Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge [1 ed.] 9783428475711, 9783428075713

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Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge [1 ed.]
 9783428475711, 9783428075713

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ACHIM LAUBER-NÖLL

Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 66

Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge

Von

Achim Lauber-Nöll

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lauber-Nöll, Achim: Die Rechtsfolgen fehlerhafter Untemehmensverträge / von Achim Lauber-Nöll. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 66) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07571-4

NE:GT

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 21 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-07571-4

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1991/92 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms - Universität zu Münster als Dissertation angenommen. Sie wurde von Herrn Prof. Dr. Wolfram Timm betreut, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich danken möchte. Das Manuskript wurde im Dezember 1991 abgeschlossen. Später erschienene Veröffentlichungen konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Gießen, im Juli 1992

Achim Lauber-Nöll

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Problemstellung

A. Zu den Wirkungen von Unternehmensverträgen

................ . .

13

B. Fragestellung und Begrenzung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

C. Gang der Untersuchung

19 Erster Teil

Überblick über den Meinungsstand

A. Gründe für die seltene Behandlung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Ansätze zur Vermeidung von Nichtigkeitsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beschränkung der Nichtigkeit entgegen der Regel des § 139 BGB

22 22

11. Einschränkung der Geltendmachung der Nichtigkeit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

23

III. Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft ....... 1. Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Grundsätzliche Zustimmung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Differenzierende Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein ausreichender Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Konzernrecht durch die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bestandsschutz für sogenannte Altverträge im GmbH-Konzernrecht nach anderen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anwendung der §§ 241ff. AktG auf den Unternehmensvertrag ......

24 24 25 26 26 28

VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

29 30 30

Zweiter Teil Die Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf Untemehmensverträge

A. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Methodische Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33

11. Grundlagen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ..........

35

8

Inhaltsverzeichnis 1. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft als Institut des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlerhafte Vertragsänderungen .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Dogmatische Grundlagen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft 1. Die Theorie vom faktischen Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen 3. Die Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsvertrages

35 38 39 39 39 40

B. Zur Rückabwicklungsfähigkeit von Unternehmensverträgen ........... I. Die Ansicht des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 41

11. Die Funktionsunfähigkeit des Bereicherungsrechts ... . 1. Gewinnabführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückabwicklung nach anderen Regeln?

42 42 43 44

Zur Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages als Begründung für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft I. Der Begriff des Organisationsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 49

c.

II. Schaffung einer Verbandsstruktur durch Unternehmensverträge?

51

III. Änderung der Verbandsstruktur durch Unternehmensverträge ...... 1. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen aus der Rechtsnatur der Unternehmensverträge .......

54 54 57 59 59

VI. Zwischenergebnis

62

D. Das Verhältnis der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu den §§ 241ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geltung der §§ 241 ff. AktG für fehlerhafte Satzungsänderungen .... . 11. Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft bei Nichtigkeit oder Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses ? . . . . . . . . . . . . . 1. Die §§ 241 ff. AktG als gesetzliche Teilregelung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses und die Folgen für den Unternehmensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die grundSätzliche Zulässigkeit der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die ex tunc Wirkung der Anfechtung c) Auswirkungen auf Unternehmensverträge ......... . d) Korrektur durch die fehlerhafte Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . E. Beschränkungen des Anwendungsbereichs der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft bei fehlender Gesellschafterzustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Zustimmung bei der beherrschten Gesellschaft ....... . 2. Fehlende Zustimmung bei der Obergesellschaft . . . . . . . . . . . . . .

62 62 64 64

66 66

67 68

69 75 75 75

76

Inhaltsverzeichnis

9

11. Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft trotz fehlender Handelsregistereintragung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis: Nur beschränkter Anwendungsbereich der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

79 82

3. Teil Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

A. Ansätze eines Bestandsschutzes für Altverträge im GmbH-Konzernrecht I. Zur Erforderlichkeit eines Bestandsschutzes für Altverträge ........ 11. Die bisherige Praxis als Gewohnheitsrecht?

84 84

..................

85

III. Die Wirksamkeit der Altverträge im GmbH-Recht als Problem intertemporalen Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

IV. Bestandsschutz nach den Grundsätzen von Treu und Glauben? ....

91

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . I. Erfordernis einer Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92

II. Grenzen einer Rechtsprechungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

III. Beispiele richterlicher Übergangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . .

98

IV. Erfordernis einer generellen Lösung für das GmbH-Konzernrecht ..

101

V. Voraussetzungen für eine Analogie zu gesetzlichen Übergangsvorschriften 1. Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Regelungsgehalt des § 22 EG AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleichbarkeit der Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zur Verpflichtung der Gesellschafter, an der Heilung der Altverträge mitzuwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auswirkungen der Anwendung des § 22 EG AktG auf die Haftung des herrschenden Unternehmens wegen fehlender Eintragung der Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse

102 102 102 103 103 105 110 112

Vierter Teil Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln von Untemehmensverträgen

A. Die Problematik inhaltlicher Fehler in Unternehmensverträgen . . . . . . . .. 114 I. Die Beschränkung der Nichtigkeit auf den fehlerhaften Vertragsteil ... 114 II. Auswirkungen fehlerhafter Vertragsklauseln, dargestellt am Beispiel unwirksamer Kündigungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Die Anwendbarkeit der §§ 241ff. AktG auf den Unternehmensvertrag .... I. Begründung einer entsprechenden Anwendung der §§ 241ff. AktG 1. Der Zustimmungsbeschluß als Wirksamkeitserfordernis für den Unternehmensvertrag ... . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur "eigenständigen Bedeutung" des Vertrages . . . . . . . . . . . . . .

121 121 121 122

10

Inhaltsverzeichnis

3. Die Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses für den Inhalt des Unternehmensvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgen der besonderen Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses ... 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Mögliche Einwände gegen eine Anwendung der §§ 241ff. AktG 1. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steht §29314 AktG der Anwendbarkeit der §§241ff. AktG entgegen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Scheitert die Anwendung der §§241ff. AktG daran, daß auch der Vertragspartner betroffen ist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gibt es lediglich anfechtbare Vertragsregelungen? .......... d) Heilung nichtiger Vertragsklauseln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Eintragung der Hauptversammlungsbeschlüsse . .. bb) Ausnahme von §242 AktG für Satzungsänderungsbeschlüsse? cc) Wirkungslose Beschlüsse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geltung der §§ 241 ff. AktG bei der GmbH? . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik an der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erfordernis einer Anfechtungsklage für Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorläufig wirksame Beschlüsse bei der GmbH? .. . . . . . . . . .. e) Folgerungen für Unternehmensverträge . . . . . . . . . . . . . . . ..

C. Vertragliche Regelungen in Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . .. I. Zulässigkeit von Kündigungsregelungen in Unternehmensverträgen ... 1. Zulässigkeit der Vereinbarung einer ordentlichen Kündigung ..... 2. Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bei der ordentlichen Kündigung . 3. Konkretisierung des wichtigen Grundes im Beherrschungsvertrag? 4. Exkurs: Ist die Anteilsveräußerung ein wichtiger Grund zur Kündigung des Vertrages? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Evidente Rechtsverletzung bei Konkretisierung des wichtigen Grundes? 11. Vereinbarungen über den Umfang des Weisungsrechts nach § 308 AktG . 1. Einschränkung des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit eines Teilbeherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . b) Völliger Ausschluß des Weisungsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausdehnung des Weisungsrechts über den gesetzlichen Umfang des § 308 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Abschließender Charakter des § 308 AktG? . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Satzung der abhängigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . bb) Bestandsschutz für die abhängige Gesellschaft cc) Beschränkung auf das Konzerninteresse 3. Bevollmächtigung des herrschenden Unternehmens 4. Zustimmungsvorbehalte

123 125 126 127 127 127 128 129 131 131 132 133 136 136 136 137 138 141 142 143 143 144 144 145 146 147 150 150 151 152 152 152 154 154 156 157 158 160

Inhaltsverzeichnis IH. 1. 2. IV.

5. Vereinbarungen über Bilanzierung und Bilanzierungswahlrechte Regelungen für den Zeitraum nach Vertragsbeendigung Anspruch auf Wiederaufbauhilfen ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluß von Wiederaufbauhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsklauseln in Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 161 163 164 165 167

V. Heilbarkeit der nichtigen Vertragsklauseln ? 170 D. Weitere Fehlerquellen bei Unternehmensverträgen . . . . . . . . .. 171 I. Verträge mit Nichtunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 H. Nichtigkeit bei falscher Bezeichnung des Unternehmensvertrages? E. Zur Amtslöschung bei Unternehmensverträgen

175 176

Fünfter Teil

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

180

Literaturverzeichnis

183

Einleitung und Problemstellung A. Zu den Wirkungen von Untemehmensverträgen Der Beherrschungsvertrag wird zu Recht als Angelpunkt des Konzernrechts bezeichnet!. Durch ihn unterstellt eine AG oder KGaA die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen 2 • Das andere Unternehmen ist aufgrund des Vertrages berechtigt, dem Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Neben dem Grundprinzip der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand (§ 76 AktG) ist in der beherrschten Gesellschaft auch die Kapitalbindung zugunsten des herrschenden Unternehmens aufgehoben 3 . Zustimmungserfordernisse des Aufsichtsrates gelten nach § 308 III AktG nur noch eingeschränkt. Darüber hinaus wird der gesamte Unternehmenszweck geändert und am Konzerninteresse ausgerichtet. Die Gesellschaft gibt ihr Eigenleben auf4 •

In der Praxis werden Beherrschungsverträge oftmals mit einem Gewinnabführungsvertrag zu einem sogenannten Organschaftsvertrag verbunden5 . Bereits diese Bezeichnung deutet auf die besonders wichtigen steuerrechtlichen Auswirkungen dieser Verträge hin. Der Gewinnabführungsvertrag ist Voraussetzung der körperschaftssteuerlichen Organschaft. Der Beherrschungsvertrag hat zumindest insofern auch steuerliche Bedeutung, da nach § 14 Nr. 2 KStG die für die Anerkennung der Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung unwiderlegbar vermutet wird. Der Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einer abhängigen GmbH hat gleichfalls gravierende Auswirkungen. Die Weisungskompetenz der Gesellschafterversammlung wird auf die herrschende 1 Begr. Reg. Entw. zum Dritten Buch des AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, S. 374; zustimmend Emmerich I Sonnenschein, § 8 I (S. 143); Bälz, 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 177, 190. 2 Siehe § 291 AktG. 3 Emmerich / Sonnenschein, § 811 1 (S. 145). 4 So die plastische Formulierung bei Flume, DB 1956,455,456. 5 Nach der Regierungsbegründung zum AktG 1965, Vorbem. zum Dritten Buch, abgedruckt bei Kropff, S.374, ist die Kombination dieser Verträge die Regel; siehe auch Krieger, Münchener Handbuch AG, §70 Rn.1; Rechtstatsächliches bei Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. §291 Rn. 13; Geßler, in: GeBier / Hefermehl, Vorb. § 291 Rn.8; Vertragsmuster bei Hoffmann-Becking, Münchener Vertragshandbuch, Form IX. 2.

Einleitung und Problemstellung

14

Gesellschaft übertragen, der Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausgerichtet und es wird in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingegriffen6 .

B. Fragestellung und Begrenzung des Themas Was geschieht, wenn ein derartiger Vertrag - aus welchen Gründen auch immer - unwirksam ist? Ist der Vertrag nach allgemeinen Grundsätzen rückabzuwickeln oder scheidet dies schon wegen der "Macht der Tatsachen" aus? Allgemeiner gefragt: Was sind die Folgen eines nicht den Vorschriften entsprechenden oder sonst nicht wirksam zustandegekommenen Unternehmensvertrages? Auf diese Fragen soll in der vorliegenden Arbeit eine Antwort gegeben werden. Besondere Relevanz besitzt diese Fragestellung für das gesetzlich nicht geregelte GmbH-Konzernrecht: Der BGH hat im Supermarkt - Beschluß? die Anforderungen für die zivilrechtliche Wirksamkeit von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit abhängigen GmbH festgelegt: Bis zu diesem Beschluß richtete sich die Praxis überwiegend allein nach den

§§ 14ff. KStG. Danach ist für die steuerliche Anerkennung von Gewinnabfüh-

rungsverträgen die Schriftform erforderlich sowie die Zustimmung der Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft mit einer Mehrheit von V4 der abgegebenen Stimmen. Außerdem muß eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart und die Abführung von Erträgen aus der Auflösung von freien vorvertraglichen Rücklagen ausgeschlossen werden. Demgegenüber verlangt der BGH zur zivilrechtlichen Zulässigkeit zunächst ebenfalls die Zustimmung der Gesellschafter der beherrschten GmbH. Der Unternehmensvertrag sei kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag, der satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft ändere. Der Abschluß eines Untern ehmensvertrages sei daher von der Vertretungsmacht des Geschäftsführers nicht mehr gedeckt und deshalb ohne Zustimmung der Gesellschafter unwirksam 8 . Der Zustimmungsbeschluß bedürfe wegen des materiell satzungsändernden Charakters der Eintragung im Handelsregister. Der durch einen Unternehmensvertrag bewirkte Eingriff habe nicht nur einer Satzungsänderung vergleichbare Wirkung, sondern auch entsprechende Bedeutung. Entsprechend den §§ 53, 54 GmbHG sei daher die notarielle Beurkundung und die HandelsBGHZ 105, 324, 33l. BGHZ 105, 324. 8 Der BGH hat allerdings offengelassen, mit welcher Mehrheit ein derartiger Zustimmungsbeschluß gefaßt werden muß. 6

7

B. Fragestellung und Begrenzung des Themas

15

registereintragung erforderlich. Außerdem bedarf der Vertrag nach Ansicht des BGH zur Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der herrschenden Gesellschaft. Der BGH begründet dies mit einer analogen Anwendung von § 293 H AktG. Die mit dem Abschluß des Vertrages verbundene Verlustübernahmepflicht der herrschenden Gesellschaft stelle sich als vertragliche Dauerverpflichtung dar, die den jährlichen Gesellschaftergewinn schmälern und bei anhaltend schlechter Ertragslage auch zur Existenzfrage bei der herrschenden Gesellschaft werden könne 9 • Dieses erhöhte Geschäftsrisiko mache das Gesetz von der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Aktionäre abhängig. Die auch nach der Entscheidung noch umstrittenen Abschlußvoraussetzungen von Unternehmensverträgen im GmbH-Recht sollen hier nicht nochmals erörtert werden lO • Die Ergebnisse des Supermarkt-Beschlusses werden hier im wesentlichen zugrunde gelegt. Trotz der auch von Teilen der Rechtsprechung ll geäußerten Kritik ist angesichts der überzeugenden Begründung des BGH-Beschlusses kaum damit zu rechnen, daß der H. Senat seine Ansicht ändern wird. Vielmehr soll den Problemen nachgegangen werden, die sich daraus ergeben, daß nahezu alle (alten) Unternehmensverträge mit abhängigen GmbH den genannten Anforderungen nicht entsprachen oder unter Umständen auch heute noch nicht entsprechen 12 • Ist es notwendig, alle alten Unternehmensverträge an die neuen Anforderungen anzupassen? Dies haben zumindest viele größeren deutschen Aktiengesellschaften, die Organschaftsverträge mit abhängigen GmbH abgeschlossen haben, bereits im Jahre 1990 getan. Sie hatten jedenfalls ZustimmungsbeBGHZ 105, 324, 336. Siehe dazu aus der Zeit vor dem Supennarkt-Beschluß: Timm, BB 1981, 1491; ders., GmbHR 1987, 8; Gutbrod, BB 1980, 288; Hönle, DB 1979, 485; Priester, ZGRSonderheft 6, 151 ff.; Esch, BB 1986, 272; Hachenburg / Ulmer, (7. Auf!.) § 53 Rn. 130ff.; Scholz / Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rn. 228ff. und 290ff.; Lutter, ZGR-Sonderheft 6,192, 195ff.; Kort, passim; Lutter / Hommelhoff, NJW 1988,1240; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 616; Rehbinder, FS Fleck, 253. Aus der Zeit nach der BGH Entscheidung: Ulmer, BB 1989, 10; Hachenburg / Ulmer, § 53 Rn. 140ff.; Timm, GmbHR 1989,11; ders., NWB Fach 18, S. 3039; Henze, ZAP, Fach 15, S. 7; Hecksehen, DB 1989,29; ders., DB 1989, 1273; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), S. Hf.; Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 37ff.; ders., Zöllner, DB 1989,913; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 32ff.; Stoizenberger-Wolters S. 5ff.; Grauer, S.158ff. Kritik an dem Beschluß wurde vor allem geäußert von Flurne, DB 1989,665; Venzmer, WPg 1990, 305; Gäbelein, GmbHR 1989, 502; Knobbe-Keuk, §20 11 (S.649f.); siehe aber auch den erneuten Vorlagebeschluß des OLG Düsseldorf BB 1991, 2105. 11 Siehe OLG Düsseldorf BB 1991,2105; inzwischen wurde die vom BGH im Supermarkt-Beschluß entwickelte Auffassung eindrucksvoll bestätigt von BGH GmbHR 1992,253. 12 Vgl. nur Henze, ZAP Fach 15,7, 10, der annimmt, daß die Altverträge wohl ausnahmslos den in der Entscheidung gestellten Anforderungen nicht entsprechen. 9

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Einleitung und Problemstellung

schlüsse zu derartigen Unternehmensverträgen auf der Tagesordnung l 3, was aber wohl in erster Linie auf steuerliche Motive zurückzuführen war l4 . In diesem Zusammenhang wird zu untersuchen sein, ob die nicht den neuen Anforderungen entsprechenden "Altverträge" nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft für die Vergangenheit als wirksam angesehen werden können. Dies jedenfalls hat der BGH in einem Urteil vom 14. 12. 1987 15 angenommen. Auch zeichnet sich ab, daß u. U. auch zahlreiche Neuverträge nicht den nunmehr von der Rechtsprechung geforderten Anforderungen entsprechen werden. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn die Zu lässigkeit von Auslandsbeurkundungen zu verneinen wäre l6 . Ein weiteres Problem dürfte sich daraus ergeben, daß die Frage nach den Mehrheiten für den Zustimmungs beschluß der abhängigen GmbH nicht abschließend geklärt sind. Klar ist insoweit nur, daß es mindestens einer 3f4 Mehrheit bedarf. Im übrigen ist aber streitig, ob es darüber hinaus eines einstimmigen Beschlusses 17 bedarf (bzw. zumindest der Zustimmung aller Gesellschafter l8 ) oder ob die 3/4 Mehrheit ausreicht l9 . 13 Vgl. nur Volkswagen AG, FAZ vom 10.5. 1990, S. 29; Hoesch AG, BAnz. Nr. 87 v. 10.5. 1990; BASF, BAnz. Nr. 88 v. 11. 5. 1990, Daimler Benz AG, BAnz. Nr.87 vom 11. 5. 1989; Commerzbank AG, BAnz. Nr. 70 vom 13.4. 1989; Siemens AG, BAnz. Nr. 27 vom 8. 2.1990; Altana Industrie-Aktien- und Anlagen AG, BAnz. Nr. 87 vom 11. 5. 1989; Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft, BAnz. Nr. 94 vom 23.5. 1989; Klöckner-Humboldt-Deutz AG, BAnz. Nr. 90 vom 17.5. 1989; Standard Elektrik Lorenz AG, BAnz. Nr. 85 vom 9.5. 1989; AEG, BAnz. Nr. 87 vom 11. 5. 1989; Rütgerswerke AG, BAnz. Nr. 90 vom 15.5. 1989; Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft Mannheim, BAnz. Nr. 98 vom 31. 5.1989; RWE, BAnz. Nr. 229 vom 7.12. 1989; Thyssen AG, BAnz. Nr. 30 vom 13.2. 1990; Varta Aktiengesellschaft, BAnz. Nr. 90 vom 15.5.1990; Philips Kommunikations Industrie AG, BAnz. Nr. 94 vom 19.5. 1990; Kali und Salz AG, BAnz. Nr.86 vom 9.5.1990; Karstadt AG, BAnz. Nr. 101 vom 1. 6. 1990; siehe auch Rottnauer, DB 1991,27: Bestehende Unternehmensverträge sollten möglichst bald der nunmehrigen Rechtslage angepaßt werden. 14 Nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 31. 10. 1989, abgedruckt in BB 1990, S. 48, ist es zur steuerlichen Anerkennung des Gewinnabführungsvertrages erforderlich, den Vertrag bis zum 31. 12. 1992 an die vom BGH im Supermarkt-Beschluß geforderten strengeren zivilrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen anzupassen. 15 BGHZ 103, 1; insoweit bestätigt von BGH ZIP 1992,29. 16 Siehe dazu Centrale für GmbH, GmbHR 1991, 1,7; AG Fürth GmbHR 1991, 24 m. Anm. Heckschen; OLG DüsseldorfNJW 1989, 2200 = GmbHR 1990, 169; LG Köln GmbHR 1990, 171; AG Köln GmbHR 1990, 171 und 172; sowie Schervier, NJW 1992, 593. 17 Scholz I Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rn. 233,293; Baumbach I Hueck I Zöllner, GmbHG, Anh. KonzernR Rn. 16; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 7, 15; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 30 III 5 c (S. 386); Schilling, FS Hefermehl, 383,390; H. P. Westermann, in: Der GmbH-Konzern, 25, 38ff.; Sonntag, 113f. 18 Priester, ZGR Sonderheft 6,151,160 m.w.N.; Hachenburg I Ulmer, § 53 Rn. 145; Ulmer, BB 1989, 10, 13; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 617; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht,

B. Fragestellung und Begrenzung des Themas

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Aber nicht nur die Folgeprobleme, die sich aus der neuen Rechtsprechung ergeben, sollen untersucht werden. Weit umfassender als nach der besonderen Problematik im GmbH-Konzernrecht ist ganz allgemein nach den Fehlerfolgen bei Unternehmensverträgen zu fragen. Als mögliche Unwirksamkeitsoder Nichtigkeitsgründe kommen auch Mängel des Zustimmungsbeschlusses in Betracht. Der Zustimmungsbeschluß kann i.S.v. §243 AktG anfechtbar oder nach § 241 AktG nichtig sein. Daneben können aber auch Mängel des Vertrages selbst auftreten, wie etwa die Anfechtbarkeit nach allgemeinem Zivilrecht oder der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot. Nicht zuletzt ist gerade bei Unternehmensverträgen auch an Verstöße gegen das GWB zu denken20 • Auch hinsichtlich der inhaltlichen Zulässigkeit einzelner Vertragsbestimmungen herrscht weitgehend Unsicherheit. Die Reichweite zulässiger privatautonomer Gestaltung ist nach wie vor ungeklärt 21 • Beispielhaft sei hier nur die Diskussion um die Abdingbarkeit des Weisungsrechts genannt22 • Was sind die Folgen unzulässiger Vertragsbestimmungen? Ist der Vertrag unwirksam, wenn man der Ansicht folgt, daß eine Einschränkung (oder gar Erweiterung!) des Weisungsrechts nicht zulässig ist? Das AktG 1965 enthält in den §§ 291 ff. zwar detaillierte Regelungen über den Abschluß, die Änderung und die Beendigung von Unternehmensverträgen. Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen diese Vorschriften oder über etwaige anderweitige Unwirksamkeitsgründe sind jedoch nur fragmentarisch geregelt. So bestimmt § 304 111 1 AktG, daß ein Gewinnabführungsvertrag nichtig ist, wenn er überhaupt keinen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre vorsieht. Nach § 304 III 2 AktG ist der Zustimmungsbeschluß zu einem Gewinnabführungsvertrag dagegen nicht wegen eines Verstoßes gegen § 243 11 AktG oder wegen eines nicht angemessenen Ausgleichs anfechtbar. Ebenso wird in § 305 V AktG eine Anfechtung für den Fall einer nicht angemessenen Abfindung ausgeschlossen. Wegen befürchteter Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung nichtiger war im Regierungsentwurf zum AktG 1965 geplant,

Unternehmensvertr~ge

§ 38111 2 (S. 989); M. Winter, 137ff.; Sonnenschein, Organschaft, 373ff.; zu den Unterschieden zwischen diesen Ansichten siehe auch Grauer, S.165ff. 19 Lutter I Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 42; Stolzenberger-Wolters, S.26; Grauer, S.189; Rowedder I Koppensteiner, Anh. Konzernrecht Rn. 40; Kort, S. 118; Timm, GmbHR 1987, 8, 11 aber nur für den Fall, daB Anteile an der herrschenden Gesellschaft gewährt werden; ansonsten tendiert auch Timm wohl zur Einstimmigkeit; siehe GmbHR 1989, 11, 14. 20 Ausführlich Windbichler, passim. 21 Dazu vor allem Exner, passim. 22 Dagegen Kölner Kommentar I Koppensteiner, §291 Rn. 13, 14; Würdinger, GroBkommentar zum AktG, § 308 Anm. 8; differenzierend Emmerich I Sonnenschein, §8 IV2 (S.155/156); dafür Exner, S.109ff.; GeBIer, §291 Rn. 49 und §308 Rn. 33ff. 2 Lauber-Nöll

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Einleitung und Problemstellung

eine Anmeldung zum Handelsregister erst dann zuzulassen, wenn die Frist für die Anfechtung des zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses abgelaufen oder eine bereits erhobene Anfechtungsklage rechtskräftig zurückgewiesen worden war23 • In Anbetracht der Möglichkeit, daß einzelne Aktionäre durch Erhebung einer Anfechtungsklage das Wirksamwerden eines Unternehmensvertrages ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten verhindern könnten, wurde jedoch den Bedenken der Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft nachgegeben. § 294 I 2 sowie § 295 11 4 des Regierungsentwurfs wurden gestrichen24 • Durch die nicht Gesetz gewordene Regelung sollten die Folgen einer Anfechtung des Zustimmungs beschlusses vermieden werden25 • Die Probleme, die sich hinsichtlich der Rückabwicklung eines Unternehmensvertrages ergeben können, wurden schon im Regierungsentwurf zum AktG 1965 näher erläutert. Dort heißt es: "Der Unternehmensvertrag begründet durchweg ein Dauerverhältnis, das tief in die Struktur jedenfalls der beteiligten Unternehmen eingreift. Stellt sich nach Durchführung des Vertrages heraus, daß er unwirksam ist, so werden die beiderseitigen Leistungen häufig nur schwer oder gar nicht zurückgewährt werden können"26.

Nicht nur zivilrechtlich liegen die Schwierigkeiten unwirksamer Unternehmensverträge auf der Hand. Für die meisten Unternehmen zumindest ebenso wichtig ist die Tatsache, daß ein wirksamer Gewinnabführungsvertrag Voraussetzung der steuerlichen Organschaft ist 27 . Erkennt die Finanzverwaltung die Organschaft nicht an, werden die abgeführten Gewinne als verdeckte Gewinnausschüttungen behande1t28 . Dies kann zu erheblichen Steuernachzahlungen führen. Die These von Köhler29 , die Problematik der fehlerhaften Unternehmensverträge sei insgesamt noch klärungsbedürftig, hat deshalb auch heute noch ihre Berechtigung. Weder im GmbH- noch im Aktienrecht ist die Diskussion abgeschlossen 3o • Der BGH hat zwar einen GmbH-rechtlichen Unternehmensvertrag nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam angesehen3!. Dadurch ist die Frage nach den Folgen unwirksamer Verträge aber keineswegs endgültig geklärt32 • Für das Aktienrecht steht eine Entscheidung noch gänzlich aus. 23 Begr. Reg. Entw. zu § 294 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 383. 24 Vgl. den Ausschußbericht bei Kropff, S. 383. 25 Begr. Reg. Entw. zu § 294 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 383. 26 Begr. Reg. Entw. zu § 294 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 383. 27 Dazu Jurkat, passim; Knobbe-Keuk, §20 II (S.638ff.); Pankow/Lienau, in: Beck'scher Bilanzkommentar, § 271 Rn.100ff. 28 Winter, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, KStG, § 14 Anm.3; KnobbeKeuk, § 20 II (S. 658f.). 29 Köhler, ZGR 1985, 309. 30 Ebenroth-Parche, BB 1989, 648. 31 BGHZ 103, Hf.; siehe auch allerjüngst BGH ZIP 1992, 29.

C. Gang der Untersuchung

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Zu untersuchen ist auch die Bedeutung der §§ 241ff. AktG für Unternehmensverträge. Deren Verhältnis zu den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft ist bisher allenfalls ansatzweise beschrieben worden 33 • Dies erstaunt um so mehr, als dem Abschluß eines Unternehmensvertrages satzungsänderungsgleiche oder satzungsüberlagernde Wirkung beigemessen wird34 • Was liegt also näher, als die Vorschriften über die Satzungsänderungen auch auf den Abschluß von Unternehmensverträgen anzuwenden? Insofern bedarf es auch einer Untersuchung des Verhältnisses zwischen Unternehmensvertrag und Zustimmungsbeschluß. Die damit angesprochenen Fragen der Behandlung von fehlerhaften Unternehmensverträgen sind Gegenstand der folgenden Überlegungen. Den Schwerpunkt der Arbeit bilden dabei die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nach § 291 AktG. Die Unternehmensverträge des § 292 AktG werden nur insoweit behandelt, als es zur Verdeutlichung der besonderen Stellung der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge erforderlich ist. Ausgeklammert bleiben auch die Fragen des Rechts der konzernabhängigen Personengesellschaft35 • Soweit im folgenden der Begriff "Unternehmensvertrag" gebraucht wird, ist damit ein kombinierter Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gemeint, sofern nicht auf eine Abweichung hingewiesen wird.

c.

Gang der Untersuchung

N ach einem Überblick über den Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur wird zunächst erörtert, inwieweit die vor allem im Personengesellschaftsrecht entwickelte Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auch auf Unternehmensverträge Anwendung finden kann. Daran anschließend wird die Frage beantwortet, ob die "unwirksamen" Altverträge im GmbH-Konzernrecht über die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft "gerettet" werden können oder ob ein anderer Lösungsansatz notwendig ist. Schließlich werden die Folgen inhaltlich unzulässiger Gestaltungen einer näheren Prüfung unterzogen. 32 Vgl. nur die Kritik von Kleindiek, ZIP 1988, 613; Timm, GmbHR 1989,11; Ebenroth I Parche, BB 1989, 637, 648; zweifelnd auch Lutter I Hommelhoff, NJW 1988, 1240,1241 und Zöllner, in: Baumbach I Hueck, GmbHG, Anh. KonzernR, Rn. 17 b. 33 Niemeier, ZGR 1990, 314, 348. 34 BGHZ 105, 324, 331; Timm, BB 1981, 1491, 1492; ders., GmbHR 1987, 8, 9; Würdinger, Aktienrecht, § 7011 1 a; Lutter I Hommelhoff, NJW 1988,1240,1241; Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 169; Kort, 69ff. 35 Siehe dazu die Arbeiten von Schieß!, Baumgartl, Löffler Burbach und Kleindiek, jeweils passim; Übersichten bei Emmerich I Sonnenschein, § 26 (S. 397 ff.); StaubUlmer, Anh. zu § 105.

2*

Erster Teil

Überblick über den Meinungsstand A. Gründe für die seltene Behandlung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit Untemehmensverträgen Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge sind in der älteren Rechtsprechung nur vereinzelt behandelt worden. Dies dürfte in erster Linie daran liegen, daß vielfach Schiedsklauseln vereinbart werden!. Außerdem besteht ein erhebliches Kostenrisiko für den klagenden Aktionär, der einen Unternehmensvertrag einer gerichtlichen Prüfung unterziehen läßt. Eine dem § 247 AktG entsprechende Vorschrift feh1t2. Jedenfalls ist diese Vorschrift dann nicht anwendbar, wenn die Wirksamkeit eines derartigen Vertrages außerhalb eines Anfechtungsverfahrens geprüft werden soll. Zum anderen hat der Gesetzgeber für die Überprüfung der Angemessenheit von Ausgleichs- und Abfindungsregelungen in § 306 AktG ein besonderes Verfahren der gerichtlichen Nachprüfung vorgesehen. Nach §304IIIl AktG ist ein Vertrag lediglich dann nichtig, wenn er überhaupt keinen Ausgleich vorsieht, was in der Praxis wohl kaum vorkommen dürfte. Darüber hinaus ist die Möglichkeit der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses wegen eines nicht angemessen Ausgleichs oder einer nicht angemessenen Abfindung ausgeschlossen. Dies gilt nach zutreffender herrschender Meinung 3 sogar bei völligem Fehlen der Abfindungsregelung. Der Wortlaut des § 305 V AktG weicht zwar von dem des § 304111 AktG ab; Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Ausgleich und Abfindung sind jedoch insoweit nicht ersichtlich. Da in beiden Fällen das Verfahren nach § 306 AktG zur Verfügung steht, entfällt die Notwendigkeit eines Anfechtun_gsverfahrens 4 • Die Ansicht von 1 V gl. z. B. den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Volkswagen AG und der Audi NSU AG, abgedruckt bei Emmerich-Sonnenschein, Anhang (S. 445ff.); dazu, ob derartige Klauseln wirksam sind vgl. unten 4. Teil C. IV.; vgl. weiter Feddersen, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 127, 144. 2 Dazu Meilicke, FS Hirsch, 99, 114; zu § 247 AktG siehe auch OLG Karlsruhe AG 1992,32. 3 Krieger, Münchener Handbuch, § 70 Rn. 79; Emmerich / Sonnenschein, § 17 III 1 c (S.287); Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 305 Rn. 50; Geßler, in: Geßler / Hefermehl, §305 Rn. 65; Veit, S.135/136; a.A. Baumbach / Hueck, AktG, §305 Anm. 9; Godin / Wilhelmi, § 305 Anm.16; Beyerle, BB 1978,784,789.

A. Gründe für die seltene Behandlung von Rechtsfragen

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Beyerle5 , ein Vertrag, der keine Abfindungsregelung enthalte, sei nichtig; läßt sich mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbaren. Diese Rechtsfolge ist in § 305 V AktG im Gegensatz zu § 304III AktG gerade nicht vorgesehen. Eine der wohl in der Praxis wichtigsten Fehlerquellen von Unternehmensverträgen führt daher lediglich zur gerichtlichen Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs oder einer angemessenen Abfindung6 • Im Rahmen dieses Verfahrens wird nun aber die Wirksamkeit des Unternehmensvertrages vorausgesetzt und steht (zumeist) nicht im Streit. Dies gilt jedenfalls für den aktienrechtlichen Unternehmensvertrag. Im GmbH-Konzernrecht ist dagegen für eine Analogie zu § 306 AktG kein Raum7 • Die Folgen fehlender oder nicht angemessener Ausgleichs- und Abfindungsregelungen sind hier dementsprechend umstritten. Teilweise wird angenommen, derartige Regelungen seien nicht erforderlich, da die Gesellschafter ihre Rechte durch Verweigerung der Zustimmung sichern könnten 8 . Dies wird vor allem von denjenigen propagiert, die eine einstimmige Beschlußfassung in der abhängigen GmbH für erforderlich halten. Zum Teil wird aber trotz eines einstimmigen Beschlusses eine grundsätzliche Analogie zu den §§ 304, 305 AktG befürwortet9 . Abfindung und Ausgleich werden aber vor allem von den Vertretern der Ansicht gefordert, die eine 314Mehrheit für den Zustimmungsbeschluß ausreichen lassen lO • Auch soweit Abfindungs- und Ausgleichsregelungen verlangt werden, sind jedoch die Rechtsfolgen fehlender und unangemessener Regelungen umstritten. Weitgehende Übereinstimmung herrscht nur insoweit, daß das Fehlen einer Ausgleichsregelung nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führt ll . Zumeist wird in der Anfechtbarkeit des Zustimmungs beschlusses die adäquate Rechtsfolge 4 So zutreffend Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 305 Rn. 50; Geßler, in: GeBIer / Hefermehl, §305 Rn. 65; Würdinger, in: GroBkommentar zum AktG, §305 Anm.13. 5 BB 1978, 784, 789. 6 Rechtstatsächliches Material bei Beyerle, ZGR 1977, 650ff. und bei Emmerich / Sonnenschein, § 17 V (S.298ff.); vgl. jüngst auch OLG Düsseldorf AG 1990, 397 = EWiR § 305 AktG 2/90, 849 (Krieger); OLG Düsseldorf AG 1990, 396; OLG Frankfurt AG 1990, 393; LG Düsseldorf AG 1990, 403; LG München I AG 1990,404; OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1333. 7 Emmerich / Sonnenschein, § 2511 3 (S. 391); Grauer, S. 219f. 8 Scholz / Emmerich, Anh. KonzernR, Rn. 265; Emmerich / Sonnenschein, § 25 11 3 (S. 391); Hachenburg / Barz, 7. Aufl., § 13 Anh. 11, Rn. 42; Baumbach / Hueck / Zöllner, GmbHG, SchluBanh. I, Rn. 18; Grauer, S.148 für den Ausgleichsanspruch. 9 Priester, ZGR-Sonderheft 6,151,177. 10 Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn.44; Rowedder / Koppensteiner, Anh. § 52 Rn.41; Timm, ZGR 1987, 403, 431; Kort, S.157ff.; Grauer, S.209ff. 11 Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 178; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 44; Rowedder / Koppensteiner, Anh. § 52 Rn.41; Stolzenberger-Wolters, S.69; Grauer, S.219.

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Erster Teil: Überblick über den Meinungsstand

einer fehlenden Ausgleichsregelung gesehen l2 . Ebenso wird die Anfechtbarkeit des Zustimmungs beschlusses bei fehlender oder unangemessener Abfindungsregelung angenommen 13. Zum Teil wird statt dessen den außenstehenden Gesellschaftern ein unmittelbarer Anspruch auf angemessene Leistungen zuerkannt l4 oder ein derartiger Anspruch trotz der Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses bejaht l5 . Ebenso unklar ist, ob neben einer Barabfindung auch eine Abfindung in Anteilen des herrschenden Unternehmens angeboten werden mußl6. Insoweit läßt sich ohne große Prophezeiungsgabe voraussagen, daß zukünftig die Abfindungs- und Ausgleichsregelungen in GmbH-rechtlichen Unternehmensverträgen oftmals zu Streitigkeiten führen werden. Gleichwohl werden diese in der vorliegenden Arbeit nur am Rande behandelt, da sich bei Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses wegen unangemessener oder fehlender Abfindungs- oder Ausgleichsregelungen dieselben Rechtsfolgen ergeben wie bei einer Anfechtung aus einern anderen Grunde.

B. Ansätze zur Vermeidung von Nichtigkeitsfolgen I. Die Beschränkung der Nichtigkeit entgegen der Regel des § 139 BGB

Von einern Teil der Rechtsprechung wird bei inhaltlichen Mängeln von Unternehmensverträgen die Nichtigkeit des Vertrages dadurch zu vermeiden gesucht, daß die Regel des § 139 BGB nicht angewandt wird. Abgeleitet wird dies aus der Rechtsnatur des Unternehmensvertrages als Organisationsvertrag l7 . Eine derartige Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen wird auch in der Literatur überwiegend angenommen l8 . Daß dies im Ergebnis richtig ist, zeigt ein Vergleich mit einern komplexen, d. h. mehrere Antragsgegenstände zusammenfassenden Hauptversammlungsbeschluß. Auch dort entspricht es 12 Rowedder I Koppensteiner, Anh. § 52 Rn. 41; Lutter I Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 44; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 618; Stolzenberger-Wolters, S.69; Grauer, S.220; dagegen läßt Kort, S. 162 eine Anfechtung bei fehlender Ausgleichsregelung nicht zu; auch er hält aber bei unangemessener Ausgleichsregelung den Zustimmungsbeschluß für anfechtbar. 13 Lutter I Hommelhoff, Anh. § 13 Rn.44; Rowedder I Koppensteiner, Anh. § 52 Rn.4l. 14 Stolzenberger-Wolters, S. 72. 15 Rowedder I Koppensteiner, Anh. § 52 Rn. 4l. 16 Dafür Timm, ZGR 1987, 403, 431; ders., GmbHR 1987, 8, 11; Lutter, ZGR-Sonderheft 6, 192, 198, aber nur für den Fall einer kapitalistisch strukturierten GmbH; dagegen: BGHZ 105, 324, 335; Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 178; ablehnend Grauer, S. 203ff. 17 OLG Hamburg ZIP 1990, 1071, 1073; der Sache nach auch schon OLG München AG 1980, 272, 273; Kölner Kommentar-Koppensteiner, §293 Rn. 12. 18 Timm, ZIP 1990, 361, 363; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 48; Köhler, ZGR 1985, 307, 313.

B. Ansätze zur Venneidung von Nichtigkeitsfolgen

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der ganz herrschenden Meinung, daß der Mangel auf einzelne Teile beschränkt werden kann 19 • Darüber hinaus ist die Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit auch dann gerechtfertigt, wenn etwa einheitlich über mehrere Satzungsänderungen abgestimmt wird, aber nur eine Regelung gesetzwidrig ist2o • Zu diesem Ergebnis käme man auch dann, wenn unabhängig von der Rechtsnatur des Unternehmensvertrages an der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 139 BGB festgehalten würde 21 • Insoweit kann die Restgültigkeit zumeist im Wege einer vertragserhaltenden Auslegung herbeigeführt werden22 • Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, was geschehen soll, wenn es gerade auf die fehlerhafte Klausel ankommt. Nach bislang herrschender Meinung sollen Vertragsbestimmungen nichtig sein, wenn sie nicht mit dem Gesetz vereinbar sind23 . Dies gelte selbst dann, wenn dem Vertrag ein wirksamer Zustimmungsbeschluß zugrunde liege 24 • Gerade diese These bedarf aber noch einer näheren Untersuchung25 • 11. Einschränkung der Geltendmachung der Nichtigkeit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben

Die Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens ist von der Rechtsprechung in anderen Fällen, in denen der Unternehmensvertrag zwar steuerlichen, nicht aber den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen genügte, aus den Grundsätzen von Treu und Glauben hergeleitet worden26 • Auch in der Literatur wird eine derartige Lösung zum Teil befürwortet27 • Zumeist werden derartige Lösungsansätze aber deshalb kritisiert, weil sich zwar im Einzelfall ein sachgerechtes Ergebnis erzielen lasse, die Frage nach den Konsequenzen eines unwirksamen Unternehmensvertrages aber nicht dogmatisch befriedigend beantwortet werden könne 28 • 19 Kölner Kommentar (l.Auft.) Zöllner, §241 Rn. 63; Hüffer, in: Geßler 1 Hefermehl, §241 Rn. 75f.; Timm, ZIP 1990, 361, 363; für die GmbH siehe zuletzt Hachenburg 1 Raiser, Anh. § 47 Rn. 147 und Lutter 1 Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 26. 20 Kölner Kommentar-Zöllner (l. Auft.) §241 Rn. 63; für die GmbH Hachenburg 1 Ulmer, § 53 Rn. 97. 21 So etwa OLG München AG 1991, 358, 360; aber auch Hüffer, in: Geßler 1 Hefermehl, § 241 Rn. 76. 22 OLG München a.a.O. 23 OLG Hamburg a.a.O.; Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, §291 Anm.13; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 12; Wirth, DB 1990, 2105. 24 Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 54; Krieger, in: Münchener Handbuch AG § 70 Rn. 16. 25 Dazu unten 4. Teil B. 26 OLG Düsseldorf NJW 1982, 284 = BB 1981, 1482 = AG 1982, 27; LG Bochum GmbHR 1987, 23 = EWiR § 13 GmbHG 2/86, 1109 (Priester) = ZIP 1986, 1386 m. Anm. Timm, sowie LG Bochum GmbHR 1987, 24. 27 Kort, ZIP 1989, 1309, 1312.

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Erster Teil: Überblick über den Meinungsstand

III: Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft

1. Die Ansicht der Rechtsprechung In dem Urteil vom 14.12. 198729 hatte der BGH erstmals Gelegenheit, zu den Folgen eines unwirksamen Beherrschungs und Gewinnabführungsvertrages im GmbH-Recht Stellung zu beziehen. Dieses als "Familienheim-Entscheidung" bekannt gewordene Urteil hat die Problematik neu belebt. Ihm lag folgender Sachverhalt zugrunde 30 : Es ging um den Verlust ausgleich einer durch Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag gebundenen GmbH. Organträger war eine KG, die mit rund 77 % an der Organgesellschaft beteiligt war. Beide Gesellschaften fielen in den 70er Jahren in Konkurs. Der Konkursverwalter berief sich zur Begründung seines Anspruchs gegen den Konkursverwalter über das Vermögens des Komplementärs auf einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag aus dem Jahre 1963, der bis zum Ende des Jahres 1999 unkündbar war. Der Beklagte verweigerte die Zahlung mit der Begründung, der Unternehmensvertrag entspreche zwar steuerlichen, nicht aber gesellschaftsrechtlichen Anforderungen und sei daher unwirksam. Der BGH ließ diese Argumentation jedoch nicht gelten. Er ließ offen, ob der GmbH-rechtliche Unternehmensvertrag als solcher wirksam abgeschlossen worden war. Der Vertrag sei im Falle der Unwirksamkeit nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft gleichwohl als wirksam zu behandeln, solange er von den Beteiligten durchgeführt und nicht wegen des fehlerhaften Abschlusses oder aus sonstigen Gründen be endet wurde 31 • Der Unternehmensvertrag des § 291 AktG sei ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag, der satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft ändere, indem er den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichte und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreife. Ein Unternehmensvertrag könne auch nicht nach allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften rückabgewickelt werden. Durch den Beherrschungsvertrag erlange das herrschende Unternehmen die Möglichkeit einer fast schrankenlosen Disposition über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft, die von Einflüssen mit eindeutig isolierbaren und deshalb ausgleichsfähigen Nachteilen bis zu solchen reiche, deren nachteilige Wirkung auf das Gesellschaftsvermögen rechnerisch nicht faßbar, vielfach nicht einmal erkennbar und deshalb im einzelnen auch nicht auszugleichen seien. Verll;lstübernahme und Sicherheitsleistung 28 Stolzenberger-Wolters, S.78; Rehbinder, FS Fleck, 253, 258; näher zu diesem Ansatz siehe unten 3. Teil A. III. 29 BGHZ 103, Hf. = ZIP 1988, 229 = WM 88,258 = BB 1988,361 = DB 1988,596 = NJW 1988,1326 = EWiR § 302 AktG 1/88, 1149 (Koch); Vorinstanz: OLG Schleswig ZIP 1987,1448 = EWiR § 128 HGB 1/87, 1091 (Finken). 30 Dazu auch Kleindiek, ZIP 1988, 613. 31 BGHZ 103, 1,4.

B. Ansätze zur Venneidung von Nichtigkeitsfolgen

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(§§ 302f. AktG) seien daher auch dann, wenn der Unternehmensvertrag nichtig sei, die einzig sicheren Wege, um Gesellschafter und Gläubiger gegen eine Aushöhlung der bilanzmäßigen Substanz zu schützen Jeder Vertragspartner habe zwar die Möglichkeit, sich von dem nichtigen aber durchgeführten Vertrag jederzeit loszusagen. Die herrschende Gesellschaft könne dadurch aber nicht der Pflicht entgehen, den bis dahin entstandenen Verlust auszugleichen Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf nichtige, aber durchgeführte Unternehmensverträge erübrige sich auch nicht deshalb, weil die herrschende Gesellschaft in einem qualifizierten faktischen GmbHKonzern in entsprechender Anwendung des § 302 AktG ebenfalls verpflichtet wäre, Verluste auszugleichen (BGHZ 95, 330, 345). Daß ein Unternehmensvertrag, obwohl nichtig, gleichwohl durchgeführt worden sei, vermöge die beherrschte Gesellschaft und ihre Gläubiger regelmäßig leichter nachzuweisen als die Tatsache, daß das beherrschende Unternehmen in einer Intensität und Breite auf die Belange der abhängigen GmbH eingewirkt habe, wie es erforderlich sei, um einen qualifizierten faktischen Konzern annehmen zu können 32 .

Diese Grundsätze wurden vom BGH in seinem Urteil vom 19.9. 1988 (HSW)33 nochmals ausdrücklich bestätigt und in dem Urteil vom 11. 11. 199134 konkretisiert.

2. Grundsätzliche Zustimmung in der Literatur Die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft hat in der Literatur überwiegend Zustimmung erfahren35 . BGHZ 103, 1, 5/6. BGH WM 1988, 1525,1530; Vorinstanz OLG Hamburg ZIP 1987,977 = WUB 11. C §32 GmbHG 4.87 (Rümker), das die Frage noch offengelassen hatte. 34 BGH ZIP 1992, 29; ebenso schon die Vorinstanz OLG Koblenz ZIP 1991, 308 = GmbHR 1991, 420. 35 Rehbinder, FS Fleck, 253ff.; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 624 für den Fall, daß lediglich die Beurkundung bzw. Handelsregistereintragung fehlt; Ulmer, BB 1990, 10, 15f.; Timm, GmbHR 1989, 11, 17; ders., BB 1981, 1491, 1497; ders., GmbHR 1987, 8, 12; ders., NWB Fach 18, S.3039, 3042; Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 32, 44f.; Scholz-K. Schmidt, § 45 Rn. 172; Hachenburg / Raiser, Anh. § 47 Rn. 240; Hachenburg / Ulmer, § 53 Rn. 158; Blumers / Schmidt, DB 1989,31,32; Henze, ZAP Fach 15, 7; Autenrieth, GmbHR 1990,113,114; Stolzenberger-Wolters, S. 86 ff.; Bälz, 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 177,203; Baums, WuB II A. §291 AktG 1.88; Eder, Handbuch GmbH I 18.9; Ebenroth / Müller, BB 1991, 358, 359; Weimar, ZIP 1988, 1529; Hirte, EWiR 1991, 219; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn.51; Sonntag, S. 167ff.; K. Schmidt, AG 1991, 131, 135; ders., ZGR 1991, 373, 379; ders., Gesellschaftsrecht, § 6 IV 1 b (S. 138); Grunewald, in: GeBIer / Hefermehl, § 319 Rn. 4; trotz dogmatischer Bedenken auch Rowedder / Koppensteiner, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42 a; zweifelnd Lutter / Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1242; dagegen Kort, AG 1988, 369,373; ders., ZIP 1989,1309,1312. 32 33

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Erster Teil: Überblick über den Meinungsstand

Auch im Aktienrecht entsprach es schon vor dem BGH-Urteil der überwiegenden Ansicht, daß nach Vollzug des Unternehmensvertrages das Anfechtungsrecht nach den §§ 119, 123 BGB durch das Recht zur fristlosen Kündigung ersetzt wird 36 • Begründet wird dies vor allem mit einer Analogie zu den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft und der Rückabwicklungsfeindlichkeit von Unternehmensverträgen37 • Die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung soll dagegen die Unwirksamkeit des Unternehmensvertrages ex tune zur Folge haben 38 • Zum Teil wird aber auch bei der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses nur eine Nichtigkeit ex nunc befürwortet39 • 3. Kritik

Die Ansicht ist nicht ohne Kritik gebliebc;m. Neben grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft finden sich auch differenzierende Lösungen, die nach den verschiedenen Fehlerquellen unterscheiden. Schließlich wird von einem Teil der Literatur eine noch weitergehende Einschränkung von Fehlerfolgen befürwortet. a) Grundsätzliche Kritik Namentlich Köhler40 und Koppensteinerll haben der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nachdrücklich widersprochen42 • Kernthese ist dabei, daß es bei der Rückabwicklung eines unwirksamen Beherrschungsvertrages nicht um die Rückgängigmachung tatsächlich aus ge36 Geßler, in: Geßler I Hefermehl, § 293 Rn. 59; Kölner Kommentar-Biedenkopf I Koppensteiner (1. Auft.), §297 Rn. 16; Gerth, BB 1978, 1497, 1498; Sonnenschein, Organschaft, S. 423; Kley, S. 62; Wilhelm, S. 25; Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, §297 Anm.9; Windbichler, S.25; Sapper, S.64; Timm, GmbHR 1987, 8, 12; Geßler, DB 1965, 1694. 37 Kley, S. 62; Windbichler, S. 50. 38 Sonnenschein, Organschaft, S.424; Wilhelm, S.27; Gerth, BB 1978, 1497, 1499; Schilling, in: Großkommentar zum AktG, §248 Anm. 5; Kölner Kommentar-Zöllner (1. Auft.), § 241 Rn. 36; Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, § 293 Anm. 13; Timm, EWiR 1988, 947. 39 Geßler, in: Geßler I Hefermehl, § 293 Rn. 59; Kley S. 67; Windbichler, S.47, 52; Krieger, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 99,110; ders., Münchener Handbuch AG, §70, Rn. 27; für die GmbH siehe außerdem Scholz I K. Schmidt, § 45 Rn.l72; wohl auch Zöllner I Noack, ZGR 1989, 525, 540, 544; Hachenburg I Raiser, Anh. § 47 Rn. 240; Grunewald, in: Geßler I Hefermehl, § 319 Rn. 4 für einen Eingliederungsbeschluß. 40 ZGR 1985, 307. 41 In Kölner Kommentar, § 293 Rn. 52, § 297 Rn. 35ff., Vor § 300 Rn. 11; einschränkend für das GmbH-Konzernrecht Rowedder I Koppensteiner, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42 a. 42 Sehr kritisch auch Ebenroth I Parche, BB 1989, 637,648; offenbar a. A. aber nunmehr Ebenroth I Müller, BB 1991,358,360.

