Die "Germania generalis" des Conrad Celtis: Studien mit Edition, Übersetzung und Kommentar [Reprint 2012 ed.] 9783110935295, 9783484365674

This is the first edition of Conrad Celtis' (1459-1508) »Germania generalis« to appear with translation and a criti

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Die "Germania generalis" des Conrad Celtis: Studien mit Edition, Übersetzung und Kommentar [Reprint 2012 ed.]
 9783110935295, 9783484365674

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Anmerkungen zur Zitierweise und Abkürzungsverzeichnis
ERSTER TEIL: Edition der »Germania generalis« des Conrad Celtis mit Übersetzung, Kommentar sowie Studien zu Text- und Überlieferungsgeschichte
1. Editionsgeschichte der »Germania generalis« und Begründung einer Neuedition
2. Die Überlieferung
2.1. Vorbemerkungen
2.2. Beschreibung der Drucküberlieferung
2.3. Die handschriftliche Überlieferung
2.4. Literatur zur Druckbibliographie
3. Die »Germania generalis« in den von Conrad Celtis selbst herausgegebenen Drucken (A und B)
3.1. Vorbemerkung
3.2. »De situ et moribus Germaniae additiones« (A)
3.3. »Germania generalis« (B)
4. Textgeschichte der Überlieferung nach Celtis’ Tod
4.1. Feststellung der Abhängigkeitsverhältnisse
4.2. Stemma der Überlieferung
4.3. Exkurs: Die Änderungen des Textzeugen D
5. Überlieferungsgeschichte der »Germania generalis« nach Celtis’ Tod
5.1. Die »Germania generalis« im Verbund mit den Texten der Tacitus-Ausgabe
5.2. Die »Germania generalis« als selbständiger Text
5.3. Die handschriftliche Überlieferung
5.4. Charakteristik der Drucküberlieferung
6. Anmerkungen zu Sprache und Metrik
7. Vorbemerkungen zur Edition
7.1. Wahl der Leitüberlieferung und Editionsziel
7.2. Editionsgrundsätze
7.3. Anmerkungen zur Übersetzung
8. Edition der »Germania generalis« nach Textzeugen A und Übersetzung
C. C. De situ et moribus Germanie additiones
Des Conrad Celtis Nachträge über die Lage Deutschlands und seine Lebensart
9. Kommentar
9.1. Einleitende Bemerkungen
9.2. Grundlegende Literatur
9.3. Gliederung und Stellenkommentar der »Germania generalis«
ZWEITER TEIL: Studien zur »Germania generalis« und zur Deutschlandkonzeption des Conrad Celtis
Forschungsbericht und Ansatz der vorliegenden Studien
I. Grundlagen für Celtis’ Projekt einer historisch-geographischen Deutschlandbeschreibung
1. Die Ursprünge von Celtis’ Interesse an Historiographie und Geographie im Ingolstädter Bildungsprogramm
1.1. Bildungsprogrammatische Grundlagen für Celtis’ Deutschlanddichtung
1.2. Vom Ingolstädter Bildungsprogramm zur »Germania generalis«
2. Modelle historisch-geographischer Landesbeschreibung – Flavio Biondos »Italia illustrata« und Enea Silvio Piccolominis Deutschlandbeschreibungen
2.1. Vorbemerkung: Historisch-geographische Landesbeschreibung als Forschungsaufgabe
2.2. Flavio Biondos »Italia illustrata«
2.3. Die Deutschlandbeschreibungen des Enea Silvio Piccolomini
2.4. Antike »auctoritas« und zeitgenössisches Wissen – Zur Erweiterung des Quellenkorpus im 15. Jahrhundert und dessen Bewertung
3. Vom Interesse an geographischer Literatur zur ersten eigenen Deutschlandbeschreibung in der »Norimberga«
3.1. Celtis’ Begegnung mit geographischen Texten der Antike bis zur Abfassung der »Germania generalis«
3.2. Die Mittlerfunktion der Schedeischen Weltchronik
3.3. Celtis’ erste Deutschlandbeschreibung: Die »Norimberga« von 1495
II. Die Deutschlandkonzeption der »Germania generalis«
1. Kosmogenese und nationaler Ursprung
1.1. Das erste Kapitel der »Germania generalis« im Kontext unterschiedlicher Gattungskonzepte
1.2. Weltschöpfung, »Germania« und »Germani« – Zur Nationalisierung universaler Ursprungsmythen
2. Von genealogischem Geschichtsverständnis zu ethnisch definiertem Raumbewußtsein
2.1. Herkunftsmythos und Indigenitätsanspruch
2.2. Indigenität als Konstituens deutscher humanistischer Geschichtsschreibung
3. Die drei geographischen Kapitel der »Germania generalis«
3.1. Wie beschreibt man Deutschland? – Zur unterschiedlichen Ausgangslage von Flavio Biondo und Conrad Celtis
3.2. Die Grenzen von Celtis’ »Germania«
3.3. Das Landesinnere der »Germania« – Die »silva Hercynia« als Lebensraum der einzelnen Volksstämme
3.4. Die Vier als Strukturzahl der »Germania«
4. Von der Barbarei zur Kultur
4.1. Die »Germania« als Kulturlandschaft
4.2. Aspekte einer kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung der »Germania«
4.3. »Translatio imperii«, »Translatio studii« und kulturelle Entwicklung
4.4. Das Verhältnis zwischen der »Germania generalis« und der »Germania« des Tacitus
III. Annäherung an die »Germania illustrata«
1. Die Beziehung zwischen Celtis’ Œuvre und der »Germania illustrata«
1.1. Die Funktion der »Germania generalis« in der Nürnberger »Amores«-Ausgabe von 1502
1.2. »Germania illustrata, quae in manibus est« – Inhaltliche und konzeptionelle Hinweise auf die »Germania illustrata« in Celtis’ Werk
2. Die »Germania illustrata« und die systematische Erforschung der »patria«
2.1. Applikation der Methode Flavio Biondos auf Celtis’ Plan der »Germania illustrata«
2.2. Die »Germania illustrata« als Gemeinschaftsaufgabe
2.3. Historisch-geographische Landesbeschreibung als Celtis’ Erbe – Ein Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Primärtexte in Editionen
2. Unedierte Primärtexte
3. Forschungsliteratur
Register
1. Orts- und Namenregister der »Germania generalis«
2. Orts- und Namenregister (Gesamtregister)

Citation preview

Frühe Neuzeit Band 67 Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext In Verbindung mit der Forschungsstelle „Literatur der Frühen Neuzeit" an der Universität Osnabrück Herausgegeben von Jörg Jochen Berns, Klaus Garber, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller und Friedrich Vollhardt

Gemot Michael Müller

Die »Germania generalis« des Conrad Celtis Studien mit Edition, Übersetzung und Kommentar

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2001

Meinen Eltern Gisela und Günter

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Müller, Gernot Michael: Die »Germania generalis« des Conrad Celtis : Studien mit Edition, Übersetzung und Kommentar / Gernot Michael Müller. - Tübingen: Niemeyer, 2001 (Frühe Neuzeit; Bd. 67) ISBN 3-484-36567-6

ISSN 0934-5531

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2001 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Buchbinderei Heinr. Koch, Tübingen

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1998/99 von der Philosophischen Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften II der LudwigMaximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie wurde für den Druck überarbeitet. An dieser Stelle möchte ich für die Unterstützung danken, die mir während meiner Arbeit an Conrad Celtis' Germania generalis zuteil geworden ist. An erster Stelle ist hier mein Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Franz Josef Worstbrock zu nennen. Er hat die Anregung zu der Arbeit gegeben und ihr Entstehen kontinuierlich durch Rat und konstruktive Kritik gefördert. Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß ihm wohl der maßgebliche Anteil an meiner wissenschaftlichen Entwicklung zukommt. Seitdem er mich im Sommersemester 1992 als Hilfskraft angestellt hatte und auch während der zweijährigen Mitarbeit in seinem DFG-Projekt »Humanismus und deutsche Nation«, in dem die Arbeit entstanden ist, hat er mein Studium beratend begleitet und mir im persönlichen Austausch Forschungsfelder eröffnet, die im normalen Lehrbetrieb häufig unbeachtet bleiben. Des weiteren schulde ich Dank Herrn Prof. Dr. Konrad Benedikt Vollmann, München, der das Korreferat übernahm und mir durch Rat und Tat vielfach zur Seite stand. Für klärende Gespräche und hilfreiche Ratschläge bin ich überdies Herrn Prof. Dr. Hartmut Kugler, Erlangen, Herrn Prof. Dr. Markus Völkel, Rostock, sowie Herrn PD Dr. Reinhard Stauber, München, zu großem Dank verpflichtet. Sie hatten stets ein offenes Ohr, wenn ich mich mit Fragen an sie wandte. Den Herausgebern der Reihe »Frühe Neuzeit« bin ich für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe sehr verbunden. Mein Dank gilt insbesondere Herrn Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann und Herrn Prof. Dr. Jan-Dirk Müller für ihre zahlreichen ergänzenden Hinweise. Frau Birgitta Zeller und Frau Susanne Mang vom Max Niemeyer Verlag danke ich für die gute Zusammenarbeit. Die Arbeit wäre in dieser Form nicht zustande gekommen, hätte ich nicht auf die Hilfe zahlreicher Freunde bauen können. In diesem Zusammenhang sind zu nennen Dr. Jörn Bockmann, Wolfgang Petzsch, Jörg Robert und im besonderen Matthias Haus, dem auch seine Nächte nicht zu schade waren, um mir zur Seite zu stehen. Meiner Frau Silvia gebührt das Verdienst, mich stets unterstützt und auch die schwierigen Phasen der Arbeit mit Gleichmut ertragen zu haben. Sie und Matthias Haus haben überdies zusammen mit meiner Schwester Gabriele die beschwerliche Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen.

VI Gewidmet sei die Arbeit aber meinen Eltern Gisela und Günter als Dank für ihre uneingeschränkte Förderung meiner schulischen und universitären Ausbildung, die hiermit zu einem gewissen Abschluß gelangt ist.

Augsburg, im März 2001

Gernot Michael Müller

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Inhaltsverzeichnis Anmerkungen zur Zitierweise und Abkürzungsverzeichnis

V VII XIII

ERSTER TEIL:

Edition der »Germania generalis« des Conrad Celtis mit Übersetzung, Kommentar sowie Studien zu Text- und Überlieferungsgeschichte 1.

Editionsgeschichte der »Germania generalis« und Begründung einer Neuedition

3

2.

Die Überlieferung

9

2.1.

Vorbemerkungen

9

2.2.

Beschreibung der Drucküberlieferung

11

2.3.

Die handschriftliche Überlieferung

25

2.4.

Literatur zur Druckbibliographie

27

3.

Die »Germania generalis« in den von Conrad Celtis selbst herausgegebenen Drucken ( A und Β )

29

3.1.

Vorbemerkung

29

3.2.

»De situ et moribus Germaniae additiones« (A)

29

3.2.1. Zur Entstehung der Tacitus-Ausgabe

29

3.2.2. Überlieferungskontext der »Germania generalis« in der Tacitus-Ausgabe 3.2.3. Anmerkungen zu Celtis' »Germania«-Edition

31 34

3.2.4. Textgestalt der »Germania generalis« in A

36

3.3. »Germania generalis« (B) 3.3.1. Überlieferungskontext der »Amores«-Ausgabe

41 41

3.3.2. Textgestalt der »Germania generalis« in Β

44

4.

Textgeschichte der Überlieferung nach Celtis'Tod

48

4.1.

Feststellung der Abhängigkeitsverhältnisse

48

Vili 4.2.

Stemma der Überlieferung

50

4.3.

Exkurs: Die Änderungen des Textzeugen D

51

5.

Überlieferungsgeschichte der »Germania generalis« nach Celtis'Tod

56

5.1.

Die »Germania generalis« im Verbund mit den Texten der Tacitus-Ausgabe

56

5.2.

Die »Germania generalis« als selbständiger Text

62

5.3.

Die handschriftliche Überlieferung

70

5.4.

Charakteristik der Druckiiberlieferung

71

6.

Anmerkungen zu Sprache und Metrik

73

7.

Vorbemerkungen zur Edition

83

7.1.

Wahl der Leitüberlieferung und Editionsziel

83

7.2.

Editionsgrundsätze

84

7.3.

Anmerkungen zur Übersetzung

86

8.

Edition der »Germania generalis« nach Textzeugen A und Übersetzung

89

C. C. De situ et moribus Germanie additiones

90

Des Conrad Celtis Nachträge über die Lage Deutschlands und seine Lebensart

91

9.

Kommentar

110

9.1.

Einleitende Bemerkungen

110

9.2.

Grundlegende Literatur

112

9.3.

Gliederung und Stellenkommentar der »Germania generalis«

113

ZWEITER TEIL:

Studien zur »Germania generalis« und zur Deutschlandkonzeption des Conrad Celtis Forschungsbericht und Ansatz der vorliegenden Studien I.

1.

187

Grundlagen für Celtis' Projekt einer historisch-geographischen Deutschlandbeschreibung

205

Die Ursprünge von Celtis' Interesse an Historiographie und Geographie im Ingolstädter Bildungsprogramm

207

IX 1.1.

Bildungsprogrammatische Grundlagen für Celtis' Deutschlanddichtung

207

1.1.1. Kosmographie und Geschichte im universitären Reformentwurf der »Panegyris ad duces Bavariae« 1.1.2. Studium und »Translatio imperii«

207 213

1.1.3. Die Ingolstädter Rede: Geschichtsschreibung als nationale Verteidigung 1.2.

217

Vom Ingolstädter Bildungsprogramm zur »Germania generalis« . . . 224

1.2.1. Nationale Historiographie und die »Germania illustrata«

224

1.2.2. Die »Germania generalis« - Vorbilder, Aufbau und Problemstellung

226

1.2.3. Zum Spannungsfeld zwischen Reichsuniversalismus und nationaler Deutschlandperspektive

229

2.

2.1. 2.2.

Modelle historisch-geographischer Landesbeschreibung Flavio Biondos »Italia illustrata« und Enea Silvio Piccolominis Deutschlandbeschreibungen

233

Vorbemerkung: Historisch-geographische Landesbeschreibung als Forschungsaufgabe

233

Flavio Biondos »Italia illustrata«

237

2.2.1. Topographische Beschreibung und historiographischer Anspruch der »Italia illustrata«

237

2.2.2. Aufbau und geographische Beschreibung

242

2.2.3. Zur Bedeutung der Überlieferung für die geographische Beschreibung

246

2.3.

Die Deutschlandbeschreibungen des Enea Silvio Piccolomini

250

2.3.1. Enea Silvios »Germania«: »mutatio« von der Barbarei zur Kultur . .

250

2.3.2. Die »Europa«: Enea Silvios Kritik am Fehlen antiker geographischer Texte über Deutschland

258

2.4. 3. 3.1.

Antike »auctoritas« und zeitgenössisches Wissen - Zur Erweiterung des Quellenkorpus im 15. Jahrhundert und dessen Bewertung

263

Vom Interesse an geographischer Literatur zur ersten eigenen Deutschlandbeschreibung in der »Norimberga«

268

Celtis' Begegnung mit geographischen Texten der Antike bis zur Abfassung der »Germania generalis«

268

3.1.1. Bücher aus Celtis'Besitz

268

3.1.2. Bücheraustausch im Freundeskreis des Celtis

277

3.1.3. Die Bedeutung Hartmann Schedels und seiner Bibliothek für Celtis' geographisches Interesse

282

χ 3.2.

Die Mittlerfunktion der Schedeischen Weltchronik

286

3.2.1. Celtis' Verpflichtung zu einer Überarbeitung der Weltchronik

286

3.2.2. Schedels Vorbemerkungen zur »Europa« und zur Deutschlandkarte in der Weltchronik

289

3.3.

Celtis' erste Deutschlandbeschreibung: Die »Norimberga« von 1495

294

3.3.1. Stadtbeschreibung und Umlandperspektive

294

3.3.2. Deutschlandbeschreibung und autoptischer Anspruch

299

II.

Die Deutschlandkonzeption der »Germania generalis«

303

1.

Kosmogenese und nationaler Ursprung

305

1.1.

Das erste Kapitel der »Germania generalis« im Kontext unterschiedlicher Gattungskonzepte

305

1.1.1. Die mythische Weltentstehung der »Germania generalis« und ihre Quellen

305

1.1.2. Zum Verhältnis von Astronomie und Kosmologie bei Celtis

310

1.1.3. Kosmographie und Landesbeschreibung

318

1.2.

Weltschöpfung, »Germania« und »Germani« Zur Nationalisierung universaler Ursprungsmythen

322

1.2.1. Weltschöpfung und »Germania« - Ein Geschichtsmodell mit kosmischer und nationaler Koordinate

322

1.2.2. Der Anspruch auf den eigenen göttlichen Urahn

330

2. 2.1.

Von genealogischem Geschichtsverständnis zu ethnisch definiertem Raumbewußtsein

335

Herkunftsmythos und Indigenitätsanspruch

335

2.1.1. Die göttliche Abstammung der »Germani« im Kontext traditioneller Herkunftsparadigmen

335

2.1.2. Zusammengehörigkeit der »Germani« und Indigenität

341

2.2.

Indigenität als Konstituens deutscher humanistischer Geschichtsschreibung

350

2.2.1. Indigenität und Abstammung als Konkurrenzmodelle

350

2.2.2. Indigenitätsbehauptung im Horizont der Berosus-Rezeption

354

3.

Die drei geographischen Kapitel der »Germania generalis«

359

3.1.

Wie beschreibt man Deutschland? - Zur unterschiedlichen Ausgangslage von Flavio Biondo und Conrad Celtis

359

Die Grenzen von Celtis' »Germania«

366

3.2.

XI 3.2.1. Die Ausdehnung der »Germania« und ihr Verhältnis zur Überlieferung

366

3.2.2. Mittelpunkt und Grenzen als Struktur der »Germania«

370

3.2.3. Die Raumstruktur der »Germania« und die Tradition vom Erdmittelpunkt

373

3.3.

Das Landesinnere der »Germania« - Die »silva Hercynia« als Lebensraum der einzelnen Volksstämme

376

3.3.1. Topographische Gliederung

376

3.3.2. Siedlungsgeographische Aspekte der »Germania generalis«

381

3.4. Die Vier als Strukturzahl der »Germania« 3.4.1. Celtis' »Germania« und die zeitgenössische Ausdehnung Deutschlands

386 386

3.4.2. Die Vierzahl als Grundlage politischer Ordnungsmuster

389

3.4.3. Die Beziehung zwischen der Deutschlandkonzeption der »Germania generalis« und der kosmischen Ordnung der »Amores« . . 392 4.

Von der Barbarei zur Kultur

403

4.1.

Die »Germania« als Kulturlandschaft

403

4.1.1. Die »mutatio« der »Germania«

403

4.1.2. Celtis' »Germani« als Synthese zwischen germanischem und humanistischem Ideal

408

4.2.

Aspekte einer kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung der »Germania«

415

4.2.1. »Conversio siderum« - Zur Rolle kosmischer Veränderung in Celtis ' Geschichtsdenken

415

4.2.2. Celtis' Druidenmythos

418

4.2.3. Kulturentstehung als Leistung der Druiden

421

4.3.

»Translatio imperii«, »Translatio studii« und kulturelle Entwicklung

424

4.3.1. Germanien als Ort eines goldenen Zeitalters - Anmerkungen zu einer Fehlinterpretation

424

4.3.2. Humanistisches Geschichtsverständnis in Italien und Deutschland . . 428 4.3.3. »Translatio« und kulturelle Entwicklung 4.4.

Das Verhältnis zwischen der »Germania generalis« und der »Germania« des Tacitus

430 436

XII III.

Annäherung an die »Germania illustrata«

441

1.

Die Beziehung zwischen Celtis' Œuvre und der »Germania illustrata« . 443

1.1.

Die Funktion der »Germania generalis« in der Nürnberger »Amores«-Ausgabe von 1502

443

1.1.1. Die »Amores«-Edition und die Inszenierung einer bevorstehenden Veröffentlichung des Gesamtwerks

443

1.1.2. Die Präsentation der »Germania generalis« als Vorankündigung der »Germania illustrata«

447

1.2.

»Germania illustrata, quae in manibus est« - Inhaltliche und konzeptionelle Hinweise auf die »Germania illustrata« in Celtis' Werk . 452

1.2.1. Erwähnungen der »Germania illustrata« in Celtis'Werk

452

1.2.2. »Amores« und Oden - Dichtungen im Kontext der Deutschlandkonzeption

455

2.

Die »Germania illustrata« und die systematische Erforschung der »patria«

2.1.

Applikation der Methode Flavio Biondos auf Celtis ' Plan

2.2.

462

der »Germania illustrata«

462

Die »Germania illustrata« als Gemeinschaftsaufgabe

465

2.2.1. Aspekte der Arbeitsorganisation

465

2.2.2. Parallelunternehmen zur »Germania illustrata«

469

2.3.

Historisch-geographische Landesbeschreibung als Celtis' Erbe Ein Ausblick

472

Abbildungsverzeichnis

485

Literaturverzeichnis

487

1.

Primärtexte in Editionen

487

2.

Unedierte Primärtexte

490

3.

Forschungsliteratur

492

Register

513

1.

Orts-und Namenregister der »Germania generalis«

513

2.

Orts- und Namenregister (Gesamtregister)

515

Anmerkungen zur Zitierweise und Abkürzungsverzeichnis

1. Zum Titel der »Germania generalis« Celtis' Germania generalis liegt in zwei Fassungen vor, in denen sie unterschiedlich betitelt ist. In der ersten Fassung, die zwischen 1498 und 1500 entstanden ist und die im folgenden mit der Sigle A bezeichnet wird, hat Celtis' das Gedicht De situ et moribus Germaniae additiones genannt; in der zweiten Fassung, die er seiner 1502 in Nürnberg gedruckten Amores-Edition beigegeben hat und die hier mit der Sigle Β versehen ist, trägt es die Überschrift Germania generalis. Da in der Forschung durchweg der zweite Name Verwendung findet, wird Celtis' poetische Deutschlandbeschreibung auch in dieser Arbeit stets Germania generalis genannt, auch wenn als Bezugstext fast ausschließlich die erste Fassung herangezogen wird. Allein wenn es um die Differenzen der beiden Fassungen geht, werden zur genauen Unterscheidung beide Titel verwendet.

2. Zur Zitierweise von Handschriften, Inkunabeln und Frühdrucken Zitate aus Handschriften, Inkunabeln und Frühdrucken werden sowohl hinsichtlich Orthographie als auch Interpunktion getreu ihrer Vorlage wiedergegeben. Abweichend davon sind Schaft-s zu rundem s sowie die beiden Schreibungen von r (! oder r) zu r vereinheitlicht. Abkürzungen sind stets ohne Kenntlichmachung aufgelöst.

3. Hinweis zu Zitaten aus Celtis' lyrischen Werken Neben den Editionen der Amores, Oden, Epoden und des Carmen saeculare, die Felicitas Pindter 1934 und 1937 veröffentlicht hat, liegt seit 1997 eine übersetzte und kommentierte Auswahl dieser Werke in der von Wilhelm Kühlmann, Robert Seidel und Hermann Wiegand herausgegebenen Anthologie »Humanistische Lyrik des 16. Jahrhunderts« vor. Sofern aus Gedichten zitiert wird, welche in diese Sammlung aufgenommen wurden, erfolgt die Wiedergabe nach dem dort erscheinenden Text. Kenntlich gemacht wird dies durch den Zusatz »(ed. Kühlmann/Seidel/Wiegand)«.

XIV 4.

Abkürzungsverzeichnis

In der nachfolgenden Liste werden die einzelnen Werke mit einem Kurztitel zitiert. Die genauen Titel sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. Antike Werke, die nur im Similienkommentar der Edition oder im Kommentar erscheinen, ohne zitiert zu werden, wurden nicht ins Literaturverzeichnis aufgenommen. 4.1.

Werke des Conrad

Celtis

Am.

Conradus Celtis Protucius: Quattuor libri Amorum secundum quattuor latera Germaniae

Am. Praef.1

Conradus Celtis Protucius: Praefatio et panegyrici prima pars ad Maximilianum Romanorum regem et Caesarem Augustum in libros Amorum. In: Quattuor libri Amorum secundum quattuor latera Germaniae, S. 1-7

Ars

Conradus Celtis Protucius: Ars versificandi et carminum

BW

Der Briefwechsel des Conrad Celtis

Carm. saec.

Conradus Celtis Protucius: Carmen saeculare

Epigr.

Conradus Celtis Protucius: Epigrammatum libri quinqué

Epod.

Conradus Celtis Protucius: Liber epodon

Germ. gen.

Conradus Celtis Protucius: Germania generalis (=De situ et moribus Germaniae additiones)

Od.

Conradus Celtis Protucius: Libri odarum quattuor Conradus Celtis Protucius: Oratio in gymnasio Ingelstadio publice recitata

Oratio2 QLA

4.2.

Conradus Celtis Protucius: Quattuor libri Amorum secundum quattuor latera Germaniae. Nürnberg: o. Drucker, 1502

Werke mittelalterlicher

und humanistischer

Autoren

AEN. SILV. B W

Der Briefwechsel des Enea Silvio Piccolomini

AEN. SILV. E u r .

Enea Silvio Piccolomini: De statu Europae sub Friderico III. liber (=Europa)

AEN. SILV. Germ.

Enea Silvio Piccolomini: Germania

AEN. SILV. Hist. Bohem.

Enea Silvio Piccolomini: Historia Bohémica

BOCC. Geneal.

Giovanni Boccaccio: Genealogia deorum gentilium

Hist, decad.

Flavio Biondo: Historiarum decades

1

2

Bei Verweisen auf die Praefatio wird nach der Seitenzahl auch die Paragraphenzahl nach der Ausgabe von Pindter in eckigen Klammern angegeben. Ebenso werden bei Verweisen auf die Oratio nach der Seitenzahl auch die Paragraphenzahlen nach der Ausgabe von Rupprich in eckigen Klammern angegeben.

XV It. ill.

Flavio Biondo: Italia illustrata

JOH. SACR. Tract, sph.

Johannes von Sacrobosco: Tractatus de sphaera

LAUR. COR. Cosmogr.

Laurentius Corvinus: Cosmographia

Lib. chron.

Hartmann Schedel: Liber chronicarum

4.3. Werke antiker

Autoren

Die verwendeten Kürzel für lateinische Werke entsprechen den Standardabkürzungen des Thesaurus linguae Latinae (vgl. Editio altera, tom. 11: Index) sowie des Oxford Latin Dictionary (S. IX-XX). Die Kürzel für griechische Werke sind dem Greek-English Lexicon von H. G. Liddell und R. Scott entnommen. AMM.

Ammianus Marcellinus: Res gestae

Aetna

Aetna, carmen appendicis Vergilianae

APUL. Met.

Apuleius Madaurensis: Metamorphoses

APUL. Mun.

Apuleius Madaurensis: De mundo

APUL. PI.

Apuleius Madaurensis: De Piatone et eius dogmate

APUL. Soc.

Apuleius Madaurensis: De deo Socratis

ARNOB. nat.

Amobius: Adversus nationes

AUSON. Mos.

D. Magnus Ausonius: Mosella

BOETH. Mus.

A. Manlius Severinus Boethius: De institutione musica

CAES. Gal.

C. Iulius Caesar: De bello Gallico

Cie. Lael.

M. Tullius Cicero: Laelius de amicitia

Cie. N. D.

M. Tullius Cicero: De natura deorum

Cie. Orat.

M. Tullius Cicero: Orator

Ciris

Ciris, carmen appendicis Vergilianae

CLAUD.

Claudius Claudianus: Carmina maiora

CLAUD, rapt. Pros.

Claudius Claudianus: De raptu Proserpinae

Culex

Culex, carmen appendicis Vergilianae

CURT.

Q. Curtius Rufus: Historia Alexandri Magni

HES. Th.

Hesiodos: Theogonia

Hist. Apoll.

Historia Apollini regis Thyri

HÖR. carm.

Q. Horatius Flaccus: Carmina (Oden)

HÖR. Ep.

Q. Horatius Flaccus: Epistulae

HYG. astr.

Hyginus: Astronomica

ΠΥΟ. fab.

Hyginus: Fabulae

IORD. Get.

Iordanes Geta: De origine et actibus Getarum

ISID. orig.

Isidoras: Originum sive etymologiarum libri

luv.

D. Iunius Iuvenalis: Saturae

IUVENC.

C. Vettius Aquilinus Iuvencus: Libri evangeliorum

Lrv.

Titus Livius: Ab urbe condita

XVI LUC.

M. Annaeus Lucanus: Pharsalia (De bello civili)

LUCR.

T. Lucretius Carus: De rerum natura

MACR. sat.

Ambrosius Theodosius Macrobius: Saturnalia

MACR. somn.

Ambrosius Theodosius Macrobius: Commentarli in somnium Scipionis

MAN.

M. Manilius: Astronomica

MART. CAP.

Martianus Capella: De nuptiis Mercurii et Philologiae

MELA

Pomponius Mela: De Chorographia

OV. Am.

P. Ovidius Naso: Amores

Ο ν . ars

P. Ovidius Naso: Ars amatoria

OV. ep.

P. Ovidius Naso: Epistulae (Heroides)

OV. fast.

P. Ovidius Naso: Fasti

OV. Ib.

P. Ovidius Naso: Ibis

OV. Met.

P. Ovidius Naso: Metamorphoses

OV. Pont.

P. Ovidius Naso: Epistulae ex Ponto

Ο ν . Trist.

P. Ovidius Naso: Tristia

PERS.

A . Persius Flaccus: Saturae

PETR.

Petronius: Satyricon reliquiae

PL. Phdr.

Platon: Phaidros

PL. Ti. (lat.)

Platon: Timaeus (in der lat. Übersetzung des Calcidius)

PL. Bac.

T. Macchius Plautus: Bacchides

PL. Capt.

T. Macchius Plautus: Captivi

PL. Mer. PL. Ps. PL. Trin. PLIN. Ep. PLIN. Nat. PROP.

T. Macchius Plautus: Mercator T. Macchius Plautus: Pseudolus T. Macchius Plautus: Trinummus C. Plinius Caecilius Secundus (d. J.): Epistulae C. Plinius Secundus (d. Α.): Naturalis historia Sextus Propertius: Elegiarum libri quattuor

QUINT. Deel.

M. Fabius Quintilianus: Declamationes

SAL. Cat.

C. Sallustius Crispus: De coniuratione Catilinae

SEN. Her. F.

L. Annaeus Seneca: Hercules furens

SEN. Her. O.

L. Annaeus Seneca: Hercules Oetaeus

SEN. Nat.

L. Annaeus Seneca: Naturales quaestiones

SEN. Phaed.

L. Annaeus Seneca: Phaedra

SEN. Phoen.

L. Annaeus Seneca: Phoenissae

SEN. Thy.

L. Annaeus Seneca: Thyestes

[SEN.] Oct.

Ps.-Seneca: Octavia

SIL.

Silius Italicus: Punica

STAT. Silv.

P. Papinius Statius: Silvae

STAT. Theb.

P. Papinius Statius: Thebais

SUET. Cl.

C. Suetonius Tranquillus: Claudius

XVII TAC. A g .

Cornelius Tacitus: Agricola

TAC. ann.

Cornelius Tacitus: Annales

TAC. Ger.

Cornelius Tacitus: Germania

TAC. Hist.

Cornelius Tacitus: Historiae

TIB.

Albius Tibullus: Elegiae

[TIB.]

Corpus Tibullianum, liber 3

V . FL.

C. Valerius Flaccus: Argonautica

VAR. R.

M. Terentius Varrò: Res rusticae

VELL.

C. Velleius Paterculus: Historiae Romanae

VEN. FORT. Mart.

Venantius Fortunatus: Vita Sancti Martini

VERG. A .

P. Vergilius Maro: Aeneis

VERG. Eel.

P. Vergilius Maro: Eclogae

VERG. G.

P. Vergilius Maro: Geórgica

VITR.

Vitruvius: De architectura

4.4. Werke griechischer Autoren in lateinischen Übersetzungen DION. PER. sit. orb.

Dionysius Periegetes: De situ orbis (Orbis descriptio). Lat. von Priscian

PTOL. Cosmogr.

Claudius Ptolemaeus: Cosmographia. Lat. von Jacopo Angeli da Scarperia

STR.

Strabon: De situ orbis (Geographika). Lat. von Guarino Veronese

ERSTER TEIL:

Edition der »Germania generalis« des Conrad Celtis mit Übersetzung, Kommentar sowie Studien zu Text- und Überlieferungsgeschichte

1. Editionsgeschichte der »Germania generalis« und Begründung einer Neuedition Der hier vorgelegten Edition der Germania generalis sind bereits drei Ausgaben des Gedichts vorangegangen. Conrad Celtis' hexametrische Deutschlandbeschreibung ist damit dasjenige Werk des Humanisten, das mit Abstand am häufigsten ediert worden ist. Angesichts dieser Tatsache ist die Frage berechtigt, warum diesen Editionen hiermit eine weitere hinzugefügt wird. Im folgenden sollen daher die Gründe einer Neuedition anhand einer kritischen Überprüfung der bisherigen Editionen erörtert werden. Die erste moderne kritische Edition der Germania generalis besorgte Felicitas Pindter in ihrer 1934 erschienenen Ausgabe von Celtis' Quattuor libri Amrum. Der Band enthält die Widmung der Amores an Kaiser Maximilian I. (Praefatio et panegyrici prima pars ad Maximilianum Romanorum regem et Caesarem Augustum in libros Amorum),1 die vier Bücher Amores,2 die Germania generalis3 sowie neun Gedichte zu je vier Versen des Vinzenz Lang, betitelt In Conradi Celtis novenariumA Pindter legte den Texten ihrer Ausgabe den Nürnberger Amores-Druck von 1502 zugrunde, an dem sich auch das Ensemble der von ihr edierten Texte orientiert. Denn bei ihnen handelt es sich um solche der Nürnberger Ausgabe, die auf den Blättern a-m r erscheinen und, angezeigt durch einen eigenen Kolophon auf Bl. m iiv, eine Einheit innerhalb des Nürnberger Drucks bilden. Dieser Überlieferungsverbund, in dem Celtis' Texte vereint mit solchen eines anderen befreundeten Autors erscheinen, wird in Pindters Edition allerdings nicht kenntlich gemacht, da die Editorin strikt das Autorprinzip verfolgte, so daß sie als Konsequenz daraus Vinzenz Langs Gedichte aus der Textfolge der Nürnberger Ausgabe ausgegliedert und in einen Anhang verschoben hat. Pindter übersah dabei freilich, daß bei den Humanisten die Präsentation von Beziehungen zwischen dem Autor und Freunden oder Gönnern im eigenen Werk zum Charakter der literarischen Öffentlichkeit gehörte. Textbeigaben als Nachweis freundschaftlicher Verbindungen sind damit wesentlicher Bestandteil einer humanistischen Veröffentlichung. Zu diesem Verfahren gehört auch, daß solche von Bekannten beigesteuerten Texte fester Bestandteil eines editorischen Programms sind. Entsprechend sind die Gedichte des Vinzenz Lang in der Amores-Ausgabe nicht ohne Grund zwischen der Praefatio und den Amores piaziert. Denn als eine Art Einleitung zu den vier 1

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Pindter (Hg.): Quattuor libri Amorum, S. 1-7. Ebd., S. 8-97. Ebd., S. 98-104. Ebd., S. 105f.

4 Büchern der Amores stellen sie inhaltliche Aspekte der Elegiensammlung vor (z.B. In quatuor aetates', In quatuor anni tempora; In quatuor mundi plagas, et quatuor vrbfium] Ger[maniae] tetragona5 etc.), wobei sich die einzelnen Verse jeweils auf das entsprechende Buch der Elegiensammlung beziehen (Vers 1 weist auf Buch 1 usw.). Bildlich dargestellt werden diese Themenkreise in den Holzschnitten, die den einzelnen Büchern voranstehen. 6 Dieser Verweiszusammenhang wird durch Pindters Vorgehen, Vinzenz Langs Vierzeiler innerhalb der Edition als Texte eines Fremden zu marginalisieren, unkenntlich gemacht. Dem Textensemble der Nürnberger Ausgabe, das Celtis als sein eigener Editor so zusammengestellt hat und das gerade von den hier nur angedeuteten internen Textbeziehungen lebt, wird damit ein wesentlicher Teil seiner spezifischen Signatur genommen. Entsprechend einer Notiz in ihrem Verzeichnis der Textzeugen scheint Pindter die Existenz einer früheren Veröffentlichung der Germania generalis vor dem Nürnberger Druck bekannt gewesen zu sein. 7 Als weiteren Überlieferungsträger der Germania generalis neben dem Nürnberger Druck führt sie eine 1515 erschienene Tacitus-Ausgabe (hier: D) an. Diesen Druck, der stark von den anderen Textzeugen abweicht, 8 hält sie für identisch mit dem ihr unbekannten Erstdruck, und sie beruft sich für ihre Behauptung auf den ersten Celtis-Biographen, Engelbert Klüpfel. 9 Dieser kennt die Unterschiede zwischen dem Erstdruck und dem aus dem Jahre 1515 jedoch sehr wohl, so daß Pindters Verweis auf Klüpfel als irrig gelten muß. 10 Von den Textzeugen des 16. und 17. Jahrhunderts hat sie Kenntnis genommen, läßt sie aber für ihre Edition außer acht, da in ihnen keine Abweichungen zu finden seien. 11 U m welche Drucke es sich dabei handelt, erwähnt Pindter nicht, so daß nicht entschieden werden kann, ob ihr alle Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts bekannt waren. In Pindters Edition erscheint die Germania generalis, dem Nürnberger Amores-Druck entsprechend, zusammen mit den vier Distichen, die als Prae5

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11

Zitiert nach QLA [a vii]v (im Nürnberger Druck erscheinen die Titel großgeschrieben). Zum inhaltlichen Konzept der Amores-Ausgabe siehe Teil 2, Kap. II.3.4.3. Zu den vier Holzschnitten und deren Funktion innerhalb der Amores-Ausgabe siehe Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 174-213 (dort auch Hinweise zu weiterer Literatur). Quattuor libri Amorum, S. VI (Praefatio): »His temporibus in nulla bibliotheca Germanica et Austriaca tale exemplar anni 1500 invenire potuimus; idcirco in nostra editione Germaniam Generalem anno 1502 editam secutae sumus.« Daß ihr die TacitusAusgabe nicht bekannt war, ist insofern auffällig, als bereits Langer: Bibliographie der österreichischen Drucke, S. 149 ein Exemplar dieses Drucks verzeichnet. Siehe unten S. 17f. und S. 51-55. Über die Tacitus-Ausgabe von 1515 sagt Pindter (Quattuor libri Amorum, S. VI): »[...] hanc priorem formam carminis esse, quae iam anno 1500 in editione Germaniae Taciti edita sit, Engelbert Klüpfel testatur.« Bezüglich des in Wien im Jahre 1515 bei Johannes Singriener hergestellten Drucks äußert sich Klüpfel folgendermaßen, indem er ihn mit dem Erstdruck vergleicht (De vita et scriptis, Bd. 2, S. 63): »Est haec editio non emendatior solum: verum etiam accessionibus quibusdam auctior.« Quattuor libri Amorum, S. VI.

5 fatio an Maximilian I. dem Gedicht vorangestellt sind.12 Der Text der Edition erscheint in stark normierter Gestalt; seine Orthographie entspricht der des klassischen Lateins. Der textkritische Apparat, der am Ende der Ausgabe folgt, gibt, gemäß Pindters angekündigter Beschränkung, nur über die Abweichungen des Wiener Drucks aus dem Jahre 1515 Auskunft. An seinem Ende führt Pindterdie im Nürnberger Druck auf Blatt m iir erscheinenden griechischen Verba Ierothei des Ps.-Dionysios Areopagita und deren lateinische Übersetzung sowie den Kolophon an. Ein Jahr nach Pindters Edition gab Hans Rupprich die Germania generalis in seiner Sammlung Humanismus und Renaissance in den deutschen Städten und an den Universitäten heraus.13 Der Text entspricht der Edition Pindters; Hinweise zur Überlieferung und zur Textgestaltung fehlen. Im Jahre 1966 legte Kurt Adel eine Ausgabe der in Wien gedruckten Werke des Celtis vor, zu denen auch die Germania generalis gehört.14 Wie bei dem Gedicht, das Celtis zusammen mit dem dritten Kapitel der Norimberga in seiner Tacitus-Ausgabe veröffentlicht hat, handelt es sich in den überwiegenden Fällen um Texte, welche einem von Celtis edierten Text entweder voranstehen oder in dessen Anhang veröffentlicht wurden. Adel beschränkt sich bei seiner Edition allerdings stets auf die Wiedergabe der Texte des Celtis beziehungsweise, im Falle der Episodio sodalitatis Danubianae, seiner Humanistenfreunde, nimmt jedoch durch die Wiedergabe des Titelblatts einer jeden Ausgabe auf den Gesamtzusammenhang, in dem die Texte des Celtis stehen, Bezug. Entsprechend erfolgt die Edition der Germania generalis und des dritten Kapitels der Norimberga unter dem Titel der Tacitus-Ausgabe Cornelii Taciti De origine et situ Germanorum liber incipit.15 Daß es Adel um die gesamte Tacitus-Ausgabe geht, zeigt auch seine Einleitung, die der Edition der Germania generalis und des dritten Kapitels der Norimberga vorangeht. In ihr bemüht sich der Herausgeber, die Drucke und Handschriften zu identifizieren, welche Celtis für die Herstellung seines Germania-Texts verwendet hat.16 Dabei äußert er sich auch über die Arbeitsweise des Humanisten bei der Kollation seiner Vorlagen. Über die beiden Werke des Celtis, die er ediert, verliert er demgegenüber nur wenige Worte. So weiß er zur

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Ebd., S. 98: Praefatio ad Maximilianum regem. Rupprich (Hg.): Humanismus und Renaissance, S. 286-295 (einige kommentierende Anmerkungen finden sich auf S. 323). 14 Überdies ediert Adel Epigramme von Celtis' Freunden, in denen sie ihn in Wien willkommen heißen, und den Widmungsbrief der Apuleius-Ausgabe an Fuchsmagen und Krachenberger (ebenso ediert in BW Nr. 179), welche der Ausgabe von De mundo voranstehen, sowie die Elegien Ad divam dei genetricem levatis aegritudinibus, die Oeconomia, die Texte der Septenaria sodalitatis Litteraria Germaniae sowie das Carmen saeculare (letzteres ist bereits vorher von Pindter in Libri odarum quattuor, S. 116-118 ediert worden). 15 Conradi Celtis opuscula, S. 47. Die Edition der Germania generalis und des dritten Kapitels der Norimberga auf den S. 55-72. i« Ebd., S. 49-51. 13

6 Germania generalis lediglich soviel zu bemerken, daß sie wohl als »Vorspiel« der Germania illustrata gedacht gewesen sei. 17 Durch den Bezug auf den Gesamtzusammenhang, in dem die Opuscula des Celtis jeweils stehen, erweckt die Ausgabe Adels einen Anspruch, hinter dem sie schließlich doch zurückbleibt. Die Texte werden einerseits als Teil eines Ensembles von Herausgegebenem und Eigenem präsentiert; eine Wiedergabe des jeweiligen gesamten Textbestands bleibt Adel jedoch schuldig. Dies fällt insbesondere bei der Tacitus-Ausgabe negativ auf, da mit dem Kapitel De Hercyniae silvae magnitudine et de eius in Europa definitione et populis incolis ein Teil einer von Celtis bereits anderenorts veröffentlichten Schrift hier in einem neuen Zusammenhang erscheint und die Ausgliederung des Kapitels auch nur durch diesen neuen Zusammenhang verständlich ist. Eine Edition allein dieses Teils der Nürnberg-Schrift kann deshalb lediglich hinsichtlich ihres Beziehungsverhältnisses zur Germania des Tacitus ihre Berechtigung finden. Adel hat sich erstmals bemüht, die gesamte Überlieferung der Germania generalis zu erfassen. 18 Diese erscheint in seinem Conspectus codicum vermengt mit Drucken 19 und einer Handschrift, 20 die nur die Germania des Tacitus enthalten und von Adel als Vorlagen für Celtis' Tacitus-Text identifiziert worden sind,21 einer modernen Ausgabe der taciteischen Schrift 22 und einer 1960 von Adel selbst herausgegebenen Anthologie der Schriften des Celtis, in die er auch das zweite Kapitel der Germania generalis aufgenommen hat.23 Die Textzeugen hat er in zwei Blöcke angeordnet. Im ersten verzeichnet er in Folge der Tacitus-Ausgabe die weiteren Drucke, welche das Textensemble der TacitusAusgabe vollständig überliefern;24 im zweiten listet er hinter dem Nürnberger 17

Ebd., S. 51: »>Conradi Celtis de situ et moribus Germaniae additiones< Septem sunt carmina, quae forsitan species prolusionis videantur, sed nequaquam ipsa Celtis Germania illustrataQuattuor librorum amorum< ad regem Maximilianum dicit: >Illaque omnia in illustrata Germania nostra, quae in manibus est, [...] explicemus. Ebd., S. 49f. 22 Ebd., S. 52. Es handelt sich um die 1964 erschienene Edition von E. Koestermann. Adel versieht sie gar mit einer eigenen Sigle (gH). 23 Adel (Hg.): Konrad Celtis. Poeta laureatus, S. 54—57. - Die Undurchschaubarkeit der Auflistung wird noch verstärkt, indem Adel darauf verzichtet, die einzelnen Textzeugen einheitlich zu zitieren. Er listet bald die gesamte Titelseite eines Drucks auf, bald verzeichnet er nur die eigentliche Überschrift, bald wählt er einen von ihm selbst erstellten Titel zur Bezeichnung eines Überlieferungsträgers. Abgesehen von der Angabe, auf welchen Blättern sich die Germania generalis befindet, geht er nicht auf den Inhalt der Textzeugen ein. 24 Hier die Textzeugen C und D (siehe unten S. 16-18).

7 Amores-Omck solche Textzeugen auf, welche die Germania generalis ohne Tacitus-Text überliefern.25 Der Edition der Germania generalis liegt, entsprechend Adels Editionsziel, der Text der von Celtis herausgegebenen TacitusAusgabe zugrunde. In den textkritischen Apparat nimmt Adel nur Varianten des Nürnberger Drucks auf.26 Sofern beide Ausgaben gleiche Fehler überliefern, korrigiert Adel selbständig.27 Einen Vergleich mit anderen Textzeugen seines an sich nahezu vollständigen Überlieferungskorpus der Germania generalis nimmt Adel nicht vor.28 Den Text hat Adel, ebenso wie Pindter, in Kapitel unterteilt und diese durchnumeriert. Orthographisch hat er sich an den Regeln des klassischen Lateins orientiert. Beide Herausgeber beziehen den Text damit auf eine Schreibnorm, die im 15. Jahrhundert weder als Schreib- noch Drucksprache existiert hat. Die zwei Textzeugen, die einen von Celtis herausgegebenen Text der Germania generalis überliefern, die Tacitus-Ausgabe wie der Amores-Druck, dokumentieren gerade die Uneinheitlichkeit der Orthographie, wie sie an der Wende zum 16. Jahrhundert noch vorherrschte. Durch die Angleichung der Rechtschreibung an die Norm des klassischen Lateins wird den Textzeugen ihre spezifische Signatur, die u.a. Auskunft über Sorgfalt der Druck-Einrichtung geben könnte, genommen; so werden sie schließlich auch ihrem historischen Ort entrissen. Dieser Normierung steht bei Adel gegenüber, daß die zahlreichen Abkürzungen zwar aufgelöst, die erschlossenen Buchstaben jedoch in Klammern wiedergegeben werden. Diese Vorgehensweise erweist sich als unbrauchbar, da sie den Text einerseits schwer lesbar macht, andererseits nicht die Funktion einer diplomatischen Edition oder gar einer Faksimile-Ausgabe ersetzen kann, zumal die Orthographie vereinheitlicht wurde und damit ein Bruch in der vermeintlichen Treue zur Vorlage besteht. Die Schwächen der bisherigen Editionen manifestieren sich folglich einmal insofern, als sie dem Anspruch des edierten Texts auf seine spezifische Historizität nicht gerecht werden, zum anderen aber auch in einer mangelhaften Erschließung der für eine Edition relevanten Grundlagen. Dazu gehört an aller25 26

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28

Hier die Textzeugen F, G und I (siehe unten S. 20-23 und 24f.). Im Conspectus codicum vergibt Adel in der Tat nur zwei Siglen: g für die TacitusAusgabe und e für den Text der Germania generalis im Nürnberger Druck. Durch die Anordnung der Überlieferung in zwei Blöcke kann nun allerdings der Eindruck entstehen, daß Adel nicht nur an einer Unterscheidung der Überlieferung der Germania generalis in Textzeugen mit oder ohne Tacitus-Text interessiert war, sondern auch von zwei Überlieferungssträngen ausging. Da Adel keine Anmerkungen zur Textgeschichte macht, muß diese Unsicherheit im Raum stehenbleiben. In S. 59, Z. 40 (=V. 95): pectore statt pectora, und in der Überschrift zum dritten Kapitel (S. 59): verticalibus statt verticabilibus, glaubt Adel, selbständig zu korrigieren und übersieht, daß diese Korrekturen auch der Nürnberger Druck zeigt. Einen Lesartenapparat für die von Celtis herausgegebenen Schriften, so auch für seinen Tacitus-Text, gibt Adel im Anhang seiner Ausgabe der Wiener Opuscula des Celtis (S. 109-119). Darin verzeichnet er die Lesarten der Vorlagen, des GermaniaTexts von Celtis sowie der modernen Ausgabe von Koestermann. Ohne einen Abdruck des eigentlichen Germania-Texts bleibt dieser Apparat allerdings vollkommen bezugslos.

8 erster Stelle das Fehlen einer auf der Basis einer transparenten Heuristik vorgenommenen systematischen Aufstellung der Überlieferungsträger mit einer vollständigen Dokumentation ihres Inhalts und des jeweiligen Textbestands der Germania generalis. Des weiteren sind von den Editoren weder Text- noch Überlieferungsgeschichte der Germania generalis untersucht worden. Dadurch ist im übrigen auch eine Klärung der Beziehung, die zwischen den beiden von Celtis selbst herausgegebenen Textzeugen der Germania generalis besteht, bisher nicht vorgenommen worden. Aus diesen Desideraten ergeben sich die Forderungen, die an eine Neuedition der Germania generalis zu stellen sind. Im nun folgenden sollen aber nicht nur diese unterlassenen Vorarbeiten geleistet werden. Überdies schien es geboten, dem lateinischen Text eine Übersetzung beizugeben, um ihn einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.29 Auf die Edition der Germania generalis folgt schließlich ein Stellenkommentar, der erstmals die Quellen des Gedichts erschließt und Realien erläutert. Da die Germania generalis im Gegensatz zu ihrer gewissen Fortüne in der Editionsgeschichte des Celtischen Œuvres noch nie inhaltlich erschlossen worden ist, ist ein Kommentar unerläßlich für einen ersten inhaltlichen Zugang zu Celtis' hexametrischer Deutschlandbeschreibung. Die Germania generalis wird hier im Gegensatz zu den Editionen Pindters und Adels unabhängig von ihren jeweiligen Überlieferungskontexten als eigenständiges Werk Conrad Celtis' herausgegeben. Dies rechtfertigt sich durch die Bedeutung des Gedichts als wohl dichtester und durchaus selbständiger Beitrag des Humanisten zur Diskussion um die Geographie und Geschichte Deutschlands, die um 1500 geführt worden ist. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, daß die Germania generalis innerhalb der beiden Ausgaben, in denen sie Celtis selbst ediert hat, in ganz spezifische Funktionszusammenhänge eingebunden ist. Besonders deutlich wird dies in der Tacitus-Ausgabe, in der Celtis das Gedicht mit seinen sieben Kapiteln im Titel als additiones, als Ergänzungen zur antiken Germania präsentiert hat. Die von Celtis zusammengestellten Überlieferungskontexte der Germania generalis sind folglich von nicht zu übergehender Bedeutung für das Verständnis des Gedichts. Allerdings erweist sich das Beziehungsgeflecht, in dem die Germania generalis in den beiden Textzeugen jeweils steht, als zu komplex, als daß es bereits durch eine Edition zusammen mit Teilen des überlieferten Textensembles, wie sie Pindter und Adel unternommen haben, von sich aus deutlich würde. Um dieses Gefüge aufzudecken, sind vielmehr Untersuchungen zu Celtis' eigenen Editionen notwendig, die hier innerhalb einer eingehenden Analyse der von Celtis selbst herausgegebenen Textzeugen vorgelegt werden. 30

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Bislang existiert nur eine Übersetzung des zweiten Kapitels der Germania generalis (De situ et moribus Germaniae), und zwar in Kurt Adels Celtis-Anthologie: Konrad Celtis Poeta laureatus (vgl. Anm. 23). Ansätze dazu finden sich nur bei Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 463-472.

2. Die Überlieferung 2.1. Vorbemerkungen Als Ausgangspunkt für die Erfassung der Textzeugen diente die Aufstellung der Textüberlieferung bei Adel.1 Dieser verzeichnet neun gedruckte Textzeugen sowie eine Handschrift. Das von ihm ermittelte Überlieferungskorpus der Germania generalis wurde zunächst überprüft: Nicht nachgewiesen werden konnten zwei bei Adel aufgelistete, aber von ihm selbst nicht eingesehene Wittenberger Drucke von 1511 und 1574.2 Eine Anfrage bei der Herzog-August-B ibliothek in Wolfenbüttel ergab, daß dort Wittenberger Drucke mit den genannten Erscheinungsjahren, die die Germania generalis enthalten, nicht vorhanden sind.3 Im Falle eines weiteren bei Adel verzeichneten Wittenberger Drucks, diesmal von 1557, müssen die Angaben modifiziert werden.4 Bei ihm handelt es sich um eine Ausgabe der Germania des Tacitus, in der die Germania generalis neben anderen humanistischen Texten als Beigabe erscheint (hier: E).5 Um Adels Überlieferungskorpus6 gegebenenfalls zu ergänzen, wurden die einschlägigen Bibliographien konsultiert.7 Hierbei bestand von Anfang an die Schwierigkeit, daß vor dem Hintergrund des von Adel festgestellten Überlieferungsbefunds zu erwarten war, daß die Germania generalis nie selbständig, sondern stets nur im Verbund mit anderen Texten als Beigabe erscheinen würde. Bei der bekanntlich sehr unzureichenden bibliographischen Dokumentation 1

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Conradi Celtis opuscula, S. 52f. Zur Kritik an Adels Darstellung der Überlieferung siehe oben S. 5-7. Für die Kenntnis dieser Drucke beruft sich Adel, ebd., S. 53 auf den ehemaligen Wolfenbiitteler Bibliothekar H. Butzmann. Die Erscheinungsjahre geben Anlaß zur Vermutung, daß es sich bei den genannten Drucken einmal um ein Exemplar des Ps.-Berosus, o. Ort und Drucker, 1511 (siehe unten: C) sowie um Simon Schard: Historicum opus, Basel [1574] (siehe unten: F) handelt. Auch bei diesem Druck beruft sich Adel auf H. Butzmann (Conradi Celtis opuscula, S. 53). Adel verzeichnet lediglich: »Konrad Celtis, De situ et moribus Germaniae, Wittenberg 1557« (ebd.). Dieses ist im übrigen bereits vollständig bei Klüpfel: De vita et scriptis, Bd. 2, S. 6 1 63 verzeichnet; anstelle der beiden nicht identifizierten Wittenberger Textzeugen hat allerdings auch er die hier in Anm. 3 genannten Drucke aufgelistet. Ergänzend hierzu wurden der ISTC, die Datenbank des VD 16, deren Nachträge das Verzeichnis der gedruckten Ausgabe teilweise beträchtlich erweitern, sowie die über den Karlsruher virtuellen Katalog (KvK) zugänglichen nationalen und internationalen Bibliographien eingesehen.

10 gerade solcher Beigaben gestaltete sich das Ergebnis der Recherche als eher unbefriedigend.8 Aus diesem Grunde wurden noch folgende Textgruppen überprüft: 1. Weitere Ausgaben des 16. und 17. Jahrhunderts derjenigen Werke, denen die Germania generalis nach Adels Verzeichnis beigegeben ist; 2. Alle Ausgaben des 16. und 17. Jahrhunderts der taciteischen Opera omnia und der Germania;9 3. Alle Ausgaben des 16. Jahrhunderts, für die das VD 16 Celtis als Beiträger notiert. Hierzu wurde die in der Redaktion des VD 16 in München vorhandene Beiträger-Kartei zu Rate gezogen;10 4. Alle Ausgaben antiker und humanistischer Geographen (Strabon, Ptolemaeus, Sebastian Münster etc.); 5. Alle Ausgaben derjenigen Werke, die nach Celtis' Tode im Horizont der Germania illustrata entstanden sind (z.B. Franciscus Irenicus: Germaniae exegesis). Die Recherche ergab schließlich, daß Adels Liste um einen gedruckten Textzeugen erweitert werden muß. Neben dem bei Adel verzeichneten Straßburger Druck der Rerum Germanicarum libri tres des Beatus Rhenanus von 1610, in dem die Germania generalis Aufnahme fand, existiert eine weitere Straßburger Edition dieses Drucks aus dem Jahre 1670, die mit der ersten Inhalts- und seitenidentisch ist und nur in bezug auf das Titelblatt variiert (unten: H). Die Recherche nach handschriftlichen Textzeugen der Germania generalis brachte demgegenüber keine neuen Funde, so daß sich die handschriftliche Überlieferung des Gedichts auf die eine bei Adel verzeichnete Handschrift beschränkt.11 Die nachstehende Beschreibung der ermittelten gedruckten Textzeugen erfolgt in chronologischer Reihenfolge. Ziel dieser Beschreibung ist die Identifizierung der Drucke sowie diese als vom Herausgeber planvoll organisierte Größen kenntlich zu machen. Hierzu werden in der Schlagzeile neben der Über8

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Es sei nur an das Verfahren des VD 16 erinnert, bei Sammelbänden lediglich die Namen der beitragenden Autoren, nicht aber deren Werke zu nennen. Diese Ausgaben wurden ungeachtet der Tatsache, ob im VD 16 Beigaben des Celtis angegeben sind oder nicht, durchgesehen, da die Angaben des VD 16 nicht immer verläßlich sind. Für die freundliche Erlaubnis, die Materialien und Karteien der Redaktion des VD 16 zu verwenden, bin ich Frau Dr. Mönke sehr zu Dank verpflichtet. Daneben wurde auch eine Exemplarrecherche durchgeführt. Die dadurch nachgewiesenen Exemplare der Textzeugen werden im Anschluß an die Druckbeschreibung des jeweiligen Uberlieferungsträgers aufgelistet. Als Beitrag mehr zur Rezeptions- denn zur Überlieferungsgeschichte sollte ein Besitzernachweis sowie eine Dokumentation von Gebrauchsspuren in den einzelnen Exemplaren gedacht sein. Das Interesse galt dabei ausschließlich Eigentümern und Benutzerspuren des 16. Jahrhunderts, vorzugsweise dessen erster Hälfte, um die Wirkung der Germania generalis im Kreise der Humanisten an den Exemplaren selbst nachzuzeichnen. Ein erster Briefwechsel mit deutschen Bibliotheken und einigen des europäischen Auslands hat dabei kaum zu Ergebnissen geführt, so daß die Bemühungen in diese Richtung bald abgebrochen wurden. Einziger Druck, bei dem ein Besitzer aus dem 16. Jahrhundert bekannt ist, ist Hartmann Schedels Exemplar der Amores-Ausgabe von 1502, das heute unter der Signatur Rar. 446 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt wird.

11 schrift der Germania generalis sowohl eine Kurzform des Drucktitels - der besseren Zitierbarkeit wegen in orthographisch normalisierter Form - als auch Druckort, Drucker und Druckdatum verzeichnet. Im Anschluß daran werden vollständiger Titel und Kolophon beziehungsweise, wo dieser nicht vorhanden ist, das Explizit des letzten Texts wiedergegeben.12 Daran schließen sich Hinweise über die Einrichtung des Drucks an.13 Daraufhin folgt eine Dokumentation derjenigen Daten, die für Überlieferungsgeschichte, Textgeschichte und Edition relevant sind: Vorgestellt werden Inhalt14 und Ausstattung (Holzschnitte u.a.) des jeweiligen Drucks sowie die Textgestalt der Germania generalis, wobei sich die Darstellungsmethode an derjenigen des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke orientiert. Bei der ausführlichen Wiedergabe von Titel und Kolophon bzw. gegebenenfalls des Explizits sowie bei der Beschreibung der Textgestalt der Germania generalis wurde die Graphie der Drucke beibehalten. Abweichend davon sind a) sämtliche Abkürzungen aufgelöst und durch Kursivierung kenntlich gemacht; b) alle Schaft-s durch ein rundes 5 ersetzt. Nach dem Exemplarnachweis und einer Bibliographie zu jedem Druck werden am Ende der Beschreibung gegebenenfalls Bemerkungen zu dem vorliegenden Textzeugen oder zu einzelnen Exemplaren gegeben.

2.2. Beschreibung der Drucküberlieferung A Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae additiones. An: Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum. [Wien: Johann Winterburger, zwischen 1498 und 1500] ar: Tit. : 1 Cornelij Taciti. De origine et I situ Germanorum Liber incipit. I Kein Kolophon. Endet: [c vj]v, Z. 38: [...] que ad Topographia/n attinere visa sunt diffusius I scripsimus. IΚ Finis I 4o 14 Bl. a-b 4 c6 40 Zeilen Typ. 6: 79G Init. a, b, Rubr, d INHALT:

a'-[b iiij]v: Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum - c - [ c iiij]v: Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae additiones - [c iiij] v -[c vi]": Conrad Celtis: De Hercyniae silvae magnitudine et de eius in Europa definitione et populis incolis

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Die Textzeugen G, Η und I enden mit einem Register und zeigen keinen Kolophon. Bei ihnen wurde auf die Wiedergabe eines Explizits verzichtet. Bei Drucken, die durchgängig gedruckte Seitenzählung aufweisen, wird auf die Angabe der Lagen und der Blattzahlen zugunsten der exakten Seitenzahlen verzichtet. Autorennamen und Werktitel werden hier in standardisierter Form und nicht wie im Druck erscheinend zitiert (Beispiel: Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum und nicht Germania).

12 TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis: c\ Z. 1 : 1 C. C. De situ et moribt« Germanie additi'ones I Fabula demogorgonis de creaü'one mundi prcfati'o I eine Zeile frei I PEr demogorgoneum memoranti«/· cuneta tumwltum I [...] I cv, Ζ. 1 9 : 1 De Situ Germanie et Moribus I GEns inuicta manet toto notissima mundo I [...] I c ijr, Z. 23: 1 De syderibus verticabilib«5 Germanie. I Qualia ab herculeis memorantur pectora stellis I [...] I Z. 3 5 : 1 De quatuor lateribus Germanie I Pulcer ab occiduo quas claudit limite rhenus I [...] I c iijr, Z. 10: 1 De tribus iugis et montibi/s Germanie. I SEd nemus hercinium montes et ab alpibws orti I [...] I c iij\ Z. 4: 1 De tractu herciniç syluç per germaniam I Qve varijs porrectaplagw nunc, vasta swb arcton I [...] I [c iiij]',Z. 34: Κ De qualitate telluris per Germaniam I TErra hominum pecudumque ferax queque vbere gleba I endet [c iiij]v, Z. 12: Syderibusque suis deus et natura creauit I EXEMPLARE:

Berlin, SB: Inc. 2684, 10 - Breslau (Wroclaw), UB: 4 E 747a - Freiburg i. Br., UB: Ink. d 7476, c - Kopenhagen, KglB: Inc. 3822 - London, BL: IA 51553 - Lüttich (Liège), BU: XVe s. C4 (Lage c fehlt) - München, SB: 4° A. lat. b. 608 - Paris, BN: Rés. J. 3218 - Triest, BCiv: Inc. 2-12 - Wien, ÖNB (2 Ex.): IG. 96 und II H. 107 EINGESEHENES EXEMPLAR: London, BL: IA 51553 LITERATUR:

Adel: S. 52 (Sigle g) - BLGC: Bd. 320, S. 108 - BMC: Bd. 3, S. 812 (IA 51553) BNCG: Bd. 181, Sp. 653 - CBB: 3655 - CIBN: T-8 - Copinger: 5696 - Goff: Τ 10a Hain: 15225 - IBP: 5159 - IGI: 9260 - Klebs: 948.3 - Kocowski: 2671 - Langer/Dolch: S. 149 - Madsen: 3822 - Massmann: S. 30f. - Mayer: S. 29 - Panzer: Bd. 9, S. 24, 129 Pesante: 365 - Polain, France: 10877 - Proctor: 9484 - Sack: 3321 BEMERKUNGEN:

1. Ex. Berlin, SB: Inc. 2684,10: Ein anonymer Vermerk aus dem 19. Jahrhundert lautet: »Taciti Germania et C. Celtis Carmen ej. argumentum. Editio pertinere videtur ad collectionem aliquam. Hoc exemplum fuit in volumine Geographica maxime antiqua continentia et Viennae impressa intra annos 1508 et 1515. Hic ipsum Viennae impressum esse apparet ex typis quae videntur in fine edit. Rufi Avieni de situ orbis Viennae 1508, cui in ilio volumine adhaerebat. Iam conf. Panz. IX p. 24. num. 129.« - Das Exemplar war also früher Teil eines alten Sammelbandes mit geographischen Schriften, gedruckt in Wien zwischen 1508 und 1515; vgl. auch die Reste der alten Zählung (got., Anfang des 16. Jahrhunderts) auf den S. 269-282, die beim Beschneiden z.T. verlorengegangen ist. Ein Teil des Sammelbandes (der letzte?) war: Dionysius Periegetes, lat. von Rufius Festus Avienus: Descriptio situ orbis, mit Beigaben von Johannes Cuspinianus. Wien: Johann Winterburger, 1508 (VD 16: D-1986). Er muß schon vor der Anlage des Bandkatalogs zerlegt gewesen sein. 2. Ex. Lüttich (Liège), BU: XVe s. C4: Die Tacitus-Ausgabe weist nur die Lagen a-b 4 auf. Spuren einer weiteren Lage c existieren nicht. Die taciteische Germania ist einer Sammlung von Texten des 15. und 16. Jahrhunderts beigegeben. Diese erscheinen in folgender Reihenfolge: 1. Thomas Ochsenbrunner: Priscorum heroum stemmata, Rom: J. Besicken und S. Mayr, 18. Februar 1494 (Hain 11934); 2. Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum [Wien: Johann Winterburger, ca. 1498]; 3. Konrad Peutinger: Sermones Convivales De mirandis Ger-

13 manie antiquitatibus, Straßburg: J. Priis, 1506 (VD 16: Ρ 2081); 4. Jakob Locher: Threnodia sive funebris lamentatio in laudem Hedwigis, [Augsburg, J. Froschauer ?] (Hain 10160); 5. Pius Papa Secundus: Contra Turcos, s. 1. a. (Hain 173); 6. Methodius: Revelationes cum tractatu Wolfgangi Aytinger super easdem revelationes, [Memmingen: A. Kunne, 1496] (Hain 11119); 7. De futuris christianorum triumphis in thurcos et sarracenos, s. 1. a. (Hain 15643). Der Einband stammt aus dem 18. Jahrhundert. Auf der Titelseite erscheint folgender Eintrag einer Hand aus dem 16. Jh.: [Ad] usum Fratrum Mon. SSae trinitatis Neostady, ord. eist. Mise (=Neustadt am Main).15 3. Ex. München, SB: 4° A. lat. b. 608: Dieses Exemplar ist sowohl im alten Bandkatalog 16 sowie im OPAC der Bayerischen Staatsbibliothek München gefühlt mit folgender Angabe zu Druckort und -datum: [Wien, ca. 1509-1515]. Es handelt sich aber eindeutig um ein Exemplar des hier vorgestellten Drucks [Wien: Johann Winterburger, 1498-1500]. Auf der Innenseite des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Einbände ist mit Bleistift geschrieben: »Vgl. Massmanns Ausgabe der Germania«. Am unteren Ende des Deckblatts steht geschrieben (ebenfalls mit Bleistift, aber schlecht lesbar): »[Wien: J. Winterburger um 1502]« (die Ziffer 2 ist in der Tat kaum zu lesen und auch als 9 interpretierbar). Massmann 17 verzeichnet: »1509? 1515? Wien, o. J. u. O. - 14 Bl„ 4°« (S. 30), identifiziert die Ausgabe dann aber (S. 31) mit Panzer: Ann. typogr. IX, 24, Nr. 129 und Hain: 15225, welche der hier besprochenen Inkunabel entspricht. An Exemplaren weist er neben dem Münchener ein Berliner (K. B. Philol. Histor. Lat. c. p. 122) und ein Breslauer Exemplar (UB: III, 223) nach. Diese beiden sind die heute unter den im Exemplarnachweis angegebenen Signaturen geführten Exemplare (Berlin, SB: Inc. 2684, 10 und Wroclaw, UB: 4 E 747a). Schließlich bringt Massmann selbst ein anderes Druckdatum als das zunächst angegebene ins Gespräch, wenn er fragt: »Erschien die Germania mit C. Celtis Gedichte schon 1497 Viennae?« (S. 32). 4. Zu den zwei Ex. Wien, ÖNB: Die Redaktion des GW führt in ihrer Kartei eines der Wiener Exemplare als unvollständig (nur Lagen a und b mit der Germania des Tacitus, ähnlich dem Ex. Lüttich, BU). Dies ist allerdings nicht zutreffend; beide Exemplare der ÖNB sind vielmehr vollständig und beinhalten das gesamte Textensemble. Da die Redaktion des GW keine Signaturen der Wiener Exemplare führt, kann nicht genau nachvollzogen werden, welches der beiden als unvollständig eingestuft wurde.

Β Conrad Celtis: Germania generalis. In: Conrad Celtis: Quattuor libri amorum secundum quattuor latera Germaniae. Nürnberg: ohne Drucker, 1502. [a]r, Tit.: CONRADI CELTIS PROTVCIII PRIMI INTER GERMANOS IM= I PERATORIIS MANIBVS POE= I TE LAVREATI QVATV= I OR LIBRI AMORVM I SECVNDVM QVA= I TVOR LATERA I GERMANIE FELICI I TER INCIPI= I VNT I 15

16

17

Für die Hinweise bin ich der Leiterin der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Lüttich (Liège), Frau Dr. Carmélia Opsomer, sehr zu Dank verpflichtet. Librorum impressorum Bibliothecae Regiae Monacensis Catalogus nominalis, Bd. 51 (T-Thrd), S.41. Die Vorstellung der Drucke in Massmanns Edition der taciteischen Germania auf den S. 23-41.

14 m iir, Z. 18: Kolophon für Amores und Germania generalis: CON I RADI CELTIS I PROTVCII GERMANI I POETAE LAVREATI LIBRI I QVATVOR AMORVM SECVNDVM I QVATVOR GERM ANI AE I LATERA CUM I GE I NERA I LI DESCRI I PTIONE EIVS I A D MAXMYLIAN I VM REGEM EXPLICIT I ANNO MILLESIMO QVIN I GENTESIMO ET NOVI SECV I LI SECVNDO KALENDIS FEBRV I ARIIS. IN ANNO VITAE MEAE. XLIII: I r iiii\ Z. 18: Kolophon des Bandes: Absoluta sunt haec C. C. opera in I Vienna Domicilio Max. I Augusti Caesa. Anno M I D. noui seculi II. kalen. I Febru. Inpressa autem I Norinbergae eiusdem anni I Nonis Aprilibus. Sub I priuilegio Sodalitatis I Celticae nuper a senatu impeña I li impetrato vt nullum hase in decern I a/mis in Imperii vrbibws inprimat. I Darunter: Wappen mit Initialen Α. und P. I [r v ] - [ r vi]v: Errata und Holzschnitt, Apoll und Daphne darstellend I 4o 122 Bl. a-b 8 c-d 6 e - f g4 h6 i8 k 6 1-m 8 n6 o-q 8 r6 34-35 Zeilen Schrift: Antiqua INHALT:

a ii'-[a vi]': Conrad Celtis: Ad divum Maximilianum in libros amonim suorum praefatio et panegyrici prima pars - [a vii]"-[a viii]': Vincenz Lang: In Conradi Celtis novenarium lyrica - b'-[l v]v: Conrad Celtis: Quattuor libri amorum secundum quattuor latera Germaniae - [1 v]v-mv: Conrad Celtis: Germania generalis - m iir: Inc.: Ιεροθέου όςιοτάτου - m iii'-[p vii]": Conrad Celtis: De origine, situ, moribus et institutis Norimbergae libellus - [p viii]v—[q ii]r: Conrad Celtis: Hymnus Sapphicus in vitam Sancti Sebaldi - [q ii]v-[q vi]': Conrad Celtis: Ludus Dianae - [q vi] v -[q vii]": Maximilian I.: Privilegium erectionis collegii poetarum et mathematicorum in Vienna - [q viiij—r iiv: Vincenz Lang: Ad diuum Maximilianum regem Romanorum Panegyricus - r iiv-r iii': Sebald Schreyer: Brief an Conrad Celtis (Nürnberg, 1. März 1500) - r iii'"v: Conrad Celtis: Brief an Sebald Schreyer (Wien, 1. Februar 1502)18 HOLZSCHNITTE:

[a]v: Vor der Praefatio: Celtis überreicht sein Buch Maximilian - [a vi]v: Nach der Praefatio: Darstellung der Philosophia - [a vii]': Gegenüber der Philosophia: Celtis in der Mitte, schreibend; darunter sein Wappen und die beiden Musen Thalia und Clio, rechts und links davon antike Götter - [a viii]": Vor dem ersten Buch der Amores: Ansicht von Krakau - [d iii]': Vor dem zweiten Buch: Ansicht von Regensburg - [f vi]': Vor dem dritten Buch: Ansicht von Mainz - i iii": Vor dem vierten Buch: Ansicht von Norddeutschland - Auf zwei Blättern zwischen m ii und m iii ohne Lagenzählung: Vor der Stadtbeschreibung Nürnbergs: Ansicht Nürnbergs. Auf der Rückseite: Wappen mit dem habsburgischen Doppeladler, darunter die zwei Wappen Nürnbergs, wiederum darunter: Epigramm (Inc.: In medio Europae) - [p viii]': Vor dem Hymnus Sapphicus in vitam Sancti Sebaldi: St. Sebald als Pilger - [r vi]': Am Ende des Codex: Amor und Daphne TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis: [1 v ] \ Z. 7: EIVSDEM GERMANIA GENERALIS I A D MAXMILI. REGEM PRAEFATIO. I REx cui seeptra dédit latialia cowditor orbis I [...] IZ. 17: ORIGO MVNDI EX VENTRE DEMO. I PEr Demogorgoneum memoranti//· cuncta

18

Die Briefe sind ediert in BW Nr. 233 (Schreyer) und Nr. 270 (Celtis).

15 tumultua I [...] I [1 vi] v , Ζ. 4: DE SITV GERMANIAE ET MO I RIBVS IN GENERALI I GEns inuicta manet toto notissima mundo I [...] I [1 vii]', Ζ. 14: DE SYDERIBVS VERTICALI. GERMA. I QValia ab herculeis memoranti^ pectora stellis I [...] I Ζ. 26: DE QVATVOR LATERIBVS GERMA. I FLVMINIBVS MARIBVS ET INSVLIS I PVlcer ab occiduo quas claudit limite Rhenus I [...] I [1 viii]', Z. 14: D E TRIBVS IVGIS ET MONTI I BVS GERMANIAE I SEd nemus hercinium montes & ab alpibus orti I [...] I [1 viii] v , Z. 14: DE TRACTV HERCINIAE SIL I VAE PER GERMANIAM I QVas variis porrecta plagis nunc, vasta swb arcton I [...] I m", Z. 17: DE QVALITATE TFLLVRIS PER GER. I TErra hominwm pecudu/nque ferax quœque vbere gleba I [...] I endet Z. 35: Syderibusqwe suis deus & natura creauit I EXEMPLARE:

Berlin, SB: Xc 5712 R - Den Haag, KB: 502 - Dresden, SLUB: Lit. Lat. ree. A 117 Erfurt, WB: 13-Lr 635 (Titelblatt fehlt; unvollständig) - Folger Shakespeare Library Freiburg/Brsg., UB: Rara D 8336 - Gießen, UB: Ink. E 10670 - Gotha, FB: Mon. typ. 1502 4° 5 - Jena, UB (2 Ex.): 4° Art. lib. IX, 7 und 4° Bud. Op. 41 (beide unvollständig) Leipzig, UB: Lib. sep. A 2010 - London, BM: c. 57. g. 11 - München, SB: Rar. 446 München, UB: 4° P. lat. ree. 141 - Münster, ULB - New Haven, Yale University Nürnberg, GM: L 460 - Nürnberg, Stadtbibliothek - Paris, BN (2 Ex.): Rés. m. Ye. 871 und 872 - Warschau, BN: XVI. Qu. 771 - Washington, LC: 49-38215 - Wien, NB: CP. II. C. 18 - Wien, UB: I 248. 435 Es - Wolfenbüttel, Herzog August-Bibliothek: 3. 5 Poet -Zwickau, RB (3 Ex.): 22. 10. 8. (1), 6. 2. 1. und 6. 4. 9. (unvollständig) EINGESEHENES EXEMPLAR: M ü n c h e n , S B : Rar. 4 4 6 LITERATUR:

Adel: S. 52f. (Sigle: e) - BLGC: Bd. 57, S. 130 - BNCG: Bd. 25, Sp. 653 - Index Aureliensis: Bd. 7, S. 278, 135.114 - NUC: NC 0250028 - Panzer: Bd. 7, S. 441, 17 Schüling: S. 103f. - Stauber: S. 167 - VD 16: C 1911 BEMERKUNGEN:

1. Zum Drucker: Der Amores-Druck entstand gemäß dem Kolophon Sub priuilegio Sodalitatis Celtica nuper a senatu imperiali impetrato ohne Angabe des Druckers. Bisher ist es der CeltisForschung nicht gelungen, diesen nachzuweisen.19 2. Zum Aufbau des Drucks: Die Germania generalis bildet mit den vier Büchern Amores eine Einheit (nach dem Gedicht folgt ein Kolophon). 3. Ex. Freiburg i. Br.: Rara D 8336: Vorbesitzer dieses Exemplars ist der erste Celtis-Biograph Engelbert Klüpfel. Von ihm stammen einige Randbemerkungen. 4. Ex. München, SB: Rar. 446: Das Exemplar entstammt der Bibliothek Hartmann Schedels.

19

Vgl. Kemper: Sodalitas litteraria, S. 119f. mit Anm. 1.

16 C

Conrad Celtis: D e situ et moribus Germaniae additiones. An: Berosus Babylonicus: D e his quae praecesserunt inundationem terrarum. Ohne Ort und Drucker, 1511.

