Die Revision des schweizerischen Obligationenrechts von 1911/1912: (Abt. B: Abhandlungen zur Europäischen und Deutschen Rechtsgeschichte) [1 ed.] 9783428587841, 9783428187843

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Die Revision des schweizerischen Obligationenrechts von 1911/1912: (Abt. B: Abhandlungen zur Europäischen und Deutschen Rechtsgeschichte) [1 ed.]
 9783428587841, 9783428187843

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Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 83 Abt. B: Abhandlungen zur Europäischen und Deutschen Rechtsgeschichte

Die Revision des schweizerischen Obligationenrechts von 1911/1912 Von Sebastian Weber

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN WEBER

Die Revision des schweizerischen Obligationenrechts von 1911/1912

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge · Band 83 Abt. B: Abhandlungen zur Europäischen und Deutschen Rechtsgeschichte

Die Revision des schweizerischen Obligationenrechts von 1911/1912

Von Sebastian Weber

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 978-3-428-18784-3 (Print) ISBN 978-3-428-58784-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg im Wintersemester 2021/2022 als Inauguraldissertation angenommen. Literatur, Materialien aus dem Bundesarchiv, Rechtsprechung und Internet-Verweise konnten bis zur Fertigstellung des Manuskripts im November 2021 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt zuallererst meinem Doktorvater, Prof. Dr. Frank L. Schäfer, LL.M. (Cambridge), für die hervorragende Betreuung meines Promotionsprojektes und sein persönliches Engagement. Er war mir stets Ansprechpartner und gab mir in zahlreichen Doktorandenseminaren wertvolle Anregungen. Darüber hinaus danke ich ihm für die zügige Erstellung des Gutachtens sowie die Aufnahme meiner Arbeit in die von ihm herausgegebene Schriftenreihe. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Wolfgang Kaiser für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie die intensive fachliche Auseinandersetzung mit meiner Dissertation. Dank gebührt des Weiteren der Freiburger Rechtshistorischen Gesellschaft für die Auszeichnung meiner Arbeit mit dem Ulrich Zasius-Preis und die damit einhergehende großzügige Förderung der Drucklegung sowie der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg im Breisgau, die mir ebenfalls einen großzügigen Druckkostenzuschuss gewährte. Herzlich danken möchte ich außerdem meinen Studienfreunden, David Vogel, David Wanner und Tobias Kahlenbach, für die schöne gemeinsame Zeit in Freiburg sowie die konstruktiven Anregungen in zahlreichen Gesprächen. Unendlicher Dank gebührt meiner Familie. Meiner Schwester, Alexandra ­Weber, und meinen Eltern, Katharina Miltner-Weber und Peter Weber, danke ich von Herzen für ihre Geduld, ihren Rückhalt und ihren Zuspruch während der gesamten Promotionszeit. Mein innigster Dank gilt schließlich meiner Partnerin, Dr. Ina Kritzer, ohne deren vorbehaltlose Unterstützung mir die Anfertigung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Sie hatte, nicht nur in Bezug auf diese Dissertation, immer ein offenes Ohr für mich und war stets an meiner Seite. Ihr Beistand hat wesentlich zu dem Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ihnen allen ist diese Abhandlung gewidmet. Mannheim, im März 2023

Sebastian Weber

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I.

Kantonales Recht

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

II.

Exemplarisch für den Weg der (kantonalen) Rechtsvereinheitlichung: Zürcher Privatrechtliches Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

III. Entstehung des alten Obligationenrechts 1881/1883  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 IV. Inhalt, Stärken, Schwächen und Revisionsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Inhalt und Stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Schwächen und Revisionsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 V.

Huber und sein ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Die Entstehung des ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Der Gesetzesredaktor Huber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

C. Die Revision des Obligationenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I.

Initiative zur Revision des alten Obligationenrechts und Vorbereitungsphase . . 32 1. Hubers Memorial von 1893 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Gutachten des Schweizerischen Bundesgerichts 1894 . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Die Gutachten der Professoren und Bundesrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Allgemeines Revisionsvorgehen: Aussonderung des Obligationenrechts oder Eingliederung in das Zivilgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Systematik des neuen Zivilgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Materielle Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 d) Redaktionelle Anpassung der Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Die Debatte des Schweizerischen Juristenvereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Sprache und Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Materielle Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5. Zwischenfazit zu den Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

II.

Die erste Etappe 1904/1905 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

8

Inhaltsverzeichnis 1. Einsetzung der Langenthaler Kommission durch das EJPD 1901, die 1904 zusammentrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Wahl der Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Änderung der Kommissionszusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 c) Stellungnahme zur Kommissionszusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Arbeitsweise der Langenthaler Kommission und Beratungsverlauf . . . . . . . 49 a) Hubers Motivenbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Beratung und Sitzungsablauf der Langenthaler Kommission . . . . . . . . . 51 aa) Grundsätzliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 bb) Detailberatung der einzelnen Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Übernahme der Vorschläge der Kommission und Vorlage eines Gesetzesentwurfes durch den Bundesrat mit Botschaft an die Bundesversammlung vom 3. März 1905 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Allgemeines und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) (Materielle) Eingriffe in das geltende Obligationenrecht . . . . . . . . . . . . 55 c) Redaktionelles, Herstellung und Anpassung des französischen (und italie­nischen) Gesetzestextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4. Aufnahme des Gesetzesentwurfes in der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5. Die Entscheidung, die Debatte zu vertagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6. Fazit zur ersten Etappe der Revision (insbesondere 1904/1905) . . . . . . . . . 60 III. Zweite Etappe 1908/1909: Einsetzung der Expertenkommission 1908/1909 . . 62 1. Einsetzung der Expertenkommission (1908/1909): Ergänzung der Kommission von 1904 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Kommissionszusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Langenthaler Kommission mit einigen Ergänzungen . . . . . . . . . . . . 63 bb) Große Kommission (des ZGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Alle Mitglieder der Kommissionen der eidgenössischen Räte . . . . . 64 dd) Hubers Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ee) Subkommission für den Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ff) Entscheidung des EJPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Die einzelnen Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Stellungnahmen zur Ergänzung der Kommission von 1904 und zur Kommissionszusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Die Arbeitsweise der Expertenkommission und der Beratungsverlauf . . . . 72 a) Vorberatung durch die Vorkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Sitzungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Ergebnis der Verhandlungen der Expertenkommission: Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 1. Juni 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Inhaltsverzeichnis

9

a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Materielle Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Fazit zur zweiten Etappe der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 IV. Beratung des schweizerischen Obligationenrechts in den eidgenössischen Räten und deren Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Kommission des Nationalrates und Verhandlungen des gesamten Nationalrates 84 a) Arbeitsweise der Kommission und Beratungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Ergebnisse und Änderungsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Kommission des Ständerates und Verhandlungen des gesamten Ständerates 87 a) Arbeitsweise der Kommission des Ständerates und Beratungsverlauf . . 88 b) Ergebnisse und Änderungsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Vereinigte Kommissionen zur Bereinigung der Differenzen . . . . . . . . . . . . 89 a) Arbeitsweise und Beratungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 V.

Redaktion und Verabschiedung des endgültigen Gesetzestextes und Inkrafttreten des revidierten Obligationenrechts am 1. Januar 1912 . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Systematik des revidierten Obligationenrechts und Nummerierung der einzelnen Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Redaktion und Anpassung des französischen und italienischen Gesetzestextes an die deutsche Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Ergebnisse und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Arbeit und Ergebnisse der Redaktionskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Exemplarische Darstellung bereinigter Übersetzungsfehler im französischen Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Soldans und Rossels Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen oder Aussonderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I.

Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Revision des Dienstvertragsrechts im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Vorgehen während der verschiedenen Phasen der Revision . . . . . . . . . . 102 b) Materieller Gehalt des Dienstvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Lotmar und sein Einfluss auf die Revision des schweizerischen Dienstvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Biographisches zu Lotmar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Lotmars Einfluss auf die Revision des schweizerischen Arbeitsrechts . . 109 aa) Referat am schweizerischen Juristentag 1902: Der Dienstvertrag im künftigen schweizerischen Civilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

10

Inhaltsverzeichnis bb) Stellungnahme zum Entwurf von 1905: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Lotmars eigene Konzeption eines Dienstvertragsrechts: Die Anträge der Kommission der Sozialdemokratischen Partei . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Fazit zu Lotmars Einfluss auf die Revision des schweizerischen Dienstvertragsrechts (auch) im Vergleich mit Huber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Revision besonderer einzelner Artikel, beispielsweise Art. 1381 (später Art. 335 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Entwicklung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Stellungnahme zu Art. 335 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Stellungnahme zur gesamten Revision des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . 123 II.

Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Vorbild BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Redaktionelle Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

III. Verjährung von Bereicherungsansprüchen (Art. 67 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . 130 IV. Ausgesonderte handelsrechtliche Materien und Beibehaltung des „code ­unique“ 133 V.

Art. 1036 (später Art. 21 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Entwicklung der Vorschrift während der verschiedenen Phasen der Revision 136 2. Repräsentatives für die Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Stellungnahme zu Art. 1036 (21 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

VI. Irrtumsrecht, insbesondere die Normierung des Grundlagenirrtums, Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 VII. Weitere revidierte stilprägende Rechtsmaterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 VIII. Stellungnahme zu den revidierten Normenkomplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 E. Rechtspolitische Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I.

Die Rolle des Schweizerischen Juristenvereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Gründung und Rolle des Schweizerischen Juristenvereins auf dem Weg zur nationalen Rechtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Einflüsse auf die Revision des schweizerischen Obligationenrechts an den Juristentagen des frühen 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Juristentag 1900 in St. Gallen: Vorläufer der Revision? . . . . . . . . . . . . . 150 b) Juristentag 1902: Der Dienstvertrag im künftigen schweizerischen Civilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Juristentag 1903: Die Revision des Schadensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Jahreshauptversammlung 1904 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Inhaltsverzeichnis

11

3. Stellungnahme zu der Bedeutung und den Impulsen des Juristenvereins . . . 155 II.

Die Rolle der Gesellschaft außerhalb der Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Postulate und Impulse einzelner Interessensverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Stellungnahme zu den Impulsen der fachfremden Öffentlichkeit . . . . . . . . . 163

F. Die Rolle der (sonstigen) politischen Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I.

Die Rolle des (gesamten) EJPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

II.

Die Rolle Brenners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Biographisches und politischer Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Brenners Rolle während der Reformarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Stellungnahme zu Brenners Einfluss auf die Revision des schweize­rischen OR 170

III. Die Rolle der Sozialdemokratischen Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Gründung und Auftreten der Sozialdemokratischen Partei während der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 G. Wissenschaftliche Kritik am OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I.

Zeitgenössische Kritik in In- und Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

II.

Die Sicht der modernen Zivilrechtswissenschaft auf das OR . . . . . . . . . . . . . . 177

H. Weiterentwicklungen des OR von 1911/1912: Die Revisionen im 20. und 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I.

Revision der Titel 24 bis 33 von 1936/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

II.

Revision des Dienstvertragsrechts von 1967/1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

III. Totalrevision 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I.

Chronologie der Ereignisse der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

II.

Lebensläufe der Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Biographische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Lebensläufe der Mitglieder der Langenthaler Spezialkommission . . . . . . . . 193 3. Lebensläufe der Mitglieder der großen Expertenkommission von 1908/1909 194 4. Spezialexperten für die Dritte Session (Dienst-und Werkvertragstitel) . . . . 199

12

Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Abkürzungsverzeichnis ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abs. Absatz Alt. Alternative aOR altes Obligationenrecht Art. Artikel Schweizerisches Bundesblatt Bbl. Bd. Band Beck’scher Online-Kommentar BeckOK Begründer*in / Begründer*innen Begr. BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof bspw. beispielsweise BV Bundesverfassung Code Civil CC d. h. das heißt Diss. Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung DJZ Ed. Edition Einl. Einleitung EJPD Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement f. folgend ff. folgende Fn. Fußnote Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Hbd. Halbband HGB Handelsgesetzbuch Herausgeber*in / Herausgeber*innen Hrsg. Jg. Jahrgang JZ Juristenzeitung Münchener Kommentar MüKo n. F. neue Folge Neue Justiz NJ Neue Juristische Wochenschrift NJW Nr. Nummer OR Allgemein: Obligationenrecht / Obligationenrechts Im Besonderen: Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RabelsZ Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ Rn. Randnummer / Randnummern Satz / Seite S.

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Abkürzungsverzeichnis

Schweizerische Juristen-Zeitung SJZ Stenographisch / stenographisches Sten. Teilbd. Teilband unter anderem u. a. vgl. vergleiche Vorb. Vorbemerkung / en zum Beispiel z. B. Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht ZBGR Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuP Zivilgesetzbuch / Zivilgesetzbuches ZGB Ziff. Ziffer Zeitschrift für schweizerisches Recht ZSR

A. Einleitung Der 1. Januar 1912 stellt den wohl bedeutendsten Tag in der schweizerischen Privatrechtsgeschichte dar. An diesem historischen Tag trat das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) in Kraft und setzte auf diese Weise der interkantonalen Rechtsvielfalt im Kernprivatrecht ein Ende. Bereits das „Bundesgesez über das Obligationenrecht“ von 1881/1883 hatte einen ersten wesentlichen Schritt in Richtung nationaler Rechtsvereinheitlichung in der Schweiz vollzogen.1 Nicht allein deshalb kommt auch dem „alten“ OR (aOR) eine besondere Stellung in der Schweizer Rechtsgeschichte zu.2 Infolge der Verfassungsrevision vom 13. November 1898 wurde die Gesetzgebungskompetenz schlussendlich für das gesamte Privatrecht dem Bund zugewiesen und damit der Weg zu einem einheitlichen und umfassenden Zivilgesetzbuch geebnet.3 Die Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des Bundesstaates auf das gesamte Privatrecht bewirkte, dass unverzüglich alle Gesetzgebungsressourcen eingesetzt und die Arbeiten zum ZGB mit Nachdruck vorangetrieben wurden. Als an jenem 1. Januar 1912 das ZGB als erste eidgenössische Gesamtkodifikation endlich in Kraft trat, den Privatrechtspluralismus in der Schweiz beendete und daher Aufmerksamkeit und Begeisterung bei der schweizerischen Bevölkerung hervorrief, ging neben dem Monumentalereignis leicht unter, dass dieses Festtagsdatum auch das Inkrafttreten des revidierten OR bedeutete. So hatte der Erlass des ZGB notwendigerweise zur Folge gehabt, dass das aOR sowohl in grammatisch-formeller wie auch in materieller Hinsicht reformbedürftig wurde.4 Das Schweizer Volk und die Schweizer Rechtswissenschaft widmeten der in demselben Zeitraum vollzogenen und in den Jahren 1911/1912 finalisierten Revision des aOR durch das „Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht)“ geringere Aufmerksamkeit, obwohl sie den Abschluss der Kodifikationsarbeiten bildete. Die überwiegende wissenschaftliche Rezension erhielt das ZGB als Gesamtkonstrukt und weniger spezifisch das revidierte OR. Befassten sich Rechtswissenschaftler oder gesellschaftliche Kreise sowohl zeitgenössisch wie auch retrospektiv mit dem OR, wurde die Revision zudem nicht selten eher kritisch beäugt.5 Eugen Bucher urteilte, dass 1

Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (9). Bucher, Neue Zürcher Zeitung Nr. 132 vom 10./11. Juni 2006, S. 31 bezeichnet das aOR als „Markstein“ und „Vorbild“. 3 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1980. 4 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 4. 5 In erster Linie zu nennen sind Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251; Piotet, ZSR n. F. 90 (1971), 1. Hbd., 19; Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5. Siehe zur wissenschaftlichen Kritik der modernen Zivilrechtswissenschaft nachfolgend zudem G. II. 2

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A. Einleitung

sich auch und gerade aufgrund der weitestgehend grammatischen Revision des Gesetzbuches ohne materielle Veränderung der Eindruck einer „Reform um des Reformierens Willen“6 aufdränge und das aOR den eigentlichen Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung in der Schweiz geliefert habe. Bucher sah in der Revision von 1911/1912 nicht nur teilweise einen rechtlichen Rückschritt, sondern charakterisierte die Revision von 1911/1912 gar als „Unglücksfall“7 und als „schlampig“8 formuliert. Demgegenüber fällt die Beurteilung von aOR und ZGB in der Rechtswissenschaft weitestgehend positiv aus. Das ZGB als Schöpfung Eugen Hubers bezeichnete der Rechtshistoriker Franz Wieacker gar als „die reifste Frucht der deutschsprachigen Rechtswissenschaft des 19. [Jahrhunderts] in Gesetzesgestalt“9. Vor dem Hintergrund der kritischen Bewertung des revidierten OR setzt sich die vorliegende Abhandlung erstens zum Ziel, auch und gerade diese scharfe Kritik auf ihre Belastbarkeit zu überprüfen und zu eruieren, ob die Schweizer Doktrin nicht etwa zweierlei Maß genommen hat. Zweitens möchte die Studie systematisch die Entstehungsgeschichte des revidierten OR aufarbeiten. Zwar widmen sich einige neuere Publikationen bereits eingehend bestimmten Teilaspekten der Revision sowie einzelnen Normen und Normenkomplexen.10 Auch existiert bereits Literatur über die Hintergründe der Revision und deren konkreten Ablauf.11 Doch fehlt eine Studie, die den Ablauf der Revision von 1911/1912 umfassend historisiert, retrospektiv bewertet und dazu die Gesetzesmaterialien lückenlos auswertet. Die vorliegende Abhandlung will deshalb den Prozess der Revision im Ganzen analysieren und exemplarisch stilprägende, reformierte Einzelvorschriften und Rechtsinstitute hervorheben. Dabei werden auf Basis unveröffentlichter Materialien aus dem schweizerischen Bundesarchiv die Intentionen, Initiativen und Beweggründe innerhalb der Expertenkommissionen sowie der Kommissionen der Bundesversammlung herausgearbeitet. Im Zuge dieser rechtshistorischen Analyse wirft die Studie auch einige in Literatur und Wissenschaft noch wenig untersuchte Fragen auf. Hervorzuheben ist etwa die Frage nach der Urheberschaft am revidierten OR respektive ihrer zentralen Glieder. Die schweizerische Rechtwissenschaft hob gerade Huber, bedingt durch seine meisterhaften Leistungen bei der Entstehung des ZGB, oftmals auf eine höhere Ebene als andere bedeutende schweizerische Juristen, die aus Sicht der Rechtswissenschaft für die Privatrechtsgeschichte eine – verglichen mit Huber – nur untergeordnete Rolle spielten.12 Daher soll untersucht werden, ob Huber, als 6

Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (285). Einführender Bericht Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 557 (558). 8 Einführender Bericht Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 557 (558). 9 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 3. Aufl. 2016, S. 491. 10 Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997. 11 Etwa Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982. 12 Fasel, Bahnbrecher Munzinger, 2003, S. 1. 7

A. Einleitung

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Fixpunkt wissenschaftlicher Analysen und als alleiniger Schöpfer des revidierten OR betitelt,13 dieses Prädikat zu rechtfertigen vermochte. Oder gingen maßgebliche Impulse bei der Revision nicht vielmehr (auch) von anderen, in der Öffentlichkeit weniger beachteten schweizerischen Juristen aus? In diesem Kontext wird die Rolle des Deutschen aus Frankfurt am Main stammenden Philipp Lotmar auszuleuchten sein. War es möglicherweise sein Verdienst, dass die Schweiz mit der Revision des Dienstvertragsrechts, das „schwierigste und politisch wichtigste Kapitel“14 erfolgreich bewältigt hatte? Oder gebührt die Anerkennung Huber, der „das Schifflein zuletzt glücklich ans Ufer steuer[te]“15? Um die Entstehungsgeschichte der Revision aus rechtshistorischer Sicht zu zeichnen, genügt es jedoch nicht, allein die Impulse dieser Einzelpersonen herauszuarbeiten und aufzuzeigen. Nicht weniger aufschlussreich ist es – um das Verhalten der federführenden Kommissionsmitglieder nachvollziehen zu können – offenzulegen, welche äußeren Faktoren deren Entscheidungsfindung (mit-)bestimmten. Vorgestellt werden zum einen nationale rechtspolitische Anregungen aus der Jurisprudenz sowie von fachfremder Seite, die während der Kommissionsverhandlungen (teilweise) berücksichtigt wurden. Darüber hinaus besteht auch und gerade die Notwendigkeit, sich supranationalen Einflüssen16 zu widmen. Insbesondere die Rolle des deutschen Rechts in Gestalt des BGB wird näher zu untersuchen sein: Schon bei der Entstehung der deutschsprachigen Zivilrechtskodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts (in herausragender Position der Dresdner Entwurf und das aOR) ließ sich nämlich eine ständige Korrelation der Rechtssysteme und eine Interaktion der an der Gesetzgebung beteiligten Juristen mit der Doktrin des Nachbarlandes konstatieren. Daher ist die Frage aufzuwerfen, ob und inwieweit auch beim Abschluss der eidgenössischen Kodifikationsarbeiten der verfolgte Ansatz Früchte trug, das BGB insoweit als Vorlage zu verwenden, als dass sich der Reformgesetzgeber an dessen Stärken orientierte und dessen Schwächen herausfilterte, um es selbst „besser zu machen“17. Oder hat der revidierte Gesetzestext an einigen Stellen gar unter dem Einfluss des BGB und der hiermit verbundenen Absicht, entweder eine Harmonisierung mit diesem herzustellen oder sich bewusst von der dortigen Regelung zu distanzieren, gelitten?

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Fasel, Eugen Hubers Basler Obligationenrechtsmanuskript zum Allgemeinen Teil des OR, 2017, § 1 Rn. 12. 14 BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 4. 15 Eichholzer, Wirtschaft und Recht 1967, 144 (150). 16 Ist im Zuge dieser Arbeit von (supranationalem) „Einfluss“ die Rede, umfasst dieser Terminus sowohl bewusste Rezeptionsvorgänge als auch objektive wörtliche Übereinstimmungen. In den Archiven sind nicht alle Kommissionsverhandlungen umfassend protokolliert und dokumentiert, sodass sich nicht immer exakt nachverfolgen lässt, welche Quellen bei der Fassung des Gesetzeswortlauts zugrunde gelegt wurden. 17 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 8.

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A. Einleitung

Nach nunmehr über 100 Jahren seit Inkrafttreten des revidierten OR hat sich in Anbetracht dynamischer gesellschaftlicher und rechtlicher Entwicklungen in der Schweiz die Sicht auf das Gesetzbuch maßgeblich gewandelt. Vielfach konzen­ triert sich die retrospektive wissenschaftliche Rezension auf das materielle Recht. In den Hintergrund gedrängt wird mittlerweile, dass die Revision des aOR damals in erster Linie eine sprachliche und formelle Anpassung des aOR an das ZGB sein sollte. Das materielle Recht sollte ursprünglich weitgehend unangetastet bleiben und allenfalls als Annex mitbehandelt werden. Hierfür zu sensibilisieren und hieran wieder zu erinnern ist ein wesentliches Ziel dieser Abhandlung. Mit Blick auf die unterschiedlichen Textfassungen in den drei zentralen Landessprachen war für die Zeitgenossen nämlich die zur Herstellung von Gesetzeskongruenz erforderliche Überarbeitung der Rechtstexte ein nicht weniger substanzielles Anliegen als die Revision des materiellen Rechts. Zu klären wird folglich sein, ob und inwiefern der Revisionsgesetzgeber bestehende Friktionen im aOR eliminieren konnte und damit dem neuen OR zu kantonsgrenzüberschreitender (sprachlicher) Kongruenz zu verhelfen imstande war. Seinen Abschluss findet die vorliegende Untersuchung in einem, den rechtshistorisch nachgezeichneten Revisionsablauf und dessen Ergebnisse würdigenden Resümee. Die entscheidende und übergeordnete Frage, ob und inwieweit sich das neue Schweizer Recht insgesamt bewährt und der Bevölkerung ein rechtsbeständiges und gleichzeitig innovatives Gesetzbuch an die Hand gegeben hat, erhält hierdurch eine monographische Ausgestaltung.

B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision Während nationale Rechtseinheit im heutigen modernen Mitteleuropa beinahe als selbstverständlich gilt, reicht ein Blick über die europäischen Grenzen hinweg,1 um zu erkennen, dass das Bild eines vermeintlich widerstandslosen Prozesses der Rechtsvereinheitlichung – wie es der europäische Betrachter des 20. und 21. Jahrhunderts womöglich retrospektiv zu haben vermag – illusorisch ist. Im 19. Jahrhundert musste auch die Schweiz den Weg zur nationalen Rechtseinheit zurücklegen, der als „unerläßliche Voraussetzung der Erhaltung eines eigenständigen Rechts“2 angesehen wurde und deren Vollendung der Schweizerische Juristenverein als eines der „bedeutenden Ereignisse […] der innern Geschichte unseres Landes seit der Gründung des Bundesstaates“3 betitelte. Um es mit den Worten des Rechtshistorikers Hans Merz zu formulieren, fehlt einem modernen Staat nämlich „die volle Souveränität gegenüber seinen Gliedern“4, wenn und soweit keine einheitliche Rechtsordnung existiert. Mit diesen Worten umschreibt Merz pointiert, wie sich die politische und staatsrechtliche Situation in der Schweiz über große Teile des 19. Jahrhunderts gestaltete.

I. Kantonales Recht Mit dem Zusammenbruch der Helvetischen Republik im August 1802 und der Neuordnung der schweizerischen Satelliten gesellten sich zu den bereits regierenden dreizehn Kantonen sechs weitere hinzu, denen allein die Kompetenz zur Privatrechtsgesetzgebung zustand.5 Auch nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Reiches wurde die föderalistische Ordnung durch die „lange Tagessatzung“ im Bundesvertrag vom 27. August 1815 bestätigt.6 Selbst nach der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 gab es in der Schweiz zunächst kein Gesetzgebungs 1 Insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent ist eine nationale Privatrechtseinheit momentan noch undenkbar und nicht umsetzbar. Pluralistische Privatrechtssysteme sind in den afrikanischen Staaten fest verankert. Siehe hierzu näher etwa Menski, in: Ruppel / Winter (Hrsg.), Festschrift für Manfred O. Hinz, 2011, S. 141; Molokomme, in: Ruppel / Winter (Hrsg.), Festschrift für Manfred O. Hinz, 2011, S. 223. 2 Merz, JZ 1962, 585 (586). 3 Liver, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1961, 193 (193). 4 Merz, in: Bernstein / Drobnig / Kötz (Hrsg.), Festschrift für Konrad Zweigert, 1981, S. 667 (667). 5 Kundert, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1833. 6 Kundert, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1833.

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B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision 

organ, welchem die Kompetenz zur gesamten Zivilgesetzgebung zustand.7 Zwar veränderte sich der staatsrechtliche Charakter der Schweiz infolge der ersten Bundesverfassung vom 12. September  1848,8 die einen Bundesstaat mit festen Einrichtungen hervorbrachte.9 Im Bereich des Privatrechts wurde hingegen das dezentrale Rechtsetzungskonzept beibehalten und die immer akuter werdende Kodifikationsaufgabe blieb  – mit Ausnahme der Ehegesetzgebung  – bis weit in das 19. Jahrhundert hinein den Kantonen vorbehalten.10 Dabei verdeutlichten der rasante wirtschaftliche Aufschwung, der unter anderem auch mit dem Ausbau der Transportwege einherging, sowie die politische Entwicklung in den benachbarten Staaten, dass die „kleinräumigen, fragmentierten staatlichen Strukturen“ der größtenteils autonomen Kantone und deren „althergebrachte rechtliche und politische Heterogenität“ einem modernen Bundesstaat nicht weiter genügen konnten.11 Innerhalb dieser kantonalen Rechtsetzung lehnten wiederum die west- und südschweizerischen Kantone ihre Zivilgesetzbücher an den französischen Code Civil (CC) an, während die dem französischen Einfluss gegenüber abgeneigte bernische Gruppe (Aargau, Bern, Luzern und Solothurn) das österreichische ABGB zum Vorbild nahm.12 Die zürcherische Gruppe schuf zwischen 1853 und 1876 Zivilgesetzbücher, die sich in verschiedenem Maße am 1853 bis 1855 in Etappen erlassenen zürcherischen Privatrechtlichen Gesetzbuch (PGZ), einer Schöpfung des Germanisten Johann Caspar Bluntschli,13 orientierten.14 Teilweise stimmten die neuen kantonalen Gesetze mit dem zürcherischen Prototypen – bis auf einige 7 Vgl. Merz, in: Bernstein / Drobnig / Kötz (Hrsg.), Festschrift für Konrad Zweigert, 1981, S. 667 (668). 8 „Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft: Im Namen Gottes des Allmächtigen! Die schweizerische Eidgenossenschaft, in der Absicht, den Bund der Eidgenossen zu befestigen, die Einheit, Kraft und Ehre der schweizerischen Nation zu erhalten und zu fördern, hat nachstehende Bundesverfassung angenommen“: Siehe insbesondere Art. 1: „Die durch gegenwärtigen Bund vereinigten Völkerschaften der zwei und zwanzig souveränen Kantone, als: Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden (ob und nid dem Wald), Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel (Stadt und Land), Schaffhausen, Appenzell (beider Rhoden), St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf bilden in ihrer Gesammtheit die schweizerische Eidgenossenschaft.“ 9 Kundert, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1833. 10 Merz, JZ 1962, 585 (586); Merz, in: Bernstein / Drobnig / Kötz (Hrsg.), Festschrift für Konrad Zweigert, 1981, S. 667 (668); Kundert, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1833. 11 Gschwend / Ingber / Wehrle, ZSR n. F. 130 (2011), Jubiläumsschrift, 9 (17). 12 Merz, in: Bernstein / Drobnig / Kötz (Hrsg.), Festschrift für Konrad Zweigert, 1981, S. 667 (668); Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 7 S. 102 ff. Siehe zum Aargauer Gesetzbuch und dem Einfluss des ABGB ausführlicher Geissmann, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Aargau (1847–1855), 1990. 13 Bauhofer, ZSR n. F. 46 (1927), 1 (12); Merz, in: Bernstein / Drobnig / Kötz (Hrsg.), Festschrift für Konrad Zweigert, 1981, S. 667 (668). 14 Caroni, Privatrecht: Eine sozialhistorische Einführung, 1988, S. 36; Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1951.

II. Exemplarisch: Zürcher Privatrechtliches Gesetzbuch

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Detailbestimmungen in Bezug auf lokale Eigenheiten – wörtlich überein.15 Angelehnt an den CC, das österreichische ABGB und später das PGZ traten also rund zwanzig kantonale Zivilgesetzbücher zwischen 1819 und 1875 in Kraft und setzten der interkantonalen Rechtsvielfalt ein Ende.16 Eine einheitliche, alle Materien des Privatrechts umfassende Kodifikation existierte jedoch noch nicht. Gleichwohl lässt bereits dieser kantonale Vereinheitlichungsprozess die allgemeine Tendenz innerhalb der Schweiz erkennen, das Privatrecht unifizieren zu wollen. Die kantonale Privatrechtsvereinheitlichung ging somit der nationalen Rechtsvereinheitlichung voraus und bedingte diese. Dieser Prozess erscheint nicht ungewöhnlich, bedenkt man, dass die Bundesgesetzgebung dieselben Charakteristika aufweist wie die kantonale Gesetzgebung17: Zum einen kommt beiden dieselbe Aufgabe zu, indem sowohl die kantonale Gesetzgebung als auch die Bundesgesetzgebung die Etablierung umfassender Rechtseinheit verfolgt, wie sie ein moderner Staat erfordert.18 Zum anderen liegen beiden dieselben sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ursachen zugrunde.19

II. Exemplarisch für den Weg der (kantonalen) Rechtsvereinheitlichung: Zürcher Privatrechtliches Gesetzbuch Eine besondere Rolle innerhalb dieser kantonalen Rechtsquellen nimmt das bereits erwähnte PGZ ein, das Paul Guggenbühl in seiner Dissertation als hervorragendste unter allen Privatrechtskodifikationen vor der Zeit der nationalen Rechtsvereinheitlichung charakterisiert.20 Es ist dieser Kodifikation geglückt, in einer bemerkenswerten Art und Weise das Spannungsfeld zwischen Tradition und Fortschritt aufzulösen.21 Anders als die meisten übrigen kantonalen Gesetze entstand das PGZ nicht in Anlehnung an ausländische Vorbilder, sondern stellte sich als unabhängiges, eigenständiges und originelles Kodifikationswerk dar, dem es gelungen ist, das schweizerische Recht in sich aufzunehmen und weiterzuentwickeln.22 Diese

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Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1951. Caroni, Schweizerisches Privatrecht, Bd. I/1: Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2015, § 2 S. 18. 17 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 7 S. 125. 18 Vgl. Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932–1937, § 7 S. 125 f. 19 Vgl. Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932–1937, § 7 S. 125 f. 20 Guggenbühl, Die Entstehung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, 1924, S. 5. 21 Vgl. Liver, in: Gmür (Begr.)/Becker (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Bd. 1, 1962, Einl. Rn. 43. 22 Guggenbühl, Die Entstehung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, 1924, S. 5. 16

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B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision 

Vorzüge des PGZ erkannte auch Huber, dem – wie im Folgenden herausgearbeitet wird – auch eine tragende Rolle bei der Revision des aOR zukam.23 Er bewertete Bluntschlis Werk als das modernste kantonale Zivilgesetzbuch, dem er sogar die Berechtigung auf Ernennung zu Bundesrecht zugestand.24 Besonders stilprägend für das PGZ war, dass es einerseits an das altheimische Recht anknüpfte und seine nationale Eigenart bewahrte, andererseits dennoch einen modernistisch-liberalen Geist hatte und die Anlehnung an das Einheimische nicht forcierte, sondern auch Reformgedanken jederzeit offen gegenüberstand.25 Das Zürcher Gesetzbuch erwuchs somit aufgrund seines – verglichen mit den übrigen kantonalen Rechtsquellen – nationalen und volkstümlichen Charakters zum Vorbild für weitere (eidgenössische) Kodifikationen, deren Ursprung vermehrt aus deutschen Rechtsquellen und weniger aus dem römischen Recht herrührte.26 Obgleich Huber das PGZ als herausragende Kodifikation seiner Zeit ansah, war ihm wohl selbst (noch) nicht bewusst, wie eng seine eigenen Werke – insbesondere das ZGB – mit dem wesentlich älteren PGZ verknüpft sein würden und wie weit sich Huber an den Erkenntnissen Bluntschlis orientieren würde.27 Inhaltlich bestand das PGZ aus fünf Büchern (Personen-, Familien-, Sachen-, Obligationen- und Erbrecht), wobei das OR, das auch Teile des Handels- und Gesellschaftsrechts beinhaltete, den umfangreichsten Teil des Gesetzbuches darstellte und angesichts seiner umfassenden Regelungen letztlich als Vorbild für das schweizerische aOR von 1881/1883 fungierte.28

III. Entstehung des alten Obligationenrechts 1881/1883  Während auch nach der Gründung des Bundesstaates durch die Verfassungsrevision vom 12. September 1848 das dezentrale Rechtsetzungskonzept zunächst fortbestand, ging bereits mit der Gründung des modernen Bundesstaates der im Lichte eines neuen, politisch-liberalen Klimas stehende Wunsch nach einer „freizügigen Wirtschaftsgesellschaft“ und einem damit verbundenen bundeseinheit­ lichen Handels- und Obligationenrecht einher.29 Dieser Weg war freilich nicht frei von Widerstand. So begegneten die Kantone der beabsichtigten Rechtsvereinheit­ lichung innerhalb der französischsprachigen Schweiz mit Skepsis.30 Motive für diese ablehnende Haltung dürften die Befürchtung einer drohenden Germanisierung sowie die Annahme gewesen sein, die eigenen Interessen im Wege der kanto 23

Siehe nachfolgend insbesondere C. Wyss, Wie viel Bluntschli steckt in Huber?, 2018, S. 2. 25 Elsener, Die Schweizer Rechtsschulen vom 16. bis 19. Jahrhundert, 1975, S. 400 f. 26 Bauhofer, ZSR n. F. 46 (1927), 1 (2); Rehbinder, in: Schott / Schuler (Hrsg.), Festschrift für Claudio Soliva, 1994, S. 183 (184). 27 Zu dieser Auffassung kam der Zürcher Rechtsprofessor Friedrich Meili. Siehe hierzu Wyss, Wie viel Bluntschli steckt in Huber?, 2018, S. 3. 28 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1945. 29 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 3. Aufl. 2016, S. 489 f. 30 Vgl. D’Orelli, Revue de droit international et de législation comparée 1872, 365 (371). 24

III. Entstehung des alten Obligationenrechts 1881/1883  

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nalen Gesetzgebungsautonomie am ehesten wahren zu können.31 Essenziell für eine moderne, dem veränderten politischen und staatsrechtlichen Charakter des neuen schweizerischen Bundesstaates Rechnung tragende Gesetzgebung war jedoch die Schaffung eines einheitlichen, umfassenden Gesetzbuches.32 Aufgrund der vorgenannten Widrigkeiten, die einem gesamtschweizerischen OR zu diesem Zeitpunkt noch entgegenstanden, entschloss sich der Schweizer Rechtsprofessor Walther Munzinger,33 der bereits in einem frühen Stadium eine möglichst weitreichende Rechtsvereinheitlichung ins Auge gefasst hatte, aus rechtspolitischen Gründen, den Erlass des gesamten OR vorerst zurückzustellen, wenigstens aber das Handelsrecht zu kodifizieren.34 1864 wurde ein von Munzinger verfasster Entwurf eines einheitlichen Handelsrechts in deutscher, französischer und italienischer Sprache veröffentlicht, der als erster Schritt auf dem Weg zu einer Zivilrechtseinheit galt.35 Dieser Entwurf hob sich von anderen europäischen Handelsrechtsentwürfen dadurch ab, dass er auch bedeutende Teile des OR und des Mobiliarsachenrechts umfasste.36 Den entscheidenden Durchbruch zu einer eidgenössischen Privatgesetzgebung brachte indes die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, die dem Bund fortan in Art. 64 die Gesetzgebungskompetenz zur Vereinheitlichung einiger Teile des Privatrechts, darunter das OR, zugewiesen hatte.37 Unter anderem infolge der damaligen politischen Verhältnisse fand die Schweiz schließlich mit der Revision der Bundesverfassung einen Kompromiss zwischen einer großen, zentralistischen Lösung im Sinne einer Gesamtvereinheitlichung des Privatrechts einerseits und einem – insbesondere in den französischspra­chigen Kantonen vertretenen – partikularistischen Ansatz andererseits, der eine Beschränkung der Rechtsvereinheitlichung auf ein Minimum vorsah.38

31 Vgl. Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1968; D’Orelli, Revue de droit international et de législation comparée 1872, 365 (371). 32 Huber, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4, 1893, § 117 S. 181. 33 Munzinger gilt als Urheber des schweizerischen Obligationenrechts von 1881/1883. Vgl. hierzu etwa Bucher, Neue Zürcher Zeitung Nr. 132 vom 10./11. Juni 2006, S. 31. 34 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1962 f. 35 Fasel, Bahnbrecher Munzinger, 2003, S. 61; Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1963. 36 Vgl. Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1963. 37 Art. 64 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 lautete: „Dem Bunde steht die Gesetzgebung zu: über die persönliche Handlungsfähigkeit; über alle auf den Handel und Mobiliarverkehr bezüglichen Rechtsverhältnisse (Obligationenrecht, mit Inbegriff des Handels- und Wechselrechts); über das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst; über das Betreibungsverfahren und Konkursrecht“. Siehe auch Kundert, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1834. 38 Bucher, RabelsZ 72 (2008), 661 (680 f.); Bucher, in: Caroni (Hrsg.), Das Obligationenrecht 1883–1983, 1984, S. 139 (143 f.).

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B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision 

Bereits einige Jahre zuvor hatte der Bundesrat Munzinger damit betraut, den Entwurf eines schweizerischen OR auszuarbeiten, wodurch der Beschluss der kantonalen Konferenz vom 4. Juli 1868 ausgeführt wurde.39 Dieser im Jahre 1871 vorgelegte Entwurf orientierte sich teilweise am Dresdner Entwurf von 1866,40 wurde aber auch beeinflusst durch Munzingers eigenen Handelsrechtsentwurf von 1864 sowie durch das zürcherische Privatrecht und den CC.41 Nachdem Munzinger im Jahr 1873 verstorben war, führte die Redaktionsarbeiten der Zürcher Zivilrechtslehrer Heinrich Fick42 fort.43 Dieser legte im Jahr 1875 einen erneuerten Entwurf vor, welcher im folgenden Jahr auch ins Französische übersetzt wurde und sich vom Entwurf Munzingers insbesondere durch Änderungen im Aktien- und Wechselrecht unterschied.44 Den endgültigen Entwurf leitete der Bundesrat letztlich mit Botschaft vom 27. November  1879 den eidgenössischen Räten zur parlamenta­ rischen Bearbeitung zu.45 Am 1. Januar 1883 trat das aOR als erste eidgenössische Zivilrechtskodifikation in Kraft.46

IV. Inhalt, Stärken, Schwächen und Revisionsbedarf 1. Inhalt und Stärken Nach Auffassung des schweizerischen Bundesrates brachte Munzinger „die oft schleppende und allzu gelehrte Ausdruksweise [des Dresdner Entwurfs] in eine leichte und populäre Form“47. Diese Worte fassen pointiert zusammen, warum das schweizerische aOR in Wissenschaft und Praxis so beliebt ist. Den Gründervätern ist es gelungen, ein Gesetzbuch zu schaffen, das nicht nur eine – den zeitlichen 39

Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965, S. 86; Eugster, Die Entstehung des schweizerischen Obligationenrechts vom Jahre 1883, 1926, S. 55. 40 Zum Dresdner Entwurf siehe Bucher, ZEuP 2003, 353 (355 f.), Fn. 9. 41 Bbl. 32. Jg. I., 24. Januar 1880, Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, S. 149  (164 ff.); Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932–1937, § 8 S. 131; Bucher, ZEuP 2003, 353 (355 f.); Eugster, Die Entstehung des schweizerischen Obligationenrechts vom Jahre 1883, 1926, S. 55 f. 42 Neben Munzinger kam auch Fick bei der Entstehung des Obligationenrechts von 1881/1883 eine derart tragende Rolle zu, die es rechtfertigen würde, ihn neben Munzinger als (Mit-)Urheber zu bezeichnen. Vgl. hierzu Antl, Die Entstehung des alten Obligationenrechts, Diss. Freiburg im Breisgau, in Vorbereitung. 43 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965, S. 89. 44 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 8 S. 131. 45 Bbl. 32. Jg. I., 24. Januar 1880, Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, S. 149. 46 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 8 S. 134. 47 Bbl. 32. Jg. I., 24. Januar 1880, Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, S. 149 (166).

IV. Inhalt, Stärken, Schwächen und Revisionsbedarf 

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Umständen und verfassungsrechtlichen Beschränkungen entsprechend – weitgehend umfassende Kodifikation darstellte, sondern auch ob seiner schlichten Sprache für den Nicht-Juristen verständlich und in dieser Form im europäischen Kontext außergewöhnlich war. Stilprägend für das von Munzinger entworfene aOR war die Ausdehnung der Normen, die noch in seinem Handelsrechtsentwurf von 1864 Sonderprivatrecht für Kaufleute dargestellt hatten, auf alle Bürger.48 Dabei verzichtete Munzinger auf die Einfügung eines eigenen Handelsgesetzbuchs. Die Vorteile eines solchen „code unique“, der mit dem Verzicht auf eine Trennung von Zivil- und Handelsrecht einherging, werden heute in der Schweiz (wohl) weitgehend anerkannt.49 Tatsächlich werden durch ein unitarisches, auch handelsrechtliche Materien umfassendes OR zumindest einige Abgrenzungsprobleme vermieden, sodass auch die moderne Zivilrechtswissenschaft die Lösung der Schöpfer des aOR (weiterhin) als „Glücksfall“50 bezeichnete. Bezüglich der Entwicklung von Handel und Industrie in der Schweiz hatte sich das aOR zudem vollauf bewährt und zu einer gewaltigen Förderung beigetragen.51 Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs, aber auch und gerade aufgrund der Leistung, die die Gründerväter des schweizerischen aOR erbrachten, das Privatrecht als Kernstück der Rechtsordnung über Sprach-, Kantons- und Konfessionsgrenzen hinaus zu vereinheitlichen, charakterisiert etwa Bucher das aOR von 1881/1883 als „Integrationsleistung von einmaligem Rang“52. Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass dieser erste Versuch der Rechtsvereinheitlichung nicht frei von Risiken war: Im Fall des Scheiterns dieses Gesetzes oder bei fehlender Akzeptanz und Nichtanwendung desselben durch die Gerichte wären eine reservierte Grundhaltung der Gesellschaft gegenüber zukünftigen Bemühungen um Rechtsvereinheitlichung und damit einhergehend ein Zustand andauernder Rechtszersplitterung im Privatrecht zu befürchtende Folgen gewesen.53 Diese Risiken verwirklichten sich jedoch nicht. Das Gesetz bewährte sich und räumte jeglichen Zweifel aus, der je zur „Machbarkeit und Güte“ eines universellen Rechts gehegt worden war, galt als Zeugnis erfolgreicher Teilvereinheitlichung und animierte dazu, den Vereinheitlichungsprozess fortzuführen.54 Die erfolgreiche Arbeit am aOR erwies sich somit als mitursächlich für die steigende Bereitschaft in der Schweiz, auch den übrigen Teil des Privatrechts durch Erlass einer gesamtschweizerischen Kodifikation zu vereinheitlichen.

48

Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1970. So unter anderem Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (262). Auch die Revisionsprotagonisten kamen zu diesem Ergebnis. Näher hierzu siehe unter anderem C. I. 50 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (262). 51 Haab, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 7 (14). 52 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (262). 53 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (262). 54 Caroni, Schweizerisches Privatrecht, Bd. I/1: Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2015, § 2 S. 23. 49

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B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision 

2. Schwächen und Revisionsbedarf Bei aller Hochachtung für die Leistung der Gründerväter des aOR ist anzumerken, dass das Gesetzbuch auch Schwächen offenbarte. Nahezu ungeregelt und vor allem aus Arbeitnehmerschutzgründen revisionsbedürftig war zum Beispiel das Dienstvertragsrecht. Dieses umfasste im aOR lediglich zwölf Artikel.55 Darüber hinaus war das aOR entsprechend dem Zeitgeist dadurch geprägt, dass es der Privatautonomie zur größtmöglichen Entfaltung verhelfen wollte.56 Die Gewährung weitgehender Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht hatte jedoch notwendigerweise zur Folge, dass es an sozialen Schutzmechanismen zugunsten der schwächeren Partei mangelte.57 Zuvor noch in Kauf genommen, ergaben sich nunmehr aus der geringen Regelungsdichte des Dienstvertragstitels zunehmend sozialpolitische Probleme, die es insbesondere vor dem Hintergrund zu beheben galt, dass es der schwächeren Partei in Anbetracht der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ungleichheit der Vertragspartner nicht ohne hoheitliches wirtschaftspolitisches Einschreiten und den Beistand des Gesetzes gelingen konnte, ihre Interessen effektiv durchzusetzen.58 Der Dienstvertragstitel des nunmehr 30 Jahre alten aOR wurde den veränderten sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts insoweit nicht mehr gerecht, als er nur fragmentarisch zwingendes Recht zur Beschränkung der vertraglichen Regelungsmöglichkeiten  – vor allem durch den Arbeitgeber – beinhaltete.59 Daneben blieben weitere Materien gänzlich ungeregelt. So hatte das aOR Bestimmungen wie den Grundstückskauf, die Schenkung, die Verpfründung, den Mäklervertrag und die Schuldübernahme, die in engem Zusammenhang mit anderen Privatrechtsinstituten standen, weiterhin kompetenziell dem kantonalen Gesetzgebungsbereich überlassen.60 Nachdem bereits das deutsche BGB von 1900 umfassende Regelungen61 in diesen Bereichen aufgewiesen hatte, gab es für die 55 Es handelte sich um die Art. 338 bis 349 des aOR. Siehe hierzu Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1984.; Bbl. 33. Jg. III., 18. Juni 1881, Bundesgesez über das Obligationenrecht vom 14. Juni 1881, 109 (177 ff.). 56 Tschudi, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987, S. 24; Geiser / Müller, Arbeitsrecht in der Schweiz, 1. Aufl. 2009, Rn. 55; Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (199); Eichholzer, Gewerkschaftliche Rundschau 54 (1962), 200 (207). 57 Vgl. Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (241 f.). 58 Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (508); vgl. auch Caroni, in: Schott / Soliva (Hrsg.), Nit anders denn liebs und guets. Petershauser Kolloquium aus Anlaß des achtzigsten Geburtstags von Karl S. Bader, 1986, S. 39 (43). 59 Tschudi, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987, S. 26. Vgl. ferner D ­ ölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1984. 60 Merz, in: Guhl (Hrsg.), Das Schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl. 1980, § 1 S. 1 f.; Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1984. 61 In das BGB von 1900 wurden in den §§ 611 ff. BGB Reglungen zum Dienstvertrag aufgenommen, unter die auch das Arbeitsverhältnis fiel. Daneben enthielt das deutsche BGB bereits Regelungen zur Schenkung (§§ 516 ff. BGB), zum Mäklerrecht (§§ 652 ff. BGB) und zur

V. Huber und sein ZGB  

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Schweiz keine Rechtfertigung, weiterhin auf entsprechende Normen zu verzichten, sodass die bestehenden Gesetzeslücken zu schließen waren. Auch terminologisch offenbarte das aOR Verbesserungsbedarf. Der französische und insbesondere der italienische Gesetzestext erreichten nicht das Niveau der deutschen Version und konnten daher nicht als vollwertige Gesetzesfassung angesehen werden. Der Bundesrat sprach ebenfalls nur dem deutschen und französischen Rechtstext den „gleichen Werth als Original“62 zu. Die italienische Fassung hatte somit nicht einmal offizielle Geltungskraft und die Übersetzung des Pisaner Professors Filippo Serafini galt allgemein als nur wenig gelungen.63 Die für die Schweiz zur Vermeidung einer Sprachbarriere bei der Rechtsanwendung notwendige Kongruenz und Gleichwertigkeit zwischen den verschiedenen Übersetzungen war im aOR noch nicht gegeben und musste dringend hergestellt werden.

V. Huber und sein ZGB Nach Inkrafttreten des aOR im Jahre 1883 war fortan ein wesentlicher Teil der Privatrechtsmaterie durch Bundesgesetze64 geregelt. Die kantonale Gesetzgebung blieb jedoch in den übrigen Bereichen des Privatrechts weiterhin vorherrschend. Aus dem parallelen Bestehen von Bundesrecht und den verbleibenden kantonalen Privatrechtsordnungen ergaben sich indes zahlreiche Abgrenzungsschwierigkeiten und Kollisionen hinsichtlich der Rechtsanwendung, die einen Rechtsdualismus, Ungerechtigkeit und Rechtsverwirrung zur Folge hatten.65 1. Die Entstehung des ZGB Diese Missstände führten dazu, dass sich der Schweizerische Juristenverein veranlasst sah, in der Kodifikationsfrage voranzuschreiten und Huber – auf Vorschlag des Bundesrates Louis Rouchonnet – 1884 mit der Aufgabe zu betrauen, eine umfassende vergleichende Darstellung des Zivilrechts aller Kantone zu erstellen und die Eigenheiten der kantonalen Privatrechtskodifikationen geordnet hervorzuheSchuldübernahme (§§ 414 ff. BGB), die bei der Revision des schweizerischen Obligationenrechts zumindest als Anhaltspunkte für die schweize­rische Rechtsetzung hinzugezogen wurden. Vgl. hierzu den Gesetzestext des BGB vom 1.1.1900. Eingehend hierzu nachfolgend C. III. 2., D. I. sowie D. II. 62 Bbl. 32. Jg. I., 24. Januar 1880, Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, S. 149 (149). 63 Kaufmann, in: Caroni (Hrsg.), Das Obligationenrecht 1883–1983, 1984, S. 69 (80). 64 Hierzu ausführlich und unter Nennung der entsprechenden Bundesgesetze Liver, in: Gmür (Begr.) / Becker (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Bd. 1, 1962, Einl. Rn. 53. 65 Liver, in: Gmür (Begr.)/Becker (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Bd. 1, 1962, Einl. Rn. 53 ff.; Caroni, Schweizerisches Privatrecht, Bd. I/1: Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2015, § 2 S. 23.

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B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision 

ben, um auf diese Weise die zu überwindenden Differenzen abschätzen und bewältigen zu können.66 Eine umfassende Rechtsvereinheitlichung sollte nämlich erst dann in die Wege geleitet werden, „wenn eine zuverlässige wissenschaftliche Darstellung des geltenden Rechts auf geschichtlicher, dogmatischer und vergleichender Grundlage besteht“67. Die ihm übertragene Aufgabe bewältigte Huber in seinem vier Bände umfassenden Werk „System und Geschichte des schweize­rischen Privatrechts“68 zügig, gründlich und gewissenhaft und empfahl sich hierdurch dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) als Fachmann für die Gesetzgebung.69 Deshalb erteilte ihm der Bundesrat 1892 den Auftrag zur Ausarbeitung eines Entwurfs für ein eidgenössisches bürgerliches Gesetzbuch.70 Huber legte daraufhin bereits im Frühjahr 1893 seinen Plan „[ü]ber die Art und Weise des Vorgehens bei der Ausarbeitung des Entwurfs eines einheitlichen Civilgesetzbuches“, das sogenannte „Huber Memorial“71, dem EJPD vor, in welchem er auch bereits konkrete Vorstellungen hinsichtlich einer notwendigen zukünftigen Revision des aOR darlegte.72 „[I]n einer historischen Stunde [war] der rechte Mann zur Stelle […].“73 In Bern wurde zur gleichen Zeit bereits die zum Erlass des ZGB notwendige Verfassungsrevision vorbereitet. Auch Huber selbst hatte in der von ihm verfassten „Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Einführung der Rechtseinheit (Vom 28. November 1896)“74 über die Notwendigkeit dieser Revision berichtet und sich dabei in transparenter und prägnanter Weise mit allen Bedenken und Einwendungen, die einer solchen entgegenstehen konnten und gegen diese erhoben worden waren, auseinandergesetzt.75 Der Erhalt der Gesetzgebungskompetenz des Bundes durch die Verfassungsrevision vom 13. November 1898,76 welche Volk und Stände mit 66 Schlosser, Europäische Rechtsgeschichte, 4. Aufl. 2021, 14. Kapitel Rn. 14; Hofer, in: Wiegand / Koller / Walter (Hrsg.), Festschrift für Eugen Bucher, 2009, S. 257 (258); Liver, in: Gmür (Begr.) / Becker (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Bd. 1, 1962, Einl. Rn. 55 f. 67 Merz, JZ 1962, 585 (586). 68 Huber, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 1–4, 1893. 69 Liver, in: Gmür (Begr.)/Becker (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Bd. 1, 1962, Einl. Rn. 56. 70 Bbl. 48. Jg. IV., 2. Dezember 1896, Botschaft des Bundesrates vom 28. November 1896, S. 733 (747). 71 Huber, Memorial, 1893. 72 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1979. 73 Egger, Ausgewählte Schriften und Abhandlungen, Bd. I, 1957, S. 105 (125). 74 Bbl. 48. Jg. IV., 2. Dezember 1896, Botschaft des Bundesrates vom 28. November 1896, S. 733. 75 Liver, in: Gmür (Begr.)/Becker (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Bd. 1, 1962, Einl. Rn. 58. 76 Durch die Verfassungsrevision vom 13. November 1898 wurde dem Art. 64 der Bundesverfassung ein zweiter Absatz hinzugefügt: „Der Bund ist zur Gesetzgebung auch in den übrigen Gebieten des Civilrechts befugt“. Vgl. Bbl. 50. Jg. V., 14. Dezember 1898, Botschaft des Bundesrates vom 3. Dezember 1898 betreffend die eidgenössische Volksabstimmung vom 13. November 1898, S. 465 (466).

V. Huber und sein ZGB  

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großer Mehrheit beschlossen,77 ebnete sodann den Weg für ein einheitliches ZGB. Anders als beim aOR gab es nur einen Vorentwurf, den das EJPD nach gründlichen Vorarbeiten im Jahre 1900 veröffentlichte und zur Diskussion stellte.78 In den Jahren 1901 bis 1903 besprach eine große Expertenkommission bestehend aus 31 Experten sowie 3 Spezialexperten auf den Gebieten des Personen- und Familienrechts, des Erbrechts sowie des Sachenrechts den vorgelegten Vorentwurf.79 Huber fungierte in dieser Kommission als Referent.80 Zwischen 1904 und 1907 berieten die Kommissionen des Stände- und Nationalrates unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit die Vorlage und leiteten sie sodann der Redaktionskommission zu.81 Schlussendlich nahm die Eidgenossenschaft das ZGB am 10. Dezember 1907 nach den Beratungen in den Kommissionen und eidgenössischen Räten, in denen wiederum Huber als Referent tätig war, seinen Entwurf vorstellte und die Diskussionen und Abstimmungen mit ruhiger Hand leitete, einstimmig an, und das Gesetzbuch trat am 1. Januar 1912 in Kraft.82 Infolge des Erlasses einer umfassenden Privatrechtskodifikation in der Schweiz war jedoch auch eine Anpassung des OR unumgänglich. Die Unvermeidbarkeit einer Revision des geltenden aOR war damit weniger auf eine demographische, politische und – in Anbetracht der aufgezeigten Unzulänglichkeiten des aOR, etwa dem mangelnden Schutz des sozial Schwächeren im Arbeitsrecht – soziale Notwendigkeit83 zurückzuführen. Vor allem war die Revision des aOR vor dem Hintergrund unverzichtbar, dass eine Verknüpfung zwischen aOR und ZGB in formeller und materieller Hinsicht herzustellen war sowie systematisch dem OR gar nicht (mehr) zugehörige Materien, die – wie beispielsweise das Mobiliarpfandrecht – jedoch ursprünglich im aOR geregelt worden waren, nunmehr in das ZGB einzugliedern und demgemäß aus dem OR auszuscheiden waren.84 Diese Notwendigkeit hatte Huber in seinem Memorial aus dem Jahre 1893 bereits angedeutet, als er die Frage aufwarf, ob das OR in das ZGB einzugliedern oder als Spezialgesetzgebung 77

Vgl. Bbl. 50. Jg. V., 14. Dezember 1898, Botschaft des Bundesrates vom 3. Dezember 1898 betreffend die eidgenössische Volksabstimmung vom 13. November 1898, S. 465 (465 f.). 78 Egger, Ausgewählte Schriften und Abhandlungen, Bd. I, 1957, S. 105 (126). 79 Bbl. 56. Jg. IV., 15. Juni 1904, Botschaft des Bundesrates vom 28. Mai 1904, S. 1 (2). 80 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1980 f. 81 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1982 f. 82 Carlen, Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. Aufl. 1988, S. 97. 83 In Anbetracht der Tatsache, dass die Revision des OR vornehmlich als Annex zur Entstehung des ZGB fungierte, befasst sich diese Arbeit nicht gesondert mit den demographischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der Schweiz, die zwar auch für das OR relevant waren, in erster Linie aber der Vollendung der Rechtsvereinheitlichung durch Erlass des ZGB zugrunde lagen. Für eingehende und instruktive Nachweise lässt sich verweisen auf Gruner, Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz 1880–1914, Bd. 1, 1987; Gruner, Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz 1880–1914, Bd. 3, 1988; Caroni, Privatrecht: Eine sozialhistorische Einführung, 1988, S. 40 ff.; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 122 ff. sowie Bergier, Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, 2. Aufl. 1990. 84 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (2).

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B. Nationale Privatrechtsentwicklung vor der Revision 

auszusondern sei.85 Dem Erlass des ZGB kam folglich eine Katalysatorrolle für die Revision des schweizerischen OR zu. 2. Der Gesetzesredaktor Huber Urheber des ZGB war Eugen Huber86, der am 13. Juli 1849 in Stammheim in der Schweiz als Sohn des Arztes Konrad Huber geboren wurde.87 Im Jahr 1869 nahm Huber das Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Zürich auf, ehe er mithilfe des Erbes seines im Dezember 1862 verstorbenen Vaters und der im August 1869 verstorbenen Mutter ein einjähriges Auslandsstudienjahr in Berlin absolvierte.88 Während seines Studiums erkannte er schnell, dass das bürgerliche Recht dasjenige Rechtsgebiet war, dem er zeitlebens seine Lebenskraft und Leidenschaft widmen wollte.89 Im März 1872 schloss Huber mit gerade 23 Jahren seine Promotion mit summa cum laude ab.90 Seine Dissertation trug den Titel „Die Schweizerischen Erbrechte in ihrer Entwicklung seit der Ablösung des alten Bundes vom deutschen Reich“91. Die These, die er im Rahmen seiner Dissertation aufzubauen versuchte, dass die überkommenen Rechtseinrichtungen durch politische Entwicklungen eines Volkes erneuert werden und sich sodann selbst harmonisch in den Grundplan der Rechtsordnung einfügen, steht bereits sinnbildlich für die späteren Bestrebungen, die Huber mit großem Erfolg bei der Ausarbeitung des ZGB verfolgte.92 Infolge seiner Auslandsaufenthalte in Italien, Frankreich, England und Österreich, die Huber nach seiner Promotion unternahm, verspürte er insbesondere das Verlangen, der rechtshistorischen Forschung intensiver nachzugehen.93 Er beabsichtige daher, in die Lehrtätigkeit einzutreten und habilitierte sich in Zürich, später in Bern.94 Dort erhielt er 1892 – also zur gleichen Zeit, zu der ihn der Bundesrat mit dem Auftrag zum Entwurf des ZGB betraute – einen Ruf als Professor für Privatrecht an die Universität Bern und kehrte somit in die Schweiz zurück.95

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Huber, Memorial, 1893, S. 7. Rossel, Manuel du droit civil suisse: Code (revisé) des obligations, Bd. 3, 1912, S. 10. 87 Manaï, Eugen Huber – jurisconsulte charismatique, 1990, S. 5. 88 Fasel, Eugen Hubers Vorlesungen, 2014, S. 1. 89 Wartenweiler, Eugen Huber, 1933, S. 18. 90 Wartenweiler, Eugen Huber, 1933, S. 24. 91 Huber, Die Schweizerischen Erbrechte in ihrer Entwicklung seit der Ablösung des alten Bundes vom deutschen Reich, 1872. 92 Guhl, in: Schulthess (Hrsg.), Schweizer Juristen des letzten Jahrhunderts, 1945, S. 323 (329). 93 Welti, Eugen Huber als politischer Journalist, 1932, S. 9. 94 Egger, Eugen Huber als Gesetzgeber, 1940, S. 5. 95 von Moos, ZSR n. F. 81 (1962), 1. Hbd., 1 (4); Fasel, Eugen Hubers Gutachten 1902–1910, 2019, S. 1. 86

V. Huber und sein ZGB  

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Im Jahre 1902 wurde Huber für die Freisinnig-Demokratische Partei zum Mitglied des Nationalrates gewählt, obgleich er diese politische Position in keiner Weise angestrebt hatte und parteipolitisch nie hervorgetreten war.96 Gleichwohl begrüßte er das ihm zugesprochene Vertrauen, das es ihm ermöglichte, seine Impulse im Interesse der Rechtsvereinheitlichung auch auf parlamentarischem Wege einzubringen und sein Werk in der nationalrät­lichen Kommission zu verteidigen.97 Jene Rolle als Mitglied in der Kommission des Nationalrates und des gesamten Kollegialorgans spielte auch bei der Revision des schweizerischen OR eine bedeutende Rolle. Im Nationalrat fungierte Huber in den Jahren 1909/1910 als Referent und Berichterstatter der Kommission und nahm infolgedessen entscheidenden Einfluss auf die parlamentarische Arbeit am OR.98 Insgesamt arbeitete Huber zwischen 1892 und 1907 am Erlass des ZGB.99 Dabei verlor er seinem Charakter entsprechend seine anvisierten Ziele niemals aus den Augen.100 Am 10. Dezember 1907 hatte Huber die Gesetzgebungsaufgabe schließlich mustergültig bewältigt, die Arbeiten am ZGB abgeschlossen und erhob sich damit zum Urheber des schweizerischen Zivilrechts.101 Mit der Vollendung des ZGB war Hubers gesetzgeberische Tätigkeit jedoch keinesfalls abgeschlossen. Dennoch verschaffte auch und gerade diese einzigartige gesetzgeberische Leistung, dieses „bodenständige[…], unserer Tradition und unserem Rechtsbewußtsein entsprechende[…], wahrhaft nationale[…] Gesetzeswerk“102, welches „ein Fundament unserer heutigen nationalen Selbstbehauptung und Selbstverteidigung“103 wurde, Huber den höchsten Ruhm und die weit über die europäischen Grenzen verbreitete Anerkennung und Bewunderung in der Öffentlichkeit.104 Dadurch, dass sich Huber somit auf der höchsten Bühne der Gesetzgebung vollauf bewährt hatte, war es ein logischer Schritt, ihn auch mit der Aufgabe der Revision des OR zu betrauen. Wie beim ZGB sollte Huber dabei die Gesetzesentwürfe verfassen und diese als Referent in den Expertenkommissionen sowie im Nationalrat vertreten.105 Unter anderem wegen dieser Tätigkeiten attestiert etwa Urs Fasel Huber auch in Bezug auf das revidierte schweizerische OR eine derart tragende Rolle, die die Bezeichnung „Urheber“106 des Gesetzbuches rechtfertigen würde. 96

Wartenweiler, Eugen Huber, 1933, S. 124. Guhl, in: Schulthess (Hrsg.), Schweizer Juristen des letzten Jahrhunderts, 1945, S. 323 (343 f.); Wartenweiler, Eugen Huber, 1933, S. 124. 98 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom Oktober 1909, S. 459. 99 Egger, Ausgewählte Schriften und Abhandlungen, Bd. I, 1957, S. 105 (105). 100 Fasel, Schweizerische Rechtsgeschichte aus Eugen Hubers Feder, 2015, § 2 Rn. 102. 101 Egger, Eugen Huber als Gesetzgeber, 1940, S. 9. 102 So beschreibt Egger das ZGB. Siehe hierzu Egger, Eugen Huber als Gesetzgeber, 1940, S. 19. 103 Egger, Eugen Huber als Gesetzgeber, 1940, S. 19. 104 Guhl, in: Schulthess (Hrsg.), Schweizer Juristen des letzten Jahrhunderts, 1945, S. 323 (346). 105 Guhl, in: Schulthess (Hrsg.), Schweizer Juristen des letzten Jahrhunderts, 1945, S. 323 (352). 106 Fasel, Eugen Hubers Obligationenrechtsmanuskript zum Allgemeinen Teil des OR, 2017, § 1 Rn. 12. 97

C. Die Revision des Obligationenrechts I. Initiative zur Revision des alten Obligationenrechts und Vorbereitungsphase Nachdem die Revision der Bundesverfassung den Weg für ein einheitliches ZGB geebnet und damit einhergehend auch eine Überarbeitung des aOR induziert hatte, bemühte sich das EJPD frühzeitig um eine intensive wissenschaftliche Vorbereitung, auf deren Grundlage die nachfolgenden Gesetzgebungsarbeiten durchzuführen waren. Hierbei erkundigte sich das Ressort nach den Ansichten führender Juristen aus Wissenschaft und Praxis bezüglich des Vorgehens bei der Revision des OR. 1. Hubers Memorial von 1893 Huber, der spätere Urheber des revidierten OR, äußerte sich bereits in seinem Memorial von 1893, also einige Jahre bevor überhaupt feststand, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass eines einheitlichen Zivilgesetzbuches zugewiesen würde, „[ü]ber die Art und Weise des Vorgehens bei der Ausarbeitung des Entwurfes eines einheitlichen schweizerischen Civilgesetzbuches“.1 Das Memorial Hubers adressierte die obersten kantonalen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden sowie das Schweizerische Bundesgericht und beabsichtigte, diese zu einer Stellungnahme hinsichtlich der Frage nach der Reichweite der Unifikation aufzufordern.2 Inhaltlich thematisierte Huber neben einigen Ausführungen, die die übrigen Teile des neu zu erlassenden ZGB betrafen, auch eine mögliche Revision der bereits bestehenden Gesetze, unter anderem des aOR.3 Dabei zeigte er zwar auch die Möglichkeit einer gänzlichen Aussonderung der bestehenden schweizerischen Spezialgesetze aus dem neuen ZGB auf.4 Grundsätzlich sah Huber hinsichtlich der Systematik im neuen ZGB jedoch folgende Anordnung vor: „Bei der Gliederung des Entwurfs gehen wir unverbindlich von der Voraussetzung aus, dass das gesamte Civilgesetzbuch in die fünf Bücher zerfallen werde: Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht und Obligationenrecht“5. Huber selbst nahm also an, dass das OR Teil des neuen ZGB werden sollte. Zudem wollte er auf einen Allgemeinen Teil, der den übrigen Gesetzbüchern hätte vorangestellt werden müssen und 1

Huber, Memorial, 1893. Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 171. 3 Huber, Memorial, 1893, S. 7. 4 Huber, Memorial, 1893, S. 7. 5 Huber, Memorial, 1893, S. 8. 2

I. Initiative und Vorbereitungsphase

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weite Teile des Allgemeinen Teils des OR entbehrlich gemacht hätte, verzichten.6 Er hielt es für zweckmäßiger, allgemeine Regeln über Rechtsverhältnisse in systematischem Nexus zu denjenigen Instituten anzusiedeln, für die sie praktische Relevanz entfalten.7 Hinsichtlich des (materiellen) Gehalts des OR stellte Huber fest, dass das geltende Bundesgesetz nur wenige obligationsrechtliche Materien ungeregelt lasse und der Revisionsgesetzgeber somit mit Neuregelungen sparsam verfahren könne.8 2. Gutachten des Schweizerischen Bundesgerichts 1894 Hubers Aufruf leisteten achtzehn Kantone9 sowie das Schweizerische Bundesgericht Folge, welches sich bereits 1894 in seinem Gutachten, in dem es über die Anpassung des aOR berichtete, klar positionierte. Zu der Frage nach der bevorzugten systematischen Anordnung des neuen OR führte das Bundesgericht aus, dass die reine Existenz eines Spezialgesetzes  – wie es das aOR seinerzeit darstellte – sich nicht per se als Grund dafür erweisen könne, diesen fragmentarischen Kodifikationszustand fortbestehen zu lassen, und plädierte – aufgrund der inhaltlichen Konnexität des OR zu den übrigen Teilen des ZGB – für eine Eingliederung in selbiges.10 Während das Gericht zu dieser grundlegenden systematischen Frage einen eindeutigen Standpunkt vertrat, erwies es sich im Detail für mehrere Revisionswege aufgeschlossen. Angesprochen auf den inhaltlichen Umfang der Neuordnung des OR ließ das Gericht etwa offen, wie weit der Gesetzgeber gehen sollte und schlug vor, die – insbesondere materielle – Reichweite der Revision, die sich dem „Bereich [seiner] gegenwärtigen Vernehmlassung“11 entziehe, andernorts zu klären.12 Auch die Frage nach der Schaffung eines Allgemeinen Teils war nach Ansicht des Gerichts (noch) nicht entscheidungserheblich und konnte damit prinzipiell (noch) dahinstehen.13 Zugleich brachte das Bundesgericht doch zum Ausdruck, ein Zivilgesetzbuch zu präferieren, welches allgemeine Grundsätze – wie es schon das zürcherische Gesetzbuch tat – anders als das deutsche BGB nicht

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Huber, Memorial, 1893, S. 8. Huber, Memorial, 1893, S. 8. 8 Huber, Memorial, 1893, S. 22 f. 9 Lediglich sieben Kantone – Luzern, Uri, Schwyz, Glarus, Zug, Freiburg, Appenzell Innerrhoden – legten keine Stellungnahme ab. Siehe hierzu Gauye, Inventar zur Dokumentation über die Erarbeitung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches 1885–1907, 1963, S. 54 (58). 10 Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 3. 11 Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 9. 12 Vgl. Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 6, 9. 13 Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 6. 7

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C. Die Revision des Obligationenrechts

abstrakt und losgelöst, sondern an entsprechender Stelle im OR regelt.14 Betreffend die Problematik der Ausscheidung gewisser Teile des Privatrechts als eigenes Handelsrecht, mit der sich bereits in der Vergangenheit intensiv befasst wurde, beschränkte sich das Bundesgericht darauf, die damalige Entscheidung – ohne näher auf sie einzugehen – gutzuheißen und daher die Idee der Schaffung eines eigenen Handelsrechts abzulehnen.15 3. Die Gutachten der Professoren und Bundesrichter Um neben Hubers Memorial und den Antworten der Kantone und des Bundesgerichts auf selbiges auch ein erstes wissenschaftliches Grundgerüst zu schaffen, auf dem während der weiteren Reformarbeiten aufgebaut werden konnte, beauftragte der schweizerische Bundesrat auch einige namhafte Schweizer Professoren, „spezielle Kenner des OR“16, namentlich Hugo Oser, Alfred Martin, Friedrich Meili, Virgile Rossel, Albert Schneider sowie Bundesrichter Charles Soldan mit der Erstellung von Gutachten, die der Frage nachgehen sollten, wie das aOR bestmöglich zu revidieren war.17 a) Allgemeines Revisionsvorgehen: Aussonderung des Obligationenrechts oder Eingliederung in das Zivilgesetzbuch Dabei waren sich die Befragten darin einig, dass das geltende aOR nicht unverändert in das neue ZGB eingefügt werden konnte.18 Die Gründe hierfür hatte bereits das Bundesgericht am 31. Oktober 1894 ausführlich dargelegt, weshalb sich die Befragten nicht (erneut) veranlasst sahen, näher auf diese einzugehen.19 Fest stand nach Ansicht der Experten, dass für den Fall eines gänzlichen Unterbleibens der

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Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 6. 15 Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 6. 16 So beschreibt Huber die vom EJPD befragten Juristen in Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1044). 17 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1983; Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932–1937, § 8 S. 148. 18 Zu diesem Ergebnis kommen etwa BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 3; BArch 22/2105, Soldan, Gutachten, S. 1 und BArch 22/2105, Martin, Gutachten, S. 1. 19 Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 6 f.; BArch 22/2105, Martin, Gutachten, S. 1.