B. Ansätze zur Venneidung von Nichtigkeitsfolgen

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übter Leitungsmacht gehe, sondern um die Rückgängigmachung von nachteiligen Folgen der Ausübung von Leitungsmacht43 . Dafür sei es aber ausreichend, § 302 AktG auf den Fall eines durchgeführten unwirksamen Beherrschungsvertrages analog anzuwenden. Da § 302 AktG aber nur den Ausgleich von Bilanzverlusten erfasse und der Gesellschaft keinen Schutz vor einer in der Bilanz nicht sichtbaren Aushöhlung ihrer Vermögenssubstanz gebe, müßten daneben die §§311, 317 AktG angewendet werden44 • Sei ein Gewinnabführungsvertrag unwirksam, fehle es am rechtlichen Grund für die Abführung des Gewinns. Der abhängigen Gesellschaft stehe daher ein Bereicherungsanspruch nach § 812 11 BGB gegen das herrschende Unternehmen ZU 45 . Bei der Beendigung eines wirksamen Unternehmensvertrages wird in der Literatur verschiedentlich eine sogenannte Wiederaufbauhilfe gefordert46 • Die Verwaltungsorgane seien danach verpflichtet, durch geeignete im Beherrschungsvertrag verankerte Maßnahmen die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft nach Vertragsbeendigung sicherzustellen47 • Dieser Ansicht folgend wird argumentiert, derartige "Wiederaufbauhilfen" müßten erst recht bei Unwirksamkeit des Vertrages geleistet werden 48 • Vorrangig ergebe sich ein derartiger Anspruch aus den §§311, 317 AktG; ergänzend seien die Grundsätze der culpa in contrahendo anwendbar49 • Für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge sei eine Einschränkung zivilrechtlicher Mängelfolgen nicht zu befürworten. Auch solche Verträge se,ien TÜckabwicklungsfähig, ohne daß damit schlechthin unzumutbare Konsequenzen verbunden wären5o . Nachdem der BGH in der Familienheim-Entscheidung sich für eine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft ausgesprochen hat, ist Koppensteiner allerdings teilweise von seiner Ansicht abgerückt. Zumindest für die infolge der neuen Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Konzernrecht unwirksamen Unternehmensverträge erkennt er das gewichtige praktische Anliegen der herrschenden Ansicht an. Nach wie vor ist er allerdings der Ansicht, eine einwandfreie Begründung lasse sich dafür nicht finden. Außerdem sei die Ausgangslage im Aktienrecht eine andere 5!.

43 Köhler, ZGR 1985, 307,314; so auch für bestimmte Fallkonstellationen K1eindiek, ZIP 1988, 613, 621. 44 Köhler, a.a.O., 316/317; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 297 Rn. 35. 45 Köhler, a.a.O., 317. 46 Vgl. den Begriff bei Wilhelm, S.,116; vgl. weiter etwa Lutter, ZGR-Sonderheft 6, 192,212. 47 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.31O; ansatzweise auch Priester, ZGRSonderheft 6, 151, 186. 48 Köhler, a.a.O., 319. 49 Köhler, a.a.O., 317; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 297 Rn. 35. 50 Kölner Kommentar-Koppensteiner, §297 Rn. 35; insoweit zustimmend Sonntag, S.I71. 5! Row~dder / Koppensteiner, GmbHG, Anh. § 52 Rn. 42 a.

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Erster Teil: Überblick über den Meinungsstand

b) Differenzierende Lösungen Der 11. Senat hatte in der Familienheim-Entscheidung die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften angewandt, ohne nach den einzelnen Unwirksamkeits- oder Nichtigkeitsgründen zu differenzieren. Dies ist in der Literatur auf Widerspruch gestoßen: Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft finde dann keine Anwendung, wenn es an einer wirksamen Zustimmung der Gesellschafter fehle 52 • Eine der Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist der - wenn auch fehlerhafte - Abschluß eines Gesellschaftsvertrages53 . Nach ganz h. M. soll die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft eine fehlerhafte vertragliche Einigung für die Vergangenheit heilen, nicht aber eine fehlende Einigung ersetzen54 • Übertragen auf das Recht der Unternehmensverträge bedeute dies, daß einem Unternehmensvertrag die Wirksamkeit versagt bleiben müsse, dem nicht alle Gesellschafter zugestimmt hätten55 • Ebenso sollen die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft dann keine Anwendung finden, wenn der Zustimmungsbeschluß auf eine entsprechende Anfechtungsklage hin für nichtig erklärt wird56 • Gegen die "Rettung" der Altverträge im GmbH-Konzernrecht durch die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft spricht schließlich nach der Ansicht von Kort57 das Erfordernis der konstitutiven Handelsregistereintragung. Sei für die Wirksamkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen eine konstitutive Handelsregistereintragung erforderlich, so folge gerade aus dieser konstitutiven Wirkung, daß die Eintragung Rechtsfolgen nach sich ziehe, die sich ohne eine solche nicht ergäben. Man könne daher die Rechtsfolgen einer eintragungspflichtigen Maßnahme ohne und mit Handelsregister52 Kleindiek, ZIP 1988, 613, 619ff.; Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 37, 47; Timm, GmbHR 1989, 11, 19; ders. NWB Fach 18, S.3577, 3581; Sonntag, S.170; Ulmer, BB 1989, 16, der allerdings die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch dann anwenden will, wenn die Beteiligten diese zunächst nicht für erforderlich gehalten und der Vertrag trotzdem vollzogen worden sei; ebenso Ebenroth I Müller, BB 1991,358,360; Henze, ZAP Fach 15, 7,10. 53 BGHZ 11, 190, 191; WM 1961, 1024, 1025; 1965,795,796; 1976, 180, 181; Wiesner, S. 41; Staub-Ulmer, § 105 Rn. 340. 54 Wiesner, S. 94ff. 55 Kleindiek, ZIP 1988, 613, 620; so auch Timm, GmbHR 1989, 11, 19; Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 37, 47; Sonntag, S. 170; Stolzenberger-Wolters, S.112, hält hingegen das Problem für die Praxis für nicht relevant. 56 LG Frankenthai ZIP 1988, 1460 mit zustimmendem Kurzkommentar von Timm, EWiR §297 AktG 1188, 947; Sonntag, S.170 Fn. 555; K1eindiek, ZIP 1988, 613, 619; insoweit a.A. für die GmbH wohl Hachenburg I Raiser, Anh. §47 Rn. 240; Zöllner I Noack, ZGR 1989, 525, 544. 57 Kort, AG 1988, 369, 374; ausdrücklich anderer Ansicht BGH ZIP 1992, 29, 30.

B. Ansätze zur Venneidung von Nichtigkeitsfolgen

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eintragung nicht durch den "Kunstgriff" der Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft gleichstellen. Endlich wird die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zumindest insoweit abgelehnt, als damit auch eine "Heilung" vollzogener Rechtshandlungen verbunden sein soll. Die Minderheitsgesellschafter könnten auf der Grundlage der gesellschafterlichen Treupflicht weiterhin Schadenersatz verlangen und auf diesem Wege auch die Rückgängigmachung der Konzerneingliederung erreichen58 • c) Kein ausreichender Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Konzernrecht durch die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Timm fordert für Unternehmensverträge im GmbH-Konzernrecht, die nicht den im Supermarkt-Beschluß gestellten Anforderungen entsprechen, aber vor Erlaß des Beschlusses abgeschlossen wurden, einen - wenn auch beschränkten - Bestandsschutz für die Zukunft59 • Er führt zur Begründung aus: Für den Fall, daß der Gesetzgeber die Beurkundungsfrage neu entschieden hätte, hätte er eine Übergangsregelung für die Altverträge eingeführt. Aber auch die Rechtsprechung habe in vergleichbaren Fällen einen Bestandsschutz gewährt. Als Beleg für diese Ansicht führt er einen vorn BGH im Jahre 197560 entschiedenen Fall an, in dem die Entscheidung über Anstellungsverträge mit Vorstandsmitgliedern vorn Aufsichtsrat auf einen aus zwei Mitgliedern bestehenden Ausschuß übertragen worden war. Der BGH befand, der Ausschuß hätte aus mindestens drei Mitgliedern bestehen müssen und die Anstellung eines Vorstandsmitglieds sei daher nicht wirksam vereinbart worden. Gleichwohl sei der Vertrag für die Vergangenheit und Zukunft voll als wirksam zu behandeln. Zur Begründung hatte das Gericht ausgeführt, die Frage, ob einern zweiköpfigen Ausschuß Entscheidungsbefugnisse übertragen werden könnten, sei im Schrifttum umstritten und bis dahin höchstrichterlich nicht entschieden worden. Die Praxis habe solche Regelungen weitgehend als zulässig angesehen. Auf die Gültigkeit der so zustandegekommenen Anstellungsverträge hätten sich die Beteiligten eingestellt. Es wäre daher mit Treu und Glauben und einer gerechten Interessenabwägung unvereinbar, wenn die in der Vergangenheit geschlossenen Verträge von nun an als unwirksam abgeschlossen behandelt werden müßten. Die Grundsätze über fehlerhafte Anstellungsverhältnisse böten demgegenüber keinen vollen Ausgleich. 58 Sonnenschein, in: Mestmäcker I Behrens (Hrsg.), 49, 69; Emmerich I Sonnenschein, §25 II 2f. (S. 390); Baumbach I Hueck I Zöllner, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 17 b. 59 Timm, GmbHR 1989,11,17. 60 BGHZ 65,190 = NJW 1976,145.

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Erster Teil: Überblick über den Meinungsstand

Timm ist der Ansicht, diese Überlegungen müßten für die infolge des Supermarkt-Beschlusses erkannte Unwirksamkeit zahlreicher Unternehmensverträge genauso gelten 61 . Andere erkennen zwar die Möglichkeit an, sich jederzeit von einem fehlerhaften Vertrag loszusagen, wollen jedoch prüfen, ob die Berufung auf die Unwirksamkeit nicht im Einzelfall treuwidrig ist 62 . Diesem weitgehenden Bestandsschutz für Altverträge steht gegenüber, daß den nicht den Anforderungen des Supermarkt-Beschlusses entsprechenden Neuverträgen keinerlei Bestandsschutz gewährt wird63 • IV. Bestandsschutz für sogenannte Altverträge im GmbH-Konzernrecht nach anderen Grundsätzen

Wiederum andere sehen die Altverträge, d. h. Unternehmensverträge, die vor dem Bekanntwerden des Supermarkt-Beschlusses abgeschlossen wurden, einfach als wirksam an. Dabei wird zum Teil angenommen, es habe sich bei der bisherigen Praxis um Gewohnheitsrecht gehandelt64 , während die wohl weitestgehende Ansicht einfach davon ausgeht, die bisherige Praxis habe dem geltenden Recht entsprochen. Die Behandlung der Altverträge erweise sich daher, selbst wenn man die Rechtsfortbildung durch den BGH anerkenne, "schlicht als ein Problem intertemporalen Rechts" 65 . V. Anwendung der §§ 241fT. AktG auf den Untemehmensvertrag

Neue Wege der Einschränkung von Nichtigkeitsfolgen ist in jüngerer Zeit das Landgericht Ingolstadt gegangen 66 . Die beklagte Aktiengesellschaft hatte mit ihrer Mehrheitsaktionärin einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen, der folgende Kündigungsklausel enthielt: 61 Timm, GmbHR 1989, 11, 18; a.A. Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 37, 43 und Stolzenberger-Wolters, S.116f. 62 Priester, a.a.O., 49; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 625; Ulmer, BB 1989, 10, 18; noch weitergehender Prael, S. 85 ff, der die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit generell für ausgeschlossen hält. . 63 Timm, GmbHR 1989, 11, 17; ebenso Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 37f.; so wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 39 II 1 (S.1010); Strobl, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 65, 75; Rottnauer, DB 1991,27; a. A. Stolzenberger-Wolters, S. 115f.; unklar Kort, ZIP 1989,1309,1312 64 So Venzmer, WPg 1990, 305; dazu noch unten 3. Teil A. H. 65 Knobbe-Keuk, § 20 H, (S. 650); in dieser Richtung wohl auch Flume, DB 1989, 665 und Gäbelein, GmbHR 1990, 502; zu dieser Argumentation unten 3. Teil A. III. 66 LG Ingolstadt ZIP 1990, 1128 = EWiR § 297 AktG 1190, 847 (Lauber-Nöll) = WM 1991, 685 = WuB H A. §293 AktG 1.91 (Marsch-Barner); zweifelnd nunmehr OLG München, AG 1991, 358, 361 in der Berufungsentscheidung.

B. Ansätze zur Venneidung von Nichtigkeitsfolgen

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"Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann zum Ende eines Geschäftsjahres der SSI (= der Beklagten) schriftlich mit einer Frist von 6 Monaten von beiden Vertragsparteien gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31. 12. 1992. Als wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung gilt es, wenn zwischen den Vertragsschließenden ein Gewinnabführungsvertrag mit einem darauf abgestimmten neuen Beherrschungsvertrag zustandekommt. "

Der Vertrag wurde im Handelsregister eingetragen und der Zustimmungsbeschluß nicht angefochten. Im Jahre 1989 kam es zum Abschluß eines neuen Beherrschungsvertrages. Das herrschende Unternehmen kündigte daraufhin, gestützt auf die oben zitierte Klausel den alten Unternehmensvertrag. Mit einer Anfechtungsklage griffen einige Aktionäre den Zustimmungsbeschluß zu dem neuen Vertrag an. Da nicht zwei Unternehmensverträge nebeneinander bestehen können, kam es auf die Wirksamkeit der Kündigung an. Das Gericht hält die Einräumung der Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung auch aus Gründen, die nicht wichtige i.S.v. § 297 I AktG sind, für unzulässig. Es gelangt jedoch trotzdem zur Wirksamkeit der Kündigung des alten Unternehmensvertrages. Unter Hinweis auf den Supermarkt-Beschluß führt es aus, der Unternehmensvertrag sei ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag und habe satzungsüberlagernden Charakter. Inhaltliche Mängel ließen sich daher nicht mit den herkömmlichen Mitteln des BGB bewältigen, sondern es müßten die auch sonst für fehlerhafte Satzungsänderungen geltenden Regeln gelten, d. h. von den Rechtsfolgen her betrachtet die §§ 241ff. AktG. Da kein Fall einer evidenten Rechtsverletzung vorliege, sei lediglich von der Anfechtbarkeit auszugehen und die Regelung sei mangels Anfechtung daher wirksam 67 • Auch vom OLG München68 wird konzediert, daß Unternehmensverträge in ihren Auswirkungen für die Aktionäre vielfach satzungsrechtlichen Charakter hätten. Dafür spreche auch, daß der Aktionär innerhalb der Ausschlußfrist des § 246 AktG gegen den Zustimmungssbeschluß vorgehen müsse. Die Ausschlußfrist könne leerlaufen, wenn der Aktionär nicht gegen den Zustimmungsbeschluß vorgehe, sondern erst gegen weitere Rechtshandlungen, die auf dem Unternehmensvertrag beruhten. Gleichwohl hält das Gericht die Anwendung der §§ 241 ff. AktG für problematisch. Im Gegensatz zum satzungsändernden Beschluß sei beim Unternehmensvertrag auch der Vertragspartner beteiligt, der sich jederzeit auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen könne. Die Geltendmachung der Nichtigkeit durch den Aktionär sei allenfalls dann ausgeschlossen, wenn es sich um die Verletzung spezifischer aktienrechtlicher Vorschriften handele. Die Geltendmachung einer Nichtigkeit nach sonstigem materiellen Recht müsse auch weiter möglich sein69 • Außerdem sei 67 LG Ingolstadt a.a.O. im Anschluß an Überlegungen von Timm; vgl. FS Kellermann, S. 461ff.; zustimmend Marsch-Barner, WuB II A. § 293 AktG 1.91. 68 AG 1991, 358, 361.

32

Erster Teil: Überblick über den Meinungsstand

zu prüfen, ob nicht § 293 I 4 AktG einer Gleichsetzung von Unternehmensverträgen und satzungsändernden Beschlüssen entgegenstehe7o . VI. Zusammenfassung

Insgesamt zeigt sich ein sehr uneinheitliches Bild. Die Auffassungen reichen von Extrempositionen - generelle Wirksamkeit oder generelle Unwirksamkeit - bis zu vermittelnden Lösungen, die in Teilbereichen eine Einschränkung von Fehlerfolgen befürworten. Eine systematische Aufarbeitung fehlt demgegenüber bislang. Am naheliegendsten ist eine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft. Bevor die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auf einen fehlerhaften Unternehmensvertrag konkreter geprüft wird, muß aber zunächst Klarheit über diese Grundsätze selbst und über die Rechtsnatur sowie die tatsächlichen Auswirkungen des Abschlusses von Unternehmensverträgen geschaffen werden. Dies zeichnet den Weg für die weitere Untersuchung vor.

69 Dazu, daß diese Argumentation auf einer grundlegenden Verkennnung der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe beruht, siehe unten 4. Teil B. H. 1. b). 70 Zu dieser - unzutreffenden - Argumentation siehe unten 4. Teil B. 11. 1. a).

Zweiter Teil

Die Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf Unternehmensverträge A. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft I. Methodische Vorüberlegung

Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft wurden in erster Linie für den Bereich des Personengesellschaftsrechts herausgebildet!. Es erscheint daher zweifelhaft, ob diese "Grundsätze" überhaupt einer entsprechenden Anwendung auf den Bereich der Unternehmensverträge zugänglich sind. Hinzu kommt, daß es sich dabei nicht um Rechtsnormen handelt. Auch fehlt es ihnen an einer allgemeinen Zustimmung im Sinne einer "opinio necessitatis", so daß die genannten Grundsätze kein Gewohnheitsrecht sind2 • Bei den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft handelt es sich vielmehr um eine ständige Rechtsprechung, der in weiten Teilen der Literatur Gefolgschaft geleistet wird. Für den Bereich der Unternehmensverträge muß daher grundsätzlich ein eigenständiger Ansatz verfolgt werden. Die Bezugnahme auf die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft kann dabei allenfalls als Vergleich dienen, soweit sich Voraussetzungen und Rechtsfolgen vergleichen lassen 3 . Andererseits handelt es sich bei der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft um einen Teil eines allgemeinen Verbandsrechts4 . Die von der Rechtsprechung für das Recht der Personengesellschaft entwickelten Grundsätze lassen sich daher durchaus auch auf andere Verbandsformen anwenden5 • 1 Siehe aber K. Schmidt, AcP 186 (1986),421; ders., AG 1991, 131; Paschke, ZHR 1991, 1. 2 Zutreffend Wiesner, S. 93; Bälz, Münchener Handbuch KG, § 56 Rn. 30. 3 Zutreffend Kleindiek, ZIP 1988, 623: "Es ist zu prüfen, inwieweit die dogmatischen Grundlagen über fehlerhafte Gesellschaften auch ein Sonderrecht für fehlerhafte Unternehmensverträge begründen können". 4 Siehe K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421; ders., ZGR 1991,373,378. 5 Zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf das Recht der Vor-GmbH siehe Dörr, S. 60ff.

3 Lauber-Nöll

34

Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Nur müssen eben die Besonderheiten der jeweiligen Verbandsform beachtet werden. Bei der Übertragung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft in das Konzernrecht kann es nicht darum gehen, die im Personengesellschaftsrecht entwickelten Rechtssätze unbesehen auf das Recht der Unternehmensverträge anzuwenden. Es kommt daher allenfalls eine konzernspezifische Fortschreibung 6 der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft in Frage. Dabei hat eine Anlehnung an die Fragestellung im Recht der fehlerhaften Gesellschaft aber keineswegs nur assoziative Bedeutung7 . Vielmehr kann durchaus auf die im Personengesellschaftsrecht entwickelten dogmatischen Grundlagen zurückgegriffen werden. Es muß dabei aber beachtet werden, daß es sich um ein eigenständiges Sonderrecht handelt. Eine konzernspezifische Fortschreibung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bedeutet aber nicht, daß der Vertrag unwirksam bleibt und der Organträger sich lediglich nicht von seiner Verlustübernahmeverpflichtung für die Vergangenheit lossagen kann 8 . Insoweit ist bereits zutreffend eingewandt worden, daß nicht nur die Verlustausgleichspflicht bei einem Fehler des Unternehmensvertrages in Frage steht, sondern daß es um das komplexe Problem der Rückabwicklung eines derartigen Vertrages geht9 . Bei der hier gestellten Frage nach einer konzernspezifischen Fortschreibung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, müssen die spezifischen Besonderheiten gegenüber dem Personengesellschaftsrecht beachtet werden. Der Einwand von Köhler1o , die Sachlage beim fehlerhaften Unternehmensvertrag sei mit der bei der fehlerhaften Gesellschaft nicht vergleichbar, weil dort kein Gesamthandsvermögen gebildet werde, geht deshalb an der Sache vorbei ll . Selbstverständlich kann bei einem fehlerhaften Unternehmensvertrag die Frage, ob Gesamthandsvermögen gebildet worden ist, nicht ausschlaggebend für die Rechtsfolge sein, die sich bei einem Fehler des Unternehmensvertrages ergibt. Vielmehr muß hier beachtet werden, daß die Frage der Bildung von Gesamthandsvermögen eben eine spezifisch auf das Recht der Personengesellschaft bezogene Anforderung darstellt. Die richtige Frage kann nur dahingehend lauten, ob der tiefgreifende Eingriff in die Organisationsstruktur der Gesellschaften eine Einschränkung der allgemeinen Vorschriften rechtfertigt. Methodisch handelt es sich bei der Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen um eine teleologische Reduktion, verbunden mit einer analogen Anwendung der Regeln über Dauerschuldverhältnisse und der Auflösungsklage bei der So der Ausdruck von Timm, BB 1981, 1491, 1497. So Köhler, ZGR 1985, 307, 311. 8 So aber noch Timm, BB 1981, 1491, 1497; inzwischen ausdrücklich aufgegeben in GmbHR 1989,11,17, Fn. 54. 9 Rehbinder, FS Fleck, 253, 265; ebenso Sonntag, S.174. 10 ZGR 1985, 307, 310. 11 Zweifelnd wegen der fehlenden Bildung von Gesamthandsvermögen auch Sonntag, S.169. 6

7

A. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

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OHGI2. Es muß daher untersucht werden, ob die Nichtigkeits- und Anfechtungsregeln im Recht der Unternehmensverträge ebenso einer teleologischen Reduktion bedürfen wie die Vorschriften des BGB bei Gesellschaftsverträgen. 11. Grundlagen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

1. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft als Institut des Gesellschaftsrechts Bei dem Institut 13 der fehlerhaften Gesellschaft geht es darum, eine Personengesellschaft auf fehlerhafter Vertragsgrundlage unter bestimmten Voraussetzungen für die Vergangenheit nach innen und außen wie eine mangelfreie behandeln zu können. Der BGH hat die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft als gesicherten Bestandteil des Gesellschaftsrechts bezeichnet l4 • Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist allerdings sowohl in den Einzelheiten ihrer Ausgestaltung als auch in ihrer dogmatischen Grundlage nicht zweifelsfrei. Teilweise wird ein Sonderrecht für fehlerhafte Gesellschaften überhaupt abgelehnt l5 . Statt dessen sollen die allgemeinen Vorschriften wenn auch mit notwendigen Anpassungen - angewendet werden 16. Angesichts der ständigen Rechtsprechung des BGH und der weitgehenden Übereinstimmung in der Literatur besteht jedoch kein Anlaß, die Berechtigung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft erneut in Zweifel zu ziehen. Über die wesentlichen Aussagen besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit: Grundlage jeder Personengesellschaft ist der Gesellschaftsvertrag. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft behandelt die Rechtsfolgen eines fehlerhaften Vertrages. Unter den Begriff der Fehlerhaftigkeit fallen hierbei sowohl Nichtigkeits- und Anfechtbarkeitstatbestände als auch die Fälle, die zur schwebenden Unwirksamkeit führeni? Als Fehlerquelle kommen Verstöße gegen die §§ 134, 138 BGB, die Anfechtbarkeit einzelner Vertragserklärungen, fehlende Geschäftsfähigkeit, Fälle des Dissenses, der Formnichtigkeit und auch der anfänglichen Unmöglichkeit des Gesellschaftszwecks in Betracht. Larenz, Methodenlehre, S. 379f. Zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft als Teil eines "allgemeinen" Verbandsrechts, Karsten Schmidt, AcP 186 (1986), 421ff.; ders., ZGR 1991, 373, 378f. 14 BGHZ 55, 5, 8. 15 Canaris, Vertrauenshaftung, 74ff., 120ff.; Möschel, FS Hefermehl, 171ff.; H. Weber, 171ff. 16 Zur Kritik an dieser Auffassung siehe statt aller Staub I Ulmer, § 105 Rn. 335ff. 17 Staub I Ulmer, § 105 Rn. 327. 12

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Kein Fall einer "fehlerhaften Gesellschaft" ist dagegen dann gegeben, wenn ein Fehler bei Anwendung der allgemeinen Regeln nicht zur gänzlichen Unwirksamkeit der Gesellschaft führen würde. So berührt etwa die Unwirksamkeit einzelner Vertrags klauseln die Wirksamkeit des Restvertrages nicht l8 • Entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB wird allgemein angenommen, daß Gesellschaftsverträge mit fehlerhaften Vertragsklauseln nicht insgesamt nichtig sind. Vertragslücken sind im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder eines Rückgriffs auf das dispositive Gesetzesrecht zu schließen l9 . Diejenigen Grundsätze, über die in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit herrscht, lassen sich ähnlich einer gesetzlichen Vorschrift in Tatbestand und Rechtsfolge aufteilen und wie folgt zusammenfassen: 1. Erste Voraussetzung ist der Abschluß eines - wenn auch fehlerhaften Gesellschaftsvertrages2o • Die frühere Ansicht, die allein in der faktischen Betätigung der Gesellschafter den Geltungsgrund für die Gesellschaft sah 21 , wird heute nicht mehr vertreten. 2. Weiter muß die Gesellschaft in Vollzug gesetzt sein22 • Dies liegt daran, daß eine Rückabwicklung nach allgemeinen Regeln bis zum Vollzug leicht durchführbar und kein besonderer Verkehrsschutz notwendig ist23 • Was unter dem Begriff des Vollzuges zu verstehen ist, ist allerdings lebhaft umstritten. Die Ansichten reichen von der Meinung, über den Vertragsschluß hinausgehender Vollzugshandlungen bedürfe es nicht, weil schon mit Vertragsschluß Gesamthandsvermögen entstehe 24 , bis zu der Auffassung, eine Invollzugsetzung liege erst dann vor, "wenn bereits so viel geschehen ist, daß die konsequente Durchführung der Nichtigkeitsfolgen zu schwer erträglicher rechtlicher Unordnung führe. "25

Wiesner, S. 106f.; Westermann, Handbuch, I Anm.175. Staub I Ulmer, § 105 Rn. 342; Wiesner, S.106f. 20 Ständige Rechtsprechung des BGH vgl. BGHZ 11,190,191; NJW 1988,1321 und einhellige Ansicht in der Literatur. Statt vieler: Staub-Ulmer, § 105 Rn. 340; PalandtThomas, § 705 Rn. 11; Hopt-Hehl, Rn. 290; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 25 II (S. 341); Wiesner, S. 94ff. 21 Haupt, FS Siber, Iff.; Siebert, FS Hedemann, S. 266; Simitis, S. 107ff.; 184ff.; zur Kritik Wiesner, S. 48ff. 22 BGHZ 3, 285, 288; 13, 320, 321; RGZ 165, 193, 205; Hueck, OHG, § 7 III 6 (S. 97); Staub-Ulmer, § 105 Rn. 343; Staudinger-Keßler, § 705, Rn. 93,123. 23 Wiesner, S. 117 mit weiteren zahlreichen Nachweisen. 24 Wiesner, S. 118. 25 So Staub-Ulmer, § 105 Rn. 343; BGH NJW 1978, 2505, 2506; G. Hueck, Gesellschaftsrecht, 92f.; vgl. auch den Vorschlag von Karsten Schmidt, es genüge das "Ingangsetzen einer verfaßten Organisation", AcP 186 (1986), 441, der jedoch zu Recht als zu unbestimmt für die Rechtsanwendung von Ulmer in Staub, § 105 Rn. 343 kritisiert wurde. 18

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A. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

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3. Als negatives TatbestandsmerkmaF6 dürfen der Anerkennung der Gesellschaft für die Vergangenheit keine vorrangigen schutzwürdigen Interessen einzelner Beteiligter oder der Allgemeinheit entgegenstehen27 • 4. Rechtsfolge ist, daß die Gesellschaft für die Vergangenheit wirksam ist 28 • Dies gilt jedenfalls für die Gesellschaft insgesamt, schließt aber nicht aus, die Rechtsfolge nicht eintreten zu lassen, die der konkrete Anfechtungsoder Nichtigkeitstatbestand gerade verhindern will. So kann sich etwa ein Gesellschafter nicht auf eine ihn besonders begünstigende, durch Täuschung oder sittenwidrige Übervorteilung erreichte Gewinnverteilung berufen29 • Für die Zukunft kann die Gesellschaft nach den für sie jeweils geltenden Beendigungsvorschriften aufgelöst werden. Nach herrschender Meinung ist dabei der Fehler stets ein wichtiger Grund im Sinne der Kündigungsvorschriften3o • Hinsichtlich dieser Grundsätze besteht weitgehend Einigkeit. Umstritten ist dabei die dogmatische Begründung. Die Rechtsprechung begründet die Wirksamkeit der Gesellschaft trotz eines dem Gesellschaftsvertrag anhaftenden Fehlers vor allem mit Erwägungen zum Bestandsschutz im Innenverhältnis und dem Verkehrsschutz 31 • In einigen 26 Ein negatives Tatbestandsmerkmal ist dadurch gekennzeichnet, daß erst bei dessen Nichtvorliegen die Rechtsfolge eintritt, was Bedeutung insbesondere für die Darlegungs- und Beweislast im Prozeß hat. 27 In jüngerer Zeit wird die Berechtigung dieser Einschränkung zunehmend bestritten. Vgl. K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 444ff.; ders., Gesellschaftsrecht §6 III 3 (S.133f.); Schwintowski, NJW 1988, 937, 941f. 28 Westermann, Handbuch, I Anm.188; Wiesner, S.122f.; K. Schmidt, AcP 186 (1986); 421, 441. 29 Staub-Ulmer, § 105 Rn. 360; Wiesner, S. 42; Westermann, Handbuch, I Anm. 189. 30 Münchener Kommentar-Ulmer, §705 Rn. 263; Hueck, OHG, §7 III 1 b a; StaubUlmer, § 105 Rn. 361; ständige Rechtsprechung seit BGHZ 3, 289, 290; vgl. 47,293, 300, 103, 1ff.; dazu auch Wiesner, S.126; Westermann, Handbuch I Anm.190; a.A. vor allem Flume, Personengesellschaft, § 2 III, S.22; Teubner, in AK-BGB, § 705 Rn. 12, 16; auch noch RG DR 1941, 1943 (1944); die jeweils im Einzelfall prüfen wollen, ob ein wichtiger Grund vorliegt. 31 Der BGH hat in BGHZ 55,5,8 die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft wie folgt zusammengefaßt: Die Nichtigkeits- und Anfechtungsfolgen des bürgerlichen Rechts passen im allgemeinen wegen ihrer Rückwirkung auf den Abschluß des Rechtsgeschäfts für Gesellschaftsverhältnisse nicht; denn es würde zu unerträglichen Ergebnissen führen und mit dem recht verstandenen Zweck jener Vorschriften nicht mehr vereinbar sein, eine derart auf Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft, für die die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und vor allem gemeinschaftlich das Risiko getragen haben, ohne weiteres mit rückwirkender Kraft aus dem Rechtsleben zu streichen und damit so zu behandlen, als ob sie nie bestanden hätte. Ein solches Rechtsverhältnis, beurteilt an seinen typischen Erscheinungsformen, verdient daher bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund geltend gemacht wird, im Interesse der Gesellschafter Bestandsschutz, sofern nicht ausnahmsweise die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

neueren Urteilen läßt sich die Tendenz feststellen, daß die Geltung der oben erwähnten Grundsätze überhaupt nicht mehr begründet wird 32 , sondern nur noch gefragt wird, ob der konkrete Fall Anlaß gibt, die Grundsätze anzuwenden. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft werden daher heute - ungeachtet der fehlenden Rechtsnorrnqualität - weitgehend wie ein Gesetz angewendet. Obwohl es sich bei den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft nicht um Rechtsnormen handelt, können diese Grundsätze dennoch als Analogiegrundlage dienen. 2 . Fehlerhafte Vertragsänderungen

Im Gegensatz zu fehlerhaften Gesellschaftsgründungen wird von der herrschenden Meinung bei fehlerhaften Vertragsänderungen nicht ohne weiteres eine Einschränkung der Nichtigkeit befürwortet. Es sollen nicht generell alle mit Mängeln behafteten Änderungen von Gesellschaftsverträgen nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft behandelt werden, sondern nur solche, die den "Status der Gesellschaft" betreffen33 • Grund für diese Einschränkung ist die Annahme, daß bei einer fehlerhaften Vertragsänderung vielfach wieder ohne größere Schwierigkeiten an den status quo ante wieder angeknüpft werden könne, da in Gestalt des "alten" Vertrages eine sinnvolle rechtliche Ordnung vorhanden sei. Von anderen wird dagegen danach unterschieden, ob die Vertragsänderung lediglich die schuldrechtlichen Beziehungen der Gesellschafter berühre, oder ob er zu Folgen für die Organisation geführt habe 34 • Letztlich kann die Frage hier auf sich beruhen. Der Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages erfüllt sowohl das Statuskriterium der herrschenden Meinung wie er auch zu Folgen für die Organisation im Sinne Ulmers führt 35 . Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar ist. In diesem Sinn gehört der Grundsatz, daß eine fehlerhafte Gesellschaft regelmäßig nicht von Anfang an nichtig, sondern wegen des Nichtigkeits- und Anfechtungsgrundes nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar ist, heute zum gesicherten Bestandteil des Gesellschaftsrechts, ohne daß es in dem inzwischen erreichten Rechtszustand noch geboten oder aus Gründen der Rechtssicherheit auch nur möglich wäre, die Anwendung jener Grundsätzen von der individuellen Gestaltung des Einzelfalls abhängig zu machen und zu prüfen, ob die Abweichung von den bürgerlich-rechtlichen Regeln jeweils mehr oder weniger dringend geboten erscheint. 32 BGH ZIP 1990, 371 zur Anwendung der Grundsätze auf eine fehlerhafte Anteilsübertragung bei einer GmbH; NJW 1985, 1321, 1323; NJW 1988,1324; siehe auch Bälz, Münchener Handbuch KG, § 56 Rn. 23. 33 BGH WM 1955, 1702, 1703; BGHZ 62, 20, 29; zustimmend Kübler, §25 V (S. 347); Robert Fischer, Großkommentar HGB § 105 Anm. 84; Hueck, OHG, S. 100f. 34 Staub-Ulmer, § 105 Rn. 366; für uneingeschränkte Anwendung der Grundsätze Wiesner, S.138ff.; wohl auch Bälz, Münchener Handbuch KG, § 60 Rn. 2.

A. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

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111. Dogmatische Grundlagen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

1. Die Theorie vom faktischen Vertrag Ausgangspunkt der Theorie vom faktischen Vertrag war ursprünglich die Überlegung, es gebe neben dem rechtsgeschäftlichen Vertragsschluß einen Vorgang des faktischen Zustandekommens von Vertragsverhältnissen, der als selbständiger Tatbestand anerkannt wurde36 . Dabei sollte die tatsächliche Gemeinschaft eine stärkere Bindung der Gesellschafter schaffen als eine vertragliche Grundlage, da erst durch die tatsächliche Gemeinschaft das Unternehmen als rechtliche Einheit handeln könnte 3? Diese Ansicht wird zu Recht heute allgemein abgelehnt, weil sie mit dem Vertragsmodell des BGB nicht vereinbar ist 38 •

2. Die Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen Die lange Zeit vorherrschende Ansicht im Schrifttum begründete die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft demgegenüber mit der mangelnden Eignung der allgemeinen Rechtsfolgen der Nichtigkeit bei vollzogenen Gesellschaftsverträgen39 . Angesichts der untragbaren Folgen einer rückwirkenden Vernichtung des Gesellschaftsvertrages seien die allgemeinen Regeln zu modifizieren. Die Nichtigkeitsfolgen könnten daher nur mit ex nunc-Wirkung geltend gemacht werden. Dies müsse "erst recht" für das Außenverhältnis gelten40 . Tragendes Argument dieser Literaturmeinung ist die angenommene Funktionsunfähigkeit des Bereicherungsrechts bei nichtigen Gesellschaftsverträgen. Statt dessen soll die Gesellschaft nach den jeweils geltenden Liquidationsvorschriften aufgelöst werden. Diese Lehre ist vor allem deshalb problematisch, weil sich der "Erst-Recht-Schluß" vom Innen- auf das Außenverhältnis eigentlich nur auf der Basis der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen erklären läßt 41 • Außerdem ist eine überzeugende Begründung für die volle Wirksamkeit des Vertrages im Innenverhältnis nicht gelungen42 • Im Ergebnis ebenso Stolzenberger-Wolters, S. 93ff. So vor allem Haupt, FS Siber, 1,29. 37 Siebert, FS Hedemann, 266, 287. 38 Statt aller: Wiesner, S. 48ff.; Danull, S. 107ff.; Karsten Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 422f.; Kübler, Gesellschaftsrecht, §25; Bälz, Münchener Handbuch KG, §57 Rn.3. 39 Brox, Irrtumsanfechtung, S.268ff.; Robert Fischer, in: Großkommentar zum HGB, § 105 Anm. 78; Soergell Schultze v. Lasaulx, § 705 Rn. 91; Hueck, OHG § 7 III, S.81; Baumbach I Duden I Hopt, HGB, § 105 Anm.8; Westermann, Handbuch, I Anm.182f. 40 So namentlich Hueck, OHG, § 7 III 6, S. 97f. 41 Möschel, FS Hefermehl, 171, 173; Canaris, Vertrauenshaftung, 120ff. 35

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

3. Die Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsvertrages Eine wirklich tragfähige Grundlage für die Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen im Personengesellschaftsrecht ist erst den Arbeiten von Flume43 und UlmerM zu verdanken. Vor allem Flume erkannte, daß sich die Wirkung des Gesellschaftsvertrages nicht in den schuldrechtlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander erschöpft, sondern daß er gleichzeitig als Organisationsvertrag die Gesellschaft als Verband konstituiert45 • Damit wurde ein Gedanke Otto v. Gierkes fortgeführt, daß eine Gesamthandgesellschaft nicht nur ein bloßes Schuldverhältnis, sondern zugleich einen Personenverband, eine aus den Gesellschaftern bestehende, im Rechtsverkehr handlungsfähige Gruppe darstellt 46 • Aus der Besonderheit des Gesellschaftsvertrages, der neben den schuldrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschafter auch eine Organisation begründet, erklärt sich, daß die auf die Rückabwicklung von Austauschverträgen gerichteten Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts nicht passen 47 • Die allgemeinen Vorschriften müssen daher an die Besonderheiten des Gesellschaftsrechts angepaßt werden. Die Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsvertrages als Schuldverhältnis und Organisation stellt zutreffend darauf ab, daß sich die fehlerhafte Gesellschaft von einem fehlerhaften Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäft deutlich unterscheidet. Während diese nach dem BGB rückabgewickelt werden können, kann es ein Verband im allgemeinen nicht48 •

B. Zur Rückabwicklungsrähigkeit von Untemehmensverträgen Ein wesentliches Begründungselement für die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist die mangelnde Eignung der allgemeinen Vorschriften bei der Rückabwicklung einer Organisation. Als Argument für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auf fehlerhafte Unternehmensverträge wird denn auch von vielen deren vermeintlich fehlende Rückabwicklungsfähigkeit ins Feld geführt49 • 42 Staub-Ulmer, § 105 Rn. 334; zur Kritik siehe auch Bälz, Münchener Handbuch KG, §57 Rn. 15ff. 43 Flume, Personengesellschaft, §§ 2,4 und 5. 44 Ulmer, FS Flume, Bd. 11, S.301ff.; ders., in Münchener Kommentar, § 705 Rn. 122ff. 45 Flume, Personengesellschaft, § 4111, S. 61. 46 Vgl. Wiesner, S. 79. 47 Flume, Personengesellschaft, § 2111, S. 13; ihm folgend Wiesner, S. 92. 48 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 I 3 (S. 125). 49 BGHZ 103, 1, 5; Rehbinder, FS Fleck, 253, 264; zustimmend Ulmer, BB 1989, 10, 15; Windbichler, S.50f.; Kley, S.60; Geßler, in: Geßler I Hefermehl, § 297 Rn. 45; Timm, BB 1981, 1491, 1497; siehe auch bereits Prael, S. 91f.

B. Zur Rückabwicklungsfähigkeit von Unternehmensverträgen

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Dagegen haben Köhler50 und Koppensteiner 51 der These von der Rückabwicklungsfeindlichkeit der Unternehmensverträge nachdrücklich widersprochen. I. Die Ansicht des Gesetzgebers Die Entstehungsgeschichte des § 294 AktG spricht dafür, daß der Gesetzgeber von der rückwirkenden Vernichtbarkeit eines Unternehmensvertrages ausgegangen ist52 . Ganz so eindeutig ist dies allerdings nicht. Beachtung verdient insoweit ein Satz der Begründung zum Regierungsentwurf. Dort heißt es, durch die geplante Regelung53 sei allerdings nicht sichergestellt, daß ein im Handelsregister eingetragener Unternehmensvertrag rechtswirksam geworden sei. Die Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses oder die Nichtigkeit des Unternehmensvertrages selbst könne auch weiterhin geltend gemacht werden, soweit die Geltendmachung solcher Rechtsmängel nicht durch die Natur des Vertrages ausgeschlossen werde 54 • Nach der Regierungsbegründung ist daher offen, inwieweit durch die Rechtsnatur des Unternehmensvertrages die Geltendmachung von Mängeln ausgeschlossen ist. Aus den Materialien läßt sich daher nicht entnehmen, der Gesetzgeber habe keine Beschränkung der Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsfolgen gewollt55 . Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber wegen der besonderen "Natur" der Unternehmensverträge von einer Einschränkung der allgemeinen Vorschriften ausgegangen ist. Dadurch, daß der Gesetzgeber die ursprünglich geplante "Registersperre"56 nicht eingeführt hat, ergibt sich keineswegs, daß die Rückabwicklungsschwierigkeiten geringer geworden sind. Aus der Regierungsbegründung zum AktG läßt sich allerdings die Ansicht des Gesetzgebers entnehmen, daß es für den Fall der erfolgreichen Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses bei der rückwirkenden Vernichtung des Vertrages bleiben sollte. Dies erhellt ein Satz aus der Begründung zu § 304 AktG57. Als Grund für den Ausschluß der Anfechtung wegen Verstoßes Köhler, ZGR 1985,307,314,317. Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 297 Rn. 35; für Rückabwicklungsfähigkeit auch Sonntag, S.I71ff. 52 Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 52. 53 Vgl. bereits oben in der Einleitung. 54 Begr. Reg. Entw. zu § 294 AktG, abgedruckt bei Kropff, S.383, Hervorhebung vom Yen. 55 So aber Köhler, ZGR 1985, 307, 311. 56 Zur Registersperre des § 345 AktG vgl. BGH ZIP 1990, 985 = EWiR § 345 AktG 2/90, 845 (Lutter) = WuB II A. § 345 2/90 (Schick) = WM 1990, 1372 = DB 1990, 1762; Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 461ff.; Timm / Schick, DB 1990, 1221; Timm, in: Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten 1, 22 ff.; Baums, in: Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten 85ff. 57 Begr. Reg. Entw. zu § 304 AktG, abgedruckt bei Kropff, S.395. 50 51

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

gegen § 243 11 AktG und wegen Unangemessenheit des Ausgleichs wird ausgeführt, die Angemessenheit des vertraglich bestimmten Ausgleichs solle weder dadurch durchgesetzt werden, daß ein Vertrag, der nur einen unangemessenen Ausgleich vorsehe, nichtig sei (§ 134 BGB) noch durch ein Recht der außenstehenden Aktionäre, den Vertrag durch Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 293 AktG) rückwirkend zu vernichten 58 • Soweit andere Anfechtungsgründe nicht ausgeschlossen wurden, läßt sich daraus im Umkehrschluß nur folgern, daß es insoweit bei der rückwirkenden Vernichtung bleiben sollte. 11. Die Funktionsunfahigkeit des Bereichemngsrechts

1. Gewinnabjührungsvertrag Das Bereicherungsrecht ist auf die Entziehung von Gegenständen, nicht aber auf die Nutzung des Potentials eines Unternehmens gerichtet 59 • Deutlich zeigt sich dies etwa bei den Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung von fehlgeschlagenen Unternehmenskäufen60 • Dabei hat sich gezeigt, daß es besondere Probleme bereitet, den Unternehmensgewinn unter den Nutzungsbegriff zu subsumieren61 • Damit sind die Probleme aber noch nicht abschließend umschrieben. Die Abwicklung eines Unternehmensvertrages unterscheidet sich von der Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Unternehmenskaufes dadurch, daß der eine Vertragspartner laufend auf die Geschäftstätigkeit des anderen Partners Einfluß nimmt. Hinzu kommt, daß das herrschende Unternehmen zumeist auf beiden Seiten des Vertrages stehen wird. Einmal ist es an der beherrschten Gesellschaft mehrheitlich beteiligt, zum anderen fungiert es als herrschendes Unternehmen62 • Zu diesem Befund paßt das Bereicherungsrecht nicht. Es geht vielmehr von getrennten Risiko und Einflußsphären aus63 . Läßt sich beim Unternehmenskauf zumindest ein Stichtag bestimmen, an dem die Einflußsphäre auf den neuen Inhaber wechselt, ist dies bei dem Abschluß eines Unternehmensvertrages nicht möglich. Entgegen der Ansicht von Köhler und KoppensteinerM scheidet damit eine Anwendung des Bereicherungsrechts schon bei der Rückabwicklung eines unwirksamen Gewinnabführungsvertrages aus. Ist der Gewinnabführungsvertrag nichtig, müßte nach Bereicherungsrecht der abhängigen Gesellschaft ein Hervorhebung vom Verfasser; siehe auch Oesterreich, S. 89 Fn. 21. Rehbinder, FS Fleck, 253, 264; 60 Grundlegend Ballerstedt, FS Schilling, S. 289ff.; Schwintowski, JZ 1987,588. 61 Dazu Staudinger I Gursky, § 987 Rn. 9. 62 Siehe Wiedemann, ZGR 1978, 490 der zu Recht annimmt, daß oftmals nur der Form nach ein Vertrag vorliegt, nicht aber der Funktion nach; zur Übermacht des herrschenden Unternehmens auch Exner, S. 8ff. 63 Niemeier, ZGR 1990, 314, 344. 64 Oben 1. Teil B. III. 3. a). 58

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B. Zur Rückabwicklungsfähigkeit von Untemehmensverträgen

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Anspruch auf den abgeführten Gewinn zustehen, da es am Rechtsgrund für die Gewinnabführung fehlt 65 • Mit der Rückzahlung des abgeführten Gewinns ist aber die Lage nicht wieder hergestellt, die sich bei Nichtabschluß eines Gewinnabführungsvertrages ergeben hätte. Anders gewendet: Der status quo ante läßt sich allein durch die Rückführung des abgeführten Gewinns nicht herstellen. Bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages wird der Bilanzgewinn abzüglich eines eventuellen Verlustvortrages und des nach § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Betrages abgeführt. Die Maßstäbe der Gewinnermittlung hängen aber nach §301 AktG wiederum von den Vereinbarungen der Vertragspartner ab 66 • Der Gewinn wird daher nicht etwa wie bei einem unternehmensvertraglich nicht gebundenen Unternehmen ermittelt und sodann abgeführt; bereits die Höhe des Gewinns wird maßgeblich wiederum von den Vereinbarungen im Vertrag bestimmt. Die Steuerbarkeit des abzuführenden Gewinns wird noch deutlicher, wenn berücksichtigt wird, daß die Höhe von Gewinn und Verlust ganz wesentlich von der Ausübung von Bilanzierungswahlrechten abhängt 67 • Bei gleichzeitigem Bestehen eines Beherrschungsvertrages sind nach ganz herrschender Meinung auch Weisungen in bezug auf die Bilanzierung zulässig68 . Es reicht daher nicht aus, den tatsächlich abgeführten Gewinn (oder Verlust) zu ermitteln. Es muß vielmehr nachträglich derjenige Gewinn ermittelt werden, der sich bei Nichtabschluß des Gewinnabführungsvertrages ergeben hätte. Da dafür jeder geeignete Vergleichsmaßstab fehlt, erscheint dies bei längerem Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages unmöglich. 2. Beherrschungsvertrag

Die Rückabwicklung eines Beherrschungsvertrages ist noch weniger möglich. Die durch ihn legitimierten Weisungen, Entscheidungen und Maßnahmen sind oft gar nicht erfaßbar und daher auch nicht revidierbar. Änderungen in der Produktions oder Vertriebsstruktur lassen sich de facto nicht mehr rückgängig machen 69 • So die Argumentation von Sonntag, S. 177f. für die Verlustübernahme. Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 301 Rn. 1; Begr. Reg. Entw. zu § 301 AktG, abgedruckt bei Kropff, S.389; GeBier, in: Geßler / Hefermehl, §301 Rn.l. 67 Dazu Müller, FS Goerdeler, S.375ff.; Meilicke, FS E. Hirsch, S.99, 105ff.; Emmerich / Sonnenschein, § 16 III 2 (S. 262). 68 Exner, S.105ff.; Emmerich / Sonnenschein, § 16 III 2 (S. 262); Kölner Kommentar-Koppensteiner, §308 Rn.21; Müller, FS Goerdeler, S.380ff.; a.A. Geßler, in: Geßler / Hefermehl, der aber auch ein Weisungsrecht hinsichtlich der Ausübung von Bilanzierungswahlrechten anerkennt; Stolzenberger-Wolters, S.77 fordert jedenfalls eine einheitliche Behandlung des Organschaftsvertrages. 69 Kley, S.60; Windbichler, S.50f.; Geßler, in: Geßler / Hefermehl, § 297 Rn.45; Stolzenberger-Wolters, S. 76;a.A. Sonntag, S.176. 65 66

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Dies wird an dem von HommelhofPo angeführten Beispiel deutlich, daß etwa innerhalb eines Konzerns aus einem Allround-Maschinenbauunternehmen mit großer Fertigungstiefe und weltweitem Absatz ein hochspezialisierter Assembler mit geringer Eigenfertigung werden kann, der sich auf wenige Märkte mit hoher Rendite konzentriert. Eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht ist daher ausgeschlossen71 • III. Rückabwicklung nach anderen Regeln?

Ob man damit die Rückabwicklungsfähigkeit von Unternehmensverträgen generell verneinen kann, erscheint dennoch zweifelhaft. Auch der BGH geht zumindest für den aktienrechtlichen Unternehmensvertrag von dessen Rückabwicklungsfähigkeit aus. Dies ergibt sich aus seinem Beschluß vom 2.7. 199072 • Dort heißt es: "Ein Unternehmensvertrag läßt den rechtlichen Bestand der beteiligten Unternehmen unberührt. Er kann, wie unter anderem seine jederzeitige Kündbarkeit aus wichtigem Grund (§ 297 AktG) belegt, auch nach seiner Eintragung ohne unüberwindbare Schwierigkeiten wieder aufgelöst werden, wenn er sich Jahre später aufgrund einer erfolgreichen Anfechtungsklage als unrechtmäßig herausstellt 73 ."

