungsstörung während des Schwebezustands. Danach auftretenden Leis­ tungsstörungen liegt unproblematisch ein Schuldverhältnis zugrunde, an das die §§  280 ff. BGB anknüpfen können. aa) Verzug Hinsichtlich der Behandlung des Verzugs besteht eine einhellige Auffassung zur Anwendung der Rückwirkung. Grundsätzlich wäre das Rechtsgeschäft ge­ mäß §  184 Abs.  1 BGB als von Anfang an gültig zu betrachten. Ein Schuldner­ verzug wäre bei konsequenter Durchführung somit vor Genehmigung gedank­ lich zumindest möglich. Da der Schuldner aber während der Schwebezeit noch gar nicht zur Leistung verpflichtet ist, würde ein rückwirkend begründeter Schuldnerverzug zu unbilligen Ergebnissen führen, weswegen die einhellige Meinung hier eine Ausnahme von der Rückwirkung macht351. Dasselbe gilt wohl auch für den Gläubigerverzug352. Würde die Genehmigung lediglich für die Zukunft wirken, bestünde erst ab ihrer Erteilung und nur ex nunc eine Verpflichtung zur Leistung. Ein etwaiger Schuldnerverzug wäre somit überhaupt erst für die Zeit nach der Genehmigung denkbar. Im Ergebnis ergibt sich aufgrund der Ausnahme, zu der man bei der ex tunc-Wirkung gezwungen ist, kein Unterschied zwischen einer Genehmigung mit und einer Genehmigung ohne Rückwirkung. 351  OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 57; OLG Rostock, NJW 1995, 3127 (3128); RGZ 168, 261, 267; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  13; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38 m. w. N.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  899; Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  139 (144); v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/2, S.  241. 352  MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  13; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38 für einen Einzelfall.

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bb)  Leistungs- und Schutzpflichtverletzungen i. S. v. §  281 und §  282 BGB Im Folgenden sollen sonstige Pflichtverletzungen außer dem Ausschluss der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit betrachtet werden, namentlich die Schlechtleistung als Hauptpflichtverletzung und die Verletzung von Pflichten nach §  241 Abs.  2 BGB. Nach Genehmigung auftretende Pflichtverletzungen sind aufgrund des Bestehens eines Schuldverhältnisses unproblematisch nach §§  280 ff. BGB auszugleichen, sofern deren weitere Voraussetzungen vorliegen. Problematisch sind lediglich solche Pflichtverletzungen, die in der Zeitspanne zwischen tatsächlichem Abschluss des Rechtsgeschäfts und dessen Genehmi­ gung begangen werden. §  280 BGB setzt als erstes das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraus353. Ein solches kann zunächst definiert werden als „Rechtsbeziehung zwischen zwei Personen …, in der die eine Seite von ihrem Gegenüber etwas verlangen kann“354. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich ein sehr differenziertes Bild. Schuldverhältnisse können durch Vertrag, einseitig oder auch durch Gesetz be­ gründet werden und werden grundsätzlich allesamt von §  280 BGB umfasst355. Es gibt jedoch auch eine Vielzahl rechtsgeschäftsähnlicher Sonderverbindun­ gen ohne primäre Leistungspflichten. Aus diesen erwachsen vornehmlich Pflichten nach §  241 Abs.  2 BGB356. Hierzu zählt das seit der Schuldrechtsre­ form in §  311 Abs.  2 BGB gesetzlich niedergelegte vorvertragliche Schuldver­ hältnis. Aber auch die Schuldnerstellung Dritter gemäß §  311 Abs.  3 BGB, der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter und nachvertragliche Schuld­ verhältnisse sind Beispiele für Sonderverbindungen ohne primäre Leistungs­ pflichten357. Die Frage lautet nun, ob während der Schwebezeit, differenziert nach der Art der Pflichtverletzung, ein die Haftung aus §§  280 Abs.  1, 3, 281 BGB einerseits und aus §§  280 Abs.  1, 3, 282 andererseits begründendes Schuld­ verhältnis vorliegt.

353 Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2014, §  280 Rn. B1; MünchKomm-BGB/Ernst, §  280 Rn.  6; Münch, Jura 2002, 361 (363). 354  Schmidt, Das Schuldverhältnis, S.  2 Rn.  4. 355 Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2014, §  280 Rn. B1 ff. 356 Staudinger/Otto, BGB, Neubearb. 2009, §  280 Rn. B5; Staudinger/Schwarze, BGB, Neu­ bearb. 2014, Rn. B10, B11. 357 Staudinger/Otto, BGB, Neubearb. 2009, §  280 Rn. B6 ff.; Staudinger/Schwarze, BGB, Neu­ bearb. 2014, Rn. B10, B11, B19; Darstellung weiteren Anwendungsbereichs BeckOK-BGB/Unbe­ rath, §  280 Rn.  3 ff.

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(1)  Genehmigung ex tunc (a)  Leistungsbezogene Pflichtverletzung Wirkt die Genehmigung zurück, und ist somit das Rechtsgeschäft als von An­ fang an wirksam anzusehen, müsste dieses für die Vergangenheit fingierte Schuldverhältnis bei konsequenter Durchführung der Rückwirkung für eine Haftung nach §§  280 Abs.  1, 3, 281 BGB genügen. Denn die Lage ist nun so anzusehen, als habe schon seit Abschluss des Vertrages ein wirksames Schuld­ verhältnis bestanden. Fraglich ist, ob eine solch konsequente Durchführung die Situation korrekt erfasst. Das mögliche Problem ergibt sich aus folgenden Über­ legungen: Es ist einerseits nicht von der Hand zu weisen, dass im Zeitpunkt der Pflichtverletzung tatsächlich ein Schuldverhältnis mit primären Leistungs­ pflichten nicht bestanden hat. Ein solches ist aber für eine Haftung aus §§  280 Abs.  1, 3, 281 BGB erforderlich358. Noch weitergehend kann man sogar sagen, dass es zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung zudem unklar war, ob die Geneh­ migung erteilt werden und das Schuldverhältnis somit überhaupt jemals Leis­ tungspflichten hervorrufen würde. Die Anwendung von Normen, die eine feste Bindung voraussetzen, scheint hier somit höchst zweifelhaft359. Andererseits jedoch ist eindeutig, dass die Parteien sich binden wollten. Ein Vertragsschluss liegt vor. Es fehlt nur noch eine Wirksamkeitsvoraussetzung360. Fraglich ist also, ob unter oben zu bedenken gegebenen Aspekten das rückwirkend fingierte Schuldverhältnis ein Schuldverhältnis im Sinne von §  280 BGB darstellen sollte oder nicht. Hierzu finden sich in der Literatur kaum Stellungnahmen. Während – wie gezeigt – für den Verzug allgemein anerkannt ist, dass dieser von der Rückwir­ kung unberührt bleibt, wird eine Ausnahme von der Rückwirkung im Falle der Schlechtleistung soweit ersichtlich nicht vertreten. Positiv nimmt hingegen je­ denfalls Lange an, dass eine Hauptpflichtverletzung während der Schwebe rele­ vant sei361. Gerade wegen des oben dargestellten Gegenarguments und des generellen Gebots eine unreflektierte Anwendung der Rückwirkung zu vermeiden362 , das sich wie gesehen beispielsweise beim Verzug auswirkt, sollte auch hier eine genauere Betrachtung vorgenommen werden. Es ist unbestritten, dass die Par­ teien sich binden wollten. Jedoch kann dies nicht die Tatsache überwinden, dass 358 Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2014, §  280 Rn. B1; Looschelders, Schuldrecht AT, S.  195. 359  Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  139 (142). 360  Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  139 (142). 361  Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  139 (142). 362  Siehe beispielsweise: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38.

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sie zum Zeitpunkt der angeblichen Leistungspflichtverletzung noch nicht zur Leistung verpflichtet waren. Dies kann auch die Rückwirkung im Tatsächlichen nicht ändern. Die Gedankenoperation einem nicht zur Leistung Verpflichteten aufgrund einer Rückwirkung eine Leistungspflichtverletzung anzulasten, scheint bedenklich. Hingegen könnte man auch vertreten, eine während der Schwebezeit vorgenommene Schlechtleistung dauere an. Auch nach der Geneh­ migung, wenn eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Leistung tatsächlich besteht, ist eine vorherige Pflichtverletzung immer noch vorhanden. Man sollte daher differenzieren nach dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs. Ist eine Genehmigung bereits erteilt, bestehen keine Bedenken gegen die Annah­ me einer Leistungspflichtverletzung während der Schwebezeit. Ist sie noch nicht erteilt, sind Ansprüche ausgeschlossen, da unklar ist, ob eine Verpflich­ tung zur Leistung durch Genehmigung des Rechtsgeschäfts eintreten wird. Hierfür spricht auch, dass eine nach §  281 BGB erforderliche Fristsetzung nur praktisch durchführbar ist, wenn kein Schwebezustand mehr besteht. Sonst be­ stünde auch hier die Gefahr, dass die Frist zur Leistungserbringung abgelaufen ist, bevor überhaupt klar ist, ob eine Genehmigung erteilt wird und damit die Leistungsverpflichtung eintritt. (b)  Nicht-leistungsbezogene Pflichtverletzung Bezüglich etwaiger Schutzpflichtverletzungen stehen der Annahme eines Schuldverhältnisses während der Schwebezeit weitaus weniger Bedenken ent­ gegen. Hierfür ist ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten ausreichend 363. Das Problem, dass der Schuldner zum Zeit­ punkt der Pflichtverletzung tatsächlich noch nicht zur Leistung verpflichtet war, ist hier also weniger relevant. Von den bekannten rechtsgeschäftsähnlichen Sonderverbindungen scheint zunächst das vorvertragliche Schuldverhältnis, §  311 Abs.  2 BGB, ein gewisses Argument zu bieten. Wenn schon vor Vertragsverhandlungen eine Haftung für die Verletzung von Pflichten gemäß §  241 Abs.  2 BGB eintreten kann, dann muss dies erst recht gelten, wenn die Verhandlungen schon abgeschlossen sind und der Vertrag sozusagen nur noch auf eine Wirksamkeitsvoraussetzung, seine Genehmigung, wartet364. Für eine solche Haftung spricht auch, dass teilweise sogar unwirksame Verträge Schutzpflichten begründen können365. Dies macht deutlich, dass das Interesse am Schutz vor Pflichtverletzungen nach §  241 Abs.  2 363 Staudinger/Otto,

BGB, Neubearb. 2009, §  280 Rn. B5. Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  139 (145); vorvertragliche Verhandlungen und Schwebezustand vor Genehmigung hält auch für ähnlich: O. Lange, AcP 152 (1952/1953), 241 (260). 365 Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2014, §  280 Rn. B13. 364 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

BGB nicht von der Wirksamkeit eines Vertrages abhängt, sondern vielmehr so lange besteht, wie auch der geschäftliche Kontakt der Parteien noch vorhanden ist366. Dies passt auch auf den schwebend unwirksamen Vertrag367. Dafür spricht zudem die grundsätzliche Annahme nachvertraglicher Schutzpflichten. Auch hier sind Vertragsschluss und Dauer nicht relevant368. Neben diesem Vergleich mit anerkannten rechtsgeschäftsähnlichen Sonderverbindungen spricht auch die Beurteilung des Schwebezustands in Rechtsprechung und Literatur für die An­ nahme einer Sonderverbindung im vorliegenden Fall. Die Parteien sind zwar in dieser Zeit nicht zur Leistung verpflichtet, doch besteht bereits eine gewisse Bindung. Diese äußert sich darin, dass sie sich nicht mehr einseitig vom Vertrag lösen können369 und die Erteilung der Genehmigung zu fördern und nicht zu verhindern haben370. Für den Fall der Missachtung dieser Pflichten wurde eine Haftung aus culpa in contrahendo angenommen371, sofern sie nicht einen Min­ derjährigen oder einen vollmachtlos Vertretenen betreffen würde372. Die Annahme eines für §§  280 Abs.  1, 3, 282 BGB genügenden Schuldver­ hältnisses lässt sich also auf die Konstruktion eines vorvertraglichen Schuldver­ hältnisses gründen und ist damit von der Rückwirkung der Genehmigung unab­ hängig. (2)  Genehmigung ex nunc (a)  Leistungsbezogene Pflichtverletzung Wirkt die Genehmigung nur ex nunc, stellt sich die Frage, ob auf ein fingiertes Schuldverhältnis abgestellt werden kann, naturgemäß erst gar nicht. Während der Schwebezeit bestand ein Schuldverhältnis mit primären Leistungspflichten noch nicht und dieses wird auch nicht im Wege der Fiktion zeitlich zurückver­ legt. Eine relevante Pflichtverletzung ist also mangels Schuldverhältnis grund­ sätzlich ausgeschlossen. Hier können daher lediglich nichtvertragliche An­ spruchsgrundlagen weiterhelfen.

366 Staudinger/Otto,

BGB, Neubearb. 2009, §  280 Rn. B13. Auch nach MünchKomm-BGB/Bachmann, §  241 Rn.  58 ist ein schwebend unwirksamer Vertrag ausreichend. 368 Staudinger/Otto, BGB, Neubearb. 2009, §  280 Rn. B15. 369  BGH NJW 1993, 648, 651; RGZ 64, 149, 154; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  4; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  15. 370  RGZ 115, 35, 38; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  15. 371 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  15 m. w. N.; Lange, in: FS Walter Schmidt-­R impler, S.  139 (145). 372 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  15. 367 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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(b)  Nicht-leistungsbezogene Pflichtverletzung Wie dargestellt, ist für die Haftung wegen Schutzpflichtverletzungen auch ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis ausreichend. Dieses kann von der Rückwirkung unabhängig angenommen werden und wäre aus denselben Grün­ den wie bereits geschildert auch einschlägig, wenn die Genehmigung nur für die Zukunft wirken würde. Es kommt lediglich darauf an, ob ein geschäftlicher Kontakt mit gewisser Bindungswirkung besteht. cc)  Unmöglichkeit (1)  Genehmigung mit ex tunc-Wirkung Nimmt man aus konsequenter Durchführung der Rückwirkung ein Schuldver­ hältnis im Sinne von §  280 BGB an, ergibt sich für den Fall der Unmöglichkeit noch ein weiterer Aspekt. Wenn man der geltenden gesetzlichen Regelung folgt, würde die Erteilung der Genehmigung bedeuten, dass der Vertrag von Anfang an als wirksam anzusehen ist. Leistungsstörungen in der ursprünglichen Schwe­ bezeit sind danach also beachtlich. Für den Fall der Zerstörung des Vertragsge­ genstands ergäbe sich somit, dass der Schuldner wegen nachträglicher Unmög­ lichkeit gemäß §  275 Abs.  1 BGB nicht zu leisten bräuchte373. Der Gläubiger würde seinerseits gemäß §  326 Abs.  1 BGB von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung grundsätzlich befreit. Bei Verschulden des Schuldners und ei­ nem Schaden des Gläubigers wären Ansprüche aus §§  280 Abs.  3, 283 BGB denkbar. (2)  Genehmigung mit ex nunc-Wirkung Wirkt die Genehmigung hingegen nur für die Zukunft, wird die Zeit davor nicht nachträglich als wirksames Schuldverhältnis fingiert. Die Zeitspanne des Schwebezustands wird nicht rückwirkend fiktiv umgestaltet. Das Geschäft ist ab dem Zeitpunkt der Genehmigung wirksam. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Zerstörung des Vertragsgegenstandes schon vor. Es könnte also eine anfängli­ che Unmöglichkeit gemäß §  311 a BGB anzunehmen sein. Nach dem Wortlaut der Norm muss das Leistungshindernis „bei Vertragsschluss“ vorliegen. Mög­ lich erscheint also auch eine Auslegung dahingehend, dass sich §  311 a BGB rein auf den tatsächlichen Vertragsschluss bezieht. Umstritten ist dies beispiels­ weise für den Fall eines Vertragsschlusses unter einer Bedingung bei Eintritt der Unmöglichkeit nach Vertragsschluss aber vor Bedingungseintritt374. Auch 373 

A. A. wohl MünchKomm-BGB/Ernst, §  311a Rn.  36, 34; §  275 Rn.  58 ff. nachträgliche Unmöglichkeit: Palandt/Grüneberg, BGB, §  311a Rn.  4; a. A. wohl Münch­Komm-BGB/Ernst, §  311a Rn.  36, 34. 374 Für

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

im Falle der Genehmigung mit einer gedachten ex nunc-Wirkung wären beide Ansichten vertretbar. Ein Unterschied in den Rechtsfolgen bei Leistungsstörun­ gen bestünde jedoch nicht. Selbst bei Annahme einer anfänglichen Unmöglich­ keit ergäben sich keine Unterschiede. Diese führt nach §  311 a Abs.  1 BGB nicht mehr wie früher noch zur Unwirksamkeit des Vertrages375. Des Weiteren ver­ weist §  311 a Abs.  2 BGB auf die allgemeinen Rechtsfolgen in den §§  280 ff. BGB. Ein praktischer Unterschied wäre mithin nicht gegeben. dd) Zwischenergebnis Für die Frage der Leistungsstörungen ergibt sich vor allen auf Grund der aner­ kannten Ausnahmen von der Rückwirkungsregel keine erhebliche Abweichung zwischen den unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten. Gerade im Falle ei­ ner Hauptpflichtverletzung im Sinne von §  281 BGB erscheint die ex nunc-Lö­ sung jedoch erheblich weniger problembehaftet. b)  Genehmigungsbefugnis und Gutgläubigkeit Im Folgenden sollen Konstellationen untersucht werden, in denen Drittinteres­ sen berührt sind. Dabei ist die Regelung des §  184 Abs.  2 BGB von besonderer Bedeutung. Ihre Auslegung ist verknüpft mit der Frage der Erforderlichkeit ei­ ner Genehmigungsbefugnis. Fragen des Gutglaubensschutzes werden im An­ schluss erörtert. aa) Genehmigungsbefugnis (1)  Genehmigung mit ex tunc-Wirkung Eine der umstrittensten Fragen in Bezug auf die Genehmigung war die Frage der Genehmigungsbefugnis und des Zeitpunkts ihres Vorliegens. Unmittelbar da­ mit verknüpft ist die Deutung des §  184 Abs.  2 BGB. Dieser regelt, dass Verfü­ gungen, die der Genehmigende vor der Genehmigung getroffen hat, durch deren Rückwirkung nicht unwirksam werden. Gleiches gilt für Verfügungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung, der Arrestvollziehung oder durch den Insolven­ zverwalter erfolgt sind. Auch die Bedeutung der Norm war umstritten376. Zum Teil wurde in ihr der Schutz „wohlerworbener Rechte“ insgesamt gese­ hen, wonach §  184 Abs.  2 BGB Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes zum Schutze ebensolcher Rechte Dritter sei und nur die Hauptanwendungsfälle nen­ 375 

§  306 BGB a. F. (1896). beispielsweise die Darstellungen bei: Egert, Die Rückwirkung der Genehmigung (§  184 BGB), S.  32 ff.; Krantz, Zur Auslegung des §  184 BGB, S.  31 ff. 376 Vgl.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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ne377. Nach anderer Auffassung ist grundlegender Gedanke des §  184 Abs.  2 BGB der des Verkehrsschutzes378. Auch der Aspekt von Treu und Glauben und des venire contra factum proprium findet sich im Zusammenhang mit der Deu­ tung von §  184 Abs.  2 BGB379. In Bezug auf das zeitliche Vorliegen der Genehmigungsbefugnis werden aus §  184 Abs.  2 BGB unterschiedliche Ansichten hergeleitet. Einmal kann die Norm als Gegennorm gesehen werden, die eine sonst eintretende Rückwirkung verhindert380. Dies würde bedeuten, dass die Genehmigungsbefugnis grund­ sätzlich nicht mehr im Zeitpunkt der Genehmigung vorliegen muss, sondern eben nur, wenn der als Gegennorm verstandene §  184 Abs.  2 BGB dies anord­ net381. Heute ist jedoch allgemein anerkannt, dass §  184 Abs.  2 BGB keinen all­ gemeinen Grundsatz enthält und nicht umfassend erweiterungsfähig ist382. Die Regelung wird zudem generell nur als „Klarstellung“ angesehen383, was bedeu­ tet, dass die Genehmigungsbefugnis generell im Zeitpunkt der Genehmigung vorliegen muss384. Hat der Genehmigungsberechtigte in der Zwischenzeit über den Vertragsgegenstand verfügt, so ist er nicht mehr berechtigt, ein vorheriges Rechtsgeschäft zu genehmigen und dem zweiten Rechtsgeschäft durch die Rückwirkung die Wirksamkeit zu nehmen. Allgemein wird gesagt, die Wirkun­ gen der Genehmigung könnten sich nicht auf deren Voraussetzungen, sondern nur auf deren Rechtsfolgen beziehen385. §  184 Abs.  2 BGB wird hier nicht als Einschränkung der Rückwirkung, sondern als Regelung über die Wirksamkeit 377  So beispielsweise: Philipsborn, in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts 64, S.  10 (16); Strohal (Hrsg.), Planck’s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch I, §  184, S.  490; Oert­ mann, Die Rechtsbedingung, S.  99. 378  Wolff, Archeion idiotiku dikaiu 1934, S.  14 (17). 379  Raape, AcP 121 (1923), 257 (288). 380  Hellwig, Grenzen der Rückwirkung, S.  14; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bür­ gerlichen Rechts II/2, S.  244; Wolff, Archeion idiotiku dikaiu 1934, S.  14 (16); Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (301). 381 Beipielsweise: Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (301). 382  RGZ 134, 283, 286; RGZ 134, 121, 123; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  42; BeckOK BGB/Bub, §  184 Rn.  12; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  912 f.; differenzierend Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  51 ff.; NomosKommen­ tar-BGB/Staffhorst, Bd. I, §  184 Rn.  17. 383 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  45; ähnlich: NomosKommentar-BGB/ Staffhorst, Bd. I, §  184 Rn.  13. 384 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  45, 23; MünchKomm-BGB/Bay­ reuther, §  184 Rn.  32, 19 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  909, 911; Pa­ landt/Ellenberger, BGB, §  184 Rn.  3; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  54 Rn.  33, S.  684; a. A.: Erman/Maier-Reimer, BGB, §  184 Rn.  5 f.; Pfister, JZ 1969, 623 (624 ff., 627); Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (288 ff., 302 f., 313 f.); RGRK/Steffen, BGB, §  184 Rn.  6. 385  Siehe beispielsweise: RGZ 134, 283, 286 f.; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  20; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  911; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  54 Rn.  34, S.  684.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

der Genehmigung verstanden386. Auch für den Sonderfall der Rechtsnachfolge sind die verschiedensten Modelle bis zu einer Teilung der Genehmigungsbefug­ nis387 vertreten worden388. Dass ein Ende des Streits jedoch nicht in Sicht ist, zeigt beispielsweise Finke­ nauer389. Er zeichnet die Entstehung der heutigen herrschenden Meinung nach und deckt ihre Schwächen auf. So sei das dieser zugrunde liegende viel zitierte Ausgangsurteil des Reichsgerichts390 „missraten“ und „zirkulär“391. Es werde eine Argumentation, die eigentlich nur auf §  185 Abs.  2 S. 1 Var. 1 BGB passe – denn hier rede das Gesetz ausdrücklich von „Berechtigung“ – auf einen Sach­ verhalt angewandt, der unter §  177 BGB falle. In der Folge habe das Urteil Ein­ gang in die Kommentare zu §  184 BGB gefunden und somit Bedeutung für alle Genehmigungsfälle erhalten392. Finkenauer legt weiter dar, dass nach §  177 BGB jeder Vertretene genehmigen könne. Eine Genehmigungsbefugnis im Sin­ ne einer Verfügungsbefugnis sei nicht erforderlich393. Auch im Fall des §  185 Abs.  2 S.  1 Var. 1 BGB, der eine Berechtigung nach seinem Wortlaut voraus­ setzt, machten Rechtsprechung und Schrifttum zahlreiche Ausnahmen, so dass es auf diese kaum noch ankomme394. Zu nennen sei hier insbesondere der Fall der Verarbeitung einer gestohlenen Sache. Durch die Verarbeitung wird der Er­ werber Eigentümer gemäß §  950 BGB. Der ursprüngliche Eigentümer könnte die Verfügung des Diebes mangels Berechtigung nicht mehr genehmigen und so gegen diesen den Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB nicht geltend machen. Dies wollen Schrifttum und Rechtsprechung vermeiden und machen hier eine Ausnahme vom Erfordernis der Verfügungsbefugnis: Eine Genehmigung und damit der Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB sollen weiter möglich sein395. 386 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  59; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  33; a. A. Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (301). 387  So beispielsweise: Rothkugel, Die Rückwirkung der Genehmigung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S.  25. 388  Kurzer Überblick bei Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (284) m. w. N. 389  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 ff.; eine von der herrschenden Meinung abweichende An­ sicht vertreten beispielsweise auch: Erman/Maier-Reimer, BGB, §  184 Rn.  5 f.; Pfister, JZ 1969, 623; RGRK/Steffen, BGB, §  184 Rn.  6. 390  RGZ 134, 283. 391  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (287). 392  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (292). 393  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (286 ff., insbes. 288 f.). 394  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (302 ff.). 395  BGHZ 56, 131, 134 f.; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  23; BeckOK BGB/Bub, §  184 Rn.  5; Staudinger/Gursky, BGB, Neubarb. 2014, §  184 Rn.  25; für den Fall der Vernichtung des Verfügungsgegenstands: Jauernig/Mansel, BGB, §  184 Rn.  1; Staudinger/Lorenz, BGB, Neu­ bearb. 2007, §  816 Rn.  10; Palandt/Ellenberger, BGB, §  184 Rn.  3; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S.  443 Rn.  1029; kritisch: Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (302 ff.), der zu demselben Er­ gebnis kommt, dieses jedoch nicht als Ausnahme, sondern als Grundsatz sieht.

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Finkenauer plädiert im Ergebnis dafür, dass die Genehmigung keiner Verfü­ gungsmacht im Zeitpunkt ihrer Erteilung bedarf, sondern lediglich bei der Vor­ nahme des Rechtsgeschäfts396. Dies soll auch für eine Genehmigung nach §  185 Abs.  2 S.  1 Var. 1 BGB gelten397. Die Verfügungsmacht werde nur in §  184 Abs.  2 BGB relevant, der nach dieser Ansicht somit als Einschränkung der Rückwirkung verstanden wird 398. Welcher Meinung auch immer man folgt, in der Konsequenz ist der Schutz für das ursprüngliche, der Genehmigung bedürftige Rechtgeschäft gering. Eine §  161 Abs.  1 BGB entsprechende Vorschrift existiert im Bereich der Genehmi­ gung nicht. Dies rechtfertigt sich jedoch durch einen entscheidenden Unter­ schied der beiden Situationen. Während bei einer Verfügung unter einer auf­ schiebenden Bedingung der bedingt Berechtigte nach geltender Dogmatik ein Anwartschaftsrecht erwirbt, steht eine ähnliche Position dem Berechtigten ei­ nes genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfts nicht zu. Er kann vielmehr nur eine bloße Erwartung auf das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts vorwei­ sen399. Zudem handelt es sich bei der Genehmigung nicht um eine von den Par­ teien rechtsgeschäftlich aufgestellte Voraussetzung, sondern um eine Rechtsbe­ dingung, was des Weiteren gegen eine Pflicht zur Treue während des Schwebe­ zustands spricht400. Die aufgeführte herrschende Meinung und die ihr entgegentretende Ansicht von Finkenauer machen deutlich, dass die Fragen um den Zeitpunkt der Geneh­ migungsbefugnis oder gar Verfügungsmacht und um die Bedeutung von §  184 Abs.  2 BGB im Zusammenhang mit der Rückwirkung der Genehmigung weder scharf umrissen noch zweifelsfrei gelöst sind. (2)  Genehmigung mit ex nunc-Wirkung Fraglich ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit, ob sich auch bei möglicher Jetzt-Wirkung der Genehmigung die Probleme um den Zeitpunkt der Genehmi­ gungsberechtigung und um die Bedeutung des §  184 Abs.  2 BGB stellen. Wenn die Genehmigung nur für die Zukunft wirkt, kann sie keinen Einfluss auf eine vor ihrer Erteilung getroffene Verfügung haben. Zwar führt Jacobi aus, die Kollisionsproblematik stelle sich bei ex nunc-Wirkung der Genehmigung

396  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (313 f.); so auch schon Pfister, JZ 1969, 623 (624 ff., 627); Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 4.  Aufl., S.  430, später andere Auf­ fassung, vgl. 5.  Aufl., S.  449; RGRK/Steffen, BGB, §  184 Rn.  6. 397  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (313 f.). 398  Finkenauer, AcP 203 (2003), 282 (301, 313). 399  Wolff, Archeion idiotiku dikaiu 1934, S.  14 (19). 400  Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  139 (142).

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

ganz genauso401, eine nähere Begründung oder Weiterführung des Gedankens unternimmt er jedoch nicht. Vielmehr ist es so, dass die Zwischenverfügung von dem Genehmigenden als Berechtigtem vorgenommen wurde und damit wirksam ist402. Diese Berechtigung kann er auch nicht nachträglich aufgrund der Genehmigung der ersten Verfügung verlieren. Eine solche Konstruktion wäre nur bei einer Rückbeziehung der Genehmigungswirkungen auf einen vor der Zwischenverfügung liegenden Zeitpunkt denkbar. Die Genehmigung einer Ausgangsverfügung, die von einer weiteren Verfügung verdrängt wurde, würde ins Leere gehen. Einen Schutz für die Ausgangsverfügung gäbe es nicht. Der Zeitpunkt der Genehmigung wäre der relevante Zeitpunkt für das Vorlie­ gen der Verfügungsbefugnis. Da mit der Genehmigung nur Wirkungen für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit herbeigeführt würden, stellte sich die Frage des Zeitpunkts der Genehmigungsbefugnis also nicht so dringlich wie bei einer ex tunc-Wirkung. Wenn man nur Wirkungen für die Zukunft herbei­ führen kann, ist eine Berechtigung zum Zeitpunkt der Genehmigung ausrei­ chend. Auch der im Rahmen der Genehmigung nach §  185 Abs.  2 S.  1 Var. 1 BGB häufig relevant werdende Anspruch des §  816 Abs.  1 S.  1 BGB soll noch einmal für den Fall einer Genehmigung mit ex nunc-Wirkung betrachtet werden. Hier muss zunächst gefragt werden, ob diese Norm bei einer ex nunc wirkenden Genehmigung überhaupt anwendbar ist. Entscheidend ist hierfür das Tatbe­ standsmerkmal, nach dem die Verfügung „dem Berechtigten gegenüber wirk­ sam“ sein muss und die Frage in welchem Zeitpunkt sie dies sein muss. Im Fall der Genehmigung, kann die Verfügung zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nur wirksam sein, wenn man die Genehmigung auf diesen zurückbezieht. Dies soll aber hier gerade nicht der Fall sein. Bei einer ex nunc wirkenden Genehmigung würde die Verfügung erst nachträglich, ab dem Genehmigungszeitpunkt wirk­ sam sein. Fraglich ist, ob dies ausreicht, um das Tatbestandsmerkmal des §  816 Abs.  1 S.  1 BGB zu erfüllen. Die Kommentierungen zu dieser Norm gehen nur von einer rückwirkenden Genehmigung aus403, obwohl ja ein Ausschluss der Rückwirkung auch jetzt schon durch Parteivereinbarung möglich ist, wie §  184 Abs.  1 letzter Halbsatz BGB zeigt. Zum Teil wird jedoch auch vertreten, dass die Verfügung durch Ersitzung wirksam werden kann404. Diese hat keine Rück­ wirkung, was dafür spricht, dass eine für die Zukunft wirkende Genehmigung 401 

Jacobi, Über Rückwirkungsanordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  91. auch Lange, in: FS Walter Schmidt-Rimpler, S.  139 (150); Raape, AcP 121 (1923), 257

402  So

(286). 403  MünchKomm-BGB/Schwab, §  816 Rn.  33; Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  816 Rn.  9; BeckOK BGB/Wendehorst, §  816 Rn.  13; Schulze/Wiese/Schulze, BGB, §  816 Rn.  7; Pa­ landt/Sprau, BGB, §  816 Rn.  7. 404 Palandt/Sprau, BGB, §  816 Rn.  7; RGRK/Heimann-Trosien, BGB, §  816 Rn.  5; Staudinger/

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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ausreicht. Ein zeitliches Element bezüglich der Wirksamkeit der Verfügung lässt sich auch nicht aus dem Wortlaut der Norm entnehmen. Diese besagt zwar „wirksam ist“ und nicht etwa „wirksam wird“405. Dieses Problem stellt sich je­ doch bei einer zurückwirkenden Genehmigung genauso wie bei einer ex nunc wirkenden Genehmigung. In beiden Fällen ist die Verfügung zunächst unwirk­ sam und wird erst später wirksam. Zwar kann bei einer rückwirkenden Geneh­ migung die Verfügung so angesehen werden, als ob sie von Anfang an wirksam gewesen wäre406. Dies ist jedoch keine Tatsache, sondern eine reine Fiktion und dürfte daher im Vergleich zu einer ex nunc-Wirkung keinen Unterschied ma­ chen. Hier hätte eine ex nunc-Wirkung zudem den Vorteil, dass sie die – heute zwar geklärte – Streitfrage gar nicht aufkommen lassen würde, ob der Nichtbe­ rechtigte durch die Genehmigung zum Berechtigten werde407. Auch diese Frage kann sich bei einer ex nunc-Wirkung der Genehmigung nicht stellen, da sie den Zeitpunkt der Verfügung unberührt lässt. Wenn §  816 Abs.  1 S.  1 BGB also tatbestandlich auch anwendbar wäre, wenn die Genehmigung nur ex nunc wirkt, stellt sich für den Fall der nachträglichen Verarbeitung der gestohlenen Sache jedoch dasselbe Problem, dass die derzeit herrschende Meinung auch bei der rückbezüglichen Genehmigung hat. Wie festgestellt, ist bei ex nunc-Wirkung eine Berechtigung im Zeitpunkt der Ge­ nehmigung erforderlich. Diese würde aufgrund §  950 BGB entfallen. Möchte man den Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB dennoch gewähren, wäre man auch hier zu einer Ausnahme vom Erfordernis der Genehmigungsbefugnis ge­ nötigt. (3) Zusammenfassung Zusammenfassend zeigt sich also, dass bei ex nunc-Wirkung der Genehmigung die Regelung des §  184 Abs.  2 BGB und der darüber bestehende Streit ihre Dringlichkeit verlieren würden. Hinzu kommt, dass sich die herrschende Mei­ nung, die eine Genehmigungsbefugnis im Zeitpunkt der Genehmigung ver­ langt, auf der Grundlage einer ex nunc-Wirkung problemloser einfügen würde. Im speziellen Fall der Verarbeitung einer gestohlenen Sache wäre in Bezug auf §  816 BGB jedoch weiterhin eine Ausnahme erforderlich.