I. Initiative und Vorbereitungsphase

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Revision des aOR und dessen unverändertes Fortbestehen neben dem neuen ZGB ein nicht zu tolerierender Rechtsdualismus die zu erwartende Folge gewesen wäre.20 Demnach empfahl die Expertengruppe einstimmig eine Revision des geltenden aOR. Den Diskussionsschwerpunkt legten die Gutachter daher auf die konkrete Vorgehensweise und schlugen vor, das OR in das neue ZGB einzugliedern, um so ein einheitliches Gesetzbuch zu schaffen.21 Als Alternative hierzu präsentierte Oser, das OR als Spezialgesetz auszusondern und so neben dem neuen ZGB selbstständig weiterbestehen zu lassen.22 Mehrheitlich befürworteten die Rechtsgelehrten dabei die erste Variante, da sie davon ausgingen, dass das aOR, das sich zwar in seiner derzeitigen Fassung als Spezialgesetz bei den schweizerischen Juristen etabliert habe, sein Ansehen unabhängig von der äußeren, redaktionellen Stellung aufgrund seiner Eigenschaften behalten würde.23 Oser etwa verwies dennoch auf die naheliegende Möglichkeit, im Zuge der Revisionsarbeiten zwar nicht das OR als Ganzes, zumindest aber auch und gerade diejenigen Regelungskomplexe auszugliedern, die einem stetigen Wandel unterlagen und stärker durch europäische als durch nationale Strömungen beeinflusst waren.24 In diesem Zusammenhang warnten die Gutachter allerdings einstimmig davor, entsprechend dem deutschen Rechtverständnis, aber entgegen dem traditionellen schweizerischen Leitbild, eine Aussonderung des Handelsrechts und damit eine Abkehr vom „code unique“ vorzunehmen.25 Die Gründe für die damalige Entscheidung – wie sie in der bundesrätlichen Botschaft niedergelegt worden waren26 –, das Handelsrecht und das Obligationenrecht zu vereinen, hielt der Expertenstab auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch für zutreffend.27 Uneinigkeit herrschte lediglich hinsichtlich der Frage, ob einzelne Teile des Handelsrechts auszusondern waren. Martin etwa plädierte dafür, die Regelungen zur Aktiengesellschaft sowie das Wechselrecht der Spezialgesetzgebung zuzuweisen.28 20

BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 3. 21 BArch 22/2105, Rossel, Mémoire concernant – La révision du Code fédéral des obligations et la codification du droit civil suisse, S. 3. 22 Vgl. hierzu BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 3. 23 So unter anderem BArch 22/2105, Rossel, Mémoire concernant – La révision du Code fédéral des obligations et la codification du droit civil suisse, S. 3 f.; BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 4. 24 BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 4. 25 Siehe etwa BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 2; BArch 22/2105, Martin, Gutachten, S. 6; BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 4. 26 Zur Begründung siehe Bbl. 32. Jg. I., 24. Januar 1880, Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, S. 149 (174). 27 Vgl. BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 2. 28 Hierzu z. B. BArch 22/2105, Martin, Gutachten, S. 6.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

Meili wiederum sah hierfür keine Notwendigkeit und bevorzugte, das gesamte handelsrechtliche System im OR zu behalten.29 b) Systematik des neuen Zivilgesetzbuches Die exakte systematische Stellung des neuen OR im ZGB hing nach Auffassung der befragten Professoren und des Bundesrichters Soldan entscheidend davon ab, auf welche Weise der übrige Teil des neuen ZGB anzuordnen war, insbesondere ob der Gesetzgeber einen Allgemeinen Teil schaffen wollte.30 Die Experten sprachen sich diesbezüglich – ebenso wie bereits Huber und das Bundesgericht – einstimmig gegen die dem deutschen BGB zugrundeliegende Gesetzgebungstechnik aus.31 „Die moderne Auffassung geht doch dahin, dass ein systematisches Civilgesetzbuch das Personen-, Familien-, Sachen-, Obligationen-, und Erbrecht umfassen müsse“32, urteilte zum Beispiel Meili. Dem beipflichtend und mit der historisch-systematischen Anordnung allgemeingültiger Rechtsinstitute im OR argumentierend, warnte auch Soldan davor, den Bürger und Juristen, der sich an die Systematik des aOR gewöhnt hatte, mit einer völlig neuen Ordnung des Gesetzbuches zu konfrontieren und damit ohne Notwendigkeit sogar zu Verwirrung beizutragen.33 Für die Rechtsanwendung sei es zudem erheblich praktikabler, wenn eines der zentralen Rechtsbücher des neuen ZGB – das OR – in seiner konkreten Gestalt bereits bekannt und dem Juristen vertraut sei, fasste Oser zusammen, was allgemeiner Konsens war.34 c) Materielle Revision Betreffend eine materielle Revision präferierten die befragten Gutachter einen zurückhaltenden Umgang mit dem bestehenden Recht.35 Das aOR war, wie Soldan betonte, zu jung, um als alt angesehen zu werden, und zu elastisch, als dass 29 Vgl. BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 17 ff. 30 Diese Auffassung vertritt z. B. BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 7. 31 Vgl. z. B. BArch, 22/2105 Martin, Gutachten, S. 3; BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 8; BArch 22/2105, Soldan, Gutachten, S. 3. 32 BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 11 bestätigt die Anordnung, von welcher auch Huber in seinem Memorial unverbindlich ausging. Siehe hierzu Huber, Memorial, 1893, S. 8. 33 BArch 22/2105, Soldan, Gutachten, S. 3 f. 34 BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 6 f. 35 BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 6.

I. Initiative und Vorbereitungsphase

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eine intelligente Rechtsprechung nicht zur Genüge daraus schöpfen und auch auf lange Sicht bewährte Prinzipien, wie auch neue Bedürfnisse, angemessen befriedigen könne.36 Deshalb wollten die konsultierten Rechtsexperten eine Revision auf diejenigen Materien beschränken, deren Revision bereits durch den Erlass des ZGB unumgänglich geworden war oder sich im Laufe der Zeit, beispielsweise aus rechtspolitischen oder sozialen Gründen, als dringend herauskristallisiert hatte.37 Hierbei fassten sie in erster Linie Materien ins Auge, die über die Jahre im Kompetenzbereich der Kantone verblieben und somit bundesrechtlich noch ungeregelt waren, namentlich Regelungen etwa über die Schenkung, den Liegenschaftskauf, zu Hypothekendarlehen oder Versicherungsverträgen.38 d) Redaktionelle Anpassung der Gesetzestexte Revisionsbedarf erkannten die Experten wiederum hinsichtlich der Terminologie im aOR. Als zu korrigierenden Missstand identifizierte etwa Meili, dass im aOR Bezeichnungen mitunter in einem unterschiedlichen Sinne verwendet werden.39 So bedeuteten die Worte „gilt als“ an manchen Stellen des Gesetzes „ist“, an anderen Stellen sollten diese Worte auf eine Fiktion hindeuten, daneben konnte aber auch eine Präsumtion oder Interpretationsregel gemeint sein.40 Der Gesetzgeber sollte nach Ansicht Martins an dieser Stelle von der Notwendigkeit der Revision profitieren und sie zum Anlass nehmen, auch den französischen Text auf seine Kongruenz mit dem deutschen Text zu überprüfen und die Divergenzen zwischen den Gesetzestexten verschwinden zu lassen.41 Hierbei galt es in erster Linie, den französischen Text anzupassen, um eine einheitliche technische Sprache für das gesamte Gesetzbuch zu finden.42 Die Herstellung sprachlicher Kongruenz zwischen deutschem, französischem und auch italienischem Text, die im aOR noch nicht bestand,43 war von höchster Bedeutung.44 Es ließen sich zu viele Unstimmigkeiten und Widersprüche zwischen der französischen und deutschen Gesetzes 36

BArch 22/2105, Soldan, Gutachten, S. 7 f. BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 6. 38 BArch 22/2105, Martin, Gutachten, S. 2; BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 6. 39 BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 3. 40 BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 3. 41 BArch 22/2105, Martin, Gutachten, S. 5. 42 BArch 22/2105, Soldan, Gutachten, S. 2. 43 Vgl. BArch 22/2105, Rossel, Mémoire concernant – La révision du Code fédéral des obligations et la codification du droit civil suisse, S. 18; BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweize­rische Civilgesetzbuch, S. 4 f. 44 BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 4 f. 37

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C. Die Revision des Obligationenrechts

fassung des aOR ausfindig machen, die bereits Bundesrichter Soldan und Professor Frédéric Mentha in ihren Werken „Le code fédéral des obligations suivi des lois fédérales sur la capacité civile et sur les rapports de droit civil des citoyens établis ou en séjour“45 sowie „Code fédéral des obligations (version française): critique de quelques articles“46 aufgedeckt hatten. Rossel, der im Folgenden eine zentrale Rolle bei der Redaktion des französischen Gesetzestextes einnahm,47 bezeichnete die Revision des französischen Gesetzestextes selbst dann als „indispensable“48, also als unverzichtbar, wenn der bestehende deutsche Gesetzestext weitgehend unangetastet geblieben wäre.49 4. Die Debatte des Schweizerischen Juristenvereins Wann immer es um die Beantwortung und Besprechung zentraler Fragen betreffend die Entwicklung und Etablierung nationaler Rechtseinheit in der Schweiz ging, fühlte sich auch – wie schon bei der Entstehung des aOR und des ZGB50 – der Schweizerische Juristenverein angesprochen und beabsichtigte, Lösungsansätze zu präsentieren. Deshalb setzte der Juristenverein bereits im Jahre 1900 anlässlich des Juristentags in St. Gallen das Thema „Die Art der Anpassung des Obligationenrechts an das schweizerische Civilgesetzbuch“51 auf die Tagesordnung.52 Neben den vom Justizministerium angeforderten Gutachten schweizerischer Professoren und Bundesrichter befasste sich somit auch das wichtigste Kollegialorgan führender schweizerischer Juristen aus Lehre und Rechtspraxis mit der Frage nach der Angliederung des OR an das neue ZGB. Advokat Arnold Janggen und Professor Louis Grenier53 hielten dabei einleitende Referate, in denen sie über die genaue Art der Anpassung des schweizerischen OR sprachen, die im Anschluss zu einer „belebten Diskussion“54 im Plenum geführt hatten, an welcher auch Huber teilnahm.

45

Soldan, Le code fédéral des obligations suivi des lois fédérales sur la capacité civile, 1996. Mentha, Code fédéral des obligations (version française): critique de quelques articles, 1883. 47 Dazu siehe C. V. 48 BArch 22/2105, Rossel, Mémoire concernant – La révision du Code fédéral des obligations et la codification du droit civil suisse, S. 18. 49 BArch 22/2105, Rossel, Mémoire concernant – La révision du Code fédéral des obligations et la codification du droit civil suisse, S. 18. 50 Vgl. etwa Morel, Der Schweizerische Juristenverein in seiner Thätigkeit während den ersten vierzig Jahren seines Bestehens, 1901, S. 14, 22. 51 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593. 52 Fritzsche, Der Schweizerische Juristenverein 1861–1960, 1961, S. 142. 53 Grenier, ZSR n. F. 19 (1900), 694. 54 Fritzsche, Der Schweizerische Juristenverein 1861–1960, 1961, S. 142. 46

I. Initiative und Vorbereitungsphase

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a) Allgemeines Im Ergebnis erkannte dabei auch der Schweizerische Juristenverein, dass das Bundesgesetz von 1881/1883, unter anderem bedingt durch verfassungsrechtliche Einschränkungen der Gesetzgebungskompetenz, aber auch aufgrund von sonstigen bewussten legislativen Entscheidungen, kein umfassendes OR darstellte, das unverändert in das neue ZGB aufgenommen werden konnte.55 Wie es bereits die Gutachter taten, hob auch Janggen einige bislang unbehandelte Rechtsinstitute, etwa das Schenkungsrecht, den Liegenschaftskauf, die Versteigerung und die Auslobung exemplarisch hervor.56 Obgleich bereits Huber in seinem Werk „System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts“57 ebenfalls auf die Unvollständigkeit des aOR hingewiesen hatte, erachtete es der Referent keinesfalls für redundant, diesen Gesichtspunkt noch einmal möglichst deutlich hervorzuheben.58 Daher sprach sich Janggen ebenfalls für eine Eingliederung des OR in einen einheitlichen Codex aus. Dabei erkannte der Schweizerische Juristenverein, dass auf den ersten Blick der Eindruck hätte entstehen können, ein reibungsloser Verlauf der Rezeption des Rechts sei im besonderen Fall des etablierten, bereits seit siebzehn Jahren bestehenden aOR am ehesten gewährleistet, wenn der Reformgesetzgeber es – mit Blick auf die erforderlichen Änderungen – in abgewandelter Fassung als eigenes Spezialgesetzbuch neben dem ZGB hätte weiterbestehen lassen.59 Als Argument hierfür führte Janggen auch an, dass das OR in Form eines Spezialgesetzes „eine gewisse historisch begründete Existenzberechtigung habe“60. Gleichwohl zeige jedoch die Volksabstimmung vom 13. November 1898 und die hieraus resultierende Verfassungsänderung, die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des gesamten Privatrechts verliehen hatte, dass der Wille des Volkes seitdem auf die Unifizierung des gesamten Privatrechts gerichtet sei.61 Das aOR in Gestalt eines Spezialgesetzbuches habe mit diesem monumentalen Ereignis und der Entscheidung des Volkes folglich seine „historische und verfassungsrechtliche Existenzberechtigung verloren“62. Die Popularität des aOR in der schweizerischen Öffentlichkeit basiere auch nicht, wie bereits Oser betonte,63 auf systematischer Anordnung der Artikel und Titel, erst recht nicht auf den Vorbehalten des kantonalen Rechts oder der Nichtnormierung einzelner Rechtsinstitute,

55

Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (596 f.). Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (597 f.). 57 Huber, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 3, 1893, § 99 S. 666 ff. 58 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (603). 59 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (628 f.). 60 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (633). 61 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (634). 62 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (634). 63 BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 4. 56

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C. Die Revision des Obligationenrechts

sondern vielmehr auf der prägnanten und verständlichen Sprache der Kodifikation und seiner in übersichtlicher Darstellung gelungenen Verwirklichung progressiver Ideen.64 Nach Ansicht Janggens gingen jene Vorzüge indes im Fall der Eingliederung des OR in das ZGB allesamt nicht verloren, während gleichzeitig auf diese Weise die Gefahr ausgeräumt würde, dass „die Kontinuität der Rechtsübung irgend nennenswerte Störungen erfahren wird“65. b) Systematik Was die Systematik des neuen ZGB betraf, sah der Juristenverein keine nennenswerten Schwierigkeiten in der Eingliederung des OR. So plädierte das Gremium – in Übereinstimmung mit Huber66 – für die grundsätzliche Unterteilung des ZGB in die fünf Bücher Personen-, Familien-, Erb-, Sachen- und Obligationenrecht.67 Die Schaffung eines diesen fünf Büchern vorangestellten Allgemeinen Teils, welcher der systematischen Anordnung des deutschen BGB entsprochen hätte, begrüßten die Mitglieder des Juristenvereins hingegen nur vereinzelt.68 Kritisch sah etwa Janggen einen Allgemeinen Teil als „Extrakt der Rechtswissenschaft“69 insbesondere mit Blick auf seine Praxisferne. Auch die wissenschaftliche und technische Sprache bewertete die Mehrheit des Juristenvereins als zu kompliziert und (nicht nur für den juristischen Laien) nur schwer verständlich.70 Angesichts dieser Hürden warnte der Juristenverein davor, durch die Schaffung eines Allgemeinen Teils „dem Volke das Recht [zu] entfremde[n], statt es ihm näher zu bringen“71. c) Sprache und Redaktion Auch dem Schweizerischen Juristenverein fiel, angeregt unter anderem durch Bundesrichter Soldan, auf, dass infolge der Übersetzung des deutschen Haupttextes des aOR in das Französische und Italienische sprachliche und materielle Differen 64

Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (635). Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (635). 66 Siehe hierzu bereits C. I. 1. 67 Vgl. Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (640 f.). 68 Befürwortend etwa Diskussionsbeitrag Honegger, ZSR n. F. 19 (1900), 709 (711). Einem Allgemeinen Teil ablehnend gegenüber standen Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (640 ff.; 694) sowie Grenier, ZSR n. F. 19 (1900), 694 in ihren einleitenden Referaten. Auch die anschließende Diskussionsrunde kam mehrheitlich zu diesem Ergebnis. Siehe Diskussion, ZSR n. F. 19 (1900), 709 (709 ff.). 69 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (641). 70 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (641). In Bezug auf den Allgemeinen Teil des deutschen BGB so auch Zitelmann, DJZ 1900, 2 (3). 71 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (642). 65

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zen in großer Zahl und von bedeutender Natur aufgetreten waren.72 Sollten aber die Rechtstexte gleichwertig sein, so müssten diese auch übereinstimmen, betonte Korreferent Grenier.73 Keiner der drei Texte dürfe vor dem anderen ein Übergewicht haben, welches den Richter in Verlegenheit und Zweifel bringen könne.74 Ganz allgemein sei es notwendig, dass das ZGB in all seinen Teilen eine ähnliche Terminologie verwende und somit ein homogenes Ganzes bilde, um keinen Raum für Meinungsverschiedenheiten und Fehlinterpretationen zu lassen.75 Der Juristenverein bestand demnach darauf, eine perfekte Übereinstimmung der Rechtstexte zu gewährleisten und das selbst dann, wenn hierunter die Eleganz gelitten hätte.76 d) Materielle Revision Betreffend die materielle Revisionsbedürftigkeit des aOR deckte sich die Einschätzung der Vertreter des Schweizerischen Juristenvereins insgesamt mit derjenigen der übrigen Befragten, die einen konservativen Umgang mit dem bekannten und bewährten Bundesrecht proklamiert hatten. Der Allgemeine Teil erschien gar nach Ansicht Janggens bis auf wenige Ausnahmen – wie etwa der Irrtum oder das Recht der unerlaubten Handlungen, in dessen Kontext Janggen auch auf § 826 BGB rekurrierte  – kaum revisionsbedürftig.77 In der auf die Referate folgenden Diskussionsrunde warfen aber diverse Mitglieder vielerlei Fragen auch hinsichtlich revisionsbedürftiger Normenkomplexe des Allgemeinen Teils des OR auf.78 Im Besonderen Teil wies der Juristenverein zumindest auf die Revisionsbedürftigkeit des Dienstvertragstitels hin.79 Obgleich die Juristenorganisation somit materiellrechtlich im Grundsatz konservativ agieren und den Fokus auf Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit legen wollte, schlug der Juristenverein gleichwohl vor, die Revision zum Anlass zu nehmen und einzelne insbesondere handelsrechtliche Materien – etwa das Recht der Aktiengesellschaften, der Genossenschaften, des Wechsels sowie das Recht der Wertpapiere – der Spezialgesetzgebung zuzuweisen, ohne sich bereits endgültig auf die exakte Vorgehensweise festzulegen.80 Damit präferierte der Schweizerische Juristenverein schon im Jahre 1900 die Aussonderung handelsrechtlicher Materien in – verglichen mit den übrigen Befragten – größerem Ausmaß. Doch auch von Seiten des Schweizerischen Juristenvereins stand

72

Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (652). Grenier, ZSR n. F. 19 (1900), 694 (699). 74 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (652). 75 Grenier, ZSR n. F. 19 (1900), 694 (698). 76 Grenier, ZSR n. F. 19 (1900), 694 (700). 77 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (656). 78 Diskussion, ZSR n. F. 19 (1900), 691. 79 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (656 f.). 80 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (662); Diskussionsbeitrag Huber, ZSR n. F. 19 (1900), 713 (715 f.). 73

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C. Die Revision des Obligationenrechts

die Beibehaltung des Handelsrechts als Teil des OR außer Frage.81 Insgesamt befürwortete der Hauptreferent Janggen, das OR „dem Civilgesetzbuch als dessen II. Teil einzuverleiben“82. Dieser Auffassung widersprach weder Korreferent Grenier noch präsentierten die Mitglieder des Vereins in der nachfolgenden Diskussion einen abweichenden systematischen Ansatz. 5. Zwischenfazit zu den Vorarbeiten Wie sich anhand des zusammengetragenen Materials aufzeigen lässt, wurde bereits im Vorfeld der Revision eine intensive Vorarbeit geleistet. Das EJPD hatte sich mit den Berichterstattungen Hubers, des Schweizerischen Bundesgerichts sowie verschiedener juristischer Vertreter aus Lehre und Praxis ein breites Sortiment an Vorschlägen für das Vorgehen bei der Revision eingeholt. Dabei hatten sich Huber in seinem Memorial sowie das hierauf respondierende Schweizerische Bundesgericht bereits 1893 beziehungsweise 1894 grundsätzlich positioniert, stellten jedoch einige Detailfragen vorerst zurück. Die erst kurz vor dem eigentlichen Revisionsbeginn konsultierten Professoren und Bundesrichter sowie der Schweizerische Juristenverein thematisierten hingegen auch schon Einzelfragen des materiellen Rechts. Inhaltlich befürworteten im Ergebnis alle Seiten dieselbe Grundausrichtung. Es stand außer Frage, dass eine Revision generell vonnöten war. Das Bundesgesetz vom 14. Juni 1881 war, unter anderem aufgrund der verfassungsrechtlichen Beschränkung des Gesetzgebungsrechts des Bundes, nicht vollständig.83 Der nachfolgende Erlass des ZGB, welches Materien beinhalten sollte, die zuvor im aOR angesiedelt waren, machte eine Anpassung des geltenden aOR nach Ansicht aller Befragten unumgänglich. Von weitaus größerer Bedeutung war deshalb bereits im Vorfeld die Frage nach der exakten systematischen Stellung, der Redaktion sowie der materiellen Änderungsnotwendigkeit des OR. Die Gesamtheit der schweizerischen Juristen befürwortete eine Eingliederung des OR in das neue ZGB. Die Initiatoren beabsichtigten, das Gesetz angesichts der untrennbaren inhaltlichen Konnexität zwischen OR und den übrigen Teilen des ZGB, beispielsweise dem Sachenrecht, nicht der Spezialgesetzgebung zuzuweisen. Differenziert beurteilte und bewertete der Expertenkreis jedoch die genaue systematische Stellung des neuen OR innerhalb eines einheitlichen Zivilgesetzbuches. Der Schweizerische Juristenverein verfolgte die Intention, das OR so weit wie möglich voranzustellen – es sollte bestenfalls als zweiter Teil des ZGB fungieren –, um ihm diejenigen Teile folgen lassen zu können, die immer wieder auf die Bestimmungen des OR zurückgreifen müssen.84 Die Gegenseite – zu nennen ist hierbei insbesondere auch 81

Grenier, ZSR n. F. 19 (1900), 694 (704 f.). Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (675). 83 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (597). 84 Dies befürwortetet z. B. der Schweizerische Juristenverein in Gestalt von Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (649). 82

I. Initiative und Vorbereitungsphase

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Huber  – ging hingegen davon aus, das OR entsprechend der Chronologie der Fertigstellung der ZGB-Bücher als fünften Teil den übrigen Büchern des ZGB anzufügen.85 Mit der Entscheidung, das OR in das ZGB eingliedern zu lassen, befürworteten die Befragten eine legislatorisch aufwendigere, jedoch auch und gerade bürgerfreundlichere Lösung. Bereits das Bundesgericht betonte dies in seinem Gutachten aus dem Jahre 1894: „Das Schweizervolk verlangt aber wohl ein ganzes, d. h. vollständiges und einheitliches, sämtliche Materien des Privatrechtes umfassendes, nach Form und Anordnung so beschaffenes Gesetzbuch, daß es sein bürgerliches Recht verstehen und sich mit demselben vertraut machen kann; nicht eine in verschiedenen Gesetzen – von welchen zudem keines eine Rechtsmaterie vollständig beherrscht – zerstückelte Regelung, deren Durcharbeitung und Verständnis selbst dem Juristen Schwierigkeiten bereiten, und welche statt zur Rechts- und Verkehrssicherheit nur zur Verwirrung führen würde“86. Die Probleme, die eine Aussonderung des OR mit sich gebracht hätte, überwogen den Aufwand, das OR in das ZGB einzugliedern und damit jedenfalls formell, aber auch materiell weitgehender revidieren zu müssen. Gleichwohl zeichnete sich somit bereits frühzeitig eine Grundstimmung ab, die sich auch im weiteren Verlauf bestätigte. Mit der Absicht, das OR in das ZGB einfügen zu lassen, hatten nämlich bereits die Initiatoren determiniert, die beiden Gesetzbücher, die fortan Teil eines einheitlichen Codex sein sollten, auch gleichzeitig in Kraft treten zu lassen. Dieser Umstand sorgte jedoch notwendigerweise dafür, dass die Arbeiten an der Revision des aOR schnell begonnen werden mussten und ebenfalls termingerecht abgeschlossen werden sollten. Retrospektiv gab es Stimmen in Wissenschaft und Lehre, die die Revision des OR unter anderem aufgrund der Eile des Ablaufs als wenig gründlich,87 mitunter gar als „schlampig“88 bezeichneten. Unabhängig von der generellen Positionierung zu dieser Ansicht, soll in diesem Kontext jedenfalls nicht unerwähnt bleiben, dass das auf die Interessen der Öffentlichkeit Rücksicht nehmende und in diesem frühen Stadium bereits forcierte Vorhaben, die Gesetzbücher gleichzeitig in Kraft treten zu lassen, eine tiefgehendere, gründlichere Revision von vornherein erschwerte und die Revision aus diesem Grund nicht unerheblicher Kritik aussetzte. Obgleich die schweizerische Zivilrechtswissenschaft dafür votierte, das OR in seiner damaligen Gestalt als bundesrechtliches Spezialgesetzbuch durch die Einverleibung in das ZGB aufzugeben, sollte sich der Reformgesetzgeber doch kei 85

Huber, Memorial, 1893, S. 8. Schweizerisches Bundesgericht, Zur Frage der Vereinheitlichung des Civilrechts, Das schweizerische Bundesgericht an das Justiz- und Polizeidepartement, 1894, S. 7; hierzu auch Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932–1937, § 8 S. 149 f. 87 von Tuhr, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. 1, 1. Aufl. 1924, § 40 S. 280 mit Bezug auf die Regelung von Art. 60 Abs. 3 OR, die nach seiner Ansicht „einigermaßen geeignet ist, das Vertrauen in die Gründlichkeit der Revision zu erschüttern“. 88 Vgl. Einführender Bericht Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 557 (558). 86

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C. Die Revision des Obligationenrechts

nesfalls vom bisherigen System des OR im Allgemeinen abwenden. Das OR sollte seine übrigen, typisierenden Eigenschaften beibehalten. Insbesondere entschieden sich Huber, die eingeschalteten Professoren und Bundesrichter, das Schweizerische Bundesgericht sowie der Juristenverein bereits in diesem frühen Stadium geschlossen dagegen, dem deutschen BGB entsprechend, einen Allgemeinen Teil einzufügen. Dies hatte auch zur Folge, dass diese Variante im zukünftigen Revisionsverlauf nie wieder ernsthaft in Erwägung gezogen wurde.89 Daneben befürworteten die Initiatoren ausdrücklich die Verschmelzung zwischen Handelsrecht und OR und damit das Aufrechthalten des monistischen Systems („code unique“) – ebenfalls anders als in Deutschland beziehungsweise Europa. Im Detail divergierte allerdings die Einschätzung nach der Reichweite der Aussonderung handelsrechtlicher Materien. Die Initiatoren empfahlen, nach dem Leitsatz zu verfahren, vornehmlich diejenigen handelsrechtlichen Materialien interimistisch auszusondern, bei denen weitere Revisionen in Rede stünden und deren Normierung die Berücksichtigung technischer und fachspezifischer Einzelheiten erfordern würde.90 Während letztere Entscheidung dem traditionellen Rechtsverständnis in der Schweiz entsprach, sich in der Rechtsanwendung bewährt hatte und somit wenig verwunderlich war, ist die Entscheidung, dem ZGB keinen Allgemeinen Teil voranzustellen, indes zumindest in ihrer Eindeutigkeit erwähnenswert. Die Etablierung eines Allgemeinen Teils hätte nämlich, wie zumindest Heinrich Honegger bei den Verhandlungen des Juristenvereins angedeutet hatte,91 auch immerhin einigen Nachteilen des präferierten Ansatzes, namentlich der „Weitschweifigkeit, Schwerfälligkeit, Lückenhaftigkeit“92 und Wiederholungsgefahr, vorgebeugt.93 Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass das in Deutschland kurze Zeit vorher verabschiedete BGB, welches bereits im Vorbereitungsstadium häufig vergleichend herangezogen worden war, eine solche Anordnung vorsah, wäre es zumindest denkbar gewesen, dass sich auch die Schweiz hieran orientiert hätte. Mit Ausnahme Honeggers, der die Möglichkeit eines Allgemeinen Teils in den Verhandlungen des Schweize­ rischen Juristenvereins nicht per se ausschließen wollte,94 fiel das Meinungsbild der Befragten allerdings eindeutig und sich vom deutschen System distanzierend aus. Es entsprach Hubers Verlangen nach einem ZGB, das sich durch Verständ-

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Huber sprach diese Möglichkeit zwar im Rahmen der Kommissionsarbeit erneut kurz an, riet aber von einem derartigen Vorgehen ab. Eine greifbare, reale Option war die Schaffung eines Allgemeinen Teils somit fortan nicht mehr. Siehe hierzu etwa BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 7 f. 90 Vgl. auch Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (8). 91 Diskussionsbeitrag Honegger, ZSR n. F. 19 (1900), 711 (711 f.). 92 Zu den Nachteilen, die der Verzicht auf einen Allgemeinen Teil birgt, siehe auch BArch 22/ 2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 9. 93 BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 9 f. 94 Diskussionsbeitrag Honegger, ZSR n. F. 19 (1900), 711 (711 f.).

I. Initiative und Vorbereitungsphase

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lichkeit und Volkstümlichkeit95 auszeichnete, auf einen Allgemeinen Teil, dessen hoher Abstraktionsgrad gerade jener Anschaulichkeit entgegenstand, zu verzichten, und Institute seinem induktiven Ansatz entsprechend an Ort und Stelle ihres häufigsten Gebrauchs zu regeln.96 Dass die Schweiz zudem bereits ein OR hatte, welches der Reformgesetzgeber zwar revidieren musste und doch „nicht über den Haufen werfen wollte“97, erleichterte die Einschätzung und Entscheidungsfindung der Schweizer Juristen. Die Ablehnung eines Allgemeinen Teils stellte damit eine erste Abkehr vom deutschen BGB von 1900 dar. Bereits in den vom Justizministerium angeforderten Gutachten beziehungsweise bei der Verhandlung des Schweizerischen Juristenvereins merkten die führenden (französischsprachigen) Rechtsgelehrten an, dass der Revision die entscheidende Aufgabe zukam, das aOR terminologisch zu verbessern. Zu augenscheinlich war die unglückliche Verwendung von Wörtern, die verschiedene Bedeutungen an unterschiedlichen Stellen des Gesetzbuches hatten. Auch die Inkongruenz zwischen französischem, deutschem und italienischem Gesetzestext monierten die befragten Juristen mehrfach. Ein Gesetzbuch, welches eine „Integrationsleistung von einmaligem Rang“98 darstellen sollte, musste in seiner Terminologie und Sprache genau und auch über Sprachgrenzen hinausgehend verständlich sein, was dem Bundesgesetz von 1881/1883 hinsichtlich der Übersetzung des französischen und italienischen Textes nicht gelang. Die deutsche Gesetzesfassung hatte ein deut­ liches, nicht hinnehmbares Übergewicht. Der italienische Gesetzestext wurde nicht einmal als Originalfassung gewertet. Eine der Hauptaufgaben bei der Revision des Gesetzestextes bildete demgemäß die Bereinigung der Differenzen zwischen dem deutschen, französischen und italienischen Text. Die Notwendigkeit, das aOR in dieser Hinsicht zu verbessern, zeigte sich somit bereits im Vorbereitungsstadium der Revision anhand der umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten der vom Bundesrat hinzugezogenen Professoren und Bundesrichter – überwiegend derer aus dem französischen Segment. Während sich die deutschsprachigen Protagonisten, insbesondere auch Huber in seinem Memorial, zu dieser Thematik nicht geäußert hatten, betonte die französische Seite – vor allem in persona des Bundesrichters Soldan, der einige Widersprüche zwischen dem deutschen und dem französischen Text aufgezeigt hatte, sowie der Herren Martin und Rossel – mehrfach ausdrücklich die Dringlichkeit einer dahingehenden Verbesserung und Anpassung. Auch und gerade ihnen war es zu verdanken, dass das Ausmaß der Inkongruenz zwischen deutschem und französischem Gesetzestext überhaupt und so frühzeitig erkannt wurde. Aufgrund Soldans detaillierter Darlegung der Unstimmigkeiten konnten die nachfolgend zusammentretenden Kommissionen bei der Gesetzesredaktion ein besonderes Augenmerk hierauf legen, was ihre spätere Arbeit erheblich er 95

Fritzsche, Volkstümliche Rechtspflege, 1949, S. 10 f.; Liver, ZSR n. F. 81 (1962), 1. Hbd., 9 (27). 96 Vgl. Kramer, RabelsZ 72 (2008), 773 (778). 97 Kohler, Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 1912, 1 (6). 98 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (262).

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C. Die Revision des Obligationenrechts

leichterte. Eines der Hauptanliegen, die der schweizerische Gesetzgeber mit der Revision des OR verfolgte, initiierte somit nicht der Gesetzesredaktor Huber selbst. Vielmehr trugen die französischsprachigen Professoren, der Schweizerische Juristenverein und in erster Linie Bundesrichter Soldan die Bedenken hinsichtlich der Terminologie des aOR bereits im Vorbereitungsstadium an Huber sowie den Bundesrat heran.

II. Die erste Etappe 1904/1905  1. Einsetzung der Langenthaler Kommission durch das EJPD 1901, die 1904 zusammentrat Nachdem der Bundesrat die zahlreichen Stellungnahmen und einleitenden Gutachten über die verschiedenen Möglichkeiten der Anpassung des OR erhalten hatte, galt es im Folgenden einen ersten offiziellen Gesetzesentwurf zu verfassen. Daher setzte das EJPD im Jahre 1901 eine kleine Spezialkommission ein, der die Behörde die Aufgabe der Revision des OR sowie der Beratung der Einführungsbestimmungen des ZGB anvertraute.99 a) Wahl der Kommissionsmitglieder Die Kommission bestand zunächst aus zehn Mitgliedern, darunter Professor Alfred Martin aus Genf, Professor Friedrich Meili aus Zürich, Professor Hugo Oser aus Freiburg, Professor Alexander Reichel, der zugleich Abteilungschef für Gesetzgebung und Rechtspflege im EJPD war, aus Bern, Professor Virgile Rossel aus Bern, Bundesrichter Emil Rott aus Lausanne, Professor Albert Schneider aus Zürich, Bundesrichter Hans Weber aus Lausanne, Professor Ernest Roguin aus Lausanne und Nationalrat Oberst Fritz Ernst Bühlmann aus Grosshöchstetten.100 Teil der Kommission sollten folglich auch fünf der sechs befragten OR-Experten sein, die sich bereits intensiv mit der Revisionsaufgabe befasst hatten. Einzig Bundesrichter Soldan, der sich aufgrund seiner umfangreichen Vorarbeiten – gerade was den französischen Gesetzestext betrifft – auch als Kommissionsmitglied verdient gemacht hatte, konnte nicht mehr berufen werden, da er bereits am 16. November 1900 verstorben war.101 Die Kommission sollte am Montag, den 19. September 1904 um drei Uhr mittags im Sitzungslokal des Langenthaler Gemeindehauses zusammentreten.102 99

Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1984. BArch 22/2106, Korrespondenz mit den Kommissionsmitgliedern 1904, Schreiben des EJPD vom 8. Juli 1904. 101 Staremberg, in: Stiftung HLS (Hrsg.), Historisches Lexikon der Schweiz, abrufbar unter https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004863/2011-07-01 (zuletzt abgerufen am 25.11.2021). 102 Siehe hierzu etwa BArch 22/2106, Korrespondenz mit den Kommissionsmitgliedern 1904, Schreiben des EJPD vom 10. September 1904. 100

II. Die erste Etappe 1904/1905  

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b) Änderung der Kommissionszusammensetzung Noch bevor die Kommission das erste Mal zusammentrat, änderte sich jedoch die Zusammensetzung, nachdem Professor Schneider verstorben war und die Bundesrichter Weber und Rott sowie die Professoren Roguin und Meili wegen dringender Abhaltungen ablehnen mussten.103 Ersetzt wurden jene Herren durch Professor Louis Grenier sowie die Ständeräte Arthur Hoffmann und Emil Isler.104 Das Justizministerium begrenzte die Langenthaler Kommission damit auf acht Mitglieder. Am 19. September 1904 traten um vier Uhr nachmittags diese acht Mitglieder der Kommission, namentlich Nationalrat Bühlmann, die Professoren Grenier, Martin, Oser, Reichel und Rossel, die Ständeräte Hoffmann und Isler sowie der Vorsteher des EJPD, Ernst Brenner und der Gesetzesredaktor Huber in Langenthal zusammen.105 Huber trat dabei als Referent auf und hatte bereits einen Motivenbericht über die Anpassung des OR sowie Gesetzesentwürfe zum Schlusstitel des ZGB und je einen Entwurf zum revidierten OR in deutscher und französischer Sprache ausgearbeitet.106 Vorsitzender der Kommission war Brenner, der die Kommissionssitzungen leitete.107 c) Stellungnahme zur Kommissionszusammensetzung Bereits mit der Einsetzung und personellen Zusammensetzung der Langenthaler Kommission machte das EJPD deutlich, die Revision nicht „auf Breiter Basis“108 durchführen zu wollen. Anders als bei der Entstehung des aOR und des ZGB sollte das revidierte OR nur von einem kleinen Gremium durchberaten werden. Personell griff die Behörde auf namhafte Professoren sowie weitere juristische Experten mit profundem obligationsrechtlichem Fachwissen zurück. Sonstige Vertreter von gesellschaftlicher Seite, etwa aus Berufs- und Interessensverbänden, blieben von den Kommissionsverhandlungen zunächst ausgeschlossen. Dass sich das EJPD für eine derart kleine Kommission entschieden hatte, mag auf den ersten Blick verwundern. Gerade die Vergangenheit hatte gezeigt, dass die Öffentlichkeit das Verfahren bei der Entstehung des aOR und der übrigen Teile des ZGB weitgehend akzeptierte. Der Grund für dieses Vorgehen ist in der sich im Vorfeld abzeichnenden Zielsetzung der Revision zu sehen. Eine materielle Umwälzung des OR sollte – wie dar 103

Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (3). Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (3). 105 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1. Sitzung, S. 1. 106 BArch 22/2106, Korrespondenz mit den Kommissionsmitgliedern 1904, Schreiben des EJPD an Grenier vom 21. Juli 1904, S. 1. 107 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 8 S. 148 f. 108 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 207. 104

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C. Die Revision des Obligationenrechts

gestellt – vermieden werden. Da es sich beim aOR um bereits geltendes Bundesrecht handelte, bevorzugten die Gesetzgebungsprotagonisten einen konservativen Umgang mit demselben zugunsten der Rechtsbeständigkeit. Die Revision sollte daher auf eine weitgehend formelle Anpassung und Eingliederung des OR in das ZGB beschränkt werden – politisch wie gesellschaftlich eine im Folgenden kon­ trovers betrachtete Entscheidung. Richtet man den Blick auf die einzelnen Mitglieder, kann konstatiert werden, dass das EJPD bei der Kommissionszusammensetzung Wert darauf legte, Huber einige persönlich vertraute Kollegen und Wegbegleiter zur Seite zu stellen. So begleitete etwa Bundesrat Brenner, der Vorsteher des EJPD, Huber bereits seit einigen Jahren und arbeitete schon bei der Entstehung des ZGB Hand in Hand mit dem Gesetzesredaktor.109 Generell gehörten allein sechs der acht Kommissionmitglieder, die Herren Rossel, Martin, Reichel, Isler, Bühlmann und Hoffmann bereits der großen ZGB-Kommission an.110 Was die konkrete Rechtsmaterie der Obligationen angeht, hatten sich die Mitglieder zudem bereits über die Jahre als Experten hervorgetan. Dies zeigt sich nicht allein daran, dass einige der Mitglieder im Auftrag des EJPD bereits einleitende Gutachten über die Revisionsmöglichkeiten erstellt hatten. Auch hatten sich die Mitglieder dieses illustren Kreises teilweise über die Jahre in der schweizerischen Rechtswissenschaft als Kommentatoren oder im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit an den eidgenössischen Rechtsfakultäten wissenschaftlich mit obligationsrechtlichen Materien befasst und eigneten sich daher als vertrauenswürdige Quelle und „Sachverständige“111. Was das berufliche Tätigkeitsfeld der Kommissionmitglieder innerhalb der Jurisprudenz angeht, so waren allein fünf der Kommissionsmitglieder Professoren. Damit war auch die juristische Lehre gegenüber der Rechtspraxis (fünf zu drei) stärker vertreten. Betrachtet man zudem die Herkunft und Amtssprache der Kommissionsmitglieder, lässt sich ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Deutschschweizern und französischsprachigen Rechtsgelehrten wahrnehmen. Zwar war der Gesetzesredaktor Huber Deutschschweizer. Die Kommission insgesamt verfügte aber mit Rossel, Martin und Grenier über immerhin drei französischsprachige Juristen. Diese drei Kommissionsmitglieder konnten sich nunmehr kommissionsintern für eine genauere Redaktion des französischen Gesetzestextes einsetzen. Das deutsche Element war weniger vorherrschend, als es noch bei der Entstehung des aOR rund um Munzinger und Fick der Fall war.

109

Vgl. Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 182 ff. Näher zu Brenner siehe zudem F. II. 110 Bbl. 56. Jg. IV., 15. Juni 1904, Botschaft des Bundesrates vom 28. Mai 1904, S. 1 (2 f.). 111 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1048).

II. Die erste Etappe 1904/1905  

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2. Arbeitsweise der Langenthaler Kommission und Beratungsverlauf Die Spezialkommission trat erstmalig am 19. September 1904 um vier Uhr nachmittags in Langenthal zusammen und beriet in der Zeit bis zum 7. Oktober 1904 über die Anpassung des OR in insgesamt 22 Sitzungen unter dem Vorsitz von Bundesrat Brenner.112 Die Kommission sollte die exakte Vorgehensweise bei der Revision auf Grundlage von zwei Entwürfen Hubers – jeweils einen in französischer und deutscher Sprache –, die dieser Ende des Jahres 1903 dem Justizministerium vorgelegt hatte, evaluieren.113 Der deutsche Entwurf behandelte das OR, wie es bereits im Vorfeld befürwortet worden war, als Teil des gesamtschweizerischen ZGB, während in den franz­ösischen Text nur diejenigen Bestimmungen aufgenommen wurden, die auch bei einem Bestehenlassen des OR als Spezialgesetzbuch erforderlich oder empfehlenswert gewesen wären.114 Da der im Jahre 1903 von Huber ausgearbeitete Gesetzesentwurf vorsah, das OR als fünften Teil dem ZGB anzuschließen, waren seine Bestimmungen im Anschluss an dieses fortlaufend nummeriert und die ehemaligen Artikel des aOR als Klammerzusatz angefügt worden.115 a) Hubers Motivenbericht Daneben arbeitete Huber für die Mitglieder der Expertenkommission im August 1904 einen 80-seitigen, verschiedene Revisionswege vorsehenden Bericht aus, den das EJPD als Manuskript druckte und den Mitgliedern während der Beratung der zu revidierenden Teile des OR vorlegte.116 In diesem Motivenreport nahm Huber auch nochmals auf die bereits im Vorfeld beim Bundesrat eingegangenen Gutachten des Bundesgerichts und der befragten Experten, die Beratungen des Schweize­ rischen Juristenvereins sowie auf einige kantonale Vernehmlassungen Rekurs und legitimierte die Unumgänglichkeit der Revision des OR sowie die augenschein­ lichen Vorteile der Einverleibung desselbigen in das gesamtschweizerische ZGB. 117 112 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch. 113 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 8 S. 149; BArch 22/2106, Korrespondenz mit den Kommissionsmitgliedern, Schreiben des EJPD an Kommissionsmitglied Grenier vom 21. Juli 1904, S. 1. 114 BArch 22/2106, Korrespondenz mit den Kommissionsmitgliedern 1904, Schreiben des EJPD an Kommissionsmitglied Grenier vom 21. Juli 1904, S. 2. 115 BArch 22/2107, Entwurf Hubers von 1903; Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992, S. 56. 116 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904. 117 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 3 ff.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

Gerade die mit der Einfügung des OR in das ZGB verbundene Vermeidung eines Provisoriums, das bei Aussonderung des OR als Spezialgesetzgebung entstanden wäre und in fernerer Zukunft weitere Revisionen zur Folge gehabt hätte, führte Huber als Positivbeispiel an.118 Betreffend eine materielle Revision des OR verwies Huber auf die bereits zuvor thematisierte Möglichkeit, das Gesetzbuch an das Recht der Schuldverhältnisse aus dem deutschen BGB von 1900 anzugleichen.119 Das aOR von 1881/1883 war seinerseits nämlich stark an das deutsche Recht, namentlich den Dresdner Entwurf eines allgemeinen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, angelehnt.120 Nachdem das Gesetzbuch jedoch infolge der Kodifikationsarbeiten am BGB für das Deutsche Reich verbessert und an die modernen Gegebenheiten angepasst worden war, hätte der Revisionsgesetzgeber durchaus in Erwägung ziehen können, sich nun bei der Erneuerung des OR wiederum an der zu dieser Zeit aktuellen Version des deutschen Rechts zu orientieren, um dem revidierten schweizerischen OR eine materiell-rechtliche Ausformung zu verleihen, die dem damaligen Entwicklungsstand der Rechtswissenschaft entsprochen hätte.121 Huber verwies daher darauf, dass die Kommission bei der Revision des OR nach der Prämisse verfahren könne, sich am materiellen Gehalt des geltenden deutschen Rechts zu orientieren und sich das Innovative anzueignen, bei Regelungen des BGB, die sich in Wissenschaft und Rechtspraxis nicht bewährt haben, hingegen anders zu verfahren.122 Notwendige Folge eines solchen Vorgehens wäre jedoch die vollumfängliche Umgestaltung des bestehenden aOR gewesen, für die damals „weder der Stand [des] Gesetzes und die in der Praxis damit gemachte Erfahrung, noch auch alle die wohl anzuerkennenden Vorzüge des jungen deutschen Reichsrechtes, genügende Veranlassung“123 gegeben hätte. Von einer solchen revolutionären materiellen Neuordnung hatten bereits alle befragten Experten dringend abgeraten.124 Huber verwies auch darauf, dass die Rechtspraxis und Doktrin des deutschen Schuldrechts noch wenig ausgereift war und der Gesetzgeber daher nicht sicher gehen konnte, bei einer Nachbildung auch tatsächlich eine Fortentwicklung und nicht bloß eine Replikation des deutschen Rechts unter Verlust jeglicher Individualität des eigenen OR zu erreichen.125 Eine 118 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 13. 119 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 7. 120 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 7. 121 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 7 f. 122 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 7 f. 123 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 8. 124 Siehe hierzu bereits C. I. 125 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 8.

II. Die erste Etappe 1904/1905  

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weitgehende materielle Revision sah Huber in seinen Gesetzesentwürfen somit nicht vor. Er beschränkte sich folglich auf wenige, seines Erachtens dringlich revisionsbedürftige Materialien, insbesondere das bisher wenig geregelte Dienstvertragsrecht.126 Zudem schloss er sich den Ansichten der befragten Experten an und befürwortete eine Beibehaltung handelsrechtlicher Materialien als Teil des OR mit Ausnahme des Rechts der Aktiengesellschaften und Genossenschaften sowie des Wechselrechts.127 Auf Basis dieser befürworteten Wahlmöglichkeit, die die Einverleibung des OR in ein einheitliches ZGB vorsah, bewertete Huber die Revision schließlich als „eine formelle Anpassung des Obligationenrechtes an das Zivilgesetzbuch, dem es als besonderer Teil einverleibt wird, unter Vornahme derjenigen materiellen Änderungen, die entweder geradezu notwendig sind, als Folge der einheitlichen Systematisierung des gesamten Zivilrechtes, oder die doch ohne Bedenken als wünschenswert bezeichnet werden können, und unter Ausscheidung des Aktiengesellschafts- und Genossenschaftsrechtes, sowie des Wechselrechts, und deren Verweisung in die Spezialgesetzgebung“128. Den Mitgliedern der Langenthaler Kommission, die die Beratung des OR nun auf Grundlage dieser Variante, nach welcher der deutsche Text ausgearbeitet worden war, durchführen sollten, stellte das EJPD zudem das im Vorfeld zusammengetragene Material, etwa die Gutachten der OR-Experten sowie die Referate des Schweizerischen Juristenvereins, zur Verfügung.129 b) Beratung und Sitzungsablauf der Langenthaler Kommission Auf Vorschlag des Vorsitzenden Brenner begann die Kommission am ersten Sitzungstag, dem 19. September 1904, zunächst mit der Beratung der Einführungsbestimmungen zum neuen ZGB. Diese behandelte die Kommission in den ersten fünf Sitzungen.130 Erst ab der sechsten, am 22. September 1904 abgehaltenen Sitzung nahm die Spezialkommission die eigentlichen Revisionsarbeiten am OR auf.131

126

BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 8. 127 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 9 f. 128 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 11 f. 129 BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 12. 130 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Sitzungen 1 bis 5.  131 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 6. Sitzung, S. 25 ff.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

aa) Grundsätzliche Fragen Bevor die Kommission das OR artikelweise und chronologisch beraten wollte, ließen die Kommissionsvorsteher Huber und Brenner eingangs einige grundsätzliche Aspekte besprechen und auf diese Weise die Marschroute der nachfolgenden Kommissionsarbeit abstecken.132 Die Expertengruppe entschied sich nach längerer Beratung einstimmig dazu, das OR, dem Vorschlag Hubers und der übrigen Befragten folgend, in das neue ZGB einzuverleiben.133 Fragen nach der Reichweite der Revision sowie die Möglichkeit einer Aussonderung der Titel XXVI, XXVII und XXIX sollten aus der Detailberatung hervorgehen und somit erst später entschieden werden.134 bb) Detailberatung der einzelnen Artikel Verfolgt man diese artikelweise Detailberatung nun auf Basis des summa­rischen Verhandlungsprotokolls, das nur die Anträge und Beschlüsse der Kommission wiedergab,135 Schritt für Schritt nach, so fällt auf, dass die Spezialkommission nur zu wenigen Artikeln überhaupt Änderungsvorschläge artikulierte. Im Wesentlichen ging die Kommission konform mit der eingereichten Revisionsvorlage Hubers, auf deren Grundlage sie die einzelnen Titel behandelte. Allein 465136 Artikel und damit fast zwei Drittel (63 %) der insgesamt 738 Artikel umfassenden Vorlage übernahm die Kommission ohne gestellte Änderungsanträge entsprechend dem Revisionsentwurf. In einigen weiteren Fällen schlugen einzelne Mitglieder Modifikationen am eingereichten Entwurf zwar vor, die Anfragen wurden aber abgelehnt oder zurückgezogen, sodass die Expertengruppe im Ergebnis trotzdem am status quo festhielt.137 Insgesamt editierte die Kommission nur etwa ein Drittel

132 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 6. Sitzung, S. 25 f. 133 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 6. Sitzung, S. 25 f. 134 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 6. Sitzung, S. 26. 135 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1. Sitzung, S. 1. 136 Die dargelegten Werte beruhen stets auf einer eigenhändigen Zählung des Verfassers. Geringfügige Abweichungen sind daher nicht auszuschließen. 137 Siehe z. B. den Antrag Osers zu Art. 1035 des Entwurfes, der abgelehnt wurde sowie den Antrag Reichels zu Art. 1029, der zurückgezogen wurde. BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 6. Sitzung, S. 27 ff.

II. Die erste Etappe 1904/1905  

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der eingereichten Artikel. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um rein redaktionelle Anpassungen der entsprechenden Vorschriften. Oftmals beabsichtigte der Expertenstab kleinere sprachliche Retuschen zwecks Verdeutlichung, Vereinfachung oder Angleichung des OR an die Diktion des ZGB.138 Somit blieb der Tenor des Entwurfes von 1903 im Wesentlichen erhalten. Anträge zum materiellen Recht und hieraus resultierende Modifikationen des eingereichten Konzepts waren die Seltenheit. Insbesondere bei Materien aus dem Allgemeinen Teil des OR – mit Ausnahme des Irrtums, des Wuchers und des Rechts der unerlaubten Handlungen – zeigte sich dieses Bild besonders deutlich.139 Die Behandlung des Dienstvertragsrechts entsprach hingegen nicht dem gängigen Duktus. Nicht nur widmete die Spezialkommission dieser Rechtmaterie mehrere Sitzungen – sie wurde in der vierzehnten Sitzung bereits auf die Tagesordnung gesetzt und bis zur siebzehnten Sitzung erörtert.140 Die Behandlung der einzelnen Artikel verlief auch ungleich ausführlicher und offenbarte mehr Diskussionsbedarf und -bereitschaft. Bei der Bearbeitung des Dienstvertragstitels lassen sich zahlreiche Modifikationen am Entwurf Hubers ausfindig machen, von denen jedoch die Großzahl redaktioneller Natur war. Die Rechtsexperten übernahmen nur elf der eingereichten Artikel Hubers, der seinerseits bereits eine umfassende Umgestaltung des Dienstvertragsrechts des geltenden aOR vorgesehen hatte, entsprechend der Vorlage unverändert in das neue OR.141 Bei den übrigen Normen brachten die Kommissionsmitglieder Vorschläge ein, die nicht nur die redaktionelle Fassung, sondern auch ihren materiellen Gehalt betrafen, wenngleich die Korrekturen letzten Endes oftmals eher marginal und kosmetisch waren.142

138

So ersetze die Kommission etwa bei Art. 1042 und 1043 den Begriff „Betrug“ durch „Täuschung“. Bei Art. 1056 wurde „nachweisbare“ durch „nachgewiesene“ ausgetauscht. BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 7. Sitzung, S. 31 f. 139 Siehe zu der Behandlung des Irrtumsrechts sowie des Wuchertatbestandes und den hierzu gestellten Anträgen und Änderungen durch die Kommission BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 7. Sitzung, S. 30 f. Zum Recht der unerlaubten Handlungen siehe BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 7. Sitzung, S. 32 ff. 140 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 14. Sitzung, S. 71 bis 17. Sitzung S. 84. 141 Es handelte sich um die Artikel 1338, 1341, 1342a, 1344, 1347a, 1350, 1351, 1354, 1355, 1358 und 1363 des damaligen Entwurfs Hubers aus dem Jahr 1903. BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 14. Sitzung, S. 71 ff., 16. Sitzung, S. 77 ff., 17. Sitzung, S. 82 ff. 142 Näher zu der Revision des Dienstvertragsrechts in der ersten Phase der Revision siehe D. I.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

3. Übernahme der Vorschläge der Kommission und Vorlage eines Gesetzesentwurfes durch den Bundesrat mit Botschaft an die Bundesversammlung vom 3. März 1905 Bereits mit Botschaft zum Entwurfe eines schweizerischen ZGB vom 28. Mai 1904 hatte der schweizerische Bundesrat darauf hingewiesen, dass er der Bundesversammlung einen Entwurf betreffend die Aufnahme des schweizerischen OR vorzulegen plane.143 Den im Jahre 1903 von Huber ausgearbeiteten und durch die Langenthaler Kommission vollständig bearbeiteten Gesetzesentwurf legte der schweizerische Bundesrat kurz darauf schließlich mit Botschaft vom 3. März 1905 der Bundesversammlung vor.144 a) Allgemeines und Systematik Das gesamte revidierte OR, insbesondere auch Teile des handelsrechtlichen Bereichs, sollte in das neue ZGB eingegliedert werden. Die Spezialkommission entschied sich somit auch für die grundsätzliche Beibehaltung des „code unique“. „Es hat[te] sich erwiesen, daß der allgemeine bürgerliche Verkehr mit den handelsrechtlich ausgestalteten Instituten ganz wohl auszukommen vermag, und die größere Einfachheit, die Vermeidung der so sehr kontroversen Abgrenzung des Handelsrechtes vom allgemein bürgerlichen Obligationenrecht […] heute noch dem in das geltende Recht aufgenommenen Prinzip so gut das Wort [sprach] wie vor 30 Jahren.“145 Von der Revision ausgeschlossen, aus dem OR ausgeschieden und der Spezialgesetzgebung zugewiesen werden sollten lediglich das Recht der Aktiengesellschaften und der Genossenschaften, also Rechtsmaterien, die sich noch in einer fluiden Umbildungsphase befanden, sowie das Wechselrecht.146 Bei letzterem Institut konnte ohnehin nicht von einem besonderen schweizerischen Recht gesprochen werden, da es aufgrund seiner Eigenheiten vielmehr einen Fremdkörper im schweizerischen OR darstellte.147 Die Beibehaltung des Rechts der Wertpapiere als Teil des OR deklarierte der Langenthaler Zusammenschluss indes ausdrücklich wegen seiner engen Verbindung zum Sachenrecht – entgegen etwa der Befürwortung der Referenten des Schweizerischen Juristenvereins148 – als unerlässlich.149 Systematisch sollte das OR als fünfter Teil dem Personen-, Familien-, Erb- und Sachenrecht angefügt werden.150

143

Bbl. 56. Jg. IV., 15. Juni 1904, Botschaft des Bundesrates vom 28. Mai 1904, S. 1 (5). Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1. 145 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (7). 146 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (8 f.). 147 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (8 f.). 148 Siehe hierzu das Referat des Schweizerischen Juristenvereins von 1900 unter C. I. 4. 149 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (9). 150 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (10 f.). 144

II. Die erste Etappe 1904/1905  

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b) (Materielle) Eingriffe in das geltende Obligationenrecht Mit materiellen Änderungen ging die Kommission in dieser ersten Revisionsphase sparsam um und griff nur geringfügig in das geltende aOR ein. Schon der Entwurf Hubers sah – wie es zu dieser Zeit allgemeiner Konsens zu sein schien151 – nur absolut notwendige Änderungen am Gesetzestext von 1881/1883 vor. Diesen Entwurf arbeitete die Langenthaler Kommission chronologisch ab und bestätigte ihn letztlich überwiegend. Unvermeidlich war nur eine „formelle Anpassung an die Redaktion des Zivilgesetzbuches in sprachlicher Hinsicht“152 sowie das Anfügen von Randtiteln, was wiederum an einigen Stellen des Gesetzbuches die Änderung der Ordnung der Artikel notwendig machte. Materiell erfuhren nur wenige Normen substanzielle Veränderungen und Korrekturen. Die Kommission verzichtete somit auch, den Ausführungen aus Hubers Motivenbericht entsprechend, auf eine überwiegende Angleichung an das deutsche BGB. Vielmehr fanden sich die schweizerischen Rechtsgelehrten mit den Unvollkommenheiten des OR gestützt darauf ab, dass es mit seiner allgemein schlichten und verständlichen Ausdrucksweise der Rechtspraxis zumindest genügend Anhaltspunkte gab, durch richterliche Entscheidungen weiterzuhelfen, wenn und soweit der Gesetzeswortlaut allein nicht genügte und der Rechtsanwender eine nähere Ausformung benötigte.153 Den größten Einschnitt erlebte indes das Dienstvertragsrecht. Das Expertengremium erweiterte die Bestimmungen über den Dienstvertrag auf 36 Artikel (Art. 1369 bis 1404154).155 Ziel dessen war es, den sozialpolitischen Entwicklungslinien des 19. Jahrhunderts – unter anderem angeregt durch Lotmar156 – Rechnung zu tragen und Gesetzeslücken zu schließen.157 Nicht zuletzt war die Kommission auch durch die umfassenderen Regelungen des deutschen BGB (§§ 611 bis 630) sowie des deutschen HGB (§§ 59 bis 83) hierzu motiviert worden und strebte eine Verbesserung des eigenen Dienstvertragsrechts auch und gerade im Kontext der übrigen europäischen Dienstvertragsrechtsregime an.158 Ebenso trug der Gesetzgeber insbesondere auch wirtschaftlichen Bedürfnissen im Grundpfandverkehr durch Regelungen zur Schuldübernahme159 Rechnung und forcierte auf diese Weise die 151 Hierzu sei erneut auf die Stellungnahmen der befragten Juristen, das Gutachten des Bundesgerichts, Hubers Ausführungen in seinem Memorial und in seinem Motivenbericht sowie die Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins hingewiesen. Siehe hierzu C. I. 1. bis 4., C. II. 3. 152 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (4). 153 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (6). 154 Die Artikel ohne Gesetzesangabe sind solche des vorläufigen ZGB. Diese Artikel wurden ob der finalen Entscheidung, dem OR eine eigenständige Nummerierung zuzuweisen, in dieser Form nie Bestandteil eines offiziellen Gesetzbuches. 155 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (172 ff.). 156 Hierzu näher siehe D. I. 2. 157 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1984 f. 158 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (32). 159 Zur Forderung nach der Normierung des Instituts der Schuldübernahme unter Verweis auf die Notwendigkeit des Rechtsinstituts für den Grundpfandverkehr siehe Schurter, ZSR n. F. 20 (1901), 303 (304 f.).

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C. Die Revision des Obligationenrechts

Vervollständigung des ZGB.160 Hierbei schloss sich die Kommission – wie sich auch anhand einiger anderer bundesrechtlich noch ungeregelter Rechtmaterien deutlich zeigt – der „vorherrschende[n] gemeinrechtliche[n] Lehre und [der] Ordnung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches an“161. Das schweizerische OR fand somit schon in der ersten Phase der Revision, im Besonderen für noch ungeregelte Rechtsinstitute, sein Vorbild im deutschen Recht, obgleich die Spezialkommission um Huber insgesamt auf die umfassende Angleichung des OR an das deutsche BGB verzichtete. Auch erkannte die Expertengruppe die Notwendigkeit, schlussendlich Regelungen über den Liegenschaftskauf oder die Schenkung zu statuieren, um dem eidgenössischen Privatrecht zu seiner wünschenswerten Vervollständigung zu verhelfen.162 Alleinstellungsmerkmal der Schenkung war dabei, dass es sich um die einzige neue Rechtsmaterie handelte, die systematisch nicht im Rahmen bereits behandelter Vertragsarten oder zumindest im Anschluss an diese behandelt werden konnte.163 Letztlich widmete die Spezialkommission der Schenkung fünfzehn Artikel und gliederte das neue Rechtsinstitut in der Revisionsvorlage – auch durch das deutsche Recht präjudiziert – zwischen Miete und Kauf ein.164 Die Gesetzesbegründer hatten sich beim Schenkungsrecht also bereits systematisch, aber auch – wie im Folgenden näher dargestellt wird – materiell-rechtlich wesentlich am BGB für das Deutsche Reich orientiert und die Kodifikation zum Vorbild genommen.165 Ebenfalls Gegenstand intensiverer Debatten war das Recht der unerlaubten Handlungen. Zentrale Neuerungen des ersten Revisionsentwurfes stellten dabei etwa Art. 1058 Abs. 2, der entsprechend seiner Vorbildvorschrift des § 826 BGB einen Schadensersatz für die Verletzung der guten Sitten vorsah, sowie Art. 1062, der speziell den unlauteren Wettbewerb betraf, dar.166 Im Wesentlichen unverändert blieb das Verjährungsrecht. Die Kommission verzichtete darauf eine dem französischem Vorbild nachempfundene allgemeine Klageverjährung nach 30 Jahren zu normieren und entschied sich dazu, Verjährungsvorschriften systematisch stets am Ende der den entsprechenden Ansprüchen zugehörigen Abschnitte anzuführen.167 Eine dieser neuen Verjährungsvorschriften fand sich in Art. 1082 und statuierte eine einjährige Frist für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, die einige Jahrzehnte später scharfer Kritik ausgesetzt war.168 Auch was den zweiten Teil des OR, die einzelnen Vertragsverhältnisse, betrifft, blieb die Spezialkommission dem konservativen Ansatz im Grundsatz treu und nahm nur wenige materielle Änderungen in das OR auf. Als notwendig er-

160

Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (20). Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (20 f.). 162 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (5). 163 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (52). 164 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (52). 165 Siehe zur Schenkung ausführlicher D. II. 166 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (15). 167 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (19). 168 Näher hierzu siehe D.III. 161

II. Die erste Etappe 1904/1905  

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wies sich jedoch, einigen noch nicht behandelten Instituten eine gesetzliche Ausformung zu verschaffen.169 Hervorzuheben sind dabei etwa der Grundstückskauf, die Viehpacht sowie das bereits angesprochene Schenkungsrecht. Die Aufnahme weiterer besonderer Vorschriften und Rechtsinstitute als die bereits erwähnten in das revidierte OR lehnten die Revisionsprotagonisten indes ab. Das Langenthaler Komitee sah zu diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit für Regelungen beispielsweise über Viehgewährleistung, über Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder über den Vergleich.170 c) Redaktionelles, Herstellung und Anpassung des französischen (und italienischen) Gesetzestextes Betreffend die Redaktion des ersten Gesetzesentwurfs beabsichtigte die Kommission in erster Linie eine Anpassung der Terminologie der Gesetzesfassung an die Sprache des ZGB.171 Daneben wurde auch ein erster offizieller und vollständiger Gesetzesentwurf in französischer Sprache abgefasst.172 Nachdem die Kommission also entschieden hatte, das OR in das ZGB eingliedern zu lassen, intensivierte sie auch die Revisionsarbeiten am franzö­sischen Gesetzestext.173 Zuvor hatten die Gesetzesbegründer sich hinsichtlich der Anpassung der französischen Fassung an den deutschen Gesetzestext noch zurückgehalten und abwarten wollen, ob das OR tatsächlich in das neue ZGB eingegliedert wird. Daher waren bis hierhin nur die absolut essenziellen neuen Bestimmungen ins Französische übersetzt sowie evident notwendige Anpassungen vorgenommen worden.174 Somit verfolgte der Revisionsgesetzgeber fortan auch das ins Auge gefasste Ziel der Herstellung größtmöglicher Kongruenz zwischen den verschiedenen Obligationenrechtsübersetzungen nicht mehr nur partiell. Das Ergebnis der Arbeiten in Langenthal war nunmehr ein erster vollständiger französischsprachiger Entwurf des OR, den der Bundesrat mit Botschaft vom 3. März 1905, die auch in französischer Sprache abgefasst war, der Bundesversammlung vorlegte.175 Bei der Erstellung dieses ersten offiziellen Gesetzesentwurfes erwies sich ebenso wie bei der Ausgestaltung des deutschen Textes eine mit den neuen Anpassungen der deutschen Version nicht zusammenhängende Durchsicht der französischen Fassung zwecks Anpassung an die Terminologie des ZGB als notwendig.176 Zusätzlich nahmen die Redaktoren bereits

169

Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1(22 f.). Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (54 f.). 171 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (11 f.). 172 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (11 f.). 173 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (1, 11 f.). 174 BArch 22/2107, Französischsprachiger Entwurf des Obligationenrechts, S. 1. 175 BArch 22/2107, Message du Conseil fédéral du 3. mars 1905, S. 1. 176 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (11 f.). 170

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C. Die Revision des Obligationenrechts

erste Anpassungen der Gesetzestexte mit dem Ziel der Angleichung der Sprachfassungen vor.177 4. Aufnahme des Gesetzesentwurfes in der Öffentlichkeit Mit dem Entwurf vom 3. März 1905 hatte die Langenthaler Kommission eine erste Gesetzesfassung ausgearbeitet und die erste Phase der Revision abgeschlossen. Die angesprochenen Veränderungen und Verbesserungen, insbesondere auf dem Gebiet des Dienstvertrages, aber auch die Aussonderungen auf dem Gebiet des Handelsrechts, waren von großer Bedeutung für die schweizerische Gesellschaft. Demnach war es eine logische Folge, dass dieser erste Revisionsentwurf in der Jurisprudenz, aber auch in der fachfremden Öffentlichkeit großes Interesse fand. Er blieb jedoch nicht frei von Kritik. Unter anderem wurde bereits die personelle Kommissionszusammensetzung beanstandet. Ein kleines Gremium – ausschließlich Juristen, die überwiegend der Rechtslehre angehörten, ohne gesellschaftliche Interessensvertretung  –  widersprach der Vorstellung eines demokratischen und volksnahen Gesetzes.178 Die Sozialdemokratische Partei bemängelte das Verfahren der Spezialkommission, forderte mehr Transparenz und keine Revision „hinter verschlossenen Türen“179. Die Arbeitnehmerseite kritisierte weiterhin, dass Sozialdemokrat Otto Lang, führender Arbeitervertreter, nicht in die Kommission entsandt worden war und die Interessen der Arbeiterschaft damit nicht effektiv genug in die Kommissionsverhandlungen eingebracht werden konnten.180 Insgesamt äußerten sich verschiedenste Interessensvertreter zum Entwurf von 1905 und versuchten weitere Anregungen zu geben, um hierdurch ihre Forderungen so effektiv wie möglich durchsetzen zu können. Das Sekretariat der Expertenkommission hatte dabei im Auftrag des EJPD – wie auch bereits bei den ersten vier Teilen des schweizerischen ZGB geschehen – eingegangene Anträge von Behörden und Privaten zum Gesetzesentwurf von 1905 zusammengetragen.181 So schrieb zum Beispiel Kommissionsmitglied Oser über die Regelungen zum schweizerischen Dienstver-

177

Als Beispiel sei auf die Anpassung des deutschen Gesetzestextes in Übereinstimmung mit dem bereits geltenden französischen Gesetzestext bei Art. 1213 verwiesen. Danach war der Verkäufer fortan verpflichtet, dem Käufer „Eigentum“ zu verschaffen anstatt ihm den Kaufgegenstand „zu vollem Recht und Genuß zu übertragen“. Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (23). Näher zur Redaktion der verschiedenen Gesetzesfassungen siehe zudem C. V. 178 Von den insgesamt acht Kommissionsmitgliedern waren allein fünf Mitglieder, die Herren Martin, Oser, Reichel, Rossel und Huber Professoren. Zur Kritik hieran siehe Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 212. 179 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 174; Jahresbericht des Grütlivereins von 1905, S. 57 ff. 180 Der Grütlianer vom 8.11.1904, Titelblatt. 181 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, S. 1 ff.

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tragsrecht.182 Auch Lotmar183 bezog Stellung zu den Neuerungen im Arbeitsrecht, bezeichnete den Entwurf von 1905 polemisch als „ein[en] rechte[n] Schmarren“184 und formulierte daher zusammen mit seiner Partei eigene konkrete Änderungsvorschläge.185 Die Handelskammer in Zürich, der Kaufmännische Verein und der Bauernverband äußerten sich ebenfalls kritisch zum Gesetzesentwurf aus dem Jahr 1905 und postulierten weitere Änderungen.186 Daneben war das EJPD aus einigen Berufskreisen bereits explizit mit der Bitte ersucht worden, eine größere Expertenkommission entsprechend dem Verfahren bei der Erstellung des ZGB-Entwurfes zusammenzustellen.187 Insgesamt artikulierten über 40 Vereine, Behörden und Privatpersonen das Verlangen nach Ergänzungen, Neueinfügungen und Präzisierungen einzelner Normen und Normenkomplexe.188 Der Entwurf von 1905, der in den bestehenden Obligationenrechtstext bisher nur geringfügig eingegriffen hatte,189 sollte somit nach überwiegender Ansicht in der Öffentlichkeit unter größerer Einbeziehung selbiger weiter modifiziert und nicht in seiner damaligen Gestalt von der Bundesversammlung verabschiedet werden. 5. Die Entscheidung, die Debatte zu vertagen Nachdem der Bundesrat den Gesetzesentwurf dem schweizerischen Parlament vorgelegt hatte, beschloss zunächst der schweizerische Nationalrat, die Behandlung des bundesrätlichen Gesetzesentwurfs vom 3. März 1905 zurückzustellen, „soweit [er] sich auf die Revision des Obligationenrechtes bezieht“190, und erst zu einem späteren Zeitpunkt, zu welchem das neue schweizerische ZGB „in Rechts-

182

Oser, Blätter für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre 3 (1907), 97, 135, 166. 183 Eingehend zu Lotmar siehe D. I. 2. 184 Fargnoli, in: Fargnoli / Fasel (Hrsg.), Anschauungen römischer Juristen, 2018, § 2 Rn. 64. 185 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1; BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908. 186 BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906; BArch 22/2110, Anträge des Schweizerischen Kaufmännischen Vereins zum Abschnitt Dienstvertrag im Entwurf für das revidierte Obligationenrecht, 1908; BArch 22/2110, Der Entwurf für ein Schweizerisches Zivilgesetzbuch in seinen für die Landwirtschaft wichtigsten Bestimmungen, 1905. Zu den rechtspolitischen Impulsen und Postulaten der Verbände siehe nachfolgend auch noch E. II. 187 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1044). 188 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, S. V ff. 189 Vgl. hierzu die Ausführungen unter C. II. 3. 190 BArch 22/2109, Beschluss des schweizerischen Nationalrates vom 16. November 1906, gerichtet an den schweizerischen Ständerat.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

kraft erwachsen ist“191, anzugehen. Dem Beschluss des Nationalrates stimmte der Ständerat im Frühjahr 1907 ebenfalls zu.192 Die eidgenössischen Räte vereinbarten, das OR, bevor es der Bundesversammlung vorgelegt werden sollte, nochmals in einer – in diesem Falle größeren – Expertenkommission zu beraten, der insbesondere Interessensvertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft, der Landwirtschaft, des Handels, der Industrie und des Gewerbes angehören sollten.193 Mit dem Entschluss, die neue Expertenkommission auch mit Vertretern jener verschiedenen Interessensverbände zu besetzen, reagierte die Bundesversammlung zugleich auf die Anregungen innerhalb der Gesellschaft, die der Bundesrat sowie der Ständeund Nationalrat in zahlreichen Schreiben zwischen 1905 und 1908 erhalten hatten.194 Die Anregungen und Verbesserungsvorschläge sowie die Kritikpunkte am Gesetzesentwurf waren zu zahlreich und die bisherigen Ergebnisse zu unbefriedigend, als dass der Gesetzgeber diese hätte ignorieren können. Eine Beratung und Berücksichtigung der Anregungen aus der Gesellschaft in einer größeren Kommission erschien unumgänglich. Den Anstoß, die Revision des OR zu verschieben und eine größere Expertenkommission zusammentreten zu lassen, gab unter anderem Bundesrat Brenner, nachdem deutlich geworden war, dass die Revision mehr Zeit als erwartet in Anspruch nehmen sollte.195 Die Mitglieder der Räte wollten deshalb die Verabschiedung des Zivilgesetzbuchentwurfs vorziehen, welche sich, wie Brenner betonte, „um einige Jahre hinausgeschoben“196 hatte. 6. Fazit zur ersten Etappe der Revision (insbesondere 1904/1905) Nachdem die Vorbereitungs- und Konzeptionsphase für die Revision noch weitestgehend gründlich verlaufen war und  – zumindest die Grundausrichtung des neuen Gesetzbuches betreffend – eine gewisse Planungssicherheit mit sich gebracht hatte, verlief die erste Revisionsetappe rund um die Einsetzung der kleinen Langenthaler Spezialkommission unbefriedigend, und die erzielten Ergebnisse waren dürftig. Auch in den eidgenössischen Räten blieb dieser Umstand nicht unbemerkt, weshalb etwa Hoffmann darauf verwies, dass die Langenthaler Kommission bei 191

BArch 22/2109, Beschluss des schweizerischen Nationalrates vom 16. November 1906, gerichtet an den schweizerischen Ständerat. 192 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111 (116 f.). 193 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1043 f.). 194 Der schweizerische Bundesrat erhielt in diesem Zeitraum zahlreiche Anträge zum Gesetzesentwurf von 1905, auf die punktuell bereits eingegangen wurde und auch im Verlauf dieser Arbeit noch hinzuweisen sein wird. Die Schreiben finden sich im schweizerischen Bundesarchiv; BArch 22/2110. 195 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1048); Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 93. 196 Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 93; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1048).