In demselben Beschluß nimmt der BGH Bezug auf die Entstehungsgeschichte von § 294 AktG74 und betont, daß nach Ansicht des Gesetzgebers die Gefahr einer rückwirkenden Anfechtungsklage gegen einen bereits eingetragenen Unternehmensvertrag nicht so schwer gewogen habe, wie diejenige, daß einzelne Aktionäre das Wirksamwerden des Unternehmensvertrages durch Erhebung einer unbegründeten Anfechtungsklage verhindern könnten 75 • Diese Ausführungen des BGH beziehen sich auf einen Vergleich zu den Verschmelzungsvorschriften. Im Gegensatz zu Unternehmensverträgen schaffe eine einmal eingetragene und vollzogene Verschmelzung in so hohem Maße vollendete Tatsachen, daß eine Rückgängigmachung (Entschmelzung) auf größte Schwierigkeiten treffe 76 • Hommelhoff hat indes zu Recht bestritten, daß es zwischen den unternehmensvertraglich hervorgerufenen Strukturänderungen und anderen Umstrukturierungen - wie der Verschmelzung - ein signifikantes Gefälle von leichten zu schweren Auswirkungen gibt77 • ZGR 1990, 447, 464. a. A. Sonntag, S. 176, der aber seine Ansicht auf S. 178 selbst relativiert. 72 BGH ZIP 1990, 985 = EWiR § 345 AktG 2/90, 845 (Lutter) = WuB II A. § 345 AktG 2/90 (Schick) = WM 1990, 1372 = DB 1990, 1762. 73 BGH ZIP 1990, 985, 987. 74 Vgl. dazu Begr. Reg. Entw. zu §294 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 383; Baums, Eintragung und Löschung, S. 163f. 75 BGH ZIP 1990, 985, 987. 76 BGH ZIP 1990, 985, 987. 77 Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 464. 70

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B. Zur Rückabwicklungsfähigkeit von Untemehmensverträgen

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Auch er ist jedoch der Ansicht, es sei zwar schwierig, in der Regel aber nicht unmöglich, eine vollzogene Strukturänderung zu beseitigen. Zwar ließe sich wegen der sich dynamisch entwickelnden wirtschaftlichen Verhältnisse nicht exakt jener Zustand herstellen, der im Moment der Beschlußfassung bestanden habe. Eine Rückabwicklung kann daher nach Ansicht von Hommelhoff nur darauf abzielen, möglichst weitgehend zur ursprünglichen Ausgangslage zurückzukehren 78. Bei Rückabwicklung eines Beherrschungsvertrages müsse die zu Unrecht vertraglich konzernierte Tochtergesellschaft so gestellt werden, wie sie voraussichtlich stehen würde, wenn sie lediglich in einem faktischen Konzern mit lockerer Konzernstruktur eingebunden wäre79 . Diese Überlegungen decken sich durchaus mit der Ansicht, bei der Rückabwicklung eines Unternehmensvertrages gehe es nicht um die Rückabwicklung von Leitungsmaßnahmen des herrschenden Unternehmens, sondern nur um den Ausgleich schädigender Einwirkungen auf das Vermögen der abhängigen Gesellschaft8o . Die tatsächliche Ausübung von Leitungsmacht ist nicht rückabwicklungsfähig. Eine Strukturänderung läßt sich weder "durch einen papierenen Akt noch durch tatsächliche Handlungen ungeschehen machen"81. Wiedemann hat deshalb zutreffend ausgeführt, daß eine abhängige Gesellschaft nicht mehr nach Jahr und Tag als konzernfrei rekonstruiert werden kann82 . Daraus folgt aber noch nicht zwingend, daß die Unmöglichkeit der Rückabwicklung unbedingt zu einer Anerkennung des auf fehlerhafter Vertragsgrundlage geschaffenen Zustands führen muß83. Um die rückwirkende Verneinung von Tatsachen geht es bei der Rückwirkung nicht. Selbstverständlich lassen sich tatsächliche Handlungen nicht ungeschehen machen. Selbst ein Blick auf das Bereicherungsrecht zeigt aber, daß es auch dort in erster Linie nur darum geht, wirtschaftlich den alten Zustand wieder herzustellen. Bei einem schuldrechtlichen Austauschvertrag läßt sich dieses gewünschte Ergebnis einfach durch die Rückgewähr der empfangenen Leistungen erreichen. Schon § 81811 BGB zeigt aber, daß andere Lösungen gefunden werden müssen wenn dies nicht möglich ist. Derartige andere Lösungen hält aber das Aktienrecht bereit. 78 Weitergehend Sonntag, S. 176: Es seien die getroffenen Umorganisationen rückabzuwickeln ebenso wie etwa vorgenommene Ausgliederungen. Entzogene Funktionen wie Forschung, Absatz, Rechnungswesen und Einkauf seien rückabzuwickeln. 79 Hommelhoff, a.a.O., 465. 80 Köhler, ZGR 1985,307,314; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 621. 81 So Windbichler, S. 51; a. A. aber Sonntag, S.176, der der Ansicht ist, es sei der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen. Auf die praktischen Schwierigkeiten geht er allerdings nicht ein. 82 Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 46; siehe auch Löffler, S. 136. 83 So aber die Argumentation von Löffler, S. 136.

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Es bieten sich vor allem die Regeln über den faktischen Konzern an. Deren Anwendung führt zwar nicht zu einer tatsächlichen Rückgängigmachung einer sich dynamisch entwickelnden Wirtschaftseinheit, wohl aber zu einer weitgehenden Wiederherstellung der Vermögensstellung der abhängigen Gesellschaft. Der BGH hat diese Lösung auch nicht generell verworfen, sondern nur deshalb, weil nach seiner Ansicht die Voraussetzungen eines fehlerhaften, aber durchgeführten Vertrages leichter zu beweisen seien als die Voraussetzungen eines qualifiziert faktischen Konzerns 84 . Liegt ein qualifiziert faktischer Konzern vor, sind ohnehin wesentliche Vorschriften des Vertragskonzernrechts analog anwendbar. Für die Verlustübernahme nach § 302 AktG entspricht dies der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur85 . Darüber hinaus ist den außenstehenden Aktionären auch eine angemessene Abfindung zu gewähren. Im GmbH-Konzernrecht ist ein Austrittsrecht gegen Abfindung allgemein anerkannt 86 . Es wird auch erwogen, eine Dividendengarantie analog § 304 AktG zu gewähren87 • Nach zutreffender Ansicht gilt dies auch für das Aktienkonzernrecht88 . Ist der Vertrag unwirksam, ergeben sich somit in der Regel dieselben Rechtsfolgen, die bei Wirksamkeit des Vertrages eintreten würden. Dies gilt jedenfalls für die Schutzvorschriften zugunsten der abhängigen Gesellschaft sowie deren außenstehenden Gesellschaftern und Gläubigern. Eine Verpflichtung zur Gewinnabführung läßt sich so allerdings nicht begründen. Bei der Nichtigkeit mit Rückwirkung handelt es sich stets um eine Fiktion89 • Rückwirkung bedeutet, daß eine Rechtsfolge so umschrieben wird, als habe in der Vergangenheit ein hypothetischer Sachverhalt vorgelegen. Dagegen bedeutet Rückwirkung nicht, daß die ideelle Rechtswelt historisch rückwirkend umgestaltet wird, also daß etwa der Eintritt der Rechtsfolgen, der Ent84 BGHZ 103,1,5; ebenso OLG Koblenz DB 1991, 155 = 71P 1991, 308 und nunmehr BGH ZIP 1992, 29, 30. 85 BGHZ 95, 330, BGHZ 107, 7; BGH ZIP 1991, 1354; siehe Krieger, Münchener Handbuch AG, §69 Rn. 17 Fn. 56; Lutter, ZGR 1982, 244, 263ff.; Emmerich / Sonnenschein, §241II 2 b (S.381); Timm, NJW 1987, 977, 981; Vonnemann, DB 1990, 2509; Decher, S.119f.; ders., DB 1990,2005,2007; Deilmann, S.127; K. Schmidt, ZIP 1991,1325,1328; Drygala, S. 75ff.; Grauer, S. 138ff. 86 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III (S.1019); Scholz / Emmerich, § 40 Rn. 208; Krieger, Münchener Handbuch AG, § 69 Rn. 22; Timm, NJW 1987, 977, 983; Lutter / Timm, NJW 1982, 409, 414; Grauer, S.143ff.; Emmerich / Sonnenschein, §24 III 2 b (S. 381); grundlegend Wiedemann, ZGR 1978, 492; Lutter, AG 1990,179,181; a. A. Kübler / Schmidt, Gesellschaftsrecht und Konzentration, S. 100f. 8? Emmerich / Sonnenschein, § 241II 2 b (S. 381); Emmerich, AG 1987,1,5; ScholzEmmerich, Anh. § 40 Rn. 209; Decher, S. 118; a. A. Kort, S. 35 ff.; Rowedder-Koppensteiner, Anh. § 52 Rn. 60; Grauer, S. 147f. 88 Timm, NJW 1987, 977, 984; Decher, DB 1990, 2005, 2009; Ebenroth, AG 1990, 188,193. 89 Siehe ausführlich Uwe H. Schneider, AcP 175 (1975) 279, 286f.

B. Zur Rückabwicklungsfähigkeit von Unternehmensverträgen

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stehungszeitpunkt eines Rechts historisch zurückverlegt werden 9o • Es geht also darum, in der Gegenwart die Rechtsverhältnisse so zu gestalten, als wäre die Vergangenheit eine andere gewesen. Bezogen auf einen unwirksamen Unternehmensvertrag muß daher ermittelt werden, wie sich die Gesellschaft entwickelt hätte, wenn kein Vertrag abgeschlossen worden wäre. Es geht bei der Frage nach einer Rückabwicklung auch für die Vergangenheit nur um das Ziel, das erreicht werden soll. Läßt man nur eine ex nunc wirkende Kündigung zu, bleibt der Vertrag für die Vergangenheit wirksam und Abwicklungsschwierigkeiten werden insoweit vermieden. Dabei bleiben aber auch Verletzungen von zwingenden Vorschriften weitgehend sanktionslos. Bei der Rückabwicklung ex tunc geht es darum, den status quo ante möglichst weitgehend wiederherzustellen. Daß dies nicht allein mit den Mitteln des Schuldrechts bewältigt werden kann, verwundert bei der organisationsvertraglichen Natur des Unternehmensvertrages nicht. Daneben gibt es aber auch andere, aktienrechtliche Institute, mit denen sich der status quo wiederherstellen läßt 91 •

In den Fällen, in denen die Intensität eines qualifiziert faktischen Konzerns nicht angenommen werden kann, sind die §§ 311ft. AktG anwendbar, was auch sog. Wiederaufbauhilfen umfassen kann. Die §§ 311 ff. AktG sind allerdings bei der GmbH wegen der strukturellen Unterschiede zwischen GmbH und AG nicht anwendbar92 . Statt dessen kommt eine Schadensersatzpflicht wegen Treuepflichtverletzung in Betracht93 • Wesentlich unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben sich dadurch nicht. Das herrschende Unternehmen muß der beherrschten Gesellschaft u. U. soviel Hilfe zuteil werden lassen, daß diese in gleicher Weise wie vor der Konzernierung wieder lebensfähig wird 94 • Erst jüngst hat das OLG Düsseldorf entschieden, daß auch bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages die Verpflichtung besteht, das beherrschte Unternehmen lebensfähig zu halten95 . Überhaupt wird überwiegend angenommen, daß das Weisungsrecht nicht so weit geht, die Existenz des abhängigen Unternehmens gefährden zu können 96 • Dies gilt erst Recht, wenn der Unternehmensvertrag unwirksam ist oder gar nicht abgeschlossen wurde. Uwe H. Schneider, AcP 175 (1975) 279, 286f. Siehe dazu Köhler, ZGR 1985, 307, 314ff. 92 Statt aller BGHZ 95, 330 (Autokran); BGHZ 65, 15; Lutter I Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 7ff. 93 BGHZ 65,15; Emmerich I Sonnenschein, § 2411 (S. 370ff.). 94 Köhler, a.a.O. 9S OLG Düsseldorf DB 1990, 1394 = ZIP 1990, 1333 = AG 1990, 490. 96 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.307ff.; Geßler, ZHR 140, (1976) 433, 439; Immenga, ZHR 140 (1976) 301, 307ff.; Geßler, in: GeBier I Hefermehl, § 308 Rn. 55; Kantzas, S.109ff.; Emmerich I Sonnenschein, § 1811 5 (S. 311f.); Brandes, FS Kellermann, 25, 31; Sina, AG 1991, 1, 7; Köhler, ZGR 1985, 307, 318; a.A. Neuhaus, S.92ff.; Kölner Kommentar (1. Aufl.) Biedenkopf I Koppensteiner, § 308 Rn. 15; von 90

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Ist auch die Rückabwicklung eines Unternehmensvertrages zumindest im Hinblick auf die vermögensmäßige Situation - wenn auch unter großen Schwierigkeiten - möglich, bedeutet dies gleichwohl nicht, daß damit die Notwendigkeit der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft entfiele. Bereits Wiesner97 hat zutreffend darauf hingewiesen, daß es bei der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht darum geht, die Möglichkeit der rückwirkenden Beseitigung einer rechtlichen Wirkungseinheit durch die Rechtsordnung zu leugnen, sondern zu erkennen, daß - wie es schon Gierke 98 vertreten habe - die allgemeinen Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände auf· Individualrechtsgeschäfte zugeschnitten seien. Wegen dieser individualrechtlichen Konzeption seien sie grundsätzlich nicht geeignet und bestimmt, rechtlich relevante Organisationseinheiten rückwirkend zu beseitigen. Die allgemeinen Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände seien daher, und das sei die Aussage der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, den Besonderheiten des Gesellschaftsrechts anzupassen. Daß die Möglichkeit der Rückabwicklung letziich nicht entscheidend ist, zeigt auch der Umstand, daß auch einer Personengesellschaft die Wirksamkeit versagt wird, wenn wichtige Interessen der Allgemeinheit oder schutzwürdige Belange einzelner entgegenstehen99 • Fazit: Eine Rückabwicklung im Sinne einer tatsächlichen Rückabwicklung geschaffener Zustände nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften ist nicht möglich. Es bestehen aber andere, aktienrechtliche Möglichkeiten zumindest die Vermögenssituation weitgehend wiederherzustellen und so weitgehend zur Ausgangslage zurückzukehren. Insgesamt sprechen zwar die Rückabwicklungsschwierigkeiten für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auf fehlerhafte Unternehmensverträge; allein damit läßt sich ein derartiger Schluß aber nicht rechtfertigen 100.

Schwabe, S.140f., der aber solche Konzerndirektiven für unzulässig hält, die aufgrund konzernspezifischer Steuerung eine Existenzgefährdung für die beherrschte Gesellschaft darstellen. 97 Wiesner, S. 92 und 141. . 98 Otto von Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 28ff. 99 Darauf hat bereits Köhler, ZGR 1985, 307, 308 hingewiesen; ebenso nunmehr Sonntag, S.172. 100 Ebenso BGH ZIP 1990, 371, 374 zur Ablehnung der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft bei fehlerhaften Anteilsübertragungen; dazu auch Grunewald, ZGR 1991, 452ff.

C. Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

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C. Zur Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages als Begründung für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft wird - wie oben dargestellt 101 heute damit begründet, daß es sich bei Gesellschaftsverträgen um Organisationsverträge handelt, die wegen der entstandenen Organisation nicht nach den allgemeinen Vorschriften abgewickelt werden können. Auch der BGH hat in seiner Familienheim-Entscheidung102 und im Supermarkt-Beschluß103 betont, daß es sich bei den Unternehmensverträgen des § 291 AktG um Organisationsverträge handelt. Es liegt daher nahe, aus diesem Befund einfach abzuleiten, daß die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf fehlerhafte Unternehmensverträge übertragen werden können 104 . Der BGH macht jedoch keinerlei Ausführungen dazu, was unter einem gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag zu verstehen ist, sondern setzt den Begriff voraus. Es wird lediglich festgestellt, der Unternehmensvertrag nach § 291 AktG ändere satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem er insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichte und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreife. I. Der Begriff des Organisationsvertrages

Organisationsverträge sind nach ganz h. M. nicht nur die Gründungsverträge von AG und GmbH, sondern alle Gesellschaftsverträge. Bei Personengesellschaften wird dabei auf die Doppelnatur des Gesellschaftsvertrages abgestellt. Er ist einmal Schuldvertrag, zum anderen aber auch Grundlage für den Personenverband, d. h. die aus den Gesellschaftern bestehende und im Rechtsverkehr handlungsfähige Gruppe 105 • Daneben sollen auch Verschmelzungsverträge 106 sowie die Unternehmensverträge zu den Organisationsverträgen gehören. 2. Teil A. III. 3. BGHZ 103, 1. \03 BGHZ 105, 324. 104 So wohl Ulmer, BB 1989, 10, 15; Rehbinder, FS Fleck, 253, 262; ausdrücklich in diesem Sinne Kübler, § 29 I, 2 b (S. 370 Fn. 3); Bälz, 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, S.177, 203 und Heckschen, WM 1990, 377, 388; Blumers / Schmidt, GmbHR 1991,32 und aus der Rechtsprechung OLG Koblenz DB 1991, 155; siehe K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §31 III 1 (S. 794): "Alle diese (seil.: Untemehmens-) Verträge sind mehr als bloße Schuldverträge. Sie sind Organisationsverträge. Deshalb gelten für sie auch die Regeln über die sog. fehlerhafte Gesellschaft." \05 Münchener Kommentar-Ulmer, § 705 Rn. 125; AK-BGB-Teubner, § 705 Rn. 1ff.; Flume, Personengesellschaften, 12f. \01

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4 Lauber·Nöll

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Das Gesetz kennt den Begriff des Organisationsvertrages nicht. Es handelt sich um eine Schöpfung von Literatur und Rechtsprechung. Die Lehre vom Organisationsvertrag und somit auch der Begriff hat allerdings auch heute noch keinen feststehenden normativen Gehalt 107. Die Dogmatik ist nicht abschließend geklärtl°8 • Der Begriff wurde, soweit ersichtlich, erstmals von Würdinger gebraucht 109 • Er qualifiziert sowohl die Gründungsverträge von Personengesellschaften wie auch die der Körperschaften sowie Beherrschungs- und Verschmelzungsverträge als Organisationsverträge 11o . Nach der Definition von Würdinger regelt ein Organisationsvertrag die körperschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Organisation der Gesellschaft, Aufgabe und Rechte der Organe oder die mit der Mitgliedschaft verbundenen Befugnisse und zwar in Abänderung oder Ergänzung des Gesetzes 111 • Das Besondere an einem Organisationsvertrag ist dessen von einem schuldrechtlichen Vertrag abweichende Funktion. Deutlich wird dies etwa beim Gründungsakt einer Körperschaft. Im Gegensatz zur Gesamtaktstheorie von Gierkes ll2 wird der GTÜndungsakt heute allgemein als Rechtsgeschäft qualifiziert 113 . Hinsichtlich des Zustandekommens weist er daher keinerlei Eigentümlichkeiten auf. Ein wesentlicher Unterschied zu den schuldrechtlichen Rechtsgeschäften besteht aber darin, daß sich der Gründungsvertrag bei Eintragung der Körperschaft verselbständigt 114. Der BGH hat dies für den rechtsfähigen Verein in folgende Worte gekleidet: "Diese (die Satzung) ist zwar zunächst ein von den Gründern geschlossener Vertrag, auf den die Regelung des § 139 BGB paßt. Mit der Entstehung des Vereins löst sie sich aber völlig von deren Person. Sie erlangt ein unabhängiges rechtliches Eigenleben, wird zur körperschaftlichen Verfassung des Vereins und objektiviert fortan das rechtliche Wollen des Vereins als der Zusammenfassung seiner Mitglieder. Die Wandlung der Rechtslage ist die innere Rechtfertigung für die seit langem anerkannte Rechtsprechung, daß eine Satzung lediglich aus ihrem Inhalt heraus ausgelegt werden kann und daß hierzu Willens äußerungen oder Interessen der Gründer und sonstige Vorgänge aus 106 Schilling, in: Großkommentar zum AktG, § 339 Anm. 2; § 341 Anm. 2; Würdinger, Aktienrecht, S.22; a.A. Kölner Kommentar-Kraft, §341 Rn.2: Ein Vertrag mit schuldrechtlichen und dinglichen Wirkungen auf vermögens- und gesellschaftsrechtlichem Gebiet. 107 Emmerich I Sonnenschein, § 8 II 2 (S. 146); Exner, S. 65,72, 83ff. 108 Bälz, FS Raiser, 287, 324 ist sogar der Auffassung, sie stehe erst in ihren Anfängen. 109 Würdinger, Gesellschaftsrecht I, S. 42. 110 Anders für den Beherrschungsvertrag mit einer abhängigen GmbH Würdinger, Aktienrecht, S. 325. 111 Würdinger, Aktienrecht, S. 39. 112 Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 3l. 113 BGHZ 21,370,373; 47,172,179; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 163. 114 Ulmer, FS Werner, 911, 912; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §5 I 1, S.68; kritisch Hadding, FS Fischer, 165ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97.

c. Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

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der Entstehungsgeschichte nicht verwertet werden dürfen. Etwaige Willensmängel der Gründer können die Satzung in ihrem Bestand nicht mehr beeinträchtigen" .115 Diese Wirkung, d. h. die Verselbständigung gegenüber den Gründungsmitgliedern haftet allen Organisationsverträgen an. Sie nehmen die Funktion einer Quelle objektiven Rechts an 116 • Die Betonung auf der Funktion der Organisationsverträge wird auch darin deutlich, daß der Organisationsvertrag einen Typus der von Ludwig Raiser entwickelten funktionalen Vertragslehre darstellt 117 • Raiser unterscheidet zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsverträgen einerseits, sowie Organisations- und Normenverträgen andererseits. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß der Begriff des Organisationsvertrages vor allem ein Unterscheidungskriterium zu den Verpflichtungs- und Verfügungsverträgen des BGB enthält, weil durch ihn ein Verband errichtet wird, eine Personenmehrheit zu gemeinschaftlichem Handeln rechtsgeschäftlieh verfaßt und eine gegenüber den Mitgliedern verselbständigte Zweckeinheit geschaffen wird 118 • Gleichzeitig verbirgt sich hinter dem Begriff des Organisationsvertrages eine Abkehr von der Gesamtakttheorie 119 • Es besteht heute weitgehend Einigkeit, daß der Organisationsvertrag als Grundordnung der Vereinigung Ziel und Organisation des Verbandes sowie Teilnahme und Stellung der Mitglieder im Verband bestimmt 120 • Seine besondere Wirkung liegt in der unmittelbaren Schaffung oder Änderung der Verbandsstruktur121 • Damit ist zu fragen, ob auch der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Verbandsstruktur schafft oder ändert. 11. Schaffung einer Verbandsstruktur durch Untemehmensverträge?

Während es sich bei einem Gleichordnungskonzern durchaus um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handeln kann 122 , wird diese Ansicht für den Unterordnungskonzern nur vereinzelt vertreten 123 • BGHZ 47,172, 179/180. Ulmer, FS Wemer, 911, 912. 117 Ludwig Raiser, FS 100. Deutscher Juristentag, 101ff.; ders., JZ 1958, Iff. 118 Ludwig Raiser, FS 100. Deutscher Juristentag, 101, 110; vgl. auch Exner, S.36; Ulmer, FS Wemer, 911, 912; vgl. auch Hadding, FS Fischer, 165, 189; den Unterschied zu den Austauschverträgen betont auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 95. 119 Zutreffend Sapper, S. 56. 120 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 159. 121 Sapper, S. 56. 122 Würdinger, Aktienrecht, § 65 IV 2 (S.297); Emmerich I Sonnenschein, § 4 III (S. 85); Wiedemann I, S. 107 Fn. 42; Krieger, Münchener Handbuch AG § 68 Rn. 80ff., der jedoch auch einen faktischen Gleichordungskonzem für möglich hält; zum Gleichordnungskonzernrecht siehe ausführlich Gromann, passim; Timm, S.147ff.; Drygala, S.112ff. und nunmehr K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417ff. Entgegen K. Schmidt, a.a.O., 418 handelt es sich bei der Arbeit von Gromann keineswegs um die "Ietzte bedeutendere Veröffentlichung" zum Gleichordnungskonzernrecht. 115

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Gleichwohl wird der Konzern zunehmend mit einer Gesellschaft verglichen. Insbesondere von Lutter ist der Konzern als "Sprengkörper des klassischen Gesellschaftsrechts" bezeichnet worden 124 • Das Besondere gegenüber einer "normalen" Gesellschaft liegt seiner Ansicht nach darin, daß nur Gesellschaften Mitglieder eines Konzerns sein können und dieser in aller Regel hierarchisch geordnet ist. Der Konzern sei ein gesellschaftsrechtlich eigenständiges Gebilde, zwar ohne eigene Rechtsfähigkeit, im übrigen aber einer Gesellschaft sehr ähnlich. Der Konzern insgesamt gesehen weise seinerseits Ähnlichkeiten mit einer Korporation auf125 . Der Konzern soll ein funktionaler Zusammenschluß aus mehreren rechtlichen Einheiten sein und daher selbst ein polykorporativer Verband 126 • Andere sprechen davon, das Konzernrecht sei Organisations- und Verhaltensrecht für eine besondere Unternehmensform 127 • Der Konzern sei eine rechtlich gegliederte Organisationsform für Unternehmen. Daraus ist der Schluß gezogen worden, der Gesellschaftsvertrag finde als organisationsvertragliche Satzung der Unternehmenskorporation seine Entsprechung als organisationsvertragliche Satzung des polykorporativen Unternehmens 128 • Gegen die Ableitung von Folgerungen aus dieser Überlegung spricht allerdings folgendes: Selbst wenn die Konzerngründung mit der Gründung einer Gesellschaft verglichen werden kann 129 , folgt daraus noch nicht, daß eine derartige" Konzerngründung" gerade durch den Abschluß von Unternehmensverträgen erfolgt. Ein "neuer" Konzernverband kann durch den Abschluß eines Unternehmensvertrages allenfalls dann entstehen, wenn er zwischen bislang unabhängigen Unternehmen abgeschlossen wird. Dies dürfte in der Praxis so gut wie nicht vorkommen. Faktisch setzt der Abschluß eines Unternehmensvertrages ein 123 Harms, S.147; dagegen zutreffend Wiedemann I, S.107; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 76ff.; ders., FS Fleck, 253, 262f.; Uwe H. Schneider, BB 1981,249,255; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 623 Fn. 110; Exner, S. 40f.; Samer, S. 146ff. 124 Lutter, ZGR 1987,324,333. 125 Lutter, a.a.O., 334; ders. auch bereits in FS Stimpel, 825, 826; noch einmal ders., in: Druey, (Hrsg.), Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 225, 227: "Sieht man das einmal zusammen, so kann man kaum im Zweifel sein, daß es sich beim Konzern um einen Verband handelt, aber um einen Verband ganz eigener Art, in dem der Zusammenhalt durch die Mitgliedschaftsrechte gesichert wird" und auf S. 228: "Der Konzern ist Verband und als Verband zugleich Organisationsform für ein Unternehmen"; ders., ZGR-Sonderheft 6,191,194. 126 Lutter, ZGR 1987, 329 im Anschluß an Ludwig Raiser in Raiser / Sauermann / Schneider (Hrsg.), 51, 54; vgl. nunmehr auch Bälz, in: 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 177,226; ders., bereits in FS Raiser, 287, 320; vgl. demgegenüber auch Teubner, ZGR 1991, 189, 204, der insoweit von einem "polykorporativen Netzwerk" spricht. 127 Uwe H. Schneider, BB 1981,249; ders., in: Mestmäcker / Behrens (Hrsg.), 563, 568. 128 Bälz, 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 177, 226; siehe dazu auch Exner S.40ff. 129 Uwe H. Schneider in: Mestmäcker / Behrens (Hrsg.), 563, 573.

C. Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

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Abhängigkeitsverhältnis voraus 130 . Anders ausgedrückt: Im Normalfall entsteht der Konzern nicht erst durch den Abschluß eines Unternehmensvertrages. Die Konzernierung wird durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages lediglich auf einer höheren Stufe fortgesetzt l3l • Dies läßt sich auch nicht mit dem Einwand entkräften, daß erstmals durch den Abschluß eines Unternehmensvertrages der Konzern auf eine legale Grundlage gestellt werde. Bei Fehlen eines Unternehmensvertrages fehlt es daher nicht am Tatbestand eines Konzerns. Der Konzern besteht vielmehr auch schon vorher als sogenannter faktischer Konzern. Der Abschluß eines Unternehmensvertrages kann daher nicht einfach mit dem Abschluß eines Gesellschaftsvertrages quasi auf der höheren Ebene eines "poly-korporativen Verbandes" gleichgesetzt werden 132 • Abgesehen davon, daß die These von dem Verbandscharakter des Konzerns keineswegs unbestritten ist 133, lassen sich daher daraus im Hinblick auf die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nur sehr eingeschränkt Schlüsse ziehen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn ein Unternehmensvertrag zwischen bislang unabhängigen Unternehmen abgeschlossen wird. Dies verkennt Rehbinder , der aus der laufenden Zusammenarbeit zwischen Ober- und Untergesellschaft Paralellen zu einer Gesellschaft ziehen will. Er ist der Ansicht, Mängel bei der Konstituierung eines Unternehmensvertrages seien durchaus mit Mängeln bei der Konstituierung einer juristischen Person vergleichbar 134 . Dieser Ansatz ist jedoch letzIich nicht weiterführend 135 • Es besteht gerade keine laufende Zusammenarbeit zwischen Oberund Untergesellschaft. Vielmehr liegt nicht eine Koordination zu einem gemeinsamen Zweck, sondern eine Subordination zu einem einseitigen Zweck vor 136 • Lassen sich auch viele Probleme erst erkennen, wenn man den Konzern mit einer Gesellschaft vergleicht 137 , so darf doch nicht außer acht gelassen werden, daß das geltende Recht eben nicht von dem Konzern als Einheit ausgeht 138 •

Timm, ZGR 1987, 403, 426 im Anschluß an Lutter, FS H. Westerrnann, 349f. Zu den Konzernierungsstufen Lutter / Timm, NJW 1982, 409, 412f.; Timm, ZGR 1987,403,423. 132 So aber Bälz, 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 234/235. 133 Insbesondere Wiedemann, Unternehmensgruppe, 14f., 16; Sonntag, S. 33; Hommelhoff, in: Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 107ff., 110, 111. 134 Rehbinder, FS Fleck, 253, 263; siehe aber nunmehr auch Uwe H. Schneider, in: Mestmäcker / Behrens (Hrsg.), 563, 573, der die Gründung eines Konzerns ebenfalls mit der Gründung einer Gesellschaft vergleichen will. 135 Ebenso Stolzenberger-Wolters, S. 9lf. 136 Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 78, unverständlich daher dessen Ausführungen in FS Fleck, 253, 263. 137 Siehe Uwe H. Schneider, in: Mestmäcker / Behrens (Hrsg.), 563,569. 138 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17 I 2 (S. 405). 130

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

111. Änderung der Verbandsstruktur durch Untemehmensverträge

1. Aktienrecht

Vor dem Inkrafttreten des AktG 1965 wurde die Rechtsnatur der Unternehmensverträge vor allem im Hinblick auf deren Zulässigkeit erörtert 139 • Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge waren dem AktG 1937 unbekannt. § 256 des AktG 1937 bestimmte lediglich, daß ein Gewinnabführungsvertrag eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses bedurfte. Ein dem Beherrschungsvertrag vergleichbarer Vertragstyp war im AktG 1937 dagegen nicht geregelt l40 . Die Kautelarjurisprudenz, beeinflußt von steuerrechtlichen Regelungen, hatte jedoch seit langem den sogenannten Organschaftsvertrag entwickelt, der als Vorläufer des heutigen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages gelten kann l41 • Dieser Begriff ist auch heute noch wegen der vorherrschenden steuerlichen Betrachtungsweise gebräuchlich 142. Von der älteren herrschenden Meinung wurden die Unternehmensverträge als gewöhnliche, schuldrechtliche Austauschverträge angesehen l43 • Es setzte sich aber nach und nach die Erkenntnis durch, daß die Wirkungen eines Organschaftsvertrages über diejenigen von schuldrechtlichen Verträgen hinausgehen. Durch den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wird die Verfassung der abhängigen Gesellschaft unmittelbar umgestaltet l44 . Durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages ist das herrschende Unternehmen nach § 308 AktG berechtigt, dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Die Vorschrift des §76 AktG, nachdem der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten hat, wird daher derogiert. Die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57, 58, 60 AktG sind nach § 291 III AktG aufgehoben. Etwaige Zustimmungserfordernisse des Aufsichtsrates zu bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen nach § 111 IV AktG gelten nach § 308 III AktG nur noch sehr eingeschränkt 145. Dies führt zu einer 139

Ballerstedt, DB 1957, 837; Duden, BB 1957, 49ff.; Würdinger, Aktienrecht,

1. Auf!. 1959, S. 210.

140 Siehe dazu Bachelin, S. 2 [unter Berufung auf Fischer, AcP 154 (1955), 85, 117], der die Lage zutreffend mit dem Satz umschrieben hat: "Die Gestaltung der Organschaft entsprang steuerlichen Überlegungen und lebte im "aktienrechtlichen Niemandsland"". 141 Exner, S.35; Kropff, BB 1965, 1281, 1287 (auch zur Fortgeltung von vor dem Inkrafttreten des AktG 1965 abgeschlossenen Organschaftsverträgen); Müller, AG 1965, 133, 134. 142 Vgl. den Titel des Aufsatzes von Timm, in NWB Fach 18 S. 3039: "Organschaftsverträge mit der GmbH als Organgesellschaft" . 143 Kronstein, S. 46ff.; Vgl. weiter die Nachweise bei Prael, S.66ff. und Sapper, S. 45ff.; so auch heute noch Neumayer, ZVglR Wiss 83 (1984), 129ff. 144 Vgl. statt aller Emmerich / Sonnenschein, § 811 1 (S. 144). 145 Dazu Bayer, S. 16 und 83ff.

c.

Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

55

Einschränkung der Mitbestimmungsrechte, wenn es sich bei dem herrschenden Unternehmen um ein solches handelt, das nicht seinerseits unter die Mitbestimmungsgesetze fällt, was -besonders wichtig- bei einem ausländischen Unternehmen der Fall ist 146 . Geändert wird auch der Unternehmenszweck. Die gesamte Unternehmenspolitik ist nicht mehr auf eine unabhängige Gewinnerzielung, sondern auf das Konzerninteresse ausgerichtet 147 . Diese Wirkung verstärkt sich, wenn außerdem noch ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird. Entgegen § 174 I AktG beschließt die Hauptversammlung nicht mehr über die Verwendung des Bilanzgewinns, da die Gesellschaft verpflichtet ist, ihren ganzen Gewinn abzuführen. Auch der Gewinnabführungsvertrag hat daher keineswegs nur steuerliche Bedeutung. Durch den Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages wird somit die Kompetenzordnung im Vergleich zu einer konzernfreien Gesellschaft von Grund auf verändert. Der Vorstand hat nicht nur einzelne Weisungen der Konzernspitze zu befolgen, sondern steht in seinem ganzen Tun und Lassen unter deren Leitung 148 . Das Eigeninteresse der konzernierten Gesellschaft weicht dem rechtlich übergeordneten Interesse der Konzernspitze und den anderen Konzernunternehmen 149 . Die Gesellschaft gibt somit insgesamt gesehen ihr Eigenleben auf150 . Diesem zunächst eher tatsächlichen Befund wurde von Flume auch rechtliche Bedeutung beigemessen. Die Organgesellschaft werde als juristische Person zu einem "instrumentum" des Organträgers. Ein schuldrechtlicher Vertrag könne daher nicht Grundlage einer so weitgehenden Selbstaufgabe sein 151 . Dem schloß sich Ballerstedt im wesentlichen an. Zwar wandte er sich zunächst gegen die Qualifikation der Organgesellschaft als "bloßes instrumenturn "152, erkannte aber, daß die rechtliche Bedeutung des Organschaftsvertrages in der Veränderung der inneren Struktur der abhängigen Gesellschaft liegt und ordnete ihn systematisch dem Gesellschaftsrecht zu (im Gegensatz zu der bis dahin vorherrschenden rein schuldrechtlichen Auffassung)153. Er beschrieb auch bereits die materiell satzungs ändernde Wirkung 154, die heute weitgehend unbestritten ist. Würdinger faßte dies schließlich dahingehend zusammen, der Beherrschungsvertrag sei ein causaloser Organisationsvertrag. Der Vertrag begründe organisatorisch die Zuständigkeit und 146 Die Frage, ob ein grenzüberschreitender Beherrschungsvertrag zulässig ist, ist gerade wegen der "Aushöhlung" der Mitbestimmungsrechte sehr streitig, vgl. dazu Bayer, S. 83ff. und Emmerich / Sonnenschein, § 8 III 2 (S.149ff.); sowie Feddersen in: Uwe H.Schneider (Hrsg.) 125, 138f. 147 So die Formulierung in BGHZ 105, 324, 331 m.w.N. für die GmbH. 148 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 92. 149 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 93. 150 F1ume, DB 1956, 455, 456. 151 F1ume, DB 1956, 455; ders., auch schon DB 1955, 485, 489. 152 Ballerstedt, DB 1956,813,814. 153 Ballerstedt, a.a.O., 815. 154 Ballerstedt, a.a.O., 839.

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

damit die Befugnis des herrschenden Unternehmens zur Leitung der Gesellschaft, in dem durch ihn die im Gesetz bereitgestellte Ordnung in Kraft gesetzt werde mit der Wirkung, daß für die Dauer der Vertragsgeltung die entgegenstehenden Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung überlagert und verdrängt, nicht aber aufgehoben würden 155 • Dieser Einordnung der Unternehmensverträge ist die Lehre weitgehend gefolgt. Die Rechtsprechung hat sich dem angeschlossen 156 . Begründet wird dies vor allem damit, das aus der Leitungsmacht fließende Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft setzte die Zuständigkeitsordnung innerhalb der Gesellschaft weitgehend außer Kraft und führe zu einem nachhaltigen Einbruch in die Struktur der Gesellschaft. Eine derartige Änderung des gesamten Gefüges der Gesellschaft sei allein unter schuldrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu erklären und könne durch die Normen des Schuldrechts nicht hinreichend erfaßt werden i57 • Der Regierungsentwurf zum AktG 1965 ließ die Rechtsnatur der Unternehmensverträge ausdrücklich offen i58 . Dort wird ausgeführt, dem Beherrschungsvertrag und dem Gewinnabführungsvertrag komme nicht nur durch das Ausmaß der mit ihnen verbundenen Rechte und Pflichten eine Sonderstellung unter den Unternehmensverträgen zu. Sie griffen darüber hinaus als rechtliche Konzerngrundlage in die Verfassung der Aktiengesellschaft selbst und in das Rechtsverhältnis der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter ein. Ob ihnen demzufolge über die Wirkungen eines schuldrechtlichen Vertrages hinaus die Natur eines Organisationsvertrages, einer Satzung zuzusprechen sei, brauche der Entwurf nicht zu entscheiden. Obwohl der Entwurf die Rechtsnatur ausdrücklich offenläßt, läßt sich angesichts dieser Begründung eine deutliche Tendenz zur Bejahung einer besonderen Rechtsqualität der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge entnehmen. Wegen der unmittelbar satzungsändernden Wirkung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist dieser als "Organisationsvertrag" einzustufen. 155 Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, 3. Auf!. § 60 III (S.282/283); ders., in: Großkommentar zum AktG, § 291 Anm. 11; auch schon DB 1958, 1447, 1451. 156 BGHZ 103, 1 ausdrücklich bestätigt in BGHZ 105, 168, 182 sowie in BGHZ 105, 324; vgl. auch OLG Hamburg ZIP 1990, 1071, 1073; LG Ingolstadt ZIP 1990, 1128; OLG München AG 1991, 358, 361; insoweit auch OLG Düsseldorf BB 1991,2105. 157 Emmerich I Sonnenschein, § 8 11 (S.144); Sonnenschein, Organschaft, S.321; Geßler, in: Geßler I Hefermehl, § 291 Rn. 24,77; Timm, S. 35 Fn. 108; ders., GmbHR 1987,8,12; ders., BB 1981, 1491, 1492; ders., GmbHR 1989,11,12; Ulmer, BB 1989, 10, 11; Brachvogel, S. 46; Müller, AG 1965, 133ff.; Lutter I Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1241; Hohner, DB 1973, 1487, 1488; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S.77; ders., FS Fleck, S. 262; Kübler, Gesellschaftsrecht § 29 I 2 b (S. 370); Bayer, S. 19; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), S.22; Kleindiek, ZIP 1988, 620; BFHE 127,56 = AG 1989, 309; Heckschen, WM 1990, 377, 388; Ebenroth, Vermögenszuwendungen, 382; Bache, 26; Uwe H. Schneider, BB 1981,249,257; ders., ZGR 1980,511, 515. 158 Begr. Reg. Entw. zu § 291 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 376.

c. Rechtsnatur des Beherrschungs- und Oewinnabführungsvertrages

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2. GmbH-Recht Der aktienrechtliche Beherrschungsvertrag greift unmittelbar in die Struktur der abhängigen Gesellschaft ein. Ob dies auch für den GmbH-rechtlichen gilt, ist jedoch umstritten l59 • Ebenso streitig ist die Frage, ob auch der GmbHrechtliche Beherrschungsvertrag ein Organisationsvertrag ist. Von Würdinger l60 wird dies verneint. Er ist der Auffassung, der GmbH-rechtliche Unternehmensvertrag sei kein Organisationsvertrag, durch den entgegenstehende gesetzliche oder statuarische Bestimmungen für die Dauer des Vertrages von ihm überlagert oder verdrängt werde. Er habe diese Kraft nicht, weil das Gesetz einen solchen Vertrag mit seiner rechtlichen Ausgestaltung nicht zur Verfügung gestellt habe. Trotz Abschluß eines solchen Vertrages bleibe daher' die gesetzliche oder statuarische Regelung der Zuständigkeiten und die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer unverändert bestehen. Der Vertrag habe lediglich schuldrechtliche Wirkung. Mittels eines schuldrechtlichen Vertrages könne aber die Organisation und Satzung der Gesellschaft nicht geändert werden 161. Für die GmbH sei eine dem Aktienrecht entsprechende Wirkung des Beherrschungsvertrages auch entbehrlich. Der beherrschende Einfluß eines Gesellschafters könne aufgrund der Freiheit der Satzungsgestaltung rechtlich begründet werden. Sei das herrschende Unternehmen Alleingesellschafter der GmbH, so sei es unmittelbar zu Weisungen an die Geschäftsführung befugt. Der Beherrschungsvertrag bringe nur das zum Ausdruck, was sich bereits aus der Gesetzesregelung ergebe l62 . Der BGH gibt deshalb die Meinung Würdingers nicht zutreffend wieder, wenn er ihn sowohl in der Familienheim-Entscheidung 163 als auch im Supermarkt-BeschlußI64 als Beleg für die Ansicht zitiert, der GmbH-rechtliche Unternehmensvertrag sei ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag. Gleichwohl ist dem BGH im Ergebnis zuzustimmen: Allerdings ist zu beachten, daß der Mehrheitsgesellschafter in der GmbH schon aufgrund seiner Gesellschafterstellung ein Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer hat. Auch bei der GmbH als abhängiger Gesellschaft greift der Beherrschungsvertrag dennoch nachhaltig in die Struktur der abhängigen Gesellschaft ein. Der Zweck der GmbH wird verändert 165 • Mangels abweichender Satzungsregelung geht der Zweck der GmbH auf Verfolgung des Untern ehmensgegenstandes in eigener freier Tätigkeit und auf eigene Rechnung 166 . Seit 159

160 161 162 163 164 165

Würdinger, Aktienrecht, § 70 III, S. 325. Würdinger, Aktienrecht, § 70 III, S. 325. Würdinger, a.a.O., S. 325. Würdinger, a.a.O., S. 325. BOHZ 103, Hf. BOHZ 105, 324. a.A. OLO Düsseldorf BB 1991,2105.

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

derI1T-Entscheidung des BGH167 ist allgemein anerkannt, daß der Mehrheitsgesellschafter bei Beschlüssen über Geschäftsführungsmaßnahmen aufgrund seiner Treuepflicht gehalten ist, sich am Interesse der GmbH zu orientieren 168 . Dies gilt zumindest dann, wenn Minderheitsgesellschafter an der GmbH beteiligt sind. Ist das herrschende Unternehmen alleiniger Gesellschafter der abhängigen GmbH, gilt im Grundsatz nichts anderes 169 . Unabhängig davon kann es hinsichtlich der Rechtsnatur eines Beherrschungsvertrages keinen Unterschied machen, ob das abhängige Unternehmen nur einen oder mehrere Gesellschafter hat 170. Durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages wird die mitgliedschaftliche Stellung sowohl des Mehrheits- als auch des Minderheitsgesellschafters verändert. Der Mehrheitsgesellschafter erlangt ein von den Beschränkungen durch die Treuepflicht befreites Weisungsrecht l7l . Das herrschende Unternehmen kann zwar auch in der Gesellschafterversammlung seinen Willen durchsetzen, falls es wie im Regelfall, dort über die Mehrheit verfügt. Dazu bedarf es aber einer Gesellschafterversammlung und eines Gesellschafterbeschlusses, der der Möglichkeit der Anfechtung unterliegt. Nur durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages erlangt das herrschende Unternehmen eine unmittelbare Weisungskompetenz gegenüber dem Geschäftsführer der GmbH172. Anders ausgedrückt: Erst mit dem Abschluß eines Beherrschungsvertrages entfallen die der Konzernleitung durch das Eigeninteresse der abhängigen GmbH gesetzten Schranken 173 . Durch den zusätzlichen Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages wird das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter beseitigt 174 . Dies läßt 166 So zutreffend Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 159 gegen Kort, S. 60; vgl. auch Hachenburg / Ulmer, § 53 Rn. 142; Sonntag, S. 76; Grauer, S. 159; Wiedemann, Unternehmensgruppe, 64/65; a. A. OLG Düsseldorf BB 1991,2105. 167 BGHZ 65, 15. 168 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 113ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 247f. 169 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 256; M. Winter, S. 204f.; Kort, S.46; Emmerich / Sonnenschein, § 24 II 3 (S.377); Scholz-Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rn. 164f.; einschränkend noch BGHZ 95,330, 340f.; siehe auch Lutter, ZGR-Sonderheft 6, 192, 21Of.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 416ff.; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 434 Fn. 102; zum Verlust ausgleich in der Einmann-GmbH siehe auch BGH ZIP 1991,1354,1358; ablehnend dagegen Zöllner, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 35; Götz, ZGR 1990, 633, 648. 170 Zur Gleichbehandlung der Einmann-GmbH auch Hachenburg / Ulmer, § 53 Rn. 139; Zöllner, DB 1989,913,914 gegen Flume, DB 1989, 665. 171 So bereits Lutter / Timm, NJW 1982, 409, 412; so auch Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 157; Burbach, S. 124; BaumgartI, S. 58;; M. Winter, S. 197f. (bezeichnend die Einordnung in dem Kapitel: Die Abbedingung der Treupflicht). 172 Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 7,11; Scholz / Emmerich, Anh. Konzernrecht Rn. 243; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 34; Kort, S.47; Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 157; a.A. Gäbelein, GmbHR 1989, 502; siehe auch bereits Hachenburg / Barz, (7. Aufl.) § 13 Anh. 11 Rn. 31; wohl auch Grauer, S. 191. 173 Kleindiek, ZIP 1991,1330,1334; Grauer, S. 48. 174 Priester, ZGR-Sonderheft 6, 157; Ulmer, BB 1989,8,11; Lutter / Hommelhoff, NJW 1988,1240,1241; Grauer, S. 163.

C. Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

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sich auch nicht mit dem Einwand entkräften, bei einer lOO%igen Tochtergesellschaft stehe das Gewinnbezugsrecht auch ohne Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages nach §29 GmbHG dem herrschenden Unternehmen zu 175 • Der Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages bedeutet der Sache nach einen Ausschluß aller Gesellschafter vom Gewinnbezugsrecht l76 . Dem Alleingesellschafter steht daher nicht mehr das mitgliedschaftliehe Gewinnbezugsrecht zu, sondern er erhält ein Gewinnbezugsrecht aufgrund des Gewinnabführungsvertrages 177. Daß dies nicht dasselbe ist, zeigt schon die Tatsache, daß Folge des Gewinnabführungsvertrages auch eine entsprechende Verlustausgleichsverpflichtung ist, die ansonsten - abgesehen vom Fall des qualifiziert faktischen Konzerns - auch bei der Einmann-Gesellschaft nicht in Frage kommt 178 • Dies übersieht das OLG Düsseldorfl79 , wenn es davon ausgeht, der Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages habe auf die Leitung der Gesellschaft und das Gewinnbezugsrecht des einzigen Gesellschafters - über die steuerrechtlichen Motive hinaus - keinen praktischen Sinn. Zusammengefaßt: Auch die Unternehmensverträge im GmbH-Recht sind als Organisationsverträge einzustufen. IV. Zwischenergebnis

Richtigerweise müssen sowohl der aktienrechtliche als auch der GmbHrechtliche Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als Organisationsverträge eingestuft werden. Welche Rechtsfolgen lassen sich aber aus der Rechtsnatur der Unternehmensverträge ziehen? V. Folgerungen aus der Rechtsnatur der Untemehmensverträge

Soweit an der Lehre vom Unternehmensvertrag als Organisationsvertrag Kritik geübt wird, richtet sich diese nicht so sehr gegen die Einordnung als solche, sondern gegen die Ableitung von konkreten Rechtsfolgen aus dieser Rechtsnatur. Es handele sich lediglich um eine theoretische Frage l80 und es sei unklar, welchen praktischen Wert diese Qualifizierung habe l8l . Die GegenanSo aber Gäbelein, GmbHR 1989, 502, 503. Scholz I Emmerich, § 29 Rn. 23; Kort, S. 88. 177 Verfehlt daher Flume, DB 1989, 665, 668 und Gäbelein, GmbHR 1989, 502. 178 So auch Weigei, FS Quack, 505, 513; zur Verlustausgleichspflicht im qualifiziert faktischen Konzern - auch bei der Einmann GmbH - siehe statt vieler BGH ZIP 1991, 1354 (Video). 179 BB 1991,2105. 180 Baumbach-Hueck, AktG, § 291 Rn. 3; Exner, S. 30l. 181 Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. zu § 291 Rn. 68 a. 175

176

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

sicht, die aus der Natur der Unternehmensverträge konkrete Rechtsfolgen ableite, berge die Gefahr, daß im Einzelfall wichtige Argumente nicht mehr zum Tragen kommen könnten, weil das Problem "auf höherer Ebene schon entschieden sei"182. Es bestehe die Gefahr, daß man als Voraussetzung in den Begriff hineinlege, was man als Rechtsfolge anschließend aus ihm ableiten wolle 183 . Die Ableitung von Rechtsfolgen aus der Rechtsnatur hat bei sogenannten körperschaftlichen Rechtsakten eine lange Tradition. So haben schon die Anhänger der Theorie des Gesamtaktes unmittelbare Folgerungen aus der Rechtsnatur von Satzungen gezogen l84 . Fragen, wie die der Geltung von § 139 BGB, der Revisibilität von Satzungsbestimmungen und des Einflusses von Willensmängeln auf das Bestehen der Satzung sind oft mit deren Rechtsnatur beantwortet worden. Wiedemann hat dies zutreffend mit den Worten zusammengefaßt, daß die Theorie vom korporationsrechtlichen Charakter der Satzung die dogmatischen Schwierigkeiten bewältigen sollte, die sich aus dem Zurückdrängen von Nichtigkeitsgründen im Gesellschaftsrecht ergaben. Er qualifiziert sie als verdeckte Methodenaussage dahingehend, daß für gesellschaftsrechtliche Willenserklärungen die Regeln der §§ 105 ff. BGB nicht gelten sollen 185. Die Kritiker an der Einordnung der Unternehmensverträge als Organisationsverträge greifen genau diese verdeckte Methodenaussage an, wenn sie die Ableitung von konkreten Rechtsfolgen aus der Rechtsnatur ablehnen. Dies haben Vertreter der herrschenden Meinung in der Tat getan. So findet sich etwa bei Würdinger 186 ein eigener Abschnitt über "Folgerungen aus der Rechtsnatur des Beherrschungsvertrages" . Er folgert z. B. daraus, daß es sich bei einem Beherrschungsvertrag um einen Organisationsvertrag handele, gelte für diesen keine Vertragsfreiheit. Für die Parteiautonomie sei nur insoweit Spielraum, als das Gesetz es ausdrücklich zulasse. Vertragliche Modalitäten, die jenseits dieser Grenzen lägen, seien rechtlich unwirksam 187 . Auch die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft soll sich aus der Rechtsnatur der Unternehmensverträge erklären lassen 188 . Die Ableitung von konkreten Rechtsfolgen aus der Rechtsnatur, wird aber auch von einigen Vertretern der organisationsvertraglichen Auffassung abgelehnt 189 . Soll nicht Begriffjurisprudenz betrieben werden, bedarf es im Einzel182 Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. zu § 291 Rn. 68 a; siehe nunmehr auch Grunewald, in: Geßler / Hefermehl, § 341 Rn 2 und § 339 Rn.2 für den Verschmelzungsvertrag. 183 Exner, S. 69. 184 Vgl. Staudinger-Coing, § 25 Rn. 15; Prael, S. 37ff. 185 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 161. 186 Großkommentar zum Aktiengesetz, § 291 Anm. 13. 187 Kritisch dazu Exner, S. 49ff. 188 Ausdrücklich in diesem Sinne Kübler, § 29 II (S. 370), Fn. 3; Blumers / Schmidt, GmbHR 1991, 32; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III 1 (S. 794).

c. Rechtsnatur des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

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fall einer sorgfältigen Überprüfung, ob bei einer Einordnung eines Unternehmensvertrages in eine bestimmte "Rechtsqualität" nicht von vornherein wichtige Gesichtspunkte aus den Überlegungen ausgeblendet werden. Entgegen Wertungen in der Literatur 190 hat der BGH in der FamiIienheim-Entscheidung l91 keineswegs unmittelbar aus der Rechtsnatur Rechtsfolgen abgeleitet. Er begründet die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft damit, der Unternehmensvertrag des § 291 AktG sei kein schuldrechtIicher Vertrag, sondern ein gesellschaftsrechtIicher Organisationsvertrag; er ändere satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem er insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichte und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreife l92 • Schon aus diesem Satz wird deutlich, daß keinesfalls die Rechtsnatur allein ausschlaggebend ist. Entscheidend sind die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Deutlicher wird dies noch an dem Satz, es möge Organisationsverträge geben, die aufgrund allgemeiner schuldrechtlicher Vorschriften rückabgewickelt werden könnten. Dies treffe aber auf Unternehmensverträge nicht zu 193 • Nicht die Einordnung der Unternehmensverträge als Organisationsverträge ist somit für den BGH entscheidend gewesen, sondern die nach seiner Ansicht fehlende Rückabwicklungsfähigkeit der Unternehmensverträge194195. Die Qualifizierung von Unternehmensverträgen als Organisationsverträgen ist für die Behandlung von Sachfragen daher nicht allein entscheidend. Es ist vielmehr sowohl auf die Rechtsnatur als auch auf die Interessenlage zurückzugreifen. Die Qualifizierung des Unternehmensvertrages als Organisationsvertrag gibt nur das Gerüst, innerhalb dessen die Wertungen vollzogen werden müssen 196 . Eine andere Wertung liefe auf Begriffsjurisprudenz hinaus, die gerade in der Dogmatik des Körperschaftsrechts immer wieder durchbricht 197 . Richtig eingeordnet schadet die Qualifizierung des Unternehmensvertrages nicht. Ganz im Gegenteil lassen sich damit verkürzt die über das schuldrechtliche Verhältnis hinausgehenden Wirkungen umschreiben. Die Einordnung hat aber auch nicht nur "deskriptive Bedeutung"198. Es bleibt die Erkenntnis, daß der Abschluß eines Unternehmensvertrages starke Ähnlichkeit mit einer Satzungsänderung hat und daß deshalb die für Satzungen geltenden Regelungen Emmerich / Sonnenschein, § 8 II 2 (S. 146); Kley, S.15. Emmerich / Sonnenschein, § 8 II 2 (S.146 Fn. 13). 191 BGHZ 103, Hf. 192 BGHZ 103, 1,5. 193 BGHZ 103, 1,5. 194 Zur Frage der Rückabwicklungsfähigkeit siehe oben 2. Teil C. 195 Auch das OLG Hamburg ZIP 1990, 1071 hat die Ablehnung der Anwendung von § 139 BGB alternativ begründet; unrichtig deshalb insoweit auch das OLG Düsseldorf BB 1991, 2105. 196 Wie hier Kley, S. 15/16. 197 Vgl. die Kritik bei Prael, S. 38. 198 Exner, S. 39l. 189

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

angewendet werden können, soweit nicht die Eigenarten der Unternehmensverträge entgegenstehen 199. VI. Zwischenergebnis Mit der Einordnung des Unternehmensvertrages als Organisationsvertrag wurde klargestellt, daß dieser die Satzung des abhängigen Unternehmens unmittelbar umgestaltet. Daraus läßt sich ableiten, daß diese "Satzungsänderung" denselben Bestandsschutz verdient wie andere Satzungsänderungen. Wie aber sieht der Bestandsschutz bei fehlerhaften Satzungsänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht im einzelnen aus?