[]r, Tit.: BEROSVS BABILONICVS DE HIS I Quae praecesserunt inundationem terraru/n. I Kein Kolophon. Endet: [k vii] v , Z. 26: [...] ad Topographiam atti= I nere visa sunt diffusius scripsimus. I FINIS. I 4° 58 Bl. []' b-c 4 d8 e - f g8 h4 i-k 8 (Ab Lage b gedruckte Blattzählung am rechten oberen Rand der Recto-Seite eines jeden Blatts) 30-34 Zeilen Schrift: Antiqua INHALT:

[] ij': Widmungsbrief des Godofredus Torinus Bituricus an Philibertus Babilonus - b'd iijv: Berosus Babylonicus: De his quae praecesserunt inundationem terrarum - d iij"d vr: Maneto in supplementis Berosi - d v'~v: Grimoaldus: Decretum Desiderij regis Italiae - d v v -[d vi]': Johannes Annius: Cronographia Etnisca - [d vi]v-[e iiij]': Myrsilus: De origine Tyrrhenorum et Italiae (darin: Fragmenta Catonis) - [e iiij]'~v: Archilochus: Epitetum de temporibus - f"v: Methastenes Persa: De iudicio temporum et annalium Persarum - f ij'-[f iiij]': Philo: Breviarium de temporibus - [f iiij]'-g v : Xenophon: De equivocis - g v -g iij": Sempronius: De divisione et chorographia Italiae - g iij v -[g vi]v: Q. Fabius Pictor: De aureo saeculo et origine urbis Romae ac vocabulis eius - [g vii]': Antoninus Pius: Itinerarium - [g vij]v—[g viij]v: Philo: Altercatio Hadriani Augusti et Epicteti philosophi - h'-[i vij]': Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum [i vij] v -k iiij': Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae additiones - k iiij'—[k vij]": Conrad Celtis: Ex libro de situ et moribus Norimbergae de Hercyniae silvae magnitudine et de eius in Europa definitione et populis incolis TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis: [i v i j f , Z. 1: Tit.: C. C. D E SITV ET MORIBVS GERMA I NIAE ADDITIONES: FABV= I LA DEMOGORGONIS I DE CREATIO= I NE MVN= I DI PRAEFATIO. I eine Zeile frei I PEr Demogorgoneu/w memoranti/r cuncta tumultum I [i viij]', Z. 32: DE SITV GERMANIAE I ET MORIBVS. I [i viij]v, Z. 1: GEns inuicta manet toto notissima mundo I kr, Z. 11: D E SIDERIBRS VERTICABILI I BVS GERMANIAE. I Qualia ab Hereulis memoranti/r pectora stellis I Z. 24: D E Q V A T V O R LATERIBVS I GERMANIAE. I Pulcer ab occiduo quas claudit limite Rhenus I k ij', Z. 15: DE TRIBVS IVGIS ET MONTI I BVS GERMANIAE. I SEd nemus Hercinium montes & ab alpibws orti I k ijv, Z. 17: DE TRACTV HERCINIAE SYLVAE I PER GERMANIAM. I QVe varijs porrecta plagis nunc vasta sub arcton I k iijv, Ζ. 25: DE QVALITATE TELLV I RIS PER GERMA= I NIAM. I eine Zeile frei I TErra hominum pecudumqwe ferax queque vbere gleba I endet k iiijr, Z. 14: Syderibusqwe suis deus & natura creauit I

17 EXEMPLARE: Cambridge (Mass.), Harvard University - Dresden, SLUB: Lit. graec. Β 990 - München, SB (4 Ex.): Rar. 1643/2; 4° A. gr. b. 509; 4° A. gr. b. 584/1; 4° A. gr. b. 662/1 - New Haven, Yale University - Paris, BN: G. 3864 - Wolfenbüttel, Herzog August-Bibliothek: 196. 36 Hist. (3) - Zwickau, RB: 8 . 5 . 7 . (2) EINGESEHENES EXEMPLAR: München, SB: Rar. 1643/2 LITERATUR: Adel: S. 52 - Benzing: S. 114 - Index Aureliensis: Bd. 4, S. 101, 117.907 - Massmann: S . 3 1 f . - N U C : N N 0014664-Panzer: Bd. 9, S. 1 1 1 , 5 0 - V D 16: Β 1649 und Τ 28 BEMERKUNGEN: 1. Zu Druckort und Drucker der Ausgabe: Benzing: Bibliographie Strasbourgeoise, Bd. 1, S. 29 (Nr. 114) will auf dem Titelblatt die Druckermarke Johann Grüningers erkennen. Hieraus ist dann Straßburg als Druckort gefolgert. Das V D 16 verzeichnet ebenso: [Straßburg: Johann Grüninger]. Eine Anfrage bei der Redaktion des V D 16 ergab, daß sie sich bei diesen Angaben auf Benzing beruft. Schmidt: Répertoire bibliographique strasbourgeois, Bd. 1: Jean Grüninger 1483-1531, bildet im Anhang vier Druckermarken Johann Grüningers ab. Der im vorliegenden Druck auf der Titelseite befindliche Titelholzschnitt erscheint dort nicht. 20 Aus diesem Grund wird die Ausgabe hier ohne Druckort und Drucker verzeichnet. 2. Zu Index Aureliensis, Nr. 117.907: Der Index Aureliensis verzeichnet eine Ausgabe von Berosus Babylonicus: De his quae praecesserunt inundationem terrarum, mit Lokalisierung und Datierung: Paris: G. de Marnef, 1511, welche nicht im V D 16 verzeichnet ist (ebenso nicht in der Nachtragskartei der Redaktion des V D 16). Die beiden im Index Aureliensis verzeichneten Exemplare (Dresden, SLUB: Lit. graec. Β 990 und Paris, BN: G. 3864) stimmen exakt mit den vom V D 16 in Straßburg lokalisierten Exemplaren überein. Deswegen findet sich auch in dem Dresdner und dem Pariser Exemplar kein Hinweis auf Druckort und Drucker. Der auf dem Titelblatt erscheinende Holzschnitt kann im übrigen - ebensowenig wie Johann Grüninger - dem Pariser Drucker Geoffroy de Marnef zugewiesen werden. Vgl. Silvestre: Marques Typographiques (Mamefs Marken dort Nr. 151, 974, 1288, 1305). Es gilt folglich festzuhalten, daß es nur einen auf 1511 datierten Druck des Berosus mit der hier vorgestellten Textauswahl gibt ohne Hinweis auf Druckort und Drucker.

D Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae fragmenta. An: Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum. Wien: Johann Singriener für Leonhard Alantsee, Januar 1515. [a]', Z. 1: Tit.: Cornelij Taciti veridici Historici: de I situ Germanie et incolarum: vt seda I olim ferebant: moribus libel= I lus lectu dignissimus. I eine Zeile frei I Conradi Celtis Protucij: Poete I fragmenta quedam: de ijsdem/scitu admodum vtilia. I eine Zeile frei I Omnibus dilige/iter reuisis I et castigatis. I 20

Ebensowenig konnte über Heitz: Elsässische Büchermarken, Tafel 1 oder ders.: Zierinitialen in Drucken des Johann Grüninger, Johann Grüninger als Drucker glaubhaft gemacht werden. Darüber hinaus finden sich auch in Ritter: Histoire de l'imprimerie alsacienne, Kap. 5: L'apogée de l'illustration. Jean Grüninger ( 1 4 8 2 1531), keine Hinweise auf den Titelholzschnitt der hier vorgestellten Ausgabe.

18 [d viii]r: Kolophon: Impressum est hoc opusculum acurata diligentia I Joannis Singrenij Calcographi: Vienne I Pannonie Mense Januario.Anni.md. I Decimiquinti. I 4° 22 Bl. a6 b4 c4 d8 28 bzw. 40 Zeilen (40 Zeilen beim dritten Kap. der Norimberga) Schrift: Gotica INHALT:

[a]v: Biographie des Tacitus (Inc.: De Cornel. Tacito paucula.) - a ij'-[c iij]": Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum - [c iij] v -[d v]r: Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae fragmenta - [d v]'-[d vij]v: Conrad Celtis: De Hercyniae silvae magnitudine et de eius in Europa definitione et populis incolis - [d viij]': Exzerpt aus Plinius (Inc.: De germania ex ca.xiiij.lib.iiij Plinij) - [d viij]': Verweis auf weitere antike Autoren, die über die Germanen geschrieben haben (Inc.: De Germanie situ et eorum moribus: le= I gi possunt [...]) TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis: [c iij] v , Z. 12: Conradi Celtis Poete Lau. D e situ I et moribus Germanie fragmenta. I De mundi initio fabularis Prefatio. I PEr Demogorgoneum memoranti«- cuneta tumultum I [...] I [c iiij] v , Z. 15: De situ Germanie et Moribus. I GEns inuicta manet toto notissima mundo I [...] I dv, Z. 4: De syderibus verticabilib«s germanie 11 Qualia ab Herculeis memorantur pectora stellis I [...] I Z. 16: De quatuor lateribus Germanie. I f Pulcer ab occiduo quas claudit limite Rhenus I [...] I d ijv, Z. 20: De tribus iugis et montibus Germanie. I SEd nemus Hercinium montes et ab alpibus orti I [...] I d iij', Z. 27: De tractu hercinie sylue ρer germania/n. I d iijv, Ζ. 1: Qve varijs porrecta plagis nunc vasta sub arcton I [...] I d iiijv, Z. 15: De qualitate telluris per Germaniam. I TErra hominum pecudumqwe ferax queque vbere glebe I endet [d v]v, Z. 6: Syderibusque suis deus et natura tulere. I EXEMPLARE:

Göttingen, SB: 8o Auct. lat. V, 1148 - London, BL (2 Ex.): 1314. e. 6 und 304. g. 13 (3) München, SB: 4° P. lat. 862/2 - Paris, BN: Rés. M. 303 - Trier, SB: 5/368. 8° EINGESEHENES EXEMPLAR: M ü n c h e n , SB: 4° P. lat. 862/2 LITERATUR:

Adel: S. 52 - BLGC: Bd. 320, S. 108 - BNCG: Bd. 181, Sp. 731 - Massmann: S. 35f. VD 16: T29 BEMERKUNG:

1. Die Verlegermarke Alantsees befindet sich auf der letzten Seite des Drucks ([d viij]v). 2. Ex. Trier, SB: 5/368. 8°: Die Tacitus-Ausgabe ist erster Teil eines Sammelbandes mit folgenden weiteren Titeln: 2. Pomponius Mela: Cosmographia, Nürnberg 1512 (VD 16: M 2307); 3. Pomponius Laetus: Opera, Straßburg 1515 (VD 16: Ρ 4147); 4. Constantinus Magnus Ioanne Reuchlin interprete, Tübingen 1513 (VD 16: C 4938); 5. Reuchlin, Johannes: Defensio contra calumniatores, Tübingen 1514 (VD 16: R 1245); 6. [Accursio, Mariangelo]: Osci et Volsci dialogus, [Hagenau um 1517] (VD 16: A 82).

19 E

Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae. In: Cornelius Tacitus: Germania. Wittenberg: Johannes Lufft, 1557.

[A]': Tit.: G E R M A = I NIA CORNELII I TACITI. I V O C A B U L A I REGIONVM ENARRATA, ET I ad recentes adpellatio= I nes accomo- I data. I HARMINIVS I Virici Hutteni. I DIALOGVS, CVI TITV= I lus est Iulius. I Recens edita a Philippo I Melanthone. WITTEBERGvE I Per Iohannem Lufft. I 1557.1 Kein Kolophon. Endet [Κ 7]\ Ζ. 4: Syderibusque suis Deus et natura creauit. I [K 8]: frei I 8° 80 Bl. a-k 8 28 Zeilen Blattzählung am rechten oberen Rand der Recto-Seite eines Blattes von Bl. 3 bis 79 (1, 2 u. 80 ohne Zählung) Schrift: Kursive (Überschriften in Antiqua) INHALT:

A 2 - C 3V ([1]'-19"): Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum - C 4'-[D 7]v ( 2 0 - 3 Γ ) : Ulrich Hutten: Arminius Dialogus - [D 8 ] - F 5V (32'-45 v ): Philipp Melanchthon: Vocabula regionum et gentium, quae recensentur in hoc libello Taciti ([D 8] Γ -Ε Τ (32 Γ -34 Γ ): Widmungsbrief an David Ungnad, Baron Sonnek und Frauenburg: Tit.: ILLVSTRI ET I GENEROSO DOMINO, DOMI= I no Dauidi Vngnad, Baroni I in Sonnek & Frau-1 enburg & c. I Inc.: DIVINITVS OMNI= I um hominum [...]). - [F6] — K v ( 4 6 - 7 3 v ) : Philipp Melanchthon: Iulius Dialogus - Κ 2'-[K 7] v (74 r -79 v ): Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae

TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis:

Κ Ί (74Γ): Tit.: CONRADI CEL= I TIS DE SITV ET MORI= I bus Germaniae. I PR/EFATIO. I eine Zeile frei I PEr Demogorgoneum memorantur cuncta tumultum I [...] I Κ 3 r (75"), Z. 7: DE SITV GERMA- I niae & moribus. I eine Zeile frei I GEns inuicta manet toto notißima mundo, I [...] I Κ 3V (75"), Z. 27: DE SIDERIBVS V E R T I C A L S I bus Germaniae. I Κ 4 r (760, Ζ. 1: QValia ab Herculeis memorantur pectora stellis I [...] I Z. 12: DE QVATVOR LATERI= I bus Germanise. I eine Zeile frei I PVlcher ab occiduo, quas claudit limite Rhenus, I [...] I Κ 5 r (770, Z. 14: DE TRIBVS IVGIS ET MON= I tibus Germanias. I eine Zeile frei I SEd nemus Hercinium montes et ab Alpibus orti I [...] I Κ 5" (77v), Ζ. 23: DE TRACTV HERCINLE SIL= I uae per Germaniam. I eine Zeile frei I QVae uarijs porrecta plagis, nunc uasta sub arcton I [...] I [K 7]r (790, Z. 12: DE QVALTITATE TELLVRIS I per Germaniam. I eine Zeile frei I TErra hominum pecudumqi/e ferax, quaeque ubere gleba I [...] I endet [Κ 7] ν (79 ν ), Ζ. 4: Syderibusqwe suis Deus et natura creauit. I EXEMPLARE:

Bretten, Bibliothek des Melanchthonhauses - Chicago, Newberry Library - Detmold, Lippische LB: Ph 1156n - Dresden, SLUB - Folger Shakespeare Library - Gotha, FB: Geogr. 171/2 - Halle, UB (3 Ex.): A B 4 0 14/i, 14; Cl 2845 (4); Vg 3925 - Jena, UB: 8° Bud. Germ. 3 - Library Company of Philadelphia - München, SB: Biogr. 233/2 (unvollständig) - München, UB: 8° A. lat. 724:1 - Tübingen, UB: Dk II 30 - Wolfenbüttel,

20 Herzog August-Bibliothek (4 Ex.): 583. 14 Hist. (3); Alv Ik 189 (3); Lh 2236; Ρ 1524. 8° Heimst. (4) - Wittenberg, LH: Kn A 378/2656 EINGESEHENES EXEMPLAR: M ü n c h e n , U B : 8° A . lat. 724:1 LITERATUR:

Massmann: S. 40 - NUC: NT 0006746 - VD 16: Τ 37 BEMERKUNGEN:

1. Die Germania generalis fehlt in der Inhaltsangabe auf dem Titelblatt (vgl. Transkription des Titels). 2. Ex. München, SB: Biogr. 233/2: In diesem Exemplar fehlen: Iulius Dialogas und Germania generalis. Auf dem Titelblatt ist der Vermerk Recens edita a Philippo Melanthone mit Tinte durchgestrichen. Der Druck endet mit dem Blatt f 5 (f 4 ist eingelegt).

F

Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae. In: Simon Schard: Historicum opus in quattuor tomos divisum, Tomus 1. Basel: Heinrich Petri, ohne Jahr.21

[+]': Tit.: HISTORICVM I OPVS, IN QVATVOR TO= I MOS DIVISVM: QVORVM, I TOMVS I, I GERMA INIAE ANTI= IQVAE ILLVSTRA= ITIONEM CONTINET, IN QVA VETE= I RVM AVTORVM DESCRIPTIONES, ΤΑΜ GENERA- I les, quàm speciales, cum doctissimorum vironim, nostrae aetatis, ela= I boratis commentarijs, explicantur, omissae ab antiquis recentiorum I studio & industria supplentur: praecipuae historiae Germaniae anti= I quç & nouae describuntur: Populorum migrationes indicantur: Re= I gionumque ac Gentium appellationes recentes veteribus ac= I commodantur: & aliae quàmplurimae res überall co= I gnitione dignissimae, continentur. I Endet: 825: Historiarum Germaniae OFFICINA HENRICPETRINA. I

antiqua

FINIS. I [826]: BASILEA, EX

2° 72 (36 Bl.) ungez., 826 gez. Seiten 51 Zeilen Schrift: Antiqua und Kursive INHALT:

+2r_v: Ad lectorem, in tomum priraum, praefatio - + t - +tt v : Widmungsbrief von Johannes Ophaeus Tencterus an Thomas Rediger (Inc.: COGITANTI mihi saepenumero, & aetatis memoriaeque I nostrae studia animo repetenti, [...]) - 1-72: Andreas Althammer: P. Cornelii Taciti De situ, moribus et populis Germaniae libellus cum scholiis - 73-178: Jodocus Willichius: Commentarius in Cornelii Taciti libellum - 179-192: Heinrich Glarean: Commentarla in Cornelii Taciti libellum - 193-199: Philipp Melanchthon: Vocabula regionum et gentium quae recensentur a Tacito - 200-220: Willibald Pirckheimer: Germaniae ex variis scriptoribus brevis explicatio - 221-235: Heinrich Bebel: Oratio ad Maximilianum I. Caesarem et de eius atque Germaniae laudibus 21

Widmungsbrief und Praefatio sind auf das Jahr 1574 datiert.

21 235-237: Heinrich Bebel: Eiusdem carmina et epistulae quaedam (1. Tit.: AD SACRATISS. ROMANO. I REGEM DIVVM MAXIMILIA-1 num, έυχαριςικόν [sic!], hoc est, gratiarum actio Henrici Be= I lij [sic!] Iustingensis poetae laureati; 2. Tit.: IN ASOPHVM PSEVDO= I propheten, Η. B. carmen; 3. Tit.: IN DETRACTOREM I regiae maiestatis. Η. Β.) - 237-241: Heinrich Bebel: Germani sunt indigenae (mit Widmungsbrief an Petrus Jacobus Arlunensis und Elegie an denselben) - 242-254: Heinrich Bebel: Apologia pro defensione imperatorum contra Leonhartum Iustinianum et alios, qui nomen imperatorie extenuant et coronationem eorundem deciderit - 254-256: Heinrich Bebel: Quod imperator Romanorum iure sit christianissimus dicendus - 256-286: Heinrich Bebel: De laude, antiquitate, imperio, victoriis rebusque gestis veterum Germanorum - 287-300: Heinrich Bebel: De laude Suevorum et Udalrici ducis Vuirtenbergensis - 301-348: Johannes Trithemius: De origine Francorum - 349-400: Jakob Wimpfeling: Epitoma rerum Germanicarum - 401-424: Konrad Peutinger: Sermones convivales - 425-432: Ulrich Hutten: Arminius Dialogus - 433-445: Hieronymus Gebwiler: Libertas Germaniae et cetera scripta - 445-448: Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae - 449-466: Enea Silvio: Germania (nur das zweite Buch des Brieftraktats) 467-500: Sebastian Münster: Germaniae descriptio - 501-518: Georg Spalatin: Historia de Arminio - 519-577: Aegidius Tschudi: Descriptio priscae ac verae Alpinae Rhetiae cum cetero Alpinarum gentium tractu - 577-584: Aegidius Tschudi: Epistula ad Beatum Rhenanum de Lentiensium, Germanorum, Augustae Vindelicorum, Octodori Veragrorum [...] - 585-597: Johannes Herold: Commentarius de Romanorum in Rhetia littorali stationibus ac ex iis de vicorum, municipiorum et villarum originibus - 598-618: Heinrich Glarean: Helvetiae descriptio - 618-636: Heinrich Glarean: Panegyricon in laudem quattuor pagorum et tredecim urbium Helvetiorum - 637-667: Hubert Thoma: De Tungris et Eburonibus aliisque inferioris Germaniae populis commentarius - 668693: Petrus Divaeus: De Galliae Belgicae antiquitatibus - 694-815: Anonymus monachus: Hersfeldensis chronicon - 816-825: De nominibus propriis Germanorum opusculum studiosi antiquitatis TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis (Schrift: Kursive): 445, Z. 19: Tit.: CONRADICEL- ITIS DE SITV ET MORIBVS I GERMANIAE, I PRAEFATIO. I Sp. 1, Z. 1: PER Demogorgoneum memorantur I cuncta tumultum I [...] I 446, Sp. 1, Z. 9: D E SITV GERMANIAE I ET MORIBVS. I eine Zeile frei I GENS inuicta manet toto notissima mundo I [...] I Sp. 2, Z. 5: D E SIDERIBVS VERTICA= I libus Germaniae I QValia ab Herculeis memorantur pectora I stellis I [ . . . ] I Z. 20: D E QVATVOR LATERI= I bus Germaniae. I PVlcher ab occiduo, quas claudit limite Rhe= I nus, I [...] I 447, Sp. 1, Z. 27: D E TRIBVS IVGIS ET I montibus Germaniae. I eine Zeile frei I SEd nemus Hercinium montes & ab Alpibus orti I [...] I Sp. 2, Z. 13: DE TRACTV HERCINIAE SIL= I uae per Germaniam. I QVae uarijs porrecta plagis, nunc uasta sub I Arcton I [ . . . ] I 448, Sp. 2, Z. 6: DE QVALITATE TELLV= I ris per Germaniam. I eine Zeile frei I TErra hominum pecudumqwe ferax, quaeque übe I re gleba I [...] I endet Ζ. 27: Syderibusque suis Deus & natura creauit. I eine Zeile frei I FINIS. I EXEMPLARE:

Augsburg, SuStB (3 Ex.): 2 S 303; 2 H 311; 4 Gs 2053-1 - Augsburg, UB (2 Ex.): IV. 14. 2. 19-1; NN 3410 S 311-1 - Berlin, SB (2. Ex.): 4° Rw 2821 (T. 3 u. 4); 4° Rw 2821a - Braunschweig, SB (2 Ex.): M 492. 2° (T. 1 u. 4); M 492b. 2° (T. 2 u. 3) Cambridge (Mass.), Harvard University - Columbus, Ohio State University - Chicago, Newberry Library - Detmold, Lippische LB: G 207 a2 - Gent, CB: Hist. 2953 -

22 Göttingen, SB: 4° H. germ. IV, 1366 - Gotha, FB: Hist. 4o 876/2 - Halle, UB (2 Ex.): AB BB 612; Ne 126. 4 - Innsbruck, UB: 5/JH 16 - Jena, UB (3 Ex.): 2° Bud. Germ. 2.3.; 2° Bud. Var. 75.76 (T. 1, 3 u. 4); 4 MS 3778 (T. 1) - Köln, UB (2 Ex.): GD 2/1896; S. B. 973 (T. 1 u. 2) - London, BL (2 Ex.): 9366. i. 11; 158. f. 6-8 - Lüneburg, SB: GDa 2° 14: I—III - Madrid, BN - München, SB: 2° Germ. g. 109-1 - München, UB: 2 Hist. 1602-1 - New Haven, Yale University - Paris, BN: M 424-426 - Trier, SB (3 Ex.): Ak 77. 4° (Τ. 2-Λ)\ Κ IV 2. 4° (T. 1 , 3 u. 4); Nq 15/82 - Wolfenbüttel, Herzog AugustBibliothek (7 Ex.): Alv Lb 30 (T. 1); Alv Lb 31 (T. 2 u. 3); Alv Lb 32 19 (T. 4); Alv U 69 (T. 2 u. 3); Τ 661.2° Heimst. (T. 1); 662.2° Heimst. (T. 2) und Τ 663. 2° Heimst. (T. 3 u. 4) EINGESEHENES EXEMPLAR: M ü n c h e n , S B : 2° G e r m . g . 109-1 LITERATUR:

Adams: Bd. 2, 623 - Adel: S. 53 - BLGC: Bd. 292, S. 5 - BNGC: Bd. 164, Sp. 867 CCOIS XVI: S. 853 - Machiels: Bd. 2, 175 - NUC: NS 0184412 - VD 16: S 2278

G Conrad Celtis: D e situ et moribus Germaniae ac Herciniae silvae magnitudine et de eius in Europa definitione et populis accolis additiones. An: Beatus Rhenanus: Rerum Germanicarum libri tres. Straßburg: Lazarus Zetzner, 1610. [):(]': Tit.: BEATI RHENANI I SELESTADI- I ENSIS RERUM GER- I MANIC ARUM I LIBRI TRES, I Quibus nunc denuò diligenter revisis & e- I mendatis praemissa est VITA ipsius Bea-1 ti Rhenani, à JOANNE STUR-1 MIO eleganter conscripta. I [...] I ARGENTORATI, I Sumptibus LAZARI ZETZNERI Bibliop. I ANNO M. DC X. I 8° 436 Bl. ):(-):( ):(8 ):( ):( ):(2 A-Z 8 Aa-Zz 8 Aaa-Fff 8 Ggg2 Gedruckte Seitenzählung von Ar bis [Aaa 6]v (=748 numerierte Seiten) 32 Zeilen Schrift: Antiqua und Kursive INHALT:

):( 2-[):( 5]': Widmungsbrief des Beatus Rhenanus an Kaiser Ferdinand - [):( 5]v-[):( 8]': Brief Johannes Sturms an Christoph, Herzog von Württemberg (Inc.: Praeclarè de mortalium merentur [...]) - [):( 8]': Monumentum Beati Rhenani Johanne Sapido autore (Inc.: Quod nunc illustrata suis Germania rebus) - ):():(-[):():( 8]v: Johannes Sturm: Vita Beati Rhenani - ):():():(': Epitaphium Beati Rhenani, quod visitur Selestadii in summo templo (Inc.: Beato Rhenano, Antoni ex veteri Bildiorum familia [...]) - ):():():( v [):():():( 2]v: Stellen- und Autorennachweis für die Rerum Germanicarum libri - 1-358: Beatus Rhenanus: Rerum Germanicarum libri tres - 359-374: Beatus Rhenanus: De aliquot Plinii locis epistula-375-404: Beatus Rhenanus: Castigationes in libellum Taciti De situ, moribus et populis Germaniae-405-657: Jodocus Willichius: In Cornelii Taciti equitis Romani Germaniam commentarla - 658-719: Willibald Pirckheimer: Germaniae tarn superioris quam inférions descriptio - 720-728: Gerhard Noviomagus: Germaniae inferioris Historia-729-738: Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae - 739-748: Conrad Celtis: De Hercyniae silvae magnitudine eiusque in Europa definitione et populis incolis

23 TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis (Schrift: Kursive):

Zz 5 r (729), Z. 1: Tit.: C O N R A D I I CELTIS PRODUCII EX I F R A N C I A G E R M A N L E ORIUN- I di, de situ & moribus, Germaniae, ac Herci- I niae Sylvae magnitudine, & de ejus in I Europa definitione & popu- I lis accolis, I eine Zeile frei IADDITIONES. I eine Zeile frei I PEr Demogorgoneum memorantur cuneta tumultua I [...] I [Zz 6]r (731), Z. 5: D E SITU G E R M A N I A ET I Moribus. I Gens invicta manet toto notissima mundo, I [...] I [Zz 6]v (732), Z. 19: D E SYDERIBUS VERTICA- I libus Germania;. I Qualia ab Herculeis memorantur pectora stellis I [...] I [Zz 7]' (733), Z. 1: D E Q U A T U O R LATERIBUS I Germaniae. I Pulcher ab occiduo quas claudit limite Rhenus, I [ . . . ] ! [Zz 7]v (734), Ζ. 26: DE TRIBUS JUGIS ET MON- I tibus Germaniae. I Sed nemus Herciniu/n montes & ab Alpibus orti I [...] I [Zz 8]' (735), Z. 30: DE TRACTU HERCINLE SYL-1 vae per Germaniam. I Quae variis porrecta plagis nunc vasta sub Arcton I [...] I Aaa v (738), Ζ. 5: DE QU ALITATE TELLURIS I per Germaniam. I Terra hominum pecudumqwe ferax quaeque ubere gleba I [...] I endet Ζ. 24: Syderibusque suis Deus & natura creavit. I EXEMPLARE: Dresden, SLUB - Düsseldorf, ULB: ADG 185 - Köln, UStB: GB XI 619 - Konstanz, Wessenberg-Bibliothek: 4 3 7 - London, BL: 1054. b. 13 - Mannheim, UB: Sch 047/073 München, SB: Germ. g. 398 - Offenburg, StB (2 Ex.): F51/I; F51/II - Paris, BN: M. 13743 - Stuttgart, WLB: HB 4492 - Tübingen, UB: Fo Xlla 123 EINGESEHENES EXEMPLAR: München, SB: Germ.g. 398 LITERATUR: Adel: S. 53 - BLGC: Bd. 32, S. 293 (unter: »Bildius«) - BNCG: Bd. 150, Sp. 418

Η

Conrad Celtis: D e situ et moribus Germaniae ac Herciniae silvae magnitudine et de eius in Europa definitione et populis accolis additiones. An: Beatus Rhenanus: R e r u m Germanicarum libri tres. Straßburg: Simon Pauli, 1670.

[):(]r: Tit. : BEATI R H E N A N I I Selestadiensis I RERUM I GERMANICARUM I LIBRI TRES. IQuibus Ipraemissa est IPSIVS Vita I Auetore I JOANNE STVRMIO. I [...] I ARGENTORATII Apud SIMONEM PAULLI Bibliop. I M DC. LXX. I 8° 436 Bl. ):(-):( ):(8 ):( ):( ):(2 A-Z 8 Aa-Zz 8 Aaa-Fff Ggg2 Gedruckte Seifenzählung von Ar bis [Aaa 6]v (=748 numerierte Seiten) 32 Zeilen Schrift: Antiqua und Kursive INHALT: Identisch mit G (auch die Seiten bzw. Lagen stimmen überein) TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis (Schrift: Kursive): Siehe G

24 EXEMPLARE: Augsburg, SuStB: H 1895 - Austin, University of Texas - Chicago, Newberry Library Detmold, Lippische LB - Karslruhe, LB: p66 A 24 34 - Köln, UStB - Trier, UB EINGESEHENES EXEMPLAR: Augsburg, SuStB: H 1895 LITERATUR: NUC: NR 0222559

I

Conrad Celtis: De situ et moribus Germaniae. In: Schardius redivivus sive rerum Germanicarum scriptores varii, Tomus 1. Hg. von Hieronymus Thoma. Gießen: Officina Seileriana, 1673.

[):( 2]r: Tit.: SCHARDIUS REDIVIVUS I Sive I RERUM GER- I MANICARUMI SCRIPTORES VARII, I Olimi A D. SIMONE SCHARDIO, I In IV. Tomos collecti, hactenus diu desiderati, ITOMUS PRIMUS, ICONTINENS GERMANORUM PO- I tissimam originem, varias migrationes, divisiones, appella-1 tiones, [ . . . ] ! Operâ I HIERONYMI THOM/E, AUGUSTANI, J. U. L. I GIESS.ÂÏ, Ex Officina SEILERIANA I [...], Anno 1673.1 ):(4 + 446 numerierte Seiten (letzte Seite nicht numeriert) 2 Spalten 66 Zeilen Schrift: Antiqua und Kursive INHALT: Der Inhalt dieses Bandes ist identisch mit F. 22 TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis (Schrift: Kursive):

226 (über beide Spalten), Z. 34: CONRADI CELTIS I DE I SITU ET MORIBUS GERMANLE. I PRvEFATIO. I Sp. 1, Z. 38: PEr Demogorgoneum memorantur cuncta tu- I multum I [...] I 227, Sp. 1, Z. 1: DE SITU G E R M A N I A I ET MORIBUS. I eine Zeile frei I GEns invicta manet toto notissima mundo I [...] I Z. 48: De Syderibus Verticalibus Germaniae. I eine Zeile frei I QUalia ab Herculeis memorantur pectora stellis I [...] I Z. 62: De quatuor Lateribus Germaniae. I eine Zeile frei I PUlcher ab occiduo, quas claudit limite Rhenus, I [...] I Sp. 2, Z. 53: De tribus jugis & montibus Germanice. I eine Zeile frei I SEd nemus Hercynium montes & ab Alpibus orti I [...] I 228, Sp. 1, Z. 23: De tractu Hercyniae Sylvae per Germaniam. I QUae variis porrecta plagis, nunc vasta sub Arcton I [...] I Sp. 2, Z. 37: De qualitate telluris per Germaniam. I eine Zeile frei I TErra hominum pecudumque ferax, quaeque ubere I gleba I [...] I endet Ζ. 57: Syderibusque suis Deus & natura creavit. I FINIS. I

22

Der Inhalt von I ist gegenüber F zwar nicht seitenidentisch, er wird aber in der gleichen Reihenfolge präsentiert, so daß auf eine erneute Auflistung der Werktitel verzichtet werden kann.

25 EXEMPLARE:

Bryn Athyn, Academy of the New Church - Cambridge (Mass.), Harvard University Chicago, Newberry Library - Leeds, Brotherton Library - London, BL: 9366. 1. 6 Madison, University of Wisconsin - München, SB: 2° Germ. g. 108 - New York, Public Library -Philadelphia, University of Pennsylvania -Stanford, Stanford University Libraries EINGESEHENES EXEMPLAR: M ü n c h e n , S B : 2° G e r m . g. 108 LITERATUR:

Adel: S. 53 - BLGC: Bd. 292, S. 5. - NUC: NS 0184424. BEMERKUNG: Es fehlen die Verse 51-54 der Germania generalis. Auf S. 226 endet der Text mit V. 50; auf S. 227 beginnt er mit der Überschrift De situ Germaniae et moribus. Daß es sich um einen Fehler des Setzers handeln muß, zeigt die Kustode Dum, die korrekt V. 51 ankündigt.

2.3. Die handschriftliche Überlieferung Die handschriftliche Überlieferung beläuft sich auf einen Textzeugen. Für die Dokumentation der Handschrift und des Texts der Germania generalis in ihr gelten die gleichen Vorgaben wie für die Drucküberlieferung.

a

München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 388.

15. und 16. Jh. 285 Bll. Pergament. Format: 4° (16, 2 χ 22, 4 cm). Einband: Holzdeckel, mit hellbraunem Leder überzogen (zwei Metallschließen). Schreiber: mehrere Hände. Sammelhandschrift mit humanistischen Texten. Provenienz aus der Bibliothek des Johann Albrecht von Widmannstetter (eigenhändiger Besitzeintrag: Bl. Tunten). INHALT:

Bl. 1': Burkhard von Aynwil: Alsati de bello quod Sigismundus Austriae dux contra Venetos gessit libri II (Inc.: Bellum scripturus sum quod Sigismundus) - Bl. 62v: Aegidius Viterbiensis: Carmen de mirabilibus Bononiae (Inc.: Porta maior ubi) - Bl. 63': Burkhard von Aynwil: Carmen ad Antonium Urcensem Codrum Foroliviensem (Inc.: Quanquam socraticis polies sermonibus) - Bl. 65v: Burkhard von Aynwil: Epigramma ad quendam magnae staturae virum (Inc.: Magnus es) - Bl. 66': Burkhard von Aynwil: Belli Veneti liber primus (Inc.: Argumentum totius historiae) - Bl. 79': Aeneae errores (Inc.: Capthato seu dolo seu proditione) - Bl. 80v-81v: [Metrische Analysen von Hexa- und Pentametern] - Bl. 82': Theodor Gresemundus: Epicurus (Inc.: Non ego sollicitas urbes) Bl. 82": Theodor Gresemundus: In nobilem gloriosum (Inc.: Sic hic); De duce Sigismundo (Inc.: Clara Sigismundi) - Bl. 83': Burkhard von Aynwil: Belli Veneti liber secundus (Inc.: At non dardanidum) - Bl. 99: De triumpho Salvatoris (Inc.: Non hic genitis) - Bl. 100': De Sigismundo (Inc.: Ille Sigismundus) - Bl. 101': Incipit Pistomachia Jacobi (Inc.: Hic fidei) Bl. 102v: De componendis carminibus opusculum

26 (Inc.: Haec mea scripta) - Bl. 103v: Ad divam omnipotentis genetricem carmen (Inc.: Aeternum dea [quer über beide Seiten]) - Bl. 106": Epigrammata (Inc.: Omnibus in urbibus) - Bl. 109': Aeneas Silvius: Ad Casparem Schlick (Inc.: Omnibus est annis); [Es folgen verschiedene Epigramme] - Bl. 111': Theodor Gresemundus: Carmen ad Firmianum (Inc.: Foelix terque) - Bl. 11Γ: Angelo Poliziano: Stanza (Inc.: Che fai tu Echo) - Bl. 112': [Verschiedene Gedichte] - Bl. 114': Zenobii Adagiorum epitome (Inc.: Abidenus missus) - Bl. 119v: Ad divum Hieronymum (Inc.: Rore parens) - Bl. 120': Dissolutio ac reductio in Mercurium omnium corporum mineralium (Inc.: Non est hic) Bl. 122': Conradus Celtis de situ et moribus Germaniae - Bl. 12T: Ex libro Conradi Celtis de Norimberga, de Hercinia silva (Inc.: Sed priusquam) - Bl. 131': Ad Musam suam ex libro 3° odarum (Inc.: Iam clara vatem)23 - Bl. 13Γ-133': Ex Cornelio Tacito (Inc.: Germania omnis) - Bl. 133': Theophilus Brixianus: De vita solitaria et civili dialogus (Inc.: Maurus heremita) - Bl. 148': Poggio Bracciolini: Ad Guidonem Montis ferrati principem de nobilitate liber (Inc.: Apud maiores nostros) - Bl. 16Γ: [Verschiedene Gedichte und Epigramme] - Bl. 165': Beroaldus Iunior: Oratio (Inc.: Ut statua corporum) - Bl. 18Γ: Invitatio rectoris in cosmographiam Cl. Ptolemaei noviter idiomate germanico contextam - Bl. 182": Tabula orbis terrarum - Bl. 183': Cosmographia (Inc.: Got lob) - Bl. 219': Inc.: Superbia quae Luciferum de cáelo - Bl. 224': Nota ad chartam navigandi (Inc.: Primum opus est composto) - Bl. 228': Bartholomaeus Platina: Dialogus de amore (Inc.: Agnellus. Salue Platina). - Bl. 242': Valerius Probus: De litteris antiquis opusculum - Bl. 258v: Lucían: Carmina heroica in Amorem (Inc.: Perdiderat natum genetrix) - Bl. 260': Inc.: Fragmenta quaedam ex variis - Bl. 271': Barnabas Christinus: De Romae regionibus (Inc.: Prima regio) - Bl. 276': Adriani cardinalis Chorysogonis carmen de venatione - Bl. 279': De miserabilibus Romae (Inc.: Drei ding halten Rom in wert) - Bl. 282': Bellum contra Venetos. TEXTBESCHREIBUNG der Germania generalis: Bl. 122', Z. 1.: Con. Celtis De situ et moribus Germanie addit/ones ad Cor. Taciturn. I Fabula demogorgonis D e creatione mundi prefatio: I Per demogorgoneum memoranti*/- cuneta tumultum I [...] I Bl. 122", Z. 24: De Situ Germaniae et moribus I Gens inuicta manet toto notissima mundo I [...] I Bl. 123v, Z. 4: De syderibus verticabilibui germaniae I Qualia ab herculeis memoranti*/- pectora stellis I [...] I Bl. 123", Z. 16: De 4or lateribws Germaniae I Pulcher ab occiduo quos claudit limite rhenws I [...] I Bl. 124v, Z. 9: De tribuí iugis et montibus Germaniae I Sed nemi« hercinium montibws et ab alpibi/s orti I [...] I Bl. 125', Z. 12: De tractu herciniae siluae ρer germaniam I Que uarijs porrecta plagis nunc uasta sub arcton I [...] I Bl. 126', Z. 20: De qualitate tellurw per germaniam I Z. 21: Terra hominwm pecudumqwe ferax queque ubere gleba I [...] I endet Bl. 126", Ζ. 7: Syderibusque suis deus et natura creauit. I Finis I LITERATUR:

Catalogus codicum Latinorum Bibliothecae regiae Monacensis, tomus 1, pars 1 (Nr. 1 2329), S. 102f. - Hartig: Die Gründung der Münchener Hofbibliothek, S. 188f.

23

Od. 3,6.

27

2.4. Literatur zur Druckbibliographie Adams

Herbert Mayow Adams: Catalogue of books printed on the continent of Europe, 1501-1600,in Cambridge libraries.2 Bde. Cambridge 1967.

Benzing

Josef Benzing: Bibliographie Strasbourgeoise. Bibliographie des ouvrages imprimés à Strasbourg (Bas-Rhin) aux XVIe siècle. 3 Bde. BadenBaden 1981-1986 (Répertoire bibliographique des livres imprimés en France au seizième siècle 148).

BLGC

The British Library general catalogue of printed books to 1975. 366 Bde. (davon 6 Suppl.). London u.a. 1979-1988.

BMC

Catalogue of books printed in the XV"1 century, now in the British Museum. Bd. 2 und 3: Germany. London 1963 (ND d. Ausgabe 1912-13).

BNCG

Catalogue général des livres imprimés de la Bibliothèque Nationale: Auteurs. 231 Bde. 1897-1981.

CBB

M.-Louis Polain: Catalogue des livres imprimés au quinzième siècle des bibliothèques de Belgique. 5 Bde. (davon 1 Suppl.). Brüssel 1978 (ND d. Ausgabe Brüssel 1932).

CCOIS XVI

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3. Die »Germania generalis« in den von Conrad Celtis selbst herausgegebenen Drucken (A und B) 3.1. Vorbemerkung Das Überlieferungskorpus der Germania generalis weist zwei Textzeugen auf, die von Conrad Celtis selbst herausgegeben wurden, nämlich A, die Ausgabe der Germania des Tacitus, entstanden um 1498/1500, und B, den Nürnberger Amores-Druck von 1502. Beide nehmen als vom Autor selbst zum Druck beförderte Editionen eine Sonderstellung in der Überlieferung ein, so daß es sinnvoll erscheint, sie als eigene Gruppe von der übrigen, nach Celtis' Tod entstandenen Überlieferung der Germania generalis zu trennen.

3.2.

»De situ et moribus Germaniae additiones« (A)

3.2.1. Zur Entstehung der Tacitus-Aus gäbe Der um 1498/1500 von Celtis herausgegebene Druck Cornelij Taciti de origine et situ Germanorum Liber, dem die Germania generalis und das dritte Kapitel der Norimberga beigegeben ist, ist der älteste erhaltene Überlieferungsträger der Germania generalis. Ein Autograph aus Celtis' Feder, das als von ihm autorisierte Vorlage für diese Ausgabe gelten könnte, ist nicht erhalten. In A liegt demnach die älteste erhaltene Textstufe der Germania generalis vor. Über die Entstehung von A lassen sich aus den Quellen, vorzugsweise dem Briefwechsel, nur wenige Hinweise gewinnen. Ende März/Anfang April des Jahres 1500 erhält Celtis vier Briefe, in denen sich die Absender für den Erhalt seiner Edition bedanken. Es sind die Schreiben des Laurentius Corvinus,1 des Hieronymus von Croaría,2 Jakob Lochers3 sowie des Dietrich Rysicheus,4 von denen die letzten drei auch Celtis' Germania generalis explizit würdigen. Es ist wohl auch die Germania generalis, die Augustinus Moravus den Humanisten in

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Aus Breslau vom 31. März 1500 (BW Nr. 236). Aus Ingolstadt vom 19. April 1500 (BW Nr. 237). Ebenso aus Ingolstadt vom 19.-20. April 1500 (BW Nr. 238). Wiederum aus Ingolstadt vom 20. April 1500 (BW Nr. 239).

30 einem Brief aus Ofen vom 5. März 1498 zu beenden bat.5 Angesichts dieser wenigen Hinweise läßt sich nur sagen, daß die Tacitus-Ausgabe spätestens Anfang des Jahres 1500 veröffentlicht worden ist und daß die Germania generalis im März 1498, als Moravus seinen Brief an Celtis schrieb, bereits in einer Rohfassung vorgelegen haben muß, um deren Fertigstellung der Absender des Schreibens ersucht. Im Falle des Tacitus-Texts kann noch eine weitere Eingrenzung vorgenommen werden. Denn Kurt Adel hat als eine Vorlage für die Germania-Edition des Humanisten die 1497 bei Philippus Pinci in Venedig entstandene Gesamtausgabe der taciteischen Schriften nachweisen können.6 Dies bedeutet zumindest, daß Celtis frühestens in diesem Jahr an die Fertigstellung seiner Ausgabe gehen konnte. Im übrigen dürfte der Plan, eine Ausgabe der Germania anzufertigen, welche ja Grundlage einer Wiener Vorlesung sein sollte, nicht vor seiner Übersiedlung nach Wien und wohl auch erst nach der Apuleius-Ausgabe, mit der er sich 1497 an seiner neuen Wirkstätte einzuführen gedachte, anzusetzen sein. Von den vier Dankesbriefen ist jener des Laurentius Corvinus von besonderem Interesse, da sich Celtis' Schüler nur für die taciteische Germania, nicht aber für Celtis' Gedicht bedankt.7 Die Kürze des Dankes könnte durch den Zeitmangel zu erklären sein, auf den Corvinus hinweist. Immerhin ist es aber auffällig, daß ein so enger Bekannter des Humanisten dessen Germania generalis nicht erwähnt; dies könnte auch ein Indiz dafür sein, daß der Breslauer Schüler nur einen Tacitus-Text erhalten hat. Daß es solche Ausgaben gegeben habe, behauptet Hans Rupprich, der Herausgeber des Celtis-Briefwechsels,8 und in der Tat ist in der Universitätsbibliothek Lüttich (Liège) ein Exemplar erhalten, das nur die taciteische Germania enthält.9 Die Anlage des Drucks, der auf zwei Lagen a und b mit je vier Blättern die Germania des Tacitus und erst auf einer dritten Lage c mit sechs Blättern Celtis' Texte enthält, läßt aufgrund der Lagentrennung eine nachträgliche oder während des Druckvorgangs vorgenommene Ergänzung der taciteischen Schrift mit der Germania generalis und dem dritten Kapitel der Norimberga als möglich erscheinen. Ebenso leicht aber können die Lagen auch nachträglich getrennt worden sein. Denn das Lütticher Exemplar ist Teil eines Sammelbands, so daß die Lage c auch bei dessen Bindung verlorengegangen sein könnte. Sollte Celtis seinem Schüler und Freund überdies das Gedicht vorenthalten 5

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BW Nr. 189, S. 318: Vellern >Epigrammata< tua perficeres vel poema id saltern, quod de Germania recens scripsisti. Siehe dazu unten S. 34-36. Corvinus sagt (BW Nr. 236, S. 394): Magnas tibi ago gratias, acturus brevi uberiores, cum mihi plus otii dabitur, quod me origine Germanorum donasti. Der Hinweis auf die origo zitiert den Titel der Germania an (De origine et situ Germanorum). In der Uberschrift der Germania generalis erscheint das Wort nicht. BW S. 399, Anm. 1 zum Brief des Dietrich Rysicheus (Nr. 239): »Unter dem >Gedicht< [im Brief erscheint tuo carmine, Anm. d. Verf.] ist die manchen Exemplaren der Tacitus-Ausgabe von 1500 beigedruckte >Germania generalis^ eine Probe aus den poetischen Abschnitten der >Germania illustrata l p i c t j s m i r t o s q u i a n e c t o t a olím fed clafítbus abuebebatur · q u i mutare í e d e s q u a ' r e b a n t SC t m m e n f u s v l t t a v t q j fic d i e t i m a d u e r f u s o c e a * n u s t a r i s a b o z b e n o f t r o n a u í b u s a d í t u r C l u i s p o z r o pza?;» t e r p c a c u l u m b o z r í d i Sí i g n o t i , m a n s ft fía a u t ftpbzica · a u t l t a l i a r e l i O a ©ermarriam prteretmfozmemterzisatpe t a t n c o e l o t n f t e m c u l t u · a f p e í t u q u e m f i fi p a t r i a fií^üefe* b z a n t c a r m i t i í b u s a n t í q u í s q u o d v n u m a p u d i l l o s merno^ n e SC a n n a l í u m g e n u s e i l t u i f t o n e m b e u m t e r z a e d í t u m . ei fîlium Q ö a r r a ü o z i g m e m g e n t i s c o n d i t o z i f q f ^ O à n o t r i ? fili o s a i T ì g n a n t C q u o ^ r t o m i m b u s pzojcimi o c e a n o mga?* u o n e s (DOedp b e r m i o n e s C e t e r i i f h ? u o n e s v o c e n t u r Q u i ¿ d a m v t m licencia v e t u f t a t i s p l u z i s d e o o z t o s p l u r e f q ^ g ê t i s appellation e s ©Daríos © a m b z í u i o s © u e u o s V a n d t ¿ l í o s a f f i r m a n t *eta SC a n t i q u a n o m m a - C c t e r u m g c r m a n i a ? x o c a b u l u m r e c ê s SC t i u p a d d i t u m * q m q u i p z i n t i erti r b e n ü SC t r a n f g r e i T i g a l l o s e y p u l c r m t a c t u n e Î u n g r i n ü c ( B e r m a m v o t a t i fint· ^ t a n a c i o m s n o m e n n o n g e n t i s · e u a luiflè paulattm* v t o m n e s p z í m ü a viftoze o b metu · moy

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Abb. 2: Beginn der »Germania« des Tacitus in Hartmann Schedels Exemplar der Ausgabe: P. Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum. [Nürnberg: Friedrich Kreußner, um 1473], Bl. [a]' (München, Bayerische Staatsbibliothek, 2° Inc. s. a. 1110").

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58 heit dieses Textensembles, dessen Unechtheit nördlich der Alpen erst Beatus Rhenanus in seinen 1531 erschienenen Res Germanicae nachwies. Von besonderem Interesse waren für die deutschen Humanisten die fünf Bücher des Pseudo-Berosus, der die Urgeschichte der europäischen Völker auf Noah zurückführte.7 Hinsichtlich der Germanen hat sich Annius diesbezüglich von Tacitus und seiner Germania inspirieren lassen, indem er den dort im zweiten Kapitel erwähnten göttlichen Stammvater der Germanen Tuisto kurzerhand zu einem Sohn Noahs machte, welcher im Gegensatz zu den drei bekannten Söhnen Cham, Sem und Japhet nach der Sintflut geboren wurde. Im Kommentar dazu verweist Annius ausdrücklich auf Tacitus, dem er die Kenntnis dieses Gottes ja eigentlich verdankt8 und stellt damit jenen Bezug her, der den Pseudo-Berosus für die um die Rekonstruktion ihrer Vergangenheit bemühten und sich dabei aber weiterhin in genealogischen Konzepten bewegenden deutschen Humanisten so attraktiv machte.9 Der Beweggrund für den gemeinsamen Druck der von Annius von Viterbo herausgegebenen pseudo-antiken Schriften und der taciteischen Germania liegt in eben dieser Beziehung zwischen den fünf Büchern des Pseudo-Berosus und der bei Tacitus zu lesenden göttlichen Abstammung der Germanen aus Tuisto. Eine derart direkte Verbindung zwischen Celtis' Texten und dem Pseudo-Berosus, die den Herausgeber dazu veranlaßt haben könnte, diese mit der Germania den Antiquitates variae beizufügen, kann demgegenüber nicht ausgemacht werden. Im Gegenteil: Celtis stellt in der Germania generalis gerade eine andere Version von der göttlichen Abstammung seiner Germani vor, nämlich die aus Demogorgon, die zwar Annius' Fiktion strukturell ähnlich ist, aber inhaltlich in Konkurrenz zu ihr tritt.10 So wird dem Herausgeber in erster Linie an der Verbindung zwischen dem Tacitus-Text und den Berichten des Berosus gelegen haben. Immerhin könnte er sich aber für Celtis' Tacitus-Ausgabe entschieden haben, weil er die Germania ihrerseits für ergänzungswürdig ansah und sie damit im Sinne des von Celtis hergestellten Beziehungszusammenhangs edieren wollte. b) Textzeuge D: Mit D erschien im Jahre 1515 in Wien eine Neuauflage von Celtis' TacitusAusgabe, die der Herausgeber um eine Biographie des römischen Historikers zu Beginn des Drucks und am Ende um einen Verweis auf einige Kapitel der Naturalis historia des Plinius, die über Germanien oder die Germanen informieren, erweiterte. In bezug auf die Textgestalt der Germania generalis fiel D durch die zahlreichen Veränderungen auf, die der Herausgeber an dem Gedicht vorgenommen hat." Diese Tendenz zur Bearbeitung ist in dieser Ausgabe aller7

Hierzu vgl. ausführlich Teil 2, Kap. Π.2.1.2. Antiquitatum variarum volumina XII, pv: Porro Tuyscon tarn Beroso quam Cornelio Tacito testibus fuit auctor Germanie. Vgl. Krapf: Germanenmythus, S. 61-67. 9 Siehe Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 242-249. •o Vgl. Komm, zu V. 60 und 61 f. sowie Teil 2, Kap. II.2.1.2. 11 Siehe oben Kap. 4.3., S. 51-55. 8

59 dings auf die Germania generalis beschränkt, denn im dritten Kapitel der Norimberga, das auch hier im unmittelbaren Anschluß an die Germania generalis folgt, sind keine Eingriffe in den Text zu beobachten.12 Zwar hat Celtis bei seinem Gedicht in der Tat weniger Sorgfalt walten lassen als bei der Norimberga, doch zeigt vor allem die Art der Veränderungen, daß der Herausgeber die Germania generalis für nicht vollständig fertiggestellt hielt und er sich selbst zu einer abschließenden Bearbeitung befugt sah. In seinem Vorgehen erweist sich der Bearbeiter in bezug auf die Germania-Thematik schließlich als genauer Kenner von Celtis' Œuvre und seinem Schicksal. Darauf deutet schon der veränderte Titel hin, unter dem die Germania generalis in D überliefert ist. Er lautet Conradi Celtis Poetae Laureati De situ et moribus Germaniae fragmenta13 und stellt damit das Gedicht als unfertig vor: Seine sieben Kapitel werden zu Fragmenten. Unschwer ist hinter dieser Bewertung der Kontext zu erkennen, in den Celtis das Gedicht in seiner Nürnberger A/worei-Ausgabe gestellt hatte. Die Anweisung, die der Dichter damals seinem Gönner Maximilian gegeben hatte, nämlich daß er die germanam pingentia carmina terram lesen solle,14 bis er die Germania illustrata erhalte, nahm der Herausgeber, der sieben Jahre nach dem Tod des Humanisten auf dessen Werk zurückschaute und wußte, daß Celtis sein Versprechen nicht einzulösen vermocht hatte, beim Wort. Denn in der Widmung sprach der Dichter dem Kaiser gegenüber von tota Germania illustrata,15 von der ganzen Schrift, die er bekommen werde, weshalb es nicht abwegig war, das Gedicht selbst als deren ersten kleinen Teil, der dann unvollendet blieb, zu verstehen. Es zeugt von der Sorgfalt, die der Bearbeiter walten ließ, daß er auch die Stelle innerhalb des Gedichts, in der sich ein Hinweis auf die Germania illustrata findet, in diesem Sinne veränderte. In jener Passage, in der Celtis auf eine genauere Besprechung der Lebensweise der Lappen in der Germania illustrata aufmerksam machte,16 tilgte der Herausgeber von D das präteritale Tempus.17 Er setzte den Vers aber nicht nur ins Präsens, sondern fügte überdies das Adverb nunc hinzu und versuchte damit, Celtis' Perspektive beim Schreiben des Gedichts einzunehmen. Denn mit seiner Änderung, die den Autor sagen läßt, daß er gerade am Schreiben der Bücher über Deutschland sei,18 gliedert er die Stelle in den Kontext zahlreicher Hinweise ein, mit denen Celtis seine Germania illustrata ab 1495 sogar mit dem Zusatz in manibus, als schon in Arbeit, wenn nicht schon greifbar, ankündigte; er bezieht die Stelle schließlich auch auf 12

Wenngleich auch der Tacitus-Text von A abhängt, hat der Herausgeber die von Celtis veränderten Stellen wieder dem überlieferten Wortlaut angepaßt. Vgl. D [a iiij]': Cui certis diebus humanis quoque hostijs litare fas habent. Celtis' entschärfende Variante huius wurde wieder rückgängig gemacht (vgl. dazu oben S. 34f.). 13 D [c iij]v. 14 Germ. gen. (Fassung B) III (=QLA [1 v]v). « Ebd., V. Vllf. 16 Germ. gen. 147-149. 17 D d ij\ V. 149: Quos de Germanis nunc conscribimus oris. 18 Das gewählte Verb conscribere trifft im übrigen exakt die Bedeutung von >verfassen< und ist sogar dem von Celtis gewählten scribere überlegen.

60 die Widmungsverse an Maximilian in der Amores-Ausgabe, wo auch der Eindruck entsteht, die Deutschlandschrift lasse nicht mehr lange auf sich warten.19 Der Bearbeiter versuchte, dem Autor der Germania generalis oder wenigstens dem Bild, das er von ihm hatte, gerecht zu werden. So dürfte er sich die Freiheit, den Text zu überarbeiten, auch in der Meinung genommen haben, die Germania generalis sei nicht nur in ihrem Bestand und inhaltlich unvollständig, sondern darüber hinaus auf sprachlicher und stilistischer Ebene nur als ein noch nicht endgültig bearbeiteter Entwurf zu betrachten. So zeigt sich, daß der Herausgeber von D ein genaues Autorbild hatte, welches auch im Titel zum Ausdruck kommt, wo er Celtis' Namen mit dessen Titel eines poeta laureatus erwähnt - ein Autorbild, das ihm auch erlaubte, die Germania generalis an einem bestimmten Ort von dessen Vita zu verorten20 - , daß er den Text aber nicht als abgeschlossenes Werk ansah und sich deshalb befugt glaubte, ihn zu verbessern.21 D überliefert demnach die Texte von Celtis' Tacitus-Ausgabe, die Germania generalis selbst erscheint aber in einer Bearbeitung, die vor dem Hintergrund des in Β nahegelegten Zusammenhangs vorgenommen wurde. Dies hat zur Folge, daß die Funktion des Gedichts als Ergänzung der taciteischen Germania nicht mehr sichtbar gemacht wird und das Konzept, das hinter Celtis' eigener Zusammenstellung zu erkennen war, nur mehr implizit erkennbar wird. Dem Herausgeber war der Zusammenhang mit der Germania illustrata offensichtlich der dominante. Daß der Bearbeiter auch die Konzepte, die hinter dem Gedicht standen, nur begrenzt verstehen wollte, zeigt sich im ersten Kapitel, der Beschreibung der Weltschöpfung aus Demogorgon. Anders als Celtis nennt er es De mundi initio fabularis Prefatio und macht es kurzerhand zu dem, was es ist, nämlich einem mythologischen Bericht, zu einem Stück dichterischer Fiktion. Dabei übersah er, daß in der Partitur des Gedichts Demogorgon ja auch die Germani erschuf und daß sich daraus deren Indigenität ableiten sollte, mithin daß die Erschaffung des Volks aus dieser Gottheit als historisches Argument gebraucht wurde.22 Wie sehr Celtis' Verse über Demogorgon und den Ursprung der Germani in ihrer Verbindung von Indigenitätsbehauptung, die für den deutschen Humanismus typisch ist, mit Elementen einer genealogischen Geschichtsauffassung das historische Verständnis der Zeit dokumentieren, ja dieses in Deutschland vielleicht maßgeblich anregen,23 so ist seine Version mit dem aus Boccaccio ent-

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Zu den Verweisen auf die Germania illustrata siehe Teil 2, Kap. III. 1.2.1. Im Gegensatz dazu zeichnet sich Celtis' Neigung, sein Œuvre immer schon aus der Perspektive seiner gesamten Veröffentlichung zu betrachten, dadurch aus, daß der Eindruck einer zeitlichen Bezugslosigkeit der einzelnen Werke zueinander entsteht. Darin ist auch der Grund dafür zu suchen, daß sein Hinweis auf die Germania illustrata im Präteritum verfaßt ist. Daß der Herausgeber ein Interesse an den Autoren der von ihm edierten Texte hatte, zeigt auch die knappe Vita des Tacitus, die die Germania einleitet (D av). Vgl. dazu Teil 2, Kap. II. 1.2.2. und 2.1.2. Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 235-242.

61 lehnten heidnischen Göttervater aber auch eine gesuchte.24 Sie steht allein gegen die meisten anderen Berichte, die sich an Pseudo-Berosus hielten und die Indigenität an die Theorie von der Abstammung von Noah knüpften. So mag dem Bearbeiter entgangen sein, daß hier ein strukturell ähnliches Modell vorliegt; es ist jedoch auch möglich, daß er derartige historische Muster überhaupt nicht mehr anerkannte und sich einer an Quellen orientierten Geschichtswissenschaft verpflichtet sah. Der Herausgeber der Tacitus-Ausgabe von 1515 zeigt sich damit als Kenner von Celtis' Werk und seiner grundsätzlichen Disposition, was ihn in die Lage versetzte, das Überlieferte vor diesem Hintergrund auch zu bewerten. Es läßt sich bei ihm aber auch erkennen, daß er bestimmte Konzepte, die in der Germania generalis freilich immer nur sehr knapp angesprochen werden, nicht verstehen konnte. Daß es sich bei ihm um Celtis selber handeln könnte, der sein Gedicht kurz vor seinem Tode noch einmal bearbeitet hat, und daß sich die Veröffentlichung der Ausgabe dann sieben Jahre hingezogen hätte, ist auszuschließen.25 Und dies nicht nur aufgrund des gerade Gesagten, auch die Bearbeitung selbst spricht evident dagegen. So hätte wohl Celtis, der noch 1507 Konrad Peutinger um die Erlaubnis bat, dessen Kaiserbuch seiner Germania illustrata beizugeben,26 in demselben Jahr also, als er, sich seines nahen Todes bewußt, spätestens sein Sterbebild entwarf und trotzdem immer noch an seinem Plan festhielt, nie seine Germania generalis zu eben dieser Zeit unter dem Titel fragmenta herausgegeben. Aus dem Gesagten läßt sich insgesamt schließen, daß der Herausgeber von D in einem Umfeld, das mit Celtis' Werk vertraut war, vielleicht gar im Kreis seiner Schüler zu suchen sein wird. Der Erscheinungsort der Ausgabe, Wien, führt dabei allererst zu Vadian, d.h. zu dem St. Galler Humanisten Joachim von Watt. Dieser war im Jahre 1501 nach Wien gekommen, wo er 1508 zum Magister artium promovierte und begann, Vorlesungen zu halten. Bevor er 1518 wieder in seine Schweizer Heimat zurückkehrte, trat er vermehrt auch als Herausgeber auf.27 Bekannt ist seine im Jahr seiner Abreise in Wien erschienene Ausgabe der Chorographie von Pomponius Mela. Diese Interessen und die enge Beziehung zu seinem Lehrer Celtis machen Vadian zu einer prädestinierten Person für die Herausgabe einer Tacitus-Edition mit den Texten des Celtis, die ihrem Erscheinungsbilde nach wohl wiederum als Unterrichtstext gedacht war.28 In seinem Nachruf, den Vadian auf Conrad Celtis verfaßt hat, kommt er auch auf die Germania illustrata zu sprechen und berichtet, daß der Humanist und Lehrer eine Deutschlandbeschreibung begonnen, aber unvollendet zurück24 Vgl. Teil 2, Kap. II. 1.1.1. 25 Diese These vertritt, ohne sie zu belegen, Mazzuoli Porru: L'umanista tedesco Konrad Celtis, S. 195 mit Anm. 2. 26 Siehe BW Nr. 329, S. 586. 27 Zu Vadians Studium und Lehrtätigkeit in Wien, insbesondere auch zu seinem Verhältnis zu Celtis vgl. Näf: Vadian, Bd. 1, S. 117-159. 28 Vadian war im übrigen auch Mitherausgeber der 1513 in Straßburg veröffentlichten Ausgabe von Celtis' Oden, Epoden und dem Carmen saeculare.

62 gelassen habe: Post de Germaniae situ libros orsus, quos fato intercipiente affectes quidem, sed imaturos reliquit.29 Hinter diesen Worten gibt sich die gleiche Einschätzung zu erkennen, die auch in der Überschrift der Germania generalis in D zum Ausdruck kommt. Seiner Aussage zufolge glaubte Vadian von Abschnitten der Germania illustrata zu wissen, die vollendet waren, und es ist naheliegend, daß er dabei das kleine Deutschlandgedicht mit seinen sieben Kapiteln im Blick hatte, denn kein weiterer Text in Celtis' Werk bot sich an, als Teil der großen Deutschlandschrift zu gelten, und der Zusammenhang in Β legt diesen Bezug, wie gesagt, j a auch nahe. Trotz dieses Befunds ist Joachim von Watt als Editor von D nicht nachweisbar. 30 Weder im Briefwechsel des St. Galler Humanisten und späteren Reformators finden sich Spuren, die auf ein derartiges Unternehmen schließen lassen, noch findet sich in seiner Bibliothek überhaupt ein Exemplar der taciteischen Schrift, die als Grundlage seiner Korrekturen angesehen werden oder zumindest sein Interesse an der Germania belegen könnte. 31 So bleibt nur eine Vermutung, und die Frage nach dem Herausgeber von D muß letztendlich offen bleiben.

5.2. Die »Germania generalis« als selbständiger Text Zwischen dem Erscheinen der Neuauflage von Celtis' Tacitus-Ausgabe im Jahre 1515 und dem nächsten Textzeugen, der die Germania generalis überliefert, liegen 42 Jahre. Dies stellt nicht nur eine lange zeitliche Unterbrechung dar; in den ab 1557 folgenden Textzeugen erscheint die Germania generalis überdies nicht mehr eingebettet in das Textensemble der Tacitus-Ausgabe, sondern selbständig im Verbund mit anderen humanistischen Schriften. Aufgrund des gegenüber C und D größeren Abstands vom biographischen Kontext, in dem die Edition der antiken Schrift entstand, mithin auch von der Problematik, die Celtis' Werk bestimmt, scheinen der Überlieferung von da an die Zusammenhänge, in denen die Germania generalis entstanden ist, nicht mehr präsent zu sein. Sie gilt ihr als ein Beispiel humanistischer Literatur über die Germania, als eine Schrift in einem inzwischen reichlich vorliegenden Korpus von vergleichbaren Werken. Die Untersuchung zur Textgeschichte der Germania generalis hat ergeben, daß die beiden nun folgenden Überlieferungsstränge α (E, F und I) und β (G 29

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BW Nr. 341, S. 617. - Auch im Proömium zum dritten Buch seiner Pomponius Mela-Ausgabe spricht Vadian davon, daß Celtis die Germania illustrata immerhin begonnen habe. Daraufhat einzig Kliipfel: De vita et scriptis, Bd. 2, S. 160 aufmerksam gemacht. Rupprich, BW S. 616, Anm. 2 behauptet, Vadian habe 1514 die Germania herausgegeben. Im VD 16 findet sich eine Edition der taciteischen Schrift, die auf dieses Jahr datiert wäre, nicht. Dafür, daß sich Rupprich um ein Jahr geirrt und die hier angesprochene Ausgabe von 1515 gemeint haben könnte, fehlt jeder Beleg. Vgl. Frei: Bibliotheca Vadiana.

63 und H), die 1557 bzw. erst 1610 einsetzen, ihren Ursprung in C, der BerosusEdition von 1511, haben. Dies zeigt im übrigen auch für diesen Textzeugen, wie lange er rezipiert worden bzw. in interessierten Kreisen präsent gewesen sein muß. Demgegenüber scheint Celtis' Tacitus-Ausgabe und ihre Neuauflage in D in Vergessenheit geraten oder wenigstens weniger bekannt gewesen zu sein. Die Exemplarrecherche hat für A zwar ergeben, daß die Lageorte der Exemplare über ganz Europa verteilt sind, doch ist über ihren Verbleib im 16. Jahrhundert nichts bekannt. Der heutige Bibliotheksbefund ist daher wenig aussagekräftig. D hingegen ist insgesamt mit überhaupt nur sehr wenigen Exemplaren überliefert. Es ist daher möglich, daß die Verbreitung von A und D in den rund einhundert Jahren nach ihrem Entstehen eher regional begrenzt war. 32 a) Textzeuge E: 1557 erscheint bei Johannes Lufft in Wittenberg eine Edition der taciteischen Germania mit einigen humanistischen Texten, als deren Abschluß Celtis' Gedicht erscheint. Die Beigaben erweisen sich in ihrer historischen Ausrichtung auf die antike Schrift bezogen. Denn in Huttens 1529 postum veröffentlichtem Arminius dialogus präsentiert dieser den Cheruskerfürsten als Kämpfer für die deutsche Freiheit und gegen die römische Unterdrückung, die der auch in der reformatorischen Publizistik tätige Hutten für seine Gegenwart mit dem Papsttum identifizierte. 33 In denselben Umkreis gehört Erasmus' anonym erschienener Dialog Iulius exclusus e coelis, den hier Philipp Melanchthon herausgibt. Durch die radikale Kritik an Papst Julius II., der bei Erscheinen des Dialogs erst kürzlich verstorben war, kommt in Erasmus' kleinem Werk dieselbe antipäpstliche Haltung zum Ausdruck wie bei Hutten. Schließlich erscheint mit Melanchthons Vocabula regionum et gentium, quae recensentur in hoc libello Taciti eine Schrift, die sich zum Ziel setzt, geographische und Volksnamen in dem antiken Werk zu erläutern. Der Befund, daß der Text der Germania generalis in E auf der Berosus-Ausgabe von 1511 fußt, wo Celtis' gesamte Tacitus-Ausgabe die pseudo-antiken Schriften des Annius von Viterbo begleitet hatte, ist deshalb so interessant, weil in E Celtis' Gedicht weiterhin in einer Ausgabe der taciteischen Germania erscheint, der Bezugszusammenhang beider Schriften zueinander, der in C noch vorhanden ist, aber aufgehoben ist. Dieser scheint dem Herausgeber von E nicht mehr bewußt gewesen zu sein, so daß die Germania generalis hier erstmals in ihrer Überlieferungsgeschichte eigenständige Geltung bekommt. Dies zeigt auch die Überschrift des Gedichts, aus der der Zusatz additiones gestrichen wurde. Die Germania generalis erscheint in E somit als Vertreterin humanistischer 32

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Die Situation im späteren 17. Jahrhundert ist nicht mehr relevant, da H und I lediglich Neuauflagen von F und G darstellen und deren Herausgeber daher ein vorliegendes Textensemble übernommen haben und für dessen Zusammensetzung nicht verantwortlich sind. Zu Leben und Werk von Huttens siehe Holborn: Hutten, und Scheuer: Hutten. Zum Arminius vgl. Roloff: Der >Arminius< des Ulrich von Hutten. Zur Beziehung zwischen taciteischer Germania und Arminius siehe Kloft: Die Idee der deutschen Nation.

64 geographisch-historiographischer Literatur, deren Referenztext weiterhin die Germania des Tacitus bleibt. Beide Schriften stehen hier aber nur noch in lokkerer Beziehung zueinander. Der Erscheinungsort Wittenberg könnte darauf hindeuten, daß die Ausgabe als Unterrichtstext für die 1502 von Friedrich dem Weisen gegründete Wittenberger Universität bestimmt war.34 Gerade die beiden antipäpstlichen Stücke darin lassen eine Verwendung im Lehrbetrieb der von Melanchthon zur reformatorischen Reformuniversität gemachten Bildungseinrichtung als möglich erscheinen.35 Auch die taciteische Germania könnte dort Verwendung gefunden haben, da in einem Erlaß der Universität über den Lehrgang der artistischen Fakultät von 1545 ausdrücklich Geschichte als einführendes Fach genannt wird.36 Daß die Ausgabe für einen reformatorischen Kontext hergestellt wurde, legt nicht zuletzt auch der Drucker Johannes Lufft nahe, der in Wittenberg zu den wichtigsten Verlegern für lutherisches Schrifttum gehörte.37 In diesem geistigen Umfeld scheint die in dem Textensemble zum Ausdruck kommende Betonung der kulturellen Unabhängigkeit von Rom, die über die taciteische Germania behauptet wurde, in Verbindung mit dem Streben nach Autonomie vom Papsttum, mit dem Rom ja in der Gegenwart in eins gesetzt wurde, ihre Wurzel zu haben.38 b) Textzeugen F und I: In Simon Schards Historicum opus in quattuor tomos divisum erscheint Celtis' Germania generalis zusammen mit einer Vielzahl von im weiteren Sinne historiographischen Texten, die sich mit der Geschichte Deutschlands beschäftigen. Die vierbändige Geschichtsanthologie stellt das Hauptwerk des historisch interessierten Juristen und Beisitzers des Reichskammergerichts dar, der die Veröffentlichung des Historicum opus wegen seines frühen Todes am 28. Juni 1573 nicht mehr erlebte. An seiner Stelle gab es schließlich sein Kollege am Frankfurter Gericht, Nikolaus Eisner, heraus.39 In einem kurzen Vorwort zum ersten Band seiner Anthologie, in den die Germania generalis aufgenommen ist, stellt es Schard geradezu als seine Leistung heraus, daß er eine Vielzahl von verstreut veröffentlichten historischen Werken dem interessierten Leser in einem Sammelwerk vereint an die Hand gibt.40 Schard sieht seine Adressaten mit einem Zustand konfrontiert, der ein 34 35 36

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Siehe Speler: Zur Geschichte der Universität Wittenberg, S. 21-28. Zu Melanchthons Bildungsreform vgl. Scheible: Melanchthon, S. 28-56. Dazu Meuthen: Humanismus und Geschichtsunterricht, S. 36f. Geographie war in Wittenberg seit 1517 Bestandteil der universitären Lehre, als eine lectio Pliniana eingerichtet wurde (Günther: Der Humanismus in seinem Einfluß auf die Erdkunde, S. 73). Vgl. Bezzel: Artikel »Johannes Lufft«. Eine Verbindung zwischen der Erforschung der germanischen Vergangenheit und der antipäpstlichen Grundhaltung unter den deutschen Humanisten zeigt sich bereits im Kreise von Celtis und seinen Schülern. Vgl. Stadtwald: Patriotism and Antipapalism. Zu Schards Vita siehe Eisenhardt: Artikel »Simon Schard«. Historicum opus, +2' (Ad lectorem in Tomum Primum Praefatio): CVM in omni disciplinarum genere, tum in historijs legendis utile est: quae dispersa & segregata hinc inde de eadem materia a diuersis authoribus scripta sunt, ea undique congre-

65 vollständig anderer ist als der, den Celtis einst beklagt hatte. Denn als dieser Ende des 15. Jahrhunderts angetreten war, die Beschäftigung mit deutscher Geschichte zu fordern und diese Forderung selbst einzulösen versuchte, war sein Ausgangspunkt das Desinteresse seiner Landsleute an der Vergangenheit der eigenen patria.41 Dies sah er vor allem angesichts der in Italien gepflegten Historiographie gleichermaßen als Mangel und als Nachteil für den Führungsanspruch des deutschen Reichs an, so daß sich das emanzipatorische Anliegen seines Bildungsprogramms gerade in der Betonung der Geschichtsschreibung und ihrer Bedeutung artikulierte.42 In Celtis' Umkreis zeigte sich denn auch spätestens seit seiner Übersiedelung nach Wien das Bemühen, systematisch und gleichsam in einem Netzwerk von interessierten Freunden und Schülern die Geschichte der patria und ihrer Altertümer zu erforschen.43 Celtis' Rolle in seinem Kreis ist die eines Anregers, nicht zuletzt auch dadurch, daß seine Schüler und Freunde seine eigenen nicht realisierten Projekte als ihr Erbe empfanden. Ihre Versuche, den Plan einer Germania illustrata zu realisieren, sind Beispiele dafür, daß sich nicht lange nach Celtis' Tod ein breiteres Studium der deutschen Geschichte etabliert hatte und daß die Klage der Ingolstädter Rede zumindest in einem Kreise interessierter Humanisten gegenstandslos geworden war. Textzeuge F spiegelt in zweifacher Hinsicht eine neue Dimension dieser Entwicklung wider. Einmal zeigt Simon Schards Anliegen, daß die Literatur zur deutschen Geschichte gegen Ende des 16. Jahrhunderts schon unüberschaubar geworden und die Arbeit eines planenden und organisierenden Herausgebers vonnöten war. Des weiteren wendet sich Schard, selbst Jurist am Reichskammergericht in Frankfurt am Main, an ein Publikum gebildeter Leser, das an Geschichte interessiert ist, sich aber in ganz anderen Berufsfeldern betätigt. Die Rezeption historiographischer Literatur beschränkt sich hier nicht mehr wie im Kreis der frühen Humanisten auf den engen Zirkel derjenigen, die diese auch produzieren, oder aber auf akademische Kreise. Der Herausgeber des Historicum opus ist folglich für eine solche breite interessierte Leserschaft tätig, wie sie Celtis schaffen wollte.

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gata coniungere, & in unum quasi corpus cogere. Itaque licet uir quidam doctus & historiarum studio admodum deditus, pro eo muñere quod gessit, magnis multisque occupationibus destineretur: tarnen subscisiuis horis & generales & speciales de Germaniae & Nouç, & Veteris situ, Moribus, Populis, atque Regionibus descriptiones quasdam ex multis & uarijs, tum uetustis, tum superioris aetatis, nostrçque memoriae authoribus collectas in unum uolumen retulit. Celtis tadelt bereits in der Ingolstädter Rede seine Hörer für ihre Unkenntnis über die Geschichte und Geographie Deutschlands (Oratio S. 3f. [21]). In der Norimberga begründet er den Exkurs zur silva Hercynia (Kap. 3) ebenso mit dem mangelnden Wissen seiner Landsleute über dieses sich durch Deutschland ziehende Waldgebiet und inszeniert sich gleichzeitig als Pionier auf dem Gebiet der Landesbeschreibung (Norim. S. 111). Oratio S. 4 [37-40], Vgl. ausführlich dazu Teil 2, Kap. 1.1. Vgl. Teil 2, Kap. III.2.2.1.

66 Ihr legt der Herausgeber im ersten Band eine Sammlung von Texten vor, die sich nach einer ersten Auskunft des Titels mit der Germania antiqua beschäftigen.44 Diese Inhaltsangabe wird im folgenden genauer spezifiziert, indem vier Textgruppen vorgestellt werden. Zur ersten gehören Kommentierungen alter Schriften, die sich mit der Germania antiqua beschäftigt haben,45 dann nennt er Autoren, die antike Schriften ergänzen,46 hierauf solche, die deutsche Geschichte - alte wie neue - beschreiben,47 und schließlich diejenigen, die mit den Migrationen der Volksschaften und der Gegenüberstellung von alten und neuen Namen die Veränderungen zwischen Germanien und Deutschland aufzeigen.48 Das Textensemble, das Schard im ersten Teil seines Œuvres versammelt, ist folglich sehr heterogen. Das Band, das alle Texte verbindet, ist ihre Zugehörigkeit zur Gattung der historiographischen Literatur, wobei die dritte Abteilung mit den historiae Germaniae antiquae & nouae den zunächst vorgestellten Rahmen der Germaniae antiquae illustratio durch den Hinweis auf die historia nova sprengt. Allerdings ist angesichts des versammelten Textkorpus zu schließen, daß Schard nicht zeitgeschichtliche Werke meint, sondern solche, die die neuere Geschichte mit der alten in Verbindung setzen, mithin jene als eine aus dieser gewordene beschreiben. Am Anfang des Bandes stehen zunächst nicht weniger als drei Kommentare zur Germania des Tacitus,49 die hier allein jene Gruppe der veterum autorum descriptiones vertritt, welche laut Titel erläutert werden sollen. Darauf folgen Philipp Melanchthons Erklärungen von Region- und Volksnamen der Germania, die auch in Textzeugen E erschienen sind.50 Dieser erste Teil, in dessen Zentrum die Kommentierung der taciteischen Schrift steht, zeigt die bedeutende Rolle, die diese Schrift im Kontext der Beschäftigung mit deutscher Geschichte weiterhin einnahm. Hierauf folgen zahlreiche Schriften humanistischer Autoren, die in verschiedener Ausrichtung den drei weiteren Abteilungen, die Schard im Titel seines ersten Bandes genannt hat, zuzurechnen sind. Es handelt sich bei ihnen in der Tat um solche, die die Geschichte der Germania antiqua zum Thema haben, so 44

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Historicum opus, Bd. 1, [+]' (Der zitierte Teil des Titels ist im Druck durchweg mit Majuskeln geschrieben): Historicum opus, in quattuor tomos divisum, quorum tomus I, Germaniae antiquae illustrationem continet. Ebd.: [...], in qua veterum autorum descriptiones, tarn generales, quam speciales, cum doctissimorum virorum, nostrae aetatis, elaboratis commentarijs, explicantur. Ebd.: [...] omissae ab antiquis recentiorum studio & industria supplentur. Ebd.: [...]praecipuae historiae Germaniae antiquç & nouae describuntur. Ebd.: [...] Populorum migrationes indicantur: Regionumque ac Gentium appellationes recentes veteribus accommodantur. Hierauf folgt noch der Hinweis auf Schriften, die als allgemein nützlich bezeichnet, aber thematisch nicht genauer beschrieben werden ([...] & aliae quam plurimae res liberali cognitione dignissimae, continentur). Da sich aber alle Beiträge, wie zu zeigen sein wird, den genannten Gruppen zuweisen lassen, dürfte dieser Schluß redundant sein. Es sind dies die Kommentare von Andreas Althammer, Jodocus Willichius und Heinrich Glarean. Zum Kommentar von Andreas Althammer siehe Ridé: L'image du Germain, S. 787-819. Philipp Melanchthon: De vocabulis regionum et gentium quae recensentur a Tacito.

67 Johannes Trithemius' De origine Francorum, Jakob Wimpfelings Epitoma rerum Germanicarum,51 Ulrich Huttens und Georg Spalatine Schriften zu Arminius (Arminius Dialogus und Historia de Arminio) oder Bebels Germani sunt indigenae.52 Im hinteren Teil der Anthologie versammelt Schard schließlich Schriften, die sich mit der Geschichte einzelner Regionen befassen, z.B. Heinrich Glareans Panegyricon in laudem quattuor pagorum et tredecim urbium Helvetiorum oder Petrus Diveus' De Galliae Belgicae antiquitatibus, bevor der erste Teil des Historicum opus mit der anonym überlieferten Hersfelder Chronik und einem Namenregister, das antike geographische Bezeichnungen erklärt, beendet wird. Nicht als eine eigene Gruppe abgetrennt, sondern über den Band verteilt erscheinen einige Schriften, die eher geographisch denn historiographisch zu nennen sind und unter denen sich auch die Germania generalis findet. Des weiteren sind hier zu nennen Willibald Pirckheimers Germaniae ex variis scriptoribus brevis explicado, das zweite Buch von Enea Silvios Germania, Sebastian Münsters Germaniae descriptio oder, im Teil mit den regionalgeschichtlichen Werken, Glareans Helvetiae descriptio. Die Präsentation des Bandes, in dem diese Schriften nicht als eine Gruppe erkennbar sind, deutet darauf hin, daß sie ebenso als historiographische Texte aufgefaßt wurden wie die anderen. Die Ähnlichkeiten zwischen diesen Beschreibungen Deutschlands und den Werken zur germanischen oder deutschen Geschichte liegen darin, daß auch bei ihnen altes Germanien und zeitgenössisches Deutschland durchweg gegenübergestellt werden oder die Entwicklung von dem einen zum anderen nachgezeichnet wird. So ist beispielsweise Willibald Pirckheimers Beschreibung über weite Strecken nur der Versuch, nach Regionen geordnet Landes- oder Volksnamen, die bei antiken Autoren überliefert sind, mit zeitgenössischen zu identifizieren. Sein Anliegen erwächst aus der seit Enea Silvio fast topischen Feststellung, die antiken Schriftsteller hätten zu wenig über die Germania geschrieben.53 Sebastian Münsters Germaniae descriptio, obwohl in erster Linie eine Beschrei51

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Wimpfelings Epitome behandelt antike und mittelalterliche Geschichte. Zu Wimpfeling siehe Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 64-72, Ridé: L'image du Germain, S. 303-326 und Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 98-107 und passim. Zu dieser Schrift vgl. Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 238-242 und unten Teil 2, Kap. II.2.2.1. - Bebel ist der einzige Autor, von dem diesem Band mehrere Werke beigegeben sind. Es sind dies neben der genannten Schrift, die auf der taciteischen Indigenitätsbehauptung basiert, Reden und Verteidigungsschriften, die jeweils einen zeithistorischen Anspruch aus der Geschichte, vor allem der antiken, abzuleiten suchen, so die Apologia pro defensione imperatorum contra Leonhartum Iustinianum et alios, qui nomen imperatoris extenuant et coronationem eorundem deciderli, in der Bebel den Nachweis zu bringen sucht, daß sich nur der deutsche Regent rechtmäßig >Kaiser< nennen dürfe. Vgl. den Beginn der Brevis explicatio (zitiert nach Historicum opus, Bd. 1, S. 200): ADMODVM difficile est, ueteris Germaniae statum ac conditionem explicare, non solum ob priscorum scriptorum incuriam. Sed quia sero tandem tota peragrata ac cognita est. etenim cum ueteres Germani bellis potius quam Uteris operam impenderint, nil mirum, si res preclare ab eis gestç interciderint, aut minus fideliter ab exteris relatae sint scriptoribus.

