Die Philosophie des Marktes – The Philosophy of the Market 9783787330133, 9783787330126

Noch vor wenigen Jahrzehnten galten Märkte als Institutionen, mit denen sich Probleme in nahezu allen gesellschaftlichen

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Die Philosophie des Marktes – The Philosophy of the Market
 9783787330133, 9783787330126

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Deutsches Jahrbuch Philosophie Band 7

Deutsches Jahrbuch Philosophie Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Philosophie Band 7

F E L I X M E I N E R V E R L AG



HA M BU R G

Die Philosophie des Marktes The Philosophy of the Market Herausgegeben von HANS-CHRISTOPH SCHMIDT AM BUSCH

F E L I X M E I N E R V E R L AG



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Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Philosophie e.V.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-3012-6 ISBN eBook: 978-3-7873-3013-3

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INHALT

Hans-Christoph Schmidt am Busch Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Heinz D. Kurz Zur Politischen Ökonomie des homo mercans Adam Smith über Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Martin Hartmann Invisible Hand and Impartial Spectator: The Adam Smith Problem Reconsidered . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Douglas Moggach Die Kultur der Zerrissenheit und ihre Überwindung Friedrich Schiller, Bruno Bauer und der ästhetische Republikanismus

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Hans-Christoph Schmidt am Busch Die sittliche Ambivalenz von Märkten – ein Grundproblem moderner Gesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

Andrew Buchwalter »Die Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft« Entzweiung, Bildung und Hegels Aufhebung der Aporien der sozialen Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125

Michael Quante Handlung, System der Bedürfnisse und Marktkritik bei Hegel und Marx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153

Emmanuel Renault Marx’s Critique of the Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177

Michael Schefczyk The Tale of Two Doctrines Mill on economic and political liberalism . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

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Inhalt

Birger P. Priddat Die Transaktion als Juxtaposition und als Kooperation Differente Interpretationen des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Simon Derpmann Geld als Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227

Lisa Herzog Who should prevent sweatshops? Duties, excuses, and the division of moral labour in the global economy

255

Edward Skidelsky Prostitution and Corruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

Christopher F. Zurn The Ends of Economic History: Alternative Teleologies and the Ambiguities of Normative Reconstruction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289

Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung

Einleitung

Vor 25 Jahren erfreuten sich marktwirtschaftliche Institutionen höchsten Ansehens. Zu einer Zeit, als der Kommunismus sich für viele Menschen als eine Illusion erwiesen hatte,1 schien es keine vernünftige Alternative zu Märkten mehr zu geben. Marktwirtschaftliche Institutionen wurden nicht nur aus Gründen der Produktivität befürwortet, sondern auch deshalb, weil sie einen effektiven Schutz der Freiheit des Einzelnen und eine gerechte Verteilung der gemeinschaftlich produzierten Güter und Leistungen in Aussicht stellten. Die Akzeptanz von Märkten war so groß, dass ein Autor, der bis dahin nur in Fachkreisen bekannt war, eine weltweite Debatte auslösen konnte, als er behauptete, dass demokratisch und marktwirtschaftlich verfasste Staaten die letzte Stufe der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit bildeten.2 Es ist nicht überraschend, dass Märkte in dieser Situation auch in gesellschaftlicher Hinsicht einen enormen Bedeutungszuwachs verzeichneten: Volkswirtschaften, die bis dahin planwirtschaftlich strukturiert waren, erhielten marktwirtschaftliche Organisationsformen, bereits bestehende Märkte wurden von staatlichen Eingriffen befreit und marktwirtschaftliche Reglements erhielten Einzug in soziale Bereiche, für die sie zuvor nicht einmal in Betracht gezogen worden waren (etwa das Gesundheits- oder Bildungssystem). Märkte, so schien es, sind segensreiche Institutionen, die nahezu jedes gesellschaftliche Problem zu lösen vermögen. Diese Einschätzung ist längst einer anderen gewichen. Seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahre 2007 werden Märkte zunehmend als Institutionen wahrgenommen, die Gesellschaften schwächen und Staaten beschädigen. Hierfür sind Beobachtungen wie die folgenden verantwortlich: Im Zuge der Globalisierung von Märkten haben Einkommensdifferenzen sehr stark zugenommen und Vermögenskonzentrationen zugunsten weniger stattgefunden; in den wirtschaftlich am stärksten entwickelten Ländern sind immer mehr Menschen von Armut betroffen, und die Anzahl der prekär Beschäftigten wird ständig größer; psychische Belastungen und Erkrankungen unter Erwerbstätigen verzeichnen eine starke Zunahme; Unternehmen (etwa im Finanzsektor) 1