D. Das Verhältnis der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu den §§241tT. AktG I. Geltung der §§ 241ft'. AktG für fehlerhafte Satzungsänderungen Bereits Rehbinder hat herausgearbeitet, daß eine fehlerhafte Satzungsänderung bei der GmbH herkömmlich gerade nicht von den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft erfaßt wird2°O. Vielmehr werden nach ganz h. M. die Vorschriften über die Nichtigkeit und Heilung fehlerhafter Beschlüsse angewandt201 . Es genügt daher für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht, den Unternehmensvertrag als Satzungsänderung oder Satzungsüberlagerung aufzufassen202 • Rehbinder ist zu Recht der Auffassung, daß man begründen muß, daß die Nichtigkeitsfolgen und die nur beschränkten Heilungsmöglichkeiten nach §§ 241 Nr. 2; 242 I, II AktG für Beschlüsse über den Abschluß eines Unternehmensvertrages sachlich unangemessen sind und mit Hilfe der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft korrigiert werden müssen 203 . Eine derartige Begründung ist bisher aber noch nicht gelungen: Der Ansatz von Rehbinder , der der Ansicht ist, die laufende Zusammenarbeit zwischen Ober - und Untergesellschaft könne mit der Konstituierung einer juristischen Person gleichgesetzt werden, ist letztlich nicht weiterführend. Mit Abschluß eines Unternehmensvertrages entsteht kein neues Gebilde 204 • Emmerich / Sonnenschein, § 8 II 2 (S. 146) für den Beherrschungsvertrag. Rehbinder, FS Fleck, 253, 262. 201 Rowedder-Zimmermann, § 53 Rn. 59. 202 So aber wohl BGHZ 103, 1,5; Stolzenberger-Wolters, S. 90ff., die auf die Vorschriften der §§ 241ff. AktG nicht eingeht. 203 Rehbinder, FS Fleck, 253, 262. 204 Siehe oben 2. Teil C. II. 199

200

D. Das Verhältnis zu den §§ 241 ff. AktG

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Die Rechtsprechung stellt allein auf die satzungs ändernde Wirkung der Unternehmensverträge ab2os . Es wurde aber schon festgestellt, daß dies allein noch nicht die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft rechtfertigt206 • Kleindiek schließlich ist der Ansicht, der Unternehmensvertrag führe zu einer qualitativen Umgestaltung einer bestehenden Organisationseinheit, weil er das Organisations gefüge der abhängigen Gesellschaft von Grund auf ändere. Die durch den Abschluß und Vollzug eines fehlerhaften Unternehmensvertrages qualitativ umgeformte Organisationseinheit verdiene denselben Schutz wie die durch einen fehlerhaften Gesellschaftsvertrag erstmals begründete Organisationseinheit207 • Der Abschluß eines Unternehmensvertrages unterscheide sich grundlegend von einer herkömmlichen Satzungsänderung oder Durchbrechung208 • Während die normale Satzungsänderung nur punktuell wirke, setze der Unternehmensvertrag für die Dauer seiner Geltung die bestehende rechtliche Ordnung der Gesellschaft weitgehend außer Kraft und schaffe eine qualitativ andere Organisationseinheit. Bei der "normalen" Satzungsänderung könne regelmäßig wieder an den status quo ante angeknüpft werden. Die rückwirkende Wiederherstellung der alten Ordnung sei aber offenkundig interessenwidrig, wenn die rechtliche Ordnung des Verbandes in gewolltem, aber fehlerhaftem Zusammenwirken all seiner Mitglieder von Grund auf abgeändert und vielleicht über Jahre hinweg praktiziert werde. Kleindiek ist deshalb der Auffassung, die Vorschriften der §§ 241ff. AktG, die eigentlich bei einer fehlerhaften Satzungsänderung Anwendung finden müßten, seien lediglich auf punktuell wirkende Gesellschafterbeschlüsse zugeschnitten und daher weder bestimmt noch geeignet, einem vollzogenen Unternehmensvertrag die Wirksamkeit zu versagen. Diese Auffassung vertritt er zumindest für den Fall, daß der Abschluß des Vertrages dem übereinstimmenden Willen der Gesellschafter entspricht, dem Gesellschafterbeschluß aber ein Formmangel anhaftet. Ebensowenig fänden die allgemeinen Anfechtungstatbestände der Rechtsgeschäftslehre uneingeschränkt Anwendung, wenn der Unternehmensvertrag selbst anfechtbar sei209 • Daß § 54 III GmbHG nur auf punktuelle Vertragsänderungen zugeschnitten ist, ist indes eine Behauptung, die durch nichts belegt ist. Die Begründung des Supermarkt - Beschlusses läßt eher den gegenteiligen Schluß zu. Gerade wegen der überragenden Bedeutung der Unternehmensverträge für die abhängige GmbH ist deren Eintragung im Handelsregister erforderlich. Nur 205 BGHZ 103, 1, 5; OLG Koblenz DB 1991, 155 = ZIP 1991, 308, mit Anm. von Wilken I Wittkowski; siehe nunmehr auch BGH ZIP 1992, 29. 206 Oben 2. Teil B. 207 K1eindiek, ZIP 1988, 613, 624; ders., ZIP 1991,1330,1334. 208 Kleindiek, ZIP 1988, 613, 624 für die GmbH. 209 Kleindiek, a.a.O. 624.

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

bei wichtigen Änderungen ist eine Eintragung notwendig21O • Die Behauptung, § 54 III GmbHG sei nur auf punktuelle Vertragsänderungen zugeschnitten, erweist sich somit als unzutreffend. Im folgenden ist daher nach wie vor das Verhältnis der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu den §§ 241ff. AktG zu klären. 11. Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft bei Nichtigkeit oder Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses? 1. Die §§241ff AktG als gesetzliche Teilregelung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Zunehmend wird die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht mehr nur als Teil des Personengesellschaftsrechts gesehen, sondern als Teil eines allgemeinen Verbandsrechts begriffen 211 . Die Behandlung fehlerhafter oder nichtiger Gesellschaften ist in der Tat ein allgemeines Problem des Gesellschaftsrechts, das sowohl bei den Personengesellschaften wie auch bei den Kapitalgesellschaften auftritt2 12 • Die Einsicht, daß eine Einschränkung der allgemeinen zivilrechtlichen Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsfolgen im Gesellschaftsrecht erforderlich ist, hat sich zunächst bei den Körperschaften durch. gesetzt213 • Während aber im Recht der Personengesellschaften die Rechtsprechung Regeln für die Abwicklung von fehlerhaften Gesellschaften entwickelt hat, existieren für den Bereich der Kapitalgesellschaften gesetzliche Regelungen. Im Aktiengesetz sind die Nichtigkeitsfälle in den §§ 275ff. auf wenige, kaum praktisch werdende Fälle beschränkt. Eine ganz ähnliche Regelung gilt für die GmbH (§§75ff. GmbHG) und die Genossenschaft (§§94ff. GenG). Die Nichtigerklärung einer Kapitalgesellschaft ist heute praktisch ausgeschlossen 214 • Obwohl im Gesetz von "Nichtigkeitsklage" die Rede ist, führt eine entsprechende Klage nur zu einer ex nunc wirkenden Auflösung der Gesellschaft215 und ist daher de facto eine Auflösungsklage 216 • 210 Auf diese Eigentümlichkeit hat bereits Timm, GmbHR 1989, 11, 13 hingewiesen: "Die gleichen Erwägungen, die nach Auffassung des BGH gegen eine Rückabwicklung eines unwirksamen Unternehmensvertrages sprechen, begründen zugleich die Notwendigkeit der Eintragung, d. h. sprechen für einen entsprechenden Vertrauensschutz, der erst durch die Eintragung in das Handelsregister gewährt wird." 2il K. Schmidt, AcP 186 (1986) 421ff.; ders., ZGR 1991, 373, 378; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 25 I (S. 337ff.); Bälz, Münchener Handbuch KG, §56 Rn. 21. 212 Robert Fischer, Großkommentar HGB, § 105 Anm.68; Paschke, ZHR 155 (1991),1; Dörr, S. 9. 213 Zur Entwicklung vgl. die Übersichten bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 I 2, S.148ff.; Staub-Ulmer, § 105 Rn. 327ff.; Kübler, Gesellschaftsrecht, §25 I (S. 337ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6; Wiesner, S. 35ff. 214 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 149. 215 K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 429.

D. Das Verhältnis zu den §§ 241 ff. AktG

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Im Kapitalgesellschaftsrecht wird - teilweise abweichend vom Personengesellschaftsrecht - Bestandsschutz nicht nur hinsichtlich des Bestehens der Gesellschaft gewährt, sondern auch bei fehlerhaften Beschlüssen, d. h. insbesondere auch bei fehlerhaften Satzungsänderungen. Im Aktienrecht sind rechtswidrige Beschlüsse in aller Regel nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Als Nichtigkeitsgründe gelten nur die in § 241 AktG abschließend aufgeführten Fälle217 . Die Vorschriften der §§ 241ff. AktG lassen sich durchaus als gesetzliche Regelung der "fehlerhaften Gesellschaft" einordnen 218 . Erklärtes Ziel dieser Vorschriften ist die Einschränkung der aktienrechtlichen Nichtigkeitsfälle gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht und die tatbestandliche Abgrenzung der Nichtigkeit gegenüber der Anfechtbarkeit219 . Auch das Anfechtungsrecht dient neben der Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen auch der Rechtssicherheit. Deutlich wird dies durch die kurze Frist von nur einem Monat (§ 246 I AktG) , innerhalb der die Anfechtungsklage erhoben werden muß. Zudem ist eine Anfechtungsklage nur dann zulässig, wenn schon in der Hauptversammlung Widerspruch zur Niederschrift erklärt wird. Durch diese verfahrensmäßigen Besonderheiten wird die Geltendmachung von Fehlern bei Beschlüssen erheblich eingeschränkt. Die Vorschriften über Anfechtung und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gelten nach ganz herrschender Meinung mit gewissen Modifikationen auch für die GmbH220 und die Genossenschaft221 . Sind diese Vorschriften aber als gesetzliche Ausgestaltung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft anzusehen, ist fraglich, ob daneben noch auf die allgemeinen Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zurückgegriffen werden kann. Dagegen spricht bereits, daß es sich bei den §§ 241 ff. AktG um ein ausdifferenziertes und abschließendes System der Behandlung von Fehlerfolgen bei Hauptversammlungsbeschlüssen handelt 222 . 216

K. Schmidt, a.a.O.

In § 241 AktG sind die Sondervorschriften der §§ 250, 253 nicht aufgeführt. Ob die Regelung im übrigen abschließend ist, ist umstritten. Dafür etwa: Hüffer, in: Geßler I Hefermehl, §241 Rn. 24; Zöllner, in: Kölner Kommentar, § 241 Rn. 27ff.; Baumbach I Hueck, AktG, §241 Rn. 2; dagegen etwa Baums, ZHR 142 (1978), 582ff.; hier kommt es indes nur darauf an, daß die Nichtigkeit die Ausnahme ist. 218 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 25 I (S.338); Niemeier, ZGR 1990, 314, 348; Fischer, NJW 1955, 849, 852. 219 Hüffer, in: Geßler I Hefermehl, § 241 Rn. 5; Noack, S. 35, der aber § 241 AktG auch eine Anordnung der Nichtigkeit in Fällen zumißt, in denen sie nach bürgerlichem Recht nicht gegeben wäre. 220 RGZ 122, 154; 166, 129; st. Rspr. des BGH, zuletzt BGH BB 1990, 1293 und BGHZ 104, 66; Hachenburg-Schilling I Zutt, (7. Aufl.) Anh. § 47; Scholz-Schmidt, § 45 Rn. 36; Lutter I Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 1 ff.; Hüffer, in: GeBIer I Hefermehl, vor § 241 Rn. 16; kritisch Wiedemann I, S. 467; Timm, FS Fleck, 365, 368ff.; Baumbach I Hueck I Zöllner, GmbHG, Anh. §47 Rn.lff.; Zöllner I Noack, ZGR 1989, 525ff.; Hachenburg I Raiser, Anh. § 47 Rn. lff.; zu den Auswirkungen der neuen Ansicht auf Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen siehe unten 4. Teil B. H. 2. 221 Hüffer, in: GeBIer I Hefermehl, vor §241 Rn. 18 m.w.N. 217

5 Lauber-Nöll

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Auf den ersten Blick scheint zwischen den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft und den §§ 241ff. AktG keinerlei Konkurrenzproblem zu bestehen. Die §§ 241 ff. AktG berühren nur die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses, während die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nur auf den Unternehmensvertrag selbst angewendet werden sollen 223 • Dies ist aber wenig überzeugend, weil es zugleich um die Frage der Wirksamkeit des auf dem Zustimmungsbeschluß beruhenden Folgegeschäfts geht.

2. Die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses und die Folgen für den Unternehmensvertrag a) Die grundsätzliche Zulässigkeit der Anfechtung des Zustimmungs beschlusses Das AktG geht davon aus, daß der Zustimmungsbeschluß zu einem Unternehmensvertrag angefochten werden kann. Dies ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses aus §§ 304 III 2 und 305 V AktG: Nach § 304 III 2 AktG kann die Anfechtung eines Zustimmungsbeschlusses oder einer unter § 295 11 AktG fallenden Änderung nicht auf § 243 11 AktG oder darauf gestützt werden, daß der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen ist. § 305 V AktG schließt die Anfechtung wegen Fehlens einer Abfindungsregelung aus. Daraus läßt sich folgern, daß die übrigen Anfechtungsgründe gerade nicht ausgeschlossen werden sollten. Die grundsätzliche Anfechtbarkeit von Zustimmungsbeschlüssen zu einem Unternehmensvertrag wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 294 AktG belegt. Der Regierungsentwurf sah vor, daß der Vorstand bei der Anmeldung des Vertrages zum Handelsregister erklären mußte, daß die Hauptversammlungsbeschlüsse nicht angefochten oder Anfechtungsklagen rechtskräftig zurückgewiesen worden seien 224 • Diese Regelung ist nur deshalb nicht Gesetz geworden, da befürchtet wurde, einzelne Aktionäre könnten ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage die Eintragung und somit das Wirksamwerden eines Unternehmensvertrages verzögern225 • Es entspricht daher ganz herrschender Auffassung, daß eine Anfechtung zulässig ist 226 • Siehe dazu, wenn auch mit anderem Ergebnis, Niemeier, ZGR 1990, 314, 347. Ausdrücklich Rehbinder, FS Fleck, 253, 265; a.A. Kley, S.67, der der Ansicht ist, die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses habe lediglich ex nunc Wirkung. 224 Begr. Reg. Entw. zu §294 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 383. 225 Ausschußbericht zu § 294 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 383. 226 Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 48; Geßler, in: Geßler I Hefermehl, §293 Rn. 49; Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, §293 Anm.12; Wilhelm, S. 26; Windbichler, S. 45; Gerth, BB 1978, 1497, 1498; Timm, ZIP 1990, 361; aus der Rechtsprechung: BGH WM 1979, 770; LG Ingolstadt ZIP 1990, 1128; OLG Frankfurt DB 1990,624; OLG München AG 1991, 358. 222 223

D. Das Verhältnis zu den §§ 241 ff. AktG

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b) Die ex tunc Wirkung der Anfechtung Auf eine erfolgreiche Anfechtungsklage wird der Beschluß nach § 248 I AktG für nichtig erklärt. Mit Rechtskraft des Urteils verliert der Beschluß die von der Hauptversammlung intendierte Rechtswirkung227 • Das Urteil bewirkt, daß der erfolgreich angefochtene Beschluß von Anfang an nichtig ist228 • Für einige spezielle Beschlüsse wird allerdings erörtert, ob die Anfechtung nur Wirkung für die Zukunft hat. Dies wird etwa teilweise für Wahlbeschlüsse angenommen 229 • Richtiger Ansicht nach ist aber auch bei der Nichtigerklärung von Aufsichtsratswahlen eine Rückwirkung zu bejahen230 • Eine andere Auffassung würde die Verletzung des Gesetzes und der Satzung bei der Aufsichtsratswahl weitgehend risikolos machen. Aus anderen Vorschriften des AktG (§251 i.V.m. §244; §2501 i.V.m. §241 Nr.5) ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß auch der Gesetzgeber von der rückwirkenden Kraft des Anfechtungsurteils auch bei Aufsichtsratswahlen ausgegangen ist231 • Eine andere Frage ist es, ob den Handlungen des "nichtigen" Aufsichtsrats für die Vergangenheit Bestandsschutz zu gewähren ist232 • Insoweit wird richtigerweise eine differenzierende Lösung entwickelt werden müssen233 , wobei sich oftmals aber schon nach allgemeinen Regeln befriedigende Rechtsfolgen erzielen lassen. Ebenso wird erörtert, ob eine Rückwirkung der Nichtigkeit eine Leistung an einen Aktionär i.S. v. § 62 AktG gesetzwidrig machen kann234 • In diesem Zusammenhang erwähnt Lutter völlig zu Recht, daß die Leistung auch dann verboten ist, wenn sie im Rahmen einer Unternehmensverbindung auf fehlerhafter Vertragsgrundlage geschieht 235 . Nach ganz herr-

Hüffer, in: GeBIer I Hefermehl, § 248 Rn. 13. Hüffer, a.a.O. Rn. 15; Semler, Münchener Handbuch AG § 41 Rn. 79; Kölner Kommentar-Zöllner (1. Aufl.), § 248 Rn. 9; Schilling, in: GroBkommentar zum AktG, § 248 Anm.4; Baumbach I Hueck, AktG, § 248 Rn.4; Lowe, S.19; für die GmbH Rowedder I Koppensteiner, § 47 Rn.126; Hachenburg I Raiser, Anh. § 47 Rn. 237; Lutter I Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 34. 229 So etwa Kölner Kommentar-Mertens (1. Aufl.), § 101 Rn. 77; Schilling, in: GroBkommentar zum AktG, § 252 Anm. 5; Meyer-Landrut, in: GroBkommentar zum AktG, § 101 Anm.23; Geßler, in: Geßler I Hefennehl, § 101 Rn. 24; unklar Baumbach I Hueck, AktG, §252 Anm. 3, der dann auch von der Gegenansicht als Beleg zitiert wird. 230 KöIner Kommentar-Zöllner (1. Aufl.), § 252 Rn. 8ff.; Hüffer, in: GeBIer I Hefermehl, § 252 Rn. 11 f.; Möhring I Nirk I Tank I, Tz. 355 und 684; Lowe, S. 19f. 231 Lowe, S. 21. 232 Zutreffend Kölner Kommentar-Zöllner (1. Aufl.), § 252 Rn. 11; Hüffer, in: GeBIer I Hefermehl, § 252 Rn. 12; ausführlich zu dem Problem Stein, passim; Lowe, passim, insbesondere S. 36ff. 233 Ausführlich Lowe, S. 36ff. 234 Dafür etwa Kölner Kommentar-Lutter (1. Aufl.), § 62 Rn. 12, der allerdings von Hüffer, in: GeBIer I Hefermehl, § 248 Rn. 16 als Beleg für die Gegenansicht zitiert wird; Kölner Kommentar-Zöllner (1. Aufl.), §248 Rn. 10. 235 Kölner Kommentar-Lutter (1. Aufl.), § 62 Rn. 12. 227

228

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

sehender Meinung gilt die Rückwirkung auch für Zustimmungsbeschlüsse zu U nternehmensverträgen236 • c) Auswirkungen auf Unternehmensverträge Unterschiedliche Ansichten bestehen im Hinblick auf die auf dem nichtigen Beschluß beruhenden Durchführungsgeschäfte. Im AktG ist insoweit keine Regelung vorhanden. In der allgemeinen Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG von 1884 heißt es dazu, "weitere Schutzmaßregeln erscheinen entbehrlich und sonstige Bestimmungen unthunlich. Insbesondere läßt sich nicht eine allgemeine Bestimmung darüber aufstellen, welche Wirkungen die Ungültigerklärung des Beschlusses auf die Folge desselben etwa schon zur Ausführung gelangten Rechtshandlungen habe, ob sie auch letzteren ungültig mache, und ob deren Ungültigkeit als von Anfang an eingetreten zu behandeln sei. Die Maßregeln, welche aufgrund eines solchen Beschlusses von den Gesellschaftsorganen ergriffen werden können, sind zu verschieden. Man könne zwar im allgemeinen davon ausgehen, daß, wie der Beschluß als nicht gefaßt, so auch die auf ihm beruhende Maßregel als von Anfang an hinfällig zu betrachten sei. Allein schon oben, § 12 Nr. 4, S. 290ff. (seil.: der Allgemeinen Begründung), wurde darauf hingewiesen, daß die Gesellschaft gegen ihre Organe einen Schadenersatzanspruch wegen Ausführung des Beschlusses auf deren Ungültigkeit nicht stützen dürfe. Ferner werden dritte Personen, mit welchen der Vorstand eine Rechtshandlung, wenn auch aufgrund des ungültigen Beschlusses der Generalversammlung, vorgenommen hat zumeist durch die Vorschriften der Artikel 227 1,230, 23111 (seil.: des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG) geschützt sein, ebenso im Falle unstatthaft gewesener Auszahlung von Dividenden die Aktionäre, welche sie in gutem Glauben empfangen haben, durch die Vorschrift des Artikels 218 (seil.: heute § 62 11 2 AktG). Die Entscheidung ist nur im einzelnen Falle nach Maßgabe des in Betracht kommenden Verhältnisses richtig zu finden."237 Nach überwiegender und zutreffender Ansicht soll danach zu unterscheiden sein, ob Durchführungsgeschäft und Hauptversammlungsbeschluß derart miteinander verknüpft sind, daß das erste ohne den zweiten nicht gültig ist, oder ob der Beschluß nur die gesellschaftsinterne Grundlage für das Geschäft darstellt. Im ersten Falle führe die Vernichtung des Hauptversammlungsbeschlusses auch zur Ungültigkeit des Durchführungsgeschäftes238 • Anders ausgedrückt: Die Rechtsbeziehungen, die "dem Körpersehaftsrecht" angehören, sollen das Schicksal des Beschlusses teilen, aus dem sie her236 Wilhelm, S.27; Kölner Kommentar-Koppensteiner, §293 Rn. 48f.; Oesterreich, S. 89f. für den Zustimmungsbeschluß zu einem Betriebsüberlassungsvertrag; a. A. Kley S.67. 237 Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG (1884) § 13 III B g, abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, S. 468f. und auszugsweise bei Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, § 248 Rn. 19. 238 So die Formulierung bei Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, § 248 Rn. 20.

D. Das Verhältnis zu den §§ 241 ff. AktG

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rühren239 • Zum "Körperschaftsrecht gehörig" bedeutet insoweit, daß es sich um Organisationsakte handelt, die dem inneren Leben der Gesellschaft angehören. Im Gegensatz dazu stehen etwa rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit Dritten240 • Nach dieser Ansicht wären daher die Unternehmensverträge unwirksam, die auf einem Beschluß beruhen, der auf eine Anfechtungsklage hin für nichtig erklärt wird 241 • d) Korrektur durch die fehlerhafte Gesellschaft? Erlangt der Unternehmensvertrag in diesem Fall dadurch Wirksamkeit, daß er faktisch vollzogen wird? Die Frage ist zu verneinen 242 . Eine nur ex nunc wirkende Nichtigerklärung ist dem geltenden Aktienrecht unbekannt243 . Im Verschmelzungsrecht bestimmt zwar §' 352 a AktG, daß die Wirksamkeit der Verschmelzung durch Mängel nicht berührt wird, wenn die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen ist. Auch aus den Regelungen des GWB in §24II4 Hs 3 und § 24 VII Nr. 3 Hs 2 ließe sich ein erhöhter Bestandsschutz für Unternehmenszusammenschlüsse ableiten, die in das Handelsregister eingetragen sind. Ein allgemeines Prinzip eines erhöhten Bestandsschutzes für alle in das Handelsregister eingetragenen, fehlerhaften Unternehmenszusammenschlüsse gibt es aber nicht244 • Dagegen spricht, daß die Vorschriften des GWB speziell nur die kartellrechtliche Seite regeln 245 • Zwar wird im kartellrechtlichen Schrifttum unter Hinweis auf das Recht der fehlerhaften Gesellschaft die Ansicht vertreten, eine Entflechtungsanordnung des BKartA sei rechtswidrig, die den Vertragsparteien aufgebe, einen Unternehmensvertrag ex tunc rückabzuwickeln 246 • Eine derartige Anordnung sei auf eine rechtlich unmögliche Handlung gerichtet. Aus der Vorschrift des § 24 VII Nr. 3 GWB läßt sich dies allerdings nicht ableiten. Nach allgemeiner Ansicht hat die Unwirksamerklärung nach § 24 VII 239 Schilling, in: Großkommentar zum AktG, § 248 Anm. 5, der Verschmelzung und Unternehmensvertrag als Beispiele anführt; auch SemIer, Münchener Handbuch AG, § 41 Rn. 79; Kölner Kommentar (1. Auf!.) Zöllner, § 241 Rn. 36. 240 Schilling, in: Großkommentar zum AktG, § 248 Anm. 5. 241 Ebenso Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, §293 Anm.13; ders., Aktienrecht, S.155; Hüffer, in: Geßler I Hefermehl, § 248 Rn. 20. 242 Zutreffend LG Frankenthai ZIP 1988, 1460; Timm, EWiR § 297 AktG 1188, 947; auch Ulmer, BB 198910, 16, Fn. 82; Brandes, WM 1989, 329, 330; a.A. für die GmbH: Scholz / K. Schmidt, §45 Rn. 172. 243 Zutreffend Lutter, ZGR 1990, 392, 409. 244 Ablehnend auch Köhler, ZGR 1985, 307, 334. 245 Köhler, a.a.O., S. 329. 246 Kerber, S. 259.

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Nr. 3 GWB keine Rückwirkung, sondern wirkt nur ex nunc247 • Die Bedeutung der Vorschrift liegt deshalb nicht darin, eine rückwirkende Erklärung der Unwirksamkeit zu verhindern, sondern in der Verhinderung der Unwirksamerklärung überhaupt. Die Auflösung muß nach den für den Vertrag geltenden Regeln - z.B. Kündigung aus wichtigem Grund oder Vertragsaufhebung herbeigeführt werden248 • Eher ließe sich ein Bestandsschutz für Unternehmensverträge aus § 24 11 GWB ableiten. Bei näherer Betrachtung ergibt sich aber, daß durch diese Vorschrift nur der spezielle kartellrechtliche Unwirksamkeitsgrund des §24II4 Hs 2 GWB ausgeschlossen ist 249 • Die Vorschrift des §24II GWB befaßt sich insgesamt nur mit diesem Fehlergrund. Auch die Ausnahme für Unternehmensverträge bezieht sich daher nur auf den kartellrechtlichen Unwirksamkeitsgrund. Die Vorschrift des § 24 11 GWB ist auch insgesamt nicht unumstitten, weil sie nur eine nachträgliche Kontrolle ermöglicht. Demgegenüber wird zunehmend - wegen der Schwierigkeiten bei der Entflechtung - eine präventive Kontrolle gefordert250 • Auch aus § 352 a AktG läßt sich kein allgemeines Prinzip eines erhöhten Bestandsschutzes ableiten. Gerade daraus, daß es keine § 352 a AktG entsprechende Vorschrift für Unternehmensverträge gibt, läßt sich vielmehr schließen, daß der Gesetzgeber keinerlei Bestandsschutz für einen Unternehmensvertrag begründet hat, sofern dieser nur eingetragen worden ist251 •

Im übrigen ist bereits die Bedeutung des § 352 a AktG umstritten. Zum Teil wird aus § 352 a AktG geschlossen, auch eine Entschmelzung für die Zukunft sei nicht möglich252 • Dagegen wird von der wohl h. M. eine derart weitgehende Heilung abgelehnt. Durch § 352 a AktG werde nur die Verschmelzung als solche, nicht aber die ihr zugrunde liegenden Rechtshandlungen geheilt 253 . Für die Zukunft sei daher eine Entschmelzung erforderlich. Weiter ist streitig, ob auch ohne die Regelung des § 352 a AktG die Verschmelzung für die Vergangenheit schon nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam zu behandeln wäre254 • 247 Gemeinschaftskommentar I Harms, § 24 Rn.1411; K1einmann I Bechtold, § 24 Rn. 410; Frankfurter Kommentar, §24 Rn. 167; Möschel, Rn. 921; Kerber, S. 260. 248 So wohl Immenga I Mestmäcker, § 24 Rn. 204; kritisch zu der gesamten Regelung Kleinmann I Bechtold, § 24 Rn. 411. 249 Kritisch auch zu dieser Regelung Kleinmann I Bechtold, § 24 Rn. 386. 250 Siehe Sonntag, S.l72; Emmerich, Kartellrecht, §26 5. (S.434f.). 251 Timm, in: Timm (Hrsg.) Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, S. 23f.; a.A. wohl K.Schmidt, ZGR 1991,373,381; Grunewald, in: Geßler I Hefermehl, §352 a Rn. 19. 252 K. Schmidt, AG 1991, 131, 136; Möller, S.170; Grunewald, in: Geßler I Hefermehl, §352 a Rn. 19. 253 Martens, AG 1986, 57, 63; Kölner Kommentar-Kraft, § 352 a Rn. 36ff.; Timm, in: Timm (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1,23; Priester, NJW 1983, 1459, 1465; Würdinger, Aktienrecht §48 D VII (S. 236).

D. Das Verhältnis zu den §§ 241 ff. AktG

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Für das GmbH-Recht, in dem eine dem § 352 a AktG entsprechende Regelung fehlt, entspricht es ebenfalls ganz herrschender Meinung, daß Mängel der Verschmelzung durch die Eintragung nicht geheilt werden und trotz aller Schwierigkeiten eine Entschmelzung vorzunehmen ist255 • Dasselbe gilt für die Genossenschaft 256 • Ein allgemeines Prinzip läßt sich somit aus § 352 a AktG nicht ableiten. Gestützt wird dieses Ergebnis, d. h. die Rückwirkung ex tunc auch bei der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses von Unternehmensverträgen, wenn die Funktion der Anfechtungsklage einer näheren Betrachtung unterzogen wird: Die Vorschriften über die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen dienen zwar in erster Linie der Rechtssicherheit, zum anderen aber auch der Kontrolle der Mehrheit257 • Der Aktionär ist grundsätzlich der Mehrheitsentscheidung unterworfen, aber nur in dem Umfang, in dem dies durch Gesetz und Satzung vorgesehen ist 258 • Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung dürfen nicht auf dem Rücken der außenstehenden Aktionäre ausgetragen werden259 . Für die Rückwirkung bei der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes260 • Die Vorschriften über die Anfechtung und Nichtigkeit von Haupversammlungsbeschlüssen stellen ein geschlossenes System dar, in dem sowohl die Belange des Minderheitenschutzes als auch die der Rechtssicherheit berücksichtigt sind. Im Unterschied zu bürgerlich-rechtlichen Unwirksamkeitsgründen läßt sich auch nicht mit einer Analogie zu den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft eine Wirksamkeit für die Vergangenheit konstruieren. Dies würde einen Eingriff in das vom Gesetzgeber eingeführte System bedeuten. 254 Dafür K. Schmidt, a.a.O., S. 135; ders., ZGR 1991, 373, 379ff.; Möller, S.170; Baums, Eintragung und Löschung, S.36; Martens, AG 1986, 57, 63; dagegen zutreffend Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 15; Bonke, S. 11ff.; Baumbach I Hueck, AktG, § 352 Rn.7; Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit, S. 216f.; Kölner KommentarKraft, § 352 a Rn. 37; Schilling, in Großkommentar zum AktG, § 352 Anm. 9,12; Würdinger, Aktienrecht, 3.Aufl., §43 D VI, S.217; Möhring/Nirk/Tank I, Rn.80l; Priester, NJW 1983, 1459, 1465. 255 Lutter I Hommelhoff, Anh. Verschmelzung § 25 KapErhG Rn. 23, § 31 KapErhG Rn.4; Scholz I Priester, Anh. Umw. § 25 KapErhG Rn.24; Hachenburg I Schilling I Zutt (7.Aufl.), Anh. §77, §31 VerschmG, Rn. 9; §25 VerschmG, Rn. 15; a.A. Rowedder I Zimmermann, Anh. § 77 Rn. 419, der § 352 a AktG analog anwenden will und nunmehr K. Schmidt, ZGR 1991, 373, 381ff. 256 Paschke, ZHR 155 (1991),1,14; Müller, GenG, §93 p Rn. 6; a.A. auch insoweit K. Schmidt, ZGR 1991, 373, 383ff. 257 Die Kontrollfunktion der Anfechtungsklage betont auch Lutter, NJW 1969,1873, 1877. 258 BGHZ 83, 122, 133; Noack, S. 41. 259 Zutreffend Oesterreich, S. 89. 260 Siehe dazu bereits oben Einleitung B.

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Ist die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft aber Teil eines allgemeinen Verbandsrechts, so müssen jedenfalls dort die Rechtsfolgen der gesetzlichen Regelung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft akzeptiert werden, wo der Gesetzgeber insoweit abschließend tätig geworden ist. Dies trifft für den Teilbereich der fehlerhaften Beschlüsse bei Kapitalgesellschaften zu. Die Vorschriften der §§ 241ff. AktG gehen daher der allgemeinen Regelung vor261 • Die §§ 241ff. AktG schränken die Nichtigkeit von Beschlüssen so weit ein, daß dann, wenn selbst nach diesen Vorschriften ausnahmsweise einmal Nichtigkeit eintritt, keine Korrektur dieses Ergebnisses nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft erfolgen kann. Dagegen ist allerdings eingewandt worden, die §§ 241ff. AktG hätten eine endgültige Bestandssicherung zum Gegenstand, während die fehlerhafte Gesellschaft nur einen vorübergehenden Bestandsschutz zum Ziel habe 262 • Dies überzeugt nicht. Gerade weil die §§ 241 ff. AktG einen sehr weitgehenden Bestandsschutz gewähren, ist vielmehr das Gegenteil zu schließen. Geht der Bestandsschutz nach §§ 241 ff. AktG weiter als nach den allgemeinen Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft, läßt sich dieses Ergebnis nicht begründen. Gegen den Vorrang der §§ 241 ff. AktG ist ferner vorgebracht worden, im Unterschied zu Beitrittsund Gründungsmängeln beinhalteten die §§ 241ff. AktG lediglich ein abgeschwächtes Bestandsschutzkonzept. Sie ließen sich in erster Linie als gesetzliche Regelung der fehlerhaften Gesellschaft nur bei Vertragsänderungen begreifen263 • Für den Fall eines fehlerhaften Ausscheidens aus der GmbH wird daraus der Schluß gezogen, das fehlerhafte Ausscheiden weise wegen seiner strukturellen Auswirkungen einen qualitativ höheren Bestandsschutzbedarf auf als einfache Mängel der fortlaufenden Willensbildung264 • Dieser Gedanke ist bereits von Kleindiek265 auch für Unternehmensverträge fruchtbar gemacht worden. Zugleich hat er allerdings auch gezeigt, daß sich dieser Gedanke bei einer erfolgreichen Anfechtungsklage gerade nicht für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anwenden läßt. Vielmehr fehlt es in diesem Fall an einer Grundvoraussetzung der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft: Ein nichtiger oder erfolgreich angefochtener Beschluß scheidet als Legitimation der Mehrheitsentscheidung aus 266 , da insoweit das Einverständnis der Gesellschafter fehlt. Die Anerkennung eines lediglich faktisch durchgeführten Unternehmensvertrages gegen den auch gerichtlich geltend gemachten Widerstand der Min261 Ebenso Gerth, BB 1978, 1487, 1499 Fn. 54; im Ergebnis auch Wilhelm, S.27; a.A. Niemeier, ZGR 1990, 314, 348. 262 Niemeier, ZGR 1990, 314, 348. 263 Niemeier, a.a.O. 264 Niemeier, a.a.O. 265 Kleindiek, ZIP 1988, 613, 624; siehe dazu oben 2. Teil D. H. 266 Kleindiek, a.a.O., 619.

D. Das Verhältnis zu den §§ 241 ff. AktG

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derheit würde § 293 AktG obsolet machen 267 . Im Ergebnis würde entgegen der gesetzlichen Intention eben"doch ein Unternehmensvertrag ohne wirksamem Zustimmungsbeschluß zugelassen. Dadurch wäre aber der Zweck des Zustimmungserfordernisses vereitelt. Durch dieses sollen die Aktionäre vor Alleingängen der Verwaltung geschützt werden 268 . Demgegenüber ist bei anderen Vertragsmängeln, etwa Willensmängeln, zumindest ein wirksamer Zustimmungsbeschluß vorhanden. Da diesem die entscheidende Bedeutung zukommt, muß bei seinem Fehlen die Nichtigkeit ex tune entsprechende Folge sein. Genauer gesagt ist der Vertrag allerdings nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam: Es tritt die gleiche Lage ein, die beim Abschluß eines Vertrages besteht, dem die Hauptversammlung noch überhaupt nicht zugestimmt hat. Dieses Ergebnis erscheint auf den ersten Blick unbefriedigend. Zu berücksichtigen ist aber, daß eine Anfechtungsklage innerhalb der Monatsfrist des § 246 I AktG erhoben werden muß269. Die Gesellschaft befindet sich daher nur relativ kurze Zeit darüber im Unklaren, ob der Zustimmungsbeschluß angefochten wird. Zumeist wird der Unternehmensvertrag zu diesem Zeitpunkt nicht einmal im Handelsregister eingetragen sein. Die Handelsregistereintragung ist zwar möglich, da die geplante, dem § 345 AktG entsprechende Regelung nicht Gesetz geworden ist; die Eintragung führt aber in diesem Falle nur zu einer Vorbehaltseintragung27o . Die beteiligten Unternehmen können sich daher auf eine möglicherweise drohende Nichtigkeit einstellen271 . Ein nicht zu unterschätzender Einwand ist auch die Präventivfunktion der Unwirksamkeitstatbestände. Nur das Risiko der Unwirksamkeit kann die Vertragsparteien dazu anhalten, den Unternehmensvertrag nach Möglichkeit unter Vermeidung von Mängeln abzuschließen 272 . Anders bliebe etwa eine Verletzung der Inforrnationspflichten letztlich ohne Sanktion273 . Die Gegenansicht, die auch bei Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses nur eine Unwirksamkeit ex nune befürwortet, übersieht vor Timm, EWiR § 297 AktG 1/88, 947, 948. Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, §248 Rn. 20. 269 Wilhelm, S. 27. 270 Siehe Hommelhoff, ZGR 1990,447,462; Oesterreich, S. 89 betont, daß mit der Anfechtung eine gewisse Warnung gegeben ist, beim Vollzug des Vertrages an die etwa notwendig werdende Rückabwicklung zu denken. 271 Wilhelm, S. 27. 272 Köhler, ZGR 1985, 307,312; siehe dazu auch Baums, WuB 11 A. §291 AktG 1.88, der erkennt, daß die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft einen Anreiz geben könnte, die materiellrechtlichen und registerrechtlichen Anforderungen nicht zu beachten; zu diesem Gedanken auch Sonntag, S. 171. 273 Zur Verletzung von Auskunftsrechten im Zusammenhang mit Unternehmensverträgen siehe LG Frankfurt WM 1989, 683 = ZIP 1989, 1062 = EWiR § 131 AktG. 1/89, 943 (Riegger) sowie OLG Karlsruhe ZIP 1991, 101 = DB 1991, 86; dazu bereits Vorinstanz LG Mannheim ZIP 1990, 374 = EWiR 1990, 323 (Timm); OLG München DB 1991,1970,1974 = AG 1991, 358, 362. 267

268

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

allem, daß die Anfechtungsklage das einzige wirkungsvolle Kontrollinstrument der Aktionäre darstellt. Allein mit den Rückabwicklungsschwierigkeiten läßt sich auch eine Heranziehung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht rechtfertigen 274 • Dies zeigt ein Vergleich mit der normalen Satzungsänderung. Auch dort gibt es nach der eindeutigen Wertung des Gesetzes die Rückwirkung der Nichtigkeit. Selbst wenn der Unternehmensvertrag eine satzungsüberlagernde Funktion hat, ergeben sich keine weitergehenden Rechtsfolgen als bei einer Satzungsänderung. Zwar reicht für den Zustimmungsbeschluß eine 3f4-Mehrheit aus. Die überstimmte Minderheit soll nach der insoweit eindeutigen Wertung des AktG an die Mehrheitsentscheidung aber nur insoweit gebunden sein, als diese gesetzund satzungsmäßig zustande gekommen ist. Wird daher der Beschluß angefochten, wird dem Minderheitenschutz nur dann genüge getan, wenn man der Minderheit im Grundsatz einen Anspruch auf Rückgängigmachung einräumt. Dies gilt auch dann, wenn sich nicht exakt jener Zustand wiederherstellen läßt, der vor Abschluß des Vertrages bestanden hat. Soweit die §§ 241ff. AktG reichen, gehen diese daher den allgemeinen Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft vor. Ein nichtiger oder erfolgreich angefochtener Beschluß scheidet somit als Legitimation für die Anerkennung eines fehlerhaften Unternehmensvertrages aus. Dies gilt uneingeschränkt dann, wenn der Beschlußmangel in einem Verstoß gegen solche Normen begründet ist, die dem Minderheitenschutz dienen, wie z. B. bei schweren Einberufungsfehlern oder Verstößen gegen andere minderheitenschützenden Verfahrensvorschriften275 • Eine Ausnahme kann allenfalls dort gemacht werden, wo Belange des Minderheitenschutzes nicht berührt sind. Anders gewendet: Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft kann nur insoweit auf fehlerhafte Unternehmensverträge Anwendung finden, als nicht die §§ 241ff. AktG mit der rückwirkenden Nichtigkeit aus Gründen des Minderheitenschutzes vorgehen.

274 275

Sonntag, S. 170 und oben 2. Teil B. III. Kleindiek, ZIP 1988, 613, 619.

E. Beschränkungen des Anwendungsbereichs

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E. Beschränkungen des Anwendungsbereichs der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft I. Keine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft

bei fehlender Gesellschafterzustimmung

An einem wirksamen Zustimmungsbeschluß fehlt es nicht nur, wenn ein solcher auf eine entsprechende Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage hin für nichtig erklärt wurde, sondern auch dann, wenn ein entsprechender Beschluß erst gar nicht gefaßt wurde. Im Aktienrecht dürfte dies ein theoretischer Fall sein. Anders ist dies aber bei den zahlreichen Unternehmensverträgen im GmbHKonzernrecht, die vor Bekanntwerden des Supermarkt - Beschlusses abgeschlossen wurden. 1. Fehlende Zustimmung bei der beherrschten Gesellschaft Selbst von den Befürwortern der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft wird ein Bestandsschutz für diejenigen Unternehmensverträge nicht gewährt, denen die Gesellschafter der abhängigen GmbH nicht zugestimmt haben 276 • Diese Einschränkung ergibt sich daraus, daß die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft eine fehlende Einigung nicht ersetzen soll. Fehlt es daher an der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft oder ist ein entsprechender Zustimmungsbeschluß nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefaßt worden, fehlt es an einer Grundvoraussetzung der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft277 • Nach verbreiteter Ansicht in der Literatur soll die fehlende Zustimmung von Gesellschaftern allerdings nur geringe praktische Auswirkungen haben. Für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft genüge es, daß die Beteiligten trotz Fehlens allseitiger Zustimmung davon ausgegangen seien, daß eine derartige Zustimmung nicht erforderlich gewesen sei278 • Abgesehen davon, daß es bedenklich erscheint, die Gesellschaft ohne die Zustimmung ihrer Gesellschafter auf diesem Wege in die Konzernierung zu zwingen 279 , ist auch die Begründung für diese Ansicht nicht haltbar. Als Beleg 276 Kleindiek, ZIP 1988, 613, 620; Timm, GmbHR 1989, 9, 11, 19; im Grundsatz auch Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), S. 47; Ulmer, BB 1989, 10; Brandes, WM 1989,329,330; Henze, ZAP, Fach 15, S.7, 10; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 51; Sonntag, S.170; anders aber wohl Hachenburg / Ulmer, § 53 Rn.140. 277 Zu den Fällen, in denen es an einem Zustimmungsbeschluß nicht von vornherein fehlt, sondern dieser nichtig oder anfechtbar ist siehe oben 2. Teil D. 11. 2. 278 Ulmer, BB 1989, 10, 16; Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), S. 47; Ebenroth / Müller, BB 1991, 358, 360; zweifelnd Kleindiek, a.a.O., S. 620. 279 Darauf haben zu Recht Priester, a.a.O., S. 47 und Kleindiek, a.a.O., S. 620 hingewiesen.

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

wird nämlich ausgeführt, der BGH habe für den Fall eines fehlerhaften Beitritts angenommen, daß die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch dann gelten, wenn der Beitretende und die für den Beitritt stimmenden Gesellschafter diesen für wirksam gehalten hätten, weil sie davon ausgegangen seien, die Mitgesellschafter seien wirksam vertreten worden, obwohl dies in Wahrheit nicht der Fall gewesen sei28o . Wenn daher die Beteiligten aufgrund der von ihnen für maßgeblich erachteten steuerrechtlichen Vorschriften davon ausgegangen seien, eine Y4-Mehrheit auf seiten der abhängigen Gesellschaft sei ausreichend und eine Zustimmung des herrschenden Unternehmens nicht erforderlich, seien gleichwohl die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden281 . Diese Parallele erscheint jedoch nicht zutreffend. Der Fall eines fehlerhaften Beitritts durch einen seine Vertretungsmacht überschreitenden Vertreter ist mit der Lage beim Abschluß eines Unternehmensvertrages nicht vergleichbar. Der BGH hat in der angeführten Entscheidung eine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft deshalb bejaht, weil die Beteiligten irrtümlich davon ausgegangen waren, daß alle zur Mitwirkung berufenen Gesellschafter auch tatsächlich mitgewirkt hatten. In diesem Fall ist es vertretbar, den Beitritt als wirksam anzusehen 282 . Darin liegt aber zugleich ein wesentlicher Unterschied zu dem Fall, in dem die Zustimmung fehlt und die Beteiligten auch nicht irrtümlich annehmen, sie liege vor283 . 2. Fehlende Zustimmung bei der Obergesellschaft Nach der ~egründung des Supermarkt-Beschlusses, müßte dies im Grundsatz auch dann gelten, wenn es an der Zustimmung der Gesellschafterversammlung des herrschenden Unternehmens fehlt 284 . Diese Annahme erscheint jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn es sich bei dem herrschenden Unternehmen um eine AG oder GmbH handelt. Der BGH hat dem Gesellschafterbeschluß der herrschenden GmbH entgegen anders lautenden Stimmen in der Literatur285 Außenwirkung beigemessen. § 293 11 AktG gebe dem Interesse der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft, nicht ohne ihre Zustimmung mit den unternehmerischen Risiken einer Gesellschaft belastet 280 BGH NJW 1988, 1321, 1323 unter Berufung auf Münchener Kommentar Ulmer, § 705 Rn. 277, 282. 281 Ulmer und Priester, jeweils a.a.O. 282 a. A. Wiesner, S. 149; Bälz, Münchener Handbuch KG, § 60 Rn. 30, der aber wiederum anders entscheiden will, wenn die Änderung auf einem Gesellschafterbeschluß beruht. 283 Zutreffend Stolzenberger-Wolters, S.l13, die die Frage jedoch letztlich offenläßt. 284 Insoweit zutreffend Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), S. 47. 285 Für lediglich interne Wirkung etwa Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut I Miller I Niehus, GmbHG, § 53 Rn. 10; Scholz I Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rn. 236; Priester, ZGR Sonderheft 6,171; Kort, S.127.