Seufert, BGB, 10./11.  Aufl., §  816 Nr.  4b; a. A.: MünchKomm-BGB/Schwab, §  816 Rn.  32; Staudin­ ger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  816 Rn.  10, S.  236 im Rückschluss; offen: BGHZ 47, 128, 131. 405  Dazu Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  816 Rn.  9. 406  RGZ 106, 44, 45; 115, 31, 34. 407  Heute besteht Einigkeit, dass der Nichtberechtigte nicht rückwirkend zum Berechtigten wird, siehe beispielsweise: Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, §  816 Rn.  9; Münch­ Komm-BGB/Schwab, §  816 Rn.  33; BeckOK BGB/Wendehorst, §  816 Rn.  13.

112

Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

bb)  Zeitpunkt des guten Glaubens Ein weiterer Streitpunkt ist der Fall der Genehmigung durch einen Nichtberech­ tigten und die Frage, zu welchem Zeitpunkt Gutgläubigkeit des anderen vorlie­ gen muss. (1)  Genehmigung mit Wirkung ex tunc Bezüglich der geltenden Regelung entschied das Reichsgericht ursprünglich, dass guter Glaube zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ausrei­ che408. Diese Rechtsprechung änderte sich jedoch mit der soeben bereits in Be­ zug auf die Genehmigungsfähigkeit zitierten Entscheidung RGZ 134, 283. Hier entschied das Reichsgericht, dass die Gutgläubigkeit des Erwerbers noch im Zeitpunkt der Genehmigung vorliegen müsse409. Dieser Standpunkt ist auch heute herrschende Meinung410. Jedoch findet sich auch hier eine Gegenauffas­ sung, die guten Glauben im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts ge­ nügen lässt, da mit der Erteilung der Genehmigung die Zustimmung rückwir­ kend von Anfang an vorlag411. (2)  Genehmigung mit Wirkung ex nunc Bei einer bloßen ex nunc-Wirkung der Genehmigung wäre dieser Streit hinfäl­ lig. Die Frage, ob eventuell auch Gutgläubigkeit im Zeitpunkt des Geschäftsab­ schlusses ausreichen kann, stellt sich nur, wenn das Geschäft zu diesem Zeit­ punkt auch schon Wirkungen erzeugt. Dies ist jedoch nur bei einer rückwirken­ den Genehmigung möglich. Wirkt diese nur für die Zukunft, setzen auch die Wirkungen des Rechtsgeschäfts erst mit der Genehmigung und nur für die Zu­ kunft ein. Die Gedankenwelt eines Erwerbers zu einem früheren Zeitpunkt kann hier keine Rolle spielen, so dass Gutgläubigkeit im Zeitpunkt der Geneh­ migung erforderlich wäre. (3) Zusammenfassung Auch bezüglich des Zeitpunkts des guten Glaubens wäre mit einer ex nunc-Wir­ kung der Genehmigung eine einfachere Beurteilung möglich. Der Streit wäre nicht relevant und die herrschende Meinung würde problemloser abgebildet. 408 

RGZ 69, 263, 270 f.; 125, 53, 56. RGZ 134, 283, 287, 289. 410  MünchKomm-BGB/Bayreuher, §  184 Rn.  25; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38; Hübner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  557 f. 411  Finkenauer, AcP 203 (2003), S.  311 ff.; Pfister, JZ 1969, S.  626 f.; Bayreuther will lediglich eine Ausnahme von der h.M. für öffentlich-rechtliche Genehmigungen machen: MünchKommBGB/Bayreuther, §  184 Rn.  27 m. w. N. 409 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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c)  Verjährung Unter diesem Punkt ist die Verjährungsfrist zu betrachten. Es stellt sich die Frage, ob diese mit Abschluss des Rechtsgeschäfts oder mit Erteilung der Ge­ nehmigung zu laufen beginnt. Hätte die Genehmigung bloße Jetzt-Wirkung, wäre das Rechtsgeschäft erst ab diesem Zeitpunkt wirksam. Die Verpflichtung zur Leistung bestünde erst mit Genehmigung. Es wäre also unzweifelhaft, dass auch die Verjährung erst in diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt. Wirkt aber die Genehmigung auf den Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts zurück, so würde dies bei strenger Durchführung bedeuten, dass auch Fristen als zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäftsabschlusses angelaufen angesehen werden müssten. Jedoch wird auch dies nicht in dieser Konsequenz durchgeführt. In den vorliegenden Fällen ist anerkannt, dass sie von der Rückwirkungsregel ausgenommen sind. So kann keine Verjährung rückwirkend in Lauf gesetzt werden412 – sonst wären Fälle denkbar, in denen Ansprüche aus dem Rechtsgeschäft bereits vor Geneh­ migungserteilung verjährt sind, obwohl der Gläubiger vor Erteilung der Geneh­ migung keine Möglichkeit hatte, seinen Anspruch durchzusetzen413. Mit einer lediglich ex nunc wirkenden Genehmigung würde das gleiche Ergebnis erzielt, ohne eine Ausnahme bemühen zu müssen. d)  Genehmigung von Prozesshandlungen Genehmigungsfähig sind auch einige Prozesshandlungen. Die Genehmigung wirkt in diesen Fällen nach überwiegender Ansicht ebenfalls zurück414. Die Möglichkeit der Genehmigung ergibt sich zum Beispiel aus §  89 Abs.  2 ZPO und §  547 Nr.  4 ZPO. Für die Rückwirkung spricht hier der Gedanke der Pro­ zess­ökonomie. Die bis zur Genehmigung gegebene Prozessführung soll als „Grundlage des weiteren Verfahrens und der gerichtlichen Entscheidung die­ nen“415. Da die Prozesshandlungen und -rechtsfolgen aufeinander aufbauen, würde bei einer bloßen ex nunc-Wirkung der Genehmigung, den der schwebend

412  RGZ 65, 245, 248; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 57; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  13 m. w. N.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S.  899. 413 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38, aber differenziert wenn Ansprüche des Genehmigenden selbst betroffen. 414  BGHZ 92, 137, 140; BGH NJW 1995, 1901, 1902; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  33, Vorbem zu §§  182–185 Rn.  19; MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  15, 8.; zu §  89 Abs.  2 ZPO: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, §  89 Rn.  12; Musielak/ Voit/Weth, ZPO, §  89 Rn.  15; zu §  547 ZPO: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, §  547 Rn.  11 f. 415  Anton, Die „Genehmigung“ von Rechtsgeschäften und Prozesshandlungen, S.  97.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

unwirksamen Prozesshandlung folgenden Handlungen die Basis entzogen416. In diesem Fall scheint eine ex tunc-Wirkung sinnvoll. e)  Genehmigung von Gestaltungserklärungen Bei der Genehmigung von Gestaltungserklärungen erscheint die Rückwirkung der Genehmigung problematisch. Wenn beispielsweise eine Nachfristsetzung im Mängelrecht genehmigt werden muss, kann es vorkommen, dass die Geneh­ migung erst erteilt wird, wenn die Frist bereits abgelaufen ist. Durch die Rück­ wirkung der Genehmigung wäre sie dennoch wirksam und abgelaufen, ohne dass eine Verpflichtung zur Nacherfüllung vor der Genehmigung tatsächlich bestand. Daher wird auch für diese Fälle vertreten, eine Ausnahme zuzulassen und die Rückwirkung der Genehmigung beispielsweise in Fällen einer Nach­ fristsetzung417 oder auch einer Kündigung418 für unzulässig zu erklären, jeden­ falls nach Ablauf der jeweiligen Frist419. Eine andere Auffassung setzt einen Schritt eher an und erklärt schon die Genehmigung von Gestaltungsgeschäften an sich für unzulässig. Diese sei bei Gestaltungsrechten nicht möglich, da solche als unmittelbar rechtsgestaltende Erklärungen mit einem Schwebezustand un­ vereinbar seien420. Ursprünglich für den Fall der Genehmigung einer Aufrech­ nung entwickelt421, sollen Gestaltungserklärungen, denen die erforderliche Ge­ nehmigung fehlt, nicht schwebend unwirksam, sondern nichtig sein. Auch hier gibt es Ansichten, die dieses Ergebnis nicht generell auf alle Gestaltungserklä­ rungen anwendbar machen, sondern im Einzelfall entscheiden wollen422. Ob nun die Genehmigungsmöglichkeit generell oder nur deren Rückwirkung abzu­ lehnen ist, muss hier nicht weiter vertieft werden. Offensichtlich ist, dass eine Rückwirkung jedenfalls nicht erwünscht ist. Mit einer nur ex nunc wirkenden Genehmigung könnte dieses Ergebnis von vornherein erzielt werden. f)  Genehmigung in der Insolvenz Die Rückwirkung der Genehmigung kann des Weiteren zu Problemen führen, wenn zwischen Abschluss des Rechtsgeschäfts und Erteilung der Genehmigung 416 

Anton, Die „Genehmigung“ von Rechtsgeschäften und Prozesshandlungen, S.  97. BGHZ 143, 41, 46; 114, 360, 366. 418  OLGR Karlsruhe 2004, 428. 419  BGHZ 143, 41, 46; 114, 360, 366; OLGR Karlsruhe 2004, 428; Für die Fristsetzung gemäß §  281 Abs.  1 und §  323 Abs.  1 BGB: BeckOK-BGB/Bub, §  184 Rn.  9; nach Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  38a soll bei einseitigen rechtsgestaltenden Erklärungen die Ge­ nehmigung selbst ausgeschlossen sein. 420  BGHZ 11, 27, 37; Palandt/Ellenberger, BGB, §  185 Rn.  2. 421  BGHZ 11, 27, 37. 422  Fellner, Die Rückwirkung gegen Dritte seit der Entstehung des BGB, S.  109. 417 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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über das Vermögen einer der Vertragsparteien das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Hier sind vier verschiedene Konstellationen denkbar423: In der ersten Situation liegt das Genehmigungserfordernis auf Veräußerersei­ te und der Vertragsgegenstand gehört zur Konkursmasse. Vor Erteilung der Ge­ nehmigung wird über das Vermögen des Veräußerers das Insolvenzverfahren eröffnet. In der zweiten Konstellation liegt das Genehmigungserfordernis auf Erwer­ berseite. Über das Vermögen des Erwerbers wird zwischen Abschluss des Rechtsgeschäfts und Genehmigung das Insolvenzverfahren eröffnet. Des Weiteren ist folgende dritte Konstellation denkbar: Das Insolvenzverfah­ ren wird auf der Seite des Erwerbers eröffnet und nun genehmigt der Veräuße­ rer ein zuvor abgeschlossenes Rechtsgeschäft. Im letzten möglichen Fall ist der Erwerber genehmigungsberechtigt. Vor Er­ teilung der Genehmigung wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Veräußerers eröffnet. Diese vier Konstellationen sollen im Folgenden daraufhin untersucht werden, welche Auswirkungen eine nach Insolvenzverfahrenseröffnung erteilte Geneh­ migung hat. Hierbei sind wieder die Auswirkungen der ex tunc wirkenden Ge­ nehmigung sowie die Auswirkungen einer ex nunc wirkenden Genehmigung zu betrachten. aa)  Genehmigung mit ex tunc-Wirkung In den ersten beiden Konstellationen ist die Lösung relativ unproblematisch. Das Recht zur Genehmigung dürfte gemäß §  80 Abs.  1 InsO auf den Insolvenz­ verwalter übergehen und gemäß §  81 Abs.  1 InsO dem Schuldner verwehrt sein424. Dem Begriff der Verfügung in §  81 InsO unterfallen auch „rechtsge­ schäftsähnliche Handlungen mit verfügendem, d. h. unmittelbar rechtsgestal­ tendem Charakter“425. Jedenfalls hierunter dürfte die Genehmigung oder ihre Verweigerung fallen, da sie einen vorher bestehenden Schwebezustand beseitigt und damit die Rechtslage unmittelbar umgestaltet 426. In der dritten Konstellation stellt sich die Frage, ob der Gegenstand aufgrund der Rückwirkung der Genehmigung in die Insolvenzmasse fällt. Nach §  35 423 

Aufteilung nach: Egert, Die Rückwirkung der Genehmigung, S.  82. Kayser/Thole/Kayser, InsO, §  91 Rn.  38; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  30; Zur Konkursordnung – einschlägig waren hier §§  6 Abs.  2, 7 Abs.  1 KO a. F. – Egert, Die Rückwirkung der Genehmigung, S.  82; Jacobi, Über Rückwirkungsanordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  119. 425 Uhlenbruck/Mock, InsO, §  81 Rn.  5; ähnlich: MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, §  81 Rn.  5. 426  Von der Anwendbarkeit des §  81 Abs.  1 InsO auf die Genehmigung gehen mit unterschied­ lichen Begründungen beispielsweise aus: BeckOK BGB/Bub, §  184 Rn.  6; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  30; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, §  81 Rn.  12. 424 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

InsO ist nicht nur das Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröff­ nung des Insolvenzverfahrens gehört, sondern auch das, welches er während des Verfahrens erlangt. Somit dürfte es unerheblich sein, ob man aufgrund der Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts abstellt oder auf den Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung. Der Gegenstand gehört in jedem Fall zur Insolvenzmasse427. Dies wurde auch schon unter der Konkur­ sordnung vertreten428, die in ihrer Definition der Konkursmasse in §  1 den Neu­ erwerb im Unterschied zur heutigen Insolvenzordnung429 nicht umfasste. Am interessantesten erscheint die vierte Konstellation. Hier stellt sich die Frage, ob der Erwerber durch seine Genehmigung und deren rückwirkende Kraft den Gegenstand aus der Insolvenzmasse herausziehen kann. Genauer ge­ sagt, ob die Rückwirkung der Genehmigung den §  91 InsO überwinden kann. Für die entsprechende Norm in der Konkursordnung – §  15 – wurde diese An­ sicht jedenfalls vertreten430. Auch für die Insolvenzordnung ist es wohl herr­ schende Meinung, dass §  91 InsO den Rechtserwerb nicht hindert 431. Als Grund wird die Rückwirkung der Genehmigung gesehen, welche die Rechtsfolgen in einem Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten lässt 432. Unumstritten ist dies jedoch nicht. Teilweise wird vertreten, dass ein Berufen auf die Rückwirkung alleine nicht ausreiche, vielmehr müsse der Schuldner schon in gleicher Weise gebunden sein, wie bei einem Rechtsgeschäft unter ei­ ner aufschiebenden Bedingung433. Hinzu kommt, dass die Ansichten zu §  140 Abs.  1 InsO mit der oben genannten herrschenden Meinung nicht ganz in Ein­ klang zu stehen scheinen. Diese Norm regelt den Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung im Rahmen der Vorschriften über die Insolvenzanfechtung. Dieser Zeitpunkt ist dafür relevant, ob eine Rechtshandlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde und damit die §§  80, 81, 91 InsO ein­ schlägig sind, oder eben vor Eröffnung und somit gegebenenfalls eine Anfech­ 427  Wenn auch die Genehmigung in einem bestimmten Fall zur Verringerung der Masse führen kann, nämlich wenn die Genehmigung einer gestohlenen und danach verarbeiteten Sache zugelas­ sen wird, um den Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB zu ermöglichen: Hierzu: Jaeger/Windel, InsO, §  91 Rn.  108; Häsemeyer, KTS 1982, 18 ff. 428  Egert, Die Rückwirkung der Genehmigung, S.  82. 429  Siehe beispielsweise: MünchKomm-InsO/Peters, §  35 Rn.  7 ff. 430  RGZ 134, 73, 78; Jaeger, KO, §  15 Rn.  93 m. w. N.; Egert, Die Rückwirkung der Genehmi­ gung, S.  82. 431  Kayser/Thole/Kayser, InsO, §  91 Rn.  36; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, §  91 Rn.  52; MünchKomm-InsO/Breuer, §  91 Rn.  48; Uhlenbruck/Mock, InsO, §  91 Rn.  71; Gottwald/Eick­ mann, Insolvenzrechtshandbuch, §  31 Rn.  30. 432  Kayser/Thole/Kayser, InsO, §  91 Rn.  36; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, §  91 Rn.  52; MünchKomm-InsO/Breuer, §  91 Rn.  48; Uhlenbruck/Mock, InsO, §  91 Rn.  71; Lange, ZIP 1999, 1373 (1378 f.). 433 Jaeger/Windel, InsO, §  91 Rn.  106; Berliner Kommentar/Blersch/v. Olshausen, InsO, §  91 Rn.  7, der die Bindung schon vor Insolvenzeröffnung als richtige Begründung ansieht.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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tungsmöglichkeit besteht434. Für den Fall der erforderlichen Erteilung einer Ge­ nehmigung zu einem Rechtsgeschäft wird hier vertreten, dass dieses trotz ei­ gentlicher Rückwirkung erst mit Erteilung der Genehmigung als vorgenommen gilt435. In der oben geschilderten vierten Konstellation würde dies bedeuten, dass das Rechtsgeschäft erst während des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden und somit eine Anfechtung ausgeschlossen ist. Damit wird aber gleich­ zeitig gesagt, dass das Rechtsgeschäft nach Verfahrenseröffnung vorgenom­ men wurde und somit §  91 InsO einschlägig sein müsste. Es erscheint daher zunächst widersprüchlich und es wäre zumindest diskussionsbedürftig, warum bei §  91 InsO auf die Rückwirkung der Genehmigung abgestellt wird und be­ züglich §  140 InsO gerade nicht. Die Schutzrichtung von §  91 InsO und der In­ solvenzanfechtung scheint der Schutz der Gläubiger vor Benachteiligung436 zu sein. Im vorliegenden Fall würde durch die unterschiedliche Bewertung der Ge­ nehmigung sowohl die Anfechtung ausgeschlossen, als auch §  91 Abs.  1 InsO überwunden. Es scheint hier zunächst, als würde ein eigentlich durch eine Rückwirkungsfiktion in die Vergangenheit verlegter Rechtsgeschäftsabschluss für den Fall der Insolvenzanfechtung wiederum fiktiv auf den Zeitpunkt der Genehmigung verlegt. Jaeger nennt hierzu als maßgeblichen Zeitpunkt nicht den des Rechtsgeschäftsabschlusses, sondern den Zeitpunkt, zu dem die Bin­ dungswirkungen eintreten437, was bei einem genehmigungsbedürftigen Rechts­ geschäft erst mit Erteilung der Genehmigung der Fall ist 438. Genauso gut ließe sich jedoch argumentieren, dass die Wirkungen des Rechtsgeschäfts zwar erst mit Erteilung der Genehmigung eintreten, aber eben rückwirkend auf den Zeit­ punkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Es bleibt festzuhalten, dass die Kon­ struktion der Rückwirkung hier zu Auslegungsschwierigkeiten und Unstim­ migkeiten führt, während sich diese Problematik bei einer ex nunc-Wirkung nicht stellen würde. Es konnte somit gezeigt werden, dass die Rückwirkung der Genehmigung zumindest in der vierten besprochenen Konstellation für Auslegungsschwierig­ keiten sorgt und auch nicht einheitlich behandelt wird. Im Folgenden soll die Frage geklärt werden, wie die besprochenen Fallkonstellationen bei einer bloß ex nunc wirkenden Genehmigung zu lösen wären. 434 Wimmer/Dauernheim,

FK InsO, §  140 Rn.  1. FK InsO, §  140 Rn.  11; Kayser/Thole/Thole, InsO, §  140 Rn.  5, S.  1532; MünchKomm-InsO/Kirchhof, §  140 Rn.  8; Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, §  140 Rn.  9; An­ deres soll nur bei öffentlich-rechtlichen Genehmigungen gelten. Hier soll der Zeitpunkt des bin­ denden Vertragsschlusses maßgeblich sein: Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, §  140 Rn.  9 m. w. N. 436  Kayser/Thole/Kayser, InsO, §  91 Rn.  1; Kayser/Thole/Thole, InsO, §  129 Rn.  1, 7 ff. 437 Jaeger/Henckel, InsO, §  140 Rn.  33. 438  S. Vierter Teil, §  5 II. 1 a), S.  84 f. 435 Wimmer/Dauernheim,

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

bb)  Genehmigung mit ex nunc-Wirkung Bei der Lösung der ersten drei Konstellationen würde sich bei einer lediglich für die Zukunft wirkenden Genehmigung kein Unterschied ergeben. Eine Vereinfachung ergäbe sich lediglich in der vierten Situation. Hier ist eindeutig, dass bei einem Verfügungsgeschäft das Eigentum erst nach Eröff­ nung des Insolvenzverfahrens und nur für die Zukunft erworben würde. §  91 Abs.  1 InsO wäre somit unumstritten einschlägig. cc) Zusammenfassung Auch bei der Frage einer Insolvenz zwischen Rechtsgeschäftsabschluss und Ge­ nehmigung würde sich die bei Rückwirkung der Genehmigung einzig kompli­ zierte Situation auflösen, wenn die Wirkungen nur für die Zukunft eintreten würden. Eine ex nunc-Regelung würde die Rechtslage somit geringfügig ver­ einfachen. g)  Genehmigung und Zwangsvollstreckung Auch im Bereich der Zwangsvollstreckung sind Kollisionen mit der Rückwir­ kung der Genehmigung denkbar. Wird die Zwangsvollstreckung auf Seiten des Genehmigenden durchgeführt, regelt §  184 Abs.  2 BGB, dass er selbst nun keine Genehmigung mehr vornehmen kann439. Bei einer ex nunc wirkenden Geneh­ migung gilt dasselbe: Die Frage einer anderen Beurteilung kann sich nur aus der Rückwirkung ergeben, an der es hier fehlt. Interessanter ist wiederum der Fall, dass die Zwangsvollstreckung nicht auf der Seite des Genehmigenden vorgenommen wurde, sondern auf der Gegensei­ te. Die Möglichkeit einer Genehmigung in einem solchen Fall wurde zunächst verneint440. Später und bis heute geht jedoch die herrschende Meinung davon aus, dass eine Genehmigung in diesem Fall möglich ist und aufgrund ihrer Rückwirkung die Zwangsvollstreckungsmaßnahme überwindet 441. Es ist heute – wie bereits dargestellt – allgemeine Ansicht, dass §  184 Abs.  2 BGB nicht zur allgemeinen Regel ausgeweitet werden kann und damit auch nur die Zwangs­ vollstreckung gegen den Genehmigenden erfasst442. Somit kann aus dieser 439  MünchKomm-BGB/Bayreuther, §  184 Rn.  38; Jacobi, Über Rückwirkungsanordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, S.  125. 440  So beispielsweise wohl noch: Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts I, 1931, S.  631 Fn.  18. 441 Staudinger/Gursky, Neubearb. 2014, §  184 Rn.  48; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deut­ schen Bürgerlichen Rechts II/2, S.  245 f.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerli­ chen Rechts II, S.  1242 f.; a. A. Jacobi, Über Rückwirkungsanordnungen im Bürgerlichen Gesetz­ buch, S.  134 ff. 442  S. Vierter Teil, §  5 II. 3. b) aa) (1), S.  106 ff.

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Norm jedenfalls kein Gegenargument für das Überwinden der Zwangsvollstre­ ckungsmaßnahme gezogen werden. Auch hier führt jedoch die Rückwirkung der Genehmigung überhaupt erst zu obiger Diskussion. Bei einer bloßen ex nunc-Wirkung der Genehmigung würde sich diese nicht ergeben. Hier bestünde mangels Rückwirkung kein Anhalts­ punkt, sich über eine Überwindung der bereits vollzogenen Zwangsvollstre­ ckungsmaßnahme Gedanken zu machen. Inhaltlich käme sie damit zu einem der heute herrschenden Meinung entgegengesetzten Ergebnis. h)  Zusammenfassung und Bewertung Zusammenfassend lassen sich insbesondere zwei Punkte festhalten: Zunächst werden in vielen Fällen, in denen das bei konsequenter Anwendung der Rückwirkung zu erzielende Ergebnis nicht praktikabel oder unbillig er­ scheint, Ausnahmen von der Rückwirkung gemacht und eine bloße Wirkung für die Zukunft zugelassen. So beispielsweise beim Verzug, bezüglich Verjäh­ rungsfristen und Gestaltungserklärungen. Weiter und daraus folgend lässt sich beobachten, dass bei Streitigkeiten um die Auswirkung der Rückwirkung, die herrschende Ansicht häufig zu einem Ergebnis kommt, das mit einer ex nunc-Wirkung auf einfacherem Wege zu er­ reichen wäre. Dies gilt beispielsweise bezüglich der Fragen der Genehmigungs­ befugnis und der Gutgläubigkeit. Dieselben Wertungen der momentan herr­ schenden Ansicht könnten in diesen Fällen, soweit sich ein Unterschied zwi­ schen ex nunc- und ex tunc-Wirkung überhaupt zeigt, also einfacher durchgesetzt werden. Dem bestehenden Streit würde die Grundlage entzogen, da dieser sich allein an der Rückwirkung entzündet. Die Genehmigung als Regelfall mit ex nunc-Wirkung auszustatten würde also bedeuten, die Lösung der Einzelfälle einfacher, klarer und widerspruchs­ freier zu machen. 4.  Exkurs: Rückwirkung der Bedingung und ihre Argumente Die Ähnlichkeit der Situation der aufschiebenden Bedingung mit der der Ge­ nehmigung wurde bereits mehrfach angesprochen. Aufgrund des Umfangs der Thematik soll die Bedingung im Folgenden in einem gesonderten Abschnitt betrachtet werden. Sowohl im Fall der noch nicht eingetretenen Bedingung, als auch im Fall der noch ausstehenden Genehmigung ist ein Rechtsgeschäft zu­ nächst in der Schwebe und erlangt durch ein bestimmtes Ereignis – Genehmi­ gungserteilung oder Bedingungseintritt – Wirksamkeit.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Die Bedingung besitzt im geltenden Recht ex nunc-Wirkung443. Lediglich eine schuldrechtliche Rückwirkung ist nach §  159 BGB durch Vereinbarung der Parteien möglich444. Jedoch wurde – vor allem in Bezug auf den praktisch wich­ tigen Fall des Eigentumsvorbehalts – auch schon für eine dingliche Rückwir­ kung der Bedingung plädiert 445. Zunächst soll daher ein kurzer Überblick über die Wirkung der Bedingung und ihre Beurteilung in der Vergangenheit gegeben werden. In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, ob und welche Er­ kenntnisse daraus für die vorliegende Untersuchung der Rückwirkung der Ge­ nehmigung gezogen werden können. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die für eine Rückwirkung der Bedingung sprechenden Argumente auch im Fall der Genehmigung als vergleichbarer Situation herangezogen werden können. a)  Allgemeine Einführung zur Rückwirkung der Bedingung Die Rückwirkung der Bedingung ist seit jeher eine viel diskutierte Frage446. Bekannt ist die Kontroverse vor allem aus dem Pandektenrecht seit Windscheids Werk „Die Wirkung der erfüllten Bedingung“447. Über die Frage, ob im römi­ schen Recht die erfüllte Bedingung Rückwirkung hatte, ist man sich nicht ei­ nig448. Einigkeit besteht allenfalls darin, dass es keine generelle Rückwirkung der Bedingung gab449. Das eher bruchstückartig anmutende Bedingungsrecht wurde erstmals von Bartolus in eine methodische Form gebracht, der damit auch eine Lehre von der Rückwirkung der Bedingung herausarbeitete450. Die Rückwirkung selbst stellte nach Bartolus eine Fiktion dar451. Im gemeinen Recht war die Auseinanderset­ zung mit der Lehre von der Rückwirkung der Bedingung vorhanden und fand ihren Höhepunkt mit dem Streit der Pandektisten im 19. Jahrhundert452. Zu­ 443  BGHZ 10, 69, 72; 133, 331, 334; BGH NJW 1998, 2360, 2362; Staudinger/Bork, BGB, Neu­ bearb. 2015, §  158 Rn.  3, 20 f.; Jauernig/Mansel, BGB, §  158 Rn.  7 f.; BeckOK BGB/Rövekamp, §  158 Rn.  28, 32; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, §  158 Rn.  38. 444 Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2015, §  159 Rn.  1; MünchKomm-BGB/H. P. Wester­ mann, §  159 Rn.  1 ff.; zur Begründung siehe Motive I, S.  254. 445 Zuletzt Armgardt, AcP 206 (2006), 654–682 sowie Armgardt, JuS 2010, 486–490; davor schon Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162–201; dagegen mangels Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Regelung: NomosKommentar-BGB/Wackerbarth, Bd. I, §  158 Rn.  55. 446 Ausführlich: Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung. 447  Windscheid, Die Wirkung der erfüllten Bedingung. 448  Zimmermann, The Law of Obligations, S.  726 ff.; Untersuchungen zur Rückwirkung der Bedingung im römischen Recht beispielsweise bei: Armgardt, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 2010, S.  341–349; Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  265–293. 449  Kaser, Das römische Privatrecht II, S.  96 m. w. N.; Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, S.  15 ff., 23; Wesener, in: Festgabe für Arnold Herdlitczka, S.  291 ff. m. w. N. 450  Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, S.  29 ff. m. w. N. 451  Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, S.  30 f. 452  Überblick bei: Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, §  91 Anm.  1, S.  474 ff.

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nächst schien die Lehre von der Rückwirkung der Bedingung durch die Schrift von Sell453 gefestigt zu sein454. Doch ihre Bedeutung wurde von der bereits er­ wähnten Schrift Windscheids455 wieder in Zweifel gezogen. Auf ihn geht wohl die Ablehnung der Rückwirkung der Bedingung zurück456. Später wurde die Frage der Rückwirkung der Bedingung noch einmal von Fitting457 diskutiert, der sie jedoch als „Rückziehung“458 versteht und somit – im Gegensatz zu Bar­ tolus, der die Rückwirkung als Fiktion ansah459 – ein Vertreter der Deklara­ tions­theorie ist. Bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs wurde die Frage erneut dis­ kutiert. Nach der Feststellung im Rahmen der ersten Kommission, dass im ge­ meinen Recht Streit über die Wirkung der Bedingung bestand, wurden zunächst die unterschiedlichen Regelungen in den bereits bestehenden Gesetzbüchern dargestellt. Auch hier ergab sich kein einheitliches Bild460. Man entschied, dass für eine dingliche Rückwirkung kein Bedürfnis bestehe, eine Schutzvorschrift gegen Verfügungen des bedingt Verpflichteten sei ausreichend461. Eingewandt wurde dagegen jedoch, dass in Bezug auf das Verpflichtungsgeschäft eine Rückwirkung ohne weiteres vereinbart werden könnte und in Bezug auf das Verfügungsgeschäft durch die dingliche Bindung eine Art „Fiktion der Rück­ wirkung“ entstehe und somit durch die beabsichtigte Regel nichts gewonnen sei462. Dagegen wurde vorgebracht, der Wert der Regelung bestehe darin, dass sie sich gegen die früher vertretene Rückwirkung der Bedingung wende und in vom Gesetz nicht vorherzusehenden Fällen die Lösung erleichtere. Zudem hät­ ten dingliche Bindung und Rückwirkung nichts miteinander zu tun463. Die Pro­ tokolle der zweiten Kommission ergeben, dass das Argument, die Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspreche bei der auflösenden Bedin­ gung in der Regel dem Parteiwillen, von der Mehrheit abgelehnt wurde464, also 453 

Sell, Ueber bedingte Traditionen. Eisele, AcP 50 (1867), 253; Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, S.  90 ff. 455  Windscheid, Die Wirkung der erfüllten Bedingung, siehe besonders S.  13 ff., wo Wind­ scheid die Argumente für eine Rückwirkung der aufschiebenden Bedingung entkräftet. 456  Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, S.  98, 150. 457  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung. 458  Fitting, Über den Begriff der Rückziehung S.  6. 459  Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, S.  30 f. 460  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S.  492. 461  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S.  492. 462  Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusam­ menstellung der unveröffentlichten Quellen, AT II, S.  832. 463  Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusam­ menstellung der unveröffentlichten Quellen, AT II, S.  832 f. 464  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche 454 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

ein Argument, das wie gezeigt auch für die Rückwirkung der Genehmigung angeführt wurde. Warum dies gerade im Unterschied zur Genehmigung hier abgelehnt wurde, ist aus den Materialien nicht ersichtlich. In neuerer Zeit wurde der Gedanke der Rückwirkung der Bedingung zu­ nächst von Eichenhofer465 und später von Armgardt466 wieder aufgegriffen. b)  Gründe der unterschiedlichen Behandlung Zunächst stellt sich die Frage, warum zwei ähnliche Situationen – die Erteilung einer Genehmigung und der Eintritt einer Bedingung – derart unterschiedlich geregelt worden sind. Finkenauer sieht als mögliche Begründung für die man­ gelnde Einheitlichkeit der Regelung die „Autorität des Windscheidschen Lehr­ buchs“467 an. In der Tat gibt es keine Hinweise darauf, dass etwa eine genaue Analyse der Einzelfälle vorgenommen wurde, anhand derer man hätte die bes­ sere Eignung einer ex tunc- oder ex nunc-Wirkung feststellen können, auch eine sonstige Motivation lässt sich nicht erkennen468. Eine fundierte Begründung der unterschiedlichen Behandlung fehlt also. Bei der bisherigen Analyse der Rückwirkung der Genehmigung in dieser Arbeit spricht, sowohl mangels zugrundeliegender Privatrechtsprinzipien als auch durch Betrachtung der Einzelfälle, einiges für eine Bevorzugung einer ex nunc-Wirkung. Im Rahmen der Ausführungen der Vertreter, die sich aktuell mit der Wirkung der Bedingung beschäftigen, spricht hingegen einiges für eine Rückwirkung der Bedingung. Die Argumente sollen im Folgenden dargestellt werden. Anhand der Frage, worauf die wesentlichen Argumente beruhen und ob sie gegebenenfalls doch auch für eine Rückwirkung der Genehmigung spre­ chen, können vielleicht Rückschlüsse auf den entscheidenden Unterschied bei­ der Fälle gezogen werden, der eine unterschiedliche Behandlung – jedoch even­ tuell in umgekehrter Weise – rechtfertigt.