68 bung der zeitgenössischen Gestalt Deutschlands als Hilfe zum Verständnis der Cusanus-Karte, beginnt auch mit einem historischen Vergleich und geht auf die dünne Überlieferung zum alten Germanien ein.54 Glareans Helvetiae descriptio schließlich ist mit Celtis' Germania generalis vergleichbar, da auch sie ein hexametrisches Gedicht ist. In Schards Anthologie erscheint sie mit dem ausführlichen Kommentar von Oswald Müller, der nicht nur die antiken Verweisstellen nachzuweisen versucht, sondern in seinen Ausführungen überdies auf antike Informationen über die Schweiz eingeht. Den im Historicum opus versammelten geographischen Schriften ist allen ein mehr oder weniger enger Bezug zur Gestalt des antiken Germanien zu eigen. Sie dokumentieren die Geschichte des Landes und bemühen sich beispielsweise mit Hilfe der Namen, Beziehungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Es ist dies der gleiche Zusammenhang, um den es Celtis in seiner Tacitus-Ausgabe ging, wenn er darin die Germania generalis der antiken Germania gegenüberstellte. Schard sah diesen Zusammenhang wohl in dem kleinen Gedicht allein verwirklicht. Celtis' Germania generalis und die Schriften, die nach ihrer Art verfaßt wurden, vertreten hier allein den Bereich der historischen Geographie, was als Ergebnis einer Entwicklung angesehen werden kann, die auch in Hinblick auf die Geschichte des Germania jY/ttsirata-Projekts zu beobachten ist, nämlich einer allmählichen Historisierung der antiken Geographen, die sie für die Beschreibung der Gegenwart zunehmend ausschließt. Diese Entwicklung dürfte ihre Ursache auch in einer fortschreitenden Evolution der geographischen Wissenschaft und ihrer Methoden haben, schließlich in dem erweiterten Weltbild, das durch diese befördert worden ist. Diese Entwicklung bewirkte, daß die Erdbeschreibung im 16. Jahrhundert die Auseinandersetzung mit antiken geographischen Autoren nicht mehr als ihre Vorläuferin erkannte.55 Das Interesse an Simon Schards historischem Sammelwerk dokumentiert eine überarbeitete Neuauflage des Historicum opus rund einhundert Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung. Unter dem Titel Schardius redivivus erschien in Gießen 1673 ein Folioband, der den gesamten Textbestand der vier Bände, die Schards Kollege herausgegeben hatte, beinhaltet. In ihm wird die Germania generalis das letzte Mal überliefert.

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So lautet das erste Kapitel: Qualis olim facies eius fuerit (ebd., S. 468-471), das zweite: Quos términos olim, et quos hodie habeat Germania (ebd., S. 471) und das dritte: De antiquis Germaniae populis (ebd., S. 471f.). Schließlich gibt es zwei Kapitel, eines zur Translatio imperii (Quomodo et quando imperium in Germanos translatum sit, ebd., S. 479-482) und eines zur Einnahme Konstantinopels durch die Türken (Quomodo et quando foedissimus Turca imperium Constantinopolitanum sibi subiecerit, ebd., S. 489-491), die ausschließlich historischen Inhalts sind. Vgl. Ridé: L'image du Germain, S. 930-937. Zu diesem Problemkomplex siehe Teil 2, Kap. 1.2.

69 c) Textzeugen G und H: Ähnliches wie für Schards Historicum opus kann für das kleine Textensemble der Textzeugen G und H, die 1610 und 1670 in Straßburg entstanden sind, gezeigt werden. In beiden findet sich die Germania generalis zusammen mit einigen anderen humanistischen historiographischen Texten im Anhang einer Ausgabe der Rerum Germanicarum libri tres des Beatus Rhenanus, die erstmals 1531 erschienen sind. Neben dessen historiographischem Hauptwerk enthält der Band noch zwei kleinere Schriften des Schlettstädters, nämlich einen Brief mit Kommentaren zu einigen Pliniusstellen und eine kleine Schrift, die textkritische Verbesserungen am Tacitus-Text vorstellt. Hinzu tritt mit Jodocus Willichius' Kommentar zur taciteischen Germania, der den Anhang mit Texten einleitet, die nicht von Beatus Rhenanus stammen, eine weitere Schrift, die sich mit dem kleinen Werk des römischen Historikers beschäftigt. So zeigt sich sogar in dieser Ausgabe, in deren Zentrum deutlich der Autor Beatus Rhenanus und sein historiographisches Hauptwerk steht, daß bei der Beschäftigung mit deutscher Geschichte stets die Germania des Tacitus im Hintergrund auszumachen ist. Auf diesen Kommentar folgen zwei Deutschlandbeschreibungen, und zwar Willibald Pirckheimers Germaniae tarn superioris quam inferioris descriptio sowie die Darstellung Niederdeutschlands des Gerhard Noviomagus.56 An diese schließt sich von Conrad Celtis die Germania generalis und das dritte Kapitel der Norimberga mit der Überschrift De situ et moribus Germaniae ac Herciniae Sylvae magnitudine et de eius in Europa definitione et populis accolis additiones an, die unter sich beide hier aufgenommene Schriften des Celtis vereint.57 Die zwei Texte erscheinen als aufeinander bezogene, sonst aber eigenständige Dokumente der Deutschlanddichtung des Humanisten. Auch in diesem kleinen Zusammenhang zeigen sich die wesentlichen Aspekte, die die späteren Überlieferungskontexte der Germania generalis ab dem Textzeugen F ausmachen. Zwar nicht mehr als Text präsent, steht im Hintergrund der historiographischen Literatur stets die Germania des Tacitus. Des weiteren zeigt sich die Integration von Schriften, die sich vor dem Hintergrund der antiken Literatur mit der Geographie Deutschlands beschäftigen, in einen rein historiographischen Kontext. Ereignisgeschichte und historische Geographie werden folglich zu zwei Teilgebieten der Historiographie, die einander ergänzen.

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Auch Noviomagus' Beschreibung Niederdeutschlands (Hollands) versucht, ausgehend von der antiken Überlieferung geographische Namen zu erklären und die antike Überlieferung teilweise zu korrigieren. An der Textgestalt des dritten Kapitels der Norimberga ist zu bemerken, daß hier der einleitende Nebensatz fehlt, der auf den Kontext innerhalb der Schrift über Nürnberg verweist. Während es also in A/C heißt: Sed priusquam de urbis situ dicamus, non incommode putavi aliquid de Hercynia silva inserere [...] (A [c iiij]v, Z. 15f.), überliefern G/H den Beginn des Kapitels mit: Non incommode putavi [...]. Die Herausgeber haben demnach der Veränderung des Kontexts im Text selbst Rechnung getragen.

70 5.3. Die handschriftliche Überlieferung Der einzige handschriftliche Textzeuge, der die Germania generalis überliefert, ist eine Sammelhandschrift mit humanistischen Texten, die im 15. und 16. Jahrhundert von verschiedenen Händen geschrieben wurden. Sie entstammt der Bibliothek Johann Albrecht Widmannstetters, der hauptsächlich als Orientalist einen Namen hat. In Wien, wo er 1552 von König Ferdinand I. zum Kanzler der österreichischen Länder und 1554 zum Superintendenten der Universität berufen wurde, gab er mit einem Neuen Testament in syrischer Sprache den ersten in Wien erschienenen orientalischen Druck heraus. Die umfangreiche Bibliothek, die Widmannstetter im Laufe seines Lebens angelegt hat, zeichnet sich denn auch durch eine Vielzahl von orientalischen, vorzugsweise hebräischen Drucken aus, die zu seiner Zeit in Deutschland nicht ihresgleichen hatte.58 Nach seinem Tode im Jahre 1557 kaufte sie Herzog Albrecht V. von Bayern als Grundstock für die von ihm neugegründete Hofbibliothek in München, aus der schließlich die Bayerische Staatsbibliothek hervorging.59 Neben den orientalischen Handschriften weist Widmannstetters Bibliothek auch zahlreiche Bestände zu anderen Fachbereichen oder aber auch Sammelbände wie Clm 388 auf. Der Inhalt dieser Handschrift ist insgesamt sehr heterogen und nicht nach Themenbereichen geordnet. So erscheint verstreut humanistische Lyrik, wie Enea Silvios Carmen auf Kaspar Schlick60 oder eine Stanze des Angelo Poliziano61 sowie weitere Epigramme verschiedener, häufig nicht namentlich erwähnter Autoren. Außerdem enthält der Band einen Traktat über Metrik,62 eine Verslehre63 und Bartholemäus Piatinas Dialog De amore,64 Zu erkennen ist allerdings ein gewisses Überwiegen historiographischer und geographischer Texte. Denn neben der Germania generalis und dem dritten Kapitel der Norimberga, auf die ein kurzes Exzerpt aus der taciteischen Germania folgt, beinhaltet der Band die Abschrift von Burkhards von Ainwil Alsati bellum ducis Sigismundi de Austria contra Venetos zu Beginn der Handschrift und unmittelbar vor Celtis' Texten ein Exzerpt aus Jordanes' von Osnabrück De dignitate imperii. Mit einem carmen auf die Mirabilia Bolognas, einer Beschreibung der Quartiere Roms und gar einer Persiflage auf deren Mirabilia (De miserabilibus Romae)65 beinhaltet Clm 388 auch Texte zum Städtelob. Schließlich ist mit Beroaldos De moribus diversarum nationum die Abschrift einer kulturgeographischen Schrift sowie eine Kopie der ptolemäischen Weltkarte zu nennen. 58

Zu Widmannstetters Bibliothek siehe Hartig: Die Gründung der Münchener Hofbibliothek, S. 170-193. Die Handschrift Clm 388, die Celtis' Germania generalis enthält, wird kurz ebd., S. 188f. erwähnt. 59 Zur Erwerbung der Büchersammlung Widmannstetters durch Herzog Albrecht und zur Gründung der Münchener Hofbibliothek siehe ebd., S. 9-18. «o Clm 388, Bl. 109'. β' Ebd., Bl. III": Inc.: Che fai tu Echo. 62 Ebd., Bl. 80-81": De metris. 63 Ebd., Bl. 102v: De componendis carminis >haec mea scriptaSiebenbiirgengrobsprechendgelehrt sprechend^, das im antiken Latein nicht belegt ist. Minerva steht metonymisch für die Wissenschaft, die an den Universitäten gelehrt wird (adijsse). - Die antiken Quellen betonen das Fehlen von Kultur und Wissenschaft bei den Germanen. Siehe z.B. TAC. Ger. 19, 1: Litterarum secreta viri pariter ac feminae ignorant. Dies referiert auch AEN. SILV. Germ. 2, 4 (S. 48): Nulla fuit litterarum cognitio, nulla legum disciplina, nulla bonorum artium studia. Dagegen hebt er Germ. 2, 27 (S. 65) die Pflege der Wissenschaften in der Gegenwart hervor: Littere quoque et omnium bonorum artium studia apud vos florent. Scolas quoque, in quibus et iura et medicina et liberales traduntur artes, in Germania plures urbes habent. In Norim. Kap. 3, S. 120 gibt Celtis die Zahl der deutschen Universitäten mit 15 an.

80f.:

AEN. SILV. Germ. 2, 16 (S. 56) betont die Handelstätigkeit der Deutschen, die ihrem Land großen Reichtum einbringe: Quod si verum est quod aiunt ibi opes esse ubi negociatores, fatearis necesse est opulentissimos esse Germanos, quorum pars maxima lucris inhians, mercaturis intenta alienas longe lateque provincias pervagatur ac, sicuti Flaccus ait: »Per mare pauperiem, per saxa, per ignes fugiens« non nisi dives domum revertitur (Das Horaz-Zitat entstammt Ep. 1, 1, 46 [dort folgt fugiens nach pauperiem]). Dagegen berichtet CAES. Gal. 4, 2, 1, daß die Germanen nur Kontakt zu Händlern pflegten, um ihnen das zu verkaufen, was sie im Krieg erbeutet hätten: Mercatoribus est aditus magis eo, ut quae bello ceperint quibus vendant habeant, quam quo ullam rem ad se importari desiderent.

82f.:

Die Unsitte, das Land mit Raubzügen zu überziehen, wirft Celtis den deutschen Fürsten in Oratio S. 4 [33] vor: Mirumque est, quod in quibusdam adhuc Germaniae partibus supra mille et quingentos ferme annos ingenuus ille morbus perduret, dum latrocinalis agminis principes non submovemus. Schon AEN. SlLV. Germ. 2, 27 (S. 64) hatte die Raubzüge neben der Sprache (vgl. Komm, zu V. 72f.) ein letztes Anzeichen der ererbten Barbarei genannt: Et quamvis adhuc veterum nonnulla rapinarum vestigia maneant -nam hoc unum est ex prisca barbarie Vitium inter vos relictum -, non tarnen ea predarum libertas est, que olimfuit. Von Raubzügen spricht MELA 3, 4, 28: ius in viribus habent, adeo ut ne latrocinii quidem pudeat. - Celtis hingegen ist bemüht, diese Unart als rechtmäßige Handlung im

130 Krieg erscheinen zu lassen, und versucht damit, auch die zweite negative Eigenschaft, die Enea Silvios positives Bild von den Deutschen trübt, als Bestandteil einer ansonsten geschätzten Eigenschaft erscheinen zu lassen. PRELIA MARTIS: Mars ist der römische Gott des Krieges; vgl. Am. 3,10, 9: [...] adproelia Martis. Siehe auch Komm, zu V. 45. 85:

86:

TEUTONIS: Das Adjektiv leitet sich von dem nordgermanischen Stamm der Teutonen (Teutoni oder Teutones) her. Bereits in der Antike wurde der Name stellvertretend für alle germanischen Stämme gebraucht, besonders in der Dichtung (vgl. VERG. A. 7, 741). Auch Celtis verwendet das Nomen als Synonym für Germanus/Germani und meint damit stets das gesamte Volk. Vgl. etwa Am. 1, 15 (ed. Kühlmann/Seidel/Wiegand), 34: Vistula: teutonicae littora gentis habens, sowie Am. 2, 3, 24 oder Am. 2,4, 6 und 16 u.ö. PER HERCINIE NEMOROSA CACUMINA SILUE: D e r h e r k y n i s c h e W a l d

erstreckt sich über ganz Deutschland. Die waldreichen deutschen Mittelgebirge (cacumina) sind Teile von ihm (vgl. Komm, zu V. 196). 91-98:

Für die Wesensmerkmale, die Celtis an seinen Landsleuten zu erkennen glaubt, gibt es eindeutige Parallelen weder bei den antiken Autoren noch bei Enea Silvio. Celtis hat hier selbständig ein Charakterbild montiert, in dem sich auch Anklänge an antike Texte zeigen, die sich nicht über die Germanen äußern (siehe Komm, zu V. 92f.).

92f.:

Die beiden Verse, die die Bereitschaft der Germani vorstellen, für Freunde und Vaterland zu sterben, fußen nicht auf einer Quelle, die sich über die Germanen äußert, sondern auf HÖR. carm. 4, 9, 50f.: non ille pro caris amicis / aut patria timidus perire. In der Ode preist Horaz die Tugenden des Lollius, der 16 v. Chr. eine Niederlage gegen die Sugambrer erlitten hatte, und versucht, dadurch den bei Augustus in Ungnade gefallenen Feldherrn zu rehabilitieren (s. Kießling/Heinze [Komm.], S. 435-442).

97:

VERI IUSTIQUE TENAX: Die Pflege der Gerechtigkeit betont AEN.

SlLV. Germ. 2, 27 (S. 65): Vidimus iudicia vestra et consiliis vestris, que de re publica gerebantur, ut ante diximus, sepius interfuimus: omnia et prudenter et graviter administratis. TAC. Ger. 35, If. betont die Gerechtigkeitsliebe explizit als Eigenschaft der Chauken: [...] Chauci [...] populus inter Germanos nobilissimus quique magnitudinem suam malit iustitia tueri. [...] id praecipuum virtutis ac virium argumentum est quod ut superiores agant non per iniurias adsequuntur. - Dagegen behauptet MELA 3, 4, 28 über die Germanen lapidar: ius in viribus habent.

131 De syderibus verticalibus Germanie (Kap. 3) a) Gliederung des Kapitels 99-108

b)

Die Sternbilder in der nördlichen Hemisphäre, die den Germani ihren Charakter und ihre Gesinnung geben.

Stellenkommentar

99:

QUALIA PECTORA: Relativer Satzanschluß zu V. 98 des vorhergehenden Kapitels. Im dritten Kapitel beschreibt Celtis mit einigen Sternbildern der nördlichen Hemisphäre eine Himmelsregion, der die Seelen entstammen, die den Germani Charakterzüge verleihen, welche am Ende des zweiten Abschnitts vorgestellt wurden (V. 91-98). Celtis bezieht sich dabei auf den platonischen Mythos (vgl. MACR. somn. 1, 9, 1: Animarum originem manare de caelo inter recte philosophantes indubitatae constat esse sententiae) und >nationalisiert< ihn. Vgl. dazu Teil 2, Kap. II.4.1.2. Die Kenntnis der genannten Sternbilder dürfte Celtis vor allem den Werken Hygins und Manilius' verdanken. AB HERCULEIS STELLIS: Sternbild des Löwen. Vgl. Od. 2,12,20-25.

100:

PERSEO ANDROMEDEQUE: Als benachbarte Sternbilder des nördlichen Sternenhimmels erscheinen die beiden bei MAN. 1, 354—360 (zusammen mit Cepheus, siehe Komm, zu V. 102), sowie MAN. 2, 28 und 5, 22f. Den Mythos von Perseus und Andromeda berichtet Hygin (fab. LXIV): Andromeda hatte sich gerühmt, schöner als die Nereiden zu sein, weshalb der erzürnte Poseidon dem Land ihres Vaters Kepheus Hochwasser und ein Seeungeheuer schickte. Ein Orakel weissagte daraufhin, Andromeda müsse dem Ungeheuer geopfert werden, damit das Land von der Plage befreit werde. Ihr Vater ließ sie deshalb an einen Felsen binden, um sie dem Ungeheuer darzubieten. Von dort befreite sie Perseus. Nach ihrem Tode sind sie gemeinsam als Sternbild an den nördlichen Himmel versetzt worden. OLIMPO: Antiker Sitz der Götter (vgl. VERG. A. 4, 694), hier metonymisch für den Himmel gebraucht (entsprechend VERG. G. 1, 450, Ov. fast. 3,415 oder MAN. 1,711 u.a.).

102:

SUB EXTREMO CARDINE: Als cardo wird die Nord-Süd-Achse bezeichnet, um die sich die Welt dreht (siehe IsiD. orig. 3, 38: Cardines caeli extremae partes sunt axis. Et dictae cardines eo, quod per eos vertitur caelum, vel quia sicut cor volvuntur). Ihre Extrempunkte sind Nord- und Südpol. Entsprechend benutzt Celtis den Begriff cardo zur Bezeichnung des Nordpols (vgl. VAR. R. 1 , 2 , 4: sunt regio-

132 nes inter circulum septentrionalem et inter cardinem caeli, ubi sol [...] sex mensibus continuis non vide tur). CEPHEUS: Kepheus ist nach Hygin (astr. 2, 9) der Vater der Andromeda (vgl. Komm, zu V. 100): Hunc Euripides cum ceteris Phoenicisfilium, Aethiopum regem esse demonstravit, Andromedae patrem, quam ceto propositam notissimae historiae dixerunt; hanc autem Persea a periculo liberatam uxorem duxisse; itaque, ut totum genus eorum perpetuo maneret, ipsum quoque Cephea inter sidera superiores numerasse. - Als Sternbild des nördlichen Sternenhimmels erwähnt Kepheus zusammen mit Kassiopeia (seiner Gattin, die Celtis nicht nennt), Perseus und Andromeda MAN. 1, 351-360. 104:

DUM SOL STAT SYDERE CANCRI: Das Sternzeichen des Krebses weist

auf den Sonnenhöchststand zu Beginn des Sommers (vgl. Komm, zu V. 28f.). 105:

BOOTES: Nach Hygin (astr. 2, 4) ist Bootes der zweite Sohn von Jason und Ceres namens Philomelus, der sich als Ochsenknecht verdingt hatte, weil ihm sein Bruder Plutus nichts von seinem Reichtum abgeben wollte. Seine Mutter hat ihn als Sternbild erhoben und Bootes (griech. Ochsentreiber) genannt. Vgl. PLIN. Nat. 18, 202. Als kältebringendes Gestirn erscheint Bootes in Am. 1, 8, 41: Frigida vel gelidus dum versai Plaustro Bootes, als Gestirn des Alters in Am. 4, 6, 15f.: Sic mea iam vergens sub sidera pigra Bootis / Aetas iam teneris viribus aegra caret.

106:

ENIOCHUSQUE: Sternbild der nördlichen Hemisphäre u.a. zwischen Perseus (V. 100), dem großen Bären und dem Drachen (beide V. 107). Vgl. MAN. 1, 696. Nach HYG. astr. 2, 13 war Heniochus der erste Mensch, der ein Viergespann benutzt hat (Heniochus = griech. Wagenlenker, daher lat. auriga: siehe HYG. ebd.: Heniochus. Hunc nos Aurigam Latine dicimus). Vgl. auch MAN. 1, 362-364: Heniochus, studio mundumque et nomen adeptus, / quem primum curru volitantem Iuppiter alto / quadriiugis conspexit equis caeloque sacravit. - In Celtis' Œuvre vgl. Am. 2, 5, 65 und Am. 3, 7, 3f.

107:

URSA MINOR MAIORQUE: Die Sternbilder des kleinen und großen

Bären (Arctos minor und Arctos maximus). Siehe hierzu HYG. astr. 2, lf. und Cie. N. D. 2,105. DRACONEM: Ebenso Sternbild des nördlichen Himmels (vgl. MAN. 1, 452). Hygin (astr. 3, 2) setzt ihn zwischen großen und kleinen Bären: Draco inter duas Arctos collocatus videtur corporis sinu facto Arctum minorem ita concludere ut paene pedes eius tangere videatur, cauda autem flexa caput maioris attingere et suo capite tamquam reducto circulum arcticum tangens corpus ut in spiram com-

133 plicari. Dem Mythos nach handelt es sich bei ihm um den Drachen, der die Äpfel der Hesperiden bewachte und von Herkules getötet wurde. HYG. astr. ebd. setzt ihn auch deswegen in die Nähe des Sternbildes des Herakles. 108:

NUNQUAM SUBEUNT: Daß die Sterne unweit des Pols nicht untergehen, lehrt MAN. 1, 275-277: At qua fulgentis caelum consurgit ad Arctos, / omnia quae summo despectant sidera mundo / nec norunt obitus [...], und JOH. SACR. Tract, sph. Kap. 1, S. 80: Stellae que sunt iuxta polum que nobis numquam occidunt, moventur continue et uniformiter circa polum describendo circuios suos et sunt semper in equali distantia et propinquitate adinvicem. Ebenso MACR. somn. 1, 16, 4. Ov. Met. 13, 727 erwähnt, daß großer und kleiner Bär nicht untergehen (ebenso VERG. G. 1,246). THETYOS: Thetis ist eine Meernymphe und die erste der Nereiden. Überdies ist sie Gattin des Peleus und Mutter des Achilles. Sie steht metonymisch für das Meer (vgl. VERG. Ecl. 4, 32: templare Thetim ratibus\ sowie STAT. Theb. 5, 709 u.a.). Die lateinische Übersetzung von DION. PER. sit. orb. zeigt sehr häufig die Umschreibung undae Thetyos für Meer, etwa a iijv: Hosce sinus perhibent quos thetyos efficit vnda, u.ö.

De quatuor lateribus Germanie (Kap. 4) a)

Gliederung

110-113

Der Rhein als Westgrenze der Germania.

114-120

Die Weichsel als Ostgrenze der Germania.

121-123

Die Donau und die Alpen als Südgrenzen der Germania.

124-131

Bemerkungen zum Lauf der Donau außerhalb der Germania bis zu ihrer Mündung ins Schwarze Meer.

132-140

Nord- und Ostsee als nördliche Grenzen der Germania·, Erwähnung der

141-149 150-154

Die Lappen als barbarisches und kulturloses Naturvolk. Die Nähe der Germania zum Baltikum und zu Asien; Erwähnung des Dons.

155-157

Die Elbe, die die Germania in zwei Hälften teilt.

158-163

Beschreibung der Halbinsel Jütland.

sich nördlich an die Germania anschließenden Länder und Inseln.

134 b)

Stellenkommentar

DE QUATUOR LATERIBUS GERMANIE: Die Überschrift dieses ersten geographischen Kapitels der Germania generalis rückt das Gedicht in die Nähe der Amores mit ihrem ähnlichen Titel Quattuor libri Amorum secundum quattuor latera Germaniae. In Celtis' vier Büchern Liebeselegien ist jeder Teil einer Himmelsrichtung gewidmet, in der sich der Liebesroman des sich Celtis nennenden lyrischen Ichs abspielt. Schauplätze sind dort mit Krakau, Regensburg, Mainz und Lübeck Städte, die an den Flüssen bzw. dem Meer liegen, welche auch hier als Grenzen der Germania angegeben werden. Vgl. neben dem Titel der Amores die programmatischen Verse in Am. 1, 3, 61-66 (der Sprecher war bei einem Gewitter durch einen Blitzstrahl ohnmächtig geworden und wird von Apoll mit dem Auftrag, Deutschland nach seinen vier Seiten zu besingen, wiedererweckt): »Surge!« - ait, - »et priscum copiant tua membra vigorem, / Ut patriae fines quattuor ipse canas, / Turgidus Eois quam claudit Vistula ab oris, / Sed latus austrinum maximus Hister habet, / Rhenus ab occiduis limes sed dicitur oris / et boreae partem gens Codonea tenet.« Zu den geographischen Beschreibungen der Amores siehe Teil 2, Kap. III. 1.2.2. Die geographische Struktur der Amores verdeutlicht in der aufwendig gestalteten Nürnberger Ausgabe von 1502 der Titelholzschnitt, auf dem schematisch die vier Seiten der Germania abgebildet sind und wo auch die ab V. 155 (vgl. unten Komm, zu V. 155-158) erwähnte Elbe genau in der Mitte dargestellt ist (siehe Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 39-54 und Abb. 3). In den Amores ist die geographische Struktur ein Glied in einer Reihe von Tetraden (Jahreszeiten, Lebensalter, Temperamente etc. Siehe Teil 2, Kap. II.3.4.3.), die aufeinander bezogen werden und entsprechend zyklisch angeordnet sind (siehe Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 213). Der Held der Elegien durchwandert die Germania von Osten über den Süden und Westen nach Norden und beschreibt dadurch einen Kreis. Hier beginnt Celtis mit dem Westen, kommt dann auf den Osten, hierauf auf den Süden zu sprechen und behandelt schließlich verhältnismäßig ausführlich den Norden. - In Norim. Kap. 3, Celtis' erster Deutschlandbeschreibung, die in zahlreichen Punkten der Darstellung der Germania generalis ähnelt, verzichtet Celtis auf die Bestimmung der Außengrenzen der Germania. 110:

QUAS CLAUDIT LIMITE RHENUS: Quas ist relativer Satzanschluß zu

oras in V. 109 des vorhergehenden Kapitels. 110-113: Den Lauf des Rheins zeichnet Celtis in Am. 3, 13 nach und benennt zahlreiche Städte (z.B. Konstanz, Basel, Straßburg, Köln), an denen er vorbeifließt, allen voran Mainz, das der Schauplatz des dritten

135 Buchs der Amores ist. Vgl. dazu auch den entsprechenden Holzschnitt in der Nürnberger A/nores-Ausgabe (QLA [f vi]r; siehe dazu Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 183-186). In Am. 2, 11, 81 f. rühmt ihn Celtis als Blume der Germania: Rhenus [...] / Qui flos Germani dicitur esse soli. - Die erste friihneuzeitliche Beschreibung des Rheins stammt von Enea Silvio, der in seinen beiden Beschreibungen von Basel (AEN. SILV. BW Nr. 16, S. 32f. und Nr. 28, S. 87-90) den Lauf des Flusses in kleinen Exkursen nachzeichnet. Auch er erwähnt die zahlreichen und schönen Städte, die an seinen Ufern liegen (siehe Voigt: Italienische Berichte, S. 102-110). Enea Silvios Beschreibung folgt Hartmann Schedel in der Vorrede zur Deutschlandkarte Hieronymus Münzers, die seine Weltchronik abschließt (Lib. chron. Bl. 2991)· Dort geht Schedel auf einige geographische Merkmale der Germania ein, so auch auf den Rhein, den er im Vergleich etwa zu Donau und Elbe ausführlich bespricht. Vgl. auch knapp LAUR. COR. Cosmogr. c iiijv. - Wenngleich Caesar auch westlich des Rheins von germanischer Besiedlung spricht (Gal. 2, 4), geht auf ihn die eindeutige Abgrenzung zwischen Galliern und Germanen durch den Rhein zurück (z.B. Gal. 1, 1,3; 1, 28, 4 u.ö.). Ihm f o l g e n MELA 3, 3, 2 5 , TAC. G e r . 1, 1 u n d PTOL. C o s m o g r . c

Τ

(=2, 11, 1): Germanie latus occidentale Renus terminât (dazu: Quarta Europae tabula [=Abb. 4]). Auch STR. [g iv]'"v (=4, 3, 4) und Tacitus (Ger. 28) behaupten übrigens, daß es linksrheinische Stämme gebe, die sich als Germanen bezeichneten (etwa die Nervier oder Treverer). Von der modernen Forschung wird dies bestritten (vgl. Goetz/Welwei: Altes Germanien, S. 5). - Enea Silvio geht sowohl in Germ. 2, 6 (S. 48) als auch in der Rheinbeschreibung des zweiten Baselbriefs (AEN. SILV. BW Nr. 28, S. 88f.) auf die Veränderung der Westgrenze seit germanischer Zeit ein, indem er der Rheingrenze des Altertums die deutschen Besiedlungen links des Rheins gegenüberstellt. Ebenso ist auf dem Holzschnitt, der das dritte Buch der Amores im Nürnberger Amores-Druck einleitet, zu erkennen, daß sich westlich des Rheins deutsches Gebiet befindet. Dort heißt es: Extensio Germaniae a Rheno in Galliam vsque ad nouam Metam & Treuerim (QLA [f vi]'; vgl. auch Am. 3, 1, 39ff. sowie Am. 3, 13, 80f. und 85f., wo Celtis eindeutig von deutscher Besiedelung westlich des Rheins spricht). Im Gegensatz dazu beharrt Celtis hier auf der griffigen Grenze durch den Fluß, die der zeitgenössischen Situation nicht entspricht (vgl. auch Am. 3, 9, 45f.: Pulcher Helvetias ubi Rhenus concoquit uvas / Gallica Germanis próxima rura secans). Dies liegt daran, daß es Celtis in der Germania generalis um eine gewissermaßen ideale Geographie der Germania geht, für die eine exakte Bestimmung der zeitgenössischen Grenzen aufgegeben wird. Referenzpunkt der Außengrenzen ist in der Mitte der Germania der

136 pinifer mons (=Fichtelgebirge; vgl. Komm, zu V. 189 und Teil 2, Kap. Π.3.2.2. und 3.). 111:

Der Vers ist metrisch defekt, und zwar im fünften Versfuß: alueo. In der Nürnberger Amores-Ausgabe (Textzeuge B) hat ihn Celtis korrigiert. Ebenso sind die Herausgeber der meisten anderen Textzeugen verfahren (vgl. oben Kap. 4.).

112:

Vgl. Am. 3, 3, 58: Rhenus et externum fertur in Oceanum, und Am. 3, 2, 15: Sed nunc, qui trífido mare poscit flumine, Rhenus. Mit mare externum ist die Nordsee gemeint, die nach antiker und mittelalterlicher Auffassung Teil des die Ökumene umgebenden Ozeans ist.

113:

A SEQUANICIS GALLIS: Die Galli repräsentieren in der Antike einen großen Volksverband, der sich in verschiedene Stämme gliedert und den westeuropäischen Raum zwischen dem Rhein im Norden und Osten, den Alpen im Südosten, dem Mittelmeer und den Pyrenäen im Süden und dem Atlantik im Westen bewohnte (ein Gebiet, das etwa das heutige Frankreich, Belgien, die südlichen Niederlande, Luxemburg sowie das linksrheinische Deutschland umfaßt). Celtis bezeichnet mit Galli grundsätzlich die Franzosen (vgl. Am. 4, 4, 17 und Am. 4, 9, 42 sowie Od. 2, 27, 23 u.ö.). In anderen humanistischen Quellen wird der Name Francia für Frankreich (z.B. in AEN. SILV. Eur. S. 135: De Franciae regno) und Franci für dessen Bevölkerung (Robert Gaguin: De origine et gestis Francorum) gebraucht. Letzteren Namen verwendet Celtis ausschließlich für die Bevölkerung seiner Heimatregion Franken (vgl. Komm, zu V. 215). Sequanicus ist Adjektiv zum Volksnamen der Sequaner, eines gallischen Stamms, der zwischen Vogesen, Rhein, Rhône und Jura siedelte (etwa in der heutigen Franche-Comté und in Burgund). Vgl. CAES. Gal. 1, 2, 3 u.ö. und PLIN. Nat. 4, 106. Ihren Namen erhielten sie vom Fluß Sequana, der Seine, deren Quelle sich in ihrem Siedl u n g s g e b i e t b e f a n d (CAES. G a l . 1, 1, 2, MELA 3, 2, 4 s o w i e PLIN.

Nat. 4, 105 u. 109). 114:

Den Lauf der Weichsel von ihrer Quelle bis zu ihrer Mündung beschreibt Celtis in Am. 1,15. Als Ort ihrer Quelle nennt er die Karpaten (V. 1 : Vistula, Carpathi ducens radicibus ortum). Dort erwähnt er auch die dreiarmige Mündung des Flusses (V. 44): In Codanum triplici plurimus ore fluens (vgl. Od. 4, 4 [ed. Kühlmann/Seidel/Wiegand], 17f.: Qua maris fertur trifidus sub vndas / Vistulae gurges). Die Weichsel als östliche Grenze Germaniens nennt PTOL. Cosmogr. c Τ (=2, 11,6) und PLIN. Nat. 4, 81 u. 97. Tacitus weiß über den Osten Germaniens nur zu berichten, daß die Germanen dort an die

137 Sarmaten grenzen (ebenso MELA 3, 3, 25) und spricht von der gegenseitigen Furcht beider Völker voreinander. Daneben glaubt er, daß Berge das Siedlungsgebiet der Germanen im Osten begrenzten. Strabon spricht seinen Zeitgenossen jede Kenntnis über die Gegenden östlich der Elbe ab (vgl. [k iiii]' [=7, 2, 4]). - In Germ. 2, 5 (S. 48) führt Enea Silvio an, daß es in der Antike sowohl Stimmen für die Elbe als auch für die Oder oder die Weichsel als Ostgrenze der Germanen gegeben habe: [...] Germania universa inter Rhenum et Albim sive, ut alii volunt, Oderam sive, ut alii rursus autumant, Viscelam ab occidenti ad orientent pretensa [...]. Daß die Weichsel einst Grenze der Germania gewesen sei, bemerkt Enea Silvio auch in Eur. S. 116: H une fluvium alii Vistulam [...], alii Iustulam [...] voeavere, quod vltra fluvium est, Sarmatici iuris fuit; quod citra, Germanici. In seiner Gegenwart habe sich Deutschland aber sogar über die Weichsel ausgedehnt (Germ. 2, 6 [S. 49]): [...] Theutonici, qui ad orientent non modo Albim, sed Oderam ac Viscelam transmiserunt (ebenso in Eur. S. 116: Pruteni [...], qui ripas vtrasque Vistulae amnis accolunt). Enea Silvio unterscheidet aber zwischen dem Nordosten, wo Deutsche auch östlich der Weichsel siedeln, und dem Südosten, wo er die deutsche Besiedlung nur beidseitig oder aber lediglich westlich der Oder lokalisiert. Siehe auch AEN. SILV. Eur. S. 112 (Über Schlesien): Sermo gentis maiori ex parte Teutonicus est, quamuis trans Oderam Polonica lingua praevalet: ob quam rem non immerito quidam hoc in loco Germaniae terminum esse Oderam putauere, quamuis idem fluuius in Septentrionem vergens Germánicos gentes ripis ambabus alluit (ebenso Germ. 1, 26 [S. 28]: Ad Oderam fluvium, quem plerique Germanie Sarmatieque terminum esse voluerunt, [...]). Enea Silvio hat folglich eine differenzierte Vorstellung von der deutschen Besiedlung im Osten, die in etwa den historischen Realitäten entspricht (vgl. schließlich AEN. SILV. Hist. Bohem. [a iii] v -[a iv]r: Sed nostra aetate Oderam Fluuium qui Slesiam intersecai: et ipsum Viscellam: Prutenorum amnem Germania praetergressa Albim in alueo continet). - Die Weichsel macht Celtis auch in Am. 1, 3, 16 zur Ostgrenze der Germania (das Adjektiv Teutonicus steht synonym für Germanus): Vistula, Teutonicis qui modo meta plagis. Wie im Falle des Rheins ist auch hier zu beobachten, daß es Celtis um eine griffige Grenzlinie geht, ungeachtet der historischen Realitäten, die er durchaus kennt. Siehe z.B. Am. 1, 15, 3336 und 51-54, wo Celtis die Niederlage preußischer Städte gegen Polen beklagt (vgl. Teil 2, Kap. II.3.4.1.). Auch aus Oratio S. 5f. [41-45] geht hervor, daß Celtis bei seiner Klage über den Verlust von Territorium in Deutschlands Osten die Gebiete jenseits des nördlichen Laufs der Weichsel im Sinn hat. Daß im Südosten die Weichsel keinesfalls Grenze der Germania war, belegen zahlreiche Stellen in den Amores-Elegien des ersten Buches, aus denen hervorgeht, daß

138 der Sprecher seinen Aufenthaltsort Krakau (der an der oberen Weichsel liegt) eindeutig Polen zurechnet. 115:

SARMATICIS ORIS: Sarmatia nennen die antiken Geographen das Land, das sich östlich der Weichsel an Germanien anschließt. MELA 3, 3, 25 und 3, 4, 33-35 nennt als Nordgrenze die Ostsee. Im Süden grenze Sarmatien an den Hister (Donau), während er die Ostgrenze offen läßt. Diese bestimmt PROL. Cosmogr. d 2' (=3, 5, 10) mit der Maeotis und dem Don (Tanais): Ab oriente terminatur lsthino a fluuio carcinio & per bicem paludem: & latere paludis meotidis vsque ad Tanaim fluuium. Die restlichen Grenzen benennt er wie Mela. Im Gegensatz zu diesem bezeichnet er als Südgrenze die sarmatischen Berge, die in etwa den Karpaten entsprechen (PTOL. Cosmogr. c 2R [=3, 5, 6]). - Celtis bezeichnet mit Sarmatia stets Polen, mit Sarmatae dessen Bevölkerung. So nennt er Krakau immer eine sarmatische Stadt, z.B. Am. 1, 3, Titel. Als der Sprecher der Amores am Anfang des zweiten Buches Krakau verläßt, um nach Regensburg zu gehen, verläßt er auch die Sarmatia (Am. 2, 4, Titel: Hodoeporicon a Sarmatia per Slesiam, Boemos et Moravos et quae flumina ab Ulis exeant). Als Hasilina brieflich die Nachricht erhält, daß der Sänger Krakau verlassen habe, klagt sie ihn an, Sarmatien verlassen zu haben (Am. 2, 1, 7f.): Perfide, Sarmaticis abiisti nuper ab oris / Nec mihi dixisti verba suprema: Vale! - Enea Silvio gebraucht bald den Namen Sarmatia, bald verwendet er den latinisierten zeitgenössischen Namen des Landes. Vgl. AEN. SlLV. Germ. 2, 6 (S. 49), wo er auf die größere Ausdehnung des zeitgenössischen Deutschland gegenüber dem antiken Germanien hinweist: Et in ipsa quidem occidentali Sarmatia Ulmerigorum et Gepidarum agros invasere. Demgegenüber benutzt er in Eur. Kap. 19 ausschließlich den Namen Polonia. In Celtis' Œuvre findet sich dieser nur ein einziges Mal, und zwar als Adjektiv (Am. 1, 15 [ed. Kühlmann/Seidel/Wiegand], 51-52): Ad cuius tractum: bellum memorabile gestum est / Inter teutónicos polonicosque viros (über die Region um die Weichselmündung, wo der Krieg zwischen dem Deutschen Orden und Polen stattfand, der 1466 mit dem zweiten Frieden von Thom endete).

116:

IN CODANUM: Mare Codanum (aequor Codanum, sinus Codanus) ist der antike Name für die Ostsee (vgl. MELA 3, 4, 31 und 3, 6, 54 sowie PLIN. Nat. 4, 96). PTOL. Cosmogr. Quarta Europae tabula nennt das Meer hingegen Oceanus Sarmaticus (ebenso auch Celtis in Am. 1, 3, 40: Sarmatico salo). - Das Adjektiv Codanus verwendet Celtis wie hier ausschließlich als Nomen (vgl. Germ. gen. 162: Oceanum Codanumque videns). Neben dem aus der Antike überlieferten Codanus findet sich bei Celtis auch die Form Codonus (z.B. Am. 1, 1, 56, Am. 4, 2, Titel, 36 u. 38 u.ö.). Davon leitet er das bei

139 ihm häufig erscheinende Adjektiv Codoneus ab, das im antiken Latein nicht belegt ist (siehe neben Germ. gen. 132 auch Od. 1, 3 , 9 u.ö. [stets mit o in der zweiten Silbe]). 117:

BRUTENO PORTU: V g l . A m . 1, 15 (ed. K i i h l m a n n / S e i d e l / W i e g a n d ) ,

45: Hic vbi praeclaro munita est prussia portu. Mit dem preußischen Hafen dürfte Danzig gemeint sein, das Celtis in derselben Elegie zwei Verse weiter nennt (V. 47): Quas inter [ÍC. urbes] claro Dantiscum lumine surgit. - Enea Silvio hebt Danzig und seinen Seehandel in Germ. 2, 11 (S. 53) hervor: Inter Prutenos notissima Gedani fama est, terra marique potentis oppidi [...]. Naves eius in Baitheo pelago complures negociatorum navigant. Er verwendet als lateinischen Namen für Danzig stets Gedanum. Das Nomen Dantiscum dürfte nur bei Celtis belegt sein. 119f.:

Daß der Bernstein nur an der Ostsee gewonnen werde, behauptet Celtis auch in Am. 2, 7, 55f.: [...] glaesum, / Quod Codanus toto solus in orbe vomit. Vgl. auch Od. 1,3, 10 und Epigr. 1, 48. - Bernsteinvorkommen an der Ostseeküste erwähnt TAC. Ger. 45, 4: Sed et mare scrutantur, ac soli omnium sucinum, quod ipsi glesum vocant, inter vada atque in ipso litore legunt. Die Bezeichnung der Römer für den Bernstein, so Tacitus, sei sucinus, die Germanen hingegen nennten ihn glesum. Ebenso äußert sich PLIN. Nat. 37, 42 über den von den Einheimischen verwendeten Namen des Bernsteins: Certum est gigni in insulis septentrionalis oceani et ab Germanis appellari glaesum. Nachdem er verschiedene Meinungen über die Herkunft des Bernsteins verworfen hat (Nat. 37, 35f.), informiert Plinius, der lateinische Name sucinus leite sich von dem Glauben her, daß es sich beim Bernstein um den Saft von Bäumen handle (Nat. 37, 53): arboris sucum esse etiam prisci nostri credidere, ob id sucinum appellantes (ebenso TAC. Ger. 45, 5). Celtis weist dem Nomen sucinus irrtümlich neutrales Geschlecht zu. - Celtis verwendet durchaus beide Namen des Bernsteins. Vgl. Od. 1, 3 (ed. Kühlmann/Seidel/ Wiegand), 9f.: Vel quae Codoneo barbara colligit / Littore glesum und dagegen Od. 1, 15, 7f.: Luctatur eurus succinumque / Littore colligitur Pruteno. Vgl. ebenso Am. 4,10, 58 (succinum).

121:

DANUBIUSQUE R A P A X : Identische Wendung in Am. 3, 2, 13. - Tacitus (Ger. 1,1) rechnet die Rhäter und Pannonier nicht zu den germanischen Völkern (es sind in der Tat Kelten), so daß er die Donau als südlichen Grenzfluß Germaniens angibt. Vgl. auch STR. k iiir (=7, 1, 1), für den nördlich der Donau und östlich des Rheins das Siedlungsgebiet der Germanen liegt. Ebenso verfährt PTOL. Cosmogr. c 2" (=2, 11, 5): Meridianum autem latus [sc. Germanie] terminatur a parte occidentali fluuij Danubij (vgl. Quarta Europae

140 tabula [=Abb. 4]). Südlich davon lokalisiert er die Regionen Rhätien, Vindelizien und Norikum, die von den Alpen abgeschlossen werden (Cosmogr. c 4r und Quinta Europae tabula [=Abb. 5]). Ptolemaeus verfolgt die Donau bis zu ihrer Biegung nach Süden nahe dem heutigen Budapest. Hierauf gibt er als südöstliche Grenze der Germania den Zwischenraum bis zu einem Gebirge namens Sarmatarum montes an, das bis zur Quelle der Weichsel reicht (ebd.). - In Germ. 2, 5 (S. 48) bezeichnet Enea Silvio die Donau als antike Südgrenze Germaniens (ab austro Danubii flumine) und weist dann darauf hin, daß diese nun wie der Rhein mitten durch Deutschland fließe (Germ. 2, 6 [S. 48]): Danubius ac Rhenus, qui quondam Germanie limites clausere, nunc per medios Germanorum dilabuntur agros. Auch die Alpen bilden nach Enea Silvio nicht die zeitgenössische Südgrenze Deutschlands, da deutsche Besiedlung auch südlich des Alpenhauptkamms anzutreffen sei (ebd.). AMICTE NUBIBUS ALPES: Die wolkenverhangenen Alpen auch in Am.

3, 6, 51: nubigeras [...] Alpes. - Als Celtis in Am. 3, 1 davon berichtet, Regensburg verlassen zu haben, um nach Mainz zu gelangen, erwähnt er zusammen mit der Donau auch die Alpen (V. 7f.): Ipse ego Danubii ripas tunc forte reliqui / Et iuga, quae celsis Alpibus astra petunt. - Die Alpen als Grenzen der Germania nennt MELA 3, 3, 25: Germania hinc ripis eius [sc. Rhenus] usque ad Alpes, a meridie ipsis Alpibus, [...] obducta est. Daß Celtis hier sowohl die Donau als auch die Alpen als Südgrenze der Germania nennt, könnte zum einen damit zu tun haben, daß er auch im Süden einen Fluß als Begrenzung nennen wollte, könnte aber auch von der genannten Uneinheitlichkeit der antiken Quellen herrühren, die bald die Donau, bald die Alpen als Grenze anführen. 123:

ITALICE, ILLIRICE, SCYTHICE GENTI: C e l t i s g i b t d r e i V ö l k e r a n , d i e

im Süden an die Germania angrenzen. Neben den Italienern (gens Italica) nennt er dabei zwei antike Volksstämme, die zu seiner Zeit nicht mehr existierten. Die Illyrer siedelten ursprünglich in Dalmatien und dem nördlichen Albanien an der Ostküste der Adria. Die wahrscheinlich von Sulla eingerichtete Provinz umfaßte weite Teile der später unter Vespasian geschaffenen Provinzen Pannonien und Dalmatien, so daß der geographische Begriff Illyricum nunmehr den Nord- und Zentralbalkan bezeichnete. Celtis' Hauptquelle PTOL. Cosmogr., hier Quinta Europae tabula (=Abb. 5), bildet die Region Illiris aut Liburnia zwischen Pannonien und Dalmatien ab (vgl. auch DION. PER. sit. orb. [a iv]v [=V. 96f.]: Ad dextram partem protenditur illyris alma I Post hanc dalmacie populorum marcia tellus. Hier bespricht Dionysios die östliche Adriaküste von Norden nach Süden). Südlich und westlich der Donau gelegen, umfaßt die Region in etwa das heutige Slowenien

141 und den Norden Kroatiens. Offensichtlich sind dies auch die Völker, die Celtis als gens Illirica bezeichnet wissen will, wenn er nicht sogar die gesamten Balkanvölker unter diesem Namen subsumiert. Vgl. Od. 2, 19, 1-4, wo Celtis Kärnten, die Heimat des besungenen Lambergus Frisingensis, in der Nähe Illyriens lokalisiert. In den Amores wird weder die Region noch ihre Bevölkerung erwähnt. Schwieriger ist die Zuordnung der gens Scythica zu einem zeitgenössischen Volk. In der Antike faßt der Volksname Scythae (oder Scythes) alle Volkschaften nördlich des Schwarzen und des Kaspischen Meeres zusammen (vgl. MELA 2, 1, 2). Celtis dürfte mit der gens Scythica die Türken meinen, wobei er sich auf eine Bemerkung in Enea Silvios Europa stützen konnte. Dieser weist in Eur. S. 91 die Ansicht zurück, daß die Türken mit den antiken Teukrern verwandt seien, und bezeichnet sie daraufhin als Skythen: Turcorum gens Scythica & barbara est. - In Am. 1, 2, 8-12 erzählt der Sänger in einer Parenthese, Mars werde die Sarmaten (Polen) unter die Waffen zwingen, damit sie die Skythen über den Don vertreiben. Diese hätten ihre Kriegswagen schon an der polnischen Grenze aufgestellt, um bis nach Deutschland vorzudringen: Qui [sc. Mars] modo Sarmaticos cogit in arma viros, I Ut pellant Scythicas Tanais trans flumina gentes, / Sarmatico quae iam margine plaustro locant / Atque hinc Germanas cupiunt invadere terras, / Utque olim, Codanum sie modo adire volunt. In Am. 1, 15, 39 beklagt der Sänger den Verlust preußischer Städte an Polen durch den Frieden von Thorn im Jahre 1466 (in dem der Deutsche Orden Westpreußen an Polen abgeben mußte) auch deswegen, weil diese sich nicht mehr dem Scythicus tumultus entgegenstellen können. Die Skythen werden in diesem Zusammenhang als effe ra barbaries bezeichnet (V. 40). - Celtis' Verse können als Reflex auf die Bedrohung Ungarns und Polens durch die nach Norden drängenden Türken verstanden werden. AEN. SILV. Eur. S. 94-96 berichtet beispielsweise über die Kriege Wladyslaws III. gegen die Türken, der diese im sogenannten >Langen Feldzug< (1443/44) zwar besiegte, Ende 1444 aber an der Warna vernichtend geschlagen wurde und selbst umkam, wodurch die Türken weiter nach Norden vordringen konnten. 124-129: Der Donau ist das zweite Buch der Amores gewidmet, dessen Schauplatz Regensburg ist. In Am. 2, 13 beschreibt Celtis ihren Lauf vom Schwarzwald bis zur siebenarmigen Mündung ins Schwarze Meer (V. 60: Septifìda tandem sub mare fauce cadens). - Die Quelle und die sieben Mündungsarme der Donau benennt TAC. Ger. 1 , 2 : Danuvius, molli et clementer edito montis Abnobae iugo effusus, pluris populos adit donee in Ponticum mare sex meatibus erumpat; septimum os paludibus hauritur. Anders als bei Celtis soll nach Tacitus der siebte Arm einen Sumpf speisen. Daß die Donau Germanien

142 verläßt, weiß auch MELA 3, 3, 30: omnium in alias gentes exeuntium Danuvius et Rhodanus, und PLIN. Nat. 4, 79: Ortus hic in Germania iugis montis Abnouae ex adverso Raurici Galliae oppidi, multis ultra Alpes milibus ac per innúmeras lapsus gentes Danuvi nomine, immenso aquarum auctu et unde primum Illyricum adluit Hister appellatus, LX omnibus receptis, medio ferme eorum numero navigabili in Pontum vastis sex fluminibus evolvitur. Der Ort Rauricum wird mit Kaiseraugst identifiziert (Goetz/Welwei: Altes Germanien, S. 106, Anm. 28). Im Gegensatz zu Tacitus spricht Plinius von nur sechs Mündungsarmen der Donau. Vgl. auch DION. PER. sit. orb. [b ij]v (=V. 298f.): Hune prope consurgit fons ystri flumine longo / Qui poscens ortus euxini peruenit vndas (Dionysios sieht die Quelle in der Nähe derjenigen des Rheins). - Hinweise zur Donau gibt auch Hartmann Schedel in Lib. chron. Bl. 299'. Vgl. auch knapp LAUR. COR. Cosmogr. c iiijv. - Zu den beiden Namen der Donau vgl. bei Celtis Am. 3, 1, 41: binominis Histri. Die Römer nannten den Oberlauf der Donau bis zu den Wasserfällen bei Orsova (Stadt in Rumänien an der Grenze zu Serbien, unweit des sog. Eisernen Tors) Danubius, ihren Unterlauf Hister. Dies ist der griechische Name des Fluss e s ( " Ι σ τ ρ ο ς ) . V g l . MELA 2, 1 , 8 , PLIN. N a t . 4 , 7 9 u n d PTOL. C o s -

mogr. d 3r (=3, 8, 3): Ηine danubius vsque ostia vt supra diximus Ister appellatur. Bei den antiken Dichtem werden beide Namen ohne Unterschied gebraucht. Ebenso bezeichnet Celtis die Donau bald mit Danubius, bald mit Hister, ohne einen Unterschied zwischen Oberund Unterlauf zu machen. So weist Celtis der Donau in Am. 1, 3, 64 die Südgrenze der Germania zu, nennt den Fluß aber Hister (ebenso Am. 2, 3, 26 u.ö.); dagegen Danubius in Am. 2, 8, 108 (Regen und Naab münden in den Danubius) u.ö.; vgl. auch Od. 1, 3, 8 u.ö. Den Namen Hister verwendet Celtis seltener (in den Oden erscheint er kein einziges Mal). 125 :

Vgl. Am. 2,13,1 f. : Hister [...], / Qui varios populos flumine latus adis.

126:

UNGARUS: Celtis gebraucht den zeitgenössischen Volksnamen Ungarns kaum (vgl. die einzige weitere Stelle in Am. 2, 4, 44: Ungaricisque viris). Häufiger begegnet der antike Name Pannonia, von dem Celtis das Adjektiv Pannonius ableitet, vgl. Pannoniam gentem in V. 186 (zur Bildung des Adjektivs Pannonius siehe Komm.). AEN. SILV. Eur. S. 84-88 nennt das Land Hungaria sive Pannonia (S. 84, Überschrift), weist aber darauf hin, daß die Ausdehnung des antiken Pannonien nur teilweise identisch mit dem Ungarn seiner Zeit ist (vgl. auch hierzu Komm, zu V. 186).

127f.:

METANASTAQUE TEUTONUS: μ ε τ α ν ά σ τ η ς = ( g r i e c h . ) E i n w a n d e r e r .

Celtis hat dieses Wort bei PTOL. Cosmogr. d 3r (=3, 7, 1; vgl. Nona

143 Europae tabula) kennengelernt, wo dieser einen Teil der Iazygen, der seinen Stammesverband am Schwarzen Meer verlassen und sich zwischen Donau und Teis angesiedelt hat, als metanastae (μετανάσται) bezeichnet (siehe Komm, zu V. 244). Dieses neue Siedlungsgebiet der Iazygen läßt sich in etwa mit Siebenbürgen (V. 128: TRANSSILVANIA) identifizieren. Celtis gibt den deutschen Bewohnern dieser Gegend den Beinamen metanastae daher nicht nur, um sie - etwas gesucht - als Einwanderer zu charakterisieren, sondern auch wegen ihres mit dem der iazygischen Kolonisten identischen Siedlungsgebiets. - Vgl. bei Celtis Am. 2, 9 (ed. Kühlmann/Seidel/ Wiegand), 121: Quique metanastum vagus irrigai arua tibiscus. Transsilvania ist der lateinische Name für die Landschaft Siebenbürgen, die sich im Inneren des Karpatenbogens erstreckt. Die Einwanderer, die Celtis erwähnt, sind die Siebenbürger Sachsen, die seit 1150 vom ungarischen König Geza II. und seinen Nachfolgern in diese Gegend geholt wurden und sie kolonisierten. - Vgl. AEN. SILV. Eur. S. 88: Transilvania [!] regio est vltra Danubium sita: quam Daci quondam incoluere, feroces populi, & multis Romanorum cladibus insignes, nostra aetate tres incolunt gentes, Teutones, Siculi & Valachi. Teutones e Saxonia originem habent, viri fortes & bello exercitati: a Septem ciuitatibus quas inhabitant, Siebenburgenses patrio sermone appellati. Tatsächlich leitet sich der Name Siebenbürgen von den sieben Komitaten (ungarischen Verwaltungsbezirken) her, die die Siebenbürger Sachsen bewohnten. - Die Ortsangabe in V. 128 (hic vbi) ist allerdings nicht korrekt, da die Donau weder durch Transsilvanien fließt noch in dieser Region ihre Mündung hat, wie es in V. 129, der durch das Relativum qua (>woGrenzleuteOffizinen der Kyklopen< entspricht Germ. gen. 264, wo die Eisenverarbeitung mit dem Werk der Kyklopen Brontes und Sterops verglichen wird (vgl. Komm, zu V. 264). Vgl. auch AEN. SILV. Germ. 2, 17 (S. 57): Adde venas auri atque argenti, quas ignoravere prisci, apud vos repertas, und Schedel Lib. chron. Bl. 299': Metallorum item omnium fertilitate nullis cedit terris. - Enea Silvio bemerkt auch (Germ. 2, 4 [S. 47]), daß es im antiken Germanien noch keinen Abbau von Bodenschätzen gab und macht damit die Kunst der Metall· und Edelmetallverarbeitung zu einem Merkmal, an dem man die kulturelle Entwicklung der Germania ablesen könne. TAC. Ger. 5, 2 legt sich allerdings nicht fest, ob es Edelmetalle in Germanien gibt, da es ihm an Informationen darüber fehle: Nec tarnen adfirmaverim nullam Germaniae venam argentum aurumve gignere: quis enim scrutatus est? Tatsächlich gab es bereits in der Antike Bergbau nördlich der Alpen. - Die größten Abbau- und Verarbeitungsgebiete in der Germania zu Celtis' Lebzeiten fanden sich in den Karpaten (vgl. Komm, zu V. 185), der Steiermark, dem sächsischen Erzgebirge und in Schlesien. Dort wurden neben Eisen und Kupfer auch Gold und Silber gewonnen.

258:

PERPETUIS VENÍS: Die Erwähnung von Edelmetalladern weist auf Untertagebergbau hin. Die Anlage großer Schachtsysteme wurde erstmals in der Mitte des 15. Jahrhunderts durch die Entwicklung von Wasserhebemaschinen möglich, mit deren Hilfe das Grundwasser aus den Gruben gehoben werden konnte. Der Bergbau erlebte im 15. Jahrhundert ab den 50er Jahren nach langer Stagnation einen

178 bis dahin nicht gekannten Aufschwung, der durch die Entwicklung modernerer Abbautechnik ermöglicht wurde. - In Am. 1, 6 berichtet das lyrische Ich vom Besuch eines Bergwerks (allerdings einer Salzmine) und beschreibt die Besichtigung als Fahrt in die Unterwelt. 259-265: Die Verse beschreiben die Arbeit in einer Eisenhütte. V. 259f. erwähnen die Eisengewinnung durch Herausschmelzen des Metalls aus dem Gestein. Durch die Verwendung des Blasebalgs (V. 260: excussis ventosis follibus) ließen sich hohe Temperaturen erzeugen, die eine bessere Erzausbeute möglich machten. V. 261-265 behandeln die Eisenverarbeitung in der Schmiede. Das Nebeneinander von Verhüttung und Verarbeitung, wie es hier vorgestellt wird, etablierte sich seit den 1460er Jahren, als in zunehmendem Maße große Hüttenwerke, sog. grosses forges, eingerichtet wurden, die Hochöfen und Schmiedebetriebe vereinigten. Siehe R. Sprandel: Das Eisengewerbe im Mittelalter. 264:

Brontes und Sterops sind zwei der drei von Uranos und Gaia abstammenden Kyklopen, die in der Schmiede Vulkans arbeiteten und dort Eisen schmiedeten. Vgl. HES. Th. 139f. und VERG. A. 8, 416453, hier 424f.: ferrum exercebant uasto Cyclopes in antro, / Brontesque Steropesque et nudus membra Pyragmon. Sie wohnten unter dem Ätna (VERG. G. 4, 170ff.) und fertigten u.a. Achilles und Aeneas ihre Schilde. - Vgl. auch Norim. Kap. 3, S. 121.

De qualitate telluris per Germaniam (Kap. 7) a)

Gliederung

266-275

Die Germania als Kulturlandschaft und verstädterter Raum.

276-278

Die positive Veränderung der Bevölkerung von Barbaren zu einem kultivierten Volk.

279-283

Celtis' zehnjährige Wanderung durch die Germania als Grundlage der Beschreibung.

b)

Stellenkommentar

266-272: Im letzten Kapitel der Germ. gen. stellt Celtis die Germania als Kulturlandschaft vor. Dies zeigt sich zum einen in einer gepflegten und vom Menschen gestalteten Landschaft. Celtis' Beschreibung ist mit derjenigen in Enea Silvios Germania vergleichbar. Vgl. z.B. Germ. 2, 7 (S. 49): Nam agros ubique cultos videmus, novalia, viñeta,

179 viridaria, violaría, pomaria rustica et suburbana, edificio plena dilitiis, villas amenissimas, arces in montibus sitas, oppida muris cincia, splendidissimas urbes. Ebenso äußert sich Hartmann Schedel in der Vorrede zur Deutschlandkarte Hieronymus Münzers über das zeitgenössische Deutschland (Lib. chron. Bl. 299r): Est item germanie locus nobilis. precipue vbi fluminibus irrigatur. Magna enim et beata illi amenitas. celo temperies, campis fertilitas. colles aprici, saltus innoxij. nemora opaca, frumentorum omnis generis habundantia. vitiferi colles. - Zu Celtis' Preis seiner patria vgl. auch Vergils Lob auf Italien im zweiten Buch der Geórgica (G. 2, 136-176). Siehe Zablocki: Beschreibungen des Ostens, S. 158f. und Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 469 mit Anm. 33). 266:

PECUDUMQUE FERAX: Vom Reichtum an Weidetieren spricht schon TAC. Ger. 5, 1: Terra [...] pecorum fecunda. Die große Anzahl an Vieh und wilden Tieren erwähnt Celtis auch in Norim. Kap. 3, S. 122: Pecorum autem et nobilium ferarum in ea ingens et innumerabilis copia. QUEQUE UBERE GLEBA: Siehe Schedel Lib. chron. BL. 267': que terre ubertas.

269:

INGENTES LACUS: Vgl. Norim. Kap. 3, S. 122: Lacus etiam vastos. VASTASQUE PALUDES: In dem Hinweis auf große Sümpfe sind letzte Anzeichen einer ehemals unkultivierten Landschaft zu sehen. Auch die antiken Autoren sehen in zahlreichen Sümpfen ein Kennzeichen Germaniens und seiner Unwirtlichkeit, z.B. TAC. Ger. 5, 1: Terra [...] in universum tarnen aut silvis hórrida aut paludibus foeda. Ihnen folgt Hartmann Schedel in Lib. chron. Bl. 299R (Vorrede zur Deutschlandkarte), wenn er über das alte Germanien sagt: Tunc interna et penetralia eius [sc. Germaniae] fluminibus impedita, siluis ac paludibus inuia. Schedel zitiert hier teilweise MELA 3, 3, 29: Terra ipsa multis inpedita fluminibus, multis montibus aspera et magna ex parte silvis ac paludibus invia.

270:

SAPIDO QUI PISCE REDUNDANT: D e n F i s c h r e i c h t u m d e r F l ü s s e u n d

Seen erwähnt Celtis in Norim. Kap. 3, S. 122. 272:

MUÑERA BACHI: Bacchus, griech.-röm. Gott des Weins, steht metonymisch für den Wein (vgl. VERG. G. 2, 113). Die Einführung des Weinanbaus ist auch ein Zeichen für die kulturelle Entwicklung Deutschlands, denn die antiken Autoren behaupten, daß die Germanen nicht einmal Weinimport zugelassen, geschweige denn selbst Wein angebaut hätten. Vgl. auch Komm, zu V. 76.

180 273f.:

Hinweis auf die Veränderung der Germania durch siderische Einflüsse. Vgl dazu Oratio S. 4 [33]: [...] coelo iam laetiore et terra nostra exclusis paludibus excisisque vastis nemoribus et inclitis urbibus habitata. Celtis beklagt sich an dieser Stelle über fortwährende barbarische Gewohnheiten seiner Landsleute trotz der conversio siderum. Die Entwicklung zur Kulturlandschaft und die Verstädterung werden in der Ingolstädter Rede direkt als Folge der Sternbewegungen dargestellt. Zur Rolle kosmischer Veränderungen in Celtis' Geschichtsdenken vgl. Teil 2, Kap. II.4.2.1.

275:

Während es Celtis hier bei einer knappen Erwähnung der gepflegten Städte der Germania beläßt, erwähnt er zahlreiche davon in Norim. Kap. 3, S. 120, wo er, Vers 275 ähnlich, zusammenfaßt: Opulentas undique urbes quindecim publicis gymnasiis ornatas, ditesque populos, arces aereas et inexpugnabiles. Die Fülle an ansehnlichen Städten ist auch für Enea Silvio in seiner Germania das entscheidende Merkmal für das kultivierte Erscheinungsbild des zeitgenössischen Deutschland (vgl. Germ. 2, 7-15 [S. 49-56]). Hartmann Schedel, dessen Uber chronicarum zahlreiche deutsche Städte abbildet, hebt deren Schönheit in der Vorrede zum Exzerpt der Europa Enea Silvios (Lib. chron. Bl. 2671) hervor: Quid memoremus nobilissimas vrbes splendidissimasque.

276-278: Die Wildheit der Germanen beschreiben die antiken Autoren allenthalben. Das Diktum vom furor Teutonicus haben auch die italienischen Humanisten übernommen und daraus eine überzeitliche Eigenschaft der Deutschen gemacht (vgl. Amelung: Das Bild der Deutschen, S. 167-169). - Die Germanen als Waldbewohner stellt AEN. SlLV. Germ. 2, 4 (S. 47) vor: Erant enim plerumque pastores, silvarum incole ac nemorum. Celtis' Verse nehmen Bezug auf die Vorstellung einer Entwicklung der Germani von einer barbarischen zu einer zivilisierten, dem humanistischen Ideal genügenden Bevölkerung, die Enea Silvio in seiner Germania geprägt hat. Dieser rechnet das Verdienst der Kultivierung der Kirche an (ebd. 2, 27 [S. 64]): Nunc vero ad vos legitima dei nostri sacra deducía sunt et unum cum sancta Romana ecclesia verum et unicum deum Christum colitis. Die christliche Religion als Kulturbringerin akzeptiert auch Hartmann Schedel (Lib. chron. Bl. 267): Uerum hanc mutationem quis fecit nisi religio christi. Cultus quippe Christiane religionis a germants omnem barbariem expulit atque ita expoliuit vi iam greci ipsi barbari. Celtis hingegen entwickelt seinen Druidenmythos, um die kulturelle Entwicklung der Germania von der römischen Kirche unabhängig zu machen (vgl. Komm, zu V. 201 f. sowie Teil 2, Kap. II.4.2.2. und 3.). Bei ihm haben die aus Gallien nach Germanien vertriebenen Priester den Germanen die Zivilisation gebracht. Ihre

181 Rolle ist für Celtis deswegen antiken Kulturbringern wie Orpheus vergleichbar (siehe Od. 3, 28, 55-92 [an Johannes Trithemius]). Siehe auch Norim. Kap. 3, S. 125f.: Magna profecto Graecis nunc et sempiterno a nobis gratia habenda est, qui populum olim efferum et quern nulla arma domare unquam potuerunt, hunc illi religione et vitae sanctitate ad mitiora studia et ingenia converterunt. Graeci heißen die Druiden deswegen, weil er glaubt, daß sie nach griechischer Sitte lebten (ebd., S. 122f.): Genus illud philosophorum apud Gallos Graecanice viventium erat. 279f.:

Zum Abschluß der Germ. gen. behauptet Celtis, daß seine Beschreibung der Germania auf eigener Anschauung beruhe. Dies trifft auf das Gedicht nur begrenzt zu. Bedeutendstes Beispiel für Autopsie ist der pinifer mons, der den antiken Autoren nicht bekannt war und der Celtis als Deutschlands Mittelpunkt gilt. Ansonsten stellt die hier beschriebene Germania einen aus der Überlieferung konstruierten Raum dar, der über weite Teile auf den Karten der ptolemäischen Kosmographie fußt. Der Anspruch, das Land bereist zu haben und aus dieser Erfahrung die Kompetenz zu besitzen, die Germania beschreiben zu können, zeigt sich erstmals in Norim. Kap. 2, S. I l l : Id ego non iniucundum litterarum studiosis futurum spero, si ita, ut illam labore et cura nostra aliquot annis permensi sumus, hic breviter absolvemus. Celtis stellt seine Mühen der Untätigkeit seiner Landsleute gegenüber, denen nicht daran gelegen sei, ihr Land kennenzulernen. Seine Reisen nennt er eine große Anstrengung, die seine Gesundheit nicht unbeschädigt gelassen habe (ebd.): Ego autem inter difficiles illos peregrinationum mearum labores, quae peculium meum bonamque corporis valetudinem non mediocriter attriverant et imminuerant eo omnem animi cogitatum converti, ut [...] illa mea doctrina occasio et invitamentum essem [...]. Die Vorbildlichkeit seines Reisens ist ein immer wiederkehrendes Motiv; vgl. auch die Widmung der Amores an Maximilian I. (Am. Praef. S. 1 [1]): Libros amorum nostrorum decennali peregrinatione a me conscriptos. Die Überzeugung, etwas Ruhmreiches damit zu tun, äußert er ebd., S. 6f. [53]: Ego non minori gloria hominem Germanum philosophiae studiosum dignum existimo, qui patriae suae linguae fines et términos [...] viderit et observaverit. - Mit der zehnjährigen Reise, die Grundlage seiner Erfahrung sei, meint Celtis die Zeit zwischen seiner Krönung zum poeta laureatus im Jahre 1487 und der Übersiedlung nach Wien 1497. In der Vorrede zur im selben Jahr veröffentlichten Apuleius-Ausgabe spricht er von seinem Schiff, das nun vor Anker gehen könne: [...] dubiamque et errantem ratem aliquando anchora firmarem in portumque tranquillum subducerem (BW Nr. 179, S. 295); dasselbe Motiv findet sich aber schon vor seiner Anstellung in Ingolstadt (BW Nr. 17, S. 32; Brief an Sixtus Tucher aus dem Jahre 1492).

182

Abb. 4: Claudius Ptolemaeus: Cosmographia. Ulm: Lienhard Holl, 31. Juli 1482 (Hain 13539), Quarta Europae tabula continet Germaniam cum insulis sibi adiacentibus (Debrecen: Debreceni Református Teológiai Akadémia Szemináriuma Könyvtar, U 45). Aus dem Besitz von Conrad Celtis.

183

184

ZWEITER TEIL:

Studien zur »Germania generalis« und zur Deutschlandkonzeption des Conrad Celtis

Forschungsbericht und Ansatz der vorliegenden Studien Gegenstand der vorliegenden Studien ist die Germania generalis des Conrad Celtis, ein kleines und knapp 300 Hexameter umfassendes lateinisches Gedicht, das der Humanist und erste deutsche poeta laureatus erstmals um 1500 als Anhang seiner Edition der taciteischen Germania veröffentlicht und danach im Jahre 1502 in seinem aufwendig gestalteten und selbstbewußt präsentierten Nürnberger A/nores-Druck erneut herausgegeben hat. Sein Inhalt, der trotz auffälliger Heterogenität als der Versuch benannt werden kann, Deutschland und seine Bewohner zu beschreiben, führt zu einem der vorrangigsten Themen nicht nur in Celtis' Œuvre, sondern auch des deutschen Humanismus insgesamt: zum Diskurs um die deutsche Nation. Die Germania generalis rückt thematisch wie im Hinblick auf die Kontexte ihrer Veröffentlichungen in engen Zusammenhang mit anderen zentralen Werken des Conrad Celtis, der Stadtbeschreibung Nürnbergs und dem auf vier Bücher angelegten Elegienzyklus der Amores. Von diesen Texten, die alle im Horizont der Deutschlandthematik stehen, dürfte die Germania generalis allerdings als der dichteste Beitrag des Autors zu dieser humanistischen Diskussion um 1500 gelten. Ihre unbestreitbar zentrale Position im Werkganzen des Humanisten erhält sie überdies in der Rolle eines maßgeblichen Vorboten der projektierten, aber Versprechen gebliebenen Germania illustrata, ein Plan, der sich seit seiner erstmaligen Erwähnung im Jahre 14951 wie ein »Leitmotiv« durch Celtis' Œuvre zieht.2 Obwohl der Germania generalis mithin zentrale Bedeutung für einen der entscheidenden thematischen Aspekte in Celtis' Œuvre zukommt, ist sie jedoch bislang nie Gegenstand einer eingehenden Untersuchung gewesen.3 Zentrale Fragen wie die nach der inhaltlichen Kohärenz des Gedichts, nach seinen Quellen, mithin nach seinem Verhältnis zur Germania des Tacitus sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf den editorischen Zusammenhang seiner erstmaligen 1

2 3

In der Widmung der Norimberga an den Nürnberger Stadtrat, in der Celtis die Stadtbeschreibung als ein praelibamentum quoddam et ingenii experientiam ante editionem illustratae Germaniae präsentiert (Norim. S. 105. In der Ausgabe von 1502 schreibt Celtis praeludium statt praelibamentum und experimentum statt experientiam). So Wuttke: Humanismus als integrative Kraft, S. 399. Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, geht in seiner Untersuchung zum Bildprogramm des Nürnberger Amores-Bands auch auf die darin enthaltenen Texte, so auch auf die Germania generalis (S. 463-472) ein und zeichnet deren Inhalt nach. Von einer einläßlichen Interpretation der Werke kann dabei allerdings nicht gesprochen werden.

188 Veröffentlichung wurden bisher nicht einmal gestellt. Dieses Desinteresse an der Germania generalis ist gerade wegen ihres engen inhaltlichen Bezugs zur Germania illustrata wenig verständlich, zumal es nicht an Untersuchungen mangelt, die der Entstehung einer frühneuzeitlichen nationalen Historiographie in Deutschland nachgehen und die Position von Celtis' projektierter Deutschlandbeschreibung in diesem Prozeß betonen. In der Germania illustrata glaubt man - und dies zu Recht - den frühesten humanistischen Entwurf einer umfassenden Darstellung Deutschlands und seiner Geschichte zu erkennen, und so hat es nicht an Versuchen gefehlt, Konzept und Inhalt der nie zustande gekommenen Schrift zu rekonstruieren.4 Hierzu hat sich die Forschung, auch wenn dies im Einzelfall nicht immer explizit deutlich gemacht wurde, stets auf Celtis selbst berufen, der am Ende seiner an Maximilian I. gerichteten Praefatio zu den Amores eine knappe Inhaltsangabe der Germania illustrata gegeben hat.5 Auf diesen konkretesten Hinweis zu dem immer Projekt gebliebenen Werk in Celtis' gesamtem Œuvre stützte sich schon Paul Joachimsen, der sich in seiner 1910 erschienenen und bisher nicht überholten Untersuchung zur Historiographie im deutschen Humanismus erstmals eingehender mit Celtis' Plan der Germania illustrata befaßt hat.6 Er stellte, Celtis folgend, eine auf vier Bücher angelegte Schrift vor, als deren Inhalte er Geographie und Kulturgeographie Deutschlands sowie dessen Geschichte benannte.7 An weiteren Äußerungen über den Inhalt der Germania illustrata hat es in der auf Joachimsens Arbeit folgenden Forschung nicht gefehlt, doch gehen diese über das von ihm Skizzierte kaum hinaus.8 Eine detailliertere Kenntnis vom Programm der Germania illustrata scheint angesichts der 4

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Der folgende Forschungsbericht beschränkt sich auf die Erwähnung zentraler Untersuchungen, die sich, von unterschiedlichen Fragestellungen herkommend, intensiver mit der Deutschlandthematik in Celtis' Œuvre und den sich daran anschließenden Problemen auseinandergesetzt haben. Arbeiten, die einzelne Aspekte meist nur kursorisch ansprechen, werden nur in passenden Zusammenhängen kurz in einer Anmerkung erwähnt. Am. Praef. S. 6f. [53f.]. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 155-160. Ihm voran gehen Erwähnungen des Projekts bei Kliipfel: De vita et scriptis, Bd. 2, S. 159-161 und bei von Bezold: Konrad Celtis, S. 216. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 159: »Wie die Amores [...] so soll die Germania [gemeint ist die Germania illustrata, Anm. d. Verf.] vier Bücher enthalten, die Deutschland nach den vier Himmelsrichtungen beschreiben; die Sitten und Bräuche, Sprache und Religion, Gemütsart und Schlag der deutschen Stämme, deren Kenntnis er sich erwandert hat, sollen der Gegenstand des Buches sein. Auch die Kriege des Kaisers und seiner Vorfahren sollen sich, so scheint es, in das geographische Schema fügen.« So Sponagel: Konrad Celtis, S. 63-66, Bieder: Geschichte der Germanenforschung, S. 22f., Reiss: Motive des patriotischen Stolzes, S. 4, Spitz: Conrad Celtis, S. 40, 102 und passim, Seidlmayer: Wege und Wandlungen des Humanismus, S. 192f., Ridé: L'image du Germain, S. 215f., ders.: Un grand projet patriotique, S. 99 (Ridé paraphrasiert beide Male den einschlägigen Paragraphen in der Amores-Praefatio [vgl. Anm. 5]), Krapf: Germanenmythus, S. 99-102, Muhlack: Geschichtsschreibung, S. 214f. (methodisch umsichtiger als seine Vorgänger, siehe dazu unten S. 190-192).