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den Revisionsarbeiten in dieser ersten Phase nicht „genügend tief gegangen“197 sei und insbesondere in Bezug auf das Dienstvertragsrecht „keine besonders glückliche Hand gehabt habe“198. Im Nachhinein stellte sich also heraus, dass die Gesetzgebungsakteure in dieser ersten Phase mit der Prognose falsch lagen, von einer großen Expertenkommission – wie sie bei der Entstehung des aOR und des ZGB einberufen worden war – Abstand nehmen zu können.199 Der Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, der im Ergebnis nur geringfügig vom Entwurf Hubers aus dem Jahre 1903 und auch vom aOR abwich, genügte weder den eidgenössischen Räten, noch befriedigte er das Verlangen des Volkes hinreichend. Gerade letzteres überrascht dabei nur bedingt, war eine Beteiligung der Öffentlichkeit an der Kommissionsarbeit zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorgesehen gewesen.200 Die Postulate verschiedener Interessensverbände fanden noch keine adäquate Berücksichtigung, was sich im Folgenden in weitläufiger Kritik der entsprechenden Kreise manifestiert hatte. Damit wich diese erste Revisionsetappe erheblich von der Beratung des ZGB und des aOR ab. Diese konträre Prozedur ist zwar ob der allgemeinen Grundausrichtung, die zunächst nur geringfügige Modifikationen vorsah, konsequent. Dennoch verwundert das Vorgehen, bedenkt man, dass sich jenes Verfahren bei der Entstehung von aOR und ZGB vollauf bewährt und positive Resonanz erfahren hatte. Summa summarum ist die Entscheidung der eidgenössischen Räte, die Verabschiedung des Gesetzbuches zu verschieben und eine größere Expertenkommission darüber beraten zu lassen, durchaus zu begrüßen. Gleichzeitig ging mit dieser Entscheidung weiterer Termindruck einher. Die Räte wollten die Revision zeitnah zu Ende führen und dafür sorgen, dass sie nicht „ad calendas graecas“201 verschoben wird. Abgeschlossen wissen wollten Stände- und Nationalrat deshalb wenigstens die Schenkung und den Grundstückskauf, um „in omne eventu“202 für den Fall, dass gegen das Gesetz ein Referendum angestrebt werden würde, jedenfalls diese zentralen Rechtsmaterien geregelt zu haben. Was prinzipiell gut gemeint war, entpuppte sich jedoch letztlich als unglückliche Entscheidung. Gerade das Schenkungsrecht wurde sowohl zeitgenössisch als auch insbesondere von der jüngeren schweizerischen Literatur kritisch beäugt.203 Dass sich diese zwei bedeutungsvollen Rechtsmaterien der Verantwortung der später einberufenen großen Expertenkommission entzogen, steht symptomatisch für einige der grundsätzlichen

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Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111 (117). Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111 (118). 199 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1044). 200 Dass eine Beteiligung der Öffentlichkeit an der Kommissionsarbeit anders als bei der Ausarbeitung des aOR und des ZGB nicht vorgesehen war, begründete der Revisionsgesetzgeber damit, dass der Gesetzgeber nicht das Ziel hatte, ein neues Gesetz zu erlassen. Vielmehr sollte das OR nur geringfügig modifiziert und so weit als möglich in seiner momentanen Gestalt beibehalten werden. 201 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111 (117). 202 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111 (160). 203 Näheres zur Kritik am Schenkungsrecht siehe D. II. 198

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C. Die Revision des Obligationenrechts

Fehlentscheidungen während der gesamten Revision, die sich am spezifischsten in dieser ersten Etappe offenbarten. A posteriori lässt sich also konstatieren, dass die Einberufung der Langenthaler Spezialkommission und das gesamte Vorgehen während dieser ersten Phase nur wenig erfolgreich war. Weder wurde die nachfolgende Arbeit der großen Expertenkommission signifikant erleichtert und bereits in der ersten Phase ein echter Rechtsfortschritt erreicht, – hierfür waren die Vorarbeiten der Kommission und vor allem die Änderungen an Hubers Gesetzesvorschlag noch zu rudimentär – noch bewiesen die Kommissionen sowie die eidgenössischen Räte bei den wenigen bereits abgeschlossenen Rechtmaterien wie etwa der Schenkung und dem Grundstückskauf ein besonders glückliches Händchen. Vielmehr wäre auch und gerade bei diesen Rechtsmaterien eine erneute Durchsicht erforderlich und wünschenswert gewesen.

III. Zweite Etappe 1908/1909: Einsetzung der Expertenkommission 1908/1909 Im Anschluss an die abgeschlossene erste Phase der Revision, nach der die Entscheidung stand, eine Überarbeitung des Gesetzestextes anzustreben und tiefgreifender zu revidieren, galt es im Folgenden einen erneuerten Gesetzesentwurf zu verfassen. 1. Einsetzung der Expertenkommission (1908/1909): Ergänzung der Kommission von 1904 In den Jahren 1908 und 1909 sollte deshalb eine größere Expertenkommission zusammentreten und die Gesetzesvorlage erneut durchberaten. Die Erfahrung aus den vorherigen Jahren hatte gezeigt, dass eine achtköpfige Kommission, wie es die Langenthaler Spezialkommission gewesen war, nicht genügen und das Verlangen des Volkes nicht hinreichend befriedigen würde. Die genaue personelle Zusammensetzung der Kommission stand indes noch nicht fest, sodass das EJPD Huber mit der Frage nach entsprechenden Kommissionszusammensetzungsmöglichkeiten ersuchte. a) Kommissionszusammensetzung Unter Berücksichtigung der Entscheidung der eidgenössischen Räte, das OR zeitgleich mit dem ZGB in Kraft treten zu lassen, sowie dem Wunsch, das Gesetzbuch – ähnlich wie auch das ZGB – volksnah204 zu erlassen, drängten sich Huber 204 Huber hatte bereits in seinem Memorial von 1893 gefordert, dass bei der Ausarbeitung eines ZGB-Entwurfes Vertreter aller Kantone, Sprachgruppen, Rechtsgebiete und Parteien

III. Zweite Etappe 1908/1909 

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im Wesentlichen drei Wege auf.205 Bereits frühzeitig, im Dezember 1906 und damit noch bevor der Ständerat dem Beschluss des Nationalrates zugestimmt hatte, stellte Huber Bundesrat Brenner sodann jene Optionen vor:206 aa) Langenthaler Kommission mit einigen Ergänzungen Huber hielt es zunächst für möglich, weiterhin die Mitglieder der Langenthaler Kommission, die bereits den Entwurf von 1905 durchberaten hatten, mit der Gesetzgebungsaufgabe zu betrauen, mithin auf personelle Kontinuität zu setzen und die Kommission lediglich mit einigen Vertretern der gesellschaftlichen Interessensverbände auf etwa zwanzig Mitglieder zu ergänzen.207 Gleichzeitig wies Huber offen darauf hin, dass ein solches Unterfangen vor dem Hintergrund einer potenziellen Voreingenommenheit der Kommissionsmitglieder nicht unproblematisch sei und die Gefahr berge, dass sich der Expertenkreis möglicherweise zu sehr an der bereits bestehenden Vorlage orientieren würde und Innovationen nicht offen genug gegenüber stünde.208 Huber befürchtete, dass in der Konsequenz die im Vergleich zum Entwurf vom 3. März 1905 gewünschten und notwendigen Veränderungen und Verbesserungen nicht hinreichend gewährleistet werden könnten.209 bb) Große Kommission (des ZGB) Mit Blick auf die Befürchtungen Hubers wäre als zweite Möglichkeit in Betracht gekommen, eine weitgehend von den Beratungen der Langenthaler Kommission unabhängige Expertenkommission einzusetzen. In diesem Fall wäre es nach Ansicht Hubers denkbar gewesen, die große Kommission, die in den Jahren 1901 bis 1903 den Entwurf des ZGB entwickelt und aufgrund ihrer mustergültigen Arbeit das Vertrauen innerhalb der schweizerischen Öffentlichkeit erworben hatte, unter Vornahme einiger Ergänzungen auf 32 bis 35 Mitglieder auszudehnen und ihr die Kodifikationsaufgabe zu übertragen.210 Als weiterer Vorteil eines solchen Prozederes hätte sich ergeben, dass eine Konnexität zwischen Mitgliedern der Expertenkommission und der anschließend zusammentretenden Kommissionen der eidgenössischen Räte bestanden hätte und somit das spätere parlamenta­

mitwirken sollten, um das Zivilgesetzbuch zu einem besonders nationalen und volkstümlichen Recht werden zu lassen. Huber, Memorial, 1893, S. 6; Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1989. 205 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber. 206 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber. 207 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 1 f. 208 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 2 f. 209 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 2 f. 210 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 2.

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rische Beratungsstadium zwangsläufig vereinfacht worden wäre.211 So gehörten der ZGB-Expertenkommission (zum damaligen Zeitpunkt) immerhin 18 Mitglieder des schweizerischen Nationalrates, jedoch nur drei des schweizerischen Ständerates an.212 Gleichwohl hatte Huber auch auf die drohenden Nachteile verwiesen, die sich in der potenziell fehlenden Expertise der Kommissionsmitglieder auf dem bei der Entstehung des ZGB unbehandelt gebliebenen Gebiet der Obligationen manifestiert hätten.213 cc) Alle Mitglieder der Kommissionen der eidgenössischen Räte Deshalb verwies Huber auch auf eine dritte Möglichkeit, die sich der Stärken der zweiten Variante bedienen, deren Schwächen aber kaschieren sollte. Er schlug vor, die Kommission für das OR so zu bilden, dass das EJPD alle Mitglieder der Kommissionen der eidgenössischen Räte, also jener des National- und des Ständerates, zusammenfügt und diese Kommission um etwa zwölf Angehörige der verschiedenen Interessenskreise sowie einige rein auf das OR spezialisierte Vertreter ergänzt.214 Die entscheidenden Vorzüge, die eine solche Kommissionszusammensetzung bot, lagen nach Auffassung Hubers in der sich hieraus ergebenden Möglichkeit, die spätere Beratung der beiden Bundesversammlungskommissionen erheblich abzukürzen.215 Insbesondere könne eine weitgehende Harmonisierung der Beschlüsse der Expertenkommission mit jenen in den Parlamentskommissionen gewährleistet werden, wenn und soweit bereits im präparlamentarischen Stadium Vorarbeiten durch Mitglieder, die im Folgenden auch den Kommissionen von National- und Ständerat angehören würden, verrichtet worden wären.216 Die sich in der Summe ergebende große Mitgliederzahl der Kommission von 54 Personen brachte allerdings die Gefahr ausufernder Debatten innerhalb dieses Gremiums mit sich.217 Dieses Risiko hätte das EJPD nach Auffassung Hubers adressieren und minimieren können durch die Bestellung eines Ausschusses von fünf oder sechs Mitgliedern, der konkrete Revisionsvorschläge bereits in kleinem Kreis zu beraten, auszuarbeiten und anschließend dem gesamten Plenum vorzulegen imstande gewesen wäre.218

211

BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 2 f. BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 2. 213 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 2 f. 214 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 3. 215 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 3. 216 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 3. 217 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 3. 218 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 3. 212

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dd) Hubers Ansicht Huber selbst hatte sich – vorbehaltlich der Einsetzung eines solchen Ausschusses – in jenem Schreiben noch für den aufgezeigten dritten Weg ausgesprochen.219 Einige Zeit später, im Februar 1908, hingegen wandte sich Huber an Bundesrat Ludwig Forrer und empfahl, hinsichtlich der großen Obligationenrechtskommission soweit wie möglich auf die Mitglieder zurückzugreifen, die sich bereits bei den Kommissionsverhandlungen zum ZGB bewährt hatten, mithin den zweiten Weg zu befolgen.220 Aus dieser Kommission verblieben – sei es durch den Tod einzelner Mitglieder, durch den Austritt aus der Kommission oder dadurch, dass diese ohnehin nur in Bezug auf das Familien- und Erbrecht tätig gewesen waren – noch 24 Mitglieder, denen die früheren (übrigen) Mitglieder der Langenthaler Kommission (etwa Oser und Grenier) sowie ihren gestellten Anträgen entsprechend je zwei Vertreter des Handels- und Industrievereins sowie des kaufmännischen Vereins und je einer des Bauernverbandes und des Gewerbevereins zur Seite gestellt werden sollten.221 Daneben sollten nach Auffassung Hubers noch „einige spezielle Sachverständige“ auf dem Gebiet des OR, namentlich Alfred Brüstlein, Paul Speiser, Hermann Hitzig, Johannes Ryf und Hermann Wächter, der Kommission angehören.222 ee) Subkommission für den Dienstvertrag Während Huber somit dafür plädierte, im Wesentlichen der ZGB-Kommission die Kodifikationsaufgabe anzuvertrauen, sprach er sich überdies für eine gesonderte Subkommission aus, die das politisch kontroverse Dienstvertragsrecht im Sommer 1908 vorab in kleinerem Kreis durchsprechen und ihre Anträge erst anschließend der Gesamtkommission unterbreiten sollte.223 In diese Subkommission berufen werden sollten daher zunächst die Repräsentanten der Berufsverbände, die auch Teil der großen Expertenkommission waren, namentlich Gottfried Keller als Vertreter des Handels- und Industrievereins, Jakob Scheidegger als Vertreter des Gewerbevereins, Eduard Schindler als Vertreter des kaufmännischen Vereins, Ernst Laur als Vertreter des Bauernverbands und Otto Lang als Vertreter des Arbeiterbundes.224 Darüber hinaus sollten nach An 219

BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 3. BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 2. 221 BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 2 f. 222 BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 3. 223 BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 4. 224 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 26. Mai 1908 betreffend die Einsetzung der Subkommission für den Dienstvertrag, S. 1. 220

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sicht Hubers die drei mutmaßlichen Referenten der Bundesversammlung, Huber selbst, Rossel und Hoffmann sowie der Präsident der nationalrätlichen Kommission Bühlmann und aus dem Justizdepartement Walther Burckhardt an den Verhandlungen teilnehmen.225 Daneben regte Huber an, weitere drei Mitglieder aus der großen Obligationenrechtskommission, Brüstlein, Grenier (alternativ Vincent Gottofrey, falls dieser aufgrund einer Abrede mit Franz Schmid an dessen Stelle treten würde)  und Karl Jäger aufzunehmen.226 Schlussendlich sah Huber vor, noch zwei externe Sachverständige, „[d]e[n] Vertreter der Hotelangestellten, Union Helvetia, [Hermann] Bieder in Luzern, und ein[en] Vertreter des Vereins der Handelsreisenden“, in die Kommissionsverhandlungen einzubeziehen.227 Huber beabsichtigte, die Subkommission damit vorwiegend mit Mitgliedern aus den entsprechenden Arbeitsbranchen, die sich bereits im Vorfeld explizit zu Materien des Dienstvertragsrechts geäußert hatten, zu besetzen. Nicht vorgeschlagen hatte Huber seinen auf dem Gebiet des Dienstvertragsrechts bekannten und bewanderten Wegbegleiter und Fakultätskollegen228 Lotmar. Huber empfahl Bundesrat Forrer, eine Kommission bestehend aus insgesamt 15 Mitgliedern – eine gerade für eine Subkommission durchaus beträchtliche Anzahl – einzusetzen.229 Die überwiegende Personalidentität mit den Mitgliedern der gesamten Expertenkommission brachte aber den Vorteil mit sich, dass die Gesetzgebungsakteure im Falle eines Konsenses innerhalb der Subkommission in einer späteren Beratung der „Gesamtkommission“ kaum noch Schwierigkeiten haben würden.230 ff) Entscheidung des EJPD Das EJPD entschloss sich, den von Huber  – zumindest in seinem späteren Schreiben – befürworteten zweiten Weg einzuschlagen, während es die erste und insbesondere dritte Variante trotz der auch von Huber angesprochenen Vorteile womöglich aufgrund der hohen Mitgliederzahl231 verworfen hatte. Mit Schreiben vom 225

BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 26. Mai 1908 betreffend die Einsetzung der Subkommission für den Dienstvertrag, S. 1. 226 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 26. Mai 1908 betreffend die Einsetzung der Subkommission für den Dienstvertrag, S. 1. 227 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 26. Mai 1908 betreffend die Einsetzung der Subkommission für den Dienstvertrag, S. 1 f. 228 Näheres zu Lotmar und seinem persönlichen Werdegang siehe nachfolgend unter D. I. 2.  229 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 26. Mai 1908 betreffend die Einsetzung der Subkommission für den Dienstvertrag, S. 1 f. 230 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 26. Mai 1908 betreffend die Einsetzung der Subkommission für den Dienstvertrag, S. 1 f. 231 Das EJPD lieferte Huber keine Begründung, weshalb das Ressort diese Art der Kommissionszusammensetzung wählte. Es kann daher nur vermutet werden, dass sich das EJPD aufgrund der möglicherweise hohen Mitgliederzahl sowie der von Huber vorgebrachten Vorteile des zweiten Weges erneut (überwiegend) für diejenigen Mitglieder entschieden hatte, die sich bereits durch ihre mustergültige Arbeit am ZGB in der schweizerischen Öffentlichkeit verdient gemacht hatten.

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19. März 1908 bestellte das EJPD somit eine große Expertenkommission, die die Mitglieder der Expertenkommission von 1904, einige gewerbliche Interessensvertreter und weitere Experten vereinen sollte.232 Die Bundesbehörde beschloss, bei der Wahl der „andere[n] Experten“233 maßgeblich auf solche zurückzugreifen, die, wie auch Huber in seinem zweiten Schreiben befürwortet hatte, bereits der Kommission zum ZGB von 1901 angehört hatten234 oder in sonstiger Weise in die Beratungen der Kommission involviert waren.235 Nachdem eine auf den Herbst 1908 festgesetzte Sitzung der Bundesversammlung zu einer Terminkollision mit der für diesen Zeitraum in Aussicht gestellten Zusammenkunft der Expertenkommission und Subkommission geführt hatte, sah sich das EJPD gezwungen, umzudisponieren und die zweite Session, in welcher der Allgemeine Teil zu Ende beraten und der Besondere Teil begonnen werden sollte, auf Oktober 1908 zu verschieben.236 Daraus resultierend konnte der Titel über Dienst- und Werkvertrag fortan unter Hinzuziehung einiger weiterer Experten erst im Laufe der dritten Session besprochen und von der Bestellung einer eigens beratenden Subkommission musste abgesehen werden.237 b) Die einzelnen Mitglieder Zu den insgesamt 34 Mitgliedern der Expertenkommission gehörten zunächst die Mitglieder der Langenthaler Kommission, Nationalrat Fritz Ernst Bühlmann, Kantonsrichter Louis Grenier, Ständerat Arthur Hoffmann, Ständerat Emil Isler, Professor Alfred Martin, Professor Hugo Oser sowie Professor und Nationalrat Virgile Rossel, von denen immerhin sieben der acht verblieben waren und auch an den erneuten Kommissionsverhandlungen mitwirken konnten. Einzig Professor Alexander Reichel war nicht mehr Teil der Expertenkommission von 1908/1909.238 Eugen Huber war wie schon 1904 Referent der Kommission. 232 BArch 22/2113, Schreiben des EJPD vom 19. März 1908 hinsichtlich der Kommissionszusammensetzung, S. 1. 233 BArch 22/2113, Schreiben des EJPD vom 19. März 1908 hinsichtlich der Kommissionszusammensetzung, S. 1. 234 Hierzu gehörten Bertoni, Brosi, Burckhardt, Bühlmann, Decoppet, Gobat, Gottofrey, Hitzig, Hoffmann, Isler, Lang, Laur, Martin, Meili, Oser, Paschoud, Planta, Rossel, ScherrerFüllemann, Schmid, Wieland und Wirtz. Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1985. 235 In sonstiger Weise mitgewirkt hatten Brüstlein und Rutty; Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1985. 236 BArch 22/2113, Schreiben des EJPD vom 20. Juli 1908 betreffend das Verschieben der Kommissionssitzungen. 237 BArch 22/2113, Schreiben des EJPD vom 20. Juli 1908 betreffend das Verschieben der Kommissionssitzungen. 238 Huber selbst verwies bereits in einem Schreiben vom 7. Februar 1908 darauf, dass Reichel wohl „nicht mehr gewillt oder in der Lage“ sei, den Kommissionsverhandlungen beizuwohnen. Hintergrund war, dass Reichel zwar noch während der Verhandlungen der Langenthaler Kommission als Professor tätig war, aus dieser Stellung aber nunmehr ausgeschieden und Bundesrichter geworden war. Siehe BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 2.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

Neben diesen Herren gehörten der insgesamt 34-köpfigen Expertenkommission zudem an: Professor und Abteilungschef im EJPD Walther Burckhardt; Professor Edouard Béguelin; Advokat Brenno Bertoni; Nationalrat Albert Brosi; Nationalrat Alfred Brüstlein; Nationalrat Camille Decoppet; Professor August Egger; Nationalrat Albert Gobat; Bundesrichter Vincent Gottofrey; Professor Herrmann Hitzig; Bundesrichter Heinrich Honegger; Bundesrichter Karl Jäger; Kantonsrat Gottfried Keller; Oberrichter Otto Lang; schweizerischer Bauernsekretär Ernst Laur; Professor Friedrich Meili; directeur du Crédit foncier David Paschoud; Nationalrat Alfred Planta; Nationalrat Jaques Rutty; Zentralsekretär des schweizerischen Gewerbevereins und Nationalrat Jakob Scheidegger; Nationalrat Joseph Anton ScherrerFüllemann; Zentralsekretär des schweizerischen kaufmännischen Vereins Eduard Schindler; Bundesrichter Franz Schmid; Professor Karl Wieland; Ständerat Josef Winiger; Ständerat Adalbert Wirz.239 Für die dritte Session, in der Dienst- und Werkvertrag zu behandeln waren, sollten zu den Kommissionsverhandlungen hinzustoßen: alt Rektor Heinrich Abt, Generalsekretär der Union Helvetia Hermann Bieder sowie Jordan,240 der Zentralsekretär des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender.241 Vorsitzende der Kommission waren Bundesrat Ludwig Forrer in der ersten Sitzung der ersten Session und während der restlichen Verhandlungstage Ernst Brenner als Stellvertreter Forrers oder als Vorsteher des Ministeriums.242 c) Stellungnahmen zur Ergänzung der Kommission von 1904 und zur Kommissionszusammensetzung Mit der Einsetzung der Expertenkommission am 19. März 1908 reagierte das EJPD auf die von Huber vorgeschlagenen Anregungen hinsichtlich der Kommissionszusammensetzung. Hubers angesprochenen und in Erwägung gezogenen „dritten Weg“, der zu einer weitgehenden Personalunion zwischen der Expertenkommission und den späteren Kommissionen des National- und Ständerates geführt hätte, schlug der Gesetzgeber indes nicht ein. Huber selbst hatte dieses Vorgehen jedoch in seinem späteren Schreiben auch nicht mehr postuliert und sich dafür ausgesprochen, einem großen Teil der ZGB-Kommission die Kodifikationsaufgabe zu übertragen. Diesem Vorschlag kam das EJPD auch nach. Die Gründe hierfür erläuterte das Justizministerium in seinem Schreiben vom 19. März 1908 indes nicht ausdrücklich. Gleichwohl handelte es sich um ein nachvollziehbares Anliegen, der 239

Eine Auflistung der Kommissionsmitglieder findet sich in Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (726 f.). 240 Zu Jordan sind keine biographischen Nachweise überliefert. Auch im Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909 sowie in den Archivquellen gibt es keine Hinweise zu Jordans biographischen Daten. Vgl. Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (727); BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 18. Sitzung, S. 1. 241 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (727). 242 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (727).

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Obligationenrechtskommission einige Vertreter der in der Schweizer Öffentlichkeit bereits bekannten und bewährten ZGB-Kommission zuzuweisen. Die fehlende Expertise mancher dieser Kommissionsmitglieder auf dem Gebiet des OR konnte dadurch ausgeglichen werden, dass das Ressort einige Spezialexperten sowie die sieben der acht Mitglieder der Langenthaler Kommission konsultierte. Durch das Einschlagen dieses Weges legten das EJPD und Huber bei der Kommissionsarbeit vor allem Wert auf personelle Kontinuität. Huber war mit nahezu allen Kommissionsmitgliedern vertraut, hatte bereits mit diesen gearbeitet und gemeinsame Lösungen, sei es bei der Arbeit am ZGB oder in Langenthal, gefunden. Das EJPD setzte demnach eine Kommission zusammen, die (zumindest auf dem Papier) den Eindruck vermittelte, personell zu harmonieren und die grundsätzlich geeignet war, in der Öffentlichkeit Zuversicht in eine reibungslose, kompromissbereite und rasche Kommissionsarbeit zu erregen. Die einleuchtende Erwägung, eine besondere Subkommission für den materiell bedeutsamen Titel des Dienstvertrages zusammentreten zu lassen, verwarf das Ressort hingegen aus primär terminlichen Gründen. Das EJPD ergänzte die große Kommission jedoch für die dritte Session, in der die Experten das Dienst- und Werkvertragsrecht behandelten, durch weitere Interessensvertreter aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen. Betrachtet man die einzelnen Kommissionsmitglieder, so lassen sich diese – mit der Rechtshistorikerin Barbara Dölemeyer  – in drei Gruppen einteilen:243 Die Rechtswissenschaft, die Rechtspraxis und die sogenannten Interessensvertreter. Zehn Mitglieder waren Professoren, sechs übten ein Richteramt aus, davon waren alleine vier Bundesrichter.244 Juristisch vorgeprägt waren nahezu alle Mitglieder, die Mehrzahl war zudem promoviert.245 Weitere sieben Mitglieder gehörten der dritten Gruppe, den Interessensvertretern, an, vier davon während der gesamten Verhandlungen, weitere drei nur für die dritte Session zum Dienstvertragsrecht.246 Damit war die juristische Lehre zwar weiterhin prominent und zahlreich, verglichen mit den Verhandlungen in Langenthal aber prozentual weniger vorherrschend vertreten. Die Interessensvertreter, die bei den Verhandlungen in Langenthal noch nicht zum Kommissionspersonal gehörten, stellten die Neuheit der Expertenkommission dar. Aufgrund des persönlichen, beruflichen und politischen Werdegangs der einzelnen Kommissionsmitglieder, die in ihrer Karriere verschiedenste Aspekte des öffentlichen Lebens sowohl der Theorie als auch der Praxis vereinten, bestand allerdings ohnehin eine ungleich größere Konnexität zwischen der theore 243 Vgl. hierzu Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1981 f. in Bezug auf die Arbeiten am ZGB. Diese Erwägungen lassen sich auch auf die große OR-Kommission von 1908/1909 übertragen, deren Mitglieder – wie dargestellt – nicht selten personalidentisch mit denen der großen ZGB-Expertenkommission waren. 244 Siehe hierzu Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni  1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (726 f.). 245 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1981 f.; siehe auch die Lebensläufe der einzelnen Kommissionsmitglieder im Anhang. 246 Siehe hierzu Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni  1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (726 f.).

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tischen und praktischen Jurisprudenz, als dies beispielsweise noch bei der zweiten Kommission zum deutschen BGB der Fall war.247 Was die politische Parteizugehörigkeit der Kommissionsmitglieder angeht, so wurde die Expertenkommission entsprechend der schweizerischen Bundespolitik vom Freisinn dominiert. Nur wenige waren nicht Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei. Zwei Kommissionsmitglieder, namentlich Lang und Brüstlein, gehörten der Sozialdemokratischen Partei an, weitere zwei saßen für die Christlichdemokratische Volkspartei im Parlament, und ein Mitglied (Scherrer-Füllemann) vertrat die Demokratische und Arbeiterpartei.248 Ein Blick auf die sozialdemokratischen Vertreter illustriert auch, dass Lotmar, seines Zeichens führendes Mitglied der Partei und bereits intensiv in die Revisionsarbeiten involviert,249 weder als Mitglied der Expertenkommission noch der eingangs präferierten, schlussendlich aber aus logis­tischen Gründen nicht einberufenen Subkommission berücksichtigt wurde. Zwar schienen Brüstlein und Lang, die den Gesetzesentwurf der von der Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission mit Lotmar gemeinsam ausgearbeitet hatten,250 durchaus geeignet, die Forderungen der Partei kommissionsintern zu vertreten und durchzusetzen. Da Huber allerdings vorsah, für das „schwierigste und politisch wichtigste Kapitel“251, den Dienstvertragstitel, weitere „außerhalb der Kommission stehende Sachverständige“252 zu Rate zu ziehen, darf durchaus hinterfragt werden, warum er nicht auch Lotmar als kommissionsexternen Vertreter mit besonderer Expertise vorgeschlagen oder zumindest dessen Beteiligung erwogen hatte. Die Gründe für einen Verzicht auf Lotmars Kommissionsmitwirkung erläuterten weder Huber noch das EJPD (expressis verbis) und können demnach nur vermutet werden. In der Wissenschaft zumindest wird gemutmaßt, dass Lotmar und Huber nicht das beste Verhältnis zueinander hatten, jedenfalls „zahlreiche Divergenzen ideologischer, akademischer und beruflicher Art“253 die beiden über die Jahre voneinander entfernt hatten. Anlässlich Lotmars 70. Geburtstag etwa hatte sein langjähriger Kollege Huber in der 189-seitigen Festschrift keinen Beitrag zu Lotmars Ehren verfasst.254 Ganz generell erhielt Lotmar, der „in der Fakultät im Schatten des berühmten Schöpfers des Zivilgesetzbuches 247

Vgl. hierzu Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1981 f. 248 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 262 f. 249 Siehe hierzu Lotmars Referat am Juristentag 1902 in Sarnen. Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507. 250 Hierzu näher siehe D. I. 2. b) cc). 251 BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 4. 252 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 26. Mai 1908 betreffend die Einsetzung der Subkommission für den Dienstvertrag, S. 1 f. 253 Caroni, in: Caroni (Hrsg.), Forschungsband Philipp Lotmar (1850–1922). Colloquium zum 150. Geburtstag, 2003, S. 165 (192). 254 Geiser, in: Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014, S. 111 (123).

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stand“255 und „in der Schweiz […] nicht sehr bekannt“256 war, gerade „zu Lebzeiten nicht die Anerkennung […], die er verdient hätte“257. Bereits vor dem Zusammentreten der Kommission sah sich Lotmar am Juristentag 1902 in Sarnen zudem erheblichem Widerstand ausgesetzt.258 Damit bestätigte sich bei der Revision des OR – unabhängig von den exakten Beweggründen – in gewisser Weise die fehlende Bereitschaft, Lotmars Verdienste auf dem Gebiet des Arbeitsrechts anzuerkennen, als die Revisionsprotagonisten um Huber darauf verzichteten, sich seinen Rat innerhalb der Expertenkommission einzuholen. Allerdings soll zumindest erwähnt sein, dass auch kein explizites Ersuchen Lotmars, an den Kommissionsverhandlungen teilzunehmen, überliefert ist. Es kann und sollte daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass Huber und das EJPD Lotmar von der Kommissionsarbeit gegen dessen Willen ausschließen wollten. Lotmar war überdies weder in die Beratungen in Langenthal noch zum ZGB, was ein grundsätzliches Auswahlkriterium darstellte, kommissionsintern involviert gewesen. Die genaue Intention Hubers und des Ministeriums außen vor gelassen, hätte es sich aber zumindest unter Berücksichtigung des Sozialschutzaspektes angeboten, Lotmar im Rahmen der Verhandlungen zum Dienstvertragsrecht hinzuzuziehen. Im Falle einer Kommissionsbesetzung mit Lotmar hätte die bundesrätliche Expertenkommission die beiden Mitglieder vereinigt, die das schweizerische Arbeitsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts am entscheidendsten geprägt hatten. Eine solche personelle Expertise wäre auch vor dem Hintergrund populärer Außendarstellung geeignet gewesen, in der Öffentlichkeit Vertrauen in die Kommissionsarbeit, auch von Seiten der Arbeiterschaft, zu gewährleisten. Bedenkt man nämlich, dass die politischen Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Expertenkommission eindeutig zulasten der Sozialdemokratischen Partei gingen, hätte eine Kommissionsmitgliedschaft Lotmars gerade bei den Arbeitnehmern und Anhängern der Sozialdemokratischen Partei, die sich bereits im Vorfeld entschieden gegen das OR in Gestalt des Entwurfes vom 3. März 1905 und die bisherigen Revisionsarbeiten gewandt hatten, größeres Vertrauen erwecken können. Die Organisatoren hätten in Erwägung ziehen können, Lotmar jedenfalls für die dritte Session ein Kommissionstätigkeitsfeld zuzuweisen, auch und gerade, weil seine Parteigenossen Brüstlein und Lang die Revisionsvorschläge Lotmars ohnehin wiederkehrend in die Diskussion einbrachten und damit sicherzustellen versuchten, dass Lotmars Anregungen wenigstens partiell und auf indirektem Wege Eingang in den Gesetzestext fanden. Diese mittelbare Konstellation hätten das EJPD und Huber durch eine Kommissionsmitgliedschaft Lotmars vermeiden können. Auch 255 Fargnoli, in: Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014, S. VII (XV). 256 Fargnoli, in: Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014, S. VII (XIV). 257 Fargnoli, in: Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014, S. VII (XIV). 258 Dazu näher siehe D. I. 2. b) aa).

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blieb Lotmars persönlicher Einfluss auf die Revision des Dienstvertragsrechts im Gesamten, womöglich unter anderem aufgrund seiner rein kommissionsexternen Arbeit, hinter dem zurück, was er sich vorgestellt hatte259 und was jedenfalls dem Wohle der schweizerischen Arbeiterschaft am zuträglichsten gewesen wäre. 2. Die Arbeitsweise der Expertenkommission und der Beratungsverlauf Nachdem das EJPD die große Expertenkommission unter Berücksichtigung der Vorschläge Hubers einberufen und einen ersten Sitzungstag auf den 4. Mai 1908 terminiert hatte, sah der organisatorische Verfahrensablauf zunächst die Behandlung des Allgemeinen Teils des OR in der ersten Session vor.260 a) Vorberatung durch die Vorkommission Noch bevor die Expertenkommission ein erstes Mal zusammentreten sollte, lud das EJPD um Bundesrat Forrer zusammen mit Huber zu einer Konferenz einer kleineren, siebenköpfigen Vorkommission, bestehend aus Parlamentariern und Juristen ein, die sowohl bereits Bestandteil der parlamentarischen ZGB-Kommission als auch Mitglieder der kurze Zeit später zusammentretenden großen ORExpertenkommission waren.261 Dieser kleine Kreis sollte vorab das Vorgehen der koinzidierenden Expertenkommission betreffend einige grundsätzliche Fragen klären. Nachdem sich die Langenthaler Kommission einstimmig dafür ausgesprochen hatte, das Gesetz an das ZGB anzugliedern, warf Huber im Rahmen dieser Konferenz erneut die Frage nach der konkreten Vorgehensweise auf. Über die Ansätze in Langenthal hinausgehend, wies Huber nunmehr in dieser Konferenz vom 29. Februar  1908  – bei der sechs der sieben von Huber vorgeschlagenen (Vor-) Kommissionsmitglieder sowie Huber selbst als Referent und Bundesrat Forrer als Vorsitzender262 im Parlamentsgebäude anwesend waren  – auf eine dritte, in Langenthal nicht beachtete Möglichkeit hin.263 Er schlug vor, das gesamte OR zu revidieren, soweit es der Revision bedurfte, es aber dennoch als spezielles Gesetz 259 Zu Lotmars Enttäuschung über die final verabschiedeten Neuerungen betreffend das schweizerische Dienstvertragsrecht siehe ebenfalls D. I. 260 Vgl. BArch 22/2113, Schreiben des EJPD vom 19. März 1908 hinsichtlich der Kommissionszusammensetzung, S. 1. 261 BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission. 262 An jenem 29. Februar 1908 traten die Herren Forrer, Huber, Rossel, Brüstlein, Bühlmann und Isler zu einer Konferenz über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts zusammen. Hoffmann hatte sich entschuldigen lassen. Siehe hierzu BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts. 263 BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts, S. 1 f.

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bestehen zu lassen und keine formelle Anpassung an das ZGB vorzunehmen.264 Redaktionell hätte die Expertenkommission in diesem Fall so viel wie möglich am (insbesondere in seiner Terminologie beliebten)265 geltenden Obligationenrechtstext festgehalten.266 Einen Vorteil dieses Ansatzes, der in gewissem Widerspruch zu der bereits im Vorfeld beispielsweise in den Gutachten der Professoren und Bundesrichter sowie bei den Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins angedeuteten Tendenz eines bürgerlichen Verlangens nach „formelle[r] Einheit des Zivilrechts“267 gestanden hatte, sah Huber in der Historie des OR. Dieses war schon immer ein schweizerisches Spezialgesetzbuch gewesen, wenngleich seine Eigenschaften weitaus „weniger spezifisch schweizerischen Charakter“268 als die übrigen Teile des Zivilrechts aufwiesen. Das OR stand nämlich in höherem Maße unter dem Einfluss des europäischen Rechts und umfasste mit dem Handelsrecht ohnehin eine Rechtsmaterie, die innerhalb Europas als Spezialgesetz fungierte.269 Als positiven Nebeneffekt hätte das geltende aOR in diesem Falle auch weitaus geringfügigere Einschnitte erfahren müssen und wäre nicht gleichermaßen vom deutschen BGB abhängig gewesen, das nunmehr als jüngste und modernste Zivilund Obligationenrechtskodifikation zwar Vorbildcharakter hatte, dessen System sich die schweizerische Rechtswissenschaft jedoch zur damaligen Zeit zumindest nicht vollständig anschließen wollte.270 Die schweizerische Privatrechtslehre hatte nämlich durchaus Zweifel an der neuen Zivilrechtskodifikation. So bestand die Gefahr, dass das BGB, welches die europäische Gesetzgebung und Doktrin zu diesem Zeitpunkt beherrscht hatte, seinerseits noch nicht hinreichend ausgereift war, und der Gesetzgeber durch dessen Adaption keinen nachhaltigen, modernen und fortschrittlichen Rechtszustand, sondern nur ein Provisorium schaffen würde.271 Während die zweite Variante zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in Betracht kam, stand Huber dem Einschlagen jenes (neuen) dritten Weges – wenngleich er weiterhin den ersten Weg befürwortete – nicht per se ablehnend gegenüber, sofern die Kommission zumindest das Aktien-, das Genossenschafts- und das Wechselrecht ausschließen würde.272 Im Folgenden bezogen auf dieser Konferenz auch weitere 264 Siehe hierzu BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts, S. 1 f. 265 Siehe hierzu B. IV. 1. 266 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 23. Januar 1908 bezüglich des ersten oder dritten Weges bei der Revision, S. 4. 267 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 23. Januar 1908 bezüglich des ersten oder dritten Weges bei der Revision, S. 4. 268 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 23. Januar 1908 bezüglich des ersten oder dritten Weges bei der Revision, S. 5. 269 BArch 22/2111, Schreiben Hubers an Bundesrat Forrer vom 23. Januar 1908 bezüglich des ersten oder dritten Weges bei der Revision, S. 5. 270 Diese Ansicht vertraten bspw. die konsultierten Professoren und Bundesrichter bereits im Vorfeld der Revision. Daneben wurde bereits in der ersten Phase der Revision vor der Gefahr einer Nachahmung des deutschen BGB gewarnt. Siehe hierzu C. I. 3. und C. II. 271 Siehe bereits C. II. 2. a). 272 BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts, S. 1 f.

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Kommissionsmitglieder Stellung hinsichtlich der Vorgehensweise bei der Revision, insbesondere der Reichweite der Revision handelsrechtlichen Materials.273 Letztlich ließ Bundesrat Forrer eine Abstimmung durchführen: Fünf der sechs Mitglieder stimmten dafür, verglichen mit 1904/1905 punktueller zu revidieren und weitere Kapitel auszuklammern. Vorerst nicht revidiert werden sollten das Wechselrecht (einstimmig), das Aktienrecht (einstimmig), das Genossenschaftsrecht (fünf zu eins) und das Recht über die Kommandit- und Kollektivgesellschaft (vier zu zwei).274 Die in diesem Zusammenhang von der Revision ausgeschlossenen Rechtsmaterien sollten nach Mehrheitsbeschluss (fünf zu eins) in Spezialgesetzbüchern geregelt werden.275 Das in seinem fortan beschränkten Umfang weiterbestehende OR sollte dann aber nach allgemeiner Ansicht Bestandteil des ZGB und nicht Teil der Spezialgesetzgebung werden (erster Weg).276 b) Sitzungsablauf Nachdem die Vorkommission einige erste Weichenstellungen vorgenommen und grundsätzliche Fragen geklärt hatte, trat auch die große Expertenkommission am 4. Mai 1908 in einer ersten von insgesamt 27 Sitzungen, die sich über 3 Sessionen – die erste vom 4. bis 12. Mai 1908, die zweite vom 12. bis 23. Oktober 1908 und die dritte vom 1. bis 10. März 1909 – erstreckten, um 16.00 Uhr im Ständeratsaal zu Bern zusammen.277 Angesetzt waren zwei Sitzungen täglich, eine morgens von 08.00 bis 12.00 Uhr, die andere nachmittags von 15.00 bis 18.00 Uhr.278 Am ersten Sitzungstag waren anwesend die Herren Huber, Burckhardt, Béguelin, Bertoni, Brüstlein, Bühlmann, Decoppet, Gobat, Grenier, Hitzig, Hoffmann, Honegger, Jäger, Isler, Keller, Lang, Laur, Loretan,279 Martin, Meili, Oser, Planta, Rossel, Rutty, Scherrer-Füllemann, Scheidegger, Schindler, Schmid, Wieland, Wirz und der Vorsitzende Bundesrat Forrer, der die Verhandlungen der Kommission mit einigen 273 BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts, S. 2 ff. 274 BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts, S. 5. 275 BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts, S. 5. 276 BArch 22/2112, Protokoll der Konferenz vom 29.02.1908 über das Vorgehen bei der Revision des Obligationenrechts, S. 5. 277 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 1. Sitzung, S. 1. 278 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 1. Sitzung, S. 1. 279 Nationalrat Gustav Loretan sollte ursprünglich Mitglied der Expertenkommission werden. Siehe hierzu BArch 22/2113, Bereinigtes Verzeichnis der Mitglieder der Expertenkommission für die Revision des schweizerischen Obligationenrechts, S. 1. Schlussendlich wurde er jedoch kein (dauerhaftes) Mitglied der Kommission. Am ersten Sitzungstag war Loretan dennoch anwesend. Siehe hierzu BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 1. Sitzung, S. 1.

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einleitenden Worten hinsichtlich des Standes der bisherigen Arbeiten bei der Revision des OR eröffnete.280 Noch bevor die Kommission unter dem Vorsitz Forrers in der ersten Session mit der Beratung der einzelnen Artikel des Allgemeinen Teils des OR beginnen sollte, warf Huber die Frage auf, welchen Gesetzestext die Kommission als Beratungsgrundlage heranzuziehen beabsichtige. In Betracht kam zum einen der bundesrätliche Entwurf von 1905, der bereits Änderungen am geltenden aOR beinhaltete, sowie zum anderen eine Fassung des geltenden aOR.281 Nachdem mehrere Kommissionsmitglieder überwiegend für die letztgenannte Alternative plädiert hatten, verzichteten auch die Widersacher dieses Ansatzes, beispielsweise Professor Meili, mit „Rücksicht auf die gefallenen Voten“ darauf, eine Abstimmung herbeizuführen, und erklärten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden.282 Ausgehend von Art. 1016 nahm die Kommission die Detailberatung der einzelnen Artikel des OR auf. Vor Beginn der jeweiligen Sitzungen referierte in der Regel Huber einleitend über die zu behandelnde Rechtsmaterie und diesbezüglich vorgenommene Änderungen sowie neu eingegangene Änderungsanträge, ehe sich die Kommissionsmitglieder ebenfalls äußerten und eigene Vorschläge einbrachten, über die das gesamte Gremium debattierte und anschließend abstimmte.283 Bei Stimmengleichheit entschied der Vorsitzende, zumeist Bundesrat Brenner284, per Stichentscheid, welchem Antrag der Vorzug zu gewähren war.285 Die erste der drei abzuhaltenden Sessionen im März 1908 beinhaltete somit Beratungen hinsichtlich des gesamten Allgemeinen Teils des OR, während die Kommission den Besonderen Teil der Obligationen erstmals in der zweiten Session in der Zeit vom 12. bis 23. Oktober 1908 thematisierte, wobei die Verhandlungen grundsätzlich dasselbe Muster aufwiesen.286 Aufgrund der zu behandelnden Rechtsmaterie verliefen die Beratungen jedoch  – wie bereits in der ersten Revisionsphase – intensiver und kontroverser und die Kommission griff vermehrt 280

BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 1. Sitzung, S. 1. 281 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 1. Sitzung, S. 1 f. 282 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 1. Sitzung, S. 2. 283 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909. 284 Bundesrat Brenner übte während der gesamten III. Session regulär den Vorsitz der Kommission aus. Während des Präsidialjahres 1908 übernahm er als Bundespräsident in einigen Sitzungen den Vorsitz als Stellvertreter des Bundesrats Forrer. Siehe hierzu BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session. 285 Siehe hierzu etwa BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 10 f., II. Session, 12. Sitzung, S. 8, III. Session, 22. Sitzung, S. 11, 14. 286 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session; BArch 22/ 2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909 II. Session.

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auf Forderungen und Anträge aus den verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen zurück. Bei besonders wichtigen Themenfeldern, wie beispielsweise dem Dienstvertragsrecht, musste sogar – um die zeitliche Bewältigung sicherzustellen – auf ein einleitendes Referat Hubers verzichtet und umgehend auf die verschiedenen Anträge eingegangen werden.287 Aufgrund der gesammelten Materialfülle und der gesellschaftspolitischen Relevanz der Rechtsmaterie widmete die Expertenkommission auch den größten Teil ihrer Arbeitskraft – wie es bereits die Langenthaler Kommission tat – der Revision des Dienstvertragsrechts. Von den insgesamt 27 Sitzungen betrafen allein acht den Dienstvertrag.288 Vergleicht man den generellen Sitzungsablauf in den Jahren 1908/1909 mit den Verhandlungen der kleineren Spezialkommission von 1904, wird deutlich, dass die Diskussionen der Expertenkommission sowohl hinsichtlich des Allgemeinen Teils als auch der einzelnen Vertragsverhältnisse kontroverser und zeitintensiver abliefen. Augenscheinlich offenbarte sich die gesteigerte Diskussionsbereitschaft der Kommissionsmitglieder, gerade auch der neuen Gruppe der Interessensvertreter, anhand der bedeutsamsten Rechtsmaterie, dem Dienstvertragsrecht. Die Kommission hatte sich dabei mit den zahlreichen eingegangenen Anträgen von gesellschaftlicher Seite289 sowie den beigefügten, auf der Dienstvertragsrechtskonzeption Lotmars beruhenden Gesetzesnormierungsvorschlägen der Sozialdemokratischen Partei290 zu befassen, die allen voran Brüstlein und Lang in die Verhandlungen einbrachten und mit Vehemenz vertraten. Insgesamt setzte sich die Kommission sowohl was die Anzahl der Sitzungen (22 zu 27) angeht als auch mit Blick auf die Dauer der Tagungen ausführlicher mit dem OR auseinander als es noch in Langenthal der Fall war. Nicht selten war Bundesrat Brenner als Vorsitzender angesichts der Gefahr ausufernder Diskussionen sogar dazu angehalten, Sitzungen abzubrechen, zu unterbrechen oder zu vertagen und die Problematik in einer neuen Session wieder aufzugreifen.291 Speziell im Besonderen Teil des OR nahm die Besprechung einzelner Abschnitte oftmals mehr als nur eine Sitzung in Anspruch. Im Jahre 1904 hingegen hatte sich die Bereitschaft, den Grundgehalt der eingereichten Revisionsvorlage anzutasten, noch nicht gezeigt. Bei den Verhandlungen in Langenthal blieb der von Huber eingereichte Entwurf nicht selten unbehandelt und wurde damit bestätigt. Der großen Expertenkommission war daran gelegen, die Großzahl der Vorschriften des OR zumindest einmal durchzusprechen und Vorschläge aus dem Kommissionsinternum oder von externer Seite in 287 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 18. Sitzung, S. 1. 288 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (742). 289 Vgl. BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 18. Sitzung, S. 1. 290 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908. 291 Siehe etwa BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 20. Sitzung, S. 13; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 23. Sitzung, S. 14.

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Erwägung zu ziehen. Nur noch etwa ein Fünftel der gesamten Vorschriften des OR bestätigte die Kommission der Vorlage entsprechend, ohne in die Diskussion einzutreten. 1904 waren es noch rund zwei Drittel gewesen. An diesen Diskussionen beteiligten sich Vertreter der Lehre, der Praxis sowie der Interessensverbände rege und versuchten, ihren jeweiligen Anliegen zur Durchsetzung zur verhelfen. Gerade die Gruppe der Interessensverbände brachte sich vornehmlich bei den Themen des Besonderen Teils des OR ein, wenn und soweit Klientelsinteressen betroffen waren. Die Professoren wiederum diskutierten schwerpunktmäßig den Allgemeinen Teil. Im Besonderen Teil und vor allem in Bezug auf den Dienstvertrag waren bis auf Hubers Voten sowie die lebhafte Teilnahme Osers (30 Beiträge) deutlich geringere Impulse aus dem Professorenkolleg zu vernehmen. Gerade in dieser dritten Session hatten sich einige der Professorenmitglieder der Kommission, Meili, Martin und Hitzig entschuldigen lassen und blieben den Verhandlungen fern.292 Insgesamt lassen sich 626 Wortmeldungen den Professoren, 1111 den sonstigen Mitgliedern – zumeist aus der Rechtspraxis – und 207 der dritten Gruppe der Interessensverbände zuordnen. Richtet man den Blick auf die Ergebnisse der intensiv verlaufenen Debatte, so lässt sich feststellen, dass die Kommission trotz der gesteigerten Diskussionsbereitschaft im Ergebnis doch zumeist am status quo festhielt. Die gestellten Anträge der Kommissionsmitglieder fanden im Allgemeinen mehrheitlich Ablehnung. Solch negative Abstimmungsresultate ließen sich primär betreffend die Änderungsvorschläge der Vertreter der Berufsverbände sowie die Forderungen der Sozialdemokraten Lang und Brüstlein ausfindig machen. Möchte man konkrete Einzelpersonen, die den Beratungsverlauf entscheidend geprägt haben, herausgreifen, so ließen sich diese im Kreis der Sozialdemokratischen Partei vorfinden. Besonders hervorzuheben ist Brüstlein, der aktiv an den Beratungen der Expertenkommission mitwirkte. Neben wenigen anderen Mitgliedern war Brüstlein in jeder der 27 Sitzungen anwesend und kam insgesamt auf 232 Wortbeiträge.293 Damit äußerte er sich nach Huber, der als Gesetzesredaktor und Referent eine Sonderstellung bekleidete und aufgrund seiner zahlreichen und ausführlichen einleitenden Referate mit 300 Beiträgen den insgesamt größten Redeanteil innerhalb der Kommission innehatte, am häufigsten. Brüstlein konnte mehr als doppelt so viele Beiträge wie die sich ebenfalls aktiv zeigenden Professor Oser mit 98, Ständerat Isler mit 97, Bundesrichter Jäger mit 67 und Parteigenosse Oberrichter Lang mit 63 Beiträgen für sich verbuchen. Oftmals nahm Brüstlein dabei auch nicht nur an einer von anderen Mitgliedern lancierten Diskussion teil und besprach deren Visionen. Vielmehr stellte er proaktiv zahlreiche eigene Anträge. Brüstleins Vorschläge waren zwar teilweise lediglich redaktioneller Natur. 292

BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 18. Sitzung, S. 1. 293 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, Sessionen I bis III, Sitzungen 1 bis 27.

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Nicht selten zielten seine Einzelanträge, Eventualanträge sowie Amendements jedoch auch auf materielle Änderungen des bestehenden Gesetzestextes ab. Zumeist beabsichtigte Brüstlein, in Rechtsgebieten wie dem Mietrecht oder hauptsächlich dem Dienstvertragsrecht, das bestehende Gesetz zu ergänzen und die Vertragsfreiheit des wirtschaftlich Stärkeren durch zwingende gesetzliche Fixierungen zugunsten der schwächeren Partei zu beschränken. Die übrigen Kommissionsmitglieder lehnten Brüstleins Anträge zwar im Gros ab.294 Mitunter erkannte auch Brüstlein selbst die Undurchsetzbarkeit seiner Eingaben und entschloss sich, die Anregung zurückzuziehen.295 Als eines von nur zwei Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei in der großen Expertenkommission übernahm er die undankbare Aufgabe, die Interessen seiner Partei, die sich insbesondere durch die von Lotmar formulierten Vorschläge auszeichneten, in die Diskussion einzubringen und mit Nachdruck zu vertreten. Die numerische Unterlegenheit der Sozialdemokraten in der Expertenkommission war schlussendlich ausschlaggebend für die geringe Erfolgsquote der Anträge Brüstleins. Immerhin gelang es ihm, die Forderungen in die Diskussion einzubringen und nicht selten umstrittene Debatten auszulösen.296 3. Ergebnis der Verhandlungen der Expertenkommission: Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 1. Juni 1909 a) Allgemeines Am 1. Juni 1909 berichtete der Bundesrat an die Bundesversammlung betreffend die Revision und ergänzte somit in einem Nachtrag seinen Botschaftsentwurf vom 3. März 1905.297 Nachdem das EJPD in Ausführung des Auftrages der schweizerischen Bundesversammlung eine „große Expertenkommission“ eingesetzt hatte, unterbreitete nunmehr der schweizerische Bundesrat, der sich den Entwurf der Expertenkommission zu eigen gemacht hatte, den eidgenössischen Räten in jenem Schreiben das Ergebnis der Beratungen dieser Kommission.298 Diese führten zu einer weitaus umfangreicheren Modifikation des geltenden aOR als beispielsweise

294 Ein exemplarisch hervorzuhebender, abgelehnter Antrag Brüstleins war die Forderung nach einem Zusatz zu der umstrittenen Vorschrift des Art. 1381. BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 20. Sitzung, S. 9. 295 Brüstlein zog etwa seinen Antrag zu Art. 1036, bei welchem er einen Nichtigkeitspassus statuieren wollte, zurück und schloss sich dem von Huber vorgeschlagenen Rücktrittsystem an. BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 7. 296 Beispielhaft für diese Annahme sind abermals die Anträge Brüstleins zu Art. 1036 und Art. 1381 anzuführen, die längere Debatten in der Expertenkommission auslösten. BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 6 ff.; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 20. Sitzung, S. 9 ff., 21. Sitzung, S. 1 ff. 297 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (725 f.). 298 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (727).

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noch im Entwurf vom 3. März 1905 vorgesehen war.299 Die Expertenkommission entschied sich, wie bereits zuvor befürwortet, das gesamte OR als fünften  Teil einem einheitlichen ZGB einzuverleiben – jedoch unter Aussonderung einiger handelsrechtlicher Institute.300 Im Vergleich zum Entwurf von 1905 – unter anderem –, um dem zeitlichem Druck gerecht werden und das Inkrafttreten des revidierten OR zum 1. Januar 1912 sicherstellen zu können, erweiterte die Kommission die Extraktion jener Rechtsvorschriften auf Regelungen über die Kollektiv- und Kommanditgesellschaft, über die Wertpapiere, das Handelsregister, die Geschäftsfirmen und die Geschäftsbücher.301 Diese Rechtsmaterien sollten zunächst von der Revision ausgeschlossen werden und bis zu einer zeitnah anvisierten erneuten Revision in Gestalt des aOR selbstständig neben dem ZGB weiterbestehen.302 Ob die nichtrevidierten Kapitel in Zukunft dem ZGB angefügt oder in Spezialgesetzbüchern geregelt werden sollten, stellte die Kommission noch zurück und überließ diesen Entschluss dem späteren Revisionsgesetzgeber.303 Das Expertengremium begründete diese Sachentscheidung unter anderem damit, dass bei diesen Themenfeldern keine akute Dringlichkeit hinsichtlich einer Revision bestand und der Handelsverkehr durchaus ohne Nachteil mit den geltenden Rechtssätzen auszukommen vermochte.304 Die Kommission fasste letztlich also den Entschluss, nahezu das gesamte handelsrechtliche System vorerst von der Revision auszuschließen, jedoch – und das betonte der bundesrätliche Bericht vom 1. Juni 1909 in aller Deutlichkeit – weiterhin nicht mit dem Ziel, ein eigenes Handelsrecht zu schaffen.305 Vielmehr sollte das revidierte OR einerseits auch künftig Bestimmungen über Kaufleute beinhalten, andererseits sollten die nichtrevidierten handelsrechtlichen Vorschriften dem bürgerlichen Verkehr nach wie vor offen bleiben.306 System und Redaktion der einzelnen Vorschriften bestätigte die Kommission hingegen überwiegend, und der Bundesrat verwies auf die Ausführungen der bundesrätlichen Botschaft von 1905.307

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Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (728). So auch Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1985. 300 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (728 f.). 301 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (728 f.). 302 Giovanoli, ZSR n. F. 61 (1942), 1 (8 f.). 303 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (729). 304 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (729). 305 Ein Institut mit handelsrechtlichem Bezug, welches weiterhin Teil des Obligationenrechts im neuen Zivilgesetzbuch sein sollte, war bspw. die Handelsvollmacht. Siehe hierzu Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (728 ff.). 306 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (730). 307 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (730).

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b) Materielle Änderungen Materielle Änderungen erfuhr vor allem der Besondere Teil des OR. Während die Expertenkommission hinsichtlich der allgemeinen Bestimmungen insgesamt weniger Anlass für Abweichungen zum bundesrätlichen Entwurf von 1905 gesehen hatte,308 behandelte sie die einzelnen Vertragsverhältnisse nochmals ausführlich (zwei der drei Sessionen) und nahm zahlreiche Änderungen vor.309 Die Kommission nahm dabei unter anderem Regelungen über den Mäklervertrag neu in das OR auf und normierte nunmehr eine Rechtsmaterie bundesrechtlich, die im Entwurf von 1905 noch über die Verweisung aus Art. 1401 dem kantonalen Recht vorbehalten war.310 Da das aOR einer vollständigen Regelung bisher entbehrte, griffen Huber und die weiteren Mitglieder zur Normierung dieses Rechtsinstituts auf die Normen des deutschen BGB zurück und übernahmen diese vollständig und überwiegend wortgleich.311 An diesem Verfahren zeigt sich erneut, wie das deutsche Recht die Revisionsarbeiten beherrschte und beeinflusste. Die vollständige Adaption der Regelungen der §§ 652–655 BGB stand sinnbildlich für den Einfluss, den die neue deutsche Privatrechtskodifikation auf die Revision des schweizerischen OR hatte. Gerade bei Materien, die in der Schweiz bundesrechtlich gänzlich ungeregelt waren, zeigte sich dieses Bild besonders deutlich. Während die Gesetzgebungsakteure nämlich bei bereits eidgenössisch kodifizierten Instituten der vollständigen Aneignung des deutschen Systems sowohl in der ersten Phase der Revision als auch bei den Beratungen der Expertenkommission 1908/1909 mitunter skeptisch und reserviert gegenüberstanden,312 vertrauten sie bei neu hinzugefügten Normenkomple 308 Dennoch seien an dieser Stelle exemplarisch einige Änderungen im Allgemeinen Teil des OR aufgelistet: Bei Artikel 1036 wurde eine einjährige Frist, sich vom Vertrag lösen zu können, statuiert; die Vorschriften über die Schuldübernahme der Art. 1205 ff. passte die Kommission redaktionell an und unterschied die verschiedenen Personenbeziehungen genauer; im Abschnitt betreffend die Folgen der Nichterfüllung eines zweiseitigen Vertrages schlug die Kommission weitere Veränderungen in Bezug auf Zwangsvollstreckung, Rücktritt und Schadensersatz vor. Siehe hierzu insgesamt Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (732 ff.). 309 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (738). 310 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (753). 311 Vgl. Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (753). 312 Institute, bei denen die Kommission die Übernahme der Regelungen des BGB zwar thematisierte, letztlich aber ausdrücklich ablehnte, waren etwa: Der Auftrag, der auch nach revidiertem schweizerischen Recht weiterhin sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Tätigkeiten umfassen sollte. Siehe hierzu BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 26. Sitzung, S. 8. Auch die Schaffung einer allgemeinen Vorschrift nach dem Vorbild des § 119 BGB diskutierte der Expertenkreis, verwarf die Idee allerdings. Siehe hierzu BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 9 f. In Bezug auf den Gefahrübergang bei Kaufverträgen entschied sich die Kommission dafür, das bisherige schweizerische Modell beizubehalten und weiterhin eine zum deutschen Recht divergierende Regelung, die den Gefahrübergang nicht erst bei Eigentumsübergang bzw. Übergabe (§ 446 BGB) festsetzt, zu normieren. Siehe BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 9. Sitzung, S. 2 ff.

III. Zweite Etappe 1908/1909 

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xen – womöglich auch dem Zeitdruck geschuldet – nicht selten nahezu vollständig den Regelungen im deutschen Recht.313 Zwar hatten Huber und seine Wegbegleiter stets postuliert, eine völlige Umwälzung des geltenden Rechts, die eine unvermeidbare Folge einer Anlehnung der Gesetzgebung an das deutsche BGB gewesen wäre, vermeiden zu wollen.314 Dennoch waren die Neuerungen des Nachbarrechts bei den Verhandlungen der Expertenkommission omnipräsent und lieferten Material zum Disput sowohl in Bezug auf ein potenzielles Nachahmen wie auch ein Andersverfahren. Gerade in der zweiten Phase der Revision intensivierte die Expertenkommission den Umgang mit dem deutschen Gesetzbuch aufgrund der materiell weitreichend(er)en Revisionsbestrebungen und forcierte damit eine größere Übereinstimmung der Regelungen des OR mit dem deutschen Schuldrecht.315 Mit der Präsenz des deutschen Rechts ging jedoch auch die Problematik einher, die beiden sich gegenüberstehenden Rechtssysteme widerspruchsfrei miteinander in Einklang bringen zu müssen. Zu beurteilen, inwieweit der schweizerische Gesetzgeber auf das deutsche Recht rekurrieren konnte und wann er einen solchen Rekurs besser unterlassen sollte, gestaltete sich mitunter als schwierig. Bei einigen Normen – sei es, weil die Kommission Zeit sparen wollte oder weil sich die Regelungen im deutschen Reich bewährt hatten – hielt die Kommission einen Rückgriff auf das deutsche Regelungsregime prinzipiell für opportun. Es galt jedoch stets sorgfältig zu untersuchen, ob die entsprechenden Rechtsinstitute aufgrund ihres spezifisch schweizerisch-rechtlichen Charakters einem Zugang des deutschen Rechts verschlossen waren oder ob eine Annäherung an das deutsche Recht grundsätzlich möglich war. So lagen Fälle vor, in denen das BGB, beispielsweise in Bezug auf das Auftragsrecht, zwar ein überzeugendes und von anderen Vertragsarten trennscharfes Regelungsregime vorhielt, jedoch dem schweizerischen Recht (aufgrund der zwingenden Unentgeltlichkeit des Auftragsverhältnisses im deutschen Recht) fremd und eine Angleichung allein deshalb unmöglich war.316 Mitunter sah sich die Revision des schweizerischen OR daher auch der Kritik ausgesetzt, dass der Gesetzgeber bei der Berücksichtigung des deutschen Rechts an einigen Stellen nicht gründlich genug vorgegangen sei und dadurch sowohl terminologische als auch materiell-rechtliche Unstimmigkeiten im Schweizer Recht hervorgerufen habe.317 Weitere materielle Änderungen betrafen unter anderem das Kaufvertragsrecht, bei welchem die Expertengruppe eine Gewährleistungspflicht auch für Rechts 313 Als weitere Institute, die beispielhaft für diese Auffassung stehen, sind Schenkung und Schuldübernahme zu nennen. 314 Siehe hierzu BArch 22/2106, Bericht über die Anpassung und Revision des Obligationenrechts, 1904, S. 8. 315 Vgl. Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965, S. 154 f. 316 In der Schweiz war die Unentgeltlichkeit anders als im deutschen Reich keine konstitutive Tatbestandvorrausetzung des Auftrages (Art. 394 OR). Siehe auch Merz, in: Guhl (Hrsg.), Das Schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl. 1980, § 49 S. 459. 317 von Tuhr, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1942, S. 280.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

mängel statuierte.318 Daneben nahm die Kommission die 1904 noch zurückgestellte Viehgewährleistung in das OR auf und vereinheitlichte dieses auch und gerade für den Wirtschaftsverkehr bedeutsame Rechtsinstitut endlich.319 Ausführlicher behandelt320 (mehr als eine ganze Sitzung), letztlich dennoch nur geringfügig modifiziert wurde das Miet- und Pachtvertragsrecht. Auch bei diesen Rechtsmaterien gestaltete sich in der zweiten Phase zumindest der Beratungsverlauf intensiver. Im Ergebnis hielt die Kommission jedoch – wie bereits 1904/1905 – überwiegend an den bereits im aOR bestehenden Rechtsnormen fest.321 Zwar schuf das Gremium insgesamt ein etwas fortschrittlicheres und sozialeres Mietrecht.322 Der materielle Gehalt und die Regelungsdichte der mietrechtlichen Vorschriften erfuhren letztendlich jedoch keine substanziellen Veränderungen und die Experten beschränkten sich bei den wenigen Neuerungen auf die Integration einer etablierten Rechtsprechung.323 Daneben erlebte auch das Dienstvertragsrecht weitere Einschnitte. Die Kommission nahm bei dieser Rechtsmaterie im Vergleich zur ersten Phase der Revision fünf weitere Normen in das OR auf und dehnte das Dienstvertragsrecht auf insgesamt 41 Artikel aus.324 Von der Kommission gänzlich unbehandelt und demnach dem Entwurf von 1905 entsprechend beibehalten werden musste die Schenkung, da bereits die eidgenössischen Räte diese Rechtsmaterie im Zusammenhang mit den Schlussbestimmungen zum ZGB abgeschlossen hatten.325 4. Fazit zur zweiten Etappe der Revision Während die erste Revisionsetappe, insbesondere die Verhandlungen der Langenthaler Spezialkommission, zurückhaltend verlief und sowohl die Diskussionsbereitschaft als auch die letztlich vereinbarten Änderungen am geltenden Recht betreffend wenig innovativ war, erwies sich die zweite Phase der Revision jedenfalls als brisanter. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Verhandlungen der Experten 318

Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (738). Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (738 f.). 320 Gegenstand intensiver Beratungen war z. B. die Norm des Art. 1304a, bei welcher Lang unter Verweis auf den Antrag des Zürcher Mietervereins anregte, eine Angleichung zu § 571 Abs. 1 BGB vorzunehmen. Siehe hierzu Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 9. Sitzung, S. 1 ff. 321 Rohrbach, Die Entwicklung des schweizerischen Mietrechts von 1911 bis zur Gegenwart, 2014, S. 1. 322 Eine fortschrittliche, mieterschützende Vorschrift, die bei der Revision von 1911/1912 in das neue OR aufgenommen wurde, war ein mieterschützendes, besonderes Rücktrittsrecht bei gesundheitsgefährdenden Mängeln in Art. 254 Abs. 3 OR. Siehe Rohrbach, Die Entwicklung des schweizerischen Mietrechts von 1911 bis zur Gegenwart, 2014, S. 1. 323 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 10. Sitzung, S. 13 bis II. Session, 11. Sitzung, S. 13; Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (740 ff.); Hausmann, Vertragsfreiheit im Schweizer Mietrecht von 1804 bis 2014 unter besonderer Berücksichtigung des Mietzinses, 2016, S. 108. 324 Ausführlicher zur Revision des Dienstvertragsrechts siehe D. I. 325 Siehe hierzu C. II. 6. 319

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kommission von 1908/1909 mehr Zeit – sowohl was die Anzahl der Sitzungen als auch deren Dauer betrifft – als das Pendant von 1904 in Anspruch nahmen. Auch ein Blick auf die personelle Organisation dieser zweiten Etappe expliziert die Erkenntnis der Revisionsakteure, dass eine weitgehend oberflächliche Behandlung, wie sie der Gegenstand der Beratungen in Langenthal war, keinesfalls genügen würde und der Akzeptanz des Gesetzbuches in der schweizerischen Öffentlichkeit entgegenstünde. Mit der Einberufung einer größeren und vor allem personell wie politisch diverseren Expertenkommission beabsichtigte die Organisatorengruppe um Brenner, Forrer und Huber, dem entgegenzuwirken und (wieder) Vertrauen in der Öffentlichkeit zu erwecken. Mitglieder der Kommission sollten nicht mehr ausschließlich Juristen überwiegend aus der Lehre, sondern vielmehr auch Vertreter aus dem Internum der Gesellschaft, etwa aus beruflichen Interessensverbänden sein, die die Vorstellungen der Öffentlichkeit unmittelbar in die Kodifikationsverhandlungen einbringen und damit den Diskurs anregen sollten. Gemessen an der Fülle des Diskussionsstoffes und den gesammelten Anträgen wäre es auch nicht verwunderlich gewesen, wenn das materielle Recht im Ergebnis sogar noch stärker tangiert worden wäre. Allerdings fehlte der Expertenkommission – bedingt durch die Entscheidung der Räte, das revidierte OR am 1. Januar 1912 in Kraft treten lassen zu wollen – auch die Zeit, die das Gremium benötigt hätte, um alle Anliegen hinreichend zu befriedigen und mit der erforderlichen Gründlichkeit in das neue Gesetz einzuarbeiten. Folgerichtig reagierte die Kommission ob des Zeitdrucks und schloss verglichen mit 1904/1905 zusätzliches (handelsrechtliches) Material von der Revision aus. Die Kommission versuchte also zumindest, schwerpunktorientiert zu arbeiten. Im Ergebnis fielen trotz der intensiveren Befassung der Experten mit dem materiellen Recht die Modifikationen am geltenden aOR – auch mit Blick auf die sozialen Entwicklungen in der Schweiz und die angetragenen und geäußerten Bedürfnisse der Interessensvertreter326 – somit dennoch eher gering aus. Der Revisionsgesetzgeber konnte in der zweiten Phase immerhin weitere Gesetzeslücken schließen und verglichen mit den dürftigen Ergebnissen von 1904/1905 einen Fortschritt gerieren. Auch was die Berücksichtigung des deutschen Rechts angeht, lässt sich in dieser zweiten Phase eine größere Präsenz des BGB bei der Behandlung und Diskussion des zu revidierenden Rechtsstoffes feststellen. Die Expertenkommission setzte sich intensiver mit dem deutschen BGB auseinander, um „namentlich in theoretischen Fragen, sich an dasselbe anzuschliessen“327 oder auch, um bewusst Abstand vom deutschen Modell zu nehmen und dem System des aOR treu zu bleiben.328 Im Vergleich zur Phase von 1904/1905 bemühte sich die Kommission zudem um eine (noch) eingehendere Befassung mit den ausländischen Rechtstexten, deren vollständige Angleichung sie kontinuierlich verfolgte.329 326

Siehe hierzu nachfolgend E. II. BArch 22/2111, Schreiben von Huber an Brenner vom 25. August 1909 betreffend eine Konferenz mit Rümelin, S. 1. 328 Vgl. hierzu auch Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965, S. 154. 329 BArch 22/2111, Korrespondenz zwischen Huber und Brenner vom 21. Mai 1909, S. 1. 327

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C. Die Revision des Obligationenrechts

IV. Beratung des schweizerischen Obligationenrechts in den eidgenössischen Räten und deren Kommissionen Nachdem der Entwurf der großen Expertenkommission mit Nachtrag zur Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905 am 1. Juni 1909 vorgestellt worden war, oblag es nun den eidgenössischen Räten, die endgültige Fassung des revidierten OR auszuarbeiten. Der Gesetzesentwurf vom 1. Juni 1909 war nicht bindend, sodass schlussendlich die schweizerische Bundesversammlung – nachdem sie durch ihren Beschluss im Jahr 1907 die zweite Phase überhaupt eingeleitet hatte – das Gesetzgebungsverfahren zu vollenden hatte. Dem von der Expertenkommission ausgearbeiteten Gesetzesentwurf widmeten sich demnach sowohl die national- und ständerätliche Kommission als auch das gesamte Kollegialorgan des National- und Ständerates. 1. Kommission des Nationalrates und Verhandlungen des gesamten Nationalrates Am 15. Juni 1909 hielt die nationalrätliche Kommission deshalb um vier Uhr nachmittags im Bundeshaus zu Bern zunächst eine erste von insgesamt 14 Sitzungen ab, in der sie das grundsätzliche Verfahren beschloss.330 Unter dem Vorsitz von Präsident Bühlmann stimmten die 14 anwesenden Mitglieder,331 zu denen auch Huber gehörte, dafür, den Beginn der Tagungen auf den 6. September 1909 zu terminieren und die Gesetzesvorlage zeitnah zu beraten.332 Als Tagungsort bestimmten die Mitglieder Heiden.333 a) Arbeitsweise der Kommission und Beratungsverlauf Nachdem die Kommission in Heiden zusammengetreten war, sprach sie das OR bereits in den ersten zehn Sitzungen vollständig durch. Anschließend unterbreitete Huber als Berichterstatter der Kommission die Ergebnisse dem gesamten Nationalrat, der ab dem 19. Oktober 1909 tagte.334 Einige kontroverse Einzelfragen wies das Kollegialorgan an die Kommission zurück, ließ diese im Oktober und November 330

BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 1. Sitzung, S. 1. Am ersten Sitzungstag anwesend waren: Präsident Bühlmann, Huber, Borella, Brüstlein, Büeler, Erni, Gobat, Häberli, Motta, Rutty, Scherrer-Füllemann, Studer, Sulzer und Wild. Ihre Abwesenheit entschuldigten die Herren Eugster, Iten, Planta, Rossel, Speiser und Brenner. Siehe hierzu BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 1. Sitzung, S. 1. 332 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 1. Sitzung, S. 1. 333 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 1. Sitzung, S. 1. 334 Vgl. die Sitzungen des Nationalrates im Oktober 1909. Siehe hierzu Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom Oktober 1909, S. 459. 331

IV. Beratung des schweizerischen Obligationenrechts  

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1909 in den (Kommissions-)Sitzungen elf bis vierzehn behandeln und anschließend in einer kurzen Wintersession im gesamten Nationalrat abschließen.335 Grundsätzlich unterschied sich der Beratungsverlauf in der nationalrätlichen Kommission nur geringfügig von demjenigen in den Expertenkommissionen. Chronologisch arbeitete das parlamentarische Gremium die einzelnen Artikel ab und thematisierte weitere, nach Ansicht der Kommission noch zu berücksichtigende Anträge aus gesellschaftlichen Kreisen sowie aus dem Internum der Kommission selbst. In diesem Zusammenhang hervorzuheben ist indes, dass die nationalrätliche Kommission nochmals verstärkt das deutsche BGB als Vorlage bemühte. Huber hielt nämlich infolge der Beratungen der Expertenkommission eine Konferenz mit Professor Max Rümelin ab und wandte sich an den „deutschen Fachmanne“336, der seinerseits infolge verschiedener Besprechungen der eidgenössischen Privatrechtsentwürfe auch auf dem Gebiet des schweizerischen Rechts bewandert war.337 Huber ersuchte Rümelin mit der Frage, ob bei bestimmten Rechtsinstituten ein Anschluss an das deutsche BGB nach theoretischen Gesichtspunkten, aber auch aufgrund bereits gemachter Erfahrungen in der Rechtsanwendung sinnvoll und erforderlich sei und bat zudem um Auskunft, falls der Entwurf von 1908/1909 noch wünschenswerten BGB-Materials entbehre.338 Hierdurch beabsichtigte Huber sicherzustellen, dass die Gesetzesrevision im schweizerischen Recht jedenfalls dasjenige verarbeitet hatte, was die Privatrechtswissenschaft basierend auf den gemachten Erfahrungen mit dem bereits bestehenden Gesetz im Deutschen Reich als gelungen ansah. Daneben sollte Rümelin herausfiltern, welche Neuerungen im BGB keinen Rechtsfortschritt mit sich brachten, damit der schweizerische Gesetzgeber auf eine Rezeption dieser Vorschriften verzichten konnte. Huber brachte schließlich die insgesamt 63 Anregungen Rümelins betreffend die zu modifizierenden, zu streichenden oder neu hinzuzufügenden Artikel in die Verhandlungen der nationalrätlichen Kommission ein.339 In der nationalrätlichen Kommission führten damit auch und gerade die Erfahrungen mit dem jungen BGB zu einer erneuten Überarbeitung und Weiterentwicklung der Gesetzesvorlage und zu neuen Erkenntnissen. Was insgesamt die Behandlung der einzelnen Artikel betraf, so war zumindest verglichen mit 1908/1909 auf weniger Titel einzugehen, und diese mussten weniger intensiv und kontrovers diskutiert werden. Vielmehr erklärte sich 335 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, Sitzungen 11 bis 14; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 7. Dezember 1909, S. 735; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 8. Dezember 1909, S. 755. 336 BArch 22/2111, Schreiben von Huber an Brenner vom 25. August 1909 betreffend eine Konferenz mit Rümelin, S. 1. 337 BArch 22/2111, Schreiben von Huber an Brenner vom 25. August 1909 betreffend eine Konferenz mit Rümelin, S. 1. 338 BArch 22/2111, Schreiben von Huber an Brenner vom 25. August 1909 betreffend eine Konferenz mit Rümelin, S. 1 f. 339 BArch 22/2111, Schreiben von Huber an Brenner vom 25. August 1909 betreffend eine Konferenz mit Rümelin, S. 1.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

die nationalrätliche Kommission bezüglich des Großteils der Materie mit dem in der Expertenkommission (oder bereits von der Langenthaler Spezialkommission) gefassten Entschluss einverstanden oder beantragte kleinere Veränderungen, ohne diese ausführlich zu verhandeln. Lediglich das Dienstvertragsrecht prägte auch die Verhandlungen der Kommission des Nationalrates sowie des gesamten Organs entscheidend. Zu diesem Thema hielt Huber  – anders als zum Beispiel bei den Verhandlungen der Expertenkommission 1908/1909 – ein längeres, einleitendes Referat, in dem er die Beweggründe für die bisher gewählte Regelung erläuterte.340 Nach den Verhandlungen der Langenthaler Kommission sowie der großen Kommission von 1908/1909 widmete die derzeitige Gesetzesvorlage der Rechtsmaterie fortan 41 statt bisher zwölf Artikel.341 In den Verhandlungen der parlamentarischen Kommissionen sowie der eidgenössischen Räte wurde diese Zahl, unter anderem durch rege Beteiligung Hubers begünstigt, auf insgesamt 44 Artikel ausgedehnt.342 Gerade auch die Rolle des Unifikators in Bezug auf das Dienstvertragsrecht wandelte sich im parlamentarischen Stadium der Revision. Während Huber zwar auch bei den Verhandlungen der Expertenkommissionen tonangebend war und die Ergebnisse der Kommission mitbestimmte, stand er im Nationalrat noch temperamentvoller und eindringlicher als Berichterstatter der nationalrätlichen Kommission für die Vorlage des Bundesrates vom 1. Juni 1909 inklusive der Modifikationen seiner Kommission ein.343 Sein „lebendiger Geist, seine ruhige und doch durchdringende Überzeugungskraft“344 offenbarte sich in diesen Verhandlungen besonders deutlich. Die politischen Kräfteverhältnisse entsprachen insgesamt allerdings auch in der nationalrätlichen Kommission denen der Expertenkommission. Die Sozialdemokratische Partei sandte nur einen Vertreter, Brüstlein, in die Nationalratskommission.345 Daher gelang es der sozialdemokratischen Seite auch bei den parlamentarischen Verhandlungen schlussendlich nicht, ihre Forderungen zum Dienstvertragstitel gegen insbesondere die Vertreter der mit Abstand stärksten Kraft, der Freisinnig-Demokratischen Partei, durchzusetzen. Das Dienstvertragsrecht erlebte sozialschutztechnische Regressionen und eine Abkehr von den Postulaten der Sozialdemokratischen Partei.346 b) Ergebnisse und Änderungsanträge Insgesamt stellte die Kommission des Nationalrates nach Abschluss ihrer Beratungen mit Schreiben vom 15. September 1909 noch zu etwa 115 Artikeln über 340

Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 25. Oktober 1909, S. 593 (593 ff.). Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 25. Oktober 1909, S. 593 (593). 342 Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 61 (61). 343 Eichholzer, Wirtschaft und Recht 1967, 144 (150 ff.). 344 Eichholzer, Wirtschaft und Recht 1967, 144 (150). 345 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 278. 346 Siehe hierzu näher auch die Ausführungen unter D. I. 341

IV. Beratung des schweizerischen Obligationenrechts  

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wiegend kleinere Änderungsanträge, die sowohl neu hinzugefügte oder gestrichene als auch redaktionelle und materielle Modifikationen bestehender Vorschriften zur Folge hatten.347 Zu den wichtigsten Änderungen der nationalrätlichen Kommission und des Nationalrates gehörten beispielsweise die Streichung von Art. 1058 Abs. 2, der entsprechend § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) eine absichtliche Verletzung der guten Sitten sanktionierte sowie wesentliche Modifikationen im Irrtumsrecht, allen voran Art. 1039 Abs. 1  Ziff.  4 (Grundlagenirrtum) sowie Art. 1042bis (Ausschluss des Reuerechts).348 Auch im Dienstvertragsrecht ließen sich vermehrt Änderungen am Entwurf von 1909 durch die nationalrätliche Kommission und den gesamten Nationalrat ausfindig machen.349 Nach den abschließenden Verhandlungen im gesamten Nationalrat beschloss dieser am 8. Dezember 1909 einstimmig mit 107 Stimmen die Annahme des Gesetzesentwurfes.350 2. Kommission des Ständerates und Verhandlungen des gesamten Ständerates Nachdem der Nationalrat den von der Expertenkommission ausgearbeiteten Gesetzesentwurf samt Modifikationen der nationalrätlichen Kommission durchgesprochen hatte, ließ das parlamentarische Gremium seine Ergebnisse anschließend der ständerätlichen Kommission zuleiten. Zur Beratung der neuen Revisionsvorlage versammelten sich daher ausgewählte Ständeratsmitglieder am 28. Februar 1910 im Stadthaus Zürich zusammen mit Bundesrat Brenner und Huber, der obgleich er Nationalratsmitglied war, auch in der Kommission des Ständerates in einleitenden Referaten die Modifikationen der Gesetzesvorlage im Vergleich zum geltenden OR vorstellte.351 Insgesamt waren an diesem ersten Sitzungstag zwölf Mitglieder des Ständerates, deren Präsident Hoffmann sowie die Herren Huber und Brenner zugegen.352 Der gesamte Ständerat behandelte das OR anschließend vom 13. bis zum 17. Juni 1910.353

347 Siehe hierzu BArch 22/2116, Anträge der Kommission des Nationalrates für die Revision des Obligationenrechtes vom 15. September 1909, S. 1 ff. 348 BArch 22/2116, Anträge der Kommission des Nationalrates für die Revision des Obligationenrechtes vom 15. September 1909, S. 1 f. Näher zu den relevanten Änderungen im Irrtumsrecht siehe zudem D. VI. 349 Näher siehe D. I. sowie Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 278 ff. 350 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 8. Dezember 1909, S. 755 (762). 351 BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 1. Sitzung, S. 1. 352 Am ersten Sitzungstag anwesend waren die Herren Hoffmann, Ammann, Calonder, Hildebrandt, Isler, Munzinger, Pettavel, Scherrer, Soldini, Steiger, Usteri, Winiger und Wirtz. Richard hatte sich für die gesamte Session entschuldigen lassen und bereits vorab einige Anträge an Präsident Hoffmann gestellt. Siehe BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 1. Sitzung, S. 1. 353 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom Juni 1910, S. 158.