Reich I, S.  762; so auch in der Vorkommission des Reichsjustizamts: Jakobs/Schubert, Die Bera­ tung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, AT II, S.  862. 465  Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162–201. 466  Armgardt, AcP 206 (2006), 654–682; Armgardt, JuS 2010, 486–490. 467 HKK-BGB I/Finkenauer, §§  182–185 Rn.  6 unter Bezug auf Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, §  91 Fn.1, §  74 Fn.  6. 468  HKK-BGB I/Finkenauer, §§  182–185 Rn.  6.

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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c)  Argumente für die Rückwirkung der Bedingung und Übertragbarkeit auf die Situation der Genehmigung Während die älteren Auseinandersetzungen mit der Rückwirkung der Bedin­ gung zum großen Teil hauptsächlich eine Quellenanalyse vornehmen469 und sich zum Teil auch auf die Frage der Übereinstimmung mit dem Parteiwillen stützen470, nähern sich die genannten neueren Auseinandersetzungen471 dem Thema auf eine dogmatische Weise. Sowohl Armgardt als auch Eichenhofer untersuchen die dingliche Rückwirkung der Bedingung als Gegenmodell zur Lehre vom Anwartschaftsrecht. Die wichtigste Fallgruppe ist hier der Kauf un­ ter Eigentumsvorbehalt. In dieser Situation hängt der Erwerb des Vollrechts nur noch von der Erfüllung der Bedingung ab, während der Veräußerer diesen nicht mehr einseitig verhindern kann472. Es besteht zudem ein erhebliches Interesse daran, über diese zwischen Vertragsabschluss und Bedingungseintritt beste­ hende Rechtsposition verfügen zu können473. Aus diesem Bedürfnis ist die Leh­ re vom Anwartschaftsrecht entstanden474, deren Ansätze auch durch von Tuhr475 entwickelt wurden. Die Lehre vom Anwartschaftsrecht ist Gegenstand reger Diskussionen und Kritik und hat eine kaum überschaubare Flut an Literatur und Rechtsprechung ausgelöst 476. Die dingliche Rückwirkung der Bedingung wird als Alternativmodell dem Anwartschaftsrecht gegenübergestellt. Durch Unter­ suchung von Einzelfällen zeigen Armgardt und Eichenhofer, dass durch die Konstruktion der Rückwirkung im Gegensatz zum Anwartschaftsrecht viele Fälle – insbesondere das „Übertragungsproblem“477, also die Frage der Übertra­ gung der bedingten Rechtsposition und miteinander kollidierende Verfügungen darüber – widerspruchsfrei gelöst werden können478. Während die Lehre vom Anwartschaftsrecht Anwartschaft und Eigentum als zwei verschiedene Verfü­ gungsgegenstände sieht und eine Verfügung über das Anwartschaftsrecht für zulässig erachtet, geht die Pendenztheorie von einer Verfügung über das Eigen­ 469 Beipielsweise: Eisele, AcP 50 (1867), 281–327; Fitting, Über den Begriff der Rückziehung; Sell, Ueber bedingte Traditionen; Windscheid, Die Wirkung der erfüllten Bedingung. 470  Eisele, AcP 50 (1867), 253–281. 471  Armgardt, AcP 206 (2006), 654–682; Armgardt, JuS 2010, 486–490; Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162–201. 472  Siehe beispielsweise: Vieweg/Werner, §  11 Rn.  34, S.  365. 473  Baur/Stürner, Sachenrecht, S.  827 f. Rn.  3. 474  Siehe beispielsweise: Baur/Stürner, Sachenrecht, §  59 A I, S.  827 f. Rn.  3, §  59 B IV, S.  843 Rn.  32. 475  v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II/2, S.  291 f. 476  Siehe beispielsweise: Baur/Stürner, Sachenrecht, §  59 B IV, S.  843 Rn.  33 unter Verweis auf die zahlreichen Literaturhinweise vor §  59. 477  Begriff nach: Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (168). 478  Armgardt, AcP 206 (2006), 654 (679 f.); Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (168 ff., 191 ff.).

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

tum aus479. Dies führt dazu, dass zunächst die Verfügung eines Nichtberechtig­ ten vorliegt, die aufgrund der dinglichen Rückwirkung mit Bedingungseintritt zur Verfügung eines Berechtigten wird480. Eichenhofer nennt beispielsweise den Fall, dass der Vorbehaltskäufer seine Rechtsposition in Bezug auf unter Eigentumsvorbehalt geliefertes Grundstückszubehör überträgt während das Grundstück mit einem Grundpfandrecht belastet ist. Hier bekomme die Lehre vom Anwartschaftsrecht insofern Probleme, als die Trennung der Verfügungs­ positionen zu der Frage führe, ob das Anwartschaftsrecht ohne die Belastung übertragen werden könne und so Fragen des Durchgangs- oder Direkterwerbs erörtert werden müssten481. Die Pendenztheorie hingegen löse den Fall völlig unproblematisch durch die Rückwirkung der Bedingung, wonach klar ist, dass dingliche Belastungen, die vor der Verfügung bestanden, erhalten bleiben und umgekehrt 482. Dies ist jedoch nur ein Beispielsfall. Die geltenden Wertungen können nach Armgardt und Eichenhofer durch Annahme einer dinglichen Rückwirkung einfacher und genauer abgebildet werden483. Die Lehre von der Rückwirkung der Bedingung erscheint ihnen als dogmatische Grundlage für den Kauf unter einer aufschiebenden Bedingung damit zumindest gleich gut, wenn nicht besser geeignet als die Lehre vom Anwartschaftsrecht 484. Die entscheidenden, für eine dingliche Rückwirkung der Bedingung spre­ chenden Argumente, beruhen auf der genaueren und einfacheren Erfassung der Situation und der aus ihr erwachsenden Bedürfnisse in der Schwebezeit. Frag­ lich ist also, ob sich dieselbe Situation auch in der Schwebezeit bei ausstehender Genehmigung ergibt. Hier ist ein entscheidender Unterschied festzustellen: Bei einer Verfügung, die unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen wird, hat der bedingt Erwerbende bereits eine gesicherte Rechtsposition inne. Der bedingt Verfügende ist durch §  161 BGB gehindert, weitere entgegenste­ hende Verfügungen vorzunehmen. Zudem besteht ein Schadensersatzanspruch aus §  160 BGB bei Vereitelung oder Beeinträchtigung des Rechts. Insbesondere aus dem Schutz des §  161 Abs.  1 S.  1 BGB wird von der herrschenden Lehre eine gefestigte Rechtsposition des Erwerbers, das Anwartschaftsrecht, abgelei­ tet485. Ein solcher Schutz besteht für den Erwerber bei einer Verfügung, die zu ihrer Wirksamkeit noch einer Genehmigung bedarf, nicht. Der zur Genehmi­ gung Berechtigte kann vielmehr wirksam Zwischenverfügungen vornehmen, wie sich aus §  184 Abs.  2 BGB ergibt. Auch ein Schadensersatzanspruch für 479 

Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (168 f., 170 f.). Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (170 f.). 481  Armgardt, AcP 206 (2006), 654 (670); Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (171 ff.). 482  Armgardt, AcP 206 (2006), 654 (679, 680); Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (173). 483  Armgardt, AcP 206 (2006), 654 (679, 680); Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (195 f.). 484  Armgardt, AcP 206 (2006), 654 (680 ff.); Eichenhofer, AcP 185 (1985), 162 (191 ff., 201). 485  Siehe beispielsweise: Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2015, Vorbem zu §§  158 ff. Rn.  55. 480 

§  5  Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB

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Hauptpflichtverletzungen während der Schwebezeit erscheint diskussionswür­ dig486. Das Maß, in dem das jeweilige Rechtsgeschäft bereits gefestigt ist, ist also höchst unterschiedlich. Für die Rückwirkung sprechen deutliche Argumen­ te genau in der Situation der aufschiebend bedingten Verfügung, in der das Rechtsgeschäft nicht mehr einseitig vom Gegner zerstört werden kann. Hier kann die Lösung, beispielsweise des Übertragungsproblems, widerspruchsfrei­ er und klarer vorgenommen werden487. In der Situation der fehlenden Genehmi­ gung gibt es eine solche gefestigte Rechtsposition nicht. Fragen der Verfügung darüber stellen sich also gar nicht erst. Die Argumente, die für eine dingliche Rückwirkung der Bedingung sprechen, können also auf die Situation der aus­ stehenden Genehmigung nicht übertragen werden. Sie würden vielmehr hier ins Leere gehen, da ihnen die Grundlage fehlt. 5.  Gesamtabwägung und Ergebnis Die Rückwirkung der Genehmigung wurde unter drei wesentlichen Gesichts­ punkten untersucht. Zunächst stellte sich die Frage, ob sie der Durchsetzung privatrechtlicher Prinzipien dient. Sodann wurde anhand von Einzelfällen der Unterschied zu einer hypothetischen generellen ex nunc-Wirkung herausgear­ beitet. In einem letzten Schritt wurde zusätzlich die Wirkung des Eintritts der Bedingung als Vergleich herangezogen. Im Ergebnis lassen sich folgende Punkte festhalten: Es konnten keine Prinzipien des Privatrechts festgestellt werden, zu deren Durchsetzung eine Rückwirkung der Genehmigung notwendig wäre. Die Einzelfallanalyse ergab, dass eine ex nunc-Regelung – soweit sie zu Un­ terschieden führt – in vielen Fällen einfacher zu handhaben wäre, die Wertun­ gen der herrschenden Meinung widerspruchsfreier abbilden würde und die zahlreichen von der Rückwirkung vorhandenen Ausnahmen hinfällig machen würde. Auch der Vergleich mit der Bedingung ergab keine weiteren für eine Rück­ wirkung der Genehmigung sprechenden Argumente. Da keine Prinzipien ausfindig gemacht werden konnten, denen die Rückwir­ kung der Genehmigung dient, kommt es allein auf die Zweckmäßigkeitsanalyse an. Hiernach erscheint eine generelle ex nunc-Wirkung der Genehmigung nach den eingangs festgelegten Kriterien vorzugswürdiger. §  184 Abs.  2 BGB würde ganz entfallen und Abs.  1 könnte etwa folgendermaßen abgeändert werden:

486  487 

S. Vierter Teil, §  5 II. 3. a) bb) (1), S.  102 f. Armgardt, AcP 206 (2006), 654 (679 ff., 682).

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Genehmigung. Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wirkt vom Zeit­ punkt ihrer Erteilung für die Zukunft.

III.  Ergebnis zur Rückwirkung im allgemeinen Teil des BGB Die Untersuchung der ausgewählten Rückwirkungsanordnungen des allgemei­ nen Teils hat somit zu folgenden Ergebnissen geführt: Obwohl bei der Anfech­ tung einige Aspekte für eine ex nunc-Wirkung sprechen, ist doch aufgrund ei­ ner zu befürchtenden Zersplitterung der Anfechtungsfolgen die bestehende Regelung die Vorzugswürdigere. Im Gegensatz dazu sprechen im Hinblick auf die Genehmigung die überzeugenderen Argumente gegen eine Rückwirkung und für eine ex nunc-Wirkung.

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse Weitere zahlreiche Rückwirkungsanordnungen finden sich im zweiten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs, im Recht der Schuldverhältnisse488. Hier soll die Rückwirkung der Aufrechnung untersucht werden, da bei dieser im Vergleich zu den anderen Rückwirkungsanordnungen das größte Anwendungsgebiet lie­ gen dürfte.

I.  Rückwirkung der Aufrechnung 1.  Ausgangspunkt, Vergleich und Geschichte a)  Deutsches Recht Die Aufrechnung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in dem Abschnitt „Erlöschen der Schuldverhältnisse“ in den §§  387 bis 396 geregelt. Sie kann umschrieben werden als „wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender Forderun­ gen durch einseitiges Rechtsgeschäft“489. Ihre Rechtsnatur war in der Vergan­ genheit nicht ganz unumstritten490. Heute geht man allgemein von einer Dop­ pelnatur der Aufrechnung aus: Einerseits hat sie Tilgungswirkung und befreit somit von der eigenen Schuld, andererseits dient sie der Befriedigung des Auf­ rechnenden, indem sie seine eigene Forderung durchsetzt 491. Die Aufrechnung 488 

S. Dritter Teil, §  3 II., Tabelle 1, S.  22. BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  2. 490  Überblick zu den Vertretern der Tilgungstheorie und der Befriedigungstheorie beispiels­ weise bei: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  7 m. w. N. 491 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  7 m. w. N.; Münch­ Komm-BGB/Schlüter, §  387 Rn.  1; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/1, S.  298. 489 Staudinger/Gursky,

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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stellt nach allgemeiner Ansicht ein Erfüllungssurrogat dar492. Sie wird gemäß §  388 BGB durch Erklärung ausgeübt. Die Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken, nach §  389 BGB mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Entste­ hens der Aufrechnungslage493. Auch eine Aufrechnung im Prozess ist möglich. Diese stellt dann nach herrschender Ansicht sowohl Privatrechtsgeschäft als auch Prozesshandlung dar494. b)  Römisches Recht und Gemeines Recht Im klassischen römischen Recht gab es verschiedene Arten der Aufrechnung495. Ein entscheidender Unterschied zum heutigen Recht liegt darin, dass die Auf­ rechnung keine materiell-rechtliche Erfüllungswirkung hatte496. Vielmehr war sie ein rein prozessuales Instrument 497. Es gab zwei Möglichkeiten, wie die Auf­ rechnung Berücksichtigung finden konnte: Bei bestimmen Klagen war es Auf­ gabe des Richters, die Gegenforderung von der mit der Klage geltend gemach­ ten Forderung abzuziehen498. In anderen Fällen wurde der Kläger durch den Prätor dazu gezwungen, von vornherein nur den um die Gegenforderung ver­ minderten Anspruch geltend zu machen499. Diese beiden Arten finden sich nie­ dergelegt beispielsweise in den Institutionen des Gaius500. Erste materiell-recht­ liche Wirkungen der Aufrechnung sind möglicherweise der nachklassischen Zeit zuzuordnen501.

492  BGHZ 173, 328, 337; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  9; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  96; a. A.: Esser/Schmidt, Schuldrecht I/1, S.  292, wonach die Aufrechnung nicht in einer Reihe mit anderen Erfüllungssurrogaten stehe, da keine „aktive“ Leistung, sondern nur eine Verrechnung stattfinde. 493 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  1, 19; MünchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  6; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  309. 494 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  27 m. w. N.; Münch­ Komm-ZPO/Fritsche, §  145 Rn.  18 f. 495  Nähere Beschreibung z. B. bei Kaser, Römisches Privatrecht I, S.  6 44 ff.; Kaser/Knütel, Rö­ misches Privatrecht, S.  314 f.; Zimmermann, The Law of Obligations, S.  761 ff. 496  Kaser, Römisches Privatrecht I, S.  6 44; Honsell, Römisches Recht, S.  110; HKK-BGB II/2/ Zimmermann, §§  387–396, S.  2183 f. Rn.  5. 497  Kaser, Römisches Privatrecht I, S.  6 44; Honsell, Römisches Recht, S.  110; Harke, Römi­ sches Recht, S.  97 f.; HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2183 f. Rn.  5. 498  Kaser, Römisches Privatrecht I, S.  6 44; Honsell, Römisches Recht, S.  110; Crome, Grund­ züge des römischen Privatrechts, S.  215; Pichonnaz, La compensation, S.  30; HKK-BGB II/2/Zim­ mermann, §§  387–396, S.  2183 Rn.  5. 499  Kaser, Römisches Privatrecht I, S.  6 44; Honsell, Römisches Recht, S.  110; HKK-BGB II/2/ Zimmermann, §§  387–396, S.  2184 Rn.  6. 500  Gai. Inst. IV, 61–68, in: Manthe, Die Institutionen des Gaius. 501 HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2185 Rn.  8; Pichonnaz, La Compensation, S.  274 ff.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Im gemeinen Recht wurde die Aufrechnung wohl überwiegend als Erlö­ schensgrund angesehen502. Im älteren Recht trat die Wirkung der Aufrechnung ipso iure ein503. Im 19. Jahrhundert hingegen wurde überwiegend die Geltend­ machung der Aufrechnung für erforderlich gehalten504 – im Gegensatz zu den Naturrechtslehren505. Viel diskutiert wurde im 19. Jahrhundert vor allem die Frage der Rückwir­ kung der Aufrechnung506. Windscheid507 und Dernburg508 beispielsweise waren Befürworter der Rückwirkung. Letzterer sah die Rückwirkung darin begrün­ det, dass das Aufrechnungsrecht eine Einrede für die jeweilige Partei begründe, die durch Willensakt noch geltend gemacht werden müsse509. Es gab auch einige Autoren, die eine generelle Rückwirkung ablehnten. Hierzu zählte beispielswei­ se Eisele510. Nach ihm soll die Aufrechnung nur auf den Zeitpunkt zurückwir­ ken, in dem die eine Partei von dem Aufrechnungsbegehren der anderen Partei Kenntnis erlangt511. Kritisch, vor allem im Hinblick auf die Quellenlage, äußer­ te sich auch Brinz512. Gestritten wurde damit zusammenhängend insbesondere um den in den Quellen zu findenden Ausdruck „ipso iure compensatur“513. Die betroffenen Stellen finden sich im corpus iuris civilis514. Ihre Auslegung ist sehr umstritten und eine ausführliche Darstellung aller Meinungen und ihrer Entwicklung wür­ de hier den Rahmen eines Überblicks überschreiten. Daher bleibt nur die Be­ 502  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  431; Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  459 f.; so zu entnehmen z. B. Eisele, Die Compensation nach römischem und gemeinem Recht, S.  230 f. 503  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  431 f. 504  Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  459; Puchta, Pandekten, S.  4 45; Dernburg, Geschich­ te und Theorie der Kompensation nach römischem und neuerem Rechte, S.  287 ff.; Eisele, Die Compensation nach römischem und gemeinem Recht, S.  211 ff.; Pichonnaz, La compensation, S.  419 ff.; als Einrede aufgefasst bei: Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, S.  463. 505  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2187 Rn.  11 m. w. N. 506  Ein Überblick hierzu beispielsweise bei: Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  151 ff. m. w. N. 507  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, S.  465 f. 508  Dernburg, Geschichte und Theorie der Kompensation nach römischem und neuerem Rech­ te, S.  584. 509  Dernburg, Geschichte und Theorie der Kompensation nach römischem und neuerem Rech­ te, S.  584 f. 510  Eisele, Die Compensation nach römischem und gemeinem Recht, S.  387 ff. 511  Eisele, Die Compensation nach römischem und gemeinem Recht, S.  388. 512  Brinz, Die Lehre von der Compensation, S.  11 ff., 15 ff. 513  Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Ansichten findet sich beispielsweise bei: Ubbelohde, Ueber den Satz: ipso iure compensatur, S.  6 ff.; daneben auch bei: Dernburg, Ge­ schichte und Theorie der Compensation nach römischem und neuerem Rechte, S.  281 ff.; Eisele, Die Compensation nach römischem und gemeinem Rechte, S.  186 ff., 214 ff.; Leonhard, Die Auf­ rechnung, S.  94 ff.; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, S.  467 ff. Fn.  10. 514  Überblick bei: Eisele, AcP 55 (1872), 167 (201 f.) und Eisele, Die Compensation nach römi­ schem und gemeinem Recht, S.  151 ff.

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schränkung auf die Grundgedanken. Die herrschende Meinung nahm wohl zu­ nächst an, der Ausdruck „ipso iure compensatur“ bedeute, dass die Forderun­ gen im Moment ihres Gegenüberstehens automatisch erlöschen515. Zu Windscheids Zeiten wandelte die überwiegende Auffassung sich jedoch dahin, dass für die Wirkung der Aufrechnung eine Erklärung erforderlich sei516. Um dies mit der früheren Deutung des Quellenzitats in Einklang zu bringen, nahm die herrschende Meinung eine Rückwirkung der Erklärung an517. Eine andere Theorie erklärte die Wendung „ipso iure compensatur“ rein formell als Gegen­ satz zur Einführung der Aufrechnung durch die Einrede der Arglist (excep­ tio)518. Zudem vertrat Dernburg die Auffassung, „ipso iure“ bedeute, dass die Aufrechnung nicht mehr vom Ermessen des Richters abhänge, sondern dem Berechtigten von Gesetzes wegen zustehe519. Eine formelle Deutung bietet heu­ te auch Zimmermann. Für ihn stellt die Auffassung der Wendung als automati­ sches Eintreten der Aufrechnung ein Missverständnis dar520. Die Lösung zur Deutung des „ipso iure“ sei in den zwei Möglichkeiten der Berücksichtigung der Aufrechnung im römischen Recht zu finden521. Während in bestimmten Fäl­ len die Aufrechnung nach Geltendmachung nur durch den Richter berücksich­ tigt werden konnte, musste in anderen Fällen der Kläger die gegenüberstehende Forderung von vornherein von seinem Anspruch abziehen522. Hier sei es also „das Recht selbst“523 gewesen, das die Aufrechnung befahl, was Zimmermann zu dem Schluss führt, hierin liege die Bedeutung des ipso iure524. c)  Gesetzgebungsmaterialien zum BGB Im Gegensatz zu den anderen bisher besprochenen Rückwirkungsanordnungen, ist die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung bei der Erstellung des BGB ausführlich diskutiert worden. Schon der umfassende Vorentwurf von Kübels 515  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, S.  467 Fn.  10; Vertreter beispielsweise: Hartter, Das römisch-deutsche Recht der Kompensation, S.  39, 172; Überblick bei: Leonhard, Die Aufrechnung, S.  94 ff. 516  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, S.  467 Fn.  10. 517  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, S.  467 Fn.  10; ohne obige Begründung aber für Rückwirkung: Puchta, Cursus der Institutionen II, S.  378. 518  Überblick und kritische Auseinandersetzung bei: Dernburg, Geschichte und Theorie der Kompensation, S.  304 ff.; weiterer Überblick bei: Leonhard, Die Aufrechnung, S.  98 ff.; Vertreter beispielsweise: Brinz, Die Lehre von der Kompensation, S.  36 f.; dazu Ubbelohde, Ueber den Satz: Ipso iure compensatur, S.  10 ff.; Schwanert, Die Compensation nach Römischem Recht, S.  49. 519  Dernburg, Geschichte und Theorie der Kompensation, S.  309 ff. 520  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2185 f. Rn.  9. 521  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2183 f. Rn.  5 f., S.  2185 f. Rn.  9. 522  S. Vierter Teil, §  6. I. 1. b), S.  127 und Nachweise dort Fn.  498, 499. 523  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2184 Rn.  6. 524  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2184 Rn.  6, S.  2185 f. Rn.  9.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

nahm zu dieser Frage Stellung525. Von Kübel hielt grundsätzlich auch eine ex nunc-Wirkung der Aufrechnungserklärung für denkbar, jedoch sprachen für ihn zwei Gründe dagegen: Zum einen entspreche sie nicht der generellen Rechtsauffassung und zum anderen sei sie auch in kein anderes Gesetz aufge­ nommen worden526. Darüber hinaus sprach für ihn die Einfachheit des Entwurfs für eine solche Regelung527. Der erste Entwurf folgte diesem Vorschlag. Aus den Motiven ergibt sich als weiterer Grund für die Rückwirkung, dass man glaubte, wenn man schon nicht eine ipso iure-Wirkung der Aufrechnung annehme, so müsse man wenigstens die Wirkung der Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungs­ lage zurückwirken lassen528. Obwohl erkannt wurde, dass die Rückwirkung ­sowohl einer eindeutigen und einfachen Regelung, als auch dem Prinzip, dass beide Forderungen sich bis zur Aufrechnung unabhängig gegenüberstehen sol­ len, entgegensteht529, wurde sie aus folgenden Gründen dennoch angeordnet: Die praktische Bedeutung der Aufrechnung – die Beurteilung von Zinsen, Ver­ zug und das Verfallen einer Vertragsstrafe sollten nach dem Zeitpunkt des Ent­ stehens der Aufrechnungslage beurteilt werden – sollte erhalten bleiben530. Au­ ßerdem wurde eine ex nunc-Wirkung als mit §  46 KO unvereinbar und zahlrei­ che weitere Einzelbestimmungen erforderlich machend angesehen531. Eine Änderung ergab sich auch nicht im zweiten Entwurf. Man berief sich im Wesentlichen auf die Gründe der Motive.532. Als weiterer Grund ist andeutungs­ weise zu entnehmen, dass in der Regel die zur Aufrechnung berechtigte Partei nicht sofort aufrechne, sondern warte, bis der Gläubiger von ihr fordere. In der Zwischenzeit habe jeder schon das, was er auch fordern könne. Eine Rückwir­ kung sei daher billig533. Dem Hinweis auf die ex nunc-Wirkung der Verrech­ nung bei einem Kontokorrentverhältnis wurde die Verschiedenartigkeit zur

525 

v. Kübel, Recht der Schuldverhältnisse I, S.  1073 ff. v. Kübel, Recht der Schuldverhältnisse I, S.  1080. 527  v. Kübel, Recht der Schuldverhältnisse I, S.  1081. 528  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 529  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 530  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 531  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 532  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  562. 533  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  562. 526 

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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Aufrechnungssituation entgegengehalten: Bei ersterer Situation stünden sich die einzelnen Positionen nicht als fällige Forderungen gegenüber534. Im Rahmen der Schuldrechtsreform wurde die Rückwirkung der Aufrech­ nung als solche, soweit ersichtlich, nicht thematisiert. Lediglich im Zusammen­ hang mit den Vorschlägen zu den Verjährungsfristen ist die Rückwirkung der Aufrechnung erwähnt worden. Hier wurde sie jedoch nicht etwa in Zweifel ge­ zogen, sondern als gegeben hingenommen und als Argument für und gegen den damaligen §  390 S.  2 BGB – heute §  215 BGB – verwendet: Während die Gut­ achter535 der Ansicht waren, die Rückwirkung zwinge nicht zu der Möglichkeit der Aufrechnung mit einer verjährten Forderung, war der Abschlussbericht536 genau gegenteiliger Auffassung und die Vorschrift blieb somit erhalten. d)  Andere Rechtsordnungen In Europa bestehen in Bezug auf die Regelung der Aufrechnung einige Unter­ schiede. Mit Zimmermann kann man zwischen verschiedenen Modellen unter­ scheiden537, die im Folgenden dargelegt werden sollen. Das erste Modell kann als ipso iure-Aufrechnung mit dem Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung bezeichnet werden und findet sich in Frankreich, Spanien und wohl zunächst auch in Italien538. Im französischen Recht erlöschen die zwei sich gegenüberstehenden Forderungen bei Vorliegen der weiteren Vor­ aussetzungen – Gleichartigkeit, Gegenseitigkeit, Fälligkeit und Entscheidungs­ reife – automatisch kraft Gesetzes gemäß Art.  1290 Code Civil539. Trotz des eindeutigen Wortlauts dieser Norm, wird jedoch von der herrschenden Praxis eine gerichtliche Geltendmachung im Prozess verlangt, da eine Berücksichti­ gung von Amts wegen nicht möglich ist540. Die Wirkungen der Aufrechnung treten rückwirkend ein541. Das spanische Recht schloss sich diesem Modell 534  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 535  Peters/Zimmermann, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts I, S.  266. 536  Bundesminister der Justiz, Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuld­rechts, S.  102 ff. 537  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  32 ff.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (718 f.). 538  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  32 m. w. N.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (718 f.) jeweils m. w. N. 539  Sonnenberger, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S.  189 f.; Ausführlicherer Länderbericht Frankreich m. w. N. beispielsweise bei: Kannengießer, Die Auf­ rechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, S.  51 ff. 540  Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, S.  54; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  718. 541  Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, S.  55.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

an542. Auch das italienische Recht sieht in Art.  1243 Codice Civile eine Aufrech­ nung kraft Gesetzes vor543. Im Prozess ist jedoch genauso wie in Frankreich erforderlich, dass die jeweilige Partei sich darauf beruft544. Auch hier wirkt die Aufrechnung auf den Moment des Entstehens der Aufrechnungslage zurück 545. Die zugrunde liegende Frage, ob die Erklärung der Partei für den Eintritt der Aufrechnungswirkungen zwingend notwendig ist, oder ob man sich damit nur auf ohnehin schon entstandene Wirkungen berufe, ist stark umstritten546. Ein anderes Modell gilt in Schottland. Dort wirkt die Aufrechnung nicht kraft Gesetzes, sondern sie muss vielmehr gerichtlich geltend gemacht und bestätigt werden547. Sie hat Rückwirkung548. Das deutsche Modell mit dem Erfordernis der Geltendmachung der Aufrech­ nung durch außergerichtliche Willenserklärung und Rückwirkung auf den Zeit­ punkt des Entstehens der Aufrechnungslage ist auch in Österreich, Griechen­ land und in den Niederlanden vorhanden549. In Österreich legt §  1438 ABGB zwar die Auffassung der ipso iure-Wirkung nahe550. Hiervon ging der Gesetz­ geber auch ursprünglich aus551. Jedoch ist es heute herrschende Meinung, dass sich die Aufrechnung nur durch Willenserklärung vollzieht552. Allgemein wirkt die Erklärung der Aufrechnung auch zurück auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufrechnungslage553. Im griechischen Zivilgesetzbuch ist die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung in Art.  441 geregelt554. Auch im italienischen Recht wird dieses Modell vertreten555. 542 

Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (718) m. w. N. Länderbericht Italien m. w. N. beispielsweise bei: Kannengießer, Die Auf­ rechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, S.  3 ff. 544  Kindler, Einführung in das italienische Recht, S.  238. 545  Kindler, Einführung in das italienische Recht, S.  238. 546  Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, S.  23 ff. m. w. N. 547  Anton, Private International Law, S.  299 m. w. N.; McBryde, The Law of Contract in Scot­ land, S.  746 Rn.  25–53. 548  McBryde, The Law of Contract in Scotland, S.  746 Rn.  25–53. 549  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  33 jeweils m. w. N.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (718) jeweils m. w. N. 550 Rummel/Dullinger, ABGB, §  1438 Rn.  11. 551  Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungsprotokolle des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches II, S.  244 f. (§  567). 552 Rummel/Dullinger, ABGB, §  1438 Rn.  11 m. w. N.; Schwimann/Kodek/Heidinger, ABGB VI, §  1438 Rn.  1, 9 ff.; Welser/Zöchling-Jud, Grundriss des bürgerlichen Rechts II, S.  121, 123 f. Rn.  481, 490. 553 Schwimann/Kodek/Heidinger, ABGB VI, §  1438 Rn.  19 ff., der jedoch kritisch gegenüber der h.M. ist; Welser/Zöchling-Jud, Grundriss des bürgerlichen Rechts II, S.  123 f. Rn.  490; Dullin­ ger, Handbuch der Aufrechnung, S.  156 f. 554 Nach Stathopoulos, Contract Law in Greece, S.  162 Rn.  241. 555  Cian, ZEuP 1998, 220 ff.; Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und 543  Ausführlicher