189 nur spärlichen Hinweise, die sich über die genannte Inhaltsangabe hinaus in Celtis' Œuvre finden, zumindest auf diesem Wege auch nicht zu erlangen zu sein. In allen genannten Arbeiten zur Germania illustrata folgt auf das Bedauern, die Schrift nicht in Händen zu halten, der Hinweis auf drei Werke, die als Vorarbeiten zu ihr verstanden werden: auf die Amores, die Stadtbeschreibung von Nürnberg sowie die Germania generalis. Diese Einschätzung fußt erneut auf Celtis' eigenen Bemerkungen, da er die drei Werke selbst in direkten inhaltlichen und auch konzeptionellen Zusammenhang zur Germania illustrata gestellt hat. Für Joachimsen war die 1495 erschienene Norimberga ein vielversprechendes »Vorspiel«, 9 die Amores wiesen ihm konzeptionell auf die geplante Schrift hin 10 und die Germania generalis, deren Inhalt er schlagwortartig vorstellt, nannte er eine »Probe« und ein »poetisches Fragment« der Germania illustrata.n Entsprechende Äußerungen finden sich auch in anderen Untersuchungen, 12 etwa wenn Jacques Ridé die drei Werke »des échantillons de la Germania illustrata« nennt. 13 Ungeachtet dieses auf Celtis' eigenen Bemerkungen fußenden Befundes ist es bisher allerdings unterlassen worden, - statt sie als »Inhaltsangabe« zu verstehen 14 - eine inhaltliche Analyse dieser drei Werke anzustrengen, um dadurch genauere Hinweise auf Celtis' Deutschlandkonzeption zu gewinnen und so das Projekt der Germania illustrata genauer zu greifen. Ohne derartige Untersuchungen ist im übrigen auch nicht entscheidbar, ob Celtis' Hinweise überhaupt wörtlich genommen werden dürfen. Ebensowenig ist lange Zeit ein zweiter Zusammenhang, in dem die Germania illustrata steht, für eine Annäherung an sie nutzbar gemacht worden: die Beziehung zu ihrem maßgeblichen Vorbild. Bereits Joachimsen hatte aufgrund namentlicher Übereinstimmung die Italia illustrata des Flavio Biondo als Vorlage für Celtis' Plan vorgestellt und behauptet, dieser habe der Italienbeschreibung »entsprechen« 15 sollen. Wiederum sind seine Bemerkungen symptomatisch. Denn auch in anderen Untersuchungen zur Germania illustrata wird stets behauptet, Celtis habe ein deutsches Gegenstück zur Italia illustrata verfassen wollen, 16 ohne daß die Autoren freilich deutlich machen, welche Vorstellung

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Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 157. Ebd., S. 159. 11 Die Zitate ebd., S. 159 und 160. 12 Z.B. Geiger: Conrad Celtis in seinen Beziehungen zur Geographie, S. 1 lf., Bieder: Geschichte der Germanenforschung, 1. Teil, S. 22f., Reiss: Motive des patriotischen Stolzes, S. 4 und Newald: Probleme und Gestalten des deutschen Humanismus, S. 195. 13 Ridé: Un grand projet patriotique, S. 103 und ebenso ders.: L'image du Germain, S. 223 (Vorstellung des Inhalts der »échantillons« S. 223-229). Ähnlich Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 212-216. Spitz: Religious Renaissance, S. 85 nennt die Germania generalis »a preliminary for the Germania illustrata«. 14 So dezidiert Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 214 über die Germania generalis. 15 Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 157; außerdem ders.: Tacitus, S. 285. 16 Newald: Probleme und Gestalten des deutschen Humanismus, S. 194, Spitz: Conrad Celtis, S. 40 u. 102, ders.: Religious Renaissance, S. 85, ders.: Humanism in Germany, S. 206f„ Schäfer: Deutscher Horaz, S. 8, Ridé: Un grand projet patriotique, S. 101: 10

190 sie überhaupt von dem Werk des Flavio Biondo haben.17 Dies liegt durchaus auch daran, daß es bis in jüngster Zeit an Untersuchungen zur Italia illustrata gemangelt hat.18 Erst vor kurzem hat Ulrich Muhlack in einer Arbeit zur Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung versucht, den Zusammenhang zwischen Italia illustrata und Germania illustrata genauer zu fassen, indem er ihn vor dem Hintergrund der Rezeption einer Methode und eines Darstellungskonzepts beschreibt.19 Dabei beschränkt er sein Interesse nicht auf die Beziehung zwischen der italienischen Schrift und ihrem projektierten Pendant in Deutschland, sondern er erkennt in der Aneignung der Art und Weise, wie Biondo in der Italia illustrata historische Entwicklungen zu begreifen sucht, ein entscheidendes Merkmal der historiographischen Literatur im frühen deutschen Humanismus insgesamt.20 Indem er die Stationen dieses Übernahmeprozesses bis hin zu Celtis benennt, hat Muhlack erstmals genauere Hinweise zur Entstehung einer humanistischen Historiographie in Deutschland im Hinblick auf ihre Methode gegeben. Als zentrale Kategorie für Flavio Biondos Verständnis historischer Zusammenhänge benennt Muhlack den Begriff der mutatio, mit dem Biondo in der Italia illustrata zunächst den seit der Antike feststellbaren Wandel von Ortsnamen beschrieben habe.21 Sie begreife er aber nur als augenfälligen Ausdruck tieferliegender historischer Veränderungen in Italien, die sich auch im Erscheinungsbild des Landes manifestiert hätten. So sei es Biondos Ziel, ausgehend von der mutatio nominum zur Erkenntnis der mutatio rerum et regionum vorzustoßen. Diese erkennt Muhlack als zentralen Gegenstand der Italia illustrata: Mit seiner historisch-geographischen Schrift habe Biondo die Entwicklung Italiens vom Altertum bis zu seiner Gegenwart nachzeichnen und damit die historische Veränderung eines ganzen Raumes darstellen wollen.

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»C'est donc à une réplique allemande du livre de Flavio Biondo que songeait K. Celtis«, sowie Kloft: Die Germania des Tacitus, S. 108f. mit Anm. 36. Nur soviel wird angemerkt, daß die Italia illustrata ein historisch-geographisches Panorama Italiens gäbe, in dem Aussagen über das antike Italien mit seiner zeitgenössischen Gestalt in Bezug gesetzt und Veränderungen aufgezeigt werden. Vgl. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 25 (mit einer gewissen Abwertung von Biondos Leistung) und Ridé: Un grand projet patriotique, S. 101. Erste und bislang einzige monographische Studie zu Flavio Biondos Italia illustrata ist Clavuot: Biondos »Italia illustrata«. Vgl. Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 202: »Die >Germania illustrata< trägt durch ihren bloßen Namen ihre gattungsgeschichtliche Provenienz von dem prototypischen Werk Biondos zur Schau. Es ist ihr Vorsatz, dessen Beschreibung Italiens eine nach gleicher Methode verfertigte Beschreibung Deutschlands zur Seite zu stellen« (Kursivierung von mir). Andeutungen zu diesem Prozeß finden sich schon bei Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 2 2 - 3 6 und passim, allerdings ohne Nachzeichnung der Entwicklungslinien. Vgl. Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 199-202. Ebenso Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 3 7 - 4 4 . Zum mutatio-Begriff äußerte sich schon Tiedemann: Tacitus und das Nationalbewußtsein, S. 2 5 - 3 3 .

191 Als Vermittler von Biondos historischem Konzept stellt Muhlack Enea Silvio Piccolomini vor, 22 dessen Bedeutung für die humanistische Historiographie und Landesbeschreibung in Deutschland die Forschung bereits des öfteren festgestellt hat. 23 Doch weniger die in diesen Arbeiten angeführte Tatsache, daß der spätere Papst Pius II. in seiner Europa und noch mehr in seiner sogenannten Germania die ersten humanistischen Beschreibungen Deutschlands geschaffen hat, 24 ist für Muhlack ausschlaggebend. Vielmehr sieht er Enea Silvios Bedeutung darin, daß er, Biondo methodisch folgend, mithilfe der Kategorie der mutatio die Veränderung Deutschlands von einem bei den antiken Geographen als barbarisch und unkultiviert beschriebenen Land zu einer kultivierten und bedeutenden Nation als den entscheidenden Vorgang in der Geschichte Deutschlands vorgestellt hat. Von Enea Silvio hätten die deutschen Humanisten, so Muhlack, Biondos Kategorie der mutatio kennengelernt, allen voran Hartmann Schedel, der Teile der Europa seiner 1493 in Nürnberg erschienenen Weltchronik beigegeben und in einem Vorwort dazu besonders auf die in der Europa thematisierte Veränderung des Landes verwiesen hat. 25 Mit Hartmann Schedels Liber chronicarum hat Muhlack ein Werk benannt, das die Forschung mit der Entstehung von Celtis' Plan einer Germania illustrata unmittelbar in Verbindung bringt. 26 Denn Celtis hatte sich bereits kurz nach Erscheinen der Chronik gegenüber Sebald Schreyer vertraglich verpflichtet, den Liber chronicarum zu überarbeiten. Aus diesem Vorhaben, folgert man, habe sich das Projekt der Germania illustrata entwickelt und in diesem Zusammenhang, so allein Muhlack, habe Celtis auch das Konzept der mutatio übernommen. Auf Celtis zu sprechen gekommen, konzentriert auch Muhlack sein Interesse auf jene drei Werke, die stets mit der Germania illustrata in Verbindung gebracht werden, wobei er besonders auf die Norimberga eingeht, da er in ihr in Ansätzen jene Darstellungsmethode verwirklicht sieht, die auf die Germania illustrata vorausweise. 27 An einem konkreten Beispiel in Celtis' Exkurs zur

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Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 202-206. Siehe Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 27-36; Ridé: Un grand projet patriotique, S. 102, Krapf: Germanenmythus, S. 49-53. Vgl. Voigt: Italienische Berichte, S. 127-153. Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 208-210. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 156, Wuttke: Humanismus als integrative Kraft, S. 395-399. Vgl. Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 213: »Man braucht nur von der Kapitelfolge der Stadtbeschreibung zu abstrahieren, um die Hauptzüge dieser Methode zu erfassen: dieselbe auf den Begriff der >mutatio< gestützte Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, von Historie und geographischer, topographischer, ökonomischer, sozialer, politischer, kirchlich-kultureller Zustandsbeschreibung, wie sie seit Biondo der humanistischen Landeskunde wesensgemäß ist.« Obgleich Muhlack sicherlich nicht fehlgeht, wenn er die Kategorie der mutatio in der Norimberga angewandt zu finden glaubt, dürfte das inhaltliche Programm von Celtis' Nürnbergbeschreibung, ebenso wie das der zahlreichen Stadtbeschreibungen, die Biondo in seine Italia illustrata eingegliedert hat, weniger der »humanistischen Landeskunde«, als

192 silva Hercynia, in dem der Blick auf das Umland Nürnbergs zu einer kleinen Deutschlandbeschreibung ausgeweitet wird, kann er sogar zeigen, daß auch Celtis die Entwicklung seines Landes mithilfe der Kategorie der mutatio zu erfassen sucht.28 Muhlacks Einlassungen, die die Geschichte eines Konzepts erhellen wollen, zeigen den Nutzen eines solchen Ansatzes für eine Annäherung an die Germania illustrata. Indem Muhlack den Vorbildcharakter der Italia illustrata im Hinblick auf eine Methode begreift und zeigen kann, daß sich deren Präsenz in Celtis' vorhandenen Schriften aufspüren läßt, macht er auch deutlich, daß es für den Zusammenhang, in dem Celtis' Projekt steht, durchaus erhellend ist, den Blick auf die erhaltenen Werke zu lenken. Obwohl Muhlack die weiteren Inhalte der überlieferten Schriften für eine deutlichere Herausarbeitung von Celtis' historischem Konzept ungenutzt läßt - die Germania generalis ist auch ihm nur eine unvollständige Inhaltsangabe der geplanten Germania illustrata29 - , läßt er dennoch erstmals den bis dahin etablierten dünnen Informationsrahmen hinter sich, der weitestgehend mit Celtis' eigener Inhaltsangabe in der Praefatio zu den Amores identisch ist. Auf anderem Wege als die bisher knapp vorgestellten Arbeiten, welche die Germania illustrata im Kontext der historiographischen Literatur ihrer Zeit oder im Zusammenhang von Celtis' Œuvre umschrieben haben, hat sich eine andere Forschungsrichtung der projektierten Schrift zu nähern versucht. Sie stellt den Bezug der Germania illustrata zu einem antiken Werk in den Mittelpunkt, dessen Rezeption als Initialzündung für das Interesse der deutschen Humanisten an ihrer Nation und deren Geschichte gilt: zur Germania des Tacitus. Seit Joachimsen in einem Beitrag aus dem Jahre 1911 die Bedeutung der taciteischen Germania für den deutschen Humanismus herausgestellt hat,30 ist der Zusammenhang zwischen ihr und Celtis' Projekt häufig erwähnt31 und auch zum Gegenstand eingehenderer Untersuchungen gemacht worden. Diese repräsen-

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vielmehr der Gattung der humanistischen Stadtbeschreibung verpflichtet sein. Vgl. dazu Kugler: Die Vorstellung der Stadt, S. 142-219. Muhlack, ebd., S. 213f. weist darauf hin, daß bei Celtis nicht wie bei Enea Silvio und mit diesem bei Schedel das Christentum für die kulturelle Entwicklung Deutschlands verantwortlich ist, sondern aus Griechenland eingewanderte Druiden, die die Rolle von Philosophen übernommen hätten. Hierin deuten sich Veränderungen im historischen Konzept der mutatio an, die die Position der Träger dieses Prozesses betrifft. Siehe hierzu unten Teil II, Kap. 4. 2. Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 214. Joachimsen: Tacitus, zu Celtis bes. S. 284f. Die Tacitusrezeption im 16. und 17. Jahrhundert untersucht, allerdings ohne auf Celtis einzugehen, Etter: Tacitus in der Geistesgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Vgl. auch Muhlack: Die Germania im deutschen Nationalbewußtsein vordem 19. Jahrhundert. Siehe Buschmann: Das Bewußtwerden, S. 6f., Spitz: Religious Renaissance, S. 84f., Sponagel: Konrad Celtis, S. 64, Ridé: L'image du Germain, S. 229-259 passim, ders.: Une réception tendancieuse, sowie Kloft: Die Germania des Tacitus. Muhlack: Geschichtswissenschaft, geht auf die Bedeutung der taciteischen Germania nur am Rande ein.

193 tieren den bislang weitestgehenden Versuch, das Projekt der Germania illustrata inhaltlich zu greifen und dessen Zielsetzungen zu erfassen. Prominentestes Beispiel ist Jacques Ridés großangelegte Studie »L'image du Germain«, in der er es sich zum Ziel setzte, die Entstehung eines deutschen Nationalismus aufzuspüren und dessen Entwicklung in der humanistischen historiographischen Literatur bis zum Ende des 16. Jahrhunderts nachzuzeichnen.32 Die Eigenheit dieses Nationalismus glaubte er in der bemühten Rekonstruktion einer idealisierten germanischen Vergangenheit zu erkennen, die durch die Rezeption der Germania des Tacitus seit deren Wiederentdeckung Mitte des 15. Jahrhunderts möglich wurde.33 Entsprechend hat er versucht, die Rolle der taciteischen Schrift für diesen auf einem spezifischen Vergangenheitsbild basierenden nationalen Diskurs zu greifen34 und dabei auch deren Einfluß auf Conrad Celtis zu bestimmen.35 Ridé geht davon aus, daß die Darstellung eines zwar unkultivierten, aber sittenstrengen und unverdorbenen Volkes in der taciteischen Germania, deren einzelne Aspekte er minutiös auflistet,36 für die deutschen Humanisten deswegen so bedeutsam gewesen sei, weil sie sich mit einem Urteil von Seiten der italienischen Humanisten konfrontiert sahen,37 das sie als Barbaren abqualifizierte, einem Urteil mithin, das stets auch historisch im Rückgriff auf antike Berichte vom unzivilisierten und primitiven Volk der Germanen begründet wurde.38 Gerade Celtis habe, so Ridé, in der Germania des Tacitus die notwendige Waffe gesehen, um dieses im kulturell führenden Italien gezeichnete negative Deutschlandbild zu widerlegen, indem er mit der kleinen Schrift dem italienischen Konzept der großen römisch-antiken Vergangenheit eine ebenso bedeutende »germanische Antike« entgegenstellen konnte.39 In diesem Zusam32

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Die Ergebnisse seiner breiten Untersuchung hat Ridé in einem Aufsatz mit dem Titel »Un grand projet patriotique. Germania illustrata« nochmals zusammengefaßt. Neben Ridés Arbeiten ist die Dissertation von Krapf: Germanenmythus, aus dem Jahre 1979 zu nennen, die hinsichtlich ihres informativen Gehalts hinter Ridés breiter Untersuchung zurückbleibt. Die Geschichte der Wiederentdeckung der Werke des Tacitus zeichnen Joachimsen: Tacitus, S. 276-280, Sabbadini: Storia e critica, S. 194-211, Pralle: Wiederentdekkung, Krapf: Germanenmythus, S. 11-42, Ridé: L'image du Germain, S. 130-136, ders.: Deux prélats italiens, S. 231f. und Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 163 nach. Joachimsen: Tacitus, S. 281 bezeichnete die Bedeutung der taciteischen Germania für den deutschen Humanismus treffend als »die Wendung zur kulturgeschichtlichen Betrachtung und die historische Unterbauung des deutschen Patriotismus.« Ridé: L'image du Germain, S. 193-259. Ebd., S. 140-149. Einige dieser Aspekte wiederholt in Ridé: Une >réception< tendancieuse, S. 330-333. Auf einen spezifisch italienischen Nationalismus, dessen Charakteristikum er in der Abwehr der deutschen Vorherrschaft in Italien erkennen will, geht Ridé: L'image du Germain, S. 115-128 ein. Die Meinungen, die im Italien der Renaissance über die Deutschen verbreitet waren, sind zusammengestellt bei Amelung: Das Bild der Deutschen, bes. S. 73-85. Zu dieser Lektüre der taciteischen Germania vgl. auch Ridé: Une >réception< tendancieuse, S. 328-330.

194 menhang betont auch Ridé die Bedeutung Enea Silvio Piccolominis, allerdings indem er dessen Germania die Rolle der Vermittlerin zuweist, die die taciteische Schrift nördlich der Alpen bekannt gemacht habe.40 Angesichts von Enea Silvios Traktat sei es Celtis' ganzes Streben gewesen, dessen abwertenden Blick auf das barbarische Germanien, von dem der Italiener zumindest das Bild eines humanistisch-kultivierten Deutschland der Gegenwart abhebt,41 zu entkräften. In diesem Horizont wird das Projekt der Germania illustrata, in dem auch Ridé kurzerhand den Plan einer deutschen Italia illustrata erkennen will,42 zu einem Versuch der Verteidigung, zu einer »défense et illustration de l'Allemagne«, und zwar sowohl jener antiken wie der zeitgenössischen, die das italienische Barbarenverdikt gleichermaßen treffen sollte.43 Celtis' Zielrichtung sieht Ridé folglich in einer »Rehabilitation der antiken Germanen« sowie im Bemühen, das Fortleben der durchaus rühmlichen Vergangenheit im zeitgenössischen Deutschland nachzuweisen. 44 Ein Beweggrund für diesen letzten Aspekt sei neben der Abwehr des Barbarenvorwurfs die historische Begründung des rechtmäßigen Anspruchs auf den Titel des Imperium, der den Deutschen durch die Translatio imperii erwachsen sei und der weiterhin fortbestehe. Dieser wurde von den sich ihrerseits als rechtmäßige Erben des Römischen Reichs sehenden Italienern bestritten, und zwar ebenso durch historische Argumente. Indem er diesen Zusammenhang aufdeckt, hat Ridé erstmals eine politische Ausrichtung der Germania illustrata herausgearbeitet.45 Um die vorgestellten Zielrichtungen zu belegen, bemüht sich Ridé, das Bild eines idealisierten Germanien im Werk des Humanisten zu entdecken und überdies aufzuzeigen, daß Celtis die sogenannte germanische Antike und seine Gegenwart durch historische Kontinuitäten kultureller, moralischer und ethnischer Art46 verbunden sah. Dazu beschränkt er sich nicht auf die erneute Wiedergabe von Celtis' eigener Inhaltsbeschreibung der Germania illustrata am Ende der Aworei-Praefatio,47 sondern er befragt einige Texte des überlieferten Œuvre. 40

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Ridé: L'image du Germain, S. 165-182. So schon in ders.: Enea Silvio Piccolomini, S. 279-281 (Dieser Beitrag ist eine Art Rezension zu Adolf Schmidts Einleitung seiner Germania-Edilion). Vgl. auch Joachimsen: Tacitus, S. 282f. Damit unterscheidet sich Enea Silvio von seinen Zeitgenossen, die den antiken Zeugnissen nicht selten überzeitliche Geltung zubilligten. Vgl. Amelung: Das Bild der Deutschen, S. 34. Ridé: L'image du Germain, S. 218 (vgl. Anm. 16). Ridé: Un grand projet patriotique, S. 100. Ridé: L'image du Germain, S. 231: »Cette place accordée à la tranche la plus éloignée dans le temps de l'histoire allemande répond, ainsi que nous allons le voir, à deux préoccupations de l'auteur: -réhabiliter les anciens Germains qu' E. S. Piccolomini avait dépeints comme une peuplade de sauvages, -montrer dans quelle mesure l'antique Germanie est encore vivante dans l'Allemagne de Maximilien.« Dezidiert formuliert in Ridé: Un grand projet patriotique, S. 100. Die humanistische Diskussion um die Translatio imperii erhellen Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 175-209 (dort auch weitere Literatur). Ridé: L'image du Germain, S. 245-254. So ebd., S. 215.

195 Die Hinweise auf eine durchaus kultivierte und moralische Bevölkerung, der nichts Wildes eigen ist, findet er in einer Elegie des zweiten Buches der Amores-Sammlung, in der das lyrische Ich seiner Geliebten Elsula unsittliches Verhalten vorwirft und diesem Gebaren die vorbildliche Rechtschaffenheit der alten Germanen gegenüberstellt.48 Es ist dies auch jene Elegie, auf die sich Ludwig Krapf in seiner Dissertation beruft, wenn er, Ridés Vorhaben durchaus parallel, die Rezeption der taciteischen Germania im frühen deutschen Humanismus nachzuzeichnen und daran eine Reichsideologie festzumachen sucht.49 Nachdem es sich in der Forschung stets als hinderlich erwiesen hat, wenn im Hinblick auf die Germania illustrata unmittelbar nach dem Werk gefragt wurde, das nicht nur nicht erhalten ist, sondern wahrscheinlich auch gar nicht in Angriff genommen wurde und über das deswegen kaum Aussagen gemacht werden können, da Celtis' eigene Äußerungen diesbezüglich sehr vage sind, haben Ridé und Krapf auf der einen und Muhlack auf der anderen Seite diese Sackgasse verlassen, indem sie nach Inhalten, Methoden und Konzepten fragen. Ihre Fragestellungen, die auf Erfassung größerer Zusammenhänge zielen, bringen es dabei mit sich, daß Celtis' Œuvre nur unter eher engen Aspekten und damit sehr punktuell untersucht wird. Resultat ist daher, daß beide Ansätze zu durchaus konträren Ergebnissen gelangen: Die historischen Konzepte, die Ridé und Muhlack bei Celtis erkennen wollen, sind miteinander nicht vereinbar, schließen sich sogar aus, wenn dieser in Celtis' Norimberga Hinweise auf die Rezeption von Biondos mwtefi'o-Konzept vorfindet, während jener Celtis' Versuch ausmachen will, Kontinuitäten in der Geschichte seines Landes und dessen Bevölkerung zu erkennen. Der Grund, daß es zu derart gravierenden Unstimmigkeiten in den Forschungsergebnissen kommt, dürfte darin liegen, daß sich offensichtlich auch Autoren wie Ridé und Muhlack letztendlich von der Hoffnung leiten lassen, indirekt Aussagen über die Germania illustrata als Werk machen zu können. Diese Perspektive bestimmt dann entscheidend die Untersuchungsmethode. Denn während sie sich bei anderen Autoren konsequenter einzelnen Werken zuwenden,50 sind ihnen Celtis' vorliegende Werke - Norimberga, Germania generalis. Amores - im Kontext der >eigentlichenIndex librorumIndex librorumhöheren< Fächern Medizin, Recht und Theologie versteht sich auch als hierarchische Reihung. Man wird nicht zu weit gehen, wenn man Celtis' Abfolge der Fächer in der Panegyris, die sich sichtlich an dem etablierten Kanon orientiert, als ebenso aufsteigende Linie begreift (vgl. Worstbrock: Schedels >Index librorum Heute Wien, ÖNB: Cod. 114. Vgl. Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 151. 94 Als Beispiel ist hier Rutilius Namatianus' De reditu suo zu nennen. Zur Reisedichtung im humanistischen Kontext siehe Wiegand: Hodoeporica. 95 Über den Dichter und die Wirkungsgeschichte der Orbis descriptio (Οικουμένης περιήγησις) siehe Brodersen: Lied von der Welt, S. 9-40. 96 LAUR. COR. Cosmogr. [c vi]'-[c vij]'. Siehe hierzu unten Kap. II. 1.1.3.

228 Celtis den Rahmen eines Programms zu sprengen, das er im Titel des Gedichts als De situ et moribus Germanie angegeben hatte. Auf den ersten Blick läßt sich allein erkennen, daß es sich um Bereiche handelt, die mit Teilen der in der Panegyris vorgestellten quadrivialen Fächer übereinstimmen und die hier ihre nationale Wendung erhalten. Einzig die Geschichte, im Ingolstädter Programm der erste Gegenstand für den Dichter, scheint in der Germania generalis zu fehlen. Wie die Weltbeschreibung des Dionysios Periegetes trägt die Germania generalis Züge eines Lehrgedichts,97 während ein panegyrischer Anspruch wie in der Mosella,9* der im Zusammenhang mit Celtis' Anliegen einer Emanzipation vom Barbarenverdikt der Italiener durchaus auch denkbar wäre, bei ihr nicht auszumachen ist. Allerdings fehlen dem Gedicht die fortwährenden Ansprachen an einen Adressaten, die Gesagtes wiederholen und damit die didaktische Absicht einer Lehrdichtung einzulösen suchen. Erst in der zweiten Veröffentlichung seiner hexametrischen Deutschlanddichtung in der Nürnberger AmoresAusgabe von 1502 schickt Celtis dem Gedicht in einer Widmung an Maximilian I. eine Lektüreanweisung voraus, die wie in der Praefatio eines Lehrgedichts den informativen Charakter des Werks betont." Im Kontext der TacitusEdition, die für den universitären Unterricht gedacht war, ergibt sich diese Funktion der Germania generalis aus der mutmaßlichen Rezeptionssituation, in der Celtis seine Studenten über die seiner Meinung nach notwendigen Ergänzungen an der Germania des Tacitus unterrichten will. In der hexametrischen Dichtung findet der poeta demnach auch die ihm gemäße Ausdrucksform, um seine Lehrinhalte vorzustellen und zu vermitteln.100 Es bleibt angesichts der undurchsichtigen Anlage des Gedichts und seiner ungeklärten Kontextbeziehung die Frage, was Celtis seinen Hörern und Lesern da vorstellen wollte. Für seinen Ingolstädter Kollegen Jakob Locher, der Absender eines der eingangs erwähnten Dankesschreiben ist, übertrifft Celtis mit seiner Germania generalis die antike Schrift des Tacitus in bezug auf die Beschreibung der Sitten und des Ursprungs der Germani,101 und Hieronymus von Croaría, der ebenfalls eine Tacitus-Ausgabe erhalten hat, betont, Celtis befreie seine Landsleute endlich vom Stigma des Barbarenvorwurfs.102 Die ersten 97

So nennt die Germania generalis Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 466. Vgl. Green (Hg.): Ausonius, S. 456-460. 99 Germ. gen. (Fassung B) III-VI: Accipe germanam pingentia carmina terram / In genere: & totam cerne superficiem / Aequora cum siluis. populos, montes, iuga. gentes. I Et quantum situa extenditur hercinia. 100 Zum epischen Lehrgedicht in Italien im 15. Jahrhundert siehe Roellenbleck: Das epische Lehrgedicht Italiens. ιοί BW Nr. 238, S. 397: [...] non tarnen satisfacere mihi videtur [.sc. Germania Taciti] Germanorum moribus et clarissimo primordio, quod tu in Germania tua copiosius magnificentiusque facis. 102 BW Nr. 237, S. 396: Habemus itaque omnes Germani tibi gratias de eo, quod non solum e terris nostris barbaricam linguam fugaveris Latinamque induxeris, verum etiam tuis opusculis et scriptis Germanos a barbaricis moribus apud ceteras nationes excusare laboraveris. 98

229 Leser heben also stets jene Aspekte hervor, die die Bevölkerung betreffen, und legen dadurch offen, wie sehr sie, durch das Barbarenverdikt sensibilisiert, ihr Hauptaugenmerk auf jene Inhalte richten, die sie als Versuch der Befreiung davon lesen konnten. Es ist aber bereits deutlich geworden, daß bei der Germania generalis mit einem darüber hinausgehenden, komplexeren Programm zu rechnen ist. Aus diesem Grunde soll die Leitfragestellung, die die folgenden Kapitel im Hinblick auf den Inhalt des Gedichts durchzieht, eine zweifache sein. Neben dem in bezug auf die Desiderate der Forschung zur Germania illustrata notwendigen Versuch, anhand der geographischen Kapitel der Germania generalis und ihrer methodischen Vorbilder Celtis' Vorgehen bei der Landesbeschreibung zu erkennen, soll überdies untersucht werden, welche einheitsstiftenden Konzepte sich hinter dem heterogenen Inhalt der Germania generalis verbergen. Diese Frage bestimmt auch die Abfolge der interpretatorischen Kapitel dieser Arbeit, denn nur deren Klärung wird eine Beantwortung der abschließenden Frage zulassen, ob das Gedicht wirklich als Inhaltsangabe der Germania illustrata verstanden werden darf.

1.2.3. Zum Spannungsfeld zwischen Reichsuniversalismus Deutschlandperspektive

und nationaler

Dem scheinbaren Fehlen einer historischen Perspektive in der Germania generalis ist der Befund an die Seite zu stellen, daß in ihr jeder Bezug zu dem für Celtis so wichtigen Paradigma der Translatio imperii und dem damit einhergehenden Anspruch auf das Imperium Romanum fehlt. Mehr noch: Celtis führt in seinem Gedicht die Germania als territoriale Größe ein und manifestiert damit ein Raumbewußtsein, das den universalen Ansprüchen des auch räumlich verstandenen Reichsgedankens nicht kongruent ist. Gegenstand der Germania generalis ist mithin ein Land und dessen Bevölkerung, wobei dem Volk als Personenverband ein Lebensraum als eindeutig abgegrenztes Territorium korrespondiert, der sich auf einer anderen Ebene als der des Reichsanspruchs konstituiert. Auf diese Problematik muß noch kurz eingegangen werden, bevor die Interpretation der Germania generalis angegangen werden kann. Die Ausdifferenzierung der reichsuniversalen Sichtweise kann bereits in der Ingolstädter Rede beobachtet werden, wo Celtis seine Hörer ermahnt hatte, Bildungsstreben als Verpflichtung anzusehen, die daraus erwachse, daß sie die Reichsgewalt von den Römern übernommen hätten. Aus dieser, dem Anspruch nach universalen politischen Rolle, der die Deutschen als Träger des Imperiums nachzukommen haben, leitet der junge Professor in Ingolstadt mit seinem Bildungsaufruf aber eine nationale Forderung ab. Diese nationale Komponente zeigt sich daraufhin besonders in seiner Klage über die politische Ohnmacht des Reichs, in der er auch auf den Verlust von Regionen an dessen Grenzen, den er der Untätigkeit seiner Landsleute zuschreibt, eingeht. Die Gegenden, die Celtis vorstellt, belegen dabei eindeutig, daß er ein Reichsgebiet im Sinne hat, das der

230 deutschen Besiedlung im wesentlichen entspricht. Er beschränkt dadurch die eingeforderte politisch-militärische Verantwortung für das Reich auf den Raum, den man mit »Deutschland« bezeichnen könnte.103 Was sich in der Ingolstädter Rede andeutet und in der Germania generalis dann manifest wird, indem dort aufgrund von im folgenden104 darzulegenden Kriterien versucht wird, eine Germania genau zu definieren, kann als »Territorialisierung des Nationsbewußtsein[s]«, das sich originär nur auf einen Personenverband ohne räumliche Dimension bezieht, beschrieben werden.103 In Celtis* Klage könnte sich andeuten, daß dieses neue territoriale Bewußtsein mit einer geographischen Einengung des Römischen Reichs einhergeht, die allgemein in dem in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufkommenden und dann immer häufiger verwendeten erweiterten Reichstitel »Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation« zum Ausdruck kommt.106 Insbesondere unter Friedrich III. werden Bezeichnungen wie Ínclita nació Germanica und sacrum Imperium geradezu zu austauschbaren Begriffen.107 Als einen Grund für diese terminologische Veränderung gibt die historische Forschung häufig politische Veränderungen an, die dazu geführt haben, daß sich die Rechte des Kaisers im ausgehenden 15. Jahrhundert in geographischer Hinsicht im Prinzip nur mehr auf Deutschland beschränkten.108 Im Falle von Celtis ist jedoch nicht zu beobachten, daß zwei Begriffe identisch verwendet werden, sondern eher, daß sich mit der territorialen Vorstellung einer Germania eine neue Bezugsebene herausbildet. Denn hinsichtlich des politischen Anspruchs gilt für ihn weiterhin der Reichstitel in seiner universalen Dimension, was sich nicht nur hin und wieder in seinem Werk andeutet,109 sondern in der Ingolstädter Rede auch darin zum Ausdruck kommt, daß die Erneuerung der Bildung dazu beitragen soll, diesem Anspruch wieder gerecht zu werden. Entscheidend ist, daß nicht nur ein Volk als Träger der Reichs103 Vgl. Oratio S. 4 [41]: Induite veteres illos ánimos, viri Germani, quibus totiens Romanis terrori et formidini fuistis et ad ángulos Germaniae oculos convertite limitesque eius laceros et distractos colligite! 104

Siehe unten Kap. II.3. 105 Yg] dazu grundlegend Schnell: Literatur und Nationsbewußtsein, bes. S. 258-275 (»Raumbewußtsein«); der zitierte Terminus ebd., S. 258. - Es wird im übrigen zu zeigen sein, daß bei Celtis territoriales und personenbezogenes na/i'o-Bewußtsein nebeneinander existieren und nicht von einer Ablösung der einen Vorstellung durch die andere gesprochen werden kann. Ältere Arbeiten kranken bedauerlicherweise an der bekannten Überbetonung des nationalen Aspekts. Vgl. W. Müller: Deutsches Volk. 106 Zur Übertragung des Begriffs natio, dessen Ursprünge in der Unterscheidung studentischer Landsmannschaften an den mittelalterlichen Universitäten und in kirchenrechtlichen Kontexten zu suchen sind, auf den Reichstitel siehe Nonn: Heiliges Römisches Reich, S. 130-139. 107 Ebd., S. 141. 108 Ebd. sowie Schnell: Literatur und Nationsbewußtsein, S. 274f., Zeeden: Deutschland, S. 450 und Ridé: L'image du Germain, S. 87-92. 109 Vgl. die Anrede an Maximilian in der Praefatio zur Germania generalis in der Nürnberger Amores-Ausgabe (V. If.): REx cui sceptra dedit latialia conditor orbis / Imperiumque tuo subdidit arbitrio.

231 gewalt benannt wird, sondern diesem auch ein Raum zugewiesen wird, dessen Ausdehnung mit der des Reichs nicht identisch ist. Diese doppelte Perspektive entspricht eher einer Verwendungsweise der Begriffe »Reich« und »Deutsche Nation«, wie sie in der Reichspropaganda Maximilians I. in der Verbindung »Heiliges Reich und Deutsche Nation« erscheint.110 Daß dieser Titel allerdings zwei Kompetenzbereiche unterscheidet, die auch territorial unterschiedlich zu gewichten sind, zeigt unter anderem der von Maximilian 1497 gebildete Hofrat, der ihn in Reichsangelegenheiten beraten sollte. Aus den Aufgaben, die dem Gremium zukamen, geht eindeutig hervor, daß »Reich« und »Deutsche Nation« nicht als deckungsgleich aufgefaßt wurden, sondern hinsichtlich des Gültigkeitsgrads jenes über diese hinausging.111 Damit ist nicht gesagt, daß in der politischen Realität die oben vorgestellte Forschungsmeinung zu revidieren ist, die von einer zunehmenden geographischen Begrenzung des Reichs auf Deutschland als Ursache für die häufige Verwendung des Titels »Deutsche Nation« im Zusammenhang mit dem Imperium ausgeht. Vielmehr zeigen Maximilians Hofrat und seine Kompetenzverteilung, daß sich im zeitgenössischen Bewußtsein jenseits der realen Entwicklung eine zweite Ebene herausbildet. Ungeachtet der Beibehaltung der Reichsperspektive im politischen Bereich etabliert sich folglich eine Vorstellung von der deutschen Nation als neuer geographischen Bezugsgröße, die nicht das ganze Reich, sondern dessen wesentlichen Teil begrifflich umreißt. Doch trotz der Trauer über die politische Ohnmacht des Reichs, die Celtis in der Ingolstädter Rede äußert, betreffen seine Argumentationen stets den schlechten Zustand von Kultur und Bildung. Sie gründen auf der Auseinandersetzung mit dem humanistischen Italien und auf der Verteidigung gegen das Barbarenverdikt, das auf der Apenninenhalbinsel in bezug auf die Germani geprägt wurde.112 Das Überlegenheitsgefühl, mit dem sich diese konfrontiert sahen, erfuhr seine Begründung in Italien einmal historisch, indem man sich als legitime Erben des Römischen Reichs verstand, und kulturell, indem man durch die Wiedererweckung der antiken studia, die recht eigentlich als Wiederanknüpfung an eine eigene Tradition verstanden wurde, die dunkle Zeit des durch die deutsche Fremdherrschaft begriffenen Mittelalters zumindest im Hinblick auf die litterae überwunden zu haben glaubte.113 Im

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113

Vgl. Schröcker: Deutsche Nation, S. 58ff. Siehe ebd., S. 78f. Vgl. auch Ridé: L'image du Germain, S. 90 mit Anm. 33, wo Ridé zahlreiche Belege aufführt, in denen die Begriffe >Römisches Reich< und >Deutsche Nation< durch >und< verbunden nebeneinander stehen. Auch in diesen Beispielen, von denen einige im Zusammenhang mit dem Gültigkeitsbereich von Beschlüssen stehen, wird deutlich, daß es sich um zwei nicht deckungsgleiche Bereiche handelt. Die politischen Bedrohungen, denen das Reich seit dem hohen Mittelalter ausgesetzt war und die ihrerseits einen deutschen »Nationalismus« gefördert haben, wie z.B. den Anspruch der französischen Könige auf die Kaiserkrone, erläutert Ridé: L'image du Germain, S. 79-87. Den Anspruch, den die italienischen Humanisten auf das Römische Reich auch politisch erhoben, betont unmißverständlich Lorenzo Valla in der Vorrede zu seinen Elegantiae, wenn er dessen Verlust lautstark beklagt (Praefatio, S. 596): Amisimus Romani, amisimus regnum atque dominatum; tametsi non nostra sed temporum culpa;

232 Horizont der vernichtenden Abwertung bildete sich bei den deutschen Humanisten ein Gruppengefühl heraus, gemeinsam gefordert zu sein, sich von den Abqualifizierungen zu befreien.114 In Celtis' Ingolstädter Rede weitet sich die Befreiung vom Barbarenverdikt zur Aufgabe für die ganze Nation aus, so daß die Perspektivierung nicht nur auf eine Gruppe von Humanisten, sondern auf die Germani als Volksverband insgesamt auch jenseits politischer Erwägungen als Antwort auf das Barbarenverdikt verstanden werden kann, allerdings ohne zunächst ein räumliches Bewußtsein, das auf kulturellen Kriterien beruht, nach sich zu ziehen. Daß dies in der Germania generalis nun aber präsent ist, daß hier, wie zu zeigen sein wird, nicht nur ein Volk, sondern ein geographischer Raum verteidigt wird, dürfte ebenso mit Entwicklungen im italienischen Humanismus zusammenhängen und wesentlich mit den beiden Personen in Verbindung zu bringen sein, die hier als die entscheidenden Vorbilder für Celtis vorgestellt werden sollen, nämlich Flavio Biondo und Enea Silvio. Jener dürfte mit seiner Italia illustrata, die Italien ungeachtet seiner politischen Heterogenität im Horizont des überall rekonstruierbaren antiken Erbes erstmals als zusammengehöriges Gebiet begreift, den entscheidenden Schritt vollzogen haben, das humanistische Selbstverständnis um ein ihm komplementäres Raumbewußtsein zu ergänzen. Er brachte damit den Nachweis, daß sich die rinascita in einem Raum vollzog und dieser gleichsam Teil von jener war.115 Enea Silvio wiederum hat in seinem kirchenpolitisch motivierten Brieftraktat an Martin Mayer versucht, Deutschland in Biondos Perspektive als Kulturraum zu sehen und den deutschen Humanisten ein Modell an die Hand gegeben, um ihr Land zumindest idealiter ebenso begreifen zu können. Es wird daher auch zu zeigen sein, daß sich bei Celtis eine Vorstellung der Germania als Territorium nicht aufgrund politischer Entwicklungen, sondern in erster Linie als Reflex auf diese Verbindung von kulturellem Anspruch und Raumbewußtsein entwickelt.116

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verum tarnen per hunc splendidiorem dominatum in magna adhuc orbis parte regnamus. Nostra est Italia, nostra Gallia, nostra Hispania, Germania, Pannonia, Dalmatia, Illyricum, multaeque aliae nationes. Ibi namque romanum imperium est ubicumque romana lingua dominatur. Valla sieht Italien durch die lateinische Sprache weiterhin als Beherrscher der Welt. Hier manifestiert sich ein Bewußtsein kultureller Größe, das insofern eine nationale Komponente enthält, als es das Gemeinschaftsgefühl einer Gruppe erzeugt (nostra), das sich über die Kompetenz einer Sprache, die auf die Kontinuität zwischen römischer Antike und zeitgenössischem Italien verweist, definiert. Vgl. Ridé: L'image du Germain, S. 117-126. Dies läßt sich bei Rudolf Agricola beobachten. Er spricht in diesem Zusammenhang von Germania nostra, Alemannia nostra und unterstreicht damit das Gemeinschaftsgefühl derjenigen, die etwas aufzuholen haben. Vgl. Worstbrock: Konrad Celtis, S. 13. Dieser Aspekt ist, soweit ich sehe, in der Biondo-Forschung bisher nicht angegangen worden. Auch Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, erkennt in Biondos Schrift zwar eine »Selbstdarstellung humanistischen Selbstverständnisses und humanistischer Kultur« (ebd., S. 33), fragt aber nicht weiter, welche Funktion der Landesbeschreibung für diese Absicht zukommt. Spitz: The Religious Renaissance, S. 84 spricht im Zusammenhang mit Celtis von einem »cultural nationalism«. Vgl. auch Münkler: Nation als politische Idee.

2.

Modelle historisch-geographischer Landesbeschreibung Flavio Biondos »Italia illustrata« und Enea Silvio Piccolominis Deutschlandbeschreibungen

2.1. Vorbemerkung: Historisch-geographische Landesbeschreibung als Forschungsaufgabe Flavio Biondos Italia illustrata kommt im Zusammenhang mit Celtis' Bemühungen um die historisch-geographische Beschreibung Deutschlands eine weitaus höhere Bedeutung zu, als nur Anregerin für die geplante Germania illustrata zu sein. Nicht nur die von Muhlack aufgedeckte Wirkung von Biondos Konzept der mutatio als zentraler Kategorie zur Erklärung historischer Prozesse, auch die am Ende des vorigen Kapitels angedeutete, bisher wenig erforschte Entstehung eines humanistischen, auf kulturell definierten und geschichtlich begründeten Zusammengehörigkeitskriterien beruhenden Raumbewußtseins, das sich in der Italia illustrata manifestiert, machen Biondos Schrift zur ersten Repräsentantin einer Historiographie, die an dem Raum, in welchem sich Geschichte vollzieht, nicht nur interessiert ist, sondern diesen selbst als historisch gewachsenen zum Gegenstand ihres Untersuchungsprogramms macht. Sie wird dadurch zur Ideengeberin für eine Geschichtsbetrachtung, die gerade für den Diskurs um die deutsche Nation prägend ist. Im Horizont einer Reihe von Schriften, die sich an Aufbau und Darstellungsmethode der Italia illustrata orientieren, 1 könnte davon gesprochen werden, daß Biondos Schrift eine Teildisziplin humanistischer Historiographie begründet, zu der neben der geplanten Germania illustrata durchaus auch das kleine Gedicht der Germania generalis zu zählen ist und die man als Vorläufer der Landesgeschichtsschreibung bezeichnen könnte. Im Zusammenhang einer Fragestellung, die über die bloße Feststellung einer unmittelbaren Vorbildfunktion der Italia illustrata für die Germania illustrata hinausgeht, gilt es daher, Konzept und Methode von Biondos Schrift als Grundlage eines Diskurses zu untersuchen, der dann in Deutschland durch Celtis' Schriften entscheidend mitkonstituiert wird. In diesem Sinne muß ein Kapitel zur Italia illustrata die folgenden Studien zur Germania generalis notwendig 1

Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 17f. nennt knapp Hartmann Schedel, Sebastian Münster und Sebastian Franck, die Biondos Schrift als Materialquelle benutzt haben sollen, hierauf auch Conrad Celtis als Beispiel für methodische Rezeption. Eine Untersuchung zur Wirkungsgeschichte Biondos - nicht nur in Deutschland fehlt.

234 einleiten, und dies aus zwei Gründen, die sich aus dem in der Einleitung angekündigten Untersuchungsprogramm ergeben. Zum einen läßt sich die Germania generalis nur dann als zentraler Träger von Celtis' Deutschlandkonzeption interpretieren, wenn die ihr zugrunde liegenden methodischen und konzeptionellen Paradigmen der Italia illustrata vorher benannt worden sind. Dies ist auf der anderen Seite aber auch fundamental für den im nachfolgenden Kapitel unternommenen Versuch, die Entstehung einer Idee bei Celtis nachzuzeichnen, die sich durch die Aneignung eines Diskurses und nicht allein eines Werks auszeichnet. Biondo an die Seite zu stellen ist in diesem Kapitel Enea Silvio Piccolomini mit seinen historisch-geographischen Schriften über Deutschland. Diesem für die Entwicklung des deutschen Humanismus im 15. Jahrhundert bedeutendsten italienischen Literaten und Gelehrten kommt das Verdienst zu, die ersten humanistischen Darstellungen des Landes nördlich der Alpen hervorgebracht zu haben. Seine Werke, die Biondos Methode auf die Erfassung eines anderen kulturellen Raums anwenden, haben den deutschen Rezipienten wesentliche Anstöße gegeben, auch dort, wo Enea Silvios Aussagen nicht von einem landeskundlichen, sondern ganz offensichtlich von politischen Interessen der Kurie geleitet sind. Der Einfluß seiner im weiteren Sinne geographischen Schriften ist daher höher zu veranschlagen, als daß er bei den deutschen Humanisten nur ein Interesse für die eigene Vergangenheit geweckt hätte.2 Die Behandlung beider Autoren, die mit ihren Werken zu den exponiertesten Figuren der Landesbeschreibung im 15. Jahrhundert gehören, wird jenseits der Frage, welche Wirkung sie zeitigten, allein schon dadurch erschwert, daß die geographische Ausrichtung ihrer Werke kaum Gegenstand der Forschung ist.3 Dies liegt vor allem daran, daß sie Exponenten einer Epoche sind, die in der Geschichte der Geographie bislang wenig Interesse für sich vereinnahmen konnte. Zwischen der breit erforschten mittelalterlichen Geographie und dem Datum 1492 mit seinem epochemachenden Ereignis der >Entdeckung< Amerikas scheint für sie wenig Platz zu sein. Wenn sich schließlich die Geographie2

3

Siehe vor allem Ridé: La Germania d'Enea Silvio Piccolomini; dann auch ders.: L'image du Germain, S. 165-182 und Krapf: Germanenmythus, S. 49-53. Nur je eine ausführliche Studie zur Italia illustrata und den landeskundlichen Schriften des Enea Silvio liegen vor: Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, und Voigt: Italienische Berichte, S. 77-153. In seinem Falle zeigt bereits das knappe Kapitel zur Europa, wie sehr sich der unbefriedigende Forschungsstand auf die an sich sehr gute Untersuchung von Voigt auswirkt, indem die einzelnen Schriften recht ungleichgewichtig behandelt werden. Im Rahmen seiner spezifischen Fragestellung wäre eine Klärung der grundlegenden Forschungsdesiderate wie zum Beispiel eine Untersuchung zu den Quellen der Europa nicht leistbar gewesen. - Clavuot sieht in Flavio Biondo eher den Historiker, woraus in seiner Arbeit eine gewisse Vernachlässigung des geographischen Aspekts der Italia illustrata resultiert. Voigt geht es um das Bild der Deutschen und ihres Landes in den Schriften Enea Silvios, weniger um das Problem der geographischen Beschreibung. Wie wenig auch die folgenden Ausführungen ohne diese beiden Arbeiten denkbar wären, wird es doch notwendig sein, ihre Grenzen im Hinblick auf die hier zu behandelnde Fragestellung von Fall zu Fall zu benennen.

235 geschichte auf das 15. Jahrhundert vor der Fahrt des Kolumbus einläßt, üben die Entdeckungsexpeditionen der Spanier und Portugiesen und die damit einhergehende langsame Erweiterung des Weltbilds eine Faszination aus, neben der wenige andere Interessengebiete bestehen können. Noch folgenreicher für die Bewertung der Jahrzehnte vor der Entdeckung des Kolumbus ist der verbreitete Versuch, dessen Tat direkt mit dem mittelalterlichen Weltbild zu verbinden und die Erweiterung der alten Welt durch den neuen Kontinent als die eigentliche Überwindung des mittelalterlichen Weltbilds zu erkennen.4 Wenn aus historischer, zumal wahrnehmungshistorischer Sicht auf die Entwicklung geographischer Vorstellungen dem Datum 1492 immer noch die Signatur der entscheidenden Zäsur zwischen Mittelalter und Neuzeit anhaftet, die scharf und bruchartig zwei unvereinbare >Welten< trennt, spart die Geographie, wenn sie sich ihrer eigenen Geschichte zuwendet, die Epoche Flavio Biondos, Enea Silvios und Conrad Celtis' aus.5 Dies liegt zu einem gewissen Teil in ihren Schriften selbst begründet. Biondo gilt in erster Linie als Historiograph, und auch seiner Italia illustrata liegt ein historisches Anliegen zugrunde. Die Schriften des späteren Papstes Pius II. sind ebenso eher historisch angelegt, wie beispielsweise seine Europa, oder dienten der politischen Auseinandersetzung. Conrad Celtis hat schließlich seine Germania illustrata nie veröffentlicht, und was man an geographischen Beschreibungen in seinem Werk findet, entstammt hauptsächlich poetischen Texten, die die historische Geographie wohl nicht als ihre Quellen ansieht. Das Schweigen, das diese Autoren umgibt, scheint darüber hinaus in ihren heuristischen wie darstellerischen Methoden begründet zu sein, die die heutige Geographie nicht als die ihren erkennt. Bezüglich der Erfassung von Räumen

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5

Beispiel hierfür ist Simek: Erde und Kosmos im Mittelalter. Seine breite und fundierte Untersuchung zum Weltbild des Mittelalters krankt daran, daß er dieses direkt auf die Fahrt des Kolumbus bezieht. Jedes der Kapitel, die stets einen Aspekt der mittelalterlichen Auffassung von Welt und Kosmos behandeln, leitet Simek daher mit einem Hinweis auf Kolumbus ein, der dazu dienen soll, gerade die Ablösung der alten Vorstellungen zu dokumentieren. Die dahinterstehende, das Problem der geographiehistorischen Entwicklung vor Kolumbus völlig verflachende Vorstellung, durch Kolumbus sei das mittelalterliche Weltbild abgelöst worden, verrät nicht zuletzt der Untertitel der Arbeit (»Das Weltbild vor Kolumbus«), den Simek in der Einleitung, sich einer weit verbreiteten Ansicht anschließend, präzisiert: »Im Titel dieses Buches wird Kolumbus als Kürzel für das Ende des Mittelalters genannt, und zwar mit gutem Grund. Drastischer als jede andere Veränderung der letzten 1000 Jahre haben die Entdeckungen des Kolumbus sowie die des Kopernikus und Kepler das einheitliche Weltbild des Mittelalters zerstört« (S. 8f.). Beispielsweise wird in Büttner: Wandlungen des geographischen Denkens, kein Autor des 15. Jahrhunderts erwähnt, obwohl sich der Sammelband gerade das Ziel setzt, Möglichkeiten einer Geschichte der Geographie zu durchleuchten. Dagegen erscheinen bei Beck: Geographie, im Kapitel »Geographie des Humanismus und der Renaissance (1492-1660)« wenigstens die Namen der drei Autoren. Bereits die Abschnittsüberschrift bei Beck zeigt aber wieder einmal, wie stark das Datum 1492 die Periodisierung der Geographiegeschichte bestimmt.

236 begreift sie sich als empirische Disziplin.6 Gleiches gilt im wesentlichen für die geographische Teildisziplin der Kartographie.7 Selbst wo sie auf ihre eigene Geschichte blickt, nimmt sie nur Zeugnisse zur Kenntnis, die diesem mathematischen Anspruch, sei er auch noch so gering realisiert, genügen. Als das diesem Ziel angemessene Medium erscheint durchweg die Karte; empirische Geographie ist daher fast ausschließlich Kartographie. Anders die Humanisten Biondo, Enea Silvio und mit ihnen Celtis. Ihre geographischen Darstellungen fußen zu einem großen Teil auf der Auseinandersetzung mit der antiken Überlieferung, so daß sie zur Klärung empirischer Fragestellungen in der Tat wenig beitragen können. Gerade die Erschließung wichtiger antiker geographischer Texte hat ihre Unternehmungen maßgeblich unterstützt. Erstmals liegen ihnen mit den ptolemäischen Karten Abbildungen nahezu der gesamten bekannten Ökumene vor. Ihr Studium gilt nun aber nicht diesen; sie werden als Quellen behandelt wie schriftliche Darstellungen aus der Antike auch. Das Medium zur Vermittlung geographischer Inhalte bleibt für diese Autoren der Text, und daraus ergeben sich darstellerische Konsequenzen, die den Methoden der modernen Geographie nicht entsprechen. Texten ermangelt es an der Möglichkeit direkter Visualisierung ebenso wie der Abstraktion geographischer Wahrnehmung, die eine Voraussetzung für das simultane Überblicken größerer Räume, wie es Karten ermöglichen, darstellt. Der Hinweis auf das Interesse an überlieferten geographischen Texten zeigt, daß der Beginn einer geographischen Disziplin in der frühen Neuzeit die Signatur humanistischer Wissensaneignung und Weltverarbeitung trägt.8 Erst die Erkenntnis der Begrenztheit der Quellen weist den Weg zur autoptischen Perspektive, die die Grundlage empirischer Abstraktion bildet. Ebenso wie die Mathematik ihren Ausgang in der Rezeption des Euklid, wie sich die neuzeitliche Astronomie aus der Lektüre, der Kritik und hierauf der Weiterentwicklung überlieferter, gerade auch mittelalterlicher Traktate entwickelt, so muß auch der Beginn der (vor-)modernen Geographie in der Auseinandersetzung mit alten Texten zu suchen sein.9 Von hier ihren Ausgangspunkt nehmend, wollen die

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Daneben beschäftigt sich die historische Geographie mit der Rekonstruktion von siedlungs- und kulturgeographischen Gegebenheiten in vergangenen Epochen. Diesbezüglich sieht sie sich als historische Hilfsdisziplin. Ergebnisse ihrer Anstrengungen sind historische Atlanten. Vgl. den Forschungsbericht in Franz/Jäger: Historische Kartographie, S. 1-78. Eine Ausnahme bildet Broc: La géographie de la Renaissance, S. 99f., die Flavio Biondo und Enea Silvio knapp als Vorläufer der Geographen des 16. Jahrhunderts und in diesem Zusammenhang auch Conrad Celtis erwähnt. Siehe Harley/Woodward: The History of Cartography, und Bialas: Erdgestalt, Kosmologie und Weltanschauung. Die Entstehung eines geographischen Bewußtseins, mit dem die Entwicklung im 15. Jahrhundert umschrieben werden könnte, wird von der historischen Geographie nicht als eines ihrer Forschungsfelder angesehen. Aus diesem Grunde ist das unten anzusprechende Problem der Opposition zwischen Autopsie und autoritativen Quellen für den Bereich der geographischen Wahrnehmung noch nicht behandelt worden. Siehe hierzu Fehn: Aufgaben und Stand der Historischen Geographie, bes. S. 49-53. Siehe Rose: The Italian Renaissance of Mathematics.

237 folgenden Abschnitte zeigen, daß Flavio Biondo und Enea Silvio nicht nur im Hinblick auf die Erweiterung historischer Fragestellungen, sondern auch für die Entwicklung der Geographie im 15. Jahrhundert entscheidende Anstöße geliefert haben. In beiden Bereichen wird sich Celtis bei der Entwicklung seiner eigenen Deutschlandkonzeption die zwei italienischen Humanisten zum Vorbild nehmen. 10

2.2.

Flavio Biondos »Italia illustrata«

2.2.1. Topographische Beschreibung »Italia illustrata«

und historiographischer

Anspruch

der

Mit seiner Italia illustrata hat Flavio Biondo (1392-1463), 1 1 päpstlicher Sekretär und Schreiber der apostolischen Kanzlei, die erste geographische Gesamtdarstellung Italiens vorgelegt. Sie beschreibt in 14 Abschnitten Geographie und Geschichte der Regionen Italiens und begreift es als historisch und kulturell zusammengehörigen Raum. Die Italia illustrata steht mit dieser gesamtitalienischen Perspektive im Italien ihrer Zeit alleine da. Sie überwindet durch den Blick auf einen geographisch und kulturell begrenzten Raum die universale Perspektive mittelalterlicher Erdbeschreibungen und Weltchroniken mit ihren heilsgeschichtlichen Implikationen wie auch die lokale Perspektive kommunaler Geschichtsschreibung. 12 Von diesen historiographischen Formen unterscheidet sich die Italia illustrata auch wegen ihrer auf kritischer Auseinandersetzung

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Wenn im folgenden Flavio Biondos und Enea Silvio Piccolominis Landesbeschreibungen in ihrer spezifischen Vorbildfunktion für Conrad Celtis' Deutschlandkonzeption vorgestellt werden, dann soll es nicht allein um die Beziehung der Werke dreier Humanisten zueinander gehen. Nicht nur Rezeptionsgeschichte ist hier gefragt. Diese und die folgenden Kapitel wollen darüber hinaus einen Beitrag leisten zur Erforschung einer Epoche in der Geschichte der Geographie, die nicht mehr als mittelalterlich zu bezeichnen ist, aber noch auf die drei Kontinente der >alten Welt< beschränkt ist und die sich schließlich noch nicht auf eine empirische Erfassung der Umwelt stützt. Dies wird zeigen, daß das Desiderat einer Geschichte der Geographie im 15. Jahrhundert nur erfüllt werden kann, wenn einerseits die Ablösung des mittelalterlichen Weltbilds als erheblich komplexere Entwicklung akzeptiert wird, als daß man sie allein am Jahr 1492 festmachen könnte, und wenn sich andererseits die historische Geographie von ihrer Fixierung auf die Geschichte allein der empirischen Raumerfassung löst. Zu Biondos Biographie siehe Fubini: Artikel »Flavio Biondo«, zur Italia illustrata bes. S. 548-551, ders.: Biondo Flavio (1392-1463), schließlich die ältere, aber an Ausführlichkeit gleichwohl unübertroffene Arbeit von Nogara: Scritti inediti, S. XIX-CLXXXIII. Vgl. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 13 sowie Dionisotti: Medio Evo barbarico, S. 27f.

238 mit den Quellen beruhenden Darstellung, die mittelalterliches Kompilieren und panegyrischen Anspruch gleichermaßen hinter sich läßt.13 Wenngleich der Italia illustrata, die nach Biondos Rückzug aus der römischen Kurie zwischen 1448 und 1453 entstanden ist,14 eine topographische Struktur zugrunde liegt, an der sich das dargebotene historische Material orientiert, läßt sich ihre Zielsetzung, das antike Erbe, Fundament der humanistischen Kultur und ihres historischen Selbstverständnisses, vor dem Vergessen zu bewahren, mit derjenigen der anderen Werke vergleichen.15 Hinzu tritt in den Historiarían decades, Biondos historischem Hauptwerk, das Interesse an mittelalterlicher Geschichte als Bindeglied zwischen der Gegenwart und der geschätzten Antike. Indem er Kontinuitäten und Brüche zwischen diesen beiden Epochen aufzeigen will, bemüht sich Biondo, Rechenschaft über die Veränderungen, die das Mittelalter gezeitigt hat, zu geben. Angesichts dieser methodischen Herausforderung entwickelt er jene Kategorie der mutatio, die Muhlack als zentral für Biondos historisches Denken erkannt hat16 und durch die sich, Biondo zufolge, das Verhältnis zwischen Antike und eigener Gegenwart charakterisiert. Biondos Italia illustrata, obwohl auf den ersten Blick Landesbeschreibung, entspringt eher diesem historischen Interesse als einem geographischen. Diese Ausrichtung zeigt sich besonders in der Praefatio.17 Sie artikuliert in dem eingangs formulierten historischen Dreischritt - Wertschätzung und Förderung der Geschichtsschreibung in der Antike, Verfall der antiken Bildung durch den Einfall der Barbaren in der Völkerwanderungszeit, schließlich Wiedererstarken der Liebe zur Bildung in Biondos Gegenwart - explizit italienisches Renaissancebewußtsein. Aus dem Schicksal, das, Biondo folgend, der Geschichtsschreibung in diesem historischen Prozeß widerfahren sei, läßt sich schließlich das Grundanliegen herausdestillieren, welches sich durch Biondos Gesamtwerk zieht.

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"

Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 1-20. Allgemein zu Biondo als Historiograph Cochrane: Historians and Historiography, S. 34—40, zur Italia illustrata S. 40. Einen detaillierten Überblick über die Entstehungsgeschichte der Italia illustrata bietet Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 44-55. Die Italia illustrata wurde unvollendet veröffentlicht. Als Grund dafür gibt Biondo gegenüber Enea Silvio, dem Papst Pius II., an, er habe einem Bischof zuvorkommen wollen, dem er das Werk zugesandt und der dann versucht habe, die Italia illustrata leicht verändert unter seinem Namen herauszugeben. Diese Rechtfertigung findet sich im Widmungsbrief zu den Additiones correctionesque Italiae illustratae, einer überarbeiteten Fassung von 1462, an Pius II. Der Brief ist ediert bei Nogara: Scritti inediti, S. 227f. Ähnlichkeiten zeigen sich besonders in den beiden Schriften über Rom, der Roma instaurata und der Roma triumphans. In jener versucht Biondo, anhand der Ruinen Roms die einstige Gestalt der antiken Metropole zu rekonstruieren, damit das noch Vorhandene und Erschließbare durch Deutung seiner einstmaligen Funktion gleichsam wieder mit Leben erfüllt wird. In dieser will er einen Überblick über militärische Organisation, Religion und Sitten des antiken Rom geben, um durch Interpretation des Überlieferten eine Brücke zur Antike schlagen zu können. - Einläßliche Studien und Interpretationen zu Biondos Werken existieren nicht. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 21-44 geht immerhin knapp auf sie ein. Muhlack: Geschichtsschreibung, S. 199f. It. ill. Ar.

239 Die historia, einst Übung sogar höchster Staatsmänner, sei von den Umwälzungen nach dem Untergang Roms besonders hart getroffen worden: sie sei gänzlich ausgelöscht worden. Daraus ergibt sich für Biondo, daß eine über tausendjährige Geschichte im Dunkeln liegt, ein Befund, der als Antrieb für die Abfassung der Historiarum decades zu gelten hat und auch in der Praefatio der Italia illustrata wieder durchscheint.18 Das Versiegen der historia seit den Einfallen der Barbaren zeitigt für Biondo aber noch eine andere Folge, die die antike Geschichte betrifft. Denn jene Zeit, der Biondo ein Geschichtsbewußtsein abspricht, trennt die Gegenwart von der antiken Vergangenheit, verdeckt dabei die Veränderungen, die das Land selbst erfahren hat, und bewirkt mithin, daß die Schauplätze der antiken Geschichte im Italien der eigenen Gegenwart nicht mehr verortet werden können. Eine Zeit, die sich wieder mehr der Geschichte zuwendet, vielmehr noch: die sich als Wiedergeburt jener antiken Epoche versteht, muß die Überbrückung dieser Lücke, muß die Wiederentdeckung der Vergangenheit im Italien der Gegenwart als ihre Aufgabe ansehen, und diese will Biondo mit der Italia illustrata leisten:19 Itaque postquam propitiore nobis deo nostro meliora habet aetas nostra, et cum caeterarum artium tum maxime eloquentiae studia reuixerunt: ac per ea historiarum diligentius noscendarum amor nostros cepit homines tentare uolui: si per eam quam sum nactus Italiae rerum peritiam uetustioribus locis eius et populis nominum nouitatem. nouis auctoritatem. deletis uitam memoriae dare, denique rerum Italiae obscuritatem illustrare potero.

Nicht eine Geschichte Italiens ist hier gewollt; es geht Biondo um eine Beschreibung der Regionen des Landes, die den einzelnen Orten und Landschaften ihre Geschichte wiedergibt. Das bedeutet im Falle der antiken Geschichte die Identifizierung ihrer Schauplätze im zeitgenössischen Italien. Für die mittelalterliche Periode heißt das, die Veränderungen, die den Bruch zwischen Altertum und Gegenwart bewirkt haben, an einzelnen Orten nachvollziehbar zu machen. Das Land wird zum Raum, in dem sich Geschichte seit der Antike vollzieht, und dieses Land hat selbst eine Geschichte; es ist die Geschichte einer seit der Antike gewachsenen Kulturlandschaft. Sie gilt es zu rekonstruieren. Vor dem Hintergrund dieses historischen Anspruchs hat Flavio Biondo die erste zusammenhängende geographische Darstellung Italiens geschaffen. Aus18

Vgl. ebd., A': Sed maximam tantum munus praeteritorum longe saeculorum malitia et infoelicitate incurrit iniuriam: quod urbe Roma a uariis gentibus sicut in historiis accuratius a nobis est scriptum oppressa: et si bonorum artium studia intermissa fuerunt: sola imprimis omnino cessauit extinctaque est historia, factumque est ut barbaris omnia euertentìbus: et nullo interim ea quae gerebantur litterarum monumentis ad posteros transmittente. Nedum mille qui effluxerunt annorum gesta sciamus: sed Italiae regiones, urbes, oppida. lacus. flumina. montesque: quorum nomina a uetustis frequentantur scriptoribus ubi sint: magna ex parte ignoremus. et quod maiorem nobis offert admirationem: multorum oppidorum et potentissimarum ciuitatum: quas interea in magnam amplitudinem creuisse cernimus: conditarum tempora nos lateant. et ipsi etiam conditores. ι» Ebd.

240 gangspunkt ist zunächst Italien in seiner Gesamtheit, erst sein Name, hierauf seine Gestalt. Antike Autoren, allen voran sein Hauptgewährsmann Plinius, untermauern das Gesagte. Während er diesem bezüglich der ersten beiden Punkte ohne Diskussion folgen konnte, gestaltet sich ihm die Untergliederung Italiens in einzelne Regionen als problematisch. Hier wird der in der Einleitung vorgestellte Befund, daß die historische Veränderung mangels Dokumentation zu einem Bruch zwischen Gegenwart und Vergangenheit geführt habe, sogleich relevant:20 Situ mensuraque [sc. Italiae] ostensis ad regionum diuisionem locorumque descriptionem ueniamus. Est uero perdifficile in tanta mutatione rerum regionumque quantam uident factam qui romanas historias attente legunt modum adinuenire. diuidendis regionibus. recensendisque ordine ciuitatum. oppidorum. montium. fluminumque uocabulis.

Diese Beobachtung beschränkt Biondo allerdings nicht nur auf die Veränderungen von der Antike zur Gegenwart. Bereits bei den einzelnen antiken Historikern und Geographen ist diese Problematik allenthalben anzutreffen. Livius, Plinius, Strabon, Pomponius Mela und Ptolemaeus, Vertreter je anderer Zeitabschnitte des Altertums, differieren in ihren Beobachtungen, da sich Italien bezüglich seiner Besiedlung oder seiner politischen Gliederung auch in der Antike verändert hat.21 Deutlich wird dies beispielsweise an der unterschiedlichen regionalen Unterteilung der Apenninenhalbinsel durch Augustus und Diokletian. Folge für den Leser antiker Historiographie ist daher, daß er ohne erklärende Hilfsmittel antike Geschichte nicht mehr verstehen kann:22 Plurimas tarnen ex ipsis simul cum regionibus montibus et fluminibus mutasse nomina constat quo fit ut nec prisca legentes intelligant. neque possit nouus scriptor illis uti uocabulis magnam uel eo ipso quod apud illustres uetustos scriptores frequentia habentur dignitatem historiae allaturis. factam uero esse locorum nominumque mutationem et simul exinanitam esse populis et urbibus ac oppidis quorum nomina nobis desunt italiam.

Was für die einzelnen Epochen der Antike festgestellt wurde, gilt in weitaus höherem Maße für die Zeit zwischen ihr und Biondos Gegenwart, und selbst diese 20 21

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Ebd., A v . Ebd., A"-A iir: Et quidem quantum attinet ad ipsa uocabula eximius scriptor Liuius patauinus romanae pater historiae qua in parte nobis superest populorum nominibus utitur. qui nedum ad nostram sed parua ex parte ad suam peruenerunt aetatem. Quod enim ex Strabonis cretensis geographia ac ex Plinii ueronensis naturali historia facile est coniicere in Octaui augusti cuius temporibus et adiumento scripsit Liuius descriptione italiae quam fecit accuratissimam interierant multa oppida plurimique populi quorum nomina apud Liuium celebrantur. In ea uero descriptione quam Plinius ipse anno uix octogésimo post functum uita Octauium diligenter fecit maior quam pro temporum breuitate et florentium nunc Italiae rerum conditione par fuerit mutatio est facta. Quae autem ex Strabonis primum post ex plinii enumeratione et pomponii melle ac ptolemaei descriptionibus haud quaquam multum distantibus inter se aetatibus factis desini nobis horrendum infinitumque fuerit referre quanquam licet multos interiisse populos: multa excisa oppida: multas deletas urbes non negauerim. Ebd., Aii r .

241 bleibt von Veränderungen nicht verschont. Schließlich hätten sich auch die Regionen und ihre Namen verändert, mit der einen Ausnahme Etruriens. Bei der Wahl der Benennungen will Biondo die zu seiner Zeit bekanntesten verwenden, die aber auch für seine Absicht die angemessensten seien.23 Am Ende formuliert Biondo ein letztes Ziel der Italia illustrata: Der Beschreibung der einzelnen Regionen soll eine Darstellung berühmter Männer der Vergangenheit wie der Gegenwart und hierauf eine Erwähnung wichtiger Ereignisse an die Seite gestellt werden.24 Das so entworfene Programm der Italia illustrata gestaltet sich durchaus komplex; es ist mehr als Geographie, mehr als bloße Landesbeschreibung. Es ist auch Geschichtsschreibung und zugleich ein Katalog berühmter Personen. Schlüsselbegriff für das Verständnis der Schrift, auch und vor allem in Hinblick auf die Landesbeschreibung, ist für Biondo jene mutatio, unterteilt und konkretisiert in mutatio rerum, locorum und nominum,25 Sie verursacht das Vergessen der historischen Ereignisse. Die Landesbeschreibung erhält damit eine horizontale und eine vertikale Koordinate. Sie breitet dem Leser ein Italien der Gegenwart aus, zeichnet es aber als ein Ort für Ort historisch gewordenes und vor allem als solches noch erfahrbares Land.26 Geschichte wird so wieder sichtbar in dem Erscheinungsbild der Gegenwart, verknüpfbar mit der eigenen Lebenswelt. Diese augenfällige Verbindung zur antiken Vergangenheit bildet schließlich ein Raster, zwischen dem dann das Verlorene, Untergegangene, nur noch durch literarische Erinnerung Vergegenwärtigbare wieder lebendig wird. Beides zusammengenommen ist das Italien, um das es Biondo in der Italia illustrata geht.

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Ebd., A iiv. Ebd., A ii v : Postquam uero omnem Italiam peragraturus ero: uiros praestantiores qui singulis in urbibus et locis pridem geniti fuerunt: eosque qui sunt superstites praesertim litterarum aut cuiuspiam uirtutis gloria claros enumerabo. atque res in singulis locis scribi dignas breuiter narrabo ut non magis haec italiae fît descriptio quam uirorum eius illustrium praestantiumque cathalogus [der Druck zeigt cathologus] ac non paruae partis historiarum italiae breuiarium. Daß der Wandel von Namen für das Vergessen von historischen Ereignissen verantwortlich ist, ist eine Grundannahme Flavio Biondos und zieht sich durch sein gesamtes Werk. So fügt Biondo auch seinen Historiarum decades eine Konkordanz mit Ortsnamen an, die sich seit der Antike verändert haben. Vgl. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 37-43 (mit Bezügen zu Lorenzo Valla). Dieses Anliegen zeigt sich besonders deutlich in einer Äußerung Biondos, die Francesco Barbaro in seinem Widmungsschreiben an Alfons I. von Neapel eingefügt hat (zitiert nach Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 23): Unde peragrare ac lustrare Italiam coepi, ut si nihil aliud agerem, in otio saltern essem negotiosus, et ut non solum cum praesentis aevi hominibus in Italia nunc essem, quod a principio quaesiveram, sed ut in Italia, ut ita dicam, me censore illustrata tecum in futurum et cum posteris viverem et inter mortuam culpa temporum memoriam cum doctissimis hominibus huius aetatis in lucem revocarem.

242 2.2.2. Aufbau und geographische

Beschreibung

Flavio Biondo beginnt die Italia illustrata mit Hinweisen zum Namen und der geographischen Gestalt Italiens und gliedert es dann in achtzehn Regionen, 27 die er beschreiben will. 28 Ihre Abfolge gliedert sich in zwei Teile: Zunächst beginnt Biondo mit Ligurien die Westküste in den Blick zu nehmen, um dann nach dem Abschnitt zu Latium an der Ostküste bis nach Istrien zu gelangen. Erst dann geht er auf den Süden Italiens ein, wobei wiederum erst der Westen, dann der Osten beschrieben wird.29 Die Beschreibung einer Region beginnt in der Regel mit der Klärung des Namens und seiner Herkunft, 30 Erwähnung früherer Namen 31 sowie den Grenzen des Gebiets, die Biondo zumeist an Flüssen oder Gebirgen, seltener an Straßen festmacht. 32 Sie stellen die Strukturelemente dar, die die Bildung einer Fläche zulassen und den Raum abmessen, der den Rahmen für die Detailbeschreibung bietet. Anmerkungen zu historischen Ereignissen, die in der betreffenden Region stattgefunden haben, runden den Blick auf sie in ihrer Gesamtheit ab.33

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Siehe Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 55-84. Von den achtzehn angekündigten Regionenbeschreibungen sind nicht alle realisiert: Es fehlen Lucania, Calabria und Brutium. Die Beschreibung der letzten Region Apulien bricht unvollendet ab. Der Aufbau der Schrift entspricht der regionalen Gliederung, indem jedem Buch oder Kapitel eine Region der Apenninenhalbinsel zugewiesen wird. Die Benennung der Kapitel erfolgt allerdings nicht einheitlich: Auf Bl. Av spricht Biondo von liber primus, in dem die Diskussion der Regionennamen und die Beschreibung Liguriens enthalten ist. An diese schließt sich unmittelbar die Darstellung Etruriens an ([A v]v). Ab der dritten Region Italiens leitet er die neuen Abschnitte durch die Überschrift regio tertia, regio quarta usw. ein. Mit der eigenständigen Behandlung Süditaliens trägt Biondo dessen separater politischer Entwicklung Rechnung. Diese unterstreicht er überdies dadurch, daß er den Abschnitt über die Region Aprutium mit einem ausführlichen Exkurs über die Geschichte Süditaliens einleitet, der seine Sonderentwicklung seit der Antike nachzeichnet (It. ill. [I vi]"-kv). Z.B. die Klärung des Namens Lombardia (It. ill. [F vi]"): Id nomen [sc. Lombardia] a longobardis tractum esse constat. Quando enim Carolus magnus et Hadrianus primus pontifex romanus nomen ut diximus romandiolae indiderunt. Hanc quoque partem italiae aliquando dictam prius galliam cisalpinam voluerunt censeri nomine lombardiae quod a longobardis ad decern et octo supra ducentos annos fuerat occupata. Bei der Region Liguria nimmt Biondo diese Namensklärung zum Anlaß, auf die Siedlungsgeschichte der Ligurer einzugehen (ebd., A iivf.). Z.B. zu Picenum (ebd., [D vii]'): Quare pedem referentes ad propinquam conterminamque regionem transeamus: quae olim picenum dicta: nunc est Marchia anconitana: quom tarnen aliquando prius fuerit appellata Marchia firmano. Der Verweis auf unterschiedliche Namen in verschiedenen Epochen erscheint häufig bereits in der Überschrift, beispielsweise: Regio quinta Picenum siue Marchia anconitana (ebd.). Die Region Picenum grenzt Biondo folgendermaßen ein (ebd.): Piceni fines sunt a septentrione Appeninus eum a ducatu Spoletano ut ostendimus diuidens. et ab oriente praesertim hyemali fluuius olim Isaurus nunc folia dictus. A meridie superum mare, post fluuius Troentus Asculum praeterlabens. Hierzu gehören vor allem auch Vergleiche hinsichtlich der Bedeutung einer Region in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Vgl. zu Umbrien (ebd., D ii'): Quantis

243 Innerhalb jeder Region schreitet Biondo von Stadt zu Stadt, beschreibt kurz ihre Lage und geht dann auf ihre Geschichte ein. Dabei überwiegen Berichte aus der Antike - meist auf der Grundlage von Livius - gegenüber solchen aus allen anderen Epochen. Die Ausführlichkeit, die Biondo einzelnen Städten zukommen läßt, ist sehr unterschiedlich. Die meisten Städte oder Orte erwähnt er mit einem, höchstens zwei Sätzen. Ausführlicher besprochen werden nur Städte von größerem historischen Interesse wie Florenz, Venedig etc. Bei diesen weiten sich die Beschreibungen zu ganzen Exkursen aus. Anmerkungen zur Zeitgeschichte ergehen sich vor allem in der Erwähnung bedeutender Personen einer Stadt. Diese Schau von viri illustres kulminiert in einer Art humanistischer Literaturgeschichte innerhalb des Kapitels über Biondos Heimatregion Romagna.34 Die Italia illustrata ist damit nicht nur geographische Beschreibung, sondern auch Darstellung humanistischen Selbstverständnisses und humanistischer Kultur. Nach der einleitenden Eingrenzung der Region beginnt Biondo seine geographische Beschreibung durchweg an der Grenze zu der im vorhergehenden Kapitel vorgestellten Region und orientiert sich, wo möglich, zunächst am Verlauf der Küsten.35 Sie sind jene Gegenden, welche zu den besterschlossenen Räumen der antiken bis frühneuzeitlichen Geographie gehören. Dies dokumentieren zahlreiche Portolankarten, die sich gegenüber entsprechenden Darstellungen des Landesinneren durch eine ungleich detailliertere Abbildung auszeichnen. Auch Karten, die Italien in seiner Gesamtheit darstellen, zeigen einen gut dokumentierten Verlauf der Küsten neben nur sehr unzureichend gegliedertem Landesinneren.36 Diese Ausgangslage macht sich Flavio Biondo zu Nutze, wenn er nach der Eingrenzung einer Region zunächst der Küstenlinie mit ihren Städten folgt. Sobald er an Mündungen von Flüssen gelangt, folgt er diesen ins Landesinnere, wo er sich weiterhin am hydrographischen Netz orientiert.37 Indem er auch die Nebenflüsse in den Blick nimmt, erhalten derartige Abstecher ins Landesinnere räumliche Struktur.38 Schließlich kehrt er wieder zur Küste zurück und folgt dieser bis zur nächsten Flußmündung. Wo diese Darstellungsform in der stark gegliederten Topographie des Landes nicht möglich ist, folgt Biondo

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vero olim polluerint viribus vmbri. hinc maxime apparet quod Liuius in nono scribit vmbri se urbem romam oppugnaturos minati fuerunt. Ebd., E vii'-E viii'. Die meisten italienischen Regionen besitzen einen Zugang zum Meer. Regionen, die sich vollständig im Landesinneren befinden, grenzt Biondo durch Flüsse ein. Siehe die Abbildungen zeitgenössischer Karten bei Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, Anhang, Abb. 2-4a u. 6. Zur geographischen Beschreibung siehe ebd., S. 73-84. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 76 macht zu Recht darauf aufmerksam, daß sich Biondo mit diesem Vorgehen von der antiken Geographie unterscheidet, die Küstenverlauf und Landesinneres stets getrennt beschrieb. Eine zumindest ansatzweise Übereinstimmung mit Biondos Vorgehen zeigt Ptolemaeus, der bei der Beschreibung von Küstenlinien stets die Lage von Flußmündungen bestimmt und damit das Raster für eine Strukturierung der Darstellung, wie sie Biondo vornimmt, liefert.

244 dem Straßennetz, in erster Linie den römischen Fernstraßen. Sie lagen dem Humanisten in verschiedenen Wegekarten vor. Gebirgige Abschnitte des Landes erwähnt Biondo zwar auch; eine Strukturierung des Raumes durch Höhenzüge wird aber nicht vorgenommen. Dieses Vorgehen im Landesinneren läßt sich wiederum vor dem Hintergrund der Qualität der Kartographie im 15. Jahrhundert verstehen, die nicht auf eine ausgereifte Vermessungstechnik und entsprechende zeichnerische Verfahren zurückgreifen konnte: Landschaft wird da in erster Linie durch Flüsse, selten durch wenig konturierte Gebirgslinien gegliedert. Auf die Schwierigkeit, derartig gebirgige Gegenden zu beschreiben, hat Biondo immer wieder selbst aufmerksam gemacht. 39 In diesen Bemerkungen äußert er sich implizit zu seiner eigenen Ausgangslage, die dadurch gekennzeichnet ist, daß ihm ein Inventar an Darstellungsmustern und geographischer Terminologie mangels geeigneter Vorgänger nicht zur Verfügung stand, er folglich selbst methodische Verfahren zur Erfassung komplizierter Landschaftsformen entwickeln mußte. Biondos Darstellungsmethode, die sich nach der Einteilung der Regionen an Küsten, Wasserläufen und Fernstraßen orientiert, nimmt einerseits Vorgehensweisen der antiken Geographie auf, 40 hat aber in ihrer größeren Vernetzung der Beschreibung als Grundlage immer wieder Karten, die den Verlauf der von Biondo verwendeten Linien bildlich darstellen. Clavuot bezeichnet so mit Recht die Darstellungsform der Italia illustrata eher als Kartenbeschreibung denn als Landesbeschreibung. 41 In bezug auf die Strukturierung der topographischen Informationen darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Italia illustrata keine Karte ist, sondern verschriftlichte Darstellung eines Landes, gleichsam eine Karte als Text. Es fehlt dadurch nicht nur die Möglichkeit, den Flußläufen zu folgen, sondern auch diese mit einem Blick in das gesamte abgebildete Territorium zu integrieren. Bezüge zum Gesamtraum ergeben sich nicht von selbst, sondern müssen stets erst hergestellt werden. So gestaltet sich die Italia illustrata eher als eine Reise durch Italien denn als abstrakte kartographische Beschreibung im heutigen Sinne. Dies gilt auch da, wo Biondo Karten als Grundlage seiner Darstellung benutzt hat. Denn er nutzt die kartographische Gesamtschau eben nicht, um diese in eine schriftliche Form zu übersetzen, indem er die der bildlichen Darstellung inhärente >olympische< Betrachterperspektive beibehielte. Dies ist nur dort zu erkennen, wo es ihm um die Abgrenzung einer Region geht. Ansonsten gleicht Biondos Perspektive der eines Wanderers, der die Küste entlangschreitet, diese von Fall zu Fall verläßt, Wasserläufen und deren Nebenflüssen folgt oder auf Fernstraßen 39

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Z.B. It. ili. E vv: Difficilis vero est montium huiusmodi et sitorum in ipsis locorum descriptio: quod saltuosissima sunt et rivis altisque rupibus quandoque ita dividuntur, ut nec pictura sit nec elocutio, quae plenam illorum notitiam dare possit. So beispielsweise darin, daß sich die topographische Darstellung als ein Hintereinander von Städte- und Ortsbeschreibungen präsentiert (Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 84 mit Anm. 215). Zur antiken Geographie siehe die Überblicksdarstellung von Olshausen: Geographie der alten Welt. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 86.