E. Beschränkungen des Anwendungsbereichs

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zu werden, auf deren Geschäftsführung sie keinen unmittelbaren Einfluß habe, den Vorrang vor den Interessen des Rechtsverkehrs, auf die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder vertrauen zu können. Das Gesetz mache den Eintritt des durch die Änderung der Organisationsstruktur erhöhten Geschäftsrisikos von der Zustimmung der qualifizierten Mehrheit der Aktionäre abhängig286 • Die Wirksamkeit von Unternehmensverträgen bei fehlender Zustimmung der Gesellschafterversammlung des herrschenden Unternehmens läßt sich mit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft somit nicht begründen. Dies mag für die Fälle, in denen eine GmbH herrschendes Unternehmen ist, deshalb unproblematisch sein, weil der Zustimmungsbeschluß dort auch konkludent gefaßt werden kann287 • Ist die herrschende GmbH, wie im Regelfall, an der abhängigen Gesellschaft maßgeblich beteiligt, wird man dort zumeist von einer Zustimmung ausgehen können. Das Zustimmungserfordernis betrifft nicht nur die GmbH, sondern auch auch die Aktiengesellschaft als herrschendes Unternehmen 288 • Bei dieser dürften derartige Zustimmungsbeschlüsse jedenfalls in der Zeit vor dem Supermarkt-Beschluß nur selten auf der Tagesordnung gestanden haben289 • Die meisten Aktiengesellschaften haben allerdings inzwischen die Zustimmungsbeschlüsse nachgeholt. Diese Zustimmung ist auch für die Vergangenheit wirksam. Der BGH hat die Zustimmungspflicht im wesentlichen mit den potentiellen Verlusten und den nur beschränkt steuerbaren Tochterrisiken begründet. Wenn die Hauptversammlung einem bereits jahrelang bestehenden Vertrag die Zustimmung erteilt, stehen die bis dahin angefallenen Verluste fest. Aus diesem Grund bestehen daher keine Bedenken, auch eine rückwirkende Zustimmung auf seiten des herrschenden Unternehmens zuzulassen. Dabei handelt es sich auch nicht um eine rückwirkende Inkraftsetzung, die nach zutreffender Ansicht unzulässig wäre 290 • Die Rückwirkung ist deshalb problematisch, weil das Handeln des Vorstands des abhängigen Unternehmens bei der Rückwirkung eines Beherrschungsvertrages nachträglich pflicht286 BGH a.a.O., 336; bestätigt von BGH ZIP 1991, 1354, 1356; siehe auch schon Timm, S. 56; kritisch OLG Düsseldorf BB 1991,2105. 287 Priester, a.a.O., S. 41; Ulmer, BB 1989, 10, 16, der jedoch zu Recht darauf hinweist, daß auch bei der GmbH formelle Beschlußvoraussetzungen bestehen, wenn auch nicht in gleichem Maße, wie bei der AG. 288 Grunewald, AG 1990, 133, 134f.; Lutter, FS Quack 301; Heckschen, DB 1989, 1273; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 7, 25; siehe auch LG Berlin ZIP 1991, 1180 = EWiR §292 AktG 1/91, 1047 (Timm / Schöne) für den Betriebspachtvertrag; a.A. OLG DüsseldorfBB 1991,2105. 289 Priester, a.a.O., S. 41; Ulmer, BB 1989, 10, 16; zu den technischen Schwierigkeiten bei der AG Heckschen, DB 1989, 1273ff.; Grunewald, AG 1990,133, 134f.; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 7, 24f. 290 OLG Hamburg ZIP 1990,1071; Kölner Kommentar- Koppensteiner, § 294 Rn. 23

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

widrig werden könnte. Dieses Problem tritt aber nicht ein, wenn der Vertrag ohnehin von allen Beteiligten in der Vergangenheit als wirksam behandelt worden ist291 • Wie aber, wenn die Beschlüsse nicht nachgeholt wurden? Die Anwendbarkeit der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft rechtfertigt sich daraus, daß der Abschluß des Unternehmensvertrages die Satzung der abhängigen Gesellschaft ändert. Für die Satzungsänderung ist aber allein der Gesellschafterbeschluß dieser Gesellschaft, nicht dagegen der der Obergesellschaft maßgeblich292 • Insoweit bestünden daher keine Bedenken, die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden, wenn es nur an der Zustimmung der Gesellschafter des herrschenden Unternehmens fehlt. Bei dieser Sichtweise würde aber die Außenwirkung, die dem Zustimmungsbeschluß zukommt, nicht genügend berücksichtigt. Würde ein Unternehmensvertrag auch ohne die Zustimmung der Gesellschafter des herrschenden Unternehmens nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam behandelt, wäre die Gesellschaft eben doch im Ergebnis für die Vergangenheit mit der Verlustübernahmeverpflichtung belastet, ohne daß die Gesellschafter die Zustimmung erteilt hätten 293 • Allerdings können auch im Fall des qualifiziert faktischen Konzerns die Minderheitsgesellschafter der Obergesellschaft ohne ihre Zustimmung mit Verlustausgleichsansprüchen belastet werden294 • Ob dieses Problem tatsächlich im Verhältnis der Minderheitsgesellschafter der Obergesellschaft zur Gesellschaft oder zur Geschäftsführung geklärt werden kann295 , muß hier offenbleiben. Richtig ist insoweit jedenfalls, daß die fehlende Zustimmung der Gesellschafter der Obergesellschaft es nicht rechtfertigt, den Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern der abhängigen Gesellschaft den Ausgleich zu versagen. Beide Fälle dürfen aber dennoch nicht gleich behandelt werden. Ein gravierender Unterschied besteht darin, daß im qualifiziert faktischen Konzern - zumindest theoretisch - der Nachweis erbracht werden kann, auch ein pflichtgemäß handelnder Geschäftsführer einer selbständigen GmbH hätte nicht anders gehandelt296 • Die Haftungsvoraussetzungen sind nicht gegeben, 291 Verfehlt allerdings Stolzenberger-Wolters, S.73 Fn. 238 und Priester, a.a.O. 53, die dies auch bei der nachträglichen Zustimmung der Gesellschafter des abhängigen Unternehmens annehmen wollen. 292 So im Ergebnis auch Lutter I Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 51. 293 Es wird hier davon ausgegangen, daß die Zustimmung entsprechend § 293 11 AktG erforderlich ist. Zur Kritik an dieser Auffassung Timm, GmbHR 1989, 11, 16, der zu Recht darauf hinweist, daß mit der Begründung des BGH eigentlich auch eine Zustimmungspflicht zur qualifiziert faktischen Konzernierung verlangt werden müßte. 294 BGH ZIP 1991,1354,1356; siehe schon Timm, GmbHR 1989,11,16. 295 So BGH a.a.O. 296 BGH ZIP 1991, 1354, 1356; BGHZ 95, 330, 344.

E. Beschränkungen des Artwendungsbereichs

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wenn die Verluste auf Umständen beruhen, die mit der Leitungsmacht nichts zu tun haben297 • Eine derartige Entlastungsmöglichkeit gibt es - auch nicht einmal theoretisch - im GmbH Vertragskonzern nicht298 • Dasselbe würde bei einem nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft wirksamen Unternehmensvertrag gelten299 ; auch in diesem Fall läge ein wirksamer Vertrag vor. Schon wegen der - bei Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft - fehlenden Entlastungsmöglichkeit für das herrschende Unternehmen ist deshalb auch die oben angeführte gegenteilige Argumentation letztlich nicht geeignet, dem Unternehmensvertrag zur Wirksamkeit zu verhelfen. Dies gilt ungeachtet des wohl zutreffenden Einwands, daß in der Praxis der Entlastungsbeweis in aller Regel nicht gelingen dürfte 3OO •

11. Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft trotz fehlender Handelsregistereintragung?

Belange des Minderheitenschutzes sind demgegenüber nicht berührt, wenn die Zustimmungsbeschlüsse mangelfrei sind und es lediglich an der Handelsregistereintragung fehlt. Ob zumindest in diesen Fällen die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf die Altverträge angewendet werden kann, erscheint aber aus einem anderen Grund zweifelhaft: Die Handelsregistereintragung ist konstitutiv. Würden auf einen wegen fehlender Handelsregistereintragung unwirksamen Unternehmensvertrag die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft angewendet, ergäbe sich, daß die Rechtsfolgen mit und ohne Eintragung kaum unterschiedlich wären. Unternehmensverträge wären auch ohne Handelsregistereintragung wirksam301 • Die Funktion der Handelsregistereintragung ist es aber gerade, die Satzungsänderung ebenso wie die Gründung von der registerrechtlichen Prüfung abhängig zu machen. Der Rechtsverkehr kann sich daher bei erfolgter Eintragung auf die Ordungsmäßigkeit der Gründung bzw. Satzungs änderung verlassen 302 • Auch die Einschränkung der Nichtigkeit bei der Gründung ist von der BGH ZIP 1991, 1354, 1357; BGHZ 107,7,18. BGH ZIP 1991,1354,1356; BGH ZIP 1992, 29, 31; a.A. zu Unrecht Wilken / Wittkowski, ZIP 1991, 313; wohl auch Ulmer, NJW 1986, 1579, 1585, die eine derartige Entlastungsmöglichkeit zulassen. 299 Insoweit zutreffend OLG Koblenz ZIP 1991, 308, 310; und nunmehr BGH ZIP 1992,29,31. 300 Kleindiek, ZIP 1991,1330,1332; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 26. 301 Kort, AG 1988, 369, 374; ders., ZIP 1989, 1309, 1312; ausdrücklich anderer Ansicht BGH ZIP 1992, 29, 30. 302 Dörr, S.127. 297

298

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

Handelsregistereintragung abhängig303 • Eine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft kommt auch in anderen Fällen einer konstitutiven Handelsregistereintragung nicht in Betracht. So ist etwa bei der Übernahme neuer Stammeinlagen bis zur Eintragung der Kapitalerhöhung überwiegend anerkannt, daß trotz des körperschaftlichen Charakters des Übernahmevertrages solange die allgemeinen Grundsätze gelten, bis die Kapitalerhöhung eingetragen und dadurch wirksam geworden ist. Für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft ist im Fall fehlerhafter Übernahmeerklärungen ebensowenig Raum wie bei sonstigen Mängeln des noch nicht eingetragenen Kapitalerhöhungsbeschlusses304 • Dasselbe gilt bei der Zeichnung von Aktien bei der Kapitalerhöhung einer AG. Bis zur Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister gelten für den Zeichnungsvertrag ohne jede Einschränkung die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte und Verträge 305 • Dies gilt, obwohl auch der Zeichnungsvertrag ein "korporativer Vertrag" ist306 •

In eine ganz ähnliche Richtung weist schließlich auch § 54 III GmbHG. Danach hat die Abänderung des Gesellschaftsvertrages keine rechtliche Wirkung, bevor sie in das Handelsregister eingetragen wird. Das bedeutet aber auch, daß der satzungsänderungsgleiche Unternehmensvertrag vor der Eintragung in das Handelsregister keine Wirksamkeit erlangen kann307 • Vor der Handelsregistereintragung kommt eine Aufrechterhaltung des Unternehmensvertrages auch deshalb nicht in Betracht, da dieser vor der Eintragung gar nicht vollzogen werden darpo8. Bei den Kapitalgesellschaften kann die notwendige konstitutive Eintragung nicht durch den faktischen Vollzug der Maßnahme ersetzt werden. Zwar ist auch eine mangelhafte Vorgesellschaft nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft zu behandeln309 ; diese Parallele hilft aber bei Unterneh303 Allerdings sollen nach h. M. die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auf die fehlerhafte Vor-GmbH Anwendung finden; gleichwohl beschränkt erst die Eintragung die Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe; siehe auch Huber, ZHR 152 (1988) 123, 141. 304 Hachenburg-Ulmer, (7.Aufl.), §55Rn.78; Scholz-Priester, §57 Rn. 47; Dörr, S.98; Lutter / Hommelhoff, § 55 Rn. 18. 305 Kölner Kommentar- Lutter, § 185 Rn. 13. 306 Kölner Kommentar-Lutter, § 185 Rn. 19. 307 Siehe auch Kölner Kommentar-Zöllner, § 179 Rn. 207, der für den aktienrechtlichen Unternehmensvertrag zu Recht betont, daß die Wirkung erst mit der Eintragung im Handelsregister eintreten kann; zur Unwirksamkeit von Betriebspachtverträgen mit abhängigen GmbH wegen fehlender Handelsregistereintragung siehe auch LG Berlin ZIP 1991, 1180 = EWiR §292 AktG 1191, 1047 (Timm / Schöne), wo es aber auch zusätzlich an der Durchführung der Verträge fehlte. 308 Zutreffend Sapper, S. 65. 309 BGHZ 13, 320; K. Schmidt, a.a.O. 428; Dörr, passim; Lutter / Hommelhoff, § 2 Rn. 16; Hachenburg/Ulmer, §2 Rn. 25, 92ff.; Baumbach/Hueck, GmbHG, §2 Rn. 35.

E. Beschränkungen des Anwendungsbereichs

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mensverträgen ohne Handelsregistereintragung nicht weiter: Es gibt keine der Vorgesellschaft vergleichbare Vorstufe. Vielmehr ist auf die Regelung über die Satzungsänderung zurückzugreifen. Auch dort gibt es keinerlei Vorwirkungen einer noch nicht eingetragenen Satzungsänderung31O • Vielfach wird allerdings von diesen Grundsätzen eine Ausnahme für sog. Altverträge 311 im GmbH-Konzernrecht gemacht. Auch dort ist aber anerkannt, daß grundsätzlich nicht auf die die Einhaltung der Formvorschriften verzichtet werden kann. Die Anerkennung eines Bestandsschutzes für Altverträge (auch für die Zukunft) bedeutet aber nicht, daß auch ohne eine Handelsregistereintragung bei Vertragsschluß generell von der Wirksamkeit GmbHrechtlicher Unternehmensverträge auszugehen ist312 • Neuverträge können überhaupt nur unter den Voraussetzungen rechtswirksam abgeschlossen werden, die der BGH im Supermarkt-Beschluß statuiert hat. Werden diese Vorschriften nicht beachtet, verdienen faktisch vollzogene Verträge keinerlei Bestandsschutz. Die Anwendung der Regeln über fehlerhafte Gesellschaften kommt in diesen Situationen nicht in Betracht313 • Angesichts der Unterscheidung zwischen Neu- und Altverträgen fragt sich indes, ob überhaupt eine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft trotz fehlender Handelsregistereintragung angenommen wird. Auch Timm will etwa einem "neuen" Unternehmensvertrag die Wirksamkeit versagen, wenn er ohne Handelsregistereintragung abgeschlossen wird. Der dagegen gerichteten Kritik von Stolzenberger-Wolters314 ist insoweit zuzustimmen, daß die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft für eine Unterscheidung zwischen Neu- und Altverträgen keinen Ansatzpunkt bietet: Die Anwendbarkeit der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft kann nicht davon abhängen, ob ein Unternehmensvertrag vor oder nach dem 24. 10. 1988 abgeschlossen wurde. Die Unterscheidung zwischen "Alt- und Neuverträgen" macht deutlich, daß es der Sache nach nicht um die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft geht, da diese Anwendung nur davon abhängig sein kann, ob ein fehlerhafter Unternehmensvertrag vollzo310 Allenfalls ergeben sich Vorwirkungen in Gestalt einer aus der Treuepflicht herrührenden internen Bindung der Gesellschafter und Organe. Diese sind verpflichtet, der demnächst in Kraft tretenden Satzungsänderung nicht entgegen zu handeln; dazu näher Kölner Kommentar-Zöllner, § 181 Rn. 49; wie hier auch Hachenburg / Ulmer, §S3 Rn. 88. 3ll Zu den Altverträgen sogleich das nächste Kapitel. 312 So aber Kort, AG 1988, 369, 374. 313 Timm, GmbHR 1989, 11, 17; ebenso wohl Rottnauer, DB 1991, 27; Blumers / Schmidt, GmbHR 1989, 261, 263; unklar insoweit Sonntag, S.17S, der der Ansicht ist, die Sicherstellung der Rechtswirksamkeit, zumindest für die Vergangenheit, sei auch notwendig, da die formellen Voraussetzungen des Unternehmensvertrages, zumindest bis zur Entscheidung des BGH vom 24. 10. 1988 und teilweise auch danach, umstritten gewesen seien. 314 Stolzenberger-Wolters, S. llSf.

6 Lauber-Nöll

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Zweiter Teil: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft

gen worden ist, nicht aber davon, ob irgend",ann der Bundesgerichtshof die Abschlußvoraussetzungen von Unternehmensverträgen neu festgelegt hat. Timm hat dies zutreffend in dem Satz zusammengefaßt: "Es geht allein um die Gewährung eines ausreichenden Bestandsschutzes für Altverträge ."315.

Gibt die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft aber keinen Anhaltspunkt für eine Unterscheidung zwischen "Alt- und Neuverträgen" ,.legt dies Frage nahe, ob man nicht auf diese Unterscheidung ganz verzichten sollte316 • Es kann indes nicht die richtige Lösung sein, auch bei Neuverträgen die Nichteinhaltung der Formvorschriften über die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft zu korrigieren. Dies hieße in der Tat im Ergebnis, auf die Einhaltung der Vorschriften zu verzichten317 • Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft findet daher bei fehlender Handelsregistereintragung keine Anwendung. Auch sog. Altverträge im GmbH-Konzernrecht sind daher wegen deren fehlender Handelsregistereintragung jedenfalls nicht nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam zu betrachten. Sollen die Altverträge gerettet werden, muß zusätzlich begründet werden, warum auf die Einhaltung der an sich unverzichtbaren Formvorschriften bei sog. Altverträgen verzichtet werden kann, während bei Neuverträgen deren Einhaltung unerläßlich ist. Zwischenergebnis: Nur beschränkter Anwendungsbereich der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft

Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft sind nicht anwendbar, soweit die §§ 241ff. AktG eingreifen. Kein Konkurrenzproblem ergibt sich insoweit bei den bürgerlich-rechtlichen Unwirksamkeitsgründen (wie Irrtum oder Dissens). Die Vertragserklärungen sind nach bürgerlich-rechtlichen Regeln anfechtbar. Auch bei dem Verschmelzungsvertrag, in dem gleichfalls ein körperschaftlicher Organisationsvertrag gesehen wird, ist die Anfechtung nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zulässig318 , obwohl sich dort zusätzliche Schwierigkeiten daraus Timm, GmbHR 1989, 11, 17. Stolzenberger-Wolters, S.1l5f. 317 Zu Recht ablehnend daher Timm, a.a.O.; anders, aber nicht überzeugend BGH ZIP 1992, 29, 30. 318 Ausführlich Bonke, passim, insbesondere S. 15ff.; Scholz / Priester, Anh. Umw § 21 KapErhG Rn. 1; 12; Rowedder / Zimmermann, Anh. § 77 Rn. 419, der aber § 352 a AktG auf den Verschmelzungsvertrag bei der GmbH analog anwenden will; Baumbach/Hueck, AktG, §352 Rn.5; neuerdings wohl a.A. K. Schmidt, AG 1991,131, 135. 315

316

E. Beschränkungen des Anwendungsbereichs

83

ergeben, daß es bei einer vollzogenen Verschmelzung bereits an einem Anfechtungsgegner fehlt. Auf den Unternehmensvertrag sind die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über die Anfechtung anwendbar319 • Insoweit verbleibt es daher bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze. Wird der Vertrag wegen Irrtums angefochten, ist er nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft gleichwohl für die Vergangenheit als wirksam zu behandeln. Für die Zukunft kann der Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt werden 32o • Dagegen ist bei Mängeln des Zustimmungsbeschlusses grundsätzlich von der Geltung der §§ 241ff. AktG auszugehen. Für die zahlreichen Altverträge im GmbH-Recht bietet die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft keinen ausreichenden Bestandsschutz. Sie ist insbesondere dort nicht anwendbar, wo es an der Handelsregistereintragung des Unternehmensvertrages fehlt. Ebenso bietet sie keinen Bestandsschutz für diejenigen Verträge, bei denen die Zustimmungsbeschlüsse entweder nicht mit .der erforderlichen Mehrheit gefaßt oder erfolgreich angefochten wurden. Im Ergebnis findet die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nur bei typischen Vertragsmängeln, d. h. bei der bürgerlichrechtlichen Anfechtung oder einem Dissens Anwendung. Den zahlreichen unwirksamen Altverträgen kann daher nur auf anderem Wege Bestandsschutz gewährt werden.

319 Sapper, S. 64; Emmerich / Sonnenschein, § 15 IV 4 (S. 249); Kölner KommentarKoppensteiner, §297 Rn. 36; Timm, BB 1981, 1481, 1497, Fn. 65; Wilhelm, S.24ff.; Kley, S.62; Krieger, in: Münchener Handbuch AG § 70 Rn. 16; Windbichler, S.48; Prael, S. 92. 320 Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, §297 Anm.13; Kölner Kommentar (1. Auf!.) Biedenkopf / Koppensteiner, § 297 Rn. 16.

6*

Dritter Teil

Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht A. Ansätze eines Bestandsschutzes für Altverträge im GmbH-Konzernrecht I. Zur Erforderlichkeit eines Bestandsschutzes für Altverträge

Im Supennarkt-Beschluß hat der BGH die Anforderungen an die Wirksamkeit eines kombinierten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages erstmals festgelegt. Die Ausführungen gelten aber auch für die im GmbH-Recht verbreiteten isolierten Gewinnabführungsverträge 1, d. h. Gewinnabführungsverträge ohne Beherrschungsabrede. Die Praxis richtete sich vor der Entscheidung nahezu ausschließlich nach den Vorschriften des § 17 KStG. Der BGH unterstellt im Ergebnis alle, d. h. auch die alten Unternehmensverträge den neuen Anforderungen. Daraus läßt sich nur schließen, daß nach Ansicht des BGH alle nicht den Anforderungen genügenden Unternehmensverträge zivilrechtlieh unwirksam sind. Darin sieht Flume das "Skandalon" des Supermarkt-Beschlusses2 . Die verbal deutlich überzogene und nicht mehr sachlich angemessene Kritik Flumes ist lediglich insoweit berechtigt, daß die Unwirksamkeit aller "alten Unternehmensverträge" nicht die Folge der neuen Rechtsprechung sein kann. Aber insoweit rennt Flume offene Türen ein, denn darin besteht in der Literatur im Grundsatz weitgehend Einigkeit. So hat bereits vor der Entscheidung Rehbinder im Hinblick auf die im Schrifttum vorherrschende Ansicht ausgeführt, die Auffassung von der Eintragungsbedürftigkeit und der notariellen Beurkundung sei nicht nur an Sachargumenten zu messen. Die Legitimität der Rechtsfortbildung hinsichtlich der Form- und Eintragungserfordernisse sei vielmehr auch an den Rechtsfolgen für Altverträge zu messen, die sich aus den "neuen" Anforderungen ergeben3 . Für den Bereich des GmbH-Konzernrechts herrscht aufgrund der besonderen Lage nach dem Supermarkt-Beschluß weitgehend Einigkeit darüber, daß sogenannten Altverträgen 4 zumindest für die Vergangenheit ein gewisser Bestandsschutz zu gewähren ist. 1 Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 7, 22; Timm, GmbHR 1989,11, 15; ders., NWB Fach 18, S. 3039; wohl auch Grauer, S. 163. 2 Flume, DB 1989, 665, 669. 3 Rehbinder, FS Fleck, 253, 256; zustimmend Timm, GmbHR 1989, 11, 17.

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Dies scheint auch zwingend erforderlich. Einmal ist bereits aus steuerlichen Gründen eine Anerkennung für die Vergangenheit erforderlich. Ein wirksamer Gewinnabführungsvertrag ist Voraussetzung der körperschaftsteuerlichen Organschaft. Wären die Gewinnabführungsverträge unwirksam, würde es sich bei den abgeführten Gewinnen aufgrund eines vermeintlich wirksamen Gewinnabführungsvertrages um verdeckte Gewinnausschüttungen handeln. Die Finanzverwaltung hat einen Bestandsschutz in Form einer Übergangsregelung bis zur Änderung des § 17 KStG gewährt. In dem Schreiben des BMF vom 31. 10. 19895 wird die Finanzverwaltung angewiesen, für Wirtschaftsjahre der Organgesellschaft, die bis zum 31. 12. 1992 enden, bestehende oder neu abgeschlossene Gewinnabführungsverträge steuerrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie zwar nicht die nach dem BGH-Beschluß erforderlichen zivilrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllen, im übrigen aber entsprechend § 17 KStG (Abschnitt 64 KStR) abgeschlossen und durchgeführt worden sind. Falls der Gewinnabführungsvertrag im Hinblick auf die neuen zivilrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen gekündigt wird, soll er gleichwohl für die Vergangenheit steuerlich anerkannt werden, auch wenn er noch nicht fünf aufeinanderfolgende Jahre durchgeführt worden ist. Zugleich wird allerdings klargestellt, daß eine Anpassung erforderlich ist, da ein nur nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft anzuerkennender Vertrag für die Beurteilung im Steuerrecht nicht ausreichend sein soll. Zu einer derartigen Übergangsregelung war die Finanzverwaltung nach § 163 AO aber auch schon nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes verpflichtet6 • Ebenso ist zivilrechtlieh nach der wohl einhelligen Ansicht in der Literatur Bestandsschutz erforderlich7 . Die Ansichten darüber, wie ein derartiger Bestandsschutz aussehen soll, sind allerdings geteilt. 11. Die bisherige Praxis als Gewohnheitsrecht?

Falls es sich bei der bisherigen Praxis, um Gewohnheitsrecht handelte, hätte dies zur Folge, daß alle alten Verträge wirksam wären. Gewohnheitsrecht kann nicht durch eine Gerichtsentscheidung rückwirkend beseitigt werden 8 • Ein höchstrichterliches Urteil kann allerdings eine Änderung der Praxis bewirken. Für die Zukunft kann daher neues, abweichendes Gewohnheitsrecht entstehen. Trotz unterschiedlichster Theorien zum Entstehen von Gewohnheits4 Zu der Schwierigkeit Alt- von Neuverträgen zu unterscheiden siehe Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 37, 39. Stolzenberger-Wolters, S.115 verneint dagegen ein Bedürfnis, zwischen Alt- und Neuverträgen zu unterscheiden. 5 IV B 7 - S 2770 - 31/89 abgedruckt in BB 1990, 48 und BMF Schreiben vom 20. 7. 1990 - IV B 7 - S 2270 -19/90 abgedruckt in DB 1990, 1592. 6 Blumers / Schmidt, DB 1989, 31, 32; ausführlich auch dies., GmbHR 1991, 32. 7 a.A. wohl nur Wilken / Wittkowski, ZIP 1991, 312, 314. 8 BGHZ 18,81,94; insoweit zutreffend Venzmer, WPg 1990, 305, 310.

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recht besteht doch insoweit Einigkeit, als es erst durch Erlaß eines abweichenden Gesetzes oder durch Bildung von entgegenstehendem Gewohnheitsrecht endet9 • Gewohnheitsrecht ist als eigenständige Rechtsquelle auch heute noch anerkanntlO.Sowohl hinsichtlich des Geltungsgrundes als auch der Entstehungsvoraussetzungen besteht allerdings weitgehend Unklarheit. Es existieren eine Fülle von unterschiedlichen Grundauffassungen und zahllose Meinungsverschiedenheiten in Einzelheiten ll , auf die hier nicht eingegangen werden kann. Nach überwiegender Ansicht entsteht Gewohnheitsrecht durch eine lang andauernde Übung und der Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch Einhaltung der Übung bestehendes Recht zu befolgen 12 • Nur die erste Voraussetzung liegt hier vor. Die Praxis hat sich jahrzehntelang nahezu ausschließlich an den Wirksamkeitserfordernissen des Steuerrechts orientiert. Zweifelhaft erscheint aber die Annahme, die Beteiligten hätten die Überzeugung gehabt, durch die Übung bestehendes Recht zu befolgen. Zu berücksichtigen ist, daß es bis etwa zum Jahre 1980 der allgemeinen Auffassung entsprach, daß der GmbH-rechtliche Unternehmensvertrag keiner Handelsregistereintragung und keiner notariellen Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses bedurfte. In den Kommentaren zum GmbH-Gesetz vor dieser Zeit wurde dieser Standpunkt durchweg vertreten 13 • Allerdings war auch zum damaligen Zeitpunkt schon streitig, mit welcher Mehrheit der Zustimmungsbeschluß gefaßt werden mußte, und es entsprach auch schon der überwiegenden Auffassung, daß § 17 KStG nur steuerliche Bedeutung hat 14 • Die Finanzgerichte haben - ungeachtet aller zivilrechtlichen Streitfragen Unternehmensverträge mit abhängigen GmbH anerkannt, wenn diese den steuerlichen Anforderungen genügten. Dies erscheint auf den ersten Blick zwar selbstverständlich, muß aber vor dem Hintergrund der im Steuerrecht vorherrschenden Ansicht gesehen werden, daß Voraussetzung der körperschaftsteuerlichen Organschaft ein zivilrechtlich wirksamer Unternehmensvertrag ist 15 • Die Finanzgerichte hatten daher inzident mitentschieden, daß die Unternehmensverträge ohne die vom BGH gestellten Anforderungen wirksam waren 16 . Die Finanzverwaltung teilte diese Auffassung. So heißt es in Palandt-Heinrichs, Einleitung Rn. 24. BVerfGE 61,149 (203), BGHZ 37,222; 47, 349. 11 Ein Überblick über den Meinungsstand findet sich bei Staudinger-Coing, Ein!. Rn.234ff.; 12 Staudinger-Coing, Ein!. Rn. 236; Palandt-Heinrichs, Ein!. Rn. 24; BGHZ 37, 219, 222; Larenz, Methodenlehre, 34l. 13 Hachenburg I Barz, 7. Aufl., § 13 Anh. 11 Rn. 35,38; Scholz-Emmerich, GmbHG, 6. Aufl., Anh. 11 Rn. 165, 17l. 14 Scholz-Emmerich, Anh. 11 Rn. 165 m.w.N. 15 BFH DB 1989,2004; L. Schmidt, GmbHR 1971, 9, 10; Felix I Streck, KStG § 17 Anm.7; Hermann / Heuer / Raupach, KStG, § 17 Rn. 49; B1umers / Schmidt, GmbHR 1991, 32; dies., GmbHR 1989, 261; Knobbe-Keuk, §20 I (S. 646). 9

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Abschnitt 641 der Körperschaftsteuerrichtlinien aus dem Jahre 1985: "Ist die Organgesellschaft eine Kapitalgesellschaft im Sinne von § 17 KStG, z. B. eine GmbH, so bedarf der Gewinnabführungsvertrag zu seiner zivilrechtlichen Wirksamkeit keiner Eintragung in das Handelsregister". Auch ein Teil der Registergerichte lehnte bis kurz vor der BGH-Entscheidung die Eintragung in das Handelsregister ab 17 • Venzmer meint, daraus den gewohnheitsrechtlichen Satz ableiten zu können, der letzte Absatz des § 54 GmbH-Gesetz laute: "Die Bestimmungen in § 53 und die Bestimmungen der Absätze 1,2 und 3 sind bei Abschluß und Durchführung von Unternehmensverträgen nicht anzuwenden; das Aktiengesetz ist nicht anwendbar" 18.

Das ist jedoch wenig überzeugend. Die Abschlußvoraussetzungen der GmbH-rechtlichen Unternehmensverträge waren insgesamt keineswegs unumstritten. So war es schon stets zweifelhaft, mit welcher Mehrheit die Gesellschafter der beherrschten GmbH dem Vertragsschluß zustimmen mußten und ob der Zustimmungsbeschluß Außenwirkung hatte oder wegen der grundsätzlich unbeschränkbaren Vertretungsmacht der Gesellschafter nur interne Bedeutung besaß. Gegen die Bildung von Gewohnheitsrecht spricht auch, daß sich die Praxis im Bereich des GmbH-Konzernrechts seit jeher bewußt war, daß eine gesetzliche Regelung fehlte. Wie der BGH überzeugend dargelegt hat, ergeben sich die Formerfordernisse aus den Vorschriften über Satzungsänderungen des GmbH-Gesetzes. Diese Vorschriften hätten schon immer eingehalten werden müssen l9 . Zwar kann auch die auf einer irrigen Gesetzesauslegung beruhende Praxis zur Bildung von Gewohnheitsrecht führen 20 ; dies gilt aber dann nicht, wenn ein bestehendes Gesetz überhaupt nicht angewandt wird. Die ältere konzernrechtliche Literatur sah die sogenannten Organschaftsverträge als gewöhnliche schuldrechtliche Austauschverträge an. Von diesem Standpunkt aus hatte die damalige herrschende Meinung keine Veranlassung, über die Anwendung der Vorschriften über Satzungänderungen nachzudenken. Unter der Geltung des AktG 1937 setzte sich aber zunehmend die Ansicht durch, es handele sich um eine Satzungsänderung21 • Über16 Flume ist der Ansicht, der BGH hätte aus diesem Grund die Frage dem gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorlegen müssen, Gastkommentar in DB 1989 S.1. 17 OLG Celle WM 1988, 47 = EWiR § 54 GmbHG 1188, 165 (Priester); OLG Düsseldorf NJW 1987, S.3208 = EWiR §54 GmbHG 1187, 1213 (Ehlke) = WuB 11 C. §54 GmbHG 1.88 (Schneider); uneinsichtig auch heute noch OLG Düsseldorf BB 1991, 2105; anders aber bereits LG Hamburg GmbHR 1984,185 = WM 1984, 1399. 18 Venzmer, WPg 1990, 305, 310. 19 Zutreffend Zöllner, DB 1989,913. 20 BGHZ 37,219; Palandt-Heinrichs, Einleitung Rn. 24; Venzmer, WPg 1990, 305, 310. 21 Ballerstedt, DB 1956, 837, 839; Duden, BB 1957,49; Mestmäcker, Konzerngewalt, S. 337ff.; Schilling, JZ 1957, 529; Flurne, DB 1956, 455, 457, der die Frage für die GmbH ausdrücklich bejaht; zum Streitstand ausführlich Sapper, S.137ff.

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wiegend wurde jedoch angenommen, § 256 AktG 1937 stelle eine Sonderregelung dar22 , weshalb die Frage auf sich beruhen könne. Bei der Einführung des AktG 1965 wurde im Hinblick auf die kontroversen Literaturstimmen in § 293 14 bestimmt, daß die Vorschriften des AktG und der Satzung auf den Zustimmungsbeschluß zu Unternehmensverträgen nicht anzuwenden seien. Dadurch sollte nach Ansicht des Regierungsentwurfes die oben genannte Streitfrage "geklärt" werden. Für die Anwendung der Vorschriften über Satzungsänderungen bestehe im Hinblick auf die besonderen Erfordernisse, denen der Zustimmungsbeschluß bereits nach den §§ 293,294 unterliege," kein Bedürfnis"23. Dadurch ist allerdings keineswegs "geklärt" worden, ob es sich tatsächlich, d. h. wenn es die Vorschriften der §§ 293,294 AktG für den schmalen Sonderbereich des AktG nicht gäbe, um eine Satzungsänderung handelt 24 . Allein für den Bereich des Aktienrechts ist die Frage durch die Einführung des § 293 I 4 AktG praktisch erledigt 25 . Auch nach dem Inkrafttreten des AktG 1965 wurde die Frage jedoch auch weiterhin kontrovers diskutiert26 . Im Bereich des GmbH-Konzernrechts fehlt es indessen an einer derartigen "klarstellenden" Vorschrift. Für diesen Bereich kommt es daher nach wie vor darauf an, ob man dem Unternehmensvertrag satzungsändernden oder satzungsüberlagernden Charakter zumißt. Angesichts dieser Situation konnte sich keine Rechtsüberzeugung dahingehend bilden, daß es sich nicht um eine Satzungsänderung handelte. Allein durch eine jahrzehntelange Praxis, die die Satzung der beteiligten Gesellschaften nicht als den Ort für Unternehmensverträge angesehen hat, konnte Gewohnheitsrecht entweder gar nicht entstehen oder jedenfalls nur insoweit, als eben der Unternehmensvertrag in seinem gesamten Wortlaut nicht in die Satzungsurkunde aufgenommen wird. Im Bereich des Gesellschaftsrechts spielt das Gewohnheitsrecht ohnehin nur eine untergeordnete Rolle, da gesellschaftsrechtliche Organisations und Schuldverhältnisse nicht an Verkehrsusancen anknüpfen, die sich zu Gewohnheitsrecht verdichten können 27 . Die Praxis hat schon deshalb nicht die Stufe von Gewohnheitsrecht erreicht, weil es den beteiligten Verkehrskreisen an dem Bewußtsein gefehlt hat, einem Gebot des geltenden Rechts nachzukommen. Vielmehr hat sich die Praxis wohl lediglich keine Gedanken mehr darüber gemacht, ob eine Satzungsänderung erforderlich Vgl. die Nachweise bei Mestmäcker, Konzerngewalt, S. 337. Begr. Reg. Entw. zu § 293 AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 381. 24 Sonnenschein, Organschaft, S. 355; Timm, S. 35. 25 Geßler, in: Geßler / Hefermehl, § 293 Rn. 26; Kölner Kommentar (1. Aufl.)- Biedenkopf / Koppensteiner, § 291 Rn. 19; Kort, S.69; zweifelnd Kölner KommentarKoppensteiner, § 291 Rn. 69. 26 Ablehnend: Baumbach / Hueck, AktG, § 291 Rn.3; Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, §293 Anm.lO; bejahend Kölner Kommentar-Zöllner, § 179 Anm.17; Timm, S.35; Exner, S. 35ff.; Prael, S. 81; Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. §291 Rn. 69. 27 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 2 11 b (S. 27). 22 23

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ist 28 . In § 232 I 5 des Regierungsentwurfs zum GmbH Gesetz von 1971 war demgegenüber eine dem § 293 I AktG entsprechende Regelung geplant. Auch daran wird deutlich, daß der Gesetzgeber durchaus um die Streitfragen im Bereich des GmbH-Konzernrechts wußte. Gegen die Annahme, es handele sich um Gewohnheitsrecht spricht ferner, daß gegen die steuerrechtliehe Organschaft über viele Jahre hinweg grundsätzliche Bedenken bestanden: Die körperschaftsteuerliche Organschaft war zunächst gesetzlich nicht geregelt. Sie war eine Entwicklung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes, der sich der Bundesfinanzhof anschloß29. Der Gesetzgeber wurde erst tätig, als die Rechtsprechung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der richterrechtlichen Organschaft anmeldete 30 und führte durch das Gesetz zur Änderung des KStG vom 15.8. 196931 in § 7 a KStG eine Regelung ein, die der heutigen Regelung in §§ 14ff. KStG weitgehend entspricht. Wie unter diesen Umständen angenommen werden kann, eine der Voraussetzungen der Organschaft, nämlich die zivilrechtlich erforderlichen Abschlußvoraussetzungen des Gewinnabführungsvertrages, habe gewohnheitsrechtlichen Rang, bleibt letztlich unerfindlich. IH. Die Wirksamkeit der Altverträge im GmbH-Recht als Problem intertemporalen Rechts? Wiederum anders argumentiert Knobbe-Keuk, die der Auffassung ist, es habe dem über sechs Jahrzehnte geltenden Rechtszustand entsprochen, nicht die notarielle Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses der Organgesellschaft und die Eintragung im Handelsregister zu verlangen. Mit diesem Rechtszustand habe erst der BGH im Supermarkt - Beschluß gebrochen 32 . Wenn der BGH etwas getan habe, was Sache des Gesetzgebers sei, nämlich im Wege "gesetzesgleich wirkender höchstrichterlicher Rechtsfortbildung" Formvorschriften für einen bestimmten Rechtsgeschäftstyp zu statuieren, so habe er das geltende Recht geändert. Die Behandlung der Altverträge erweise sich "schlicht" (!)33 als ein Problem intertemporalen Rechts. Die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes sei in Ansehung der Form nach dem zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes bestehenden Rechts zu beurteilen. Die Wirksamkeit der Altverträge werde also durch die BGH-Entscheidung nicht berührt 34 . 28 Insoweit zutreffend Kort, S.72; verfehlt aber dessen Apell an den Gesetzgeber a.a.O., S. 73; ebenso aber auch OLG DüsseldorfBB 1991,2105 = GmbHR 1991,526. 29 Zur Geschichte der körperschaftsteuerlichen Organschaft ausführlich Jurkat, Rn. 114 - 140; Hermann / Heuer / Raupach, vor § 14 Rn. 4ff.; Knobbe-Keuk, §20 I, (S. 638f.); Ebenroth, AG 1990, 188, 197. 30 Schreiben vom 4. 4. 1962, BB 1962, 438. 31 BGBL 11969,1182. 32 Knobbe-Keuk, § 2011, (S. 649) im Anschluß an Flurne, DB 1989,665. 33 Hervorhebung vom Verfasser. 34 Ganz ähnlich im Ergebnis auch Strobl, in: Uwe H. Schneider (Hrsg), 65, 73.

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Diese Auffassung ist (ebenso "schlicht") falsch; sie verkennt gründlich, daß der BGH die Formerfordernisse nicht "erfunden" hat, sondern aus bestehenden Vorschriften ableitet. Zu Recht hat Zöllner darauf hingewiesen, daß schon immer die Folgerung gezogen werden mußte, daß ein Organschaftsvertrag ohne Einhaltung der für Satzungsänderungen vorgeschriebenen Vorschriften nicht wirksam abgeschlossen werden konnte 35 • Auch mit § 17 KStG läßt sich die Ansicht von Knobbe-Keuk nicht begründen. Zwar wird von Teilen der Rechtsprechung und Literatur angenommen, die Vorschrift stelle eine abschließende Regelung dar, soweit die Form und Eintragungserfordernisse betroffen sind36 • Dabei wird die steuerrechtliehe Regelung als Beleg für die Ansicht angeführt, auch gesellschaftsrechtlich seien keinerlei Form und Eintragungserfordernisse zu beachten. Argumentiert wird vor allem mit dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung 3? Demgegenüber weist die wohl herrschende Meinung zutreffend darauf hin, daß sich aus den steuerrechtlichen Regelungen nichts für die Frage entnehmen läßt, welche Voraussetzungen für den gesellschaftsrechtlich wirksamen Abschluß eines Unternehmensvertrages gelten38 . Trotz der einheitlichen Gesetzgebungskompetenz wollte der Gesetzgeber mit der Regelung im KStG nicht die gesellschaftsrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen festlegen 39 • Diese These mag auf den ersten Blick verwundern, bei näherer Betrachtung erweist sie sich jedoch als zutreffend. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des Unternehmensvertrages ist nach ganz herrschender Meinung eines der Tatbestandsmerkmale der körperschaftsteuerlichen Organschaft40 • Die in § 17 S. 2 KStG genannten Anforderungen müssen daher neben der zivilrechtlichen Wirksamkeit vorliegen41 • Trotz der einheitlichen Gesetzgebungskompetenz ist der zweckbedingte Unterschied zwischen Steuer und Gesellschaftsrecht zu be achten42 • Daraus läßt sich schließen, daß eine auf dem Gebiet des Steuerrechts Zöllner, DB 1989,913; kritisch auch Weigel, FS Quack, 505, 507. OLG Düsseldorf NJW 1982, 284; OLG Düsseldorf NJW 1987, 3208; OLG Celle WM 1988, 47; Esch, BB 1986,274; Gäbelein, GmbHR 1989, 502, 505; Skibbe, in: Der GmbH-Konzern, 1976, 170, 172; Gutbrod, BB 1980, 288, 290; Kort, S.78f.; 119f.; 129ff.; ders., AG 1988,369,371; in der Tendenz auch Flume, DB 1989, 665. 37 Esch, BB 1986,272,276; Gäbelein, GmbHR 1989, 502, 504f.; Kort, S. 78. 38 BGHZ 105, 324, 339; Timm, GmbHR 1989, 11; Kort, S. 78; Felix I Streck, KStG § 17 Rn.7; Lutter I Hommelhoff, NJW 1988, 1240, 1241; Ulmer, BB 1989, 10, 18; L. Schmidt, GmbHR, 1971, 9; Sonnenschein, Organschaft, S. 359ff.; Emmerich I Sonnenschein, § 25 I, (S.384); Rehbinder, FS Fleck, 253, 257; Blumers I Schmidt, DB 1989, 31; Jurkat, Rn.507 a; Emmerich, AG 1975, 285, 289; Verhoeven, S.85, Rn. 234; Grauer, S.186. 39 Zum Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht siehe auch Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), S. 140ff. 40 Knobbe-Keuk, §20 I (S. 646); Hermann I Heuer I Raupach, KStG, § 14 Rn. 23; Strobl, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 65, 69; Felix I Streck, KStG, § 17 Anm. 7; Weigel, FS Quack, 505. 41 Blumers I Schmidt, DB 1989, 31; dies., GmbHR 1991, 32, 33; Grauer, S.186f. 42 BGHZ 105, 324. 35

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getroffene gesetzliche Regelung auch nur dort mit abschließender Wirkung vorgenommen wurde und für das Gesellschaftsrecht nicht vorgreiflich ist43 . So ist bislang auch noch niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, aus § 8 III 2 KStG auf die zivilrechtliehe Zulässigkeit der verdeckten Gewinnausschüttung zu schließen (was angesichts der §§ 57,58,60 AktG auch falsch wäre)! Für die eigenständige Bedeutung des Steuerrechts spricht insoweit auch, daß der Steuergesetzgeber des Jahres 1969 die Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht nicht vorhersehen konnte und ersichtlich auch nicht regeln wollte. § 17 KStG steht daher einer "Rechtsfortbildung"44 durch den BGH nicht entgegen. IV. Bestandsschutz nach den Grundsätzen von Treu und Glauben? In der älteren Rechtsprechung ist eine Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens deshalb aus anderen Gründen, nämlich zum Teil aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abgeleitet worden, sofern der konkrete Unternehmensvertrag den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen nicht entsprach45 • Das OLG Düsseldorf hat dies damit begründet, daß Treu und Glauben es gebieten, daß sich das herrschende Unternehmen an einem Ergebnisabführungsvertrag festhalten lassen muß, nachdem es dessen Vorteile in Form steuerlicher Vergünstigungen ausgenutzt habe. Das Landgericht Bochum entschied ganz ähnlich. In seinem Urteil vom 1. 7. 198646 und in dem Zwischenurteil vom 20. 5. 198647 war über die Klage einer abhängigen GmbH auf Übernahme des Jahresfehlbetrages zu entscheiden. An sich wäre die Klage nur dann begründet gewesen, wenn ein wirksamer Gewinnabführungsvertrag vorlag. Da die notarielle Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses und die Eintragung im Handelsregister fehlten, hätte das Landgericht zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Ergebnisabführungsvertrages mit einer abhängigen GmbH Stellung nehmen können. Es ließ die zu dem damaligen Zeitpunkt sehr streitige Frage jedoch offen48 und machte Ausführungen lediglich zuden Rechtsfolgen, die sich bei einer möglichen Unwirksamkeit des Vertrages ergeben hätten. Es führte aus, die Parteien hätten den Vertrag übereinstimmend als wirksam angesehen und ihn über Jahre hindurch durch- und ausgeführt. Die jetzige Berufung auf einen Verstoß gegen die Formvorschriften würde daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Ganz BGH a.a.O. In Wahrheit: Besseren Erkenntnis. 45 OLG Düsse\dorf NJW 1982, 284; LG Bochum GmbHR 1987, 23 = EWiR § 13 GmbHG 2/86, 1109 (Priester) = ZIP 1986, 1386 m. Anm. Timm. 46 LG Bochum GmbHR 1987, 24 = AG 1987, 323. 47 LG Bochum GmbHR 1987, 23 = EWiR § 13 GmbHG 2/86,1109 (Priester) = ZIP 1986, 1386 mit Anm. Timm. 48 Vgl. nur Timm, GmbHR 1987, 8ff. 43

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ähnlich will auch Kort49 aus Treu und Glauben und "allgemeinen Vertrauensgesichtspunkten" die Wirksamkeit der Altverträge herleiten. Die Altverträge könnten nicht unwirksam sein, da dem im Innenverhältnis Treuepflichtgesichtspunkte entgegenstünden, im Außenverhältnis Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Öffentlichkeit. Durchgeführte Verträge seien als wirksam anzusehen. Er lehnt zwar eine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft ab, da dem die konstitutive Handels registereintragung entgegenstehe 50 • Man könne die Rechtsfolgen ohne und mit Handelsregistereintragung nicht durch den Kunstgriff der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft gleichstellen51 • In Zukunft, nach einer Übergangszeit, werde man deshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH davon ausgehen müssen, daß eine Berufung auf die Unwirksamkeit eines fehlerhaften, da nicht (nachträglich) eingetragenen Unternehmensvertrages auch ex tune möglich sein müsse 52 • Diese eher pragmatische Lösung stimmt weitgehend mit der steuerlichen Übergangsregelung überein, die von der Finanzverwaltung nach § 163 AO erlassen wurde. Eine vollauf befriedigende Lösung bietet die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben allerdings gleichfalls nicht. Über die Grundsätze von Treu und Glauben läßt sich zwar im Einzelfall ein sachgerechtes Ergebnis erzielen, aber keine dogmatisch befriedigende generelle Lösung für die Rückabwicklung nichtiger Unternehmensverträge53 • Anders gewendet: Die Grundsätze von Treu und Glauben sind zwar durchaus geeignet, sachgerechte Lösungen zu gewährleisten. Dies enthebt trotzdem schon im Interesse der Rechtssicherheit nicht davon, nach einer generellen Regelung zu suchen.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung? I. Erfordernis einer Übergangsregelung

Der Supermarkt-Beschluß wirkte sich faktisch wie eine Gesetzesänderung aus. Zutreffend ist in der Literatur der Ausdruck einer gesetzesgleich wirkenden Rechtsprechung geprägt worden 54 . Die Breitenwirkung des Beschlusses ist nicht geringer, als wenn der Gesetzgeber die neuen Erfordernisse selbst aufgestellt und davon auch die Heilung von Altverträgen abhängig gemacht ZIP 1989, 1309, 1312. Kort, ZIP 1989, 1309, 1312; insoweit ist die Argumentation durchaus zutreffend, siehe oben 2. Teil E. II. 51 Kort, AG 1988, 369, 374. 52 Kort, ZIP 1989, 1309, 1312. 53 Rehbinder, FS Fleck, S. 253,258; Stolzenberger-Wolters, S. 78. 54 Ulmer, BB 1989, 10; Timm, NWB Fach 18, S.3039; Priester, OB 1989, 1013; ebenso, wenn auch in der Sache kritisch Knobbe-Keuk, § 20 II 3 c (S. 575). 49

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B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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hätte. Dies zeigt schon die Praxis der Aktiengesellschaften seit Veröffentlichung des Beschlusses55 • Vor der Entscheidung hatte sich die Praxis in größerem Umfang allenfalls vereinzelt ab dem Zeitpunkt umgestellt, als die in der Folge vom BGH bestätigte Auffassung Eingang in die Formularbücher fand 56 • Formal betrachtet bindet die Entscheidung des BGH die Instanzgerichte nicht. Immerhin besteht aber eine Vorlagepflicht nach § 28 11 FGG. Will ein OLG dem BGH - etwa bei der Frage der Eintragungsbedürftigkeit nicht folgen - muß es seine "abweichende Ansicht" vorlegen 57 . Diese Vorlageverpflichtung wird dazu führen, daß der BGH in einem erneuten Beschluß seine Ansicht bestätigen kann. Wenn auch in der Literatur vereinzelt ein derartiger erneuter Vorlagebeschluß herbeigesehnt wurde 58 , ist angesichts der überzeugenden Begründung des SupermarktBeschlusses nicht damit zu rechnen, daß der 11. Senat seine Ansicht ändern wird. Bei der Neuregelung durch den Gesetzgeber wäre es für diesen wohl selbstverständlich und auch verfassungsrechtlich geboten gewesen, eine Übergangsregelung zu schaffen59 . Der Gesetzgeber ist bei einer Gesetzesänderung verpflichtet, in Abwägung zwischen dem Vertrauen des Betroffenen und der Bedeutung des Anliegens des Gesetzgebers für das Wohl der Allgemeinheit sowie der Schwere des Eingriffs Übergangsregelungen zu schaffen, die dem berechtigten Vertrauen des Betroffenen angemessen Rechnung tragen60 • Im Ergebnis hat der BGH - ähnlich einem Gesetzgeber - konkret das Beurkundungs- und Eintragungsverfahren für GmbH-rechtliche Unternehmensverträge normiert 61 • Dies jedoch ist eigentlich nicht Aufgabe der Rechtsprechung. Er hat deshalb auch - zwar weit überzogene und verbal mißglückte scharfe Kritik einstecken müssen, da es Sache positivistischer Rechtssätze sei und damit in die Zuständigkeit des Gesetzgebers falle, ein Rechtsgeschäft von der Beurkundung oder Eintragung abhängig zu machen62 • 55 Ulmer, GmbHR 1990, 429, 433, der jedoch irrtümlich vom Supermarkt-"Urteil" spricht. 56 Vgl. den Hinweis von Kort, S. 72 Fn. 18; zur Bedeutung der Kautelarjurisprudenz für die Entwicklung des Gesellschaftsrechts siehe auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 1 IV2, S. 78ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §2I3, S.25f.; Rehbinder, FS Stimpel, 47ff.; Westermann, AcP 175 (1975), 375. 57 Siehe den jüngst veröffentlichten Vorlagebeschluß des OLG Düsseldorf, BB 1991, 2105. 58 Flurne, DB 1989,656,668. 59 Zutreffend Timm, GmbHR 1989,11,17; vgl. Art. 12 § 7 GmbH-ÄndG i.d.F. des BiRiLiG (BGBI I 1985, 2355); Art. 12 § 1 GmbH-ÄndG; sowie für Unternehmensverträge § 22 EG AktG. 60 BVerfGE 71, 255, 273. 61 So Timm, GmbHR 1989,11,13. 62 Flurne, DB 1989, 665, 668; kritisch auch Gäbelein, GmbHR 1989, 502, 509; ebenso nunmehr OLG Düsseldorf BB 1991,2105,2106; so auch bereits in der Sache Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut I Müller I Niehus, § 53 Rn. 10.