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a) Arbeitsweise der Kommission des Ständerates und Beratungsverlauf Auch die Verhandlungen in der ständerätlichen Kommission verliefen nach bekanntem Muster. Sich am Gesetzesentwurf vom 1. Juni 1909 inklusive der Änderungen des Nationalrates orientierend, berieten die Mitglieder das OR in acht Sitzungen von Ende Februar bis Anfang März 1910.354 In der Regel besprach die Kommission die behandelten Rechtsmaterien in diesen acht Sitzungen abschnittsweise als Gesamtkonstrukt. Eine Detailberatung Artikel für Artikel erfolgte grundsätzlich nicht. Lediglich das Dienstvertragsrecht wertete die Kommission nach gemeinsamem Beschluss artikelweise355 aus, bestätigte es aber überwiegend.356 Der gesamte Ständerat stimmte dem Vorhaben der Kommission im Juni 1910 im Wesentlichen zu.357 Die (wenigen vom Ständerat) zurückgewiesenen Artikel verhandelte die Kommission noch am selben Tag in der 10. Sitzung vom 16. Juni nach, unterbreitete sie erneut dem gesamten Ständerat, der die neuen Anregungen am nachfolgenden 17. Juni schlussendlich akzeptierte.358 An diesem 17. Juni 1910 stimmte der Ständerat mit 27 Voten einstimmig der Annahme des Gesetzbuches zu.359 In einer nachfolgenden elften und letzten Sitzung der Kommission vom 23. Juni 1910 unterbreitete Präsident Hoffmann den Vorschlag, eine gemeinsame Sitzung mit den Mitgliedern der nationalrätlichen Kommission einzuberufen, um die Differenzen auszuräumen, dem die Kommission geschlossen zustimmte.360 b) Ergebnisse und Änderungsanträge Die Kommission des Ständerates und schließlich auch der gesamte Ständerat gingen ebenfalls überwiegend mit den Vorschlägen der bundesrätlichen Gesetzesvorlage sowie den an dieser Vorlage vorgenommenen Änderungen durch den Nationalrat konform. Die Kommission stellte eigene Redaktionsanträge zu insgesamt 69 Artikeln.361 Diese betrafen entweder Änderungen, Neufassungen oder Streichungen diverser Vorschriften. Einige Male bestätigte die Kommission die Vorschläge

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BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, Sitzungen 1 bis 8. Zu der Entscheidung, die Beratung auf diese Weise durchzuführen, siehe BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 1. Sitzung, S. 2 sowie 4. Sitzung, S. 2. 356 Änderungen betrafen z. B. den Tarifvertrag, Art. 1371 und Art. 1381. Siehe BArch 22/2117, Redaktionsvorschläge der Kommission des Ständerates vom 4. März  1910, S. 3 f.; BArch 22/2117, Redaktionsvorschläge der Kommission des Ständerates vom 8. März 1910, S. 1. 357 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 16. Juni 1910, S. 225. 358 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 16. Juni 1910, S. 225; BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 10. Sitzung; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 17. Juni 1910, S. 235 (241). 359 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 17. Juni 1910, S. 235 (241). 360 BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 11. Sitzung. 361 BArch 22/2117, Redaktionsvorschläge der Kommission des Ständerates vom 4. März 1910; BArch 22/2117, Redaktionsvorschläge der Kommission des Ständerates vom 8. März 1910. 355

IV. Beratung des schweizerischen Obligationenrechts  

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des Nationalrates, mitunter befürwortete sie aber auch die Regelungen der bundesrätlichen Vorlage ausdrücklich und kassierte die Modifikationen der nationalrätlichen Kommission. Zu den bedeutendsten Redaktionsanträgen der ständerätlichen Kommission gehörten etwa die Änderungen an Art. 1036 (Wuchertatbestand), dem Wiederaufnahmeantrag von Art. 1058 Abs. 2 (Verletzung der guten Sitten), Anträge zu Art. 1073 (Haftung des Werkeigentümers), welche die (zwischenzeitlich) durch die nationalrätliche Kommission statuierte Exkulpationsregelung betrafen, sowie Art. 1381 und 1381bis (Lohnfortzahlungsanspruch).362 Gerade die Norm des Art. 1381 wurde auch im Ständerat ausführlich beraten und insbesondere durch zahlreiche Vorschläge des Ständeratsmitglieds Paul Usteri nochmals einer eingehenden Untersuchung unterzogen und insgesamt im Vergleich zu den vorherigen Kommissionsanträgen weiter modifiziert.363 Auch das Plenum des gesamten Ständerates bestätigte die von Präsident Hoffmann vorgestellten Anträge und votierte für die Annahme des Gesetzesentwurfs in dieser Gestalt einstimmig mit insgesamt 29 Stimmen.364 3. Vereinigte Kommissionen zur Bereinigung der Differenzen Als nunmehr National- und Ständerat die Gesetzesvorlage vollständig durch­ beraten hatten, galt es in einem letzten Schritt, die noch ausstehenden Diskrepanzen auszuräumen, damit das OR pünktlich zum 1. Januar 1912 in Kraft treten konnte. Zur Bereinigung jener Differenzen betreffend das OR schlug der Präsident des Ständerates, Hoffmann, vor, wie bereits bei den Arbeiten am ZGB, zu einer gemeinsamen Beratung und Ausräumung zusammenzutreten.365 Diesem Vorschlag hatte die nationalrätliche Kommission zugestimmt und den 3. Oktober 1910 in Aussicht genommen.366 An jenem 3. Oktober 1910 versammelten sich die Mitglieder beider Kommissionen um 17 Uhr im Bundeshaus in Bern und verhandelten die Diskrepanzen hinsichtlich des OR in den folgenden Tagen in insgesamt fünf Sitzungen.367

362 BArch 22/2117, Redaktionsvorschläge der Kommission des Ständerates vom 4. März 1910, S. 1 f.; BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 2. Sitzung, S. 1. 363 Zu den Anträgen Usteris siehe BArch 22/2117, Anträge Usteri; BArch 22/2117, Neue Anträge Usteri vom 1. März 1910. Zur Beratung in der Kommission des Ständerates siehe BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 1 f. Zu der genauen Entwicklung der höchst umstrittenen Norm des Art. 1381 während des gesamten Revisionsprozesses siehe näher Gliederungspunkt D. I. 3. 364 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 17. Juni 1910, S. 235 (241). 365 BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 11. Sitzung, S. 1. 366 BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 11. Sitzung, S. 1. 367 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, Sitzungen 1 bis 5.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

a) Arbeitsweise und Beratungsverlauf Die vereinigten Kommissionen traten am 3. Oktober 1910 zu einer ersten von insgesamt fünf Sitzungen zusammen und besprachen noch offene Ungereimtheiten. Wie bereits in den vorherigen Stadien der Revision, hielt Huber die einleitenden Referate. Fortan sollten Nationalrat und Ständerat zunächst getrennt über die gestellten Anträge abstimmen, sodass sich aus den Abstimmungsergebnissen bereits ergab, ob die Kommissionen einen Konsens gefunden hatten.368 Am Ende der 5. Sitzung am 21. Oktober 1910 hatten die vereinigten Kommissionen das gesamte OR zu Ende beraten.369 b) Ergebnisse Nach Abschluss der Beratungen gelang es den vereinigten Kommissionen tatsächlich, die Divergenzen – mit Ausnahme der Norm des Art. 1073, der die Haftung des Werkeigentümers statuierte – vollständig auszuräumen und Einigkeit zwischen den Kommissionen der Räte zu erzielen.370 Ergebnis der Beratungen war dabei tendenziell vermehrt die Zustimmung der nationalrätlichen Kommission zur Auffassung des Ständerates.371 Besonderes Augenmerk legten die parlamentarischen Ausschüsse auf die endgültige Entscheidung zu Art. 1381 und 1381bis, welche die vereinigten Kommissionen in den Sitzungen drei bis fünf kontrovers behandelten.372 Im Differenzbereinigungsstadium einigten sich die Kommissionen schlussendlich auf Vorschlag Hubers darauf, allen bisherigen Kontroversen und vorläufigen Ergebnissen zum Trotz die Weiterentwicklung der Vorschrift zu verwerfen und sie wieder dem bis dahin geltenden Art. 341 aOR anzunähern.373 Neben der eigentlichen (materiellen) Differenzbereinigung besprachen die Rätekommissionen auf Anregung Hubers zudem, ob nicht die fortlaufende Nummerierung des revidierten OR im Anschluss an das neue einheitliche ZGB aufzugeben und dem OR stattdessen eine selbstständige Artikelzahl zuzuweisen sei.374 Ziel eines solchen Vorgehens war es, 368 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 1. Sitzung, S. 1. 369 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 3. 370 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 3. 371 Beispielhaft hervorhebenswert sind hierbei die Zustimmungen der nationalrätlichen Kommission zur ständerätlichen Fassung von Art. 1036 und 1058 Abs. 2; BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 1. Sitzung, S. 1 f. 372 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, Sitzungen 3 bis 5. 373 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 3. Siehe näher zu Art. 1381 zudem D. I. 3. 374 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 3.

V. Verabschiedung des endgültigen Gesetzestextes

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für jedermann deutlich hervorzuheben, dass das OR seit jeher eine Sonderstellung im Privatrecht einnahm. Daneben konnte es hierdurch problemfreier gelingen, den nichtrevidierten Teil dem revidierten harmonisch und lückenlos anzureihen.375 Nach kurzem Gedankenaustausch delegierten die vereinigten Kommissionen die endgültige Entscheidung hinsichtlich der exakten gesetzessystematischen Konnexität von OR und ZGB an die Redaktionskommission.376 Die Ergebnisse des Differenzbereinigungsverfahrens bestätigten sich schlussendlich auch in beiden Räten, in denen auch die letzte Differenz betreffend die Haftung des Werkeigentümers am 3. November 1910 ausgeräumt und damit die Behandlung des OR durch die Räte im November insgesamt abgeschlossen werden konnte.377

V. Redaktion und Verabschiedung des endgültigen Gesetzestextes und Inkrafttreten des revidierten Obligationenrechts am 1. Januar 1912 Mit Verabschiedung des Gesetzesentwurfes durch die eidgenössischen Räte stand dem Inkrafttreten des einheitlichen, das OR inkludierenden ZGB nichts mehr im Wege. In einem letzten Schritt musste der Gesetzestext lediglich noch redaktionell bearbeitet werden. Die hierzu einberufene Redaktionskommission begann ihre Arbeit schon vor der finalen Beratung des Entwurfs durch die Räte.378 Sie erledigte die Aufgabe in Bezug auf den französischen und deutschen Gesetzestext in drei Sitzungen – vom 18. September bis 1. Oktober 1910, vom 2. bis 7. Januar 1911 und vom 13. bis 14. März 1911.379 Neben der Fertigstellung der drei Rechtstexte hatte die Redaktionskommission die von den Kommissionen der Räte delegierte Entscheidung zu treffen, auf welche Weise das revidierte OR und der nichtrevidierte Teil des aOR mit dem neuen ZGB in systematischen Zusammenhang gebracht werden sollten.380

375 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 3. 376 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 3. 377 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 3. November 1910, S. 489; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 3. November 1910, S. 297. 378 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (845). 379 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 8 S. 153. 380 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (847).

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C. Die Revision des Obligationenrechts

1. Systematik des revidierten Obligationenrechts und Nummerierung der einzelnen Artikel Auseinanderzusetzen hatte sich die Redaktionskommission mit dem Vorschlag der Expertenkommission, der vorsah, den nichtrevidierten Teil des aOR als Spezialgesetz fortbestehen zu lassen, sowie einer Anregung der Kommission des Nationalrates.381 In der Bundesversammlung genoss der Ansatz Präferenz, sowohl den revidierten als auch den nichtrevidierten Teil des aOR dem ZGB mit fortlaufender Artikelzahl anzuschließen, jedoch für letzteren die Artikel des alten Textes in Klammern beizufügen.382 Die Redakteure entschieden letztlich, das OR dem ZGB anzufügen, aber neu zu nummerieren.383 Der nichtrevidierte Teil (des aOR) konnte dabei, obgleich er fortlaufend an den revidierten Teil angeschlossen war, seine bisherige Nummerierung behalten.384 Der Kommission gelang es nämlich im Zuge der Redaktionsarbeiten, die Artikelzahl des revidierten OR auf exakt dieselbe Anzahl der durch die Revision ersetzten Artikel des aOR zu reduzieren.385 „Das Obligationenrecht bildet, trotz der umfassenderen Revision, die es gegenüber der ersten Vorlage des Bundesrates erfahren hat, in seinen Grundzügen doch ein Gesetz, das um ein Vierteljahrhundert älter ist als das Zivilgesetzbuch. Es ist ein Gesetz, das seinen eigenen Ursprung auch für die Zukunft aufweisen und nie vollständig sich mit dem Zivilgesetzbuche verschmelzen wird. Es ist ein Gesetz, das sich eingelebt hat, dessen besondere Zitierung zur Übung geworden ist. Das Zivilgesetzbuch wird deshalb nicht unvollständig, wenn die Artikel des Obligationenrechtes besonders gezählt werden“386, lautete die auf die historisch bedingte Ausnahmestellung des OR und die ihm gegenüber zu erfüllende „Pietätspflicht“387 gestützte Begründung der Redaktionskommission.

381

Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (848 f.). 382 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (848 f.). 383 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (849). 384 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (849). 385 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (849). 386 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (849 f.). 387 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (850).

V. Verabschiedung des endgültigen Gesetzestextes

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2. Redaktion und Anpassung des französischen und italienischen Gesetzestextes an die deutsche Fassung Neben der Frage nach der exakten systematischen Eingliederung des OR in das neue ZGB sowie nach der Nummerierung seiner Artikel kam der Kommission auch und gerade die Aufgabe zu, dem dreisprachigen schweize­rischen OR endlich zu angemessener Kohärenz und Kongruenz zu verhelfen. Die redaktionelle Fertigstellung des revidierten schweizerischen OR kann daher nicht als reiner Formalismus angesehen werden. In einem Atemzug mit den unzureichenden Regelungen im Dienstvertragsrecht war die Redaktion des französischen und italienischen Gesetzestextes als größter Malus bei der Entstehung des aOR genannt worden. Der Redaktionskommission, die im finalen Stadium eine letzte Durchsicht der Gesetzestexte unternahm, oblag somit eine entscheidende Verantwortung. Es stellte ein Hauptanliegen dar, eine der wenigen gravierenden Schwächen des aOR auszumerzen und mit der Revision terminologisch einen Fortschritt im OR zu gerieren. Eine fortbestehende Inkongruenz der Gesetzestexte, die seinerzeit zu Rechtsverwirrung anstatt beabsichtigter kantonsübergreifender Rechtsklarheit in der Schweiz geführt hatte, sollte nunmehr tunlichst vermieden werden. Die Redaktion des französischen Textes besorgte Rossel, der sich während der gesamten Revisionsarbeiten intensiv mit der Anpassung des OR – insbesondere mit Blick auf die französische Gesetzesfassung – beschäftigt hatte. Rossel hatte bereits einige Jahre zuvor den Gesetzestext des übrigen ZGB ins Französische übersetzt.388 Auch in seinem anschließend erschienenen Kommentarwerk „manuel du droit civile suisse: Code (révisé) des obligations“ verwies Rossel auf die Notwendigkeit der Einheit der juristischen Sprache innerhalb aller drei Gesetzesversionen und die Bedeutung der sprachlichen Anpassung der französischen und italienischen Fassung während der Gesetzesrevision.389 Die Arbeit der Redaktionskommission bezog sich zunächst nur auf die französische und deutsche Gesetzesfassung.390 Mit der Aufgabe der Ausarbeitung des italienischen Gesetzestextes betraute das Justizdepartement die Herren Brenno Bertoni, Stefano Gabuzzi und Luigi Colombi bereits im Jahre 1905.391 Sie hatten nachfolgend in den verschiedensten Stadien an der Beratung des revidierten OR mitgewirkt und die Entwicklungen der Gesetzesfassungen nachverfolgt. Daher ließ der Nationalrat in Absprache mit Bundesrat Brenner diese für die redaktionelle Umarbeitung eingeteilten Herren ebenfalls zu den Beratungen der deutschen und französischen Redaktionskommission vom

388 Bbl., VI., 18. Dezember 1907, Bericht der Redaktionskommission des Zivilgesetzbuches vom 20. November 1907, S. 367 (368 f.). 389 Rossel, Manuel du droit civil suisse: Code (révisé) des obligations, Bd. 3, 1912, S. 13. 390 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (847). 391 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 8 S. 155.

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C. Die Revision des Obligationenrechts

September 1910 einladen.392 Anschließend übernahm Gabuzzi die Überprüfung des gesamten Textes.393 Nachdem er diese Aufgabe bewältigt hatte, trat schlussendlich die italienische Redaktionskommission zwischen dem 2. und dem 9. März 1911 zusammen und beriet die Vorlage in einem kleinen Gremium.394 3. Ergebnisse und Stellungnahme Vergleicht der Gesetzesleser die final verabschiedeten Gesetzestexte – insbesondere die französische und italienische Version – mit ihren Vorgängerfassungen von 1881/1883, ist eine signifikante Verbesserung zu konstatieren. Die drei Gesetzestexte in deutscher, französischer und italienischer Sprache sind mit Inkrafttreten des ZGB und revidierten OR von Gesetzgeberseite gleichmäßiger gewichtet worden. Gerade für die lediglich dürftig behandelte italienische Fassung der Vorgängerversion von 1881/1883, welcher der schweizerische Bundesrat nicht einmal offiziell denselben Wert wie der französischen und deutschen zugestanden hatte,395 ließ sich eine Sensibilisierung der Gesetzgebungsakteure vernehmen. Das starke und für die Rechtsanwendung bedenkliche Übergewicht der deutschen Version, wie es noch 1881/1883 bestanden hatte, war in dieser Intensität nicht mehr zu erkennen. Die Fassung des deutschen, französischen und auch italienischen Gesetzestextes war fortan kongruenter. a) Arbeit und Ergebnisse der Redaktionskommission Die Redaktionskommission für das revidierte OR widmete der sprachlichen Anpassung des Gesetzestextes nunmehr dieselbe Aufmerksamkeit wie bei der Entstehung des ZGB und stellte somit sicher, dass es zu keiner weiteren Vernachlässigung des französischen und italienischen Gesetzestextes kam.396 Huber und die deutschsprachige Redaktionskommission waren zwecks Harmonisierung der Gesetzestexte zu Kompromissen sowie zu einem elastischen Umgang mit der deutschen Fassung bereit und verhielten sich diesbezüglich keineswegs intransigent. Während der gesamten Revision sowie insbesondere in deren finalem Sta 392 BArch 22/2119, Schreiben des Kommissionspräsidenten Bühlmann an Brenner vom 23. Juni 1910, S. 1 f.; Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (847). 393 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (847). 394 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (847). 395 Bbl. 32. Jg. I., 24. Januar 1880, Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, S. 149 (149). 396 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (847).

V. Verabschiedung des endgültigen Gesetzestextes

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dium lassen sich redaktionelle Retuschen in großer Anzahl sowohl den deutschen als auch den französischen Text betreffend ausfindig machen. Mitunter passte der Gesetzgeber auch den deutschen Text an die Terminologie der französischen Version an, sodass keine Textgattung sich als reine Übersetzung der jeweils anderen darstellte.397 So sprach die deutsche Fassung des Art. 184 Abs. 1 OR anders als in ihrer Vorgängerversion von der Pflicht des Verkäufers, dem Käufer Eigentum zu verschaffen. Im aOR hatte der Verkäufer gemäß Art. 229 aOR „den Kaufgegenstand zu vollem Rechte und Genuße zu übergeben“, während die französische Version bereits 1881/1883 den Begriff Eigentum („propriété“) beinhaltete. Insgesamt waren die rein terminologischen Modifikationen am französischen Text – verglichen mit der deutschen Fassung – aufgrund der beabsichtigten Herstellung sprachlicher Übereinstimmung zwischen OR und ZGB allerdings zahlreicher.398 Der französische Gesetzestext erfuhr in einigen Punkten eine letzte Umgestaltung durch die Redaktionskommission. Von den insgesamt 551 Artikeln des revidierten OR übernahm die Redaktionskommission nur 121 Artikel wortgleich aus dem französischen Gesetzestext, den die eidgenössischen Räte vorgelegt hatten. Gleichwohl war die Redaktionskommission in Anbetracht des Umstandes, dass es sich beim OR um bereits geltendes Bundesrecht handelte, oftmals weit mehr gebunden und an einem konservativen Umgang mit dem bestehenden Recht zugunsten der Rechtssicherheit interessiert, als es etwa bei der Entstehung der übrigen Teile des ZGB der Fall war.399 Bei den Modifikationen handelte es sich daher in der Regel um nur unwesentliche, den materiellen Gehalt des Gesetzbuches nicht tangierende Änderungen. Nicht selten tauschte die Redaktionskommission einzelne Wörter aus, um die Gesamtterminologie im französischsprachigen OR zu simplifizieren. Etwa ersetzten die Redaktoren den Terminus „demeurent reservées“ konsequent durch „sont reservées“. Daneben lässt sich eine hohe Anzahl an kleineren Streichungen von Füllwörtern oder Wortwiederholungen mit dem Ziel der sprachlichen Vereinfachung durch die Redaktionskommission erkennen. Darüber hinaus versuchte die Redaktionskommission vermehrt, die Sätze des OR zu verkürzen und in diesem Zuge Neben- und Relativsätze nach Möglichkeit zu streichen. Insgesamt war der Großteil der redaktionellen Modifikationen marginal und kosmetischer Natur und hatte vereinfachenden Hintergrund. Immerhin ließen sich Fälle ausmachen, in denen die Kommission (Druck-)Fehler im Text bereinigte. So fügte die Redaktionskommission etwa in Art. 296 OR den Terminus „les parties ont le droit“ anstelle der fehlerhaften Vorgängerversion des Art. 1343bis ein, der die Wendung „les partie sont le droit“ enthielt. Neben der Berichtigung solcher Druckfehler beabsichtigte die Kommission auch im letzten Stadium, nachdem der Revisionsgesetzgeber bereits während der verschiedenen Revisionsetappen stetig Fortschritte erzielt hatte, 397 Vgl. in Bezug auf das (gesamte) ZGB Bbl., VI., 18. Dezember 1907, Bericht der Redaktionskommission des Zivilgesetzbuches vom 20. November 1907, S. 367 (370). 398 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (847). 399 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (846).

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C. Die Revision des Obligationenrechts

eine noch exaktere Anpassung des französischen Gesetzestextes an die deutsche Version: Im Kontext des Irrtumsrechts (Art. 27 OR) erwähnte bereits die deutsche Fassung der Bundesversammlung nur die unrichtige Übermittlung der Willenserklärung durch einen Boten (Art. 1043bis).400 Die französische Version hingegen beinhaltete noch die Worte „lorsqu’une des parties emploie un messanger“ und stellte damit explizit auch auf die Einsetzung des Boten ab. Im Rahmen der Redaktionsarbeiten strich und korrigierte die Kommission diesen Passus und forcierte hierdurch eine Angleichung an das deutsche Äquivalent. In Art. 347 OR konnte die Zeitangabe „Woche“ nach der Bereinigung durch die Redaktionskommission in der französischen Fassung mit „sept jours“ anstatt „huit jours“ (Art. 1392) umschrieben und auf diese Weise materiell-rechtlich harmonisiert werden. Art. 165 OR hatte in seiner französischen Ausformung ebenfalls eine Annäherung an das deutsche Pendant erfahren. Zwar hatte bereits die vorherige Fassung (Art. 1191) hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass für die Verpflichtung zu einer Abtretung keine (Schrift-)Form erforderlich war. Die französische Gesetzesfassung hatte den deutschen Begriff „formlos“ allerdings durch die ausdrückliche Verneinung eines Schriftlichkeitserfordernisses paraphrasiert. Durch den neuen Passus „aucune forme particulière“ (statt „la forme écrite n’est pas nécessaire“) etablierte die Redaktionskommission in der endgültigen Version eine noch präzisere und wortgleichere, wenngleich den materiellen Gehalt nicht substanziell beschneidende Übersetzung im OR-Text. Zurückgreifen konnte die Redaktionskommission auf die intensiven Vorarbeiten, zu denen bereits im Initiativstadium – allen voran durch Bundesrichter Soldan – angeregt worden war. Infolge der Beratungen des OR achteten die verschiedenen Kommissionen fortan während der einzelnen Phasen der Revision penibel auf die terminologische Arbeit am OR. Ergebnis dieser Gesamtarbeiten war eine verglichen mit dem aOR flächendeckendere Gesetzeskongruenz. Der Wert des geschriebenen Rechts des revidierten OR war somit, wenn und soweit er sich auf den französischen (und italienischen) Gesetzestext bezog, ein höherer als noch 1881/1883. Im aOR von 1881/1883 ließen sich zu viele, nochmals komprimiert anhand einiger Beispiele in der französischen Gesetzesfassung aufzuzeigende Fehlübersetzungen vorfinden: b) Exemplarische Darstellung bereinigter Übersetzungsfehler im französischen Text So betitelte der französischsprachige Gesetzgeber von 1881/1883 deutsche Wörter, die sich zwar ähneln, im Detail aber doch voneinander abweichen, teilweise mittels desselben Terminus. Ein prominentes Beispiel findet sich im Deliktsrecht. 400 BArch 22/2116, Anträge der Kommission des Nationalrates für die Revision des Obligationenrechtes vom 15. September 1909, S. 2.

V. Verabschiedung des endgültigen Gesetzestextes

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Das aOR verwendete den Begriff „faute“ sowohl für das Verschulden im Gesamten als auch fälschlicherweise für die Fahrlässigkeit als Unterform des Verschuldens. Im Zuge der Revisionsarbeiten konnte dieser Fehler korrigiert und der Begriff Fahrlässigkeit nunmehr mit „négligence“ (Art. 41 Abs. 1 OR) übersetzt werden. Ebenfalls im deliktischen Bereich titulierte das revidierte OR den „Begünstiger“ in Art. 50 Abs. 3 OR fortan passender als „receleur“ und nicht mehr als „fauteur“ („Täter / Komplize“). Den entscheidenden Anstoß hierzu hatten Rossel und Mentha bereits lange vor Revisionsbeginn gegeben.401 Dennoch erhielt die Langenthaler Kommission den Terminus „fauteur“ selbst im ersten offiziellen Botschaftsentwurf vom 3. März 1905 noch aufrecht,402 was symptomatisch für die bereits kritisierten, unbefriedigenden Ergebnisse und die unsaubere Arbeitsweise während der ersten Revisionsetappe steht. Bereits im Entwurf vom 1. Juni 1909 tauchte sodann die präzisere Formulierung „receleur“ auf.403 Ebenfalls vermehrt im Allgemeinen Teil des OR, mitunter aber auch im Nexus der besonderen Vertragsverhältnisse berichtigt werden musste die ungenaue Übersetzung für den deutschen Begriff „fällig“. Im aOR von 1881/1883 noch als „echu“ („verfallen“) bezeichnet und damit für die Rechtsanwendung höchst problematisch,404 wählten die Revisionsakteure um Rossel zwecks Harmonisierung mit der deutschen Fassung die juristisch sauberere Übersetzung „exigible“. Zwar im Zuge der Rechtsanwendung und Auslegung weniger virulent, dennoch ebenfalls nicht hinreichend kongruent waren die Bezeichnungen für den Begriff „selbstständig“. Die französische Gesetzesfassung im aOR enthielt den Passus „seul“ (etwa Art. 34 aOR), der Gegenstand Soldans und Rossels Kritik war.405 Im revidierten OR sollte der Begriff „selbstständig“ etwa entsprechend Rossels Empfehlung mit „indépendammente“ übersetzt werden.406 Abschließend kam es nicht mehr zu dieser angeregten Korrektur. Huber sah keine Notwendigkeit in der Beibehaltung des Art. 34 aOR und verbannte die Vorschrift gänzlich aus dem OR. Immerhin konnte hierdurch eine weitere ungenaue Textstelle im aOR aus dem revidierten OR exkludiert werden. Über die Ausbesserung derartiger Falschübersetzungen hinaus bot sich die Möglichkeit, den französischen Gesetzestext des aOR juristisch zu präzisieren. So lassen Passagen im Allgemeinen Teil, in denen die Vertragserfüllung lapidar mit „paiement“ umschrieben war, nicht auf eine hinreichend sorgfältige Übersetzungstätigkeit schließen. Die Vertragserfüllung, die – obgleich wohl regelmäßig – nicht begriffsnotwendig per Geldzahlung erfol 401 Mentha, Code fédéral des obligations (version française): critique de quelques articles, 1883, S. 7 ff.; Rossel, Journal des tribunaux 38. Jg. (1890), 625 (627). 402 Feuille fédéral, LVIIe année., II., 22. März 1905, Message du Conseil fédéral du 3 Mars 1905, S. 1 (79). 403 Feuille fédéral, LXIe année., III., 9. Juni 1909, Loi fédéral destinée à compléter le code civil suisse (droit obligations), S. 779 (792 f.). 404 Zur Kritik siehe Mentha, Code fédéral des obligations (version française): critique de quelques articles, 1883, S. 24. 405 Soldan, Le code fédéral des obligations suivi des lois fédérales sur la capacité civile, 1996, S. 10; Rossel, Journal des tribunaux 38. Jg. (1890), 625 (626). 406 Rossel, Journal des tribunaux 38. Jg. (1890), 625 (626).

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C. Die Revision des Obligationenrechts

gen muss, erhielt in der Revisionsfassung den korrigierten und exakteren Terminus „exécution“ (Art. 68 ff. OR). Neben den aufgezeigten Ungenauigkeiten entbehrte die französische Gesetzesübersetzung stellenweise der Vollständigkeit. Etwa enthielt die deutsche Textfassung Konkretisierungen gewisser (Rechts-)Begriffe durch Adjektive, Adverbien oder Präpositionen. Diese Zusätze, denen qualifizierende, charakterisierende und damit auch materiell-rechtliche Bedeutung zukam, suchte der Gesetzesanwender in der französischen Version vergebens: So fehlte in Art. 9 aOR der Begriff „contraire“, der im neuen Art. 11 OR etabliert werden konnte. Die deutsche Fassung hatte die Worte „wenn nicht etwas Anderes bestimmt“ enthalten. „Ortsgebrauch“ wiederum blieb zu unspezifisch nur als „usage“ (Art 309 aOR) bezeichnet. Auch die „angemessene Herabsetzung“ („rabais“ Art. 366 aOR) ließ neben weiteren hier nicht explizit angeführten Beispielen407 einen entsprechenden konkretisierenden Zusatz in der französischen Gesetzesfassung vermissen. Fortan erhielt der Ortsgebrauch die Bezeichnung „usage local“ (Art. 290 OR), während der Terminus „angemessene Herabsetzung“ – zwar entgegen Soldans Vorschlag „rabais équitable“ – durch die Worte „réduction convenable“ (Art. 375 OR) ergänzt, vervollständigt und präzisiert werden konnte. Wie die im hiesigen Kontext aufgezeigten Beispiele408 illustrieren, gelang – begünstigt durch die frühzeitigen und detaillierten Hinweise des Bundesrichters ­Soldan sowie der Professoren Rossel und Mentha – die Behebung von Gesetzesfriktionen sowie die Implementierung von besserer sprachlicher Gesetzeskongruenz in der Revisionsfassung. Zwar ist zu berücksichtigen und den Redaktoren des aOR zugutezuhalten, dass es betreffend diverse im Gesetzbuch in deutscher Sprache verwendete Ausdrücke an einem fremdsprachigen Äquivalent fehlte und beispielsweise die französische Sprache kein passendes Vokabular für die Begriffe „Wertpapiere“, „Wechselfähigkeit“, „Grundpfand“ oder „Faustpfand“ vorsah.409 Außerdem sei angemerkt, dass sich einige der Fehlübersetzungen spezifisch in Teilen offenbarten, die über eine Vielzahl an technischen Begriffen verfügten, mithin im handelsrecht­lichen Segment. Manche dieser bemängelten Übersetzungen im aOR, wie etwa „Vormänner“ als „endosseurs“ (Art. 761 aOR und OR), adressierten die Kommissionen demnach auch während der Revision nicht. Den gesamten dritten Abschnitt und damit die Titel 24 bis 33 klammerte die Expertenkommission von der Revision aus. Die Redaktionskommission um Rossel hatte hinsichtlich des nichtrevidierten Teils folglich nur die absolut notwendigen Veränderungen, wie

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Weitere Beispiele finden sich bei Soldan, Le code fédéral des obligations suivi des lois fédérales sur la capacité civile, 1996. Soldan verwies bei jedem Artikel darauf, ob und inwieweit die französische Fassung durch entsprechende Konkretisierungen zwecks Herstellung von Gesetzeskongruenz zu ergänzen war. 408 Die Liste der Ungenauigkeiten ließe sich verlängern. Weitere Nachweise finden sich bei Soldan, Le code fédéral des obligations suivi des lois fédérales sur la capacité civile, 1996; Mentha, Code fédéral des obligations (version française): critique de quelques articles, 1883; Rossel, Journal des tribunaux 38. Jg. (1890), 625. 409 BArch 22/2105, Soldan, Gutachten, S. 37 f.

V. Verabschiedung des endgültigen Gesetzestextes

99

veränderte Titel und Verweisungen, vorzunehmen.410 Dennoch konnten diverse gravierende Fehlübersetzungen, die im bürger­lichen Teil des aOR vorzufinden und eines modernen multilingualen Zivilrechts unwürdig411 waren, beseitigt werden. Trotz des generellen Fortschritts schlichen sich auch im revidierten OR Ungenauigkeiten ein. Ein prominentes Beispiel stellte der Dienstvertragsbegriff dar. In der deutschen Fassung als jener „Dienstvertrag“, im Französischen als „contrat de travail“ und im Italienischen als „contratto di lavoro“ bezeichnet, ließen die drei Gesetzesfassungen eine „klare Ausrichtung vermissen“412. Allerdings kamen solche Uneinigkeiten zumindest seltener vor und waren anders als 1881/1883 nicht auf einen per se stiefmütterlichen Umgang mit dem französischen und italienischen Gesetzestext zurückzuführen. Von Einzelfällen abgesehen, instituierten die Gesetzesurheber des revidierten OR demnach kongruentere und gleichwertigere Sprachfassungen. Im Fall des italienischen Textes, der erstmalig (annähernd) gleichrangigen Status erreicht hatte, stellt allein dieser Umstand bereits einen Meilenstein des revidierten OR dar.413 „Gibt im Übrigen das Gesetz eine Gleichwertigkeitserklärung ab, bedeutet das gerade, dass etwas hinsichtlich bestimmter für wichtig erachteter Charakteristika nicht gleich sein kann, sondern anders sein muss. Insofern ist die (formelle oder materielle) Identität mehrsprachiger Gesetze weder wünschenswert noch ein adäquater Ausdruck der Sachlage.“414 Absolute Gleichartigkeit war somit weder möglich noch beabsichtigt. Wie Professorin Claire Huguenin beschreibt, ist „[e]in modus der Übersetzung, bei welchem eine Sprache einer anderen bis zur Selbstaufgabe einverleibt wird, […] erstens artifiziell und zweitens kulturell und politisch unhaltbar“415. Das deutliche und ungesunde Übergewicht der deutschen Fassung des aOR von 1881/1883 und die hieraus resultierenden Friktionen konnte der Reformgesetzgeber hingegen weitgehend eliminieren.

410

BArch 22/2119, Schreiben des Kommissionspräsidenten Bühlmann an Brenner vom 23. Juni 1910, S. 2. 411 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Soldan, ZSR n. F. 19 (1900), 709 (710). 412 Hug, in: Juristische Abteilung der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften / St. Gallischer Juristenverein (Hrsg.), Stillstand und Fortentwicklung im schweizerischen Recht, 1965, S. 187 (218). Vgl. auch Oser / Schönenberger, in: Egger u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V, 2. Hbd., 2. Aufl. 1936, Vorb. Art. 319–362 Rn. 7. 413 Vgl. zur prinzipiellen Gleichwertigkeit der Gesetzestexte in Bezug auf das ZGB Tuor, Das Neue Recht, 1912, S. 33 ff. Tuor verweist allerdings auch darauf, dass der deutsche Gesetzestext des ZGB weiterhin am gründlichsten behandelt wurde und sich die Fehler häufiger in der französischen und vor allem italienischen Fassung wiederfanden. 414 Huguenin, RabelsZ 72 (2008), 755 (769). 415 Huguenin, RabelsZ 72 (2008), 755 (767).

100

C. Die Revision des Obligationenrechts

c) Soldans und Rossels Beitrag Zurückzuführen ist die 1911/1912 gewährleistete Kongruenz der Gesetzestexte auch auf die personelle Rollenverteilung bei der Revision. Während 1881/1883 die führenden Rechtsgelehrten – allen voran Munzinger und Fick – Deutschschweizer waren und somit die französische und die italienische Sprache schon mit Blick auf die Amtssprache der zentralen Glieder der Gesetzesentstehung nur bedingt als Quelle der Inspiration fungieren konnte, ließ sich bei der Revision des OR bereits zu Beginn ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen deutschen und insbesondere französischen Protagonisten erkennen. Bereits im Vorbereitungsstadium konsultierte das EJPD mit Bundesrichter Soldan sowie den Professoren Martin und Rossel immerhin drei namhafte OR-Experten, die französischsprachig waren und das Verlangen nach Konvergenz der Gesetzestexte aktiv forderten. Zu Dank ist die Schweizer Öffentlichkeit in Bezug auf diesen Aspekt daher weniger Huber, denn diesen Herren und in erster Linie Soldan und Rossel verpflichtet. Soldan hatte sich bereits im späten 19. Jahrhundert mit den Unstimmigkeiten im aOR wissenschaftlich befasst und von Anfang an mit Beharrlichkeit auf die unglückliche Redaktionsarbeit bei der Entstehung des aOR hingewiesen. Er hatte im Initiativstadium konkrete Vorschläge betreffend eine Beseitigung dieser Divergenzen unterbreitet.416 Rossel übernahm diese Rolle nach Soldans Tod im Jahre 1900417 und war schließlich für die endgültige Redaktion des französischen Gesetzestextes zuständig. Diese Unterstützung, die Huber durch Soldan und Rossel sowie in Bezug auf die italienische Fassung durch Gabuzzi und Bertoni erhalten hatte, führte insgesamt zu einer Verbesserung des OR in redaktioneller Hinsicht und ist in ihrer Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen. Dass die Rechtsanwendung fortan kantonsübergreifend im gesamten Bundesgebiet auf Basis eines gleichwertigeren Gesetzestextes gewährleistet war, ist damit auch und gerade der Revision des schweizerischen OR zu verdanken. Nachdem ein Volksreferendum nicht ergriffen worden war, konnte das schweizerische ZGB am 1. Januar 1912 schlussendlich mitsamt dem das aOR derogierenden, revidierten OR in Kraft treten.418 Aus kantonalem Partikularrecht war am Ende eines langen und mitunter steinigen Weges eine vollständige eidgenössische Privatrechtseinheit geworden. Der Revisionsgesetzgeber war schlussendlich imstande, dem Bürger nicht nur ein umfassendes, sondern auch ein in seiner Terminologie für jedermann – auch über Sprachgrenzen hinaus – verständliches und gleichrangiges Gesetzbuch an die Hand zu geben.

416

Dazu siehe C. I. 3. Staremberg, in: Stiftung HLS (Hrsg.), Historisches Lexikon der Schweiz, abrufbar unter https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004863/2011-07-01 (zuletzt abgerufen am 25.11.2021). 418 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1986. 417

D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen oder Aussonderungen Nachdem im Vorherigen der rechtshistorische Ablauf der Revision beginnend mit den Vorarbeiten bis hin zu den anfälligen Kommissionsverhandlungen und deren Ergebnissen skizziert wurde, gilt es nunmehr, einige besondere, für die Revision des OR stilprägende Rechtsmaterien herauszugreifen. Dabei werden anhand jener konkreten, hervorstechenden Institute auch und gerade allgemeinere Revisionstendenzen und -ziele beispielhaft aufgezeigt und damit ein möglichst aussagekräftiges Revisionsbild gezeichnet.

I. Dienstvertrag  Unter allen während der Revision untersuchten Instituten stach besonders das Dienstvertragsrecht hervor, bei dem es sich, wie auch Huber betonte, um das „schwierigste und politisch wichtigste Kapitel“1 des neuen OR handelte. Allgemein anerkannt war, dass der Dienstvertragstitel eine der revisionsbedürftigsten Rechtsmaterien darstellte, wurde doch „[v]on verschiedener Seite […] seit längerer Zeit auf das Ungenügende dieser Regelung hingewiesen und eine eingehendere Ordnung […] angeregt“2. Die „Lückenhaftigkeit des Dienstvertragstitels“3 sowie die im aOR beinahe grenzenlos gewährleistete Privatautonomie ohne dispositive gesetzliche Festlegungen und Beschränkungen hatten sich nämlich zu einer nicht mehr zu tolerierenden und sozialpolitisch nicht mehr zeitgemäßen Belastung des (schutzwürdigeren) Arbeitnehmers entwickelt.4 Die bisherigen zwölf Artikel (Art. 338–349) des Dienstvertragsrechts im aOR sollten bei der Revision demnach ausgeweitet, inhaltlich modifiziert und vervollständigt werden, um ein sozialeres, zeitgemäßes Dienstvertragsrecht im schweizerischen Privatrecht zu etablieren.

1

BArch 22/2111, Anregung Hubers an Bundesrat Forrer vom 7. Februar 1908 zur Einsetzung einer Vorkommission, S. 4. 2 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (32). 3 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (242). 4 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (241 f.).

102

D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

1. Revision des Dienstvertragsrechts im Allgemeinen a) Vorgehen während der verschiedenen Phasen der Revision Auf die Revisionsbedürftigkeit des schweizerischen Dienstvertragsrechts war anders als bei diversen weiteren Rechtsinstituten bereits lange bevor die Gesetzgebungsakteure in ihren Kommissionen erstmals zusammentraten hingewiesen worden. Die konsultierten Professoren, allen voran Oser, legten einen Schwerpunkt ihrer Gutachtertätigkeit im Auftrag des EJPD auf die Frage nach der Revisionsbedürftigkeit dieses Titels.5 Auch der Schweizerische Juristenverein hatte die Revisionsbedürftigkeit des Dienstvertragsrechts an seinen Juristentagen 1900 und 1902 postuliert.6 So hatte das EJPD bereits bevor die eigentliche Revisionsphase beschritten wurde zahlreiches Revisionsmaterial zusammengetragen. Auf dieser umfassenden Vorarbeit aufbauend bildete das Themenfeld auch in Langenthal den Kernaspekt der Beratung. Hielt sich die Langenthaler Kommission bei anderen Rechtsinstituten noch merklich zurück und unterließ eine eingehende Befassung mit diesen, so galt dies nicht für das Dienstvertragsrecht, dem die Kommission sowohl die meiste Zeit als auch die größte Diskussionsbereitschaft widmete.7 Inhaltlich enthielt dabei bereits Hubers (Dienstvertragsrechts-)Entwurf aus dem Jahre 1903 eine weitaus eingehendere Regelung des Titels.8 Die Langenthaler Spezialkommission bestätigte anschließend trotz längerer Verhandlungen – von einigen wenigen Modifikationen abgesehen – im Grundsatz den eingereichten Entwurf Hubers, der in den Verhandlungen – auch und gerade bedingt durch seine Rolle als Referent – tonangebend war.9 Ergebnis der ersten Revisionsphase war dennoch eine grundlegende Neuordnung des schweizerischen Dienstvertragsrechts, welche damit einherging, dass der Revisionsgesetzgeber dieses mit Botschaft vom 3. März 1905 vorerst auf 36 Artikel (Art. 1369–1404) erweiterte.10 Obgleich der Gesetzesentwurf das bestehende Recht dadurch erheblich tangierte, verzichteten das EJPD und Huber in dieser ersten Phase der Revision – anders als bei den übrigen vier Teilen des ZGB – noch auf die Hinzuziehung der Arbeiterschaft und weiterer gesellschaftlicher Verbände zu den Beratungen.11 Lediglich Vorschläge des kaufmännischen Vereins berücksichtigte der Gesetzgeber bereits

5 BArch 22/2105, Oser, Gutachten über den Anschluß des Obligationenrechts an ein zu erlassendes einheitliches Civilgesetzbuch, S. 36 ff. 6 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (32). 7 Näher hierzu siehe C. II. 8 BArch 22/2107, Entwurf Hubers von 1903, S. 101 ff. 9 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 219. 10 Siehe hierzu Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (172 ff.). 11 Vgl. hierzu Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (1).

I. Dienstvertrag   

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in dieser ersten Phase der Revision.12 Dieser Umstand sorgte vor allem in Kreisen der Sozialdemokraten für Unmut.13 Dass der Gesetzgeber der Arbeiterschaft bei der Revision des für diese so wichtigen OR – insbesondere des Dienstvertragsrechts – jegliche Teilnahmemöglichkeit verwehrte, löste in den eidgenössischen Räten hitzige Debatten aus, die sogar das Gesamtkonstrukt des ZGB ins Wanken zu bringen drohten.14 In besagten Verhandlungen opponierte Nationalrat und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Brüstlein gegen die Gesetzesfassung und stellte in Aussicht, dass der Privatrechtsgesetzgeber im Falle eines Unterbleibens einer weitläufigeren Revision des Kapitels über den Dienstvertrag seine Partei „vom ersten bis zum letzten Mann, gegen das Gesetz haben werde[…]“15. Obgleich Brüstlein im Nationalrat sowohl parteipolitisch als auch betreffend dieses konkrete Vorgehen in der Unterzahl war und sich massivem Gegenwind aus dem Plenum ausgesetzt sah,16 gab die Bundesversammlung seinem Verlangen wenigstens im Ansatz nach und befürwortete (ebenfalls) eine intensivere Revision des schweizerischen Dienstvertragstitels unter Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen, wie gerade auch der Arbeiterschaft. Bevor anschließend in den Jahren 1908/1909 die große Expertenkommission zusammentrat, hatte das EJPD verschiedensten Gruppierungen die Möglichkeit zur Stellungnahme offeriert. Daraus resultierend handelte es sich bei der Revision des Dienstvertragsrechts um den Kernaspekt zahlreicher Änderungspostulate aus Kreisen der schweizerischen Gesellschaft sowie der schweizerischen politischen Parteien. Prozentual betrafen gar die Großzahl der zum Gesetzesentwurf von 1905 eingereichten Eingaben das Dienstvertragsrecht.17 Besonders polarisierten hierbei Lotmar und die Sozialdemokratische Partei, die versuchten, Kontakt zu Huber und dem Justizministerium aufzunehmen und ihre Vorschläge effektiv in die späteren Revisionsbestrebungen miteinzubringen.18 In Anbetracht dieser enormen Materialfülle, die zusammengetragen worden war, verwunderte es kaum, dass das Dienstvertragsrecht in den Jahren 1908/1909 abermals einen zentralen Themenschwerpunkt bildete. Dem gesamten Titel widmete die große Expertenkommission allein acht ihrer 27 Sitzungen zum Besonderen Teil des OR.19 Die neue Dienstvertragsrechtskonzeption der bundesrätlichen 12

Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (32). Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (1 f.). Siehe zudem näher D. I. 2. b) aa). 14 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1049 ff.). 15 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1049). 16 Siehe hierzu die auf Brüstleins Beschwerde eingehenden Worte Bühlmanns; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1049 f.). 17 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (742). 18 Die Eingaben der vom Parteitag der Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission wurden sogar explizit hervorgehoben. Siehe hierzu Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (742). 19 Es handelte sich um die Sitzungen 18 bis 25. BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, Sitzungen 18 bis 25. 13

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

Expertenkommission sollte 41 verschiedene Artikel aufweisen.20 Neuerungen im Vergleich zu 1905 ließen sich insbesondere auf dem Gebiet des Tarifvertrags vorfinden, den der modernisierte Gesetzesentwurf nicht mehr allein „als rechtskräftig“21 anerkannte, sondern bereits näher ausformte.22 Ebenfalls neu in Art. 1378bis hatte die Kommission die Folgen des Verzugs für den Arbeitgeber geregelt und orientierte sich hierbei entgegen der eigenen Gerichtspraxis am deutschen BGB (§ 615 BGB).23 Die Kommission gewährte dem Arbeitnehmer auf Vorschlag des Sozialdemokraten Lang24 einen Lohnanspruch, ohne dass dieser weiter zur Arbeit verpflichtet war, wohl aber unter Anrechnung dessen, was er bedingt hierdurch erspart, durch andere Arbeit erworben oder absichtlich zu erwerben unterlassen hatte.25 Auch nahm der Expertenstab in Art. 1388bis eine Regelung über das Recht auf Erfindungen auf. Danach gestand der Gesetzgeber dem Dienstherrn zwar grundsätzlich den Anspruch auf die Erfindung des Dienstpflichtigen zu, wenn er sich denn einen solchen Anspruch vertraglich zugesichert hatte.26 Der Dienstpflichtige war aber angemessen zu vergüten, wenn und soweit der wirtschaftliche Wert der Erfindung erheblich war und außer Verhältnis zur Gegenleistung des Dienstherrn stand.27 Nicht zuletzt behandelte die Kommission auch den während der gesamten Revision äußerst umstrittenen ehemaligen Art. 341 aOR (Art. 1381), bestätigte insoweit die Tendenz der Botschaft von 1905 inhaltlich, präzisierte die Vorschrift aber in terminologischer Hinsicht.28 Diesen Neuerungen zum Trotz blieb der Entwurf von 1905 auch 1909 in seinem Wesensgehalt unangetastet. Vergleicht man aber die von der Expertenkommission unter Mitwirkung gesellschaftlicher Vertreter beschlossene Dienstvertragsrechtsfassung mit ihrer Vorgängerversion von 1905, so ist dennoch ein insgesamt höherer Detailreichtum und ein auf der Aufnahme einiger neuer Schutzvorschriften beruhender, ausgeprägter(er) Sozialschutz zu konstatieren. Im finalen Stadium sprachen die eidgenössischen Räte die neue Dienstvertragsrechtskonzeption durch. Nach intensiven Diskussionen sowie mehrfacher Differenzbereinigung erweiterte die Bundesversammlung die Rechtsnormen des Titels auf die schlussendlich verabschiedeten 44 Artikel des neuen Gesetzbuches.29 Gerade in den eidgenössischen Räten standen dabei einige der von der Experten 20

Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 61 (61). Siehe hierzu Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (744 f.); Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (34). 22 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (744 f.). 23 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (744 f.). 24 Zum Antrag Langs siehe BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/ 1909, III. Session, 20. Sitzung, S. 1. 25 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (747). 26 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (749). 27 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (749). 28 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (748). Ausführlicher zu der Entwicklung von Art. 1381 während der Revision siehe D. I. 3. 29 Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 61 (61). 21

I. Dienstvertrag   

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kommission vorgeschlagenen Rechtsnormen nochmals auf dem Prüfstand. Der Blick zu richten ist insbesondere auf Art. 1381, dessen Fassung – wie sie die Expertenkommission vorschlug – die Bundesversammlung verwarf und die Vorschrift wieder dem ehemaligen Art. 341 aOR annäherte.30 Auch das Konkurrenzverbot im Verhältnis Dienstverpflichteter zum Dienstherrn wurde im Ständerat heftig diskutiert.31 Die Regelungen zum Tarifvertrag wiederum sorgten innerhalb des Nationalrats für zahlreiche Auseinandersetzungen.32 In der Gesamtschau ließ sich vor allem in den eidgenössischen Räten eine eher arbeitnehmerfreundliche Haltung, die unter anderem durch die Voten Hubers determiniert war, bilanzieren.33 Von den verabschiedeten 44 Artikeln entsprach nicht ein Artikel seiner ursprünglichen Fassung.34 b) Materieller Gehalt des Dienstvertragsrechts Was den materiellen Gehalt des neuen Dienstvertragsrechts angeht, so lässt sich bereits auf den ersten Blick feststellen, dass der Gesetzgeber von 1911/1912 dem Titel schärfere Konturen verlieh. War im Bundesgesetz von 1881/1883 noch nicht einmal der Dienstvertragsbegriff hinreichend präzise bestimmt,35 ging die Spezialkommission die Aufgabe bereits 1904 an und versuchte, den Dienstvertrag von anderen, strukturverwandten Vertragsarten wie dem Werkvertrag und dem Mandat abzugrenzen.36 Die trennscharfe Abgrenzung von anderen Vertragstypen war für die Revisionsprotagonisten allein deshalb von entscheidender Bedeutung, weil die dienstvertraglichen Vorschriften dem Arbeitnehmer einen besseren Rechtsschutz als die Regeln über den Werkvertrag garantierten.37 Die exakte Begriffsdefinition sorgte fortan während der gesamten Revision für Kontroversen und sollte Gegenstand weiterer, längerer Diskussionen bleiben.38 Als Hauptdifferenzierungskrite 30

Ausführlicher siehe D. I. 3. Illustrierte schweizerische Handwerkerzeitung 27 (1911), 169 (170). 32 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 25. Oktober 1909, S. 593 (597 ff.). 33 Siehe zur Rolle Hubers bereits C. III. sowie C. IV.; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 288. 34 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (242). 35 Der Wortlaut des Art. 338 des aOR lautete: „Durch den Dienstvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur Leistung von persönlichen Diensten und der Arbeitgeber zur Entrichtung einer Vergütung.“ 36 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (32). 37 Adler, Sozialpolitische Probleme des Dienstvertrages, Sonderdruck aus: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 35, Heft 3, 1912, S. 703. 38 Lotmar und die schweizerische Arbeiterschaft etwa widersprachen der 1905 getroffenen Abgrenzung und schlugen einen eigenen Ansatz vor. Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (2). Auch in der Expertenkommission befassten sich die Kommissionsmitglieder in der 18. Sitzung ausführlich mit dem Dienstvertragsbegriff, siehe BArch 22/ 2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 18. Sitzung, S. 1 ff. 31

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

rium legte der Revisionsgesetzgeber schlussendlich fest, ob der Dienstpflichtige dem Dienstherrn seine Arbeitskraft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Verfügung stellt und unterschied damit den Dienstvertrag vom Auftrag und Werkvertrag, bei denen nur die Vornahme einer Handlung oder die Erstellung eines Werkes geschuldet war, ohne dass eine zeitliche Bindung (konstitutive) Tatbestandsvoraussetzung war.39 Neben der deutlicheren Ausformung des Dienstvertragsbegriffs zählte auch die Regelung des Lehrvertrages, den der Gesetzgeber – nach längerer Diskussion – in endgültiger Fassung den Regeln des Dienstvertrags unterstellte (Art. 319 Abs. 3 OR), zu den wesentlichen materiellen Verbesserungen des Titels. Auch eine „ausgewogene Ordnung des Konkurrenzverbots (OR Art. 356, 357, 358, 359 und 360)“40 gehörte zu den wertvollen Neuerungen von 1911/1912. Von zentraler Bedeutung auch und gerade im Hinblick auf das kollektive Arbeitsrecht war sicherlich die Schaffung – und über die verschiedenen Phasen der Revision stetige Präzisierung  – einer Regelung über den Gesamtarbeitsvertrag.41 Die in Art. 323 des revidierten OR fixierte Unabdingbarkeit gesamtvertraglicher Abmachungen ermöglichte einen gewaltigen Aufschwung des kollektiven Arbeitsrechts und hat sich zu dessen nicht mehr wegzudenkender Grundlage entwickelt.42 Wichtige Ergänzungen betrafen zudem die ausdrückliche Regelung einer Sorgfaltspflicht des Arbeitnehmers (Art. 328 OR) und seiner Haftungsprivilegierung (Art. 329 OR).43 Art. 1381 (später Art. 335 OR), der eine regelrechte Revisionsodyssee erlebt hatte, näherten die eidgenössischen Räte indes dem bereits zuvor bestehenden Art. 341 aOR wieder an, weshalb die finale Fassung der Vorschrift nur eine geringfügige Fortentwicklung des Lohnfortzahlungsanspruchs im OR bedeutete.44 2. Lotmar und sein Einfluss auf die Revision des schweizerischen Dienstvertragsrechts Das Dienstvertragsrecht geht in seiner Bedeutung für die Revision über die materiell notwendigen Veränderungen weit hinaus. Es liefert mustergültiges Anschauungsmaterial für die verschiedenen, während der Revision verfolgten politischen, nicht selten aber auch persönlichen Ziele. Wie keine zweite Rechtsmaterie gibt die Revision dieses Titels zudem Aufschluss darüber, dass neben Huber auch andere für die – in diesem Fall materielle – Revision des OR verantwortlich waren beziehungsweise jedenfalls versuchten, auf eine materielle Umgestaltung des OR hinzuwirken. Während andere Rechtsmaterien aufgrund ihrer weitgehenden Vorfassung durch den Gesetzesredaktor und ihrer letztlich nur geringfügigen Be 39

Tschudi, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987, S. 28. Tschudi, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987, S. 28. 41 So auch Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 102 (108), der von einem „bemerkenswerte[n] Fortschritt“ spricht. 42 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (195). 43 Tschudi, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987, S. 28. 44 Ausführlicher zur Entwicklung des Art. 1381 während der gesamten Revision siehe D. I. 3.  40

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handlung und Modifikation innerhalb der verschiedenen Kommissionen nur wenig geeignet sind, den Blick auch auf andere Revisionsprotagonisten zu lenken und einseitig den (Haupt-)Unifikator Huber ins Rampenlicht rücken, zeigt sich anhand der materiell bedeutendsten Rechtsmaterie auch die enorme Vielschichtigkeit des schweizerischen revidierten OR. Dieses hochkontroverse Themenfeld beschäftigte nicht ausschließlich die Juristen, sondern verschiedenste Teile der Schweizer Bevölkerung. Es gab für Einzelpersonen ebenso wie für Gruppierungen Anlass dazu, sich zu Wort zu melden, um einen – ihren Interessen Rechnung tragenden – Fortschritt zu erreichen. Unter Betrachtung aller Juristen und Nichtjuristen, die sich intensiv für ein fortschrittliches, dem schweizerischen Volke bestmöglich entsprechendes Dienstvertragsrecht einsetzten, stechen freilich zwei Personen besonders hervor: Zum einen Huber selbst, aus dessen Feder auch die meisten revidierten Normen zum Dienstvertragsrecht entstammten. Zum anderen aber auch der Sozialdemokrat Lotmar, der – auch ohne Mitglied der verschiedenen Kommissionen gewesen zu sein – in seiner Rolle als Mitglied und Fürsprecher der Sozialdemokratischen Partei leidenschaftlich und mit Nachdruck für ein sozialprogressives, arbeitnehmerfreundlicheres Dienstvertragsrecht votierte.45 a) Biographisches zu Lotmar Obgleich über den schweizerischen Professor bereits einige lehrreiche biographische Nachweise existieren,46 wird in dieser Arbeit zumindest in der gebotenen Kürze auf seinen beruflichen Werdegang hingewiesen und seine Entwicklung zu einem der bedeutendsten Arbeitsrechtler im deutschspra­chigen Raum skizziert. Lotmar wurde am 8. September 1850 in Frankfurt am Main als fünftes Kind einer Kaufmannsfamilie jüdischer Konfession geboren.47 Nachdem seine Familie das Land aufgrund dessen politischer Instabilität verlassen musste, verbrachte Lotmar seine ersten Lebensjahre nicht in Deutschland, sondern in Paris, „um den Beschränkungen des deutschen Ghettolebens zu entfliehen und von den bürgerlichen Freiheiten Gebrauch zu machen, die Frankreich nach der Revolution von 1791 den 45 Lotmars Verdienste waren in der Vergangenheit bereits Gegenstand monographischer Arbeiten. Aufgrund der erheblichen Bedeutung Lotmars für die Revision im Ganzen soll sein Einfluss auf das Dienstvertragsrecht dennoch auch im Rahmen dieser Arbeit skizziert werden. Ausführlichere Anmerkungen finden sich indes in den erwähnten Arbeiten, die sich speziell dieser Frage widmen. Siehe hierzu insbesondere Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997; Caroni (Hrsg.), Forschungsband Philipp Lotmar (1850–1922). Colloquium zum 150. Geburtstag, 2003; Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014. 46 Zu nennen sind z. B. Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997; Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014; Rückert, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Neue Deutsche Biographie, Bd. 15, 1987, S. 241. 47 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 18.

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Juden gewährte“48. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1957 nach Deutschland zurückgekehrt, besuchte Lotmar in seiner Heimatstadt Frankfurt das Gymnasium und studierte anschließend Rechtswissenschaft in Heidelberg und Göttingen – wo er Vorlesungen des berühmten Pandektisten Rudolf Jhering besuchte  – und ab 1871 im liberalen München.49 Dort traf Lotmar auf seinen „menschlich wie wissenschaftlich bewunderten“50 Mentor Alois Brinz, bei welchem er nach dem Absolvieren seines ersten Staatsexamens im Jahre 1873 in Berlin schließlich ab 1875 im römischen Recht promovierte und sich bereits 1876 sodann auch habilitierte.51 Nach vielen Jahren des vergeblichen Wartens erhielt Lotmar erst Ende des Jahres 1888 im Alter von nunmehr 38 Jahren einen Ruf an die Universität Bern und trat dort die Nachfolge Julius Barons am Lehrstuhl für römisches Recht an.52 Ausschlaggebend für die ablehnende Haltung einiger Rechtsfakultäten, etwa in Freiburg, Zürich, Kiel und zunächst auch Bern, könnten seine jüdische Abstammung53 und vor allem seine politische Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei54 gewesen sein, der er in Deutschland 1878 ausgerechnet zur Zeit des Bismarck’schen Sozialistengesetzes beigetreten war.55 Als Professor an der Universität Bern traf Lotmar auch auf Huber, den Redaktor des ZGB und des revidierten OR.56 Der Fakultät in Bern blieb er fortan bis zum Ende seiner Lebenszeit treu und profilierte sich unter Kollegen als „erfolgreicher Lehrer, scharfsinnig gelehrter Romanist, bedeutender Arbeitsrechtler und dezidierter Rechtspolitiker […], als streng gerechter Kollege und leidenschaftlicher Humanist“57.

48 Rehbinder, in: Rehbinder (Hrsg.), Professor Dr. Philipp Lotmar. Schweizerisches Arbeitsvertragsrecht, 1991, S. 7 (7 f.). 49 Rückert, in: Heinrichs / Franzki / Schmalz / Stolleis (Hrsg.), Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, 1993, S. 331 (334). 50 Rückert, in: Heinrichs / Franzki / Schmalz / Stolleis (Hrsg.), Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, 1993, S. 331 (334). 51 Lotmar, Über die causa im römischen Recht, 1875; Lotmar, Zur legis actio sacramento in rem, 1876; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 21; Rückert, in: Heinrichs / Franzki / Schmalz / Stolleis (Hrsg.), Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, 1993, S. 331 (334). 52 Rückert, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Neue Deutsche Biographie, Bd. 15, 1987, S. 241 (241). 53 Fargnoli, in: Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar  – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014, S. VII (VII). Rehbinder, in: Rehbinder (Hrsg.), Professor Dr. Philipp Lotmar. Schweizerisches Arbeitsvertragsrecht, 1991, S. 7 (7 f.) verweist hingegen darauf, dass die jüdische Abstammung keine Rolle für die Nichtberufung an eine deutsche Universität spielte. 54 Fargnoli, in: Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014, S. VII (VII). 55 Eichholzer, Gewerkschaftliche Rundschau 46 (1954), 61 (62). 56 Huber war auf eine Professur an der Universität Bern 1892 berufen worden. Siehe hierzu B. V. 57 Rückert, in: Heinrichs / Franzki / Schmalz / Stolleis (Hrsg.), Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, 1993, S. 331 (335).