245 durch das Land reist.42 Kennzeichen dieser Darstellungsform ist, daß aus der Warte des Wanderers die kartographische Perspektive, die abstrakt alles zu überblicken vermag, nicht möglich ist.43 Der überschaubare Raum endet am Horizont oder vor einer Bergkette, die die Sicht begrenzt: Konstitutive Perspektive der geographischen Beschreibung in der Italia illustrata ist die des Itinerars. Der geographische Raum entsteht folglich durch ein lineares Nacheinander der einzelnen durchwanderten Gegenden. Eine Gesamtschau der angesprochenen Landesteile durch Abstrahierung der Darstellung entsteht nur selten. Bei diesem Vorgehen, das als ein vorkartographisches Prinzip bezeichnet werden könnte, erweitern Karten die Kenntnis des Landes, üben aber nur begrenzt Einfluß auf die Beschreibungsmethode aus. Die den Abbildungen entnommenen Informationen beispielsweise zu Flußläufen und Straßen dienen lediglich der Inszenierung dieser Wanderung über einen größeren Raum, den Biondo selbst nicht bereist hat. Die Methode der Beschreibung bleibt allenthalben dieselbe: Sie speist sich aus dem Sehvermögen des den geographischen Raum durchmessenden Betrachters. Die Gründe für die Anwendung dieser Methode sind zweierlei. Zum einen entspricht die Itinerar-Darstellung den realen Möglichkeiten, Raum wahrzunehmen in einer Zeit, die über keine Vermessungstechnik verfügte und damit nur begrenzt eine >olympische< Perspektive einnehmen konnte.44 Auf der anderen Seite entspricht diese Form der Anordnung den Möglichkeiten und Grenzen der schriftlichen Darstellung, die notwendig diskursiv verfahren muß. Sie kann nicht mit der ganzheitlichen Perspektive der Karte arbeiten, sondern muß an die Vorstellungskraft des Rezipienten appellieren, der das Beschriebene in seinem Bewußtsein zu einer kognitiven Karte verarbeiten muß. So ist das, was im 15. Jahrhundert Voraussetzung für geographische Beschreibung ist, gleichzeitig auch Bedingung für seine Rezeption.

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Die Perspektive des Wanderers zeigt sich u.a. in folgender Stelle, die dem Kapitel über Umbrien entnommen ist (It. ill. D iir): Prima ex appettino ad sinistrarti tyberis partem descendentibus obuia sunt oppida pratolinum et mons Dolius. Die Formulierungen descendentibus und obuia verweisen eindeutig auf die Vorstellung, daß sich Reisende diesen Städten nähern. Gerade die Annäherung an eine Stadt, ausgedrückt durch die Wendung obviam ire ist häufig zu beobachten. Ein weiteres Beispiel im Umbrienkapitel (D iiv): Et a Schigia secundum appenini latera hanc ingredienti prouintiam [sc. Romandiolam] obuiumfit Costaciarium eugubini agri oppidum (Andere Formulierungen sind z.B.: medio itinere, deinceps via continuatur [beide: D iiv]). Vgl. im Umbrienkapitel (It. ill. D iiv): Supra Eugubium castella sunt Brancha, deinde Schigia. quo tramite facillimus est per viam olim flaminiam appenini in Romandiolam transitus. Weiterhin (ebd.): Et medio itinere Casa castalda oppidum arduo in colle chiasio imminet. Beide Beispiele lassen, offensichtlich aus einem Tal heraus, auf in der Höhe liegende Ortschaften blicken. Der Prospekt der beschriebenen Gegend erweist sich dadurch als abgeschlossen. Derartige Hinweise auf die relative Lage von Besiedlungen, in diesem Falle von Burgen zu einer Stadt, auf die Beschaffenheit der Wege, schließlich auf die Nachbarschaft zu einer Region, indem eine Straße dorthin erwähnt wird, finden sich allenthalben in der Italia illustrata. Dies erlaubt neben der Karte auch beispielsweise das Besteigen eines Berges. Doch reicht die Möglichkeit der Gesamtschau einer Fläche hier auch nur bis zum Horizont.

246 2.2.3. Zur Bedeutung der Überlieferung für die geographische Beschreibung Der Italia illustrata liegt sowohl im Hinblick auf Italien in seiner Gesamtheit als auch bei den Regionalbeschreibungen eine einheitliche Struktur zugrunde, die die Italia nach hierarchischen Kriterien vom Allgemeinen zum Speziellen gliedert. Diese Struktur bildet den kompositioneilen Rahmen, in den Biondo sein zweifaches Anliegen bettet: die Darstellung der Geographie des Landes und seine darin verortbare und dadurch erfahrbare Geschichte.45 Den mutationes, die das Land selbst kultur- und siedlungsgeographisch erfahren hat, spürt Biondo nach, indem er sich durch das Studium antiker geographischer Darstellungen Italiens46 ein Bild von seiner Geographie in der Antike macht. Sie sind ihm Quellen, um die Ausdehnung eines Gebiets oder die Lage von Städten in der Antike zu bestimmen und sie der zeitgenössischen Situation gegenüberzustellen. Doch nicht nur einen historischen Zustand des Landes entnimmt Biondo diesen Texten; sie bieten ihm darüber hinaus Leitbilder, wie er die geographischen Räume zu erfassen und zu untergliedern hat. Häufig übernimmt er geographische Hinweise oder ganze Beschreibungen direkt aus seinen Vorlagen und paßt sie in die Italia illustrata ein. So charakterisieren sich die eingangs gegebenen Anmerkungen zur Gestalt der Apenninenhalbinsel durch ihre vollständige Abhängigkeit von Aussagen antiker Autoren. Diese gibt sich aufs deutlichste zu erkennen, indem in fast jedem Satz zur Gestalt des Landes eine antike Autorität genannt wird.47 Ebenso basiert die Regionaleinteilung trotz ihrer Anpassung an zeitgenössische Gegebenheiten auf der antiken, von Plinius überlieferten Gliederung, dessen Italienbeschreibung Biondo sich auch insofern zum Vorbild genommen hat, als er wie die antike Quelle seinen Gang durch Italien im Nordwesten mit Ligurien beginnt. Derartige Abhängigkeiten von antiken

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Für Ereignisse der antiken Epoche, um die es ihm dabei vor allem geht, ist für Biondo vor allem Livius Gewährsmann, der auch anderenorts im Werk des Humanisten eine bedeutende Stellung einnimmt. Vgl. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 201-221. Quellen sind ihm allen voran die Naturalis historia des Plinius d. Ä., aber auch Strabons Geographika, Pomponius Melas Chorographie oder die ptolemäische Kosmographie. It. ill. A v : Ea uero sicut Plinius ex Octauio Augusto tradii Quemo folio [der Druck hat: filio] adsimilis mari gemino maxima parte cingitur quod ab oriente hadriatico siue supero et a meridie occasuque tyrrheno siue infero abluitur. qua uero in septentrionem uergit: montes altissimi alpes lingua gallica a caelsitudine dicti illam a barbarorum ut inquit Cicero in cursu naturae benignitatem communiuit. [...] Habet Italia dorsum et ceu in piscibus esse uidemus a capite in infìmam partem spinaeformam Apeninum qui mons ex alpibus qua ab infero mari recedunt oriundus cum recto propemodum cursu anconae urbi, ut uult Plinius. appropinquauit: in mare superum ferri. et ibi finiri videtur. et tamen inde rursus ab eo mari recedens per mediam Italiam in brutios ac siculumfretum fertur [Hervorhebungen von mir].

247 geographischen Texten finden sich allenthalben,48 so daß auch die Kenntnisnahme der zeitgenössischen Gegebenheiten in der Italia illustrata im wesentlichen aus antiken Darstellungen erwächst. Die Räume, die Biondo durch Zuhilfenahme von Karten konstruiert, entstehen hinsichtlich ihrer Detailbeschreibungen häufig allein aus Überlieferungswissen; die Itinerare, auf denen der Leser das Land bereist, erklären sich gewissermaßen als Kompilat von Quellenwissen und eigenen bzw. vermittelten Beobachtungen. Damit deutet sich zum einen die Perspektive an, aus der Biondo seine Beschreibung Italiens vornimmt. Denn ausgehend von den antiken Gegebenheiten werden die Hinweise antiker Autoren bei Übereinstimmung mit der zeitgenössischen Situation, wie im Falle des Raums, der seit augusteischer Zeit mit dem Namen Italia bezeichnet werden kann, übernommen oder, wie bei den Regionen, im Falle von Abweichungen diskutiert und korrigiert. Dieses Vorgehen entspricht einerseits Biondos Zielsetzung der Aufdeckung von Veränderungen, sieht sie aber andererseits unzweifelhaft aus der Perspektive der Antike, mit anderen Worten: nicht die Gegenwart als gewordene, sondern die Antike, wie sie sich verändert hat, wird behandelt. Dieses Vorgehen weist der Antike mithin die Funktion einer historischen Norm in Biondos Konzept zu.49 Dies zeigt sich meist auch dort, wo sich Biondo ausdrücklich auf den Zustand seiner Gegenwart beziehen will, wie bei den Namen der Regionen, bei denen er sich zwar zunächst auf die gebräuchlichen festlegt, dann aber stets auch den antiken Namen nennt.50 Ebenso ergibt der Verzicht auf jeden Hinweis zur gegenwärtigen politischen Gliederung Italiens eine Einteilung der Italia, die sich zwar auf die kulturell gewachsenen Räume bezieht, aber eben eher der antiken als der zeitgenössischen Situation entspricht.51 Allerdings läßt sich noch ein weiterer Grund benennen, weshalb Biondo antike geographische Texte in derart hohem Maße zur Darstellung der zeitgenössischen Geographie Italiens heranzieht, und dieser betrifft die Möglichkeiten vorempirischer Geographie überhaupt. Aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang ein Hinweis Biondos zu Beginn des Kapitels über Umbrien, in dem er 48

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Beispielsweise folgt Biondo bei der Beschreibung der Küste Latiums recht genau dem Bericht Strabons (It. ill. [Β vii]'). Daß die Geschichte Italiens seit der römischen Antike als Dekadenzprozeß aufgefaßt wird, zeigt sich u.a. in folgenden Worten über die Bevölkerungszahl Picenums (It. ill. A ii'): Nulla est huius saeculi et foelicium quae stante república fuerunt saeculorum comparatio multitudinis populorum. picenum enim infra ex plinio ostendemus trecento sexaginta milia in reipublica deditionem dedisse, quod nunc uix decimam partem habet. Z.B. Romandiola siue Flaminia et aemylia. Die Konjunktion siue zeichnet sich in dieser und den anderen Beiordnungen durch das Fehlen jeder Möglichkeit der historischen Verortung aus. In diesen Namen, an denen Biondo ja gerade das Phänomen der mutatio greifen will, zeigt sich eher eine Verwischung von Vergangenheit und Gegenwart. Diese Beobachtungen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter geführt werden können, lassen die Vermutung zu, daß die Italia illustrata nicht nur eine »objektive« historische Untersuchung sein sollte, sondern daß ihr auch eine politische Bedeutung innewohnt.

248 sich zu den Ursachen äußert, weshalb die einzelnen Regionenbeschreibungen trotz ihres einheitlichen Konzepts erhebliche Unterschiede in Länge und Informationsgehalt aufweisen. Dort rechtfertigt er die Ausführlichkeit, mit der er auf Latium eingegangen ist, mit der komfortablen Quellensituation zu der zentralen italienischen Gegend. Demgegenüber erklärte er die Knappheit der darauf folgenden Darstellung Umbriens mit den großen Veränderungen, die diese Region erfahren habe.52 Hieraus leitet Biondo nicht nur die Unmöglichkeit ab, das, was die Zeiten nicht überdauert hat, zu rekonstruieren; die spärliche Quellensituation hat unmittelbaren Einfluß auf die Ausführlichkeit der geographischen Beschreibung der Region auch in ihrer zeitgenössischen Gestalt. Die Verfügbarkeit antiker Quellen erweist sich damit als eine vorrangige Bedingung für die Möglichkeit der Landesbeschreibung überhaupt. Damit ist ein methodischer Sachverhalt benannt, der Biondos Anliegen, die mutationes der Geschichte in bezug auf die Gestalt des Landes aufzuzeigen, entgegenläuft, der für die Beschäftigung mit Geographie im 15. Jahrhundert insgesamt aber kennzeichnend sein dürfte. Denn Flavio Biondo bemüht seine Quellen bezüglich der Geographie des Landes zunächst um Aussagen zu zwei verschiedenen historischen Zuständen, der Vergangenheit - meist des Altertums - und seiner Gegenwart. Dieses Vorgehen steht aber jenem Befund entgegen, den Biondo bezüglich der regionalen Gliederung Italiens selbst vorgestellt und problematisiert: der Zeitgebundenheit der Aussagen antiker Geographen. Erst die fallweise gewonnene Erkenntnis, daß die antiken Quellen das Italien seiner Zeit nur selten adäquat wiedergeben können, zwingt Biondo, die auctoritas als nur für einen begrenzten Aussagebereich gültig anzuerkennen. Sie eröffnet einen grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber der auctoritas in bezug auf geographisches Wissen.53 Biondo folgt den geographischen Autoren, wo er zeitlose Gültigkeit der Aussagen erwarten konnte, etwa bei der Gestalt Italiens, seiner Küstenlinien oder dem Verlauf von Flüssen. Wo er aber erkennen muß, daß ihm seine Referenztexte lediglich historische Zustände abbilden, können sie ihm nurmehr Materialquellen seines historischen Anliegens sein. Damit entsteht jedoch für die eigene Gegenwart Biondos eine Lücke, die es zu schließen gilt. Hierbei sieht er sich aber mit einer Situation konfrontiert, in der er gestehen muß, daß er aufgrund der recht zahlreichen antiken Quellen die Gestalt des antiken Italien besser kennt als seine zeitgenössische. Dies bezeugt eine Äußerung in einem Brief an Prospero Colonna vom 21. Dezember 1450, in dem er seine Unkenntnis über Unteritalien mit ebendiesem Befund begründet und den Adressaten daher bittet, er möge König Alphons auffordern, Ortskundige mit einer Beschreibung Süditaliens zu beauftragen:54 52 53

54

It. ill. Dii'. Clavuot unterscheidet in seiner Untersuchung der Quellen nicht zwischen verschiedenen Gattungen. Auf die Problematik, daß antike Texte als Quellen für die Vergangenheit und die Gegenwart herangezogen werden, kommt er insgesamt nicht zu sprechen. Nogara: Scritti inediti e rari, S. 163f.

249 Est ultra Latinam regionem ea Italiae pars, quam regnum Siciliae appellamus, in aliquot divisa regiones, Campaniam scilicet veterem, Samnium sive Aprutium Apuliam Lucaniam Calabros Bruttios et Salentinos; quarum regionum vetustates notissimas habeo, sed huius temporis locorum nomina situmque nec satis perlustravi nec alias piene novi. [...] Quare, si tibi videbitur, non ingratum mihi fuerit, si tu Latinam regionem eleganti exaratam volumine ad eum [gemeint ist König Alphons] miseris et muñere verbis ornato tuis meum illi aperueris desiderium, ut et picturam et praesentis temporis nominum declarationem longiusculamque narrationem a suis, quos habet multos, peritioribus factam ad me mittat. W i e hier deutlich wird, hat sich B i o n d o darum bemüht, über die vorliegenden Quellen hinaus weiteres Material für die Italia

illustrata

zu erhalten. S o ver-

suchte er, an zeitgenössische Beschreibungen 5 5 oder, w i e im gerade zitierten Brief deutlich wird, an Karten einzelner R e g i o n e n zu gelangen. Allerdings war ihm nicht immer der gleiche Erfolg beschieden. 5 6 D i e s wirkte sich dann sichtbar an einer knapperen Beschreibung der betreffenden R e g i o n aus. 57 S o zeigt sich, daß B i o n d o auf diese Hilfen gewissermaßen a n g e w i e s e n war. W e n n er g e z w u n g e n war, ihm unbekannte Gegenden ohne Hilfe zu beschreiben, bemühte er sich darum, daß wenigstens ortskundige Gelehrte seine Ausführungen korrigierten. 58 Schließlich ging B i o n d o immer wieder auf Reisen, um sich einzelne Landstric h e oder Städte selbst anzusehen. Teils f l ö s s e n diese Erkenntnisse später als eine Quelle unter anderen in die entsprechenden Passagen ein, teils schrieb er bestimmte Partien mit der zu beschreibenden Landschaft vor Augen. 5 9 55

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Für die Geschichte Aquileias konnte er auf den Traktat des Udineser Kanonikers Jacopo Simeoni, der 1448/49 entstanden ist, zurückgreifen. Bezüglich der Region Ligurien erstellte ihm Giacomo Bracelli eine Beschreibung eigens für die Italia illustrata, die 1448 entstandene Descriptio orae Ligusticae. Der Briefwechsel Biondos zeigt deutlich sein Bemühen, darüber hinaus an historische und geographische Informationen über weitere Regionen zu kommen. Der Rückgriff auf die Arbeiten Simeonis und Bracellis sollte demnach keinen Einzelfall darstellen. Vgl. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 241-250. So hat Biondo das im Brief an Colonna geforderte Ortschaftenverzeichnis Süditaliens nie erhalten (Siehe Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 22 mit Anm. 5). Beispielsweise ist das Bemühen, durch Guarniero d'Artegna eine Geschichte Friauls zu erhalten, bezeugt; die Knappheit dieses Abschnitts der Italia illustrata legt aber nahe, daß Biondo auch diese nie erhalten hat (Siehe ebd., S. 22). Vgl. einen Brief an Bartolomeo Fació aus dem Jahre 1451 (Nogara: Scritti inediti e rari, S. 165f.): Est vero opus nec perfectum, cui imperii regii pars paene tota deest, nec satis absolutum limatumque, quod liturae interlineationesque indicabunt. [...] in hoc autem opere singulos rogare et petere convenit, si quid sciant audiverintque in patria aut suae originis regione, quod ex nostra humanarum rerum condicione rudis et litterarum ignarus in soli patrii loco melius noverit quam ego litteris copiosior; praedicoque tibi, quod tu coram videbis futurum, ut, postquam factus erit familiarior liber, nullus paene remaneat locus, in quo aliquid addendum minuendumve et corrigendum doctorum atque immixtae simul turbae iudicio non clametur [Mit dem imperii regii pars ist das Königreich Sizilien gemeint]. So hat Biondo die Abschnitte über den Monte Scudo und S. Biagio an den Orten selbst geschrieben: 1. Ad Conchae vero dexteram, Sanctus Clemens, Agellum, Corianum, Möns Scutulus ubi haec scribimus; 2. Ea in Padi ripa fréquentes et prope contigui intra viginti milia sunt vici: [...] Blasianus, in quo villam habemus locupletem e regione Zanioli sitam, in qua horum partem scripsimus (Zitate nach Clavuot:

250 Biondos Projekt, die Geschichte Italiens an den Orten ihres Geschehens wiederzuentdecken und zu rekonstruieren, wird vor diesem Hintergrund gewissermaßen auch zur Entdeckung des eigenen Landes in seiner zeitgenössischen Gestalt. Es ist das Paradox der Ausgangssituation Biondos, daß er zwar antritt, eine bruchstückhaft überlieferte Vergangenheit vor dem Vergessen zu bewahren, daß ihm hinsichtlich der Landesbeschreibung seine Quellen aber ein besseres Bild von eben dieser Vergangenheit zeichneten, als er von seiner Gegenwart haben konnte. So bewirkt die zweifache, historische und geographische Ausrichtung der Italia illustrata, daß Rekonstruktion des Alten mit der neuen Erfahrung der eigenen Gegenwart einhergeht.

2.3.

Die Deutschlandbeschreibungen des Enea Silvio Piccolomini

2.3.1. Enea Silvios »Germania«: »mutatio« von der Barbarei zur Kultur Enea Silvio Piccolomini darf als derjenige italienische Humanist des 15. Jahrhunderts gelten, der am vertrautesten mit Deutschland und seiner Bevölkerung war. In den 23 Jahren, in denen er nördlich der Alpen lebte,60 wurde er nicht nur zum bedeutendsten Vermittler des italienischen Humanismus in Deutschland, sondern dem Interesse an seiner fremden Lebensumgebung, die er später als Exil bezeichnen sollte, sind überdies auch seine zahlreichen Beschreibungen des Landes zu verdanken, die als die ersten Darstellungen Deutschlands aus der Feder eines Humanisten zu gelten haben. In ihnen stellt er seine genaue Beobachtungsgabe für Land und Leute, die er auf seinen zahlreichen Reisen durch Süd- und Westdeutschland kennengelernt hat, augenfällig unter Beweis.61 Enea Silvios historische und geographische Schriften über Deutschland haben, wie sein gesamtes Werk, bei den deutschen Humanisten hohes Ansehen genossen

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Biondos »Italia illustrata«, S. 47, Anm. 78). Aus dem Zitierten läßt sich noch nicht schließen, daß Biondo nun gleich einem Maler z.B. den Monte Scudo vor Augen hatte, als er dies schrieb. Das ist schon deshalb nicht notwendig, weil es ihm nicht um eine genaue Beschreibung des Gesehenen ging, sondern um dessen topographische, also landschaftsstrukturelle Erfassung. Immerhin bezeugen beide Stellen ein enges Verhältnis zwischen eigener Anschauung und Vertextung. Enea Silvios Aufenthalt in Deutschland begann im Frühjahr 1432 mit seinem Dienst am Basier Konzil und endete 1455, als er seine Tätigkeit in der Kanzlei Kaiser Friedrichs III. aufgab. Zur Biographie des Enea Silvio siehe die ältere, materialreiche Arbeit von Voigt: Enea Silvio, sowie die biographischen Untersuchungen neueren Datums, die Voigts Urteile über Piccolomini teilweise korrigieren: von der Lieck-Buyken: Enea Silvio Piccolomini, und Widmer: Enea Silvio Piccolomini. Eine knappe, die vorhergehenden Arbeiten zusammenfassende Darstellung der Vita Enea Silvios mit besonderer Berücksichtigung seines Aufenthaltes in Deutschland gibt Voigt: Italienische Berichte, S. 77-84. Schließlich ist der profunde Artikel zu Enea Silvio im Verfasserlexikon von Worstbrock zu nennen ( 2 VL, Bd. 7, Sp. 634-669). Vgl. Günther: Humanismus und Erdkunde, S. 67.

251 und breit gewirkt.62 In dem Bemühen, das von den italienischen Humanisten eher geschmähte Land in seiner zeitgenössischen Gestalt abzubilden, entwickelte Enea Silvio erstmals auch Kriterien, um dessen Ausdehnung, Gestalt, Bevölkerung und Kultur zu erfassen. Die erste ausführliche Deutschlandbeschreibung Enea Silvio Piccolominis verdankt ihre Entstehung allerdings eher der Auseinandersetzung zwischen der Kurie und der deutschen Kirche um die sogenannten »Gravamina der deutschen Nation« als einem genuinen Interesse an der Geographie des Landes. Denn im Sommer 1457 hatte der Kanzler des Erzbischofs von Mainz, Martin Mayer, Enea Silvio, der damals Kardinalsprälat in Rom war, in zwei Briefen Vorwürfe über Mißbräuche der Kurie mitgeteilt, die von Seiten der deutschen Kirche unter Federführung des Mainzer Erzbischofs Dietrich vorgebracht wurden.63 Auf sie antwortete Enea Silvio in zwei ausführlichen Briefen vom 8. August und 20. September 1457, in denen er den Beschuldigungen entgegentritt, Geldforderungen und Bevormundung seitens der Kurie hätten Deutschland seiner Macht beraubt und es verelenden lassen. Vielmehr habe Deutschland die Entwicklung von der Barbarei zum zeitgenössischen Zustand dem christlichen Glauben, mithin der Kirche als seiner Sachwalterin, zu verdanken, weshalb Mayers Klagen über die Kirche als unberechtigt abgetan werden.64 Auch wenn damit die Auseinandersetzung als beendet angesehen werden konnte, entschloß sich Enea Silvio darüber hinaus zur Abfassung eines Brieftraktats in drei Büchern, in dem er nochmals allen Vorwürfen ausführlich entgegentrat. Dieser Traktat, der zwischen Ende 1457 und Februar 1458 entstanden ist,65 sollte weniger erneut die Position der Kurie verdeutlichen; diese war nach den zwei Briefen des Enea Silvio bekannt. Vielmehr wollte der Kardinal seine Eignung für das Amt des Papstes unter Beweis stellen, dessen Neubesetzung in Kürze zu erwarten war, da eine schwere Krankheit des Amtsinhabers Calixtus III. seinen baldigen Tod ankündigte. In der Tat starb dieser im Juli 1458 an den Folgen seines Leidens, und Enea Silvio wurde zu seinem Nachfolger gewählt.66 Dem dreiteiligen Traktat geht ein fiktiver Brief Martin Mayers an Enea Silvio voran,67 in dem die Vorwürfe der deutschen Kirche nochmals knapp zusam62 63

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Vgl. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 27-35. Die Briefe Martin Mayers - es handelt sich wohl um ein oder zwei Schriftstücke sind bisher nicht wieder aufgefunden worden. Die von Mayer angesprochenen Kritikpunkte sowie das gesamte Problem der Gravamina erläutert Adolf Schmidt in der Einleitung zur Übersetzung des Brieftraktats an Martin Mayer (Schmidt: Deutschland, S. 15-27). Siehe auch Voigt: Italienische Berichte, S. 127-130 sowie ausführlich Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 164-168. Als terminus ante quem kann die Widmung des Traktats an den Kardinal Antonio de la Cerda vom 1. Februar 1458 gesehen werden. Zu den Entstehungsbedingungen der sog. Germania siehe Schmidt: Deutschland, S. 9-13 und Voigt: Italienische Berichte, S. 127-129. Germ. S. 9f. Der Brief ist datiert auf den 31. August 1457. Den Brief hat Enea Silvio wahrscheinlich selbst verfaßt, um die Vorwürfe Mayers kurz zusammengefaßt prä-

252 mengefaßt werden. Es sind dies genau die Beschuldigungen, die der Anwärter auf den Stuhl Petri in seiner Schrift ausräumen will.68 Während das erste und das dritte Buch jeweils theologischen oder konziliären Streitpunkten gewidmet sind, bemüht sich Enea Silvio, im dazwischen eingebetteten zweiten zu widerlegen, daß überzogene Geldforderungen der Kurie Deutschland verarmen lassen. Durch den Versuch nachzuweisen, daß gerade das Gegenteil der Fall sei, daß nämlich die Kirche mit ihrer zivilisatorischen Energie aus dem barbarischen Germanien ein blühendes Deutschland geschaffen habe, ist Enea Silvio die erste Deutschlandbeschreibung der Frühen Neuzeit gelungen. Sie zeigt dabei nicht nur die Kenntnis der antiken Quellen zu Germanien, sondern sie ist auch Ertrag von Eneas Vertrautheit mit dem Land nördlich der Alpen. Für sein Anliegen69 wendet Enea Silvio Biondos Kategorie der mutatio konsequent auf Deutschland an, ändert aber gewissermaßen ihr Vorzeichen. Während in der Italia illustrata die in Italien zu beobachtenden historischen Veränderungen eher negativ bewertet wurden, da der normative Zustand der Antike untergegangen und im Italien des 15. Jahrhunderts kaum noch erkennbar sei, mithin durch Rekonstruktion jener Zeit der zerstörerischen Wirkung der mutatio entgegengearbeitet werden sollte, ist die mutatio für Enea Silvio, auf Deutschland angewandt, eine positive Kategorie, weil sie die Überwindung eines verachtenswerten kulturellen Zustands impliziert. Um seinem Adressaten die barbarische und unzivilisierte Kultur der Germanen vor Augen zu führen, bedient sich Enea Aussagen antiker Autoren, allen voran Caesars und Strabons, aus deren Werken er zitiert;70 er erwähnt aber auch Tacitus71 und eine Stelle aus der Politik des Aristoteles.72 Neben den antiken

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sentieren zu können. Ein derartig thesenhaftes Schreiben Mayers hat es wohl nicht gegeben (siehe Münkler/Griinberger/Mayer: Nationenbildung, S. 167). Die in dem fiktiven Brief vorgetragenen Anschuldigungen sind im einzelnen die folgenden: 1. Der Papst beachte die Beschlüsse der Konzilien von Konstanz und Basel nicht. 2. Die Kurie mißachte die Wahl des Kirchenpersonals und benutze die Pfarreien nur zur Eintreibung von Pfründen. 3. Das einstmals mächtige Deutschland, Erbe des römischen Reiches, sei durch unmäßige Tributforderungen der Kirche in die Armut getrieben worden. Eneas Beweisziel kommt in den programmatischen Worten zum Ausdruck (Germ. 2, 1 [S. 46]): [...] ostendendum imprimis est, quenamfuerit olim Germania et que sit hodie. Quo facto liquebit nunquam Germanici nominis eas fuisse vires aut opes, quales sunt hodie. Germ. 2, 2f. (S. 46f.). Die Zitate aus CAES. Gal. 6, 21ff. sowie STR. 7, 1, 3. - Was den griechischen Geographen anbetrifft, hat Enea Silvio die lateinische Ausgabe des Guarino Veronese benutzt. Germ. 2, 4 (S. 47). Von Tacitus wird lediglich erwähnt, daß er Ähnliches über die Germanen gesagt habe. Ein Werk des römischen Historikers nennt Enea dabei nicht. Man kann vermuten, daß sich Enea auf die Germania bezieht, von der er vielleicht gehört hatte. - Um die Frage, ob Enea Silvio die taciteische Germania gekannt hat oder nicht, rankt sich eine nicht endende Forschungsdiskussion. Die Verfechter einer Kenntnis des römischen Historikers berufen sich in erster Linie auf diese Stelle (vgl. Blusch: Zur Rezeption der Germania des Tacitus). Überzeugender scheint die Argumentation von Voigt: Italienische Berichte, S. 152 zu sein, der erkannt hat, daß Enea Silvio die Germania des Tacitus in der Europa nicht verwendet. Deshalb hält er es

253 Äußerungen über primitive Kleidung, einfache Speisen, die Unlust der Germanen an landwirtschaftlicher Betätigung etc. hebt Enea vor allem das Fehlen von Städten, gepflegter Landschaft und von Edelmetallen sowie den Mangel an Literatur, Jurisprudenz und schönen Künsten, schließlich die Pflege einer barbarischen und menschenverachtenden Religion hervor. Überhaupt nichts Lobensund Schätzenswertes könne am Land der alten Germanen ausgemacht werden, schließt Enea Silvio seinen kurzen historischen Abriß.73 Es sind für Enea Silvio genau die Aspekte, an denen er in der folgenden Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes die Veränderung des Landes ausmacht und die kulturelle Blüte des zeitgenössischen Deutschland unter Beweis stellen will. Enea beläßt es aber nicht allein bei diesem knappen, auf die Zeugnisse antiker Autoren gestützten historischen Abriß; er versucht diesen kulturellen Zustand des alten Germanien auch zeitlich zu verorten. Wert legt er beispielsweise auf die Feststellung, daß sich die Berichte der zitierten Autoren nicht etwa auf eine entfernte Zeit zu Beginn der Menschheitsgeschichte oder während der kulturellen Blüte Griechenlands - einer Zeit also, in der selbst in Rom davon noch wenig zu verspüren war - beziehen, sondern auf deren eigene, auf Caesars und Strabons Gegenwart, mithin auf die Epoche, in der Rom auf seinem Höhepunkt stand.74 Den Beginn einer zivilisatorischen und kulturellen Entwicklung Germaniens setzt Enea Silvio zur Zeit des Kaisers Hadrian an. Unter seiner Herrschaft sei ganz Germanien unterworfen worden.75 Ein Ende der Barbarei sei erst erfolgt, als sich die Germanen selbst aufgeben mußten, als ihr zweihundertjähriger Widerstand gegen den zunächst nur kulturell mächtigeren Nachbarn im Süden auch militärisch gebrochen worden war. Nur durch die Eroberung durch Rom, nur von außen gelang es in Germanien, einen Prozeß der Zivilisierung einzuleiten.

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für eher unwahrscheinlich, daß der Humanist die Germania zur Abfassung des Brieftraktats bereits benutzt, für die größere Schrift dies aber dann unterlassen hat. - Da es in den folgenden Kapiteln darum gehen wird, die Wirkung von Eneas Germania bei den deutschen Humanisten nachzuzeichnen, ist die Frage, ob jener die taciteische Schrift gekannt hat, nicht entscheidend und kann hier offengelassen werden. Germ. 2, 4 (S. 47; Die angesprochene Stelle ist Aristoteles: Politik, 14, 1256a). Ebd. S. 47f. Der historische Abriß kulminiert in den Worten (S. 48): Latrocinio laudi fuerunt, omnia feda, omnia tetra, aspera, barbara et, ut propriis utamur vocabulis, ferina ac brutalia. Ebd., 2, 2 (S. 46): Repetamus igitur vetusta tempora, non dicimus autJani aut Saturni aut Jovis nec rursus aut Romuli aut Camilli vel Alexandri Magni. Quibus regrtantibus incompertum nobis est, qualis fuerit Germanie facies. Gaji Cesaris etatem inspicere libet, cum ille militaret in Gallia, cum iam Christi nova per carnem nativitas instaret, cum plenitudo temporis pene adesset. Ebd., 2, 5 (S. 48): Talis tua Germania fuit usque ad Adrianum cesarem, quamvis iam cetere orbis Provincie exculte artibus ac moribus essent. Sub ilio autem imperatore tota Germanica natio in potestatem Romanorum facta est post annos ducentos, quam a Romano primum milite debellari cepta est. Exinde mitior facta civilem cultum accepit. Die völlige Besetzung Germaniens unter Kaiser Hadrian ist historisch freilich nicht korrekt. Jedoch geht es Enea in seinem Zusammenhang weniger um faktische Richtigkeit der Darstellung als um gesteigerte Aussagekraft.

254 Der einstigen Primitivität stellt Enea nun das zeitgenössische Deutschland gegenüber, indem er anhand der Größe des Landes, seiner Vielzahl von Städten, seines Reichtums und schließlich der Sitten und Kultur der Einwohner die Veränderungen aufzeigt und damit einzelne Aspekte hervorhebt, die ihren Vergleichspunkt in den Zitaten der antiken Autoren haben, selbst aber nirgends mehr auf antiken Quellen fußen. Die kulturelle mutatio ist in bezug auf Deutschland derart radikal, daß die Aussagen der antiken Autoren allein für das antike Germanien Gültigkeit beanspruchen können. Eine Quellenkritik, wie sie Biondo in der Italia illustrata vorführt, ist in einer historisch-geographischen Darstellung des Landes nördlich der Alpen ausgeschlossen: Einen die Zeiten überdauernden Zustand kann und will Enea Silvio in keinem seiner antiken Gewährstexte erkennen. Mit seinen Hinweisen auf die größere Ausdehnung des zeitgenössischen Deutschland gegenüber Germanien unternimmt Enea Silvio erstmals den Versuch, dessen zeitgenössische Grenzen zu definieren. Das Land habe sich weit über Rhein und Donau, die Begrenzungen des alten Germanien, ausgebreitet. Zu ihm gehören nun Belgien im Westen und die Schweiz im Süden, beide einst gallische Gebiete; das einstige Noricum und das Gebiet der Vindelizier, mithin die gesamten Alpen bis hin in den italienischen Süden können die Deutschen ihr eigen nennen; ganz Österreich mit Steiermark und Kärnten gehöre dazu; im Osten und Norden grenze sein Gebiet an die Weichsel und die nördlichen Meere, selbst deren Inseln - nach damaliger Auffassung wohl Skandinavien gehörten ihm an. 76 Enea entwickelt hier eine Vorstellung von Deutschland, die nicht auf den Grenzen des römisch-deutschen Reichs fußt, sondern den sprachlichen und ethnischen Realitäten entspricht. Auffällig sind nun aber die Kriterien, die Enea Silvio anwendet, um das neue Deutschland vom alten Germanien abzusetzen. Denn dieses grenzt er mit Hilfe von Flüssen und im Norden von Nord- und Ostsee ein und bedient sich damit topographischer Elemente, welche er in der antiken Literatur, namentlich bei Strabon, aber auch bei Ptolemaeus vorfand. 77 Demgegenüber macht er die erheblich größere Ausdehnung Deutschlands an anderen Beobachtungen fest, nämlich an der Sprache und darüber hinaus an Sitten und Kultur. Stichwörter, die ihm die Garanten für die Definition des Territoriums darstellen, sind lingua und mores.™ An der unterschiedlichen Methode der Abgrenzung des germanischen bzw. deutschen Gebiets zeigt sich deutlich, daß Enea Silvio hinsichtlich des gegenwärtigen Deutschlands bewußt andere Kategorien für seine Erfassung anwendet. An die Stelle topographisch eindeutiger, aber einen komplexen Grenzverlauf gleichwohl eher nur schematisch wiedergebender Linien, wie sie

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Germ. 2, 6 (S. 48f.). Die Ausdehnung Germaniens bis zur Weichsel kennt nur Ptolemaeus. Vgl. unten Kap. II.3.2.1. Vgl. z.B. Germ. 2, 6 (S.48): Belgica regio, que Gallie prius portio tertiafuit, nunc maiori ex parte Germanie cessit, lingua et moribus Theutonica.

255 Flüsse und auch Gebirge darstellen, setzt der italienische Humanist differenziertere anthropo- und kulturgeographische Kriterien.79 Erstmals angewandt hat Enea Silvio diese Kriterien in seiner zweiten Beschreibung von Basel aus dem Jahre 1438,80 in der er, ausgehend von der Feststellung, Deutschland liege inmitten der Christenheit, die Ausdehnung des Landes erstmals zu bestimmen versucht hat, und zwar über die Verbreitung der Sprache. Von Britannien, dessen Idiom er als dem deutschen äußerst ähnlich erkannte, mindestens aber von Flandern bis Österreich reiche dieses Land aufgrund einer einheitlichen, nur dialektal unterschiedenen Sprache.81 Sie dient ihm zum Nachweis der gegenüber der Antike größeren Ausdehnung des Landes, wenn er Basel82 und andere linksrheinische Städte, die im Altertum der Gallia zugerechnet worden seien, allein aufgrund des Sprachgebrauchs zu Deutschland rechnet.83 Das Kriterium des Idioms erlaubt es ihm schon in seiner zweiten Baselbeschreibung, die zeitgenössische Ausdehnung der Germania immer wieder als historisch gewordene vorzustellen. Der in der Germania folgende eigentliche Beweis der kulturellen Blüte Deutschlands ist im wesentlichen eingebettet in eine Reise durch seine wichtigsten Städte. Die von Enea Silvio im alten Germanien vermißten Gärten und Weinberge, des weiteren die aus Stein erbauten Städte seien hier nun allenthalben vorhanden.84 Und sie existierten nicht nur, sie würden an Pracht und 79

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Wenngleich sich Flavio Biondo in seiner Italienbeschreibung vorrangig an Flüssen und Gebirgszügen orientiert und die damit verbundene Problematik einer eher vergröbernden Wiedergabe des zu beschreibenden Raums immer wieder anspricht, rekurriert auch er bisweilen auf das Kriterium der Sprache, wenn er die Italia von ihren Nachbarn abgrenzen will. Zu Absicht und Inhalt der als Brief verfaßten Baselbeschreibung sowie zu ihrem Verhältnis zum ersten, 1432 entstandenen Basel-Brief siehe unten Kap. 1.3.3.1. Siehe auch Widmer: Enea Silvios Lob der Stadt Basel. AEN. SlLV. BW Nr. 28, S. 86f.: Ceterum si Flandrensem tecum in Angliam duxeris aliquando non inepte ipso utereris interprete, adeo namque vicinis inter se verbis utuntur, ut sine ullo negotio in alterius linguam alter concédât. Scotus vero, quantum ego meisfatis in earn plagam deductus perpendi, non plus ab Anglico quam Australis a Bavaro distai, ut hanc Teutonicam linguam nexu et concatenatone quadam ab Austria usque in Scotiam facile productam videos. Im Anschluß daran versucht Enea gar eine Erklärung für die Ähnlichkeit der englischen mit der deutschen Sprache zu geben, indem er auf die Eroberung der Insel durch die Sachsen hinweist, die den sermo Theutonicus auf die Insel gebracht hätten. Ebd., S. 86: Et quia sicuti veteribus placuit Gallie fines Rodanus et Oceanus ac rursus Pirenei montes et Renus [!] efficiunt, Basileam constat satis Gallici esse soli, et licet hodie dicatur Bisuntine Provincie, non tarnen ejusdem nationis habetur, sed, ut sermo Germanus est, nationis etiam Germanice urbem dicunt. Vgl. ebd., S. 88: Hune olim fluvium et Germani et Galli bibebant suamque quisque ripam tenebat, hodie vero totus est Theutonicus, nec usquam Reni ripas sermo contingit Gallicus, ejusque rei Ottonis, ut ego puto, auctor potentia fuit. Es folgt ein knapper historischer Abriß über die Machtausdehnung der deutschen Könige über den Rhein hinaus. Dieser kleine Abschnitt gliedert die Beschreibung des Rheinlaufs in zwei Teile, einmal von der Quelle bis Basel, dann von Basel bis zur Mündung. Germ. 2, 7 (S. 49): Nam agros ubique cultos videmus, novalia, viñeta, viridaria, violaría, pomario rustica et suburbana, edificio plena delitiis, villas amenissimas, arces

256 Sauberkeit die Städte anderer Länder bei weitem übertreffen, schmeichelt Enea.85 Bei der Aufzählung der Städte beginnt er mit den westdeutschen, folgt dann dem Lauf der Donau, beschreibt die Städte der Schweiz, Bayerns und Österreichs und wendet sich dann dem Norden zu. Diese Abfolge reflektiert auch Eneas eigene Kenntnis der deutschen Städte, die sich auf West- und Süddeutschland (mit Österreich) beschränkte. Bei den einzelnen Städten gibt sich Enea sodann entweder mit der Nennung des bloßen Namens oder aber mit wenige Bemerkungen zur Lage und einem knappen Lob auf die betreffende Stadt zufrieden. Das Land, das Enea in seiner Germania vorstellt, konstituiert sich als Ansammlung von Städten; die dazwischenliegenden Landschaften in ihrer geographischen Struktur sind von geringem Belang.86 Die Reise durch Deutschland ist eine Fahrt von Stadt zu Stadt, ihre Beschreibung - wenn auch in knappster Form - Städtelob hinter Städtelob. Den Abschluß des zweiten Buchs bilden Hinweise auf den Reichtum des Landes an Bodenschätzen sowie daraus folgend auf die Finanzkraft der Bürger, des weiteren auf die vorbildliche politische Verfassung des Reichs und seines Militärwesens. Als Beispiele für die Sitten und die Kultur der Gegenwart gelten Enea Silvio das Rechtsbewußtsein und die juristischen Studien, schließlich vor allem die Vielzahl der Universitäten. All dies zeige, daß von der alten Barbarei keine Spur mehr zu finden sei.87 Neben dem Nachweis aber, daß die kulturelle Blüte des zeitgenössischen Deutschland den Endpunkt einer positiven mutatio darstelle, sieht Enea Silvio auch negative Entwicklungen seit der Zeit Karls des Großen, der Ottonen und der Staufer,88 die sich durchaus im Verlust von Größe und Bedeutung manifestierten, für die er jedoch nicht die Kurie, sondern die Deutschen selbst verantwortlich macht, da sie ihrer alten Tugenden verlustig gegangen seien, zu denen er besonders militärische Tapferkeit zählt.89 Enea Silvio spricht damit Eigenschaften an, die den Germanen in seinen Quellen zugeschrieben werden, und

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in montibus sitas, oppida muris cincia, splendidissimas urbes, quas plerumque maxima preterlabuntur flumina auf amnes ambiunt limpidissimi lapidéis auf ligneis pontibus permeabiles. Ebd., 2, 16 (S. 56): Quod siquis ad verum loqui voluerit, fatebitur nullam esse in Europa nationem, cuius urbes mundiores aut aspectu letiores quam in Germania sint. Nur der Hinweis auf die Kultiviertheit der Landschaft in ihrer Gesamtheit ist bei Enea zu finden. Germ. 2, 18-27 (S. 57-65). Den Unterschied zwischen Germanien und Deutschland pointiert Enea auf witzige Weise in der Bemerkung, daß ein Germane, wenn er aus seinem Grabe wiederaufstünde, seine eigene Heimat nicht mehr erkennte. Vgl. ebd., 2, 28 (S. 66): At cum terram inspicerent [sc. veteres Germani] et hinc florentes urbes, inde mores hominum placidos et agrorum culturam et sacrorum cerimonias inspicerent, negarent suam esse patriam, cuius faciem non cognoscerent. Ebd., 2, 29f. (S. 66f.). Diese Qualität hat der Kardinal insbesondere in bezug auf einen erneuten Kreuzzug immer wieder betont. Vgl. dazu auch die Rede auf dem Regensburger Reichstag, sowie Dokumente anderer, die in die gleiche Richtung gehen, wie die Rede des Giannantonio Campano auf dem Frankfurter Reichstag zum gleichen Anlaß. Siehe Ridé: Deux prélats italiens, S. 231-235 und Krapf: Germanenmythus, S. 49-60.

257 ergänzt seine Ausführungen zur kulturellen mutatio Deutschlands um die Klage über eine selbst verschuldete mutatio im Volkscharakter der Deutschen, wo der zukünftige Papst lieber Kontinuität erkennen würde. Enea Silvios Bild der germanischen Vergangenheit gestaltet sich damit als durchaus differenziert. Neben der kulturellen Primitivität sieht er bei den Germanen durchaus auch Wesensmerkmale verwirklicht, deren kontinuierliche Pflege den Deutschen eher zum Ruhm gereichen würde.90 Enea gelingt es mit dem zweiten Buch des Brieftraktats an Martin Mayer Beschreibungsmuster seiner zweiten Baselbeschreibung dabei weiterführend Deutschland als geographische, ethnische, sprachliche, kulturelle, historische und politische Einheit zu zeichnen. In der Einheit des Volkes, in der Sprache und der Kultur nimmt Enea die Idee einer deutschen Nation vorweg und gibt den deutschen Humanisten eine Folie, an die sie anknüpfen können. Die Germania wurde erstmals 1496 in Leipzig gedruckt.91 Erst hier, in dieser in Deutschland weitverbreiteten Editio princeps, erhält der Brieftraktat einen Titel, der sich auf das zweite Buch bezieht92 und sich wohl an die Germania des Tacitus anlehnt: De ritu, situ, moribus et condicione Theutonie description Ein auf Seite Aar unterhalb des Titels befindliches Epigramm Ad Lectorem von zwei Distichen Länge verdeutlicht die Β lick Verengung und die Rezeptionsrichtung bei diesem Text. Der Inhalt des Traktats wird auf das zweite Buch eingegrenzt. Demzufolge könne man in ihm über die Sitten der Deutschen, ihre Städte, ihre Religion usw. unterrichtet werden.94 Das zweite Buch zeichnet sich durch erheblich dichtere gedruckte Randglossen aus, die auf jede erwähnte Stadt bzw. auf den Inhalt verweisen. All dies verdeutlicht die gewollte Leserführung und wird der vorherrschenden Rezeptionsweise der Leser dieser Schrift entsprochen haben, die insbesondere das zweite Buch zur Kenntnis genommen haben. Weniger die kirchenpolitische Auseinandersetzung, die Anlaß für die Abfassung der Schrift war, als vielmehr die Beschreibung Deutschlands als hochentwickeltes Land machte das Interesse an ihr aus. 90

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Damit stellt Enea Silvio zwei unterschiedliche historische Entwicklungsmodelle mutatio und Kontinuität - nebeneinander und weist ihnen Gültigkeit für verschiedene Bereiche in der Geschichte Deutschlands und seiner Bevölkerung zu. Hain 249. Enea Silvio hatte dem Traktat keinen Titel gegeben. Im Autographenkodex Vat. Lat. 3886 liest man von einer Hand des 16. Jahrhunderts: Aeneas Cardinalis Sande Sabine ad objectiones Germanorum, in einer Kopie dieses Kodex (Vat. Lat. 3885): De statu Germanie et his, que per earn nationem objiciuntur Sánete Sedi Apostolice et quomodo omnibus rectissime respondeatur (Alle Titel zitiert nach Schmidt: Deutschland, S. 8). Das zweite Buch mit seiner Deutschlandbeschreibung findet sich auf [C iiij]', Z. 25 bis E ijv, Z. 26. Während das dritte Buch eindeutig markiert ist durch eine Randglosse liber tercius, wird der Beginn des zweiten Buches nur durch ein Rubrum mitten in der Zeile angezeigt. Ad Lectorem. / Germanos mores vrbes et religionem / Climata theutonici et flumina cuneta soli / Nomina que gentis quam clara alemana potestas / Hic legis Eneas quod pius ipse dedit (Enea Silvio: De ritu, situ, [Aa]r. Diese Verse fehlen in der Edition von Schmidt).

258 2.3.2. Die »Europa«: Enea Silvios Kritik am Fehlen geographischer Texte über Deutschland

antiker

Kurz vor seiner Wahl zum Papst am 18. August 1458 legte Enea Silvio eine weitere historisch-geographische Schrift vor, die diesmal ganz Europa in den Blick nahm. 95 Die aufgrund dieses Beschreibungsrahmens heute in der Forschung Europa genannte Schrift versteht sich dem Titel nach, den die Handschriften sowie daraufhin die Druckeditionen zeigen, und den Aussagen Enea Silvios zufolge als Darstellung europäischer Geschichte in der Epoche Friedrichs III.96 In ihr untergliedert Enea Silvio Europa in einzelne Regionen und ordnet die historischen Ereignisse, die er berichtet, den Gebieten zu, in denen sie geschehen sind. Geographie Europas und historische Beschreibung gehen hier ineinander über. Die Europa orientiert sich bezüglich ihres Aufbaus sichtlich an der Italia illustrata des von Enea Silvio eher kritisierten Flavio Biondo 97 und überträgt deren Konzept auf ein größeres Territorium. Wenn dieser in Italien einen historisch gewachsenen und kulturell zusammengehörigen Raum erkennt, liegt für Enea Silvio die Gemeinsamkeit der Regionen, die er vorstellt, in ihrer Zugehörigkeit zur christianitas, die von den Eroberungen der Türken bedroht ist. 98 In enge Beziehung zu Biondos Œuvre tritt die Europa überdies, indem sie sich in gewisser Weise auch als Konkurrenzunternehmen zu Biondos Historiarum

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Zur Entstehung siehe zusammenfassend Voigt: Italienische Berichte, S. 149f., zur Überlieferung S. 149, Anm. 279. Enea schickte die Europa dem Kardinal Antonio de la Cerda im April des genannten Jahres zur Begutachtung zu, woraus sich ein ziemlich genauer terminus ante quem ergibt. Vgl. Voigt: Italienische Berichte, S. 149 mit Anm. 279. Enea Silvio berichtet im Widmungsbrief an den Kardinal Antonio de la Cerda, daß er von einem deutschen Buchhändler ein Buch über die deutschen Kaiser bis zu Karl IV. bekommen habe und ihm schließlich aufgefallen sei, daß auch Friedrich III. eine Würdigung verdiene. So habe er beschlossen die Schrift zu verfassen (Eur. S. 83 [Praefatio]): At cum subirei mentem, multa et magna inter Christianos gesta esse ab eo tempore, quo Fridericus imperium accepit usque in hanc diem; opusculum seorsum edere statui, in quo singularia quaedam eius temporis sub compendio ad posteritatis memoriam transmitterem, digna memoratu. Edidi igitur breuem historiam, tuoque nomini dedicaui. Zur Ähnlichkeit beider Schriften siehe Voigt: Italienische Berichte, S. 150. Zur Kritik Enea Silvios an Biondo vgl. u.a. Commentarii, Bd. 2, S. 712: Extant et alia Blondi opera [neben den Historiarum decades] non parve utilitatis, quamvis caute legenda sunt, ne falsa pro veris accipias; in pluribus enim errasse deprehenditur. Einziges Kapitel der Europa, das aus der geographischen Struktur der Schrift herausfällt, ist ein umfangreicher Abschnitt über den Ursprung und die Geschichte der Türken, insbesondere über die Einnahme Konstantinopels (Caput IV: De Turcorum origine, et bellis in Hungaria: et occupata per eos Constantinopoli. [Eur. S. 91100]). Enea Silvio sah kirchenpolitisch den Kampf gegen die Türken, die die Christenheit bedrohten, als seine vorrangige Aufgabe an. Die Europa dürfte der literarische Reflex auf diese Einstellung sein. Die Bedrohung des christlichen Europas durch die Türken als zentralen Aspekt der Europa arbeitet Guida: Enea Silvio Piccolomini e l'Europa Orientale, heraus. Siehe auch Helmrath, Johannes: Pius II. und die Türken (dort Hinweise zu zahlreicher weiterführender Literatur).

259 decades verstehen läßt. Diese hatte Enea Silvio nicht nur als zu wortreich kritisiert," sondern er hatte auch Kurzfassungen von deren erster und zweiter Dekade verfaßt. Eine Bearbeitung der die Zeitgeschichte umfassenden dritten Dekade unterließ er jedoch; sie sollte durch seine Europa ersetzt werden. Die in der Italia illustrata erstmals in einem historischen Werk angewandte geographische Struktur dient in der Europa folglich nicht der Rekonstruktion einer fernen Vergangenheit sondern, von Ausnahmen abgesehen, der Darstellung zeitgeschichtlicher Ereignisse und ihrer Schauplätze. Unterscheiden sich beide Werke hinsichtlich der historischen Epochen, die ihr Gegenstand sind, zeigen sie doch auffällige Ähnlichkeiten in der Konstruktion der für sie relevanten geographischen Räume und deren historischer Herleitung. Dies hat fundamental mit der Methode geographischer Darstellung zu tun, die sich auf die Exegese antiker Texte stützt und die bereits bei Biondo beobachtet werden konnte. Im Falle des mittel- und nordeuropäischen Raumes radikalisiert sich das von Biondo diskutierte Problem der Brauchbarkeit antiker topographischer Darstellungen für die Abbildung von Räumen der Gegenwart jedoch erheblich. Die Behandlung der einzelnen Länder und Regionen, denen Enea Silvio von Südosten über Mittel- und Nordeuropa nach Westen nachgeht, folgt einem einheitlichen Prinzip. Zunächst bemüht er sich das Land einzugrenzen, indem er Grenzgewässer, benachbarte Länder oder Volksschaften, teilweise auch genauere Abmessungen nennt, worauf eine Erwähnung wichtiger Städte folgt.100 Hinweise zur Topographie des Landes fehlen. Hierauf geht er, wo möglich, auf die Siedlungsgeschichte ein, meistens verbunden mit Anmerkungen zur Eroberung durch die Römer oder zur Übernahme des Christentums.101 Schließlich 99

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Commentarli, Bd. 2, S. 711 f.: Opus certe laboriosum et utile, verum expolitore emendatoreque dignum. Procul Blondus ab eloquentia prisca fuit ñeque satis diligenter, que scripsit, examinavit: non quam vera, sed quam multa scriberet, curam habuit. Si quis aliquando vir doctus scribendi peritus opera eius emendare atque ornare decreverit, haud parum utilitatis posteris afferei et se ipsum clarum efficiet multarum etatum gestis, que propemodum sepulta sunt, in lucem redditis. Z.B. zu Schlesien (Eur. S. 112): Slesia post Morauiam sequitur, haud ignobilis prouincia, quamfluvius Oderà perlabitur, inter amnes Germaniae late cognitus, fontes eius in Hungaria quae Silesiae ad orientem iungitur. Mare Baltheum cursum terminât: longitudo regionis cc. ferme passuum millia [!] continet: latitude circiter LXXX. stadia; caput gentis Vratislauia est, amplissima ciuitas, ad ripam Oderae sita, priuatis ac publicis aedificiis magnifice ornata. Z.B. zu Ungarn (Eur. S. 84): Hanc prouinciam [sc. Hungarorum] quatentus citra Istrum extenditur, sub Octauiano Caesare Romani primum obtinuere, Bachone Pannoniorum rege subacto, & Amantinis inter Savum & Drauum fluvios prostratis. [...] Post Romanos aliquando Hunni Scythica gens, aliquando Gothi ex insulis Balthei maris populi, deinde Longobardi ex Germania profecti Pannoniam occupauere. Postremo Hungarorum natio ex vltimis Scytharum finibus inundauit: quae vsque in hanc diem regno potitur, ά vitra citraque Istrum late dominatur. Den Ubertritt zum Christentum thematisiert er bei den Sachsen und erwähnt in diesem Zusammenhang die Bedeutung Karls des Großen (ebd., S. 119): Carolus M. imperator multa cum Saxonibus bella gessit, priusquam Christi cultum reciperent: eosque magnis afflixit cladibus. Postquam vero deficiente apud Francos Caroli Magni genealogia, Romanum imperium ad Teutones Orientales rediit, Saxonum aucta dignitas est: inter quos

260 wendet er sich seinem historischen Anliegen zu: den Ereignissen, die sich in jüngerer Vergangenheit in der betreffenden Region zugetragen haben.102 Eine detaillierte Reise durch die einzelnen Länder, wie sie Biondo in seiner Italia illustrata unternimmt, findet aber nicht statt. Ähnlich den siedlungsgeographischen Hinweisen, werden die Versuche, die Ausdehnung der Regionen zu bestimmen, von einer Diskussion um deren historische Veränderungen begleitet. Diese nimmt ihren Ausgang bei einer Kritik der antiken geographischen Überlieferung, vor allem von Aussagen der Autoren Ptolemaeus und Strabon,103 und wird fallweise - besonders im Hinblick auf Deutschland, das Enea Silvio gut kannte - durch eigene Kenntnisse oder aber durch Berichte verschiedener Informanten ergänzt.104 Geographische Beschreibung wird auch hier, wo es evident um die zeitgenössische Gestalt des Landes geht, wie in Biondos Italia illustrata historisch, und das heißt ausgehend von den antiken Quellen, hergeleitet. Problematisch wird ein solches Vorgehen, das sich wesentlich auf Überlieferung stützt, jedoch für jene Regionen Europas, die der Antike nicht oder allenfalls wenig bekannt waren und über die daher kaum Informationen in antiken geographischen Werken eingeholt werden können. Dies gilt bereits für einen gewissen Teil Deutschlands, dem sich Enea Silvio im Anschluß an das südöstliche Europa zuwendet und dessen Regionen er - einschließlich Österreichs und der Schweiz - von Südosten über den Norden nach Westen durchmißt.105 Diese Kapitel zeichnen sich durch eine sehr einläßliche Beschreibung

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plures Imperatores fuere, singulari prouidentia & rerum gestarum magnitudine clari. Eroberung durch die Römer und Übernahme des Christentums scheinen Enea Silvio die entscheidenden historischen Ereignisse zu sein, die die Einheit des Kontinents konstituiert haben. Einziger ausführlicher historischer Abriß - abgesehen vom Kapitel über die Türken und damit auch einzigartig in der Europa, ist der Bericht von der trojanischen Abkunft der Franken, den er in dem ihnen gewidmeten Kapitel gibt (Eur. S. 127-129). Bestes Beispiel für die Regionen Deutschlands ist das Kapitel über Westfalen, in dem Enea Silvio in bezug auf die dortige Bevölkerung ausführlich die Zeugnisse von Strabon und Ptolemaeus diskutiert (ebd., S. 126): Quomodo autem cultores huius terrae vocauerit antiquitas, difficile dictu est, discordantibus auctoribus. Strabo vicinos Rheni accolas hoc loco Sycambros appellare videtur: qui duce Milone cum Romanis bella gessere, victique datis obsidibus pacem obtinuere, quamuis calcata fide ac proditis obsidibus rebellarunt. Ptolemaeus quoque a parte primum septentrionali Germaniae circa Rhenum fluuium Bussactores habitare tradii, Paruos appellatos, Sicambros, Oquenos, & Longobardos, inuenio apud Strabonem circa Amasim fluuium Bructeros habitasse, quos Drusus nauali prœlio superauit. Bezeugt sind derartige Informationsbeschaffer nicht. Voigt: Italienische Berichte, S. 153, Anm. 293 vermutet für die Beschreibung Thüringens und Sachsens Marinus de Fregeno als Gewährsmann, da dieser selbst eine kleine Beschreibung Deutschlands verfaßt hat, die den angesprochenen Abschnitten der Darstellung Enea Silvios sehr ähnlich ist. Daraus schließt er, daß es weitere Vermittler geographischen Wissens gegeben haben muß. Ein Bild von Deutschland in seiner Gesamtheit gibt Enea Silvio damit freilich nicht, da die einzelnen Regionen nebeneinander stehen, so daß sie nicht zu einem übergeordneten Raum zusammengefaßt werden können. Dies ist auch deswegen nicht

261 aus, so daß die einzelnen Gegenden in Enea Silvios Europa erheblich mehr geographische Kontur erhalten, als dies in seiner Germania der Fall war. Diese durchaus augenfällige Ausführlichkeit, mit der sich Enea Silvio den Regionen Deutschlands zuwendet, übertrifft in der Regel die Aufmerksamkeit, die anderen Teilen Europas, vor allem Westeuropas, zuteil wird.106 Zwar kann im Aufbau der Schrift insgesamt eine gewisse Ungleichmäßigkeit beobachtet werden, die als Indiz dafür gewertet worden ist, daß sie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung noch unvollendet war.107 Die eingehende Behandlung der meisten deutschen Regionen, insbesondere der nördlichen und östlichen, liegt aber nicht allein darin begründet, daß diese Partien einen höheren Grad an Abgeschlossenheit für sich beanspruchen können; vielmehr ist ihre Länge vom Autor intendiert. Denn Enea Silvio rechtfertigt sich selbst am Ende der Kapitel über Sachsen und Thüringen für die ungleich ausführlichere Beschreibung dieser Gegenden, und dies mit den Worten:108 Excessimus scribendi modum Saxoniae ciuitates nominatim commémorantes. Id fecimus, quia veteres scriptores parum de Germania locuti sunt, & tanquam extra orbem ea natio jaceret, somniantes quodammodo res Germánicas attingunt: Ob eam rem dabitur mihi venia, fortasse & aliquis gratiam habebit, si Germánicas describentes prouincias, vt res oculis subjiciamus, paulo prolixiores fuerimus, propositi nostri metas egressi.

Enea Silvios abundante Ausführungen sind folglich die Antwort auf den Mangel an hinreichenden antiken Quellen, die sich zu Deutschland äußern. Dies gilt gerade für jene Gegenden östlich und nördlich der Elbe, die den antiken Geographen vollständig unbekannt waren und die nun hier in der Europa die größte Aufmerksamkeit des Autors für sich beanspruchen können.109 Das Zitat legt mithin offen, daß Ausgangspunkt und Rechtfertigung für eigenes Beschreiben mangelnde Verfügbarkeit von Überlieferung ist, aus deren Informationen sich ein Raum konstruieren ließe. Erst deren Fehlen gibt ihm den Anlaß, selbständig tätig zu werden. So sind in der Europa Regionen wie beispielsweise Westfalen,

möglich, weil Enea Silvio Polen, das Baltikum und Skandinavien an passender Stelle zwischen die deutschen Regionen einfügt. Es scheint Enea Silvio eher um Mittel- und Nordeuropa als Einheit zu gehen. Wenn Deutschland allerdings im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich (De Franciae regno [Eur. S. 135-137]), die als zusammengehöriger Raum beschrieben werden, nicht als Einheit erscheint, könnte das auch an der heterogenen politischen Organisation des Reichs liegen. Es scheint Enea Silvio noch an Kriterien zu fehlen, Deutschland als einheitlichen Raum zu erkennen. 106 Ausnahmen bilden die Regionen: Suevia, Helvetia, Alsatia, Othlandia. Diese Abschnitte umfassen in der Ausgabe von Freher/Struwe zusammen nur etwas mehr als eine Seite (S. 133f.). 107 Voigt: Italienische Berichte, S. 149f. •08 Eur. S. 122. 109 Die Ursache für die Ausführlichkeit der Beschreibung allein in der Tatsache suchen zu wollen, daß Enea Silvio, abgesehen von seiner Heimat, kein Land so gut kannte wie das nördlich der Alpen, führt für die Europa im vorliegenden Zustand nicht zum Ziel, weil gerade die Gegenden in der Europa äußerst knapp abgehandelt werden, die Enea Silvio aus eigener Anschauung geläufig waren.

262 für die Enea Silvio einige antike Informationen besaß, um sich eine geographische Vorstellung von ihrer Ausdehnung zu machen, von solchen wie etwa Sachsen zu unterscheiden, die bei den antiken Geographen keine Beachtung fanden und auf die sich das obige Urteil in erster Linie bezieht. In der Germania hatte Enea Silvio kulturgeographische Aussagen antiker Autoren über Germanien kontrastiv neben die Beschreibung des zeitgenössischen Deutschland gestellt. Die alten Quellen sollten da einen Zustand barbarischer Primitivität beschreiben, der mit dem zivilisierten Land der Gegenwart nichts mehr zu tun hat. Die Informationen, die er seinen antiken Quellen entnahm, wurden deutlich einer vergangenen Zeit zugewiesen. Mit seinen Hinweisen, daß die Ausdehnung des Landes nicht mehr dem entspreche, was die Alten mit Germania bezeichnet haben, sondern erheblich darüber hinausgehe, bewertete er auch die rein geographischen Aussagen der antiken Überlieferung implizit als zeitgebunden. In der Europa führt diese Erkenntnis zur fallweisen kritischen Diskussion dieser Quellen, die es bisweilen zu korrigieren gilt.110 Was Enea Silvio in seiner großen Darstellung Europas aber überdies feststellt, geht ungleich weiter: Er macht eine Wissenslücke bezüglich einiger Gegenden Deutschlands aus, die sich aus der beschränkten Quellenlage ergibt; daher kann er sie nur mit dem Wissen seiner eigenen Anschauung und dem seiner Mittelsmänner füllen. Wer da allerdings die Schriftsteller des Altertums auf diese Weise kritisiert, dem fehlen die Informationen nicht nur zur Darstellung der antiken Zeit, der sieht diese ganz offensichtlich auch als primäre Informationsquelle für eine Beschreibung der zeitgenössischen Zustände an. Denn das, was Enea Silvio in den Partien über Sachsen und Thüringen besonders ausführlich behandelt, ist die Gestalt dieser Regionen in seiner Gegenwart mit ihren Grenzen, ihren Städten und ihrer Bevölkerung; er bemüht sich nicht etwa um eine eigene Archäologie von deren Geographie. So steht Enea Silvio vor einem weitaus größeren Problem als Flavio Biondo. Während diesem eine recht reichhaltige antike geographische Literatur zu Italien wenigstens kritisch zu durchleuchtender Ausgangspunkt für eine Beschreibung des zeitgenössischen Italien sein konnte, fehlt es Enea Silvio weitestgehend an solchen Zeugnissen aus der Antike. Wenn er nun diesen Mangel durch eigene Studien und zumal durch seine eigenen Kenntnisse von diesem Lande beheben will, ist das nicht mehr nur Korrektur. Es ist, von Ausnahmen abgesehen, eine selbständige, sich nicht auf Quellen berufende Beschreibung. Mit dem Befund, daß die antiken geographischen Texte zu Germanien einen kulturellen Zustand abbilden, der dem zeitgenössischen nicht mehr entspricht (Germania), und daß überdies die alten Autoren das Land nördlich der Alpen vernachlässigt

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Vereinzelt finden sich auch Korrekturen von Aussagen antiker Autoren, die kulturgeographische Beobachtungen enthalten (z.B. Eur. S. 132 [über Bayern]): Neque deserta regio (vt Strabo tradit; quod suo fortasse tempore fuit) nunc cultissima est, magnas ac ambitiosas ciuitates habens, ά oppida nobilissima, quorum splendorem nescimus tota Europa, quae vincere possint.

263 haben (Europa), hat Enea Silvio eine Bewertung der antiken historisch-geographischen Quellen zu Germanien/Deutschland vorgenommen, die die Rezeption der alten Autoren bei den deutschen Humanisten, wie noch zu zeigen sein wird, maßgeblich beeinflußte.111

2.4. Antike »auctoritas« und zeitgenössisches Wissen - Zur Erweiterung des Quellenkorpus im 15. Jahrhundert und dessen Bewertung Die besprochenen Schriften Flavio Biondos und Enea Silvio Piccolominis nehmen in ihrer Zeit die Position eines Anfangs ein. Biondo reflektiert in der Italia illustrata eingehend die Methode seiner Darstellung; Enea Silvio ist mit seinen Schriften Pionier der Landesbeschreibung nördlich der Alpen. Beider Schriften sind Ausdruck eines verstärkten Interesses an Geographie im 15. Jahrhundert, das durch die erstmalige Verfügbarkeit von Werken griechischer Autoren ebenso begründet wie daraufhin gefördert wird. Der Übersetzung der Geographie des Ptolemaeus ins Lateinische durch Jacopo Angeli da Scarperia kommt das Verdienst zu, diese Entwicklung angestoßen zu haben.112 Jacopo Angeli gehörte im Florenz des beginnenden 15. Jahrhunderts zu den ersten, für die ein Interesse an griechischen Handschriften bezeugt ist." 3 Dies und das Verlangen, das Griechische zu erlernen, bewogen ihn, um 1395 nach Konstantinopel zu gehen, wo er Manuel Chrysoloras kennenlemte, der sein Lehrer wurde. 1397 konnte Jacopo Angeli ihn überzeugen, ihm nach Florenz zu folgen, wo sich um den Griechen ein Kreis an antiker griechischer Literatur interessierter Humanisten bildete. Unter den Handschriften, die Chrysoloras mit nach Florenz brachte, war auch ein Manuskript der ptolemäischen Geographie, die er ins Lateinische zu übersetzen begann, wobei er die Übertragung jedoch nicht vollendete.114 Dies tat schließlich Jacopo Angeli, inzwischen apostolischer Sekretär an der Kurie in Rom, zwischen 1406 und 1410, ermuntert durch den damaligen - griechischen - Papst Alexander V., dem die Übersetzung denn

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Aussagekräftig ist die Widmung von Michael Christian aus Konstanz an den Konstanzer Bischof Otto in der ersten gedruckten Ausgabe der Europa (Eneas Silvius Piccolomini: In Europam, [Memmingen: Albrecht Kunne, nicht nach März 1491]). Darin heißt es (ebd., [a]v): Perlustranti mihi colendissime presul eos qui de cosmographia scripserunt Ptholomeum! Strabonem/ Plinium/ Mellam! Diodorum Siculum/ Dyonisium alexandrinuml Solinum. [...] Nemo vnquam articulatiusl tanta copia et familiaritate: Europam absoluisse videtur: quam Aeneas Siluius. Enea Silvio ist derjenige, der, in eine Reihe mit antiken Geographen gestellt, erstmals ganz Europa ausführlich beschrieben hat. Über Jacopo Angeli da Scarperia informiert ausführlich Weiss: Jacopo Angeli. Siehe des weiteren Bagrow: Geschichte der Kartographie, S. 63f. Allgemein zur Rezeption griechischer Schriften in Florenz siehe Zintzen: Grundlagen und Eigenarten, S. 9-15 und passim. Weiss: Jacopo Angeli, S. 811 vermutet, daß Chrysoloras Jacopo Angeli das unfertige Manuskript übergab, bevor dieser an die Kurie nach Rom ging.

264 auch gewidmet ist.115 Auf ihn geht im übrigen auch die Änderung des ursprünglichen Titels Geographia in Cosmographia zurück.116 Die geographische Schrift des Ptolemaeus ist ein frühes und prominentes Beispiel dafür, daß sich das Interesse der italienischen Humanisten an antiker Literatur auch auf Werke mathematischen und im weiteren Sinne naturwissenschaftlichen Inhalts richtete; sie ist aber nur ein Beispiel unter mehreren. Diese zumeist griechischen Schriften gelangten durch den seit Beginn des 15. Jahrhunderts einsetzenden Austausch zwischen dem von den Türken bedrohten Konstantinopel und Italien, zumal Florenz, auf die Apenninenhalbinsel.117 Dadurch erweiterte sich das Korpus mathematisch-naturwissenschaftlicher Literatur erheblich, da vormals lediglich Euklid und Archimedes in lateinischer Übersetzung zugänglich waren.118 Die Verfügbarkeit antiker griechischer Literatur119 erzeugte ein vermehrtes Interesse am Erlernen der griechischen Sprache zur Lektüre der Originale; jedoch machten erst lateinische Übersetzungen der gewissermaßen neu entdeckten Werke diese einem breiteren Publikum zugänglich. Auf dem Gebiete der Geographie ist neben Ptolemaeus noch die Übertragung der Geographika des Strabon durch Guarino von Verona zu nennen.120 Die Erdbeschreibung des griechischen Geographen aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. wurde den Humanisten auf dem ökumenischen Konzil in Florenz, das in den Jahren 1439—40 stattfand, bekannt. Unter den zahlreichen griechischen Gelehrten, die die kirchlichen Würdenträger der Ostkirche begleiteten, war auch Georgios Gemisthos Plethon, welcher das Werk des Strabon mit sich führte und den Florentiner Humanisten zugänglich machte.121 Neben diesen neu zugänglichen Texten waren auch die Karten, die mit der Kosmographie des Ptolemaeus überliefert wurden, von großer Wirkung. Sie zeigten erstmals die antike Sicht auf die Ökumene und leiteten darüber hinaus

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Die Handschrift der Übersetzung ist erhalten im Cod. Urbinas Graecus 82. De Smet: L'évolution de la cartographie, S. 76f. Die Florentiner Humanisten feierten in der »Wiederkehr« auch der griechischen Literatur die Vollendung der Renaissance. Vgl. Worstbrock: Geschichtliches Selbstverständnis, S. 501-503. Zur Rezeption griechischer mathematischer Schriften in Italien, besonders in Florenz, siehe Rose: The Italian Renaissance of Mathematics, bes. S. 26-75. Zum zunehmenden Interesse an griechischer Literatur im Italien des 15. Jahrhunderts siehe auch Wilson: From Byzantium to Italy. Bei den Werken, die den italienischen Humanisten bekannt wurden, handelt es sich freilich nicht nur um mathematische oder naturwissenschaftliche Literatur, die für den hier behandelten Zusammenhang von alleinigem Belang ist. So hat beispielsweise der erwähnte Jacopo Angeli da Scarperia neben der Ptolemaeus-Übersetzung auch Plutarchs Brutus-Vita ins Lateinische übertragen (siehe Weiss: Jacopo Angeli, S. 822-824). Mit dem Schicksal von Strabons Werk im 15. Jahrhundert und dessen Übersetzung durch Guarino Veronese hat sich die Forschung nicht annähernd so intensiv auseinandergesetzt wie mit der ptolemäischen Geographie. Siehe grundlegend Sabbadini: La tradizione Guariniana di Strabone. De Smet: L'évolution de la cartographie, S. 77. Zu Plethon siehe Blum: Georgios Gemisthos Plethon, S. 1-91 sowie Woodhouse: George Gemisthos Plethon.

265 durch die Abbildung einzelner Länder dazu an, auch Teilräume der Erde wahrzunehmen. Sie vermittelten einen deutlichen Eindruck von der Gliederung der Erde, was mittelalterliche Karten allenfalls nur andeutungshaft vermochten. Die beiden aus Byzanz importierten und durch Übersetzung ins Lateinische weithin zugänglich gemachten geographischen Werke des Ptolemaeus und des Strabon bereichern ab der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts das Korpus der bekannten - lateinischen - Literatur, die Auskunft über die Geographie der Welt oder deren Teile gibt, so vor allem Plinius' Naturalis historia, Pomponius Melas Chorographie und die entsprechenden Partien in den Etymologiae des Isidor von Sevilla. So liegt die Bedeutung der beiden griechischen Werke in der Erweiterung der Kenntnis von der Welt, und diese Erweiterung ist, auf die gesamte damals bekannte Welt bezogen, beträchtlich. Die Geographika des Strabon übertrafen die anderen bekannten Werke an Ausführlichkeit um ein Vielfaches, und mit den Karten des Ptolemaeus gelang es erstmals, sich ein umfassendes räumliches Bild von der Erde zu machen. Das vielleicht noch wichtigere Verdienst dieser beiden Schriften aber ist, daß sie offensichtlich ein Interesse an geographischen Fragestellungen, an der Gestalt des menschlichen Lebensraumes insgesamt geweckt haben: Geographie wurde zu einem Gegenstand humanistischer Diskussion. Darin gründen die Leistungen Flavio Biondos und Enea Silvio Piccolominis. Die Schriften beider Autoren sind aber nicht nur dadurch gekennzeichnet, daß sie sich auf einen erweiterten Kreis von geographischen Texten stützen. Sie zeigen auch einen kritischen Umgang mit ihnen, was sich Fall für Fall in genauem Abwägen manifestiert, welcher Quelle zu folgen ist. Dieses recht eigentlich noch literarische Verfahren einer reinen Quellenkritik wird da unterbrochen, wo Biondo das literarisch Überlieferte mit seinen Erfahrungen als Augenzeuge korrigiert. Darüber hinaus, und das ist hier umso entscheidender, erweisen sich beide Autoren als der Tatsache bewußt, daß die geographischen Beschreibungen in den verfügbaren Quellen jeweils bestimmte historische Zustände abbilden, die unter Umständen im Gegensatz zum zeitgenössischen Erscheinungsbild der entsprechenden Gebiete stehen können. Das hindert sie zwar nicht, einer antiken Vorlage zu folgen, wo ein Gegensatz nicht festzustellen ist; auch zeigt sich bei Biondo wie bei Enea Silvio, daß Ausgangspunkt und Orientierungshilfe weiterhin die antiken auctoritates bleiben. Im konkreten Einzelfall jedoch werden deren Aussagen erst nach eingehender prüfender Diskussion übernommen. Die Zeitgebundenheit der antiken Geographien wird für beide zum methodischen Problem. Daß das Interesse an der antiken geographischen Literatur im 15. Jahrhundert recht bald von einem Vorbehalt bezüglich der Gültigkeit für die eigene Gegenwart begleitet wird, zeigt der Kartenbestand der Kosmographie des Ptolemaeus. Neben die tabulae, die jeweils einzelne Länder Europas, Afrikas und Asiens abbilden, und zwar nach dem Kenntnisstand der Spätantike, treten bereits früh sogenannte tabulae modernae, welche ein Land nach dem zeitgenössischen Erscheinungsbild darstellen. Hier ist chronologisch an erster Stelle der Däne Claudius Clavus zu nennen, der 1412 nach Italien reiste und die dortigen

266 Humanisten überhaupt erst mit der Geographie der skandinavischen Länder, von denen die Antiken nichts wußten, bekannt machte. Von ihm stammt die tabula moderna zu Skandinavien, die erste moderne Karte, die der ptolemäischen Kosmographie beigegeben wurde.122 Eine umfassende Revision der vorhandenen Karten führte daraufhin Donnus Nicolaus Germanus durch, der 1466 eine Handschrift der Kosmographie anfertigte, in der er die bestehenden Abbildungen nach einer neuen, trapezförmigen Projektion darstellte.123 In einer zweiten Überarbeitung fügte er seiner Kosmographie noch zwei selbst angefertigte tabulae modernae von Spanien und Italien bei. Mit Claudius Clavus' Skandinavienkarte, die Nicolaus Germanus umfassend erneuerte, wies der Kartenbestand nun drei neue tabulae auf. In einer dritten Fassung von 1468 kamen schließlich noch zeitgenössische Karten von Frankreich und Palästina hinzu. Diese dritte Version mit der in den drei Fassungen von Nicolaus Germanus immer weiter entwickelten Darstellungstechnik der Abbildungen und mit ihren fünf tabulae modernae124 bildete die Grundlage für die 1482 bei Lienhard Holl in Ulm gedruckte ptolemäische Cosmographia,125 von der Conrad Celtis ein Exemplar besaß und die im Kreise der Humanisten insgesamt weite Verbreitung fand.126 Diese tabulae modernae stehen einerseits neben entsprechenden antiken Karten, oder aber sie bilden Gegenden ab, von denen es kein Gegenstück im ursprünglichen Kartenbestand gab, weil diese noch nicht hinreichend bekannt waren. Die Erkenntnis der Ergänzungsbedürftigkeit der antiken Zeugnisse erweckt die selbständige Beschäftigung mit der eigenen Umwelt, um die erkannten Unstimmigkeiten zu korrigieren oder Lücken zu schließen. Flavio Biondo macht die Zeitgebundenheit der antiken Autoren von Beginn seiner Italia illustrata an zum Thema und reflektiert sie methodisch. Begleiterscheinung ist die Tatsache, daß Biondo sich über die antike Situation besser informiert sieht als über seine Gegenwart, ein Befund, der in dem oben zitierten

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Die erste Ptolemaeus-Abschrift, die Clavus' Karte beinhaltet, ist die 1427 hergestellte Handschrift des Kardinal Fillastre. Vgl. De Smet: L'évolution de la cartographie, S. 77. Zu Clavus siehe auch van den Brincken: Die kartographische Darstellung Nordeuropas, S. 45f. 123 Zu Donnus Nicolaus Germanus siehe Babicz: Donnus Nikolaus Germanus, zur Vita S. 21-38 sowie Bagrow: Geschichte der Kartographie, S. 66f. 124 Ein Verzeichnis der Handschriften der einzelnen Redaktionen Nicolaus Germanus' und anderer Redaktoren verzeichnet Babicz: Donnus Nikolaus Germanus, S. 10-13. 125 Ptolemaeus: Cosmographia. Ulm: Lienhard Holl, 31. Juli 1482 (Hain 13539). Holls Druck enthielt überdies erstmals auch eine moderne Karte Osteuropas (Tabula moderna Prussie, Svecie, Norbegie, Gotcie et Russie, extra Ptolemaeum posita). 126 Vgl. unten Kap. II.3.1.1. und 1.2. - Neben Clavus und Nicolaus Germanus gibt es noch weitere Bearbeiter der ptolemäischen Kosmographie, die den Bestand der Karten überarbeiteten und ergänzten, beispielsweise Pietro del Massaio oder Francesco Berlinghieri (Bagrow: Geschichte der Kartographie, S. 67-69). Die Fülle an Ptolemaeus-Bearbeitungen zeigt das Interesse an der Wahrnehmung des eigenen zeitgenössischen geographischen Raums und daß Clavus und Nicolaus Germanus keine Einzelfalle waren.