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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Es lässt sich ein weiteres Modell denken, das in dieser Untersuchung von er­ heblicher Relevanz ist: Die Aufrechnung durch Erklärung, der lediglich ex nunc-Wirkung beigemessen wird. Dieses Modell ist wohl nach überwiegender Auffassung im schwedischen556, dänischen557 und finnischen558 Recht zu finden. Hervorzuheben ist weiterhin, dass die Aufrechnung in den kontinentaleuro­ päischen Rechtsordnungen materiell-rechtlich erfasst wird, wohingegen sie im angloamerikanischen Rechtskreis in der Regel in das Prozessrecht eingeordnet wird559. Diese prozessuale Auffassung scheint jedoch aufgrund neuer Entwick­ lungen in England auch an Bedeutung zu verlieren560. Das die Aufrechnung durchsetzende Urteil hat keine Rückwirkung561. Der Entwurf für ein europäisches Vertragsrecht, der Draft Common Frame of Reference, misst der Erklärung der Aufrechnung keine Rückwirkung bei. Art. III. – 6:107 regelt, dass die Forderungen mit dem Zeitpunkt der Erklärung der Aufrechnung erlöschen. Dies bedeutet, dass Zinsen bis zur Erklärung der Aufrechnung zu zahlen sind, sowie am Eintritt des Verzugs und dem Verfall einer Vertragsstrafe sich durch die Erklärung der Aufrechnung nichts ändert562. Diese Regelung wird im vollen Bewusstsein dessen vorgeschlagen, dass die meisten europäischen Rechtssysteme die Wirkungen der Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage beziehen, sei es durch ipso iure-Wirkung der Aufrechnung oder durch Rückwirkung der Aufrechnungserklärung563. Eine ausführliche Begründung der Entscheidung findet sich allerdings nicht. Die Verfahrensrecht, S.  25 ff.; HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2246 Rn.  71; Zimmer­ mann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (718). 556  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  33 m. w. N.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (719) m. w. N.; Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1133 f. m. w. N. 557  Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1133 f. m. w. N. 558  Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1133 f. m. w. N. 559 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  3.; Habscheid, in: Bar­ fuß u. a. Festschrift für Neumayer, S.  263 (264, 267); Überblick bei: Goode, Legal Problems of Credit and Security, S.  284 f., 305 f., der allerdings die Form des „equitable set-off“ als materi­ ell-rechtliches Instrument einordnet: S.  310 f., 318 f. 560 So Pichonnaz, La compensation, S.  675; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (715); Derham, The Law of Set-Off, S.  69 ff. 561  Goode, Legal Problems of Credit and Security, S.  305 für die Form des „independent SetOff“. 562  Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1131 f. 563  Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1132 ff.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Ausführungen nehmen vielmehr Bezug auf die Kritik der Rückwirkung von P. Bydlinski564, Dullinger565 und Zimmermann566 und gehen davon aus, dass keine sachlichen Argumente für die Rückwirkung sprechen567. Vielmehr sei sie nur Ausdruck eines Festhaltens am römisch-rechtlichen ipso iure-Grundsatz568. Eine ex nunc-Wirkung der Aufrechnung hingegen sei natürlicher und führe durchweg zu sachgerechten Ergebnissen569. e) Zusammenfassung Ob nun die Rückwirkung der Aufrechnung im BGB auf einer alten Fehlinter­ pretation des römischen Rechts beruht, wie es Zimmermann vertritt570, oder nicht, jedenfalls besteht in Bezug auf die Wirkungen der Aufrechnung ein un­ einheitliches Bild. Es wurde gezeigt, dass die Möglichkeit einer ex nunc-Wir­ kung bei der Verfassung des BGB sehr wohl bedacht wurde. Die Gründe, die letztendlich zur Aufnahme der Rückwirkung führten, werden im Folgenden noch zu untersuchen sein. Auch der kurze Überblick über die Regelung in ande­ ren Rechtsordnungen zeigt, dass durchaus verschiedene Regelungsmodelle denkbar sind und auch durchgeführt werden. Im Rahmen der europäischen Ver­ einheitlichungsbestrebungen spricht nicht zuletzt die Regelung des Draft Com­ mon Frame of Reference dafür, eine ex nunc-Wirkung der Aufrechnung ernst­ haft in Betracht zu ziehen. 2.  Rückwirkung der Aufrechnung und Prinzipien des BGB a)  Die Begründung mit dem „Wesen“ der Aufrechnung Ebenso wie der „Begriff“ der Genehmigung571 ist auch das „Wesen“ der Auf­ rechnung nicht als Grund für die Rückwirkung heranzuziehen. Diese Um­ schreibung hat keinerlei Aussagekraft in Bezug auf rechtspolitisch zugrunde liegende Überlegungen oder konkrete inhaltliche Gründe. Es ist daher auch an­

564 

P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (281 ff.). Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  147 ff., 182 ff. 566  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  36 ff.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (721 ff.). 567  Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1134. 568  Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1134. 569  Bar/Clive, Principles, definitions and model rules of European private law II, III. – 6:107, S.  1134. 570  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2184 Rn.  6, S.  2185 f. Rn.  9, S.  2247 Rn.  72. 571  S. Vierter Teil, §  5 II. 2. a), S.  90 f. 565 

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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erkannt, dass die Rückwirkung der Aufrechnung nicht aus ihrem Wesen folgt, sondern auf positiv-rechtlicher Anordnung des Gesetzgebers beruht572. b)  Das Prinzip der Privatautonomie Wie das Rechtsgeschäftsrecht des allgemeinen Teils des BGB, so ist auch das rechtsgeschäftliche Schuldrecht vom Prinzip der Privatautonomie geprägt573. Daher soll abermals zunächst die Frage gestellt werden, ob die hier besprochene Rückwirkung der Aufrechnungserklärung mit der Durchsetzung des Prinzips der Privatautonomie in Zusammenhang steht. Zum besseren Verständnis ist zunächst das Erfordernis der Aufrechnungser­ klärung an sich zu untersuchen. Man kann durchaus sagen, dass dieses Erfor­ dernis im Vergleich zu einer ipso iure eintretenden Aufrechnung als dem Prin­ zip der Privatautonomie förderlich angesehen werden kann: Durch die Notwen­ digkeit einer Erklärung wird den Parteien die Entscheidung über das „Ob“ und „Wann“ der Aufrechnung überlassen574. In Bezug auf die Rückwirkung selbst stellt sich die Lage komplizierter dar. Einerseits könnte man annehmen, dass diese dem Prinzip der Privatautonomie nicht nur nicht dienlich ist, sondern ihm sogar entgegenläuft. Denn die Entscheidung des Aufrechnenden, die Aufrech­ nung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erklären, wird teilweise „abgeändert“, indem das Gesetz bestimmte Wirkungen der Erklärung fiktiv in die Vergan­ genheit verlegt. Hierdurch entfallen auch rückwirkend etwaige seit der Auf­ rechnungslage entstandene Zinsansprüche575, was dazu führt, dass diese dem Gläubiger nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch dies kann als Eingriff in die Freiheit der Parteien gesehen werden576. Andererseits ist jedoch häufig für die Rückwirkung ins Feld geführt worden, sie entspreche gerade dem Willen der Parteien und sei daher billig577. Dieses Argument ist daher im Folgenden näher zu betrachten. Wie Zimmermann schreibt, handelt es sich bei der besagten An­ nahme um bloße „Spekulation“578. Selbst wenn es so wäre, würde dies genauso gut für eine ipso iure eintretende Aufrechnung sprechen wie für eine Rückwir­ 572 Staudinger/Gursky, BGB, Neuberab. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  21; zu entnehmen auch: MünchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  6; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  309. 573  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  175, 179. 574  So auch Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  97. 575  BGHZ 80, 269, 278 f.; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  21 m. w. N. 576 Hierzu Lippmann, JJ 32 (1893), S.  157 (171 f.) sowie JJ 43 (1901), S.  435 (439): Durch das Erlöschen sei die Zinsforderung generell nicht kompensationsfähig. Damit schränke die Rückwir­ kung die „Kompensationsfreiheit des Gläubigers“ und die „Kompensationsfähigkeit der Ansprü­ che“ ein. 577  Beispielsweise: MünchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  6; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  309. 578  Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723).

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

kung579. Ein gewichtiges Argument gegen die obige Annahme findet sich auch bei einem Vergleich mit dem Kontokorrent, bei dem eine Rückwirkung nicht angeordnet ist580. Dies wurde auch im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten zum BGB eingewandt581, jedoch mit der unterschiedlichen Situation – beim Konto­ korrent stünden sich die einzelnen Forderungen nicht fällig gegenüber, viel­ mehr würden sie erst bei der Saldoziehung ausgeglichen – abgelehnt582. Jeden­ falls können aber doch Aufrechnung und Kontokorrent allgemein als ähnliche Instrumente betrachtet werden: auch das Kontokorrent erfüllt Vereinfachungs-, und Sicherungsfunktion583. Jedenfalls für den mit dem Geschäftsverkehr ver­ trauten Gläubiger dürfte eine ex nunc Wirkung damit eher seinem Interesse entsprechen584. Die Annahme, dass die Rückwirkung den Parteiinteressen ent­ spricht, ist damit keinesfalls zweifelsfrei. Dass die Rückwirkung – unabhängig davon, ob sie der Privatautonomie sogar gegenläufig ist – zur Erhaltung dieser jedenfalls nicht notwendig ist, ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Wenn jemand aufrechnen möchte, dann kann er dies durch eine einfache Willenserklärung ohne besondere Erschwernis tun. Hat eine Partei Kenntnis vom Bestehen einer Aufrechnungslage, kann sie die Aufrechnung also einfach herbeiführen. Hat sie keine Kenntnis davon, kann sie auch nicht aufrechnen wollen585. Die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Auf­ rechnungslage ist somit jedenfalls nicht notwendig, um das Prinzip der Privat­ autonomie zu schützen. c)  Prinzip der „Billigkeit“: Schutzwürdiges Vertrauen in die Aufrechnungslage Der folgende Aspekt ist eng mit dem vorangegangenen verknüpft, soll aber aus folgendem Grund trotzdem getrennt behandelt werden: Während es bei der Frage 579  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  181; Lippmann, JJ 43 (1901), S.  435 (438); Zim­ mermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723 Fn.  104). 580  P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (287 f.). 581  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  562. 582  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  562. 583  Siehe beispielsweise: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB, §  355 Rn.  3; Brox/­ Henssler, Handelsrecht, Rn.  337. 584  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  39 Fn.  102; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723 Fn.  104); P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (287 f.). 585  Dieses Argument ist angelehnt an ein Argument von Zimmermann, das er in Bezug auf den nächsten zu untersuchenden Punkt, das schutzwürdige Vertrauen, vorbringt: Zimmermann, Com­ parative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  39 f.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723).

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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des Interesses der Parteien zunächst allein um die Vorstellung ging, wann die sich gegenüberstehenden Forderungen erlöschen, diese sich also nur auf einen be­stimmten Punkt bezieht, spricht der Gesichtspunkt des Vertrauens auf die Aufrechnungslage einen weiteren Aspekt an. Hier geht es um die gesamte Zeit­ spanne der Aufrechnungslage bis zur Aufrechnungserklärung und die Frage, wie bestimmte Ereignisse oder ein Verhalten während dieser Zeit zu beurteilen sind. Das Argument der „Billigkeit“ wurde bereits im Rahmen der Gesetzgebungs­ arbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch angeführt und zwar als Argument so­ wohl für, als auch gegen die Rückwirkung. Die Befürworter der Rückwirkung beriefen sich darauf, dass eine sofortige Aufrechnung bei Entstehen der Auf­ rechnungslage unüblich sei. Vielmehr warte man in der Regel, bis die andere Partei durch Geltendmachen ihrer Forderung dazu „Anlass“ biete586. Dem schloss sich ein Teil des Schrifttums587 wie auch der Rechtsprechung588 an, wo­ nach der Schuldner sich ab Bestehen der Aufrechnungslage nicht mehr als Schuldner fühle und sich auch nicht als solcher zu fühlen brauche. Die Gegner der Rückwirkung führten während der Gesetzgebungsarbeiten an, insbesondere bei unterschiedlich hohen Verzugszinsen sei eine Rückwirkung unbillig589. Die Verwendung ein und desselben Arguments für zwei völlig entgegengesetzte Ansichten erscheint wenig überzeugend590. Dies gibt Anlass, das Argument der „Billigkeit“ an sich genauer zu betrachten. Der Begriff „Billigkeit“ wird in vielfältigen Zusammenhängen verwendet und scheint nie ganz scharf umrissen591. So wurde die Billigkeit in Bezug auf unser Privatrechtssystem auch schon treffend als „vagabundierendes Element der Rechtsgestaltung“592 bezeichnet. In der Regel scheint man unter „Billigkeit“ jedoch eine Art Einzelfallgerechtigkeit, ein Abweichen von der strikten Anwen­ dung der abstrakten Norm zur angemessenen Lösung eines atypischen einzel­ nen Falles zu verstehen593. In das Privatrecht gelangt sie vor allem über General­ klauseln wie §  242 BGB. Daneben gibt es auch Normen, welche richterliches 586  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  562. 587 Palandt/Grüneberg, BGB, §  389 Rn.  2: „Wer weiß, dass er aufrechnnen kann, braucht sich wirtschaftlich nicht mehr als Schuldner zu fühlen“; Trupp, JR 1991, 497 (498); Enneccerus/Leh­ mann, Recht der Schuldverhältnisse, §  71 I, S.  275 f.; Grunsky, JuS 1963, 102 (104 f.); Heck, Grund­ riß des Schuldrechts, S.  182; Dietrich, AcP 170 (1970), 534 (541 f.). 588  BGHZ 2, 300, 305; 27, 123, 124 f. 589  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  562. 590  P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (288 f.). 591  Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S.  419; ähnlich auch Rümelin, Die Billigkeit im Recht, S.  2. 592  Esser, in: Summum ius summa iniuria, S.  23. 593 Beispielsweise: Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S.  491 ff. mit Verweisen auf Aristoteles; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  302.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Ermessen auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite zulassen. Weiterhin sind Re­ gulativklauseln möglich, die vor allem auf Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit abstellen594. In diesen Fällen ließe sich die so verstandene Billigkeit mittelbar aus dem Gesetz herleiten und wäre so auch nach engeren Ansichten als Teil des inneren Systems des Privatrechts anzusehen595. In der oben zitierten Argumen­ tation wird der Schutz des Vertrauens in die Aufrechnungslage als „billig“ an­ gesehen und führt zu der vorhandenen Regelung. Man kann diese Wertungen der Norm mit Hilfe der Gesetzgebungsmaterialien entnehmen und sie so als Prinzipien anerkennen. Fraglich ist nun, ob die Rückwirkung dem Schutz des Vertrauens in die Auf­ rechnungslage dient. An dieser Stelle kann ein bereits benanntes Argument er­ neut nutzbar gemacht werden: Weiß jemand gar nicht von dem Bestehen einer Aufrechnungslage, so kann er kein Vertrauen auf diese entwickeln, das eventu­ ell schutzwürdig wäre596. Erlangt er nach Entstehen der Aufrechnungslage von dieser Kenntnis, wäre ein bereits vorher bestehender Schutz wie ein „unver­ hoffter Glücksfall“597. Erkennt er die Aufrechnungslage jedoch, so kann er die Aufrechnung unproblematisch durch einseitige Willenserklärung erklären598. Wie dargestellt, dient zumindest das Erfordernis der Aufrechnungserklärung auch der Förderung der Privatautonomie. In diesem Fall muss man die Privatau­ tonomie auf der anderen Seite dann aber auch ernst nehmen und eine Erklärung verlangen können599. Dabei stehen dem Aufrechnenden keine erheblichen Hin­ dernisse entgegen, wie etwa bestimmte Formerfordernisse oder ähnliches. Vielmehr kann er die Aufrechnungserklärung ohne weiteres formlos abge­ ben600. Gerade aufgrund dessen ist es nicht überzeugend, warum er dennoch geschützt werden sollte, wenn er die Erklärung nicht abgibt601. Dies stellte auch 594 

Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S.  425 ff. S. Dritter Teil, §  4 I. 1. b), S.  27 f. 596  Jeremias, Internationale Insolvenzaufrechnung, S.  54; Zimmermann, Comparative Founda­ tions of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  39 f.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723). 597  Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723); „wind­ fall“: Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  40. 598  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  40; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723); auch für zumutbar hält die Erklärung der Aufrechnung: Schwimann/Kodek/Heidinger, ABGB VI, §  1438 Rn.  22. 599  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  181 f. 600  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  40; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723); P. Byd­ linski, AcP 196 (1996), 276 (290, 297 f.); in anderem Zusammenhang weisen auf die „geringe Mühe“ der Aufrechnungserklärung auch hin: Peters/Zimmermann, in: Bundesminsiter der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts I, S.  266. 601  Übereinstimmend mit Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set595 

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schon Eisele fest: „Allein durch die Möglichkeit, dem Gegner jeder Zeit ausser­ gerichtlich die Compensation zu erklären, ist es in seine Hand gelegt, jeden möglichen Nachteil, den ihm das Zuwarten des Gegners bringen könnte, zu beseitigen, …“602. Auch im Hinblick auf unterschiedlich hohe Verzugszinsen, ist deren rückwir­ kender Wegfall durch die Aufrechnungserklärung nicht unbedingt billig. Hier hat eine Partei – diejenige, welche die höheren Zinsen zahlen muss – gerade mehr geschuldet als sie selbst verlangen konnte und eine Aufrechnung kann auch ihr ohne weiteres zugemutet werden603. Hinzu kommt, dass sich – wie Dullinger ausführt – durch den Schutz des Vertrauens auf die Aufrechnungslage ein Wertungswiderspruch ergibt.604 Gerät jemand mit der Zahlung seiner Schuld in Verzug, soll dieser nach erfolgter Auf­ rechnung durch die Rückwirkung als nicht eingetreten gelten605. Kommt es je­ doch nicht zur Aufrechnung, bleibt es beim Verzug und seinen Folgen. In die­ sem Fall spielt das Vertrauen des Schuldners auf die Aufrechnungslage also keine Rolle606. Nur wenn die erhoffte Aufrechnung auch eintritt, wird das Ver­ trauen auf diese geschützt607. Sollte im Hinblick auf bestimmte Konstellationen ein Schutz des Vertrauens auf die Aufrechnungslage dennoch notwendig erscheinen, so kann dies durch einzelne Vorschriften im Rahmen der konkreten, das Problem betreffenden Rechtsnormen geregelt werden. Hingewiesen werden soll hier als Beispiel auf die bestehenden Normen §  392 BGB und §  406 BGB sowie §  94 InsO, wobei insbesondere auf letztere Norm später noch ausführlich einzugehen sein wird. Diese Normen machen deutlich: Eine Rückwirkung ist für den Vertrauens­ schutz nicht erforderlich. Durch positive Festsetzung in den einzelnen Rechts­ bereichen kann der Gesetzgeber den Vertrauensschutz ohne weiteres durchset­ zen608. Des Weiteren kommt hinzu, dass keine gesicherten Erkenntnisse darüber be­ stehen, ob der Schuldner bei Entstehen einer Aufrechnungslage wirklich davon ausgeht, nichts mehr zu schulden. Man kann diese Annahme somit mit P. Byd­ Off and Prescription, S.  39 f.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (723 f.); ähnlich P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (290). 602  Eisele, Die Compensation nach römischem und gemeinem Recht, S.  388 f. 603  P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (290); so auch Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  41; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medi­ cus zum 70. Geburtstag, S.  707 (724). 604  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  159 f. 605 Siehe beispielsweise: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  22 m. w. N.; MüchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  6; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  311. 606  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  159 f. 607  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  159 f.; so auch Windel, KTS, 215 (225). 608  Jeremias, Internationale Insolvenzaufrechnung, S.  55.

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linski als bloße „petitio principii“609 bezeichnen. Genauso gut kann man das Gegenteil behaupten610. Ergänzend sei noch mal auf obige Ausführungen zum Kontokorrent hingewiesen, die eher für diese gegenteilige Annahme sprechen. Das Prinzip des Vertrauensschutzes ist demnach kein verlässliches Argument für eine Rückwirkung. Zum einen lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass die Parteien tatsächlich auf die Aufrechnungslage vertrauen, zum anderen sprechen Wertungsgesichtspunkte eher gegen einen Schutz des Vertrauens, falls ein sol­ ches vorliegt. Vieles spricht also dafür, es mit Windel zu halten, der zum Argu­ ment des Vertrauensschutzes ausführt: „Es kann für die Rechtsdogmatik in letzter Konsequenz nicht darauf ankommen, wie sich ‚der Rechtsunkundige fühlt‘.“611. d)  Prinzip der Unabhängigkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen Wie dargestellt, war die Grundauffassung der Motive zum BGB, dass die zwei Forderungen sich bis zur Erklärung der Aufrechnung unabhängig und unbeein­ flusst gegenüber stehen sollten612. Dass die Rückwirkung diesem Prinzip gegen­ läufig ist, geben schon die Motive an derselben Stelle zu613. Denn die Rückwir­ kung sorgt dafür, dass die Forderungen sich eben doch schon vor der Erklärung der Aufrechnung beeinflussen, jedenfalls so anzusehen sind, als hätten sie die­ selbe Wirkung wie bei einer ipso iure-Aufrechnung614. Die Rückwirkung ist also mit dem „Prinzip der Nichtbeeinflussung“615 nicht vereinbar. Weitere Aus­ führungen zur Art des Prinzips sind damit entbehrlich. e) Rechtssicherheit Als positiver Effekt des Erfordernisses einer Aufrechnungserklärung wird im­ mer wieder das Prinzip der Rechtssicherheit angeführt616. Dieses Prinzip wurde 609 

P. Bydlinski, AcP 196 (1996), S.  276 (300). von Wyss, Motive zu der auf Grund der Commissionsbeschlüsse vom September 1877 bearbeiteten neuen Redaktion des allgemeinen Theils des Entwurfes zu einem schweizerischen Obligationenrechte, S.  39: „Nun entsteht aber die Frage: von welchem Zeitpunkte an gilt diese Erlöschung? Die natürliche Anschauung und Logik antwortet: vom Momente der vollzogenen (er­ klärten, geltend gemachten) Compensation an.“ 611  Windel, KTS, 215 (224). 612  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 613  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 614  Lippmann, JJ 43 (1901), S.  438. 615  Bezeichnung nach: Lippmann, JJ 43 (1901), S.  435 (438). 616  Schmidt, in: Böttcher u. a., FS für Odersky, S.  685 (687); Zimmermann, Comparative Foun­ dations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  40 Fn.  104; Zimmermann, in: Beuthien 610 So

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jedoch schon aus der „Rechtsidee“ hergeleitet617 und kann somit nicht nach allen Ansichten als Teil des inneren Systems des Privatrechts angesehen werden618. Bevor hierzu jedoch nähere Ausführungen erforderlich werden, kann die Frage, ob auch die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung für das Prinzip der Rechtssicherheit unentbehrlich ist, schon verneint werden. Die Motive zum BGB erkennen an, dass durch eine ex nunc-Wirkung „klares und einfaches Recht geschaffen würde“619. Der Gedankengang, der für eine Rückwirkung not­ wendig wird, ist komplex: zwei Forderungen und ihre Rechtsfolgen bestehen zunächst und werden dann so betrachtet, als hätten sie ab der Aufrechnungslage nicht mehr bestanden620. Jedoch ist das Ergebnis ebenso klar, wie bei einer ex nunc-Wirkung. Das Prinzip der Rechtssicherheit wird daher durch die Frage einer ex nunc- oder ex tunc-Wirkung nicht berührt. f) Zusammenfassung Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Rückwirkung der Aufrechnungser­ klärung für das innere System des Privatrechts zwingend notwendig wäre. Die im Zusammenhang mit der Rückwirkung diskutierten Prinzipien wurden unter­ sucht. Dabei ergab sich, dass die Rückwirkung keinem dieser Prinzipien zur Förderung dient. Im Gegenteil, vielen ist sie eher gegenläufig. 3.  Zweckmäßigkeit: Vergleichende Analyse ausgewählter Einzelfälle Die Motive zum BGB führen aus: „Nicht zu verkennen ist allerdings, daß durch die Verneinung der rückwirkenden Kraft klares und einfaches Recht geschaffen würde …“621. Diese Behauptung soll im Folgenden anhand einzelner Fälle und damit unabhängig von dem im ersten Teil untersuchten Zusammenhang zwi­ schen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung und dem inneren System des BGB untersucht werden. Hierbei ist insbesondere auf die im Zuge der Ge­ setzgebungsarbeiten selbst genannten Zweckmäßigkeitserwägungen einzuge­ u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (724 Fn.  107); P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (288). 617  Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S.  125 f. m. w. N.; Bydlinski, in: Bydlinski u. a., Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, S.  21 (27 f.). 618  So beispielsweise nicht nach: Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  96. 619  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 620  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  40 Fn.  104; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (724 Fn.  107); größere Rechtssicherheit bei ex nunc-Wirkung nimmt auch an: P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (288). 621  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, Recht der Schuldverhältnisse, S.  60.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

hen. Dies betrifft zum einem das Entstehen von Zinsen, den Eintritt des Verzu­ ges und den Verfall einer Vertragsstrafe622. Zum anderen ist der Zusammenhang von Rückwirkung der Aufrechnung und Aufrechnung im Konkurs623 – bezie­ hungsweise heute der Insolvenz – zu untersuchen. Als neuere Entwicklung ist das Problem der variablen Forderungen und der Fremdwährungsverbindlichkei­ ten anzusprechen, zudem die bereits erwähnte Aufrechnung verjährter Forde­ rungen und weitere Einzelprobleme. a)  Praktische Bedeutung: Zinsen, Verzug, Vertragsstrafe Das erste Argument der Verfasser des BGB für eine Rückwirkung lautete, dass ansonsten der praktische Wert der Aufrechnung „verkümmern“ würde624. Die­ ses Argument zielte insbesondere auf die Beurteilung von Zinsen, Verzug und Verfall einer Vertragsstrafe in dem Zeitraum zwischen Entstehen der Aufrech­ nungslage und Erklärung der Aufrechnung ab, die sich im Falle der bloßen Jetztwirkung der Aufrechnungserklärung nach eben diesem Zeitpunkt richten würden625. Zur Überprüfung dieses Arguments muss zunächst dargelegt wer­ den, welche Folgen einerseits bei der geltenden Regelung mit Rückwirkung ein­ treten und andererseits im Fall einer ex nunc-Wirkung eintreten würden. Im Anschluss kann eine Beurteilung vorgenommen werden. aa)  Folgen bei ex tunc-Wirkung der Aufrechnung Nach der geltenden Regelung ist die Lage wie folgt zu beurteilen: Sind vor Er­ klärung der Aufrechnung Zinsen angefallen, ist eine der Parteien in Verzug geraten oder eine Vertragsstrafe verfallen, so entfällt all dies bei Erklärung der Aufrechnung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufrech­ nungslage626.

622  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 623  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 624  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 625  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 626  Siehe beispielsweise: RGZ 101, 111, 114 (bzgl. Zinsen); Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  2, 21 ff. m. w. N.; MünchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  6 m. w. N.; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  310 f.

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bb)  Folgen bei ex nunc-Wirkung der Aufrechnung Hätte die Erklärung der Aufrechnung keine Rückwirkung, würde der Zinslauf mit Erklärung der Aufrechnung enden. Die Zinsen im Zwischenzeitraum bis zur Aufrechnungserklärung wären entstanden und würden auch nicht rückwir­ kend wieder wegfallen. Die Forderungen bezögen also jeweils diesen Zinsan­ spruch mit ein. Auch ein einmal eingetretener Verzug würde mit all seinen Kon­ sequenzen bestehen bleiben und nicht rückwirkend wieder entfallen. Ebenso wäre der Verfall einer Vertragsstrafe zu beurteilen. cc) Beurteilung Es ergäben sich somit – je nachdem ob die Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage zurückwirkt oder nur für die Zukunft wirkt – völlig unter­ schiedliche Ergebnisse. Fraglich ist, wie diese jeweils zu beurteilen sind und ob es tatsächlich so unerwünscht wäre, wenn Zinsen weiterliefen, ein einmal ein­ getretener Verzug oder der Verfall einer Vertragsstrafe bestehen bliebe. Hierbei ist auch die Frage zu klären, worin der als Argument vorgebrachte „praktische Wert“627 der Aufrechnung überhaupt liegt. (1)  „Praktischer Wert“ der Aufrechnung Der „praktische Wert“ der Aufrechnung muss in den Vorteilen gesucht werden, die sie gegenüber einer getrennten Geltendmachung der zwei Forderungen hat628. Diese sind zunächst vor allem die Tilgungsfunktion und die Vollstre­ ckungsfunktion der Aufrechnung629. In der früheren Lehre war stark umstrit­ ten, welche dieser Funktionen die Natur der Aufrechnung ausmachte630. Heute hingegen ist die sogenannte Kombinationstheorie herrschend, welche der Auf­ rechnung eine Kombination aus beiden Funktionen zuschreibt631. Zunächst 627  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 628  Angelehnt an die Herangehensweise bei P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (284 ff., 290). 629 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  6; MünchKomm-BGB/ Schlüter, §  387 Rn.  1; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  69, S.  266; Fikent­ scher/Heinemann, Schuldrecht, S.  170 Rn.  329; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S.  255; Über­ blick m.w.N bei: Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S.  70 ff.; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  227. 630  Zum Streit siehe beispielsweise: Oertmann, AcP 113 (1915), S.  376 ff.; Überblick über die Vertreter der verschiedenen Ansichten auch bei: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vor­ bem zu §§  387 ff. Rn.  7. 631 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  7; MünchKomm-BGB/ Schlüter, §  387 Rn.  1; Palandt/Grüneberg, BGB, §  387 Rn.  1; Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S.  70 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht I AT 1, S.  298; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S.  170; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  227 m. w. N.; Grothe, Fremdwährungsverbind­

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sorgt die Aufrechnung demgemäß für die Tilgung der eigenen Schuld, also der Hauptforderung. Dabei stellt sie nach heutiger Anschauung jedoch keine Erfül­ lung dar, sondern ist nach herrschender Ansicht lediglich ein Erfüllungssurro­ gat632. Die zweite Funktion der Aufrechnung liegt in der Vollstreckung der eige­ nen Forderung, also der Gegenforderung: Hier liegt der Schwerpunkt auf der Befriedigung des Aufrechnenden als Gläubiger633. Hiermit hängt auch eine wei­ tere Funktion der Aufrechnung eng zusammen: Die Sicherungsfunktion. Da der Gläubiger sogar in der Insolvenz des Schuldners aufrechnen darf – zur Zeit des Inkrafttreten des BGB §§  46 ff. KO a. F. (1877)634, bzw. §§  53 ff. KO a. F. (1898)635 und seit dem 01.01.1999 §§  94 ff. InsO – ist er „ähnlich einem Pfandrechtsinha­ ber gesichert“636. Zu guter Letzt ist noch die Verrechnungsfunktion der Auf­ rechnung zu erwähnen, die sich aus dem Zusammenspiel der Tilgungs- und der Vollstreckungsfunktion ergibt637. Diese verhindert ein „Hin- und Herschieben“ identischer Geldbeträge und trägt so zu einer Vereinfachung bei638. Die aufge­ zählten Funktionen machen den Wert des Instituts der Aufrechnung gegenüber einer getrennten Geltendmachung der Forderungen aus. Zu diskutieren ist nun, ob diese Funktionen im Hinblick auf die Beurteilung von Zinsen, Verzug und Verfall einer Vertragsstrafe unterlaufen würden, wenn man von einer ex nuncWir­k ung der Aufrechnung ausginge. (2) Zinsen Schon Ohnsorge stellte 1882 fest, es würde „nichts Widersinniges enthalten, wenn nach erfolgter Abgabe der Compensationserklärung Zinsen, soweit sie gefordert werden können, für die Zeit bis zur Erklärung dem Stamme zugerech­ net und die Ausgleichung erst zwischen den hierdurch gefundenen Summen

lichkeiten, S.  575 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S.  255; Reichel, AcP 125 (1926), 178 (179); Weigelin, Das Recht zur Aufrechnung als Pfandrecht an der eigenen Schuld, S.  29. 632  BGHZ 173, 328, 337; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  9; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S.  170; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  96; anderes vertrat: Esser/Schmidt, Schuldrecht I AT 1, §  18, S.  292, wonach die Aufrechnung nicht in einer Reihe mit anderen Erfüllungssurrogaten – wie der Leistung an Erfüllungs Statt – stehe, da keine „aktive“ Leistung, sondern nur eine Verrechnung stattfinde. 633 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  6; MünchKomm-BGB/ Schlüter, §  387 Rn.  1; Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S.  74 f. 634  RGBl. 1877, S.  351. 635  RGBl. 1898, S.  612. 636  P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (285); ähnlich auch: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  6; ähnlich: Palandt/Grüneberg, BGB, §  387 Rn.  1; Berger, Der Auf­ rechnungsvertrag, S.  75 m. w. N. 637  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  177. 638  P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (287).

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vorgenommen würde …“639. Er fragt sich daher, ob das rückwirkende Entfallen entstandener Zinsen wirklich aufgrund der Natur der Aufrechnung zwingend sei640. Dieser Frage kann nur zugestimmt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass bei Beurteilung der Zinsen nach dem Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die Funktionen der Aufrechnung und damit ihr praktischer Wert geschmälert wür­ den. Alle genannten Funktionen der Aufrechnung würden genauso erfüllt wie bei einer ex tunc-Wirkung der Aufrechnung. Lediglich der Betrag, mit dem gerechnet wird, ist ein anderer: Die Forderung plus Zinsen. In der Höhe dieses Betrages und soweit sich die Forderungen decken, wird aber sowohl die Haupt­ forderung getilgt als auch die Gegenforderung befriedigt. Dies geschieht genau­ so im Wege der vereinfachten Verrechnung und ohne Hin- und Herschieben der Beträge641. Auch die Sicherungsfunktion ist gegeben642. Der einzige Unter­ schied ist hier also, dass Zinsen bei der Ermittlung der Höhe der Forderungen zu berücksichtigen sind. Die Aufrechnung kann ihre Funktionen also auch bei ex nunc-Wirkung erfüllen. Darüber hinaus scheint auch inhaltlich eine Einbezie­ hung der Zinsen bis zur Aufrechnungserklärung durchaus gerechtfertigt. Die angefallenen Zinsen werden geschuldet. Es ist kein Grund ersichtlich, diese rückwirkend zu erlassen, nur weil zufällig eine aufrechenbare Gegenforderung erworben wird. Gegen das viel erwähnte Argument des Vertrauensschutzes ist hier dasselbe einzuwenden wie bereits oben: Wenn eine Partei den Anstieg der Zinsen vermeiden möchte, so bleibt es ihr unbenommen, selbst die Aufrech­ nung zu erklären, oder einfach zu erfüllen. Ein Schutz des Vertrauens ist – auch unter Verweis auf obige Argumente643 – nicht notwendig644. (3)  Verzug und Verfall einer Vertragsstrafe Bei den Fällen des Verzugs oder Verfalls einer Vertragsstrafe kommt als Aspekt hinzu, dass sie auf einem bestimmen Verhalten des Schuldners beruhen. Entwe­ der war er verpflichtet zu einem bestimmten Zeitpunkt zu leisten und hat dies nicht getan, oder er erfüllt durch sein Verhalten die Voraussetzungen einer Ver­ 639  Ohnsorge, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 20 (1882), S.  285 (295). 640  Ohnsorge, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 20 (1882), S.  285 (295). 641  Zum Ganzen vgl.: P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (286 f., 290). 642  P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (286, 290); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  177 f. 643  S. Vierter Teil, §  6 I. 2. c), S.  138 ff. 644  So auch: von Wyss, Motive zu der auf Grund der Commissionsbeschlüsse vom September 1877 bearbeiteten neuen Redaktion des allgemeinen Theils des Entwurfes zu einem schweizeri­ schen Obligationenrechte, S.  40 f.; P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (290); Zimmermann, Compa­ rative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  41; Zimmermann, in: Beuthi­ en u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (724).