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b) Lotmars Einfluss auf die Revision des schweizerischen Arbeitsrechts Als der Gesetzgeber im Zuge der Revision des schweizerischen OR eine umfassende Umgestaltung des Dienstvertragstitels vorsah, bot sich für Lotmar, der sich mit dem Arbeitsrecht bereits hinreichend wissenschaftlich befasst hatte,58 die Möglichkeit, Einfluss auf die Neugestaltung des schweizerischen Arbeitsrechts zu nehmen und sich als entscheidender Revisionsprotagonist hervorzutun. Sein Engagement während der Revision des schweizerischen OR kulminierte in seinen Beiträgen am Juristentag 1902, seinem Gutachten zum Gesetzesentwurf von 1905 sowie seinen eigenen Redaktionsvorschlägen im Zuge der Arbeiten der Sozialdemokratischen Partei. Aufgrund des Umstandes, dass sich an anderer Stelle bereits ausführlich monographisch mit Lotmars Wirken sowohl während der konkreten Revisionsarbeiten als auch im Vorlauf und nicht zuletzt auch in den Jahren nach Inkrafttreten des revidierten OR beschäftigt wurde, beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf die drei erwähnten Beiträge Lotmars. aa) Referat am schweizerischen Juristentag 1902: Der Dienstvertrag im künftigen schweizerischen Civilrecht Hatte der Juristenverein bereits im Jahre 1900 in St. Gallen die Revisionsbedürftigkeit des Dienstvertragsrechts weitgehend einstimmig proklamiert,59 war es eine logische Folge, am nächsten Juristentag im Jahr 1902 hierüber näher zu debattieren. Der Schweizerische Juristenverein lud daher Lotmar ein, in Sarnen über seine Vorstellung eines modernisierten Dienstvertragsrechts zu referieren. Für diesen Anlass erschien kaum jemand eher prädestiniert zu sein als der Arbeitsrechtler Lotmar, war doch unter anderem gerade in diesem Jahr der erste Band seines Grundlagenwerkes „Der Arbeitsvertrag“ erschienen und hatte große Anerkennung erfahren.60 In deutscher Sprache hielt er ein einleitendes Referat, über welches die Mitglieder des Juristenvereins im Folgenden lebhaft diskutierten:61 Lotmar intendierte mit seinem Vortrag die Etablierung eines umfassenderen Arbeiterschutzes. Seine For 58

1900 publizierte Lotmar seinen Aufsatz „Die Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern“. Bahnbrechend war sodann Lotmars Werk „Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches“, welches als erste umfassende rechtswissenschaftliche Bearbeitung des Arbeitsrechts, einschließlich des Tarifvertrages, Exklusivitätsstatus hatte. Siehe Rückert, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Neue Deutsche Biographie, Bd. 15, 1987, S. 241 (241 f.); Lotmar, Die Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Sonderausdruck aus: Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, Bd. 15, 1900; Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 1902. 59 Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (656 f.). 60 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 179; Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 1902. 61 Zum Referat Lotmars mit dem Titel „Der Dienstvertrag im künftigen schweizerischen Civilrecht“ siehe Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507.

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derungen fußten dabei auf seinem ideologischen Bild von Arbeit: Arbeitsverträge unterschieden sich für Lotmar fundamental von gewöhnlichen synallagmatischen Verträgen. Sie zeichneten sich durch eine Hingabe „menschlicher Persönlichkeit“ des Arbeitnehmers aus und standen „auf der ethischen Stufenleiter höher“ als sonstige entgeltliche Verträge.62 Diese Vorstellung von Arbeitsverträgen manifestierte sich im Verlangen nach weitreichenden Veränderungen des geltenden Dienstvertragstitels, unter anderem einer genaueren rechtlichen Unterscheidung der arbeitsähnlichen Verträge63 sowie dem bedeutungsvollen Ansinnen nach einer legislativen Ordnung des Tarifvertrages.64 Daneben sah er den Gesetzgeber in der Pflicht, zugunsten des „mittellose[n] Arbeitnehmer[s]“65 insbesondere auf dem Gebiet der privaten Fürsorgepflicht tätig zu werden sowie das Lohninteresse und den Kündigungsschutz durch Schaffung neuer – etwa einer Norm zur Erschwerung von Kündigungen durch die Arbeitgeberseite – und Revision bestehender Vorschriften – etwa des Lohnfortzahlungsanspruchs aus Art. 341 aOR – im Blick zu haben.66 Sein insgesamt mehr als 50-seitiges Referat fasste Lotmar zum Ende seines Vortrags nochmals dergestalt zusammen, dass er vier Thesen aufstellte, die den Kern seiner Forderungen in komprimierter Form wiedergaben: „1.) Die Behandlung des Dienstvertrags soll im Civilgesetzbuch mit grösserer Einlässlichkeit geschehen, als im Schweizerischen Obligationenrecht und andern modernen Gesetzbüchern. Es sind hierbei vornehmlich die Bedürfnisse der unbemittelten Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies muss namentlich in der Sorge für die Person und die Lohnforderung des Arbeitnehmers, sowie bei der Kündigung hervortreten. 2.) Die gesetzgeberische Kompetenz für den privatrechtlichen Arbeiterschutz ist im Civilgesetzbuch den Kantonen insoweit zu verleihen, als diese Kompetenz zur Erweiterung des vom Civilgesetzbuch gewährten Arbeiterschutzes gebraucht wird. 3.) Die gesetzliche Ordnung des Dienstvertrags hat im Hinblick auf die anderen Arbeitsverträge zu geschehen. Der Thatbestand des Dienstvertrags ist von denen dieser anderen, namentlich des Werkvertrags und des entgeltlichen Auftrags, völlig zu sondern. Für den in der Akkordform geschlossenen Dienstvertrag sind dieser Form entsprechende Vorschriften zu geben. 4.) Die gesetzliche Ordnung des Dienstvertrags durch das Civilgesetzbuch hat einzubeziehen die der Arbeitsordnung und des Tarifvertrags, als von den Beteiligten ausgehender genereller Regelungen des Dienstvertrags, die seiner gesetzlichen Ausbildung förderlich sind“67. 62

Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (510). Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (530 ff.). 64 Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (549 f.). 65 Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (513). 66 Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (513, 516, 520). 67 Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (555 f.). 63

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Bereits sein Korreferent de Weiss zweifelte einige der Postulate Lotmars stark an, verfolgte einen wirtschaftsliberaleren Ansatz bei der Neujustierung des Dienstvertragsrechts und befürchtete gar, Lotmars Forderungen könnten eine Krise für „die Wirtschaftsnation Schweiz“68 nach sich ziehen.69 Auch in der auf sein Referat und das Korreferat folgenden Diskussionsrunde kritisierten die anwesenden Juristen die „Einseitigkeit“70 seiner Forderungen. Bundesrat Brenner etwa bemängelte, dass die starken Schutzmechanismen, die Lotmar vom Revisionsgesetzgeber forderte, einem Zivilrecht, welches im Grundsatz von der Gleichheit der Vertragsparteien ausgeht und deren verfassungsrechtlich geschützte Vertragsfreiheit gewährleisten will, jedenfalls in diesem Maße überhaupt nicht entsprächen, sondern vielmehr durch eine stark öffentlich-rechtliche Charakteristik geprägt seien.71 Daneben verwies Andreas Heusler darauf, dass die von Lotmar präsumierte wirtschaftliche Ungleichheit der Vertragsparteien zulasten der Arbeiter zu pauschal sei und es numerisch sogar zahlreiche Fälle gebe, in denen einem Arbeitnehmer keine Großfabrik gegenüberstehe, sondern vielmehr ein kleineres Gewerbe oder ein Handwerkerbetrieb, die ihrerseits große Mühe hätten, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten.72 Heusler sprach den exzessiv arbeiterschützenden Postulaten Lotmars, wie etwa einer Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers nach erfolgter Kündigung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass dieser nicht unverzüglich eine Neubeschäftigung finde, das Potenzial zu, sich für den Meister als „ruinös“73 zu entpuppen. Auch Zivilgerichtspräsident Albert Huber wandte sich gegen einzelne Vorschläge Lotmars, wie beispielsweise die Regelung des Lohnes durch Tarifverträge, welche nach seiner Auffassung einen „unzulässigen Zwang“74 im Privatrecht bedeuteten. Einzig sein Parteigenosse Josef Albisser sprang Lotmar zur Seite und schlug dessen Thesen zur unveränderten Annahme vor.75 Eugen Huber äußerte sich indes nicht zu den Vorschlägen Lotmars. Lotmar versuchte, seine Ideen und Forderungen in der Diskussionsrunde nochmals zu rechtfertigen,76 vermochte aber die tendenziös ablehnende Grundeinstellung der anwesenden Mitglieder gegenüber seinen Ansichten nicht umzukehren. Seine vier Thesen blieben als Grundlage einer vom Schweizerischen Juristenverein geschlossen verabschiedeten Resolutionsfassung kaum berücksichtigt. Lotmars Versuche, bereits am Juristentag von 1902 auf eine sozialere Gesetzgebung hinzuwirken, scheiterten somit spätestens, als sich

68 Gasser, in: Caroni (Hrsg.), Forschungsband Philipp Lotmar (1850–1922). Colloquium zum 150. Geburtstag, 2003, S. 101 (108). 69 Korreferent de Weiss spricht von „risquer une crise formidable“. Siehe hierzu de Weiss, ZSR n. F. 21 (1902), 611 (620). 70 Diskussionsbeitrag Heusler, ZSR n. F. 21 (1902), 635 (637); Diskussionsbeitrag Brenner, ZSR n. F. 21 (1902), 638 (639). 71 Diskussionsbeitrag Brenner, ZSR n. F. 21 (1902), 638 (639). 72 Diskussionsbeitrag Heusler, ZSR n. F. 21 (1902), 635 (637). 73 Diskussionsbeitrag Heusler, ZSR n. F. 21 (1902), 635 (637). 74 Diskussionsbeitrag Huber (Civilgerichtspräsident Basel), ZSR n. F. 21 (1902), 638 (638). 75 Diskussionsbeitrag Albisser, ZSR n. F. 21 (1902), 639 (639). 76 Diskussionsbeitrag Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 640 (640 f.).

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der Juristenkonvent für eine neutralere, den Schutz der Arbeitnehmer weniger hervorhebende Resolutionsfassung an das EJPD auf Vorschlag Brenners entschieden hatte.77 Lotmar selbst hatte noch – obgleich er die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens erkannte und insofern nicht darauf bestand, seine dritte und vierte These zur Abstimmung zu bringen – immerhin beantragt, wenigstens hinsichtlich Brenners Resolutionsvorschlag, der seiner ersten These ähnelte, den Zusatz „dass insbesondere die Bedürfnisse der unbemittelten Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien“78 mit in die Resolutionsfassung aufzunehmen.79 Seine Bemühungen waren jedoch auch in diesem Falle nicht von Erfolg gekrönt; die große Mehrheit der Mitglieder lehnte seinen Vorschlag ab, und lediglich 16 Mitglieder stimmten ihm zu.80 Der Juristentag in Sarnen, an welchem Lotmar erstmals die Möglichkeit gegeben wurde, für seine Version eines gerechten und sozialen Arbeitsrechts einzustehen, bedeutete im Ergebnis also eine erste – aber erwartete81 – Niederlage Lotmars und der Sozialdemokraten während der Revisions(vor)arbeiten. bb) Stellungnahme zum Entwurf von 1905: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches Nachdem mit Botschaft vom 3. März 1905 der erste Gesetzesentwurf und damit auch eine erste Neufassung des schweizerischen Dienstvertragsrechts erschienen war, unterzog Lotmar die dienstvertraglichen Neuerungen der Langenthaler Kommission postwendend einer eingehenden Kritik. Bereits im selben Jahr verfasste er ein Gutachten zum neuen Dienstvertragsrecht, das in den Schweizer Blättern für Wirtschafts- und Sozialpolitik publiziert wurde.82 Hiermit wandte sich Lotmar nicht an das EJPD beziehungsweise die Revisionsprotagonisten und Kommissionsmitglieder. Sein Gutachten richtete er vielmehr direkt an die schweizerische Arbeitnehmerschaft, der dieses als Leitfaden und Inspiration zur eigenen Einflussnahme dienen sollte.83 Einleitend verzichtete Lotmar daher auch nicht auf eine offene Beanstandung der bisherigen Gesetzgebungsarbeiten, bei welchen der Gesetzgeber – anders als es bei den übrigen nationalen Rechtsvereinheitlichungsarbeiten üblich war – von einer Hinzuziehung der schweizerischen Arbeiterschaft im Rahmen der Kommissionsarbeiten absah, wenngleich er deren Ergebnis zumindest anerken 77

Diskussionsbeitrag Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 640 (640 f.). Diskussionsbeitrag Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 640 (641). 79 Diskussionsbeitrag Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 640 (641). 80 Zur Abstimmung ZSR n. F. 21 (1902), 635 (642). 81 Siehe Diskussionsbeitrag Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 640 (640), der ausführte, dass ihn die zu Tage getretene Opposition keineswegs überraschte. 82 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1. 83 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (1). 78

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nend als „Fortschritt“ bezeichnete und dem Entwurf attestierte, „Anfänge eines die Arbeiterinteressen würdigen Obligationenrechts“84 zu beinhalten.85 Nichtsdestotrotz sah Lotmar deutlichen Optimierungsbedarf hinsichtlich dreier grundlegender Problemstellungen, von denen zwei sich auf zentrale gesetzessystematische Anliegen im Nexus des neuen Dienstvertragsrechts bezogen: Zunächst merkte Lotmar an, „daß das Gebiet des Dienstvertrags von dem des Werkvertrags und dem des Auftrags nicht gehörig unterschieden worden ist, was zu schweren Missständen führt“86. Lotmar kritisierte mit diesen Worten das Fehlen eines trennscharfen Abgrenzungsregimes der drei (Arbeits-)Vertragsarten voneinander, deren Rechtsfolgen höchst unterschiedlich und für den Arbeiter von zentraler praktischer Bedeutung waren.87 Obgleich Huber selbst erkannt hatte, dass klare Unterscheidungskriterien zur Verhinderung von Rechtsunsicherheit – die Rechtspraxis offenbarte in ei­nigen Bereichen dabei ein „peinliches Schwanken“88 – unerlässlich waren und den hierzu vertretenen Standpunkt der Kommission mit Botschaft vom 3. Mai 190589 eingängig erläuterte, war Lotmar von dem dabei verfolgten Ansatz nicht zu überzeugen.90 Er forderte die Präzisierung der jeweiligen Vertragsbegriffe mittels Festlegung stilprägender, konstitutiver Tatbestandsmerkmale, etwa einer zwingenden Unentgeltlichkeit des Auftrages oder der Zeitlohnform, exklusiv für Dienstverträge im Vergleich zum Werkvertrag.91 Weiter galt es, „die im Dienstvertragstitel gegebene Ordnung im einzelnen auf ihre Zulänglichkeit und Annehmbarkeit vom Standpunkt der Arbeiterklasse zu untersuchen“92. Lotmar forderte also auch und gerade die Überarbeitung einzelner, seines Erachtens nicht ausreichend präziser, bestimmter oder sozialschützender Artikel zugunsten des Arbeitnehmers. Er widmete sich mit juristischem Scharfsinn der Terminologie des Entwurfs und deckte so manche Ungenauigkeit im Gesetzes-

84 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (1 f.). 85 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (1 f.). 86 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (2). 87 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (4). 88 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (32). 89 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (32). 90 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (2). 91 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (4 f.). 92 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (2).

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text auf.93 Akribisch evaluierte er Artikel für Artikel und offerierte sprachliche wie inhaltliche Verbesserungsvorschläge. Wie schon in Sarnen lagen ihm dabei vor allem das Kollektivarbeitsrecht und die diesbezüglichen Regelungen zum Tarifvertrag und der Arbeitsordnung am Herzen. In der rechtlichen Anerkennung des Tarifvertrages sah Lotmar zwar einen Fortschritt im Vergleich zum lex lata. Die rechtliche Ausformung  – etwa seiner Rechtswirkungen, seines Geltungsgebiets oder seiner häufigsten Erscheinung – hielt er jedoch für ungenügend und jeglicher Aussagkraft entbehrend.94 Auch die Lohnzahlungsvorschriften der Art. 1379 ff. bildeten einen Kernaspekt seiner Kritik.95 Sein Gutachten schloss Lotmar mit einer resümierenden Auflistung seiner Forderungen in 14 Punkten und verwies rechtskomparativ auf die „Gesetze[…] der Kulturländer“96, in denen diese Anliegen bereits adressiert worden waren, um seinem Verlangen weiter Nachdruck zu verleihen.97 cc) Lotmars eigene Konzeption eines Dienstvertragsrechts: Die Anträge der Kommission der Sozialdemokratischen Partei Auf Basis seines Gutachtens aus dem Jahre 1905 entwarf Lotmar zusammen mit der auf dem Parteitag der von der Sozialdemokratischen Partei bestellten fünfköpfigen Kommission im Jahre 1908 eine eigene Dienstvertragsrechtskonzeption. Kommissionsmitglieder waren Lotmar selbst, Rechtsanwalt David Farbstein, Oberrichter Lang, Nationalrat Brüstlein und Regierungsrat Heinrich Scherrer.98 Das von Lotmar und der Kommission vorgeschlagene Dienstvertragsrecht sollte 54 Artikel beinhalten, was einer Erweiterung von 18 Normen im Vergleich zum Entwurf von 1905 (42 zum geltenden aOR) entsprach.99 Allein zwölf weitere Artikel widmete

93 Näher am Beispiel von Art. 1381 siehe Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 235. 94 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (18). 95 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (18 ff.). 96 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (26). 97 Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (25 f.). 98 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 3. 99 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 10 ff.

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der Kommissionsentwurf einleitend den gemeinsamen Regelungen für das Dienstund Werkvertragsrecht, durch welche die Kommission diese beiden Arbeitsverträge von weiteren, strukturähnlichen Verträgen abgrenzte.100 Erst anschließend, in § 13, nahm Lotmar eine Differenzierung zwischen Dienstverträgen und Werkverträgen vor und legte dort die konstitutiven Tatbestandsmerkmale für den Dienstvertrag fest.101 Neben der ausdifferenzierteren Vertragsabgrenzung plante Lotmar beispielsweise auch das Tarifvertragsrecht und die Normen zur Arbeitsordnung weitaus einlässlicher zu normieren. Waren diese im Entwurf von 1905 nur geringfügig verankert, widmete die Kommission der Materie ganze zwölf ihrer 54 Paragraphen.102 Auch die Gründe für das Ende eines Dienstverhältnisses, insbesondere das Kündigungsrecht, behandelte der Entwurf der Sozialdemokratischen Partei detailreicher und ausführlicher in den §§ 49 bis 64.103 Jede Kündigung, sei es auf Arbeitgeber- oder auf Arbeitnehmerseite, musste somit die gesetzlich normierten Voraussetzungen der §§ 51 bis 64 – beispielsweise verbindliche Kündigungsfristen – des Entwurfs erfüllen. Hierdurch sollte nicht zuletzt für den schutzwürdigen Arbeitnehmer eine größere Arbeitssicherheit gewährleistet werden. Allgemein zeichnete sich das von der Sozialdemokratischen Partei entworfene Dienstvertragsrecht durch seinen erweiterten Arbeitnehmerschutz aus, der sowohl mit der erhöhten Anzahl der (Schutz-)Vorschriften als auch mit deren detailreicheren und sprachlich exakteren Ausformung einherging. Eine arbeitnehmerfreund­lichere Fassung des in § 45 verankerten Annahmeverzugs, die präzisere und ausführlichere Normierung von Arbeitgeberpflichten etwa in Bezug auf die Arbeitsräume (§§ 31, 32) sowie die höhere Bestimmtheit einzelner Normen wie des Lohnfortzahlungsanspruchs (§ 47) zählten zu den stilbildenden, arbeitnehmerschützenden Vorschlägen des Gesetzesentwurfs der Kommission.104 Den Mitgliedern der Expertenkommission leitete das Sekretariat der Expertenkommission den Entwurf Lotmars und seiner Kommission gesondert und damit unabhängig von der allgemeinen Zusammenstellung aller Anträge zum Entwurf

100 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 8 f. 101 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 10. 102 Es handelte sich dabei um die Paragraphen 17 bis 29. BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 11 ff. 103 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 18 ff. 104 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 14, 17, 18.

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von 1905105 zu, worin auch Lotmars Gutachten enthalten war.106 Demnach konnte Lotmars Gesetzeskonzeption bei den anfälligen Kommissionsarbeiten verwendet werden.107 Auch die Mitbegründer des Entwurfs  – die Kommissionsmitglieder Brüstlein und Lang – brachten die Forderungen stetig in die Verhandlungen mit ein und insistierten mitunter auf deren Durchsetzung.108 Nicht immer gelang es den Sozialdemokraten jedoch – teilweise unterblieb bereits der Versuch –, überhaupt eine intensive Diskussion zu entfachen. Noch seltener konnten sie sich durchzusetzen. § 13 des Entwurfs beispielsweise nahm Huber in der Expertenkommission zwar in die Diskussion mit auf, trat allerdings den Vorschlägen Brüstleins und Langs anschließend entgegen, sodass der Expertenkreis die Anregung in finaler Abstimmung endgültig verwarf.109 Im Ergebnis blieb die Kommission – nicht selten auf Vorschlag Hubers110 – im Grundsatz eher dem Entwurf von 1905 treu und berücksichtigte die Vorschläge Lotmars und seiner Kommission nur sporadisch. c) Fazit zu Lotmars Einfluss auf die Revision des schweizerischen Dienstvertragsrechts (auch) im Vergleich mit Huber Um Lotmars Einfluss auf die Revision des Dienstvertragsrechts beurteilen zu können, bedarf es einer Differenzierung in verschiedener Hinsicht. Stellt der Betrachter isoliert darauf ab, inwieweit sich seine Forderungen schlussendlich verwirklichten, ergäbe sich, dass nur wenige der verabschiedeten Neuerungen unmittelbar aus Lotmars Feder stammten. Löst man sich allerdings von der starren Bewertung allein seiner Ergebnisse und ändert seinen Blickwinkel, erscheint Lotmar in einem anderen Lichte. Sein Einfluss während der Revision war nämlich ein mittelbarer.111 Zum einen ging dieser Umstand bereits damit einher, dass Lotmar kein Mitglied der Expertenkommissionen war – auch nicht als Spezialexperte für das Dienstvertragsrecht – und ihm deshalb kommissionsinterne Teilhabe und Mitwirkung an den Gesetzesentwürfen verwehrt blieben. Daneben war er auch im 105

BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, Vorbemerkung; BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, S. 1 ff. 106 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, S. VII. 107 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, Vorbemerkung. 108 Siehe hierzu vor allem BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, Sitzungen 18 bis 25.  109 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 18. Sitzung, S. 2, 4. 110 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 288. 111 Zum selben Ergebnis kommt auch Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 304.

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Zusammenhang mit seiner parteipolitischen Zugehörigkeit nicht als Mitglied des Stände- oder Nationalrates aktiv. Somit konnte er sich selbst nur außerhalb der parlamentarischen und präparlamentarischen Kommissionsverhandlungen zu Wort melden. In besagten Kommissionen und Räten hatte er immerhin bis zu einem gewissen Grad den Rückhalt seiner Parteigenossen, insbesondere Brüstleins, der die sozialdemokratisch geprägten Vorschläge jedenfalls 1908/1909 beharrlich in die Diskussion einbrachte.112 Dass seine Visionen nicht auf diesem indirekten Wege mehr Beachtung gefunden hatten, hing indes mit der politischen Zusammensetzung der Kommissionen und Räte zusammen. Sowohl in der Expertenkommission als auch in den späteren parlamentarischen Kommissionen waren Anhänger seiner Sozialdemokratischen Partei die Seltenheit.113 Obgleich diese also – teilweise vehement – für ein soziales Arbeitsrecht einstanden, fehlte der Partei schlichtweg die politische Macht, um durchsetzungsfähiger zu agieren. Die – vornehmlich der Freisinnig-Demokratischen Partei zugehörigen114 – Kommissionsmitglieder präferierten einen arbeitgeberfreundlicheren Ansatz und lehnten die Vorschläge Lotmars zumindest im Ergebnis oftmals ab. Trotz alledem waren die Postulate Lotmars während der gesamten Revisionsverhandlungen präsent. Er erwies sich als „ständige[r] Kommentator und Kritiker“115, der inspirierte und stets Input für Debatten innerhalb und außerhalb der Kommissionen lieferte. Dass auch die führenden schweizerischen Revisionsakteure um Lotmars Wert für das schweizerische Dienstvertragsrecht wussten, zeigt sich daran, dass sie ihn – trotz teilweise diametral entgegenstehender eigener Ansicht – zumindest immer wieder konsultierten und um Rat und Vorschläge baten. Der Schweizerische Juristenverein etwa bewies den Weitblick, ihn als Referent für das Thema des Dienstvertrages am Juristentag in Sarnen hinzuzuziehen, einer Veranstaltung, der auch Bundesrat Brenner als Leiter des EJPD beiwohnte.116 Dass seine Vorschläge mehrheitlich Ablehnung fanden,117 soll dem Prädikat einer herausragenden Bedeutung für eine gehaltvolle Diskussion rund um das Dienstvertragsrecht nicht entgegenstehen. Auch das EJPD bediente sich Lotmars Kreativität und Ideenreichtum, indem ihm das Departement die Möglichkeit gab, eigene Vorschläge zum Dienstvertragsrecht in seinem Gutachten und seiner eigenen Gesetzgebungskonzeption zu unterbreiten. Vergleicht man Lotmar nunmehr mit Huber, wurde nicht nur im Nachgang, anhand der geringeren Würdigung seiner Verdienste durch die schweizerische Gesellschaft, sondern bereits während der Revision deutlich, dass er nicht die Stellung und Akzeptanz in der schweizerischen Gesellschaft wie der Gesetzesredaktor hatte. Hubers Voten hatten sowohl in den Expertenkommissionen als auch im Nationalrat stets Gewicht. Lotmar wiederum sah sich von Beginn an eher Skepsis und Ablehnung ausgesetzt. Nicht zuletzt hatte Huber die Gesetzesentwürfe auch selbst verfasst und damit das Dienstver 112

Siehe C. III. Näher dazu siehe F. III. 114 Siehe C. III. 1. d). 115 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 304. 116 Eichholzer, Gewerkschaftliche Rundschau 66 (1974), 145 (146). 117 Vgl. Eichholzer, Gewerkschaftliche Rundschau 46 (1954), 61 (64). 113

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tragsrecht in großen Zügen seinen Vorstellungen entsprechend vorbestimmt. Das Dienstvertragsrecht fußt in seiner endgültigen Fassung somit stärker auf Huber denn auf Lotmar, was jedoch die Bedeutung und den Einfluss des Letzteren für die Revision dieses Titels keinesfalls schmälert. 3. Revision besonderer einzelner Artikel, beispielsweise Art. 1381 (später Art. 335 OR) Waren bereits die generellen Verhandlungen zum Dienstvertragsrecht spannungsgeladen, so galt dies erst recht für eine besondere Norm: Die Fassung von Art. 1381 (ehemals Art. 341  aOR, später aufgrund der neuen Nummerierung Art. 335 OR) stand im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen während der Revision des OR und war „eine[…] der umstrittensten [Normen] des gesamten Abschnittes“118. Außer Art. 1381 widmete der Revisionsgesetzgeber nur Art. 58 OR während des gesamten Beratungsverlaufes ähnlich viel Zeit und Aufmerksamkeit.119 Anders als die meisten kontrovers behandelten Normen des Dienstvertragsrechts war ein Lohnfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers für unverschuldete Verhinderung de lege lata bereits in Art. 341 des aOR verankert120 und verkörperte „eine sozial wichtige und für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Bestimmung“121. Es handelte sich um eine der wenigen zwingenden Normen des aOR.122 Dennoch prägte die bestehende Gesetzesfassung die Revisionsetappen ungleich mehr als andere Rechtsnormen, die gänzlich neu zu fassen waren. Eine Besonderheit der Vorschrift ist dabei in der Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtbegriffe zu sehen. Im schweizerischen OR ließ sich mitunter die Tendenz erkennen, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, unbestimmte Begriffe wie „auf längere Dauer abgeschlossene[s] Dienstverhältnis“ oder „verhältnismäßig kurze Zeit“ bereits im Gesetzestext zu definieren oder zumindest näher zu umschreiben und die Auslegung dieser Begriffe nicht stets der Rechtsanwendung zuzuweisen.123 Die genaue Ausgestaltung der Vorschrift sorgte jedoch für intensive Debatten in jedem Stadium der Revision. 118

Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 86 (86). Oser / Schönenberger, in: Egger u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V, 2. Hbd., 2. Aufl. 1936, Vorb. Art. 335 Rn. 1. 120 Art. 341 des aOR lautete: „Bei einem auf längere Dauer abgeschloßenen Dienstvertrage geht der Dienstpflichtige seiner Ansprüche auf die Vergütung nicht verlustig, wenn er durch Krankheit, durch Militärdienst oder aus ähnlichen Gründen ohne eigenes Verschulden auf verhältnismäßig kurze Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird“. 121 Tschudi, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987, S. 25. 122 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (241). 123 Ähnlich lässt sich dieses Phänomen im Irrtumsrecht nachweisen. Dieses etwa kannte anders als das deutsche BGB keine (unbestimmte) Generalklausel wie § 119 (Abs. 2) BGB, sondern versuchte Verhaltensweisen, die den Irrtumstatbestand erfüllen sollen, bereits im Gesetzestext des Art. 24 OR zu umschreiben und zu konkretisieren. Grundsätzlich allerdings ließ auch und gerade das schweizerische Recht der Rechtsanwendung einen großen Spielraum. 119

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a) Entwicklung der Norm In der ersten Phase hatten sich die Revisionsprotagonisten vorerst noch stark am bestehenden Recht orientiert und änderten den bisherigen Art. 341 Abs. 1 aOR immerhin nach zwei Richtungen:124 Zum einen löste die Langenthaler Kommission die Kontroverse um die unbestimmten Begriffe „auf längere Dauer“ (in Bezug auf den Abschluss des Dienstvertrages) und „verhältnismäßig kurze Zeit“ der Dienstverrichtung dahingehend, dass der Expertenkreis Auslegungskriterien festlegte, denen zu Folge die Rechtsbegriffe nicht ausschließlich anhand der Frist, nach deren Ablauf eine rechtswirksame Kündigung erfolgen konnte, sondern darüber hinaus anhand der bis zu diesem Zeitpunkt125 geleisteten Dienste bestimmt werden sollten.126 Zudem sollte der Lohnfortzahlungsanspruch nunmehr exklusiv für den obligatorischen Militärdienst vorgesehen werden.127 Die Expertenkommission von 1908/1909 widmete sich anschließend allein dieser Norm in insgesamt zwei Sitzungen.128 Der Entwurf vom 1. Juni 1909 enthielt sodann eine Regelung, die a maiore ad minus auch dem für längere Zeit und nicht nur kurzzeitig arbeitsunfähigen – und damit sogar noch bedürftigeren – Arbeitnehmer wenigstens für eine kürzere Zeitspanne einen Lohnanspruch zusicherte.129 Hiermit trug die große Kommission Lotmars Forderungen und Kritik zum Entwurf von 1905 Rechnung und erzielte einen entscheidenden Fortschritt.130 Auch in den Parlamentskommissionen wurde Art. 1381 später eingehend behandelt. Bereits die Kommission des Nationalrates unterwarf den Lohnanspruch indes weiteren Einschränkungen. Die nationalrätliche Kommission statuierte auf Vorschlag Brenners eine Beweislast des Arbeitnehmers für den konkret zu beziffernden, durch den Lohnausfall entstandenen Schaden131 und bestätigte somit die arbeitgeberfreundliche Gesetzgebungstendenz in den eidgenössischen Räten beziehungsweise ihren Kommissionen. Mit dieser im Vergleich

124

Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (38). Der Gesetzesentwurf vom 3. März 1905 sprach unpräzise von „bishin“ geleisteten Diensten, anstatt den die Vergangenheit ausdrückenden Begriff „bisher“ zu verwenden. Unter anderem diese Formulierung nahm Lotmar zum Anlass, Kritik an der juristischen Ungenauigkeit der Vorschrift zu üben. Siehe Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (176); Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (19). 126 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (38). 127 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 16. Sitzung, S. 78. 128 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 20. Sitzung, S. 9 ff., 21. Sitzung, S. 1 ff. 129 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (748). 130 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 272; ­Lotmar, Gutachten: Der Dienstvertrag im Entwurf des Zivilgesetzbuches, separat abgedruckt in: Schweizer Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, XIII. Jg. 1905 (257–282), 1 (20). 131 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 7. Sitzung, S. 3 f. 125

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zum Entwurf von 1909132 allgemeineren Formel sollte verhindert werden, dass der Dienstpflichtige, der etwa Krankengelder beziehen oder Militärsold erhalten durfte, sich durch die zusätzliche kurzzeitige Lohnfortzahlung unbillig bereichern würde.133 In den nachfolgenden Verhandlungen des gesamten Nationalrates, in denen die Anträge der Kommission besprochen wurden, registrierten die Mitglieder des Nationalrates, dass die ganze Bestimmung eine weitaus stärkere Belastung des Arbeitgebers und Gewerbestandes bilden werde als Art. 341 aOR, weshalb Scheidegger eine Rückverweisung und Neuberatung durch die nationalrätliche Kommission vorschlug und der Nationalrat für diesen Antrag mehrheitlich votierte.134 Die Kommission nahm nachfolgend weitere Änderungen vor. So konkretisierte die Kommission sowohl die Kündigungsfrist als auch die Länge des Bestehens des Dienstverhältnisses näher: Wie von Huber angeregt, sollte die Kündigungsfrist nunmehr mindestens einen Monat betragen, während das Dienstverhältnis nicht mehr „längere Zeit“135 bestanden haben musste, sondern konkret auf ein Jahr oder länger taxiert wurde.136 Daneben modifizierte die Nationalratskommission die Absätze zwei und drei und ergänzte die Vorschrift zudem durch den Zusatz des Art. 1381bis, der die Anrechnung von Versicherungsleistungen bestimmte.137 Die Vorschläge der Kommission fanden anschließend auch im gesamten Nationalrat Zustimmung.138 Die ständerätliche Kommission bestätigte die Fassung des Nationalrates indes nicht (vollends). Das Gremium beabsichtigte, die Norm weiter zu präzisieren und die „verhältnismäßig kurze Zeit“ auf das Kalenderjahr zu berechnen.139 Der Ständerat stimmte dem Vorhaben seiner Kommission zu und veranlasste die Weiterleitung der Artikel an den Nationalrat.140 Nachdem die nationalrätliche Kommission die erneuerte Fassung des Ständerates erhalten hatte, ließ diese überraschenderweise die beiden Artikel fallen und rekonstruierte die Norm im Einvernehmen mit der ständerätlichen Kommission in Anlehnung an den geltenden Art. 341 aOR.141 132 Der Entwurf von 1909 enthielt den Zusatz: „Der Arbeitgeber kann sich von dieser Pflicht nicht befreien, darf aber im Falle der Verhinderung durch Krankheit oder Unfall Kranken­gelder von Krankenkassen oder Versicherungsanstalten, an die er Beiträge leistet, im Verhältnis dieser Beiträge zur Gesamtleistung in Abzug bringen“. Vgl. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1909, S. 611 (631). 133 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1909, S. 611 (637). 134 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1909, S. 639 (652 ff.). 135 Vgl. zum vorherigen Vorschlag der nationalrätlichen Kommission, Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1909, S. 611 (631). 136 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 14. Sitzung, S. 2 ff. 137 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 14. Sitzung, S. 2 ff.; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 288 f. 138 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 7. Dezember 1910, S. 735 (747). 139 BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 5. Sitzung, S. 3; BArch 22/2117, Redaktionsvorschläge der Kommission des Ständerates vom 8. März 1910, S. 1. 140 Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 86 (87). 141 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1910, S. 343 (346 ff.); Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 86 (87).

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Schlussendlich bedeutete die finale Redaktion von Art. 335 OR einen Widerstand gegen die Weiterentwicklung des Art. 341 aOR und einen Rückschritt weg von den Neuerungen, die Art. 1381 (und Art. 1381bis) beinhaltete und beinhalten sollte.142 Die Gründe, welche die Kommissionen zu diesem Umdenken bewegten, lagen in der gesetzesübergreifenden Dimension des Lohnfortzahlungsanspruchs. Art. 1381 bildete eine Schnittstellennorm zwischen OR und Unfall- und Krankenversicherungsgesetz. Nachdem die Bundesversammlung die Fertigstellung des OR im Jahre 1907 verschoben und hinausgezögert hatte, drohte eine Koinzidenz der Fassung mit der Erledigung jenes Spezialgesetzes und eine Doppelbelastung der Arbeitgeber, allen voran im Kleingewerbe.143 Eine arbeitnehmerfreundliche Weiterentwicklung des Art. 341 aOR blieb folglich final aus. Der endgültige Wortlaut des neuen Art. 335 OR lautete nunmehr: „Bei einem auf längere Dauer abgeschlossenen Dienstvertrag hat der Dienstpflichtige, wenn er an der Leistung der Dienste durch Krankheit, schweizerischen obligato­rischen Militärdienst oder ähnliche Gründe ohne sein Verschulden verhindert wird, gleichwohl für eine verhältnismäßig kurze Zeit Anspruch auf Lohnzahlung“. Als (einzige) Unterschiede zu der früheren Fassung im aOR ergaben sich somit zum einen die Beschränkung des Lohnfortzahlungsanspruchs auf den obligatorischen Militärdienst. Zum anderen brachte das revidierte OR die – immerhin wertvolle – Verbesserung mit sich, den Anspruch dem Arbeitnehmer auch für den Fall zuzugestehen, dass die Arbeitsverhinderung längerfristig war,144 während Art. 341 aOR nur bei kurz andauernden Arbeitsverhinderungen galt.145 b) Stellungnahme zu Art. 335 OR Die Ausformung des Art. 335 OR lässt einen derart transparenten und unverfälschten Blick auf das gesamte Revisionsverfahren zu, wie es nur wenige weitere Artikel vermögen. Ziel der Revisionsprotagonisten war es, eine präzisere Ausgestaltung des im aOR bereits verankerten Lohnfortzahlungsanspruches zu schaffen. In diesem Fall zwar final verworfen, machte sich anhand von Art. 1381 wiederholt – wie etwa auch beim Irrtumsrecht146 – die Tendenz bemerkbar, unbestimmte Rechtsbegriffe durch klarstellende Beispiele und Umschreibungen bereits im Gesetzestext deutlicher ausformulieren zu wollen; ein typisches Revisionsstilmittel. Die Norm beschäftigte die schweizerischen Revisionsakteure jedoch nicht nur 142

Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 86 (86). Siehe hierzu Hubers Begründung in Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1910, S. 343 (346 ff.) sowie die Begründung des Referenten der ständerätlichen Kommission Hoffmann in Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 2. November 1910, S. 281 (288 ff.); Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 86 (87). 144 Tschudi, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987, S. 27. 145 Oser / Schönenberger, in: Egger u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V, 2. Hbd., 2. Aufl. 1936, Vorb. Art. 319–362 Rn. 2. 146 Näher hierzu siehe D. VI. 143

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wegen ihrer sprachlichen Finessen. Es handelte sich bei der Ausgestaltung dieser Rechtsbegriffe keineswegs um rein dogmatische Spitzfindigkeiten führender Theoretiker und Rechtsgelehrter. Die Klarstellung dieser Normmerkmale hatte nicht nur akademische Bedeutung, sondern unmittelbar praktische Relevanz für die Rechtsanwendung durch die Gerichte. Aus diesem Grund war Art. 1381 in Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkreisen zentraler Diskussionsgegenstand. Art. 1381 wurde während aller Phasen der Revision in verhältnismäßig großem Umfang in den Beratungsverlauf eingebracht. Zu der Vorschrift lässt sich eine enorme Materialfülle an Anträgen im Bundesarchiv finden.147 Die Norm war Gegenstand nahezu aller Postulate, Kommissionsdiskussionen und Abstimmungen während der gesamten Revision, und die Abstimmungsergebnisse waren nicht selten nur sehr knapp.148 Mit der endgültig verabschiedeten Version strebte der schweizerische Reformgesetzgeber einen konservativen, den politischen Verhältnissen in den Räten entsprechenden und damit widerstandsfreieren Weg an. Die drohende Doppelbelastung der vornehmlich in den eidgenössischen Räten generell bevorzugten Arbeitgeber, die mit der zeitgleichen Neufassung von Art. 1381 und dem Erlass des Unfall- und Krankenversicherungsgesetzes149 einhergegangen wäre, verwehrte eine eingehendere Regelung des Art. 1381 (335 OR) inklusive signifikantem sozialem Fortschritt. Auch Lotmar konnte mit der finalen Regelung nicht zufrieden sein. Im Ergebnis manifestierte die Entscheidung der eidgenössischen Räte somit – de lege ferenda – eine nur geringfügige Verbesserung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers im Vergleich zum aOR. Gerade die Unbestimmtheit der Vorschrift adressierte der Gesetzgeber letzten Endes trotz zahlreicher Umschreibungsvorschläge unter anderem Lotmars nicht und sorgte hierdurch für ein unbefriedigendes Revisionsergebnis, welches unter anderem im Zuge der Revision von 1967/1971 korrigiert werden musste.150

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Siehe etwa BArch 22/2110, Schreiben der Zürcher Handelskammer vom 10. September 1910 an die Kommissionen des Nationalrates und Ständerates für die Ergänzung des Zivilgesetzbuches; BArch 22/2110, Der Entwurf für ein Schweizerisches Zivilgesetzbuch in seinen für die Landwirtschaft wichtigsten Bestimmungen, 1905, S. 47. 148 So z. B. die Abstimmungen in der bundesrätlichen Expertenkommission. BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 21. Sitzung, S. 3 f. 149 Das Bundesgesetz betreffend die Kranken- und Unfallversicherung wurde am 13. Juni 1911 erlassen. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 13. Juni 1911, S. 149; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 13. Juni 1911, S. 83; Oser / Schönenberger, in: Egger u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V, 2. Hbd., 2. Aufl. 1936, Vorb. Art. 319–362 Rn. 1. 150 Vgl. Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (256, 331 ff.).

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4. Stellungnahme zur gesamten Revision des Dienstvertrages Das Dienstvertragsrecht stellte nicht nur während der eigentlichen Revisionsarbeiten das politisch schwierigste und umstrittenste Kapitel dar, sondern lieferte auch nach Abschluss und Inkrafttreten des Gesetzbuches vielfach Material und Anreiz zum Disput. Betrachtet man den endgültigen Gesetzestext von 1911/1912 und stellt ihn seiner Vorgängerversion von 1881/1883, aber auch den Vorschlägen Lotmars und den Entwürfen von 1905 und 1909 gegenüber, so ergibt sich ein vielschichtiges Bild. Zum einen gelang im Vergleich zum 30 Jahre älteren aOR ein „bemerkenswerter Fortschritt“151, der sich in diversen „gesetzestechnische[n] Verbesserungen“152, namentlich dem Gesamtvertrag oder der Konkurrenzklausel, offenbarte. Auf der anderen Seite verwarfen Huber und die Kommissionen jedoch auch einige fortschrittliche Ansätze, insbesondere Lotmars und seiner Sozialdemokratischen Partei. Dass der Gesetzgeber diese Ansätze nicht weiterverfolgte, war mitunter dem Umstand geschuldet, dass die federführenden Revisionsgestalter einer zu weitgehenden Einschränkung der vertraglichen Regelungsmöglichkeiten (des Arbeitgebers) zum Schutze des Arbeitnehmers skeptisch gegenüberstanden. Überhaupt war es eine fortwährende Problemstellung während der Revision, den ständig auftretenden Konflikt zwischen Privatautonomie und Sozialschutz durch Gesetzgebung und Festlegungen von Beschränkungen zu entschärfen, was auch Bundesrat Rudolph Friedrich in seiner Stellungnahme anlässlich des 100. Jubiläums des aOR betonte.153 Huber und seine Kommission(en) standen somit vor der schwierigen Aufgabe, beiden Maximen zu weitestmöglicher Entfaltung zu verhelfen und diese zugleich weitgehend zu harmonisieren, ohne dabei eine der beiden zu erdrücken. Demnach überrascht es nicht, dass der Gesetzgeber sich nicht der (einseitigen) Etablierung eines besonders starken, wie von Lotmar geforderten, Arbeiterschutzes verschrieben, sondern darüber hinaus die Arbeitgeberseite im Blick hatte. Die verantwortlichen Akteure erkannten zwar die Notwendigkeit, einige offensichtlich sozialpolitisch fragwürdige Regelungen zu verbessern, um einen den zeitlichen Gegebenheiten angemesseneren Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten. Gleichzeitig bemängelten sie die während der Revisionsarbeiten „etwas einseitige[…] Hervorhebung des Schutzes der Schwachen“154, wie sie der Gegenstand Lotmars Thesen war. Nichtsdestotrotz verpassten die Gesetzesbegründer die Gelegenheit, einige von Lotmar angeregte fortschrittliche Regelungen im neuen OR zu verankern. Vergleicht man nämlich den endgültigen Gesetzestext mit dem Entwurf von 1909 sowie mit den Vorschlägen Lotmars und berücksichtigt dabei in erster Linie sozialpolitische Aspekte, wie insbesondere den Schutz des Arbeitnehmers, erscheint eine kritische Beäugung des Gesetzgebungsprozesses besonders innerhalb der Bundesversammlung geradezu zwingend. Zahlreiche gesetzliche Regelungen 151

Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 102 (108). Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 102 (108). 153 Diskussionsbeitrag Friedrich, ZSR n. F. 102 (1983), 565 (566 f.). 154 Eichholzer, Wirtschaft und Recht 1967, 144 (149). 152

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zwingenden Charakters wurden während der Verhandlungen der eidgenössischen Räte entweder gänzlich zurückgenommen oder zumindest abgeschwächt.155 Eine retrospektive Bilanzierung ausgehend vom heutigen Dienstvertragsrecht und unter Berücksichtigung der abgelehnten Vorschläge und des Entwurfs Lotmars zeigt, dass sich das Privatrecht in der Schweiz Lotmars zeitgenössisch womöglich noch nicht ausgereifter beziehungsweise nicht vollwertig akzeptierter Gesetzgebungskonzeption durchaus annäherte. Einige Visionen Lotmars hatten sich somit erst im Laufe der Zeit verwirklicht. Gerade seine Vorstellung eines menschenwürdigen Arbeitsrechts, die von Arbeit als Hingabe der Person ausging,156 griff der Reformgesetzgeber in den Jahren 1967/1971 auf und erkannte in Art. 328 OR die menschliche Persönlichkeit des Arbeitnehmers als schützenswertes Rechtsgut an.157 Daneben enthielt das Dienstvertragsrecht von 1911/1912 beispielsweise  – unter Verweis auf die privatrechtliche Natur des Dienstvertragsrechts – (im Gegensatz zu Lotmars Konzeption) nur eine einzige Norm zur Regelung der Arbeitszeit, Art. 341 OR,158 und damit eine Lücke, die in es in den folgenden Jahren vor allem durch öffentliches Arbeitnehmerschutzrecht zu schließen galt.159 Auch der von ­Lotmar bemängelte, letztlich weiterhin unbestimmt formulierte und nur geringfügig revidierte Lohnfortzahlungsanspruch in Art. 335 OR hatte zu „schwerwiegende[n] Auslegungsdifferenzen“160 in der Gerichtspraxis geführt und einen hieraus folgenden Revisionsbedarf dekuvriert. In einigen Punkten war Lotmar also seiner Zeit voraus und offenbarte eine größere Weitsicht, als es Huber und die Kommissionen taten.161 Das Dienstvertragsrecht von 1911/1912 aus diesem Grund als veraltet, inkonsistent und wenig innovativ zu beanstanden, wäre wiederum zu engstirnig und nicht der politischen und wirtschaftlichen Komplexität des Geschehens zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsprechend. Die Aufgabe Hubers und der Kommissionen war es, ein den zeitlichen – politischen und wirtschaftlichen – Umständen und dem Willen des Volkes entsprechendes, gleichzeitig aber möglichst langlebiges und modernes Arbeitsrecht zu schaffen. Lotmar selbst hatte dahingehend befürchtet, dass politisches Kalkül und das gesetzespolitische Streben nach der größtmöglichen Akzeptanz im Volke die Entscheidungen der Revisionsakteure

155

Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 102 (108). Siehe D. I. 2. b). 157 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (200). 158 Lotmar und die Kommission der Sozialdemokratischen Partei hingegen hatten eine eingehendere Regelung gefordert. Siehe hierzu die §§ 33 bis 36 des Entwurfs der vom Parteitag der Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission um Lotmar. BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 14 f. 159 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (197). 160 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (243). 161 Vgl. Rehbinder, in: Rehbinder (Hrsg.), Professor Dr. Philipp Lotmar. Schweizerisches Arbeitsvertragsrecht, 1991, S. 7 (24 f.). 156

I. Dienstvertrag   

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maßgeblich dirigierten.162 Die demokratisch legitimierte und die Interessen des Volkes abbildende politische Zusammensetzung der verschiedenen (parlamenta­ rischen) Kommissionen, aber auch die demographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts standen der Konzeption Lotmars entgegen und erschwerten die Durchsetzungsfähigkeit seiner Visionen. Ganz gleich, wie der retrospektive Betrachter zu den Neuerungen von 1911/1912 steht, muss festgehalten werden, dass das Dienstvertragsrecht von 1911/1912 abgesehen von diversen Ergänzungen und partiellen Modifikationen letztlich immerhin bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Bestand hatte, ehe 1967/1971163 eine weitere umfassende Erneuerung Platz griff.164 Auch vor dem Hintergrund der „wirtschaftlichen und soziologischen Dynamik“ dieses Rechtsinstituts blieb das Dienstvertragsrecht also von bemerkenswerter Konstanz und ließ sich nicht durch wechselnde Strömungen zu voreiligen Neuregelungen verleiten.165 Die letztlich eher auf Huber und weniger auf Lotmar zurückzuführende Dienstvertragsrechtskonzeption des revidierten OR von 1911/1912 blieb folglich trotz zweier Weltkriege und wirtschaftlicher Krisen166 über einen langen Zeitraum in der Schweiz erhalten. Nicht weniger brisant für die Gesamtbewertung der Revision des schweize­ rischen Dienstvertragstitels ist zudem der Umstand, dass die einzelnen Phasen der Revision höchst unterschiedlich verliefen. Das Dienstvertragsrecht zeigt mit am deutlichsten die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesetzgebungsphasen auf. Gerade für sozialdemokratische Anhänger und die Arbeiterschaft gleichen die verschiedenen Revisionsetappen einer Achterbahnfahrt. Während im Initiativstadium und bei den Verhandlungen der Langenthaler Spezialkommission die Interessen der Arbeiterschaft weitgehend unberücksichtigt blieben, ließen die Arbeiten der großen Expertenkommission 1908/1909 zumindest einen Hoffnungsschimmer aufkommen. Zwar dominierte Huber auch die Verhandlungen der Expertenkommission167 und es gelang den Sozialdemokraten auch zu Beginn der zweiten Phase nur bedingt, ihre insbesondere durch Lotmar ausgeformten Vorschläge durchzusetzen. Immerhin waren sie aber in der Kommission in persona der Herren Brüstlein und Lang präsent und aktiv, brachten Lotmars Vorschläge in die Debatten ein und prägten den Diskussionsverlauf. Die numerische Unterlegenheit der Sozialdemokraten in der Expertenkommission spiegelte sich zwar in den Abstimmungs 162

Eichholzer, Gewerkschaftliche Rundschau 66 (1974), 145 (146). Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241; Bbl. I., 2. Juli 1971, Bundesgesetz über die Revision des Zehnten Titels und des Zehnten Titelsbis des Obligationenrechts (Der Arbeitsvertrag) vom 25. Juni 1971, S. 1421. 164 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (195). 165 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (195). 166 Zu nennen wäre bspw. die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1930. Hierzu siehe etwa Walter, Rote Revue 10 (1930), 8.  167 Hubers Voten hatten in der Expertenkommission stets Gewicht. In seiner Rolle als Referent dirigierte er die Verhandlungen und wirkte durch seine leitende Hand nicht selten auch auf die Entscheidungsfindung der übrigen Kommissionsmitglieder ein. Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 275, 288. 163

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

ergebnissen wider. Wenigstens fanden aber einige zen­trale Anträge der schweizerischen Arbeiterschaft Berücksichtigung. Nach jahrelangen, oft auch vergeblichen Versuchen, eine sozialere Gesetzgebung zu etablieren, stellte der Entwurf vom 1. Juni 1909, der auch von Anregungen Lotmars entscheidend (mit-)geprägt war, im Ergebnis einen Fortschritt dar. In den eidgenössischen Räten bestätigte sich diese Tendenz jedoch – wie bereits dargestellt – nicht, und das Dienstvertragsrecht erlebte eine sozialpoli­tische Regression. Auch die in den Jahren 1908/1909 so aktiven Kommissionsmitglieder, unter ihnen Brüstlein, mussten erkennen und einsehen, dass die Durchsetzbarkeit sozialdemokratischer Forderungen in den eidgenössischen Räten nicht (mehr) möglich war. 1908/1909 noch aktiv(er) für ein soziales Dienstvertragsrecht einstehend, hielt sich selbst Brüstlein in den Verhandlungen der nationalrätlichen Kommission und des gesamten Nationalrates merklich zurück. Die eidgenössischen Beratungen bedeuteten im Ergebnis eine deutliche Abkehr vom Lotmar’schen System und sorgten damit im Nachgang vor allem bei der Sozialdemokratischen Partei und ihren Anhängern für große Verärgerung.168

II. Schenkung Neben dem Dienstvertragsrecht gehörte auch das Schenkungsrecht zu den zentralen materiellen Neuerungen des Besonderen Teils des revidierten OR. Anders als bei dem politisch kontroversen Dienstvertragsrecht ging es bei den schenkungsrechtlichen Bestimmungen hingegen nicht um eine rechtspolitisch relevante Neuordnung geltenden Rechts, sondern um eine bundesrechtliche Neufassung eines zentralen obligationsrechtlichen Instituts und damit eine Vervollständigung des eidgenössischen Privatrechts. Das aOR von 1881/1883 entbehrte schenkungsrechtlicher Bestimmungen und konnte insoweit nicht als Anhaltspunkt bei der Revision herangezogen werden. 1. Vorbild BGB Sein Vorbild fand das neue gesamtschweizerische Schenkungsrecht nicht im kantonalen Partikularrecht, sondern vielmehr im Ausland. Das deutsche BGB und seine Regelungen in den §§ 516  bis  534  BGB waren richtungsweisend für das schweizerische Recht.169 Dass besonders das deutsche Recht zum permanenten Wegweiser dieses Rechtsinstituts wurde, erkennt der Gesetzesanwender bereits, wenn er sich die systematische Stellung des Schenkungsrechts im neuen OR vor Augen führt. Hatte der schweizerische Gesetzgeber für die Schenkung zunächst keine konkrete Anordnung im Blick, so gliederte Huber sie – präjudiziert durch das

168 169

Berner Tagwacht, 31.3.1911, Titelblatt. So auch Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (277).

II. Schenkung 

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BGB – zwischen Kauf und Miete ein.170 Auch ein Vergleich der genauen Anzahl der Bestimmungen und des jeweiligen Wortlauts mit den entsprechenden Vorschriften des BGB von 1900 demonstriert die Strukturverwandtschaft zum deutschen Recht. Das deutsche Recht war insgesamt zwar etwas ausführlicher, es bestand jedoch nicht nur eine inhaltliche, sondern auch eine sprachliche Kongruenz der wesentlichen Regelungen. Die Kohärenz von deutschem und schweizerischem OR zeigt sich anhand des Schenkungsrechts besonders eindrucksvoll. Ein nennenswerter Unterschied zum deutschen Recht manifestierte sich etwa in dem weniger strengen Formerfordernis des Art. 243 Abs. 1 OR im Vergleich zu seinem deutschen Pendant des § 518 Abs. 1 BGB. Während das BGB die notarielle Beurkundung des Schenkungsversprechens verlangt, lässt das OR einfache Schriftform genügen. In beiden Fällen allerdings kann der Formmangel durch Vollzug des Schenkungsversprechens geheilt werden (§ 518 Abs. 2 BGB, Art. 243 Abs. 3 OR). 2. Redaktionelle Mängel Schwächen offenbarte das schweizerische Schenkungsrecht in redaktioneller Hinsicht. Es lassen sich einige sprachliche, an dieser Stelle kurz exemplarisch aufzuzeigende Unzulänglichkeiten ausmachen: So fehlt Art. 248 Abs. 1 OR jedenfalls die juristische Präzision, wenn die Vorschrift von einer „absichtlichen […] Schädigung“ spricht. Die Norm orientierte sich maßgeblich an § 521  BGB, der jedoch den Terminus „vorsätzlich“ verwendet. Da Art. 248 Abs. 1 OR auch grobe Fahrlässigkeit ausreichen lässt, kann nicht von einer bewusst strengeren Regelung als im deutschen Recht ausgegangen werden. Der Begriff „absichtlich“ soll somit – entsprechend dem a maiore ad minus-Prinzip – alle Vorsatzformen mitumfassen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Terminus „vorsätzlich“ an anderer Stelle wie beispielsweise in Art. 251 Abs. 3 OR verwendet wird, erscheint Art. 248 Abs. 1 OR nicht mit derselben juristischen Exaktheit redigiert worden zu sein wie sein Pendant § 521 BGB.171 Angelehnt an § 534 BGB, der den Widerruf der Schenkung und das hieraus folgende Rückforderungsrecht betreffend das Schenkungsobjekt für den Fall ausschließt, dass die Zuwendung einer sitt­lichen Pflicht entsprach, entstand Art. 239 Abs. 3 OR.172 Die exakte Formulierung geht zurück auf die Arbeiten in Langenthal, konkret auf einen Antrag Greniers, der eine Modi 170

Im Vorbereitungsstadium etwa wurde auch die Möglichkeit angesprochen, das zürcherische Recht und dessen Systematik zum Vorbild zu nehmen und das Schenkungsrecht direkt nach den allgemeinen Bestimmungen einzufügen. Siehe Janggen, ZSR n. F. 19 (1900), 593 (645). 171 An dieser Stelle muss dennoch angemerkt werden, dass der Begriff „absichtlich“ auch im BGB an verschiedenen Stellen des Gesetzbuches zu finden ist. Von dieser Bezeichnung wird grundsätzlich nicht nur der dolus directus ersten Grades, sondern jede Vorsatzform umfasst. Das deutsche Zivilrecht trennt anders als das deutsche Strafrecht nicht (immer) gleichermaßen streng und sauber zwischen den verschiedenen Vorsatzgraden. Im konkreten Fall verwendet das BGB jedoch den passenderen Terminus. 172 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (278).

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

fikation des diesen Passus nicht enthaltenden Entwurfs Hubers vorsah.173 Die verallgemeinernde und vereinfachende Formulierung „Die Erfüllung einer sitt­lichen Pflicht wird nicht als Schenkung behandelt“ suggeriert, dass in einem solchen Falle grundsätzlich kein Schenkungsrecht anzuwenden sei und legt demnach auch eine mitunter rechtspolitisch bedenkliche Ausnahme vom Formerfordernis des Art. 243 OR nahe.174 Der in Art. 239 Abs. 3 OR verwendete unbestimmte Rechtsbegriff „sittliche Pflicht“ ist mit Blick hierauf einschränkend zu verstehen, da ein großer Teil der Schenkungen andernfalls gar nicht von der gesetzlichen Regelung umfasst wäre.175 Teilweise geht die einschränkende Auslegung so weit, dass vertreten wird, die Wahrung des Formerfordernisses aus Art. 243 OR werde generell von Art. 239 Abs. 3 OR nicht tangiert.176 Andere Literaturstimmen wollen den Begriff jedenfalls teleologisch eng auslegen, nicht vorschnell eine sittliche Pflicht annehmen, sondern die Fallbeispiele erheblich begrenzen, um einer solchen rechtspolitisch bedenklichen Ausnahme vom Formerfordernis bei zahlreichen Schenkungen vorzubeugen.177 Neben Art. 239 Abs. 3 OR ist auch Art. 242 Abs. 2 OR unglücklich und irreführend redigiert. Dass der Eigentumsübergang („Schenkung“) im Falle einer Grundstücksschenkung erst mit Eintragung in das Grundbuch „zu stande“ kommt, ergibt sich bereits aus den Grundprinzipien des Sachenrechts (Art. 656 Abs. 1 ZGB) und hätte in dieser Form nicht wiederholt werden müssen. Hätte der Gesetzgeber der Tautologie zum Trotz diesen Umstand erneut deutlich betonen wollen, so hätte es sich empfohlen, nicht (mehrdeutig) von „Schenkung“ zu sprechen. Mit dem unbestimmte(re)n Terminus lässt das OR den Gesetzesanwender im Unklaren darüber, ob nicht doch das Verpflichtungsgeschäft gemeint ist, was wiederum rechtspolitisch bedenklich wäre, da das Schenkungsversprechen, obgleich notariell beurkundet, nicht einklagbar wäre.178 Art. 243 Abs. 2 OR setzt für die unentgeltliche Zuwendung von Grundstücken, aber auch von dinglichen Rechten und somit auch von Dienstbarkeiten die öffentliche Beurkundung voraus und steht damit in Widerspruch zur allgemeinen ZGB-Direktive, die in Art. 732 ZGB einfache Schriftform genügen lässt. Diese 173

BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 13. Sitzung, S. 63. 174 Bucher, Skriptum zum Obligationenrecht, Besonderer Teil, 1981, § 6/V, S. 85; von Tuhr, SJZ 18. Jg. (1921/1922), 201 (202); Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (278). 175 Cavin, in: Vischer (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, VII. Bd. 1. Hbd., 1977, § 23 S. 186; von Büren, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 1972, S. 276 f. 176 Bucher, Skriptum zum Obligationenrecht, Besonderer Teil, 1981, § 6/V, S. 85; von Büren, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 1972, S. 276 f. 177 Cavin, in: Vischer (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, VII. Bd. 1. Hbd., 1977, § 23 S. 186; Engel, Contrats de droit suisse, 2. Aufl. 2000, S. 113. 178 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (277). Immerhin sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Gesetzgeber in Art. 242 Abs. 3 OR ausdrücklich vom „Schenkungsversprechen“ spricht. Zumindest anhand der Systematik des Art. 242 OR kann der Gesetzesanwender erkennen, dass nicht das Schenkungsversprechen gemeint ist. Dennoch wäre eine unmissverständliche Redaktion an dieser Stelle wünschenswert gewesen.

II. Schenkung 

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missverständliche Redaktion ist auf einen Fehler bei den finalen Gesetzgebungsarbeiten zum ZGB zurückzuführen.179 Der OR-Gesetzesentwurf von 1905 sah nur die Schriftform vor, während die nationalrätliche Kommission 1906 beantragte, für Grundstücke die notarielle Beurkundung zu normieren.180 Die Ausdehnung dieser strengeren Formvorschrift auf dingliche Rechte („oder dingliche Rechte“) wurde wegen des vermeintlich lediglich redaktionellen Charakters den eidgenössischen Räten nicht mehr vorgelegt und entzog sich deren Verantwortung.181 Da zudem bereits beschlossen war, das Schenkungsrecht vorzuziehen und weder der großen Expertenkommission noch den OR-Kommissionen der eidgenössischen Räte ein weiteres Mal vorzulegen, blieb die Vorschrift unverändert, und der Gesetzgeber nahm die Ungenauigkeit unbemerkt in das OR auf. Daher ist Art. 242 Abs. 2 OR (nunmehr) dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift der sachenrechtlichen Ordnung nicht widerspricht und die für das Sachenrecht statuierten Formzwänge auch auf die Schenkung zu übertragen sind.182 3. Fazit Summa summarum lässt sich der in der Literatur vor allem von Bucher artikulierten Kritik an der stellenweise missglückten Redaktion des Schenkungsrechts, der die Schenkung „als wohl […] deutlichste[s] Beispiel gesetzgeberischer Nachlässigkeit der Revision von 1911“183 beschrieb, beipflichten. Zurückzuführen sein könnte diese fehlende Sorgfalt insbesondere auf den Umstand, dass einzig die Langenthaler Spezialkommission die Schenkung Artikel für Artikel durchberiet. Selbst in diesem Stadium widmete sich die Kommission nur etwa eine halbe Sitzung lang dem neuen Schenkungsrecht und bestätigte damit den Entwurf Hubers in weiten Teilen.184 Die große Expertenkommission von 1908/1909 hingegen erhielt keine weitere Gelegenheit zur Durchsicht dieser Rechtsmaterie. Die eidgenössischen Räte, die entschieden hatten, den Abschluss des Schenkungsrechts vorzuziehen,185 gingen bei dem finalen Beratungsdurchgang nicht gründlich genug vor. Insofern steht das terminologisch verbesserungsbedürftige Schenkungsrecht charakteristisch für die ebenfalls anhand anderer Rechtsnormen zum Vorschein kommende, 179 Maissen, Der Schenkungsvertrag im schweizerischen Recht, 1996, S. 88; Liver, ZBGR 26 (1945), 65 (70). 180 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (149); Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 7. Dezember 1906, S. 1215 (1218, 1237). 181 Liver, ZBGR 26 (1945), 65 (70); Maissen, Der Schenkungsvertrag im schweizerischen Recht, 1996, S. 88. 182 Merz, in: Guhl (Hrsg.), Das Schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl. 1980, § 43 S. 356; Schmid, Öffentliche Beurkundung von Schuldverträgen, 2. Aufl. 1989, Rn. 479 ff. 183 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (279). 184 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 13. Sitzung, S. 63 ff. 185 Siehe hierzu C. II. 6. 

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

insgesamt zu oberflächliche Arbeit der Langenthaler Spezialkommission. Im konkreten Fall konnte die große Expertenkommission die unzulänglichen und nur wenig zufriedenstellenden Ergebnisse aus Langenthal jedoch nicht mehr korrigieren. Die nachvollziehbare und zutreffende Entscheidung der Bundesversammlung, das OR erneut durchzusprechen, erstreckte sich unglücklicherweise nicht auf die Schenkung. Zwar hatte der Gesetzgeber für den unwahrscheinlichen Fall eines Referendums gegen das OR vorgesorgt und das Schenkungsrecht bereits provisorisch geregelt. Jedoch hätte auch und gerade diese Rechtsmaterie einer eingehende(re) n Befassung bedurft. Im Ergebnis war das schweizerische Schenkungsrecht somit stark durch Huber und seinen sich maßgeblich am deutschen Recht orientierenden ersten Entwurf von 1903 präformiert und wies einige redaktionelle Unstimmigkeiten auf. Insbesondere der Versuch, sich von der abstrakten und schwierigen, dem Stil des ZGB untypischen Sprache der deutschen Vorbildkodifikation zu lösen, bedingte einige der terminologischen Unstimmigkeiten dieses Titels.186

III. Verjährung von Bereicherungsansprüchen (Art. 67 Abs. 1 OR) Als eine der „bedauerlichsten und verhängnisvollsten Fehlleistungen der Gesetzesrevision“187 beschreibt Bucher die Statuierung einer einjährigen Verjährungsfrist in Art. 67 Abs. 1 OR. Die Vorschrift ordnete an, dass ein Bereicherungsanspruch binnen eines Jahres, seit der Verletzte Kenntnis hiervon erlangt hatte, verjähren sollte. Mit dieser neuen Regelung bezweckten Huber und die Kommissionen, eine Lücke im geltenden Recht zu schließen, verfügte das aOR bislang nur über eine Normierung zur Verjährung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung.188 Obgleich eine entsprechende Regelung im OR noch nicht vorhanden war, genoss die neue Fassung von Art. 67 Abs. 1 OR bei den Kommissionsverhandlungen keine Priorität. Vielmehr war die Regelung weder von den Expertenkommissionen noch in der Bundesversammlung thematisiert und in Frage gestellt worden und damit bereits in seiner endgültigen Gestalt im Entwurf vom 3. März 1905 (im damaligen Art. 1082) verabschiedet worden.189 Aufgrund dessen ist Art. 67 Abs.  1  OR symptomatisch für die bereits zur Sprache gekommene, mitunter dem Zeitdruck geschuldete und von Bucher beanstandete „Fahrigkeit der Redaktion neu eingefügter Normbereiche“190. Es handelte sich bei Art. 67 Abs. 1 OR keinesfalls um einen Schwerpunkt der Revisionsarbeiten. Es bestand auch keine akute Dringlichkeit für die Schaffung einer derartigen Vorschrift. Dies zeigt sich unter anderem 186

Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (277). Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (280). 188 Vgl. hierzu die Worte Hubers im Nationalrat, Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (497). 189 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (95). 190 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (276). 187

III. Verjährung von Bereicherungsansprüchen  

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daran, dass in den Kodifikationen der Nachbarstaaten entsprechende spezifische Verjährungsregelungen für das Bereicherungsrecht fehlten und die allgemeine Verjährungsfrist angeordnet worden war.191 Demnach drängt sich die Frage auf, warum der schweizerische Reformgesetzgeber – insbesondere mit Blick auf die Regelungen im CC und BGB, die diametral voneinander abwichen und eine angemessene(re) und zumindest systematisch passende(re) Verjährungslösung aufwiesen – eine Angleichung des Verjährungsrechts an dasjenige in Frankreich oder des Deutschen Reichs nicht in Erwägung zog. Gerade das ansonsten bei der Revision so präsente BGB, das den Bereicherungsanspruch der Regelverjährung unterwarf, hätte bei der Fassung von Art. 67 Abs. 1 OR durchaus herangezogen werden können. Gleichzeitig wäre hiergegen zumindest einzuwenden, dass bereits der deutsche Gesetzgeber bei den Beratungen zum BGB die besonders lange, „zahnlos[e]“192 allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren aus § 195 BGB kritisch sah und jedenfalls erhebliche Zweifel an der Praxistauglichkeit der Regelung hatte.193 Im Ergebnis dürften Systemgedanken und weniger legislatorische Gesichtspunkte für die Schaffung der einjährigen Verjährungsfrist analog zur neuen Deliktsverjährung ausschlaggebend gewesen sein.194 Huber selbst verwies im Nationalrat darauf, dass er als Gesetzesredaktor bei der Statuierung der im geltenden Recht fehlenden Verjährungsfrist den neuen Art. 67 Abs. 1 OR an denjenigen des ehemaligen Art. 69  aOR, der für unerlaubte Handlungen galt, anglich.195 Auch der Begriff „Verletzte“ in Art. 67 Abs. 1 OR sowie die systematische Stellung der Vorschrift suggeriert diese Deliktsnähe. Bereits die Deliktsverjährungsvorschrift des Art. 60 Abs. 1 OR ist im europäischen Kontext gesehen196 als knapp einzustufen und wurde vermehrt in der juristischen Lehre kritisiert.197 Die Vorschrift rechtfertigt sich jedoch vor dem Hintergrund, dass die Kenntnis von deliktischen Verletzungen lediglich reines Tatsachenverständnis voraussetzt, sodass der Fristbeginn, anders als im Bereicherungsrecht, wo mitunter juristische Subsumtion oder die Aufklärung eines Rechtsirrtums den Fristbeginn mitbestimmen können, ohne Schwierigkeiten feststellbar ist und das Gesetz dem deliktisch Verletzten zumuten kann, sein Recht alsbald zu verfolgen.198 Dass der Revisionsgesetzgeber aber verkannte, 191

Sowohl im CC in art. 2262 als auch im BGB in § 195 galt die 30-jährige allgemeine Verjährungsfrist. 192 Unterrieder, Die regelmäßige Verjährung, 1998, S. 296. 193 Honsell, JZ 2001, 18  (19); Heinrichs, in: Palandt (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl. 2000, Überblick vor § 194 Rn. 5; Peters / Zimmermann, in: Bundesminister für Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 1, 1981, S. 77 (188 ff.); Zöllner, in: Harrer / Portmann / Zäch (Hrsg.), Festschrift für Heinrich Honsell, 2002, S. 153 (155). 194 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (280). 195 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (497). 196 Auch im Deliktsrecht galt die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB und des art. 2262 CC. 197 Rey / Wildhaber, Außervertragliches Haftpflichtrecht, 5. Aufl. 2018, § 13 Rn. 1819; Rusch, in: Probst / Werro (Hrsg.), Straßenverkehrsrechttagung, 2012, S. 223 (225). 198 Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (14).

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

dass das Bereicherungsrecht in seiner Grundform des Art. 62 OR beziehungsweise des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB – wenngleich der Wortlaut des schweizerischen Rechts nicht (gleichermaßen deutlich) zwischen den Kondiktionsarten differenziert wie die deutsche Fassung – eine Zwischenstellung zwischen Vertragsrecht (Leistungskondiktion) und Deliktsrecht (Eingriffskondiktion) einnimmt und dabei in seinem häufigsten Anwendungsfall ein gesetzliches Schuldverhältnis zur Rückabwicklung gescheiterter Vertragsbeziehungen darstellt,199 ist für sich genommen schon unglücklich. Dass dieser Umstand systematisch sachfremden Erwägungen Hubers geschuldet war und keine der Experten- oder Parlamentskommissionen ihn überhaupt erkannte und anmerkte, bestätigt die bereits bemängelte, durch Zeitdruck bedingte Unaufmerksamkeit bei der Revision einzelner Vorschriften und Abschnitte. In Kombination mit europaweit einzigartig strengen Rügeobliegenheiten steht die Verjährungsvorschrift des Art. 67 Abs. 1 OR daneben symbolisch für die im schweizerischen Recht typische, dem übrigen westeuropäischen Recht fremde Tendenz, eine strenge und schnelle Rechtsverfolgung zu verlangen, die Bucher als „Rigorismus“200 beschreibt.201 Summa summarum stellte sich die 1911/1912 eingeführte Norm des Art. 67 Abs. 1 OR tatsächlich als eine der fragwürdigsten und misslungensten, dem Bereicherungsrecht in seiner Grundgestalt geradezu fremden Vorschriften dar. Art. 67 Abs.  1  OR führte in der Rechtsanwendung vielfach zu dem – schlechthin grotesken – Resultat, das im Bereicherungsrecht verwurzelte rechtspolitisch höchste Ziel, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen wieder auszugleichen, „auf diese Weise illusorisch zu machen“202. Letztlich erkannten die schweizerische Rechtswissenschaft und der (moderne) Gesetzgeber diesen Missstand. Art. 67 Abs. 1 OR wurde mit Botschaft des Bundesrates vom 29. November 2013 und nach endgültigem Beschluss der Bundesversammlung im Jahre 2018 runderneuert und einer Verjährung von drei Jahren ab Kenntnis des Bereicherungsanspruchs unterworfen.203 Dass die schweizerische Legislative die Vorschrift überhaupt so lange aufrechterhielt und nicht bereits zum Gegenstand einer früheren Revisionsvorlage machte, vermag dennoch zu verwundern.

199

Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (280 f.). Vgl. auch Keller / Schaufelberger, Das schweizerische Schuldrecht, Bd. 3, 3. Aufl. 1990, S. 53 ff. Zum deutschen Recht siehe etwa Wieling /  Finkenhauer, Bereicherungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 1 S. 1. 200 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (382). 201 Als weitere Beispiele nennt Bucher hierbei etwa die Rügeobliegenheit bei Kauf- und Werkverträgen. Hierzu Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (338 f.). 202 Diskussionsbeitrag Balastèr, ZSR n. F. 102 (1983), 583 (585). 203 Bbl., 26. Juni 2018, Obligationenrecht (Revision des Verjährungsrechts), S. 3537; Bbl., 21. Januar 2014, Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Verjährungsrecht) vom 29. November 2013, S. 235.