267 Brief an Prospero Colonna aufs Deutlichste formuliert wird.127 Das Bekannte ist das historisch Ferne, unbekannt bleibt die eigene Gegenwart. Wenn Biondo aber das alte, Geschichte gewordene Italien im Italien dieser Gegenwart verankern will, benötigt er eine Vorstellung vom gegenwärtigen Erscheinungsbild der Apenninenhalbinsel, welches ihm seine Quellen nicht vollständig liefern. An deren Stelle tritt dort, wo sie eben nicht mehr zutreffen, der Versuch, selbständig die Beschaffenheit des Landes zu greifen. Neben die auctoritas tritt die Autopsie. 128 Die antiken Geographen, als an ihre Zeit gebunden erkannt, weisen gleichsam den Weg, die eigene, zeitgenössische Umgebung zu erfassen. Komplexer gelagert ist dieses Problem für Enea Silvio Piccolominis Deutschlandbeschreibungen. Er muß zu der Feststellung gelangen, daß das, was antike Schriftsteller von Germanien und seiner Bevölkerung berichten, nicht mehr vollständig auf den Zustand der Gegenwart übertragbar ist.129 Und neben dieser festgestellten historischen Differenz muß Enea Silvio eine sehr dünne Behandlung des alten Germanien konstatieren. Damit fehlen nicht nur umfassende Informationen, sondern auch das notwendige Fundament der Beschreibung, das zumindest die Orientierung schafft, welche Biondo beispielsweise in Plinius findet. Eine Beschreibung Deutschlands ist für den Sienesen in erster Linie und fast ausschließlich auf der Grundlage eigener Anschauung möglich. Flavio Biondo und Enea Silvio sind zwei Autoren, die sich in einem Umfeld, welches sich an geographischen Diskussionen sehr interessiert zeigt, im wahrsten Sinne des Wortes auf neues Terrain wagen. Sie zeigen im Rückgriff auf ein vergrößertes Korpus von Quellentexten aus Antike und Mittelalter kritisches Bewußtsein in der Auswertung ihrer Vorlagen. Ihre Bedeutung manifestiert sich näherhin aber nicht allein durch einen neuen Umgang mit dem vorhandenen Quellenmaterial. Vielmehr sind ihre Schriften ein Beispiel dafür, wie die Ergänzung und Fortschreibung des Überlieferten durch eigene Erforschung der Länder der »Alten Welt« zum Programm geographischer Beschäftigung im 15. Jahrhundert wird, noch bevor die großen Entdeckungsfahrten das gesamte Bild der Welt in Frage stellen werden. Es wird zu zeigen sein, daß ihre Vorbildfunktion für die deutschen Humanisten in besonderem Maße auch hierin zu suchen ist.

' 27 Zitat oben S. 249. Selbst wenn Biondo auf zeitgenössische Schriften zurückgreift, wie dies im Falle der Descriptio orae Ligusticae der Fall ist, so beruhen deren Inhalte ebenso zu gewissen Teilen auf eigener Anschauung. 129 Dies ist die Perspektive Enea Silvios in der Germania. Sie ist durch seine Aussageabsicht bedingt. Der Sieneser Humanist bedarf der NichtVereinbarkeit von Vergangenheit und Gegenwart als Argument, um sich der Vorwürfe des Mainzer Kanzlers zu erwehren. Gleichwohl kann nicht übersehen werden, daß die offensichtliche Differenz zwischen Überliefertem und Sichtbarem erst die Grundlage bildet, auf der Enea Silvio seine überzeichnete Darstellung aufbauen konnte.

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3.

Vom Interesse an geographischer Literatur zur ersten eigenen Deutschlandbeschreibung in der »Norimberga«

3.1.

Celtis' Begegnung mit geographischen Texten der Antike bis zur Abfassung der »Germania generalis«

3.1.1. Bücher aus Celtis' Besitz In seinem Ingolstädter Reformentwurf hat Celtis mit Geographie und Historiographie zwei neue Disziplinen an jeweils herausragenden Positionen in den universitären Fächerkanon eingegliedert, die die Wissensbasis auch für eine Beschreibung Deutschlands in Anlehnung an Biondos Italia illustrata darstellen. Manifestieren die Äußerungen von 1492 Celtis' frühes Interesse an diesen Fächern, ist in bezug auf den Plan einer Germania illustrata und das dahinter stehende historisch-geographische Programm vor allem die Frage von Bedeutung, wann sich eine Verknüpfung beider in Ingolstadt noch als separat vorgestellten Bereiche zu einander ergänzenden Themenkomplexen ergeben hat, was untrennbar mit der weiteren Frage verbunden ist, wann und wo Celtis mit den Schriften Biondos, insbesondere mit der Italia illustrata, und den Deutschlandbeschreibungen Enea Silvios bekannt geworden ist. Dies wird in diesem Kapitel zu klären sein. Die Schriften der beiden italienischen Humanisten charakterisieren sich nun deutlich durch die Auseinandersetzung mit einem erweiterten Korpus antiker geographischer Texte und Karten, welche im vorhergehenden Kapitel als typisch für das 15. Jahrhundert erkannt worden ist. Wenn Celtis in der Oratio seine Zuhörer auffordert, antike Darstellungen ihres Landes zu studieren, artikuliert er ein Anliegen, das gerade vor dem Hintergrund jener zeittypischen Hinwendung zu antiken geographischen Texten verständlich ist, und er macht damit deutlich, daß er mit der in der Panegyris vorgestellten erdbeschreibenden Disziplin die Rezeption bestimmter Autoren verbindet, die er dort aber nicht nennt. Nicht nur im Hinblick auf die Quellenanalyse der Germania generalis, sondern vor allem um zu klären, über welches geographische Wissen Celtis verfügte, bevor er Biondos Italia illustrata und Enea Silvios Deutschlandschriften kennenlemte, ist zu untersuchen, welche Texte, die im weiteren Sinne dem Gebiet der Kosmographie und Geographie angehören und auf Inhalte der geplanten Deutschlandbeschreibung hinweisen, Celtis kannte und, wenn möglich, wie er sie rezipierte.

269 Im Gegensatz zu Biondo und Enea Silvio, die gewissenhaft Auskunft über ihre Quellen geben, stößt man bei Celtis diesbezüglich auf gewisse Schwierigkeiten. Denn weder in der Panegyris, noch in der Germania generalis oder anderswo in seinem Werk gibt Celtis Auskunft über die Quellen seiner Deutschlandkonzeption; auch über einen Autor, der sein geographisches Interesse geweckt bzw. der als primäre Grundlage seiner geplanten Deutschlandbeschreibung zu gelten hätte, äußert er sich nicht. Nichtsdestoweniger ist es möglich, über die erhaltenen Bücher aus der Bibliothek des Humanisten sowie aus seinem Briefwechsel ein Bild darüber zu gewinnen, mit welchen geographischen und historischen - Texten Celtis in Berührung gekommen ist. Dem Bemühen, Bücher aus dem Besitz des Humanisten nachzuweisen, sind allerdings enge Grenzen gesetzt. Daß Celtis eine Privatbibliothek sein eigen nannte, ist durch sein Testament, in dem er die meisten seiner Bücher der Wiener Artistenfakultät vermacht hat, bezeugt.1 Nach einer Aufstellung dieser Fakultät von 1508 habe es sich sogar um »sehr viele Bücher« und zwei Globen gehandelt, die ihr der Humanist überantwortet hat.2 Somit ist zwar belegt, daß Celtis eine offensichtlich recht ansehnliche Privatbibliothek besessen hat, die er sich wohl hauptsächlich seit seiner Berufung nach Wien, als er sein Wanderleben aufgab, angelegt hat,3 allerdings ist diese im Unterschied zu Zeitgenossen wie dem Nürnberger Hartmann Schedel, dessen Bibliothek nahezu vollständig dokumentiert und in weiten Teilen erhalten ist, nur bruchstückhaft rekonstruierbar.4 Bereits das früheste nachweisbare Buch aus dem Besitz des Celtis verweist auf seine Beschäftigung mit der Kosmographie und dokumentiert sein Interesse an diesen Themen lange vor der Abfassung des Ingolstädter Programms, zu einer Zeit, als er sich in Krakau der Astronomie zuwenden wollte.5 Es handelt sich um eine Abschrift der Geographie des Ptolemaeus in griechischer Sprache,6 die Celtis' damaliger Diener Johannes Rosenperger, genannt Athesinus, 1482 für den Dichter auf der Grundlage eines Exemplars aus der Bibliothek des

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BW Nr. 338, S. 605: Ego iure legati relinquo et lego omnes meos libros praeterquam duos, quos dominus loannes Crachenberger, ut sequitur, elegerit, universitati seu /acuitati artium adlibrariam ex opposite coltegli in hospitali novo [...]. Ebd., Anm. 2: Tunc enim clarissimus vir philosophiae Magister et poeta laureatus Chunradus Celtis ex testamento librosque plurimos et non vulgares atque etiam globos duos mathematicos/acuitati reliquit. Der Briefwechsel bezeugt von Anfang an einen regen Austausch von Büchern zwischen Celtis und seinen Freunden, so daß Celtis wohl bereits vorher während der Zeit seines >Wanderlebens< Bücher besessen haben dürfte. Eine kommentierte Zusammenstellung erhaltener Bände aus Celtis' ehemaliger Bibliothek bei Henkel: Bücher des Konrad Celtis; einführende Bemerkungen: S. 129— 143; Katalog: S. 144-159. - Zur Bibliothek Hartmann Schedels siehe Stauber: Die Schedeische Bibliothek. Astronomie und Geographie sind auch in Celtis' Fächerkanon der Panegyris benachbarte Disziplinen. Vgl. oben Kap. 1.1.1.1. Siehe Wuttke: Humanismus als integrative Kraft, S. 427: »Es ist nach dem Stand unseres jetzigen Wissens der früheste Bucherwerb des Celtis, den wir kennen.«

270 Matthias Corvinus in Buda angefertigt hat.7 Es ist eine reine Textabschrift ohne Karten. Der Erwerb dieser Handschrift wird vor allem in Zusammenhang mit Celtis' Griechischstudien gesehen;8 trotzdem dürfte die Wahl gerade dieses Werks auch Celtis' Interesse an der Kosmographie belegen. Des weiteren finden sich unter den erhaltenen Handschriften aus dem Besitz des Celtis eine Abschrift von Ausonius' Moseila9 sowie eine spätrömische Wegekarte, die heute unter dem Namen Tabula Peutingeriana bekannt ist, da sie Celtis dem Augsburger Stadtschreiber und Humanisten Konrad Peutinger vermacht hat.10 Neben diesen Handschriften finden sich in der Hinterlassenschaft des Celtis zwei Inkunabeln, die das geographische Interesse des Humanisten dokumentieren und die für Enea Silvio zu den wichtigsten Quellen seiner Deutschlandbeschreibungen in der Europa gehörten. So besaß Celtis eine weitere Ausgabe der Geographie des Ptolemaeus, diesmal ein Exemplar der 1482 unter dem Titel Cosmographia bei Lienhard Holl in Ulm erschienenen Ausgabe in der lateinischen Übersetzung des Jacopo Angeli da Scarperia,11 die nahezu den gesamten Kartenbestand beinhaltet.12 In ihr hat Celtis einige Eintragungen vorgenommen.13 Zum einen verweist der Humanist in den Kapitelüberschriften des Textteils auf die entsprechenden Karten am Ende der Inkunabel. Zu anderen hat er im Abschnitt über Germanien neben die antiken Städtenamen die seiner Meinung nach entsprechenden zeitgenössischen eingetragen. Indem sie die bei Ptolemaeus vorgestellte Geographie Germaniens mit der des zeitgenössischen Deutschland in Bezug setzen, dokumentieren Celtis' Eintragungen in die Inkunabel ein Rezeptionsverhalten, das dem Grundanliegen der Italia illustrata und den geographischen Beschreibungen in den Werken Enea Silvios entspricht. Auch für den deutschen Humanisten scheint sich die Lektüre antiker Geographen wesentlich durch das Bemühen zu charakterisieren, historische Veränderungen in Besiedlung und Topographie aufzuspüren und zu benennen. 7

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Heute: Oxford, Bodleian Library (MS Arch. Seid. Β 45). Dazu Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 150. Ebd., S. 139. Heute: Wien, ÖNB: Cod. 114. Die Mosella auf Bl. 45'-48' jeweils in zwei Kolumnen. Siehe Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 151. Heute: Wien, ÖNB: Cod. 324. Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 153. - Über den Besitzerwechsel äußert sich Celtis in seinem Testament: (BW Nr. 338, S. 606): Ego lego domino doctori Conrado Peutinger Itinerarium Antonini Pi i, qui etiam eundem nunc habet [...]. Ptolemaeus: Cosmographia, Ulm: Lienhart Holl, 31. Juli 1482 (Hain 13539). Heute: Debrecen, Református Teológiai Akadémia Szemináriuma Konyvtár (Bibliothek der Reformierten Kirche), U 45; Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 145. Zu Jacopo Angelis lateinischer Übersetzung der Kosmographie des Ptolemaeus siehe oben Kap. 1.2.4. Die einzelnen Ausgaben der ptolemäischen Kosmographie variieren hinsichtlich des Kartenbestands. Die Karten von Germanien und dem Alpenvorland (Rhätien, Vindelizien, Norikum und Pannonien), auf die es bei Celtis freilich vor allem ankommt, sind vorhanden. Allerdings fehlt die Karte zu Sarmatien, welche für den Humanisten durchaus von Interesse sein konnte (vgl. die stete Erwähnung Sarmatiens in seinen Werken). - Zur Ulmer Ptolemaeus-Ausgabe siehe Meine: Die Ulmer Geographia. Auf sie hat erstmals Szelestei: A Collectio Kazzaiana, S. 431 hingewiesen.

271 Außerdem ist ein Exemplar der lateinischen Übersetzung von Strabons Geographika {De situ orbis, übersetzt von Battista Guarino da Verona) aus der Bibliothek des Celtis erhalten.14 Auch dieser Band weist - wenn auch recht sporadische - Lesespuren wie Unterstreichungen und Randglossierungen auf und läßt wenigstens ansatzweise die von Celtis als besonders wichtig erachteten Stellen erkennen.15 Einige Markierungen zeigen sich im vierten und dann besonders im siebten Buch, an dessen Anfang die Beschreibung Germaniens steht. Die vorhandenen Randbemerkungen beschränken sich in der Regel auf die Wiederholung eines im Text befindlichen Worts. Aus diesem Grunde läßt sich Celtis' Absicht bei den Markierungen nur aus den unterstrichenen und durch die seitliche Notierung eines Schlüsselworts hervorgehobenen Textstücken selbst erschließen.16 Im vierten Buch hat Celtis einen Abschnitt unterstrichen, in welchem sich Strabon methodisch über die Anlage einer kosmographischen Schrift äußert.17 Celtis notiert am Rande: Officium cosmographi. Dies deutet darauf hin, daß der Humanist das Werk nicht nur als Informationsquelle konsultiert, sondern es auch in konzeptioneller Hinsicht studiert hat.18 Im Abschnitt über die Germanen finden sich erwartungsgemäß die meisten Markierungen Celtis'. So hebt er Strabons Äußerung über die allgemeine Unkenntnis in bezug auf die Gegend jenseits der Elbe hervor.19 Zwei Aspekte könnten hier der Beweggrund für die Hervorhebung sein. Zum einen mag Celtis im Sinne Enea Silvios die Unkenntnis der antiken Autoren hinsichtlich Germaniens festgestellt haben, andererseits eignet sich die Stelle auch zum Nachweis dafür, daß Germanien zu weiten Teilen nicht von den Römern besetzt war. Darüber hinaus interessieren Celtis

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Strabon: De situ orbis. Venedig: o. Drucker, 24. April 1496 (Hain 15090). Heute: Wien, ÖNB (Sign.: Ink. 20.C.26); Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 156. Henkel, ebd., S. 140 konstatiert, daß Celtis seine Bücher nicht »systematisch mit der Feder in der Hand durchgearbeitet« hat. Randbemerkungen in den Büchern des Humanisten finden sich denn auch insgesamt eher selten. Beispielsweise sind im vierten Buch auf Seite g i' im unteren Bereich einige Zeilen unterstrichen, welche eine Beschreibung Marseilles (Massilia) enthalten. Am Rande notiert Celtis zudem: Massilie descriptio. Die Stelle lautet (Strabon: De situ orbis, Wien, ÖNB, Ink. 20.C.26, g ir): Quaecumque igitur secundum naturae partes distincta sunt: orbis descriptori dicendo sunt & quae secundum gentium habitationes: quicquid mentione dignum est: Quaecumque uero principes reipublicae temporibus obsequentes: uariis modis instituunt: summatim commemorasse satis est. Des weiteren zeigt Seite g iii' im vierten Buch Unterstreichungen, wo Strabon den Namen der Gallier bespricht: Ab eis universos a Graecis: Gallos: Celtas appellatos opinor: ob eorum claritatem. Celtis scheint sich für das den Germanen verwandte Volk interessiert zu haben: Die Frage nach dem Grad der Verwandtschaft beider Völker ist ein wichtiger ethnographischer Diskussionspunkt der deutschen Humanisten. Ebd., [k iv]r: lila uero plaga: quae trans Albin Oceanum spectat: nobis prorsus est incognita. Nullum enim priorum ad orientem: usque ad Caspii mons ostium, hanc peregisse nauigationem accepimus: Neque Romani Albin ipsum transcenderent. Nec ulli similiter iter pedestre suscepere. Eine weitere Hervorhebung in diesem Zusammenhang ist etwas weiter unten die Passage (ebd.): Vel si aliquid ob frigoris rigorem causamue aliam: inhabitatum sit. uel si aliud etiam mortalium genus inter mare: orientalesque Germanos situm: succédât, hoc sane ipsum incognitum.

272 Ausführungen zur Geschichte einzelner germanischer Völkerschaften, wenn er beispielsweise den Kimberneinfall in Rom hervorhebt20 oder sich für die Migrationen der Geten interessiert, die er offensichtlich mit den Goten identifizieren will.21 Die Unterstreichungen sind hier wie an anderen Stellen nicht über den ganzen Sinnabschnitt durchgehalten, sondern brechen zwischendurch und häufig sogar innerhalb einer Zeile ab, ohne daß ein Satz des Texts beendet wäre. Die Linien selbst, bald unter der Schrift, bald in die Schrift hineinfahrend, scheinen unachtsam und sehr schnell eingetragen worden zu sein. Dieser Befund legt nahe, daß die Markierungen während der Lektüre eher assoziativ vorgenommen wurden und kein wohlüberlegtes Anstreichen bestimmter Stellen im Sinne eines planmäßigen Exzerpierens vorliegt. Immerhin zeigen die von Celtis hervorgehobenen Stellen, daß er sich zum einen mit der konzeptionellen Anlage eines geographischen Werks beschäftigte und daß er außerdem vor allem die Abschnitte zu den Germanen, aber auch zu den Galliern, die den Antiken als den Germanen verwandtes Volk galten, studiert hat. Hierin läßt sich sicherlich eine Vorarbeit für seine eigene geplante Deutschlandbeschreibung erkennen. Der Aspekt der räumlichen Ausdehnung Germaniens, die Anmerkungen zu einzelnen Volksschaften wie den Kimbern oder Geten, schließlich die Beziehungen zwischen Germanen und Galliern, die da mit dem Schreibgriffel markiert sind, bezeichnen Themenkreise, welche Celtis vorrangig auch in seinen eigenen geographischen Darstellungen der patria behandelt wissen wollte. 22 Neben diesen geographischen Werken befand sich eine Inkunabel in Celtis' Besitz, die sein Interesse an der mittelalterlichen Geschichte dokumentiert, nämlich Flavio Biondos Historiarum decades, die nicht nur die italienische Geschichte seit dem Untergang des römischen Reichs darstellen, sondern immer wieder auch auf diejenige ganz Europas ausgreifen. 23 Celtis besaß Biondos Dekaden in einer Ausgabe des venezianischen Druckers Thomas de Blavis, die darüber hinaus Enea Silvios Abbreviano super decades Blondi enthält,24 eine 20

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Ebd., [k iv]r: Et Cimbros agmine facto: hunc inuasisse locum A Boiisque electos, ¡strum & Scordicos gentem Gallicam appetentes descendisse: Porro Teuristas: & Thauriscos: & hos nationis Gallicae: Deinde Luettios adiisse: Viros quidem plurimo locupletes auro. Caeterorum in pace uitam agentes. Cumque conflatas latrociniis opes longe suis ampliores esse uiderent: in Heluetios sese contulisse. Et ex eis praecipue Tigyrenos: & Toygenos. Eosque secum sollicitasse. Vniuersos uero deluere Romani: ά Cimbros: & alios tanti motus sotios: partim in Alpium transitu in Italiam. Partim extra alpes. Huiusmodi autem Cymbrorum morem fuisse: scriptores commémorant. Verschiedene Unterstreichungen ebd., [k iv]'"v. Ein direkter Bezug zwischen den in der Strabon-Ausgabe unterstrichenen Stellen und den Konzepten, die in der Germania generalis erscheinen, kann aber nicht beobachtet werden. Vgl. Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 11-14. Flavius Blondus: Historiarum ab inclinatione Romanorum imperii decades. Venedig: Thomas de Blavis, 28. Juni 1484 (GW 4420). Heute: Bayerische Staatsbibliothek München (Sign.: 2° Inc. c. a. 1437a). Vgl. Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 148. In Henkels Beschreibung ist die Kurzfassung Enea Silvios nicht erwähnt. Auch im

273 Kurzfassung von Biondos Geschichtswerk. Hinsichtlich der Gebrauchsspuren läßt sich auch für dieses Buch aus Celtis' Besitz der gleiche Befund konstatieren, der bereits bei den anderen vorgestellten Bänden beschrieben worden ist. Die Inkunabel zeigt zwar einige Unterstreichungen und Randbemerkungen, die Celtis in sein Exemplar eingetragen hat - auch in der Abbreviano des Enea Silvio25 - doch kann auch hier insgesamt nicht von einer systematischen Glossierung gesprochen werden. Immerhin machen die wenigen Anmerkungen deutlich, daß Celtis bei der Lektüre von Biondos Decades hauptsächlich an Informationen zur deutschen Geschichte interessiert war und mit dem Werk des Italieners wohl jenen Mangel an eigenen historischen Werken kompensieren wollte, den er oftmals beklagt hat. 26 Dies zeigt sich etwa in einigen Bemerkungen, die Celtis an den Rand derjenigen Abschnitte eingetragen hat, die die Taten Friedrich Barbarossas abhandeln, insbesondere seine Auseinandersetzung mit Papst Alexander III. 27 Über die jeweiligen recto-Seiten hat er überdies den Hinweis historia Friederici barbarossi [sie!]28 eingetragen, offensichtlich um die Textpassagen schneller zu finden. Patriotischer Stolz spricht aus der Hervorhebung einer Stelle, an der Biondo den erstmaligen Gebrauch von Kanonen in Italien durch die Venezianer erwähnt und die Funktionsweise dieser neuen Kriegstechnik bespricht. Celtis hat hier am Rande notiert: Germani bombardarum inventores quibus primi in Italia usi veneti in bello clugiensi.29 Von besonderem Interesse ist die Markierung eines Abschnitts eher gegen Anfang der Decades, in dem Biondo die Migration der Franken aus Germanien nach Gallien bespricht. In diesem Zusammenhang erwähnt der italienische Historiker nicht nur, daß die Franken zunächst in der nach ihnen benannten Region am Main gelebt hätten, sondern auch daß es sich bei ihnen um Germanen gehandelt habe. Am Rande dieser Passage hat Celtis notiert: franci ex

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Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW) ist diese nicht aufgeführt. Eine Anfrage bei der Redaktion des GW ergab allerdings, daß es sich dabei um einen Fehler des GW handelt. Beide Werke, Biondos Dekaden und Enea Silvios Abbreviatio sind Teil ein und derselben Ausgabe. Dafür spricht auch die Lagenzählung: Biondos Geschichtswerk endet mit der Lage Z, Enea Silvios abgekürzte Version beginnt mit der Lage AA. Im übrigen besitzt das Münchener Exemplar noch den ursprünglichen Einband mit Celtis' Namenseintrag auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels, so daß es sich bei ihm nicht um einen nachträglich beigebundenen Anhang handeln kann (vgl. BSB, Ink., Bd. 1, B-552, 3. Ex., Anm.). Daneben finden sich in der Inkunabel erheblich zahlreichere Eintragungen, die wohl von einem Schreiber aus dem 18. Jahrhundert stammen. Vgl. dazu oben Kap. 1.1.1.3. und unten Kap. III.2.2.1. Hist, decad. o iiii'. Celtis bemerkt am Rand beispielsweise Germani et thusculani (zur Schlacht bei Tusculum im Jahre 1167) und weiter unten Fridericus intrat Romam. Auf der darauffolgenden Seite (o iiiiv) schreibt er barbarossus episcopum bambergensem papam déclarai neben den Abschnitt, der von den Gegenpäpsten, die Friedrich einsetzte, handelt. In Biondos Text erscheint der Beiname des deutschen Kaisers als barbarossus. Die Eintragungen finden sich auf o iiii' sowie auf den beiden folgenden recto-Seiten und auf der zweiten verso-Seite. Hist, decad. Ar. Auf der nächsten Seite notiert Celtis: bombarde descriptio.

274 franconibus germanis orti. Clodoneus et meroueus ex franconia ad rhenum profecti.30 Diese Hervorhebung steht im Kontext einer der zentralen Fragen, denen die humanistische Historiographie nicht nur in Deutschland nachgegangen ist: der Frage nach dem Ursprung der einzelnen Völker und nach ihrer Verwandtschaft untereinander. Ein besonderer Streitpunkt zwischen Deutschen und Franzosen hierbei war die Behauptung, die Franzosen stammten von den deutschen Franken ab und seien demzufolge Abkömmlinge der Germanen.31 Äußerungen italienischer Humanisten, die die Ansicht der deutschen Humanisten gleichsam aus unbeteiligter und objektiver Position stützten, wurden von diesen stets bereitwillig aufgenommen.32 Neben diesen Beispielen, die zeigen, daß Celtis Biondos Dekaden als Quelle für deutsche Geschichte zur Kenntnis genommen hat, läßt sich an den Rezeptionsspuren, die Celtis in seinem Exemplar hinterlassen hat, überdies seine Neigung zur Geographie ablesen, und dies sogar in der Ausrichtung, die für den späteren Plan der Germania illustrata von besonderer Bedeutung sein wird: Unter den wenigen Abschnitten der Decades, die Celtis kommentiert hat, befindet sich einer, in dem Biondo kurz die Regionen Italiens bespricht. Celtis hat am Rande zunächst notiert: Italie description und hierauf eher unsystematisch die drei Regionen Terra laboris, Romandiola und Venetia hervorgehoben.34 Dies zeigt, daß er jene Textpassage genauer zur Kenntnis genommen hat, die als Nukleus für den Untersuchungsgegenstand zu gelten hat, dem Biondo daraufhin seine Italia illustrata widmete: der Geschichte Italiens als geographischen Raums. Nachdem sich weder ein Exemplar der Italia illustrata in Celtis' Bibliothek nachweisen noch sich durch andere Quellen nachzeichnen läßt, wie er dieses Werk rezipiert hat, stellen die genannten Anmerkungen die einzigen

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Ebd., br. Der markierte Text lautet: Diximus supra francos uetusta origine ex franconia germanos a uandalis burgundionibus & halanis primo: & post ab etio fuisse ex galliis in patriam repulsos. Hi ergo etium bello burgundionum implican: & imperatorem omissis in africa copiis: eneruatum uiribus audientes Clodione et meroueo filio ducibus: ex franconia sunt profecti: & rheno transmisse nullis iam qui resisterent reliquis in senonum prouincia: sedem apud Aurelianenses parisiosque coeperunt. Celtis' Schreibung Clodoneus stimmt nicht mit Biondos Text überein, in dem Clodio zu lesen ist.

Vgl. zum Problemkomplex des Ursprungs der Völker unten Kap. II.2. Die Behauptung, die Franzosen stammten von den Germanen ab, wird auch von AEN. SlLV. Eur. S. 127-129 (Kap. 31: De origine Francorum) und später offensiv in Heinrich Bebels Schrift Germani sunt indigenae vertreten (siehe dazu Kap. II.2.2.1.). 32 So hat Heinrich Bebel in seiner Streitschrift Germani sunt indigenae die Behauptung, die Franzosen seien ihrem Ursprung nach Germanen und müßten eher Francigenae als Franci genannt werden, mit einem Hinweis auf die auch von Celtis angemerkte Stelle in Biondos Dekaden untermauert und dabei deutlich darauf hingewiesen, daß es sich bei ihm um einen italienischen Humanisten handle (Germani sunt indigenae, [d iiij]'). Siehe hierzu Kap. II.2.2.1. 33 Hist, decad. Av und ein weiteres Mal auf A iir über dem Text. 3" Ebd., A 2'.

275 Belege dar, die Celtis' Berührung mit der für Biondo eigentümlichen Verbindung von Geschichte und Geographie direkt dokumentieren. 35 In Enea Silvios Kurzfassung der Dekaden finden sich schließlich sehr zahlreiche Gebrauchsspuren in den Abschnitten, die das erste und das zweite Buch der Decades zusammenfassen. 36 In ihnen behandelt Biondo den Einfall der Goten in Italien, dessen Ablauf Enea Silvio auf das Wesentliche reduziert. Offensichtlich hat hier die knappere Darstellung des nachmaligen Papstes Pius II. dem flüchtigen Leser Celtis eher zugesagt als die erheblich ausführlicheren Dekaden selbst. 37 Die Seiten über die Goteninvasion zeigen die meisten Randbemerkungen, die Celtis in der gesamten Ausgabe eingetragen hat. Dies verdeutlicht das große Interesse, das er dem Einfall der Goten in Italien entgegengebracht hat. 38 Einige wenige Eintragungen finden sich außerdem noch im hinteren Teil der Abbreviano, wobei es wiederum stets Aspekte der deutschen Geschichte sind, die Celtis heraushebt. 39 Ansonsten bleiben auch die meisten Seiten von Enea Silvios Kurzfassung unkommentiert. Ein besonderes Problem der erhaltenen Bände aus Celtis' Privatbibliothek 40 stellt die Datierung ihres Erwerbs dar, die auch Rückschlüsse auf die wichtige Frage zuließe, wann sich Celtis erstmals mit den Inhalten dieser Werke intensiver auseinandergesetzt hat. Denn abgesehen von der griechischen Ptolemaeusabschrift aus der Bibliothek des Matthias Corvinus ist für keinen weiteren der hier verzeichneten Bände das Entstehungs- oder Erwerbsdatum überliefert. Aus diesem Grunde ist die Vermutung, Celtis habe sie bereits vor der Abfassung der Germania generalis in seinen Besitz gebracht, sehr unsicher. Immerhin lassen sich durch Hinzuziehung von Celtis' Briefwechsel einige konkretere Hinweise dazu gewinnen. Werke des Ausonius sind Gegenstand der Korrespondenz in den Jahren 1497 und 1498. Am 31. Dezember 1497 berichtet der Krakauer Freund Johannes von Sommerfeld d. Ä., er besitze eine Ausgabe des Ausonius. 41 Es bleibt jedoch im Dunkeln, um welches Werk des Ausonius es sich handelt. Außerdem 35

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Auch das Problem der mutatio nominum thematisiert Biondo in diesem Abschnitt, etwa wenn er über die Lombardei bemerkt (ebd.): Neque tarnen sola est Lombardia quae tarn multas habuit nominum mutationes. Abbreviano, AA'-[AA v]v. Über die Kriterien, nach denen Enea Silvio Biondos Dekaden zusammengefaßt und gekürzt hat, existieren keine Untersuchungen. Vgl. dazu Celtis' Hervorhebungen in Strabons De situ orbis im Abschnitt über die Migration der Geten (siehe oben S. 271f. mit Anm. 21). Z.B. [CC vii]v: Hier vermerkt er am Rande Otto tercius moritur, weiter unten Henricus imperator, wiederum weiter unten Conradus imperator. Die Bemerkungen verweisen auf den nebenstehenden Inhalt, lassen aber keine Rückschlüsse auf Celtis' spezifisches Interesse gerade an diesen Passagen zu. Celtis hat auch eine Ausgabe der philosophischen Werke des Apuleius besessen (GW 2303; heute: ÖNB, Ink. 23.F.21; siehe Henkel: Bücher des Konrad Celtis, S. 156), die im Zusammenhang mit Celtis' astronomischen Vorstellungen und damit für das erste Kapitel der Germ. gen. wichtig ist. Vgl. hierzu Kap. II. 1.1.2. BW Nr. 185, S. 313: Ausonium quidem habeo cum Marco et Manilio ligatum sine tarnen comentatione.

276 ist nicht erkennbar, ob Sommerfeld von diesen Texten spricht, weil Celtis sie einsehen wollte. Daß Celtis sich aber doch um eine Ausgabe von Ausonius' Werken - dessen poetische Beschreibung der Mosel als stilistisches Vorbild für die Germania generalis in Frage kommt - bemüht hat, zeigt der Brief des Augustinus Moravus vom 29. März 1498 aus Ofen, in dem er um die Rücksendung »eines Ausonius« bittet. 42 Celtis muß zu dieser Zeit also eine Ausgabe des Ausonius - mit welchen seiner Schriften auch immer - besessen haben. Ob es sich um die obenerwähnte Handschrift der Moseila handelt, ist freilich nicht entscheidbar. Der Name des Ptolemaeus erscheint im Briefwechsel ab 1492. So zeigt ein Brief an Sixtus Tucher vom Sommer jenes Jahres Celtis' Bemühen, an eine Ausgabe des griechischen Geographen zu gelangen: 43 Is etiam [sc. Ullrich Höchstetter], ut accipio, novam Claudii Ptolomaei impressionem e Rhoma secum attulit, cuius ego cupientissimus sum et tibi, qui haec studia non dedignaris, multum prodesse potest. Es ist sicher nicht anzunehmen, daß Höchstetter die Ulmer Ausgabe aus Rom nach Deutschland gebracht hatte. Vielmehr ist mit Rupprich aufgrund zeitlicher Erwägungen zu vermuten, daß es sich bei dem angesprochenen Ptolemaeus um ein Exemplar der Ausgabe: Roma: Petrus de Turre, 4. November 1490 handeln dürfte. 44 Daß Celtis offensichtlich nicht dauerhaft in den Besitz von Höchstetters Druck gelangt ist, deutet ein knapp zwei Jahre später an Sixtus Tücher gerichteter Brief mit erneuter Bitte um Übersendung »eines Ptolemaeus« an. 45 Vielleicht ist es Celtis nach diesem längeren vergeblichen Bemühen, über Tucher an einen Band des Ptolemaeus zu kommen, gelungen, ein Exemplar der Ulmer Ausgabe Lienhard Holls in seinen Besitz zu bringen. 46 Von der sogenannten Tabula Peutingeriana und insbesondere von dem Werk des Strabon findet sich im erhaltenen Briefwechsel des Celtis allerdings 42

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BW Nr. 192, S. 322: Videque, oro, si quid novi in Italia editum sit, ut id tecum afferas, maximeque in his libris, quos vel mancos, vel corruptos habemus. Interea libellos meos, quos habes, cum Ausonio, Gregorio, domini nostri nepoti, reddito, qui mihi eos denuo Budam mittere debebit. BW Nr. 33, S. 57f. Ebd., Anm. 2: Hain 13541. Die Ausgabe trägt keinen Titel. BW, Nr. 71, S. 120: [...] vale et Ptolemaeum cum figuris cum >Norimberga< mitte. Die hier versammelten Briefdokumente sprechen jeweils nur von »Ptolemaeus« ohne Angabe eines Werktitels. Doch handelt es sich wohl in beiden Fällen um die Kosmographie und nicht um den ebenfalls lateinisch zugänglichen und sehr verbreiteten Almagest. Zwar ist auch Celtis' astrologische Beschäftigung mit dem Almagest insbesondere in der Korrespondenz mit dem Hofastrologen Johannes Tolhopf belegt. Vgl. den Brief von Johannes Tolhopf, , 25. 7. 1493 (BW Nr. 65, S. 109f.): Verum, quia Phoebus Jovi se 6'" die sociabit in leone cum receptione forti alteruterve, si modernos, hoc est et Ptholemaei regulas, animadverteris, leo domus solis est; si veteres, Jupiter leoni dominatur teste nostro M. Manilio in Astronomicis, et cum matre deum Jupiter regit ipse leonem, quorum confoederatione fortis est pro serenitate et tranquilitate rerum corporalium [...]. Die Erwähnung von figurae deutet aber eher auf Karten und damit auf ein geographisches Werk hin, zumal figura im Briefwechsel stets eindeutig geographische Karten meint.

277 keine Spur, so daß jeder noch so indirekte Anhaltspunkt für ihr Erwerbsdatum fehlt. Von Karten wird in den Briefen immer wieder gesprochen; dafür, daß es sich an einer Stelle einmal um die Tabula Peutingeriana handeln könnte, gibt es dennoch keinen Hinweis. Strabons Name erscheint im Briefwechsel des Humanisten nicht ein einziges Mal. Die zahlreichen Übereinstimmungen zwischen der Germania generalis und Strabons Beschreibung Germaniens47 zwingen allerdings zu der Annahme, daß Celtis De situ orbis spätestens zur Zeit der Abfassung seines geographischen Gedichts gekannt hat.48

3.1.2. Bücheraustausch

im Freundeskreis des Celtis

Für einige weitere historisch-geographische Texte, die Celtis vor Abfassung der Germania generalis rezipiert hat, ist man ausschließlich auf den Briefwechsel des Humanisten angewiesen.49 Das chronologisch erste Zeugnis ist ein Brief an Sixtus Tücher wohl vom Sommer 1492. In ihm bittet Celtis um folgende Bücher: Opus habeo pro studio meo Herodoto, Suetonio, Bocacio, commentario C. Caesaris.50 Diese Bitte an Tucher wiederholt er um Ostern 1494:51 Opus habeo libellis tuis quibusdam; hos, oro, ad me cum puero meo mittere digneris: hoc est Graeco vocabulario, Caesare in commentario, Herodoto, Bocacio >De Genealogia deorumMittelalter< deklassierte Zeit in das italienische humanistische Geschichtsbewußtsein zurückzuholen versuchen.80 Nichtsdestoweniger bleibt das, was durch Biondos geographische Studien eindeutiger identifizierbar werden soll, stets die eigene Vergangenheit. Sein Anliegen ist es, auf Kontinuitäten aufmerksam zu machen, wo andere Humanisten ein dreigliedriges Schema mit den ihm immanenten Brüchen vertreten.

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Germani sunt indigenae, d iij v -[d iiij]': Apud historíeos Germania nunc uero Francia vocatur inde Franci non Francones dicendum. hij autem qui in Gallia consederunt, non Franci sed Francigenç potius essent nuneupandi. vti eos appellai Rosuita mentalis Saxonica. vel Franci occidentales, quod autem genus Troianorum sint Franci. ex Scythiaque progressi, commentum anile. sordidamque fabellam existimo. Ebd., [d iiij]"-e r : Et item illud nomen [der Franken, Anm. d. Verf.] sicut omnium ferme Germanorum recens sit. nemo mihi persuadebit gentem esse aduenticiam. sicut nec alios Germaniç populos, quorum pariter nomen recens est. [...] Sed quod Germania quondam, nunc vt existimat Hieronymus Francia vocitetur mirandum non est. cum nulla natio, ex tota Germania (quamuis plurimas enumeret Plinius. Strabo. Ptolomçus. Cornelius Tacitus et alij) suum nomen antiquum retineat. praeter vnos Sueuos. & Frisios [...]. Siehe etwa It. ill. av (Zitat oben S. 240). Gleichwohl besteht kein Zweifel, daß Biondo das Mittelalter als dunkle Zeit sieht, in der insbesondere die studia unterbrochen waren.

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Die Schwierigkeit, Kontinuitäten seit der Antike zu verfolgen - verdeutlicht am Problem der Diskontinuität der Namen - ist auch für Bebel ein Problem, geht bei ihm aber über bloßes Identifizieren von Lokalitäten hinaus. Denn es bezieht sich bei ihm auf die Kontinuität von Völkern und erhält über das Paradigma der Indigenität eine neue Dimension. Indigenität erscheint bei Bebel als Privileg vor allem gegenüber Italienern und Franzosen. Beiden Völkern wird sie vorenthalten, sind doch diese in ihrer Gesamtheit Abkömmlinge der germanischen Franken und jene zumindest durch die Geschehnisse der Völkerwanderung mit germanischen Völkern eine Verbindung eingegangen.81 Mit dem aus Tacitus rezipierten Begriff erhält bei den deutschen Humanisten ein ethnisches Element Einzug in den Antikebezug: es ist das Aufzeigen von ethnischen Kontinuitäten und Diskontinuitäten innerhalb der Geschichte seit der Antike, Diskontinuitäten, welche im Falle Italiens offenlegen, daß das von den Italienern postulierte Anknüpfen an die glorreiche römische Vergangenheit nicht auf eine ethnische Kontinuität bauen kann und daß ihre Beanspruchung der römischen Antike als ihrer eigenen Vergangenheit somit der Grundlage entbehrt. Der Rückgriff auf die Antike erhält damit eine Vorbedingung. Die Légitimât einer Vereinnahmung der antiken Vorzeit wird an die Bedingung einer ethnischen Kontinuität geknüpft, so daß die italienische Konzeption implizit negiert wird. Man könne sie nur vertreten, wenn aufgezeigt werden kann, daß das eigene Volk seither unverändert fortbestanden hat. Nur dann könne sichergestellt werden, daß das, was man als eigene Vergangenheit lobt, auch wirklich die eigene ist. Dies wiederum sei nur den Deutschen erlaubt, deren Privileg der indigenen Herkunft sie bezüglich des Ursprungs und der ethnischen Kontinuität über alle anderen europäischen Völker stelle und ihnen als einziges Volk eine wirklich eigene Vergangenheit verschaffe. Ihre erste literarische Formulierung findet diese Ansicht jedoch in den drei durch Tacitus angeregten Versen des Celtis, die das überkommene mittelalterliche Paradigma der Berufung auf eine hervorragende Genealogie um eben diese Komponente der Indigenität erweitern.

2.2.2. Indigenitätsbehauptung

im Horizont der

Berosus-Rezeption

Celtis' Formulierung von der Indigenität der Germani markiert innerhalb der Diskussion um den Ursprung der Völker die Position eines Anfangs: des Anfangs eines Kriteriums, das zu einem Paradigma humanistischer Historiographie wird.82 Die Überlegungen zum Ursprung der Deutschen innerhalb der Geschichtsschreibung in der Nachfolge des Celtis gehen einher mit der Rezeption der Kommentare des Annius von Viterbo und seiner gekonnten Vermengung von taciteischen Argumenten und der Fiktion einer babylonischen Ge-

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Bebel bezeichnet sie gar als Nachfahren dieser Völker. Zum Konzept der Autochthonie im deutschen Humanismus siehe den Überblick bei Garber: Vom universalen zum endogenen Nationalismus, S. 24-30.

355 schichtsschreibung.83 An zwei Beispielen soll dies verdeutlicht werden; sie werden aber auch zeigen, wo die Grenzen einer Indigenitätsbehauptung vor dem Hintergrund des Pseudo-Berosus liegen. Zu Beginn seiner im Jahre 1520 postum herausgegebenen Saxonia setzt sich der Rostocker Universitätsrektor und nachmalige hanseatische Syndikus Albert Krantz84 eingehend mit der Quellenlage bezüglich des Ursprungs der Sachsen auseinander. Die Herkunft aus Troja oder von irgendeinem anderen entlegenen Volk lehnt er ab. Er schließt sich demgegenüber der Meinung des Tacitus vom indigenen Ursprung aller Germanen an.85 Daß die Sachsen weder bei Tacitus noch bei Strabon Erwähnung finden, liege im Unterschied von antikem und zeitgenössischem Namen des Volks begründet. Während sie allein Ptolemaeus unter dem Namen der Sachsen kennt, seien sie bei den beiden anderen mit den Chatten zu identifizieren. 86 Für den Ahnherrn der Deutschen ist ihm PseudoBerosus Gewährsmann. So sieht auch Krantz in Tuyscon, dem nach der Sintflut erstgeborenen Sohne Noahs, den Begründer der Germani.*1

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Die Bedeutung des Pseudo-Berosus für die deutschen Humanisten untersuchen Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 249-261. Hinweise dazu finden sich schon in den älteren Arbeiten von Gotthelf: Das deutsche Altertum in den Anschauungen des 16. Jahrhunderts, S. 9-18 und Bieder: Geschichte der Germanenforschung, S. 19-20. Zu Krantz siehe einführend Grobecker: Artikel »Albert Krantz«, ders.: Studien zur Geschichtsschreibung des Albert Krantz, Stoob: Albert Krantz (1448-1517); Münkler/Griinberger/Mayer: Nationenbildung, S. 237 (zu Krantz' Germania-Konzept) sowie die neue umfassende Monographie von Andermann: Albert Krantz. Saxonia, a iii": Sed mihi tertia, quam dicam, sententia, magis sedet animo: multum enim tribuo testimonio Taciti, Germani^ diligentissimi inquisitoris, qui indígenas putat esse gentes Germanorum: uerba ipsius ponendo sunt: Ipsos, inquit, Germanos indígenas crediderim, minimeque aliarum gentium aduentibus, & hospitijs mixtos: quia nec terra olim, sed classibus aduehebantur, qui mutare sedes quçrebant: ά immensus ultra, utque sic dixerim, aduersus oceanus, raris ab orbe nostro nauibus aditur: Quis porro prçter periculum horridi & ignoti maris, Asia, aut Aphrica, aut Italia relieta, Germaniam peteret, informem terris, asperam coelo, tristem cultu, aspectuque, nisi sibi patria sit? Rune ego sequutus authorem, Saxones indigenam esse gentem credo. Ebd., a iii": [...] sed alio ab authoribus nomine appellatam [se. gentem Saxonicam], qui uetustissimis scripsere temporibus. Et Ptolemçus quidem primus suo nomine Saxones dignatur: uir Aegyptius Alexandrinus. Cçterum, qui ante illum, Strabo, Germani08 Alle drei: ebd., c 4'. κ» Ebd., c 4r_v. 110 So identifiziert er die unter Rhätien aufgelistete Stadt Drusomagus mit Kempten, während das korrekte Cambodunum in der Liste vindelizischer Städte unbeachtet bleibt (ebd., c 4').

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into Rettern te abnoboo montes. Pteíctea inmergí sc vargioiicg sí cäritbm fab gbuf vifpi sc elctttiorü cremas:v(qt ad diäoe ai f í a f monKS'Partc v e » que fecus oecauS eft habitant fupra baäeros pbrifij vit], ad Amatiti Buuiú-Poft bos rauchi qui appela latitar parai v f i j ad fkiiü vifargim Deìde Càacbi maicms « § § vfcj, ad alba fluaium Deide fupra dorfum Cymbrice Gbtrione fi íkoues.Ipatti aatem cberfonefam fupa foconae ab cctafu habitat. Siguloncs j>OJ

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Prettreafop'trbis qui magia occidentales l'ont Pontbufy se qui magie oriéttles font charades. Omnia aSt maxime feptétriona Its CJJmbri · Poft faxoneaa cbalufo flauio vfcj ad Sueanmfluuiumtenent pbarodini, '.'oit Udini vfq, ad Iduamfiuuiñfub ipfe, Kuridì) vfq, adflnniñlibila m interiora aiite atq¡ mediterranea maxime taten t Suaii angili qui magia orientales font qui longobardi pro cefi ad feptórioné v i a ad mediò albisfluntj.Kverme Sueños Semnones qnibabitatpoft albim a pfata parte verfus ortam vfq, ad Sueanm fluuiS.Prete rea ptenduntnr ad Mugo ta s qui cetera te nent q inde fubftqunntur vfq, ad Iftulaui. Mtores iSt gentes ne q inter canchos pat* «os atq, Saraos iacent font Bufaftori qui remotes tiominantur fub quibua funt Cbe rat.lnter anchos aút maiores ac Sneuos «cent Angriuarg.Poft longobardi fub φ s unlgtam Into ("axones ec Sueuos te«. t D t l l n * v u ™ Into phatadinos Snenos r

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Od. 3, 28, 55-92. In den drei genannten antiken Saitenspielern sieht Celtis Kulturgründer, die die Menschen zusammenführten und sie lehrten, in Städten zu leben. Tatsächlich sind die Genannten zwar als Sänger bekannt, eine kulturstiftende Funktion im Sinne der Ode gesteht ihnen die antike Überlieferung aber nicht zu. Gleichwohl versucht Celtis seine eigene Kunst hier zu überhöhen, wenn er der lyrischen Kunst die Fähigkeit zur Kulturgründung zuspricht. Vgl. zu Orpheus und Amphion HÖR. Ep. 2, 3 (>Ars poeticaretuschiertkulturelle BlüteVerfallWiedergeburt< basiert, übernommen haben. Daß dies gerade nicht der Fall ist, hat Franz Josef Worstbrock schlüssig nachgewiesen. 127 Der italienischen Renaissanceidee steht auf deutscher Seite die Geschichtskonstruktion der Translatio gegenüber, die gerade von Celtis zur Behauptung kultureller Selbständigkeit bemüht wurde. 128 In der Ode an Apoll hatte Celtis diesen gebeten, wie einst von Griechenland nach Rom, nun auch von dort nach Deutschland zu kommen, und damit den Deutschen auch den kulturellen Primat gegenüber den Vorgängern zu verschaffen. 129 In der Ingolstädter Rede setzte der junge Professor seinen dort formulierten Bildungsanspruch gar in direkten Bezug zur Translatio imperii. Bildung wurde dort in direktem Verbund mit politischer Macht gesehen: Ein Volk, das mit der Kaiserkrone die höchste irdische Macht besitze, müsse notwendig auch die kulturelle Führerschaft für sich beanspruchen. Celtis selbst sah sich als denjenigen, der letzteren Anspruch einzulösen im Stande war. Mit Celtis hält folglich kein aus Italien rezipiertes Geschichtsmodell in Deutschland Einzug. Vielmehr wendet er die Idee der Translatio imperii, ergänzt durch die der Translatio studii und das Bemühen, auch noch die Dichtkunst zu übernehmen, gerade gegen die italienische Geschichtsauffassung an und baut sie in bewußter Opposition zu ihr auf. Während die Humanisten der Apenninenhalbinsel auf das antike Rom als ihre große Vergangenheit schauten, die es nach über lOOOjähriger Barbarei wiederzuerwecken galt, wollte Celtis den Nachweis erbringen, daß diese einstige Größe auf die Deutschen übergegangen sei. Zunächst habe ihnen Karl der Große die Kaiserkrone in der Translatio imperii erworben. Jetzt bemühte sich der Humanist, seine Landsleute mit Blick auf die in dieser Beziehung vorbildhaften Römer zu überzeugen, daß zur politischen Macht auch die Bildung gehöre. Sollte ihm das glücken, würde

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Ebd., S. 127: »II fallait, en plus, être en mesure et d'exciper d'un passé comparable a celui des Italiens. Comparable, c'est-à-dire, a la fois aussi glorieux et aussi ancien.« 126 Auch Pindter: Die Lyrik des Konrad Celtis, S. 126ff. glaubt bei Celtis die Rezeption der italienischen Renaissancekategorie >Wiedergeburt< in bezug auf sein Geschichtsbild nachweisen zu können. 127 Worstbrock: Geschichtliches Selbstverständnis, zu Celtis bes. S. 513-518. 128 Worstbrocks Thesen werden wiederholt in Jaumann: Das dreistellige translatioSchema, S. 343-349. 129 Siehe dazu oben Kap. 1.1.1.2.

430 er den Nachweis bringen, daß auch diese mit ihren Aspekten der philosophia, eloquentia etc. nun den Deutschen zu eigen sei. Die Translatio sollte beweisen, daß der Anspruch der Wiedergeburt seitens der Italiener ins Leere läuft. Deutlich zeigt dies ein Epigramm, in dem Celtis auf den italienischen Anspruch der kulturellen Vormacht antwortet:130 Imperium rapuit nobis Germana propago, Sed nostras Musas nemo potest rapere, Ni Phaetonteis qui mersit labra sub undis, Vel quem conspersit littus utrumque maris. Dices post paucos, tribuet si Iuppiter, annos Germanos Latías vincere posse lyras.

Hinter der Idee der Translatio steht ursprünglich die teleologische Vorstellung einer finalen Geschichte, einer Geschichte mithin, die sich an der Abfolge von einzelnen Reichen orientiert, deren letztes das römische ist. In dieser auf einer Prophezeiung des alttestamentarischen Buches Daniel basierenden christlichen Geschichtsauffassung stünde am Ende des letzten Reichs der Antichrist.131 Neben diesem Modell stand die Konzeption von sechs Weltaltern, in die beispielsweise die Schedeische Weltchronik die Historie gliedert. Aber auch diese Gliederung führt zu dem gleichen Ende der Geschichte, zum Jüngsten Gericht. Für beide ist die Geschichte eine gegebene, dem christlichen Heilsplan gehorchende Abfolge. Celtis selbst hat sich nie zu den heilsgeschichtlichen Implikationen der Translationsvorstellung geäußert. Gleichwohl läßt sich erkennen, daß sich sein Geschichtskonzept an der gegebenen Ordnung des Translationsparadigmas orientiert. Er sieht in ihm aber nicht nur die notwendige Abfolge einzelner Reiche, sondern auch verschiedener Kultumationen.

4.3.3. »Translatio« und kulturelle

Entwicklung

In einem kleinen vierzeiligen Epigramm hat Conrad Celtis die Eindrücke verarbeitet, die er beim Betreten der römischen Kapitale empfunden haben will. Nicht die Freude, endlich das Zentrum der von ihm geschätzten antiken Autoren zu betreten, spricht aus ihm; der Humanist sieht um sich herum nur Verfall:132 Quid superest, o Roma, tuae nisi fama niinae, De tot consulibus Caesaribus simul? Tempus edax sie cuneta vorat nilque exstat in orbe Perpetuum. Virtus scriptaque sola manent.

Celtis' Worte sind radikal und stellen den Untergang Roms neben eine allgemeingültige Aussage zur Hinfälligkeit aller Dinge auf dieser Erde. Das Schick130 131 132

Epigr. 2, 24. Siehe Goez: Translatio imperii, S. 4-17. Epigr. 2, 46: Ad Romam, dum illam intraret. Vgl. dazu auch Epigr. 4, 25 (De Romano nomine): Qui Romam quondam, totum et possederai orbem / lam nisi de Roma nomina vana gerii.

431 sal der Stadt ist dasjenige alles Irdischen und wird damit dem Bereich geschichtlicher Begründbarkeit entrückt. Die Verse des Epigramms negieren damit implizit die Auffassung der italienischen Humanisten, die gerade in den Barbareneinfällen der Völkerwanderungszeit das Ende derjenigen großen Epoche sahen, deren Wiedergeburt sie nun erleben wollten. Gerade Flavio Biondos Schriften sind ein deutliches Beispiel für diese Sichtweise und auch für die Trauer, mit der man auf dieses Ereignis blickte.133 Für Celtis hingegen gestaltet sich der geschichtliche Lauf einmal mehr als notwendig und nicht aufhaltbar. Die Frage, wie sich das Ende Roms vollzogen habe, wird einer zweitrangigen Ebene zugewiesen. Doch Celtis' Aussage in dem Epigramm ist noch weitreichender. Alles werde Opfer der gefräßigen Zeit, nichts, aber auch gar nichts lasse sie zurück, wird da konstatiert. Es ist dies die Absage an jeden Optimismus, durch Rekonstruktion der Ruinen, mithin durch eifrige archäologische Betätigung könne etwas von dem einstigen Glanz wiedergewonnen werden. Es ist dies also auch die Absage an das, was Flavio Biondos Roma instaurata zu leisten sich bemüht. Denn der italienische Historiker war von der Sorge getragen, Vergessen werde in kürzester Zeit sogar das Wenige, das überhaupt noch sichtbar ist, zunichte machen.134 In dieser Sorge gründet weitestgehend Biondos historiographisches Schaffen. Mit anderen Humanisten wie Pomponius Leto war er bestrebt, das noch Sichtbare zu inventarisieren, um die Gestalt des antiken Roms wiedererkennen zu können. Sie sind recht eigentlich die Begründer einer römischen Archäologie.135 Für Conrad Celtis kann derartiges Bemühen nicht von Erfolg begleitet sein, da es sich gegen einen geschichtlichen Prozeß wendet, der nicht aufzuhalten ist und auch nicht rückgängig gemacht werden kann. Der deutsche Humanist negiert damit auch jeden Anspruch einer Wiedergeburt, den die italienischen

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Vgl. It. ili. A': Sed maximam tantum munus praeteritorum longe saeculorum malitia et infoelicitate incurrit iniuriam: quod urbe Roma a uariis gentibus sicut in historiis accuratius a nobis est scriptum oppressa. Mit den historiae verweist Biondo auf seine Historiarum decades, die erste humanistische Darstellung der mittelalterlichen Geschichte. 134 Vgl. die programmatischen Worte in der Widmung der Roma instaurata an Papst Eugen IV. (Roma instaurata, a'): Urbis Romae rerum dominae ruinarum potius quam aedificiorum quae nunc cernuntur noticiam pro viribus innouare Eugeni pontifex sanctissimi multa suadent mihi. Sed illud maxime impellit quod tanta fuit praeteritorum diu saeculorum hominibus studiorum humanitatis ignoratio: ut quom pauca singulis in urbis ipsius aedificiorum partibus quae olim fuerint: non ab imperita solum multitudine: sed ab his etiam qui doctrina cultiores sunt sciantur tum multa ac pene omnia falsis et barbaris appellationibus inquinata uel potius infamata cernamus. Unde breui futurum apparet ut Roma ingeniorum parens, uirtutum alumna, celebritatis specimen, laudis et gloriae columen. ac omnium quae uniuersus orbis ubique habet bonorum rerum seminarium in suis obscurata structuris maiorem celebritatis et famae iacturamfaciat: quam in rebus pridemfactam ac potentia uideamus. 135 Im 15. Jahrhundert entwickelte sich unter den römischen Humanisten gerade nach der Rückkehr des Papstes nach Rom ein intensives Studium der römischen Ruinen. Vgl. dazu Weiss: La scoperta dell'antichità.

432 Humanisten aus der räumlichen Identität des alten mit dem zeitgenössischen Rom und des alten mit dem gegenwärtigen Italien ableiten wollten. Wo nichts mehr aus der Antike vorhanden war, so die radikale Konsequenz aus den Versen des Epigramms, konnte ein Anknüpfen an jene nicht mehr glücken. Der Ansicht, daß man die Epoche Roms auf diesem Wege einer nationalen Geschichte einverleiben könne, wird eine fundamentale Absage erteilt. Celtis übertreibt einen Zustand, den die italienischen Humanisten ihrerseits mit zu viel Optimismus als besser einschätzen wollten, als er wirklich war. Er redet aber nicht nur vom vollständigen Untergang Roms, um in offenen Gegensatz zu den Gelehrten der Apenninenhalbinsel zu treten. Die Aussage des Epigramms ist bedingt durch sein Geschichtsverständnis und untermauert es gleichzeitig. Denn vor dem Verfall konnten sich immerhin zwei Dinge retten: die virtus und die scripta Roms. Ist die erste Grundlage für politische Macht, verkörpern die Schriften das Fundament humanistischer Kultur. Es sind dies aber auch Relikte der antiken Kultur, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind und die sich jeder aneignen kann. Um sie kann man untereinander in einen Wettbewerb treten, eine automatische Kontinuität ist ausgeschlossen. In bezug auf die virtus war es Karl der Große, der sich durch seine Leistung als ihr würdiger Erbe erwies und mit ihr den Deutschen auch die römische Kaiserkrone erwarb.136 Auf wen die römische Bildung übergegangen ist, das ist für Celtis noch keine ausgemachte Sache. Keinesfalls dürften sich die Italiener wegen der von ihnen ins Feld geführten lokalen Identität als selbstverständliche Erben fühlen. Ihnen gesteht Celtis in der Ingolstädter Rede nur eine Liebe zur Bildung zu, die er bei seinen Landsleuten erwecken will.137 Daß es den Deutschen gelingen werde, darin die südlichen Nachbarn zu übertreffen und damit auch Erben der römischen scripta zu werden, davon ist er überzeugt.138 Den Verfall Roms hat Conrad Celtis in einem weiteren Epigramm thematisiert, das es erlauben wird zu verstehen, wie der Humanist die Kulturentwicklung der Germania in sein Geschichtsverständnis integriert. In jenen Versen läßt Celtis ein römisches Mädchen aus dem Grab wieder auferstehen und auf ihre einstige Heimat blicken. Sie kommt dabei zu einem enttäuschenden Ergebnis:139 Non veteres video Romano more Quintes, Iustitia insignes nec pietate viros. Sed tantum magnas tristi cum mente ruinas 136

Eine solche Sicht auf die Bedingungen einer Fortsetzung römischer Tradition wendet sich auch gegen Auffassungen, die beispielsweise in Lorenzo Vallas Vorrede zu den Elegantiae zum Ausdruck kommen, wenn dieser vom Verlust des römischen Reichs spricht: Amisimus Romam, amisimus regnum atque dominatum (Zitiert nach Garin: Prosatori Latini, S. 596). Dahinter versteckt sich implizit der genannte Anspruch, nicht nur Erbe, sondern eigentlich auch legitimer Fortsetzer dieses Reichs zu sein, der in der räumlichen Identität Roms gründet. 137 Oratio S. 7 [71]: Nec ego aliam semper florentis Italiae causam reddidero, quam quod Uli nos non alia felicitate quam litterarum amore et earum studio antecedunt. 138 Vgl. auch das oben zitierte Epigr. 2, 24, 5f. sowie Paneg. 146-153 (dazu oben Kap. 1.1.1.2.). 139 Epigr. 3,40, 3 - 8 (De puella Romae reperto).

433 Conspicio, veterum iam monumenta virum. Si mihi post centum rursus revideberis annos, Nomen Romanum vix superesse reor.

Fort sind die römischen Bürger, nur noch Ruinen künden von ihnen und ihrer Zeit, der römische Name ist gänzlich vom Aussterben bedroht. In dem, was sie sieht, kann sie allenfalls noch Reste der einstmaligen großen Epoche ausmachen. Und selbst die Erinnerungskraft, die von den Ruinen ausgehen kann, diagnostiziert das Mädchen als kurz vor dem völligen Versiegen. Die Trauer des Mädchens negiert, daß es in der Gegenwart eine sichtbare Wiedergeburt eben dieses Zustands geben könnte. Aus diesem Grunde lassen sich jene Verse bei weitem nicht nur als Reflex auf ein Romerlebnis lesen wie das oben besprochene Epigramm. Sie wollen ganz besonders auch zur Gegenwart Stellung beziehen. Denn neben das abschließende Kapitel der Germania generalis gestellt, tritt die kleine Geschichte von dem römischen Mädchen in kontrastiven Gegensatz zur dort vorgestellten zivilisatorischen Entwicklung der Germani. Während das wiederauferstandene Mädchen die Männer ihres einstmals großen Volks vermißt, lebt in Deutschland eine Bevölkerung, die mit den einstigen barbarischen Waldbewohnern nichts mehr gemein hat. Diese sind einem kultivierten Volk gewichen, das in Städten wohnt; das Mädchen erkennt demgegenüber traurig nur noch die Ruinen ihrer Heimat. Deutlicher noch als im Vergleich zu den Versen der Germania generalis erklärt sich die Aussage des Epigramms, wenn man es mit jener Äußerung von Enea Silvios Brieftraktat an Martin Meyer in Beziehung setzt, in der er die beeindruckende Entwicklung, die er in der zeitgenössischen Germania vollzogen sieht, durch Verwendung desselben Bildes deutlich macht. Dort heißt es:140 Vellemus a mortuis aliquis ex illis veteribus [sc. Germanis] resurgeret, aut Ariovistus ille [...]. Omnes isti, si modo e tumulis excitarentur, fortasse oculos attollentes, cum inde ursam et triones et Cynosuram cernerent, patrie celum recognoscerent et illis sub astris se quondam natos reminiscerentur. At cum terram inspicerent et hinc florentes urbes, inde mores hominum placidos et agrorum culturam et sacrorum cerimonias inspicerent, negarent suam esse patriam, cuius faciem non cognoscerent.

Hier die fassungslosen Germanen, dort das enttäuschte römische Mädchen: Celtis' Epigramm hat sein Vorbild in der Idee des italienischen Humanisten, zwei historische Zustände einander gegenüberzustellen und vor allem zu bewerten, indem die Auferstehung eines Menschen aus vergangener Epoche inszeniert wird. Dieser tritt aufgrund der Erfahrungen in seiner einstmaligen Lebensumwelt mit einer spezifischen Erwartungshaltung an die Zeit heran, in die hinein er wieder zum Leben erweckt wird, mit einer Erwartung, der die neue Zeit aber nicht mehr entspricht. Für die junge Römerin ergibt sich dabei freilich ein vollständig anderer Befund als für Enea Silvios Germanen. Während der Germane über die Gepflegtheit seiner Heimat nur staunen kann, ist um die junge Frau nur Verfall. Wo der Germane eine aufsteigende Linie sieht, muß die Römerin eine absteigende erkennen, ja eine, die ins baldige Vergessen zu münden scheint. AEN. SILV. Germ. 2, 28 (S. 65f.).

434 Celtis' Übertragung von Enea Silvios Motiv auf Rom erlaubt es, zwei historische Entwicklungen in Beziehung zu setzen, die hinsichtlich der Gegenwart für seine patria ein vorteilhafteres Ergebnis zeitigen. Dem Verfall Roms steht der kulturelle Aufstieg Deutschlands gegenüber.141 Die Kategorien >Verfall der einen Macht< und >Aufstieg einer anderen< sind nun aber Grundelemente des Geschichtsmodells der Translatio, die als Translatio imperii und Translatio studii in Celtis' Denken einen festen Platz einnimmt. Hier wird es ergänzt durch das Element von kulturellem Verfall und zivilisatorischer Entwicklung. Die Vorstellung von der Translatio imperii und die in Celtis' Œuvre verstreut formulierten Überlegungen zur kulturellen Entwicklung seiner patria lassen sich folglich zu einer kohärenten Konzeption zusammenfügen, in der die Übertragung der römischen Kaiserwürde und der zivilisatorische Prozeß aufeinander bezogen sind. Die Vertreibung der Druiden aus Gallien und die Herrschaft der bedeutenden römisch-deutschen Kaiser im hohen Mittelalter bilden darin Anfangs- und Höhepunkte einer emanzipatorischen Geschichte, auf deren Mitte die Übernahme der Herrschaft über das Imperium Romanum durch Karl den Großen steht. Sie steht just an dem Punkt, an dem die zivilisatorische Entwicklung der Germani einen gewissen Abschluß erreicht hat, und sie begründet hierauf den politischen Aufstieg Deutschlands. Celtis' Geschichtsideologie sieht eine steigende historische Bewegung für seine patria, während für Italien als einstigen Träger des Imperiums eine absteigende Linie und Verfall diagnostiziert werden muß. Es geht Celtis schließlich nicht darum, die historische Größe eines antiken Germaniens zu rekonstruieren, die zeitgleich neben der Größe des antiken Rom existiert hätte; vielmehr wird einzelnen Völkern und Staaten zugestanden, in jeweils verschiedenen historischen Perioden Träger der höchsten Macht zu sein. Seit Karl dem Großen bis in Celtis' Gegenwart ist dies Deutschland, und Maximilian I. ist Garant für die Fortdauer dieses Zustande. Dem deutschen Humanisten geht es folglich nicht um eine Idealisierung der germanischen Vergangenheit, sondern er versucht sie zu neutralisieren. Im gegebenen historischen Verlauf ist sie nicht relevant. An dieser Stelle scheint es geboten, auf die Schedeische Weltchronik zurückzukommen. Denn in dem hier dargelegten Sinne ist auch die Schedeische Weltchronik mehr als ein veraltete Muster weitertransportierendes Kompilat. Wie im ersten Kapitel des Interpretationsteils gezeigt wurde, präsentiert sie die nationale Zuspitzung eines zu ihrer Zeit noch gültigen Geschichtsmodells.142 Aber nicht nur dies kann an ihr beobachtet werden. In ihr scheint überdies Celtis' Zusammenhang zwischen Translatio und kultureller Entwicklung vorgeprägt zu sein.143 Charakteristisch für den Liber chronicarum des Nürnberger Arztes - darauf wurde bereits mehrfach hingewiesen - sind die zahlreichen Stadtansichten und -beschreibungen, unter denen die deutschen Städte die quantitativ größte 141 142 143

Vgl. Garber: Trojaner, S. 152. Kap. II. 1.2.1. Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen sind Überlegungen zur Schedeischen Weltchronik in Kugler: Nürnberg auf Blatt 100.

435 Gruppe einnehmen. Sie haben, da sich die meisten dieser Städtebilder im Sechsten Weltalter befinden, maßgeblichen Anteil daran, daß der letzte Abschnitt von Schedels monumentalem Werk eine gewisse Zentrierung auf Deutschland aufweist. Die Städte erhalten im geschichtlichen Verlauf allerdings auch Positionen, die gegenüber anderen Städten, vor allem italienischen, ihr geringeres Alter zum Ausdruck bringen. Es geht Schedel nicht darum, die deutschen Städte durch den Nachweis möglichst früher Gründung mit anderen in einen Wettstreit treten zu lassen. 144 Mehr als durch hohes Alter sollen sie durch ihre Anzahl das Sechste Weltalter, jene Zeit, die auch die Reichsgewalt in Deutschland sieht, dominieren. Es geht in der Weltchronik nicht darum, eine Germania zu zeigen, die unabhängig ist von der römischen Kultur. Vergleichbar hohes Alter will der Autor für sein Land auch nicht nachweisen. Vielmehr hatte die Interpretation der Vorrede zur Europa ergeben, daß er Enea Silvios Vorstellung von der kulturellen Entwicklung der Germania von der Barbarei zur Zivilisation unverändert übernommen hat. Der Aufbau des Liber chronicarum ist vor diesem Hintergrund ein wenn auch unbeholfener Versuch, den von dem italienischen Humanisten rezipierten historischen Befund in das teleologische Geschichtsmodell zu integrieren, dem Schedels Werk gehorcht. 145 Die Schedeische Weltchronik zeigt in Ansätzen eine Vermengung von Geschichtsparadigmen, die Celtis zu einer komplexeren historischen Struktur ausbaute. Grundlage für die Geschichtsauffassung beider ist ein teleologisches, gegebenes und nicht veränderbares Verlaufsmodell. Allein Celtis entkleidet es aller darin enthaltenen heilsgeschichtlichen Implikationen. Er sieht in der Abfolge der vier Weltreiche, zumindest was die letzten drei angeht, 146 eine notwendige Reihe von Griechenland über Rom nach Deutschland. Sukzessive vollzieht sich kultureller Aufstieg und Verfall der in Blüte stehenden Völker. Zivilisatorische Höhe und politische Macht sind komplementär und laufen nebeneinander. Der Übergang der römischen Macht auf die Deutschen zog daher den Untergang

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Freilich bemüht er sich, beispielsweise Nürnbergs Gründung kurz nach Christi Geburt anzusiedeln und ihm dadurch ein Alter zuzugestehen, das der Realität nicht entspricht. Gleichwohl geht er in seinen Spekulationen über die Grenze des Sechsten Weltalters nicht hinaus. Seine Versuche, hohes Alter für die deutschen Städte nachzuweisen, bewegen sich, von Ausnahmen abgesehen, innerhalb der Schranken der letzten Weltepoche. Das heißt allerdings nicht, daß Schedels Weltchronik, wie Kugler: Nürnberg auf Blatt 100, S. 105 feststellt, am »Anfang jahrzehntelanger Bemühungen verschiedener deutscher Humanisten [steht], eine >Germania illustrata< zu schaffen« (ebenso Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 208). Der Liber chronicarum erweist sich vielmehr in immer höherem Maße als Schnittstelle, in der sich die italienische historische und geographische Diskussion mit traditionellen deutschen Geschichtsparadigmen traf. Im Werk des Nürnberger Arztes stehen diese beiden Aspekte allzu oft erratisch nebeneinander. Gleichwohl sollte mit den hier gegebenen Anmerkungen angedeutet werden, wie lohnend eine interpretierende Untersuchung zu der ebenso bekannten wie unerforschten Schedeischen Weltchronik wäre. Das erste Reich spielt bei Celtis nie eine Rolle. Ihm geht es um das Verhältnis Deutschlands zu den beiden vorbildlichen antiken Mächten.

436 Roms nach sich. Gleichzeitig erlebt Deutschland mit der Translatio den kulturellen Aufstieg. Zivilisation vor diesem Zeitpunkt ist in diesem Modell nicht notwendig. Der Translatio ist mithin die Kategorie der Migration eigen. Sie bedeutet Übergang von einem Volk auf ein anderes. Kontinuität liegt demnach auf der Ebene der Institutionen, also des Reichs, oder der Bildung begründet, nicht auf der Ebene von deren Trägern. Die Idee der Translatio kennt des weiteren keine Legitimation aufgrund räumlicher Identitäten, da die Übertragung im geographischen Raum erfolgt. Für Celtis, ja für den deutschen Humanismus insgesamt, ist die Reihe Griechen - Römer - Deutsche konstitutiv für den historischen Prozeß, in den sich auch die kulturelle Entwicklung der Völker eingliedert. Das humanistische Italien bleibt in diesem Geschichtsmodell außen vor; seine Versuche, sich als rechtmäßigen Erben des antiken Roms zu sehen, müssen darin notwendigerweise scheitern.

4.4. Das Verhältnis zwischen der »Germania generalis« und der »Germania« des Tacitus Das letzte Kapitel der Germania generalis enthält Hinweise auf ein historisches Konzept, das sich als ein kulturelles Entwicklungsmodell präsentiert und das sich als Fortschreibung des von Enea Silvio auf Deutschland angewandten mutatio-Konzepts verstehen läßt. Wie dieser kennt Celtis ein Einst und ein Jetzt seiner patria, die durch ihre zivilisatorische Markierung eindeutig voneinander unterschieden sind, wobei er im Gegensatz zu Enea Silvio, der die dazwischen liegende Entwicklung nur knapp als Verdienst des christlichen Glaubens und der Kirche als dessen Trägerin erwähnt, bemüht ist, diesen historischen Prozeß, der beide Epochen miteinander verbindet, nachzuzeichnen. Celtis' komplexes und vor allem eigenständiges Konzept, das die Konstruktion einer von Rom und Kirche unbeeinflußten zivilisatorischen Entwicklung durch die Druiden mit der Vorstellung kosmologischer Veränderungen verbindet, zielt auf die Entkräftung überzeitlicher Wertungen antiker Aussagen zu Germanien und seiner Bevölkerung und damit auf deren Historisierung. Angesichts der vor diesem Hintergrund für die Germania generalis in jedem Falle verfehlten Annahme, Celtis habe nach einer Vergangenheit gesucht, die der römischen vergleichbar war, und diese dann in der Germania des Tacitus gefunden, ist die Frage nach der Bedeutung der taciteischen Schrift für die Deutschlandkonzeption der Germania generalis zu stellen. Sie läßt sich über das kontextuelle Gefüge der Tacitus-Ausgabe beantworten, in der beide Texte gemeinsam und aufeinander bezogen ediert sind. Dieser Bezug zeigt sich auffällig im Titel des Gedichts einmal durch die im Wortlaut eindeutige Anlehnung an den vorausgehenden antiken Text, besonders aber durch die Bezeichnung additiones, die die Germania generalis als Ergänzung zur Germania in einen spezifischen Funktionszusammenhang mit ihr stellt. In einem solchen editorischen

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Konzept geht es um die Erweiterung von Inhalten der taciteischen Germania und nicht um bloße Entsprechungen zwischen ihr und Celtis' Gedicht, wie sie Ridé vermutete, zumal sich solche im engen Gefüge der Tacitus-Ausgabe lediglich als Wiederholungen darbieten würden. Als Ergänzung zu ihrer Referenzschrift, mit der sie ediert wurde, präsentiert sich Celtis' Germania generalis durch die Dominanz geographischer Kapitel, die die Modellierung der Germania und ihrer Topographie vornehmen. Sie finden in der Germania des Tacitus keine Entsprechung, da sich diese auf knappe und überdies unvollständige Hinweise zur Eingrenzung der antiken Germania beschränkt, die sich ausschließlich in den ersten beiden Kapiteln finden.147 Im weiteren Verlauf ist die Geographie des Landes nicht mehr Gegenstand der taciteischen Schrift. Entsprechend ist in den geographischen Kapiteln der Germania generalis das weitgehende Fehlen von Reminiszenzen aus der taciteischen Germania zu konstatieren. Im editorischen Konzept der Tacitus-Ausgabe konstituiert sich die Beziehung der Germania generalis zur taciteischen Germania gerade über die Hinzunahme thematischer Bereiche, für die das Werk des Tacitus nicht als Quelle dienen konnte. Neben dieser Ergänzung inhaltlicher Aspekte, die in der Germania fehlen, läßt sich an der Übernahme des Indigenitätsparadigmas in die Germania generalis beobachten, wie Celtis einen knappen Hinweis, den er in seinem antiken Referenztext vorfand, erweitert, indem er Tacitus' Vorstellung vom Ursprung der Germanen in das auf die Germania zentrierte geschichtsmythologische Konzept seines Gedichts integriert und sie damit in Zusammenhänge einbindet, die in der taciteischen Schrift nicht gegeben waren.148 Denn der Aspekt der Indigenität stellt einen entscheidenden Baustein in Celtis' Konstruktion einer Geschichte der Germani dar, die von ihrer Entstehung aus dem Weltenschöpfer über eine Epoche barbarischer Unkultiviertheit bis zur zivilisatorischen Höhe in Celtis' Gegenwart reicht und die sich im stets gleichen Land vollzogen hat. Durch diesen breiten, wenn auch nur andeutungsweise vorgestellten Prospekt stellt Celtis eine historische Entwicklung vor, die auch vor den Zustand zurückreicht, den Tacitus' Schrift beschreibt. Celtis' umfassendes evolutives Konstrukt, das auf dem taciteischen Paradigma der Indigenität aufbaut, erlaubt es mithin, das Bild einer barbarischen Kultur, das die Germania zeichnet, an einer Stelle dieses historischen Prozesses eindeutig zu verorten und überzeitlichen Interpretationen der taciteischen Schilderungen einen Riegel vorzuschieben.149 Dem Bild einer primitiven Kultur steht die Beschreibung der zeitgenössischen kultivierten Germania in der Germania generalis gegenüber. Das editorische Gefüge der Germania generalis wird damit selbst als Nachzeichnung einer geschichtlichen Entwicklung erkennbar, in der die taciteische 147 148 149

Vgl. Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 467. Damit zeigt sich Celtis' Anliegen demjenigen des Annius von Viterbo verwandt. Zur Angewohnheit italienischer Humanisten, den Aussagen der taciteischen Germania, wie im übrigen auch den Schilderungen Caesars in seinem Gallischen Krieg (4, 21-28) bis in die Gegenwart des 15. Jahrhunderts hineinreichende Gültigkeit beizumessen, siehe Münkler/Grünberger/Mayer: Nationenbildung, S. 164.