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

tragsstrafenvereinbarung. Rechnet er später auf, so macht dies seinen Verstoß nicht ungeschehen. Ein dem Gläubiger eventuell entstandener Schaden bleibt vorhanden und es ist nicht ersichtlich, warum es zweckmäßiger sein sollte, dies rückwirkend – zumindest fiktiv – zu beseitigen645. Im Hinblick auf die Funktionen der Aufrechnung ist kein anderes Ergebnis als in Bezug auf die Zinsen festzustellen. Die Funktionen werden uneinge­ schränkt gewahrt646. Die Frage ob ein Verzug oder eine erwirkte Vertragsstrafe rückwirkend entfällt, ist davon unabhängig. (4)  Zusammenfassung Es liegt der Verdacht nahe, dass die Vertreter der Ansicht, der „praktische Wert“ der Aufrechnung werde durch die ex nunc-Wirkung zunichte gemacht, nicht die oben genannten Funktionen der Aufrechnung im Auge hatten. Vielmehr scheint der Gedanke der ipso iure-Aufrechnung hier eine Rolle gespielt zu haben647. Denn ein Gleichklang mit dieser Auffassung kann ohne die Rückwirkung nicht erreicht werden. Die Funktionen der Tilgung, Vollstreckung, Sicherung und Verrechnung hingegen erfüllt die Aufrechnung in jedem Fall, entweder rück­ wirkend auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage oder im Zeitpunkt der Erklä­ rung. Auf welchen Zeitpunkt man sich beziehen will, hat aber nichts mit dem „praktischen Wert“ der Aufrechnung zu tun, sondern nur mit dem gewählten Modell ihrer Wirkungsweise. Der „praktische Wert“ der Aufrechnung bliebe nach hier vertretener Ansicht auch bei einer ex nunc-Wirkung der Aufrechnung gewahrt. Darüber hinaus wäre eine ex nunc-Wirkung in Bezug auf Zinsen, Ver­ zug und Vertragsstrafe auch inhaltlich gut vertretbar. b)  Aufrechnung im Konkurs Das zweite materielle Argument der Verfasser des BGB für den Einsatz der Rückwirkung bezog sich auf die Vereinbarkeit mit den §§  46 ff. KO a. F. (1877) in der damaligen Fassung648. Diese sei bei einer ex nunc-Wirkung nicht gegeben und es sei dann eine zu große Anzahl von Ausnahmebestimmungen erforder­ lich, um einen Einklang herzustellen649. Die entsprechenden Vorschriften der 645  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  41 f.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (724 f.). 646  P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (290); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  177 f.; Schwimann/Kodek/Heidinger, ABGB VI, §  1438 Rn.  22. 647  So beispielsweise auch: P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (292); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  172. 648  RGBl. 1877, S.  351. 649  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60.

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Konkursordnung fanden sich in der letzten Version des Gesetzes in §§  53 ff. KO a. F. (1898)650. Seit dem 01.01.1999 hat die Insolvenzordnung die Konkursord­ nung abgelöst. Vorschriften zur Aufrechnung finden sich nun in den §§  94–96 InsO. Das Argument der Verfasser des BGB soll zunächst unter Berücksichti­ gung der Normen der Konkursordnung und seinem Zusammenhang zu diesen näher erläutert werden. In diesem Zusammenhang ist es auch von Interesse, das Verständnis der Aufrechnung zum Zeitpunkt des Erlasses der Konkursordnung näher zu betrachten. Sodann ist zu fragen, ob die erstrebten Ziele durch eine ex nunc wirkende Aufrechnung vereitelt oder nicht viel eher ebenso gut erreicht würden. aa)  Das Argument der Gesetzgebungsmaterialien im Lichte der Konkursordnung Die Argumentation der BGB-Gesetzgeber bezog sich vor allem auf §  46 KO a. F. (1877), später §  53 KO a. F. (1898) und heute §  94 InsO. Die Norm der Kon­ kursordnung äußerte sich in beiden Versionen nicht direkt zu der Frage der Zu­ lässigkeit einer Aufrechnung im Konkurs. Sie besagte lediglich, dass ein zur Aufrechnung befugter Gläubiger seine Forderung nicht im Konkursverfahren geltend machen muss. Die Zulässigkeit der Kompensation an sich hielten die Motive zur Konkursordnung für selbstverständlich: „Daß daher im Konkurse noch kompensiert werden kann … ist im allgemeinen so unbestreitbar, daß es einer besonderen Anerkennung durch das Gesetz nicht bedarf.“651. Der heutige §  94 InsO hingegen regelt ausdrücklich, dass eine Aufrechnung durch das Insol­ venzverfahren nicht ausgeschlossen wird, wenn die Möglichkeit zur Aufrech­ nung bei dessen Eröffnung bereits bestand. Hier wurde nur der dem damals geltenden Recht entsprechende Gedanke wiedergegeben652. Die abweichende Formulierung sollte lediglich sicherstellen, dass auch weitere Verfahrensab­ schnitte die Aufrechnung nicht ausschließen653. Hinter dem Gedanken der Zulässigkeit der Aufrechnung im Konkursverfah­ ren überhaupt standen vor allem Billigkeitserwägungen. Da die Aufrechnung auch eine Art Sicherungsmittel ist, hielt man es für unbillig, wenn der Gläubi­ ger seine Schuld zahlen müsse, selbst aber nur auf die Konkursquote beschränkt fordern könne654. Für den Gläubiger sei die Aufrechnung „eine Deckung, wie 650 

RGBl. 1898, S.  612. Hahn, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung, S.  219. 652  BT-Drucks 12/2443, S.  140; Schmidt-Räntsch, Insolvenzordnung mit Einführungsgesetz, §  94, S.  258. 653  BT-Drucks 12/2443, S.  140; Schmidt-Räntsch, Insolvenzordnung mit Einführungsgesetz, §  94, S.  258. 654  Hahn, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung, S.  216. 651 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

die Retention und das Pfandrecht“655. Hier sollten also vor allem das Vertrauen auf eine einmal entstandene Aufrechnungslage656 und die Sicherungsfunktion der Aufrechnung geschützt werden657. Die Konkursordnung gab dem aufrech­ nungsberechtigten Gläubiger mit §  47 KO a. F. (1877) beziehungsweise §  54 KO a. F. (1898) sogar eine noch stärkere Stellung als dem Aufrechnungsberechtigten außerhalb des Konkursverfahrens, indem sie sogar die Aufrechnung mit oder gegen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens betagten oder bedingten Forde­ rungen zuließ. Grundgedanke war auch hier die Sicherungsfunktion der Auf­ rechnung, die als gegenüber anderen stärkeres Sicherungsmittel angesehen wurde658. Heute ist dies in §  95 InsO ähnlich geregelt: Die Aufrechnung ist nicht ausgeschlossen, allerdings darf sie erst tatsächlich vorgenommen werden, wenn die Voraussetzungen eingetreten sind und die Forderung, gegen die auf­ gerechnet werden soll, nicht vorher fällig oder unbedingt wird. Eine vorherige Aufrechnungsmöglichkeit hielt man für „systemwidrig“659. Sollten die Voraus­ setzungen für eine Aufrechnung jedoch später eintreten, so sollte diese auch möglich sein, um den Gläubiger zu schützen, der „vor der Eröffnung des Insol­ venzverfahrens darauf vertrauen durfte, daß die Durchsetzung seiner Forde­ rung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierig­ keiten bereiten werde, …“660. Auch hier wird also wieder auf den Sicherungsas­ pekt der Aufrechnung abgezielt. An diese Regeln der bereits vor dem Bürgerlichen Gesetzbuch erlassenen Konkursordnung knüpft nun das Argument der Verfasser des BGB für die Rückwirkung der Aufrechnung an. Nur eine Rückwirkung würde mit den Vor­ schriften der Konkursordnung in Einklang stehen. Im Falle einer ex nunc-Wir­ kung sei eine zu große Zahl von weiteren Vorschriften erforderlich, um den gewünschten Einklang herzustellen661. Dies ist im Folgenden, vor dem Hinter­ grund des Sinns und Zwecks der genannten Normen, zu überprüfen. bb)  Beurteilung bei ex nunc-Wirkung der Aufrechnung Obwohl die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs dies anders sahen, wird heute durchaus vertreten, dass eine rein für die Zukunft wirkende Regelung mit den Normen der Konkurs-, beziehungsweise Insolvenzordnung vereinbar 655 

Hahn, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung, S.  216. Landfermann, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S.  179; Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S.  646. 657  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  175 f.; P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (291). 658  Hahn, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung, S.  216 f. 659  BT-Drucks 12/2443, S.  140. 660  BT-Drucks 12/2443, S.  141. 661  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  60. 656 

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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wäre662. Hauptargument für diese Sichtweise ist, dass der den Normen der Kon­ kurs-, beziehungsweise Insolvenzordnung zu Grunde liegende Gedanke – die Wahrung der Sicherungsfunktion der Aufrechnung – durch eine ex tunc- oder ex nunc-Wirkung der Aufrechnung überhaupt nicht berührt werde663. Der feh­ lende Zusammenhang zwischen Sicherungsfunktion der Aufrechnung und Rückwirkung wurde hier unter einem anderen Aspekt bereits ausführlich erör­ tert und bestätigt664. Solange eine Aufrechnung nach Eröffnung des Insolvenz­ verfahrens weiter zulässig bleibt, hat diese auch Sicherungsfunktion, ganz gleich ob sie zurückwirkt oder nur für die Zukunft Wirkungen entfaltet. Hier­ von hängt lediglich ab, wie Zinsen, Verzug und verfallene Vertragsstrafen zu beurteilen sind. Der Einklang mit dem Zweck der Normen der Insolvenzord­ nung ist somit in jedem Fall gewahrt. Möglicherweise zielte das Argument der Verfasser des BGB aber darauf ab, die Aufrechnungsmöglichkeit im Konkurs überhaupt zu erklären. Wenn die Aufrechnung auf einen Zeitpunkt vor Eröffnung des Konkursverfahrens zu­ rückwirkt, zieht sie so im Wege einer dogmatischen Konstruktion die Forde­ rung aus der Masse heraus. Sie wird als schon vor Eröffnung des Verfahrens erloschen angesehen. Unter Umständen sah man nur durch die Rückwirkung eine Möglichkeit, das Privileg der Aufrechnung im Konkurs zu rechtfertigen. Hätte die Aufrechnung keine Rückwirkung, wirkte sie also lediglich für die Zukunft, so könnte man auf diese Erklärung nicht zurückgreifen. Eine positive gesetzliche Regelung, welche die Aufrechnung zulässt, wäre natürlich dennoch möglich und ist ja auch ohnehin schon vorhanden. Der Regelung zugrunde lie­ gen muss aber eine Abwägung zwischen der Begünstigung des einen aufrech­ nungsberechtigten Gläubigers und dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Dieser Konflikt liegt im Übrigen auch bei einer Aufrechnung mit Rückwirkung zu Grunde und ist der richtige Ansatzpunkt zur Entscheidung der Frage. Die Rückwirkung an sich ist hier ein Argument, das sich mit dem eigent­ lichen Problem nicht auseinandersetzt. Sie ist – wie gesehen – lediglich eine dogmatische Konstruktion, eine Fiktion. Entscheidet man die Grundabwägung – Zulässigkeit der Aufrechnung an sich – so wie geschehen, dann ist auch eine ex nunc wirkende Aufrechnung möglich. Die Zulässigkeit der Aufrechnung wird bereits im Gesetz ausgesprochen.

662 

P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (291); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  174 ff.,

663 

P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (291); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  176,

664 

S. Vierter Teil, §  6 I. 3. a), S.  143 ff.

307 f. 307 f.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

cc)  Das Konkursprivileg an sich: Ein kurzer Überblick Die angesprochene Grundfrage der Entscheidung für oder gegen die Aufrech­ nungsmöglichkeit überhaupt, ist von der Frage der Rückwirkung wie gesehen unabhängig. Zum besseren Gesamtverständnis soll jedoch ein kurzer Überblick zu dieser Frage gegeben werden. Im Insolvenzrecht gilt das Prinzip der Gleich­ behandlung aller Gläubiger665. Diesem widerspricht der Erhalt des Aufrech­ nungsrechts im Grunde. Die übrigen Gläubiger werden durch die Aufrech­ nungsmöglichkeit benachteiligt, indem die Masse verringert wird, ohne dass sie dies durch einen irgendwie gearteten äußeren Tatbestand erkennen könnten666. Hinzu kommt wieder die bereits mehrfach angestellte Überlegung: Warum soll­ te jemand geschützt werden, der die Aufrechnung auf einfache Weise erklären könnte und damit die Situation klärt, dies aber nicht unternimmt667. Vertreten wird diese Ansicht beispielsweise von Zimmermann, der weiter darauf hinweist, dass historische Gegebenheiten, die bei Erlass der Konkursordnung für die Auf­ rechnung im Konkurs sprachen, sich geändert haben668. Zum einen sei die Rückwirkung der Aufrechnung allgemein als Notwendigkeit angesehen wor­ den669, zum anderen war die Geltendmachung der Aufrechnung weitaus schwie­ riger als heute, da sie in der Regel nur im Prozess vorgenommen werden konn­ te670. Er schlägt aufgrund der „Einmütigkeit der europäischen Rechtsordnungen in dieser Frage sowie der langdauernden praktischen Gewöhnung“671 jedoch vor, den Grundsatz beizubehalten, hält aber eine andere – von der Insolvenzord­ nung zu treffende – Regelung der Ausübung für angemessener: Der Kon­ kursverwalter solle den Anspruch von vornherein um den Betrag kürzen, den der Gemeinschuldner dem aufrechnungsberechtigten Gläubiger schulde672 , was letztendlich auf eine ipso iure-Wirkung hinausliefe.

665  Siehe beispielsweise: Nerlich/Römermann/Westphal, InsO, §  187 Rn.  3; Foerste, Insolvenz­ recht, S.  5 ff.; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, S.  147; ausführlich dazu Häsemeyer, KTS 1982, 507 ff. 666 HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2248 Rn.  72; Pichonnaz, La compensation, S.  646 f.; ähnlich: Derham, The Law of Set-Off, S.  270. 667  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2248 Rn.  72. 668  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2248 f. Rn.  73. 669  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2248 f. Rn.  73, der auch auf die Ausführungen in den Motiven zur Konkursordnung von Hahn verweist: Die gesammten Materialien zur Konkur­ sordnung, S.  219, in denen unter anderem die Rückwirkung der Aufrechnung als „Gemeingut aller Rechtssysteme“ bezeichnet wird. 670  HKK-BGB II/2/Zimmermann, §§  387–396, S.  2248 f. Rn.  73. 671  Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  727. 672  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  44; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  727.

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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dd) Zusammenfassung Auch das zweite Argument für die Rückwirkung kann nicht überzeugen. Viel­ mehr ist deutlich geworden, dass die Normen der Insolvenzordnung ihrem Zweck nach durchaus mit einer ex nunc-Wirkung der Aufrechnung vereinbar wären. c)  Forderungen mit veränderlicher Höhe Die Rückwirkung der Aufrechnung führt zu Problemen in Fällen, in denen eine oder beide der sich aufrechenbar gegenüberstehenden Forderungen in ihrer Höhe variabel sind. Dies setzt voraus, dass es sich um Geldwertschulden han­ delt, also solche Schulden, die sich nach einem zu leistenden oder zu ersetzen­ den Wert bemessen673. Wertschwankungen schlagen sich dabei unmittelbar in der Höhe der Ersatzforderung nieder674. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Festlegung der Höhe des Schadens wird dabei nach herrschender Meinung der Zeitpunkt der Erfüllung der Schadensersatzpflicht angesehen675, verfahrens­ rechtlich also der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Vorstellbar sind hier beispielsweise Schadensersatzansprüche in Bezug auf Wertpapiere mit schwankendem Kurswert676. aa)  Die aufgrund der Rückwirkung entstehende Problematik Wird in diesen Fällen zu einem Zeitpunkt nach dem Entstehen der Aufrech­ nungslage die Aufrechnung erklärt, stellt sich aufgrund der Rückwirkung der Aufrechnung die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Tilgungswirkung abzu­ stellen ist. Die Frage also, ob durch die Aufrechnung wegen der Rückwirkung Erfüllung schon als im Zeitpunkt des Entstehens der Aufrechnungslage einge­ treten anzusehen ist, oder ob Erfüllung erst im Zeitpunkt der Aufrechnungser­ klärung eintritt. Daraus ergibt sich die Frage, ob der Umfang der Forderungen sich nach der Höhe bei Entstehen der Aufrechnungslage oder der bei Abgabe der Aufrechnungserklärung bemisst. Die Meinungen darüber gehen auseinander677. Umstritten ist darüber hinaus, auf welchen Zeitpunkt für die weiteren Folgen 673  Siehe beispielsweise: MünchKomm-BGB/Grundmann, §  245 Rn.  86; Esser/Schmidt, Schuld­ recht I AT 1, S.  229. 674  Siehe beispielsweise: MünchKomm-BGB/Oetker, §  249 Rn.  311. 675  BGHZ 169, 263 Rn.  16; BGHZ 79, 249, 258; MünchKomm-BGB/Oetker, §  249 Rn.  314, m. w. N.; Palandt/Grüneberg, BGB, Vorb v §  249 Rn.  127; differenzierend: BeckOK-BGB/Johan­ nes W. Flume, §  249 Rn.  413 ff.. 676 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  36. 677  Überblick und zahlreiche Nachweise beispielsweise bei: Staudinger/Gursky, BGB, Neube­ arb. 2016, §  389 Rn.  36 ff.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

der Rückwirkung – insbesondere Zinsen – abzustellen ist678. Zusätzlich ist der besondere Fall zu betrachten, dass nur eine Seite – die mit der variablen Forde­ rung – zur Aufrechnung befugt ist679. Anstoß für die Diskussion war ein Urteil des Bundesgerichtshofs680. Im zu­ grunde liegenden Sachverhalt war der Inhaber der Passivforderung wegen der unberechtigten Veräußerung von Wertpapieren nach §  393 BGB an der Auf­ rechnung gehindert. Der Inhaber der veränderlichen Aktivforderung war hingegen zur Aufrechnung befugt. Fraglich war, ob die inzwischen gestiegene Aktivforderung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufrech­ nungslage erlischt oder sich in ihrer Höhe nach dem Zeitpunkt der Aufrech­ nungserklärung bestimmt681. Der Bundesgerichtshof entschied, dass es in die­ sem Fall für die Tilgungswirkung der Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Auf­ rechnungserklärung ankomme682. Zur Begründung führte er aus, der Inhaber der Passivforderung müsse jederzeit damit rechnen, dass die Forderung gegen ihn steige und sein Gläubiger diese auch einklage. Er sei nicht befugt, dies durch Aufrechnung seinerseits zu verhindern. Rechnete nun der Gläubiger selbst auf und würde dabei nur der niedrigere Betrag im Zeitpunkt der Aufrechnungslage berücksichtigt, so zwänge man ihn praktisch, die Aufrechnung zu unterlassen und stattdessen seine Forderung im jetzigen Umfang gesondert einzuklagen und die gegen ihn bestehende Forderung des Schuldners zu begleichen. Diese umständliche Vorgehensweise wollte der Bundesgerichtshof vermeiden683. Die Entscheidung ist jedoch fallbezogen zu verstehen. Dem Urteilstext lässt sich nicht entnehmen, dass eine generelle Aussage zu den Wirkungen der Auf­ rechnungserklärung getätigt werden sollte684. Vielmehr entscheidet der Bundes­ gerichtshof hier aus praktischen Erwägungen im Sinne einer Vereinfachung des Verfahrens. Trotzdem wurde die Entscheidung vielfach herangezogen, um ge­ nerelle Aussagen über die Wirkung der – zunächst nur der einseitigen – Auf­ rechnungsbefugnis zu machen. So vertrat beispielsweise Gursky eine differen­ zierende Ansicht: Für die Aktivforderung solle der Zeitpunkt der Aufrech­ nungserklärung maßgeblich sein, für die Passivforderung hingegen solle die Rückwirkung wieder greifen und der Zeitpunkt des Entstehens der Aufrech­ nungslage entscheidend sein685. Dies solle jedoch nur für den Sonderfall der 678 

Überblick bei: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  46 ff. m. w. N. Überblick bei: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  43, 51 ff. m. w. N. 680  BGHZ 27, 123 ff. 681  Zum Sachverhalt BGHZ 27, 123 f. 682  BGHZ 27, 123, 126. 683  Zur Begründung insgesamt BGHZ 27, 123, 126. 684  So auch Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  309 Fn.  228. 685  Grunsky, JuS 1963, 102 (104 ff.). 679 

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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bloß einseitigen Aufrechnungsbefugnis gelten686. Zuweilen wurde sogar ein Wahlrecht für den Aufrechnenden hinsichtlich des für die Tilgungswirkung maßgeblichen Zeitpunkts vorgeschlagen687. Dem wird jedoch die mangelnde gesetzliche Grundlage und die problematische Durchführbarkeit zu Recht ent­ gegen gehalten688. In der weiteren Entwicklung wurde dann auch die Situation der beiderseiti­ gen Aufrechnungsbefugnis erörtert. Hier ist beim Anwachsen der Forderungen nach wohl herrschender Ansicht im Schrifttum der Zeitpunkt der Aufrech­ nungserklärung für den Umfang der Tilgung maßgeblich689. Zur Begründung wird von Vertretern dieser neueren herrschenden Ansicht darauf abgestellt, dass die Höhe der Forderung zum Tatbestand der Aufrechnung gehöre und daher der Rückwirkung gar nicht erst unterfalle690. Eine ältere Ansicht findet sich bei G. und D. Reinicke. Nach ihnen sind Geldsummen- und Geldwertforderungen nicht gleichartig. Die Gleichartigkeit werde erst durch die Aufrechnungserklä­ rung hergestellt, da mit dieser die Geldwertforderung auf einen bestimmten Be­ trag fixiert werde. So würden Aufrechnungslage und Aufrechnungserklärung auf ein und denselben Zeitpunkt fallen und das Problem des maßgeblichen Zeit­ punkts könne sich nicht stellen691. Diese Ansicht hilft allerdings nicht weiter, wenn sich zwei veränderliche Forderungen gegenüberstehen, also zwei Geld­ wertschulden692. Des Weiteren wird entgegen der heute herrschenden Ansicht auch vertreten, dass grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Entstehens der Auf­ rechnungslage abzustellen sei693. Weiter wurde beispielsweise vertreten, die Forderungen würden erst mit dem Urteil einheitlich fällig694 oder es sei „als Zeitpunkt der Aufrechenbarkeit derjenige anzusehen, in welchem die Forde­ rung ihre geltend gemachte Höhe erreicht hat“695. Weitere Differenzierungen und Ansichten werden vertreten696. 686 

Grunsky, JuS 1963, 102 (104 ff.). BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  51; Dietrich, AcP 170 (1970), 534 (551 f.). 688  MünchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  10. 689 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  45; jurisPK-BGB/Rüßmann, §  389 Rn.  12; MünchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  9; Schmidt, in: Böttcher u. a., FS für Odersky, S.  685 (697 ff., 701). 690  Schmidt, in: Böttcher u. a., FS für Odersky, S.  685 (697 f.); Staudinger/Gursky, BGB, Neube­ arb. 2016, §  389 Rn.  45 unter Bezug auf Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  310. 691  G. und D. Reinicke, NJW 1959, 361 (364 ff.). 692  So auch Grunsky, JuS 1963, 102 (104). 693  BeckOK BGB/Dennhardt, §  389 Rn.  5; Palandt/Grüneberg, BGB, §  389 Rn.  2. 694  Langheineken, Das Recht 1902, 385 (387). 695  Weigelin, Das Recht zur Aufrechnung als Pfandrecht an der eigenen Schuld, S.  165. 696  Überblick und zahlreiche Nachweise beispielsweise bei: Staudinger/Gursky, BGB, Neube­ arb. 2016, §  389 Rn.  36 ff. 687 Staudinger/Gursky,

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Für die Frage der der weiteren Wirkungen der Rückwirkung geht die herr­ schende Ansicht davon aus, dass diese mit Rücksicht auf das Anwachsen der Forderungen begrenzt werden müssen697. Dies gilt insbesondere für die Berech­ nung von Zinsen. Es ist für diese auf die jeweilige Höhe der variablen unverz­ inslichen Passivforderung und des sich daraus ergebenden Rests gegenüber der unvariablen verzinslichen Aktivforderung bei einer hypothetischen Aufrech­ nung abzustellen: Bei jedem Anstieg nimmt man das Entstehen einer neuen Forderung mit einem eigenen Zeitpunkt der Aufrechnungslage an und ermittelt so das rückwirkende Erlöschen der Zinsen698. Auch im Falle des Absinkens der Forderungen soll bezüglich der Tilgungs­ wirkung der Zeitpunkt der Erklärung der Aufrechnung entscheidend sein, wäh­ rend die Rückwirkung im Übrigen ganz normal gelten soll699. Die geschilderten Fragen sind, wie gesehen, stark umstritten. Vor einer ab­ schließenden Wertung stellt sich zunächst die Frage, wie das Problem der vari­ ablen Forderungen bei einer ex nunc-Wirkung der Aufrechnung zu beurteilen wäre. bb)  Beurteilung bei ex nunc-Wirkung der Aufrechnung Im Falle einer bloß für die Zukunft wirkenden Aufrechnung, könnte obige Frage gar nicht erst auftauchen. Da keine Wirkungen auf den Zeitpunkt des Entste­ hens der Aufrechnungslage zurückbezogen würden, müsste man sich auch nicht fragen, ob eine veränderliche Forderung mit ihrem Wert zu diesem Zeitpunkt angesetzt werden sollte. Zur Ermittlung ihres Umfangs kommt hier allein der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung in Betracht. Auch eine komplizierte Be­ rechnung unterschiedlich hoher Zinsen in Bezug auf unterschiedlich hohe Auf­ rechnungslagen wäre nicht erforderlich, da die Zinsen bis zur Aufrechnungser­ klärung kontinuierlich weiterliefen. cc) Zusammenfassung Nach alledem lässt sich festhalten, dass der Auslöser der vielfältigen Streitfra­ gen in der Rückwirkung liegt. Würde man diese strikt durchführen, müsste der 697  Gernhuber, die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  310 Fn.  230; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  46; jurisPK-BGB/Rüßmann, §  389 Rn.  12; MünchKomm-BGB/Schlü­ ter, §  389 Rn.  9. 698  Gernhuber, die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  310 Fn.  230; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  46; zur Problematik der Berechnung und Folgeproblemen mit unter­ schiedlichen Ergebnissen: Langheineken, Das Recht 1902, 385 ff.; Binder, in: Bernhöft/Binder (Hrsg.), Beiträge zur Auslegung des Bürgerlichen Gesetzbuches 1, S.  23 ff. 699 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  48; jurisPK-BGB/Rüßmann, §  389 Rn.  12; MünchKomm-BGB/Schlüter, §  389 Rn.  8.

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maßgebliche Zeitpunkt zur Bemessung der Forderungshöhe der der Aufrech­ nungslage sein. Auf diesen sollen nach dem Gesetz die Wirkungen der Aufrech­ nung zurückbezogen werden. Somit auch die Tilgungswirkung. Anders zu be­ urteilen wäre dies nur, wenn die Höhe der Forderung tatsächlich ein Element des Tatbestands des §  389 BGB darstellt700. Mit diesem Argument bemühen sich neuere Vertreter der Ansicht, welche die Aufrechnungserklärung als maßgebli­ chen Zeitpunkt für den Umfang der Forderung ansieht, ihr Ergebnis zu begrün­ den701. Eine frühere Ansicht hingegen sah die Forderungen erst im Moment der Aufrechnungserklärung als gleichartig an702. Beide Begründungen versuchen, die angeordnete Rückwirkung auszuschalten und können jedoch nicht vollstän­ dig überzeugen. Während die ältere Ansicht spätestens nicht weiter hilft, sobald sich zwei veränderliche Forderungen gegenüberstehen703, stützt die erste sich vor allem auf den Wortlaut des §  389 BGB: „soweit sie sich decken“704. Dieses Argument ist jedoch nicht unumstritten705. Schon bei der Interpretation des Wortlauts selbst ist mindestens eine andere Deutungsweise möglich. So kann damit auch einfach nur ausgedrückt sein, dass die Forderungen eben nur inso­ weit erlöschen, als sie sich tatsächlich decken, und nicht weitergehend706. Tat­ sächlich finden sich auch in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch keine Hinweise darauf, dass die hier verwendete Zeitform des Präsens etwas über den maßgeblichen Zeitpunkt zur Bemessung der Deckung der Forderungen aussa­ gen soll707. Die Ausführungen der Motive legen vielmehr die zuletzt genannte Interpretation nahe, indem sie explizit darauf hinweisen, mit dem Wortlaut solle vor allem auch klar gestellt werden, dass eine Teilaufrechnung im Gegensatz zur Teilzahlung möglich sei708. Es scheint ihnen bei der Formulierung also nicht um Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts für das Deckungsverhältnis zu ge­ hen, sondern vielmehr um die Frage, inwieweit die Forderungen durch Aufrech­

700  Vertreter dieser Ansicht: Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  310; Schmidt, in: Böttcher u. a., FS für Odersky, S.  685 (697 f.); Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  45. 701  Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  310, differenziert aber für ansteigende Forderung: S.  310 Fn.  230; Schmidt, in: Böttcher u. a., FS für Odersky, S.  685 (697 f.); Staudinger/ Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  45. 702  G. u. D. Reinicke, NJW 1959, 361 (364 ff.). 703  Grunsky, JuS 1963, 102 (104). 704  Schmidt, in: Böttcher u. a., FS für Odersky, S.  685 (698). 705  Ablehnend beispielsweise: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  46 misst diesem Wortlautargument keine große Bedeutung zu, da dies „mit der in §  389 angeordneten Rücwirkung wertungsmäßig nicht zu vereinbaren“ sei. 706  G. u. D. Reinicke, NJW 1959, 361 (363). 707  Motive II, S.  108. 708  Motive II, S.  108.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

nung generell erlöschen können709. Danach kann obige Deutung der Worte nicht überzeugen. Betrachtet man nach alledem die Lösung bei einer hypothetischen ex nunc-Wirkung der Aufrechnungserklärung, so ist zunächst einmal festzustel­ len, dass sie im Ergebnis der heute herrschenden Ansicht entspricht: Der Zeit­ punkt der Aufrechnungserklärung ist maßgeblich für die Höhe der Forderung. Sie gelangt zu diesem Ergebnis lediglich auf einem erheblich einfacheren Weg. Sie erfordert weder größeren Begründungsaufwand und komplizierte Kon­ struktionen, noch wäre sie aufgrund ihrer Einfachheit anfällig für derartig gro­ ße Streitigkeiten. Bei einer ex nunc-Wirkung besteht lediglich die Möglichkeit, auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung abzustellen. Ein wesentlicher Vorteil liegt vor allem darin, dass nicht versucht werden muss, eine bestehende Kon­struktion zu begrenzen, Ausnahmen zu begründen und sie für gewisse ­Fälle einfach zu umgehen. Das Ergebnis nach der ex nunc-Wirkung stimmt dann auch unproblematisch mit dem generell maßgeblichen Zeitpunkt zur Umfangsberechnung einer Geld­ wertforderung überein. Dieser ist im Zeitpunkt der Erfüllung zu bestimmen710. Erfüllung tritt bei einer ex nunc wirkenden Aufrechnung mit ihrer Erklärung ein. Auch zu den sonstigen Wirkungen der Rückwirkung vor allem in Bezug auf Zinsen wäre keine Diskussion mehr erforderlich. Insgesamt erscheint die ex nunc-Wirkung hier also als einfachere, widerspruchfreiere Lösung. d)  Fremdwährungsschulden aa) Meinungsstand Ein ähnliches Problem stellt sich bei unechten Fremdwährungsschulden. Das sind solche Fremdwährungsschulden, die zwar in einer fremden Währung aus­ gedrückt werden, aber nach §  244 BGB auch in Euro erfüllt werden können711. Auch hier gibt es zwei mögliche Zeitpunkte, die als Stichtag für die Umrech­ nung maßgeblich sein könnten: Der Zeitpunkt des Entstehens der Aufrech­ nungslage und der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung. Bei strenger Anwen­ dung der Rückwirkung könnte man auf das Entstehen der Aufrechnungslage abstellen, denn §  389 BGB ordnet an, dass die Forderungen in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in dem sie sich zum ersten Mal aufrechenbar gegenüber standen. Nach herrschender Ansicht kommt es jedoch auf den Zeitpunkt der 709 