IV. Ausgesonderte handelsrechtliche Materien  

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IV. Ausgesonderte handelsrechtliche Materien und Beibehaltung des „code unique“ Neben der Anpassung des geltenden Rechts in formeller Hinsicht, der Aufnahme neuer und der Revision bestehender Rechtsinstitute, war auch und gerade die Ausklammerung temporär nicht akut revisionsbedürftiger, insbesondere handelsrechtlicher Materien aus dem OR für den termingerechten Abschluss und damit auch das generelle Gelingen der Revision von erheblicher Bedeutung. Daher geht die Studie im Folgenden auf die von der Revision ausgeschlossenen und die (wenigen) beibehaltenen Materien mit handelsrechtlichem Einschlag wie etwa das Recht der Handelsgesellschaften oder das Wechselrecht ein und arbeitet die Beweggründe für die jeweiligen Entscheidungen der Kommissionen während der verschiedenen Revisionsetappen heraus. Das konkrete Vorgehen bei der Revision des schweizerischen Handels- und Gesellschaftsrechts beschäftigte die Revisionsakteure auch mit Blick auf die Entwicklung des Handelsrechts innerhalb Europas bereits mit Beginn der Vorarbeiten Anfang des 20. Jahrhunderts und blieb fortlaufend Gegenstand kontroverser Diskussionen. De lege lata verschmolzen im schweizerischen aOR handelsrechtliche mit bürgerlich-obligationsrechtlichen Instituten und bildeten den sogenannten „code unique“. Dieser europaweit ungewöhnliche Gesetzesmonismus ging bereits auf Munzingers erste Arbeiten zurück, die wiederum auf den ersten Entwurf des sächsischen BGB von 1852 zurückführten, der aber keinen Eingang in die Revisionsfassung von 1863 fand.204 Im Zuge der Revision des aOR galt es nunmehr in Anbetracht der übrigen kontinentalen Staaten – insbesondere des Deutschen Reiches –, die allesamt den Tatbeständen des Handelsverkehrs eine privatrechtliche Sonderordnung zugewiesen hatten,205 zu entscheiden, ob die Schweiz im Rahmen des OR das Einheitsprinzip beibehalten oder das gesamte Handelsrecht vom übrigen Zivilgesetzbuch zu trennen hätte. Bereits frühzeitig hatte sich die schweizerische Rechtswissenschaft diesbezüglich auf den Standpunkt gestellt, eine Abkehr vom monistischen System vermeiden zu wollen. Schon in den vorbereitenden Gutachten Hubers, des Bundesgerichts und der befragten Professoren sowie bei den Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins kam diese Einstellung deutlich zum Ausdruck.206 Daher war es eine logische Folge, dass der in Langenthal ausgearbeitete erste offizielle Gesetzesentwurf weiterhin das geltende Prinzip verfolgte. Die Experten hielten es „nicht als geraten, nach so kurzer Zeit von einem System abzugehen, für das so viele gute Gründe angeführt worden sind, und das auch in der Praxis keine eigentlichen Übelstände gezeigt hat“207. Der Bun 204

Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965, S. 84 ff.; Schäfer, in: Hattenhauer / Schäfer (Hrsg.), Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, Einführung, Wissenschaftliche Einleitung, 2020, V.4. 205 Haab, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 7 (11). 206 Siehe hierzu C. I. 207 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (7).

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

desrat stellte vielmehr fest, dass „die größere Einfachheit, die Vermeidung der so sehr kontroversen Abgrenzung des Handelsrechtes vom allgemeinen bürgerlichen Obligationenrecht […] dem in das geltende Recht aufgenommenen Prinzip so gut das Wort wie vor dreißig Jahren [sprach]“208. War damit die unitarische Ordnung im Grundsatz erneut bestätigt worden, offenbarte die Langenthaler Kommission doch bezüglich einiger Institute, namentlich dem Recht der Aktiengesellschaften und Genossenschaften sowie das Wechselrecht, die Bereitschaft, sie aus dem OR auszugliedern und begründete diese Entscheidung mit der Notwendigkeit nachfolgender Revisionen.209 Hingegen sollten Materien mit engerer obligationsrechtlicher Verbindung, wie das Wertpapierrecht und Firmenrecht, zu diesem Zeitpunkt noch Teil des OR bleiben.210 Die bundesrätliche Expertenkommission von 1908/1909 ging indes beim Ausschluss handelsrechtlicher Materien rigoroser zu Werke als es ihr Pendant 1904 getan hatte. Die vorausgegangene Entscheidung in der Bundesversammlung, tiefgreifender zu revidieren, prägte in den Jahren 1908/1909 nicht nur das bürgerliche OR, sondern bestimmte auch die nachfolgende Entscheidung der Kommissionen hinsichtlich der Reichweite des Ausschlusses handelsrechtlichen Materials. Huber, der nunmehr die Aufgabe hatte, die materielle Revision des OR vor dem 1. Januar 1912 fertigzustellen – was sich angesichts des umfangreichen zu revidierenden Materials, insbesondere desjenigen mit handelsrechtlichem Einschlag, kaum bewältigen ließ –, ging daher zweistufig vor: Er entschloss sich, nur den Allgemeinen Teil des OR und die bürgerlichen Vertragsarten zum Gegenstand der sofort anfälligen Beratungen zu machen, somit schwerpunktorientiert zu arbeiten und nahezu das gesamte Handelsrecht in Gestalt des aOR beizubehalten.211 In Abweichung vom Gesetzesentwurf vom 3. März 1905 entschied die Expertenkommission, die gesamte zweite Hälfte des aOR (zum damaligen Zeitpunkt ab Art. 552) auszuscheiden und damit auch die Kommandit- und Kollektivgesellschaft, die Wertpapiere, das Handelsregister, die Geschäftsfirmen und die Geschäftsbücher vom übrigen Teil des ZGB zu trennen.212 Die Titel 24 bis 33 des aOR, deren Revision der Gesetzgeber auf einen späteren Zeitpunkt verschob, sollten als nichtrevidiertes aOR von 1881/1883 provisorisch fortbestehen und ein vom übrigen, die Titel 1 bis 23 OR inkludierenden ZGB „separates Dasein führen“213. In Bezug auf das Firmenrecht etwa hatte die Kommission sogar bereits eine Abkehr vom schweizerischen Wahrheitssystem hin zum deutschen Veräußerlichkeits- und Vererblichkeitsmodell beschlossen, ehe der Expertenkreis entschied, auch auf diesem Gebiet vorerst abzuwarten und das Firmenrecht einer gründlicheren Revision

208

Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (7). Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (8 ff.). Siehe zudem bereits C. II. 3. a). 210 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (45 f.). 211 Vgl. Guhl, in: Schulthess (Hrsg.), Schweizer Juristen des letzten Jahrhunderts, 1945, S. 323 (352). 212 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (728). 213 Giovanoli, ZSR n. F. 61 (1942), 1 (9). 209

IV. Ausgesonderte handelsrechtliche Materien  

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vorzubehalten.214 Mit diesem Entschluss konnten Huber und die Kommissionen zumindest den zeitlichen Anforderungen, die die erneute Einberufung einer (größeren) Expertenkommission und die umfangreichere Revision des materiellen Rechts zur Folge hatten, gerecht werden. Die Aussonderung des Handelsrechts erfolgte dementsprechend auch nicht allein aus (materiell-)rechtlichen Gründen. Zeitmanagement und Pragmatismus waren ebenso bedeutsame Faktoren. Es herrschte wie beim Aktiengesellschaftsrecht, das der Gesetzgeber schon 1905 ausgeschlossen hatte, keine akute Dringlichkeit einer sofortigen Revision, sodass der Revisionsgesetzgeber vorerst lieber verzichtete, um später gründlicher vorgehen zu können.215 Schlussendlich beabsichtigten Huber und die Expertenkommission, ehe die Gesetzgebung selbst zur Tat schreiten sollte, zunächst einen Blick auf europäische Entwicklungen und die Ergebnisse internationaler Beratungen zu werfen, an denen sich die Schweiz später ein Beispiel nehmen konnte.216 Diejenigen Materien, die einer erneuten Revision zugänglich waren, wies die Expertenkommission demnach konsequent einer späteren Revision zu. Nach dem finalen Entschluss der Redaktionskommission reihte der Revisionsgesetzgeber die Titel 24 bis 33 in unveränderter Gestalt dem revidierten Teil des OR lückenlos an.217 Sie bildeten den Gegenstand der auf die Jahre 1936/1937 verschobenen Revision, welche ebenfalls Huber durchführen sollte.218 Damit blieb auch die damalige Grundsatzentscheidung eines unifikatorisch geregelten Privatrechts, das sich in dieser Gestalt nunmehr über die Jahrzehnte bewährt hatte, wie schon während der vorherigen Jahre unangetastet.219 Immerhin brachte die Revision des OR neben dieser grundsätzlichen Entscheidung noch einige punktuelle Neuerungen mit sich. Neu in das OR nahm der Gesetzgeber die Art. 191 Abs. 2 und 3 und Art. 215 OR auf, Sondervorschriften im kaufmännischen Verkehr.220

214

Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (729); BArch 22/2214, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 17. Sitzung, S. 1 ff., III. Session, 27. Sitzung, S. 4 f. 215 Siehe in Bezug auf das Firmenrecht Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (729); BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 27. Sitzung, S. 4 f. 216 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (728 f.). 217 Bbl. I., 22. März 1911, Bericht der Redaktionskommission des Obligationenrechtes vom 14. März 1911, S. 845 (849 f.). 218 Einen kurzen Überblick über die Revision von 1936/1937 liefert diese Arbeit unter Gliederungspunkt H. I. 219 Vgl. Egger, Ausgewählte Schriften und Abhandlungen, Bd. I, 1957, S. 145 (156); Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1986; Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni  1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725  (730); Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965, S. 99 f. 220 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965, S. 100.

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

V. Art. 1036 (später Art. 21 OR) Neben den aufgezeigten neuen oder modifizierten Vertragsarten des Besonderen Teils waren auch im Allgemeinen Teil des revidierten OR einzelne kontrovers behandelte Institute vorzufinden. Zu nennen ist insbesondere die Vorschrift des Art. 1036 (später Art. 21 OR). War im Allgemeinen Teil des OR eine nur oberflächliche Revision des (geltenden) Rechts die Norm, so kam dem Wuchertatbestand in jeglicher Hinsicht eine Sonderstellung zu. Bei dieser Vorschrift handelte es sich um einen Mosaikstein bei der Revision, der auch als Musterbeispiel für verschiedene rechtspolitische Anschauungen und den Gesetzgebungsprozess im Allgemeinen diente. 1. Entwicklung der Vorschrift während der verschiedenen Phasen der Revision „Inwieweit kann ein Vertrag wegen Übervorteilung als unverbindlich angefochten werden? Das geltende Recht glaubt, diesfalls mit den Vorschriften über den Irrtum und den Betrug auszukommen. Und einer rein geschäftsmäßigen Auffassung des Verkehrslebens mag dies auch entsprechen. Allein gibt es Fälle im bürgerlichen Verkehr, wo es, ohne daß ein wesentlicher Irrtum oder Betrug vorläge, doch als sehr unbillig erscheint, wenn auf der Ausführung eines die Gegenpartei übervorteilenden Vertrages bestanden wird, nämlich jedenfalls dann, wenn das Mißverhältnis durch Ausbeutung einer Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit des Verletzten herbeigeführt worden ist.“221 Diese Worte der bundesrätlichen Botschaft vom 3. März  1905 exemplifizieren die Ausgangslage vor der Revision und die Unvollständigkeit des geltenden aOR hinsichtlich dieses Themenkomplexes. Vor dem Hintergrund des im deutschen Recht mit der Vorschrift des § 138 Abs. 2 BGB bereits im Jahre 1900 kodifizierten umfassenden Regelungsregimes sah sich der Gesetzgeber im Zuge der Revision des OR veranlasst, einen vergleichbaren Passus zur Schließung etwaiger Gesetzeslücken und zum Schutze der benachteiligten Partei einzufügen. Dass die genaue Fassung dieser Norm während des gesamten Revisionsverlaufs für Diskussionsstoff sorgen würde, deutete sich bereits in Langenthal an. Im Entwurf von 1903 in Art. 1035b vorgesehen, griff die Kommission die exakte Fassung der Vorschrift bereits 1904 das erste Mal – untypisch für die damaligen Beratungen zum Allgemeinen Teil – auf und diskutierte ihren materiellen Gehalt ausführlich.222 Bis dato schien in Anlehnung an einen Antrag Martins alles auf ein Anfechtungsmodell hinauszulaufen, der zwar im Wesentlichen den ursprüng 221

Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (14). BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 7. Sitzung, S. 30. 222

V. Art. 1036 (später Art. 21 OR) 

137

lichen Gedanken Hubers von 1903 bestätigte, jedoch in seinem Wortlaut der Fassung des § 138 Abs. 2 BGB näher war.223 Huber selbst hatte bereits in seinem ersten Entwurf, welcher der Langenthaler Kommission vorlag, die Möglichkeit eines Rücktrittsrechts vorgesehen, wovon sich die Kommission vorerst jedoch distanziert hatte.224 Bei den nachfolgenden Verhandlungen der großen Expertenkommission von 1908/1909 brachte der Sozialdemokrat Brüstlein auch den Vorschlag seiner Partei und Lotmars225 in die Kommission ein. Brüstlein setzte sich in diesen Verhandlungen damit erstmalig für eine dem deutschen BGB entsprechende Nichtigkeitsanordnung kraft Gesetzes ein.226 Gleichwohl fand seine Anregung in der Kommission nur bedingt Zustimmung und rief überwiegend Zweifel hervor. Zumindest Jaeger sah gegenüber dem bisherigen Anfechtungsmodell einen Fortschritt, da er die bisherige Anfechtungskonstruktion – zumindest für erst später zu erfüllende Verträge  – für kaum brauchbar hielt.227 Durchsetzen konnte sich Brüstlein nicht. Vielmehr sprach sich die Kommission, nachdem auch Brüstlein seinen Antrag zurückgezogen hatte, mit großer Mehrheit für das von Huber bereits 1904 angedachte Rücktrittsmodell aus.228 Hubers Vorschlag, den die Kommission mehrheitlich befürwortete, lautete: „Wer einen Vertrag abschliesst, durch den ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung begründet wird, kann, falls dieses Missverhältnis durch die Ausbeutung seiner Notlage oder seines Leichtsinnes oder seiner Unerfahrenheit herbeigeführt worden ist, vom Vertrag innerhalb Jahresfrist nach dessen Abschluss zurücktreten, seine Leistung verweigern und Geleistetes unter Rückgabe des Empfangenen zurückverlangen.“229 Nachdem sich Huber im Folgenden mit Professor Rümelin ausgetauscht hatte, modifizierte die Kommission des Nationalrates die Vorschrift auf Hubers Vorschlag terminologisch: Sie glich Art. 1036 zwecks Vereinheitlichung der Fassung des (damaligen) Art. 1046 an, der Festlegungen für betrügerische und erpresserische Verträge enthielt, und sprach nicht mehr von „Rücktritt“, sondern

223 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 7. Sitzung, S. 30. 224 Siehe hierzu BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 6 f.; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 266; BArch 22/2107, Entwurf Hubers von 1903, S. 6 f. 225 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 4. 226 BArch 22/2214, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 6 f. 227 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 6. 228 Zum Vorschlag Hubers, der in endgültiger Abstimmung mit 26 Stimmen angenommen wurde, siehe BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 6 f. 229 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 7.

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

von „[…] Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte“230. Zudem unterwarf die Kommission Art. 1036 weiteren Einschränkungen, namentlich einer Beweislastumkehr zulasten des Übervorteilten.231 In den nachfolgenden Verhandlungen der eidgenössischen Räte bestätigte das Kollegialorgan diese neue Version von Art. 1036 grundsätzlich, was jedoch kein reiner Formalismus war. Einige Mitglieder unterzogen die Vorschrift erneut einer eingehenden Prüfung und zweifelten sie stark an. Manche radikale Freisinnige trugen sich sogar mit dem Gedanken, Art. 1036 gänzlich zu verwerfen. Bereits in der nationalrätlichen Kommission hatte etwa Nationalrat Emile Gaudard vorgeschlagen, die Norm ersatzlos zu streichen; die Kommission folgte dem aber nicht.232 In den nachfolgenden Verhandlungen des gesamten Organs bekräftigte Gaudard seinen Standpunkt, kritisierte die Vorschrift im Plenum und registrierte eine Gefahr für den Wirtschaftsverkehr.233 Er befürchtete, dass Art. 1036 „die Vertragsparteien in ihrer Freiheit beschränk[en] und sie unter die Bevormundung des Richters stell[en] [würde]“234. Die Haltung des Nationalratsmitglieds Gaudard bestätigt bereits anhand des Dienstvertragsrechts aufgezeigte Tendenzen. Im Nationalrat ließ sich eine – in Bezug auf Bestimmungen zwingenden Rechts zugunsten des (sozial) Benachteiligten – zumeist reservierte Haltung konstatieren. Selbst die bis zu diesem Zeitpunkt überwiegend anerkannte, weitgehend auf den Gesetzesredaktor Huber zurückgehende Fassung des Art. 1036 stand während der Verhandlungen des Nationalrates auf dem Prüfstand. In finaler Abstimmung bestätigte die überwiegende Mehrheit der Ratsmitglieder (96 zu 24 Stimmen) die Vorlage der Kommission, nachdem unter anderem Rossel235 den Bedenken Gaudards entschieden entgegen getreten war.236 Während der Verhandlungen der ständerätlichen Kommission zeichnete sich anschließend eine überraschende Wendung zugunsten des Übervorteilten ab, als die Mehrheit der Mitglieder die von der nationalrätlichen Kommission angeordnete Beweislastumkehr kassierte.237 Im nachfolgenden Differenzbereinigungsverfahren stimmten 230 BArch 22/2111, Beilage zum Bericht von Huber betreffend seine Konferenz mit Rümelin, S. 1; BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 3. Sitzung, S. 1. 231 Siehe hierzu den Antrag der nationalrätlichen Kommission, der von „und kann der Verletzte dartun“ spricht, Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (466). 232 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 3. Sitzung, S. 1. 233 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (478 f.); Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 280. 234 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 280; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (478 f.). 235 Nationalrat Rossel äußerte sich wie folgt: „Je dois lui faire observer que toute notre législation moderne est une législation sociale qui tend à la protection du faible, car il n’y a ni liberté, ni égalité quand, de deux parties contractantes, l’une est formidablement armée par son intelligence, ou par sa fortune, tandis que l’autre ne peut lui opposer que sa gêne, son inexpérience ou sa légèreté.“ Siehe Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (479). 236 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (486). 237 BArch 22/2117, Protokolle der Kommission des Ständerates von 1910, 1. Sitzung, S. 3; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 13. Juni 1910, S. 157 (161, 163).

V. Art. 1036 (später Art. 21 OR) 

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die Kommissionen dieser Entscheidung zu und erzielten somit eine Einigung über den (materiellen) Gehalt der Norm.238 Mit dem Inkrafttreten des revidierten OR hatte das schweizerische Privatrecht am 1. Januar 1912 den Wuchertatbestand erstmals bundesrechtlich kodifiziert und die früheren bundesrechtlichen Rechtsschutzlücken geschlossen. Der endgültige Wortlaut des neuen Art. 21 OR lautete: „Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des Andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und Geleistetes zurückverlangen. Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages“. 2. Repräsentatives für die Revision Dass Art. 21  OR die am meisten polarisierende Vorschrift des gesamten Allgemeinen Teils des OR dargestellt hatte, mag auf den ersten Blick verwundern. Warum stach diese Norm im ansonsten nur rudimentär revidierten Allgemeinen Teil des OR so deutlich hervor? In der Tat mag es für Erstaunen sorgen, dass die Revisionsprotagonisten einem einzigen Artikel größere Aufmerksamkeit bei der Revision des OR schenkten als gesamten Regelungskomplexen, etwa der Schuldübernahme oder dem Schenkungsrecht. Die Bedeutung der Vorschrift für die gesamte Revision lässt sich jedoch vor dem Hintergrund ihres Facettenreichtums nachvollziehen. Anhand von Art. 21 OR können komprimiert verschiedenste, für die gesamte Revision typische Verhaltensweisen abgeleitet werden. Kaum eine Norm stand derart symbolisch für die unterschiedlichen verfolgten Ziele und zu überwindenden Differenzen während des Revisionsprozesses. Die (wissenschaftliche) Aufarbeitung der Entwicklung dieser Vorschrift während der Revision erscheint  – neben dem Dienstvertragsrecht  – am ehesten dafür prädestiniert, die politischen Spannungen zwischen der sich in der Minderheit befindenden Sozialdemokratischen Partei um Lotmar und den übrigen Parteien sowie das Spannungsverhältnis zwischen Sozialschutz und Privatautonomie zu veranschaulichen. Auch lässt sich der während der Revision häufiger auftretende ideologische Konflikt zwischen dem Huber’schen Gesetzgebungsstil und den Ideen Lotmars, die überwiegend durch die Mitglieder dessen Partei in den verschiedenen Kommissionen proklamiert worden waren, illustrieren. Nicht zuletzt spielte für die Fassung dieses Artikels abermals das deutsche BGB eine zentrale Rolle. So diente das BGB jedenfalls für die generelle Kodifizierung der Norm als Vorbild, wenngleich sich der OR-Gesetzgeber final von der Fassung des § 138 Abs.  2  BGB distanzierte. Demzufolge war es wenig verwunderlich, dass Art. 21  OR Konfliktpotenzial in

238 BArch 22/2118, Protokolle der vereinigten Kommissionen des National- und Ständerates von 1910, 1. Sitzung, S. 1.

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

den verschiedenen Kreisen mit sich brachte und sich daher bestens für eine aussagekräftige Revisionsanalyse in der Gesamtschau eignet. 3. Stellungnahme zu Art. 1036 (21 OR) Mit der endgültig verabschiedeten Fassung des Art. 21 OR wählten die gesetzgebenden Akteure einen Mittelweg zwischen Rechtssicherheit und Sozialschutz. Huber selbst merkte im Rahmen seiner Tätigkeit als Berichterstatter der nationalrätlichen Kommission im gesamten schweizerischen Nationalrat an, dass, sofern sowohl das objektive als auch das subjektive Element des Art. 1036 erfüllt waren, dem Verletzten ohne weitere Bedenken ein Recht, sich vom Vertrag zu lösen, zugestanden werden konnte und sollte.239 „[I]st einmal ein Jahr vorüber, so kann, auch wenn vielleicht erst nachträglich jene Voraussetzungen vom Verletzten wahrgenommen werden, die Erklärung nicht mehr abgegeben werden“240. Mit diesen Worten beschränkte Huber das Recht auf nur ein Jahr und gewährte dem Benachteiligten damit einen geringeren Schutz durch die gesetzliche Vorschrift als es das BGB241 tat, um ein Mindestmaß an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die letztlich auf den Vorschlag Hubers hin gewählte Fassung bedeutet im Ergebnis eine klare Abkehr von der Redaktion der Norm des § 138 Abs. 2 des deutschen BGB, deren Fassung Lotmar gerne weitgehend übernommen hätte.242 Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass der sozialdemokratische Kern um Nationalrat Brüstlein sich in der Expertenkommission für eine Nichtigkeitsanordnung kraft Gesetzes stark gemacht hatte, um zugunsten des Benachteiligten zwingendes Recht zu kodifizieren. Diese § 138 Abs. 2 BGB nahezu deckungsgleiche Regelung entsprach im Wesentlichen der Gesetzeskonzeption der von der Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission rund um Lotmar, die zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905 einen solchen Antrag formuliert hatte.243 Die endgültige Fassung des Art. 21 OR gewährt dem Benachteiligten jedenfalls prima facie eine größere Flexibilität, indem sie ihm das Wahlrecht gibt, sich vom Vertrag lösen zu können oder ihn bestehen zu lassen. Die schweizerische Lösung mutet daher wie ein eleganter Kompromiss zwischen Sozialschutz und Privat 239

Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (474). Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (474). 241 Rechtssicherheit wurde im Rahmen von § 138 Abs. 2 BGB nur durch die regelmäßige Verjährungsvorschrift des § 195 BGB herbeigeführt, der den sich aus der Nichtigkeit ergebenden Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nach 30 Jahren verjähren ließ. 242 Die Annahme, dass Art. 1036 (Art. 21 OR) letztlich (allein) motiviert durch das Bestehen von § 138 Abs. 2 BGB überhaupt eingefügt wurde, mithin die deutsche Fassung eine derartige Normierung veranlasst hatte, vertritt auch Bucher. Siehe hierzu Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (286). 243 BArch 22/2110, Anträge der vom Parteitag der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1908, S. 4. 240

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autonomie an, der die Nichtigkeitsregelung des deutschen BGB als unflexibel und starr erscheinen lässt.244 Auch in der Schweizer Literatur wird auf die Vorzüge der gewählten Variante im Vergleich zum deutschen Pendant hingewiesen und das Wahlrecht – insbesondere aufgrund der Ähnlichkeiten zum betrügerischen und erpresserischen Geschäft – als die systematisch zutreffendere Regelung angesehen.245 Gleichwohl muss zumindest angemerkt werden, dass der praktische Anwendungsbereich, anders als bei gewöhnlichen Irrtümern, geringer war. Im Falle einer sittenwidrigen Übervorteilung werden sich nur wenig Fälle finden lassen, in denen das freiwillig auszuübende Recht, sich vom Vertrag zu lösen, auch Vorteile mit sich bringt. Das schweizerische OR von 1911/1912 hatte nämlich einen signifikanten Fortschritt nicht übernommen, der bereits in das zürcherische Wuchergesetz von 1883 implementiert worden war, und dem Übervorteilten keine Möglichkeit gegeben, auf Herabsetzung der Leistung zu klagen.246 In der Expertenkommission war ein solcher Passus zwar von Nationalrat Keller vorgeschlagen, in der endgültigen Abstimmung aber zugunsten Hubers Redaktionsvorschlag abgelehnt worden.247 Tatsächlich frei verfügen kann der Benachteiligte jedoch nur in genau diesem Fall.248 Ansonsten erscheint es – anders als im Fall einer irrtümlich womöglich unbewusst zu einem günstigen Preis erworbenen Sache – nur schwer denkbar, dass der Betroffene einen Wuchervertrag, der die Voraussetzungen des Art. 21 OR erfüllt, trotz Kenntnis über seine Kassationsmöglichkeit bestehen lässt. Das Wahlrecht bot dem Benachteiligten 1911/1912 demnach zumeist keinen signifikanten Mehrwert.249 Gleichwohl belastete die Norm den Benachteiligten im Vergleich zur deutschen Fassung von § 138 Abs. 2 BGB, indem sie das Recht, sich vom Vertrag zu lösen, kenntnisunabhängig auf ein Jahr begrenzte. Aufgrund jener Vorbehalte ruft auch Brüstleins Verhalten Verwunderung hervor und ist nicht frei von Widersprüchlichkeit. Einerseits nämlich setzte sich Brüstlein zwar für eine Nichtigkeitsanordnung kraft Gesetzes ein, da ihm die Nachteile infolge des eingangs präferierten Anfechtungsmodells vor dem Hintergrund der Beschränkung 244

Zur Kritik am deutschen Modell, das zwingenden Zivilrechtsschutz im Zweifel auch gegen den Willen des Bewucherten vorsah, siehe Kittelmann, Laesio enormis, 1915, S. 102. 245 von Tuhr, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1942, § 40 S. 302; Kittelmann, Laesio enormis, 1916, S. 102; Schweingruber, Die wirtschaftlich schwächere Partei, 1930, S. 201 f. 246 Kittelmann, Laesio enormis, 1915, S. 113. 247 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 5 ff. 248 Kittelmann, Laesio enormis, 1915, S. 114. 249 In der modernen Lehre wird daher (zunehmend) vertreten, zur Korrektur auf eine analoge Anwendung des Art. 20  OR zurückzugreifen. Argumentiert wird, dass der Benachteiligte in bestimmten sozialrelevanten Bereichen auf die (marktwertgerechte) Leistung des Wucherers angewiesen ist. Siehe hierzu Huguenin, in: Honsell / Vogt / Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 3. Aufl. 2003, Art. 21 Rn. 16; Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2. Aufl. 1988, S. 234 f.; Gauch / Schluep / Schmid, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 7. Aufl. 1998, Rn. 888 ff.

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

des Kassationsrechts auf nur ein Jahr untragbar erschienen.250 Gleichzeitig aber schloss er sich dem Vorschlag Hubers in der Expertenkommission anschließend widerstandslos an251 und sprach sich auch in der nationalrätlichen Kommission nicht mehr gegen die neue Fassung von Art. 1036 auf Vorschlag Hubers und ­Rümelins aus.252 Insgesamt entwickelte sich der Gesetzgebungsakt in der Schweiz betreffend das Irrtumsrecht und den Wuchertatbestand folglich reziprok zu dem des BGB, das in § 138  Abs.  2  BGB mit der Nichtigkeit kraft Gesetzes eine im Vergleich zum Irrtumsrecht zwingende und damit strenger schützende Regelung kodifiziert hatte. Mit der Möglichkeit, den Vertrag binnen eines Jahres zu beseitigen, folgte die Schweiz dagegen derselben Rechtsschutzsystematik, die Art. 31 OR (ehemals 1046) für die Anfechtung (unverbindlicher)253 betrügerischer oder erpresserischer Verträge statuierte.254 Die Vorschrift des Art. 21 OR, die auch als Auffangnorm255 für diejenigen Verträge herhalten sollte, welche nicht bereits durch das Irrtumsrecht erfasst wurden, hatte somit trotz ihres abweichenden Wortlauts denselben Schutzgehalt. Man könnte erwägen, dass sich die Schweiz im Hinblick auf die Rechtsfolge bewusst und deutlich vom deutschen Modell distanzieren wollte, wenngleich dies in keiner Phase der Revision ausdrücklich postuliert wurde. Allgemein ließ sich eine derartige Tendenz durchaus registrieren: Die Revisionsakteure orientierten sich zwar regelmäßig am deutschen Recht, das ihnen als normative Leitvorgabe diente. Nicht selten wichen die Kommissionen jedoch bei der exakten Ausgestaltung der entsprechenden Vorschriften von der Vorbildkodifikation ab. Die Vor- und Nachteile sowie die einzelnen Tatbestandselemente der jeweiligen Fassungen bis ins Detail zu analysieren, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist für das Verständnis der Intentionen des schweize­r ischen Gesetzgebers von 1911/1912 250

BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 6. 251 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 2. Sitzung, S. 7. 252 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 3. Sitzung, S. 1. 253 Im schweizerischen Irrtumsrecht besteht ob der Formulierung „unverbindlich“ sowie der Norm des Art. 31 OR Uneinigkeit über die Rechtslage während des Schwebezustands. Im Wesentlichen werden zwei zentrale Theorien vertreten: Die Anfechtungstheorie sowie die Ungültigkeitstheorie. Für die vorliegende Untersuchung ist diese Problematik jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Zur Anfechtungstheorie siehe Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2. Aufl. 1988, S. 209 ff. Zur Ungültigkeitstheorie siehe Gauch / Schluep / Schmid, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 7. Aufl. 1998, Rn. 888 ff. 254 Obgleich Art. 21 OR einen von Art. 28, 29 OR abweichenden Wortlaut vorwies, sollten die Rechtsfolgen denjenigen des Irrtumsrechts entsprechen. Siehe hierzu von Tuhr, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1942, § 40 S. 302; Schweingruber, Die wirtschaftlich schwächere Partei, 1930, S. 202; Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2. Aufl. 1988, S. 234. 255 Vgl. hierzu die Worte Hubers: „Allein gibt es Fälle im bürgerlichen Verkehr, wo es, ohne daß ein wesentlicher Irrtum oder Betrug vorläge, doch als sehr unbillig erscheint […]“. Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (14).

VI. Irrtumsrecht 

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auch nur von untergeordneter Bedeutung. Festzuhalten bleibt, dass die Kommission bei Art. 21 OR wie auch bei zahlreichen anderen Instituten letztlich Hubers und nicht Lotmars Vorschlag folgte und damit eine flexiblere, aber weniger rechtsschutzintensive Norm verabschiedete. Unabhängig von der finalen Fassung von Art. 21 OR lieferte jedoch allein die Neunormierung während der Revision einen entscheidenden Rechtsprogress und war somit ein weiterer Meilenstein hin zu der mit der Revision des OR erwünschten Vollständigkeit des schweizerischen ZGB.

VI. Irrtumsrecht, insbesondere die Normierung des Grundlagenirrtums, Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR Auch die Weiterentwicklung des schweizerischen Irrtumsrechts gehörte zu den wesentlichen Fortschritten, die das revidierte OR mit sich brachte. Die Art. 23 ff. OR zählten zu den während der gesamten Revision am intensivsten behandelten Rechtsinstituten des Allgemeinen Teils des OR. Explizit hervorhebenswert ist in materieller Hinsicht die erstmalige Kodifizierung des Grundlagenirrtums des Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. Mit der Regelung der Beachtlichkeit eines solchen Irrtums war der Revision zum damaligen Zeitpunkt eine Pionierleistung im europäischen Zivilrechtskontext gelungen.256 Besonders aussagekräftig ist die Normierung des Grundlagenirrtums überdies vor dem Hintergrund, dass sie im Gesetzesentwurf der Expertenkommission vom 1. Juni 1909 noch nicht vorgesehen war. Vielmehr führte die Neuerung auf eine Konversation Hubers mit Professor Rümelin vom August 1909 zurück.257 Zu diesem Zeitpunkt hatte Huber den deutschen Kollegen mit der Frage konsultiert, ob basierend auf den Erkenntnissen, die das junge deutsche BGB in der Rechtspraxis mit sich gebracht hatte, betreffend gewisse Rechtsmaterien, die entweder bereits im BGB verankert waren oder bezüglich derer das Gesetzbuch lückenhaft war, ein Anschluss an das ZGB zweckdienlich sei.258 Rümelin empfahl Huber die Kodifizierung jenes Grundlagenirrtums in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4, den die nationalrätliche Kommission anschließend auch in das OR aufnahm.259 Anders als die meisten übrigen Rechtsmaterien erlebte das Irrtumsrecht den entscheidenden Einschnitt somit nicht in der bundesrätlichen Expertenkommission, sondern in der parlamentarischen Nationalratskommission. Das von Professor Rümelin vergleichend herangezogene deutsche BGB von 1900 hingegen kannte zu diesem Zeitpunkt noch keine dem Grundlagenirrtum entsprechende Regelung. § 119 Abs. 2 BGB (Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft) umfasste immer 256 Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965, S. 155. 257 BArch 22/2111, Beilage zum Bericht von Huber betreffend seine Konferenz mit Rümelin, S. 1. 258 BArch 22/2111, Beilage zum Bericht von Huber betreffend seine Konferenz mit Rümelin, S. 1 f. 259 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 3. Sitzung, S. 1 f. Siehe hierzu bereits C. III. 4.

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

hin einige Fälle des Grundlagenirrtums (in Deutschland Motivirrtum genannt), während die deutsche Theorie und auch die Rechtspraxis sich bei sonstigen Fällen mit einer extensiven Auslegung von § 119 Abs. 1 BGB behalfen.260 Erst einige Jahre später, auf die Wirtschaftskrise und Hyperinflation 1923 zurückführend, erklärte das deutsche Reichsgericht das auf Oertmann zurückgehende,261 dem Grundlagenirrtum zumindest vergleichbare Institut der Geschäftsgrundlage überhaupt für beachtlich und behandelte die Geschäftsgrundlage im Rahmen von § 242 BGB.262 Der BGH bestätigte dieses Rechtsinstrument nachfolgend in ständiger Rechtsprechung.263 Eine gesetzliche Ausgestaltung erfuhr der Wegfall der Geschäftsgrundlage jedoch erst im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung 2002 in § 313 BGB.264 Im Detail unterschied sich der Wegfall der Geschäftsgrundlage vom schweizerischen Grundlagenirrtum dadurch, dass sowohl das anfängliche Fehlen als auch das nachträgliche Wegfallen der Geschäftsgrundlage § 242 BGB subsumiert wurden.265 Während das schweizerische Recht den Wegfall grundsätzlich als Anwendungsfall der clausula rebus sic stantibus (Art. 2 Abs. 1 ZGB) behandelte, war der Grundlagenirrtum explizit für Fälle des anfänglichen Fehlens der Geschäftsgrundlage konzipiert und damit nicht nur ausdrücklich im Gesetz normiert, sondern auch im Hinblick auf seine Rechtsfolge (Unverbindlichkeit) konturierter und in der Regel leichter vom Wegfall der Geschäftsgrundlage266 abzugrenzen als das deutsche Äquivalent.267 Mit der Entdeckung und europaweit erstmaligen Normierung des Grundlagenirrtums auf Ratschlag Rümelins hatte Huber den Erfahrungsschatz seines deutschen Kollegen betreffend das deutsche Recht genutzt, um diesem Institut die wünschenswerte gesetzliche Ausformung zu verleihen. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 gehörte damit zu den Positivbeispielen, bei denen der Einfluss des deutschen 260 Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch, 1965, S. 158; Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, 2. Aufl. 1957, S. 35. 261 Oertmann, Die Geschäftsgrundlage, 1921. 262 RGZ 103, 328, 332 f.; Janda, NJ 2013, 1 (2). 263 Siehe etwa BGH, NJW 1951, 602; BGH, GRUR 1973, 649. 264 BGBl. 2001 I, Nr. 61, 29. November 2001, Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, S. 3138 (3150); Vgl. Lorenz, in: Hau / Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 59. Ed. 2021, § 313 BGB Rn. 2. 265 Roth, in: Krüger (Hrsg.), MüKo BGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2001, § 242 BGB Rn. 624; Siebert, in: Soergel (Begr.)/Siebert (Hrsg.), BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 1959, § 242 BGB Rn. 227 ff. 266 Im Grundsatz wurde damit der Wegfall der Geschäftsgrundlage in der schweizerischen Rechtswissenschaft als Anwendungsfall der Treu und Glaubens-Bestimmung in Art. 2 Abs. 1 ZGB behandelt. Merz, ZSR n. F. 80 (1961), 1. Hbd., 335 (352); Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965, S. 160. Immerhin sei darauf verwiesen, dass gleichzeitig in der Literatur und Rechtspraxis durchaus umstritten war, ob es auch Grundlagenirrtümer geben kann, die sich auf zukünftige Sachverhalte beziehen. Hierzu unter Verweis auf die Standpunkte in Rechtsprechung und Literatur siehe Heiz, Grundlagenirrtum, 1985, S. 89 f. Zu den Unterschieden zwischen Geschäftsgrundlage nach Oertmann und Grundlagenirrtum auch Bachmann, Der Irrtum nach Art. 23 ff. des schweizerischen Obligationenrechts, 1928, S. 53 ff. 267 Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch, 1965, S. 160.

VII. Weitere revidierte stilprägende Rechtsmaterien 

145

Rechts eine eigene gelungene Neuerung im schweizerischen Bundesrecht unmittelbar begünstigte. Neben der erstmaligen Kodifizierung des Grundlagenirrtums schlug Rümelin überdies vor, in Art. 1041bis (Art. 25 OR) eine Einschränkung des Irrtumsrechts zugunsten des Rechtsverkehrs und folglich den Ausschluss eines „Reuerechts“ im OR einzuführen.268 Auch eine Art. 1041bis (Art. 25 OR) entsprechende Billigkeitsvorschrift war im deutschen Recht noch nicht vorhanden.269 Daher musste sich die deutsche Rechtswissenschaft eines Rückgriffs auf § 242 BGB behelfen, um das Reuerecht auch im deutschen Privatrecht auszuschließen, und begründete diesen Gedanken mit den ausdrücklichen Regelungen im revidierten schweizerischen OR.270 In der Schweiz hingegen konnte dieser Billigkeitsgedanke bereits durch die Schaffung des Art. 25 OR an Ort und Stelle im Gesetzestext festgelegt werden. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR sowie Art. 25 OR dürfen daher zu den gelungensten Neuerungen und Pionierleistungen des revidierten OR gezählt werden.271

VII. Weitere revidierte stilprägende Rechtsmaterien Die Revision des aOR erschöpfte sich nicht in den in dieser Arbeit explizit herausgegriffenen, materiell relevantesten und stilprägendsten Rechtsinstituten beziehungsweise Einzelvorschriften des neuen Rechts. Die Liste der bedeutsamen Veränderungen lässt sich vielmehr noch weiter ausführen. So eignen sich jene, im Folgenden kurz aufzuzeigenden Neuerungen zwar nicht gleichermaßen dazu, auch allgemeine Revisionstendenzen, politische Kontroversen, gesetzgeberische Malheure oder europäische Pioniersleistungen des revidierten OR zu illustrieren. Die Neufassungen gehörten dennoch zu den zentralen Weiterentwicklungen, die die Revision mit sich brachte. Erwähnenswert ist die Schuldübernahme. Bundesrechtlich zwar noch nicht kodifiziert, ging der Gesetzesentwurf der Art. 1204  bis  1212 der Langenthaler Expertenkommission maßgeblich auf das deutsche Recht zurück.272 Die Expertenkommission beließ dieses Institut in den Jahren 1908/1909 weitgehend unbehandelt und überarbeitete den Regelungskomplex lediglich redaktionell.273 In der Bundesversammlung hingegen entschlossen sich die Ratsmitglieder, einen eigenen, 268 BArch 22/2111, Beilage zum Bericht von Huber betreffend seine Konferenz mit Rümelin, S. 1. 269 Kritisierend siehe Egger, Über die Rechtsethik des schweizerischen Zivilgesetzbuches, 2. Aufl. 1950, S. 80. 270 Armbrüster, in; Säcker / Rixecker / Oetker / Limperg (Hrsg.), MüKo BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 119 BGB Rn. 152 f.; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, Rn. 954. Eine im BGB fehlende Regelung bereits 1902 bemängelnd Gradenwitz, Anfechtung und Reurecht beim Irrthum, 1902, S. 3 ff. 271 So auch Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), Heft 2, 251 (276); Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (14). 272 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (20 f.). 273 Vgl. BArch 22/2114, Protokoll der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 8. Sitzung; Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (737 f.).

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

abweichenden Ansatz zu verfolgen. Bereits der Schuldübernahmevertrag kam auf Antrag Hubers in der nationalrätlichen Kommission fortan nicht mehr zwischen Schuldner und Übernehmer, sondern (nur) zwischen dem Gläubiger und Schuldübernehmer zustande.274 Auch ein vorausgehender Vertrag zwischen altem und neuem Schuldner war rechtlich nur als Vorvertrag qualifiziert.275 Die Wirkungen der Schuldübernahme (Art. 178  OR,  Art. 179  OR) blieben indes weiterhin dem deutschen BGB von 1900 (§§ 417, 418 BGB) entsprechend geregelt.276 Neben der Schuldübernahme gehört auch die Schaffung einer Norm zur Teilnichtigkeit in Art. 20 Abs. 2 OR, angelehnt an § 139 Abs. 1 BGB, die aber im Unterschied zum deutschen Recht im Zweifel nicht von Totalnichtigkeit, sondern quantitativer Teilunwirksamkeit ausging, zu den wertvollen Neuerungen im Allgemeinen Teil.277 Gerade im Besonderen Teil des OR gelang mit der Schaffung des Mäklerrechts, entsprechend dem deutschen BGB, ein Rechtsprogress im Bundesrecht.278 Ferner ließen sich im Bereich des schweize­r ischen Kaufrechts mit der Statuierung einer Rechtsmängelgewährleistung Regelungen über die Viehgewährleistung sowie der Schaffung neuer, besonderer Kaufarten – wie etwa den Grundstückskauf – wichtige, auch und gerade gesellschaftlich bedeutsame Neuerungen im revidierten OR vorfinden.279 Zusätzlich zu den einzelnen Vertragsverhältnissen brachten die Kommissionsmitglieder auch die gesetzlichen Schuldverhältnisse in verhältnismäßig großem Umfang in die Verhandlungen ein. Allen voran prägte die Revisionsarbeiten das Recht der unerlaubten Handlungen, das seit Jahren die schweizerische Gerichtspraxis beschäftigt hatte, weshalb der Gesetzgeber es einer eingehenden Betrachtung unterzog.280 Bereits im Vorfeld hatte sich der Schweizerische Juristenverein diesem Thema an dessen Juristentag im Jahr 1903 gewidmet.281 Die Revision des Deliktsrechts beschränkte sich trotz der umfassenden Vorarbeiten sowie der rechtspraktischen Relevanz auf die Neunormierung einzelner Vorschriften, ohne aber das gesamte System des aOR in Zweifel zu ziehen.282 Zentral waren etwa die bereits im Entwurf von 1905 vorgeschlagene Erweiterung von Art. 50 aOR, welche einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der guten Sitten statuierte, anhand derer sich erneut der Einfluss des deutschen BGB festmachen ließ.283 Die Vorschrift wurde zwar insbesondere von der Zürcher Handelskammer kritisch gesehen284 274

BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 5. Sitzung, S. 1 f. Oser, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht 1912, 61 (87). 276 Oser, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht 1912, 61 (87). 277 Zimmermann, Richterliches Moderationsrecht oder Totalnichtigkeit?, 1979, S. 79. Vgl. Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (276); Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (15). 278 Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (753). 279 Oser, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht 1912, 61 (88 ff.). 280 Oser, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht 1912, 61 (75). 281 Eingehend hierzu siehe E. I. 2. c). 282 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (14). 283 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (14, 88). 284 BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 10 f. 275

VIII. Stellungnahme zu den revidierten Normenkomplexen 

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und zwischenzeitlich von der nationalrätlichen Kommission sogar verworfen, gehörte aber zu den Verbesserungen und Vervollständigungen, die die Revision mit sich brachte.285 Auch eine § 830 Abs. 1 S. 2 des deutschen BGB vergleichbare Vorschrift war dem aOR fremd. Die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung sah zwar der bundesrätliche Entwurf vom 1. Juni 1909 (noch) vor,286 die nationalrätliche Kommission lehnte den Passus letztlich aber ausdrücklich ab.287 Die Nichtbeachtung des deutschen Rechts – entgegen etwa dem Vorschlag Burckhardts am Juristentag des Jahres 1903288 – hatte jedoch im Nachgang zur Folge, dass in einem Schadensersatzfall aus dem Jahr 1911 eine Klage gegen drei Beklagte vom kantonalen Eingangsgericht noch abgewiesen werden musste und auch das Bundesgericht, das der Klägerin final einen Ersatzanspruch zugestand, keine den Tenor stützende Norm im OR vorfinden konnte.289 Das Gericht hatte den Anspruch somit, geleitet vom deutschen Recht und dessen Kommentarliteratur, auf das gemeine Recht und vorherige ähnliche Entscheidungen des Reichsgerichts zu stützen.290 Polarisierend und mitunter stark bemängelt wurde darüber hinaus die – entsprechend Art. 67  aOR beibehaltene  – besonders strenge verschuldensunabhängige Haftung des Werkeigentümers aus Art. 58 OR, die zu den angezweifelten Vorschriften des schweizerischen Deliktsrechts gehörte.291 Auch die von Huber als einschränkendes Korrektiv zur besonders strengen Kausalhaftung des Art. 58 OR eingeführte „Regresskassade“ bei der Solidarhaftung in Art. 51 Abs. 2 OR sah sich in der schweizerischen Doktrin vielfach Kritik ausgesetzt.292

VIII. Stellungnahme zu den revidierten Normenkomplexen Wie die vorangestellten Beispiele aufzeigen, war auch das materielle Recht bei der Revision des schweizerischen OR schlussendlich präsenter als man – gerade ob der Marschroute in der ersten Phase – hätte annehmen können. Zwar legten die Kommissionen den Schwerpunkt der Revisionsarbeiten auf die systematische und sprachliche Anpassung sowie Eingliederung des OR in das neue ZGB. Die Kom 285

Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (15). Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des schweize­rischen Zivilgesetzbuches durch Anfügung des Obligationenrechts, S. 757 (771). 287 Peter, in: Elsener / Ruoff (Hrsg.), Festschrift für Karl S. Bader, 1965, S. 321 (334); BArch 22/2116, Anträge der Kommission des Nationalrates für die Revision des Obligationenrechtes vom 15. September 1909, S. 3; Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (488). 288 Burckhardt, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1903, 1 (102 f.). 289 Peter, in: Elsener / Ruoff (Hrsg.), Festschrift für Karl S. Bader, 1965, S. 321 (334). 290 Peter, in: Elsener / Ruoff (Hrsg.), Festschrift für Karl S. Bader, 1965, S. 321 (334). 291 Diskussionsbeitrag Kraus, ZSR n. F. 102 (1983), 581 (581 f.). Siehe auch bereits die Kritik zum Entwurf von 1905 etwa BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 12 f. 292 Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (12 f.). 286

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D. Exemplarische Darstellung stilprägender (materieller) Neuerungen 

missionen behielten aber die (materiell-)rechtlichen Entwicklungen sowohl in der schweizerischen Gerichtspraxis als auch in den Nachbarstaaten, insbesondere dem Deutschen Reich, durchweg im Blick und intensivierten in der zweiten Phase der Revision die materielle Umgestaltung des Gesetzbuches. So erstaunt es im Ergebnis nicht, dass zahlreiche der angesprochenen Rechtsmaterien in erheblichem Maße durch das deutsche Recht beeinflusst waren. Ob die Schweizer Revisionsakteure einer Angleichung offen oder reserviert gegenüberstanden, lässt sich nicht pauschal beurteilen, sondern verbleibt der Einzelfallbetrachtung vorbehalten. Führt man sich diese umstrittenen Themenfelder vor Augen, bleibt zudem festzustellen, dass auch die Revision des Allgemeinen Teils des schweize­rischen OR aussagekräftiger ist als man prima facie annehmen könnte. Zwar lag der Revisionsschwerpunkt grundsätzlich auf dem Besonderen Teil. Deutlich wird dies nicht nur durch die Anzahl der Sitzungen, die die Kommissionen den einzelnen Vertragsverhältnissen im Vergleich zum Allgemeinen Teil widmete, sondern auch anhand der schlussendlich verabschiedeten Gesetzesneuerungen, speziell im Dienstvertragsrecht. Nichtsdestotrotz lassen sich auch im Allgemeinen Teil des OR einige Rechtsinstitute ausfindig machen, die geeignet sind, den Ablauf der Revision zu porträtieren. Hervorzuheben sind die politisch umstrittene Ausgestaltung des Sachwuchers in Art. 21  OR sowie die Normierung der Schuldübernahme, des Grundlagenirrtums und nicht zuletzt der systematisch fragwürdigen und vielfach kritisierten Verjährungsvorschrift des Art. 67 Abs. 1 OR. Im Besonderen Teil ragen das Dienstvertragsrecht und die Schenkung heraus. Anhand dieser Materien lassen sich am deutlichsten die politischen Spannungen sowie die verschiedenen Revisionsetappen rechtshistorisch nachzeichnen. Gerade das Schenkungsrecht, das einzig die Langenthaler Kommission in der ersten Phase der Revision behandelt hatte und unter anderem daraus resultierend (terminologisch) deutlich verbesserungsbedürftig war, illustriert eindrücklich die Tragweite der Entscheidung, das OR nach den unbefriedigenden Ergebnissen der ersten Phase nochmals nahezu vollständig durchsprechen zu lassen.

E. Rechtspolitische Impulse Während die Ausarbeitung des Gesetzestextes des revidierten OR den Expertenkommissionen und eidgenössischen Räten oblag, waren der Revisionsprozess und die Entscheidungen jener Gremien auch von rechtspolitischen Einflüssen aus den verschiedensten Teilen der schweizerischen Gesellschaft mitgeprägt. Die Anpassung und Revision des aOR an das ZGB war nicht nur juristisch von herausragender Bedeutung. Mit ihr einher gingen Veränderungen von gesellschaftlicher Relevanz, die Aufmerksamkeit innerhalb der schweizerischen Öffentlichkeit erregten. Demnach bemühten sich verschiedene gesellschaftliche Verbände, Einfluss auf die Gesetzgebung und Rechtsvereinheitlichung zu nehmen. Als besonders richtungsweisend stellten sich rechtspolitische Impulse bei der Revision des Dienstvertragsrechts heraus. Die Berücksichtigung gesellschaftlicher Anliegen bei der Revision wird auch daran deutlich, dass die große Expertenkommission nicht lediglich aus den führenden Juristen des Landes, sondern vielmehr auch aus Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Landwirtschaft, des Handels, der Industrie und des Gewerbes bestehen sollte. Der Gesetzgeber zielte bei der Schaffung des ZGB und der Revision des OR stets darauf ab, ein Volksrecht zu schaffen. Die Hinzufügung bedeutender Vertreter der gesellschaftlichen Verbände war nicht umsonst einer derjenigen Gründe, warum sich die eidgenössischen Räte dazu entschieden hatten, den Botschaftsentwurf von 1905 nicht endgültig zu verabschieden, sondern eine größere Expertenkommission zusammentreten zu lassen und die Revision zu vertagen.1 Wie bereits bei der Fassung der ersten vier Teile des neuen ZGB geschehen, hatte das Sekretariat der Expertenkommission für die Revision des OR im Auftrag des schweizerischen Justizministerium Anträge und Anregungen, die aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen geäußert worden waren, zusammengetragen.2

I. Die Rolle des Schweizerischen Juristenvereins Als besonders wertvolle Quelle der Inspiration dienten dem EJPD dabei eingegangene Schreiben, Kundgebungen und Bemerkungen führender juris­tischer Experten in der Schweiz. Die Revision des OR, die auch und gerade für die Rechts 1

BArch 22/2109, Beschluss des schweizerischen Nationalrates vom 16. November 1906, gerichtet an den schweizerischen Ständerat. 2 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, Vorbemerkung.

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E. Rechtspolitische Impulse

anwendung von höchster Bedeutung war, veranlasste Rechtsanwälte, Professoren und Richter, sich zu verschiedensten Themenkomplexen zu äußern, ihren Erfahrungsschatz einzubringen und auf die Kodifikationsarbeiten einzuwirken. Das in der Schweiz wohl einflussreichste Kollegial­organ fortschrittlicher juristischer Denker des 19. und 20. Jahrhunderts war der Schweizerische Juristenverein, auf dessen Rolle bei der Revision des schweizerischen OR sich – ohne dabei die Impulse einzelner Personen und deren Postulate negieren zu wollen3 – diese Arbeit konzentriert. 1. Gründung und Rolle des Schweizerischen Juristenvereins auf dem Weg zur nationalen Rechtseinheit 1861 gegründet, mit dem Ziel, umfassende Rechtseinheit im bis dato 13 Jahre alten Bundesstaat zu fördern, wirkte der Juristenverein bereits in seinen frühen Statuten bei der Entstehung des aOR mit.4 Als seinerzeit einzige gesamtschweizerische Juristenorganisation hatte sich die Interessensgemeinschaft zur Aufgabe gemacht, die sich aus dem kantonalen Privatrechtspluralismus ergebenden Schwierigkeiten zu beheben und sich für eine einheitliche eidgenössische Privatrechtskodifikation proaktiv einzusetzen.5 Diese programmatische Zielvorstellung prägte die Arbeit des Schweizerischen Juristenvereins auch während der Gesetzgebungsarbeiten am ZGB und nicht zuletzt am revidierten OR. Mit der Revision des schweizerischen OR setzte sich der Juristenverein im Kern an den Juristentagen von 1900 bis 1904 auseinander. 2. Einflüsse auf die Revision des schweizerischen Obligationenrechts an den Juristentagen des frühen 20. Jahrhunderts a) Juristentag 1900 in St. Gallen: Vorläufer der Revision? Am ersten Juristentag des neuen Jahrhunderts behandelte der Schweizerische Juristenverein die Grundausrichtung der zukünftigen Rechtsetzung. Nachdem beim schweizerischen Bundesrat bereits einleitende Gutachten von Professoren und Bundesrichtern eingegangen waren, stand im Jahr 1900 in St. Gallen auch für den Schweizerischen Juristenverein das Thema der Anpassung des schweizerischen OR auf dem Programm. Ergebnis des ersten Juristentages war eine bereits recht 3 Immerhin seien an dieser Stelle die Eingaben des Vereins Zürcher Rechtsanwälte vom 18. September 1908 an das EJPD sowie Eingaben einzelner Juristen, bspw. Osers, zum Dienstvertragsrecht, erwähnt. Siehe BArch 22/2110, Schreiben des Vereins Zürcher Rechtsanwälte an das EJPD vom 18. September 1908; Oser, Blätter für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre 3 (1907), 97, 135, 166. 4 Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (9). 5 Gschwend / Ingber / Wehrle, ZSR n. F. 130 (2011), Jubiläumsschrift, 9 (24).

I. Die Rolle des Schweizerischen Juristenvereins 

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eindeutige Vorstellung, auf welche Weise die Revision grundsätzlich stattzufinden hätte. Die Organisation besprach den Umfang des neuen Gesetzbuches, diskutierte über aussonderungsfähige und -bedürftige Rechtsmaterien, ging der Frage nach, ob ein Allgemeiner Teil notwendig oder opportun sei und widmete sich nicht zuletzt auch intensiv der Systematik und Sprache des neuen Gesetzbuches.6 Materielle Einzelfragen hingegen sollten den folgenden Juristentagen (insbesondere dem Juristentag 1902) vorbehalten bleiben. An seinem ersten Juristentag des neuen Jahrhunderts nahm der schweizerische Juristenverein bereits die ersten Weichenstellungen für die nachfolgende Revision des OR vor. Der Juristentag 1900 war somit eine erste gemeinsame Zusammenkunft und Diskussionsrunde unter den führenden schweizerischen Juristen im Zuge der Revisionsarbeiten – quasi ein Vorläufer der eigentlichen Revision. b) Juristentag 1902: Der Dienstvertrag im künftigen schweizerischen Civilrecht Bereits zwei Jahre später widmete sich der Juristenverein der Revision des Dienstvertragsrechts und beauftragte keinen geringeren als Lotmar, ein instruktives einleitendes Referat über die zu erlassenden Bestimmungen im Dienstvertragsrecht zu halten. Der Schweizerische Juristenverein gab somit einem der sozialprogressivsten Arbeitsrechtler des 19. und 20. Jahrhunderts eine Bühne. Lotmar setzte sich vor allem für weitergehenden Arbeitnehmerschutz ein.7 Seine zentralen Thesen bildeten im Anschluss an sein eigenes Referat sowie das – diesem diametral entgegenstehende8  –  Korreferat von Gabriel de Weiss in französischer Sprache9 im Plenum des Schweizerischen Juristenvereins den Gegenstand einer belebten Debatte.10 Schon im Zuge dieser Diskussionen zeigte sich deutlich, dass Lotmar in der schweizerischen Jurisprudenz einen schweren Stand hatte. Die anwesenden Mitglieder lehnten seine Thesen im Gros ab.11 Das Mehrheitsbild des Schweizerischen Juristenvereins zog ein liberaleres Arbeitsrecht demjenigen vor, welches Lotmar in seinem Referat postulierte. Huber indes äußerte sich nicht zu den von Lotmar vorgebrachten Argumenten und Anschauungen. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren.12 6 Ausführlicher zu den konkreten Vorstellungen des Schweizerischen Juristenvereins am Juristentag 1900 siehe bereits Gliederungspunkt C. I. 4. 7 Siehe hierzu bereits eingehend D. I. 2. b) aa). 8 De Weiss, ZSR n. F. 21 (1902), 612 (614 ff.). Vgl. auch Fritsche, Der Schweizerische Juristenverein 1861–1960, 1961, S. 144, der anführt, dass de Weiss die Thesen Lotmars als zu einseitig kritisierte. 9 De Weiss, ZSR n. F. 21 (1902), 612. 10 Diskussion, ZSR n. F. 21 (1902), 635. 11 Ausführlicher hierzu siehe Gliederungspunkt D. I. 2. b) aa). 12 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 199 verweist auf mögliche Gründe, die Huber bewogen haben könnten, von einer Äußerung abzusehen, ohne eine abschließende Einordnung vorzunehmen.

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E. Rechtspolitische Impulse

Letztendlich formulierte Bundesrat Brenner eine deutlich zurückhaltendere Resolution des Juristenvereins an den schweizerischen Bundesrat, welche die überwiegende Mehrheit der anwesenden Mitglieder in endgültiger Abstimmung anstelle eines Zusatzes Lotmars13 befürwortete.14 „Der Schweize­rische Juristenverein drückt den Wunsch aus, es möge bei der Anpassung des Obligationenrechts an das zukünftige Civilgesetzbuch auf eine Revision der Bestimmungen über den Dienstvertrag Bedacht genommen werden, nach welcher Rechte und Pflichten der Kontrahenten eine eingehendere Regelung als im bisherigen Gesetze erfahren.“15 Auch wenn der Schweizerische Juristenverein also nicht so weit gehen wollte, wie es Lotmar gefordert hatte, regte der Zusammenschluss an seinem zweiten Juristentag des 20. Jahrhunderts dennoch eine weitläufige Neuordnung des schweizerischen Dienstvertragsrechts an. c) Juristentag 1903: Die Revision des Schadensrechts Im Jahre 1903 bildete die Revision des Schadensrechts den Hauptgegenstand der Beratungen des Schweizerischen Juristenvereins. Die Professoren Carl Christoph Burckhard und Korreferent Simon de Félice hielten einleitende Referate, welche die Langenthaler Spezialkommission auch bei der Erstellung des ersten Gesetzesentwurfes vom 3. März 1905 hinlänglich berücksichtigte.16 Insbesondere in der ersten Phase der Revision wurden demzufolge einige der von der Langenthaler Spezialkommission vorgeschlagenen Änderungen am geltenden Recht von ­Burckhardt und Félice und somit unmittelbar durch den Schweizerischen Juristenverein angeregt.17 Thematisch ging es dem Schweizerischen Juristenverein vornehmlich um die Feinjustierung des schweizerischen Schadensersatzrechts, während die Referenten im Hinblick auf Systematik und Sprache unter Verweis auf die langjährige Praxis vor allem auf „Rechtskontinuität, […] Rechtssicherheit, […] Rechtseindrücklichkeit“18 setzten. Die Berichterstatter bevorzugten einen zurückhaltenden und nicht revolutionären Umgang mit dem geltenden Recht.19 Auch und gerade das in Art. 50 aOR verankerte Verschuldensprinzip sollte im Grundsatz beibehalten werden.20 Burckhardt äußerte sich beispielsweise zum Schadensbegriff (I.), zu Art

13 Der Zusatz, den Lotmar der Resolution wenigstens noch anfügen wollte, lautete: „Es sind hierbei insbesondere die Bedürfnisse der unbemittelten Arbeitnehmer zu berücksichtigen“. Siehe Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (555). 14 Nach Abschluss der Diskussion wurde die Resolutionsfassung Brenners in der Schlussabstimmung mit 46 zu 27 Stimmen angenommen. Diskussion, ZSR n. F. 21 (1902), 635 (642). 15 Diskussionsbeitrag Brenner, ZSR n. F. 21 (1902), 638 (639). 16 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (16). 17 Bbl. 57. Jg. II., 22. März 1905, Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, S. 1 (17). 18 Burckhardt, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1903, 1 (1 f.). 19 Vormerkungen Burckhardt, ZSR n. F. 22 (1903), 687 (688). 20 De Félice, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1903, 222 (244).

I. Die Rolle des Schweizerischen Juristenvereins 

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und Umfang des Schadens (II.) sowie zu den Haftungsgründen (III.).21 Das Sekretariat der Expertenkommission nahm Burckhardts Referat und die hierin enthaltenen Forderungen in die im Auftrag des EJPD angefertigte Zusammenstellung der Anträge von Behörden und Privaten auf und ermöglichte damit die hinreichende Berücksichtigung Burckhardts essenzieller Thesen auch in der zweiten Phase der Revision.22 Zentrale, die späteren Revisionsverhandlungen prägende Vorschriften, bei denen die Referenten eine Kodifizierung anregten oder davor warnten, waren unter anderem Art. 1058 Abs. 2 (Verletzung der Guten Sitten), Notstand, Nothilfe und Selbsthilfe aus Art. 1065, der unlautere Wettbewerb (Art. 1062) sowie die während der Revisionsverhandlungen stets umstrittene Vorschrift des Art. 1073 (Haftung des Werkeigentümers).23 In der Gesamtschau lässt sich eine intensive Einflussnahme des Schweize­rischen Juristenvereins auf dem Gebiet des Delikts- und Schadensrechts, einer derjenigen Rechtsmaterien, die der Gesetzgeber im Allgemeinen Teil des OR am intensivsten behandelte, konstatieren. d) Jahreshauptversammlung 1904 Auf der Jahreshauptversammlung 1904 diskutierte der Schweizerische Juristenverein über die Revision des Wechsel- und des Aktiengesellschaftsrechts. Professor Carl Wieland hielt ein einleitendes Referat über „[d]ie Umgestaltung des schweizerischen Wechselrechts im Hinblick auf ein einheitliches internationales Wechselrecht“.24 Seine Korreferenten waren Professor Edouard Béguelin und Giuseppe Berta.25 Wieland stellte die These auf, „[v]on einer umfassenden Revision des geltenden Wechselrechts […] mit Rücksicht auf die internationale Bedeutung des Wechsels zur Zeit abzusehen“26. Auch Korreferent Béguelin konkludierte, dass eine Revision des Wechselrechts zum damaligen Zeitpunkt noch nicht nötig war.27 Der Juristenverein bestätigte diese These (I.) Wielands in der nachfolgenden Diskussionsrunde und verarbeitete die Auffassung auch in der Resolution an das EJPD.28

21 Burckhardt, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1903, 1  (5 ff., 23 ff., 35 ff.). 22 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, S. V. 23 Burckhardt, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1903, 1 (1 ff.); BArch 22/ 2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, S. V. 24 Wieland, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 1. 25 Berta, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 229; Béguelin, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 271. 26 Wieland, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 1 (62). 27 Béguelin, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 271 (364). 28 Diskussion, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 366 (369).

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E. Rechtspolitische Impulse

Der Schweizerische Juristenverein votierte, mit der allgemeinen Ansicht der verschiedenen Kommissionen konformgehend, für eine Aussonderung des Wechselrechts und ein provisorisches Verschieben der Revision im Hinblick auf diese Rechtsmaterie. Zur Revisionsbedürftigkeit des Aktiengesellschaftsrechts äußerten sich Professor Louis Rehfous, der in diesem Fall das Hauptreferat in französischer Sprache hielt, sowie dessen Korreferent Oscar von  Waldkirch.29 Das Meinungsbild hinsichtlich der Revision des Aktienrechts offenbarte sich insgesamt – im Vergleich zum Wechselrecht – als differenzierter. Mehrheitlich vertrat der Schweizerische Juristenverein in der Diskussion aber auch hier den Standpunkt, von einer Revision vorerst abzusehen.30 Wie bereits die beiden Referenten betont hatten, hielt nämlich der Großteil der sich an der anschließenden Diskussionsrunde beteiligenden Juristen eine Revision des Aktienrechts zwar für wünschenswert, jedoch nicht für opportun.31 Der Reformgesetzgeber war auf dem Gebiet der Kodifikation bereits zu genüge beschäftigt und konnte daher vorerst mit dem Aktienrecht, welches sich ohnehin noch stark im Wandel befand und damit die Gefahr mit sich brachte, dass das neue Gesetz nur von kurzer Lebensdauer gewesen wäre, abwarten.32 Die Abstimmung der Versammlung brachte schließlich mit 32 zu 31 Voten das Ergebnis, dass der Juristenverein keine Resolution zur Revisionsbedürftigkeit des Aktiengesellschaftsrechts fassen wollte.33 Allerdings sollte das Verhandlungsprotokoll – wie bereits in den vorherigen Jahren – an das EJPD geschickt werden, sodass die gehaltenen Referate und die anschließenden Voten und Vorschläge innerhalb der Diskussionsrunde „bei einer Gesetzesrevision als wertvolle Kundgebungen ihre volle Berücksichtigung finden“34 konnten. Was den endgültigen Gesetzestext von 1911/1912 und das Vorgehen der Kommissionen anging, fand die Auffassung des Juristenvereins letztlich ihren Niederschlag. Die Revision von 1911/1912 sah einen provisorischen Ausschluss des Aktiengesellschaftsrechts vor, um es später in den Jahren 1936/1937 zu revidieren.

29 Rehfous, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 65; von Waldkirch, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 133. 30 Siehe hierzu Diskussion, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 199. 31 Vgl. hierzu Diskussionsbeitrag Siegmund, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 213 (213), der auf die beiden Referenten verweist und sich ihnen anschließt. 32 Diskussionsbeitrag Siegmund, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 213 (213). 33 Hauptabstimmung des Schweizerischen Juristenvereins, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 199 (222). 34 Vgl. Diskussionsbeitrag Winkler, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, 220 (220 f.).

I. Die Rolle des Schweizerischen Juristenvereins 

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3. Stellungnahme zu der Bedeutung und den Impulsen des Juristenvereins War das Bedürfnis nach Rechtseinheit bereits in den frühen Statuten des Bestehens des Schweizerischen Juristenvereins hervorgehoben worden, änderte sich die programmatische Grundausrichtung auch bei der Revision des OR nicht.35 Während der Revisionsarbeiten bot die Zusammenkunft des Juristenvereins sodann die Möglichkeit, Perspektiven und Risiken bei der Novellierung des OR bereits in Grundzügen durchzusprechen und dadurch frühzeitig Weichenstellungen vorzunehmen. Die Diskussionsgegenstände des Juristenvereins erstreckten sich über allgemeine Themen wie die Systematik und Art der Angliederung des neuen Gesetzbuches an das ZGB, die Reichweite der Revision und die Aussonderungsnotwendigkeit gewisser Materien, bis hin zu detaillierten materiellen Änderungsanträgen und Resolutionsfassungen etwa betreffend das Dienstvertragsrecht. Dass es sich bei den Juristentagen auch nicht um rein theoretische Diskussionsrunden handelte, deren praktische Relevanz für die Revision nur von untergeordneter Bedeutung war, zeigt sich daran, dass Huber, Bundesrat Brenner und zahlreiche weitere Kommissionsmitglieder an den Tagungen des Juristenvereins mitwirkten und somit die debattierten Themen anschließend auch in die Kommissionen einbrachten. Da­rüber hinaus vermochte das gesammelte Material und im Besonderen die einleitenden Referate als wissenschaftliche Basis den anfälligen Kommissionsverhandlungen zugrunde gelegt und damit berücksichtigt zu werden.36 Während der Schweizerische Juristenverein das Bedürfnis nach Rechtseinheit – anders als noch zu Beginn seines Bestehens und seiner Tätigkeit37 – nunmehr ohne Zweifel geschlossen propagierte, sodass die Angelegenheit kein politisch streitbares Thema mehr darstellte, war die rechts- und sozialpolitische Ausrichtung des neuen Gesetzbuches durchaus umstritten. So sorgte insbesondere der Vortrag Lotmars über das Dienstvertragsrecht am Juristentag 1902 für ein geteiltes, tendenziell arbeitgeberfreundliches und politisch liberaleres Meinungsbild. Ebenso ließen sich hinsichtlich der Revisionsbedürftigkeit und der damit einhergehenden potenziellen Aussonderung großer Teile des Handelsrechts durchaus unterschiedliche Strömungen innerhalb des Juristenvereins feststellen, was sich ebenfalls nicht zuletzt auf die divergierenden politischen und wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder zurückführen lässt.

35 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1988; Fritzsche, Der Schweizerische Juristenverein 1861–1960, 1961, S. 134 ff. 36 Das EJPD leitete bspw. das Referat Burckhardts und dessen Forderungen der Kommission zu. Siehe BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, S. V. 37 Zu der in den frühen Jahren nach der Gründung des Schweizerischen Juristenvereins umstrittenen Frage nach der Reichweite nationaler Rechtsvereinheitlichung siehe Gschwend /  Ingber / Wehrle, ZSR n. F. 130 (2011), Jubiläumsschrift, 9 (20 ff.).

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E. Rechtspolitische Impulse

In der Gesamtschau zeigte sich der Schweizerische Juristenverein auch bei der Revision des schweizerischen OR als besonders einflussreiches Organ. Nicht allein aufgrund der weitreichenden Personalunion38 hatte die Arbeit des Juristenvereins unmittelbare Auswirkung auf die späteren Kommissionsverhandlungen, allen voran in der ersten Phase der Revision. Der Juristenverein bestimmte damit sowohl die Reichweite der Revision als auch die Grundausrichtung und Systematik des neuen Gesetzbuches entscheidend mit. Die Schlüsselrolle, die der Schweizerische Juristenverein und seine Mitglieder bei der nationalen Privatrechtsvereinheit­ lichung des 19. und 20. Jahrhunderts insgesamt eingenommen hatten, bestätigte sich somit auch bei der Revision des schweizerischen OR.

II. Die Rolle der Gesellschaft außerhalb der Jurisprudenz Auch die fachfremde Öffentlichkeit beteiligte sich rege an den Gesetzgebungsarbeiten. Bereits der erste Entwurf der Langenthaler Kommission hatte erhebliche Kritik erfahren, weil er Ergebnis der Verhandlungen eines reinen Juristengremiums war. Die fehlende Beteiligung der Öffentlichkeit sorgte dafür, dass ein erneutes Durchsprechen des Revisionsentwurfes notwendig wurde. Demnach versuchten verschiedene gesellschaftliche Verbände ihre individuellen Begehren privatrechtlicher Natur in die Gesetzgebung miteinzubringen und hierdurch auf ein ihren Interessen entsprechendes Privatrecht hinzuwirken. Ein Vergleich mit der Rolle des Schweizerischen Juristenvereins ergibt dabei, dass die angesprochenen Vertreter erst deutlich später richtungsweisend auf die Kodifikationsberatungen einwirkten. Während der erste Juristentag, an dem der Juristenverein die wesentlichen Weichen für die Revision stellte, bereits 1900 stattfand, regte das EJPD eine (unmittelbare) Volksbeteiligung erst in den späteren Statuten der Revision, nachdem die Kritik am Vorgehen der Langenthaler Spezialkommission merklich lauter geworden war,39 auch von offizieller Seite an. So fiel die Beteiligung am ersten Gesetzesentwurf von 1905 insgesamt noch gering aus. Lediglich der kaufmännische Verein hatte sich bereits vor Zusammentreten der Langenthaler Kommission mit Postulaten, die das Dienstvertragsrecht betrafen, an das EJPD gewandt.40 Dass dieser Umstand nicht dem wirklichen Willen der schweizerischen Gesetzgebungsorgane entsprach, unterstrich indes Hoffmann, der die Neuaufnahme der Revisionsarbeiten unter Einbeziehung aller interessierten Verbände als Berichterstatter bei den Ver-

38 Zahlreiche spätere Kommissionsmitglieder, darunter insbesondere die erwähnten Huber und Bundesrat Brenner waren ebenso Mitglieder des Schweizerischen Juristenvereins und in dieser Position auch an den Diskussionen zur Revision des OR während der Juristentage von 1900 bis 1904 beteiligt. 39 Siehe BArch 22/2110, Schreiben des schweizerischen Bauernverbandes an das EJPD vom 2. Januar 1905, S. 1; Der Grütlianer vom 8.11.1904, Titelblatt. 40 BArch 22/2110, Schreiben des schweizerischen kaufmännischen Vereins an das EJPD vom 8. Juni 1903.