438 Germania und die Germania generalis den Anfangs- und Endpunkt jenes mutario-Prozesses markieren, der im Schlußkapitel der Germania generalis kurz angesprochen wird und der seit Enea Silvios Germania die humanistische Vorstellung von der Entwicklung Deutschlands seit der Antike prägte. Die Funktion der Germania generalis als additiones zur Germania des Tacitus besteht daher für ihr ethnographisches Kapitel und den kulturgeographischen Schlußabschnitt, die beide ihre thematischen Pendants in der antiken Schrift finden,150 in der kontrastiven Gegenüberstellung zweier kultureller Zustände sowohl der Bevölkerung wie auch der Landschaft. In dem Kapitel der Germania generalis, das sich der Beschreibung von Wesen und Lebenswandel der Germani widmet, weisen die Anmerkungen zum äußeren Erscheinungsbild, die auf den Zeugnissen Strabons und anderer antiker Autoren beruhend ihrerseits wieder Hinweise der Germania des Tacitus ergänzen und präzisieren, zumindest für einen engen Bereich aber auch auf eine überzeitliche Norm, die dem historischen Wandel nicht unterworfen ist. Indem diese Rekurrenz auf antike Quellen im Gegensatz zu Celtis' Anmerkungen zum Lebenswandel stehen, die dem Bild entsprechen, das Enea Silvio von den Deutschen gezeichnet hat, definiert Celtis allein durch die unterschiedlichen Quellenbezüge Bereiche, in denen Aussagen antiker Autoren generell und damit auch die des Tacitus Gültigkeit haben. Dieses Verfahren definiert daher auch Leitlinien für eine Interpretation antiker Quellen, indem es die Bewertung einzelner ihrer Aussagen hinsichtlich ihrer historischen Reichweite möglich macht. Die Germania generalis präsentiert sich folglich als ein Gedicht, das genau auf die Kontextualisierung mit der Germania des Tacitus hinkomponiert wurde: Sie ergänzt den Inhalt der antiken Schrift, gibt ihm eine feste Position innerhalb einer kulturhistorischen Entwicklung und liefert schließlich Hinweise zur Reichweite ihrer Aussagen zu Land und Bevölkerung. Damit gründet nicht nur die Germania generalis, sondern auch das editorische Konzept der Tacitus-Ausgabe in der zeittypischen Diskussion einmal um die Kulturgeschichte Deutschlands, darüber hinaus aber auch um die überzeitliche Gültigkeit antiker Aussagen. In seiner Funktion als additiones, womit kein bescheidenes Zurückweichen vor der antiken Autorität gemeint ist, rückt das Gedicht methodisch in die Nähe einer Quellenkritik, wie sie Flavio Biondo in der Italia illustrata angewandt hat, als er für seine geographische Beschreibung verschiedene antike Zeugnisse miteinander verglich, hierauf alten und zeitgenössischen Zustand in Beziehung zueinander setzte und damit die Aussagen einzelner Autoren von Fall zu Fall korrigierte oder ergänzte. Celtis weitet dieses Verfahren im Schatten des von Enea Silvio etablierten kulturhistorischen mutafio-Konzepts auf Kulturgeographie und Ethnographie aus. Ungeachtet dieser Anlehnungen steht Celtis' hexametrische Deutschlandbeschreibung als expliziter Nachtrag zu einem einzelnen antiken Text in ihrem Umkreis aber alleine da. Das Verfahren des Gegenüberstellens, das die Italia 150

Zum Erscheinungsbild des Landes vgl. TAC. Ger. 5; zu Lebensweise, Charakter und Erscheinungsbild der Germanen siehe TAC. Ger. 6-27,1.

439 illustrata durchweg auszeichnet, wird bei Celtis zum Programm eines editorischen Zusammenhangs: In ihrer Ergänzungsleistung verkörpert die Germania generalis daher allein als Text die Methode Flavio Biondos. Durch das kommentierende Beziehungsgeflecht der Tacitus-Ausgabe - nicht etwa durch inhaltliche Abhängigkeiten - erweist sich die Germania generalis, so ist abschließend zu betonen, als Dokument für Celtis' Tacitus-Interpretation: Seine Wiener Studienedition präsentiert nicht nur die ersten historisch-geographischen Landesbeschreibungen nördlich der Alpen, sondern mit ihr beginnt in Deutschland recht eigentlich auch die Exegese antiker Schriften über Germanien, deren prominenteste die taciteische Germania ist.

III. Annäherung an die »Germania illustrata«

1.

Die Beziehung zwischen Celtis' Œuvre und der »Germania illustrata«

1.1.

Die Funktion der »Germania generalis« in der Nürnberger »Amores«Ausgabe von 1502

1.1.1. Die »Amores«-Edition Veröffentlichung des

und die Inszenierung Gesamtwerks

einer

bevorstehenden

Im Jahre 1502 erschien in Nürnberg mit der im Auftrage der Sodalitas Celtica bei einem nicht genau identifizierten Drucker1 verlegten und aufwendig gestalteten Amores-Ausgabe erstmals eine größere Werkausgabe des Celtis, in die neben den vier Büchern Elegien unter anderem auch die Germania generalis und die Norimberga Aufnahme fanden. Sie sollte die einzige großangelegte Veröffentlichung seines Œuvres bleiben, die zu Celtis' Lebzeiten verlegt worden ist. 2 Daß diese überhaupt zustande kam, ist zu einem guten Teil wohl dem langen Drängen von Celtis' Freunden zu verdanken.3 Anhaltspunkt dafür ist ein auf den 1. März des Jahres 1500 datierter Brief Sebald Schreyers an Celtis, in dem der Nürnberger Patrizier den Freund zur Herausgabe seiner unveröffentlichten Schriften ermahnt. In dem Schreiben, das Celtis am Ende seiner Nürnberger Ausgabe sogar veröffentlicht hat, zeichnet Schreyer das Bild eines allseits geschätzten Mannes, dem es nur daran gebricht, seine vollendeten Werke auch der Öffentlichkeit vorzustellen. Schreyer findet deutliche Worte:4

1

2

3

*

Schottenloher: Die Entwicklung der Buchdruckerkunst, glaubte durch Typenvergleich Hieronymus Höltzel als Drucker der Amores und der ein Jahr vorher entstandenen Hrotsvitha-Ausgabe, die die gleiche Type zeigt, nachweisen zu können. Dies hat Benzing: Wer war der Drucker? widerlegt. Vgl. Grimm: Des Conrad Celtis editio princeps der »Opera Hrotsvithe«, S. 4-7. Die Klärung, wer der Drucker der beiden Ausgaben ist, ist verbunden mit der Frage, wer sich hinter den Initialen A. P. des Druckersignets verbirgt, das in der Hrotsvitha-Ausgabe unter dem Registrum operis, in der Amores-Ausgabe unter dem Kolophon zu finden ist. Grimm, ebd., S. 7 glaubt in den Lettern den bei Anton Koberger tätigen Drucker Anthoni von Walles, genannt Peypus, zu erkennen. Die vier Bücher Oden erschienen postum im Jahre 1513. Von den Epigrammen sind nur fünf Bücher realisiert. Sie wurden erstmals 1881 von Karl Hartfelder ediert. Zu den Epigrammen vgl. Kemper: Die Redaktion der Epigramme. Zur Entstehung der Quattuor libri Amorum und des Nürnberger Drucks siehe die Überlegungen bei Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 361-372. BW Nr. 233, S. 388f. (=QLA r ii'-iii').

444 A cunctis tuis Germanis (externis etiam) ad singula Germaniae latera laudatus, sed in uno, nedum tibi, sed et omnibus tuis deesse nunc videris, in quo ego tibi molestus esse non desinam. Quod aut per invidiam, desidiam, superbiam, aut quocumque alio errore traharis, absoluta illa tua egregia opera et quibus (ut ais) extremam manum imposuisti, apud te servas.

Aus Schreyers Zeilen geht hervor, daß Celtis in seiner Umgebung den Eindruck erweckt hatte, die Werke, zu deren Herausgabe er hier aufgefordert wird, lägen bereits fertig vor. Das einschränkende ut ais zeigt aber, daß Schreyer diesen Äußerungen seitens des Humanisten wohl skeptisch gegenüberstand. In den Worten des Absenders aus Nürnberg dürfte sich daher auch dessen Erfahrung mit Celtis widerspiegeln. Denn sieben Jahre nachdem er mit diesem einen Vertrag zur Überarbeitung des Liber chronicarum geschlossen hatte, mußte dieses Vorhaben als gescheitert gelten, mußte wohl auch das Vertrauen, das Schreyer in Celtis gesetzt hatte, gelitten haben. Das Gewünschte ließ schließlich noch zwei Jahre auf sich warten,5 und in dem Bewußtsein, daß die verspätete Herausgabe einer Rechtfertigung bedürfe, sandte Celtis am 1. Februar 1502, am selben Tag, an dem er die Amores beendet haben wollte, und noch vor Drucklegung des Bandes6 einen Brief an Schreyer, in dem er auf dessen Ermahnungen aus dem Jahre 1500 antwortet. Auch dieser ist in den Amores-Band aufgenommen.7 Celtis bemißt darin die Zeit, die er zur Abfassung der Amores benötigt habe, auf 12 Jahre, und um diese lange Zeitspanne zu begründen, beruft er sich auf die neuplatonische Vorstellung, daß das Werden eines Werks nicht vom Willen des Dichters, sondern von der Anregung seines Dämon abhänge und daß es bis zur Fertigstellung die officia oratoris durchlaufen müsse. Seine Entstehung sei damit dem Entwicklungsprozeß eines Lebewesens vergleichbar, dessen Zeugung zunächst von kosmischen Konstellationen abhänge und das erst nach einer längeren Schwangerschaft geboren werde:8 Ut enim ammalia quaeque non nisi ex certo stellarum χρονικώ aut ήλικώ ortu certum et praefixum sui coitus tempus habent et ad certam in utero moram foetus edunt, ita cum his accidere video et viris doctissimis, qui aut Carmine aut oratione quidpiam illustre et dignum lectione cudunt et producunt, non semper quando volunt aut 5

6

ι 8

Wuttke: Dürer und Celtis, S. 360-363 glaubt, Celtis habe im Jahre 1500 sein gesamtes lyrisches Werk veröffentlichen wollen. Hierzu rekonstruiert er eine dreibändige Reinschrift von Elegien, Oden und Epigrammen. Letztere sieht er in der Kasseler Handschrift Ms. poet. 7, die Celtis' Epigramme in Reinschrift von seinem Schreiber Johannes Rosenperger enthält. Die Oden-Reinschrift hält er für verloren. Eine vorläufige Fassung erkennt Wuttke in der Nürnberger Handschrift Ms. Cent. V, App. 3, in der Oden wie Amores enthalten sind. Der Kolophon der Amores-Ausgabe nennt den 1. Februar 1502 als Datum der Vollendung der Amores und den 5. April desselben Jahres als Termin der Drucklegung (QLA r iiii v ): Absoluta sunt haec C.C. opera in Vienna Domicilio Max[imiliani] Augusti Caesa[ris] Anno M. D. noui seculi 11. kalen[dis] Febru[ariis] Impressa autem Norinbergae eiusdem anni Nonis Aprilibus [...] (Auslassungen sind aufgelöst und in eckige Klammern gesetzt). QLA r iii'"v. BW Nr. 270, S. 473 (=QLA r ίίΓ ν ).

445 cupiunt, nisi, quo δαίμονε aut spiritu concitati, ad scribendum incalescant et rapiantur. Sed ut in formatione foetus fit, succisivo tempore, quod in omnibus rebus sapientissimum est per inventionis, dispositionis et elocutionis partes ad εντελεχεΐα opera sua producunt.

Was Celtis, für ihn durchaus üblich, dem Verantwortungsbereich überirdischer und kosmischer Konstellationen anheimgibt, steht in offenem Widerspruch zu dem, was er Schreyers Brief zufolge selbst vom Zustand seiner Werke verbreitet hatte. Es ist indirekt das Eingeständnis, daß im Jahre 1500 wohl noch nichts zur Veröffentlichung Bereites vorgelegen hat. Der Briefwechsel zwischen Schreyer und Celtis zeigt das Mißverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Celtis' Schaffen, für das er durch eigene Ankündigungen selbst verantwortlich ist. Die Korrespondenz zwischen den beiden ist kein Einzelfall. Denn auf das selbe Jahr 1500 datiert der Brief eines fiktiven Lübecker Syndikus namens Quirinus, in dem dieser das gleiche Ziel verfolgt wie Schreyer. Der Absender wundert sich darin, daß er Celtis in Trithemius' Catalogus illustrium virorum erwähnt finde,9 dieser aber seine Werke nicht ediere. Im Gegensatz zu Schreyer nennt sie jener Quirinus beim Namen:10 Cum nuper in librum abbatis Spanhamensis, quem ille de scolasticis scriptoribus edidit, incidissem teque inter alios claros viros offendissem, miratus vehementer sum, quod opera tua in lucem non edis: Quatuor Amorum libros secundum quatuor Germaniae latera cum urbibus, fluminibus, populis et aliis memorabilibus; Quinqué Epigrammatum libros singulis centenis epigrammatibus descriptos; Odarum libros quatuor; item Norinbergae situm et mores totamque Illustratam Germaniam, quam forte adhuc in manibus tenes.

Von den hier genannten Werken veröffentlicht die Amores-Ausgabe nur einen Teil. Deutlich zu erkennen ist aber Celtis' Bemühen, die übrigen erwarteten Werke durch Verweise und Vorankündigungen in den Band zu integrieren. Dadurch charakterisiert sich die Amores-Ausgabe über ihre aufwendige Gestaltung und die komplexe Bild-Text-Relation hinaus als bewußt komponiertes Ganzes." Dies zeigt sich besonders in der Praefatio an Maximilian, die Celtis als Panegyrikus auf den Kaiser verstanden wissen will, aber nur als seinen ersten Teil,12 dem in seinen Ausgaben der Oden und Epigramme weitere Teile folgen sollen. Dies berichtet er seinem Adressaten zum Abschluß der Einleitung und er fügt hinzu, daß Maximilian diese Editionen von weiteren lyrischen opera in Kürze erhalten werde.13 Gleiches sagt er kurz davor über die Germania illustrata, die er nach einer erneuten Rechtfertigung für seine Wanderung durch Deutschland, 9

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Catalogus illustrium virorum, [L iv]r. Celtis wird dort unter anderem als poeta laureatus bezeichnet (Zitat oben Kap. II. 1.1.2., Anm. 51). BW Nr. 259, S. 448. Zu den Holzschnitten des Bandes und zur Bild-Text-Relation vgl. ausführlich Lüh: Die Holzschnitte für Konrad Celtis, S. 39-270. Am. Praef. S. 1 (=BW Nr. 275, S. 495 und QLA a iir): Praefatio et panegyrici prima pars Ad Maximilianum Romanorum regem et Caesarem Augustum in libros Amorum. Am. Praef. S. 7 [56] (=BW Nr. 275, S. 503 und QLA [a vi]'): Reliquas panegyrici nostri partes in praefationibus librorum odarum nostrarum et centepigrammaton brevi accepturus.

446 als deren Ertrag er die vier Bücher Amores ausgibt, mit dem Hinweis ankündigt, daß sie bereits in manibus sei, als ein Werk also, das nicht mehr lange auf sich warten lassen werde.14 Mit den Oden, den Epigrammen und der Germania illustrata stellt Celtis neben die edierten Amores all jene opera, die er, seinem Sterbebild entsprechend, als sein Lebenswerk verstanden wissen und auf die er seinen Nachruhm bauen wollte.15 Die Hinweise integrieren gewissermaßen das noch zu Schaffende in den Kontext des gerade Vorgestellten und wollen dieses als auf einem Gesamtkonzept, einem genauen Lebensplan beruhend zu erkennen geben. Mit der Herausgabe des Amores-Bandes inszeniert Celtis selbstbewußt auch den Auftakt seines Lebenswerks. Die Vorstellung der Amores als erste Einlösung eines bereits vor Augen stehenden Gesamtwerks verdichtet ein Verfahren, das sich konstant durch das Œuvre des Humanisten zieht. Es zeigt, daß Celtis spätestens 1502 genaue Vorstellungen davon hatte, was an seinem Lebensende sein Gesamtwerk darstellen sollte. Neben Celtis' genauen Vorstellungen von einem Gesamtwerk auf literarischem Gebiete stehen überdies seine sich schon früh herausbildenden Ambitionen hinsichtlich einer Institutionalisierung seiner Bildungsvorstellungen. Auch hier zeigt sich, daß sein in der Panegyris formuliertes wissenschaftliches Reformprogramm bereits von ganz konkreten Absichten einer Akademiegründung begleitet wurde, in der er parallel zu den universitären Institutionen seine Ansprüche verwirklichen wollte.16 Die Gründung des Collegium poetarum et mathematicorum 1501 in Wien durch Kaiser Maximilian, das vollkommen unabhängig von der Universität bestehen konnte, dürfte für Celtis das Erreichen eines Ziels bedeutet haben. Auch hiervon gibt die /Imores-Ausgabe ein Zeugnis, indem in ihr sowohl das kaiserliche Privileg wie auch ein Lobpreis von Vinzenz Lang auf die Gründung des Kollegs aufgenommen ist.17 Der Nürnberger Band präsentiert damit nicht nur die erste große Veröffentlichung eines Dichters, er stellt diesen auch als Bildungsreformer mit seinen jüngsten Erfolgen vor. Er ist in seiner Gesamtheit Demonstration eines Selbstanspruches, der weit über das Literarische hinausgeht. In der Amores-Ausgabe ist gleichsam das ganze Lebenswerk präsent, obwohl es in seinem dort vorgestellten Umfang nie existierte.

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Ebd. Zu diesem Hinweis auf die Germania illustrata siehe unten, den nächsten Abschnitt (1.1.2.). Das 1507 von Hans Burgkmair in Augsburg geschaffene Sterbebild Celtis' interpretiert Worstbrock: Konrad Celtis, S. 16-24 (Abbildung ebd., S. 19). Vgl. überdies Falk: Hans Burgkmair. Studien zu Leben und Werk des Augsburger Malers, S. 50f. und Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 321-356. Siehe Kap. 1.1.1.3., S. 222f. Maximilian I.: Privilegium erectionis collegii poetarum et mathematicorum in Vienna (QLA [q vi] v -[q vij]v); Vincenz Lang: Ad diuum Maximilianum regem Romanorum Panegyricus (ebd., [q viii]'-r ii").

447 1.1.2. Die Präsentation der »Germania generalis« als Vorankündigung »Germania illustrata«

der

Gegen Ende der Praefatio an Maximilian, nachdem Celtis dem Kaiser Gehalt und Aufbau der ihm gewidmeten vier Bücher Liebeselegien erläutert und sie gegen seine Kritiker verteidigt hat, führt er den Inhalt des Bandes auf und erwähnt auch die Germania generalis,18 Celtis präsentiert das Gedicht, das er hier eine allgemeine Beschreibung Deutschlands in seiner zeitgenössischen Gestalt nennt, dabei als neu:19 Suscipe dehinc novam et generalem Germaniae, ut hodie habitatur, carmine heroico descriptionem [...].

Im Unterschied dazu weist Celtis bei der Norimberga, die er im Anschluß daran vorstellt und die er in der Amerei-Ausgabe immerhin das erste Mal vollständig gedruckt ediert,20 ausdrücklich darauf hin, daß er sie bereits dem Nürnberger Rat gewidmet hat und hier gewissermaßen ein zweites Mal herausgibt. Er rechtfertigt dies mit dem Nutzen, den die darin befindliche Deutschlandbeschreibung für die Leser des Bandes hat.21 Angesichts dieser Hinweise zur Entstehungsgeschichte der Norimberga scheint Celtis die Germania generalis Maximilian ganz bewußt als ein neues Werk darzubieten und ihre erstmalige Veröffentlichung im Anschluß an die Edition der taciteischen Germania als deren additiones, die dem Kaiser wohl kaum bekannt war, zu unterschlagen. Der Beweggrund für diese vollständige Ablösung der Germania generalis vom Kontext der Tacitus-Ausgabe ist in einer neuen Kontextualisiening des Gedichts zu suchen. Denn innerhalb des Werkzusammenhangs von Veröffentlichtem und Unveröffentlichtem, den der AmoresBand zu präsentieren versucht, sollte die Germania generalis, zumindest in der Funktion einer Vorankündigung, jene Schrift in den Nürnberger Band integrieren, die Celtis seit 1495 immer wieder angekündigt hat, die Germania illustrata. Für diesen Zweck war es in der Tat notwendig, den Eindruck zu erwecken, das Gedicht erscheine in der Nürnberger Ausgabe als eigenständiger und vor allem neuer Teil des Werkganzen, soweit es Celtis im Jahre 1502 vorlegen konnte.

18

Den Inhalt der Praefatio zeichnet Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 4 2 7 433 nach. « Am. Praef. S. 6 [50] (=BW Nr. 275, S. 502 und QLA [a vi]'). 20 Siehe hierzu Werminghoff in Norim. Einleitung, Kap. 2, S. 43ff. 2 1 Am. Praef. S. 6 [51] (=BW Nr. 275, S. 502f. und QLA [a vi]'): [...] quem ego librum [sc. Norimbergae] cum vita divi Sebaldi, eius urbis patroni, nuper senatui Nurmbergensi dedicatum opportune his nostris de amore libris ad imprimendum curavi, ut Hercynia silva [...] et eius gentes et urbes [...] ab hominibus earum rerum studiosis intelligerentur haberentque eius silvae in toto orbe memorabilis propter suam magnitudinem ante oculos descriptam imaginem. Bezüglich der Sebalds-Ode irrt Celtis, denn diese ist von ihm nicht mit der Stadtbeschreibung Nürnbergs, sondern 1494 selbständig als Einblattdruck ediert worden (Conradus Celtis Protucius: In vitam divi Sebaldi carmen. [Basel: Johann Bergmann, um 1494], GW 6464 [mit einem Holzschnitt von Michael Wohlgemut). Die Ode ist von Pindter ediert als Od. 3, 10.

448 Schreyers Vermutung, zahlreiche von Celtis' Werken seien bereits vollendet und bedürften nur noch der Herausgabe, welche aus dem Brief von 1500 spricht, mußte sich in besonderem Maße auf die Germania illustrata beziehen, denn kein Werk ist in Celtis' Œuvre in der Form von Vorankündigungen präsenter als die nie entstandene Deutschlandbeschreibung. In der Tat hatte Celtis schon in der Praefatio zur Norimberga die Stadtbeschreibung als ein praeludium der Germania illustrata bezeichnet und damit dieses Projekt erstmals erwähnt.22 Darüber hinaus konnten mehrere Verweise auf die geplante Schrift innerhalb der Stadtbeschreibung den Eindruck erwecken, Celtis habe bereits genauere Vorstellungen vom Inhalt der Germania illustrata. Als sich Celtis 1497 im Jahre seiner Übersiedelung nach Wien mit seiner De mundo-Edition23 dort einführte, wollte er sich für die Förderung seitens der Patrizier Fuchsmagen und Krachenberger dadurch bedanken, daß er ihnen in der Praefatio ankündigte, ihnen in seiner Germania illustrata ein Denkmal setzen zu wollen. Auch hier gebrauchte Celtis wie schon im Widmungsbrief der Norimberga den Zusatz quae in manibus est, den der Syndikus Quirinus in seinem Brief anzitierte und der von diesem Zeitpunkt an die Erwartung wecken mußte, die Germania illustrata stehe kurz vor der Vollendung. Schließlich ist die Germania illustrata auch in der Germania generalis präsent, und zwar auf ähnliche Weise, wie es in der Norimberga der Fall ist. Nachdem Celtis im vierten Kapitel seines Gedichts die nördlich an die Germania angrenzenden Länder angesprochen hat, erwähnt er das Volk der Lappen, das fern jeder Zivilisation lebe, und verweist in diesem Zusammenhang auf die Germania illustrata, wo diese ausführlicher beschrieben seien:24 [...], quorum [sc. Lappones] cognoscere mores Et ritus quis forte velit, petat ille libellos, Quos de Germanis nuper conscripsimus oris.

Auffällig ist an dieser Stelle, daß Celtis seine Germania illustrata als bereits geschriebene vorstellt. Offensichtlich glaubte Celtis während der Abfassung dieser Verse, daß er seine große Deutschlandbeschreibung noch vor der Veröffentlichung der Germania generalis würde vorlegen können. Nachdem diese 1502 immer noch nicht veröffentlicht war und Celtis die hohen Erwartungen, die er in seiner Umgebung erweckt hatte, wieder enttäuschen mußte, glaubte er wohl, er könne sich in der Awzores-Ausgabe nicht darauf beschränken, nur den Inhalt der Germania illustrata zu skizzieren und ein weiteres Mal ihr baldiges Erscheinen anzukündigen, wie er es in der Amores-Praefatio getan hatte.25 In dieser Problemlage bot sich ihm die Germania generalis als der geeignete Text an, um bei seinem Publikum zumindest den Eindruck zu erwecken, er könne immerhin eine »Probe«, um ein Wort Joachimsens zu

22 23 24 25

Norim. S. 105. Siehe dazu oben Kap. II. 1.1.2., S. 315f. Germ. gen. 147-149. Siehe dazu unten den Abschnitt 1.2.1.

449 gebrauchen,26 der Germania illustrata vorlegen. Es ist dies das einzige Mal, daß Celtis ein ganzes Werk zu einer Vorankündigung macht. Deutlich wird dies in einer aus vier Distichen bestehenden Praefatio, die Celtis der Germania generalis in der Amores-Ausgabe vorangestellt hat und die dem Gedicht unter den anderen Beigaben des Bandes eine herausgehobene Position verleiht, da es von ihnen die einzige ist, die wie die Amores selbst durch eine an Maximilian gerichtete Vorbemerkung eingeleitet wird. Mit dem erneuten Gestus der Übergabe empfiehlt Celtis sein Deutschlandgedicht, das er hier abweichend von der Tacitus-Ausgabe Germania generalis nennt,27 dem Kaiser zur Lektüre und stellt kurz dessen Inhalt vor,28 um dann mit den Versen zu schließen:29 Haec rogo pauca legas donee germania tota Illustrata tibi Maxmiliane detur.

Das Gedicht wird hier zu mehr als zu einer Vorankündigung. Denn die Bitte an Maximilian, er möge das Wenige, das ihm gerade dargeboten wird, lesen, bis ihm Celtis die ganze Germania illustrata überreichen könne, erweckt den Eindruck, die Germania generalis sei bereits ein Teil der angekündigten Schrift.30 Die Chance, seinem Publikum mit der Germania generalis eine erste Einlösung seines Vorhabens präsentieren zu können, ergriff Celtis aber offensichtlich recht schnell und ohne das Gedicht für diesen Zweck wesentlich zu überarbeiten. Dies hat zur Folge, daß sich der Inhalt der hexametrischen Deutschlandbeschreibung an einer Stelle gegen die in der Amores-Ausgabe vorgenommene Kontextualisierung sperrt. Denn die oben zitierten Verse 147 bis 149, in denen Celtis bezüglich der Lappen auf die Germania illustrata als bereits vorhandenes Werk verweist, hat Celtis nicht verändert. Sie stehen damit in offenem Gegensatz zu der Praefatio an Maximilian, da sie weiterhin auf die Germania illustrata als bereits geschriebene Schrift verweisen. Wird dadurch der Eindruck, mit der Germania generalis liege schon ein kleiner Teil der Deutschlandbeschreibung vor zerstört, da jener Verweis die Inhalte zweier existierender Schriften eindeutig aufeinander bezieht, verhindert die unachtsame Beibehaltung des

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29 30

Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 159. Bereits der neue Titel gibt die Verweisfunktion des Gedichts wieder, indem er implizit eine Germania specialis, eine eingehendere, ausführlichere Abhandlung des hier nur umrißhaft Vorgestellten ankündigt. Der Begriff Germania specialis stammt von Klüpfel: »Quemadmodum enim Germaniam generalem heroicis versibus descriptam dedit; ita specialem, singulasque ejus provincias, ac civitates soluta oratione complecti, ac enarrare decreverat« (De vita et scriptis, Teil 2, S. 159f.). Germ. gen. (B), Praefatio, V. I-VI: REx cui seeptra dedit latialia conditor orbis / Imperiumque tuo subdidit arbitrio / Accipe germanam pingentia carmina terram / In genere: & totam cerne superficiem / Aequora cum siluis. populos, montes, iuga. gentes. / Et quantum silua extenditur hercinia. Ebd., V. Vllf. Als einen Prolog der Germania illustrata bezeichnet Celtis die Germania generalis, wie Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 471 meint, hier allerdings nicht.

450 Perfekts selbst die Funktion als inhaltliche Vorankündigung, welche die bloße Abänderung des Vergangenheitstempus in ein Futur erlaubt hätte. Neben diesem evidenten Widerspruch spricht aber schon die Inhaltsangabe, die Celtis in der Praefatio von der Germania generalis gibt, dagegen, daß das Gedicht ein erster Teil der Germania illustrata sein sollte. Zwar fassen die vier Verse zentrale Themenbereiche, die das Gedicht behandelt, durchaus treffend zusammen, sie lassen aber auch wesentliche Aspekte des Gedichts unerwähnt. So fehlt ein Hinweis auf die Kapitel zur Weltentstehung und zum Sternenhimmel der nördlichen Hemisphäre ebenso wie ein Vermerk über die Grenzen der Germania, denen in der Germania generalis immerhin ein Kapitel gewidmet ist. Es sind dies gerade jene Abschnitte des Gedichts, die ihm seine kosmologische Dimension verleihen, welche ein fester Bestandteil im Konzept der Germania generalis ist. Demgegenüber lenkt Celtis die Aufmerksamkeit Maximilians und seiner Leser allein auf die kulturgeographischen und topographischen Teile des Gedichts, unter denen die silva Hercynia einmal mehr eine herausgehobene Position einnimmt. Es ist immerhin möglich, daß Celtis angesichts der offensichtlich immer größer werdenden Ungeduld, mit der seine Umgebung die Germania illustrata erwartete, daran dachte, die entsprechenden Kapitel, auf die er in der Praefatio anspielt, seiner projektierten Schrift beizugeben. Dagegen spricht nicht, daß es sich um Beschreibungen in Versen handelt, da aufgrund widersprüchlicher Äußerungen nicht entscheidbar ist, ob die Germania illustrata eine reine Prosaschrift oder ein prosimetrisches Werk werden sollte.31 Allerdings ist dies nur vorstellbar als bewußte Ausgliederungen aus einer kohärenten Komposition, die eben mehr ist als eine Sammlung von Gedichten, aus einer Komposition im übrigen, die offensichtlich direkt auf die Kontextualisierung mit der taciteischen Germania hin konzipiert worden ist.32 Die Inhaltsangabe der Praefatio erscheint als eine Lektüreanweisung, die das Programm der Germania generalis auf Inhalte einengt, die mit den Vorstellungen, welche Celtis von der Germania illustrata hatte, offensichtlich übereinstimmten. Dazu zählte aber wohl weder jene geschichtsmythologische Dimen31

Hierzu widersprechen sich die Quellen. In der Nürnberger Celtis-Handschrift (vgl. oben Anm. 5) liest man die Notiz von Celtis' Schreiber Johannes Rosenperger: Germania illustrata carmine et oratione digesto in quatuor libris (Nürnberg, Stadtbibliothek, Ms. Cent. V, App. 3, Bl. l r ; siehe Wuttke: Dürer und Celtis, S. 362, Anm. 92). Dagegen vermerkt die Celtis-Vita (BW Nr. 329, S. 614), daß die Germania illustrata nur in Prosa (oratione pedestri) geschrieben sein soll (Zitat unten Kap. III.2.3., S. 472). Ebenso äußert sich Klüpfel: De vita et scriptis, Bd. 2, S. 159f. (Zitat in Anm. 27). Allerdings findet sich in Celtis' Briefwechsel ein Schreiben, in dem Jacobus a Cruce ankündigt, ein carmen, das Nonsberg beschreiben sollte, für die Germani a illustrata liefern zu wollen (BW Nr. 269, S. 471f.). Es könnte sich also auch um den Plan eines gemischten Werks gehandelt haben. Abwegig ist Krapfs Behauptung, Am. 1 , 3 ad litteram interpretierend, die Deutschlandbeschreibung hätte keine »Monographie«, sondern insgesamt »Poesie« werden sollen: »Doch was er anstrebte, war nicht - wie Tacitus - eine geographische Monographie oder Studie, sondern Poesie« (Germanenmythus, S. 101). 32 Siehe Kap. II.4.4.

451 sion der kosmologischen Kapitel noch die im Kapitel über die Grenzen vorgenommene Konstruktion einer idealen Geographie der Germania, welche das Gedicht in die Nähe des vielschichtigen Programms der Amores rückt. Celtis' Bemühen, Maximilian die Germania generalis als erste Einlösung der erwarteten Germania illustrata zu offerieren, macht vor dem Hintergrund von Celtis' selektiver Lektüreanweisung gerade deutlich, daß die suggerierte Beziehung zwischen dem Gedicht und der geplanten Schrift nur teilweise besteht und diese daher als bemühte erkannt werden muß. Celtis' Deutschlandgedicht dürfte trotz der Kürze hinsichtlich seiner Konzeption über den thematischen Rahmen, den der Humanist der Germania illustrata zugedacht hat, hinausgehen;33 sie ist mithin mehr als ein »skizzenhafter Umriß des Vorhabens« und auch mehr als »eine weitere Vorankündigung«.34 Verwandt zeigt sie sich mit Celtis' großem Lebensprojekt nur, soweit dieses den rein topographischen und ethnographischen Aspekt betrifft. Der Bedeutung, die der Germania generalis in dem Verweisgefüge auf noch nicht Realisiertes in der Amores-Ausgabe zukommt, entspricht ihre Nähe zu den Amores, die nicht nur dadurch zum Ausdruck kommt, daß das Gedicht unmittelbar nach dem vierten Buch der Liebeselegien anschließt, sondern auch darin, daß beide zusammen, Amores und Germania generalis, durch einen eigenen Kolophon abgeschlossen werden, das beide nennt.35 Dieser enge editorische Verbund zwischen Amores und Germania generalis unterstützt in geschickter Weise eine Lesart der Liebeselegien, die das Ausbleiben von Celtis' ambitioniertestem Projekt erklärt. Denn die vier Bücher Liebeselegien inszenieren in ihrer Vermengung von autobiographischen Details und literarischer Rolle die Verhinderung eines Lebensplans - die Beschreibung der patria - , indem das sich Celtis nennende Ich immer wieder von neuem Amors Opfer wird. Biographisch gelesen erzählen die Amores damit die zehnjährige Reise durch Deutschland, die Celtis bereits in der Norimberga als Grundlage für seine Befähigung, das Land zu beschreiben, bezeichnet hat und die in der Amores-Praefatio gewissermaßen als Voraussetzung für die Germania illustrata genannt wurde; sie geben aber auch die Gründe für das Scheitern seiner Pläne. Die Germania generalis erscheint in diesem Spiel als erste kleine Realisierung der Vorhaben, die der Sänger in den Momenten zwischen zwei Liebesabenteuern als sein eigentliches Ziel beschworen hat. Auch im Kontext des Lebenswandels, den die Amores vorstellen, dokumentiert die Germania generalis, daß die erhoffte Befreiung von den Banden Amors gelungen ist und die Hinwendung zu dem eigentlichen Ziel seiner in den Liebeselegien erzählten Wanderung durch Deutschland bereits erste Früchte zeigt.

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Eine Behandlung astronomischer Fragestellungen hat Celtis im Zusammenhang mit der Germania illustrata nirgends erwähnt. So Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 214. QLA m iir: Conradi Celtis Protucii Germani poete laureati libri quatuor amorum secundum quatuor Germaniae latera cum generali descriptione eius ad Maxmylianum regem explicit anno millesimo quingentésimo et novi seculi secundo kalendis februariis. in anno vite meae. XLIII (In der Vorlage durchgehend in Majuskeln geschrieben).

452 1.2.

»Germania illustrata, quae in manibus est« - Inhaltliche und konzeptionelle Hinweise auf die »Germania illustrata« in Celtis' Werk

1.2.1. Erwähnungen der »Germania illustrata« in Celtis' Werk Die enge Anbindung der Germania generalis an das Projekt der Germania illustrata als dessen erste teilweise Einlösung, die in der Praefatio des Gedichts formuliert wird, legt Celtis' Strategie offen, die erwartete Deutschlandbeschreibung trotz ihres weiteren Ausbleibens in die Nürnberger Amores-Edition zu integrieren. Dieses Bemühen, durch Beigaben oder möglichst konkrete Hinweise den Eindruck zu erwecken, er könne immerhin auf bereits vorhandenes Material zurückgreifen, dokumentiert auch die Amores-Praefatio, in der eine Ankündigung auf die bevorstehende Vollendung der Germania illustrata das erste und einzige Mal in Celtis' Œuvre durch Bemerkungen zu ihrem Inhalt erweitert wird.36 Indem sich Celtis ein letztes Mal für seine langen Reisen rechtfertigt, nennt er Erkenntnisziele, die ihm, dem homo Germanus philosophiae studiosus, als Beweggründe für eine Reise durch die patria gelten können. Diese seien gleichzeitig auch als Themen der Germania illustrata zu erwarten:37 Sunt, qui se Gallias, Hispanias et utramque Sarmatiam et Pannoniam, transmarinas etiam terras lustrasse et vidisse gloriantur. Ego non minori gloria hominem Germanum philosophiae studiosum dignum existimo, qui patriae suae linguae fines et términos gentiumque in ea diversos ritus, leges, linguas, religiones, habitum denique et affectiones corporumque varia lineamenta et figuras viderit et observaverit. Iliaque omnia in illustrata Germania nostra, quae in manibus est, faventibus Germanie nostris numinibus et tuae inclitae maiestatis praesidio et auxilio quattuor libris, particularibus gentium tabulis explicemus.

Celtis kündigt knapp eine geographische und ethnographische Schrift in vier Büchern an. Weit davon entfernt, Inhalt und Aufbau der Germania illustrata detailliert zu beschreiben, weisen die in dem Abschnitt genannten Aspekte dennoch auf typische Interessenfelder des Humanisten. Dazu zählt in konzeptioneller Hinsicht die Ankündigung, die schriftliche Darstellung durch Karten zu ergänzen, was Celtis' großes Interesse an der Kartographie widerspiegelt. Die wiederholte Erwähnung der gentes, deren Lebensraum die Karten visualisieren sollen, zeigt darüber hinaus, daß Celtis auch hier wie schon in der Germania generalis die Bevölkerung der Germania in ihrer Untergliederung in einzelne Volksschaften vorstellen will. Im Hinblick auf deren ethnographische Beschreibung wird schließlich erneut deutlich, daß Celtis jenseits der Erwähnung von Brauchtum, Religion und Sprache, auf die sich schon Enea Silvio bezogen hat, durch die Einbeziehung körperlicher Merkmale der Bevölkerung Eigenschaften aufspüren möchte, die ihr überzeitlich zu eigen sind.

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Siehe Ridé: L'image du Germain, S. 215f. Am. Praef. S. 6f. [52-54] (=BW Nr. 275, S. 503 und QLA a [vi]').

453 In einer Hinsicht weicht das in der Amores-Praefatio vorgestellte Programm der Germania illustrata jedoch von dem der Germania generalis ab. Denn um die Ausdehnung der patria zu benennen, weist Celtis hier auf die Sprache als Abgrenzungskriterium hin und kündigt damit an, sich bei der Bestimmung der Grenzen der Germania in der Germania illustrata wie Enea Silvio an der Verbreitung des heimatlichen Idioms zu orientieren. Diese Differenz zu dem Deutschlandgedicht belegt nochmals, daß Celtis in der Germania generalis bewußt von der zeittypischen Methode, Länder voneinander abzugrenzen, abgewichen ist. Sie macht aber darüber hinaus auch deutlich, warum Celtis in der Praefatio zur Germania generalis den Aspekt der Grenzen der Germania nicht genannt hat: Nicht nur die Funktion, die die Grenzen in dem Gedicht für die Konzeption einer idealen Geographie gespielt haben, sondern auch die Methode ihrer Festlegung weicht von der geplanten Deutschlandbeschreibung ab.38 Anders gelagert ist der Fall bei der topographischen und kulturgeographischen Beschreibung der Germania in der Germania generalis. Die in der Praefatio an Maximilian I. vorgenommene Eingrenzung ihres inhaltlichen Programms auf diese Aspekte reduziert das Gedicht auf die Themenbereiche des dritten Kapitels der Norimberga, mit dem es bereits aufgrund der Methode der geographischen Modellierung vergleichbar ist. Durch diese Übereinstimmung erhält Celtis' Verweis auf die Germania illustrata am Ende des silva HercyniaKapitels39 auch für die entsprechenden Kapitel der Germania generalis Gültigkeit, so daß sich diese wie der dritte Abschnitt der Nürnberg-Schrift auf die geplante Deutschlandbeschreibung beziehen lassen. Die Germania generalis, die sich in ihrer Gesamtheit als Dichtung eigenen Rechts präsentiert, läßt sich daher in Übereinstimmung mit der Lesart, die Celtis Maximilian I. in der Amores-Ausgabe empfiehlt, in Teilen ihres Inhalts in der Tat auf die Germania illustrata beziehen. Mit der Topographie und der Kulturgeographie der Germania, die das dritte Kapitel der Norimberga und die entsprechenden Kapitel der Germania generalis vorstellen, liegt mithin jener thematische Bereich des Germania illustrataProjekts vor, der als einziger in immerhin zwei Werken behandelt worden und damit am deutlichsten greifbar ist. Sie geben zu erkennen, daß die Binnengliederung des Landes durch die Arme der silva Hercynia, die Aufteilung der Germania nach den Siedlungsgebieten der einzelnen Volksschaffen, die Vorstellung der kultivierten, gepflegten und verstädterten Landschaft Konstanten in Celtis' Programm zur Beschreibung seiner patria darstellen, die sich auch in der Germania illustrata wiedergefunden hätten. Die Germania generalis und das silva Hercynia-Kapitel der Norimberga erlauben es, nicht nur Themen der Germania illustrata, sondern auch partiell deren inhaltliche Ausführung nachzuvollziehen. Neben der das dritte Kapitel abschließenden Bemerkung findet sich im sechsten Kapitel der Norimberga eine weitere Ankündigung der geplanten Deutschlandbeschreibung, aus der hervorgeht, daß als weiterer Inhalt der 38

»

Vgl. Kap. II.3, insbesondere Abschnitt 3.4.3. Norim. Kap. 3, S. 129.

454 Germania illustrata eine germanische Altertumskunde vor dem Hintergrund einer Exegese der taciteischen Germania geplant war. Beobachtungen zur klimatischen Lage Nürnbergs geben Celtis den Anlaß, auf die von Tacitus vermutete Verehrung Merkurs und Isis bei den Germanen hinzuweisen:40 Hinc aer purgatior et a vento tranquillior ipsaque corpora validiora animique vigor coelestior ingeniaque elevatiora et perspicatiora et, quemadmodum alia ibi terrae superficies, ita illi a ceteris Germaniae populis moribus, ingenio, lingua et habito discrepant, propter exhalationem siccam et qualis Mercurii est, quem ego in eo tractu primum e terra progressum crediderim, si, ut Hesiodo et doctissimis placet, terra deorum parens extitit, nec fidem quis detrectet, cum, ut apud Cornelium est, Germani antiquitus Mercurio et Isidi sacrificarunt, ut in Germania illustrata dicemus.

Dieser aus der Lektüre einer antiken Schrift gewonnenen Information über den Kult der Germanen korrespondiert Celtis' ebenso in der Norimberga wiedergegebener Bericht, er habe im Fichtelgebirge zusammen mit Johannes Tolhopf Statuen von Druiden gefunden, welche ihm als Bestätigung seiner These dienen sollen, es habe in Germanien Druiden gegeben. Beide Beispiele zeigen, daß das Bemühen gewissermaßen um eine Archäologie der germanischen Vorzeit, welche bei den Erben des Germania illustrata-Projekts zu einem bedeutenden Interessenschwerpunkt wird, bereits Bestandteil von Celtis' Studium der patria war, wobei am konkreten Fall der Suche nach Dokumenten einer Druidenkultur in Germanien erkennbar ist, daß es Celtis bei den Zeugnissen aus dem germanischen Altertum auf die Möglichkeit ihrer Integration in sein historisches Konzept ankam. Auf einen wiederum eher zeitgeschichtlichen Aspekt der Germania illustrata weist schließlich Celtis' Ankündigung in der Praefatio der Apuleius-Ausgabe hin, er wolle seinen Wiener Gönnern Fuchsmagen und Krachenberger in ihr ein Denkmal setzen.41 Damit spielt Celtis auf einen Bereich an, den auch Flavio Biondo in der Praefatio zur Italia illustrata als einen ihrer zentralen Inhalte vorgestellt hat, die Vorstellung bedeutender zeitgenössischer Personen. Ihre Erwähnung ergänzt den erstrebten Nachweis, daß sich das zeitgenössische Deutschland dem humanistischen Italien selbstbewußt an die Seite stellen könne, indem sie neben dem Hinweis auf die zahlreichen Universitäten im dritten Kapitel der Norimberga deutlich macht, daß es in Deutschland keinesfalls an einer humanistischen Kultur sowie deren bedeutenden Trägem und Förderern mangelt. Celtis' Anmerkungen zum Inhalt der Germania illustrata in der AmoresPraefatio und die im übrigen Œuvre verstreuten Vorankündigungen der Deutschlandbeschreibung, die einzelne Themen dieser Schriften mit dem projektierten Werk in Beziehung setzen, ergänzen einander und lassen sich noch erweitern, wenn man wie im Falle des dritten Kapitels der Norimberga und den topographischen und kulturgeographischen Kapiteln der Germania generalis den inhaltlichen Verweis auf die Germania illustrata in einem Werk auf analoge 40

Norim. S. 148f. > BW Nr. 179, S. 298.

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455 Inhalte einer anderen Schrift bezieht. Sie ergeben zusammen durchaus deutliche Umrisse des Germania illustrata-Pro'jekts, lassen aber auch erkennen, daß dessen Konzept in keinem Falle deckungsgleich mit einer der erhaltenen Schriften ist. Einerseits geht sein Programm, wie zu erwarten war, über das jeder anderen Schrift, die im Horizont der Germania illustrata steht, hinaus, auf der anderen Seite gilt es festzustellen, daß sich die erhaltenen Werke ebensowenig in ihrer Gesamtheit mit den Konzepten und Inhalten der geplanten Schrift in eins setzen lassen, sondern stets nur partiell auf sie verweisen.

1.2.2. »Amores« und Oden - Dichtungen im Kontext der Deutschlandkonzeption In der Vorrede des Nürnberger Bandes hat Celtis Maximilian vor allem seine vier Bücher Amores ausführlich vorgestellt.42 Sie nennt er dort Bücher über Deutschland, dann erst einen Liebesroman. Damit versucht er nicht nur denjenigen Interpreten seiner Liebeselegien entgegenzutreten, welche deren erotische Inhalte als unmoralisch, ja gefährlich zu disqualifizieren suchten. In der Inhaltsangabe spiegelt sich durchaus das Thema der Elegien wider, und zwar in der konzeptionell korrekten Reihenfolge. Es macht gerade die Faszination dieser Amores aus, daß Celtis mit dem Anspruch des lyrischen Ichs, Deutschland zu beschreiben, und dem Anliegen, seinen Liebesabenteuern nachzugehen, spielt, ja beide gegeneinander ausspielt.43 Indem nun versucht wird, beide Bereiche genau zu bestimmen, sollen Wege aufgezeigt werden, wie die Elegien der Amores zum einen als Zeugnisse für Celtis' Deutschlandkonzeption gelesen werden können, zum anderen aber Auskunft geben, über Inhalt und Anlage der Germania illustrata,44 So erzählt der Held der Amores am Anfang des vierteiligen Zyklus (Am. 1, 3), wie er auf dem Weg nach Krakau, die Stadt schon im Blick, in ein Gewitter gerät und beinahe vom Blitz erschlagen wird.45 Sein Ende vor Augen und beinahe ohnmächtig geworden, ruft er Apoll um Hilfe an, denjenigen Gott, der

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Am. Praef. S. 1-6 [1—48] (=BW Nr. 275, S. 495-502 und QLA a ii'-[a vi]'). Hierzu und zur folgenden Interpretation der Amores vgl. Worstbrock: Konrad Celtis, S. 24-32. Hinweise zum Aufbau der Amores und zu ihren Quellen bei Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 434-459. Es geht hier also um die Konzeption der Amores und die Methode geographischer Darstellung, keinesfalls um allzu wörtliche oder gar biographische Lektüre, wie sie in älteren Arbeiten zu beobachten ist (vgl. z.B. Bezold: Konrad Celtis, vor allem S. 14: »Celtis wußte seinen erotischen Bekenntnissen dadurch erhöhten Reiz zu verleihen, daß er keineswegs nur einen Abklatsch der römischen Dichter bot, sondern seine eigenen Abenteuer mit drastischer Offenheit zu Grunde legte«). Eine biographische Lektüre unternimmt auch Pindter: Die Lyrik des Konrad Celtis (Zur Kritik an diesem Ansatz siehe Hess: Erfundene Wahrheit, S. 138-147, die den fiktionalen Charakter der Liebeselegien elegant nachweist, indem sie entgegen früherer Meinungen die Geliebten der Amores allesamt als Erfindungen entlarvt). Zu Am. 1, 3 siehe Wenk: »Mirifica quadam permixtione«, S. 593-598.

456 sich ihm schon bei seiner Geburt als Schutzpatron zu erkennen gegeben hat.46 Dieser eilt ihm tatsächlich zu Hilfe, heißt ihn aufstehen und gibt ihm die Weisung, Deutschland in seinen Gedichten zu beschreiben. 47 Dies soll seine erste Aufgabe als Dichter sein, doch durch sein Schicksal wird er stets daran gehindert. Schon in der zweiten Elegie hatte er beklagt, Hasilinas Liebe erlegen zu sein, die keine weiteren Beschäftigungen neben sich dulde. In der Tat sind die Elegien, in denen er sich ausschließlich mit dem Land beschäftigt, das er durchwandert, die letzten eines jeden Buchs, nachdem er sich von der Geliebten, deren Liebe er zuvor besungen, losgesagt hat. Sie sind immer dem Fluß - bzw. im vierten Teil dem Meer - gewidmet, der Pate des jeweiligen Buchs ist.48 Zu Beginn des zweiten Buchs beschließt das lyrische Ich, das sich gerade von der Liebe zu Hasilina losgesagt hat, sich nun voll und ganz der philosophia hinzugeben, 49 unter die auch der Plan, Deutschland zu beschreiben, fällt.50 Doch es bleibt bei der Absicht, und bereits am Ende des Selbstgespräches wird der entschlossene Entsager wieder von Amors Pfeil getroffen. 51 Und ebenso geschieht es zu Beginn des dritten Teils der Amores. Auf der Reise von Regensburg an den Rhein beschließt das lyrische Ich, nun endlich die deutschen

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Am. 1, 1 (ed. Kiihlmann/Seidel/Wiegand), 14-16: [...] / Phoebus enim roséis hatte sibi iunxit equis / Plectraque pulsabat toto resonantia coelo / Et dixit: phoebo nascere quisquís eris. Am. 1, 3, 61-68: »Surge« - ait - »et priscum copiant tua membra vigorem, / Ut patriae fines quattuor ipse canas, / Turgidus Eois quam claudit Vistula ab oris, / Sed latus austrinum maximus Hister habet, / Rhenus ab occiduis limes sed dicitur oris / Et boreae partem gens Codonea tenet. / Hine quiequid mediis Germania continet oris, / Carmine Phoebeo nota sub orbe dabis.« Am. 1, 15: Ad Vistulam fluvium ortum et exitum eius describens et de visontibus et eorum venationibus\ Am. 2, 13: Ad Danubium, ut puellam descendentem in Pannonias numine suo tueatur, Am. 3, 13: Ad Rhenum ortum et exitum eius commémorons, rogans, ut puellam descendentem Aquis Grani numine suo tueatur (Hier ist es das vorletzte Gedicht des Buches; im letzten berichtet der Liebhaber vom Pesttod seiner Geliebten); Am. 4, 14: Navigationem ab ostiis Albis ad Tylen insulam aborta tempestate describit (hier wiederum die vorletzte Elegie; Am. 4, 15 schließt die Amores mit einem Aufruf an die deutsche Jugend ab). Am. 2, 2, 1-10: Postquam Sarmaticis remeassem Celtis ab oris / Fataque Germano me statuere solo, I Constituí nocuas animi depellere curas / Nullaque iam Veneris vincula velie pati / Femíneas artes, mulierum et verba perosus / Et male concordes in mea vota déos. / Et dixi tumidis Hasilinae fraudibus actus: / »In portu reducem dente ligabo ratem! / Liberum in aetherios animum modo ferre meatus / Astrorumque vias prendere mente iuvat /[...].« Ebd., 47-52: [...] / Hinc variae gentes linguaeque et sparsa per orbem / Flumina, quae celsis montibus orta cadunt, I Inter quos surgit quadrifluvialibus undis, / Qui caput Hercynii dicitur esse iugi, / Pinifer, hinc Boemos qui tangit et inde Turogos / Et Francos, Bavari et ditia rura soli. Zu dem Konzept, daß Landesbeschreibung in den Bereich der Philosophie fällt, vgl. die Bemerkung zur Germania illustrata gegen Ende der Praefatio, wo Celtis die Beschreibung der patria als ruhmbringende Aufgabe des Philosophen vorstellte (siehe Zitat oben S. 452). Ebd., 53f. u. 63f.: Haec postquam angusta mecum sub mente revolví, / Venit Amor blanda talia voce canens: / [...] / Dixit et excusso fixit mea pectora ferro, / Tela Cupidinei blanda fuere dei.

457 Landschaften und Volksstämme zu besingen.52 Aber auch diesmal, und daran wird sich bis zum Ende der Amores nichts ändern, hindert ihn die Liebe zu einer Frau an seinem Vorsatz.53 Der Lebens- und Liebesroman der Amores präsentiert sich als Inszenierung einer Verhinderung, als stetes Unmöglichmachen eines Lebensplans des Sprechers, nämlich die eigene patria zu besingen. So kann die Inhaltsangabe der Amores, die Celtis Maximilian in der Praefatio vorlegt, ernstgenommen werden einerseits als Ankündigung dessen, was hie und da in Momenten der Lossagung von Amor ermöglicht wird, andererseits bezogen auf die Gesamtheit der vier Bücher Liebeselegien als Plan und erstes Anliegen der Gedichte, das immer wieder zunichte gemacht wird. Damit sind die Amores dem Leser auch poetisches Bild für die Unvollendetheit von Celtis' eigenem literarischen Lebenswerk. Aus diesen Dokumenten aber, die um die Liebeshandlungen herum angeordnet sind, können Informationen gewonnen werden, die Aufschluß über den verhinderten Lebensplan der Landesbeschreibung geben. Noch in der Praefatio unterrichtet Celtis Maximilian, daß die Amores Auskunft geben über Deutschland nach seinen vier Himmelsrichtungen und über die darin siedelnden Volksstämme.54 Des weiteren werde der Leser über bemerkenswerte Dinge unterrichtet, über Flüsse, Berge, Seen usw., über Städte und über lebende oder verstorbene Berühmtheiten sowie über Ereignisse der Geschichte und der Zeitgeschichte, so der Autor in seiner Widmung.55 Das, was da in den Amores behandelt werden soll, gleicht zunächst dem, was das Publikum nach Celtis' eigenen Äußerungen auch von der Germania illustrata erwarten durfte. Hinzu tritt der Aspekt der Geschichte, den Celtis in direktem Zusammenhang mit der Germania illustrata nicht erwähnt hat. Die Geschichte Deutschlands zu beschreiben, war auch einmal Absicht des Sprechers der Amores. Am Anfang des dritten Buchs, als er darüber nachsinnt, was er in seinen Gedichten 52

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A m . 3, 1, 37—40: Et peto Rhenanam collectis viribus urbem, / Lenior hac noster factus in urbe dolor, / Dum statui populos Germanos scribere et urbes / Quaeque vagas stellas regula contineat, /[...]. Bereits am Ende von Am. 3, 1 gesteht der Sänger die Unmöglichkeit seines Beschlusses ein (V. 51 f.): Hanc mihi materiam statuissem carminis esse, / Ni mea iam rursus corda subisset amor. Die zweite Elegie berichtet dann über seine Bekanntschaft mit Ursula. Am. Praef. S. 2 [6] (=BW Nr. 275, S. 496 und Q L A a ii v ): Nunc autem, rex gloriosissime, serena oramus fronte (ut omnia, etiam magis exigua, in nostris studiis soles) libros amorum nostrorum quattuor suscipe, in quibus Germaniae nostrae, immo tuae quattuor latera et quibus illa cum collimitiis, gentibus et nationibus et regnis clausa et circumsaepta est. Ebd. [10] (=BW Nr. 275, S. 496f. und Q L A a ii v -iii'): Apposite autem, quae in Germania nostra memoratu digna sunt, ut flumina, montes, lacus, nemora, paludes et solitudines, urbes etiam insigniores et Septem metropolitanas patriasque doctorum virorum, etsi non omnium, mortuorum et adhuc viventium et, ubi occasio se obtulerat, regum et imperatorum, praedecessorum tuorum facta et gesta, recentiora etiam nostri saeculi et centenarii confecta aut profligata per te aliosque clarissimos duces nostros in Germania bella [...].

458 besungen hätte, wenn er nicht wiederum Amor anheimgefallen wäre, gehören die Ereignisse der Vergangenheit und der Gegenwart dazu:56 Dum statui populos Germanos scribere et urbes Quaeque vagas stellas regula contineat, Quot fontes Rheni, quot et ora binominis Histri, Qua Lona, Rura, suis Lipia quaque vadis, Qua Sara Trevericos laetus despumat in agros Sellaque cum Mosa nomina iunctus habet, Qua sua funesto conclusit proelia fato Karolus, Europae qui timor unus erat, Maximus Aemilius quot Gallos straverat hostes Pannoniamque suo frenat utramque iugo Italiamque trahet Germanis viribus olim, Dum reparat Latium Candidus imperium.

Karl der Große und Maximilian I. stehen stellvertretend für die Geschichte und die Zeitgeschichte, sie verkörpern jedoch auch Anfangs- und vorläufigen Endpunkt der Geschichte des römischen Reichs, das von der durch Karl vollzogenen Translatio imperii bis auf den jüngsten Habsburger, der als Wiederhersteller der Reichsgewalt vorgestellt wird, als Garant der Größe und Bedeutung Deutschlands erscheint.57 Es scheint folglich nicht um die Hervorhebung nur der beiden bedeutenden Herrscher zu gehen, sondern um die gesamte Geschichte des Reiches, deren Anfangs- und zeitgenössischen Zielpunkt die beiden Genannten markieren. Der Praefatio kann entnommen werden, wie der Bereich der Geschichte in das Konzept der Amores eingefügt werden soll. Nicht an eine separate Behandlung der Historie ist gedacht, sondern ubi occasio se obtulerat,58 an der passenden Stelle will Celtis sie behandeln. Sie ist der geographischen Grundstruktur untergeordnet und soll zusammen mit den Orten ihres Geschehens behandelt werden.59 Ebenso will Celtis mit der Erwähnung berühmter Männer der Gegenwart und Vergangenheit verfahren: ihre Heimatstädte oder -regionen sollen in den Blick genommen und die berühmten Männer sollen dann vorgestellt werden, wenn die Landesbeschreibung an den Ort ihrer Geburt oder ihres Wirkens gelangt. Stets ist der Rückbezug auf die Geographie der patria präsent. Dieses in der Praefatio vorgestellte Konzept der Eingliederung von Zeitgeschichte und Vergangenheit in die geographische Beschreibung kann in den Amores selbst beobachtet werden.60 56 57

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Am. 3, 1,39-50. Vgl. den Grundtenor der Ingolstädter Rede, in der Celtis die Bedeutung der Deutschen als Träger der Reichsgewalt deutlich herausstellt (vgl. Kap. 1.1.1.3.). Siehe Zitat in Anm. 55. Vgl. Am. 3, 13 (ed. Kiihlmann/Seidel/Wiegand), 51-54 (über Aachen): Harte caput imperii statuii rex Karolus olim / Dum gallos nostro subderet imperio / Gallia quae nostris vitiis nunc libera viuit / Et spernit leges Rhomulidumque duces. Vgl. ebd., 31-34: Donee per pulchram rapiaris Basiliensem / Vrbem: quae gallis próxima rura colit / Hartmannus meus hac Eptingus in vrbe recumbit / Doctorumque virum Candidus hospes adest. Oder Am. 2, 13, 9f. (über Ingolstadt): Hic Philomusus habens nomen famamque per orbem I Doctrina, ingenio carminibusque nitet.

459 Geographische Beschreibungen finden sich in den Amores in denjenigen Elegien, die den Flüssen Weichsel,61 Donau,62 Rhein63 und dem sinus Codanus gewidmet sind, sowie in den Hodoeporica, den Reisegedichten,64 in denen der Sprecher von seinen Wanderungen von der Stadt, die Aufenthaltsort des einen Buchs war, in die Metropole, in der das dann folgende Liebesabenteuer stattfindet, erzählt und berichtet, was er auf der Reise gesehen hat.65 Sie inszenieren Celtis' Anspruch, die vier Regionen Deutschlands durchwandert und alle Landschaften mit eigenen Augen gesehen zu haben. So gestalten sich die in den Amores beschriebenen Aspekte eher als Kulturgeographie, welche das siebte Kapitel der Germania generalis kurz anspricht, die in dem Gedicht selbst aber nicht behandelt worden war.66 Mit den Reisegedichten knüpft Celtis an eine Gattung geographischer Beschreibung an, die sich als literarische Verarbeitung von Reiseeindrücken versteht und die mit der zunehmenden Mobilität im späten Mittelalter einen Aufschwung erlebt hat. Die durchwanderte Landschaft wird aus der Perspektive des Reisenden vorgestellt; sie wird beschrieben, soweit sie vom Betrachter wahrgenommen wird. Dementsprechend gibt auch Celtis Auskunft über die durchreiste Landschaft.67 Seine Reisegedichte zeichnen sich darüber hinaus aber durch eine Ausweitung dieser auf den Wanderer bezogenen Perspektive aus. Der Reiseweg dient nur als Linie, von der aus ganze Regionen in den Blick genommen werden können.68 Der eigentliche Weg, den der Dichter zurücklegt, ist dann nicht mehr von Belang. Um diese räumliche Tiefe zu erlangen, dienen ihm wiederum Flüsse, deren Lauf er verfolgt und die es erlauben, den Raum zu strukturieren.69 Die

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Am. 1, 15: Ad Vistulam fluvium ortum et exitum eius describens et de visontibus et eorum venationibus. Am. 2, 13: Ad Danubium, ut puellam descendentem in Pannonias numine suo tueatur. Am. 3, 13: Ad Rhenum ortum et exitum eius commémorons, rogans, ut puellam descendentem Aquis Grani numine suo tueatur. Am. 2, 4: Hodoeporicon a Sarmatia per Slesiam, Boemos et Moravos et quaeflumina ab Ulis exeant. Am. 3 , 1 : Hodoeporicon, id est itinerarium ex agro Norico ad Rhenum per Suevos et Bacenis silvam autumnaleque sidus describit. Am. 4, 2: Hodoeporicon a Rheno ad sinum Codonum et mare Balticum et Tylen insulam. Zu den Reisegedichten siehe Lüh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, S. 447-451. Vgl. Wiegand: Hodoeporica, S. 33-38. Von eigenem Erleben, das da im Zentrum von Celtis' Reisedichtungen stehen soll, wie Wiegand in der Zusammenfassung seiner Untersuchung (S. 317) glauben machen will, kann allerdings nicht gesprochen werden. Allgemein zum Reisebericht als Gattung siehe Brenner: Der Reisebericht. Darin zur Reiseliteratur des 16. Jahrhunderts: Wiegand: Hodoeporica, S. 117-139. Als Beispiel soll Am. 2, 4 dienen. V. 3f.: Exceptus fueram per terram divitis arvi, / Qua Praga vitiferis collibus alta micat. - Besonderheiten der Landschaft sind auch Thema in anderen Elegien, z.B. in Am. 1, 5, wo sich eine Beschreibung der Karpaten findet, oder in Am. 1, 6, wo Celtis vom Besuch einer unterirdischen Saline berichtet. In Am. 2, 4 sind das Böhmen und Schlesien. Wenn in Am. 2, 4 die Elbe als der Fluß vorgestellt wird, der die Germania in zwei Teile teilt, wird sogar das ganze Land in den Blick genommen (V. 15f.: Sed medias Albis Germanas dividit oras / Et secat in partes Teutona regna duas).

460 Erwähnung von Städten70 kann sich zu längerem Städtelob ausweiten.71 Schließlich gelangt der Wanderer an einen Fluß, der ihn zu seinem Ziel führt.72 Den Reisegedichten korrespondieren die Elegien auf verschiedene Flüsse. Sie können von ihrer Konzeption her als >Hodoeporica ohne Reisende< bezeichnet werden. Die Flüsse werden in ihrem Verlauf von der Quelle bis zur Mündung mit den an ihren Ufern liegenden Städten vorgestellt.73 Insofern sind die Flußelegien aus der Perspektive von Menschen gestaltet, die den Fluß entlangfahren.74 Diese Beobachterperspektive zeigt sich auch da, wo signifikante Gebäude aus der Sicht des von Ferne kommenden Betrachters genannt werden.75 Die Erwähnung von Zuflüssen ermöglicht bisweilen, die Regionen zu beiden Seiten des Flußlaufs zu behandeln.76 Celtis' Flußgedichte ähneln Enea Silvios Beschreibung des Rheins in den beiden Baselbriefen. Ihnen kann ein Modell für die Landesbeschreibung entnommen werden. Flüsse strukturieren nicht nur die Landschaft, sie dienen auch als Leitlinien der kulturgeographischen Beschreibung. Auf diese Weise zeigen sich die Flußbeschreibungen strukturell den Reiseberichten verwandt, indem mit oder ohne Reisende eine Landschaft aus der Perspektive eines sie durchwandernden Beobachters in den Blick genommen wird. So wird die Autopsie, auch wenn sie nur imaginiert wird, zur Grundlage der Kulturgeographie. Das Modell des Itinerars, das Grundlage frühneuzeitlicher Landschaftsbeschreibungen ist, wird somit auch von Celtis für seine Zwecke verwendet und dient ihm gleichzeitig zur Inszenierung seines Anspruches. Neben Germania generalis und der Norimberga sind die Amores eine der drei Hautquellen in Celtis' Œuvre, die Auskunft über seine Deutschlandkonzeption geben und denen Informationen zum Konzept der Germania illustrata entnommen werden können.77 Im übrigen Werk, zumal in den postum heraus70 71

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Z.B. ebd., V. 36: Vratislavia (Breslau); V. 43: Possonium (Posen). In Am. 2, 4 wird Prag ausführlicher behandelt (Weinberge, Residenz von Bohuslaus, Prag als Hort der Musen). Ebd., V. 47-50: Norica rura petit Regus conversus in austrum, / Qua Ratisponae moenia celsa micant. / Hic ego ut aestivae dederam mea membra quieti, / Surripuit mentem pulchra puella meam. Als Beispiel soll hier Am. 1, 15 (Ad Vistulam fluvium ortum et exitum eius describens et de visontibus et eorum venationibus) dienen. V. 1: Vistula, Carpathi ducens radicibus ortum; V. 5: Inde citus triplicem Cracovinam tendis ad urbem; V. 44: In Codanum triplici plurimus ore fluens. Am. 2, 13, die Elegie auf die Donau, inszeniert eine Reise Elsulas und personalisiert damit die Beobachterperspektive: Celtis imaginiert, was die Geliebte des zweiten Buchs sieht. So beispielsweise Am. 1, 15, 41 über die hohen Türme von Thom (ed. Kühlmann/ Seidel/Wiegand): Vrbs ibi torna suas tollit sub sydera turres. In der Elegie auf den Rhein (Am. 3, 13) wird die Mosel in den Blick genommen, um auch auf Trier und seine römischen Ruinen zu verweisen (V. 80-82. Ed. Kühlmann/ Seidel/Wiegand): [...] / Qua fluis in Rhenum flaue Mosella tuum / Flumine treuericam quique alluis impiger vrbem, / Multa tenet veterum quae monumenta Virum. Wenn Celtis in Am. 1, 15 auch von der Jagd auf Bisons spricht, zeigt dies sein Interesse an den Lebensgewohnheiten der regionalen Bevölkerung. Dies betont auch Ridé: L'image du Germain, S. 223f.

461 gegebenen Oden, finden sich nur vereinzelte Hinweise, die das bereits Erkannte nur leicht erweitern.78 Die vier Bücher Oden versammeln mehrere Gedichte, die humanistische Gelehrte und Freunde von Celtis preisen.79 Zeigt sich hierdurch bereits das Anliegen, Gelehrte oder sonstige bedeutende Persönlichkeiten zu benennen, ihre Leistungen zu loben und damit die kulturelle und wissenschaftliche Bedeutung des Landes zu untermauern, wird in verschiedenen Gedichten dieser Sammlung, in denen die Hervorhebung bestimmter Personen mit dem Lob ihrer Heimatstadt einhergeht, auch Celtis' Konzept sichtbar, alles Bemerkenswerte in seiner patria geographisch zu verorten.80 Das Lob auf den Erfinder des Buchdrucks verdeutlicht ein weiteres Mal, wie sehr Celtis an der Werbung für die Leistungen seiner patria interessiert war.81 In Celtis' Werk ist das Thema der Geographie seiner patria allenthalben präsent. In ihm sind Aspekte der Landesbeschreibung, seiner Geschichte und Kultur etc. zu erkennen, die auch als Themenschwerpunkte der Germania illustrata ausgemacht werden können. Darüber hinaus geben die Zeugnisse häufig Auskunft, wie sich Celtis die Konzeption dieser Themenbereiche vorgestellt hat. Die hier zu Tage geförderten Aspekte der Konzeption der projektierten Schrift können nun mit Aufbau und Methode der Italia illustrata verglichen werden. Dabei soll gefragt werden, ob es Celtis möglich war, diese auf seine Deutschlandbeschreibung anzuwenden.

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Allgemein zu den Oden siehe Schäfer: Deutscher Horaz, S. 10-38. Z.B. Od. 3, 1 : Ad Ioannem Dalburgium Vormaciensem episcopum. Z.B. Od. 1, 8: Ad Ursum medicum et astronomum de situ Cracoviae\ Od. 2, 15: Ad Ianum Coclitem de situ Pataviae, u.a. Ein ähnliches Anliegen läßt sich in Od. 2, 30 (De tumba divae Valpurgis in Aichstodio et sepulcrali saxo perpetuo liquore manante) ausmachen: >Sehenswürdigkeiten< sind für Celtis ebenso wichtig wie die Lokalisierung der Orte in der Geographie der Germania. Od. 3, 9: Laudat Germanum inventorem artis impressoriae.

2.

Die »Germania illustrata« und die systematische Erforschung der »patria«

2.1. Applikation der Methode Flavio Biondos auf Celtis' Plan der »Germania illustrata« Indem Celtis selbst Hinweise auf die Germania illustrata gegeben und im Falle der Norimberga und der Germania generalis Teile anderer Werke auf sie bezogen hat, läßt sich die geplante Deutschlandbeschreibung in Umrissen greifen. Das Programm, das sich hinter diesen Anmerkungen zu Inhalt und Konzept zu erkennen gibt, ist im Hinblick auf sein Grundanliegen, die Beschreibung eines als Einheit begriffenen geographischen Raums und deren Realisierung mit Hilfe der Methoden frühneuzeitlicher Geographie, unmittelbar mit seinem Vorbild, der Italia illustrata Flavio Biondos, vergleichbar. Gerade aufgrund der für sie charakteristischen geographischen Grundstruktur, in die Biondo sein vorrangig historisches Anliegen integriert hat, dürfte Celtis in ihr das geeignete Modell gesehen haben, den in der Schedeischen Weltchronik verfehlten Versuch, eine chorographische Ebene in das historiographisch-chronikale Schema zu integrieren, umsetzen zu können.1 Eine Darstellung Deutschlands, die im Sinne von Schedels Vorreden zu Enea Silvios Europa und zur Deutschlandkarte Hieronymus Münzers nicht nur seine historische Bedeutung seit der Translatio imperii, sondern auch sein Erscheinungsbild als Ergebnis eines zivilisatorischen Prozesses präsentieren sollte, erforderte die vollständige Abkehr von der Gattung der Weltchronik und die Hinwendung zu jener neuen Gattung der historisch-geographischen Landesbeschreibung, die durch die Italia illustrata erst inauguriert wurde. In ihr fand Celtis jene neue Form, auf die hin Schedels Weltchronik zu überarbeiten er sich gegenüber Sebald Schreyer im Jahre 1495 vertraglich verpflichtet hatte. In Celtis' Arbeit am Schedeischen Liber chronicarum läßt sich allerdings nicht nur der Ursprung der Germania illustrata verorten. Celtis' Einschätzung der historischen Entwicklung seiner patria zeigt sich überdies mit jenem muta/i'o-Konzept verwandt, das Schedel vor dem Hintergrund derjenigen Auffassung formuliert hat,2 welche Enea Silvio von der Kulturgeschichte Deutschland hatte.3 Aus dieser Ähnlichkeit heraus, die auch für die Germania illustrata zu gelten hat, ergibt sich für diese gegenüber ihrem Vorbild eine entscheidende ι 2 3

Vgl. Kap. 1.3.2. In Lib. chron. Bl. 267' (Vorrede zu Enea Silvios Europa). ΛΕΝ. SlLV. Germ, vor allem 2, 1 - 7 (S. 45-50).

463 Verlagerung der Perspektive hin zu einer Darstellung des zeitgenössischen Deutschland. Augenfälligster Beleg für dieses vorrangige Interesse an der gegenwärtigen Gestalt des Landes ist Celtis' Behauptung, daß die Grundlage für sein Projekt die Erfahrungen seiner langen Reisen seien, auf deren Rechtfertigung am Ende der Amores-Praefatio unmittelbar die Vorstellung des Programms seiner Germania illustrata folgt. Die Hinwendung zur zeitgenössischen Landesbeschreibung, zu der Celtis auch das dritte Kapitel der Norimberga und die Germania generalis gezählt hat, steht im Gegensatz zu Flavio Biondos historisch-archäologischem Bemühen, die antike Geschichte im zeitgenössischen Italien wiederzufinden und damit vor dem Vergessen zu bewahren, wie er es in der Praefatio der Italia illustrata und den einleitenden Abschnitten ihres ersten Kapitels als Ziel seiner Schrift formuliert hat. Wie Enea Silvio in seiner Europa, in der das gegenwärtige Erscheinungsbild der einzelnen Regionen Europas im Vordergrund stand, reinterpretiert Celtis Biondos Modell einer historisch-geographischen Landesbeschreibung und stellt es in den Dienst einer zeitgenössischen Illustrano Deutschlands. Vor dem Hintergrund eines mutatio-Konzepts, das nicht mehr, negativ verstanden, die mühsame Erforschung einer verschütteten Vergangenheit notwendig macht, sondern das als Paradigma einer kulturellen Entwicklung zur positiven Kategorie geworden ist, dient Geschichte - wiederum wie in Enea Silvios Europa — zur Veranschaulichung dieses Prozesses.4 Insofern dürfte zum Programm der Germania illustrata trotz ihrer Ausrichtung auf eine zeitgenössische Darstellung Deutschlands auch die Behandlung historischer Ereignisse gehört haben, und zwar in der Weise, wie Celtis Maximilian I. die Integration der Geschichte in die Amores vorgestellt hat: ubi occasio se obtulerat.5 Celtis' Ankündigung, die sich zwar auf die Konzeption der Amores bezieht, die man aber wohl auf seine projektierte Deutschlandbeschreibung übertragen darf, entspricht konzeptionell genau der Italia illustrata. Die unterschiedliche historische Ausrichtung der Germania illustrata, die von derjenigen ihres Vorbilds abweicht, macht demgegenüber deutlich, daß Flavio Biondo eine Gattung geschaffen hat, die an unterschiedliche Geschichtsmodelle angepaßt werden kann. Die gleiche Offenheit gilt überdies für das inhaltliche Programm, das sich in den geographischen Rahmen einer sich am Aufbau der Italia illustrata orientierenden Schrift integrieren läßt. Dies zeigt sich in Celtis' Ankündigung zur Germania illustrata am Ende der Amores-Praefatio, denn sie läßt gegenüber der Italia illustrata einen erheblich erweiterten Inhalt erwarten. Celtis' deutliches Interesse an kulturgeographischen Fragen, wie nach Erscheinungsbild, Brauchtum und Religion der Bevölkerung, findet in Biondos Schrift ebensowenig eine Entsprechung wie der Hinweis, das Rechtssystem und die politische Ordnung Deutschlands in der Germania illustrata besprechen zu wollen.

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Die Entwicklung, die Enea Silvio in seiner Europa darstellt, ist die Ausbreitung des Christentums über ganz Europa. Vgl. oben S. 457, Anm. 55.

464 Die Inhaltsangabe der Deutschlandbeschreibung in der Amores-Praefatio präsentiert mit diesen Bereichen Schwerpunkte, die sich durch Celtis' Œuvre ziehen und damit auch Gegenstand der Germania generalis sowie vor allem der Norimberga sind, welche sich gegenüber anderen humanistischen Stadtbeschreibungen gerade durch die differenzierte Vorstellung der Bevölkerung und der Verwaltungsordnung Nürnbergs auszeichnet. Vor diesem Hintergrund läßt sich eine umfassende Landeskunde sowohl in topographischer als auch kulturgeographischer Hinsicht als dominierender Aspekt des Germania illustrata-Ρτοjekts erschließen. Celtis scheint mithin bemüht gewesen zu sein, für seine patria das gleiche zu leisten, was Flavio Biondo für das antike Rom zu tun gedachte. Denn das gegenüber seinem Vorbild erweiterte Programm der Germania illustrata integriert auch zentrale Aspekte aus Biondos Romschriften, in denen dieser die vergangene Kultur rekonstruieren wollte, indem er die Funktion antiker Gebäude zu erkennen versuchte 6 sowie die politische Verfassung des antiken Staates und die Lebensformen seiner Bevölkerung beschrieb. 7 Auch hinsichtlich dieses Aspekts schreibt Celtis' Projekt der Germania illustrata mit der Übertragung derartiger Themenbereiche auf sein zeitgenössisches Anliegen ein umfangreiches historisch-archäologisches Forschungsprogramm für seine Zwecke um. Der Vergleich mit Biondos Œuvre, in dem sich mehrere Werke einzelnen Aspekten seines Rekonstruktionsbemühens widmen, lenkt die Aufmerksamkeit auf ein grundsätzliches Problem, das sich für den Plan der Germania illustrata ergibt. Denn die Inhalte und Darstellungsformen, welche Celtis in bezug auf die Schrift und in ihrem thematischen Umkreis erwähnt und teilweise erprobt hat, sind sehr zahlreich, zu zahlreich wahrscheinlich, als daß sie in einer Schrift hätten vereint werden können. So erweist sich das, was da unter dem Begriff Germania illustrata genannt wird, als Kanon von Themen und Bereichen, die zur Erforschung und Beschreibung Deutschlands insgesamt notwendig wären: Geographie in ihren verschiedenen Ausrichtungen der Kultur- und Anthropogeographie, Ethnographie, Historiographie und Archäologie. Der Werktitel umfaßt dabei alles, was als Inhalt einer derartigen Schrift denkbar wäre. Die Germani a illustrata ist damit keine importierte und auf Deutschland angewandte Italia illustrata. Celtis rezipiert zwar deren Methode, übernimmt aber ihr Programm nur teilweise und weitet es vor allem in anderen Bereichen sichtlich aus. Aus den greifbaren Aussagen zum Germania illustrata-Proavi spricht bei Celtis daher ein Absolutheitsanspruch, der sich nur mit der Behandlung aller behandelbaren Aspekte zufrieden gibt und der das Projekt schon allein deshalb der Gefahr der Nichteinlösbarkeit aussetzte. Daß sich die Anmerkungen zur Germania illustrata wie ein Themenkatalog ausnehmen, der bei der Aufarbeitung der patria zu beachten ist, liegt vor allem in der Ausgangsvoraussetzung begründet, in der sich Celtis gegenüber Biondo

Dies ist das Anliegen der Roma instaurata. In der Roma triumphans. Vgl. dazu oben Kap. 1.2.2.1 sowie Clavuot: Biondos »Italia illustrata«, S. 14-16.

465 sehen mußte. Denn dieser schreibt für ein wieder an Geschichte interessiertes Publikum, und er schreibt über eine Geschichte, die trotz der Gefahr, daß sie der Gegenwart entgleitet, gut dokumentiert ist.8 Seine Italia illustrata soll diesem Publikum ein Handbuch sein, das Altes und Neues zu verknüpfen vermag und damit die Renaissance eines ganzen Raumes präsentiert. Celtis hingegen bemüht sich, eine Öffentlichkeit, die am eigenen Land und dessen Geschichte interessiert ist, erst zu schaffen. Sein Anliegen ist nicht die Angst vor dem Vergessen durch eine mutatio rerum et nominum, er kämpft vielmehr, wie er es am Ende des zweiten Kapitels der Norimberga direkt sagt, gegen die verbreitete ignorantia seiner Landsleute.9 Ihm geht es schließlich darum, die Erschließung seiner patria, zu der die Geographie des Landes wie die Rekonstruktion ihrer Geschichte gehört, in Gang zu bringen. In diesem Anliegen ruht die Idee der Germania illustrata: Mit seinem Projekt einer historisch-geographischen Deutschlandbeschreibung verfolgt Celtis die Etablierung einer planmäßigen und systematischen Erforschung und Darstellung seiner patria.

2.2.

Die »Germania illustrata« als Gemeinschaftsaufgabe

2.2.1. Aspekte der

Arbeitsorganisation

Eine umfassende Erschließung der Kultur, wie sie Celtis verstand und wie sie mit der Germania illustrata in die Wege geleitet werden sollte, war weder von einem einzelnen Menschen zufriedenstellend zu bewältigen, noch gestalteten sich die Ausgangsvoraussetzungen als dem Projekt besonders förderlich. Denn der deutsche Humanist konnte weder auf entsprechende antike Quellen zurückgreifen, noch lagen Celtis zeitgenössische Quellen vor, wie sie Flavio Biondo zur Verfügung standen. Die Fiktion einer zehnjährigen Reise durch Deutschland, mit der er sich als Pionier für eine Aufgabe inszeniert, die keiner seiner Landsleute bisher leisten wollte, ist vor diesem Hintergrund mehr als eine Attitüde. Sie reflektiert auch die tatsächliche Notwendigkeit, die Kultur der eigenen patria vor Ort grundlegend zu erforschen. Celtis unternahm tatsächlich eine Reihe von Reisen zur Erforschung der eigenen Kultur. Symptomatisch ist seine Rechtfertigung für das Fernbleiben vom Lehrbetrieb an der Ingolstädter Universität, die er 1492 gegenüber Sixtus Tucher äußert:10

8 Dies geht vor allem aus der Praefatio der Italia illustrata (A 1 ) hervor. » Norim. S. 1 lOf. Vgl. Kap. 1.3.3.2. io B W Nr. 42, S. 72. Auf das Mißverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit bezüglich seiner »10jährigen« Reise zwischen 1487 und 1497 wurde bereits hingewiesen. Es ist daher auch möglich, daß es sich bei dem zitierten Brief um eine Stilisierung des Fembleibens zum Zwecke der Rechtfertigung handelt. Allerdings geht es hier nur darum, zu zeigen, welchen Anspruch Celtis mit seinen Reisen verband.