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

Hier liegt die entscheidende Weichenstellung: Zu fragen ist, ob nicht zumindest in den Fällen, in denen die Rechtsprechung als Quasi-Gesetzgeber auftritt, sie auch wie ein Gesetzgeber Übergangsregelungen schaffen muß63. In der Literatur finden sich zu einer derartigen Neuregelung durch die Rechtsprechung nur wenige Aussagen. Das Problem des Vertrauensschutzes wird zumeist unter dem Stichwort einer "rückwirkenden Rechtsprechungsänderung" behandelt64 . Diese Grundsätze können hier indes nicht unmittelbar angewandt werden: Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt nicht vor. Bei dem Supermarkt-Beschluß handelt es sich um die erste höchstrichterliche Entscheidung, die zu den Abschlußvoraussetzungen eines GmbH-rechtlichen Unternehmensvertrages Stellung nimmt. Allerdings gab es entgegengesetzte Urteile der Instanzgerichte65 . Eine der Auffassung des Bundesgerichtshofes entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung existierte allenfalls im Steuerrecht66 . Nur insofern könnte von einer "Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung" gesprochen werden. Diesem Befund kann jedoch keine zu große Bedeutung beigemessen werden, da das Steuerrecht für die Entscheidung zivilrechtlicher Fragen nicht ausschlaggebend ist 67 . Für die Frage des Vertrauensschutzes macht es aber keinen Unterschied, ob eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung geändert wird oder ob ein gesetzlich nicht geregelter Bereich erstmals durch ein höchstrichterliches Urteil abweichend von einer weit verbreiteten Praxis "geregelt" wird 68 .

63 Hanau / Preis, DB 1991, 1276, 1281; Loritz, ZfA 1989, 1,35; Robbers, JZ 1988, 481, 489; siehe vor allem auch BAG DB 1991, 915; zurückhaltend Seidl, ZGR 1988, 296,302f. 64 Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, passim; Buchner, GS Dietz, 176ff.; Köhler, JR 1984, 45; Olzen, JZ 1985,161; Robbers, JZ 1988, 481; Veelken, AcP 185 (1985) 46, 62ff.; Rehbinder, FS Stimpel, 47, 66f.; Staudinger-Coing, Einl. Rn. 220ff.; Lerche / Pestalozza, Beilage 14 zu Heft 28 des BB 1986, Hf., alle m.w.N.; siehe auch Seidl, ZGR 1988, 296ff. und Wank ZGR 1988, 314ff.; aus jüngster Zeit: Hanau / Preis, DB 1991, 1276ff. 65 Vgl. nur OLG Düsseldorf NJW 82, 284 = BB 1981, 1482 m. Anm. Timm, S. 1491; OLG Celle WM 1988,47; OLG Düsseldorf NJW 1987,3208. 66 Ständige Rechtsprechung des BFH, siehe DB 1955, 928; BFH DB 1989, 2004; Finanzgericht Münster, EFG 1988, 310; anders aber bereits FG Rheinland Pfalz EFG 1986,255; dazu bereits oben 3. Teil A. 11. 67 Vgl. oben 3. Teil A. III. 68 So auch Hanau / Preis, DB 1991, 1276, 1281, die zu Recht annehmen, die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung sei lediglich eine bessere Rechtserkenntnis, nicht aber eine Rechtsänderung. Von diesem Prinzip sei aber eine Einschränkung dort zu machen, wo die Rechtsprechung gesetzesvertretendes Richterrecht setze.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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Folgt man der oben entwickelten Lösung 69 , so tritt entgegen Ulmer70 eine wesentliche Entschärfung des Problems durch die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft gerade nicht ein71 • Soll den Altverträgen wirklich Bestandsschutz gewährt werden, muß daher eine andere Lösung gefunden werden. Insofern kann im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Interessenlage als "Analogievoraussetzung" auf die Abwägungen zurückgegriffen werden, die für eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gelten. Ist bereits bei einer Rechtsprechungsänderung Bestandsschutz zu gewähren, gilt dies erst recht bei einer "Neuregelung"72. Selbst wenn nicht davon ausgegangen werden kann, daß sich die Rechtsprechung geändert hat, sind ähnliche Grundsätze wie bei einer derartigen Änderung anzuwenden. Das Erfordernis der Gewährung eines Vertrauensschutzes ist nicht geringer, wenn ein Gericht sich als Quasi-Gesetzgeber betätigt. Es können daher die Erwägungen zu den Grenzen einer Rechtsprechungsänderung auch für die hier vorliegende Fallkonstellation fruchtbar gemacht werden. 11. Grenzen einer Rechtsprechungsänderung

Die Rechtsprechung schafft kein neues Recht, wenn sie bei unveränderter Gesetzeslage gleichliegende Sachverhalte in geänderter Weise beurteilt. Sie geht vielmehr regelmäßig davon aus, daß sie die Rechtslage lediglich klarer als bisher erkennt. Der Richter ist an eine einmal feststehende Rechtsprechung nicht gebunden, sofern sich diese aufgrund neuerer Erkenntnisse oder veränderter Umstände als nicht mehr haltbar erweist73 • Auch bei der Änderung einer gefestigten Rechtsprechung kann aber ein schutzwürdiges Vertrauen gegeben sein. Sofern ein derartiges schutzwürdiges Vertrauen in Frage kommt, muß die Rechtsprechung diesem gebotenen Vertrauensschutz durch eine Sonderbehandlung von Übergangsfällen Rechnung tragen74 • Ein eigenes "Rechtsinstitut" richterlicher Übergangsregelungen gibt es nach zutreffender Ansicht allerdings nicht7s. Richterliches Übergangsrecht muß stets an den Einzelfall gebunden bleiben. Dies enthebt aber nicht davon, 2. Teil D. und E. Ulmer, BB 1989, 10, 11. 71 Siehe oben 2. Teil E. II. 72 Hanau / Preis, DB 1991, 1276, 1281. 73 BVerfGE 18, 224ff.; 59, 128, 165; siehe die gleichartige Argumentation bei Zöllner, DB 1989, 913, 914 im Hinblick auf den Supermarkt-Beschluß. 74 Seidl, ZGR 1988, 296, 31Of. 75 Robbers, JZ 1988, 481, 489. 69

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

Grundsätze aufzustellen, die einer Vielzahl von Fällen gerecht werden, wenn sich die Frage nach einer derartigen Übergangsregelung so dringlich stellt wie nach "Erlaß" des Supermarkt-Beschlusses. Das Bundesverfassungsgericht hat offengelassen, inwieweit durch das Rechtsstaatsprinzip das Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtsprechung geschützt wird 76 . In jüngerer Zeit läßt sich in dessen Rechtsprechung eine deutliche Tendenz zur Einschränkung der Befugnis zur Rechtsfortbildung feststellen. So hat auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, daß der richterlichen Rechtsfortbildung durch das Rechtsstaatsprinzip Grenzen gesetzt werden 77 • Dabei sind für den Richter - ebenso wie für den Gesetzgeber - die im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsätze des Vertrauensschutzes von Bedeutung78 . Dies kann dazu führen, Neufälle 79 anders zu behandeln als Altfälle. Der BGH bejaht die prinzipielle Möglichkeit, die Rückwirkung einer Rechtsprechungsänderung mit der Rückwirkung von Gesetzen zu vergleichen8o . Voraussetzung soll allerdings sein, daß eine solche Analogie geboten ist, was namentlich dann der Fall sein soll "wenn der Wandel der Rechtsprechung auf einer nachträglich eingetretenen V ~ränderung der zugrunde liegenden Verhältnisse beruht und in seiner faktischen Bedeutung einer Gesetzesänderung gleichkommt und wenn ferner Gründe der materiellen Gerechtigkeit oder der Rechtssicherheit einer belastenden oder rechtsvernichtenden Rückwirkung entgegenstehen"81. Gegen die Anwendung der Grundsätze zur Rückwirkung von Gesetzen auch auf den Fall einer "rückwirkenden Rechtsprechungsänderung" spricht jedoch, daß die Grundsätze des Vertrauensschutzes bei der Rückwirkung von Gesetzen für das zweipolige Staat-Bürger-Verhältnis entwickelt wurden. Bei einer "rückwirkenden Rechtsprechungsänderung" steht der Bürger aber nicht nur dem Staat (in Form des Gerichts), sondern auch seinem Prozeßgegner gegenüber, dessen Interessen gleichfalls berücksichtigt werden müssen 82 . Diese Bedenken kommen indes hier schon deshalb nicht zum tragen, da der BGH-Beschluß im Rahmen eines Eintragungsverfahrens nach dem FGG ergangen ist, wo kein Prozeßgegner vorhanden war. Einen weitergehenden Vertrauensschutz gewährt das Bundesarbeitsgericht. Es hat in mehreren Entscheidungen betont, daß ein Gericht zwar grundsätzBVerfG NJW 1984, 2345. BVerfGE 71,129,152. 78 BVerfG, a.a.O. 79 Diesen Begriff gebraucht auch das Bundesverfassungsgericht, a.a.O., S. 159; siehe auch BGH ZIP 1992, 29, 32. 80 BGHZ 52,365,370. 81 BGHZ 52, 365, 369. 82 Götz, Festgabe BVerfG, 421, 450f.; Rehbinder, FS Stimpel, 47, 66. 76 77

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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lieh von einer früheren Ansicht abweichen kann. Zu beachten sei aber, daß sich die Rechtspraxis auf das Fortbestehen einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung einstelle. Ein oberstes Bundesgericht solle daher von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht abweichen, wenn sowohl für die eine wie für die andere Ansicht gute Gründe sprechen83 • Das BAG ist der Auffassung, der Auslegung älterer Gesetzesbestimmungen, die im Laufe der Zeit durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeformt worden sei, komme eine besondere Bedeutung zu. Die Rechtswerte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes träten in den Vordergrund und verlangten im allgemeinen ein Festhalten an der einmal eingeschlagenen Rechtsentwicklung. Ein Abgehen von der Kontinuität der Rechtsprechung könne nur hingenommen werden, wenn deutlich überwiegende oder gar zwingende Gründe dafür sprächen84 • Das BAG will sogar dann, wenn zwingende Gründe dazu führen, die Rechtsprechung zu ändern, die neue Auffassung in dem konkret zu entscheidenden Fall noch nicht anwenden. Der "Praxis des Arbeitslebens" müsse Gelegenheit gegeben werden, sich auf die "nunmehr vom Senat entwickelten Grundsätze" einzustellen85 . Noch deutlicher kommt dieser Gedanke in der Entscheidung des BAG vom 20.11. 199086 zum Tragen. In dieser Entscheidung hat das BAG ausgeführt, daß sich Personen im Privatrechtsverkehr hinsichtlich solcher Rechtsfragen, die der Gesetzgeber nicht eindeutig geregelt hat, auf eine jahrzehntelange und gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, auf sogenanntes Richterrecht berufen könnten. Erweise sich im nachhinein diese Rechtsprechung als unzutreffend, so stelle sich die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang diejenigen zu schützen seien, die im Vertrauen auf die Geltung der Rechtsprechung in der Vergangenheit Rechtshandlungen und wirtschaftliche Dispositionen getroffen hätten, die gemessen an der neuen Erkenntnis rechtsfehlerhaft und damit unwirksam seien87 • Dieses Richterrecht zieht nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts der Anwendung neuer Erkenntnisse auf bereits abgewickelte Sachverhalte enge Grenzen88 • Die Literatur steht derartigen Übergangsregelungen demgegenüber zumeist kritisch gegenüber. Zu Recht wird die Ansicht abgelehnt, die Rechtsprechung müsse eine Änderung zunächst ankündigen, im konkreten Fall aber noch 83

BAGE 12, 278

=

AP-§l ArbKrankhG Nr. 35; BAG AP § 76 BetrVG Nr. 13; BAG

NJW 1984, 2374, 2376. 84 BAG NJW 1984, 2376; in Übereinstimmung mit dem BGH: BGHZ 85, 64; 87,

150,155; ähnlich auch Larenz, Methodenlehre, S. 417; Bydlinski, S. 501ff. 85 BAG NJW 1984, 2376; in dieser Entscheidung hatte das BAG seine bis dahin geltende Rechtsprechung aufgegeben, nach der der Arbeitgeber den Betriebsrat nur auf dessen Verlangen bei der betriebsbedingten Kündigung die Gründe mitzuteilen habe, die zu der sozialen Auswahl geführt haben. 86 BAG DB 1991, 915. 87 BAG DB 1991,915,917. 88 BAG, a.a.O. 7 Lauber-Nöll

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

unberücksichtigt lassen 89 • Dies ist schon deshalb nicht der richtige Weg, weil die Gerichte entgegen ihrer Überzeugung falsch entscheiden müßten. Es stehen für den Bereich des Zivilrechts zahlreiche einfach - rechtliche Instrumente zur Verfügung, mit denen die Interessen der Betroffenen gewahrt werden können. Zu nennen sind etwa Rechtsinstitute wie Treu und Glauben, die unzulässige Rechtsausübung, die Verwirkung oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage 9o • Ähnlich haben für den Bereich der Unternehmensverträge das Landgericht Bochum und das OLG Düsseldorf9 1 entschieden. Kurz gesagt ist im Zivilrecht die Frage nach einem Verbot rückwirkender Rechtsprechung im allgemeinen nicht so dringlich, da geeignete Regelungen und Institute zur Verfügung stehen, um im Einzelfall zu einer gerechten Entscheidung zu kommen. Zu diesen "Instituten" ist für den hier zu betrachtenden Bereich auch die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu rechnen. Ungeachtet aller Unterschiede in den Details wird somit von weiten Teilen der Rechtsprechung und in der Literatur bei einer Rechtsprechungsänderung Vertrauensschutz gewährt. Fordert man aber schon bei einer Änderung der Rechtsprechung Übergangsregelungen - wenn auch in ein zivilrechtliches Gewand gekleidet - muß dies erst Recht in Fällen gelten, in denen die Rechtsprechung als Quasi-Gesetzgeber auftritt92 • In die Richtung einer richterlichen Übergangsregelung geht wohl auch der Vorschlag von Timm93 , der die bereits oben94 dargestellten Grundsätze aus BGHZ 65,190 auf die Altverträge anwenden will und so einen Bestandsschutz auch für die Zukunft erreicht. III. Beispiele richterlicher Übergangsregelungen

Der Sache nach hat der BGH auch bereits in anderen Fällen durchaus richterliche Übergangsregelungen geschaffen, diese aber mit gängigen zivilrechtlichen Rechtsinstituten begründet: Anführen läßt sich etwa die Entscheidung 89 Für eine solche Ankündigung einer Rechtsprechungänderung etwa Knittel, S.50ff.; Fikentscher, S.709ff.; Hesselberger, FS Kellermann, S.153, 163; aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis ist das sogenannte prospective overruling bekannt, dazu ausführlich Knittel, a.a.O., dagegen etwa Larenz, Methodenlehre, S.417; Bydlinski, S.509; außerdem kann man sogar davon ausgehen, daß diesen Anforderungen hier genüge getan wäre, da der BGH schon in der "Familienheim-Entscheidung" (BGHZ 103, 1) deutliche Hinweise auf seine Rechtsansicht gegeben hat. 90 Robbers, JZ 1988, 481, 482; Olzen, JZ 1985,155, 161ff.; Götz, Festgabe BverfG 421,451; Rehbinder, FS Stimpel, 47,66. 91 OLG Düsseldorf NJW 82, 284; LG Bochum GmbHR 1987, 24. 92 Ebenso Hanau / Preis, DB 1991, 1276, 1281; Loritz, ZfA, 1989, 1,35. 93 GmbHR 1989, 11, 17. 94 1. Teil B. III. 3. ~).

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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des BGH vom 18.3.197495 • Dort hatte der BGH den Fall zu entscheiden, daß ein einzelkaufmännisches Unternehmen in eine GmbH & Co. KG umgewandelt wurde. Die bisherige Firma, die schlicht aus dem Namen des ehemaligen Inhabers bestand, wurde von der GmbH & Co. KG unverändert, d. h. ohne einen GmbH & Co.-Zusatz übernommen und im Handelsregister eingetragen. Der ehemalige Inhaber, der nunmehr als Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH fungierte, wurde aus Rechtsscheinhaftung in Anspruch genommen, da er unter dem bloßen Namen ohne Hinweis auf das Vorhandensein einer GmbH & Co. KG tätig geworden war. Der BGH bejahte die Notwendigkeit einen GmbH & Co.-Firmenzusatz zu verwenden. Eine Rechtsscheinhaftung lehnt er aber gleichwohl ab. Ein Rechtsschein habe nicht erzeugt werden können. Die Verpflichtung, die Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG in der Firma zu verlautbaren sei nicht ohne weiteres ersichtlich. Sie habe sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern nur aus einer entsprechenden Gesetzesanwendung ergeben und sei insbesondere von der Rechtspraxis nicht allgemein anerkannt. Überwiegend sei in der Literatur, insbesondere in den gängigen Erläuterungsbüchern, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und - jedenfalls zum Teil - auch von den Registergerichten, die Auffassung vertreten worden, die abgeleitete Firma einer GmbH & Co. sei ohne den Zusatz zulässig. Bei dieser Sachlage habe niemand davon ausgehen können, die Verpflichtung werde als solche erkannt und im Rechtsverkehr beachtet96 • Diese Lage entspricht weitgehend der, wie sie sich vor dem Erlaß des Supermarkt-Beschlusses im GmbH-Konzernrecht darstellte. Zwar forderte die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur eine entsprechende Anwendung der für Satzungs änderung geltenden Vorschriften 97 , die Ansicht war aber keineswegs unbestritten 98 • Die Rechtspraxis ging davon aus, daß die Unternehmensverträge, die den steuerlichen Anforderungen genügten, auch zivilrecht lieh wirksam seien. Die Registergerichte lehnten zum Teil sogar bis 95 BGHZ 62, 216; vgl. bereits den Hinweis auf diese Entscheidung bei Ulmer, BB 1989, 10, 11 Fn. 10; gegen die Vergleichbarkeit zu Unrecht Wilken / Wittkowski ZIP 1991,314. 96 BGHZ 62, 216, 228. 97 Timm, BB 1981, 1491; ders., GmbHR 1987, 8; Lutter / Hommelhoff, NJW 1988, 1240; Kleindiek, ZIP 1988, 613; Lutter, ZGR-Sonderheft 6,192, 195ff.; Fischer / Lutter / Hommelhoff, (12.Aufl) GmbHG, Anh. § 13 Rn. 26ff.; Scholz / Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rn.232; 290ff.; Rowedder / Koppensteiner, 1. Aufl., § 52 Rn.40ff.; Hachenburg / Ulmer, (7. Aufl.) § 53 Rn. 130ff.; Baumbach / Hueck / Zöllner, GmbHG, Konzernrecht, Rn. 16ff.; Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 158; Uwe H. Schneider, WM 1986, 192, 195ff.; Fleck, ZGR 1988, 104, 134; Winter, S. 199; Ballerstedt, DB 1956, 837, 839; Schwarz, S.62; HönIe, DB 1979, 489, 488; Verhoeven, GmbH-Konzenrecht, Rn. 236. 98 a. A. z. B. Esch, BB 1986, 272; OLG Düsseldorf NJW 1982, 284; Kort, S.127; ders., AG 1988, 369; Emmerich / Sonnenschein, (2. Aufl.) , S. 246; Hachenburg / Barz, Anh. II zu § 13 Rn. 35, 38; SchoIz-Emmerich, Rn. 170, 220 (6. A.); Meyer-Landrut / Miller / Niehus, § 53 Rn. 10.

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

ins Jahr 1988 hinein (also bis kurz vor dem BGH-Beschluß) eine Eintragung ab 99 . Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, anders als bei der Rechtsprechung zum GmbH & Co. Firmenzusatz sei kein Vertrauensschutz erforderlich. So wird in der Tat vertreten, daß wegen des zweckbedingten Unterschiedes zwischen Zivil- und Steuerrecht § 17 KStG nicht als Vertrauensgrundlage herangezogen werden könne. Angesichts der Zahl und der Bedeutung der Autoren, welche sich schon früh für die im Supermarkt-Beschluß festgestellte Eintragungspflicht ausgesprochen hätten, habe sich die Praxis rechtzeitig auf diese Ansicht umstellen können 100 Die "Bedeutung der Autoren" ist jedoch keine maßgebliche Handlungsanweisung. Aus dem zweckbedingten Unterschied zwischen Zivil- und Steuerrecht läßt sich für die Frage des Vertrauensschutzes gleichfalls nichts ableiten. Aus diesem Grund verneint auch das OLG Koblenz 101 zu Recht eine Haftung des herrschenden Unternehmens wegen schuldhaften Unterlassens der Publizierung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages und dessen Beendigung im Handelsregister. Eine Haftung komme für GmbHUnternehmensverträge, die vor der Entscheidung des BGH abgeschlossen wurden, nicht in Betracht. Andernfalls würde in derg bisherigen, am Wortlaut des Gesetzes (seil: § 17 KStG) orientierten Praxis rückwirkend eine Pflichtverletzung gesehen, obwohl das Gesetz die Veröffentlichung eines GmbH-Vertragskonzerns nicht vorschreibe. Dies erscheine auch deshalb nicht sachgerecht, weil die Ausgestaltung des gesetzlich nicht geregelten GmbH-Konzernrechts letztlich auf einer ständigen Fortentwicklung durch die Rechtsprechung des BGH beruhe. Das bedeute infolge dieser Besonderheit zugleich aber auch, daß in erster Linie Orientierung für die Zukunft gegeben werden solle bzw. müsse 102. Der BGH hat in der Familienheim-Entscheidung die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf Unternehmensverträge angewandt, ohne nach dem Grund der Unwirksamkeit zu differenzieren. Die zu Recht dagegen gerichtete Kritik hat deutlich gemacht, daß die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, so wie sie aus dem Personengesellschaftsrecht bekannt ist, nicht in allen Fällen zur Begründung der Wirksamkeit von Altverträgen geeignet ist. Wenn der 99 OLG Celle WM 1988, 47 = EWiR § 54 GmbHG 1188,165 (Priester); OLG Düsseldorf NJW 1987, 3208 = EWiR § 54 GmbHG 1187, 1213 (Ehlke) = WuB 11 C. § 54 GmbHG 1.88 (Schneider); sogar heute noch OLG Düsseldorf BB 1991,2105. 100 Wilken / Wittkowski, ZIP 1991, 312, 314. 101 OLG Kob1enz DB 1991, 155, 157 = ZIP 1991, 308 = EWiR § 303 AktG 1191, 219 (Hirte) = WM 1991, 227 = WuB 11 C. §54 GmbHG 1.91 Soehring; kritisch zu dem Urteil Wilken I Wittkowski, ZIP 1991, 312ff.; inzwischen wurde das Urteil insoweit bestätigt von BGH ZIP 1992, 29, 32. 102 Hervorhebung vom Verfasser.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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BGH gleichwohl allen Unternehmensverträgen, die zwar steuerlichen, nicht aber den "neuen" gesellschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen, die Wirksamkeit für die Vergangenheit nicht versagen will, liegt die Annahme nahe, daß der BGH trotz der nicht für alle Fälle passenden Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft die generelle Wirksamkeit der Altverträge für die Vergangenheit postulieren wollte. Diese Rechtsfolge hat er aber nicht mit Überlegungen zur Rückwirkung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern mit der "fehlerhaften Gesellschaft" begründet. IV. Erfordernis einer generellen Lösung für das GmbH·Konzernrecht

Die richtige Lösung kann nach alledem nur in einer generellen Regelung liegen. Dies gebietet schon die Rechtssicherheit. Die Entscheidungen des LG Bochum und des OLG Düsseidorf103 wurden eben nicht so sehr wegen des Ergebnisses kritisiert, sondern deshalb, weil die Grundsätze von Treu und Glauben keine für eine Vielzahl von Fällen angemessene Regelung bereithalten. Als angemessene Lösung für die Gewährung eines Bestandsschutzes für die meisten der zahlreichen Altverträge bietet sich vor allem eine Analogie zu anderen gesetzlichen Übergangsregelungen an. Die Lage im GmbH-Konzernrecht nach dem Supermarkt-Beschluß ähnelt der Lage, die beim Inkrafttreten des AktG 1965 entstanden war. Unternehmensverträge, insbesondere Organschaftsverträge, waren in großer Zahl auch schon vor dem Inkrafttreten des AktG 1965 abgeschlossen worden. Der Gesetzgeber sah sich daher vor die Frage gestellt, was mit den "alten" Verträgen geschehen sollte, und hat in § 22 EG AktG eine Übergangsregelung für Altverträge geschaffen. Einer entsprechenden Anwendung des Gedankens des § 22 EG AktG auf die Altverträge, die infolge des Supermarkt-Beschlusses unwirksam sind, scheint zunächst aber entgegenzustehen, daß sich im Gegensatz zur Einführung des AktG im Jahre 1965 das GmbH-Konzernrecht nicht verändert hat. Die Vorschriften des GmbH-Gesetzes blieben unverändert. Gleichwohl ist aber faktisch von einer Rechtsänderung auszugehen 104 . Bei dem SupermarktBeschluß handelt es sich nicht einfach um die Anwendung geltenden Rechts, 103 OLG Düsseldorf NJW 1982, 284 = BB 1981, 1482 = AG 1982,27; LG Bochum GmbHR 1987, 23 = EWiR § 13 GmbHG 2/86,1109 (Priester) = ZIP 1986, 1386 m. Anm. Timm, sowie LG Bochum GmbHR 1987, 24; dazu oben 3. Teil A. IV. 104 Siehe nur Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 37, 39: "Mit seinem Supermarkt-Beschluß vom 24. 10. 1988 hat der Bundesgerichtshof in bezug auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen an den Abschluß von Unternehmensverträgen im GmbH-Recht jedenfalls für die Rechtspraxis ein gesetzesähnlich wirkendes Datum gesetzt. "

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

sondern um richterliche RechtsfortbildunglOS . Dies wird schon daran deutlich, daß die Vorschriften über die Satzungsänderung nur entsprechende Anwendung finden. V. Voraussetzungen für eine Analogie zu gesetzlichen Übergangsvorschriften

1. Regelungslücke Erste Voraussetzung einer Analogie ist eine Regelungslücke. Diese Regelungslücke ist in diesem Zusammenhang zunächst einmal darin begründet, daß das gesamte GmbH-Konzernrecht nicht gesetzlich geregelt ist. Es gibt daher keine entgegenstehenden gesetzlichen Vorschriften. Die Rechtsprechung vermag zwar im Einzelfall Härten und Ungerechtigkeiten beim Übergang auf das neue Richterrecht zu vermeiden. Eine generelle Lösung läßt sich daraus jedoch nicht entwickeln. Gerade weil die Rechtsprechung das GmbH-Konzernrecht fortentwickelt, ergeben sich im Vergleich zur Neuregelung durch den Gesetzgeber insofern Schwierigkeiten, da kein ergänzendes Übergangsrecht vorhanden ist. Dies wird auch in der Rechtsprechung so gesehen 106 . Da die Ausgestaltung des GmbH-Konzernrechts auf einer Fortentwicklung durch die Rechtsprechung des BGH beruht, bedeutet dies aber auch, daß in erster Linie Orientierung für die Zukunft gegeben werden soll bzw. mußI07. Der Appell an den Gesetzgeber hilft nicht weiter, da nicht damit gerechnet werden kann, daß das GmbH-Konzernrecht in näherer Zukunft geregelt wird 108 • 2. Der Regelungsgehalt des § 22 EG AktG §22 EG AktG ordnet die Geltung der Vorschriften der §§295 - 303, 307310 sowie § 316 des AktG 1965 auf die Altverträge an. Daraus läßt sich als allgemeine Aussage entnehmen, daß die alten Unternehmensverträge durch die Einführung des AktG 1965 nicht unwirksam geworden sind. Die Anwendung der oben genannten Vorschriften auf unwirksame Verträge hätte keinen Sinn 109 .

Andererseits wird durch die Vorschrift auch keine Heilung von vor dem

1. 1. 1966 abgeschlossenen Unternehmensverträgen bewirkt. Dies wird zwar 105 Siehe nur Ulmer, BB 1989, 10: "gesetzesgleich wirkende höchstrichterliche Rechtsfortbildung"; Timm, GmbHR 1989,11,17 zur Begründung der Unterscheidung zwischen Alt- und Neuverträgen; a.A. Wilken I Wittkowski, ZIP 1991, 314. 106 Siehe OLG Koblenz DB 1991, 155, 157 = ZIP 1991, 308. 107 Zutreffend OLG Kob1enz a.a.O. 108 Zutreffend Drygala, S.75, der zu Recht darauf hinweist, daß eine gesetzliche Regelung frühestens im Rahmen einer Vereinheitlichung des Konzernrechts in der EG erfolgen wird. 109 Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. §291 Rn. 74.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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vereinzelt angenommen llO . § 19 des Regierungsentwurfs, der eine derartige Heilung vorsah, wurde in den Beratungen gestrichen ll1 . Nach überwiegender und zutreffender Ansicht hängt daher die Wirksamkeit der Altverträge von der Rechtslage nach dem Aktiengesetz 1937 ab 112 • Obwohl sich die Wirksamkeit nach altem Recht richtet, waren die Verträge nach § 22 II EG AktG unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, wovon deren zukünftige Wirksamkeit abhängen sollte 113 •

3. Vergleichbarkeit der Interessenlage Der Gedanke, der der Übergangsvorschrift des § 22 EG AktG zugrunde liegt, läßt sich wegen der fast identischen Interessenlage durchaus auf das GmbH-Konzernrecht übertragen. Im Ergebnis bedeutet dies, daß sich die Wirksamkeit der Altverträge nach "altem Recht" richtet, während für Neuverträge die formellen Anforderungen des Supermarkt-Beschlusses eingehalten werden müssen. Da sich der Supermarkt-Beschluß faktisch wie eine Gesetzesänderung auswirkt, rechtfertigt dies, den Gedanken des § 22 EG AktG auch im GmbH-Konzernrecht anzuwenden.

4. Rechts/algen Neuverträge können nur unter Einhaltung der im Supermarkt-Beschluß festgelegten Anforderungen abgeschlossen werden. Eine Anerkennung nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft scheidet aus. Dort wo die steuerrechtlichen Vorschriften eingehalten worden sind, kann für die Vergangenheit von der Wirksamkeit der Altverträge ausgegangen werden. Soll der Vertrag auch für die Zukunft Bestand haben, müssen die Altverträge allerdings an die neue Rechtslage angepaßt werden. Es ist daher insbesondere eine Handelsregistereintragung erforderlich. Ob sich allerdings eine nach § 14 HGB erzwingbare Anmeldepflicht im Wege der Analogie begründen läßt erscheint zwar fraglich; der Geschäftsführer ist indes schon aufgrund des Zustimmungsbeschlusses (der auch nach § 17 KStG erforderlich ist) der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, den Vertrag eintragen zu lassen 1l4 . Schilling, BB 1965, 1428, 1429. Vgl. den AusschuBbericht zu § 22 EG AktG, abgedruckt bei Kropff, S. 535/536. 112 Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. §291 Rn. 74; Kölner KommentarZöllner (1. Aufl.), § 22 EG AktG Rn. 5; GeBier, in: Geßler / Hefermehl, § 291 Rn. 101; Emmerich / Sonnenschein, § 111 (S. 7). 113 Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 77; Geßler, in: GeBier / Hefermehl, § 291 Rn. 104; Godin / Wilhelmi, Vorb. §§ 291 - 328 Anm. 15; a. A. Baumbach / Hueck, AktG, SchluBanhang I § 22 EG AktG Rn. 4; Würdinger, in: GroBkommentar zum AktG, § 22 EG AktG Anm. 4. 110 111

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

Außerdem ist zu berücksichtigen, daß eine Anmeldepflicht zwar bei einer konstitutiven Handelsregisteranmeldung nicht gegeben ist, die Altverträge aber für die Vergangenheit auch ohne eine Handelsregistereintragung als wirksam behandelt werden. Die Anmeldung ist daher nur für die Zukunft konstitutiv. Fehlt es dem Zustimmungsbeschluß lediglich an der notariellen Beurkundung wird ein derartiger Mangel durch die Handelsregistereintragung nach § 242 AktG geheilt. Auch nach der bisherigen Praxis waren nur solche Unternehmensverträge wirksam, denen die Gesellschafterversammlung mit 314-Mehrheit zugestimmt hatte. Im Ergebnis sind daher alle diejenigen Unternehmensverträge wirksam, denen es lediglich an den formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung sowie am Zustimmungsbeschluß der Gesellschafterversammlung des herrschenden Unternehmens fehlt. Gerade diesen Verträgen soll auch nach der bisher herrschenden Meinung Bestandsschutz über die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft gewährt werden. Durch die Anwendung des Gedankens des § 22 EG AktG läßt sich widerspruchsfrei erklären, warum man bei den sogenannten Altverträgen auf die Einhaltung der Formvorschriften verzichten kann, während bei Neuverträgen deren Einhaltung erforderlich ist. Im Ergebnis - nicht aber der Begründung entspricht die Anwendung des Gedankens einer Übergangsvorschrift weitgehend der von Knobbe-Keuk vertretenen Lösung 115 • Entgegen der Ansicht von Knobbe-Keuk bedeutet die Gewährung eines Bestandsschutzes für die Altverträge aber nicht, daß diese dem geltenden Recht entsprochen haben, während der BGH das Recht geändert habe. Lediglich Gründe des Vertrauensschutzes rechtfertigen es, den Altverträgen dort Bestandsschutz zu verleihen, wo kein Gesellschafter widersprochen hat. Die Altverträge sind binnen angemessener Frist an die neue Rechtslage anzupassen. Die Zustimmungsbeschlüsse sind nachzuholen und' eine Handelsregistereintragung ist für die zukünftige Anerkennung erforderlich. Als angemessene Frist kann die von der Finanzverwaltung vorgegebene Frist 116 angenommen werden. Bis Ende 1992 müssen die Altverträge an die neue Rechtslage angepaßt werden. Die Praxis wird diesen Weg ohnehin einschlagen, sofern eine Anpassung an die neue Rechtsprechung nicht schon erfolgt ist. Auch die Übergangsregelung des BMF erfordert für die steuerliche Anerkennung eine Anpassung an die 114 Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 37, 54; wohl auch Ulmer, GmbHR 1989, 10,16. 115 Knobbe-Keuk, § 20 II, (S. 649) dazu oben 3. Teil A. III. 116 Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 31. 10. 1989, abgedruckt in GmbHR 1989, 531; siehe dazu Blumers I Schmidt, GmbHR 1991, 32, 33f.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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neue Rechtslage l17 . Ein lediglich nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft wirksamer Unternehmensvertrag reicht für die steuerliche Anerkennung nicht aus. Durch die Gewährung eines Bestandsschutzes im Zivilrecht entsprechend dem Gedanken des § 22 EG AktG ist der Einklang zwischen Zivil- und Steuerrecht wieder hergestellt. N ach der Regelung des § 22 EG AktG hat der Vertrag auch für die Zukunft Bestand. Während nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft der Fehler grundsätzlich einen Grund für die Auflösung des Vertrages darstellt, ist dies nach der hier entwickelten Lösung nicht der Fall. Der Vertrag ist vielmehr trotz des Fehlers in vollem Umfang wirksam. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist daher nicht möglich. Die Festlegung von strengeren Formvorschriften durch den BGH stellt einen derartigen wichtigen Grund nicht dar. Dies kann allerdings dadurch umgangen werden, daß der Vertrag einfach nicht zum Handelsregister angemeldet wird. In der Praxis dürfte dies zwar kaum vorkommen, da in aller Regel die Beteiligten schon aus steuerlichen Gründen ein Interesse an der Heilung des Vertragsmangels haben. Gleichwohl ist zu klären, inwieweit die Beteiligten verpflichtet sind, an der Heilung der Altverträge mitzuwirken. Immerhin sind Fälle denkbar, in denen sich etwa das herrschende Unternehmen von einer lästigen Verlustausgleichspflicht befreien will. Den Gesellschaftern der Obergesellschaft, die gegen den Vertrag nicht opponiert haben, kann aber zugemutet werden, zumindest für die Vergangenheit die Verlustübernahme zu tragen. Für die Vergangenheit kann sich das herrschende Unternehmen daher nicht auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen. Ohnehin ist in diesen Fällen zumeist schon eine Haftung nach den Grundsätzen des qualifiziert faktischen Konzerns gegeben, zumal dem Vorschlag von Kleindiek gefolgt werden sollte, bei Vollzug eines unwirksamen Unternehmensvertrages eine Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens anzunehmen 118 • 5. Zur Verpflichtung der Gesellschafter, an der Heilung der Altverträge mitzuwirken Die Anwendung des Rechtsgedankens des § 22 EG AktG bedeutet nicht, daß dieAltverträge an einem bestimmten Stichtag ihre Wirksamkeit verlieren. Eine derartige Rechtsfolge läßt sich im Wege der Analogie nicht begründen. Sie bedeutet aber, daß die Gerichte diese in Zukunft nicht mehr anerkennen dürfen, wenn sie nicht an die neue Rechtslage angepaßt werden 119 • Diese "Nichtanerkennung" wirkt allerdings nur für die Zukunft. Es ist daher nicht 117 118 119

Schreiben des BMF, siehe vorige Fn. Kleindiek ZIP 1988, 613, 622; so auch schon Timm, GmbHR 1987, 8,17. Ebenso im Ergebnis Kort, ZIP 1989, 1309, 1312.

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

möglich, den Vertragsmangel des Altvertrages auch ex tunc geltend zu machen, da dieser nach "altem Recht", d. h. unter Vertrauensgesichtspunkten gültig ist 120. Nach Ablauf einer angemessenen Frist wird der Vertrag somit unwirksam. Mangels Handelsregistereintragung kann der Vertrag auch nicht nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam angesehen werden (etwa zwischen Ablauf der Übergangsfrist und Entscheidungszeitpunkt des Gerichts). Nach der hier vertretenen Lösung muß der Vertrag an die neue Rechtslage angepaßt werden. Dies wirft die Folgefrage auf, inwieweit die Beteiligten dazu verpflichtet sind, an der Heilung der Altverträge mitzuwirken. Dieser Punkt ist schon von Vertretern der Ansicht untersucht worden, die Bestandsschutz nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft gewähren wollen 121 . Der Grund für die Notwendigkeit einer Heilung ist danach darin zu sehen, daß nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft der Fehler per se einen Auflösungsgrund darstellt. Solange der Vertrag nicht von diesem Fehler befreit wird, kann daher jederzeit dessen Beendigung eintreten. Dies ist mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar. Außerdem reicht auch ein lediglich nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam anzunehmender Unternehmensvertrag für die steuerliche Anerkennung nicht aus. Problematisch ist bei einer fraglichen Mitwirkung allein der Zustimmungsbeschluß der Gesellschafter. Demgegenüber sind die Geschäftsführer schon aufgrund des Zustimmungsbeschlusses verpflichtet, den Unternehmensvertrag eintragen zu lassen. Fehlt es dagegen an dem Zustimmungsbeschluß oder ist dieser nicht notariell beurkundet, muß dieses Wirksamkeitserfordernis nunmehr nachgeholt werden l22 • Eine Zustimmungspflicht zum Abschluß eines Unternehmensvertrages kann nicht bereits dann angenommen werden, wenn der Vertrag sachlich gerechtfertigt ist und er einen angemessenen Ausgleich oder eine Abfindung zum vollen Wert für den Minderheitsgesellschafter vorsieht 123 • Dem ist entgegengestellt worden, daß eine Zustimmungspflicht zum Abschluß von Unternehmensverträgen entsprechend den Grundsätzen zur Verpflichtung zur Zustimmung bei Satzungsänderungen kraft Treuepflicht allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommt 124 . a.A. Kort, a.a.O. Siehe Ebenroth / Müller, BB 1991, 358, 360ff.; Ulmer, BB 1989, 10, 17; Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 37, 53f. 122 Zur Kostenberechnung beim nachträglichen Zustimmungsbeschluß siehe BayObLG AG 1991, 19. 123 Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 37, 54; ZGR-Sonderheft 6, 151, 165; in dieser Richtung auch Ebenroth / Müller, BB 1991, 363f.; kritisch dazu Grauer, S. 189f. und Hachenburg / Ulmer, § 53 Rn. 146. 120 121

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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Eine dritte Ansicht wiederum setzt bei der Frage an, ob gegebenenfalls den Minderheitsgesellschaftern die Geltendmachung der Unwirksamkeit zu versagen ist. Timm arbeitet dabei mit dem Gedanken der Verwirkung. Er will einem dissentierenden Gesellschafter zumuten, gegebenenfalls gegen einen zustimmenden Beschluß der Gesellschafterversammlung gerichtlich vorzugehen. Der Grundgedanke des § 242 11 AktG sei im Rahmen des Gedankens der Verwirkung entsprechend heranzuziehen l25 . Dies bedeutet im Ergebnis die Wirksamkeit der Altverträge ohne die Möglichkeit einer Kündigung. Auch andere gelangen zu ähnlichen Ergebnissen. Der Bestandsschutz solle auch in die Zukunft reichen. Namentlich in den Fällen formell mangelhafter Zustimmungsbeschlüsse müsse im Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob den Vertragsparteien die einseitige Geltendmachung der daraus resultierenden Fehlerhaftigkeit des Unternehmensvertrages nicht versagt werden müsse l26 . Dem ist entgegenzuhalten, daß diese Überlegungen zu sehr auf die Vertragsparteien bezogen sind. Diese Sichtweise berücksichtigt nicht, daß in aller Regel das herrschende Unternehmen maßgeblich an der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist. Der beschriebene Interessenkonflikt, kann nur dann auftreten, wenn der Unternehmensvertrag zwischen unabhängigen Unternehmen abgeschlossen wurde. Eher denkbar ist der umgekehrte Fall. Das herrschende Unternehmen versucht sich von einer lästigen Verlustausgleichspflicht zu befreien. Bei der Frage der Zustimmungspflicht wird zum Teil unterschieden zwischen Gesellschaftern, die dem Unternehmensvertrag ursprünglich zugestimmt haben und solchen die opponiert haben. Selbst bei den Gesellschaftern, die dem Vertrag ursprünglich, wenn auch nicht in notarieller Form zugestimmt haben, wird zum Teil der Einwand zugelassen, sie hätten Tragweite und Bedeutung nicht erfaßt l27 • Dies erscheint rein tatsächlich aber nur dann relevant, wenn ein entsprechender Einwand auch glaubhaft ist 128 • In aller Regel muß sich daher ein Gesellschafter, der eventuell über Jahre hinweg Ausgleichszahlungen in Empfang genommen hat, nunmehr an diesem Verhalten festhalten lassen. Allein mit der satzungsändernden Wirkung der Unternehmensverträge läßt sich tatsächlich eine Zustimmungspflicht nur in Ausnahmefällen begründen. Eine Zustimmungspflicht zu Satzungsänderungen gibt es im allgemeinen nicht 129 • Der BGH hat allerdings schon mehrfach die Möglichkeit einer Zustimmungspflicht zu einer Satzungsänderung bejaht 13o • Nach der Ulmer, BB 1989, 10, 17. Timm, GmbHR 1989, 10, 11. 126 Kleindiek, ZIP 1988, 613, 625. 127 Stolzenberger-Wolters, S. 74; Ulmer, BB 1989, 10, 17. 128 Priester, in: Uwe H. Schneider, (Hrsg.), 37, 54. 129 Winter, S. 175 ff.; grundlegend zu den Zustimmungspflichten zu Satzungsänderungen Zöllner, Anpassung, passim; Lutter, AcP 180, (1980), 84, 102ff.; H. P. Westermann, FS Hefermehl, S.225ff.; siehe nunmehr auch Timm, WM 1991,481, 483ff.; Hachenburg I Ulmer, § 53 Rn. 70ff. 130 BGHZ 64, 253; BGH ZIP 1985, 407; BGHZ 98, 276. 124

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

Rechtsprechung kommt eine Zustimmungspflicht dann in Betracht, wenn die Zustimmung zur Anpassung des Gesellschaftsvertrages an veränderte Verhältnisse dringend geboten ist und eine derartige Zustimmungspflicht den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange auch zumutbar ist!3!. In diesem Zusammenhang soll ein Fall näher betrachtet werden, in dem der BGH eine Zustimmungspflicht zu einer Kapitalerhöhung bejaht hat, durch die das Stammkapital auf den nach der GmbH-Novelle erforderlichen neuen Mindestbetrag erhöht werden sollte 132 • Eine derartige Zustimmungspflicht kommt nach Ansicht des BGH allerdings nur dann in Betracht, wenn sich aufgrund der Satzungsänderung für den zustimmungsunwilligen Gesellschafter keinerlei Nachteile ergeben. Die Kapitalerhöhung war in dem entschiedenen Fall notwendig, um eine Zwangsauflösung der Gesellschaft zu verhindern. Unter diesen Umständen beinhalte der Änderungsbeschluß nicht die Veränderung, sondern die Aufrechterhaltung der Geschäftsgrundlage unter den Gesellschaftern 133 . Als weiterer entscheidender Gedanke läßt sich die folgende Begründung des BGH anführen: Die in Art. 12 § 1 GmbH-Novelle 1980 angeordnete automatische Auflösung aller Gesellschaften, die die notwendige Kapitalerhöhung bis zum 31. 12. 1985 nicht durchgeführt hätten, verfolge vor allem den Zweck, die Anpassung des Stammkapitals von sogenannten Altgesellschaften an die neue Rechtslage!34 zu erzwingen. Dagegen habe der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung den Gesellschaftern keine Möglichkeit schaffen wollen, die für die Auflösung einer GmbH erforderlichen Voraussetzungen (§ 60 GmbHG) unter Berufung auf diese Übergangsvorschrift zu umgehen. Insbesondere habe den einzelnen Gesellschaftern mit der Zwangsauflösung kein Hebel zur Erreichung eigennütziger Interessen in die Hand gegeben werden sollen, die sonst nicht durchsetzbar gewesen wären oder gar gegen die satzungsmäßigen Verpflichtungen verstoßen hätten 135. Dieser Gedanke kann auch für die Anpassung der Altverträge herangezogen werden 136 • Die Besonderheit des Falles lag zusätzlich darin, daß der Kläger fest und verbindlich zugesagt hatte, daß sich trotz der veränderten Beteiligungsstruktur die Gewinnverteilung nicht ändern sollte und er den für die Kapitalerhöhung erforderlichen Betrag zuvor zweckbestimmt hinterlegt hatte, so daß auch eine Ausfallhaftung ausschied. In diesem konkreten Fall hatte der 131 BGHZ 44,40,41; BGH LM § 105 HGB Nr. 8; BGHZ 98, 276; BGH NJW 1987, 952,954. 132 BGHZ 98, 276. 133 BGHZ 98,276,280; ebenso schon Raiser, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 21, 25; zu diesem Gesichtspunkt auch Timm, WM 1991, 481, 485. 134 Hervorhebung vorn Verf. 135 BGH a.a.O., 28l. 136 Zur Verpflichtung der GmbH-Gesellschafter zur Anpassung an das Körperschaftssteuerrecht von 1977 siehe bereits Lutter, DB 1978, 1965, 1969.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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Minderheitsgesellschafter daher keinerlei Nachteile zu befürchten. Diese Wertung kann auf den Zustimmungsbeschluß zu den Altverträgen übertragen werden. Zu einem Neuabschluß wären die Gesellschafter zwar nur dann verpflichtet, wenn ihnen der Vertrag keinerlei Nachteile bringen würde. Ein Minderheitsgesellschafter kann die neue BGH-Rechtsprechung dagegen nicht als Hebel für die Beendigung des Unternehmensvertrages benutzen. Insoweit gilt das gleiche wie bei der Anpassung des Stammkapitals. Auch dort hat der BGH ausgeführt, daß die Anpassung an die neue Rechtslage nicht für eigennützige Zwecke benutzt werden darf137 • Führt bereits diese Überlegung dazu, daß die Gesellschafter in aller Regel dazu verpflichtet sein werden, einer Anpassung der Altverträge an die neue Rechtslage zuzustimmen, wird dies noch durch eine weitere Überlegung gestützt: Naheliegender als auf die Zustimmungspflichten bei Satzungsänderungen zurückzugreifen, ist ein Blick auf das Mitwirkungsrecht bei der Kündigung. Nach der hier entwickelten Lösung kommt die Nicktanpassung an die neue Rechtslage im Ergebnis einer Kündigung aus wichtigem Grund gleich, da der Vertrag seine Wirksamkeit für die Zukunft verliert. Bereits oben 138 wurde aber dargestellt, daß die Änderung der BGH-Rechtsprechung einen derartigen Kündigungsgrund gerade nicht darstellt. Es ist daher allein darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Gesellschafter auch in sonstigen Fällen auf die Beendigung eines Unternehmensvertrages Einfluß nehmen kann. Zur ordentlichen Kündigung eines Unternehmensvertrages im GmbH-Konzernrecht bedarf es eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung 139 • Dagegen ist bei der Kündigung aus wichtigem Grund gerade kein Gesellschafterbeschluß erforderlich 140 • Dasselbe gilt bei einer Kündigung durch das herrschende Unternehmen 141 . Dies bedeutet mit anderen Worten: Der Minderheitsgesellschafter der abhängigen GmbH hat auf die Kündigung aus wichtigem Grund bei einem fehlerfreien Vertrag keinerlei Einfluß. Da funktionell gesehen bei Verweigerung der Zustimmung eine Kündigung aus wichtigem Grund vorliegt, muß aber darauf abgestellt werden, ob einzelne Gesellschafter auch in anderen Fällen Einfluß auf die Vertragsbeendigung nehmen könnten. Die Interessenlage, die es sonst bei der fehlerhaften Gesellschaft rechtfertigt, den Fehler nicht auch noch in die Zukunft wirken zu lassen, ist nicht gegeben. Die Anpassung an die neue BGH-Rechtsprechung ist nicht vergleichbar mit klassiBGHZ 98, 276. 3. Teil B. V. 4. 139 Timm, FS Kellermann, 461, 473; Krieger, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 99,111, weil es sich um eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme handelt, siehe aber S.1l5. 140 Krieger, a.a.O., S. 114. 141 Krieger, a.a.O., S.114; Priester, ZGR-Sonderheft 6,151,184; für die AG BGH WM 1979,770; OLG Karlsruhe ZIP 1991, 101 = EWiR § 293 AktG 1191, 107 (Altmeppen). 137 138

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

sehen Fällen einer "fehlerhaften Gesellschaft", in denen es oftmals um die Geltendmachung von Willensmängeln geht. Ebensowenig wie im oben beschriebenen BGH-Fall handelt es sich der Sache nach um eine Vertragsänderung, sondern um die Anpassung an die neue Rechtslage. Es darf dem Gesellschafter kein Mittel in die Hand gegeben werden, den Vertrag unter Umgehung der für die Kündigung geltenden Vorschriften zu beenden. Auch die Erwägungen, die beim Neuabschluß eines Unternehmensvertrages in der Literatur zu dem Streit geführt haben, ob der Zustimmungsbeschluß einstimmig gefaßt werden muß bzw. mit 314-Mehrheit und Zustimmung der übrigen 142, oder ob die 3f4-Mehrheit ausreicht l43 , kommen bei der Anpassung nicht zum Tragen. Der Vertrag war für die Vergangenheit ohnehin wirksam. Die außenstehenden Gesellschafter werden daher durch die Vertragsanpassung nicht zu Rentnergesellschaftern. Sie sind es vielmehr schon bisher gewesen, ohne gegen den Vertrag gerichtlich vorgegangen zu sein. Durch die Vertragsanpassung entstehen daher für die Gesellschafter keinerlei zusätzliche Nachteile. Die Gesellschaft selbst kann die Änderung ohnehin nicht als Anlaß für eine Kündigung nehmen, da ein wichtiger Grund nicht vorliegt. Zusammengefaßt: Fehlt es dem Altvertrag lediglich an einem notariell beurkundeten Zustimmungsbeschluß der abhängigen Gesellschaft, sind die Minderheitsgesellschafter in aller Regel verpflichtet, bei der Anpassung an die "neue Rechtslage" mitzuwirken. Etwas anderes gilt nur dann, wenn schon vor dem BGH-Beschluß gegen den Unternehmensvertrag - auch gerichtlich - vorgegangen wurde 144 • 6. Auswirkungen der Anwendung des § 22 EG AktG auf die Haftung des herrschenden Unternehmens wegen fehlender Eintragung der Vertragsbeendigung 1. Bei der hier vertretenen analogen Anwendung des § 22 EG AktG folgt für die Zukunft eine Eintragungspflicht des Unternehmensvertrages. Diese hat die Eigentümlichkeit, daß sie für die Vergangenheit deklaratorisch wirkt. Der Vertrag war auch bisher schon wirksam bzw. wird jedenfalls als wirksam behandelt. Für die Zukunft wirkt die Eintragung dagege~ konstitutiv, da der 142 Priester, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 37, 42; ders., ZGR-Sonderheft 6, 151, 160ff.; Ulmer, BB 1989, 8, 14; Hachenburg / Ulmer, §53 Rn. 126; Scholz / Priester, § 53 Rn. 164; Scholz / K. Schmidt, § 47 Rn. 5; Fleck, ZGR 1988, 104, 134; Hönle, DB 1979, 485, 487; Emmerich / Sonnenschein, § 25 11 2 C (S.388); Kleindiek, ZIP 1988, 613, 621f.; Krieger, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 99, 103; Emmerich, AG 1987, 1, 6; Ebenroth / Müller, BB 1991, 358, 359; Wirth, DB 1990, 2105, 2107; Baumbach / Hueck / Zöllner, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 16. 143 So etwa Lutter / Hommelhoff, Anh. § 13 Rn. 42; Rowedder / Koppensteiner, Anh. § 13 Rn 40; Stolzenberger - Wolters, S. 26; Kort, S. 111f., 118. 144 Im Ergebnis ganz ähnlich Timm, GmbHR 1989, 11, 19.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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Altvertrag seine Wirksamkeit verliert, wenn er nicht an die Anforderungen des Supermarkt-Beschlusses angepaßt wird. Im Falle einer konstitutiven Eintragung kommt eine Wirkung vor der Eintragung ohnehin nicht in Betracht 145. Wird der Vertrag nicht eingetragen, verliert er seine Wirkung für die Zukunft mit Ablauf der Übergangsfrist. Bei dieser automatischen Vertragsbeendigung handelt es sich um eine eintragungspflichtige Tatsache. Die Eintragung wirkt deklaratorisch. Im Aktienrecht wird dies auch für die Vertragsaufhebung angenommen l46 . Für den GmbH-Konzern wird allerdings zum Teil das Gegenteil vertreten. Zumindest in Fällen, in denen für die Vertragsbeendigung ein Gesellschafterbeschluß erforderlich sei, habe auch die Vertragsbeendigung satzungs ändernden Charakter. Die Eintragung wirke daher in diesen Fällen konstitutiv l47 • Ob auch die Vertragsbeendigung generell satzungsändernden Charakter hat, kann aber in diesem Zusammenhang offenbleiben. Eine Eintragung ist nur dann konstitutiv, wenn ein Beschluß erforderlich ist l48 . In den übrigen Fällen dagegen, in denen es keiner Zustimmung der Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft bedarf (also z. B. bei Kündigung durch das herrschende Unternehmen; Vertragsbeendigung durch Zeitablauf; oder Konkurs) kann auch von dieser Ansicht nur eine deklaratorische Eintragung verlangt werden l49 . Ist nun der - für die Vergangenheit wirksame - Vertrag nicht im Handelsregister eingetragen und nunmehr auch nicht dessen Beendigung, ergeben sich Probleme hinsichtlich der Haftung des herrschenden Unternehmens. Es sind im Rahmen von § 303 AktG dieselben Grundsätze maßgebend wie bei § 15 HGB. Auch § 303 AktG ist Ausdruck eines stark typisierten Vertrauens l50 . Es entspricht der wohl noch herrschenden Meinung zu § 1,5 HGB, daß diese Vorschrift auch dann eingreift, wenn es an einer entsprechenden Voreintragung fehit i51 . Nach der zunehmend vertretenen Gegenansicht 152 soll dagegen § 15 I HGB in diesem Fall nicht anwendbar sein. Für die Altverträge wirkt sich die herrschende Meinung folgendermaßen aus:

Baumbach I Duden I Hopt, § 15 Anm. 2.B; John, ZHR 140 (1976), 236. Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 298 Rn. 2; Geßler, in: GeBier I Hefermehl, §298 Rn. 2; Würdinger, in: GroBkommentar zum AktG, §298 Anm. 2. 147 Priester, ZGR-Sonderheft 6,151,185; Wirth, DB 1990, 2105, 2107; a.A. Timm, GmbHR 1989, 11, 15; Krieger, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 99, 116; insoweit auch Kort, ZIP 1989, 1311 und nunmehr BGH ZIP 1992,29,31. 148 Priester, ZGR-Sonderheft 6, 151, 185. 149 Zutreffend Krieger, in: Uwe H. Schneider (Hrsg.), 99,116 Fn. 93. 150 BGH ZIP 1992, 29, 32. 151 Baumbach I Duden I Hopt, § 15 Anm.2 H; K. Schmidt, Handelsrecht, § 14 II, S.354f.; grundlegend A. Hueck, AcP 118 (1920) 350, 351; RGZ 15, 33, 35; 127, 98; BGH BB 1965, 968; siehe auch Hirte, EWiR 1991, 220. 152 Staub I Hüffer, § 15 Rn. 20; John, ZHR 140 (1976), 236ff. 145

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Dritter Teil: Bestandsschutz für Altverträge im GmbH-Recht

Da die Vertragsbeendigung eine eintragungspflichtige Tatsache ist, kann sich das herrschende Unternehmen nicht auf sie berufen und wäre weiterhin zum Verlustausgleich verpflichtet. Da es auf eine Voreintragung nicht ankommt, müßte dies sogar für Verträge gelten, die vor dem SupermarktBeschluß bereits wieder beendet worden sind l53 . Diese Rechtsfolge kann aber selbst dann nicht akzeptiert werden, wenn man der herrschenden Meinung zu § 15 I HGB für andere Fällen folgen Will 154 . Dies zeigt ein Blick auf die Rechtsfolgen: Ein herrschendes Unternehmen, das bereits vor vielen Jahren einen Unternehmensvertrag beendet hat, hätte danach für die Verluste des ehemals abhängigen Unternehmens auch heute noch zu haften. Die in der Literatur insoweit vertreten Gegenansicht überzeugt nicht, soweit sie einen Vertrauensschutz für Altfälle generell ablehnt 155. Vielmehr sind ganz entsprechend die Gedanken heranzuziehen, die den BGH auch zur Verneinung einer Rechtsscheinhaftung bei der Neueinführung des GmbH & CO.-Firmenzusatzes bewogen haben I56 • Die unterlassene Eintragung der Beendigung von vor dem Supermarkt-Beschluß abgeschlossenen und bereits wieder beendeten Unternehmensverträgen, führt daher nicht zu einer fortdauernden Haftung des herrschenden Unternehmens. Dies ist allenfalls dort anders, wo im Anschluß an die Vertragsbeendigung immer noch ein qualifiziert faktischer Konzern besteht 157 • Dies hat dann aber nichts mehr mit § 15 HGB zu tun. Für den Zeitraum nach dem Supermarkt-Beschluß gilt hingegen die Eintragungspflicht hinsichtlich der Vertragsbeendigung uneingeschränkt l58 .Dasselbe gilt aber auch für die Übergangsfälle . Endet daher der (Alt -) Unternehmensvertrag erst nach dem Bekanntwerden des Supermarkt-Beschlusses, muß diese Beendigung in das Handelsregister eingetragen werden. Unterbleibt die Eintragung, treten dieselben Rechtsfolgen wie bei der Anwendung von § 15 I HGB ein. Das herrschende Unternehmen haftet daher weiterhin auf Verlustausgleich. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse

Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft finden im Ausgangspunkt auch auf Unternehmensverträge Anwendung. Die §§ 241ff. AktG sind allerdings spezielle gesetzliche Ausprägungen der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft. Soweit diese Vorschriften eingreifen, gehen sie den allgemeinen Grundsätzen deshalb vor. 153 154 155 156 157 158

So in der Tat die Folgerung von Wilken I Wittkowski, ZIP 1991, 314f. Zutreffend OLG Koblenz ZIP 1991, 308,312. So Wilken I Wittkowski, ZIP 1991, 315; dazu bereits oben 3. Teil B. III. BGHZ 62, 216, 228, siehe zu dieser Entscheidung bereits oben 3. Teil B. III. Hirte, EWiR 1991, 219, 220. Insoweit zutreffend Hirte, EWiR 1991, 219, 220.