II. Die Rolle der Gesellschaft außerhalb der Jurisprudenz 

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handlungen des schweizerischen Ständerates ausdrücklich befürwortete.41 Auch im Nationalrat setzte sich dieser Ansatz durch. Die Mitglieder der Bundesversammlung verlangten demgemäß, unter Verweis auf die Kritik aus den verschiedenen gesellschaftlichen Lagern sowie auf die Eingaben seitens des Bauernverbandes, des schweizerischen Handels- und Industrievereins und des schweizerischen Gewerbevereins, das OR einer größeren Expertenkommission vorzulegen.42 Die Beteiligung dieser Kreise war somit ebenso wie diejenige der juristischen Fachkreise für das Gelingen der Revision sowohl in Bezug auf den (materiellen) Gehalt als auch bezogen auf die öffentliche Akzeptanz des neuen OR unerlässlich. Die Eingaben aus den verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen entpuppten sich sogar als hauptursächlich dafür, dass der Reformgesetzgeber die zweite Phase der Revision überhaupt beschreiten und eine eingehendere materielle Revision fortan zielorientierter verfolgen ließ. Dass die Beteiligung nicht bereits im Initiativstadium zu Tage trat, beruht auch auf der angeregten Thematik. Anders als der Schweizerische Juristenverein behandelten die gesellschaftlichen Interessensverbände nämlich weniger allgemeine Themen, die das Grundgerüst des neuen Gesetzbuches betrafen. Die Einflussnahme der einzelnen Vereinigungen zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Gruppierungen mit speziellen Einzelproblemen und Fragen befassten, die unmittelbare praktische Berührungspunkte mit den Interessen der Kreise hatten. Im Kern ging es den Verbänden somit um die Beurteilung materiellen Rechts und weniger um Systematik, Redaktion und Sprache des Gesetzbuches. Wie sich jedoch exemplarisch anhand des schweizerischen Bauernverbandes zeigt, war diesen Verbänden erst spät bewusst geworden, dass der Gesetzgeber eine materielle Revision überhaupt in Erwägung zog,43 sodass zunächst „keine Schritte getan wurden, um eine Vertretung bei den Beratungen dieses […] so wichtigen Gesetzes zu erhalten oder […] Besprechungen über die Materie zu veranlassen“44. Auch der Beurteilungsstil unterschied sich von demjenigen der schweizerischen Juristen. Juristische und dogmatische Erwägungen fehlten. Im Vordergrund standen praktische Alltagserwägungen innerhalb des jeweiligen Fachkreises, zum Beispiel „landwirtschaftliche[…] und nationalökonomische[…] Gesichtspunkte[…]“45, Mieterin 41

Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111 (118). Vgl. hierzu die Worte Hubers in Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1044). 43 Auch das EJPD und die 1901 einberufene Spezialkommission gingen zunächst davon aus, von einer materiellen Revision Umgang zu nehmen, da der Gesetzgeber das bestehende Gesetz weitgehend unangetastet lassen wollte. Infolge der Kritik der verschiedenen Verbände erfolgte ein Umdenken, sodass sich der Gesetzgeber entschied, den Gesetzesentwurf erneut durchzuberaten. Infolge dieser Entscheidung nahmen auch die gesellschaftlichen Eingaben und die damit verbundenen materiellen Forderungen weiter zu. Siehe hierzu bereits C. II. 5. sowie C. II. 6. 44 BArch 22/2110, Schreiben des schweizerischen Bauernverbandes an das EJPD vom 2. Januar 1905. 45 Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992, S. 71. 42

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E. Rechtspolitische Impulse

teressen,46 Handel und Industrie47 und nicht zuletzt gemeinnützige und soziale Gesichtspunkte. 1. Postulate und Impulse einzelner Interessensverbände Wie schon beim Erlass des ZGB, beschäftigte sich unter anderem der schweizerische Bauernverband48 intensiv mit der Revision des OR, um die mit einer eidgenössischen Zivilrechtskodifikation verbundenen „privatrechtliche[n] Lösungen für die Probleme der Landwirtschaft“49 effektiv umsetzen zu können. Gingen bereits in der Vergangenheit mit der (Neu-)Kodifizierung von Recht, was sich im Übrigen nicht allein anhand der bundesrechtlichen (Privatrechts-)Kodifikationen aufzeigen lässt, regelmäßig auch (agrar-)wirtschaftliche Entwicklungen einher, so stellt das Privatrecht und im Speziellen das OR eine für den Bauernverband besonders interessante Rechtsquelle dar.50 In vielerlei Hinsicht erwies es sich für den Bauernverband als notwendig, auf ein Privatrechtssystem zurückgreifen zu können, das ihm den wirtschaftlichen Verkehr erleichtert. Zentrale Bedeutung für bäuerliche Betätigung kam hierbei den obligationsrechtlichen Vorschriften etwa betreffend den Kauf von Vieh oder Grundstücken zu. Da sich das aOR insbesondere in Bezug auf Grundstückskäufe und Viehgewährleistung als lückenhaft erwiesen hatte, bot die Revision des OR für den Bauernverband Anlass dazu, das schweizerische Kaufrecht bauernfreundlich neu zu justieren.51 Neben diesen Rechtsmaterien befasste sich der Bauernverband beispielweise mit dem Dienstvertragsrecht und der Pacht.52 Hierzu formulierte die Vereinigung in einem Schreiben an das EJPD den Antrag, die bundesrätliche Gesetzesvorlage von 1905 einer größeren Expertenkommission zu unterbreiten, um eine weitreichendere Revision zu ermöglichen und of-

46 Vgl. BArch 22/2110, Anträge des Zürcher Mietervereins zum ersten Abschnitt des 34. Titels des bundesrätlichen Gesetzesentwurfs vom 3. März 1905 betreffend das schweizerische Obligationenrecht, 1909. 47 Vgl. BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 10. 48 Da sich mit den Postulaten des Bauernverbandes bereits monographisch befasst wurde, begrenzt sich diese Arbeit auf eine summarische Betrachtung des Einflusses des schweizerischen Bauernverbandes. Weitere, umfassende Nachweise finden sich bei Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992. 49 Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992, S. 1. 50 Vgl. BArch 22/2110, Der Entwurf für ein Schweizerisches Zivilgesetzbuch in seinen für die Landwirtschaft wichtigsten Bestimmungen, 1905, S. 5 f. 51 Siehe etwa zum Grundstückskauf BArch 22/2110, Der Entwurf für ein Schweizerisches Zivilgesetzbuch in seinen für die Landwirtschaft wichtigsten Bestimmungen, 1905, S. 27 ff. 52 BArch 22/2110, Der Entwurf für ein Schweizerisches Zivilgesetzbuch in seinen für die Landwirtschaft wichtigsten Bestimmungen, 1905, S. 37 ff., 40 ff.

II. Die Rolle der Gesellschaft außerhalb der Jurisprudenz 

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ferierte bereits konkrete Änderungspostulate.53 Der Einfluss des Bauernverbandes beschränkte sich im Gegensatz zu den meisten übrigen Berufs- und Wirtschaftsverbänden jedoch nicht auf jene, an das EJPD gerichtete Eingaben. Vielmehr verteidigte der Bauernverband diese Anliegen auch kommissionsintern. So ernannte das EJPD Laur, den Vorsteher des schweizerischen Bauernsekretariats, zum Mitglied der großen Expertenkommission und ermöglichte dem Bauernverband damit, seine Vorschläge kommissionsintern in die Beratungen zur Revision des OR einzubringen.54 Besonders intensiv votierte Laur dabei im Rahmen der Verhandlungen der Kommission zum Thema der Viehgewährschaft.55 Im Ergebnis spiegelte sich diese (im Verhältnis zu anderen Verbänden) intensive und unmittelbare Einflussnahme des Bauernverbandes auf den Kodifikationsprozess nur bedingt wider. Nur wenige zentrale Forderungen der Bauern nahm der Revisionsgesetzgeber final in das neue OR auf. Insbesondere den Grundstückskauf, den die eidgenössischen Räte bereits zusammen mit den Einführungsbestimmungen zum ZGB behandelt hatten,56 griff die große Expertenkommission um Laur entgegen dem Vorschlag des Bauernverbandes nicht nochmals auf.57 „Würde sie nicht die bedeutungsvolle Rechtseinheit für die Viehgewährschaft bringen, so müsste die Bauersame dieser Gesetzesvorlage mit recht bitteren Gefühlen entgegensehen“58 lautete letztlich das ernüchternde Urteil der Bauern zu den Neuerungen des OR. Zwar mit anderer Akzentuierung, jedoch nicht minder erfolgslos agierte der Zürcher Mieterverein,59 der sich mit dem Ziel an das EJPD wandte, ein sozialeres Mietrecht und einen intensiveren Mieterschutz im OR zu etablieren. Für den Zürcher Mieterverein stand vor allem die Neuredigierung des Art. 1304a unter Anlehnung an die neue Fassung des § 571 Abs. 1 des deutschen BGB und damit eine Abkehr vom bisher geltenden Grundsatz „Kauf bricht Miete“ im Vordergrund.60 Kommissionsmitglied und Sozialdemokrat Lang machte sich diesen Antrag zu eigen und brachte ihn zumindest

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BArch 22/2110, Schreiben des schweizerischen Bauernverbandes an das EJPD vom 2. Januar 1905; Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992, S. 57. 54 Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992, S. 77. 55 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 9. Sitzung, S. 11 ff., 12. Sitzung, S. 1 ff. 56 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031 (1050); Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111 (160). 57 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 9. Sitzung, S. 13 f. 58 Steppacher, Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR, 1992, S. 90. 59 Umfangreiche Ausführungen zur Revision des Mietvertrages finden sich in der Dissertation von Hausmann, Vertragsfreiheit im Schweizer Mietrecht von 1804 bis 2014 unter besonderer Berücksichtigung des Mietzinses, 2016, S. 97 ff. 60 BArch 22/2110, Anträge des Zürcher Mietervereins zum ersten Abschnitt des 34. Titels des bundesrätlichen Gesetzesentwurfs vom 3. März 1905 betreffend das schweizerische Obligationenrecht, 1909, S. 1 f.

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E. Rechtspolitische Impulse

in die Kommissionsverhandlungen ein.61 Ein zentrales Anliegen des Mietervereins war es, dem Mieter eine Fortsetzung des Mietvertrages zu ermöglichen, sofern der neue Erwerber durch zumutbare Nachforschungen vom bestehenden Mietverhältnis hätte Kenntnis erlangen können.62 Für den Fall, dass der Erwerber diese Investigationen nachweisen kann, forderte der Verein zumindest bei der Veräußerung von Immobilien eine zeitweise Mietfortsetzung unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen (Art. 1316).63 Daneben sollte dem Mieter zumindest ein pekuniärer Sekundäranspruch gegen den bisherigen Vermieter zugestanden werden.64 In der Expertenkommission sorgte(n) diese Eingabe(n) des Mietervereins zwar für umtriebige Diskussionen.65 Im Ergebnis hielt die Kommission jedoch unter Verweis auf die 25-jährige Tradition des OR am geltenden Grundsatz fest und beugte sich anders als das Nachbarland nicht dem „Sturm der öffentlichen Meinung“66, der im Deutschen Reich gegen diesen noch im ersten Entwurf zum deutschen BGB verbürgten Grundsatz aufgezogen war.67 Während der Mieterverein und Bauernverband hinsichtlich ihrer Begehren an dem zumeist konservativ und patriarchalisch ausgerichteten Mehrheitsbild innerhalb der Expertenkommission und der eidgenössischen Räte scheiterten, erwiesen sich die Handels- und Industriekreise, insbesondere die Basler und Zürcher Handelskammern, als durchsetzungsfähiger. Die „[k]ritische[n] Bemerkungen der Zürcher Handelskammer zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905“68 zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass sie verglichen mit den Postulaten anderer Interessensverbände den Entwurf weniger punktuell analysierten, sondern allgemeiner und umfassender Revue passieren ließen.69 So enthielt der Entwurf einleitend sogar kurze Bemer 61

BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 10. Sitzung, S. 15. 62 BArch 22/2110, Anträge des Zürcher Mietervereins zum ersten Abschnitt des 34. Titels des bundesrätlichen Gesetzesentwurfs vom 3. März 1905 betreffend das schweizerische Obligationenrecht, 1909, S. 1. 63 BArch 22/2110, Anträge des Zürcher Mietervereins zum ersten Abschnitt des 34. Titels des bundesrätlichen Gesetzesentwurfs vom 3. März 1905 betreffend das schweizerische Obligationenrecht, 1909, S. 1 f. 64 BArch 22/2110, Anträge des Zürcher Mietervereins zum ersten Abschnitt des 34. Titels des bundesrätlichen Gesetzesentwurfs vom 3. März 1905 betreffend das schweizerische Obligationenrecht, 1909, S. 2. 65 Zur lebhaften Diskussion anlässlich des von Lang gestellten Antrages innerhalb der Bundesrätlichen Expertenkommission, BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 10. Sitzung, S. 15, 11. Sitzung, S. 1 ff. 66 So formulierte es Huber in BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 11. Sitzung, S. 1. 67 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 11. Sitzung, S. 1, 4. 68 BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906. 69 Dies zeigt sich bereits am breiten Themenkatalog, der behandelt wurde. Siehe dazu BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 4 ff.

II. Die Rolle der Gesellschaft außerhalb der Jurisprudenz 

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kungen zur Systematik des neuen Gesetzbuches, wenngleich das materielle Recht auch für die Zürcher Handelskammer den Kritikschwerpunkt bildete.70 Behandelte Themengebiete insgesamt waren die Haftung aus unerlaubtem Verhalten, die Schuldübernahme, das Schenkungs- und Dienstvertragsrecht, der Grundstückskauf sowie das Recht der Wertpapiere.71 Hinsichtlich des schweizerischen Deliktsrechts wehrte sich die Handelskammer etwa erfolglos gegen die im Entwurf von 1905 vorgesehene, neu eingefügte haftungserweiternde Norm des Art. 1058 Abs. 2 (angelehnt an § 826 Abs. 1 BGB) sowie die Verschärfungen des Art. 1073 Abs. 1, der die verschuldensunabhängige Haftung für Grundstückseigentümer (Art. 67 aOR) nunmehr auf jede „Ueberschreitung des Eigentumsrechts“ ausweitete.72 Vor allem sprachliche Anpassungsnotwendigkeit sah die Zürcher Handelskammer beim Schenkungsrecht. Die im Schenkungsrecht verwendete Terminologie sollte nachvollziehbarer werden, um Unklarheiten vorzubeugen.73 Die Bemühungen, das Schenkungsrecht erneut (redaktionell) zu überarbeiten, sollten sich als vergeblich herausstellen. Die Bundesversammlung hatte das Schenkungsrecht bereits in Zusammenhang mit dem Abschluss des ZGB finalisiert, der Expertenkommission von 1908/1909 nicht mehr vorgelegt und damit ohne die notwendigen Korrekturen verabschiedet. Besonders intensiv setzte sich die Expertenkommission mit den Vorschlägen der Zürcher Handelskammer zur Schuldübernahme auseinander und berücksichtigte die Anträge immerhin zum Teil.74 Gesteigerten Einfluss konnte die Handelskammer auch in Bezug auf den Dienstvertragstitel nehmen. Gerade die Vorschläge zum Tarifvertrag, konkret zu Art. 1371 Abs. 2, stießen etwa in der Expertenkommission durchaus auf Zustimmung.75 Daneben hatte sich die Gruppierung einige Zeit später im Jahr 1910 auch mit Schreiben an die Kommissionen des National- und Ständerates gewandt und betreffend die umstrittene Vorschrift des Art. 1381 die finanzielle Belastung des Arbeitgebers durch die ausgeweiteten Lohn-

70 BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 10. 71 BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 15 ff., 21 ff., 34 ff., 38 ff., 57 ff. 72 BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 11 f. 73 BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 35. 74 Siehe hierzu BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, 8. Sitzung, S. 1 ff. 75 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 19. Sitzung, S.1 ff.; BArch 22/2110, Wirtschaftliche Publikationen der Zürcher Handelskammer. Zur Revision des schweizerischen Obligationenrechts. Kritische Bemerkungen zum bundesrätlichen Gesetzesentwurf vom 3. März 1905, 1906, S. 42 f.; Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (745 f.).

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E. Rechtspolitische Impulse

fortzahlungsmechanismen beanstandet.76 Die konkret beantragte Beschränkung des Lohnfortzahlungsanspruchs auf „Dienstverhältnisse mit Kündigungsfrist von einem Monat oder länger“77 blieb in der endgültigen Gesetzesfassung, die sich bei der Dauer des Dienstverhältnisses nicht an der Kündigungsfrist orientierte, zwar unberücksichtigt. Jedoch verwarfen die eidgenössischen Räte die Weiterentwicklung der Vorschrift schlussendlich und näherten die Norm dem alten Art. 341 aOR wieder an. Aus Sicht der Arbeitgeber bedeutete diese Entscheidung der Bundesversammlung im Vergleich zum bundesrätlichen Botschaftsentwurf aus dem Jahre 1909 zumindest einen Teilerfolg. Ausschließlich zum Dienstvertragstitel und ebenfalls zum angesprochenen Art. 1381 postulierte der Verband schweizerischer Geschäftsreisender, der wie auch der Bauernverband durch seinen Generalsekretär Jordan während der dritten Session in der Expertenkommission vertreten war.78 Dessen Forderungskatalog beinhaltete die Kündigungsfristen, den Zahltag, den Lohnfortzahlungsanspruch und das Konkurrenzverbot.79 Wie bereits einige andere Verbände hatten auch die Geschäftsreisenden mit dem Versuch, Art. 1381 bestimmter auszugestalten und näher zu umschreiben, was unter dem „obligatorischen Militärdienst“ zu verstehen sei, keinen Erfolg.80 Auch die Anträge der Geschäftsreisenden zum Konkurrenzverbot scheiterten nach kontroverser Diskussion und trotz verfassungsrechtlicher Bedenken einzelner Mitglieder in der Expertenkommission.81 Während der Verband zwar nicht so weit ging wie andere Kreise, die vorsahen, das Verbot per se für unzulässig erklären zu lassen,82 hatten die Geschäftsreisenden einen Ausschluss zumindest bei Anstellungsverhältnissen im Handels­gewerbe beantragt.83 Der Entwurf vom 1. Juni 1909 hielt jedoch im Grundsatz am Konkurrenzverbot für alle Berufskreise entsprechend seiner Vorgängerversion vom 3. März 1905 fest.84 76 BArch 22/2110, Schreiben der Zürcher Handelskammer vom 10. September 1910 an die Kommissionen des Nationalrates und Ständerates für die Ergänzung des Zivilgesetzbuches, S. 1 ff. 77 BArch 22/2110, Schreiben der Zürcher Handelskammer vom 10. September 1910 an die Kommissionen des Nationalrates und Ständerates für die Ergänzung des Zivilgesetzbuches, S. 6. 78 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 2022; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 18. Sitzung, S. 1. 79 BArch 22/2110, 28. Jahresbericht des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender umfassend an das Berichtsjahr 1905/06 und erstattet durch den Zentralvorstand in Basel, S. 30 ff. 80 BArch 22/2110, 28. Jahresbericht des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender umfassend an das Berichtsjahr 1905/06 und erstattet durch den Zentralvorstand in Basel, S. 35 f. 81 BArch 22/2110, 28. Jahresbericht des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender umfassend an das Berichtsjahr 1905/06 und erstattet durch den Zentralvorstand in Basel, S. 31 ff.; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 24. Sitzung, S. 7 ff., 25. Sitzung, S. 1 ff. 82 Vgl. BArch 22/2110, Anträge des Schweizerischen Kaufmännischen Vereins zum Abschnitt Dienstvertrag im Entwurf für das revidierte Obligationenrecht, 1908, S. 4 f. 83 BArch 22/2110, 28. Jahresbericht des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender umfassend an das Berichtsjahr 1905/06 und erstattet durch den Zentralvorstand in Basel, S. 31 ff. 84 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 25. Sitzung, S. 4 f.; Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (751).

II. Die Rolle der Gesellschaft außerhalb der Jurisprudenz 

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2. Stellungnahme zu den Impulsen der fachfremden Öffentlichkeit Wie sich anhand der beispielhaft dargelegten Änderungspostulate und Impulse verschiedenster Gruppierungen aufzeigen ließ, verhielt sich die schweizerische fachfremde Öffentlichkeit bei der Revision des schweizerischen OR keinesfalls passiv. Zwar hielten sich die gesellschaftlichen Kreise – auch bedingt durch die Unkenntnis darüber, dass eine materielle Revision in Rede stand – in der ersten Phase der Revision noch zurück und beeinflussten somit den ersten Gesetzesentwurf zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Spätestens ab 1905 beteiligte sich die Gesellschaft aber intensiv an den Gesetzgebungsarbeiten. Einen Teilerfolg konnten die involvierten Kreise dabei schon in der Hinsicht verbuchen, dass sie durch die zahlreichen Anträge eine erneute Durchberatung des OR durch die große Expertenkommission überhaupt angeregt und durchgesetzt hatten. Was den Inhalt der Forderungen betraf, konzentrierten sich die Berufsverbände vorwiegend auf Klientelinteressen. Es handelte sich weniger um juristische, denn um ökonomische und soziale Differenzen, die die Auseinandersetzungen „hauptsächlich alimentierten“85. Dogmatik, Systematik und Grundausrichtung des neuen OR überließ die fachfremde Interessensvertretung den juristischen Experten. In der endgültigen Gesetzesfassung fanden die Belange der Arbeitnehmer, Bauern und Mieter jedoch nur geringfügig Niederschlag. Die Forderungen nach einer sozi­aleren Gesetzgebung aus diesen Kreisen fanden zwar Eingang in die kontroversen Debatten der Expertenkommission und der Bundesversammlung, scheiterten in der Endabstimmung aber zumeist am – unter anderem auch politisch bedingten – Mehrheitsbild in den verschiedenen Kommissionen. Arbeitgeber- und auch Handelsinteressen hingegen berücksichtigte der Revisionsgesetzgeber zumindest häufiger oder näherte sich den Postulaten zumindest an. In der Gesamtschau ist eine intensive Einflussnahme der schweizerischen fachfremden Öffentlichkeit auf den Vereinheitlichungsprozess zu konstatieren. Auch lässt sich die Bereitschaft der Gesetzgebungsakteure, auf die Interessen der Gesellschaft einzugehen und ihre Eingaben zu beherzigen, nicht von der Hand weisen. Allein die Ergebnisse konnten jedoch oftmals nicht befriedigen.

85

Vgl. in Bezug auf das Dienstvertragsrecht Oser, SJZ V. Jg. (1909), 305 (305).

F. Die Rolle der (sonstigen) politischen Akteure Neben den eidgenössischen Räten, denen die Fertigstellung des OR oblag, kristallisierten sich auch weitere politische Kräfte – insbesondere das EJPD um Justizminister Brenner – als bedeutungsvolle und zentrale Revisionsakteure heraus. Die rechtspolitische Ausrichtung des OR war darüber hinaus nicht nur durch die Interessensverbände, sondern auch durch die politischen Parteien des Bundestaates geprägt.

I. Die Rolle des (gesamten) EJPD Eine besondere Rolle während des gesamten Revisionsablaufs spielte das EJPD, welchem die Organisation der Revisionsarbeiten oblag. Wie bereits an vorheriger Stelle angemerkt, ließ das EJPD zunächst vorbereitende Gutachten verfassen, in denen eine Expertengruppe mit obligationsrechtlichem Fachwissen die verschiedenen Möglichkeiten der Anpassung des OR eruierte.1 Das EJPD nahm demgemäß bereits unmittelbar nach der erfolgreichen Verfassungsrevision und der Entscheidung für die Schaffung einer einheitlichen eidgenössischen Zivilrechtskodifikation Kontakt zu einigen renommierten Professoren auf und initiierte auf diese Weise die anschließenden Revisionsbemühungen. Nachdem diese Gutachten beim Departement eingegangen und von diesem gesammelt worden waren, betraute das Ressort die Langenthaler Kommission mit den Reformarbeiten. Dazu berief das Justizministerium die acht Mitglieder in die Kommission und leitete damit die erste Phase ein, in welcher das Departement die entscheidende Organisationsverantwortung übernahm. Neben der zeitlichen Festlegung der Kommissionstermine sowie der Wahl der Örtlichkeiten entschied sich das EJPD dazu, hinsichtlich der Kommissionsmitglieder eine kleine, familiäre Gruppe zusammentreten zu lassen, da das EJPD in Übereinstimmung mit Huber und den eingegangenen Initiativanträgen eine weitgehend formelle und redaktionelle Revision ins Auge fasste.2 Hierzu fand ein Schriftwechsel zwischen dem Departement, Huber und den Kommissionsmitgliedern statt, und die zeitliche Abfolge der Kommissionsarbeit in Langenthal wurde besprochen.3 Die Verhandlungen der Spezialkommission präsidierte der Vorsteher des EJPD, Bundesrat Brenner. Nachdem die Kommission den ersten Entwurf ausgearbeitet hatte, machte sich das EJPD diesen zu eigen und unterbreitete

1

Siehe hierzu C. I. 3. Hierzu bereits C. I. 3 BArch 22/2106, Korrespondenz mit den Kommissionsmitgliedern 1904. 2

I. Die Rolle des (gesamten) EJPD 

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ihn  – wohl ohne weitere eigene Modifikationen vorzunehmen4  – mit Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905 der Bundesversammlung. Mit der Ausfertigung der Gesetzesfassung war die Arbeit des Ressorts jedoch noch nicht abgeschlossen. Auch anschließend wirkte das EJPD weiterhin mit leitender Hand auf die Revisionsarbeiten hin. Das Ministerium war Adressat diverser Änderungsanträge aus gesellschaftlichen Berufskreisen, die es für Huber und die große Expertenkommission zusammentragen ließ und diesen während der Kommissionsarbeiten zur Verfügung stellte.5 Ferner hatte das EJPD den Kommissionsmitgliedern bereits im Vorhinein die Einsichtnahme in die eingegangenen Anträge eröffnet.6 Damit forcierte das Departement, in Einklang mit den Ergebnissen der Bundesversammlung, die in der zweiten Phase der Revision intensivierte Zusammenarbeit mit Vertretern gesellschaftlicher Verbände sowie politischer Parteien. Neben der erforderlichen Materialsammlung oblag es dem EJPD auch, die alsbald zusammentretende große Expertenkommission personell zu besetzen. Bei der Wahl der Kommissionsmitglieder erwies sich das EJPD als erster Ansprechpartner für Huber und beriet mit diesem verschiedene Möglichkeiten der Kommissionszusammensetzung.7 Ein vorläufiger Entschluss der Bundesbehörde sah vor, den Mitgliedern der großen ZGB-Kommission die Kodifikationsaufgabe zu transferieren und für die materiell bedeutsamste Rechtsmaterie, den Dienstvertrag, eine gesonderte Subkommission einzuberufen.8 Aufgrund logistischer Planungen und Terminverschiebungen beschloss das Departement, den zeitlichen wie organisato­rischen Ablauf zu verändern, setzte die Verhandlungen der Kommission neu an und strich die Subkommission.9 Die einberufene Expertenkommission trat unter der Leitung der Vorsteher des EJPD, Forrer und anschließend Brenner, in den Jahren 1908 und 1909 zusammen.10 Nach Fertigstellung dieser Arbeiten konnte der zweite Gesetzesentwurf mit Botschaft vom 1. Juni  1909 der Bundesversammlung vorgelegt werden. Mit Beginn der parlamenta­rischen Arbeit am OR zog sich das EJPD aus den Revisionsarbeiten zurück und übertrug die Organisationsverantwortung den eidgenössischen Räten, die im finalen Stadium mit der Redaktionskommission 4

Auf Basis der Auswertung der Materialien aus dem schweizerischen Bundesarchiv ist davon auszugehen, dass das EJPD den Gesetzesentwurf der Expertenkommission unverändert mit Botschaft vom 3. März 1905 der Bundesversammlung vorlegte. Das EJPD griff somit wohl nicht inhaltlich in die Gesetzgebungsarbeiten ein. 5 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, Vorbemerkung. 6 BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts (vom 3. März 1905), 1908, Vorbemerkung. 7 Hierzu bereits C. III. 1. 8 BArch 22/2113, Schreiben des EJPD vom 19. März 1908 hinsichtlich der Kommissionszusammensetzung, S. 2. 9 BArch 22/2113, Schreiben des EJPD vom 20. Juli 1908 betreffend das Verschieben der Kommissionssitzungen. 10 Siehe hierzu C. III. 2.

166

F. Die Rolle der (sonstigen) politischen Akteure

kooperierten. Im Einverständnis mit dem Departement sollten die Kommissionen der eidgenössischen Räte nunmehr die Planung der personellen Zusammensetzung der Redaktionskommission sowie des Tagungsablaufs übernehmen.11 Das Ressort um Bundesrat Brenner war jedoch weiterhin in den Ablauf eingebunden und erwies sich als Adressat und Ansprechpartner.12 Auch nachdem die Redaktionskommission den endgültigen Gesetzestext ausgearbeitet hatte, blieb das EJPD als Kontakt der schweizerischen Bundeskanzlei erreichbar, die nach Fertigstellung der Gesetzestexte im Überprüfungsverfahren noch einige wenige redaktionelle Ungenauigkeiten beim EJPD anmerkte.13 Dem EJPD kam somit während der gesamten Revision die entscheidende Organisationsverantwortung zu, und das Departement bewies weitestgehend Feingefühl.

II. Die Rolle Brenners Parallel zu dem gesamten Ressort traten auch dessen Vorsteher, insbesondere Brenner, zumeist in seiner Rolle als Repräsentant des EJPD während der Reformarbeiten besonders hervor. Obgleich Brenners Wirken bereits Gegenstand einer monographischen Arbeit14 ist und nicht zuletzt in dieser Arbeit instruktive biographische Nachweise15 enthalten sind, wird zumindest kurz auf seinen politischen Werdegang hin zum Bundesrat und Leiter des Justizministeriums hingewiesen und sich seiner Rolle während der Reformarbeiten am OR gewidmet. 1. Biographisches und politischer Werdegang Brenner wurde am 9. Dezember  1856 in Basel geboren.16 In seiner Heimatstadt war er anschließend zur Schule gegangen und hatte auch sein juristisches Studium noch dort begonnen, ehe er dieses in Leipzig und München fortsetzte und abschloss.17 1879 erhielt Brenner für seine Dissertation „Über die Prinzipien der schweizerischen Auslieferungsverträge“ das Prädikat „magna cum laude“.18 Im 11

BArch 22/2119, Schreiben des Kommissionspräsidenten Bühlmann an Brenner vom 23. Juni 1910; BArch 22/2119, Schreiben des Kommissionspräsidenten Bühlmann an Brenner vom 26. Juni 1910. 12 Siehe hierzu etwa BArch 22/2119, Schreiben von Bertoni an Brenner vom 25. März 1909; BArch 22/2119, Schreiben des Kommissionspräsidenten Bühlmann an Brenner vom 23. Juni 1910. 13 Siehe hierzu BArch 22/2120, Schreiben der Schweizerischen Bundeskanzlei an das EJPD vom 28. Juni 1911. 14 Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015. 15 Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 107 ff. 16 Zimmermann, Die Schweiz: schweizerische illustrierte Zeitschrift 11 (1907), 576 (576). 17 Lötscher, in: Dürrenmatt / Lötscher / Wullschleger (Hrsg.), Basel und der Bundesrat, 1960, S. 17 (42 f.). 18 Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 108, der zudem darauf verweist, dass die Dissertation nicht in Druckfassung publiziert wurde.

II. Die Rolle Brenners  

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Folgenden machte Brenner sowohl beruflich als auch politisch in Basel Karriere. Zunächst praktizierte Brenner den Anwaltsberuf in der Kanzlei seines Onkels, die er anschließend übernahm und sich fortan durch seine „gründliche Arbeitsweise“ profilierte.19 Bereits in jungen Jahren begann Brenner sich zudem politisch zu engagieren und gewann an Einfluss, Bekanntheit und Popularität; ein Umstand, der dazu führte, dass er zu den führenden Kräften der Freisinnig-Demokratischen Partei aufstieg und bereits 1881 mit nur 25 Jahren in den großen Rat des Kantons Basel-Stadt gewählt wurde.20 Nur wenige Jahre später verabschiedete sich Brenner von der Legislativarbeit, wurde Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und leitete schon dort das Justizdepartement, ein Präludium auf sein späteres Amt während der Revisionsarbeiten.21 Anschließend beabsichtigte Brenner, sich auch in der Bundespolitik einen Namen zu machen und wurde bereits 1887 in den Nationalrat gewählt.22 Zehn Jahre später ließ er sich für die Freisinnig-Demokratische Partei auch in den Bundesrat wählen.23 Er setzte sich in einem knappen und hitzigen Wahlkampf als Repräsentant „der radikalen Strömung der Freisinnigen“24 und deren offizieller Kandidat mit 96 Stimmen und damit der knappen absoluten Mehrheit gegen seinen größten Konkurrenten, Paul Speiser (81 Stimmen) durch.25 Brenner trat so die Nachfolge von Emil Frey im Bundesrat an, dessen Militärdepartement fortan Bundesrat Eduard Müller leitete.26 Außerdem erhielt Brenner hierdurch die Möglichkeit, das freigewordene EJPD zu übernehmen.27 In neuer amtlicher Tätigkeit konnte Brenner sein organisatorisches Talent nunmehr auch in die Rechtsvereinheitlichungsarbeiten an ZGB und revidiertem OR miteinbringen. Als Vorsteher des EJPD in den Jahren 1897 bis zu seinem überraschenden Tod 191128  –  mit Ausnahme der Präsidialjahre 1901 und 190829 – etablierte sich Brenner somit als entscheidender Mitgestalter des revidierten OR.

19

Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 109. Brenner-Senn, in: Geßler / Huber (Hrsg.), Basler Jahrbuch 1916, 1916, S. 211 (222). 21 Heer, in: Heer / von Greyerz / Guyer (Hrsg.), Vom Weissgerber zum Bundesrat, 2009, S. 266 (271). 22 Brenner-Senn, in: Geßler / Huber (Hrsg.), Basler Jahrbuch 1916, 1916, S. 211 (227). 23 Gruner, Die Schweizerische Bundesversammlung 1848–1920, Bd. 1, 1966, S. 440. 24 Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 114. 25 Brenner-Senn, in: Geßler / Huber (Hrsg.), Basler Jahrbuch 1916, 1916, S. 211 (227); ­Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 113 f. 26 Heer, in: Heer / von Greyerz / Guyer (Hrsg.), Vom Weissgerber zum Bundesrat, 2009, S. 266 (272). 27 Schwizer, Ernst Brenners Einfluss auf die Rechtseinheit, 2015, S. 113 f. 28 Lötscher, in: Dürrenmatt / Lötscher / Wullschleger (Hrsg.), Basel und der Bundesrat, 1960, S. 17 (48). 29 Brenner war 1901 und 1908 Bundespräsident. Bei der Wahl 1901 erhielt er 157 von 167 Stimmen, Ende 1907 gar 186 der 187 Stimmen. Siehe Altermatt, Die Schweizer Bundesräte, 2. Aufl. 1992, S. 277. 20

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F. Die Rolle der (sonstigen) politischen Akteure

2. Brenners Rolle während der Reformarbeiten Während Huber als Gesetzesredaktor vornehmlich für die inhaltlichen Arbeiten am OR zuständig gewesen war, unterschied sich Brenners Tätigkeitsfeld von demjenigen seines Kollegen. Als Leiter des EJPD kam dem Justizminister weniger eine inhaltliche denn organisatorische Verantwortung bei der Revision des OR zu. Bereits im Vorfeld war Brenner entscheidend in den Schriftenverkehr mit Huber sowie den befragten Professoren involviert und fungierte als deren erster Ansprechpartner. So ersuchte Bundesrat Brenner im Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter des EJPD zur Jahrhundertwende diese Rechtsgelehrten um eine Begutachtung der Anpassungsoptionen des aOR an das neue ZGB sowohl in redaktioneller als auch in materieller Hinsicht.30 Darüber hinaus wohnte er den Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins bei und formulierte in diesem Zusammenhang 1902 die letztlich verabschiedete Resolutionsfassung entgegen Lotmars Vorschlag.31 Doch nicht nur im Vorbereitungsstadium bot sich Brenner die Gelegenheit, am lex ferenda mitzuwirken. Auch in die anfälligen Kommissionsarbeiten brachte Brenner sein organisatorisch-navigierendes Talent mit ein. Er übernahm zunächst den Vorsitz der Langenthaler Spezialkommission und leitete die Verhandlungen im Jahr 1904 umsichtig.32 In der ersten Phase der Revision hielt sich der Justizminister ebenso wie die weiteren Revisionsakteure noch merklich zurück. Brenner unterstützte immerhin einige Male den Gesetzesredaktor. Wann immer er eigene, kleinere Anregungen machte oder Empfehlungen gab, hatten seine Voten stets Gewicht und beeinflussten das Abstimmungsverhalten der Kommissionsmitglieder.33 Nachdem deutlich geworden war, dass die erste Phase das Verlangen der Öffentlichkeit nach einer eingehenderen Normierung einiger obligationsrechtlicher Institute nicht hinreichend befriedigt hatte, untermauerte Brenner seine Autorität und bewies Weitblick: Er stellte in der nationalrätlichen Kommission den Antrag, die Revision zu verschieben und die Langenthaler Kommission zu erweitern, verteidigte diese Sicht erfolgreich im gesamten Nationalrat und überzeugte das Kollegialorgan, ihm geschlossen zu folgen.34 Damit erwies sich Brenner als maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Bundesversammlung entschied, die zweite Phase der Revision überhaupt zu beschreiten und die dürftigen Ergebnisse in Langenthal zu korrigieren. Auch in dieser zweiten Etappe organisierte Brenner in Zusammenarbeit mit dem Gesetzesredaktor 30 Siehe hierzu etwa BArch 22/2105, Meili, Gutachten über die Angliederung des Obligationenrechts an das einheitliche schweizerische Civilgesetzbuch, S. 1. 31 Siehe bereits D. I. 2. b) aa). 32 BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1. Sitzung, S. 1. 33 So etwa bei Art. 1195a (Art. 204 OR), als die Kommission Brenners Einschätzung folgte. Siehe BArch 22/2106, Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision des Obligationenrechts und für die Einführungsbestimmungen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 10. Sitzung, S. 52. 34 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. Oktober 1906, S. 1031 (1048).

II. Die Rolle Brenners  

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Huber das Prozedere. Er befand sich frühzeitig in ständigem Austausch mit seinem Parteigenossen, etwa über die genaue Art der Kommissionszusammensetzung.35 So lassen sich Korrespondenzen Hubers mit Brenner über die Größe der Expertenkommission, die Wahl der einzelnen Kommissionsmitglieder und die Evaluation der entsprechenden Vor- und Nachteile der jeweiligen Optionen nachverfolgen.36 Brenner war somit mitursächlich für die Entscheidung, der großen Expertenkommission des ZGB auch bei der Beratung der obligationsrecht­lichen Vorschriften das Vertrauen auszusprechen. Deren nachfolgende Verhandlungen in den Jahren 1908/1909 präsidierte Brenner ab der zweiten Sitzung der ersten Session als Stellvertreter Forrers, in der dritten Session als Vorsteher des EJPD.37 Bundesrat Forrer übte während Teilen des Präsidialjahres 1908 temporär den Vorsitz aus.38 Brenner wiederum stand der Kommission demnach überwiegend während der Debatten zum Besonderen Teil – so auch dem bedeutsamen Dienstvertragstitel – zur Seite. Für dieses politisch umstrittene Themenfeld war Brenner ob seines umsichtigen Führungsstils geeignet, die hitzigen Debatten zu beruhigen und ausufernde Diskussionen zu einem zumeist befriedigenden und ergebnisorientierten Ende zu bringen. Dazu lag es in seinem Kompetenzbereich, Sitzungen abzubrechen und auf spätere Termine zu vertagen oder gar eigens Entscheidungen zu treffen. Er bewies dabei gerade betreffend die kontroversen Themen des Besonderen Teils ein glückliches Händchen. So unterbrach er eine Diskussion zu Art. 1381, die auszuufern drohte, und ließ diese in der folgenden Sitzung fortsetzen.39 Daneben entschied Brenner bei Stimmengleichheit der Kommission einige Male per Stichentscheid, welchem Antrag der Vorzug zu gewähren war.40 Jedenfalls punktuell beeinflusste er auf diese Weise auch die materielle Ausrichtung des Gesetzbuches. Nicht zuletzt wirkte Brenner auch nach Fertigstellung des Entwurfes vom 1. Juni 1909 an den weiteren Kodifikationsbestrebungen tatkräftig mit. In der nationalrätlichen Kommission und anschließend im gesamten Nationalrat beschränkte sich Brenner weniger auf die Organisation der Tagungen, sondern machte vermehrt durch inhaltliche Voten auf sich aufmerksam. Die während der gesamten Revision ausführlich und kontrovers behandelte Vorschrift des Art. 1381 wurde auf Vorschlag des Justizministers in der nationalrätlichen Kommission nochmals abgeändert und arbeitgeberfreundlicher neujustiert.41 35 Zu der Konversation zwischen Huber und Brenner betreffend die in Frage kommenden Wege der Kommissionszusammensetzung siehe näher C. III. 1. 36 BArch 22/2111, Vorschläge zur Kommissionszusammensetzung durch Huber, S. 2. 37 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, II. Session, Sitzungen 7 bis 17; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, Sitzungen 18 bis 27. 38 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, I. Session, 1. Sitzung. 39 BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 20. Sitzung, S. 13; BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 21. Sitzung, S. 1. 40 Siehe etwa BArch 22/2114, Protokolle der Expertenkommission von 1908/1909, III. Session, 22. Sitzung, S. 11, 14. 41 BArch 22/2116, Protokolle der Kommission des Nationalrates von 1909, 7. Sitzung, S. 3 f.

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F. Die Rolle der (sonstigen) politischen Akteure

Insgesamt hatte sich Brenner jedoch inhaltlich trotz seiner Führungsrolle und -persönlichkeit weitgehend zurückgehalten. Gerade politisch verhielt er sich zumeist neutral und handelte vielmehr pragmatisch. Einige Ausnahmen, in welchen Brenner eine seine Parteizugehörigkeit widerspiegelnde politisch-liberale Haltung einnahm und damit etwa den Sozialdemokraten entgegengetreten war, sind dennoch festzustellen. Diese Ausnahmen betrafen zumeist den Dienstvertragstitel, etwa in der nationalrätlichen Kommission oder bei den Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins in Sarnen. Generell offenbarte sich Brenners (materielle) Betätigung am deutlichsten beim Dienstvertragsrecht, was ob der Tragweite des Titels, der enormen Komplexität des Diskussionsganges, des vielfach geteilten Meinungsbildes und nicht zuletzt Brenners eigener politischer Positionierung wenig verwunderlich war. Um ausufernden Debatten zum Dienstvertragsrecht vorzubeugen, bedurfte es zudem nicht selten auch der Entschlossenheit, pragmatischer Zielsetzung und Ergebnisorientiertheit des Justizministers.

3. Stellungnahme zu Brenners Einfluss auf die Revision des schweize­rischen OR Auch Brenner gehörte während der Revisionsarbeiten zu den zentralen Figuren. Sein Einfluss unterschied sich jedoch von demjenigen Hubers und dem der weiteren Revisionsprotagonisten. Anders als Huber und Lotmar verhielt sich Brenner bei Themen zum materiellen Recht deutlich zurückhaltender. Als Vorsteher des EJPD kam ihm vielmehr eine Steuerungs- und Organisationsrolle zu. In den Verhandlungen der Expertenkommissionen blieb Brenner nicht selten im Hintergrund, beobachtete aber stets aufmerksam und konnte (auch inhaltlich) jederzeit eingreifen. So entschied er einige kontroverse Einzelfragen per Stichentscheid und beeinflusste nicht selten den Sitzungsverlauf, indem er intensive Verhandlungen entkrampfte und die Kommissionsmitglieder entweder zur endgültigen Abstimmung aufforderte oder eine Vertagung anordnete. Seinen Beitrag für das Gelingen der Revision leistete Brenner also vornehmlich durch sein organisatorisch-navigierendes Talent und weniger durch inhaltliche Vorschläge. Brenner präsidierte die zentralen Verhandlungen der verschiedenen Kommissionen und sorgte dort für eine angenehme, aber zielorientierte Arbeitsatmosphäre. Allgemein zeichnete sich Brenner als pragmatischer Magistrat aus. Von parteipolitischem Idealismus ließ er sich nicht verleiten. Seine Voten basierten zumeist nicht auf den politischen Interessen seiner Partei, sondern vielmehr auf seiner Überzeugung. Als leitenden Gedanken legte der Justizminister seinem Handeln insbesondere die zeitliche Umsetzbarkeit der verschiedenen in Betracht kommenden Revisionsmöglichkeiten zugrunde, und er hatte stets die termingerechte Fertigstellung des Gesetzbuches im Blick. Seine Anregung im Nationalrat, die zweite Phase der Revision überhaupt zu beschreiten und gründlicher zu revidieren, begünstigte zudem einige zentrale Verbesserungen des revidierten OR und damit auch das generelle Gelingen der Revision.

III. Die Rolle der Sozialdemokratischen Partei 

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Um sich Brenners Bedeutung für die Revision bewusst zu werden, muss man sich vergegenwärtigen, dass das Fundament der Revision auf drei zentralen Säulen stand: Dem materiellen Recht, der Systematik und Redaktion des Gesetzbuches und nicht zuletzt der Organisation des Verfahrens. Huber und Lotmar bestimmten maßgeblich das materielle Recht, während sich Rossel neben Huber auch und gerade für die redaktionelle Revision des Gesetzestextes und die Herstellung von Gesetzeskongruenz zwischen den verschiedenen Sprachfassungen verdient machte. Neben diesen Herren bildete Brenner nun die dritte Säule der Revision: Die organisatorisch-administrative.

III. Die Rolle der Sozialdemokratischen Partei Abgesehen von den schweizerischen Juristen und gesellschaftlichen Berufs- und Interessensvertretern beschäftigten sich auch die politischen Parteien des schweizerischen Bundesstaates mit den Reformarbeiten. Sie verfuhren dabei auf unterschiedliche Weise, war bereits ihre konzeptionelle Vorstellung von insbesondere dem materiellen Gehalt des neuen Gesetzbuchs grundverschieden. Unter allen im Zusammenhang mit der Revision politisch-aktiven Parteien ist indes die Sozialdemokratische Partei besonders hervorzuheben, die sich mit konkreten Vorschlägen und Stellungnahmen vermehrt in den Gesetzgebungsprozess einbrachte und deren Mitglieder Lotmar und Brüstlein den Revisionsverlauf stark beeinflussten. 1. Gründung und Auftreten der Sozialdemokratischen Partei während der Revision Die Sozialdemokratische Partei wurde, nachdem die schweizerische Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert bis dato in verschiedenen Arbeiterorganisationen repräsentiert worden war, mit Beschluss des Arbeitertages vom 21. Oktober 1888 in Bern gegründet.42 Zunächst verfolgte die Partei einen gemäßigten, linksfreisinnigen und sich vom deutschen „orthodoxen Marxismus“ distanzierenden politischen Ansatz, der dem Parteiprogramm Albert Stecks von 1888 immanent war.43 Bereits in den 1890er Jahren hatte die Partei jedoch begonnen, sich von den linksliberalen und rechtsdemokratischen Kräften abzugrenzen und sich dem orthodoxen Marxismus anzunähern.44 Insbesondere vereinigten sich diverse linke Arbeitervereinigungen mit der Sozialdemokratischen Partei; herausgegriffen werden kann die „Solothurner Hochzeit“ zwischen der zu diesem Zeitpunkt kräftemäßig noch sehr schwachen 42

Gruner, Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz 1880–1914, Bd. 3, 1988, S. 83. Balthasar / Gruner, Soziale Spannungen – wirtschaftlicher Wandel, 1989, S. 376; Gass, in: Sozialdemokratische Partei der Schweiz (Hrsg.), Solidarität, Widerspruch, Bewegung, 1988, S. 91 (102 ff.). 44 Vgl. Traber, Vom Werden der zürcherischen Arbeiterbewegung, 1957, S. 75 f.; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 134. 43

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F. Die Rolle der (sonstigen) politischen Akteure

Partei und dem bereits 1838 gegründeten Grütliverein.45 Diese ideologische Vorstellung prägte schließlich auch das linksradikale Parteiprogramm aus der Feder des Zürcher Oberrichters Lang von 1904, in welchem sich die Sozialdemokratische Partei „offen zum proletarischen Klassenkampf“46 bekannte. Im Folgenden spiegelte sich die programmatische Leitlinie insoweit auch in den Revisionspostulaten der Parteigenossen wider, wenn etwa Lotmar forderte, „vornehmlich die Bedürfnisse der unbemittelten Arbeitnehmer zu berücksichtigen“47. So hatte die Sozialdemokratische Partei während der Revision des OR vorzugsweise die Interessen der Arbeiterschaft und damit insbesondere das Dienstvertrags-, aber auch das Werkvertrags- und Auftragsrecht, mithin das Arbeitsrecht im weiteren Sinne, im Blick. In den frühen Jahren der Revision verhielt sich die Partei noch auffallend passiv, obgleich die zum damaligen Zeitpunkt vorgegebene Prämisse, das OR weitgehend nur formell zu revidieren, in grundlegendem Widerspruch zu dem von der Partei verfolgten politischen Ziel nach einer umfassenden Neugestaltung des materiellen Rechts stand.48 Zwar referierte Parteimitglied Lotmar bereits 1902 über die wünschenswerten Neuerungen im Dienstvertragsrecht.49 Eine aktive poli­tische Teilhabe am Revisionsprozess sowie konkrete an das EJPD gerichtete Vorschläge und Postulate blieben in der ersten Phase der Revision aber noch aus. Farbstein, Präsident der am 8. April 1904 einberufenen Spezialkommission der Sozialdemokratischen Partei, begründete die Untätigkeit der Partei damit, dass sich die Parteispitze geeinigt hatte, so lange abzuwarten, bis ein erster offizieller Gesetzesentwurf vorlag, auf den die Partei konkret reagieren wollte.50 Nachdem der Entwurf vom 3. März 1905 nicht die erwünschten Neuerungen und Verbesserungen allen voran auf dem Gebiet des Arbeitsrechts mit sich gebracht hatte, wurde die Sozialdemokratische Partei aktiver. Brüstlein etwa beharrte 1906 im Nationalrat vehement auf die Durchsetzung sozialistischer Forderungen und drohte mit einer weitläufigen Opposition gegen das Gesetzbuch.51 Als die Bundesversammlung entschieden hatte, die Revision zu verlängern und einen erneuten Gesetzesentwurf zu fassen, entwickelte die Partei ihre eigene Konzeption – insbesondere des Dienstvertragstitels – unter der Mitwirkung ihrer bedeutendsten Mitglieder, Lotmar, Lang und Brüstlein, und sandte diese an das EJPD.52 Unter allen Eingaben, die die Bundesbehörde zum Gesetzesentwurf vom 3. März 1905 erhalten und der Expertenkommission zugeleitet hatte, hob der Bundesrat in seinem Nachtragsbericht vom 1. Juni 1909 jenen 45

Gruner, Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz 1880–1914, Bd. 3, 1988, S. 67 ff. Gruner, Die Parteien in der Schweiz, 2. Aufl. 1977, S. 133 f.; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 134 f. 47 Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507 (555). 48 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 207. 49 Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), 507. 50 Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 173, 214. 51 Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. Oktober 1906, S. 1031 (1049). 52 Vgl. BArch 22/2110, Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Entwurf des Bundesrates betreffend Anfügung des Obligationenrechts vom 3. März 1905, 1908, Vorbemerkung. 46

III. Die Rolle der Sozialdemokratischen Partei 

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Antrag der am Parteitag der Sozialdemokratischen Partei gewählten Kommission sogar expressis verbis hervor.53 Zentrale inhaltliche Forderungen der Partei betrafen das Arbeitsrecht sowie einige Bestimmungen des Allgemeinen Teils zugunsten der wirtschaftlich schwächeren Partei, zumeist dem Arbeitnehmer. Den entworfenen Forderungskatalog versuchten die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei schlussendlich auch in der Expertenkommission von 1908/1909 durchzusetzen. Allerdings befand sich die Partei in der Kommission in der Unterzahl. Nur zwei Mitglieder der Expertenkommission, namentlich Lang und Brüstlein, gehörten der Sozialdemokratischen Partei an, die sich in der Kommission jedoch immerhin durch ihre aggressiven und zahlreichen, zumeist jedoch nicht von Erfolg gekrönten (Änderungs-)Vorschläge bemerkbar machten.54 In der nationalrätlichen Kommission hatte die Sozialdemokratische Partei sogar nur einen Repräsentanten, Brüstlein, und insgesamt einen noch schwereren Stand.55 Auch in den (gesamten) Nationalrat konnte die Partei nach den Wahlen 1908 nur sieben (105 Freisinnige) Abgeordnete entsenden.56 Die Dominanz des Freisinns in der schweizerischen Bundesversammlung war somit mitursächlich dafür, dass die eidgenös­sischen Räte den Entwurf vom 1. Juni 1909 tendenziell zulasten der Arbeiterschaft modifizierten und eine weniger sozialpolitisch progressive Haltung einnahmen.57 2. Zwischenfazit Insgesamt waren die intensiven Bemühungen der Partei zumeist nicht von Erfolg gekrönt. Nichtsdestotrotz darf gerade der Einfluss der Sozialdemokratischen Partei auf die Revision des OR nicht allein anhand der Ergebnisse festgemacht werden. Die Partei hatte sich bereits frühzeitig zum Ziel gesetzt, sich für die und mit der Arbeiterschaft um ein sozialeres Arbeitsrecht zu bemühen und für ein solches zu kämpfen. Diese Intention verfolgte die Partei auch während der (zweiten Phase der) Revision des OR. Dadurch, dass die Partei über einige der fortschrittlichsten und auch beharrlichsten Arbeitsrechtler und Revisionsprotagonisten, Lotmar, Brüstlein und Lang, verfügte, war zumindest sichergestellt, dass die Anträge der Partei Gehör fanden und die Partei trotz ihrer geringeren politischen Macht in den Kommissionen stets aktiv an der Gesetzgebung mitwirken konnte. Die Partei ereilte jedoch dasselbe Schicksal wie ihren Fürsprecher Lotmar, der sich groß­f lächigem 53

Bbl. 61. Jg. III., 9. Juni 1909, Bericht des Bundesrates vom 1. Juni 1909, S. 725 (742). Näher hierzu bereits unter C. III. 2. Siehe hierzu außerdem Gasser, Philipp Lotmar 1850– 1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 263. 55 Zu den Mitgliedern der nationalrätlichen Kommission siehe C. IV. 1. 56 Gruner, Die Wahlen in den schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Bd. 1, 2. Teil, 1978, S. 774. 57 Zu diesem Ergebnis kommen auch Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 278; Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1992 unter Verweis auf Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 102 (108). 54

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F. Die Rolle der (sonstigen) politischen Akteure

Widerstand ausgesetzt sah. Gleichgesinnte fanden sich in der damaligen Zeit in den Kommissionen und Räten noch zu wenige. Die eidgenössische Politik war zum damaligen Zeitpunkt vom Freisinn dominiert. Dennoch spiegelte das aggressiv-oppositionelle Auftreten der Sozialdemokratischen Partei bei der Revision des OR wider, wie sich die politischen Kräfteverhältnisse in der Schweiz zu dieser Zeit langsam zu verlagern schienen, die Partei stetig wuchs und dem Freisinn die Stirn bot. Bei den Nationalratswahlen am 29. Oktober 1911, wenige Monate, nachdem das revidierte OR verabschiedet worden war, stieg die Zahl der Nationalräte von sieben auf immerhin 15 an und die Partei vermochte erstmalig eine sozialdemokratische Nationalratsfraktion zu bilden.58 Mit der späteren Einführung des Proporzwahlrechts und der Abkehr vom Majoritätsprinzip im Jahr 191859 konnte sodann die Dominanz der Liberalen im Parlament endgültig zugunsten der Linken durchbrochen werden.60 Bereits 1919, im ersten Jahr seit Einführung des Proportionalitätsprinzips, verhielt sich das Verhältnis von Freisinn zu Sozialdemokratie deutlich ausgeglichener und die Sozialdemokra­tische Partei konnte bereits 41, die Freisinnig-Demokratische Partei nur noch 60 Vertreter in den Nationalrat entsenden.61 Somit war womöglich auch die Revision des OR für die politische Entwicklung in der Schweiz weg vom Freisinn und für das Wachstum der Sozialdemokratischen Partei zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitursächlich.

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Giovanoli, Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz, 1948, S. 31 f.; Gruner, Die Wahlen in den schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Bd. 1, 2. Teil, 1978, S. 784. 59 Bereits 1900 und 1910 stimmten Volk und Stände über die Einführung des Proporzwahlrechts ab. 1900 wurde es noch mit 245.000 zu 169.000 Stimmen deutlich abgelehnt, während 1910 das Ergebnis mit 265.000 Nein- zu 240.000 Ja-Stimmen bereits deutlich knapper war und das bestehende Wahlsystem ins Wanken brachte, vorerst aber noch bestätigte. 1918 wurde das Proporzwahlrecht final nach der dritten Initiative des Nationalrates mit 299.550 (66,8 %) zu 149.037 Stimmen dem Majoritätsprinzip deutlich vorgezogen. Hierzu näher Gruner, Die Wahlen in den schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Bd. 1, 1. Teil, 1978, S. 556 ff.; zudem Feller, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 8 (1958), 433 (449). 60 Gruner, Die Wahlen in den schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Bd. 1, 1. Teil, 1978, S. 562. Zur Entwicklung in Basel, die der Entwicklung im Bundesstaat einige Jahre voraus war, siehe zudem Zumstein, Beiträge zur Basler Parteigeschichte 1848–1910, 1936, S. 112 ff.; Lötscher, in: Dürrenmatt / Lötscher / Wullschleger (Hrsg.), Basel und der Bundesrat, 1960, S. 17 (47 f.). 61 Gruner, Die Wahlen in den schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Bd. 1, 2. Teil, 1978, S. 797.

G. Wissenschaftliche Kritik am OR Nachdem das ZGB und das revidierte OR am 1. Januar  1912 gemeinsam in Kraft getreten waren und dem Privatrechtspluralismus ein Ende bereitet hatten, äußerte sich die schweizerische Rechtswissenschaft bereits kurze Zeit später zum neuen Recht.

I. Zeitgenössische Kritik in In- und Ausland Aufgrund der Tatsache, dass am 1. Januar  1912 nicht nur das revidierte OR, sondern vor allem das gesamtschweizerische ZGB in Kraft trat, fokussierten sich die zeitgenössischen wissenschaftlichen Rezensionen in der Schweiz vornehmlich auf Letzteres. Das OR spielte in der schweizerischen Öffentlichkeit zumeist eine hinter dem das OR überstrahlenden ZGB lediglich untergeordnete Rolle. Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Kritiken in juristischen Werken sowie in der Presse in In- und Ausland betrafen das überwiegend positiv gesehene ZGB als Ganzes1 und weniger spezifisch das OR. Befasste sich die Schweizer Doktrin konkret mit dem OR von 1911/1912, widmete sich die Begutachtung vorrangig dem Dienstvertragstitel.2 Ein Großteil der wissenschaftlichen Rezeption beschäftigte sich mit der Weiterentwicklung des materiell und gesetzgebungspolitisch bedeutsamsten Rechtsinstitutes. Das Meinungsbild war hierbei erwartungsgemäß geteilt. Die Sozialdemokraten, unter anderem Lotmar und Lang, sahen dem neuen OR mit gemischten Gefühlen entgegen. Neben dem generellen Fortschritt, den die sozialdemokratische Seite dem revidierten OR grundsätzlich attestierte, kritisierte sie primär den Revisionsablauf inklusive der dürftigen Ergebnisse in Langenthal.3 Lotmar monierte ferner den mit der Entscheidung, das OR zeitgleich mit dem ZGB zu erlassen, zusammenhängenden Zeitdruck, der Auswirkungen auf die Gründlichkeit der Beratungen in der Bundesversammlung und die aus Sicht der Sozialdemokratie unbefriedigenden Ergebnisse in diesem Stadium hatte.4 Gerade die rückläufigen Ergebnisse in der nationalrätlichen Kommission blieben in sozialistischen Zeitschriftenartikeln Gegenstand von Kritik.5 Auch Emanuel Adler, der sich aus ausländischer Perspektive mit den dienstvertraglichen Neuerungen im revidierten 1 Siehe hierzu Flury, ZSR n. F. 81 (1962), 1. Hbd., 131, der auf Urteile der Zeitgenossen zum ZGB verweist. 2 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 2001. 3 Lotmar, Berner Tagwacht vom 4.3.1911, Titelblatt. 4 Lotmar, Berner Tagwacht vom 4.3.1911, Titelblatt. 5 Isenschmid, Rote Revue, 12 (1932/1933), 164 (166).

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G. Wissenschaftliche Kritik am OR 

OR befasste und einige Bedenken Lotmars teilte, verwies auf den abgeschwächten Sozialschutz nach den Beschlüssen der Bundesversammlung.6 Adler stellte dabei das endgültige Dienstvertragsrecht des OR zum einen der Fassung vom 1. Juni 1909, zum anderen aber auch dem Dienstvertrag aus dem Deutschen Reich gegenüber.7 Verglichen mit der deutschen Kodifikation honorierte Adler trotz einiger aufgezeigter Schwächen die insgesamt sozialere Gesetzgebung des OR, die eine höhere Regelungsdichte an zwingenden gesetzlichen Vorschriften zugunsten des Arbeitnehmers aufwies.8 Als hervorhebens- und lobenswert kristallisierten sich die eingehenderen Regelungen zum Tarifvertrag, zur Arbeitsordnung und zum Normalvertrag sowie die Unterstellung des Lehrvertrags unter die Vorschriften des Dienstvertrages heraus.9 Neben den An­hängern der Sozialdemokratie, die einen eher kritischen Blick auf das neue OR richteten, befassten sich auch einige ehemalige Kommissionsmitglieder, etwa Oser oder Rossel, mit dem neuen OR. In ihren Kommentarwerken rekapitulierten sie sowohl den Revisionsverlauf im Allgemeinen als auch die Neuerungen im Dienstvertragstitel, den sie neutraler bewerteten als die sozialdemokratische Gruppe. Gerade Rossel verwies als Mitglied der Redaktionskommission und Begründer des französischsprachigen Gesetzestextes zudem auf die erfolgreiche Anpassung der drei Sprachfassungen.10 Er würdigte die Arbeit der Revisionsakteure, denen es gelungen war, den eidgenössischen Rechtsvereinheitlichungsprozess abzuschließen und dabei das Gesetzeswerk auf den neusten Stand der Wissenschaft zu bringen, ohne aber die allgemeine Charakteristik und den liberalen Geist des aOR aufzugeben.11 Bezüglich des Dienstvertrages begrüßte Rossel die eingehende Ordnung (44 Artikel) und tiefgreifenden Neuerungen des revidierten OR, die aus seiner Sicht nicht noch weiter gingen, weil ansonsten der Boden des Zivilrechts verlassen und bereits in das öffentliche Recht eingegriffen worden wäre.12 Auch Oser charakterisierte den Dienstvertrag als Vertrag mit „soziale[m] Charakter“13 und konzedierte dem revidierten OR, diesem Dogma nachgekommen zu sein sowie auf die Bedürfnisse des Dienstpflichtigen – sofern mit der nationalen Volkswirtschaft vereinbar  – Bedacht genommen zu haben.14 Die Kommentarwerke Osers und Rossels wiesen damit, auch beeinflusst durch die Mit-

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Adler, SJZ IX. Jg. (1912), 61, 86, 102. Adler, Sozialpolitische Probleme des Dienstvertrages, Sonderdruck aus: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 35, Heft 3, 1912, S. 701. 8 Adler, Sozialpolitische Probleme des Dienstvertrages, Sonderdruck aus: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 35, Heft 3, 1912, S. 721. 9 Adler, Sozialpolitische Probleme des Dienstvertrages, Sonderdruck aus: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 35, Heft 3, 1912, S. 710 ff. 10 Rossel, Manuel du droit civil suisse: Code (revisé) des obligations, Bd. 3, 1912, S. 13. 11 Rossel, Manuel du droit civil suisse: Code (revisé) des obligations, Bd. 3, 1912, S. 14 ff. 12 Rossel, Manuel du droit civil suisse: Code (revisé) des obligations, Bd. 3, 1912, S. 362 f. 13 Oser, in: Egger u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V, 1. Aufl. 1915, S. 630. 14 Oser, in: Egger u. a. (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V, 1. Aufl. 1915, S. 630 f. 7

II. Die Sicht der modernen Zivilrechtswissenschaft auf das OR  

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wirkung ihrer Redaktoren am revidierten OR, eine insgesamt positivere Rezension zum OR und insbesondere dem Dienstvertragstitel auf. Einen raueren Ton schlug das Kommentarwerk Fritz Ficks, Sohn Heinrich Ficks, an, der entsprechend der Dienstvertragskonzeption seines Vaters eine deutlich liberalere Auffassung eines (modernen) Arbeitsrechts hatte und sich gegen enge Schranken im Dienstvertragsrecht aussprach.15 Fick bemängelte daher in erster Linie Lotmars (zu einseitige) Postulate und prangerte an, dass der Gesetzgeber stellenweise von Lotmar ausgelöster „Sentimentalität“16 verfallen sei und sich der Richter fortan vor ähnlichen Emotionen zu hüten habe.17 Die den Sozialdemokraten diametral entgegenstehende Dienstvertragsrechtsideologie Ficks unterstreicht nochmals, dass die Sicht auf Lotmar, seine Dienstvertragsrechtskonzeption und seinen Beitrag für das schweize­r ische Arbeitsrecht zeitgenössisch stark politisch ideologisiert war. Die schweizerische Rechtswissenschaft war politisch bedingt im Hinblick auf das OR verschiedener Ansicht – auch und gerade, was die Fortentwicklung des Dienstvertrages anging.

II. Die Sicht der modernen Zivilrechtswissenschaft auf das OR Die seit Inkrafttreten des revidierten OR inhaltlich geteilte Sicht auf das Gesetzbuch bestätigte sich in den späteren Jahren des 20. Jahrhunderts bis hin in das 21. Jahrhundert. Auf Basis der Erkenntnisse aus Praxis und Doktrin sah die moderne Zivilrechtswissenschaft jedenfalls einige Abschnitte des revidierten OR sogar noch kritischer. Setzte sich also die uneinheitliche Bewertung des revidierten OR im Grundsatz fort, so verlagerte sich doch der Schwerpunkt der Kritik im Laufe der Jahre. Während unmittelbar nach seinem Inkrafttreten besonders die rechtspolitische Ausrichtung des Gesetzbuches im Vordergrund stand, analysierte die Jurisprudenz das Werk später punktueller. Zwar widmete sich die moderne Rechtswissenschaft dem revidierten OR grundsätzlich umfassend und beschränkte die Begutachtung nicht auf den Dienstvertragstitel. Insgesamt rekurrierten die entsprechenden Abhandlungen jedoch zuvörderst auf einzelne misslungene Regelungen, anhand derer sie die Kritik festmachten. Ausgesetzt sah sich die Kodifikation vor allem dem Vorwurf, dass die Kommissionen an einigen Stellen widersprüchliche und systematisch fragwürdige Entscheidungen getroffen hatten. Speziell in der in Art. 67 Abs. 1 OR verankerten einjährigen Verjährungsfrist des Bereicherungsanspruchs erblickte die moderne Privatrechtswissenschaft eine der „bedauerlichsten und verhängnisvollsten Fehlleistungen der Gesetzesrevision“18. In den Jahren 1900 15

Fick, Das schweizerische Obligationenrecht, Bd. I, 1911, S. 561. Fick, Das schweizerische Obligationenrecht, Bd. I, 1911, S. 561. 17 Fick, Das schweizerische Obligationenrecht, Bd. I, 1911, S. 562. 18 So bezeichnet sie Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (280). 16

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G. Wissenschaftliche Kritik am OR 

bis 1911, eigentlich nur von untergeordneter Bedeutung für die Revisionsprotagonisten, entwickelte sich die einer systematischen Fehlvorstellung Hubers zugrunde liegende Vorschrift19 zum Sinnbild der Kritik am OR. Als weitere Beispiele identifizierte etwa Bucher in diesem Zusammenhang auch das Schenkungsrecht und dessen auf „Fahrigkeit“20 zurückzuführende missratene Terminologie. Auch die bereits 1908 von der Zürcher Handelskammer bemängelte kausale Haftungspflicht des Werkeigentümers stand beispielhaft dafür, dass der Gesetzgeber von 1911 die immensen Risiken, die ein Werkeigentümer (heutzutage)  zu tragen hatte, nicht richtig einschätzen konnte.21 Im späten 20. Jahrhundert machte sich allgemein eine Strömung in der Doktrin bemerkbar, die misslungene Einzelartikel zum Anlass nahm, um der gesamten Kodifikation bei der Auslegung einen Minderwert im Vergleich zu seiner Vorgängerversion und zum übrigen ZGB zu bescheinigen.22 Eine solch pauschalisierende und generalisierende Beurteilung des Gesetzgebungsverfahrens anhand weniger Einzelfälle ist in Bezug auf die übrigen schweize­ rischen Kodifikationen nicht zu vernehmen, obgleich auch aOR und ZGB „einige eklatante Fehlleistungen“23 und gravierende Mängel aufwiesen.24 Gerade diese Strömung um Bucher, die dem revidierten schweize­rischen OR eine Sonderstellung im negativen Sinne zuwies, monierte auch, dass das Revisionsverfahren als solches überaus eilig und ohne hinreichende wissenschaftliche Vorbereitung vonstatten gegangen war.25 Der insgesamt über zehnjährige Revisionsablauf, den die Expertenkommission durch die großflächige Aussonderung sich weiterhin im Wandel befindender Revisionsmaterien und durch die strikte Prioritätensetzung zeitlich gar zu optimieren beabsichtigte, spricht jedoch insgesamt26 gegen diese Einschätzung Buchers und lässt den Schluss zu, dass Teile der modernen Rechtswissenschaft mitunter zweierlei Maß nahmen.27

19

Siehe hierzu D. III. Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (278). 21 Diskussionsbeitrag Kraus, ZSR n. F. 102 (1983), Heft 2, 581 (582). Vgl. zudem Schoop, Die Mangelhaftigkeit des Werkes als Voraussetzung der Haftung des Werkeigentümers nach schweizerischem Recht, 1941, S. 80, der bereits 1941 von einer „zweifellos schweren Verantwortung, die dem Eigentümer überbunden wird“, sprach. 22 Kaufmann, in: Caroni (Hrsg.), Das Obligationenrecht 1883–1983, 1984, S. 69 (103), unter Verweis auf die Kritik von Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (286) sowie Piotet, ZSR n. F. 90 (1971), 1. Hbd., 19 (44). 23 In Bezug auf das aOR vgl. Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (15). 24 Kaufmann, in: Caroni (Hrsg.), Das Obligationenrecht 1883–1983, 1984, S. 69 (103 f.). 25 Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), 251 (286). 26 Immerhin muss Bucher zumindest insoweit Zuspruch erteilt werden, als mit der Grundsatzentscheidung, das OR nochmals von einer größeren Expertenkommission durchberaten zu lassen, Zeitdruck und hieraus folgende Eile einherging, die zu teils fragwürdigen Entscheidungen führte. Daneben war gerade die erste Phase der Revision nur sehr oberflächlich, teilweise schlampig und weniger zeitintensiv vonstatten gegangen, was jedoch weniger auf Zeitdruck, denn auf die damals beabsichtigte Ausrichtung des OR zurückging. 27 Kaufmann, in: Caroni (Hrsg.), Das Obligationenrecht 1883–1983, 1984, S. 69 (103 f.). 20

II. Die Sicht der modernen Zivilrechtswissenschaft auf das OR  

179

Unverändert divergierend blieb die Bewertung der verschiedenen Etappen der Revision. Vornehmlich in der ersten Phase erkannte die schweizerische Rechtswissenschaft rückblickend keinen nennenswerten Nutzen für die Revision, da eine Weiterentwicklung des geltenden Rechts ausblieb.28 In Übereinstimmung mit der zeitgenössischen Rezension sozialdemokratischer Rechtwissenschaftler wie Lotmar wurde zudem auch der politische Konservatismus der schweizerischen Bundesversammlung fortlaufend kritisch gesehen. So bildete insbesondere das Vorgehen der Bundesversammlung bei der Revision des Dienstvertragstitels in einigen Monografien und Sammelbänden den Gegenstand von Kritik.29 Neu, wissenschaftlich reifer und sachlicher bewerteten schweizerische Juristen auch und gerade Lotmar und dessen Verdienste für das schweizerische Dienstvertragsrecht. Während die Kritik am deutschen Arbeitsrechtler in der zeitgenössischen Literatur noch emotionsgeladen und Lotmar in der sozialdemokratischen Jurisprudenz als Visionär anerkannt,30 von der Gegenseite indes als „beinahe poe­ tisch und sicher sentimental“31 desavouiert worden war, verhielt sich die Rechtwissenschaft einige Jahrzehnte später zurückhaltender und neutraler. Der Blick auf Lotmar und seinen Beitrag für das Dienstvertragsrecht war kein rein politischer mehr. Die moderne Zivilrechtswissenschaft würdigte seine Verdienste, sein fortschrittliches Gedankengut und seine teilweise – verglichen mit Hubers – weitsichtigere und fortschrittlichere Dienstvertragsrechtskonzeption.32 Von Teilen der Jurisprudenz des späten 20. Jahrhunderts und frühen 21. Jahrhunderts erhielt Lotmar fortan die ihm zustehende Anerkennung, nachdem ihn seine Zeitgenossen jahrelang vergessen hatten.33 Ungeachtet der geäußerten Vorbehalte gestand die Zivilrechtswissenschaft auch dem Dienstvertragsrecht des schweizerischen revidierten OR eine gewisse Konstanz und Langlebigkeit zu.34 Innerhalb der deutschsprachigen Schweiz wenig Resonanz erfuhr das Gesetzbuch jedoch hinsichtlich seiner an das ZGB angepassten und nunmehr sprachübergreifend kongruenteren Terminologie. War dieser Aspekt während der Revision noch ein zentrales Anliegen, so fand er später nur wenig Beachtung. Im Vordergrund stand der materielle Gehalt des Gesetzbuches. Beiträge wie derjenige des

28

Vgl. Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 216 ff. Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1992; Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 278, 289. 30 Siehe etwa in Bezug auf Lotmars Verdienste betreffend den Tarifvertrag. Lang, ZSR n. F. 28 (1909), 540 (541 ff.). 31 Fick, Das schweizerische Obligationenrecht, Bd. I, 1911, S. 561. 32 Vgl. hierzu Gasser, Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern, 1997, S. 299; Rehbinder, in: Rehbinder (Hrsg.), Professor Dr. Philipp Lotmar. Schweize­risches Arbeitsvertragsrecht, 1991, S. 7 (24 ff.). 33 Geiser, in: Fargnoli (Hrsg.), Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler?, 2014, S. 111 (123); Universität Bern (Hrsg.), Festgabe Philipp Lotmar zum siebzigsten Geburtstag, 1920. 34 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (195). 29

180

G. Wissenschaftliche Kritik am OR 

Bundesrats Rudolph Friedrich, der anlässlich des 100-jährigen Bestehens des aOR die Leistung der Revisionsakteure honorierte, das aOR binnen kürzester Zeit sowohl systematisch als auch terminologisch an das neue ZGB angepasst zu haben,35 waren in dieser Art und Weise nur vereinzelt unter schweizerischen Juristen vorhanden. Allgemein lassen sich Anerkennung und lobende Worte oder gar Begeisterung für das Gesetzgebungsprojekt von 1911/1912 gerade im Vergleich zu aOR und ZGB der modernen Literatur nur vereinzelt entnehmen. Positive Resonanz blieb nicht selten darauf begrenzt, den durch das Gesetzbuch erzielten Fortschritt verglichen mit dem früheren Recht punktuell hervorzuheben und entsprechende wertvolle Neuerungen zu erwähnen.36

35 36

Diskussionsbeitrag Friedrich, ZSR n. F. 102 (1983), 565 (565). Siehe etwa Honsell, ZSR n. F. 130 (2011), 5 (14 f.).