So auch G. u. D. Reinicke, NJW 1959, 361 (362 f.). BGHZ 79, 249, 258; MünchKomm-BGB/Oetker, §  249 Rn.  314 m. w. N.; Palandt/Grüne­ berg, BGB, Vorb v §  249 Rn.  127. 711 Siehe beispielsweise: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  387 Rn.  80; Münch­ Komm-BGB/Schlüter, §  387 Rn.  32. 710 

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Aufrechnungserklärung an712. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass erst zum Zeitpunkt der Erklärung Gleichartigkeit zwischen den Forderun­ gen hergestellt werde und somit Aufrechnungslage und Aufrechnungserklärung zusammen fallen würden713. Eine andere Ansicht sieht unechte Fremdwäh­ rungsschulden als „einheitliche Geldschulden mit Doppelwährungszahlklau­ sel“714 und daher als von vornherein gleichartig an. Trotzdem soll für die Um­ rechnung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung abgestellt werden, da §  244 Abs.  2 BGB entsprechend anzuwenden sei und die Aufrechnungserklä­ rung der Zahlung entspreche715. Ein weiterer Begründungsansatz begreift die Forderungen zwar als ungleichartig, sieht aber in §  244 BGB eine hier einschlä­ gige Ausnahme, welche die Aufrechnung dennoch zulässt.716 Für die Umrech­ nung stellt jedoch auch diese Auffassung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungs­ erklärung ab717. Auch die entgegengesetzte Ansicht wurde vertreten: Birk stellt für die Um­ rechnung auf den Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage ab. Ihm zufolge sind Geldschulden – auch in verschiedenen Währungen – zumindest funktionell gleichartig, was für die Aufrechnung ausreiche718. Nach einer weiteren Ansicht soll für die Umrechnung der Tag mit dem höchsten Kurs zwischen Aufrech­ nungslage und Aufrechnungserklärung maßgeblich sein719. Gegen die herr­ schende Ansicht wird zunächst eingewendet, Gleichartigkeit liege vor, da der Schuldner von Anfang an berechtigt sei, die Schuld in seiner Währung zu be­ gleichen720. Der Zeitpunkt des höchsten Kurswertes müsse maßgeblich sein, um Spekulationen zu Lasten des Aufrechnungsgegners zu vermeiden721. Es zeigt sich also, dass die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung auch in Bezug auf unechte Fremdwährungsschulden zu zahlreichen Streitigkeiten führt. 712 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  387 Rn.  81 m. w. N.; MünchKomm-BGB/ Schlüter, §  387 Rn.  32. 713  RGZ 167, 60, 63; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  387 Rn.  81; MünchKommBGB/Schlüter, §  387 Rn.  32; Gruber, MDR 1992, 121 (122) m. w. N. auch zu den Gegenansichten; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2051); Smoschewer, JW 1921, 1446 (1447); Blomeyer, Allgemei­ nes Schuldrecht, S.  246; RGRK/Weber, §  387 Rn.  35. 714  Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  240. 715  RGZ 106, 99, 100; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  240; Schmidt, in: Bött­ cher u. a., FS für Odersky, S.  685 (700); Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, S.  589, 590 ff. m. w. N. 716  Henn, MDR 1956, 584 (585). 717  Henn, MDR 1956, 584 (587). 718  Birk, AWD 1969, S.  12 (15 f.) m. w. N. 719  Reichel, AcP 126 (1926), 313 (326). 720  Reichel, AcP 126 (1926), 313 (325). 721  Reichel, AcP 126 (1926), 313 (326); ähnlich argumentieren G. u. D. Reinicke, NJW 1959, 361 (365), die aber die Gleichartigkeit verneinen und entgegen Reichel den Zeitpunkt der Aufrech­ nungserklärung als für die Umrechnung entscheidend halten.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

bb)  Vergleich zur hypothetischen ex nunc-Wirkung der Aufrechnung Auch hier wird, wie bei der Aufrechnung mit variablen Forderungen, deutlich, welche Schwierigkeiten die Rückwirkung auslösen kann. Durch das Institut der Rückwirkung stehen automatisch zwei mögliche Zeitpunkte im Raum, auf die für die Umrechnung abgestellt werden könnte: Der Zeitpunkt des Entstehens der Aufrechnungslage oder der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung. Die überwiegende Meinung ist sich einig, dass man auf letzteren Zeitpunkt abstel­ len müsse. Die Begründungen sind jedoch höchst unterschiedlich und nicht un­ umstritten. Bei einer ex nunc-Wirkung der Aufrechnung wäre dieses Ergebnis wiederum auf erheblich einfachere Weise erreicht. Es steht von vornherein nur der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung zur Verfügung. Ab diesem treten die Wirkungen der Aufrechnung ein, also hat sich auch die Umrechnung einer Fremdwährungsschuld danach zu richten. Die wertungsmäßig möglicherweise entgegenstehende Rückwirkung ist nicht mehr vorhanden. Ein Streit ist fernlie­ gend und die Begründung bedarf keiner größeren Konstruktionen. Auch wäre das Ergebnis unproblematisch mit §  244 Abs.  2 BGB zu vereinbaren. Nach die­ sem richtet sich der Umrechnungskurs nach dem Zeitpunkt der Zahlung. Dem Zeitpunkt der Zahlung kann bei einer ex nunc wirkenden Aufrechnung ledig­ lich der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung entsprechen, der die Tilgungs­ wirkung der Aufrechnung ex nunc auslöst. Auch wertungsmäßig stehen diesem Ergebnis keine ersichtlichen Hindernisse entgegen. Hier greift wieder das schon mehrfach bemühte Argument: Sind beide Parteien aufrechnungsbefugt, haben es auch beide in der Hand, die Aufrechnung zu erklären und so Spekula­ tionen des anderen auf Kursveränderungen zu vermeiden. Eine Erklärung ist ohne etwaige formelle Hindernisse möglich. Ist eine Partei nicht zur Aufrech­ nung befugt, kann sie durch Begleichung ihrer Schuld weiteres Zuwarten der anderen Seite verhindern. Zusammenfassend erscheint also auch im Hinblick auf das Problem der Fremdwährungsschulden eine ex nunc-Wirkung der Auf­ rechnung, vor allem aufgrund der Vereinfachung der Begründungswege, vor­ zugswürdig. e)  Aufrechnung mit verjährter Forderung aa)  Die bestehende Rechtslage Auf den ersten Blick spielt die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung auch eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer verjährten Forderung, die bei Entstehen der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war. Geregelt wird die Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer solchen Forderung in §  215 BGB. Diese Norm übernimmt die vor der Schuldrechtsre­

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form in §  390 S.  2 BGB a. F. ausgesprochene Regelung inhaltlich unverän­ dert722. Die Rechtfertigung dieser Regelung kann jedoch keineswegs eindeutig auf die Rückwirkung der Aufrechnung zurückgeführt werden. Vielmehr ist die dogmatische Begründung der Regelung ebenso umstritten, wie ihr Inhalt. Eine Ansicht leitet die Zulässigkeit der Aufrechnung im hier interessierenden Fall tatsächlich aus der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung her723. Dieser Be­ gründungsansatz wird vor allem in Österreich stark vertreten724. In Österreich besteht jedoch die Besonderheit, dass die Verfasser des Allgemeinen Bürgerli­ chen Gesetzbuchs vom Grundsatz der ipso iure-Aufrechnung ausgingen725. Hiermit steht die Zulässigkeit der Aufrechnung mit verjährten Forderungen in völligem Einklang, da sie ja vor Eintritt der Verjährung von selbst erlöschen726. Ob sie auch eine logische Schlussfolgerung der erklärten, aber auf den Zeit­ punkt der Aufrechnungslage zurückwirkenden Aufrechnung darstellt, ist damit nicht gesagt727. Nach anderer Auffassung kann die Zulässigkeit der Aufrech­ nung mit einer verjährten Forderung sodann auch keinesfalls aus der Rückwir­ kung gefolgert werden728. Dagegen sprechen zum einen inhaltliche Argumente, nämlich zunächst die Tatsache, dass die Durchsetzbarkeit der Gegenforderung eines der Tatbestandsmerkmale der Aufrechnung darstelle, welche alle zum Zeitpunkt der Erklärung noch vorliegen müssten. Die Rückwirkung beziehe sich allein auf die Rechtsfolgen729. Hinzu kommt, dass wenn man obige Be­ 722 

MünchKomm-BGB/Grothe, §  215 Rn.  1. beispielsweise: Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, §  215 Rn.  1; Begründung zum Ent­ wurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040 S.  122; Bundesmi­ nister der Justiz, Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S.  102 f.; Zimmermann, JuS 1984, 409 (421); Überblick zum Streit bei Trupp, JR 1991, 497 ff.; RGRK/Weber, §  390 Rn.  10 geht zumindest davon aus, dass sowohl der Rückwirkung als auch der Vorschrift über die Aufrechenbarkeit verjährter Forderungen dieselben Erwägungen zugrunde liegen. 724 So Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  165; Eypeltauer, JBl. 1991, 137 (138) jeweils m. w. N. 725  Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungsprotokolle des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches II, S.  244 f. (§  567). 726  Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungsprotokolle des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches II, S.  245 (§  568); Zimmermann, Comparative Foundations of a Euro­ pean Law of Set-Off and Prescription, S.  37 f.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (721 f.); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  165. 727  Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  37 f.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (721 f.). 728  Siehe beispielsweise: MünchKomm-BGB/Grothe, §  215 Rn.  2; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2014, §  215 Rn.  2; P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (293); P. Bydlinski, RZ 1991, 2; Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  165; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  299; Peters/Zimmermann, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts I, S.  266; Eypeltauer, JBl. 1991, 137 (151). 729  P. Bydlinksi, RZ 1991, 2 (3); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  165; Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  37 f.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 (721 f.). 723  Siehe

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

gründung ernst nehmen würde, sie für alle Einreden gelten müsste, die nach Entstehen der Aufrechnungslage auftauchen, und nicht nur für die der Verjäh­ rung730. Zum anderen sprechen auch die Ausführungen der Verfasser des Bür­ gerlichen Gesetzbuchs gegen eine Begründung der Zulässigkeit der Aufrech­ nung im vorliegenden Fall aus der Rückwirkung. In den Vorlagen der Redakto­ ren für die erste Kommission wird das Argument der Rückwirkung im Rahmen der vorliegenden Fragestellung durchaus diskutiert, jedoch für nicht zwingend erachtet, inhaltlich wird dann sogar von einer Zulässigkeit der Aufrechnung Abstand genommen731. Das Bedürfnis einer Ausnahme von der Wirkung der Verjährung schien nicht gegeben732. Dieselbe Sichtweise herrschte auch noch in den Motiven vor733. Den Protokollen lässt sich dann aber eine geänderte An­ sicht entnehmen. Hier sprach sich die Mehrheit für eine Zulässigkeit der Auf­ rechnung mit einer nach der Aufrechnungslage verjährten Forderung aus734. Zur Begründung wurde jedoch nicht die Rückwirkung der Aufrechnungserklä­ rung angeführt, sondern neben der Übereinstimmung mit dem geltenden Recht auch überwiegende Gründe der Billigkeit und Zweckmäßigkeit735. Argument war auch hier der Schutz des Schuldners, der auf das Bestehen der Aufrech­ nungslage vertrauen dürfe. Vor Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger habe der Schuldner keine Veranlassung selbst aktiv zu werden. Dazu könne man ihn auch nicht lediglich zur Vermeidung der Verjährung verpflich­ ten736. Dies ist auch in einem Teil der deutschen Literatur die Begründung der Vorschrift des §  215 BGB, soweit sie diese inhaltlich nicht ganz ablehnt737. bb)  Vergleich mit hypothetischer ex nunc-Wirkung der Aufrechnung Die Argumente gegen eine Ableitung des Regelungsinhalts des §  215 BGB aus der Rückwirkung der Aufrechnung sind überzeugend. Damit erübrigt sich eine vergleichende Beurteilung der Situation bei hypothetischer ex nunc-Wirkung, da die Rückwirkung keinen Einfluss auf die Frage der Aufrechenbarkeit mit verjährten Forderungen hat. Für den Fall, dass man der Gegenauffassung folgt, 730 

Eypeltauer, JBl. 1991, 137 (140); Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  299. v. Kübel, Schuldrecht AT, S.  1087 f. 732  v. Kübel, Schuldrecht AT, S.  1087 f. 733  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  58. 734  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  560. 735  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  560 f. 736  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  560 f. 737  Siehe beispielsweise: MünchKomm-BGB/Grothe, §  215 Rn.  2; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  299. 731 

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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soll dies jedoch kurz untersucht werden. Eine ex nunc wirkende Aufrechnung würde dann dazu führen, dass eine Aufrechnung mit verjährten Forderungen mit der Erklärung aus der Rückwirkung nicht mehr möglich wäre, denn eine solche wäre ja gerade nicht vorhanden. Für eine Regelung wie in §  215 BGB wäre nach dieser Ansicht dann kaum Spielraum738. Dass dies auch wertungsmä­ ßig sehr gut vertreten werden kann, zeigt die Kritik an der bestehenden Rege­ lung739. Das Hauptargument der Kritiker stützt sich darauf, dass durch eine Re­ gelung wie in §  215 BGB die Zwecke der Verjährung vereitelt würden740. Dies wurde im Übrigen auch schon von einer Mindermeinung im Rahmen der Ge­ setzgebungsarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch vorgebracht741. Als vorders­ ter Zweck der Verjährung742 kann zunächst der Schutz des Schuldners vor Be­ weisschwierigkeiten bei unberechtigten Ansprüchen sowie vor überraschenden und befürchteten Ansprüchen gesehen werden743. Zudem dient die Verjährung unzweifelhaft der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit744. Fol­ ge der Verjährung ist damit auch die Entlastung der Gerichte745. All diesen Zwe­ cken läuft die Möglichkeit der Aufrechnung mit einer verjährten Forderung zuwider, indem sie schlicht die Wirkung der Verjährung in dem hier interessie­ renden Fall aufhebt746. Beachtet man, wie einfach die Aufrechnung geltend zu 738 

Jeremias, Internationale Insolvenzaufrechnung, S.  56. Vor allem: P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (293 ff.); P. Bydlinski, RZ 1991, 2 ff.; Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  165 ff., 183 f.; Eypeltauer, JBl. 1991, 137 ff. 740  MünchKomm-BGB/Grothe, §  215 Rn.  1; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2014, §  215 Rn.  2; P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (295 ff.); P. Bydlinski, RZ 1991, 2 (3); Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S.  183 f.; Eypeltauer, JBl. 1991, 137 (140 f.). 741  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II, S.  560: „Die Minderheit wollte mit dem Entw. auch bei der Einrede der Verjährung an dem Grundsatze festhalten, weil sie glaubte, daß durch die Zulassung der Aufrechnung mit einer ver­ jährten Forderung das Rechtsinstitut der Verjährung eine mit seinem Zwecke nicht wohl vereinba­ re Abschwächung erlitte.“ 742  Überblick über die Verjährungszwecke jeweils m. w. N. siehe beispielsweise: Palandt/Ellen­ berger, BGB, Überbl v §  194 Rn.  7 ff.; MüchKomm-BGB/Grothe, Vorbemerkung zu §§  194 ff, Rn.  6 ff.; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2014, Vorbem zu §§  194 ff. Rn.  5 ff.; P. Byd­ linski, AcP 196 (1996), 276 (295 ff.); Eypeltauer, JBl. 1991, 137 (140 f.); Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen I, S.  8 ff. 743 Palandt/Ellenberger, BGB, Überbl v §  194 Rn.  8; MüchKomm-BGB/Grothe, Vorbemer­ kung zu §§  194 ff. Rn.  6 m. w. N.; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2014, Vorbem zu §§  194 ff. Rn.  5; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen I, S.  8 ff. 744  Siehe beispielsweise: BGHZ 59, 72, 74; Palandt/Ellenberger, BGB, Überbl v §  194 Rn.  9; MüchKomm-BGB/Grothe, Vorbemerkung zu §§  194 ff. Rn.  7 m. w. N.; Peters/Zimmermann, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts I, S.  289; Zimmermann, JuS 1984, 409 (410). 745  MüchKomm-BGB/Grothe, Vorbemerkung zu §§  194 ff. Rn.  8; Staudinger/Peters/Jacobi, BGB, Neubearb. 2014, Vorbem zu §§  194 ff. Rn.  7; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen I, S.  21 f. 746  Eypeltauer, JBl. 1991, 137 (140). 739 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

machen ist, erscheint eine Abkehr von dieser Ausnahme – was eine ex nunc-Wir­ kung der Aufrechnung nach der hilfsweise diesen Überlegungen zugrunde ge­ legten Auffassung bedeuten würde – gut vertretbar747. f)  Einfluss der Rückwirkung auf weitere Einzelprobleme aa) Prozesskosten Wird eine Klage wegen Aufrechnung des Beklagten abgewiesen, stellt sich die Frage, wer die Prozesskosten zu tragen hat. Aufgrund der Rückwirkung der Aufrechnung, kommen hier wieder zwei Möglichkeiten in Betracht. Nach wohl früher herrschender Auffassung war die Klage wegen der Rückwirkung der Aufrechnung – soweit die Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bestand – als von Anfang an unbegründet anzusehen, womit der Kläger gemäß §  91 ZPO die Kosten zu tragen hatte, der Zeitpunkt der Aufrechnungsla­ ge ist also hiernach maßgeblich für die Frage der Kostentragung748. Der BGH vertritt jedoch seit einiger Zeit eine andere Sichtweise: Erst die Aufrechnungs­ erklärung soll das erledigende Ereignis darstellen, was bei übereinstimmender Erledigungserklärung eine Kostenentscheidung nach §  91a ZPO nach billigem Ermessen nach sich zieht, in die auch Überlegungen dazu einzubeziehen sind, wem eine vorherige außergerichtliche Aufrechnung zumutbar war749. Bei einer ex nunc wirkenden Aufrechnung wäre eindeutig auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung als erledigendes Ereignis abzustellen, was der neu­ eren Wertung des BGH entspricht. bb) Drittaufrechnung Die Berechtigung eines Dritten zur Aufrechnung ergibt sich beispielsweise aus §  268 Abs.  2 BGB. Sie dient hier nicht der Tilgung einer eigenen Schuld, son­ dern dem Erwerb der Forderung gegen den eigentlichen Schuldner. Diese Auf­ rechnung soll nach einer Ansicht keine Rückwirkung entfalten750. Als Grund hierfür sieht beispielsweise Gernhuber, dass eine Beziehung der Forderungen erst durch die Aufrechnungserklärung eintrete und dieser somit keine Aufrech­ 747  So im Ergebnis auch P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 (304); Eypeltauer, JBl. 1991, 137 (151); Jeremias, Internationale Insolvenzaufrechnung, S.  56. 748 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  68 m. w. N. 749  BGHZ 155, 392 ff.; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  68 m. w. N.; zur Entscheidung des BGH und der Frage von Billigkeitserwägungen bzgl. der Kostenverteilung bei der Aufrechnung im Prozess: Althammer/Löhnig, NJW 2004, 3077. 750 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  387 Rn.  8, §  389 Rn.  34; Gernhuber, Die Erfül­ lung und ihre Surrogate, S.  318 f.; Oertmann, AcP 113 (1915), 376 (388); Weigelin, Das Recht zur Aufrechnung als Pfandrecht an der eigenen Schuld, S.  48 f.

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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nungslage vorausgehe, auf die sie zurückwirken könne751. Jedoch wurde auch die gegenteilige Ansicht vertreten, dass auch in den vorliegenden Fällen Rück­ wirkung eintrete752. Der Streit würde bei einer bloß ex nunc wirkenden Auf­ rechnung entfallen. Ebenso die Frage, ob die Aufrechnung eines Gesamtschuld­ ners Rückwirkung gegenüber den anderen Gesamtschuldnern entfaltet753. cc)  Abtretung an Dritte während der Schwebezeit War die Beteiligung Dritter während der Schwebezeit in den bisher besproche­ nen Fällen im Hinblick auf die Rückwirkung relevant, so liegt dies im Rahmen der Aufrechnung anders. Im Falle der Beteiligung Dritter durch Veräußerung einer Forderung während der Aufrechnungslage greift die Regelung des §  406 BGB. Diese weicht vom Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen ab und lässt unter bestimmten Bedingungen eine Aufrechnung mit einer Forde­ rung gegen den Zedenten gegenüber dem Zessionar zu754. Für die Problematik bei der Beteiligung Dritter ist die Rückwirkung der Aufrechnung nicht relevant. Wird eine Forderung abgetreten, entfällt das für eine Aufrechnungslage erfor­ derliche Tatbestandsmerkmal der Gegenseitigkeit. Hieran kann auch eine even­ tuelle Rückwirkung nichts ändern, da die Aufrechnungsvoraussetzung der Ge­ genseitigkeit noch bei Aufrechnungserklärung vorhanden sein muss755. Daher macht §  406 BGB eine Ausnahme, die auf den Wertungen des Gesetzgebers beruht: Es geht hier um den Schutz der Rechtsposition des Schuldners756. Die Rückwirkung der Aufrechnung hat darauf keinen Einfluss. Damit ist die Kon­ stellation für die vorliegende Untersuchung nicht relevant. g) Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine ex nunc-Wirkung der Aufrechnung in vielen Fällen zweckmäßiger in dem Sinne wäre, dass sie vor­ handene Streitigkeiten beseitigen und die jetzt schon herrschende Meinung ein­ 751  Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S.  318 f.; wohl auch wegen fehlender Auf­ rechnungslage: Oertmann, AcP 113 (1915), 376 (388); andere Begründung: Weigelin, Das Recht zur Aufrechnung als Pfandrecht an der eigenen Schuld, S.  48 f., der auf die fehlende gesetzliche Rege­ lung abstellt und eine Analogie zu §  389 BGB mangels gleicher Interessenlage nicht zulässt. 752  Lang, Das Aufrechnungsrecht nach bürgerlichem Recht, S.  60; Siber, Compensation und Aufrechnung, S.  127. 753 Dazu: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  389 Rn.  34 m. w. N. 754  Siehe beispielsweise: BGHZ 56, 111, 113; MünchKomm-BGB/Roth/Kieninger, §  406 Rn.  1 f.; BeckOK BGB/Rohe, §  406 Rn.  1, jeweils m. w. N. 755  Siehe beispielsweise: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, §  387 Rn.  2; BeckOK BGB/­ Dennhardt, §  387 Rn.  16; MünchKomm-BGB/Schlüter, §  387 Rn.  6. 756  Siehe beispielsweise: MünchKomm-BGB/Roth/Kieninger, §  406 Rn.  1; BeckOK BGB/Rohe, §  406 Rn.  1, jeweils m. w. N.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

facher und widerspruchsfreier abbilden würde. Dies ergibt sich insbesondere im Fall der Aufrechnung mit variablen Forderungen und Fremdwährungsschulden, sowie bezüglich der prozessualen Frage wann ein erledigendes Ereignis einge­ treten ist. Es konnte zudem gezeigt werden, dass die Bedenken der Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Hinblick auf den „praktischen Wert“ der Auf­ rechnung und die Vereinbarkeit mit den Vorschriften der Konkursordnung in Bezug auf eine ex nunc-Wirkung der Aufrechnungserklärung unbegründet sind. Auch bei einer ex nunc-Wirkung bliebe der praktische Wert der Aufrech­ nung, der in ihrer Vollstreckungs-, Tilgungs-, Sicherungs- und Verrechnungs­ funktion zu sehen ist, erhalten. Eine Unvereinbarkeit mit der Insolvenzordnung konnte nicht festgestellt werden. 4.  Abwägung Zunächst ist das Verhältnis der Rückwirkung der Aufrechnung zum inneren System des Privatrechts festzuhalten. Bei einer Analyse möglicher zugrunde liegender Prinzipien konnten keine positiven Ergebnisse in dem Sinne erzielt werden, dass die Rückwirkung an dieser Stelle zum Zusammenhalt des inneren Systems des Privatrechts beiträgt. Vielmehr erschien sie nach eingehender Un­ tersuchung zur Erhaltung und Umsetzung der angesprochenen Prinzipien nicht erforderlich. Zum Teil konnte sogar eher eine Gegenläufigkeit angenommen werden. Das innere System des Privatrechts kann somit nicht als Rechtfertigung für die Rückwirkung der Aufrechnung herangezogen werden. Der zweite Ansatzpunkt ist der der Zweckmäßigkeit anhand einer verglei­ chenden Analyse besonderer praktischer Fälle im Hinblick auf die bestehende Regelung sowie eine mögliche ex nunc-Wirkung. Hier wurden zunächst die von den Gesetzesverfassern vorgebrachten Argumente untersucht. Eine materielle Änderung durch die ex nunc-Wirkung ergäbe sich für die Beurteilung von Zin­ sen, Verzug und Verfall einer Vertragsstrafe während der Aufrechnungslage. Diese würden nicht mehr rückwirkend entfallen. Es konnte jedoch gezeigt wer­ den, dass durch eine solche Regelung die Funktionen der Aufrechnung, und damit ihr praktischer Wert, nicht beeinträchtigt würden. Es käme weiterhin zu Tilgung, Vollstreckung und Verrechnung der Forderungen. Auch die Siche­ rungsfunktion wäre nicht beeinträchtigt. Es würde lediglich ein anderer Zeit­ punkt maßgeblich sein, nämlich der der Aufrechnungserklärung. Auch wer­ tungsmäßig ist dieses Ergebnis, wie gezeigt, gut vertretbar. Bezüglich der Auf­ rechnung im Konkurs ergäbe sich keine inhaltliche Änderung. Für die Regelung des §  94 InsO ist eine Rückwirkung hingegen von vornherein nicht zur Erklä­ rung notwendig. Die Möglichkeit der Aufrechnung in der Insolvenz kann posi­ tiv festgesetzt werden und unabhängig von der Rückwirkung bestehen. Damit

§  6  Rückwirkung im Recht der Schuldverhältnisse

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ist der Einklang mit dem Zweck der Insolvenzordnung gewahrt. Auch die Funk­ tionen der Aufrechnung, insbesondere die Sicherungsfunktion, würden hier durch eine ex nunc-Wirkung keine Einschränkung erfahren. Auch bei den Streitfragen im Hinblick auf Forderungen mit veränderlicher Höhe und Fremdwährungsverbindlichkeiten ergäbe sich zumindest im Ver­ gleich zur heute herrschenden Meinung keine Abweichung im Ergebnis. Sowohl die heute herrschende Meinung als auch die automatische Schlussfolgerung bei einer ex nunc-Regelung würde den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung als den für die Berechnung der Forderungshöhe maßgeblichen Zeitpunkt heraus­ stellen. Im Rahmen der ex nunc wirkenden Aufrechnung würde dieses Ergebnis jedoch einfacher und ohne Bemühungen der Begrenzung einer bestehenden Konstruktion erreicht. Zudem führt die Begrenzung auf nur einen möglichen Zeitpunkt durch die ex nunc-Regelung zur Vermeidung von Streitigkeiten und ist einfacher in der Anwendung. Ähnliches gilt für die Frage der Prozesskosten­ tragungspflicht und der Drittaufrechnung. Bezüglich des Problems der Aufrechnung mit verjährten Forderungen ist die Rückwirkung nach der hier vertretenen Ansicht gänzlich irrelevant. Auch wenn man einer anderen Ansicht folgt, wäre das durch die ex nunc-Wirkung erzielte, abweichende Ergebnis sehr gut vertretbar. Es bleibt also unter dem Aspekt der Zweckmäßigkeit festzuhalten, dass eine ex nunc-Wirkung im Wesentlichen die anerkannten Ergebnisse auf einfacherem Wege erreichen würde. Es wäre weniger Begründungs- und Konstruktionsauf­ wand erforderlich. Ein inhaltlich abweichendes Ergebnis ergäbe sich nur in Be­ zug auf Zinsen, Verzug und Verfall einer Vertragsstrafe. Dieses ist jedoch – ins­ besondere im Hinblick auf die Funktionen der Aufrechnung – genauso gut, wenn nicht besser vertretbar. Sowohl System- als auch Zweckmäßigkeitsanalyse sprechen somit gegen die Rückwirkung der Aufrechnung. Eine Wirkung nur für die Zukunft erscheint vorzugswürdig. Hierfür spricht ebenso, dass eine solche Regelung in einigen Rechtsordnungen bereits besteht757 und auch im Draft Common Frame of Refe­ rence vorgesehen ist758. Neben den aktuellen kritischen Untersuchungen von P. Bydlinski759, Dullinger760 und Zimmermann761 stand die Rückwirkung der Aufrechnung schon immer in der Kritik762. Sehr früh und stark kritisiert hat die 757 

S. Vierter Teil, §  6 I. 1. d), S.  133. Art. III. – 6:107. 759 Insbesondere P. Bydlinski, AcP 196 (1996), 276 ff. 760  Dullinger, Handbuch der Aufrechnung. 761 Insbesondere Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S.  18 ff.; Zimmermann, in: Beuthien u. a., FS für Medicus zum 70. Geburtstag, S.  707 ff. 762  Siehe beispielsweise: Lippmann, JJ 43 (1901), S.  435 (436 , 439), der die Rückwirkung als für 758 

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Rückwirkung auch schon von Wyss für das Schweizer Obligationenrecht. Er hält die Rückwirkung für eine „künstliche Konstruktion“763 und sieht auch kei­ ne praktischen Vorteile764. Als möglicher Nachteil der vorgeschlagenen Regelung könnte jedoch die da­ durch entstehende Bedeutungslosigkeit der Aufrechnungslage angeführt wer­ den. Diese könnte ihre Bedeutung nicht mehr aus der Rückwirkung ziehen765, sondern würde lediglich noch den Zeitpunkt markieren, ab dem eine Aufrech­ nung zulässig ist. Dies entspräche jedoch insgesamt besser den dem Aufrech­ nungsrecht allgemein zugrunde liegenden Prinzipien der Privatautonomie und speziell der Unabhängigkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen. Zudem hat die Aufrechnungslage vor allem noch Bedeutung im Rahmen der §§  215, 406 BGB, die – wie gezeigt – ohnehin von der Rückwirkung unabhängig sind. 5.  Gesamtergebnis zur Rückwirkung der Aufrechnung und Regelungsvorschlag Im Ergebnis ist also eine Aufrechnung mit ex nunc-Wirkung vorzuziehen. Ab­ zustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, in dem die Willenserklärung wirksam wird, bei Abgabe unter Abwesenden also nach §  130 Abs.  1 S.  1 BGB mit Zu­ gang. §  389 BGB könnte dementsprechend folgendermaßen gefasst werden: Wirkung der Aufrechnung. Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, mit der Aufrechnungserklärung erlöschen.

stark überschätzt hält und in ihr eine Beschränkung der Kompensationsfähigkeit des Gläubigers sieht; Ohnsorge, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 20 (1882), S.  285 (295), der eine Rückwirkung auch insbesondere im Hinblick auf die Zinsen für nicht erforderlich zu halten scheint. 763  v. Wyss, Motive zu der auf Grund der Commissionsbeschlüsse vom September 1877 bear­ beiteten neuen Redaktion des allgemeinen Theils des Entwurfes zu einem schweizerischen Obli­ gationenrechte, S.  39. 764  v. Wyss, Motive zu der auf Grund der Commissionsbeschlüsse vom September 1877 bear­ beiteten neuen Redaktion des allgemeinen Theils des Entwurfes zu einem schweizerischen Obli­ gationenrechte, S.  39 f. 765  So aber beispielsweise: Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S.  276; Stau­ dinger/Kaduk, BGB, 12.  Aufl., Vorbem zu §§  387 ff. Rn.  28.