B. Übergangsregelungen durch die Rechtsprechung?

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Wird der Zustimmungsbeschluß zu einem Unternehmensvertrag erfolgreich angefochten, ist der Beschluß ex tunc nichtig. Dies führt auch zur ex tuncNichtigkeit des Unternehmensvertrages. Der Vertrag ist daher rückabzuwikkeIn. Die Rückabwicklung zielt nicht auf die Rückgängigmachung tatsächlich geschaffener Zustände, sondern im wesentlichen auf einen vermögensmäßigen Ausgleich. Dies schließt nicht aus, daß das herrschende Unternehmen unter Umständen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des abhängigen Unternehmens wiederherstellen muß. Ebenso wie bei der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses verbleibt es bei der ex tunc wirkenden Nichtigkeit, wenn es an einem Zustimmungsbeschluß fehlt oder die Handelsregistereintragung nicht erfolgt ist. Dies führt dazu, daß die sogenannten Altverträge im GmbH-Konzernrecht nicht über die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft "gerettet" werden kön• nen. In Anlehnung an § 22 EG AktG ist vielmehr von der Rechtsprechung eine Übergangslösung zu gewähren. Dabei sind die Minderheitsgesellschafter der abhängigen Gesellschaft in aller Regel verpflichtet, an der Heilung der Altverträge mitzuwirken.

8 Lauber-Nöll

Vierter Teil

Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln von Unternehmensverträgen A. Die Problematik inhaltlicher Fehler in Untemehmensverträgen Wie wirken sich sonstige Fehler in Unternehmensverträgen aus? Dabei geht es vor allem um Fälle, in denen nicht der Vertrag in toto, sondern lediglich einzelne Vertragsklauseln gegen zwingendes Recht verstoßen. Nach bislang nahezu einhelliger Ansicht sind derartige Vertragsklauseln nichtig 1• Einem Unternehmensvertrag wird aber andererseits sogar dann Bestandsschutz gewährt, wenn er an einem Mangel leidet, der zur Totalnichtigkeit führt. Die Annahme der Nichtigkeit des Vertrages ist daher als Rechtsfolge (erst recht) wenig überzeugend, wenn nur eine einzelne Vertragsklausel nicht den Vorschriften entspricht. Es liegt nahe, auch bei Nichtigkeit einer Vertragsklausel Bestandsschutz sowohl für den Vertrag insgesamt als auch für diese Klausel nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft zu gewähren. Da die §§ 241 ff. AktG spezielle Ausprägungen dieser Grundsätze sind, gilt es nunmehr daraus Folgerungen hinsichtlich der Rechtsfolgen fehlerhafter Vertragsklauseln zu ziehen. I. Die Beschränkung der Nichtigkeit auf den fehlerhaften Vertragsteil

Eine Möglichkeit der Eingrenzung von Fehlerfolgen könnte darin liegen, die Nichtigkeit eines Unternehmensvertrages entgegen der Regel des § 139 BGB im Sinne einer bloßen Teilnichtigkeit zu begrenzen2 . Zumindest läßt sich in der Rechtsprechung die Tendenz beobachten, Unternehmensverträgen trotz Unzulässigkeit einzelner Vertragsklauseln nicht gänzlich die Wirksamkeit zu versagen. Die Nichtigkeitsfolge wird vielmehr auf den fehlerhaften Teil des Vertrages begrenzt:

1 Kölner Kommentar-Koppensteiner, §293 Rn. 54 und § 297 Rn. 36; OLG Hamburg ZIP 1990, 1071; Wilhelm, S. 28; Prael, 92; Sapper, S. 64; Timm, BB 1981, 1481, 1497, Fn. 65; Kley, S. 62; Krieger, in: Münchener Handbuch AG, § 70 Rn. 16; Windbichler, S. 48; Wirth, DB 1990,2105; vgl. oben 2. Teil D. 2 OLG Hamburg, ZIP 1990, 1071.

A. Die Problematik inhaltlicher Fehler in Unternehmensverträgen

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Über die Wirksamkeit eines Unternehmensvertrages hatte, soweit ersichtlich, unter der Geltung des AktG 1965 erstmals das OLG München3 zu entscheiden. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits war streitig, ob der zwischen ihnen abgeschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine über das Zulässige hinausgehende Einflußnahme auf das beherrschte Unternehmen vorsah. In einer Zusatzvereinbarung zum Beherrschungsvertrag war das herrschende Unternehmen bevollmächtigt worden, für das abhängige Unternehmen zu handeln. Das Gericht sah die Erteilung einer derartigen Vollmacht zwar als unzulässig an, hielt den Beherrschungsvertrag aber trotzdem für wirksam. Soweit er eine über das Zulässige hinausgehende Einflußnahme vorsehe, habe dies nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge. Diese Bestimmungen könnten auf ein zulässiges Maß der Einflußnahme des Organträgers zurückgeführt werden. Nach einer solchen Anpassung sei der Vertrag als ganzes wirksam4 • Eine nähere Begründung hierfür erfolgte freilich nicht 5 . In die gleiche Richtung weisen der Beschluß des OLG Hamburg vom 6.10. 19896 sowie die Urteile des Landgerichts Hamburg vom 11. 1. 19907 und des OLG Hamburg vom 13.7. 19908 . Diesen denselben Fall betreffenden Entscheidungen lag der Streit um die Wirksamkeit eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zugrunde, der eine Rückwirkung auf einen vor der Handelsregistereintragung liegenden Zeitpunkt vorsah. Nach allgemeiner Meinung ist eine solche Rückwirkung unzulässig, soweit sie einen Beherrschungsvertrag betrifft9 . Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg folgten dieser Auffassung. Sie erklärten den Beschluß aber nicht für nichtig, sondern hielten den Beschluß für "gegenstandslos" und waren der Ansicht, dies könne nur im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage geltend gemacht werden 10 • Nachdem in der Literatur an diesen beiden Entscheidungen harte Kritik geübt worden war l1 , revidierte das Oberlandesgericht in seiner BerufungsentscheiAG 1980, 272. OLG München, a.a.O. 5 Vgl. zu der Entscheidung Exner, AG 1981, 175; Michalski, AG 1980, 261; Berkenbrock, AG 1981, 69. 6 OLG Hamburg ZIP 1989,1326 = NJW 1990, 521 = GmbHR 1990,83 = AG 1991, 23 = EWiR §291 AktG 1189, 1053 (Krieger) = WuB 11 A. §294 AktG 1.90 (Emmerich). 7 LG Hamburg ZIP 1990, S. 376 = EWiR § 291 AktG 1190,225 (Lauber-Nöll). 8 OLG Hamburg ZIP 1990, 1071 = EWiR §291 AktG 1191, 217 (Krieger) = AG 1991,21 = NJW 1990, 3024 = WM 1990,1741 = WuB 11 A. § 291 AktG 1.91 (Priester). 9 Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 294 Rn. 24; Geßler, in: Geßler / Hefermehl, § 294 Rn.29; Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, § 294 Anm. 5; Emmerich / Sonnenschein § 13 VII 3 b (S. 217); Sonnenschein, Organschaft, S. 384f. 10 OLG Hamburg a.a.O., 1327; LG Hamburg a.a.O., 378. 11 Timm, ZIP 1990, 361; die Kritik richtete sich in erster Linie gegen die vom OLG vertretene Ansicht, der Beschluß könne nicht mit einer der aktienrechtlichen Klagefor3 4

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

dung seinen Standpunkt und erklärte den Zustimmungsbeschluß, soweit er die Rückwirkung des Beherrschungsvertrages betraf, für nichtig 12 • Der Inhaltsmangel des Beschlusses - nämlich allein in diesem einen Punkt - führe aber nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit. Der Unternehmensvertrag sei ein Organisationsvertrag. Daher komme für ihn die Regel des § 139 BGB nicht zum Zuge. Die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen bleibe unberührt. Da der Unternehmensvertrag mit Ausnahme der Rückwirkungsregelung in der Beherrschungsvereinbarung keinen rechtlichen Bedenken unterliege, ergebe sich weiter, daß der Zustimmungsbeschluß in gleichem Umfang wie der Unternehmensvertrag selbst Bestand habe. Der Beschlußgegenstand sei teilbar. Ein vernünftig urteilender Aktionär hätte dem Unternehmensvertrag nicht wegen der Undurchführbarkeit der Rückwirkungsregelung seine Zustimmung versagt. Der Zustimmungsbeschluß sei daher nur insoweit teilnichtig, als er sich auf die nichtige Vertragsklausel beziehe 13 . Das OLG Hamburg schließt daher im Ergebnis von der - bloßen - Teilnichtigkeit des Vertrages auf die - bloße - Teilnichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses.

Im Ergebnis ganz ähnlich gelangt das OLG München 14 in einer neueren Entscheidung zur Restgültigkeit eines Unternehmensvertrages trotz unwirksamer Teilregelung, auch wenn es anders als das OLG Hamburg die Vorschrift des § 139 BGB grundsätzlich für anwendbar hält: Die Parteien wollten regelmäßig, daß ein Organisationsvertrag wegen seiner komplexen Regelung und seiner Gestaltungsfunktion bestehen bleiben solle. Dem entspricht die überwiegende Ansicht in der Literatur: Im Anfechtungsverfahren kann danach durchaus lediglich ein Beschlußteil für nichtig erklärt werden 1S • Ebenso ist bei der Teilnichtigkeit einer Satzungsänderung jedenfalls die Annahme einer Gesamtnichtigkeit dann nicht sachgerecht, wenn mehrere nicht voneinander abhängige Satzungsänderungen einheitlich beschlossen werden 16 . Daraus ist für die satzungs änderungs gleichen Unternehmensverträge die entsprechende Folgerung zu ziehen: Auch die Nichtig-

men angegriffen werden. Dagegen wird das Ergebnis, die Beschränkung der Nichtigkeit auf den fehlerhaften Teil des Vertrages, auch von Timm befürwortet. 12 OLG Hamburg ZIP 1990,1071. 13 OLG Hamburg a.a.O.; zustimmend Priester, WuB II A. § 291 AktG 1.91. 14 OLG München AG 1991, 358, 360. 15 Kölner Kommentar-Zöllner, (1. Aufl.), § 243 Rn. 16; 241 Rn.62ff.; 248 Rn.38ff.; Timm ZIP 1990, 361, 363; Hüffer, in: Geßler I Hefermehl, §241 Rn.75f.; für die GmbH siehe zuletzt Hachenburg I Raiser, Anh. § 47 Rn. 147 und Lutter I Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 26 sowie allerjüngst Hachenburg I Ulmer, § 53 Rn.97; aus der neueren Rechtsprechung siehe außerdem noch LG Frankfurt WM 1990, 1745 = WuB II A. § 221 AktG 1.91 (Lutter) und bereits OLG Hamburg AG 1970,230; zur isolierten Anfechtbarkeit eines Bezugsrechtsausschlusses siehe ferner LG Bochum AG 1991, 213 (ablehnend); Gross, AG 1991, 201, 205. 16 Rowedder I Koppensteiner, § 53 Rn. 59; Hachenburg I Ulmer, § 53 Rn. 97.

A. Die Problematik inhaltlicher Fehler in Unternehmensverträgen

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keit einer einzelnen Vertragsklausel führt in aller Regel nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages 17 • Damit ist allerdings noch nicht die Frage beantwortet, was geschehen soll, wenn es gerade auf die nicht mit dem Gesetz in Einklang stehende Klausel ankommt 18 .

ß. Auswirkungen fehlerhafter Vertragsklauseln, dargestellt am Beispiel unwirksamer Kündigungsklauseln Inhaltliche Fehler des Vertrages werden oftmals erst dann erkannt, wenn die fragliche Bestimmung des Unternehmensvertrages nach Jahren der Praktizierung des Vertrages zum ersten mal angewendet werden soll. Deutlich wird dies etwa bei der Umstrukturierung eines Konzerns, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: Die H-AG hat mit der B-AG, an der sie 80% der Aktien hält, einen Unternehmensvertrag abgeschlossen, der mit einer Frist von einem halben Jahr zum Jahresende gekündigt werden kann. In dem Vertrag ist außerdem vereinbart, daß es als wichtiger Grund im Sinne von § 297 AktG gilt, wenn die H-AG ihre Anteile an der B-AG veräußert. Nachdem die H-AG 5 Jahre später ihre Anteile an der B-AG an die E-AG veräußert hat, kündigt die H-AG den Unternehmensvertrag unter Berufung auf die Kündigungsklausel fristlos. Die Hauptversammlung der B-AG stimmt einem neuen Unternehmensvertrag mit der E-AG zu. Einige Minderheitsaktionäre der B-AG erheben gegen den Zustimmungsbeschluß Anfechtungsklage, mit der Begründung, die Kündigung des alten Unternehmensvertrages sei unwirksam gewesen. Außerdem beklagen sie die verschlechterten Bedingungen des neuen Vertrages 19 • Ob die Anteilsveräußerung es rechtfertigt, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, ist mehrfach erörtert worden und außerordentlich umstritten2o • Auf diese Frage käme es

17 Heckschen, EWiR § 291 AktG 2/90, 429; Kölner Kommentar-Koppensteiner, §293 Rn.48 und §293 Rn. 12; Timm, ZIP 1990, 361, 363f.; Emmerich, WuB II.A §294 AktG 1.90,453,454; Krieger, EWiR §291 AktG 1/89, 1053, 1054; Köhler, ZGR 1985, 307,313. 18 Zu derartigen Fallkonstellationen Timm, FS Kellermann, S. 461ff. und sogleich 11. 19 Fall des LG Frankenthai ZIP 1988, 1460 = EWiR § 297 AktG 1/88, 947 (Timrn), allerdings mit dem Unterschied, daß dort keine entsprechende Kündigungsklausel vereinbart war. 20 Dafür: Krieger, in: Münchener Handbuch AG, § 70 Rn. 127; ders., in: Uwe H. Schneider (Hrsg.) 99, 107f.; LG Bochum, GmbHR 1987, 24, 25; Kley, S.64; Laule, AG 1990, 145, 152; unentschieden: Kölner Kommentar-Koppensteiner, §297 Rn. 10; dagegen: Timm, GmbHR 1987, 8, 14ff.; LG Frankenthai, ZIP 1988, 1460 = EWiR § 297 AktG 1/88, 947 (Timrn); Ebenroth / Parche, BB 1989,637,643; Emmerich / Sonnenschein, § 15 IV (S. 250 und S. 245); Sonnenschein, Organschaft, S.41O; im Grundsatz auch Wirth, DB 1990, 2105, 2106, der aber anders entscheiden will, wenn ohne Veräußerung der Anteile die Existenz des herrschenden Unternehmens gefährdet ist.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

aber nicht an, wenn die entsprechende Kündigungsklausel des alten Vertrages nach Praktizierung des Vertrages oder kraft privatautonomer Gestaltung wirksam wäre. Ist es möglich zu vereinbaren, daß bestimmte Tatsachen als wichtiger Grund gelten sollen? Diese Frage ist wiederum umstritten 21 • Folgt man der Ansicht, daß eine derartige Gestaltung nicht zulässig ist, müßte der Zustimmungsbeschluß zu dem neuen Unternehmensvertrag für nichtig erklärt werden. Dies gilt zumindest nach bislang herrschender Meinung, die bei unzulässigen Vertragsbestimmungen stets deren Nichtigkeit annimmt. Dies würde im Ergebnis zugleich dazu führen, daß nunmehr zwei Beherrschungsverträge nebeneinander bestehen würden! Eine abhängige Gesellschaft kann nur dann unter der Leitung von zwei Unternehmen stehen, wenn die Leitung zwischen den mehreren herrschenden Unternehmen abgestimmt wird22 . Hat dagegen ein abhängiges Unternehmen zwei (unkoordinierte) Beherrschungsverträge abgeschlossen, ist einer der beiden Verträge nichtig23 • Zu einem derartigen unkoordinierten Nebeneinander mehrerer Beherrschungsverträge kommt es aber auch, wenn die Kündigung des Altvertrages nicht wirksam war, gleichwohl aber bereits ein neuer Unternehmensvertrag abgeschlossen wurde24 . Da derartige Probleme oftmals bei der Veräußerung der Beteiligung an der beherrschten Gesellschaft auftreten, wäre zu erwägen, ob nicht der Beteiligungsveräußerungsvertrag im Sinne einer Koordination der Leitungsmacht ausgelegt werden kann. Es könnte etwa argumentiert werden, daß das herrschende Unternehmen (Alt) mit der Beteiligungsveräußerung mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gibt, daß es das Weisungsrecht aus dem Altver21 Dagegen: LG Ingolstadt ZIP 1990, 1128, 1130; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 297 Rn. 10; Emmerich / Sonnenschein, § 15 III (S. 246); Autenrieth, DStZ 1989, 199,200; dafür: Timm, FS Kellermann, 461, 467f.; Marsch-Barner, WuB 11 A. §293 AktG 1.91; Geßler, in: Geßler / Hefermehl §297 Rn. 8; unklar Windbichler, S. 81; im Grundsatz zustimmend wohl auch OLG München AG 1991, 358, 360, das aber im Einzelfall prüfen will, ob das vorgesehene Ereignis von entsprechendem Gewicht ist und ob nicht die Vereinbarung den geschützten Interessen Dritter zuwiderlaufe oder ob Rechtspositionen der Vertragsparteien aufgegeben würden, auf die diese nicht wirksam verzichten könnten. 22 Geßler, in: Geßler / Hefermehl § 17 Rn. 70; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 17 Rn. 70ff.; zu den Gemeinschaftsunternehmen siehe auch Gansweid, passim; Marchand, passim; Emmerich / Sonnenschein, § 3 IV (S.69ff.); zur Verlustausgleichspflicht Hommelhoff, FS Goerdeler, 221 ff. 23 LG Frankfurt DB 1990,624 = EWiR § 291 AktG 2/90, 429 (Heckschen); Kölner Kommentar-Koppensteiner, §291 Rn. 39; Geßler, in: GeBIer / Hefermehl, § 291 Rn. 54 und 56; Krieger, in: Münchener Handbuch AG, §70 Rn. 10; Rottnauer, DB 1991,27; Ebenroth / Parche, BB 1989,637,643; a. A. Exner, S. 280ff. 24 Zu derartigen Fallkonstellationen Ebenroth / Parche, BB 1989, 637, 639ff.; LG Frankenthai ZIP 1988, 1460 = EWiR § 297 AktG 1/88, 947 (Timm).

A. Die Problematik inhaltlicher Fehler in Unternehmensverträgen

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trag nicht mehr ausüben will. Noch deutlicher kommt dies durch die ausgesprochene Kündigung zum Ausdruck. Im Ergebnis kann der Beteiligungsveräußerungsvertrag aber nicht in diesem Sinne ausgelegt werden, weil angesichts der fortbestehenden Haftung nach § 302 AktG nicht davon ausgegangen werden kann, daß die "Altmutter" auch für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung die Leitungszuständigkeit übertragen wollte 25 • Die Unwirksamkeit der Kündigungsklausel hat zur Folge, daß der Altvertrag im Beispielsfall nicht wirksam gekündigt wurde. Da der Vertrag fortbesteht, hat das bisherige herrschende Unternehmen auch die Verluste nach § 302 AktG weiterhin auszugleichen. Der neue Unternehmensvertrag ist wegen der "Nichtkoordinierung" der Leitungsmacht nichtig. Dem neuen herrschenden Unternehmen steht daher kein Weisungsrecht aus dem Vertrag zu. Die Kapitalerhaltungsvorschriften müßten eingehalten werden. Steuerlich handelte es sich bei evtl. abgeführten Gewinnen um verdeckte Gewinnausschüttungen, die u. U. zu Nachzahlungen in Millionenhöhe führen können. Andererseits dürfte zumeist die Intensität eines qualifiziert faktischen Konzerns erreicht sein, mit entsprechender Verlustausgleichsverpflichtung des herrschenden Unternehmens26 • In dieser Konstellation käme auch die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht in Betracht27 • Dies gilt zumindest dann, wennwie hier - die Fehlerhaftigkeit von einem der Beteiligten geltend gemacht wurde 28 • Auch dem - an sich weiterführenden - Vorschlag, in Beteiligungsveräußerungsverträgen vorsichtshalber auch die Rechtsfolgen zu regeln, die sich bei Unwirksamkeit der Kündigung des alten Unternehmesvertrages oder bei Unwirksamkeit des neuen Vertrages ergeben 29 , dürfte zumindest bislang in der Praxis nur geringe Bedeutung zukommen. Um derartigen Risiken auszuweichen, kommen die beteiligten Unternehmen zum Teil auf außergewöhnliche Gestaltungen. Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert die Umstrukturierung des BBC-Konzerns. Dort wurde nicht etwa der alte Beherrschungsvertrag gekündigt und ein neuer abgeschlossen, sondern die neue Konzernmutter trat in einer Abänderungsvereinbarung dem alten Beherrschungsvertrag bepo. Auf diese Weise konnte einerseits das SonEbenroth / Parche, BB 1989,637,646. Zur Verlustausgleichspflicht im qualifiziert faktischen Konzern siehe zuletzt BGH ZIP 1991, 1354 (Video). 27 Zutreffend Ebenroth / Parche, BB 1989, 637, 648. 28 Ebenroth / Parche, a.a.O.; LG FrankenthaI ZIP 1988, 1460; Timm, EWiR 1988, 947,948. 29 Timm, a.a.O., 948. 30 Siehe dazu LG Mannheim ZIP 1990, 374 = EWiR § 295 AktG 1/90, 323 (Timm); OLG Karlsruhe ZIP 1991,101 = EWiR § 293 AktG 1/91, 107 (Altmeppen); zum Vertragsbeitritt siehe auch Exner, S. 297ff. 25

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

derbeschlußerfordernis des § 29611 AktG "umgangen" werden, andererseits waren die Verwaltungen auch nicht den Risiken einer Anfechtung eines eventuellen neuen Beherrschungsvertrages ausgesetzt. Im Ergebnis haben die Gerichte diese Gestaltung akzeptiert. Sie zeigt aber, daß angesichts der großen Schwierigkeiten, die bei der Umstrukturierung von Konzernen auftreten können, ein großes Bedürfnis dafür besteht, bereits entsprechende vorsorgliche Regelungen im Beherrschungsvertrag selbst zu treffen; etwa durch Verzicht eines Vertragspartners auf Ausübung des Weisungsrechts31 . Läßt sich eine derartiger ausdrücklicher Verzicht auf das Weisungsrecht nicht feststellen, ist für die Lösung des Beispielfalles nach der bisherigen Auffassung die Frage zu entscheiden, ob die Kündigungsklausel dem geltenden Recht entspricht. Hier soll aber ein anderer Ansatz aufgezeigt werden. Die Frage nach der "Gesetzwidrigkeit" der Kündigungsklausel kann offenbleiben, wenn trotz eines Rechtsverstoßes von der Verbindlichkeit der Regelung auszugehen wäre. Zu dieser Folgerung gelangen Timm32 und das Landgericht Ingolstadt33 . Nach deren Ansicht kommt der Eintragung des Altvertrages im Handelsregister und dessen Vollzug entscheidende Bedeutung bei. Auch auf inhaltliche Mängel eines Unternehmensvertrages sollen die §§ 241ff. AktG Anwendung finden. Dies hätte zur Folge, daß eine nur anfechtbare, aber nicht angefochtene Regelung verbindlich wäre. Selbst wenn die Kündigungsregelung daher gegen zwingendes Recht verstossen sollte, ergäbe sich deren Unwirksamkeit daher nur bei einern Nichtigkeitsgrund nach § 241 AktG. Nach bisher h. M.34 sind auf inhaltliche Mängel eines Unternehmensvertrages ausschließlich die Vorschriften des BGB anzuwenden. Dabei wurde bisher aber zu wenig die Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses gewürdigt. Angesichts der satzungsändernden oder satzungsüberlagernden Wirkung der Unternehmensverträge liegt in der Tat die Annahme nahe, die Vorschriften über Satzungen anzuwenden.

31 Heckschen, EWiR 1990, 429, 430. 32 Timm, FS Kellermann, 461, 478. 33 LG Ingolstadt a.a.O.; kritisch nunmehr OLG München AG 1991, 358, 361;

zustimmend hingegen Marsch-Barner, WuB 11 A. §293 AktG 1.91. 34 Wilhelm, S. 28; Prael, 92; Sapper, S. 64; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 297 Rn. 36; Timm, BB 1981, 1481, 1497, Fn. 65; Kley, S. 62; Krieger, in: Münchener Handbuch AG § 70 Rn. 16; Windbichler, S. 48.

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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B. Die Anwendbarkeit der §§ 241ff. AktG auf den Untemehmensvertrag I. Begründung einer entsprechenden Anwendung der §§ 241ft. AktG

1. Der Zustimmungs beschluß als Wirksamkeitserfordernis für den Unternehmensvertrag Vertragspartner des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sind die herrschende und die beherrschte Gesellschaft. Die für das Zustandekommen des Vertrages notwendigen Willenserklärungen werden von den vertretungsberechtigten Organen abgegeben 35 • Entgegen der ansonsten unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstandes der AG ist diese jedoch für den Abschluß von Unternehmensverträgen nicht gegeben. Der Vertrag wird nach § 293 I AktG nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam. Entsprechendes gilt für die GmbH. Wegen der satzungsänderungsgleichen Wirkung ist dort auch für die Wirksamkeit im Außenverhältnis die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich36 . Darüber hinaus ist nach § 293 11 AktG auch die Zustimmung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils erforderlich, wenn es sich um eine AG handelt. § 293 11 AktG gilt entsprechend, wenn der andere Vertragsteil eine GmbH ist37 • Auch diesem Beschluß kommt Außenwirkung zu. Fehlt die Zustimmung der Hauptversammlung (bzw. Gesellschafterversammlung) eines der beteiligten Unternehmen, ist der Vertrag schwebend unwirksam 38 . Schwebende Unwirksamkeit bedeutet nach allgemeiner Auffassung, daß das Rechtsgeschäft zunächst unwirksam ist, es aber noch wirksam werden kann, wenn das fehlende Wirksamkeitserfordernis nachgeholt wird39 • Ob während des Schwebezustands, d. h. bis zur Zustimmung der Hauptversammlung bzw. Gesellschafterversammlung bereits Vorwirkungen des Vertrages bestehen, ist im Gesetz nicht geregelt. Ein Teil der Literatur nimmt an, die Gesellschaft sei zumindest verpflichtet, eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeizuführen4o • Dies wird damit begründet, der Vorstand könne aufgrund seiner prinzipiell unbe35 Emmerich I Sonnenschein, § 13 11 (S.2OO); Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 9; Krieger, Münchener Handbuch AG, § 70 Rn. 12; Grauer, S. 164. 36 BGHZ 105, 324, 3311332; a. A. zu Unrecht OLG Düsseldorf BB 1991, 2105. 37 BGH a.a.O., 335f. 38 Baumbach I Hueck, AktG, §294 Anm. 7; Geßler, in: Geßler I Hefermehl, §294 Rn. 23; Prael, S.82; Emmerich I Sonnenschein, § 13 11 (S.2OO); Kölner KommentarKoppensteiner, § 293 Rn. 9. 39 Palandt-Heinrichs, Überbl. v. § 104 Rn. 31. 40 Kölner Kommentar-Koppensteiner, §293 Rn. 15; Geßler, in: Geßler I Hefermehl, § 293 Rn. 14; zutreffend weist Natzel, S.141 darauf hin, daß darin allenfalls eine organisationsrechtliche Folgepflicht gesehen werden kann, die keinerlei Einfluß auf die Wirksamkeit des Vertrages hat.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

schränkbaren Vertretungsmacht die Verpflichtung der Gesellschaft begründen, für eine Befassung der Hauptversammlung zu sorgen. Eine derartige Pflicht bestehe als Nebenpflicht mit dem Abschluß des Unternehmensvertrages, wie dies auch bei Verträgen der Fall sei, die zu ihrer Wirksamkeit behördlicher Genehmigung bedürften41 . Diese Begründung lehnt sich an die herrschende Meinung im allgemeinen Zivilrecht an, wo anerkannt ist, daß bei einem schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft, dem zu seiner Wirksamkeit nur noch eine behördliche Genehmigung fehlt, bereits während der Schwebezeit eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme besteht und die Vertragsparteien verpflichtet sind, die Genehmigung herbeizuführen 42 • Der Vergleich mit dem Fehlen einer behördlichen Genehmigung führt jedoch für das Recht der Unternehmensverträge nicht weiter. Bei der Zustimmung der Hauptversammlung handelt es sich im Gegensatz zu einer behördlichen Genehmigung um ein Wirksamkeitserfordernis innerhalb der Gesellschaft, d. h. um einen innergesellschaftlichen Akt43 • Die Hauptversammlung kann auch nicht mit einem sonstigen zustimmungsberechtigten Dritten verglichen werden 44 • Die Vertragserklärung des Vorstands allein hat lediglich einer von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebenen Willenserklärung entsprechende Bedeutung, bei der jedoch keinerlei Befassungspflicht der Gesellschaft besteht. Dagegen spricht auch nicht, daß sich die Hauptversammlung de facto mit einem vom Vorstand abgeschlossenen Unternehmensvertrag befassen muß, weil der Vorstand den Punkt auf die Tagesordnung setzt45 • Der Unternehmensvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit sowohl des Vertragsschlusses als auch der Zustimmungsbeschlüsse. Beide sind für das Zustandekommen des Vertrages unabdingbare Bestandteile.

2. Zur "eigenständigen Bedeutung" des Vertrages Koppensteiner will aus der eigenständigen Bedeutung des Vertrages folgern, daß zivilrechtliche Mängel des Unternehmensvertrages durch wirksame Zustimmungsbeschlüsse nicht geheilt werden. Insbesondere die Vorschriften der §§ 296, 297 AktG verdeutlichten, daß der Vertrag nicht bloß als rechtstechnisch bedingte Vorbereitung des Beschlusses aufgefaßt werden könne. Auch dann, wenn übereinstimmende Zustimmungsbeschlüsse der zuständigen Organe aller Vertragsbeteiligten vorlägen, sei es daher nicht möglich, Mängel Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 15. Palandt-Heinrichs, Überbl. v. § 104 Rn. 31; BGHZ 14, 2; 67,35. 43 Ähnlich Emmerich / Sonnenschein, § 13 VII 2 (S. 215f.) die auf den beiderseitigen Bindungswillen abstellen, an dem es bei fehlender Zustimmung der Hauptversammlung mangele. 44 Zutreffend Lutter, AG 1977,113,114. 45 Zur Erstellunl der Tagesordnung der Hauptversammlung siehe Semler, Münchener Handbuch AG, § 35 Rn. 36ff.; Eckardt, in: GeBIer / Hefermehl, § 124 Rn. 9ff. 41

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B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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als geheilt zu betrachten. Die Konsequenz bestehe darin, daß die mit der Einschränkung zivilrechtlicher Nichtigkeits- und Anfechtungsregeln in den §§ 241ff. AktG verfolgten Ziele bei Zustimmungsbeschlüssen zu Unternehmensverträgen unerreichbar blieben46 • Hierbei wird allerdings übersehen, daß der Vertrag nur insoweit eigenständige Bedeutung hat, als die technische Abwicklung betroffen ist. Die Beendigungsmöglichkeiten sagen über die Heilbarkeit von Vertragsmängeln überhaupt nichts aus47 • Dem Ansatz Koppensteiners liegt ein Fehlverständnis des Verhältnisses von Beschluß und Vertrag zugrunde. Er geht - im Ausgangspunkt zutreffend - davon aus, daß Beschluß und Vertrag unverzichtbare Elemente beim Zustande kommen des Unternehmensvertrages sind 48 • Daraus ergibt sich für die "Eigenständigkeit des Vertrages" im Hinblick auf dessen inhaltliche Gestaltung aber noch nichts. Es ist vielmehr zu fragen, ob nicht dem Zustimmungsbeschluß die entscheidende Bedeutung sowohl für die Wirksamkeit als auch für die inhaltliche Gestaltung des Unternehmensvertrages zukommt.

3. Die Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses für den Inhalt des Unternehmensvertrages Der Unternehmensvertrag wird nur in dem Umfang und mit dem Inhalt wirksam, dem die Hauptversammlung zugestimmt hat. Wird der Hauptversammlung ein Vertragsentwurf zur Zustimmung vorgelegt, muß dieser nach erfolgter Zustimmung unverändert abgeschlossen werden49 • Die Zustimmung muß sämtliche Vertragsbedingungen umfassen, die von den Vertretern der Vertragsparteien ausgehandelt werden50 . Das Zustimmungserfordernis umfaßt auch solche Vereinbarungen, die im Zusammenhang oder mit Rücksicht auf diesen getroffen worden sind51 . Der BGH hat dies für die Vermögensübertragung damit begründet, daß der Schwerpunkt der Willensbildung ähnlich wie bei einem Unternehmensvertrag oder einer Verschmelzung unabdingbar auf die Hauptversammlung verlagert wird, die verbindlich darüber entscheidet, ob und mit welchem Inhalt der Vertrag wirksam werden soll52. 46 Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 54; ebenso wohl Krieger, Münchener Handbuch AG, §70 Rn. 16; a.A. LG Jngolstadt ZIP 1990, 1128 = EWiR §297 AktG 1190, 847 (Lauber-Nöll); Timm, FS Kellermann, 461, 480. 47 Bei dem Hinweis Koppensteiners auf Prael, S. 92, handelt es sich um ein Fehlzitat. 48 Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 54. 49 Geßler, in: Geßler / Hefermehl, § 293 Rn.26; Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, §293 Anm. 5. 50 BGHZ 82, 188, 196 = ZIP 1982, 172 für den Fall einer Vermögensübertragung; dazu Timm, JZ 1982, 403; ders., S.112; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn.32. 51 Timm, S. 112; siehe auch Kantzas, S. 23.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

"Geheime Zusatzprotokolle" , die nicht der Hauptversammlung vorgelegt werden, bleiben unwirksam. Der Vorstand hat auch keinerlei Freiraum beim Aushandeln einzelner Vertragspunkte 53 . Unternehmensvertrag und Zustimmungsbeschluß sind daher inhaltlich vollkommen identisch. Da mit dem Vertrag in einer die Grundstruktur ändernden Weise in die rechtliche Struktur der Gesellschaft eingegriffen wird, kommt dem Zustimmungsbeschluß die eigentliche und tragende Bedeutung ZU 54 • Für den Zustimmungsbeschluß zu einer Verschmelzung hat dies bereits Barz55 zutreffend mit folgenden Worten umschrieben: "Ist der Vertrag abgeschlossen, so ist er den Hauptversammlungen der beiden Gesellschaften zur Zustimmung vorzulegen. Diese Formulierung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Schwergewicht der Verschmelzung in den Beschlüssen der beiderseitigen Hauptversammlungen liegt. Der Vertrag hat im Grunde nur die Bedeutung, die Bedingungen der Verschmelzung verbindlich festzulegen. Die Entscheidung, ob zu diesen Bedingungen verschmolzen wird, liegt aber unabdingbar und ausschließlich bei den in den Hauptversammlungen abstimmenden Aktionären."

Dies wird auch daran deutlich, daß der Hauptversammlung nach § 83 11 AktG ein Initiativrecht beim Abschluß von Unternehmensverträgen zukommt. Soweit Verträge der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, handelt es sich um tiefgreifende Änderungen der Gesellschaftsstruktur, die in ihrem Gewicht einer Satzungsänderung gleichkommen. Der Hauptversammlung steht daher die positive Entscheidungsgewalt zu und kann daher den Vorstand bindend zur Vorbereitung und zum Abschluß eines derartigen Vertrages anweisen. Der Vorstand ist für den Bereich der Unternehmensverträge schlichtes Exekutivorgan der Hauptversammlung56 • Das ist zwar etwas überspitzt formuliert, da der Vorstand in der Praxis selbstverständlich den Vertrag weitgehend inhaltlich vorprägt57 • Allein die Hauptversammlung trägt aber die Verantwortung für die Entscheidung. Die besondere Bedeutung des BGHZ 82, 188, 195. Geßler, in: Geßler I Hefermehl, §293 Rn. 39; Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 11; Emmerich I Sonnenschein, § 13 VII (S. 214); a.A. aber nicht überzeugend Semler, BB 1983, 1566, 1567f. 54 BGHZ 105, 324, 3411342; ebenso schon Prael, S. 82 und nunmehr Rottnauer, DB 1991,27,30: Im Mittelpunkt muß der Zustimmungsbeschluß stehen, denn an ihn knüpfen satzungsgleiche Wirkungen; siehe auch Natzel, S. 142. 55 Barz, AG 1972, 5. 56 Timm, S. 18; Lutter, FS Quack, 301, 315, 317, der den Vorstand als Vollzugsorgan im Rahmen von § 83 II AktG bezeichnet. 57 Dies betont Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.33lf., der deshalb die Bezeichnung" Exekutivorgan" für unzutreffend hält; auch das OLG München, AG 1991,358, verwechselt die tatsächliche Handhabung mit der rechtlichen Bewertung und gelangt so zu einer falschen Gewichtung. Immerhin erkennt das Gericht, daß im Rahmen von § 83 II AktG der Vorstand weder in der Vorbereitung noch in der Durchführung von Unternehmensverträgen in seiner Entscheidung frei ist, wenn die Hauptversammlung etwas anderes beschließt. 52 53

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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Zustimmungs beschlusses wird ähnlich wie bei Satzungsänderungen hervorgehoben. Ebenso wie dort liegt die grundsätzliche Entscheidung über den Abschluß von Unternehmensverträgen bei der Hauptversammlung58 • Bei der Satzungsänderung wirkt der Vorstand nur bei der Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses mit, z. B. bei der Anmeldung im Handelsregister. Beim Abschluß von Unternehmensverträgen besteht nur insofern ein Unterschied zu den Satzungsänderungen, als zusätzlich der Abschluß eines Vertrages mit einem Dritten erforderlich ist. Der Vorstand ist jedoch in gleicher Weise verpflichtet, den Beschluß der Hauptversammlung auszuführen, d. h. den Vertrag abzuschließen, wenn die Hauptversammlung dies wünscht59 • Der Vorstand wird im Bereich des Abschlusses von Unternehmensverträgen nur insoweit tätig, wie rechtstechnisch ein Vertragsschluß erforderlich ist. Der Zustimmungsbeschluß hat eine Doppelnatur , zeitigt uno acto Doppelwirkungen. Er verhilft nicht nur dem Beherrschungsvertrag zur Wirksamkeit gegenüber dem anderen Vertragsteil, sondern führt zugleich gesellschaftsintern die verfassungsändernde Wirkung herbei 60 • 4. Folgen der besonderen Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses Da sich Zustimmungsbeschluß und Unternehmensvertrag inhaltlich vollständig entsprechen und der Vertrag somit keinen anderen Inhalt haben kann als die Zustimmungsbeschlüsse, ist daraus auch die entsprechende Folgerung zu ziehen: Die §§ 241ff. AktG sind auch auf den Unternehmensvertrag selbst, dessen Inhalt deckungsgleich im Beschluß mit enthalten ist, entsprechend anzuwenden. Das bedeutet, daß inhaltliche Mängel eines Unternehmensvertrages durch einen wirksamen Zustimmungsbeschluß geheilt werden können. Dagegen spricht auch nicht, daß sich die §§ 241 ff. AktG ihrem Wortlaut nach auf Hauptversammlungsbeschlüsse, nicht dagegen auf die ihnen zugrunde liegenden Unternehmensverträge beziehen 61. Die Nichtigkeit einer Vertragsregelung ergibt sich nach bislang wohl vorherrschender Ansicht deshalb entweder als Folge eines rechtlichen Verbots oder deshalb, weil sie auf einen unmöglich zu erreichenden Erfolg gerichtet sei62 . Diese Sichtweise wäre nur dann zutreffend, wenn der Unternehmensvertrag isoliert vom Zustim58 Hefermehl, in: GeBIer I Hefermehl, § 83 Rn. 1; Baumbach I Hueck, AktG, § 83 Anm.4. 59 Baumbach I Hueck, AktG, § 83 Anm.4; ebenso Kölner Kommentar-Martens, (1. Aufl.) § 83 Rn. 3; siehe auch Raiser, FS Raiser, 355, 359. 60 Natzel, S. 142. 61 So aber OLG Hamburg ZIP 1990,1071,1073. 62 OLG Hamburg a.a.O.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

mungsbeschluß betrachtet werden könnte, was aber nicht möglich ist. Da der Unternehmensvertrag satzungsüberlagernde oder anders ausgedrückt materiell satzungsändernde Wirkung hat und der Unternehmensvertrag inhaltlich vom Zustimmungsbeschluß abhängig ist, können insoweit nicht die allgemeinen Regeln des BGB angewendet werden. Diese Überlegung hat zunächst nichts mit der Rechtsnatur des Vertrages zu tun, wird aber durch die Rechtsnatur des Vertrages untermauert. Der Organisationsvertrag selbst bewirkt die Satzungs änderung der abhängigen Gesellschaft. Auf fehlerhafte Satzungs änderungen finden aber die §§ 241ff. AktG uneingeschränkt Anwendung. Funktional betrachtet geht es nicht nur um die Frage, ob der Vertrag wirksam wird, sondern zugleich auch darum, ob dem Zustimmungsbeschluß die beabsichtigte Wirkung zukommt. Es wäre mit der prinzipiellen inhaltlichen Übereinstimmung unvereinbar, einem wirksamen Zustimmungsbeschluß jegliche Wirkung abzusprechen, wenn der Unternehmensvertrag nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen wegen inhaltlicher Mängel unwirksam wäre. Das heißt allerdings nicht, daß dies auch auf andere Mängel zutrifft. Ein eventueller Dissens oder ein Irrtum werden nicht geheilt. Diese den Vertragsschluß selbst betreffenden Unwirksamkeitsgründe müssen aber nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft behandelt werden 63 . Das Aktiengesetz enthält insoweit auch keine vorrangigen Spezialregelungen, die einer Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft entgegenstehen.

5. Zwischenergebnis Zusammengefaßt: Ist der Hauptversammlungsbeschluß verbindlich, ist dies auch die entsprechende unternehmensvertragliche Regelung. Da es sich bei dem Abschluß eines Unternehmensvertrag um ein körperschaftliches Rechtsgeschäft handelt, teilt der Vertrag das Schicksal des Beschlusses, auf dem er beruht. Dieser Satz ist zwar für den Fall geprägt worden, daß der Vertrag insoweit nichtig sein soll, als es der Hauptversammlungsbeschluß ist 64 • Er gilt aber auch in umgekehrter Weise. Das eigentliche, die Verfassung ändernde Rechtsgeschäft ist der Zustimmungsbeschluß65. Lediglich aus Gründen der Praktikabilität ist der Beschluß inhaltlich in aller Regel durch den noch unwirksamen Vertrag vorgezeichnet. Die Verfassungsänderung beruht wie bei der Satzungsänderung aber auf einem Rechtsakt der Mitglieder66. 63 Würdinger, in: Großkommentar zum AktG, § 297 Anm.8; Geßler, DB 1965, 1694. 64 Schilling, in: Großkommentar zum AktG, § 248 Anm. 5. 65 Ebenso Prael, S. 82; Natzel, S. 142. 66 Prael, S. 82.

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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Dem Vertrag kommt durchaus eigenständige Bedeutung zu, nicht aber hinsichtlich seines Inhalts. Insoweit ist allein der Zustimmungsbeschluß maßgeblich. Ist der Zustimmungsbeschluß wirksam, ist der Vorstand verpflichtet, den Vertrag genau mit dem Inhalt des Beschlusses abzuschließen. Dies muß aber dann auch die entsprechende Rechtsfolge nach sich ziehen: Auf Beschluß und Vertrag sind bei inhaltlichen Mängeln die §§241ff. AktG anzuwenden 67 • 11. Mögliche Einwände gegen eine Anwendung der §§ 241ft. AktG

Die aufgrund der Rechtsnatur des Unternehmensvertrages und der Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses zwingende Rechtsfolge soll gleichwohl auf mögliche andere Einwände hin untersucht werden.