H. Weiterentwicklungen des OR von 1911/1912: Die Revisionen im 20. und 21. Jahrhundert Obgleich die Revision des schweizerischen OR von 1911/1912 die erste und letzte umfassende Erneuerung des bis dahin geltenden aOR und damit auch die erste vollständige Kodifizierung des schweizerischen Zivilrechts dargestellt hatte, mussten nachfolgend zumindest einige Teile des OR von 1911/1912 erneut revidiert und das Gesetzbuch den rechtlichen Entwicklungen in der Schweiz und in Europa angepasst werden. Bereits wenige Jahre nach Inkrafttreten des einheitlichen ZGB stand der Gesetzgeber dabei vor der im frühen 20. Jahrhundert noch aufgeschobenen Aufgabe, nunmehr auch die Titel 24 bis 33 zu revidieren.

I. Revision der Titel 24 bis 33 von 1936/1937 Nachdem die Revision der Titel 24 bis 33 von der Expertenkommission vorerst auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden war, sollte im Folgenden auch die dritte Abteilung des OR revidiert werden.1 Mit der Aufgabe, die jeweiligen Gesetzesentwürfe zu erarbeiten, betraute das EJPD wie schon 1911/1912 Huber, der 1919 einen ersten Entwurf und einen hierauf referenzierenden Bericht im Jahr 1920 vorgelegt hatte.2 Nach Hubers Erkrankung und seinem Tod am 23. April 19233 mussten die Revisionsarbeiten von Hoffmann, der einen zweiten Entwurf und Bericht einreichte, fortgesetzt und abschlossen werden.4 Der Gesetzesentwurf von 1923, der bereits maßgeblich aus Hoffmanns Feder entstammte, enthielt starke Modifikationen und einen liberaleren Geist als das vor allem in gesellschaftlichen Kreisen kritisierte Modell Hubers.5 Den Entwurf sprach im Anschluss eine große Expertenkommission rund um einige bereits 1911/1912 involvierte Herren, wie Rossel, Bertoni, Oser, Hoffmann, Isler oder auch die Referenten am Juristentag von 1904, von Waldkirch und Wieland,6 in den Jahren 1924 und 1925 durch, de 1 Die Revision der Titel 24 bis 33 wird im Rahmen dieser Arbeit nur im Überblick dargestellt. Weitere instruktive Ausführungen finden sich unter anderem bei Giovanoli, ZSR n. F. 61 (1942), 1; Haab, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 7. 2 Giovanoli, ZSR n. F. 61 (1942), 1 (3). 3 Pichonnaz, ZSR n. F. 130 (2011) Heft 1, 117 (134). 4 Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932– 1937, § 8 S. 156. 5 Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 2001. 6 Die weiteren Mitglieder der Kommission waren: Bachmann, Cagianut, Egger, Fazy, de Félice, A. Frey, J. Frey, Gampert, Gaudard, Guex, Guhl, Huber, Kaiser, König, Lang, Ostertag,

182

H. Weiterentwicklungen des OR von 1911/1912

ren Ergebnisse der Bundesrat mit Botschaft vom 21. Februar 1928 der Bundesversammlung vorlegte.7 Wie bereits während der Revision von 1911/1912 diskutierte die Kommission erneut das Verhältnis des Handelsrechts zum allgemein bürger­lichen OR.8 Doch wie schon in den vorherigen Jahren blieb das monistische System grundsätzlich unangefochten.9 Zu den zentralen, durch die Revision von 1936/1937 hervorgebrachten Weiterentwicklungen gehörte die Aufnahme der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.10 Diese Gesellschaftsform, die wesentlich dem auslän­dischen, namentlich dem deutschen Recht, entlehnt war,11 thematisierten einige der involvierten Kommissionsmitglieder bereits hinreichend und mehrfach während der Arbeiten am revidierten OR von 1911/1912.12 Weiterhin erhielt unter anderem das Aktienrecht13 ein neues Gewand, das Genossenschafts-14 und das Firmenrecht15 wurden stark überarbeitet und auch das unvollständige Recht der Wertpapiere16 des aOR ausgebessert.17

II. Revision des Dienstvertragsrechts von 1967/197118 Vor dem Hintergrund soziologischer und wirtschaftlicher Entwicklungen in der Schweiz bedurfte im Laufe der Zeit auch das Dienstvertragsrecht von 1911/1912 einer Runderneuerung, die in den Jahren 1967/1971 Platz griff. Bereits in den Schär, Siegwart, Stadlin, Sträuli, A. Wieland. Siehe hierzu Bbl. 80 Jg. I., 29. Februar 1928, Botschaft des Bundesrates vom 21. Februar 1928, S. 205 (207 f.). 7 Bbl. 80 Jg. I., 29. Februar 1928, Botschaft des Bundesrates vom 21. Februar 1928, S. 205; Huber / Mutzner, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. Aufl. 1932–1937, § 8 S. 156 f. 8 Giovanoli, ZSR n. F. 61 (1942), 1 (11). 9 Egger, Ausgewählte Schriften und Abhandlungen, Bd. I, 1957, S. 145 (156). 10 Schmidt, Die schweizerische GmbH nach der Revision des Obligationenrechts, 2018, S. 19; Scherer, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 95 (95 ff.). 11 Wieland, Handelsrecht, Bd. 2, 1931, S. 267. 12 So z. B. bei den Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904. Siehe Ausführungen zum Korreferat bei von Waldkirch, ZSR n. F. 22 (1904), 703 (703). 13 Thalmann, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 41. 14 Gerwig, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 149. 15 Hartmann, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 193. 16 Götzinger, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 129. 17 Haab, in: Basler Handels- und Industrie-Verein (Hrsg.), Sieben Vorträge über das neue Obligationenrecht, 1937, S. 7 (27 f., 35 f., 37 f., 39 f.). 18 Die Revision des Dienstvertragstitels von 1967/1971 wird hier nur im Überblick behandelt. Instruktive Nachweise finden sich überdies bei Hug, in: Juristische Abteilung der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften / St. Gallischer Juristenverein (Hrsg.), Stillstand und Fortentwicklung im schweizerischen Recht, 1965, S. 187.

II. Revision des Dienstvertragsrechts von 1967/1971 

183

Jahren nach Inkrafttreten des revidierten OR wurde das Arbeitsrecht im schweizerischen Bundesrecht, zumeist durch Spezialgesetze oder das öffentliche Recht, mitunter aber auch im OR selbst und nicht zuletzt durch die über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Rechtsprechung und hieraus folgende Praxis weiterentwickelt und dem moderneren Zeitgeist in der Schweiz angepasst.19 Diese Sondergesetzgebungen sowie die partiellen Änderungen des Dienstvertragstitels im OR hatten jedoch die bereits seit Ende des ersten Weltkrieges geforderte, mit den infolge des Krieges veränderten Verhältnissen in der Schweiz begründete Totalrevision des zehnten Titels des OR nicht überflüssig gemacht, sondern nur zurückgestellt.20 Nachdem vorherige Revisionsvorstöße noch abgelehnt worden waren, entschloss sich der Bundesrat Mitte des 20. Jahrhunderts infolge der Schaffung des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz), das in seiner Endversion keine dienstvertraglichen Vorschriften aus dem OR mehr enthalten sollte, das EJPD um eine nachfolgende umfassende Umgestaltung des weiterhin überwiegend in Gestalt des OR von 1911/1912 geltenden Dienstvertragstitels zu ersuchen und diese vorbereiten zu lassen.21 Die Überarbeitung des Dienstvertragstitels des OR sollte schlussendlich nicht in Zusammenhang mit dem Arbeitsgesetz behandelt, sondern zum Gegenstand einer gesonderten Revisionsvorlage gemacht werden.22 So arbeitete die vom EJPD einberufene Expertenkommission einen umfassenden Reformentwurf aus, der anschließend dem Vernehmlassungsverfahren unterstellt und schließlich vom schweizerischen Bundesrat am 25. August  1967 mit Botschaft der Bundesversammlung vorgelegt wurde.23 Inhaltlich zeichnete sich dieser Gesetzesentwurf unter anderem durch die (Rück-)Eingliederung aller Arbeitsverträge in das OR aus, die in der Vergangenheit zum Teil aus dem OR ausgeschlossen und der Spezialgesetzgebung zugewiesen worden waren.24 Neben der systematischen Neuordnung des Titels passte der Gesetzgeber den Vertrag auch terminologisch an. Zwecks Übereinstimmung der indigenen Amtssprachen bezeichnete die Novelle unter Modifikation des deutschen Textes den Vertrag entsprechend der bestehenden französischen („contrat de tra-

19

Fink, Gewerbliche Rundschau 1961, 60 (60 f.). Hug, in: Juristische Abteilung der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften / St. Gallischer Juristenverein (Hrsg.), Stillstand und Fortentwicklung im schweizerischen Recht, 1965, S. 187 (192 f.). 21 Bbl. 112. Jg. II., 13. Oktober 1960, Botschaft des Bundesrates vom 30. September 1960, S. 909 (920); Hug, in: Juristische Abteilung der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften / St. Gallischer Juristenverein (Hrsg.), Stillstand und Fortentwicklung im schweizerischen Recht, 1965, S. 187 (193 ff.). 22 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (252). 23 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241. 24 Bereits zum Vorentwurf von 1963 siehe Hug, in: Juristische Abteilung der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften / St. Gallischer Juristenverein (Hrsg.), Stillstand und Fortentwicklung im schweizerischen Recht, 1965, S. 187 (202 f.). Zum Entwurf vom 1967 siehe Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (200). 20

184

H. Weiterentwicklungen des OR von 1911/1912

vail“) und italienischen („contratto di lavoro“) Gesetzesfassung nunmehr einheitlich als „Arbeitsvertrag“.25 Auch die antiquierte Terminologie des „Dienstherren“ und „Dienstpflichtigen“ war folgerichtig verworfen worden und der Revisionsentwurf bezeichnete die Parteien des Vertrages fortan – wie schon 1909 im Nationalrat allerdings unter entgegengesetzten Vorzeichen thematisiert26 – als „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“.27 Über die exakte Begriffsbestimmung hinaus fand eine legislative Anpassung des Arbeitsvertrags an den modernen Zeitgeist auch und gerade in materiell-rechtlicher Hinsicht statt. Die wesentlichen Veränderungen betrafen dabei vor allem den Einzelarbeitsvertrag und den Normalvertrag, weniger aber den Gesamtarbeitsvertrag, der bereits 1956 eine eingehende Neuordnung erfahren hatte.28 So konnte etwa der Lohnschutz, der zwar für die damaligen Verhältnisse durchaus fortschrittlich ausgeformt war, sich zur Zeit der Revision des Dienstvertragsrechts von 1967/1971 aber als veraltet herausstellte, in beachtenswerter Weise erweitert werden.29 Besonders die bereits während der Revision von 1911/1912 kontrovers behandelte Vorschrift des Art. 335 OR, die über die Jahrzehnte erheblich durch die Spezialgesetzgebung und Rechtsprechung modifiziert worden war, gliederte der Revisionsgesetzgeber wieder in das OR ein und entwickelte diese weiter.30 Neben dem Lohnschutz enthielt auch der Abschnitt über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wesentliche, auf dem Gedanken gemeinsamer Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhende weitere Ausformungen, die bereits zuvor Gegenstand der Postulate anlässlich des Arbeitsgesetzes gewesen waren.31 Generell hatte sich die ökonomische Position des Arbeitnehmers seit Ende des zweiten Weltkriegs bedingt durch Wirtschaftswachstum und Hochkonjunktur in der Schweiz in Zeiten von Voll- und Überbeschäftigung hin zur Unabhängigkeit vom Arbeitgeber entwickelt und damit erheblich verbessert.32 Der neue Entwurf fußte nicht mehr auf der Annahme eines Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien und der Notwendigkeit eines Korrektivs durch den

25

Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (276). 26 In der damaligen nationalrätlichen Debatte wehrte sich der Sprecher der Gewerkschaften Greulich vehement gegen die Bezeichnung „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“. Siehe Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1909, S. 611 (617 ff.); Fink, Gewerbliche Rundschau 1961, 60 (64). 27 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (200). 28 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (275). 29 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (197). 30 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (263). 31 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (281). 32 Bbl. 119. Jg. II., 5. Oktober 1967, Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, S. 241 (274).

III. Totalrevision 2020 

185

Gesetzgeber, sondern auf der Maxime gleichrangiger Partnerschaft.33 Die ideelle Charakteristik des eidgenössischen Dienstvertragsrechts unterlag somit im 19. und 20. Jahrhundert einem stetigen Wandel und lässt sich mit Helene Thalmann-Antenen dreiteilig einordnen:34 Liberalismus und grenzenlose Privatautonomie (des aOR) – Schutz der schwächeren Partei (im revidierten OR von 1911/1912 angestrebt und über die Jahre weiter ausgeformt) – Partnerschaft (des Entwurfs von 1967/1971) – jede Einteilung als Abbild der „sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und des geistigen Hintergrundes ihrer Zeit“35.

III. Totalrevision 2020 In Zusammenhang mit der Europäisierung des Schuldrechts diskutierte die schweizerische Zivilrechtswissenschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ob nunmehr auch eine Totalrevision des bislang weitgehend unangetasteten Allgemeinen Teils des OR notwendig und opportun sei. An der Zahl 23 Rechtswissenschaftler*innen der schweizerischen Rechtsfakultäten arbeiteten dabei einen Entwurf für einen runderneuerten Allgemeinen Teil des OR, das „Schweizer Obligationenrecht 2020“ (OR 2020)36, aus und legten diesen im Jahr 2013 dem schweizerischen Bundesrat vor.37 Infolgedessen hatte unter anderem das Bundesamt für Justiz die Firma Ecoplan beauftragt, eine Online-Umfrage durchzuführen, im Zuge derer die schweizerische Rechtspraxis Stellung beziehen sollte, inwieweit das geltende OR in der Rechtsanwendung noch praktikabel sei.38 Daneben ersuchte die Behörde auch das Schweize­rische Bundesgericht und den Anwaltsbund um eine diesbezügliche Einschätzung.39 Im Ergebnis kam die Mehrzahl der von Ecoplan befragten Rechtspraktiker sowie das Bundesgericht und auch der Anwaltsbund zu dem Schluss, dass der Allgemeine Teil des OR sich im Alltag weiterhin bewähre und „kein[…] Handlungsbedarf für grundlegende Änderungen im Allgemeinen Teil des OR“40 bestehe. Entgegen der Initiative aus der juristischen Lehre entschloss sich der Bundesrat daher – unter Verweis auf die eingegangenen Stellungnahmen aus

33

Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (199). Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (199). 35 Thalmann-Antenen, Das Recht der Arbeit 1969, 195 (199). 36 Huguenin / Hilty, Schweizer Obligationenrecht 2020, 2013. 37 Bericht des Bundesrates vom 31. Januar 2018: Modernisierung des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Obligationenrechts, S. 6. 38 Ecoplan, Bedarfsanalyse für einen neuen Allgemeinen Teil des Schweizerischen Obligationenrechts (OR AT), 2017, S. 1. 39 Bericht des Bundesrates vom 31. Januar 2018: Modernisierung des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Obligationenrechts, S. 9. 40 Bericht des Bundesrates vom 31. Januar 2018: Modernisierung des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Obligationenrechts, S. 9. Zu den genauen Umfrageergebnissen siehe näher Ecoplan, Bedarfsanalyse für einen neuen Allgemeinen Teil des Schweizerischen Obligationenrechts (OR AT), 2017, S. 5 f. 34

186

H. Weiterentwicklungen des OR von 1911/1912

der Rechtspraxis – von einer Totalrevision des Allgemeinen Teils aus Gründen der Rechtssicherheit und Kontinuität, der erheblichen Bindung von Gesetzgebungsressourcen und vor dem Hintergrund politischer Risiken abzusehen und „[k]ein solches Projekt zu lancieren“41. Der Allgemeine Teil des OR in seiner Gestalt von 1911/1912 bleibt damit bis heute im Wesentlichen unangetastet.

41

Bericht des Bundesrates vom 31. Januar 2018: Modernisierung des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Obligationenrechts, S. 13.

I. Abschließende Bewertung Das OR entspricht auch im 21. Jahrhundert weitgehend demjenigen des Jahres 1911/1912. Der Bundesrat und die anwaltliche Praxis sahen keine Notwendigkeit einer Totalrevision. Das revidierte OR hatte sich folglich in Rechtswissenschaft und -praxis grundsätzlich behauptet. Einige angesprochenen Kritikpunkte, etwa die zu kurze Verjährungsfrist oder der nicht weiterentwickelte Lohnfortzahlungsanspruch konnten im späteren 20. und im 21. Jahrhundert im Zuge weiterer partieller Revisionen korrigiert werden. Vor dem Hintergrund der insgesamt beachtlichen Konstanz und Kontinuität des (revidierten) OR muss trotz der geäußerten Vorbehalte den für die Revision des aOR verantwortlichen Protagonisten Anerkennung gezollt werden. Schließlich gelang die nicht zu unterschätzende Aufgabe, das aOR mit den anderen vier Teilen des ZGB zu verbinden und somit das Kernprivatrecht in einem harmonischen Gefüge zu vereinheitlichen.1 Innerhalb kürzester Zeit konnte die Herausforderung bewältigt werden, das aOR an das ZGB anzupassen und das revidierte OR zeitgleich mit der Gesamtkodifikation in Kraft treten zu lassen. Nicht allein aufgrund des herrschenden Zeitdrucks verliefen die Revisionsarbeiten daher nicht immer reibungslos. Auch mussten sich die Redaktoren des revidierten OR, allen voran Huber, konziliant zeigen und verschiedene Parameter in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Huber selbst hatte diesbezüglich herausgestellt, jeder Gesetzgeber „arbeite mit Faktoren, die er weder geschaffen hat noch zu verändern vermag. Um Schiffbruch zu vermeiden, müsse er mit diesen Faktoren rechnen, auf sie eingehen und Vorschläge ausarbeiten, die nicht unnötigen – vor allem in Referendumsdemokratien – gefährlichen Widerstand hervorriefen“2. Der Gesetzesredaktor erkannte, dass er mitunter auch den Weg des geringsten Widerstandes gehen musste. Anders als Lotmar, der das Arbeitsrecht unilateral betrachtete, hatte Huber verschiedene Revisionsabzweigungen zu nehmen, Vor- und Nachteile zu eruieren und stets kompromissbereit zu sein. Insgesamt verfolgte Huber in Einklang mit seinen Kommissionen einen konservative(re)n Ansatz, um dem Rechtsanwender ein Mindestmaß an Rechtsbeständigkeit zu garantieren. Das aOR hatte sich als bereits bestehendes Bundesrecht beim Bürger und auch bei den Juristen bewährt. Nicht jeder Mitgestalter war daher bereit gewesen, den sicheren Hafen zu verlassen und sich einem revolutionären Umgang mit dem Recht zu verschreiben. Zwar führte jene Zurückhaltung gelegentlich dazu, dass der Reformgesetzgeber 1

Diskussionsbeitrag Friedrich, ZSR n. F. 102 (1983), 565 (565 f.). Caroni, Schweizerisches Privatrecht, Bd. I/1: Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2015, § 4 S. 95; Gauye, ZSR n. F. 80 (1961), 63 (73 ff.). 2

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I. Abschließende Bewertung

sozialprogressive Visionen (zumeist Lotmars) nicht weiterverfolgte. Gewiss kann man insofern retrospektiv kritisieren, dass den Gesetzesbegründern teilweise der Weitblick fehlte. Das Vorgehen entsprach aber den damaligen – auch und gerade politischen – Kräfte- und Mehrheitsverhältnissen und damit dem überwiegenden Interesse der schweize­rischen Öffentlichkeit. Bewertet man den Fortschritt des OR allein anhand von Innovation, wird das revidierte OR nicht mit seiner Vorgängerversion und erst recht nicht mit dem ZGB mithalten können. Sieht man aber auch in der Bestätigung und organischen Weiterentwicklung des bestehenden, ausdrücklich erprobten Rechts unter Überprüfung, Überarbeitung, punktueller Erneuerung sowie unter Vermeidung legislationspolitischer Experimente und unter Wahrung der Charakteristik des aOR einen wesentlichen Wert für die Entwicklung des schweizerischen Privatrechts, erscheint die Revision des OR in einem anderen Lichte. Die Arbeiten am OR stellten nicht jeden Visionär zufrieden, lieferten der schweizerischen Öffentlichkeit aber ein Mindestmaß an Rechtssicherheit und Rechtskontinuität. Bei der Gesamtanalyse und -bewertung des Revisionsgeschehens sollte der retrospektive Betrachter zudem dafür sensibilisiert werden, dass die Schwerpunkt- und Zielsetzung in den Jahren 1911/1912 ohnehin eine andere war. Die Fortentwicklung des materiellen Gehalts des Kodifikationswerkes stellte ursprünglich ein nur sekundäres Anliegen dar. Originäres Ziel war es, das bereits bestehende Gesetz systematisch wie redaktionell anzupassen und nunmehr kantonsübergreifend für jeden Bürger verständlich und zugänglich zu machen. Mit der Bearbeitung der Rechtstexte in den drei Landesprachen, die während der gesamten Revision gründlich und aufmerksam angegangen worden war, konnte das neue OR nicht mehr nur dem Deutschen Rechtsanwender, sondern fortan auch in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz eine Stütze sein. Gerade die Hilfestellung, die Huber von den Herren Soldan und Rossel sowie für den italienischen Teil von Gabuzzi und Bertoni erhielt, soll in diesem Zusammenhang nochmals explizit hervorgehoben werden. Ihr kam eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für das Gelingen der Revision zu. Huber konnte trotz seiner materiellen Urheberschaft nicht alle mit der Revision verbundenen Aufgaben allein bewältigen. Wesentliche (Teil-)Aspekte initiierten, organisierten und finalisierten andere Juristen. Hubers schillernde Persönlichkeit, seine Charakterstärke und nicht zuletzt seine zweifelsfrei anzuerkennenden Verdienste für das schweizerische Privatrecht führten in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings oftmals dazu, Huber auf eine andere Ebene zu hieven und ihm eine Sonderstellung zuzuweisen. Neben Huber blieben die Leistungen anderer wenig gewürdigt und teilweise sogar ungewürdigt. Die Fixierung auf Huber zog damit eine zweigliedrige Einteilung der Schweizer Gesetzgebungsprotagonisten in der (vor allem) zeitgenössischen Rechtsgeschichte nach sich. Im konkreten Fall waren Rossel, Soldan, Brenner und Lotmar jedoch aufgrund ihrer Verdienste für die Redaktion des Gesetzbuches, die Organisation des Revisionsverfahrens sowie das Dienstvertragsrecht keine bloßen Randfiguren. Sie mögen nicht dieselbe Aufmerksamkeit und Anerkennung in der Schweizer Öffentlichkeit wie Huber erhal-

I. Abschließende Bewertung

189

ten haben, prägten den Ablauf der Revision aber entscheidend und leisteten einen essenziellen Beitrag für deren Gelingen. Geleitet wurden diese Revisionsakteure bei ihrer Entscheidungsfindung nicht nur durch ihre innere Überzeugung. Auch externe Faktoren spielten eine wichtige Rolle. Zentrale äußere Einflüsse auf die Kodifikationsberatungen kamen dabei weniger aus der schweizerischen Gesellschaft, sondern vielmehr aus dem Ausland. Zu einer entscheidenden Rechtsetzungsdirektive avancierte der Blick der Kommissionsmitglieder über die landeseigenen Grenzen hinweg auf die supranationalen rechtlichen Entwicklungen. Dabei erwiesen sich der CC, das ABGB und allen voran das BGB des Deutschen Reichs als Vorbildkodifikationen für das neue OR. Huber betonte in seiner Rolle als Berichterstatter der nationalrätlichen Kommission, dass das deutsche BGB und dessen sich stetig entwickelnde Theorie während der gesamten Revision ein Wegbegleiter war und über die verschiedenen Phasen der Revision hinweg kontinuierlich an Bedeutung für die schweizerische Kodifikation gewann.3 Das französische Element war unter dem wachsenden Einfluss der moderneren Kodifikation aus Deutschland bereits erheblich zurückgedrängt worden. Eine Vielzahl von Neuerungen basierte daher auf Erkenntnissen, welche die Kodifikation des Deutschen Reichs mit sich gebracht hatte. Bereits bei den vorherigen Gesetzen, dem Dresdner Entwurf, der durch das zürcherische Schuldrecht geprägt war und wiederum selbst den schweizerischen Handelsgesetzbuchentwurf von 1864 und das aOR in wesentlichen Teilen präformierte, sowie dem deutschen BGB, das seinerseits stark durch das schweizerische aOR beeinflusst war, zeigte sich diese Wechselwirkung zwischen dem schweizerischen und deutschen Recht.4 Die Synthese zwischen den benachbarten und strukturverwandten Rechtssystemen, die sich bei der Revision des OR bestätigte, stellte also kein Novum dar. Umso bemerkenswerter ist es deshalb, dass die Rechtswissenschaft den deutsch-rechtlichen Einfluss auf das revidierte OR teilweise ungleich negativer als noch beim Erlass des aOR bewertete. Ein Grund hierfür ist sicherlich darin zu sehen, dass das revidierte OR in ständigem Vergleich mit dem gleichzeitig erschienenen und äußerst populären ZGB stand. Dieses hatte sich seinerseits durch seine volkstümliche und schlichte Sprache sowie Eigenart erkennbar vom abstrakter und komplizierter konzipierten BGB distanziert. Das ZGB, das verglichen mit dem OR als Verkehrsrecht weniger vom internationalen Recht abhängig war, wurde unwesentlicher vom deutschen Recht tangiert als das OR, dem das BGB für einen erheblichen Anteil neuer und überarbeiteter Institute als Wegweiser diente.5 Der fehlende individuelle Charme und die „nicht annähernd so viele[n] originelle[n] Rechtsgestaltungen […] wie das ZGB“6 führten schließlich zu einer gewissen 3

Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459 (459 f.). Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 1972 f. 5 Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch – verglichen mit dem deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch, 1965, S. 152. 6 Gmür, Das schweizerische Zivilgesetzbuch – verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965, S. 152. 4

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I. Abschließende Bewertung

Enttäuschung der Schweizer über die dem BGB stärker angenäherten obligationsrechtlichen Bestimmungen. Obgleich der Inhalt des revidierten OR damit in erheblichem Ausmaß durch die Existenz des deutschen BGB determiniert wurde, behielt es im Kern auch einige spezifisch schweizerische Eigenschaften weiter bei. Während der Revisionsarbeiten hatte Huber zwar auch auf die Möglichkeit hingewiesen, das neue OR dem System des deutschen BGB sowohl in formeller und systematischer als auch materieller Hinsicht vollständig anzuschließen. Die Revisionsprotagonisten schlugen aber einen anderen Weg ein. So blieb der „code unique“, der Allgemeine Teil des OR, die prinzipielle schlichte Ausdrucksweise sowie der materielle Kern des originär schweizerischen Rechts unangetastet. Das BGB diente somit trotz seiner großen Bedeutung für das Schweizer Recht nur als (punktueller) Indikator für zu revidierende Themenfelder, insbesondere neu einzufügende Institute. Nicht selten führte der Revisionsgesetzgeber die deutschen Regelungen als mahnendes Beispiel an oder verwarf die BGB-Methode aus Prinzip. Auch motivierten Erfahrungen mit dem BGB bezüglich mancher Institute, etwa der Kodifizierung des Grundlagenirrtums, dazu, selbst anders zu verfahren. Die Gesetzeslücken im deutschen Recht und deren wissenschaftliche Aufarbeitung durch Huber und Rümelin erwiesen sich insoweit als gewinnbringend, als sie einige zentrale Verbesserungen im OR begünstigten. Nachdem sich die Korrelation zwischen OR und (deutschem) Schuldrecht auch 1911/1912 bestätigte, trägt das OR weiterhin den Charakter des deutschen Rechts in sich, ohne dabei seine eigene Individualität und Identität verloren zu haben. Resümierend lässt sich feststellen, dass es der Schweiz allen geäußerten Vorbehalten und Kritikpunkten zum Trotz gelungen ist, ein Gesetzbuch zu verabschieden, das dem modernen Zeitgeist und (damaligen) Stand der Wissenschaft und Rechtspraxis entsprach, gleichsam aber der Rechtsbeständigkeit und Rechtskontinuität und damit auch dem (damaligen) Willen des Volkes hinreichend Rechnung trug.

Anhang I. Chronologie der Ereignisse der Revision 1892 1893

1894 1898

1900

1901

1902

1903 1904

1905

Huber erhält vom Bundesrat den Auftrag, einen Entwurf für ein einheitliches Privatrechtsgesetzbuch zu erarbeiten. Im Februar 1893 legt Huber seinen Plan „Ueber die Art und Weise des Vorgehens bei der Ausarbeitung des Entwurfs eines einheitlichen Zivilgesetzbuches“ vor und fordert damit die Kantone sowie das Bundesgericht zu einer diesbezüglichen Stellungnahme auf. Einer der Kernaspekte Hubers (sogenannten) Memorials betraf die Anpassung und Angliederung des OR an das ZGB. Das Schweizerische Bundesgericht respondiert in seinem Gutachten auf Hubers Memorial und legt seine Auffassung betreffend eine Revision des OR offen. Die Verfassungsrevision vom 13. November 1898 sieht nunmehr eine Übertragung des Gesetzgebungsrechts des Bundes auf dem Gebiet des gesamten Privatrechts in Art. 64 Abs. 2 BV vor. Das EJPD ersucht mit Kreisschreiben vom 5. Januar einige namhafte Professoren und Bundesrichter zwecks Einschätzung der Anpassungsmöglichkeiten des OR an das ZGB. Die diesbezüglich konsultierten Herren legen detaillierte Gutachten vor, in denen sie generelle Themen sowie spezielle (materielle) Einzelfragen erörtern. Im gleichen Jahr tritt auch der Schweizerische Juristenverein erstmals zu einer Verhandlungsrunde betreffend das OR zusammen. Der Juristenverein verhandelt in St. Gallen über die Art und Weise der Anpassung des OR an das ZGB. Das EJPD setzt die Langenthaler Spezialkommission ein. Das Ministerium beschließt, einer kleinen achtköpfigen Kommission, ausschließlich aus Juristen bestehend, die Kodifikationsaufgabe anzuvertrauen. Lotmar hält am zweiten Juristentag des 20. Jahrhunderts in Sarnen ein Referat über die Revision des Dienstvertrages. Früher in diesem Jahr publizierte er bereits den ersten Band seines Grundlagenwerks „Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches“. Huber arbeitet einen ersten Entwurf für ein revidiertes OR aus, den die Langenthaler Kommission nachfolgend zu behandeln hat. Der Schweizerische Juristenverein tritt erneut zusammen und diskutiert das die Gerichtspraxis seit Jahren beschäftigende Recht der unerlaubten Handlungen. Der Schweizerische Juristenverein thematisiert die Aussonderungsmöglichkeit und -notwendigkeit des Wechselrechts sowie des Aktiengesellschaftsrechts. Zudem tritt die Spezialkommission in Langenthal zusammen und behandelt den eingereichten Entwurf Hubers in insgesamt 22 Sitzungen. Im Wesentlichen geht die Kommission konform mit der eingereichten Vorlage. Am 3. März 1905 legt der Bundesrat den ersten offiziellen Gesetzesentwurf der Bundesversammlung vor. Der Wesensgehalt Hubers ersten Entwurfes aus dem Jahre 1903 bleibt noch unangetastet. Die Spezialkommission beschränkt

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1906/1907

1908/1909

1909/1910

1910/1911

1912

Anhang die Revision zu diesem Zeitpunkt auf eine weitgehend formelle und systematische Anpassung des OR. National- und Ständerat beschließen, die Revision des OR zu verschieben und eine größere Expertenkommission zusammentreten zu lassen. Auf Anraten Hubers und Brenners entscheidet das Parlament, die Verabschiedung des ZGB vorzuziehen und anschließend gesondert und gründlicher das OR anzugehen. Die bisherigen Ergebnisse wurden allgemein als zu unbefriedigend angesehen. Zusätzlich beabsichtigt die Bundesversammlung, gesellschaftlichen Interessensverbänden eine Teilhabe am Kodifikationsprozess zu ermöglichen. Die große Expertenkommission tritt zusammen und behandelt das OR in insgesamt drei Sessionen und 27 Sitzungen zwischen 1908 und 1909. Als Nachtrag zur Botschaft vom 3. März 1905 unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung am 1. Juni 1909 den überarbeiteten Gesetzesentwurf. Die erneute Behandlung des Gesetzesentwurfs zieht eine tiefgreifendere Revision des materiellen Rechts nach sich. Die Kommissionen der eidgenössischen Räte sowie die gesamten Organe behandeln die Gesetzesvorlage und nehmen das Gesetzbuch nach Ausräumung der Differenzen einstimmig an. Die Redaktionskommission finalisiert die Gesetzgebungsarbeiten. Sie entscheidet, das OR dem ZGB zwar fortlaufend anzuschließen, es jedoch gesondert zu nummerieren. Der nichtrevidierte Teil wird dem revidierten Teil angefügt. Darüber hinaus vollzieht die Kommission letzte sprachliche Anpassungen betreffend die drei Gesetzesfassungen. Zunächst beziehen sich deren Arbeiten dabei nur auf den deutschen und französischen Gesetzestext. Die italienische Version arbeitet anschließend Gabuzzi aus. Die italienische Redaktionskommission finalisiert die Gesetzesfassung im März 1911. Das revidierte OR tritt am 1. Januar 1912 gemeinsam mit dem ZGB in Kraft.

II. Lebensläufe der Kommissionsmitglieder 1. Biographische Literatur Altermatt, Urs, Die Schweizer Bundesräte: Ein biographisches Lexikon, 2. Auflage, Zürich, 1992. Dölemeyer, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen, Bd. III, 2. Teilbd., 1982, S. 2014 ff., insbesondere S. 2021 f. Gruner, Erich, Die Schweizerische Bundesversammlung 1848–1920, Band 1: Biographien, Bern, 1966. Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz (Vorgängerversion des HLS) (abrufbar unter https://www.digibern.ch/katalog/historisch-biographisches-lexikon-der-schweiz#gsc.tab=0, zuletzt aufgerufen am 25.11.2021). Historisches Lexikon der Schweiz HLS (abrufbar unter https://hls-dhs-dss.ch/de/, zuletzt abgerufen am 25.11.2021). Runge, Marianne, Friedrich Meili (1848–1914) – Lebensbild eines vielseitigen Zürcher Juristen, Zürich, 1978. Schultess, Hans, Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre, Zürich, 1945.

II. Lebensläufe der Kommissionsmitglieder 

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2. Lebensläufe der Mitglieder der Langenthaler Spezialkommission Bühlmann, Fritz Ernst * 22.4.1848 Grosshöchstetten, † 7.1.1936 Grosshöchstetten; Stud. der Rechtswissenschaft in Bern, Leipzig, Heidelberg, Paris; 1872 Notariats- und Fürsprecherpatent; 1873–1904 Advokat; Führer der radikalen Partei des Kantons Bern; 1875–1905 Berner Großrat; 1876–1925 Nationalrat (1900 Präsident); FDP; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der Langenthaler Kommission 1904 und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909; Präsident der Nationalratskommission bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR. Grenier, Louis * 15.11.1846 Lausanne, † 8.12.1919; Stud. der Rechtswissenschaft in Lausanne; 1874; Großrat; 1878–1905 Prof. für Zivilrecht zunächst an der Akademie, danach an der Univ. Lausanne; 1881–1893 Kantonsrichter; Korreferent am Juristentag 1900; Mitglied der Langenthaler Kommission 1904 und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Hoffmann, Arthur * 19.6.1857 St. Gallen, † 23.7.1927 St. Gallen; Stud. der Rechtswissenschaft in Genf, München, Leipzig, Straßburg und Zürich; 1880 Dr. jur.; 1880–1911 Anwalt in St. Gallen; 1896–1911 Ständerat (Präsident 1902–1903); rad.-dem. (FDP); 1911–1917 Bundesrat (1912–1913 Leiter des EJPD, Mil. Dep.; Polit. Dep.); 1914 Bundespräsident; 1922 Beauftragung mit den Vorarbeiten der Revision der Titel 24–33 des OR; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der Langenthaler Kommission 1904, der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Expertenkommission für die Revision der Titel 24–33 OR (1924/1925); Präsident der Ständeratskommission bei der Entstehung des ZGB und der Revision des OR. Huber, Eugen Siehe Hauptteil B. V. 2. Isler, Peter Emil * 31.1.1851 Wohlen (AG), † 10.3.1936 Lugano; Stud. der Rechtswissenschaft in Lausanne, Heidelberg, Göttingen, Berlin und Paris; 1872 Fürsprecherpatent, 1874 Notariatspatent; ab 1873 Anwalt in Wohlen, ab 1891 in Aargau, ab 1905 Wirtschaftsjurist; 1880–1897 sowie 1899–1925 Aargauer Großrat (1885–1886, 1915–1916 Präsident); 1884–1990 Nationalrat (danach keine Wiederwahl); 1890–1932 Ständerat; rad.-dem. (FDP); 1929 Ehrendoktorwürde Univ. Basel; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der Langenthaler Kommission 1904, der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Expertenkommission für die Revision der Titel 24–33 OR (1924/1925). Martin, Alfred * 16.3.1847 Genf, † 30.5.1927 Cologny; Stud. der Rechtswissenschaft in Genf; 1882 Dr. jur.; 1870–1927 Anwalt in Genf; 1884–1922 Prof. für Zivilrecht an der Univ. Genf (Dekan der jur. Fakultät 1888–1892, 1896–1904); Verfasser des Werkes „Le Code des obligations“ 1919–1922 zum OR; 1896–1898 Präsident des Schweizerischen Juristenvereins; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der Langenthaler Kommission 1904 und der großen ORExpertenkommission 1908/1909.

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Anhang

Oser, Hugo * 29.4.1863 Pfeffingen, † 16.3.1930 Freiburg; Stud. der Rechtswissenschaft in München, Straßburg, Basel; 1888 Dr. jur.; 1888–1893 Gerichtsschreiber; 1894–1912 Prof. für eidgenössisches Zivil- und Handelsrecht an der Univ. Freiburg; 1912–1930 Bundesrichter in Lausanne; Verfasser eines Kommentars zum OR im Jahre 1915, der bis heute ergänzt und fortgeführt wird; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der Langenthaler Kommission 1904, der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Expertenkommission für die Revision der Titel 24–33 OR (1924/1925). Reichel, Alexander * 23.7.1853 Paris, † 22.2.1921 Lausanne; Stud. der Rechtswissenschaft in Bern; 1877 Fürsprecher; 1886–1890 rad. Berner Großrat; 1888 Mitbegründer der SP (bis 1890 Präsident); 1891–1899 Prof. an der Univ. Bern; 1901–1905 Abteilungschef des EJPD; 1905–1920 Bundesrichter; 1905 Ehrendoktorwürde Univ. Bern; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der Langenthaler Kommission 1904. Rossel, Virgile * 19.3.1858 Tramelan, † 29.5.1933 Lausanne; Stud. der Rechtswissenschaft in Leipzig, Straßburg, Bern und Paris, 1879 Dr. jur.; 1881–1883 Anwalt; 1883–1912 Prof. für französisches Recht an der Univ. Bern; 1896–1910 Nationalrat (1910 Präsident); französischsprachiger Referent im Nationalrat; rad.-dem. (FDP); 1886 Publikation „Manuel du droit civil suisse“; 1892 Publikation „Manuel du droit fédérale de la Suisse romande“; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der Langenthaler Kommission 1904, der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Expertenkommission für die Revision der Titel 24–33 OR (1924/1925).

3. Lebensläufe der Mitglieder der großen Expertenkommission von 1908/1909 Béguelin, Edouard * 7.8.1860 La Chaux-de-Fonds, † 8.2.1945 Neuenburg; Stud. der Rechtswissenschaft in Tübingen, Leipzig, Neuenburg, Zürich und Bern; 1892 Dr. jur.; 1893–1904 Prof. für u. a. Handels- und Obligationenrecht an der Univ. Neuenburg (1913–1915 Rektor); 1895–1922 Mitglied des Kassationshofs in Strafsachen; Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Bertoni, Brenno * 7.8.1860 Lottigna, † 8.2.1945 Lugano; Stud. der Rechtswissenschaft in Genf; Anwalt; 1893–1901 Appellationsrichter und Präsident der Kriminalkammer; lib.-rad. (Gründer der Unione radicale-sociale ticinese); 1914–1920 Nationalrat; 1920–1935 Ständerat; FDP; 1921–1928 Prof. in Bern; Ehrendoktorwürde der Univ. Zürich; Mitglied der Expertenkom­ mission für das ZGB, der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Expertenkommission für die Titel 24–33 OR (1924/1925); Mitglied der italienischsprachigen Redaktionskommission (1911) zum OR.

II. Lebensläufe der Kommissionsmitglieder 

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Brosi, Albert * 7.4.1836 Olten, † 8.5.1911 Solothurn; Stud. der Rechtswissenschaft in Genf, Heidelberg und Berlin; 1861 Fürsprecher; 1862–1874 sowie 1882–1911 Anwalt; 1872–1875 sowie 1881– 1911 Nationalrat; 1875–1881 Ständerat; Führer der „Grauen Liberalen“ bis zur Vereinigung mit den „Roten Radikalen“; ab 1882 Parteileitung der „Radikalen Partei der Schweiz“; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/ 1909. Brüstlein, Alfred * 3.4.1853 Basel, † 6.4.1924 Mailand; Stud. der Rechtswissenschaft in Basel, Paris und Leipzig; Dr. jur. Leipzig; 1882–1891 Redaktor der Schweizer Grenzpost; 1891–1895 Direktor des Eidg. Amtes für Schuldbetreibung und Konkurs; 1896–1918 Anwalt in Bern; zunächst Freisinniger, später Annäherung und Mitglied der SP; 1899–1905 Berner Großrat; 1902–1911 Nationalrat; SP, rechter Flügel; Mitglied der vom Parteitag der SP eingesetzten Kommission für das OR; Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Bühlmann, Fritz Ernst Siehe Anhang II. 2. Burckhardt, Walther * 19.5.1871 Riehen, † 16.10.1939 Bern; Stud. der Rechtswissenschaft in Leipzig, Berlin und Neuenburg; 1895 Dr. jur. (als Schüler Hubers); 1896–1899 Adjunkt (ab 1905 Abteilungsleiter) der Abteilung für Gesetzgebung und Rechtspflege des EJPD; 1899 außerord. Prof. an der Univ. Lausanne; ab 1902 Prof. für allg. und schweiz. Staatsrecht an der Univ. Lausanne; 1909 Prof. für Staats- und Völkerrecht an der Univ. Bern; 1905 erschien sein „Kommentar zur Schweiz. Bundesverfassung vom 29.5.1874“; Sekretär der Expertenkommission für das ZGB und Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Decoppet, Camille * 4.6.1862 Suscévaz, † 14.1.1925 Bern; Stud. der Rechtswissenschaft in Lausanne; 1888 Anwaltspatent in Lausanne; 1888–1890, 1890–1896 Anwaltstätigkeit; 1899–1912 Nationalrat; rad.-dem. (FDP); 1900–1912 Staatsrat; ab 1911 Parteipräsident der FDP; 1912–1919 Bundesrat (Innendep.; EJPD; Mitlitärdep.); 1919–1925 Direktor des Internat. Postbüros; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Egger, August * 27.6.1875 Waldkirch, † 16.12.1954 Zürich; Stud. der Rechtswissenschaft in München, Leipzig, Berlin und Bern; 1900 Dr. jur. (als Schüler Hubers); 1905–1944 Prof. für Zivilrecht an der Univ. Zürich (1912–1914 Rektor); 1905–1923 Ersatzrichter des Zürcher Kassationsgerichts; Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Expertenkommission für die Titel 24–33 OR (1925/1925). Gobat, Albert * 21.5.1843 Tramelan, † 16.3.1914 Bern; Stud. der Rechtswissenschaft, Geschichte und Literatur in Heidelberg; 1864 Dr. jur.; 1867–82 Anwalt in Bern; 1882–1912 Regierungsrat; 1884–1890 Ständerat; 1890–1914 Nationalrat; rad.-dem. (FDP); Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909.

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Anhang

Gottofrey, Vincent * 25.5.1862 Estavayer-le-Lac, † 21.7.1919 Lausanne; Stud. der Rechtswissenschaft in Paris und Berlin; 1886–1906 Prof. (zunächst unabhängige Rechtsschule, später Univ. Freiburg); 1891–1906 konserv. Mitglied des Freiburger Grossrats; 1898–1906 Nationalrat; kons.-kath. (CVP); 1906–1919 Bundesrichter; Mitglied der Nationalratskommission für das ZGB (Berichterstatter); Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Grenier, Louis Siehe Anhang II. 2. Hitzig, Hermann Ferdinand * 25.1.1868 Burgdorf, † 26.7.1911 Zürich; Stud. der Rechtswissenschaft in Bern, Leipzig und Zürich; 1891 Dr. jur.; 1895 außerord. Prof. an der Univ. Zürich; 1897 ord. Prof. (römisches Recht und Rechtsgeschichte) an der Univ. Zürich (1898–1900 Dekan); Sekretär der ZGB-Kommission und Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Hoffmann, Arthur Siehe Anhang II. 2. Honegger, Heinrich * 6.2.1862 Zollikon, † 6.7.1940 Lausanne; Stud. der Rechtswissenschaft in Zürich und Berlin; 1885 Dr. jur.; 1886 Anwalt in Zürich; ab 1893 Bundesgerichtsschreiber; 1901–1936 Bundesrichter in Zürich; Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Huber, Eugen Siehe Hauptteil B. V. 2. Isler, Peter Emil Siehe Anhang II. 2. Jäger, Karl * 3.1.1869 St. Gallen, † 15.6.1947 Zürich; Stud. der Rechtswissenschaft in Bern und München; 1891 Dr. jur.; Sekretär des Justizdep. des Kantons St. Gallen; 1896 Mitglied des Kantonsgerichts; 1900–1937 Bundesrichter (1907–1908 Präsident); Mitwirkung am ZGB (kein Kommissionsmitglied); Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Keller, Gottfried * 4.9.1873 Zofingen, † 11.1.1945 Aarau; Stud. der Nationalökonomie und Rechtswissenschaft in München, Berlin, Lausanne und Bern; 1896 Dr. jur.; 1897 Fürsprecherpatent in Aargau; Anwalt in Aarau; 1902–1907 Aarauer Stadtrat; 1925–1929 Großrat des Kantons Aargau; 1912– 1943 Ständerat; rad.-dem. (FDP); Mitglied der großen OR-Expertenkommission von 1908/1909. Lang, Otto * 15.7.1863 Schaffhausen, † 23.3.1936 Zürich; Stud. der Rechtswissenschaft in München, Heidelberg, Berlin, Zürich und (wiederholt) Berlin; 1888–1893 Bezirksanwalt (Zürich); 1896–1900 Bezirksrichter (Zürich); 1888 Mitbegründer der SP; Mitglied der SP (1897–1902 Präsident); Verfasser des Parteiprogramms 1904; Mitglied der vom Parteitag der SP eingesetzten Kommission für das OR; 1900–1915 sowie 1920–1935 Oberrichter (Zürich); 1930 Ehrendoktorwürde

II. Lebensläufe der Kommissionsmitglieder 

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der Univ. Zürich; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Kommission für die Revision der Titel 24–33 OR (1924/1925). Laur, Ernst * 27.3.1871 Basel, † 30.5.1964 Effingen; Stud. der Agronomie in Zürich; 1896 Dr. phil.; 1898 Vorsteher des Bauernsekretariats (später Direktor des SBV); 1908–1937 Prof. für landwirtschaftliche Betriebslehre an der ETH Zürich; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Martin, Alfred Siehe Anhang II. 2. Meili, Friedrich * 2.4.1848 Hinwil, † 15.1.1914 Zürich; Stud. der Rechtswissenschaft in Zürich, Leipzig, Berlin und Jena; 1870 Dr. jur.; 1872 Anwalt Zürich; ab 1890–1912 Prof. (int. Recht; später auch schweiz. und zürch. Privatrecht sowie Schuldbetreibungs- und Konkursrecht); 1905–1912 Mitglied und Präsident des Zürcher Kassationsgerichts; Delegierter des Bundesrats und Teilnehmer an den Haager Staatskonferenzen für internationales Privatrecht und 1910 Teilnehmer an der internationalen Konferenz für Luftfahrtverkehr in Paris; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Oser, Hugo Siehe Anhang II. 2. Paschoud, David * 5.3.1845 Corsy-sur-Lutry, † 21.10.1924 Lausanne; Stud. der Rechtswissenschaft in Lausanne (Akademie); 1870–1885 Notar; 1871–1882 Richter am Bezirksgericht Lavaux; 1882– 1885 und 1893–1908 Waadtländer Großrat; 1885–1889 Staatsrat (Finanzdep.); FDP; 1889–1924 Direktor Crédit foncier vaudois; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Planta, Alfred von * 1.4.1857 Schloss Reichenau (Gemeinde Tamins), † 2.3.1922 Davos; Stud. der Rechtswissenschaft in Freiburg i. Br., Lausanne, Heidelberg, Leipzig und Zürich; 1883 Dr. jur.; ab 1885 Anwalt; 1885–1896 Kreis-, 1886–1896 Bezirksrichter; 1889–1903 Großer Rat des Kantons Graubünden (1893 und 1897 Präsident); Mitglied in zahlreichen Verwaltungsräten; 1896–1914 Nationalrat; lib.-dem. (FÖDP); Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Rossel, Virgile Siehe Anhang II. 2. Rutty, Jacques * 17.3.1849 Genf, † 22.12.1927 Genf; 1874 Lizenziat der Rechte; ab 1874 Anwalt; 1882– 1914 Ersatzrichter am Zivilgericht; 1875 Mitbegründer der Demokratischen Partei; 1878–1919 Genfer Grossrat (1890–1892 Präsident); 1893–1896 und 1902–1911 Nationalrat; 1914–1922 Ständerat; lib.-dem. (LDP); 1915–1924 Staatsrat des Kantons Genf; 1924 Richter am Kassationsgericht; Mitglied der Redaktionskommission zum ZGB 1907 und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909.

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Anhang

Scheidegger, Jakob * 24.10.1845 Kirchlindach, † 17.3.1925 Bern; Schuhmacher; 1888–1892 Leitung der Schuhmacherabteilung; 1897–1915 Präsident des Schweizer Gewerbeverbands; 1899–1910 Stadtrat in Bern; 1902–1910 Grossrat in Bern; 1908–1917 Nationalrat; rad.-dem. (FDP); Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Scherrer-Füllemann, Joseph-Anton * 17.11.1847 Itaslen, † 8.9.1924 Mammern; Stud. der Rechtswissenschaft in München und Basel; bis 1886 Anwalt in Sulgen und nebentätig als Landwirt; 1886–1891 Anwalt in St. Gallen; 1891–1894 St. Galler Regierungsrat (Justizdep.); 1894–1897 wieder Anwalt, 1897–1909 Richter am Kassationsgericht; 1890–1922 Nationalrat; soz.-pol. Gruppe (DP); Führung DP in St. Gallen; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Schindler, Eduard Zentralsekretär des schweizerischen kaufmännischen Vereins Zürich; Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Ansonsten keine weiteren Daten übermittelt. Schmid, Franz * 30.9.1841 Altdorf (UR), † 30.11.1923 Lausanne; Stud. der Rechtswissenschaft in München, Leipzig und Heidelberg; 1864 Dr. jur.; Fürsprecher; 1880–1893 Staatsanwalt; 1904–1923 Bundesrichter (1923 Präsident); 1874–1876 sowie 1903–1905 Regierungsrat; 1882–1890 Ständerat; 1890–1904 Nationalrat; kath.-kons. Gruppe (CVP); 1898 priorisierte er das ZGB vor dem StGB; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Wieland, Karl * 30.8.1864 Basel, † 21.9.1936 Basel; Stud. der Rechtswissenschaft in Basel und Göttingen; 1887 Dr. jur.; Attaché an der Schweizer Gesandtschaft in Paris; 1892 Anwalts- und Notarpatent; 1897–1905 (außerord.) und 1905–1935 ord. Prof. für Handels- und Zivilrecht an der Univ. Basel (1909 Rektor); 1897–1930 Richter am Appellationsgericht Basel; Schweizer Vertreter bei internationalen Konferenzen betreffend das Wechselrecht; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB, der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 und der Kommission für die Revision der Titel 24–33 OR (1924/1925). Winiger, Josef * 24.1.1855 Zell, † 9.8.1929 Luzern; Stud. der Rechtswissenschaft in Innsbruck, Basel und Heidelberg; 1879 Anwaltspatent; 1878–1892 Obergerichtsschreiber; 1891–1929 Luzerner Grossrat; 1892–1929 Redakteur beim „Vaterland“ (ab 1901 Chefredakteur); 1897–1929 Ständerat (1910–1911 Präsident); kath.-kons. Gruppe (CVP); involviert in die Fassung des Parteiprogramms der CVP; Mitglied der Kommission für Gesetzgebungsfragen und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909. Wirz, Adalbert * 16.6.1848 Sarnen, † 14.9.1925 Sarnen; Stud. der Rechtswissenschaft in Freiburg, Basel, Zürich und Heidelberg; 1876–1901 Zivilgerichtspräsident; 1910–1925 Obergerichtspräsident; 1885–1925 Kantonsrat (1886, 1912 Präsident); 1901–1910 Regierungsrat; 1902–1925 Ständerat

II. Lebensläufe der Kommissionsmitglieder 

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(1906 Präsident); kath.-kons. Gruppe (CVP); 1912–1917 Erster Präsident der Schweiz. kons. VP; Mitglied der Expertenkommission für das ZGB und der großen OR-Expertenkommission 1908/1909.

4. Spezialexperten für die Dritte Session (Dienst-und Werkvertragstitel) Abt, Heinrich * 22.6.1854 Bünzen, † 15.11.1937 Bünzen; 1887–1906 Lehrer an der landwirtschaftlichen Winterschule Brugg; Herausgeber der Zeitschriften „Genossenschaftler“ und „Schweizerische Bauernzeitung“; Mitglied des Schweizerischen Bauernverbandes; 1911–1919 Nationalrat; rad.dem. (FDP); Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 als Spezialexperte für die 3. Session, jedenfalls als Vertreter des Bauernsekretärs Laur. Bieder, Hermann Generalsekretär des Vereins der Hotelangestellten; Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 als Spezialexperte für die 3. Session. Ansonsten keine weiteren Daten übermittelt. Jordan Generalsekretär des Vereins der schweizerischen Geschäftsreisenden; Mitglied der großen OR-Expertenkommission 1908/1909 als Spezialexperte für die 3. Session. Ansonsten keine weiteren Daten übermittelt.

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Amtliches stenographisches Bulletin der Bundesversammlung Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 16. November 1906, S. 1031–1052. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 7. Dezember 1906, S. 1215–1252. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 9. April 1907, S. 111–165. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 19. Oktober 1909, S. 459–500.

Quellenverzeichnis Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 25. Oktober 1909, S. 593–610. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1909, S. 611–638. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1909, S. 639–654. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 7. Dezember 1909, S. 735–754. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 8. Dezember 1909, S. 755–763. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 13. Juni 1910, S. 157–168. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 16. Juni 1910, S. 225–234. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 17. Juni 1910, S. 235–242. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 26. Oktober 1910, S. 343–360. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 2. November 1910, S. 281–296. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 3. November 1910, S. 297–298. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 3. November 1910, S. 489–500. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Nationalrates vom 13. Juni 1911, S. 149–151. Sten. Bulletin, Verhandlungen des Ständerates vom 13. Juni 1911, S. 83–84.

Diskussionsbeiträge der Mitglieder des Schweizerischen Juristenvereins Soldan, ZSR n. F. 1900 (1900), S. 709–710. Honegger, ZSR n. F. 19 (1900), S. 711–712. Huber, ZSR n. F. 19 (1900), 713–716. Heusler, ZSR n. F. 21 (1902), S. 635–637. Huber, ZSR n. F. 21 (1902), S. 638. Brenner, ZSR n. F. 21 (1902), S. 638–639. Albisser, ZSR n. F. 21 (1902), S. 639–640. Lotmar, ZSR n. F. 21 (1902), S. 640–641. Siegmund, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, S. 213–215. Winkler, Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1904, S. 220–221. Friedrich, ZSR n. F. 102 (1983), Heft 2, S. 565–569. Kraus, ZSR n. F. 102 (1983), Heft 2, S. 581–583. Balastèr, ZSR n. F. 102 (1983), Heft 2, S. 583–585.

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Quellenverzeichnis

Berichte der Referenten Bucher, ZSR n. F. 102 (1983), Heft 2, S. 557–560. Vorbemerkungen Burckhardt, ZSR n.F.22 (1903), S. 687–689. Ausführungen zum Korreferat von Waldkirch, ZSR n. F. 22 (1904), S. 703–714.

Deutsches Bundesgesetzblatt BGBl. 2001 I, Nr. 61, 29. November 2001, Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, S. 3138–3218.

Sachwortverzeichnis ABGB  21 f., 189 Abgrenzungsschwierigkeiten 27 Abstraktionsgrad 45 Adaption  73, 80 Aktiengesellschaft  35, 41, 51, 54, 73, 134 ff., 182 Alleinstellungsmerkmal 56 Allgemeiner Teil – des OR  53 ff., 75 ff., 148, 185 – Entscheidung über einen Allgemeinen Teil entsprechend dem BGB  32 ff. Altes Obligationenrecht (s. Obligationenrecht) Amendements 78 Amtssprache  48, 100, 183 Änderungsanträge  52, 86 f., 88 f. Angleichung 58 Angliederung 38 Anpassung  57 ff., 93 ff. Arbeiterbund 65 Arbeiterschaft 58 Arbeitervertreter 58 Arbeitsbranche 66 Arbeitsgesetz 183 Arbeitsordnung  114 ff., 176 Arbeitsrecht  26, 59, 109 ff. Arbeitsvertrag – Bezeichnung des Vertrags nach der Revision 1967/1971  184 – Werk Lotmars  109 Arbeitsweise – der Expertenkommission  72 ff. – der Kommission des Nationalrates  84 ff. – der Kommission des Ständerates  88  – der Langenthaler Kommission  49 ff. – der vereinigten Kommissionen  90  Artikelzahl  90 ff. Auftrag  81, 105 f., 172 Auslobung 39 Ausscheidung  34, 51 Ausschuss 65 Aussonderung  41, 43 ff., 79 ff., 133 ff.

Bauernsekretär 68 Bauernverband  59, 65, 158 ff. Begünstiger 97 Beratungsgrundlage 75 Beratungsstadium 64 Bereicherung (s. Verjährung von Bereicherungsansprüchen) Bericht – des Bundesrates 1909  78 ff. – Motivenbericht Hubers  47 ff., 55 Berichterstatter der nationalrätlichen Kommission  84 ff. Berufsverbände  47, 77 Besonderer Teil  75 ff., 148 BGB 20, 40, 45, 56, 80 ff., 85 ff., 126 ff., 131 ff., 136 ff., 143 ff., 159 f., 189 Botschaft des Bundesrates – Revision des Verjährungsrechts (November 2013)  132 – vom 21. Februar 1928  182 – vom 3. März 1905 (s. Entwurf) – zum Entwurfe eines schweizerischen ZGB (vom 28. Mai 1904)  54 Bundesarchiv 122 Bundesbehörde 67 Bundesgericht (s. Schweizerisches Bundesgericht) Bundesgesetzgebung 21 Bundeskanzlei 166 Bundesrat 24 Bundesstaat 19 Bundesverfassung 20 Bundesversammlung  84 ff. Code Civil  20 f., 131, 189 Code unique  25, 35, 44, 54, 133 ff., 190 Christlich-Demokratische Partei  70 Deliktsrecht  146 f., 161 f. Demokratische und Arbeiterpartei  70 Detailberatung  52 ff., 75 ff., 88

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Sachwortverzeichnis

Deutschschweizer 100 Dienstvertrag/Dienstvertragsrecht  55, 61, 65, 69, 82, 86 ff., 101 ff., 172, 175 ff., 182 ff. – Dienstvertragsbegriff  99, 105 – Dienstvertragsrechtsregime 55 – Dienstvertragstitel  41, 16 f., 183 – Konzeption Lotmars  114 ff. Differenzbereinigung  90 f. Differenzen  45, 89 ff. Diktion 53 Divergenzen  37, 100 Doktrin  50, 175 ff. Dresdner Entwurf (s. Entwurf) Druckfehler 95 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement  28, 42 ff., 164 ff. Eingliederung  34 ff. Einseitigkeit 111 Einzelantrag 78 Entstehungsgeschichte  16 f. Entwicklungslinien 55 Entwurf – Dresdner Entwurf  24, 50 – Entwurf 1909  78 ff. – Entwurf Hubers 1903  53 – Handelsrechtsentwurf 1864  22 ff. – Revisionsentwurf 1905  54 ff. – Revisionsentwurf Titel 24 bis 33  181 Erbrecht  40, 54, 65 (Recht auf) Erfindungen  104 Ergänzung  62 ff. Eventualanträge 78 Existenzberechtigung 39 Expertenkommission (s. Kommission) Extrakt 40 Fahrigkeit  130, 178 Fakultätskollege 66 Familienrecht  40, 54, 65 Fehlentscheidung 62 Fehlinterpretationen 41 Fiktion 37 Formerfordernis  127 ff. Fortentwicklung 50 Freisinnig-Demokratische Partei  31, 70, 86, 167 ff. Friktionen  18, 99

Generalsekretär 68 Genossenschaften  41, 51, 54, 73, 134 ff., 182 Germanisierung 22 Gesamtarbeitsvertrag  106, 123, 184 Gesamtkodifikation  15, 187 Gesamtvereinheitlichung 23 Geschäftsfirmen und Geschäftsbücher 79, 134 ff., 182 Geschäftsgrundlage 144  Geschäftsreisende 162 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 57, 182 Gesellschaftsrecht  133 ff. Gesetzesredaktion (s. Redaktion) Gesetzesredaktor  30 ff. 46, 77 Gesetzgebungsautonomie 23 Gesetzgebungskompetenz  16, 23, 28, 39 Gesetzgebungstechnik 36 Gewährleistungspflicht 81 Gewerbeverein  65, 68 Gleichartigkeit 99 Gleichwertigkeitserklärung 99 Grundausrichtung  42, 60 f., 150 Gründerväter 24 Grundstimmung 43 Grundstückskauf  26, 57, 61, 146, 158 f. Grütliverein 172 Gutachten – der Professoren und Bundesrichter ​34 ff. – des Schweizerischen Bundesgerichts ​33 f. – Lotmars zum Gesetzesentwurf 1905  109, 112 ff. Haftung des Werkeigentümers 89 ff., 147, 178 Handelskammer – Basel 160  – Zürich  59, 160 ff. Handelsrecht  23, 35, 73, 133 ff. Handelsregister  79, 134 ff. Handelsreisende 66 (unerlaubte) Handlung  41, 146 f., 161 f. Harmonisierung  64, 94 ff. Helvetische Republik  19 Heterogenität 20 Hotelangestellte 66 Huber Memorial (s. Memorial) Humanist 108

Sachwortverzeichnis Hypothekendarlehen 37 Idealismus 170 Identität (mehrsprachiger Gesetze)  99 Individualität  50, 190 Industrieverein 65 Initiatoren  42 ff. Inkongruenz 45 Innovative/Innovation  50, 63, 188 Integrationsleistung  25, 45 Interessensverbände  47, 63, 77 ff., 157 ff. Interessensvertretung  58 ff., 69 Interpretationsregel 37 Irrtum  41, 96, 137 ff. 143 ff. – Grundlagenirrtum  87, 143 ff. – Juristentag 1900  38 ff., 102, 150 f. – 1902  71, 102, 109 ff., 151 f. – 1903  152 f. – 1904  153 f. Justizdepartement (s. EJPD) Justizminister (s. Vorsteher) Kantone  20 ff. Katalysatorrolle 30 Kaufmännischer Verein  59, 102, 156 Kaufvertragsrecht 81 Kernprivatrecht 15 Klassenkampf 172 Klientelsinteressen  77, 163 Kodifikation/Kodifikationswerk  21 f., 40, 56 Kodifikationsaufgabe  20, 63 Kohärenz  93, 127 Kollektivarbeitsrecht 114  Kommandit und Kollektivgesellschaft  74, 79, 134 ff. Kommentatoren 48 Kommission 45 – Bundesversammlungskommissionen 64 – des Nationalrates  84 ff. – Expertenkommission  59 ff., 62 ff. – Expertenkommission für die Revision der Titel  24 bis 33 181 – Gesamtkommission  65 ff. – Große Obligationenrechtskommission  66 – Kommissionsmitglieder  46 ff., 62 ff., 84 ff., 87 ff., – Kommissionsverhandlungen  58, 65

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– Kommissionszusammensetzung 48, 58, 62 – Langenthaler (Spezial)-Kommission 46, 49 ff., 60 ff., 69 – Redaktionskommission  91 ff. – Spezialkommission der Sozialdemokratischen Partei 1904  172 f. – Subkommission für den Dienstvertrag ​ 65 ff., 165 – Vereinigte Kommissionen  89 ff. – Vorkommission  72 ff. – ZGB-Kommission  69 ff. Kompetenzbereich 37 Kongruenz  27, 37, 57, 93 ff. Konkurrenzverbot  105 f., 123, 162 Konnexität  42, 63, 69, 91 Kontinuität – personelle Kontinuität  63 ff. – Rechtskontinuität  40, 186 ff. Konzeptionsphase 60 Korreferent  41 f., 111 Korrekturen  55 ff. Kräfteverhältnisse  86, 188 Kündigung  115, 184 Landwirtschaft  60, 158 Lehrvertrag  106, 176 Liegenschaftskauf  37, 39, 56 Lohnfortzahlungsanspruch  89, 110 ff., 118 ff., 161 f., 184 Lückenhaftigkeit  44, 101 Magistrat 170 Majoritätsprinzip 174 Mäklervertrag  26, 80, 146 Mandat (s. Auftrag) Marschroute 52 Memorial  32 f. Mieterverein  159 f. Mietrecht / Mietvertrag  78, 82, 159 f. Missstand 37 Monumentalereignis 15 Motivenbericht (s. Bericht) Nachbildung 50 Nationalrat  59 ff., 84 ff. Neueinfügung 59 Neuordnung (des Dienstvertragsrechts)  102

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Sachwortverzeichnis

Nichtnormierung 39 Normalvertrag 176 Normenkomplexe  147 f. (Altes) Obligationenrecht  22 ff., 39 f. 48, 61, 83 Originalfassung 45 Pachtvertragsrecht 82 Parlament 59 Partikularrecht 100 Partnerschaft 185 Personalidentität/Personalunion  66, 68 Personenrecht  22, 40, 54 PGZ  20 ff. Pietätspflicht 92 Planungssicherheit 60 Postulate  61, 122, 158 ff. Prämisse  50, 172 Präsident – der Kommission des Nationalrates  84 ff. – der Kommission des Ständerates  87 ff. – der Spezialkommission der Sozialdemokratischen Partei  172 Präsumtion 37 Praxisferne 40 Präzisierung  59, 106, 113 Privatautonomie  26, 101, 139, 185 (Kantonale) Privatrechtskodifikationen  21, 27 Privatrechtspluralismus  15, 161, 191 Privatrechtsvereinheitlichung (s. Rechtsvereinheitlichung) Prognose 61 Proporzwahlrecht 174 Prototypen 20 Provisorium 73 Prozedur/Prozedere  61, 63 Recht auf Erfindungen (s. Erfindungen) Rechtsbeständigkeit 41 Rechtsbuch/Rechtsbücher 36 Rechtsdualismus  27, 35 Rechtseinheit  18, 21, 38, 100 Rechtsfortschritt  62, 85 Rechtsmangel  81 f., 146 Rechtspraxis  38, 42, 50, 69 Rechtsprechung 37 Rechtsquellen 22

Rechtssetzungskonzept 22 Rechtssicherheit  43, 186 ff. Rechtstexte  41, 83 Rechtsübung 40 Rechtsunsicherheit 113 Rechtsvereinheitlichung  21, 22 Rechtsvielfalt 21 Rechtszersplitterung 25 Redaktion  37 f., 57 f., 79, 91 ff. – redaktionelle Mängel des Schenkungsrechts  127 ff. Redaktionsanträge  88 f. Redaktionskommission (s. Kommission) Referat – Hubers  74 ff. – Lotmars  109 ff. Referent – der Bundesversammlung  66 – der Expertenkommission  67, 77 Reformgedanken 22 Regelungsdichte  26, 82, 176 Replikation 50 Resolutionsfassung  111, 152 ff. Reuerecht  87, 145 Revision – des Dienstvertrages 1967/1971 122 ff., 182 ff. – Revisionsetappe,  60 ff., 82 ff. – Revisionswege/Revisionsmöglichkeiten ​33, 48 ff. – Totalrevision 2020  185 f. – 1936/37  135, 181 f. Revisionsbedarf  24 ff., 37 ff. Rezension  18, 175 ff. Rezeption 39 Rigorismus 132 Romanist 108 Rügeobliegenheit 132 Sachenrecht  29, 32, 40, 54 Sächsisches BGB  133 Sachverständige  48, 65 ff. Satelliten 19 Schenkung  37 ff., 56 ff. 61, 126 ff., 161, 178 Schuldrecht des BGB  81 Schuldübernahme  55, 145 f., 161 Schweizerischer Juristenverein  27, 38 ff., 51, 54, 149 ff.

Sachwortverzeichnis Schweizerisches Bundesgericht  32, 33 ff., 36, 42 ff., 185 Schweizervolk 42 Schwerfälligkeit 44 Selbstaufgabe 99 Sensibilisierung 94 Session  67 ff. Sitzungsablauf  74 ff. Solothurner Hochzeit  171 Sonderprivatrecht 25 Sonderstellung  91, 136, 178, 188 Sortiment 42 Sozialdemokratische Partei 58, 70, 77, 86, 103, 114 ff., 171 ff. Sozialistengesetz 108 Spezialexperten  29, 69 Spezialgesetz / Spezialgesetzgebung / Spezialgesetzbuch  30, 35, 39 ff., 49 ff., 73 f., 79, 92 Sprachfassung  99, 176 Sprachgrenzen  45, 100 Ständerat  59 ff., 87 ff. Status quo  52 Stichentscheid  75, 169 Strukturverwandtschaft 127 System 79 – Systematik  40, 54, 92 – Systematisierung 51 – Systemgedanken 131 Tagessatzung 19 Tarifvertrag  104 ff., 110 ff., 176 Teilvereinheitlichung 25 Tenor 53 Terminkollision 67 Terminologie/Terminus  37, 41, 45 f., 57, 93 ff., 179 Totalrevision (s. Revision) Transparenz 58 Übersetzungsfehler  96 ff. Überzeugungskraft (Hubers)  86 Umbildungsphase 54 Unfall- und Krankenversicherungsgesetz  121 f. Unifizierung 39 Unvollkommenheit 55 Unvollständigkeit (des aOR)  39

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Urheber/Urheberschaft  16, 30 ff., 188 Vereinheitlichungsprozess  21, 25, 163, 176 Verfassungsrevision  15, 22, 27 f., 39, 164 Vergleich 57 Verhandlungsprotokoll 52 Verjährung – Deliktsverjährung  131 ff. – Verjährungsrecht  56, 130 ff. – von Bereicherungsansprüchen  130 ff., 177 f. Verkehrssicherheit 43 Vernachlässigung 94 Vernehmlassungen 49 Verpfründung 26 Versicherungsverträge 37 Verständlichkeit  44 f. Versteigerung 39 Vervollständigung  56 f. Verzug (des Arbeitgebers)  104 Viehgewährleistung  57, 82, 146, 158 f. Visionär 179 Volksabstimmung 39 Volksreferendum 100 Volkstümlichkeit 45 Vorbereitungsphase  32 ff., 60 Voreingenommenheit 63 Vormänner 98 Vorsteher – der Langenthaler Kommission  52 ff. – des EJPD  48, 68, 166 ff. Wahlrecht  140 ff. Wechselrecht  35, 41, 51, 54, 73, 134 ff. Weichenstellung  155 ff. Weitschweifigkeit 44 Werkvertrag  67 ff., 105, 114 ff., 172 Wertpapiere  41, 54, 79, 134 ff., 182 Wesensgehalt 104 Wiederholungsgefahr 44 Wortbeiträge 77 Wuchertatbestand  89, 136 ff. Zeitdruck 83 ff. 130 ff. Zentralsekretär 68 ZGB  27 ff., 39, 61, 129, 189 Zivilrechtswissenschaft  43, 177 ff.