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

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§  7  Rückwirkung im Erbrecht I.  Rückwirkung der Erbschaftsausschlagung und der Erbunwürdigkeitserklärung 1.  Ausgangspunkt, Vergleich und Geschichte a)  Deutsches Recht Nach §  1942 Abs.  1 BGB geht eine Erbschaft mit dem Erbfall auf den berufenen Erben über. Dem Erben steht jedoch das Recht zu, diese Erbschaft auszuschla­ gen. Einzelheiten sind in den §§  1943 ff. BGB geregelt. Im Rahmen der vorlie­ genden Arbeit interessiert insbesondere die Folge einer solchen Erbschaftsaus­ schlagung, die eine weitere Rückwirkungsanordnung enthält. Die Wirkung der Ausschlagung einer Erbschaft ist in §  1953 BGB durch zwei Fiktionen geregelt. Zum einen gilt nach Absatz 1 der Norm bei einer Ausschlagung der Anfall an den Ausschlagenden als niemals erfolgt. Zum anderen wird nach Absatz 2 der Anfall an den nun berufenen Erben so behandelt, als wäre er mit dem Erbfall erfolgt. Parallel geregelt ist die Wirkung der Erbunwürdigkeitserklärung in §  2344 BGB. In Absatz 1 ist geregelt, dass der Anfall an einen für erbunwürdig erklär­ ten Erben als nicht erfolgt gilt, während der Anfall an den jetzt berufenen Erben nach Absatz 2 als mit dem Erbfall erfolgt gilt. b)  Römisches Recht766 und Gemeines Recht aa)  Annahme einer Erbschaft und Enthaltung Bezüglich des Anfalls einer Erbschaft wurde im klassischen römischen Recht zwischen Hauserben und auswärtigen Erben unterschieden. Die Hauserben – hierzu zählten vor allem alle durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei werden­ den Kinder767 – erwarben die Erbschaft mit dem Erbfall automatisch768. Dies lag in der engen familiären Bindung in einem gemeinsamen Hausstand begründet: Kinder konnten grundsätzlich kein eigenes Vermögen haben und ihr Erwerb kam dem paterfamilias zugute769. Sie waren ohnehin als Mitglied des Familien­ 766 Zur Entwicklung des römischen Erbrechts insgesamt beispielsweise: Vering, Römisches Erbrecht. 767  Crome, Grundzüge des Römischen Privatrechts, S.  286 f.; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  187. 768  Honsell, Römisches Recht, S.  196; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  713 ff.; Crome, Grundzüge des Römischen Privatrechts, S.  286 f., 291 f., 297; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  198. 769  Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  45; Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts III/2,

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

verbands schon „Teilhaber“ des Vermögens, was sich durch den Erbschaftser­ werb dann nur fortsetzte770. Hausfremde Erben hingegen, mussten die Erbschaft erst annehmen771. Vor einer solchen Erklärung war die Erbschaft niemandem zuzuordnen, sie „ruh­ te“772. Erklärte der Hausfremde die Annahme, so hatte dies wohl Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls773. Als Beleg hierfür wird beispielsweise von Greis774 folgender Quellenauszug angeführt: D. 45, 3, 28, 4: „Illud quaesitum est, an heredi futuro servus hereditarius stipulari possit. Proculus negavit, quia is eo tempore extraneus est. Cassius respondit posse, quia qui postea heres extiterit, videretur ex mortis tempore defuncto successisse …“775 „Man hat die Frage aufgeworfen, ob ein Erbschaftssclave dem künftigen Erben stipuliren könne? Proculus hat es verneint, weil der Erbe zu der Zeit noch Fremder sei. Cassius antwor­ tete, dass er es allerdings könne, weil Derjenige, der hernach Erbe werde, so angesehen wer­ den müsse, als wenn er vom Ableben des Verstorbenen an sein Nachfolger gewesen wäre, …“776

Das Bürgerliche Gesetzbuch folgt der Regel, die das römische Recht für die Hauserben traf. Nach §  1942 Abs.  1 BGB geht die Erbschaft auf den Erben un­ mittelbar über. Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Erben oder eine vergleichbare Regelung zu der oben angesprochenen Rückwirkung gibt es nicht. Der Erbe hat nach §§  1942 Abs.  1, 1943 ff. BGB jedoch das Recht, die Erbschaft auszuschlagen – ein Recht, das die Hauserben im klassischen römischen zivilen Recht nicht hatten: Nur ausnahmsweise gewährte der Prätor die Möglichkeit, sich der Erbschaft zu enthalten und so Klagen in Bezug auf diese zu entgehen777. Sie wurden dann – hier findet sich ein weiterer Anhaltspunkt für den Rückwir­ kungsgedanken – vom Prätor so angesehen, als wären sie nie Erbe geworden778. Dieselbe Wirkung hat auch die heutige Ausschlagung, die jedoch jedem Er­ ben zusteht. §  1953 Abs.  1 BGB regelt, dass bei Ausschlagung der Erbschaft ihr Erbrecht, S.  752 für das Gemeine Recht. 770  Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts III/2, Erbrecht, S.  752 für das Gemeine Recht; ähnlich auch Crome, Grundzüge des Römischen Privatrechts, S.  286 f. 771  Honsell, Römisches Recht, S.  196; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  103, S.  713, 715; Crome, Grundzüge des Römischen Privatrechts, S.  291; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  199. 772  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  715; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  199. 773  Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  28; Crome, Grundzüge des Römischen Privatrechts, S.  322. 774  Greis, Wesen und Umfang der Rückwirkung im Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S.  28, Fn.  2). 775  Lateinischer Text zitiert nach: Krueger/Mommsen, Corpus Iuris Civilis I. 776  Übersetzung nach: Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis IV, S.  684. 777  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  714 f; Honsell, Römisches Recht, S.  196; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  198 f. 778  Honsell, Römisches Recht, S.  196; Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  715.

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

169

Anfall an den Ausschlagenden rückwirkend als nicht erfolgt gilt. Zusätzlich wird nach §  1953 Abs.  2 BGB der nun eintretende Erbe rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls als Erbe angesehen. Im gemeinen Recht war es zum Teil umstritten, ob der Unterschied zwischen Hauserben und hausfremden Erben nicht beseitigt worden war779. Während man sich in anderen Teilen Europas, beispielsweise in den Niederlanden, dieser Auf­ fassung anschloss780, blieb es in Deutschland bei der Unterscheidung781. Hauser­ ben erwarben also weiterhin ipso iure, während andere Erben den Antritt der Erbschaft erklären mussten782. Eine Lossagung von der Erbschaft durch einen Hauserben hatte wohl rückwirkende Kraft783. bb)  Erbunwürdigkeit Im römischen Recht waren mehrere Rechtsinstitute vorhanden, die eine be­ stimmte Person von einer Erbschaft ausschlossen. Neben der Erwerbsunfähig­ keit – hierunter fallen vor allem die Gesetze des Augustus, die Ehe- und Kinder­ losen ganz oder teilweise die Erwerbsfähigkeit absprachen784 – war auch die Erbunwürdigkeit bekannt785. Diese entstand wohl im Kaiserrecht786. Hierbei hat ein Erbe bereits das Erbe erworben, es wird ihm jedoch nachträglich aufgrund eines Unwürdigkeitsgrundes wieder genommen, „entrissen“787. Wichtig ist je­ doch, dass der Erbunwürdige seine Erbenstellung dabei nicht verlor788. Ihm wurden lediglich die Rechte und Pflichten eines Erben nicht mehr zuerkannt789. Von einem rückwirkenden Verlust wie im heutigen BGB kann also nicht ge­ sprochen werden. Das erworbene Erbgut fiel meist dem Fiskus zu790.

779 

Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  620; Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  636. Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  620. 781  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  620; Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  636. 782  Coing, Europäisches Privatrecht I, S.  620; Coing, Europäisches Privatrecht II, S.  636; Dern­ burg, Pandekten III, S.  102 f.; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts III, S.  429 ff. 783  v. Schmitt, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Erbrecht II, S.  90; Motive V, S.  513; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts III, S.  431. 784  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  723 f.; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  198. 785  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  725 ff.; Übersicht über die geschichtliche Entwicklung bei Hempel, Erbunwürdigkeit, S.  3 ff. 786  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  725 m. w. N.; Krüger, Indignität und Erbunwürdigkeit, S.  12. 787  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  726 m. w. N. 788  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  726 f.; Crome, Grundzüge des Römischen Privat­ rechts, S.  354; Mayer-Maly, Römisches Recht, S.  198. 789  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  726. 790  Kaser, Das römische Privatrecht I, S.  726 f.; Crome, Grundzüge des Römischen Privat­ rechts, S.  354. 780 

170

Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Während das Gemeine Recht einige Erbunwürdigkeitsgründe des römischen Rechts zum Teil übernahm und weiterentwickelte, kamen andere nicht zur An­ wendung791. Auch hier blieb der Erbunwürdige jedoch Erbe792. Ein entscheiden­ der Unterschied zum römischen Recht bestand nach wohl herrschender Mei­ nung793 darin, dass nicht der Fiskus an die Stelle des Unwürdigen trat, sondern der Nächstberufene794. c)  Gesetzgebungsmaterialien zum BGB Die Rückwirkung der Erbschaftsausschlagung fand sich schon in §  311 des Vor­ entwurfs zum Erbrecht von Gottfried von Schmitt795. Die Rückwirkung begrün­ det er mit dem Prinzip des ipso iure-Erwerbs der Erbschaft: „Erfolgt der Ueber­ gang der Erbschaft kraft Gesetzes, so muss sich die Wirkung der Entsagung, …, auf den Rueckgang des eigetretenen Ueberganges von seinem Ursprunge an erstrecken, …“796. In den Motiven zum Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser grundlegenden Weichenstellung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dem Erwerb kraft Gesetzes im Gegensatz zum Antrittserwerb797. Während die Regelungen des geltenden Rechts als uneinheitlich beschrieben werden798, hielt man die zahlreichen Vor­ teile des Erwerbs kraft Gesetzes für ausschlaggebend799. Hier werden insbeson­ dere aufgeführt: die Einfachheit der Regelung, die Vermeidung einer ruhenden Erbschaft, der zeitliche Zusammenfall von Anfall und Erwerb, die Berücksich­ tigung der tatsächlichen Verhältnisse, sowie der Schutz von Nachlassgläubigern und -schuldnern800. Die Fiktion der Rückwirkung wird als mit dem grundlegen­ den Prinzip des Erwerbs kraft Gesetzes untrennbar verknüpft angesehen801. 791 

Kurzer Überblick bei: Krüger, Indignität und Erbunwürdigkeit, S.  40 f. Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich V, S.  275. 793  Krüger, Indignität und Erbunwürdigkeit, S.  41. 794  Zimmermann, Archiv für practische Rechtswissenschaft 1888, III. Folge, 1.Band, S.  355 ff.; Dernburg, Pandekten III, S.  108; anscheinend nicht selbst überzeugt und daher nur wiedergebend: Wendt, Lehrbuch der Pandekten, S.  850. 795  v. Schmitt, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Erbrecht I, S.  65. 796  v. Schmitt, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Erbrecht II, S.  90. 797  Motive V, S.  485 f. 798  Motive V, S.  485 f. 799  Motive V, S.  486; so auch Verhandlungen des 13. Deutschen Juristentages 1876 II, S.  138– 171 und 415–421, beachte aber die abweichenden Gutachten von Mommsen, Jung und Randa, in: Verhandlungen des 13. Deutschen Juristentages 1867 I, S.  13 ff., 22 ff., 198 ff. 800  Motive V, S.  486. 801  Motive V, S.  513. 792 

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

171

Dass diese Fiktion nicht unproblematisch ist, wird erkannt802. Jedoch behelfe sich auch der Antrittserwerb mit einer Fiktion803. Bei der Diskussion der ersten Kommission wurde die Regelung sachlich nicht mehr angegriffen804. Bezüglich der Erbunwürdigkeit nehmen die Motive aus Gründen der „Verein­ fachung“ ausdrücklich eine Abkehr vom Gemeinen Recht vor und verweisen auf die Rechtsfolgen der Ausschlagung805. Diskussionen in der Sache finden sich in den Protokollen nicht mehr806. d)  Andere Rechtsordnungen Im Schweizer Recht geht gemäß Art.  560 ZGB die Erbschaft mit dem Tode des Erblassers als Ganzes kraft Gesetzes auf die Erben über. Auch hier findet sich also der Grundsatz des unmittelbaren Übergangs der Erbschaft807. Nach Art.  566 ZGB ist eine Ausschlagung der Erbschaft möglich. Die Ausschlagung beseitigt die Erbenstellung mit Rückwirkung auf den Erbfall808: Art.  572 ZGB regelt, dass der Ausschlagende so behandelt wird, als hätte er den Erbfall nicht erlebt. An die Stelle des Ausschlagenden können nur „nächste gesetzliche Erben“ tre­ ten, also solche Erben, die als erste erben809. Schlagen alle „nächsten gesetzli­ chen Erben“ die Erbschaft aus, wird sie durch das Konkursamt liquidiert, Art.  573 ZGB. Die Erbunwürdigkeit ist in den Art.  540, 541 ZGB geregelt. Nach Art.  541 ZGB beerben die Nachkommen des Erbunwürdigen den Erblasser so, als habe der Erbunwürdige zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr gelebt. Hier findet sich also ebenfalls eine Rückwirkung810. Auch nach dem spanischen Código Civil – und nur auf die Teile Spaniens, in denen dieser gilt, soll sich der Überblick beschränken811 – gehen die Rechte und Pflichten des Erblassers unmittelbar im Moment seines Todes auf die Erben 802 

Motive V, S.  487. Motive V, S.  487. 804  Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Erbrecht I, S.  131. 805  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich V, S.  279. 806  Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich V, S.  824 f. 807 Honsell/Vogt/Geiser/Schwander, Basler Kommentar-ZGB II, Art.  560 Rn.  5; Druey, S.  212 Rn.  1; Schömmer/Bürgi, Internationales Erbrecht Schweiz, S.  88 Rn.  240, 242. 808 Honsell/Vogt/Geiser/Schwander, Basler Kommentar-ZGB II, Art.  572 Rn.  8; Druey, S.  222 Rn.  42; Schömmer/Bürgi, Internationales Erbrecht Schweiz, S.  154 Rn.  556. 809  Druey, S.  222 f. Rn.  43 ff. 810 Honsell/Vogt/Geiser/Schwander, Basler Kommentar-ZGB II, Art.  540 Rn.  22; Schömmer/ Bürgi, Internationales Erbrecht Schweiz, S.  142 Rn.  490. 811  In Spanien gibt es kein für alle Provinzen geltendes Privatrecht. Es bestehen zahlreiche Foralrechte auch für das Erbrecht, Überblick siehe beispielsweise: Kroiß, Internationales Erbrecht, S.  113 f. 803 

172

Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

über812 , Art.  657, 661 Código Civil. Die Erklärung der Annahme oder Ausschla­ gung der Erbschaft ist aber erforderlich813. Beide wirken nach Art.  989 Código Civil auf den Moment des Erbfalls zurück814. Zwischen Erbfall und Annahmeer­ klärung besteht eine „ruhende Erbschaft“815, deren Eigentümer unklar ist816. Ebenso gelten in Frankreich – wie sich aus Art.  711 Code Civil entnehmen lässt817 – die Prinzipien der Universalsukzession818 und des unmittelbaren Er­ werbs, jedoch mit einigen Abweichungen819. Eine dieser Abweichungen liegt darin, dass das Eigentumsrecht bestimmter Erben erst gegenüber Dritten gel­ tend gemacht werden kann, wenn dies durch einen bestimmten Titel ermöglicht wird820. Dieser besteht entweder in der sogenannten „saisine“821 – diese ist bei bestimmten Erben vorhanden, weswegen keine gesonderte Besitzeinweisung mehr nötig ist822 – oder der gerichtlichen „Besitzeinweisung“823. Letztere ist 812 Ferid/Firsching/Hierneis, Internationales Erbrecht, Bd. VII, Teil Spanien, Grdz. D S.  1 Rn.  100; Kroiß, Internationales Erbrecht, S.  115; Schömmer/Gebel, Internationales Erbrecht Spa­ nien, S.  98 Rn.  273; Frank, Internationales Erbrecht Spanien, S.  148 Rn.  603. 813 Ferid/Firsching/Hierneis, Internationales Erbrecht, Bd. VII, Teil Spanien, Grdz. D S.  1 Rn.  100; NomosKommentar-BGB/Reckhorn-Hengemühle, Bd. V, Länderbericht Spanien, S.  2053 Rn.  1; Schömmer/Gebel, Internationales Erbrecht Spanien, S.  98 Rn.  273; Frank, Internationales Erbrecht Spanien, S.  148 Rn.  603. 814 Ferid/Firsching/Hierneis, Internationales Erbrecht, Bd. VII, Teil Spanien, Grdz. D S.  7 Rn.  109, Grdz. I S.  14 Rn.  575; Frank, Internationales Erbrecht Spanien, S.  148 Rn.  603. 815  Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, S.  67; Ferid/Firsching/Hierneis, In­ ternationales Erbrecht, Bd. VII, Teil Spanien, Grdz. D S.  7 Rn.  109, Grdz. I S.  1 f. Rn.  558a; No­ mosKommentar-BGB/Reckhorn-Hengemühle, Bd. V, Länderbericht Spanien, S.  2053 Rn.  2. 816 Ferid/Firsching/Hierneis, Internationales Erbrecht, Bd. VII, Teil Spanien, Grdz. D S.  7 Rn.  109, Grdz. I S.  1 f. Rn.  558a. 817 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  102 Rn.  232. 818 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. D S.  20 Rn.  25, Grdz. G S.  102 f. Rn.  232; Kroiß, Internationales Erbrecht, S.  107; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 A 35 S.  480; Hübner/Constantinesco, Einführung in das franzö­ sische Recht, S.  222; NomosKommentar-BGB/Frank, Bd. V, Länderbericht Frankreich, S.  1789 Rn.  33; Bauer, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S.  299. 819 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. D S.  20 Rn.  25, Grdz. G S.  102 f. Rn.  232; Bauer, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französi­ sche Recht, S.  299 f. 820 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G ff. S.  103 ff. Rn.  233 ff.; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 2 ff. S.  589 ff.; Bauer, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S.  299 f.; NomosKommentar-BGB/ Frank, Bd. V, Länderbericht Frankreich, S.  1789 Rn.  34. 821  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 3 f. S.  591 f.; Bauer, in: Sonnen­ berger/Classen, Einführung in das französische Recht, S.  299 f.; Ferid/Firsching/Ferid, Internati­ onales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G., S.  103 ff. Rn.  233 ff. 822  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 2 ff. S.  589 ff.; Ferid/Firsching/ Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  104 f. Rn.  234 f. 823  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 5 ff. S.  592 f.; Ferid/Firsching/ Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  105 Rn.  236 f.

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

173

nach heutigem Recht nur noch beim Staat erforderlich824. Obwohl der Nachlass unmittelbar auf die Erben übergeht, besteht ein Schwebezustand, in dem unklar ist, ob der Berufene Erbe bleibt825. Dieser Zustand kann im Wesentlichen durch Annahme826 oder Ausschlagung827 der Erbschaft beendet werden828. Es gibt des Weiteren eine Annahme unter dem Vorbehalt einer Inventarerrichtung829, die hier nicht weiter verfolgt werden soll. Die Annahme verwandelt den zunächst ungewissen Zustand in einen endgültigen830 und wirkt auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurück831. Ebenso wirkt auch die Ausschlagung zurück in Bezug auf den Anfall der Erbschaft832. Im italienischen Recht findet sich ein wesentlicher Unterschied zum deut­ schen Recht. Hier findet der Erbschaftserwerb nicht mit dem Erbfall statt. Es ist vielmehr eine Annahmeerklärung erforderlich833. Erst mit der Annahme nach den Art.  470 ff. Codice Civile wird die Erbschaft erworben und zwar auf den Erbfall zurückbezogen834. Hier zeigt sich also ein völlig anderes System als im deutschen Recht. Es besteht ein echter Schwebezustand in der Zeit zwischen Erbfall und Annahmeerklärung, in der die Erbschaft keinen Rechtsträger hat835. 824 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  105 Rn.  237; zur früheren Regelung: Curti, Frankreichs Privat- und Handelsrecht, S.  204 ff. 825 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  105 Rn.  238; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 10 S.  595. 826 Hierzu näher: Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd.  II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  108 f. Rn.  243 ff.; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 19 ff. S.  598 f. 827 Hierzu näher: Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd.  II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  109 f. Rn.  246 ff.; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 25 ff. S.  599 ff. 828 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  105 Rn.  238; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 10 S.  595; NomosKommen­ tar-BGB/Frank, Bd. V, Länderbericht Frankreich, S.  1790 Rn.  35 ff. 829 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  105 Rn.  238, S.  111 Rn.  251; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 32 ff. S.  602 f. 830 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  109 Rn.  245; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht Bd. 3, 5 D 23 S.  599. 831 Ferid/Firsching/Ferid, Internationales Erbrecht, Bd. II, Teil Frankreich, Grdz. G S.  109 Rn.  245; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 23 S.  599; NomosKommen­ tar-BGB/Frank, Bd. V, Länderbericht Frankreich, S.  1790 Rn.  37; Bauer, in: Sonnenberger/Clas­ sen, Einführung in das französische Recht, S.  305. 832  Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht III, 5 D 28 S.  601; Heinsheimer u. a. (Hrsg.), Code Civil, Anm. zu Art.  785, S.  224; NomosKommentar-BGB/Frank, Bd. V, Länderbe­ richt Frankreich, S.  1790 Rn.  40. 833 Ferid/Firsching/Hausmann/Trabucchi, Internationales Erbrecht, Bd. III, Teil Italien, Grdz. J S.  189 f. Rn.  555; Kroiß, Internationales Erbrecht, S.  94; NomosKommentar/Frank, Bd. V, Län­ derbericht Italien, S.  1846 Rn.  35. 834 Ferid/Firsching/Hausmann/Trabucchi, Internationales Erbrecht, Bd. III, Teil Italien, Grdz. J S.  194 Rn.  568; Kindler, Einführung in das italienische Recht, S.  201 Rn.  2. 835 Ferid/Firsching/Hausmann/Trabucchi, Internationales Erbrecht, Bd. III, Teil Italien, Grdz. J S.  192 Rn.  563; Kindler, Einführung in das italienische Recht, S.  201 Rn.  2.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

Es bestehen hier Ähnlichkeiten zum Römischen Recht836. Dieser Zustand der subjektlosen Erbschaft erfordert jedoch Regelungen zum Schutz des zukünfti­ gen Erben837, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Durch die Aus­ schlagung verliert man demnach auch nicht die Erbschaft selbst, sondern das Recht, sie anzunehmen838. Auch sie hat Rückwirkung839. Ein weiteres, völlig anderes System zeigt sich im Erbrecht Österreichs. Zwar geht auch hier das gesamte Vermögen nach dem Grundsatz der Universalsuk­ zession auf die Erben über840, jedoch gibt es keinen unmittelbaren Übergang mit dem Erbfall841. Vielmehr ist bei jedem Erbfall ein gerichtliches Verfahren not­ wendig, das die Zuweisung – „Einantwortung“ – des Nachlasses vornimmt842. Mögliche Erben werden durch das Gericht zunächst zur Antrittserklärung auf­ gefordert, die sie gemäß der §§  799 ff. ABGB abgeben müssen843. Selbstver­ ständlich können sie die Erbschaft auch ausschlagen844. Erworben wird die Erb­ schaft nach Prüfung durch das Gericht mit der sogenannten „Einantwortung“, also mit einem Gerichtsbeschluss, der den Nachlass dem Erben in seinen Besitz gemäß §  797 ABGB zuweist845. Dieses Verfahren bedeutet für die Zeit zwi­

836 Ferid/Firsching/Hausmann/Trabucchi, Internationales Erbrecht, Bd. III, Teil Italien, Grdz. J S.  191 f. Rn.  561. 837 Kurzer Überblick bei: Ferid/Firsching/Hausmann/Trabucchi, Internationales Erbrecht, Bd. III, Teil Italien, Grdz. J S.  192 f. Rn.  563 ff. m. w. N. 838 Ferid/Firsching/Hausmann/Trabucchi, Internationales Erbrecht, Bd. III, Teil Italien, Grdz. J S.  204 Rn.  607; Kindler, Einführung in das italienische Recht, S.  202 Rn.  3. 839 Ferid/Firsching/Hausmann/Trabucchi, Internationales Erbrecht, Bd. III, Teil Italien, Grdz. J S.  206 Rn.  614; NomosKommentar-BGB/Frank, Bd. V, Länderbericht Italien, S.  1846 Rn.  39. 840 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, Grdz. D S.  73 Rn.  172. 841 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, Grdz. G S.  129 Rn.  378; Schömmer/Faßold/Bauer, Internationales Erbrecht Österreich, S.  116 Rn.  343; No­ mosKommentar-BGB/Süß, Bd. V, Länderbericht Österreich, S.  1933 Rn.  94.; Zankl, Erbrecht, S.  132 ff. 842 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, Grdz. G S.  129 Rn.  378; NomosKommentar-BGB/Süß, Bd. V, Länderbericht Österreich, S.  1933 Rn.  94; Gschnitzer, Österreichisches Erbrecht, S.  66 ff.; Zankl, Erbrecht, S.  132 ff. 843 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, Grdz. G S.  130 f. Rn.  382 ff.; Kroiß, Internationales Erbrecht, S.  86; Schömmer/Faßold/Bauer, Internationa­ les Erbrecht Österreich, S.  88 Rn.  256; S.  118 f. Rn.  347. 844 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, Grdz. G S.  133 f. Rn.  394 ff.; Schömmer/Faßold/Bauer, Internationales Erbrecht Österreich, S.  119 Rn.  348; Zankl, Erbrecht, S.  124. 845 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, S.  134 f. Rn.  399 ff.; Schömmer/Faßold/Bauer, Internationales Erbrecht Österreich, S.  88 Rn.  256, S.  118 f. Rn.  347; Zankl, Erbrecht, S.  132.

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

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schen Erbfall und Einantwortung, dass der Nachlass „ruht“846. Er stellt nach überwiegender Auffassung eine juristische Person dar847. e) Zusammenfassung Die hier angesprochenen erbrechtlichen Rückwirkungen des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs sind eng verwoben mit dem Prinzip des Vonselbsterwerbs. Andere europäische Rechtsordnungen kennen vielseitige Regelungen, ordnen zum Teil eine Erklärung hinsichtlich der Annahme oder der Ausschlagung der Erbschaft als erforderlich an. Diese Rechtsordnungen kennen in der Regel auch die Rück­ wirkung der entsprechenden Erklärung. 2.  Rückwirkung und Prinzip des Vonselbsterwerbs Der kurze rechtsvergleichende Überblick hat gezeigt, dass in Bezug auf den Erwerb der Erbschaft verschiedene Modelle denkbar sind. Angesprochen wur­ den der Anfallserwerb, der Antrittserwerb und der Erwerb nach Zuweisung durch eine staatliche Instanz848. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch hat sich für ersteres Prinzip entschieden. Die Erbschaft fällt dem Erben unmittelbar mit dem Erbfall an und zwar ohne sein Zutun849. Dieses Prinzip wird auch „Von­ selbsterwerb“ genannt850. Es kann unproblematisch als Teil des inneren Systems bezeichnet werden, da es sich aus dem Gesetz herleiten lässt: Das Prinzip des Vonselbsterwerbs wird durch die in §  1953 Abs.  1 und 2 sowie in §  2344 Abs.  1 und 2 BGB normierten Rückwirkungen durchgesetzt851. Ohne die rückbezügli­ che Wirkung des Anfalls an den Nächstberufenen nach Ausschlagung oder Er­ bunwürdigkeitserklärung des Erstberufenen, würde der Nächstberufene die Erbschaft nicht mit dem Erbfall erwerben, sondern eben erst mit der Ausschla­ gung des Erstberufenen. Die Rückwirkung der Ausschlagung, beziehungsweise der Erbunwürdigkeitserklärung, macht den Weg frei für die Durchsetzung des Prinzips des Vonselbsterwerbs. Würde sie nicht auch zurückwirken und der Erstberufene nicht so behandelt, als sei er niemals Erbe gewesen, käme es bei gleichzeitiger Rückwirkung des Anfalls an den Nächstberufen zu einer doppel­ 846 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, Grdz. G S.  129 f. Rn.  381; Schömmer/Faßold/Bauer, Internationales Erbrecht Österreich, S.  117 Rn.  343. 847 Ferid/Firsching/Verschraegen, Internationales Erbrecht, Bd. VI, Teil Österreich, Grdz. G S.  129 f. Rn.  381; NomosKommentar-BGB/Süß, Bd. V, Länderbericht Österreich, S.  1933 Rn.  94. 848  S. Vierter Teil, §  7 I. 1. d), 171 ff. 849  MünchKomm-BGB/Leipold, §  1942 Rn.  1; Kipp/Coing, Erbrecht, S.  479; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S.  191; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, S.  142. 850  MünchKomm-BGB/Leipold, §  1942 Rn.  1; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbst­ erwerb, S.  141. 851 Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  3; für §  1953 BGB BeckOK-BGB/Sieg­ mann/Höger, §  1953 Rn.  1; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, S.  145.

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

ten Zuordnung des Nachlasses zwischen Erbfall und Ausschlagung beziehungs­ weise Erbunwürdigkeitserklärung. Somit dienen beide Rückwirkungsfiktionen der Durchsetzung des Prinzips des Vonselbsterwebs. Dadurch wiederum soll ein Zeitraum einer herrenlosen Erbschaft vermieden werden852 , wie er im Sys­ tem des Antrittserwerbs bis zum Antritt der Erbschaft besteht. Nach dem zu­ grunde liegenden Modell des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll die Erbschaft zu keinem Zeitpunkt ohne Zuordnungssubjekt sein853. Im Falle der Ausschlagung dient die Rückwirkung des Weiteren dem Prinzip der Privatautonomie. Die freie Gestaltung der eigenen Rechtsbeziehungen for­ dert, dass jeder selbst entscheidet, welche Rechte und Pflichten er eingeht854. Durch die Ausschlagung, kann der Erbe sich rückwirkend von der ihm automa­ tisch anfallenden Erbschaft mit allen Rechten und Verbindlichkeiten lösen. Die Grundentscheidung für das Prinzip des ipso iure-Erwerbs der Erbschaft fand immer wieder Kritiker855, vor allem im Vergleich mit dem Prinzip des An­ trittserwerbs. So wurde vor allem kritisiert, das bestehende System verdecke nur einen Zwischenzustand, in dem das Schicksal des Nachlasses in der Schwe­ be sei856. Ziel dieser Arbeit ist jedoch allein, die vorhandenen Rückwirkungen im Zusammenhang mit dem System des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu untersu­ chen. Nicht jedoch, das vorhandene System selbst in Frage zu stellen. Somit ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, welches Prinzip des Erbschaftserwerbs vorzuziehen ist, hier nicht geboten. Vielmehr ist die Frage zu stellen, ob die Anordnung der Rückwirkung zur Durchsetzung des Prinzips des Vonselbster­ werbs hier zwingend ist, oder ob sich durch eine Zweckmäßigkeitsanalyse etwas anderes ergibt und die Durchsetzung des Prinzips zurücktreten lässt. 3.  Zweckmäßigkeit Bevor sich die Frage, ob die Rückwirkung einer Zweckmäßigkeitsanalyse stand hält, erneut stellt, soll im besonderen Fall der hier vorliegenden kombinierten 852  Motive V, S.  486; MünchKomm-BGB/Leipold, §  1953 Rn.  1; BeckOK BGB/Siegmann/ Höger, §  1953 Rn.  1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S.  206; v. Lübtow, Probleme des Erbrechts, S.  10; Eck, Die Stellung des Erben, dessen Rechte und Verpflichtungen in dem Entwurfe eines Bürger­ lichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, S.  3; Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts III/2, Erbrecht, S.  765. 853  Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts III/2, Erbrecht, S.  761 m. w. N. 854  S. Überblick zum Prinzip der Privatautonomie: Vierter Teil, §  5 I. 2. a), S.  42 ff. 855  Beispielsweise die ablehnenden Gutachten von Mommsen, Jung und Randa, in: Verhand­ lungen des 13. Deutschen Juristentages 1867 I, S.  13 ff., 22 ff., 198 ff.; v. Lübtow, Probleme des Erb­rechts, S.  10 ff.; für den ipso iure-Erwerb hingegen: Lange, Erwerb, Sicherung und Abwick­ lung der Erbschaft, S.  38 ff. 856  v. Lübtow, Probleme des Erbrechts, S.  11; Siber, Erbrecht, S.  112 Fn.  6; Endemann, Lehr­ buch des Bürgerlichen Rechts III/2, Erbrecht, S.  767 f., der statt der herrschenden Konstruktion den Erwerb eines „echten subjektiven erbrechtlichen Warterechtes“ vorschlug.