1. Aktienrecht a) Steht §29314 AktG der Anwendbarkeit der §§241ff. AktG entgegen? aa) In § 293 14 AktG ist bestimmt, daß auf den Zustimmungs beschluß zu einem Unternehmensvertrag die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden sind. Da die §§ 241ff. AktG auf fehlerhafte Satzungsänderungen Anwendung finden, liegt die Annahme nahe, diese Vorschriften könnten auf den Zustimmungsbeschluß zu einem Unternehmensvertrag nicht angewandt werden 68 • Diese Folgerung wäre jedoch falsch. Nach überwiegender und zutreffender Ansicht hat die Vorschrift nur formale Bedeutung69 • Sie macht lediglich ein Nebeneinander der §§ 179 und 293 AktG überflüssig. Es handelt sich aber bei §§ 291 - 293 AktG gleichwohl um materielle Sondertatbestände spezieller Satzungsänderungen7o • Damit bedarf es zwar nicht der - zusätzlichen - Anwendung der §§ 179ff. AktG auf Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen, wohl aber können die §§ 241 ff. AktG angewendet werden, da materiell eine Satzungsänderung vorliegt. bb) Selbst wenn dieser Ansicht nicht gefolgt wird, stünde § 293 I 4 AktG einer Anwendung der §§ 241ff. AktG nicht entgegen. Daß diese Vorschriften 67 So schon Timm, FS Kellermann, 461, 480; LG Ingolstadt ZIP 1990,1128; zustimmend Marsch-Barner, WuB 11 A. §293 AktG 1.91. 68 OLG München AG 1991, 358, 361, das die Frage aber letztlich offenläßt. 69 Emmerich I Sonnenschein, § 8 11 1 (S. 145); zur Bedeutung des § 293 I 4 AktG siehe bereits oben 3. Teil A. 11. 70 Timm, S. 35; Kölner Kommentar-Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 69; Emmerich I Sonnenschein § 811 1 (S. 146); Prael, S. 81 Fn. 323; anderer Ansicht etwa Kort, S. 69.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

auf den Zustimmungsbeschluß zu einem Unternehmensvertrag anwendbar sind, entspricht allgemeiner Auffassung71 • Zu entscheiden ist allein, ob ein wirksamer Zustimmungsbeschluß Mängel des Unternehmensvertrages heilen kann. Darüber steht in § 293 I 4 AktG nichts. b) Scheitert die Anwendung der §§ 241ff. daran, daß auch der Vertragspartner betroffen ist? Gewichtiger erscheint der Einwand des OLG München72 , beim Unternehmensvertrag sei im Gegensatz zum satzungsändernden Beschluß auch der Vertragspartner als Dritter beteiligt. Dieser könne sich - unter Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft - jederzeit auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen. In der Tat erscheint es fraglich, warum auch der Vertragspartner an die Ausschlußfrist des § 246 AktG gebunden sein sollte. Praktische Bedeutung dürfte dieser Frage indes kaum zukommen. In aller Regel ist der Vertragspartner zugleich (Haupt-)Aktionär der abhängigen Gesellschaft. Insofern bestehen daher auch keine Bedenken, ihm die Wirksamkeit der Regelung entgegenzuhalten. Anderes gilt (fast selbstverständlich) für den Fall der Nichtigkeit, die - auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist jederzeit geltend gemacht werden kann. Die Bedenken des OLG greifen daher von vornherein nur dann durch, wenn das herrschende Unternehmen nicht an der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist. Dieser Fall tritt zwar etwa auch dann auf, wenn ein Beherrschungsvertrag zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft abgeschlossen wird, ohne daß die Mutter direkt beteiligt ist. Aber auch in diesem Fall der mittelbaren Beteiligung erscheint es gerechtfertigt, den Vertragspartner an der Regelung des Unternehmensvertrages festzuhalten. Dies ergibt sich schon aus der Wertung des § 16IV AktG, die hier ganz entsprechend gelten muß. Insoweit ist es auch keinesfalls klar, daß sich der Vertragspartner unter Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft jederzeit auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen kann73 • Auch ein letztes Gegenargument des OLG München vermag nicht zu überzeugen. Das Gericht ist der Ansicht, auch beim Aktionär erscheine eine Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages nach Ablauf der Anfechtungsfristen nur dann ausgeschlossen, wenn es sich um die Verletzung spezifischer aktienrechtlicher Vorschriften handele. Die Geltendmachtung einer Nichtigkeit aus dem (sonstigen) materiellen Recht müsse nach wie vor möglich sein. Eine derartige Differenzierung sei aber kaum möglich74 • Diese Argumentation übersieht völlig, daß die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen 71 72

73 74

Statt aller: Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 48. OLG München AG 1991, 358, 361. So aber OLG München AG 1991, 358, 361. OLG München AG 1991, 358, 361.

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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Rechts auf Hauptversammlungsbeschlüsse nicht anwendbar sind. Bei der Vorschrift des § 241 AktG handelt es sich grundsätzlich um eine abschließende Regelung75 • Materielle Rechtsverstöße neben der Nichtigkeit nach § 241 AktG oder der Anfechtbarkeit nach § 245 AktG gibt es daher nicht. Außerdem berücksichtigt die Argumentation des OLG nicht die Unterscheidung zwischen nichtigen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen. Die Geltendmachung der Nichtigkeit kann selbstverständlich auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist erfolgen. c) Gibt es lediglich anfechtbare Vertragsregelungen ? Die Anwendung der §§ 241ff. AktG auf den Unternehmensvertrag hätte wenig praktische Bedeutung, wenn es gar keine lediglich anfechtbaren Vertragsregelungen gibt7 6 • Die Frage nach lediglich anfechtbaren Vertragsregelungen ist in dieser Schärfe bisher für Unternehmensverträge noch nicht gestellt worden77 • Es muß daher auf die entsprechende Diskussion zu den Satzungsänderungen zurückgegriffen werden. Ob es derartige lediglich anfechtbare Satzungsänderungsbeschlüsse gibt, ist allerdings lebhaft umstritten. Die wohl h. M. ist der Auffassung, daß Satzungsänderungsbeschlüsse stets nichtig seien, wenn sie unter Verstoß gegen die durch § 23 V AktG gezogenen Grenzen der Satzungsautonomie von zwingenden Vorschriften abweichen oder in gesetzlich abschließend geregelten Fällen eine Ergänzung vornehmen78 . Begründet wird dies vor allem damit, es sei ein Widerspruch in sich, wenn die Aktionäre und der Vorstand unzulässige Satzungsgestaltungen dadurch einführen könnten, daß sie einen entsprechenden Beschluß fassen und ihn innerhalb der Anfechtungsfrist nicht anfechten79 • Aus dem Sinn der die Satzungsautonomie begrenzenden Normen folge zwingend, daß damit unvereinbare Beschlüsse nichtig seien. Wenn das Gesetz in § 23 V AktG erkläte, daß die Satzung nur unter bestimmten Voraussetzungen vom Gesetz abweichen "könne", so bedeute das mit Selbstverständlichkeit, daß eine Satzungsbestimmung, die diese Voraussetzungen nicht erfülle, nicht wirksam sei8o • Bereits Alfred Hueck81 hat den Satz geprägt, daß satzungs ändernde 75 Kölner Kommentar-Zöllner, l.Aufl., §241 Rn. 28ff.; siehe auch Hachenburg/ Raiser, Anh. § 47 Rn. 31 für die GmbH sowie Noack, S. 34ff. 76 So in der Tendenz wohl OLG München AG 1991, 358, 36l. 77 Außer von Timm und dem LG Ingolstadt. 78 Grundlegend Huber, FS Coing 11, 167, 184f.; Möhring I Nirk I Tank I, Tz. 630; SemIer, in: Münchener Handbuch AG § 41 Rn.19; Würdinger, Aktienrecht, S.45; Raiser, S.123; OLG Düsseldorf, AG 1968, 19, 22; Schilling, in: Großkommentar zum AktG, § 241 Rn. 22; Geßler, ZGR 1980, 427, 444; Godin I Wilhelmi, § 241 Anm.l0; Eckardt, in: Geßler I Hefermehl, § 23 Rn. 121; deutliche Sympathie für diese Auffassung läßt auch das OLG München AG 1991, 358, 361 erkennen. 79 Huber, FS Coing 11, S. 184. 80 Huber, a.a.O. 81 Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit, S. 77.

9 Lauber-Nöll

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

Beschlüsse stets nichtig seien, sofern ihr Inhalt mit Vorschriften des Aktiengesetzes in Widerspruch stehe, die das Gesetz nicht selbst als abänderungsfähig bezeichne. Der BGH hat demgegenüber in den "Mitbestimmungsurteilen" stets offengelassen, ob es lediglich anfechtbare Satzungsbestimmungen gibt82 • Zunehmend wird auch in der Literatur eine andere Auffassung vertreten. Zöllner will danach differenzieren, ob es sich um Eingriffe in verzichtbare Positionen der Aktionäre handelt 83 • Nach der Ansicht von Hüffer84 soll dagegen Nichtigkeit des verfassungsändernden Beschlusses nur dann anzunehmen sein, wenn ein Verstoß gegen zwingende Vorschriften vorliegt und diese Vorschrift zu einem von einem öffentlichen Interesse getragenen Regelungskern gehört. Die bloße Anfechtbarkeit kommt vor allem dort in Betracht, wo der in

§ 23 V 2 AktG vorbehaltene abschließende Charakter der gesetzlichen Rege-

lung nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Gerade dann ist die auf die Anfechtbarkeit beschränkte Sanktion auch sachgerecht, weil die Nichtigkeit nicht durch die Evidenz der Rechtsverletzung für alle Beteiligten legitimiert wird 85 • Dagegen kann nicht eingewendet werden, bereits § 23 V AktG sei eine im öffentlichen Interesse gegebene Norm86 . Bei einer derartigen ArguI?entation würde nicht berücksichtigt, daß dem Aktiengesetz eben die grundlegende Unterscheidung zwischen nichtigen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen zugrunde liegt. Satzungsändernde Beschlüsse sind auch gerade nicht aus dem Anwendungsbereich der §§ 241ff. AktG ausgegrenzt worden. Die bloße Anfechtbarkeit kommt allerdings nur dort in Frage, wo der abschließende Charakter einer Regelung nicht klar ist, wo also die Satzung ergänzende (nicht dem Gesetz entgegenstehende) Regelungen enthält. Bei den nur anfechtbaren Regelungen kann es sich somit nur um nicht schwerwiegende Fälle handeln. Diese Wertungen sind wegen der Abhängigkeit der inhaltlichen Gestaltung der Unternehmensverträge von den Zustimmungsbeschlüssen auf die Unternehmensverträge selbst fortzuschreiben. Daraus folgt: Dort wo zweifelhaft ist, ob das AktG ergänzende Vereinbarungen im Unternehmensvertrag zuläßt, kann auch bei Unzulässigkeit einer entsprechenden Unternehmensvertragsklausel in der Regel nicht von deren Nichtigkeit ausgegangen werden. Hat eine Regelung dagegen eindeutig abschließenden Charakter, ist eine ergänBGHZ 99,211, 216f. Kölner Kommentar-Zöllner, 1. Aufl., § 241 Rn. 116; siehe nunmehr auch Kölner Kommentar-Zöllner, § 179 Rn. 203, der betont, bei einem inhaltlichen Satzungsverstoß seien satzungsändernde Beschlüsse meist nicht nur anfechtbar, sondern nichtig; ebenso Hoffmann, AG 1980,141,146; kritisch dazu Huber, FS Coing 11,167,179. 84 Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, § 241 Rn. 49ff.; zustimmend Timm, FS Kellermann, 461, 481; ganz ähnlich auch schon Hoffmann, AG 1980, 141, 146. 85 Hüffer, a.a.O., Rn.51; Timm, FS Kellermann; LG Ingolstadt ZIP 1990, 1128, 1130 = EWiR § 297 AktG 1/90, 847 (Lauber-Nöll). 86 Geßler, ZGR 1980, 427, 428, 444; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, §23 Rn. 121. 82 83

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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zende Regelung nichtig. Dem AktG entgegenstehende Vertragsklauseln sind ohnehin auch nach dieser Auffassung nichtig. d) Heilung nichtiger Vertragsklauseln ? Das AktG unterscheidet zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen. Ein nur anfechtbarer Beschluß ist wirksam und bleibt dies auch, wenn er nicht innerhalb eines Monats angefochten wird. Ein nichtiger Beschluß ist und bleibt dagegen ohne Wirkung. Durch eine Eintragung in das Handelsregister ändert sich daran zunächst nichts. Eine Heilung kommt nach § 242 I AktG nur hinsichtlich Formmängeln in Frage. Sonstige Mängel des Zustimmungsbeschlusses werden dagegen nicht geheilt. Eine Heilung der Nichtigkeit kann aber durch Eintragung und Fristaplauf erfolgen. Nach § 242 11 AktG kann die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der nach § 241 Nr. 1, 3 oder 4 AktG nichtig ist, nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Eintragung 3 Jahre vergangen sind, ohne daß eine Nichtigkeitsklage erhoben worden ist. Die Anwendung der §§ 241ff. AktG auf den Unternehmensvertrag selbst, muß demzufolge auch eine Heilung von nichtigen Vertragsklauseln nach sich ziehen. Die im Schrifttum vorherrschende Ansicht, die Eintragung des Unternehmensvertrages heile Mängel des Zustimmungsbeschlusses nicht87 , muß zumindest insoweit überprüft werden, ob damit auch eine Heilung durch Ablauf der 3-Jahres-Frist verneint werden kann. Auch hierzu kann auf die entsprechende Diskussion zu den Satzungsänderungen zurückgegriffen werden. aa) Fehlende Eintragung der Hauptversammlungsbeschlüsse Für den Bereich der Satzungsänderungen ist gegen eine Heilung nichtiger Satzungsänderungen eingewandt worden, eine Heilung komme nicht in Betracht, da nicht der Hauptversammlungsbeschluß, sondern die Änderung selbst eingetragen werde 88 . Für diese Ansicht spricht allerdings zunächst der Wortlaut von § 242 11 AktG, der auf die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses abstellt. § 181 AktG sieht dagegen qie Eintragung der Satzungsänderung vor. Dieser Argumentation ist vereinzelt auch für den Bereich der Unternehmensverträge gefolgt worden. Die Heilung des Zustimmungsbeschlusses zu einem Unternehmensvertrag komme nicht in Betracht, da nicht der Zustimmungsbeschluß, sondern der Vertrag selbst im Handelsregister eingetragen werde. Es fehle daher an einer Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 242 AktG89. 87 Kölner Kommentar-Biedenkopf / Koppensteiner, (1. Aufl.) § 294 Rn. 15; Geßler, in: GeBIer / Hefermehl, § 294 Rn. 22; Godin / Wilhelmi, § 294 Anm. 6. 88 Würdinger, Aktienrecht, 3. Aufl., S. 35.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

Die Betonung des unterschiedlichen Wortlauts hinsichtlich der einzutragenden Tatsache entbehrt der inneren Rechtfertigung90 • Beschluß und Satzungsänderungen sind identisch. Der Beschluß enthält die Satzungsänderung, ihre Eintragung erfolgt aufgrund des Beschlusses und stellt die Eintragung des Beschlusses dar, womit sie die Wirkungen der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses äußert91 • Diese für Satzungs änderungen zutreffende Aussage muß aber auch bei der Eintragung eines Unternehmensvertrages gelten. Das Problem stellt sich im übrigen bei den Unternehmensverträgen nicht in gleicher Schärfe, weil es ja gerade um die Anwendung des § 242 AktG auf den Vertrag selbst geht. Dieser ist aber eingetragen. bb) Ausnahme von §242 AktG für Satzungsänderungsbeschlüsse? Insbesondere im Zusammenhang mit Mitbestimmungsregelungen als Satzungsbestandteil ist die Ansicht vertreten worden, Zustimmungsbeschlüsse, die eine Satzungsänderung zum Gegenstand hätten, unterlägen nicht der Heilung nach § 242 AktG92. Da auf ursprüngliche Satzungsvorschriften § 242 11 AktG keine Anwendung finde, könne dies auch bei einer auf nachträglicher Änderung beruhenden Vorschrift nicht anders sein. Diese Ansicht ist jedoch letztlich nicht mit der gesetzlichen Regelung vereinbar. Dabei kann allerdings dahingestellt bleiben, ob § 242 11 AktG entgegen der oben zitierten Auffassung auch auf ursprüngliche Satzungsbestimmungen anwendet werden kann 93 • Jedenfalls hat das Gesetz eine Heilung späterer Satzungsänderungen vorgesehen. Das AktG bejaht ein Bedürfnis nach Heilung nur für solche Beschlüsse, die wegen ihrer Bedeutung in das Handelsregister einzutragen sind. § 241 Nr. 3 AktG, der besonders schwere Verstöße gegen das AktG mit der Nichtigkeit der Beschlüsse sanktioniert, ist ohne Vorbehalt in die Regelung des § 242 11 AktG aufgenommen worden94 . Neben der ansonsten bestehenden Rechtsunsicherheit würde der Heilungsvorschrift des § 242 AktG ihr wichtigster Funktionsbereich genommen95 , wenn gerade Satzungsänderungen von der Heilung ausgeklammert blieben.

89 So van Venrooy, BB 1986, 612, 615 für Zustimmungsbeschlüsse zu einem nach seiner falschen Ansicht unzulässigen "isolierten" Unternehmensvertrag. 90 GeBIer, ZGR 1980, 427, 453. 91 GeBIer, a.a.O.; vgl. auch Kölner Kommentar (1. Aufl.) Kraft, § 346 Rn. 59, der zu Recht eine Anwendung von § 242 II AktG auf Verschmelzungsbeschlüsse fordert. 92 Würdinger, Aktienrecht, § 10 II 1 d S.4H.; Säcker, JZ 1980, 82, 84. 93 So GeBIer, ZGR 1980, 427, 453. 94 BGHZ 99, 211, 217 = DB 1987,475, 477; dem BGH zustimmend Scholz I Priester, § 54 Rn. 65. 95 Kölner Kommentar- (1. Aufl.) Zöllner, § 242 Rn. 23.

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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Gegen eine Heilung ist ferner eingewandt worden, die AG müsse bei Annahme einer Heilung "auf ewig" auf der Grundlage von Satzungsbestimmungen leben, die gegen zwingendes staatliches Gesetzesrecht verstoßen oder im öffentlichen Interesse gegeben sei96 . Dies ist jedoch schon deshalb nicht zutreffend, weil stets eine Amtslöschung nach § 14411 FGG möglich ist97 •

cc) Wirkungslose Beschlüsse? Einen wenig überzeugenden Versuch, Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen generell von der Heilbarkeit nach § 242 AktG auszunehmen, haben das Landgericht98 und Oberlandesgericht99 Hamburg unternommen. Beide Gerichte hielten einen Zustimmungsbeschluß zu einem Beherrschungsvertrag, der dessen Rückwirkung auf einen vor der Handelsregistereintragung liegenden Zeitpunkt vorsah, für "wirkungslos". Das OLG Hamburg hat in seinem Urteil vom 13.7. 1990 zwar von der unhaltbaren Folgerung Abstand genommen, der Beschluß habe nicht mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden können, in der Sache aber an der Figur des "wirkungslosen" Beschlusses festgehalten. Zur Rechtfertigung seiner Ansicht führt es aus, bei der Wirkungslosigkeit stelle sich die Frage einer Heilung nicht 1oo . Darin hatte auch bereits das Landgericht Hamburg in der Vorinstanz die entscheidende Begründung gesehen und gefolgert, § 241 Nr.3 AktG meine nur heilbar nichtige Beschlüsse. Der Zustimmungsbeschluß richte sich aber, soweit er die Rückwirkung betreffe, auf etwas von Anfang an Unmögliches. Eine Heilung komme nicht in Betracht. Die Nichtigkeit folge schon aus § 306 BGB und § 134 BGBIOl. Auch in der Literatur wird gelegentlich die Heilbarkeit von nichtigen Zustimmungsbeschlüssen zu Unternehmensverträgen in Abrede gestellt, zumindest aber die Heilung von nichtigen Unternehmensverträgen durch wirksame Zustimmungsbeschlüsse ausdrücklich verneint 102 • Koppensteiner meint etwa, ein Vorteil des geltenden Rechts lO3 liege darin, daß die im VorSäcker, JZ 1980, 84; ders., FS Stimpel, 867, 884. BGHZ 99, 211, 217/218; zum Amtslöschungsverfahren bei Untemehmensverträgen siehe noch unten 4. Teil E. 98 LG Hamburg ZIP 1990, 376 = EWiR § 291 AktG 1190, 225 (Lauber-Nöll). 99 OLG Hamburg, Beschluß vom 6.10. 1989, ZIP 1989,1326 = EWiR § 291 AktG 11 89, 1053 (Krieger) = NJW 1990, 521 = AG 1991, 23 = GmbHR 1990, 83 = WuB 11 A. §294 AktG 1.90 (Emmerich); kritische Anmerkung von Timm, ZIP 1990, 361; OLG Hamburg, Urt. v. 13.7. 1990, NJW 1990, 3024 = ZIP 1990, 1071 = EWiR § 291 AktG 1191,217 (Krieger) = AG 1991, 1, 21 = WM 1990,1741 = WuB 11 A. § 291 AktG 1.91 (Priester) . 100 OLG Hamburg ZIP 1990, 1071. 101 LG Hamburg ZIP 1990, 376, 378. 102 Kölner Kommentar-Koppensteiner, § 293 Rn. 54. 103 Für das er seine Ansicht hält. 96 97

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen be,i inhaltlichen Mängeln

dergrund stehende Teilnichtigkeit eines Unternehmensvertrages auch noch nach Ablauf der Heilungsfrist des § 242 11 AktG geltend gemacht werden könne. Landgericht und OLG Hamburg haben sich in ihrer Argumentation der verbreiteten Literaturmeinung angeschlossen, nach der bei Überschreitung der Zuständigkeit des Beschlußorgans dessen Beschluß wirkungslos 104 oder rechtlich belanglos105 sein soll. Dies wird etwa bei unverlangten Beschlüssen der Hauptversammlung in Geschäftsführungsangelegenheiten angenommen. Um diese Art von Beschlüssen ging es aber nicht. Man könnte deshalb argumentieren, daß die Hauptversammlung (wer sonst?) auch für rechtswidrige Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen zuständig ist. So einfach ist es aber nicht. Vielmehr hat das Oberlandesgericht Hamburg in seinem Urteil wohl die Ansicht zugrunde gelegt, die Zuständigkeit der Hauptversammlung für Satzungsänderungen (§ 119 I Nr. 5 AktG) sei durch § 23 V AktG auf die dort zugelassenen Abweichungen und Ergänzungen beschränkt. Ein Beschluß der gegen § 23 V AktG verstoße, sei daher zugleich wirkungslos, weil die Hauptversammlung damit zugleich ihre Zuständigkeit überschreite 106 . Auf die Sonderkategorie der wirkungslosen Beschlüsse kann indes verzichtet werden. Derartige Beschlüsse sind jedenfalls nichtig i.S.v. § 241 Nr. 3 AktG, weil ein Beschluß, der außerhalb der Zuständigkeit gefaßt wird, zugleich einen Inhaltsverstoß aufweist 107 . Beschlüsse, die die ihnen erklärte Rechtswirkung nicht zu entfalten vermögen, sind ebenfalls nichtig i.S.v. §241 Nr. 3 AktG108. Die Figur der gegenstandslosen Beschlüsse hat allenfalls deskriptive Funktion; sie bezeichnet Beschlüsse, deren Heilbarkeit ausgeschlossen werden soll. Eine Heilung wird für Beschlüsse verneint, die keine sinnvolle Rechtsfolge äußern oder über absolute Schranken der Gesellschafterkompetenzen hinweggehen. Derartige Beschlüsse sollen deshalb gegenstandslos und unheilbar unwirksam sein 109 . Eine Heilung von absoluten Kompetenzverletzungen und 104 Baumbach / Hueck, AktG, § 119 Anm.lO; Kölner Kommentar- Mertens, 1. Aufl., § 93 Anm. 59; Schilling, in: GroBkommentar zum AktG, § 119 Anm. 10; Würdinger, Aktienrecht § 30 I 4 (S.150); Barz, in: GroBkommentar zum AktG, § 119 Anm.lO; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, § 119 Rn. 26; für die GmbH: Hachenburg / Schilling / Zutt, (7. Aufl.) § 47 Rn. 19; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut / Miller / Niehus, § 47 Rn. 66; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 4; Hommelhoff, BFuP 1977, 507,517; Hoffmann, AG 1980, 141, 146f. 105 Möhring / Nirk / Tank I, Tz. 423; siehe auch Schäfer, S. 16f. 106 Siehe zu dieser Argumentation GeBier, ZGR 1980, 427, 444; Hachenburg / Raiser, Anh. § 47 Rn. 28 für die Gesellschafterversammlung der GmbH. 107 Zutreffend Krieger, EWiR 1991, 217, 218; Scholz / K. Schmidt, §45 Rn. 71; Kölner Kommentar-Zöllner, 1. Aufl., § 241 Rn. 117; Hüffer, in: GeBier / Hefermehl, §241 Rn. 52; ebenso wohl Marsch-Barner, WuB 11 A. § 293 AktG 1.91. 108 KölnerKommentar-Zöllner, (1. Aufl.), §241 Rn. 26. 109 Scholz / K. Schmidt, § 45 Rn.41; Baums, ZHR 142 (1978), 582, 588; Hachenburg / Raiser, Anh. § 47 Rn. 27 und 28; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 4.

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

135

für objektiv unmögliche Beschlüsse kann tatsächlich nicht in Betracht kommen llO . Dies wird angesichts der aufgeführten drastischen Beispiele - zumeist werden schwere Kompetenzverletzungen bei Eingriffen in hoheitliche Befugnisse des Staates oder in Rechte Dritter angeführt ll1 - deutlich. Gewisse Beschlüsse sind deshalb von der Heilung nach § 242 11 AktG auszunehmen112 • Etwa der Beschluß, den Bundeskanzler abzusetzen l1 3, kann seine intendierte Rechtswirkung auch dann nicht entfalten, wenn der Beschluß - unwahrscheinlich genug - im Handelsregister eingetragen und von niemandem angegriffen wird. Diese Unwirksamkeit des Beschlusses muß allerdings nicht mit der Figur des wirkungslosen Beschlusses begründet werden. Ein Beschluß, der seine intendierte Rechtswirkung nicht entfalten kann, ist nichtig. Fraglich ist allein, wann ein Beschluß trotz § 242 AktG seine Wirkung nicht entfalten kann. Der Wortlaut des § 242 11 AktG läßt keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Heilungswirkung erkennen. Allerdings kommt eine Heilung schon in den Fällen des § 241 Nr. 5 und 6 AktG nicht in Frage. Ebensowenig erfolgt eine Heilung bei Verstößen gegen § 192 IV und 212 AktG. § 242 11 AktG ist jedoch lediglich eine - wenn auch wichtige - Vorschrift für das Aktienrecht. Sie ist aber nicht dazu geeignet, Grundprinzipien der Rechtsordnung außer Kraft zu setzen. So sind etwa Beschlüsse zu Lasten Dritter nicht wirksam. Ein derartiger Beschluß kann seine Rechtswirkung auch dann nicht entfalten, wenn er ins Handelsregister eingetragen wird. Dies liegt schlicht daran, daß ein derartiger Beschluß jenseits der Satzungsautonomie liegt. Auch Unternehmensverträge, die in Rechte Dritter eingreifen, können daher insoweit keine Wirkungen entfalten. Das gleiche gilt auch in umgekehrter Weise. Die Satzungsautonomie ist auch insoweit begrenzt, als in der Satzung keine Rechte Dritter begründet werden können 1l4 . Dies gilt auch für den Unternehmensvertrag1l5 . Dritte erlangen daher auch dann keine Rechte aus einem Unternehmensvertrag, wenn derartige Rechte im Unternehmensvertrag eingeräumt sein sollten und seit der Eintragung des Vertrages drei Jahre vergangen sind. Demgegenüber sind aber durchaus Inhaltsverstöße denkbar, die über die Grenzen der Satzungsautonomie zwar nicht hinausgehen, gleichwohl aber nichtig sind. Bei derartigen Verstößen spricht nichts dagegen, von der Heilung nach § 242 AktG auszugehen 116 • 110

111

Scholz I K. Schmidt, § 45 Rn. 84; Hachenburg I Raiser, Anh. § 47 Rn. 27f. Hachenburg I Schilling I Zutt, (7. Aufl.), Anh. § 47 Rn. 19; Scholz I K. Schmidt,

§45 Rn. 71. 112 Hommelhoff, BFuP 1977, 507, 517; Hoffmann, AG 1980, 141, 147. 113 Siehe das Beispiel in LG Hamburg ZIP 1990, 376, 378. 114 Ulmer, FS Werner, 911, 923; Timm, FS Kellermann, 461, 474f. 115 Timm, FS Kellermann, 461, 472ff. 116 Siehe dazu noch 4. Teil C. V.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

Als Dritter in diesem Sinne muß aber - jedenfalls in gewisser Hinsicht auch der außenstehende Aktionär gelten. Die Hauptversammlung kann nicht über solche Rechte der Mitglieder verfügen, die diesen als Dritten zustehen 117 • Die Grenze kann allerdings nicht bei jedem Verstoß gegen § 23 V AktG gezogen werden. Dort aber, wo gegen grundlegende Prinzipien des Rechts verstoßen wird, muß es bei der Nichtigkeit der entsprechenden Regelungen verbleiben. Im Ergebnis entspricht diese Lösung weitgehend der von Zöllner 118 vorgenommenen Differenzierung bei der Frage, ob es lediglich anfechtbare satzungsändernde Beschlüsse gibt. Zwar hat der BGH die Auffassung vertreten, auch satzungs ändernde Beschlüsse, die gegen zwingendes Aktienrecht verstoßen seien heilbar; es erscheint aber durchaus zweifelhaft, ob dies für alle Fälle gelten kann. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, in Extrembeispielen werde die entsprechende Regelung ohnehin nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Welcher Registerrichter würde etwa eine Satzungsänderung eintragen, die der Hauptversammlung die alleinige Geschäftsführungskompetenz gibt? Bei einer derartigen Argumentation würde außer acht gelassen, daß es zumeist eben nicht derart eklatante Fälle sind, die die Gerichte beschäftigen. Zusammenfassung

Auf einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sind die §§ 241 ff. AktG anzuwenden, soweit inhaltliche Mängel vorliegen. Die Nichtigkeit einer Vertragsregelung kommt nur dort in Frage, wo dies durch die Evidenz der Rechtsverletzung für jeden einsichtig ist. Bei schwerwiegenden Rechtsverstößen verbleibt es allerdings bei der Nichtigkeit der entsprechenden Regelung. Insoweit kann auch über die Vorschrift des § 242 AktG nur in beschränktem Umfang eine Heilung erfolgen. Bei Verstößen gegen die Satzungs autonomie kommt eine derartige Heilungswirkung nicht in Frage.

2. GmbH-Recht a) Geltung der §§ 241ff. AktG bei der GmbH? Für das Aktienrecht kann somit bei Nichtanfechtung trotz inhaltlicher Fehler des Vertrages die Verbindlichkeit der Regelungen eintreten, sofern nicht ein Nichtigkeitsgrund gegeben ist. Trifft dies aber auch für den GmbH-rechtlichen Unternehmensvertrag zu? 117

118

Baums, ZHR 142 (1978), 582, 587. In Kölner Kommentar, (1. Aufl.), §241 Rn. 111ff.

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

137

Die bisher herrschende Meinung ging davon aus, daß die aktienrechtlichen Vorschriften über Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Beschlüssen bei der GmbH entsprechende Anwendung finden, sofern nicht die Besonderheiten der GmbH eine Abweichung erfordern 119 • Auch nach der h.M. ist allerdings die Monatsfrist des § 246 AktG bei der GmbH nicht anwendbar. Vielmehr gilt eine den Umständen nach angemessene Frist 120 • Bereits insoweit ergeben sich daher Abweichungen vom Aktienrecht. Zunehmend wird aber kritisch beurteilt, ob die aktienrechtlichen Vorschriften über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen bei der GmbH überhaupt Anwendung finden sollen 121 • b) Kritik an der herrschenden Meinung Mit dem Erfordernis einer fristgebundenen Anfechtungsklage ist eine Einschränkung des Mitgliedschaftsrechts verbunden 122 • Während im allgemeinen Recht die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts jederzeit geltend gemacht werden kann, muß der Aktionär innerhalb eines Monats eine Anfechtungsklage erheben, die überdies nur dann zulässig ist, wenn er bereits in der Hauptversammlung seinen Widerspruch erklärt hat. Eine derartige zeitliche Beschränkung ist sonst vor allem bei der Anfechtung staatlicher Hoheitsakte und Gerichtsurteile anzutreffen 123 • Hier setzt die Kritik an: Der Klagezwang, der sich bei der Aktiengesellschaft aus dem Bedürfnis der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit rechtfertige, sei bei der GmbH nicht hinzunehmen. Bei der Aktiengesellschaft sei der Klagezwang zum Schutz der Aktionäre, der Gläubiger, der künftigen Aktienerwerber und der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Dies ergebe sich auch dar119 BGHZ 14, 25, 30; 207, 21Of.; 51, 209, 210; 76,154, 155f.; 80,212, 216f.; 101, 113, 116; 104, 66, 68; 108, 21, 23; jüngst BayObLG BB 1991, 2103; OLG Hamburg ZIP 1991, 1430, 1434 = EWiR § 47 GmbHG 1191, 899 (Reichard); aus der Literatur: Scholz / K. Schmidt, § 45 Rn. 36ff.; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut / Miller / Niehus §47 Rn. 63; Rowedder / Koppensteiner, §47 Rn. 70ff.; Rohleder, GmbHR 1989, 236; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 12 V (S.249); zur Rechtsentwicklung ausführlich Noack, S.117ff.; Hachenburg / Raiser, Anh. §47 Rn.1ff. 120 BGHZ 104, 66; Rohleder, GmbHR 1989, 236, 240ff.; Lutter / Hommelhoff Anh. §47 Rn. 56. 121 Immenga, GmbHR 1973, 3, 5; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §§ 3 12 b, 8 IV 2 b; Timm, FS Fleck, 365, 368; Baumbach / Hueck / Zöllner, GmbHG, §47 Rn.1ff.; Noack, passim, insbes. S.103ff.; Zöllner / Noack, ZGR 1989, 525ff.; Hachenburg / Raiser, Anh. §47 Rn.4ff.; Raiser, FS Heinsius, 645, 655ff.; Reichard, EWiR 1991, 899; Ulmer GmbHR 1990, 429, 432; Lutter / Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 1, Münchener Kommentar-Reuter, § 32 Rn. 34; unklar Scholz / H. P. Westermann, Ein!. Rn. 54; dagegen wird die bisherige Ansicht ausdrücklich verteidigt von Henze, ZGR 1988, 542, 546. 122 Raiser, FS Heinsius, 645, 655. 123 Siehe BGH WM 1988, 753, 754.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

aus, daß typischerweise bei einem Großteil der Beschlüsse Bestandsinteressen der Gläubiger und der Öffentlichkeit berührt seien 124 . Außerdem verfüge die Hauptversammlung nur über eng begrenzte Kompetenzen und fasse dabei nur wenige Beschlüsse, die aber in aller Regel beträchtliche Außenwirkung hätten 125 . Bei der GmbH beträfen Gesellschafterbeschlüsse dagegen in aller Regel Angelegenheiten der Geschäftsführung, und Beschlüsse mit Außenwirkung bildeten die Ausnahme. Zudem habe die GmbH zumeist einen kleinen, überschaub aren Gesellschafterkreis. Wegen des personalistischen Zuschnitts fehle daher die Vergleichbarkeit mit der Interessenlage bei der AG126. Folgt man dieser Ansicht, könnte die hier gefundene Lösung, die Anwendung der §§241ff. AktG auf den Unternehmensvertrag, auf Verträge mit einer abhängigen GmbH nicht angewendet werden. Zu beachten ist, daß auch die Vertreter der neuen Ansicht nicht die Möglichkeit der Anfechtungsklage ausschließen wollen, sondern daneben noch andere Möglichkeiten der Geltendmachung von Beschlußmängeln zulassen 127 . Wird daher eine Anfechtungsklage erhoben und daraufhin der Zustimmungsbeschluß für nichtig erklärt, verbleibt es bei der ex tunc wirkenden Nichtigkeit 128 . Problematisch sind daher allein die Fälle, in denen nach der bisher herrschenden Meinung Anfechtbarkeit gegeben ist, eine Anfechtung aber nicht erfolgt ist. Zum Teil wird von den Kritikern der h. M. vertreten, es gebe bei der GmbH keine vorläufig wirksamen Beschlüsse 129 . Ein rechtswidriger Beschluß wäre danach in jedem Fall nichtig. Übertragen auf die Unternehmensverträge würde diese Schlußfolgerung bedeuten, daß es auch nicht möglich wäre, eine an sich unwirksame Klausel eines Unternehmensvertrages nach Ablauf der Klagefrist als wirksam zu betrachten. c) Erfordernis einer Anfechtungsklage für Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen Insoweit gilt es aber, die Interessenlage im Hinblick auf Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen exakt auszumessen. Angesichts der Bedeutung dieses Beschlusses erscheint es zumindest naheliegend, auch auf Zöllner / Noack, ZGR 1989, 525, 534; Raiser, FS Heinsius, 645, 656. Hachenburg / Raiser, Anh. § 47 Rn. 5; Zöllner / Noack, ZGR 1989, 525, 534. 126 Timm, FS Fleck, 365, 368; Raiser, FS Heinsius, 645, 656; Reichard, EWiR 1991, 899,900. 127 Deutlich Hachenburg / Raiser, Anh. §47 Rn. 11; Zöllner / Noack ZGR 1989, 525,529. 128 Dazu ausführlich oben 2. Teil D.; a.A. wohl Zöllner / Noack ZGR 1989, 525, 540 für Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen. 129 So Zöllner / Noack, ZGR 1989, 525, 542; a.A. insoweit aber Hachenburg / Raiser, Anh. §47 Rn. 189. 124 125

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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dem Boden der neueren Ansicht an dem Erfordernis einer Anfechtungsklage oder zumindest einer Anfechtung festzuhalten 130 . Zöllner und Noack wollen ihre Schlußfolgerungen bei Unternehmensverträgen gerade nicht anwenden: Durchgeführte Unternehmensverträge könnten nicht mit Wirkung ex tune beseitigt werden. Dies gelte auch für die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses im Anfechtungsprozeßl3l. Bereits oben 132 wurde aber bereits die These von der vermeintlichen Rückabwicklungsfeindlichkeit der Unternehmensverträge widerlegt. Zöllner und Noack berücksichtigen auch nicht, daß die Anfechtungsklage im Interesse eines wirksamen Minderheitenschutzes mit Rückwirkung versehen sein muß 133 • Die neue Ansicht wird zum Teil damit begründet, daß die Mehrzahl der Gesellschafterbeschlüsse bei der GmbH Angelegenheiten der Geschäftsführung betreffen, die keine den Hauptversammlungsbeschlüssen vergleichbare Außenwirkung entfalten 134 . Von diesem Ausgangspunkt wäre zu fragen, ob nicht zumindest für diejenigen Beschlüsse eine Anfechtung zu fordern ist, die den Hauptversammlungsbeschlüssen hinsichtlich ihrer Außenwirkung gleichgestellt werden können. Dies gilt insbesondere für Satzungsänderungen und Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen. Bei dieser Art von Beschlüssen zeigt sich, daß das GmbH-Gesetz der Rechtssicherheit und dem Schutz der Öffentlichkeit größere Bedeutung beigemessen hat als bei lediglich die Geschäftsführung betreffenden Beschlüssen. Deutlich wird dies etwa an den Ausführungen des BGH im SupermarktBeschluß. Der 11. Senat hat dort die Erforderlichkeit der Beurkundung und Eintragung im Handelsregister damit begründet, daß die Änderung des Gesellschaftsvertrages aus Beweissicherungs- und damit Rechtssicherheitsgründen, aber auch zum Zwecke der materiellen Richtigkeitsgewähr sowie zur Gewährleistung einer Prüfungs- und Belehrungsfunktion der Beurkundungspflicht unterliege. Dieser den §§ 53 und 54 GmbHG zugrunde liegende Rechtsgedanke treffe in gleicher Weise auf den Unternehmensvertrag zu 135. Die Eintragungsbedürftigkkeit des Unternehmensvertrages selbst begründet der BGH damit, eine nur bezugnehmende Eintragung würde weder der Bedeutung des Unternehmensvertrages für die beherrschte Gesellschaft noch dem Bedürfnis der Öffentlichkeit, gegenwärtiger und künftiger Gläubiger sowie - wenn auch wegen der geringen Verkehrsfähigkeit von GmbH-Anteilen in weniger bedeutsamen Umfang - der Anteilsinhaber und potentieller 130 Siehe etwa Ulmer, GmbHR 1990, 429, 432, der dies zumindest für Satzungsänderungen annimmt. 131 Zöllner / Noack, ZGR 1989, 525, 540. 132 2. Teil B. 133 Dazu auführlich oben 2. Teil D. 11. 134 Hachenburg / Raiser, Anh. § 47 Rn. 6. 135 BGHZ 105, 324, 338f.

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

Anteilserwerber an sachgerechter, sicherer und rascher Unterrichtung über die Rechtsverhältnisse der GmbH gerecht. Die dem Handelsregister zukommende Publizitätsfunktion solle der Öffentlichkeit wie Arbeitnehmern, künftigen oder gegenwärtigen Gläubigern, den Gesellschaftern und den potentiellen Anteilserwerbern die Möglichkeit gewährleisten, sich über die Rechtsverhältnisse von Kaufleuten und Gesellschaften zu unterrichten. Die Notwendigkeit einer solchen Eintragung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit bestehe auch für den Abschluß eines Unternehmensvertrages zwischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Abschätzungen der Auswirkungen von Untern ehmensverträgen und ihren Risiken seien für gegenwärtige und künftige Kreditgeber , Arbeitnehmer - bei größeren der Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung auch für Arbeitnehmervertreter sowie potentieller Anteilserwerber von grundlegender Bedeutung. Selbst wenn eine Veräußerung von GmbH-Anteilen wegen der Konzernstruktur nicht in Betracht komme, ein Informationsinteresse potentieller Anteilserwerber deshalb praktisch ausscheide, ändere dies nichts an der Tatsache, daß die übrigen genannten Verkehrskreise ein solches Informationsinteresse hätten 136. Aus diesen Ausführungen läßt sich nur entnehmen, daß der BGH den Zustimmungsbeschlüssen zu Unternehmensverträgen zumindest dieselbe Bedeutung zumißt, die ein Hauptversammlungsbeschluß bei der AG hat. Es liegt daher nahe, aus diesem Grund auch bei Zustimmungsbeschlüssen zu Unternehmensverträgen eine fristgebundene Anfechtungsklage aus Rechtssicherheitsgründen zu fordern. All die Kriterien, die für die Rechtfertigung einer fristgebunden Anfechtungsklage im Aktienrecht angeführt wurden, treffen auch auf Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen zu. Die Problematik der Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen wird durchaus auch von Vertretern der neuen Ansicht gesehen. Bei Beschlüssen mit unmittelbarer Außenwirkung müsse das Recht dafür sorgen, daß Dritten die Rechtspositionen, die sie durch einen fehlerhaften Beschluß erlangten, nicht mit Wirkung ex tunc wieder entzogen werden könne 137 • Für den Fall, daß die Mehrheit die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses akzeptiert, soll jedenfalls die rückwirkende Nichtigkeit nicht durch eine Vereinbarung herbeigeführt werden können. In derartigen Fällen könne daher die (generelle) Nichtigkeit nur über eine Anfechtungsklage (Beschlußmängelklage ) erreicht werden l38 . Eine rückwirkende Vereinbarung der Nichtigkeit sei gegenüber Dritten ausgeschlossen, da der Verband in einmal geschaffene Rechtspositionen nicht mehr eingreifen könne l39 .

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BGH, a.a.O., S. 343f. Hachenburg / Raiser, Anh. §47 Rn. 6 und 9. Noack, S.98, der die Grundlage dafür in einer Analogie zu § 241 Nr. 5 AktG

139

Noack, S. 97.

136

137

sieht.

B. Die Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG

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Dies steht in klarem Widerspruch zu der von Zöllner und Noack an anderer Stelle geäußerten Ansicht, bei Zustimmungsbeschlüssen zu Unternehmensverträgen müsse man sich "mit dem Grundsatz behelfen, daß durchgeführte Unternehmensverträge nicht ex tune beseitigt werden könnten" 140. Außerdem trifft es gerade nicht zu, daß fehlerhafte Unternehmensverträge nicht beseitigt werden könnten 141 . Die Konzeption von Zöllner und Noack ist daher bei Satzungsänderungsbeschlüssen und Zustimmungs beschlüssen zu Unternehmensverträgen nicht schlüssig. Zumindest für derartige Beschlüsse muß es daher bei der herrschenden Meinung verbleiben 142 • Für Zustimmungs beschlüsse zu Unternehmensverträgen ist daher zur Herbeiführung der ex tune wirkenden Nichtigkeit eine Anfechtungsklage erforderlich. Ein Gegenargument wäre, daß die Interessenlage bei der typischerweise personalistisch ausgestalteten GmbH eben grundsätzlich nicht mit der Lage bei der AG vergleichbar ist. Gerade die Vergleichbarkeit der Interessenlage wird zunehmend in Abrede gestellt 143 • Bei Unternehmensverträgen geht es aber nicht nur um die Interessenlage in der GmbH. Der Bestand des Unternehmensvertrages ist auch für den anderen Vertragsteil von entscheidender Bedeutung. Ebenso gilt es, die Gläubiger zu schützen. Das Argument der Rechtssicherheit wiegt in diesem Falle schwerer als bei anderen Beschlüssen, die lediglich die Geschäftsführung betreffen. Im Hinblick auf die weitreichenden Folgen eines Unternehmensvertrages ist sogar mehr Rechtssicherheit erforderlich als bei einer "normalen" Satzungsänderung. d) Vorläufig wirksame Beschlüsse bei der GmbH? Gestützt wird dieses Ergebnis auch noch durch folgende Überlegung: Entscheidend für die hier untersuchte Frage ist nicht das Erfordernis einer fristgebundenen Anfechtungsklage im GmbH-Recht, sondern die vorläufige Verbindlichkeit von Beschlüssen bei der GmbH. Insoweit bestehen auch innerhalb der neuen Ansicht, die das Anfechtungsklageerfordernis ablehnt, unterschiedliche Ansichten. Während Zöllner / Noack l44 eine vorläufige Verbindlichkeit von GmbH-Beschlüssen ablehnen, wird diese etwa von Raiser 145 bejaht. Einigkeit besteht daher nur insoweit, als es nicht unbedingt eine Anfechtungsklage sein muß, durch die der Beschlußmangel geltend gemacht wird. ZGR 1989, 525, 540. Siehe dazu oben 2. Teil B.; sowie weiter die Vertreter der Ansicht, daß bei einer Anfechtungsklage der Unternehmensvertrag mit Wirkung ex tune entfällt, siehe oben 2. Teil D. 11. 142 Ähnlich für Satzungsänderungsbeschlüsse auch Ulmer, GmbHR 1990, S.429, 432. 143 Timm, FS Fleck, 365, 366ff.; Raiser, FS Heinsius, 645, 648; Reichard, EWiR 1991,899,900. 144 ZGR 1989, 525, 542. 145 Hachenburg I Raiser, Anh. §47 Rn. 189; ders., FS Heinsius, 645, 648. 140 141

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

Die Verneinung jeglicher vorläufigen Verbindlichkeit von GmbH-Gesellschafterbeschlüssen wäre jedoch zu weitgehend. Ist die Wirksamkeit eines Beschlusses am Ende einer Gesellschafterversammlung nicht streitig, und werden Bedenken gegen den Beschluß erst später erhoben, sind Beschlußtatbestand und -inhalt hinreichend manifestiert. Gehen alle Beteiligten in derartigen Fällen zunächst von der Verbindlichkeit des Beschlusses aus, erscheint es angebracht, sie daran bis zur endgültigen Entscheidung über eine später erklärte Anfechtung festzuhalten. Dies läßt sich mit dem Verbot des venire contra factum proprium begründen. Wer nicht sofort gegen einen Beschluß Widerspruch erhebt, muß sich gefallen lassen, daß dieser als vorläufig verbindlich behandelt wird 146 . Selbst wenn mit der neuen Ansicht auf das Erfordernis einer fristgebundenen Anfechtungsklage verzichtet wird, bedeutet dies daher nicht, daß der Zustimmungsbeschluß zum Unternehmensvertrag und damit dieser selbst nicht vorläufig verbindlich sein kann. Richtigerweise wird auch in der GmbH gefordert, daß zumindest eine Anfechtungserklärung erfolgen muß147. Nur für den Fall, daß eine derartige Anfechtungserklärung erfolgt, ist der Beschluß daher auch nicht vorläufig verbindlich. Bei Zustimmungsbeschlüssen zu Unternehmensverträgen ist ein zusätzlicher Bestandsschutz auch dadurch zu rechtfertigen, daß der Beschluß notarieller Beurkundung bedarf und somit sein Inhalt eindeutig feststeht 148 . Anders gewendet: Auch in der GmbH ist von der Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses zum Unternehmensvertrag auszugehen, sofern dieser nicht angegriffen wird. Nach bislang herrschender Meinung folgt dies schon aus der Anwendung der §§ 241ff. AktG bei der GmbH. Nach der neuen Ansicht besteht nur insoweit ein Unterschied, als dieser Angriff auch etwa in Gestalt einer Einrede oder in der Form der Geltendmachung eines Anspruchs erfolgen kann. e) Folgerungen für Unternehmensverträge Der Zustimmungsbeschluß zu einem Unternehmensvertrag ist vorläufig wirksam, sofern er nicht an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel leidet. Wird er nicht binnen angemessener Frist angefochten, wird er endgültig verbindlich. Die §§ 241ff. AktG sind daher zumindest insoweit auch bei der GmbH anzuwenden, als es um die vorläufige Wirksamkeit von Beschlüssen geht. Die materielle Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen bleibt nach richtiger Ansicht erhalten. Es erscheint lediglich entbehrlich, die Beschlußanfechtung im Wege einer streng formalisierten und Raiser, FS Heinsius, 645, 648. Hachenburg I Raiser, Anh. §47 Rn. 172. 148 Siehe für einen von einem Versammlungsleiter festgestellten Beschluß auch BayObLG BB 1991,2103,2104 und für einen nicht festgestellten Beschluß OLG Hamburg ZIP 1991, 1430. 146 147

c. Vertragliche Regelungen in Untemehmensverträgen

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fristgebundenen Anfechtungsklage geltend zu machen. Im Zusammenhang mit fehlerhaften Vertragsklauseln in Unternehmensverträgen allein entscheidend ist die vorläufige Wirksamkeit der Zustimmungsbeschlüsse und die entsprechende Verbindlichkeit der unternehmensvertraglichen Regelung. Die neue Auffassung nötigt daher allenfalls insoweit zu einer Änderung der hier vertretenen Ansicht, als die Geltendmachung der Beschlußmängel auch durch Einrede, Geltendmachung eines Rechtsanspruchs gegen die Gesellschaft oder andere gerichtliche Inzidentprüfung erfolgen kann. Die darin liegende Einschränkung des Mitgliedschaftsrechts läßt sich für den Bereich der Unternehmensverträge zusätzlich dadurch rechtfertigen, daß der Minderheitsgesellschafter die Möglichkeit hat, sich zumindest in finanzieller Hinsicht über Ausgleich und Abfindung ein Äquivalent zu erhalten. Insgesamt kann daher offenbleiben, ob das Recht der Beschlußmängelklage bei der GmbH auf die neue Konzeption umgestellt werden muß. Jedenfalls ist der Vertrag wirksam, wenn keine Einwände gegen den Zustimmungsbeschluß - in welcher Form auch immer - erhoben werden. Für die GmbH gilt daher im Ergebnis nichts anderes als für die AG. Haftet einem GmbH-rechtlichen Unternehmensvertrag ein inhaltlicher Mangel an, ist die entsprechende Regelung gleichwohl verbindlich, sofern kein Nichtigkeitsgrund gegeben ist.

c.

Vertragliche Regelungen in Untemehmensverträgen

Im folgenden sollen die Auswirkungen der soeben entwickelten Anwendbarkeit der §§ 241ff. AktG auf den Unternehmensvertrag selbst anhand einiger Beispiele verifiziert werden. Entsprechend der hier vertretenen Konzeption ist jeweils zu prüfen, ob (1.) ein Rechtsverstoß überhaupt vorliegt und sodann anschließend (2.), ob der Rechtsverstoß durch die Evidenz der Rechtsverletzung gekennzeichnet ist. Eine bloße Anfechtbarkeit kommt vor allem bei nicht abschließend geregelten Fällen in Frage, bzw. dort, wo der abschließende Charakter einer Regelung nicht klar ist. Fälle, in denen die Vertragsklausel eindeutig gegen zwingendes Recht verstößt, können daher für die folgende Betrachtung vernachlässigt werden. Derartige Klauseln sind stets nichtig. Es stellt sich dort allenfalls die Frage, inwieweit derartige Klauseln heilbar sind. Die Möglichkeiten der vertraglichen Gestaltung sind vielfältig. Es sollen daher nur einige wenige Beispiele einer näheren Untersuchung unterz~gen werden. I. Zulässigkeit von Kündigungsregeln in Unternehmensverträgen

Bei der Veräußerung und dem Erwerb von Unternehmen geht es den Beteiligten zumeist auch darum, bestimmte unternehmensvertragliche Beziehun-

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Vierter Teil: Begrenzung der Fehlerfolgen bei inhaltlichen Mängeln

gen zu beenden oder zu modifizieren 149 . Dabei erlangen Rechtsfragen der Änderung und Beendigung von UnternehmensverträgeniSO ausschlaggebende Bedeutung. Zumeist finden sich vertragliche Regelungen über die Vertragsdauer und Kündigungsmöglichkeiten.

1. Zu lässigkeit der Vereinbarung einer ordentlichen Kündigung Aus dem AktG läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, ob eine ordentliche Kündigung eines Unternehmensvertrages möglich ist. Daß eine derartige Kündigung zulässig ist, ergibt sich aber aus einem Umkehrschluß aus § 297 11 AktG. Dort ist bestimmt, daß bei einer Kündigung ohne wichtigen Grund ein Sonderbeschluß der außenstehenden Aktionäre erforderlich ist 151 . Umstritten ist lediglich, ob eine ordentliche Kündigung auch ohne eine vertragliche Vereinbarung zulässig ist 152 . Ist dies aber im Vertrag vereinbart, bestehen daran keine Zweife}l53. 2. Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bei der ordentlichen Kündigung In den Gesetzesmaterialien heißt es: "Die übrigen Rechtsfragen der Kündigung, namentlich Frist und Zeitpunkt einer Kündigung ohne wi