466 Magnum vulgi strepitum contra me in absentia mea excitatum accipio. [...] nobis ingenue fatendum est, non spe quaestus aut fortunae, quae semper infra me stetit, peregrinationem hanc suscepimus inque fidem nostram chyrographos noster locutus est. Itentidem et ad dominum Beysser quaestorem nostrum et virum optimu ι scripsimus, qua de re per has vacationes gymnasium excederem, ut aliquid egregium excuderem, quo Germaniae nostrae et huic gymnasio omamentum, famam, incrementum et decus aliquod immortale pararem.

Aus diesem Zeugnis spricht zunächst wiederum deutlich, daß die Erschließung der eigenen Kultur ein emanzipatorischer Akt war. Das, was Celtis finden wollte, sollte der patria zum Lob gereichen. Dies äußert Celtis auch anderweitig als ein Hauptanliegen seiner Arbeit.11 Daneben ist die Formulierung ut aliquid egregium excuderem ebenso allgemein wie diffus. Hieraus läßt sich erkennen, daß Celtis' Bemühen Pioniercharakter hat, daß sich aber bestimmte Leitlinien der Suche noch nicht herausgebildet haben, während spätere Zeugnisse hingegen dann recht genau offenlegen, was der Humanist gesucht hat. In diesem Zusammenhang ist sicherlich an vorderster Stelle die Suche nach alten Texten in den Klöstern zu nennen. Hier ging es Celtis wohl vor allem um Zeugnisse deutscher literarischer Betätigung bzw. auch um Zeugnisse zur eigenen Geschichte. So machten ihn Freunde immer wieder auf die Reichtümer bestimmter Bibliotheken aufmerksam.12 Einen Höhepunkt seiner Anstrengungen sah Celtis sicherlich in der Auffindung der Werke der Hrotsvita von Gandersheim, die ihm in Regensburg in die Hände fielen und die er sodann herausgab.13 In der Widmung der Ausgabe an Friedrich III. von Sachsen nennt er die Suche nach alten Handschriften seine vornehmste Aufgabe.14 Dabei werden nicht nur eigene Autoren zu Garanten einer Kultur, sondern auch die Fülle an Überliefertem, die in Deutschland anzutreffen ist, macht die kulturelle Bedeutung dieses Landes aus. So wird die Herausgabe von in Deutschland entdeckten Handschriften in Italien zur nationalen Schmach, wird das Bemühen, diese selbst

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So in einem Brief an Sebald Schreyer aus Ingolstadt, datiert vom 1. April 1497 (BW Nr. 158, S. 265): Seis nempe, quantos labores et vigilias, expensas taceo, pro laude et ornamento posteritatis huic tuae patriae ingratae impendi, quae omnia non in honorem sed in invidiam cessere. Beispielsweise berichtet Johann von Dalberg, Bischof von Worms, daß es in Freising viele alte Bücher gebe (BW Nr. 105, S. 175): Sunt enim libri hic vetustissimi, quos revolvere et contueri, ut animus exardet, publicis et gravissimis occupationibus cohibeor. Celtis fand die Handschrift mit den Werken der Hrotsvita 1493 im Reichsstift St. Emmeram in Regensburg. Die Handschrift, die Vorlage der 1501 von Celtis herausgegebenen und in Nürnberg gedruckten Hrotsvithae Opera war, wird heute als Clm 14 485 in der Bayerischen Staatsbibliothek München aufbewahrt. BW Nr. 267, S. 461f.: Germaniae nostrae fines et eius interiora [...] perlustravi [...], ut antiques et nondum impresses inquirerem codices, et, si quos in Hercynia silva, Alpibus Obnobiisque montibus et vastis Germaniae solitudinibus, paludibus etiam, in monasteriis et coenobiis druidarum, locupletissime a nostris imperatoribus et ducibus fundatis, invenissem, nostrorum saeculorum foelicitate, per impressoriam artem, a nostris hominibus inventam, in lucem proferrem.

467 aufzufinden und herauszugeben, zur eigenen ruhmreichen Aufgabe. 15 Doch nicht nur irgendwelche Texte will Celtis finden; er äußert eine genaue Vorliebe:16 Accessit mira mihi quaedam historiarum Germanicarum vicinarumque nobis nationum cupido, ut, si quos invenissem de regibus et imperatoribus nostris codices, aut illorum clare gesta aut dicta ab externis vel nostratiis litteris mandata, illos in lucem ederem, aut ad Illustratam nostram Germaniam, quae in manibus est, insererem, aut argumenta scribendi acciperem.

Die Wanderung, die dem Auffinden alter Kodizes galt mit dem Ziel, diese zu drucken, wird durch das besondere Interesse an historiographischen Texten in Bezug zur Germania illustrata gesetzt. Zur Beschreibung der Geschichte Deutschlands fehlte es ihm noch an Quellen. Um an notwendige Informationen zu gelangen, nahm Celtis auch die Hilfe seiner Freunde in Anspruch. Der Briefwechsel läßt erkennen, daß im Kreise um den Humanisten wesentliche Fragen, die die Germania betrafen, diskutiert wurden. Damit kann die Erschließung der patria als regelrechte Gemeinschaftsarbeit verstanden werden. So zeugt das obengenannte Beispiel des Wormser Bischofs von Dalberg davon, daß neben Celtis auch andere Mitglieder seines Freundeskreises Bibliotheken durchforschten. Des weiteren hat Celtis selbst Bekannte beauftragt, für ihn Klöster nach Büchern zu durchsuchen, wie das Beispiel des Johann von Reitenau zeigt,17 der für Celtis das Füssener Kloster St. Mang besucht hat.18 Ebenso bediente er sich seiner Freunde bei der Erforschung von Altertümern. Beispielsweise berichtet Georgius Boorius Caetianus über ein Gespräch mit dem Bischof von Olmütz über derartige Zeugnisse, die man dort finden könne und erforschen müsse. Diese Quelle sagt zwar nicht, daß Celtis hierzu den Auftrag gegeben habe, sie zeigt aber immerhin, daß die Suche nach Überresten aus der Antike im Umkreis des Humanisten immer intensiver betrieben wurde.19 Auch das Interesse an Geographie und an Landesbeschreibung hat Celtis auf seine Gefährten übertragen. Ein lebhafter Austausch von Karten und geographischen Schriften, allen voran der Kosmographie des Ptolemaeus, ist durch den Briefwechsel belegt. Hier hat sich Celtis ebenso der Hilfe der Freunde bedient, von denen er die Beschreibung ihrer Heimatregionen oder Karten derselben erwartete. Der Briefwechsel berichtet von Petrus Tritonius, einem Schüler des 15

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BW Nr. 267, S. 463: Quo circa, dum vidissem multa praeclara et illustria exemplar ia, tanquam egregia et optima quaedam de nobis spolia, ab Italis e Germania in Italiam delata ibique impressa, cogitabam ego ad me, hominem in media Germania et Hercynia natum [...] successionis et hereditatis iure spedare debere, ut latentes in obscuro codices velut venator egregius elicerem Germanisque meis, tanquam opipera quaedam, offerem. Ebd. Den Autor dieses auf 1493 datierten Briefes erschließt Rupprich in B W S . 115, Anm. 1. BW Nr. 68, S. 115: Praeceptor colendissime, uti praecepistis, monasterii in faucibus Alpium siti secreta quaeque perlustravi; sed nihil antiquitatis repperi. BW Nr. 322, S. 578: Loquuti eramus de antiquitatibus Marchomannorum quaerendis in Redusch, castro circa Olomuntz, et altero Radusch civitate, oppidum insigne.

468 Celtis aus Bozen, dem offensichtlich die Beschreibung des Etschtals aufgetragen war. Am 3. Juli 1500 bedauert er, daß er wegen einer Krankheit nicht an der Beschreibung arbeiten konnte. 20 In einem Brief vom 21. Juni 1502 kommt er wiederum auf seine Verpflichtung zurück und beteuert, daß er die Beschreibung nicht vergessen habe. 21 Daneben schickte Siegmund von Windeck eine Beschreibung dreier Südtiroler Burgen an Celtis. 22 Schließlich existiert ein Brief des Johannes Jacobus a Cruce, der eine Beschreibung von Nonsberg in Versen anfertigen wollte, diese aber noch nicht vollendet hatte und sich dafür brieflich entschuldigt.23 Neben konkreten Beschreibungen bezeugt der Briefwechsel, daß sich Celtis immer wieder um Karten zu einzelnen Gegenden bemüht hat. So schickt ihm Sebald Schreyer eine Karte von Oberdeutschland, die der Geograph Erhard Etzlaub angefertigt hat.24 Außerdem enthält die Briefsammlung das Versprechen des Martin Sinapus, eine Karte von Mähren zu schicken. 25 Die Zeugnisse belegen folglich, daß Celtis zum einen selbst Reisen unternommen hat, um Altertümer aufzuspüren oder aber bestimmte Regionen mit eigenen Augen zu sehen, zum anderen hat er reichliche Informationen von seinen Bekannten erhalten. Aus den Briefen, die an Celtis gerichtet sind, geht indirekt hervor, daß es sich dabei um Auftragsarbeiten gehandelt hat: Der Humanist hat seine Adressaten um Beschreibungen und Karten gebeten. Abgesehen von diesen Aufträgen zeigt sich im Umkreis des Celtis allerdings insgesamt ein großes Interesse an der Erforschung der patria, sei es geographisch oder

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BW Nr. 242, S. 405: Imposition praeterea a te onus (describendae videlicet vallis Athesinae) moleste me premit, quifebribus praepeditus expedite adhucusque abiicere nequivi. BW Nr. 282, S. 514: Athesinam vollem (ut spoponderam) febribus diuturnis praepeditus nondum effinxi; attamen, quia mihi a te praeceptum est, non negligam. Brief vom 5. September 1500 aus Bozen, in dem von Windeck die drei Burgen Persen, Beseno und Stein bespricht (BW Nr. 248, S. 417): Quandoquidem te studiosissimum omnium rerum humana in societate usu venientium indagatorem statueris, ne quid memoria dignum tuis scriptis praeterire queas, scribis itaque proximis litteris te accepisse in quibusdam Athesinae terrae arcibus peculiarem erga peregrinos morem usurpatum esse, de quo te certiorem reddam cupis, egoque innumeris tuis in me beneficiis tibi adeo devinctus, ut quicquam recusare minime ausim. Tuenno, 1. Januar 1502 (BW Nr. 269, S. 471f.): Anagniae situm, vir facundissime Celtis, (ut iusseras) ipse describere coepi carmenque iam explevissem, nisi curis ingentibus implicarer. BW Nr. 246, S. 414: Habes quoque in hoc praesenti fascículo colligatam superioris Germaniae effigiem continentem adiacentum partículas provinciarum, quam elaboravi manualis quidam opifex huiuscemodi videlicet, qui illa sciaterica instrumenta seu manualia horoscopa confecit, nullius quidem liberalium artium professor, at litterarum non penitus expers atque naturali alioquin ingenii pollens industria et iam annis pluribus ante Noricorum civitate donatus. Hic Ulis se artibus alere consuevit et nostra lingua Erhard Ertzlauben appellatur. Brief aus Olmütz von 1504 (BW Nr. 319, S. 574f.): Et adhortaris denique Marcomanniam cum urbe nostra templis effigiandam; summam operant turba sodalitatis tuae navabit et propediem rustico Celti ad castigandam Viennam tuam incultissimam et barbaram in aedificiis mittemus.

469 antiquarisch. Die Briefe sind demnach allererst auch Dokumente der intensiven Beschäftigung mit der Erschließung der patria im Kreise um Celtis. Die Arbeitsorganisation zur Germania illustrata läßt erkennen, daß Celtis bemüht war, eine Art Netzwerk aufzubauen, um über die verschiedensten Bekannten und Freunde an Informationen für sein Projekt zu gelangen. Daß all diese Aufträge für die Germania illustrata bestimmt waren, dürfte wahrscheinlich sein. Nicht zu beantworten bleibt aber auf jeden Fall die Frage, ob die von den Freunden angefertigten Beschreibungen direkt als Beiträge in die geplante Schrift einfließen sollten oder ob sie Celtis nur als Grundlage für eigene Beschreibungen verwenden wollte. Hinsichtlich der Erschließung des Materials kann ohne Zweifel von einer Gemeinschaftsarbeit des Kreises um Celtis gesprochen werden;26 ob die Germania illustrata selbst ein solches Gruppenunternehmen mit verschiedenen Beiträgem werden sollte, muß offen bleiben.

2.2.2. Parallelunternehmen

zur »Germania

illustrata«

Die Arbeit an der Germania illustrata als Leistung einer Gemeinschaft aufzufassen, erweist sich angesichts der immensen Aufgabe, die das Deutschlandprojekt darstellte, gewissermaßen als eine Notwendigkeit, verrät aber auch eine spezifische Signatur von Celtis' Schaffen, das sich bei umfänglicheren Projekten wesentlich durch das Einbeziehen anderer Humanisten in den Arbeitsprozeß charakterisierte. So hatte Celtis bereits in den Nürnberger Jahren, als er sich zu einer Überarbeitung der Schedeischen Weltchronik verpflichtet hatte, den Archetypus triumphantis Romae, dessen Vorbild in Biondos Roma triumphans zu suchen ist, als gemeinsames Vorhaben mit Peter Danhäuser projektiert.27 Darüber hinaus erwuchs sein Versuch, nicht nur eine Academia Platonica zu gründen, sondern mit den Sodalitates gelehrte Gemeinschaften über ganz Deutschland hinweg einzurichten, der Idee, die verstreute humanistische Gemeinde zu organisieren und in seiner patria Zentren humanistischer Kultur zu schaffen, an denen gemeinsames Arbeiten möglich sein sollte. Dieses Interesse an Gemeinschaftsbildung, das bereits Celtis' Lehrer Rudolf Agricola in Heidelberg zeigte,28 bevor sein Schüler die Organisierung der Humanisten über ganz Deutschland betreiben wollte, sowie der rege Informationsaustausch über literarische Ideen und Projekte brachte es mit sich, daß neben der Germania illustrata Werke entstanden sind, deren Gegenstände in engster Nähe zu den Inhalten anzusiedeln sind, die Celtis seinem Projekt zugedacht hatte. 26 27 28

Dies betont auch Dickerhof: Conrad Celtis und seine Sodalen, S. 1117f. Vgl. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 156f. Daneben wären natürlich noch weitere Gruppen im frühhumanistischen Kontext zu nennen, wie zum Beispiel in Augsburg die Gruppe um den Bürgermeister Sigismund Gossembrot oder aber der Nürnberger Kreis von astronomisch und geographisch interessierten Gelehrten um Hartmann Schedel, Hieronymus Münzer und Martin Behaim.

470 In diesem Zusammenhang ist zum einen der Catalogus illustrium virorum des Spanheimer Abtes und engen Celtis-Freundes Johannes Trithemius zu nennen.29 Bei diesem erstmals 1495 in Mainz gedruckten Werk30 handelt es sich um eine Art Literaturgeschichte, einen Katalog, in dem Trithemius bedeutende mittelalterliche und humanistische Literaten aufgelistet hat.31 Im programmatischen Widmungsbrief an Jakob Wimpfeling äußert der Spanheimer Abt deutlich sein Anliegen, mit dem Catalogus den Nachweis erbringen zu wollen, daß es auch in Deutschland seit langem eine hervorragende kulturelle Tradition gibt, die von zahlreichen Gelehrten und Literaten repräsentiert wird.32 Diese Erklärung zeigt aber auch, daß Trithemius' Literaturgeschichte eine defensive Zielrichtung hat, wenn er sich explizit gegen Stimmen wendet, die die Existenz gelehrter Persönlichkeiten in Deutschland verneinen. In diesem Ansinnen zeigt sich der Catalogus illustrium virorum mit Celtis' Forderungen nach einer Präsentation der deutschen Kultur und Geschichte verwandt, deren Ziel es war, das Barbarenverdikt der Italiener nicht nur für die Gegenwart, sondern auch in bezug auf die Vergangenheit als gegenstandslos zu erweisen. Überdies stimmt Trithemius' Programm, Deutschland als Land mit einer gelehrten Tradition vorzustellen, mit einem Teilbereich der geplanten Germania illustrata überein, in der Celtis in Anlehnung an Flavio Biondos Italia illustrata ebenfalls die berühmten deutschen viri eruditi aufzählen wollte. Ähnlich ist der Fall bei dem nie im Druck veröffentlichten Kaiserbuch Konrad Peutingers gelagert, dessen Gegenstand die Geschichte der römischen und dann der deutschen Kaiser ist und das damit einem Anliegen nachkommt, das das lyrische Ich der Amores selbst einmal als eigenen Plan formuliert.33 Celtis schätzte an dem Augsburger Stadtschreiber und Humanisten vor allem die systematische Suche nach römischen Inschriften und Münzen, die mit seinen eigenen Bemühungen um Auffindung alter Zeugnisse für die Germania illustrata zwar vergleichbar, diesen aber an Zielstrebigkeit und Erfolg weit überlegen war. 29

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Zu Johannes Trithemius siehe Arnold: Johannes Trithemius (1462-1516), zum Catalogus S. 132-137. Trithemius berichtet Celtis in einem Brief vom 11.4. 1495 aus Frankfurt am Main, daß die Drucklegung des Catalogus in Kürze zu erwarten sei (BW Nr. 88, S. 147). Die Anregung zu diesem Werk stammt von Jakob Wimpfeling, der Trithemius in einem Brief aus dem Jahre 1494 aufgefordert hatte, aus dessen kürzlich erschienenem Catalogus scriptorum ecclesiasticorum die Deutschen herauszunehmen und eine eigene deutsche Gelehrtengeschichte daraus anzufertigen (vgl. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 53). Vgl. im Widmungsbrief an Wimpfeling (Catalogus illustrium virorum, Ar): Quoniam sunt nonnulli (iacobe vimpfelinge amantissime) qui temporum historias cecutiendo calcantes, germaniam nostram quasi sterilem et bonis artibus vacuam despiciunt: in qua precellentes ingenio viros et ecclesiastice discipline scriptores et paucos et raros floruisse contendunt. Den Ausgangspunkt für diese Traditionsreihe sieht der gelehrte Abt in der Christianisierung (ebd., A iiv): Alemania [...] ab inicio conuersionis sue ad fidem christianam Claris semper effulsit doctoribus: quorum et ingenijs et sanctissimis moribus ceteris nationibus copiosius meruit illustrari. Am. 3, 1, 39-50. Zum Kaiserbuch siehe Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 2 0 5 209 sowie König: Peutinger-Studien, S. 43-60.

471 In einem Brief von 1505, in dem er Peutinger zur Herausgabe seiner Inschriftensammlung auffordert, stellt er denn auch eine Verbindung zwischen dessen Verdiensten und seiner eigenen, immer noch Plan gebliebenen Deutschlandbeschreibung her:34 Magnam etiam his rebus michi spera et consolationem absolvendae nostrae Illustratae Germaniae iniecisti, dum per universam Germaniam a te collectas antiquitates viderim.

Das Lob, das Celtis seinem Augsburger Freund angesichts der Sammlungen, die er in dessen Hause gesehen hat, brieflich zuteil werden läßt, birgt in sich die Ahnung des eigenen Scheiterns. Denn Peutingers Tätigkeiten waren durchaus selbständige Unternehmungen, die mit der Germania illustrata nur dem Zweck nach etwas gemein hatten. In der Meinung, mit den Ergebnissen des historisch interessierten Stadtschreibers eigene Versäumnisse ungeschehen machen zu können, glaubte Celtis seinem Projekt ein letztes Mal eine positive Wendung zu geben. Im weiteren Verlauf des Briefs, der ursprünglich die Einleitung der bei Erhardt Ratdoldt in Augsburg gedruckten Inschriftensammlung bilden sollte,35 kommt Celtis auf Peutingers Kaiserbuch zu sprechen und äußert dabei noch um einiges direkter als in bezug auf die Inschriftensammlung, wie er sich den Zusammenhang zwischen Kaiserbuch und Germania illustrata vorstelle: Die Darstellung der römischen und deutschen Kaiser wolle er seinem Werk kurzerhand beifügen.36 Zweimal erhebt Celtis Anspruch auf ein Werk Peutingers und zeigt damit die Nähe, in der dessen Forschungen zu seiner eigenen Germania illustrata stehen. Doch gerade die konzeptionelle Unvereinbarkeit zwischen dem Kaiserbuch als monographischem Werk und der Deutschlandschrift mit ihrer geographischen Orientierung verdeutlicht die Tragik, die diesem Brief aus dem Jahre 1505 bereits innewohnt.37 Wenngleich Peutinger in seinem Antwortschreiben seine Wertschätzung gegenüber Celtis darin zum Ausdruck bringt, daß er

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BW Nr. 329, S. 586. Ebd., Anm. 1. Ebd., S. 587: Nobilem enim Librum augustalem collegisti, quod opus pulcherrimum tuum nostrae Germaniae adiciemus. Das Kaiserbuch liegt handschriftlich in mehreren Fassungen vor. Peutingers Manuskript liegt in Clm 4020 A vor; eine Reinschrift mit Korrekturen des Autors stellt die Handschrift 2° Cod. 36 der SuStB Augsburg dar (zur Überlieferung des Kaiserbuchs siehe König: Peutinger-Studien, S. 43ff.). Das Werk stellt in chronologischer Reihenfolge die Viten ausgewählter römischer und deutscher Kaiser vor, wobei Peutinger den einzelnen Herrschern unterschiedliche Aufmerksamkeit zu Teil werden läßt. Die längste Darstellung ist Karl dem Großen gewidmet. Der chronologische Aufbau des Kaiserbuchs hätte sich freilich schwer in Celtis' Konzept seiner Germania illustrata eingliedern lassen. Insofern wird die konzeptionelle Unvereinbarkeit beider Werke schon beim Überfliegen von Peutingers katalogartiger Schrift offenkundig. Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 166 und König: Peutinger-Studien, S. 46 nehmen Celtis hingegen beim Wort und behaupten, das Kaiserbuch sei für die Germania illustrata bestimmt gewesen.

472 die Kaisergeschichte nicht ohne dessen Korrekturen veröffentlichen wolle,38 Celtis folglich immer noch als Autorität unter den Humanisten angesehen wurde, können die Äußerungen zur Germania illustrata nicht verbergen, daß das Ansinnen an Peutinger hinsichtlich seines eigenen Werkes nur noch eine Verzweiflungstat war. Als Celtis am 4. Februar 1508 verstarb, nahm er auch den Plan einer Germania illustrata, der ersten historisch-geographischen Landesbeschreibung in Deutschland mit ins Grab.39

2.3. Historisch-geographische Landesbeschreibung als Celtis' Erbe Ein Ausblick Als Conrad Celtis' Gefährten der rheinischen Sodalität kurz nach seinem Tode einen Nachruf auf ihn herausgaben, würdigten die Verfasser am Ende des knappen Lebensberichts auch die Schriften des gerade gestorbenen Lehrers und Freundes. Unter ihnen verzeichneten sie die Germania illustratar40 [...] Theodoriceidem orsus, quo Theodorici, regis Gothorum et Germaniae historiam complecti voluit versu heroico, oratione pedestri Germaniam illustratam, Situm Norenbergae et de eius institutis, moribus aliaque non multi ponderis opuscula.

Von seinen Werken wird die Deutschlandbeschreibung zumindest als angefangenes Werk erwähnt, jenes Werk, das sich als Leitmotiv durch Celtis' ganzes Schaffen zog und das auf seinem Sterbebild als eines der vier den Nachruhm des Dichters konstituierenden Werke abgebildet ist.41 Ahnlich äußert sich auch Joachim Vadian in seiner Würdigung, die er auf seinen Lehrer verfaßt hat. Er erwähnt darin aus Celtis' Œuvre einzig die Germania illustrata und behauptet, Celtis habe sogleich nach seinen langen Reisen durch Europa die Schrift begonnen, habe sie aber wegen seines Ablebens nicht fertigstellen können und deswegen unvollendet hinterlassen.42 Vadian stellt in seiner Äußerung nicht nur eine Beziehung zwischen Celtis' mutmaßlichen Reisen und der Abfassung der ersten historisch-geographischen Landesbeschreibung Deutschlands her und nimmt seinen Lehrer damit - ebenso wie die rheinländischen Freunde vor ihm - hinsichtlich des Beweggrunds seines 38

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BW Nr. 330, S. 588: Sed nec edentur [sc. die Kaiserviten] neve publicabuntur, nisi tu caeterique eruditi recognoverint castigaverintque. Zu Celtis' Syphilisinfektion, die zu seinem Tod führte, siehe Kemper: Zur SyphilisErkrankung des Conrad Celtis. BW Nr. 339, S. 613f. Bezüglich Celtis' Sterbebild sei nochmals auf Worstbrock: Konrad Celtis, S. 16-24 verwiesen. In der knappen Würdigung heißt es (BW Nr. 341, S. 617): Geographiae et vetustatis noscendae adeo studiosus fuit, ut post multam lectionem Andrea Stiborio, philosopho et theologo, comunis itineris socio assumpto, iustam partem Europae peragraverit. Post de Germaniae situ libros orsus, quas fato intercipiente affectos quidem, sed imaturos reliquit.

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unsteten Lebens beim Wort.43 Er behauptet darüber hinaus deutlich, daß Celtis seine Germania illustrata auch tatsächlich begonnen habe. Einen Hinweis, welche Texte in Celtis' Œuvre er als erste Teile der Germania illustrata im Blick hatte, ist er in seinen Bemerkungen allerdings schuldig geblieben. Einen Ansatz zur Klärung dieser Frage könnte die zweite Ausgabe des Textensembles der Tacitus-Ausgabe liefern, die im Jahre 1515 in Wien in den Druck ging und die durch zahlreiche Eingriffe in die Germania generalis aufgefallen war.44 In dieser Edition änderte der Herausgeber den Titel des Deutschlandgedichts zu De situ et moribus Germaniae fragmenta ab und machte damit deutlich, daß er die Dichtung für unvollendet hielt, mithin daß er der Meinung war, er ediere mit der Germania generalis ein Fragment. Seine Bewertung, die in der neu gewählten Überschrift zum Ausdruck kommt, könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, daß der Editor der Tacitus-Ausgabe von 1515, Vadian darin entsprechend, die Germania illustrata zum Zeitpunkt von Celtis' Tode zumindest für begonnen gehalten habe und die Germania generalis als ersten Teil der unvollendeten Schrift verstanden wissen wollte. In diesem Falle hätte er sich auf Celtis' eigene Äußerung berufen können, der in der Praefatio, welche dem Gedicht bei seiner zweiten Veröffentlichung in der Amores-Ausgabe vorangestellt ist, dem angesprochenen Maximilian I. und implizit damit auch seinem gesamten Publikum das Gedicht als erste Einlösung der zu diesem Zeitpunkt schon ungeduldig erwarteten Germania illustrata präsentiert hatte.45 Mit diesen vier Distichen, die die Germania generalis in der Tacitus-Ausgabe noch nicht begleiteten, suggeriert Celtis selbst, daß die poetische Deutschlandbeschreibung als erster Teil des geplanten, großangelegten Werks zu verstehen sei. Es deutet viel darauf hin, daß Celtis' Weggefährten, die allesamt potentielle Leser seiner Amores-Edition waren, ihn diesbezüglich beim Wort genommen haben und dort, wo sie von ersten greifbaren Ergebnissen der Germania illustrata sprachen, die Germania generalis im Sinn hatten. Ungeachtet der Vermutung, daß Celtis' Erben eine derartige Beziehung zwischen dem Gedicht und dem nie entstandenen großen landeskundlichen Werk annahmen, kann beobachtet werden, daß das kleine Deutschlandgedicht für die auf Celtis folgenden Verfasser humanistischer historisch-geographischer Landesbeschreibungen den Rang eines autoritativen Texts erhält. Dies zeigt sich etwa in der Germaniae exegesis des Franciscus Irenicus,46 in der Celtis am Ende des den Germaniae scriptores gewidmeten zweiten Kapitels des ersten Buches47 nach den antiken Historikern und Geographen vor Peutinger als einer der

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Auch in deren Lebensbericht heißt es (BW Nr. 339, S. 611): Primus patriae linguae suae términos ad quattuor latera conspexit. Die Formulierung orientiert sich an der Selbstaussage in Epigr. 4, 59: Primus ego patrias invexi, Celtis, ad oras / Cum Solymis Latias Argolicasque notas. Zu Celtis' umfassendem Anspruch des Primus qui siehe Worstbrock: Konrad Celtis, S. 32-35. Zu den Änderungen des Textzeugen D siehe Teil 1, Kap. 4.3. und 5.1. Siehe hierzu oben Kap. III. 1.1.2. Siehe Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 169-181. Das Kapitel ist betitelt De Germaniae scriptoribus (Germaniae exegesis, Bl. 1V-2V).

474 bedeutendsten Archegeten der humanistischen Landesbeschreibung genannt wird.48 Der Autor weist dabei ausdrücklich auf Celtis' Reisen hin, in denen er seiner Meinung nach über fünf Jahre hinweg die Germania durchwandert habe, und nennt als Quellen für die res Germanicae aus dem Œuvre des poeta laureatus hierauf das dritte Kapitel der Norimberga und die Germania generalis; weiteres, so Irenicus, lasse sich außerdem in den Amores und den Oden finden.49 Auch wenn der Autor der Germaniae exegesis in dieser Aufzählung keine Wertung der einzelnen Werke vornimmt, wird in den folgenden Kapiteln deutlich, daß er die Germania generalis besonders schätzt, da er sie von Celtis' genannten Werken am weitaus häufigsten zitiert. In der umfangreichen Germaniae exegesis manifestiert sich vorrangig ein historisches Interesse. Irenicus geht es daher in den ersten sechs Büchern weniger um zeitgenössische Landesbeschreibung als vielmehr um die Rekonstruktion des antiken Germanien, seiner Siedlungsstrukturen, sowie von Kultur, Sitten und kriegerischem Ruhm seiner Bevölkerung. 50 In den zweiten sechs Büchern wendet er sich jedoch der Geographie und Kulturgeographie der Germania zu,51 wobei es ihm vor allem auf die Veränderungen seit der Antike ankommt. 52 In 48

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Zu Peutinger äußert Irenicus (ebd., Bl. 2'): [...] ex quibus [aus der Gruppe der Autoren, die über die Germania geschrieben haben; Anm. d. Verf.] Cunradus Peutiger in germanorum antiquitatibus tanto copiosior quanto hi remissiores extiterunt. Hi tarnen tenuiter res Germaniç aggressi sunt, & paucis absoluerunt, nisi Peutiger (cui post Cunradum Celtem ramum tribuo) antiquitus ignorata, luce quadam orationis & uenustate nostro seculo mandauit. Ebd.: Cunradus Celtes natione Francus germaniam peragrans, quinqué annis in latissima Germania comperta congessit, de Hercynia librum, de Germania alterum, reliqua in amoribus & odis enucleatus est. Mit De Hercynia liber ist das dritte Kapitel der Norimberga, mit dem [liber] de Germania alter die Germania generalis gemeint. Das erste Buch behandelt zunächst die Geographie des antiken Germanien und seine Besiedlung, wobei bei einzelnen Stämmen deren Zugehörigkeit zu den Germanen diskutiert wird. Das zweite Buch entwirft eine Kultur- und Sittengeschichte der Germanen. Das dritte Buch ist den Genealogien verschiedener deutscher Herrscherhäuser gewidmet und greift damit bis in Irenicus' Zeitgeschichte aus. Die Bücher 4 und 5 bieten eine Militärgeschichte der Germanen, wobei Buch 5 die Kriegstüchtigkeit der Germanen bespricht, Buch 6 hingegen auf einzelne Kriege und Eroberungen der Germanen eingeht. Das sechste Buch wendet sich Kriegszügen und Wanderungsbewegungen einzelner germanischer Stämme, vor allem der Goten, zu. Irenicus schreibt zu Beginn des siebten Buches, das dem Bodenrelief der Germania und seiner Beschaffenheit gewidmet ist (Germaniae exegesis, Bl. 163'): Admonuit nos praeterea operis nostri nécessitas, quod iusto ordini stare uoluit omnia, & medium huius itineris cursum sex libris in traditione Germanorum occupata compleuit. Reliquia sex uoluminibus, aequa partitione, patriç formationem ingredi, aequalemque librorum numerum tam patriç quam ciuibus impartire. Buch 8 bespricht die Flüsse, das neunte Buch nennt germanische und deutsche Städte, das zehnte Buch wendet sich der geographischen Ausdehnung der Germania zu, wobei Irenicus nicht zwischen antikem Germanien und zeitgenössischem Deutschland unterscheidet. Dies zeigt sich besonders in den letzten beiden Büchern (11 und 12), in denen Irenicus geographische und Volksnamen registerartig auflistet und diese erklärt. Dabei geht er auf die mutatio sowohl der Begriffe als auch der durch sie bezeichneten Räume und Stämme ein.

475 diesem Teil des Werks bespricht Irenicus im siebten Buch das topographische Erscheinungsbild der Germania und orientiert sich bei der Darstellung sichtlich am Programm der Germania generalis. Dies läßt sich daran erkennen, daß dieses Kapitel die weitaus meisten Zitate aus der Germania generalis enthält.53 Ansonsten begegnen hauptsächlich Zitate aus antiken Autoren. Doch auch anderenorts beruft sich Irenicus nicht selten auf Celtis. So ist ihm bei der auch von ihm deutlich herausgehobenen und als Privileg empfundenen Indigenität seines Volkes 54 Celtis' Diktum aus dem zweiten Kapitel der Germania generalis der entscheidende Beleg, der sogar vor dem antiken Originalzeugnis aus der taciteischen Germania Erwähnung findet. 55 Für die zahlreichen Aspekte, die Irenicus anspricht, liefert Celtis' Deutschlandkonzeption unzweifelhaft ein Leitbild, das ihm für seine eigene Darstellung als Richtschnur dient, wobei er die maßgeblichen Informationen dafür besonders der Germania generalis entnahm.56 Irenicus' Germaniae exegesis zeigt hinsichtlich Aufbau und Konzept durchaus Schwächen und ist deswegen schon bei seinen Zeitgenossen auf ablehnende Urteile gestoßen. 57 Die gewisse Unselbständigkeit des Autors hat dazu geführt, daß er sich, wann immer es ihm möglich war, unbeschwert auf das ihm 53

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Einige Beispiele: Germaniae exegesis, Buch 7, Kap. 1: De fructu & arboribus Germaniae (Bl. 163v). Irenicus zitiert Germ. gen. 273, 276-278; in Kap. 16: De syluis, & syluae hercyniae magnitudine (Bl. 169') zitiert er Germ. gen. 164—169, in welchem Abschnitt Celtis die Ausdehnung der silva Hercynia beschreibt. Im 19. Kap. (Bl. 171") kommt auch Irenicus auf den pinifer mons zu sprechen und zitiert Germ, gen. 189-191. Zur Indigenität als Privileg der Germanen/Deutschen gegenüber anderen Völkern siehe oben Kap. II.2.2.1. Germaniae exegesis, Β. 2, Kap. 1: De antiquitate germanorum Principum & Germaniae, & quod Germani indigenae sint (Bl. 26r): Germani indigena apud antiquos credebantur, quod Cunradus Celtis ilio carmine indicauit, [...], gens inuicta manet toto notissima mundo Indigena, haud alia ducens primordio gente. Sed coelo producta suo. Im vierten Buch, um ein letztes Beispiel anzuführen, beruft sich Irenicus wiederum auf Celtis, wenn er auf die hochgewachsene Gestalt der Germani zu sprechen kommt (Kap. 4, Bl. 105'), und zitiert Germ. gen. 66-68. Daneben zitiert Irenicus auch aus Celtis' übrigen Werken, allerdings in nur geringem Maße. In dem in Anm. 53 angesprochenen Abschnitt über den pinifer mons verarbeitet Irenicus etwa auch Informationen aus den Amores, den Oden und dem dritten Kapitel der Norimberga. Nach der Zitierung der Verse über den pinifer mons, die das fünfte Kapitel der Germania generalis abschließen, fährt Irenicus fort (Germaniae exegesis, Bl. 17Γ): Et in amoribus. Piniferi cuius de uertice flumina quattuor Quattuor in partes orbis amoena cadunt. Multa idem Celtes li. ii. odarum de pinífero scripsit, & nos ubi de fluminibus dicemus. Inde hercynia sylua per Francos cum Maeno progrediens. Ardua appellatur sylua (Steigervuald) ut ait Cel. ramosque diuidit, ab Euro enim cum Aegra ad Bohemiam diuertit, & nuncupatur (Behemer vuald) & illos quasi natiuo muro circumdat, ut Celtes, Aeneas Syluius in hist. Bohémica profìtentur, & idem Celtes de hercy. sylua. Mox Francos Turgosque petit Bçmosque feroces Tanquam natiuo quos claudit undique muro. Irenicus zitiert hier - freilich nicht wörtlich - Am. 2, 10, 25f., Norim., S. 115 und am Schluß wiederum Germ. gen. 237f. Joachimsen bezeichnet das Werk als ein »Haufen wahlloser Zitate« (Geschichtsauffassung, S. 181; zur Ablehnung der Germaniae exegesis durch Aventin, Beatus Rhenanus und andere Humanisten siehe ebd., S. 182f.).

476 vorliegende Textkorpus stützte und dieses weitgehend nur noch ausschrieb. Seine Schrift rückt damit zwar in die Nähe eines Kompilats, doch macht sie gerade durch die unkritische Verwendung der Quellen deutlich, welche thematischen Schwerpunkte und welche Beschreibungsmodelle im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts im Bereich der historisch-geographischen Landesbeschreibung zur Verfügung standen. Unter ihnen nimmt das in Celtis' Œuvre entwikkelte Darstellungsprogramm eine der ersten Positionen ein. Die Germaniae exegesis ist damit eines der vielen Werke, die sich in den Jahrzehnten nach Celtis' Tod in direkter Anlehnung an oder aber im kritischen Rückgriff auf ihn und sein Œuvre der geographischen Gestalt oder der Geschichte Deutschlands und Germaniens widmen und damit seine Rolle als Archegeten auf diesem Gebiet würdigen.58 Denn ungeachtet der Tatsache, daß Celtis' Anspruch, der Pionier im Bemühen um die Etablierung einer humanistischen Kultur in Deutschland zu sein, in hohem Maße inszenierte Pose war59 und viele seiner angedachten Projekte nie zur Ausführung kamen, ist er für seine und die ihm nachfolgenden Generationen in den verschiedensten Bereichen der studia humanitatis durchaus einer der entscheidenden Ideengeber, so auch im Hinblick auf die historische und landeskundliche Erforschung der patria. Die immense Wirkung, die Celtis' Projekt einer Germania illustrata und das darin entworfene thematische Feld dabei entfaltet haben, wird bereits in den Jahren nach seinem Tod durch die bald unüberschaubare Menge an Werken unterschiedlichen Umfangs deutlich, die sich in Dichtung oder Prosa historischen oder geographischen Aspekten der Germania oder Teilen von ihr zuwenden.60 Daneben entfaltet sich eine rege

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Diese kritische und produktive Auseinandersetzung bezieht sich freilich nicht nur auf Celtis' geographische Dichtung, sondern auch auf seine Stadtbeschreibung Nürnbergs. So hat Eobanus Hessus seine hexametrische Darstellung Nürnbergs mit dem Titel Urbs Noriberga illustrata Carmine heroico ausdrücklich im Wettbewerb mit Celtis geschrieben. Dies zeigt die Überschrift des Gedichts nicht nur durch die wörtliche Anlehnung an die Germania illustrata, sondern auch durch den Zusatz carmine heroico, womit Celtis seine Germania generalis in der Amores-Praefatio charakterisiert hat (Am. Praef. S. 6 [50]: Suscipe dehinc novam et generalem Germaniae, ut hodie habitatur, carmine heroico descriptionem [angesprochen ist Maximilian I.]). Hessus' Nürnberg-Dichtung ist in einer Teiledition in Kühlmann/Seidel/Wiegand (Hgg.): Humanistische Lyrik, S. 292-317 zugänglich. Siehe auch die Kommentierung mit einer profunden Einleitung ebd., S. 1121-1134. Siehe Worstbrock: Konrad Celtis, S. 13-35. Für die Geschichte des Germania ¡'//«sfrara-Projekts nach Celtis ist immer noch wichtig Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 167-195. Siehe auch Strauss: Sixteenth Century Germany, Broc: La géographie de la Renaissance, Ridé: L'image du Germain, und Muhlack: Geschichtswissenschaft, S. 216-219 und passim. Besprechungen zahlreicher Landesbeschreibungen Mittel- und Osteuropas sind in Harder (Hg.): Landesbeschreibungen Mitteleuropas, versammelt. Zur Wirkung von Celtis' poetischen Landesbeschreibungen besonders im alten Preußen siehe Kühlmann/Straube: Zur Historie und Pragmatik humanistischer Lyrik (dort auch Hinweise zu weiterer Literatur über Landesbeschreibungen anderer deutscher Regionen).

477 Editionstätigkeit im Bereich antiker historischer sowie geographischer Texte,61 und nicht zuletzt findet die taciteische Germania zahlreiche Kommentatoren.62 Doch nicht nur thematisch und konzeptionell wirkte Celtis als Anreger, sondern auch hinsichtlich des Verfahrens, eigene Beiträge im Anhang der Edition eines antiken Texts zu veröffentlichen, fand er Nachahmer. Dies zeigt sich an der Brevis Germaniae descriptio, die Johannes Cochlaeus, der Rektor der Nürnberger Lateinschule bei St. Lorenz, nur vier Jahre nach Celtis' Tod im Jahre 1512 verfaßt hat und die die erste historische Landeskunde darstellt, welche dem von Celtis entworfenen Konzept folgt. Cochlaeus gab sie im Anhang einer von ihm besorgten und als Schultext konzipierten Ausgabe der Chorographie des Pomponius Mela heraus63 und orientierte sich dabei sichtlich an Celtis' Tacitus-Ausgabe, die ihrerseits für den Unterricht in Wien bestimmt gewesen war. Überdies zeigt die Brevis Germaniae descriptio ein ähnliches Bezugsverhältnis zu der ihr vorangehenden antiken Schrift, indem sie etwa die Vergrößerung des Landes und seine zivilisatorische Entwicklung seit der Antike herausstellt und damit gegenüber der Chorographie Melas eine kommentierende und präzisierende Funktion ausübt, die mit derjenigen der Germania generalis als additio zur taciteischen Germania vergleichbar ist.64 Hinzu treten weitere bereits bei Celtis formulierte Gedanken, wie etwa die Unbesiegbarkeit der Germanen, auf der das Privileg der Indigenität und der ethnischen Unvermischtheit gründet.65 Cochlaeus nahm sich jedoch nicht nur den von Celtis in seiner TacitusEdition angewandten editorischen Zusammenhang bei der Veröffentlichung seiner Deutschlandbeschreibung zum Vorbild; in der Peroratio seiner Schrift kommt er im übrigen auch auf das Projekt der Germania illustrata zu sprechen und weist dabei unmißverständlich auf die Ausgangslage hin, der sich die Autoren nach Celtis ausgesetzt sahen, indem dieser ihnen zwar zahlreiche Ideen hinterlassen hatte, sein Hauptwerk auf dem Gebiet der Landesbeschreibung aber ausgeblieben war. Denn nachdem er die Schwierigkeit der Aufgabe, der er sich zuzuwenden anschickt, betont hat, beklagt er, daß ihm keine brauchbare geographische Darstellung Deutschlands zur Verfügung gestanden habe, und er 61

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Auch hierbei kommt Celtis durch seine Tacitus-Edition sowie durch seinen Plan, eine griechische Originalausgabe der ptolemäischen Geographie zu besorgen, die Rolle des Anregers zu (zum Plan einer Ptolemaeus-Ausgabe siehe oben Kap. 1.3.1.1.). Mit Ptolemaeus' Kosmographie beschäftigte sich nach Celtis vor allem Willibald Pirckheimer, indem er Regiomontans Nachlaß auswertete. Siehe hierzu Machilek: Kartographie, Welt- und Landesbeschreibungen Mitteleuropas, sowie Holzberg: Griechischer Humanismus in Deutschland, S. 316-338. Zu nennen sind hier die Kommentare von Andreas Althammer, Jodokus Willichius und des Schweizers Heinrich Glarean. Zur Tacitus-Rezeption in Deutschland sei in diesem Zusammenhang nochmals auf Borchardt: German Antiquity, hingewiesen. Vgl. Langoschs Einleitung zu seiner Edition (Brevis Germanie descriptio, S. 7-10) sowie Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 168f. und Muhlack: Geschichtsschreibung, S. 216-218. Cochlaeus' Mela-Edition mit seiner Brevis Germaniae descriptio ist in Nürnberg bei Johann Weißenburger erschienen (vgl. VD 16: M 2307). Zu den Grenzen der Germania in Antike und Cochlaeus' Gegenwart siehe Brevis Germanie descriptio, S. 64-67. Siehe vor allem ebd., Kap. 1, 1-3. Zur Indigenität ebd., S. 40.

478 macht in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, daß ihm die Germania illustrata bei seinem Unternehmen sicher große Hilfe geleistet hätte, wenn sie denn zustande gekommen wäre. Ihr Fehlen mache sich umso mehr bemerkbar, als die antiken Schriftsteller selbst kaum Hilfestellung für eine Beschreibung des zeitgenössischen Deutschlands böten.66 Wenngleich der Autor der Brevis Germartiae descriptio Celtis' kleine Schriften und die lyrischen opera bei der Abfassung seines Werks benutzt hat, sieht er sich damit in einer nicht viel anderen Situation als Celtis selbst, als dieser 1492 in der Ingolstädter Rede bei seinen Zuhörern das Fehlen historischen und geographischen Wissens über das eigene Land lautstark beklagt hatte.67 Cochlaeus charakterisiert auf diese Weise treffend den Beginn der historisch-geographischen Landesbeschreibung in Deutschland, die von Celtis durch Vermittlung eines in Italien entstandenen Paradigmas zwar angeregt wurde, aber erst nach ihm breitere Realisierung fand. Cochlaeus integriert in seine Brevis Germaniae descriptio neben der Beschreibung der Germania nach den vier Himmelsrichtungen mit einem zentralen Kapitel über Nürnberg, in dem die Reichsstadt als Mittelpunkt der Germania vorgestellt wird, sowie mit drei einleitenden Kapiteln zur Geschichte der Germanen und dem Erscheinungsbild Deutschlands in seiner Gegenwart wesentliche Aspekte, die Celtis in seinen Schriften realisiert oder als Inhalt der Germania illustrata angekündigt hat. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, daß Cochlaeus, ungeachtet der Anmerkung, er hätte sich die Germania illustrata gerne zum Vorbild genommen, im Vergleich zu Celtis' vermißter Deutschlandbeschreibung in seiner Brevis Germaniae descriptio nur ein begrenztes Programm umgesetzt hat, in dem zahlreiche Themen des Germania illustrata-Ρτοjekts fehlen. Cochlaeus' Schrift spiegelt damit paradigmatisch wider, wie sich die Autoren nach Celtis einem Erbe näherten, dessen Problematik, wie bereits festgestellt worden ist,68 darin lag, daß Celtis' Vorstellungen vom Inhalt seines Projekts weit über das hinausgingen, was Flavio Biondo in seiner Italia illustrata umgesetzt hatte, und daß diese wohl insgesamt zu umfangreich waren, als daß man sie in einem Werk hätte realisieren können. So läßt sich beobachten, daß die entsprechenden Schriften selbst da, wo es sich um umfangreiche Veröffentlichungen handelt, immer nur Teile des von Celtis' entworfenen Programms behandeln. Irenicus' Germaniae exegesis wendet sich, wie bereits angedeutet, weitestgehend der Geschichte Deutschlands seit der Antike zu. Willibald Pirckheimer, um noch einen weiteren Autor zu nennen, wandte sich in einer kleinen, 1530 erstmals gedruckten Schrift den antiken geographischen und Volksnamen zu und versuchte damit, die Identifi-

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Peroratio in Germaniam, S. 162-164: Nec vero ullum nobis fuit exemplar, in quo particulatim Germanice regiones descripte essent. Quod si Chunradi Celtis »Illustrata Germania« nobis obtingere potuisset, fuisset profecto susceptus iste labor et certior et facilior. Adde tandem, quod priscorum scripta geographorum ad presentem Germanie statum agnoscendum aut nihil omnino aut perparum conducant. Vgl. oben Kap. 1.1.1.3. Siehe oben, Abschnitt 2.2.1.

479 kation alter und neuer regionaler Einheiten zu erleichtern.69 All dies sind Aspekte, die Celtis in seiner Germania illustrata behandeln wollte; allerdings sind sie hier einzeln in kleineren Einheiten behandelt, die sich einfacher realisieren ließen. Inhaltlich umfangreichere Entwürfe, die Geschichte, Ethnographie, Geographie und Kulturgeographie zu integrieren suchen, finden sich demgegenüber in dem sich ebenso breit entwickelnden Genre der Regionalbeschreibung.70 An den Werken, die im Horizont der Germania illustrata entstanden sind, läßt sich damit von Anfang an eine Tendenz zur Ausdifferenzierung ihres ursprünglich entworfenen Programms erkennen, wobei zwei Hauptrichtungen zu unterscheiden sind: zum einen die humanistische Landesbeschreibung, die sich der zeitgenössischen Gestalt Deutschlands und seiner Regionen zuwendet und, wie im Falle der Brevis Germaniae descriptio des Cochlaeus, deren historische Veränderungen aufzeigt, zum anderen die humanistische Historiographie, die sich für den geographischen Raum nurmehr am Rande interessiert, wie sie das Beispiel der Germaniae exegesis dokumentiert. Diese Aufgliederung des historisch-geographischen Interesses in verschiedene Richtungen bringt es schließlich mit sich, daß keiner der Autoren Celtis in einem ganz entscheidenden konzeptionellen Punkt, der für ihn ein konstitutives Charakteristikum der Germania illustrata werden sollte, gefolgt ist. Er betrifft die in Flavio Biondos Italia illustrata erstmals realisierte Eingliederung historischer Informationen in eine geographische Grundstruktur, die sich Celtis bei seiner Landeskunde zum Vorbild nehmen wollte. Seine Absicht war es gewesen, dem italienischen Humanisten folgend, nach Regionen geordnet das landschaftliche Erscheinungsbild der Germania zu beschreiben und auf geschichtliche Ereignisse, die sich in dem Land zugetragen haben, stets an dem Ort aufmerksam zu machen, an dem sie sich zugetragen haben. Von seinem Vorbild sollte sich sein Anliegen nur in der stärkeren Betonung der zeitgenössischen Gestalt des Landes sowie in einem erheblich größeren thematischen Rahmen, der auch Ethnographie, Rechtskultur, Religion etc. umfassen sollte, unterscheiden. Dagegen zeigt sich gerade in den Werken, die sich der Geschichte Deutschlands zuwenden, eine Tendenz, die Landeskunde zu einer historischen Geographie Germaniens einzuengen und einem ereignis- und kulturgeschichtlichen Themenkanon beizuordnen. Nirgends wird dieser Unterschied zu Celtis' Anliegen deutlicher als in dem ebenfalls Germania illustrata betitelten Projekt des Johannes Aventin, dem das gleiche Schicksal beschieden war wie seinem Vorbild. Denn auch Aventins

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Germaniae perbrevis explicatio. Vgl. dazu Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 186f. Als Beispiel seien hier neben den in Harder (Hg.): Landesbeschreibungen Mitteleuropas, und von Kühlmann/Straube: Zur Historie und Pragmatik humanistischer Lyrik, besprochenen Landesbeschreibungen genannt: die Rhaetia des Ägidius Tschudi, die hexametrische Schweizbeschreibung Helvetiae descriptio des Heinrich Glarean sowie die Germaniae inferioris historia des Gerhard Noviomagus, eine Darstellung der Niederlande. Einen Eindruck von der Breite der historisch-geographischen Literatur gewähren die Textzeugen F und I. Vgl. im ersten Teil der Arbeit Kap. 2.2. (S. 20-22 und 24f.) und Kap. 5.2. (S. 64-68).

480 Germania illustrata wurde nie vollendet. 71 Immerhin liegt neben der Praefatio und einleitenden Teilen auch eine Inhaltsskizze mit dem Titel Indiculus Germaniae illustratae vor, die Aventin wohl im Jahre 1529 erstellt hat,72 nachdem man ihn aufgefordert hatte, die räumliche Beschränkung, die seine Bayerische Chronik zeigt, in einem neuen Werk zu einer historischen Beschreibung ganz Deutschlands auszuweiten. 73 Die Praefatio der geplanten Germania illustrata läßt zunächst zahlreiche methodische wie programmatische Anlehnungen an Aventins Lehrer Celtis erkennen. Nachdem Aventin im Rückbezug auf antike Historiker Gegenstand und Aufgabe der Geschichtsschreibung benannt hat, entwirft er ein Arbeitsprogramm des Historiographen, das in zahlreichen Punkten Celtis' Entwürfen entspricht. So nennt Aventin gerade die Erforschung der Altertümer des Landes, von Münzen und Inschriften eine wichtige Voraussetzung für die Abfassung eines Geschichtswerks und fordert den Historiographen diesbezüglich zur Bereisung des von ihm zu beschreibenden Landes auf. In diesem Zusammenhang erwähnt er auch die Geographie des Landes, auf die der Geschichtsschreiber achten solle. 74 Auch die zahlreichen mutationes, die sich im 71

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Zu Johannes Aventin wird in Kürze die Dissertation von Martin Ott: Die Entdeckung des Altertums, vorliegen. Vgl. daneben Joachimsen: Geschichtsauffassung, S. 187f. und passim. Zu Entstehung und Überlieferung des Indiculus Germaniae illustratae, der in drei verschiedenen Fassungen vorliegt, siehe Georg Leidingers einleitende Bemerkungen in Aventin: Indiculus, S. 60-62 sowie ders.: Entstehung von Aventins »Germania illustrata«. Aventin berichtet in einem Brief an Beatus Rhenanus aus dem Jahre 1531, ein Geistlicher habe ihm das Konzept des Indiculus zwei Jahre vor Abfassung des Briefes, also 1529, entwendet und in Nürnberg veröffentlicht (Beatus Rhenanus: BW Nr. 286, S. 409): Indicem, quem misi, ante biennium a me compositus est in máximo tum rerum apud nos metu, dum Turcus Viennam obsidebat. Erant tum apud me duo exules, qui pulsi ex ea parte Daciae sive Getarum vetustissima, quam Sibenpyrgenses adpellant, viri utriusque linguae doctissimi. Qui multa mihi narrare solebant de earum regionum situ et moribus, quin alter situm in tabella descripserat, pollicitus se editurum pleraque alia, quae ad earum regionum illustrationem contingerent. Cum viderent labores meos, hortati me sunt, ut stilum a Bavaria unica ad illustrandam universam Germaniam verterem. Feci, praescripsi mihi quondam simplicem fabricam, qua uterer in eo negotio. Excidit itaque mihi Ule index, quem quidam sacrifìculus nactus clam me Noreiobergae in officina Petrei continuo emisit. Der Titel des Arbeitsplans lautet in dem Zweiblattdruck: Indiculus eorum, quae continentur in Germania inlustrata, decern libris absoluta, quae brevi superis faventibus eruditissimis quibusque atque nonnullis principibus cohortantibus ob commune reipublicae commodum bonis avibus publicabitur ab Joanne Aventino. Siehe Leidinger: Entstehung von Aventins »Germania illustrata«. Aventin: Germania illustrata, S. 75f.: Tum semidirutarum urbium ciñeres, vestigia, nomina accuratius ab incolis diplomatibusque vetustis, datis ab imperatoribus et pontificibus, civibus, sacerdotibus, monachis et principibus nostris, inquirenda, unde et causae rerum, Consilia, mutaciones regionum, imperiorum translationes, divisiones terrarum, successiones principum, vicissitudines rerum, nominum veterum oblivio, recentium ortus certissime agnoscuntur. Percontari quoque opus est apud monachorum mystarumque templa donationum codicillos, libellos sacrarum largicionum, instrumenta empcionum vendicionumque, tabulas immunitatum; omne monumentorum genus excutiendum, carmina annalesque cuiusque gentis, libri rituales, leges, codices summo studio investigandi. Non minori cura tituli, inscriptiones nomismatum, cip-

481 Erscheinungsbild der Länder manifestieren, stellen einen Forschungsgegenstand dar, dem sich der Historiker stellen müsse.75 Schließlich sieht Aventin in der Beschreibung des Kosmos und der Gliederung der Ökumene einen Bestandteil seines Historiographiekonzepts, das auch für seinen Lehrer ein zentraler Aspekt seines landeskundlichen Beschreibungsprogramms war.76 In den wenigen realisierten Teilen seiner Germania illustrata beginnt Aventin denn auch mit kosmologischen Betrachtungen zum Aufbau des Weltalls und zur Gliederung der Erde, bevor er sich der Geschichte seit der Sintflut zuwendet, deren Darstellung sich zunächst sichtlich am Ps.-Berosus des Annius von Viterbo orientiert. Bevor er zur Behandlung Deutschlands gelangt, bricht das Fragment allerdings ab. Einen Überblick über den Gesamtplan des Projekts gewährt immerhin jener Indiculus Germaniae illustratae, den Aventin bereits vorab veröffentlicht hat. Er kündigt ein Werk in zehn Büchern an und benennt stichwortartig deren Inhalt. Dabei fällt auf, daß die Geographie nur im ersten Buch eine Rolle spielt und deutlich auf den Bereich der historischen Geographie beschränkt bleibt. In ihm sollte sich, der Inhaltsangabe Aventins zufolge, an eine Darstellung der literarischen Kultur der Germanen, welche auf Tacitus' Behauptung, das von ihm beschriebene Volk hätte seine Geschichte in Dichtung überliefert, Bezug nimmt, eine Beschreibung der Germania vetus anschließen, die auf der Exegese der antiken Autoren Caesar, Strabon, Pomponius Mela, Plinius, Solinus, Plutarch, Ptolemaeus und Tacitus basieren sollte. In diesem Zusammenhang nennt der Indiculus auch die Gegenüberstellung alter und zeitgenössischer geographischer Namen, mit deren Hilfe die Rekonstruktion der Geographie des antiken Germanien möglich gemacht werden soll.77 Ein Interesse an zeitgenössischer Landesbeschreibung ist den Stichworten zum ersten Buch der Germania illustrata demgegenüber nicht zu entnehmen. Die Ankündigung eines solchen Gegenstands bleibt Aventins Inhaltsangabe insgesamt auch schuldig. Denn mit dem zweiten Buch kommt sogleich die Geschichte in den Blick, ohne daß geographische Fragestellungen noch eine

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porum, sacrorum templorum, columnarum, statuae, picturae, arae consulendae, et id, quod historiae arcanum est, cuiusque aetatis scriptorum, maxime publicorum, inprimis epistolae ultro citroque missae, commentario, versus evolvendi sunt. [...] fluminum etiam lapsus, hostia, fontes, sylvarum, montium radices, tractus, situs locorum oculata, iuxta vulgatum proverbium.fide explorando. Vgl. etwa ebd., S. 76f.: Quantae commutaciones ubique factae sint, in dies fiant, videmus omnes, nisi plane talpae simus. nova nomina, imperia emergunt, latius serpunt, vetera ita oblitterantur, ut annalium fides laboret, ut illa aliquando fuisse credamus. Quis credei tarn prope fuisse Troiam, Troios, Scythiam Sycambriamque, unde Francones venerunt, nisi peritissimus regionum ac veterum scriptorum et diplomatum autoritate persuasus testimonioque convictus? Ebd., S. 75: lam primum igitur omnium necessaria est observatio ad normam segmentorum et partium coeli, circuii meridiani et verticis septentrionalis. Indiculus Germaniae illustratae, S. 63: In primo libro haec dicuntur: De carminibus antiquis (quod unum apud maiores nostros memoriae et annalium genus est), quibus Cornelius Tacitus usus et quae Carolus Magnus auxit, quidam recentiores corrupere. Germaniae veteris descriptio ac chorographia cum vetustis ac recentioribus locorum vocabulis.

482 Rolle spielten; sie bleiben vollständig ausgeblendet. In den neun verbleibenden Büchern der Germania illustrata plante Aventin einen Durchgang durch die Geschichte Germaniens und Deutschlands, angefangen von der Zerstörung Trojas und der babylonischen Geschichte bis hin zu seiner Gegenwart, in der ihm die Gefahr durch die Türken das zentrale Signum der Zeit gewesen zu sein scheint.78 Der chronologisch geordneten Darstellung, die im Indiculus angekündigt wird, ist die geographische Gliederung der historischen Ereignisse nach ihren Schauplätzen fremd. Die Geschichte einzelner Volksstämme sollte zwar offensichtlich zum Programm des Werks gehören, doch läßt sich ein Interesse an dem Raum, in dem sich Geschichte ereignet, allenfalls im ersten Buch erkennen, für das die Veränderung der geographischen Einheiten der Germania vetus als Thema benannt wird. Als darstellerisches Strukturprinzip der Schrift ist die Geographie der Germania allerdings völlig unbedeutend. Bei aller Knappheit deutet der Indiculus Germaniae illustratae ein Werk an, das hinsichtlich Aufbau und Interessenlage eher der Germaniae exegesis des Franciscus Irenicus gleicht als dem Konzept, das Celtis für seine Germania illustrata entworfen hat. Aventin scheint eine Schrift konzipiert zu haben, in der die Geographie nurmehr als historische Geographie Beachtung findet und konzeptionell von der historischen Darstellung getrennt behandelt wird. Landesbeschreibung des zeitgenössischen Deutschland, die Celtis' zentrales Anliegen war, spielt für Irenicus und für Aventin ebenso keine Rolle mehr wie ein Gliederungsprinzip, das sich an Flavio Biondos Italia illustrata orientiert. Indem auch ethnographische und kulturgeographische Aspekte, deren Beschreibung sich Celtis zur Aufgabe machen wollte, in Aventins Programm fehlen, reduziert er das ursprüngliche Themenfeld der Germania illustrata allein auf die Historiographie. Gut 20 Jahre nach Celtis' Tod macht das gleichnamige Projekt seines Schülers Johannes Aventin manifest, was sich bereits unmittelbar nach dem Ableben des Ideengebers angedeutet hat: Landesbeschreibung und Geschichtsschreibung beschreiten, trotz methodisch ähnlicher Zugriffsweisen auf ihren Gegenstand, sogleich nach dem Scheitern von Celtis' Plänen weitgehend getrennte Wege. Die hier in aller Kürze vorgestellten Schriften sind nicht mehr als einige wenige Inseln in einem weiten Meer von Werken, die sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts mit der geographischen Gestalt und der Geschichte Deutschlands oder des antiken Germanien beschäftigen. Durch sie lassen sich aber zumindest Linien skizzieren, auf denen sich das von Celtis entworfene Konzept der Germania illustrata weiterentwickelt und gleichzeitig ausdifferenziert hat. In diesem sich in rasanter Geschwindigkeit verbreitenden Betätigungsfeld deutscher Humanisten repräsentieren sie Paradigmen, wie die Themen behandelt werden können, welche Celtis als Gegenstand der historischen und geographischen, bzw. kulturgeographischen Erforschung der patria benannt hat, und

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Ebd., S. 68: Decimo [ÍC. libro] usque ad nostrani memoriam commemorantur imperatores nostri in Austria, Boiemia, Ungaria orti. Irruptio Turcarum in Europam victique imperatores, regesque et principes nostri.

483 stellen damit ihre Autoren, auch wenn sie es bisweilen selbst unerwähnt lassen, als seine Erben vor. Schließlich zeigen sie aber auch, wo die Einzigartigkeit von Celtis' Projekt zu suchen ist. Denn ungeachtet inhaltlicher und methodischer Übereinstimmungen sind die hier kurz vorgestellten Werke Schriften mit einem begrenzten Horizont. Die Idee, alle Aspekte von der Geographie zur Ethnographie, von der Historiographie zur Erforschung von Brauchtum und Traditionen in einer Deutschlandbeschreibung zu vereinen, die alles gleichsam an seinem Orte vorstellen wollte und damit nach der Darstellungsmethode von Blondos Italia illustrata eine Gesamtschau zu liefern beabsichtigte, die die Kultur des Landes auch in ihrer regionalen Differenziertheit hätte präsentieren können, blieb allein die seine. Wie sehr er auch das Studium patriae in seinem Umkreis anregte und förderte, in dieser konzeptionellen Hinsicht fand er keine Nachahmer.

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

P. Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum. [Wien: Johann Winterburger, 1498-1500], Bl. ar (München, Bayerische Staatsbibliothek, 4° A. lat. b. 608).

S. 37

P. Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum. [Nürnberg: Friedrich Kreußner, um 1473], Bl. [a]r (München, Bayerische Staatsbibliothek, 2° Inc. s. a. 1110").

S. 38

Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. Ν. 2961, Bl. 212' (Beginn der »Germania« des Tacitus).

S. 39

Claudius Ptolemaeus: Cosmographia. Ulm: Lienhard Holl, 31. Juli 1482 (Hain 13539), Quarta Europe tabula continet Germaniam cum insulis sibi adiacentibus (Debrecen: Debreceni Református Teológiai Akadémia Szemináriuma Könyvtar, U 45). Aus dem Besitz von Conrad Celtis.

S. 182

Claudius Ptolemaeus: Cosmographia. Ulm: Lienhard Holl, 31. Juli 1482 (Hain 13539), Quinta Europe tabula continet Rhetiam & vindelicos ac noricum duasque pannonias ac totam Illiridem cum adiacentibus insulis (Debrecen: Debreceni Református Teológiai Akadémia Szemináriuma Könyvtar, U 45). Aus dem Besitz von Conrad Celtis.

S. 183

Claudius Ptolemaeus: Cosmographia. Ulm: Lienhard Holl, 31. Juli 1482 (Hain 13539), Vierte Tabula moderna, Skandinavien und Schottland darstellend (Debrecen: Debreceni Református Teológiai Akadémia Szemináriuma Könyvtar, U 45). Aus dem Besitz von Conrad Celtis.

S. 184

Hartmann Schedel: Liber chronicarum. Nürnberg: Anton Koberger, 12. Juli 1493, Bl. 5": Kosmosdarstellung (Augsburg, SuStB: 2° Ink. 933).

S. 328

Hartmann Schedel: Liber chronicarum. Nürnberg: Anton Koberger, 12. Juli 1493, Bl. 299 v -300 r : Deutschlandkarte von Hieronymus Münzer (Augsburg, SuStB: 2° Ink. 933).

S. 329

Claudius Ptolemaeus: Cosmographia. Ulm: Lienhard Holl, 31. Juli 1482 (Hain 13539), Bl. c 3r: Fortsetzung der Beschreibung Germaniens (Debrecen: Debreceni Református Teológiai Akadémia Szemináriuma Könyvtar, U 45). Aus dem Besitz von Conrad Celtis.

S. 384

Abb. 10: Hartmann Schedel: Liber chronicarum. Nürnberg: Anton Koberger, 12. Juli 1493, Bl. 99M00': Darstellung von Nürnberg (Augsburg, SuStB: 2° Ink. 933).

S. 405

Abb. 2:

Abb. 3:

Abb. 4:

Abb. 5:

Abb. 6:

Abb. 7:

Abb. 8:

Abb. 9:

Literaturverzeichnis Handschriften-, Inkunabel- und Druckkataloge, die in der Beschreibung der Überlieferungsträger der Germania generalis verzeichnet sind, wurden in das nachstehende Literaturverzeichnis nicht übernommen. Hierzu sei auf die Bibliographie verwiesen, die das Kapitel zur Überlieferung abschließt (1. Teil, Kap. 2.3.). Editionen lateinischer Autoren, die nur im Similienapparat der Edition oder im Kommentar, ohne zitiert zu werden, erscheinen, wurden nicht ins Literaturverzeichnis aufgenommen.

1.

Primärtexte in Editionen

1.1. Werke des Conrad

Celtis

Adel, Kurt (Hg.): Conradi Celtis quae Vindobonae prelo subicienda curavit opuscula. Leipzig 1966. Celtis, Conrad: Germania generalis. In: Humanismus und Renaissance in den deutschen Städten und an den Universitäten. Hg. von Hans Rupprich. Leipzig 1935 (Deutsche Literatur. Reihe Humanismus und Renaissance 2), S. 286-295. - Libri Odarum quattuor. Liber epodon. Carmen saeculare. Hg. von Felicitas Pindter. Leipzig 1937 (Bibliotheca scriptorum medii recentisque aevorum 23). - Ludi Scaenici (Ludus Dianae - Rhapsodia). Hg. von Felicitas Pindter. Budapest 1945 (Bibliotheca scriptorum medii recentisque aevorum 29). - Oratio in gymnasio in Ingelstadio publice recitata cum carminibus ad orationem pertinentibus. Hg. von Hans Rupprich. Leipzig 1932 (Bibliotheca scriptorum medii recentisque aevorum 5). - Quattuor libri Amorum secundum quattuor latera Germaniae. Germania generalis. Accedunt carmina aliorum ad libros Amorum pertinentia. Hg. von Felicitas Pindter. Leipzig 1934 (Bibliotheca scriptorum medii recentisque aevorum 14). Hartfelder, Karl (Hg.): Fünf Bücher Epigramme von Konrad Celtis. Hildesheim 1963 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1881). Kühlmann, Wilhelm, Robert Seidel und Hermann Wiegand (Hgg.): Humanistische Lyrik des 16. Jahrhunderts. Lateinisch und deutsch. Frankfurt am Main 1997 (Bibliothek der frühen Neuzeit 1, 5). Rupprich, Hans (Hg.): Der Briefwechsel des Konrad Celtis. München 1934 (Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation 4, 3). Werminghoff, Albert (Hg.): Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg. Freiburg i. Br. 1921.

488 1.2. Werke mittelalterlicher und humanistischer Autoren Aventinus, Johannes: Germania illustrata. In: Johannes Turmairs, genannt Aventinus, sämtliche Werke. Bd. 6. Hg. von Georg Leidinger. München 1908, S. 7 2 - 1 6 4 . Indiculus Germaniae illustratae. In: Johannes Turmairs, genannt Aventinus, sämtliche Werke. Bd. 6. Hg. von Georg Leidinger. München 1908, S. 6 0 - 7 1 . Blar de Bradzewo, Adalbert: Commentariolum super theoricas novas planetarum Georgii Purbachii. Hg. von Ludwig Anton Birkenmajer. Krakau 1900. Boccaccio, Giovanni: Genealogie deorum gentilium libri. 2 Bde. Hg. von Vincenzo Romano. Bari 1951 (Scrittori d'Italia 200. Giovanni Boccaccio: Opere 10). Bruni, Leonardo: Laudatio Fiorentine urbis. In: Opere letterarie e politiche di Leonardo Bruni. Hg. von Paolo Viti. Turin 1996, S. 5 6 3 - 6 4 7 . Cochlaeus, Johannes: Brevis Germanie descriptio (1512). Mit der Deutschlandkarte des Erhard Etzlaub von 1512. Hg., übers, und komm, von Karl Langosch. Darmstadt 1960 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 1). Eyb, Albrecht von: Oratio ad laudem et commendationem Bambergae civitatis. In: William Hammer: Albrecht von Eyb. Eulogist of Bamberg. In: Germanic Review 17 (1942), S. 3 - 1 9 . Horawitz, Adalbert und Karl Hartfelder (Hgg.): Der Briefwechsel des Beatus Rhenanus. Leipzig 1886. Krusch, Bruno (Hg.): Fredegarii et aliorum chronica. Vitae sanctorum. Hannover 1888 (Monumenta Germaniae Histórica. Scriptores rerum Merovingicarum 2). Kühlmann, Wilhelm, Robert Seidel und Hermann Wiegand (Hgg.): Humanistische Lyrik des 16. Jahrhunderts. Lateinisch und deutsch. Frankfurt am Main 1997 (Bibliothek der frühen Neuzeit 1, 5). Nogara, Bartolomeo (Hg.): Scritti inediti e rari di Biondo Flavio. Rom 1927 (Studi e testi 48). Piccolomini, Aeneas Silvius (=Pius II.): Commentarii rerum memorabilium que temporis suis contigerunt. 2 Bde. Hg. von Adrian van Heck. Vatikanstadt 1984 (Studi e testi 312 und 313). De statu Europae sub Friderico III liber. In: Rerum Germanicarum scriptores varii, qui res in Germania et Imperio sub Friderico III. Maximiliano I. Impp. memorabiliter gestas ilio aevo litteris prodiderunt. Tomus secundus. Ex Bibliotheca Marquardi Freheri. Hg. von Burkhard Gotthelf Struwe. Straßburg 1717, S. 8 3 - 1 7 0 . Deutschland. Der Brieftraktat an Martin Mayer und Jakob Wimpfelings »Antworten und Einwendungen gegen Enea Silvio«. Übersetzt und erläutert von Adolf Schmidt. Köln und Graz 1962 (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit. Dritte Gesamtausgabe 104). Germania und Jakob Wimpfeling: »Responsa et replicae ad Eneam Silvium«. Hg. von Adolf Schmidt. Köln und Graz 1962. Thorndike, Lynn (Hg.): The Sphere of Sacrobosco and its Commentators. Chicago 1949, S. 7 6 - 1 1 7 . Valla, Lorenzo: In sex libros Elegantiarum praefatio. In: Prosatori Latini del Quattrocento. Hg. von Eugenio Garin. Mailand und Neapel 1952, S. 5 9 4 - 6 3 1 . Wolkan, Rudolf (Hg.): Der Briefwechsel des Eneas Silvius Piccolomini. 3 Bde. Wien 1909-1912 (Fontes Rerum Austriacarum 2, 61, 67, 68).

489 1.3. Werke antiker Autoren Apuleius Madaurensis: Apologia (De magia). Hg. von Rudolf Helm. Leipzig 1972 (Apulei Platonici Madaurensis opera quae supersunt 2, 1; Nachdruck der Ausgabe "1963). Apuleius Madaurensis: De philosophia libri. Hg. von Claudio Moreschini. Stuttgart und Leipzig 1991 (Apulei Platonici Madaurensis opera quae supersunt 3). Ausonius: Moseila. In: The Works of Ausonius. Hg. von R. P. H. Green. Oxford 1991, S. 1 1 5 - 1 3 0 (Edition), S. 4 5 6 - 5 1 4 (Kommentar). Caesar, C. Iulius: Commentariorum pars prior qua continetur libri VII de bello Gallico cum A. Hirti supplemento. Hg. von Renatus Du Pontet. Oxford 20 1991. Dionysios von Alexandria: Das Lied von der Welt. Hg. und übersetzt von Kai Brodersen. Hildesheim u.a. 1994. Horatius, Q. Flaccus: Oden und Epoden. Erklärt von Adolf Kießling, besorgt von Richard Heinze. Zürich l 3 1968. Opera. Hg. von Edward C. Wickham. Oxford 18 1986. Hyginus: De astronomia. Hg. von Ghislaine Viré. Stuttgart 1992. Fabulae. Hg. von Peter K. Marshall. Stuttgart und Leipzig 1993. Isidorus Hispalensis: Etymologiarum sive originum libri X X . 2 Bde. Hg. von W. M. Lindsay. Oxford 1988 (Nachdruck der Ausgabe 1911). Lucanus, M. Annaeus: De bello civili libri X (Pharsalia). Hg. von D. R. Shackleton Bailey. Stuttgart und Leipzig 2 1997. Lucretius, T. Carus: De rerum natura libri sex. Hg. von Cyrillus Bailey. Oxford 1990 (Nachdruck der Ausgabe 2 1922). Macrobius, Ambrosius Theodosius: Commentarli in somnium Scipionis. Hg. v. James A. Willis. Stuttgart und Leipzig 1994 (Macrobius: opera 2; Nachdruck der Ausgabe 1970). Manilius, Marcus: Astronomica. Hg. von George P. Goold. Stuttgart und Leipzig 2 1998. Ovidius, P. Naso: Amores, Medicamina faciei feminae, Ars amatoria, Remedia amoris. Hg. von E. J. Kenney. Oxford'1991. Fastorum libri sex. Hg. von E. H. Alton. Stuttgart und Leipzig 1997. Metamorphoses. Hg. von William S. Anderson. Stuttgart und Leipzig 1993. Plinius, C. Secundus: Naturalis historiae libri X X X V I I . 6. Bde. Hg. von Ludwig Ian und Karl Mayhoff. Stuttgart 1967 (Nachdruck der Ausgabe 1892-1906). Pomponius Mela: De Chorographia libri tres. Hg. von Karl Frick. Stuttgart 1968 (Nachdruck der Ausgabe 1880). Propertius, Sextus: Elegiarum libri IV. Hg. von Paolo Fedeli. Stuttgart 1984. Ptolemaios, Claudios: Geographia. Hg. von C. F. A. Nobbe. Hildesheim 1966 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1843-45). Strabon: Géographie. Hg. und übersetzt von Germaine Aujac (ab Bd. 2: Hg. und übersetzt von François Lasserre). 9 Bde. Paris 1969-1981. Suetonius, C. Tranquillus: De vita Caesarum libri VIII. Hg. von Maximilian Ihm. Stuttgart 1978 (C. Suetoni Tranquilli opera 1; Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1908). Tacitus, Cornelius: De origine, moribus ac situ Germanorum libellus. Hg. von Hans Ferdinand Massmann. Quedlinburg und Leipzig 1847. De origine et situ Germanorum liber. Hg. von M. Winterbottom. In: Cornelius Tacitus: Opera minora. Hg. von R. M. Ogilvie und M. Winterbottom. Oxford 5 1987, S. 3 5 - 6 2 . De vita Iulii Agricolae. Hg. von R. M. Ogilvie. In: Cornelius Tacitus: Opera minora. Hg. von R. M. Ogilvie und M. Winterbottom. Oxford 5 1987, S. 1-33. Tibullus: Tibulli aliorumque carminum libri tres. Hg. von John Perceval Postgate. Oxford 15 1990. Varrò, M. Terentius: Res rusticae. Hg. von Georg Goetz. Leipzig 1929.

490 Vergilius, P. Maro: Opera. Hg. von R. Α. Β. Mynors. Oxford 1969. Vitruvius: De architecture libri decern. Hg. von Valentin Rose. Leipzig 1899. Waszink, Jan H. (Hg.): Timaeus a Calcidio translatus, commentatus et instructus. London und Leiden 1962 (Corpus Platonicum medii aevi 4).

2. Unedierte Primärtexte Bei den unedierten Primärtexten wird nach der bibliographischen Angabe in Klammern auf die entsprechende Hain-, GW- oder V D 16-Nummer sowie auf das eingesehene Exemplar hingewiesen.

2.1.

Werke des Conrad

Celtis

Celtis, Conradus: Ars versificandi et carminum. [Leipzig: Martin Landsberg, 1492-95] (GW 6461; München, Bayerische Staatsbibliothek: 4° Inc. s. a. 496m). - Panegyris ad duces Bavariae. [Augsburg: Erhard Ratdoldt, nach 31. August 1492] (GW 6466; München, Bayerische Staatsbibliothek: 4° Inc. c. a. 894). - Quattuor libri amomm secundum quattuor latera Germanie. Nürnberg: ohne Drucker, 1502 (VD 16: 1901; München, Bayerische Staatsbibliothek: Rar. 446. Aus dem Besitz von Hartmann Schedel).

2.2. Werke humanistischer

Autoren

Annius, Johannes (=Giovanni Nanni): Commentarla super opera diversorum auctorum de antiquitatibus. Rom: Eucharius Silber, 3. August 1498 (GW 2015; München, Bayerische Staatsbibliothek: 2° Inc. c. a. 3610. Aus dem Besitz von Hartmann Schedel). Bebel, Heinrich: Germani sunt indigenae. An: ders.: Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germaniae. Pforzheim: Thomas Anselm, 1504, d v -e" (VD 16: Β 1225; München, Bayerische Staatsbibliothek: Res./4° A. lat. b. 708:2). - Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germaniae. Pforzheim: Thomas Anselm, 1504 (VD 16: Β 1225; München, Bayerische Staatsbibliothek: Res./4° A. lat. b. 708:2). Biondo, Flavio: Historiarum ab inclinatione Romanorum imperii decades. Venedig: Thomas de Blavis, 28. Juni 1484 (GW 4420; München, Bayerische Staatsbibliothek: 2° Inc. c. a. 1437a. Aus dem Besitz von Conrad Celtis). - Italia illustrata. Verona: Boninus de Boninis, 7. Februar 1482 (GW 4423; München, Bayerische Staatsbibliothek: 2° Inc. c. a. 1033). - Roma instaurata. Verona: Boninus de Boninis, 20. Dezember 1481 (GW 4423; München, Bayerische Staatsbibliothek: 2° Inc. c. a. 1033). Corvinus, Laurentius: Cosmographia. Hg. von Heinrich Bebel. [Basel: Nikolaus Kessler, nicht vor 1496] (GW 7799; München, Bayerische Staatsbibliothek: 4° Inc. s. a. 579a. Aus dem Besitz von Hartmann Schedel). Foresti da Bergamo, Jacobus: Supplementum chronicarum. Brescia: Boninus de Boninis, 1. Dezember 1485 (Hain 2806; Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek: 2° Ink. 619). Franck, Sebastian: Germaniae chronicon. Augsburg: Alexander Weißenhom und Heinrich Stainer, 15. November 1538 (VD 16: F 2088; München, Bayerische Staatsbibliothek: 2° Germ. g. 25).

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2.3. Antike

Autoren

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492 2.4.

Faksimilia

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493 -

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