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

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Rückwirkungsanordnungen zunächst verdeutlicht werden, dass eine ex nuncWir­k ung – wenn überhaupt – nur denkbar ist, wenn sie jeweils beide normierte Wirkungen erfasst, bei §  1953 BGB also sowohl die Wirkung der Ausschla­ gung, als auch den Anfall an den Nächstberufenen. Nähme man für die Ausschlagung eine ex nunc-Wirkung, jedoch für den An­ fall der Erbschaft an den Nächstberufenen eine ex tunc-Wirkung auf den Erbfall an, so käme es zu der Situation, dass die Erbschaft zwischen Erbfall und Aus­ schlagung zwei Personen zugewiesen sein müsste. Nämlich dem Erstberufenen, der zwar ausschlägt, aber nicht rückwirkend aufhört Erbe zu sein und dem Nächstberufenen, dem die Erbschaft rückwirkend anfällt. Dies ist nicht denk­ bar. Im umgekehrten Fall – Rückwirkung der Ausschlagung, aber Jetztwirkung des Anfalls an den Nächstberufenen – würde nach Durchführung der Fiktion der Nachlass zwischen Erbfall und Ausschlagung niemandem gehören. Dies soll gerade vermieden werden. Somit beschränkt sich die folgende Untersuchung allein auf den Fall, dass sowohl Ausschlagung als auch Anfall an den Nächstberufenen keine Rückwir­ kung haben. In dieser gedachten Konstellation, läge es so: Mit dem Erbfall wür­ de der Erstberufene Erbe. Schlägt er die Erbschaft aus oder wird er für erbun­ würdig erklärt, hört er auf, Erbe zu sein und der Nächstberufene tritt in diesem Moment an seine Stelle. Der ursprüngliche Erbe bleibt es jedoch für die Zeit zwischen Erbfall und Beendigungsgrund. Auch in diesem Fall würde keine her­ renlose Erbschaft entstehen. Wenn man sich überhaupt auf dieses Gedankenexperiment einlässt, das dem bestehenden System des Erbrechts so völlig entgegenläuft, spricht gegen diese Konstellation auch aus Zweckmäßigkeitsgründen schon von vornherein, dass es bei mehreren hintereinander folgenden Ausschlagungen der Erbschaft zahlrei­ che Erben geben würde, die nicht gleichberufen sind und zudem jeweils nur für eine kurze Zeitspanne Erben sind. Dies würde unabhängig von der Systemwid­ rigkeit zahlreiche praktische Probleme hervorrufen, von denen einige kurz auf­ gezeigt werden sollen. a)  Verhältnis zu Nachlassgläubigern und Nachlassschuldnern aa)  Forderungen der Nachlassgläubiger Zunächst ist die rechtliche Stellung der Nachlassgläubiger zu untersuchen. Es soll der Fall gedacht werden, dass A, B, C und D jeweils nacheinander berufen waren und jeweils die Erbschaft ausgeschlagen haben. E hingegen hat sie nun angenommen. Nach geltendem Recht wird E so behandelt, als wäre er mit dem Erbfall Erbe geworden. Ansprüche gegen ihn können nach §  1958 BGB zu sei­

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

nem Schutz erst nach der Annahme der Erbschaft gerichtlich geltend gemacht werden857. Wirkt die Ausschlagung nur ex nunc, hatten A, B, C und D alle einmal die Erbenstellung inne, jeweils nur für die Zeitspanne bis zur ihrer Ausschlagung. Selbst wenn man §  1958 BGB anwenden würde, der offensichtlich auf dem gel­ tenden System fußt, dass nach Annahme nur eine Person Erbe ist und rückwir­ kend immer war, und damit auf die vorliegende Konstruktion nicht passt, ergä­ ben sich erhebliche Begründungsschwierigkeiten. Zwar könnten Ansprüche gegen A, B, C und D dann mangels Annahmeerklärung nicht geltend gemacht werden, jedoch sind sie jeweils für eine bestimmte Zeitspanne tatsächlich Erben gewesen und damit auch Schuldner der Nachlassgläubiger. Die Erbmasse war für eine gewisse Zeit Teil ihres Vermögens und bleibt dies auch für diese Zeit­ spanne. Eine ex nunc-Wirkung würde die Verhältnisse somit recht verworren erscheinen lassen und keineswegs zu einer Vereinfachung beitragen. Es wären weitere Regelungen erforderlich. bb)  Leistungen der Nachlassschuldner – Insbesondere bei Erbunwürdigkeitserklärung Wenn ein Nachlassschuldner vor der Erbunwürdigkeitserklärung gegenüber dem zunächst berufenen Erben erfüllt, ist er nach geltender Rechtslage nur von seiner Leistungspflicht befreit, wenn die Voraussetzungen des §  2367 BGB vor­ liegen858, also nur, wenn der Schuldner sich den Erbschein zeigen ließ. Disku­ tiert wird des Weiteren eine analoge Anwendung des §  407 BGB, was jedoch nicht unumstritten ist859. Einen weitergehenden Schutz als in §  1959 Abs.  2 und 3 BGB hielt der Gesetzgeber wegen der geringen Bedeutung der Erbunwürdig­ keit nicht für notwendig860. Wird der Schuldner nicht befreit, muss er gegen den Erbunwürdigen aus §§  812 ff. BGB vorgehen, der unter Umständen gemäß §  819 BGB verschärft haften wird861. Dies ließe sich fast unverändert auch auf den gedachten Fall ohne Rückwirkung anwenden, nur dass im Rahmen von §  812 BGB nicht die condictio indebiti, sondern die condictio ob causam finitam ein­ schlägig sein dürfte. 857 

Siehe dazu beispielsweise: MünchKomm-BGB/Leipold, §  1958 Rn.  1. BGB, Neubearb. 2015, §  2344 Rn.  21. 859  Dafür beispielsweise: Staudinger/Olshausen, BGB, Neubearb. 2015, §  2344 Rn.  21; Brox/ Walker, Erbrecht, S.  169 Rn.  287; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S.  164 f. m. w. N. auch zur Gegenauf­ fassung; dagegen beipielsweise: MünchKomm-BGB/Helms, §  2344 Rn.  4; Palandt/Weidlich, BGB, §  2344 Rn.  3. 860  Motive V, S.  602. 861 Staudinger/Olshausen, BGB, Neubearb. 2015, §  2344 Rn.  21; MünchKomm-BGB/Helms, §  2344 Rn.  4; Palandt/Weidlich, BGB, §  2344 Rn.  2; nicht notwendig verschärfte Haftung von An­ fang an nach: Lange/Kuchinke, Erbrecht, S.  164. 858 Staudinger/Olshausen,

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Erfolgt eine Leistung an den zunächst berufenen Erben vor der Ausschlagung der Erbschaft, besteht der zusätzliche Schutz des §  1959 Abs.  3 BGB. Der Rege­ lungsgehalt des §  1959 BGB hat seinen Sinn darin, dass der vorläufige Erbe seine Stellung nach Ausschlagung rückwirkend verliert und somit als Aus­ gangspunkt für die vorgenommenen Rechtsgeschäfte nicht mehr zur Verfügung steht, obwohl er zunächst als Berechtigter gehandelt hat862. Würde die Ausschla­ gung nur ex nunc wirken, wäre §  1959 BGB nach seinem Sinn und Zweck also nicht anwendbar. Das Rechtsgeschäft wäre gegenüber dem Berechtigten vorge­ nommen worden, der für die Zeit bis zur Ausschlagung auch Berechtigter bleibt. Problematisch ist, dass er nicht Erbe bleibt, die Wirkungen aber diesen treffen sollen. Eine Regelung dieser Verhältnisse wäre also erforderlich. b)  Ansprüche zwischen endgültigem und vorläufigem Erben Nach der geltenden Regelung hat der endgültige Erbe gegen den ausschlagenden Erben vor allem eventuelle Ansprüche aus §  1959 Abs.  1 BGB in Verbindung mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag863. Nicht in Frage kommen Ansprüche aus §§  2018 ff. BGB, da ihm der Besitz durch ein ihm tat­ sächlich zustehendes Erbrecht zukam864. Umgekehrt hat der Ausschlagende ge­ gen den endgültigen Erben wegen Besorgung erbschaftlicher Geschäfte einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus §§  1959 Abs.  1, 683, 670 BGB865. Zur Anwendbarkeit von §  1959 Abs.  1 BGB, auch bei einer ex nunc wirken­ den Ausschlagung, gilt das oben Gesagte: §  1959 BGB ist nach seinem Sinn und Zweck an die rückwirkende Ausschlagung angepasst. Der vorläufige Erbe ver­ liert seine Erbenstellung in der gedachten Situation nicht rückwirkend, er wäre also eher als Geschäftsherr und nicht als Geschäftsführer anzusehen. Eine Re­ gelung wäre nichtsdestotrotz erforderlich, da es keineswegs selbstverständlich ist, dass der vorläufige Erbe durch die von ihm als Berechtigtem ausgeführten Geschäfte dem endgültigen Erben gegenüber berechtigt oder verpflichtet sein soll. Insbesondere, wenn diese Berechtigung nicht rückwirkend entfällt. Hier entstünde also Diskussions- und Regelungsbedarf durch die Annahme einer ex nunc-Wirkung.

862 

MünchKomm-BGB/Leipold, §  1959 Rn.  1. BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  11. 864 Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  11; MünchKomm-BGB/Helms, §  2018 Rn.  19; MünchKomm-BGB/Leipold, §  1959 Rn.  2; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S.  1050. 865 Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  11. 863 Staudinger/Otte,

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Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

c)  Verfügung zugunsten Dritter Falls ein vorläufiger Erbe Verfügungen zugunsten von Dritten vornimmt, sind diese gemäß §  1959 Abs.  2 BGB geschützt, wenn bei Aufschub der Verfügung Nachteile für den Nachlass entstünden866. Ansonsten ist nur ein gutgläubiger Erwerb möglich, da er durch die Ausschlagung der Erbschaft rückwirkend zum Nichtberechtigten wird867. Wirkt die Ausschlagung nur ex nunc, ergibt sich hier ein entscheidender Un­ terschied. Der vorläufige Erbe hat immer als Berechtigter verfügt. Dabei bleibt es mangels der rückwirkenden Entziehung der Erbenstellung. §  1959 Abs.  2 BGB passt hier nicht, da dieser eine Ausnahme davon regelt, dass eine eigent­ lich mangels Berechtigung unwirksame Verfügung vorliegt868. Ein Schutz des vorläufigen Erben oder des Dritten ist hier auch gar nicht notwendig. Jedoch ist fraglich ob die umfassende Wirksamkeit aller Verfügungen des vorläufigen Er­ ben überhaupt gewollt ist. Hier wäre eher an einen notwendigen Schutz für den endgültigen Erben zu denken. Der vorläufige Erbe könnte sonst als Berechtig­ ter über Nachlassgegenstände unbegrenzt verfügen. Auch hier wird also deut­ lich, dass eine ex nunc-Wirkung der Ausschlagung keineswegs zu einer Ver­ einfachung der Lage führen würde. Stattdessen würden neue Probleme aufge­ worfen. d)  Vereinigung der Rechte und Pflichten Zudem stellt sich das Problem des Erlöschens der gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Erblasser und Erben. Verliert jemand rückwirkend seine Erbenstellung, leben diese wieder auf869. Es stellt sich die Frage, wie die Lage zu beurteilen ist, wenn der vorläufige Erbe nun aufhört Erbe zu sein, ohne die­ se Stellung aber rückwirkend zu verlieren. Die Rechte und Pflichten könnten mangels Rückwirkung der Ausschlagung jedenfalls nicht von alleine rückwir­ kend wieder aufleben. Hierfür wäre eine gesonderte Regelung erforderlich. Ohne eine solche ergäbe sich die Situation, dass bestimmte Rechte und Pflich­ ten für die Zeit der Erbenstellung erloschen waren, aber vorher und nachher bestanden. 866 Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  12; Staudinger/Mesina, BGB, Neubearb. 2017, §  1959 Rn.  8 ff.; MünchKomm-BGB/Leipold, §  1959 Rn.  5 ff.; Brox/Walker, Erbrecht, S.  192 Rn.  317. 867 Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  12; Staudinger/Mesina, BGB, Neubearb. 2017, §  1959 Rn.  13 ff. m. w. N.; MünchKomm-BGB/Leipold, §  1959 Rn.  7. 868  MünchKomm-BGB/Leipold, §  1953 Rn.  2; § 1959 Rn.  5; Staudinger/Mesina, BGB, Neube­ arb. 2017, §  1959 Rn.  8; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S.  206. 869 Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  7.

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

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e) Besitz Der gemäß §  857 BGB erworbene Besitz wird mit der Ausschlagung als rück­ wirkend nicht erworben angesehen, es sei denn der vorläufige Erbe hatte den Besitz bereits tatsächlich inne, in welchem Fall er bis zur Herausgabe an den endgültigen Erben andauert870. Für ersteren Fall könnte die hier gedachte Kon­ stellation einen Unterschied machen. Wenn die Erbenstellung nicht rückwir­ kend entfällt, kann auch der noch nicht tatsächlich ergriffene Besitz nicht rück­ wirkend entfallen. Da jedoch auch bei der jetzigen Regelung nach herrschender Ansicht sowohl verbotene Eigenmacht nach §  858 BGB als auch Abhanden­ kommen nach §  935 BGB ausgeschlossen sind, da die Besitzergreifung nach dem Gesetz ursprünglich zulässig war871, dürfte sich kaum ein Unterschied er­ geben. f)  Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Erbenstellung Fraglich ist auch, auf welchen Zeitpunkt zur Feststellung der Erbeneigenschaft abzustellen ist. Nach der geltenden Regelung kommt es nach Ausschlagung be­ ziehungsweise Erbunwürdigkeitserklärung des vorläufigen Erben darauf an, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls der Nächstberufene gewesen wäre872. Dies scheint in Verbindung mit der angeordneten Rückwirkung die logische Folge des Vonselbsterwerbs. Zudem schützt es den endgültigen Erben davor, die Erb­ schaft wegen zwischenzeitlichen eigenen Versterbens nicht zu erlangen873. Fraglich ist nun, auf welchen Zeitpunkt es ankommen würde, wenn es keine Rückwirkung gäbe. Ohne die Rückwirkung wäre im Falle der Ausschlagung beziehungsweise Erbunwürdigkeitserklärung das Prinzip des Vonselbsterwerbs in Bezug auf den endgültigen Erben ohnehin aufgegeben. Er würde in der ge­ dachten Konstellation nicht rückwirkend auf den Erbfall, sondern erst mit der Ausschlagung, beziehungsweise Unwürdigkeitserklärung, zum Erben. Mangels der Rückwirkung könnten hier Probleme und Diskussionsbedarf entstehen. Eine Regelung wäre erforderlich, um Zweifelsfragen vorzubeugen. 870  BGH NJW 1969, 1349 (mittelbar); Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  7; MüchKomm-BGB/Leipold, §  1953 Rn.  4; Palandt/Weidlich, BGB, §  1953 Rn.  4; a. A. Lange/Ku­ chinke, Erbrecht, S.  205 f. 871  BGH NJW 1969, 1349 (mittelbar); Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  7; MüchKomm-BGB/Leipold, §  1953 Rn.  4; Palandt/Weidlich, BGB, §  1953 Rn.  4; Kipp/Coing, Erb­ recht, S.  497; a. A.: Lange/Kuchinke, Erbrecht, S.  206 Fn.  102. 872 Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  3, 5; Staudinger/Olshausen, BGB, Neu­ bearb. 2015, §  2344 Rn.  13; MünchKomm-BGB/Leipold, §  1953 Rn.  9; MünchKomm-BGB/Helms, §  2344 Rn.  1. 873  MünchKomm-BGB/Leipold, §  1953 Rn.  9; MünchKomm-BGB/Helms, §  2344 Rn.  1; Stau­ dinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, §  1953 Rn.  6; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbst­ erwerb, S.  242.

182

Vierter Teil:  Einzelne Rückwirkungsanordnungen

g) Zusammenfassung Die dargestellten – keineswegs abschließenden – Fallgruppen geben einen kur­ zen Überblick, über die Problematik, die bei einer ex nunc-Wirkung entstünde. Während zum Teil auch keine großen Unterschiede ersichtlich sind, so sind doch in vielen Fällen bestehende Normen ihrem Sinn und Zweck nach nicht anwendbar. Es entstünden neue Fragen, die eine Regelung notwendig machen würden, zumindest aber erhebliche Streitigkeiten auslösen könnten. Im Ergeb­ nis würde eine ex nunc-Wirkung also nicht zu einer Vereinfachung führen. Die Zweckmäßigkeitsanalyse spricht daher für eine Beibehaltung der Rückwirkung. 4.  Abwägung In der Untersuchung zur Rückwirkung der Anfechtung wäre durch eine Abkehr von der ex tunc-Wirkung nicht das hinter ihr stehende Prinzip der Privatautono­ mie völlig aufgegeben worden. Es handelte sich lediglich um einen kleinen Tei­ laspekt, dessen abweichende Regelung nicht einen Verlust der Privatautonomie im Bürgerlichen Gesetzbuch bedeuten würde. Im Falle der besprochenen er­ brechtlichen Rückwirkungen ist dies anders zu beurteilen. Wie gesehen, dienen sie dem erbrechtlichen Prinzip des Vonselbsterwerbs und sind zugleich eine sehr starke Ausprägung dessen874. Zur Durchführung dieser Grundentschei­ dung des Gesetzgebers sind die beschriebenen Rückwirkungsanordnungen zwingend notwendig. Ansonsten würde nur noch der Erstberufene ipso iure erwerben, der nicht ausschlägt und nicht für erbunwürdig erklärt wird. Sobald jedoch einer dieser Fälle eintritt, wäre das Prinzip durchbrochen. Damit würde das Prinzip des Vonselbsterwerbs gegenstandslos. Die Anforderungen an eine Abkehr von der Rückwirkung aufgrund der Zweckmäßigkeitsanalyse müssten also entsprechend hoch sein. Jedoch hat auch die Zweckmäßigkeitsanalyse keine Argumente für eine ex nunc-Wirkung ergeben. In den untersuchten Fällen erscheinen teilweise Nor­ men, die sich in das bestehende System einfügen, mit der gedachten Konstruk­ tion nicht vereinbar. Hier entstünde Diskussionsbedarf. Zudem würde eine ex nunc-Wirkung dazu führen, dass verschiedene Personen jeweils hintereinander Erben waren und dies auch für ihre Zeitspanne bleiben. Dies kann mit dem be­ stehenden System nicht vereinbart werden und führt zu den aufgezeigten Prob­ lemen.

874 

Siehe nur: Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, S.  145.

§  7  Rückwirkung im Erbrecht

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II. Ergebnis Die in §  1953 Abs.  1 und 2 BGB sowie in §  2344 Abs.  1 und 2 BGB enthaltenen Rückwirkungsanordnungen dienen der Erhaltung des inneren Systems des Pri­ vatrechts und sind auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu erhalten. Eine Änderung der besprochenen Normen wird daher nicht für sinnvoll gehal­ ten. Vielmehr ist hier ein Fall zu sehen, in dem die Rückwirkung gerechtfertigt ist.

Fünfter Teil

Ergebnisse Im Hinblick auf die Ausgangsfrage, ob bestimmte Rückwirkungsanordnungen im Hinblick auf das innere System oder Zweckmäßigkeitserwägungen gerecht­ fertigt sind, ergibt sich somit folgendes Bild: 1. Die Rückwirkung der Anfechtung ist beizubehalten. In Bezug auf die An­ fechtung gegenseitiger Verträge nach §  119 BGB scheint zwar auch eine ex nunc-Regelung in Form eines Rücktrittsrechts im Rahmen der Zweckmäßig­ keitsanalyse durchaus vorteilhaft. Jedoch überwiegen die Vorteile nicht so deut­ lich, dass sie zwingend erscheinen, insbesondere gegenüber den Ergebnissen zum inneren System. Zudem ist zu einer Abkehr von der ex tunc-Wirkung bei den Anfechtungsgründen des §  123 BGB nicht zu raten und auch die Anfech­ tung einseitiger Willenserklärungen wäre gesondert zu betrachten, da hierfür kein Rücktrittsrecht in Frage kommt. Eine solche Aufspaltung und Zersplitte­ rung des Anfechtungsrechts kann durch den möglichen Vorteil eines Teilas­ pekts nicht ausgeglichen werden. 2. Die Rückwirkung der Genehmigung ist aufzugeben. Die Folgen sollten ledig­ lich für die Zukunft wirken. Der Rückwirkung liegen in diesem Fall keine Prin­ zipien zugrunde, zu deren Durchsetzung sie notwendig wäre. Das innere Sys­ tem des Bürgerlichen Gesetzbuchs würde somit nicht beeinträchtigt. Auch die Zweckmäßigkeitsanalyse hat gezeigt, dass viele Fälle mit einer ex nunc-Wir­ kung vor dem Hintergrund der Systemkohärenz einfacher oder widerspruchs­ freier zu handhaben wären. 3. Die Rückwirkung der Aufrechnung ist aufzugeben. Stattdessen sollte die Aufrechnungserklärung nur ex nunc-Wirkung entfalten. Die Rückwirkung ist für das innere System des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht erforderlich, ihr Wegfall würde es somit unberührt lassen. Auch im Rahmen der Zweckmäßig­ keitsanalyse überzeugt die Rückwirkung nicht. Der „praktische Wert“ der Auf­ rechnung würde durch eine ex nunc-Wirkung nicht beeinträchtigt. Zudem wür­ den die von der herrschenden Meinung bei Einzelproblemen erzielten Ergebnis­

186

Fünfter Teil:  Ergebnisse

se auf einfacherem und zweifelsfreierem Wege erreicht. Die Regelung der Aufrechung ohne Rückwirkung im Draft Common Frame of Reference ist bei­ spielhaft für den zu beschreitenden Weg und stützt dieses Ergebnis. 4. Die Rückwirkung von Erbschaftsausschlagung und Erbunwürdigkeitserklä­ rung ist beizubehalten. Sie ist zur Durchsetzung des Prinzips des Vonselbster­ werbs, einer grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers, zwingend erfor­ derlich. Auch Zweckmäßigkeitsgründe sprechen für eine Rückwirkung. 5. Insgesamt wird deutlich, dass eine generelle Aussage für alle Rückwirkungs­ anordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht möglich ist. Jeder einzelnen Rückwirkungsanordnung liegen mal mehr und mal weniger ausführliche, je­ doch verschiedene Erwägungen zugrunde. Für jede einzelne Rückwirkung wäre zu untersuchen, wie sie mit dem inneren System verknüpft ist und ob sich aus ihr gegenüber einer ex nunc-Wirkung erhebliche Erleichterungen in der praktischen Anwendung ergeben. Eine vollständige Aufgabe des gesetzestech­ nischen Mittels der Rückwirkung kann somit nicht befürwortet werden.

Zusammenfassung Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Rückwirkung im Bürgerlichen Recht und ihre Rechtfertigung im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Es werden ausschließlich zivilrechtliche Rückwirkungsanordnungen untersucht. Bisherige Forschungen beziehen sich vor allem auf die Rechtsnatur der Rück­ wirkung und auf ihre Auswirkung auf Dritte. Weitgehend ungeklärt erscheint die Frage ihrer inhaltlichen Rechtfertigung. An dieser Stelle soll die vorliegende Arbeit ansetzen. Zweck und Rechtfertigung der Rückwirkung werden im Rah­ men der Arbeit anhand ausgewählter Rückwirkungsanordnungen untersucht. Als leitende Untersuchungsmaximen werden dabei die Stellung der Rückwir­ kung im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs und die praktische Zweckmä­ ßigkeit einer Rückwirkungsanordnung aufgeworfen. Nach einer kurzen Einführung in Umfang und Ziel der Untersuchung werden im zweiten Teil der Arbeit die für die Untersuchung erforderlichen Grundlagen zu Begriff und Rechtsnatur der Rückwirkung dargestellt. Hier wird auch aufge­ zeigt, dass bereits im römischen Recht der Rückwirkungsgedanke vorhanden war. Der dritte Teil der Arbeit beschäftigt sich sodann, nach Darstellung der im Bürgerlichen Gesetzbuch vorhandenen Rückwirkungen und Einteilung auf des­ sen fünf Bücher, mit den aufzustellenden Untersuchungsmaximen. Zum einen soll die Stellung der Rückwirkung im System des Privatrechts untersucht wer­ den. Die Arbeit legt den Systembegriff von Canaris zu Grunde, in der Ausprä­ gung, die er durch Bydlinski erfahren hat. Der Systembegriff und der Begriff der Rechtsprinzipien werden erläutert. Sodann schlägt die Arbeit den Bogen zum Untersuchungsgegenstand, der Rückwirkung. Die Rückwirkung, so der Ausgangspunkt, könnte für das innere System zwingend sein, um die Durchset­ zung bestimmter zu Grunde liegender Prinzipien zu ermöglichen. Dies wird – gerade auch in einer Gegenüberstellung zu einer möglichen ex nunc-Wirkung – in den folgenden Kapiteln anhand einzelner Rückwirkungsanordnungen un­ tersucht. Zum anderen werden auch Zweckmäßigkeitsaspekte betrachtet. Es stellt sich die Frage, wie bei Anwendung der Rückwirkung bestimmte proble­ matische Konstellationen gelöst werden, ob Ausnahmen erforderlich sind und ob gegebenenfalls Widersprüche entstehen. Die Ergebnisse werden wieder den

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Zusammenfassung

Ergebnissen bei einer möglichen ex nunc-Wirkung gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass auch die Frage der Zweckmäßigkeit von den Überlegungen zum inne­ ren System des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht unabhängig ist. Vielmehr ist auch dies ein Aspekt, der letztendlich dem System dient. Eine zweckmäßige Regelung fügt sich durch die Vermeidung von Widersprüchen und Ausnahmen in das bestehende System besser ein, als eine solche, die umgekehrt von Wider­ sprüchen gekennzeichnet ist und zahlreiche Ausnahmen von ihrer Anwendung erforderlich macht. Der vierte Teil stellt das Kernstück der Arbeit dar. Hier werden einzelne Rückwirkungsanordnungen anhand der zuvor aufgestellten Grundsätze auf die Frage ihrer Rechtfertigung hin untersucht. Die Untersuchung der einzelnen Rückwirkung wird dabei im Wesentlichen in vier Schritten vorgenommen. Zu­ nächst wird die Regelung einleitend dargestellt und ein kurzer vergleichender Überblick über ähnliche Regelungen im römischen und gemeinen Recht sowie die Regelungen in anderen europäischen Rechtsordnungen gegeben. Hierbei in­ teressieren insbesondere abweichende Regelungen, die eine ex nunc-Wirkung anordnen. Zudem werden die Gesetzgebungsmaterialien auf Anhaltspunkte für die der Rückwirkung zu Grunde liegenden Erwägungen untersucht. Der zweite Teil konzentriert sich jeweils auf die erste aufgestellte Untersuchungsmaxime und erforscht die Frage, welche Prinzipien der jeweiligen Rückwirkung zu Grunde liegen. Vergleichend wird jeweils eine mögliche ex nunc-Wirkung be­ trachtet. Der dritte Teil beschäftigt sich anhand ausgewählter problematischer Fälle mit der Frage der Zweckmäßigkeit, auch jeweils in Gegenüberstellung zu einer hypothetischen ex nunc-Wirkung. Sodann werden die Ergebnisse abgewo­ gen und entschieden, ob die Rückwirkung beibehalten werde sollte, oder eine ex nunc-Wirkung befürwortet wird. Dieser Teil der Arbeit beginnt mit der Untersuchung von zwei Rückwir­ kungsanordnungen aus dem allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Zunächst wird die Rückwirkung der Anfechtung und sodann die Rückwirkung der Genehmigung nach den erarbeiteten Kriterien untersucht. Aus dem Recht der Schuldverhältnisse wird die Rückwirkung der Aufrechnung zur Untersu­ chung herangezogen. Zuletzt werden aus dem Erbrecht die Rückwirkung der Erbschaftsausschlagung und der Erbunwürdigkeitserklärung betrachtet. Die Ergebnisse der jeweiligen Untersuchung werden im Folgenden kurz skizziert. Für den Fall der Anfechtung ergibt sich ein sehr differenziertes Bild. Bei ei­ ner Anfechtung wegen Drohung oder Täuschung kommt die Arbeit zu dem Er­ gebnis, dass der Zweck der Rückwirkung vor dem Hintergrund der Privatauto­ nomie so gravierend ist, dass auf diese nicht verzichtet werden sollte. Anders könnte man jedoch nach dem Ergebnis der Arbeit die Fälle der Anfechtung we­ gen Irrtums behandeln. Die Beeinträchtigung der Privatautonomie ist in diesen

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Fällen als schwächer anzusehen. Auch die Zweckmäßigkeitsuntersuchung spricht nicht dagegen. Sollte man sich für eine ex nunc-Wirkung entscheiden, so wäre jedoch die Einräumung eines Rücktrittsrechts, die einer ähnlichen Interes­ senlage entspringt, einer Anfechtungsmöglichkeit vorzuziehen. Dies hätte den Vorteil, dass die Anwendung der viel kritisierten Saldotheorie nicht mehr erfor­ derlich wäre. Die Arbeit weist jedoch auch darauf hin, dass bei einer solchen Variante die Wertung des §  122 BGB zu beachten wäre – eine solche Haftung ist im Rücktrittsrecht nicht vorgesehen. Hinzu kommt, dass ein Rücktrittsrecht nur auf gegenseitige Verträge anwendbar ist. Bei der Vernichtung einseitiger Wil­ lenserklärungen wäre sodann wieder auf die Möglichkeit der Anfechtung zu­ rückzugreifen. Aufgrund dieser Überlegungen wäre eine Zersplitterung der Regeln über die Loslösung von Willenserklärungen zu befürchten. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der weiteren gewonnenen Ergebnisse kommt die Ar­ beit zu dem Schluß, dass die Rückwirkung der Anfechtung insgesamt beibehal­ ten werden sollte. Hinsichtlich der Rückwirkung der Genehmigung kommt die Arbeit zu dem Ergebnis, dass sie mangels zu Grunde liegender Prinzipien nicht zwingend für die Systemkohärenz ist und eine ex nunc-Wirkung im Rahmen der Zweckmä­ ßigkeitsprüfung einfacher und widerspruchsfreier erscheint. Die Genehmigung sollte nach dem Ergebnis der Arbeit mit ex nunc-Wirkung ausgestattet werden. In Bezug auf die Rückwirkung der Aufrechnung kommt die Arbeit nach um­ fangreicher Untersuchung zu dem Ergebnis, dass diese weder für das innere System des Bürgerlichen Gesetzbuches erforderlich ist, noch im Rahmen der Zweckmäßigkeitsanalyse überzeugen kann. Hier zeigt vielmehr eine ex nuncWir­k ung eindeutige Vorteile. Die sich ergebenden inhaltlichen Änderungen sind durchweg vertretbar. Danach sollte der Aufrechnung lediglich ex nunc-Wir­ kung zukommen. Hinsichtlich der erbrechtlichen Rückwirkungsanordnungen bei der Ausschla­ gung der Erbschaft und der Erbunwürdigkeitserklärung ergibt sich schon aus den Gesetzgebungsmaterialien, dass die Rückwirkungsanordnungen auf dem Prinzip des ipso iure-Erwerbs der Erbschaft im Gegensatz zum Antrittserwerb beruhen. Es ist eindeutig, dass die Rückwirkung hier zur Durchsetzung des Prinzips des „Vonselbserwerbs“ als grundlegender Wertentscheidung des Ge­ setzgebers zwingend erforderlich ist. Auch nach der Zweckmäßigkeitsanalyse kommt die Arbeit hier eindeutig zu dem Ergebnis, dass eine Rückwirkung zur Erhaltung des inneren Systems des Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderlich ist und beibehalten werden sollte. Die Arbeit schließt sodann in ihrem letzten Teil mit der Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse.

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Sachregister Anfechtung – Dauerschuldverhältnisse  72 ff., 77 – Einseitige Rechtsgeschäfte  82 f. – Europäische Rechtsordnungen  40 ff. – Gesetzgebungsmaterialien  39 f. – Gestörte Rückabwicklung  54 ff. – Insolvenz  66 ff. – Privatautonomie  45 ff., 75 ff. – Rechtsprinzipien  42 ff. – Römisches Recht  36 ff. – Rücktrittsrecht  58 ff., 79 ff. – Rückwirkung der  36 ff. – Zwangsvollstreckung  69 ff. – Zweckmäßigkeit  51 ff., 75 ff. – Zwischenverfügung an Dritte  63 ff. Aufrechnung – Billigkeit  136 ff. – Drittaufrechnung  162 f. – Europäische Rechtsordnungen  131 ff. – Forderungen mit veränderlicher Höhe  151 ff. – Fremdwährungsverbindlichkeiten  156 ff. – Gesetzgebungsmaterialien  129 ff. – Konkurs  146 ff. – Konkursprivileg  150 – Privatautonomie  135 f. – Prozesskosten  162 – Rechtsprinzipien  134 ff., 164 ff. – Rechtssicherheit  140 f. – Römisches Recht  127 ff. – Rückwirkung der  126 ff. – Schutzwürdiges Vertrauen  136 ff. – Verjährte Forderung  158 ff. – Vertragsstrafe  145 f. – Verzug  145 f. – Wesen  134 f. – Zinsen  144 f. – Zweckmäßigkeit  141 ff., 164 ff.

Bedingung – Dingliche Rückwirkung der  120 ff. – Römisches Recht  120 – Rückwirkung der  119 ff. – Verhältnis zur Genehmigung  122 ff. Deklarationstheorie  5 ff. Erbschaftsausschlagung – Ansprüche des endgültigen Erben  179 – Besitz  181 – Europäische Rechtsordnungen  171 ff. – Forderungen der Nachlassgläubiger  177 f. – Gesetzgebungsmaterialien  170 f. – Leistungen der Nachlassschuldner  179 – Prinzip des Vonselbsterwerbs  175 f., 182 – Römisches Recht   167 ff. – Rückwirkung der  167 ff. – Vereinigung der Rechte und Pflichten  180 – Verfügung zugunsten Dritter  180 – Zweckmäßigkeit  176 ff., 182 Erbunwürdigkeitserklärung – Europäische Rechtsordnungen  171 ff. – Gesetzgebungsmaterialien  170 f. – Leistungen der Nachlassschuldner  178 f. – Prinzip des Vonselbsterwerbs  175 f., 182 – Römisches Recht  169 f. – Rückwirkung der  167 ff. – Zweckmäßigkeit  176 ff., 182 Fiktion  – Begriff der  8 ff. Fiktionstheorie  7 ff.

210

Sachregister

Genehmigung – Europäische Rechtsordnungen  88 f. – Genehmigungsbefugnis  106 ff. – Gesetzgebungsmaterialien  88 – Gestaltungserklärungen  114 – Gutgläubigkeit  112 – Insolvenz  114 ff. – Leistungsstörungen  100 ff. – Privatautonomie  91 ff. – Prozesshandlungen  113 f. – Rechtsprinzipien  90 ff. – Römisches Recht  86 ff. – Rückwirkung der  84 ff. – Simultanität des Rechtsgeschäfts  98 f. – Verjährung  113 – Zwangsvollstreckung  118 f. – Zweckmäßigkeit  99 ff.

Rechtsprinzipien  24 ff., 27 f. Römisches Recht – Anfechtbarkeit  36 ff. – Annahme einer Erbschaft  167 ff. – Aufrechnung  127 ff. – Eigentumserweb durch Nießbrauch­ sklaven  12 f. – Erbunwürdigkeit  169 f. – Peculium castrense  13 f. – Postliminium  11 f. – Ratihabitio  86 ff. – Ususfructis gregis  14 f. – Vindikationslegat  15 ff. Rückwirkungsanordnungen – Einteilung  22 f. – Überblick  20 ff. Rückwirkungsbegriff  5 ff.

Inneres System  – Begriff   24 ff. – und Rückwirkung  28 f.

Systembegriff  25 ff.

Privatautonomie  42 ff., 91 ff., 135 f.

Zweckmäßigkeit – Begriff  29 ff.