Vgl. Furet, François: Das Ende der Illusion. Der Kommunismus im 20. Jahrhundert. München 1999. 2 Vgl. Fukuyama, Francis: Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir? Reinbek 1992.

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Einleitung

erzielen höchste Gewinne durch den Verkauf von Produkten, die allem Anschein nach volkswirtschaftlich schädlich sind; Banken sind so mächtig geworden, dass ihre Verluste von der Allgemeinheit getragen werden (müssen); multinationale Konzerne entziehen sich ihrer Verpflichtung, Steuern zu entrichten; und Städte, Regionen und Staaten sind mittlerweile so hoch verschuldet, dass ihre Handlungsfähigkeit in Frage steht. Angesichts solcher Entwicklungen kann es nicht überraschen, dass der Geist der Zeit heute ein anderer ist als vor 25 Jahren. Märkte, so scheint es, lösen keine gesellschaftlichen Probleme; sie schaffen soziale Missstände. Was sind Märkte? Sollten wir die Existenz von Märkten befürworten oder ablehnen? Und warum? Für die zeitgenössische Philosophie waren diese Fragen längere Zeit von geringem Interesse. Unter dem Einfluss des Keynesianismus gingen viele politische Philosophen wie selbstverständlich davon aus, dass Märkte staatlicherseits so reguliert werden können, dass sie weitgehend krisenfrei funktionieren und politische Vorgaben hinreichend gut erfüllen.3 Deshalb konnten diese Denker, wie verschiedentlich bemerkt,4 sich auf die Spezifizierung und Rechtfertigung von Gerechtigkeitsgrundsätzen konzentrieren – und die Untersuchung der Frage vernachlässigen, ob diese Grundsätze unter marktwirtschaftlichen Bedingungen überhaupt befolgt werden können. Selbst für die Sozialphilosophie in der Tradition der Kritischen Theorie bildeten Märkte eine Zeit lang keinen eigenen Untersuchungsgegenstand.5 In ihrem Verständnis war die moderne Marktwirtschaft eine soziale Sphäre, die sich im Zuge der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung etabliert hatte und mit den Mitteln der soziologischen Systemtheorie angemessen analysiert werden konnte. 6 Als gesellschaftlich problematisch galt ihr nicht die Existenz einer sol-

3

Exemplarisch sei hier auf John Rawls’ frühes Hauptwerk, Eine Theorie der Gerechtigkeit, verwiesen, das seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1971 den Diskurs der politischen Philosophie geprägt hat. Unter Bezugnahme auf keynesianische Annahmen (vgl. z. B. Rawls, John: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1979, S. 310) geht Rawls davon aus, dass Märkte so eingerichtet werden können, dass sie faire Chancengleichheit ermöglichen und dem Unterschiedsprinzip genügen. 4 Vgl. Honneth, Axel: Das Recht der Freiheit. Berlin 2011, S. 14–31. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Rainer Forsts Kritik an dem von ihm so bezeichneten »empfängerorientierten« Bild von Gerechtigkeit, in dem der Staat als »Verteilungsmaschine« vorgestellt wird (in: Forst, Rainer: Gerechtigkeit. In: Politische Theorie und Politische Philosophie. Ein Handbuch. Hg. v. Martin Hartmann und Claus Offe. München 2011, S. 198– 202). Auf Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit trifft diese Kritik aber meines Erachtens nicht zu (vgl. Rawls: Theorie der Gerechtigkeit, Kap. 14, insbesondere S. 109). 5 Vgl. hierzu auch meine Überlegungen in »Anerkennung« als Prinzip der Kritischen Theorie. Berlin, Boston 2011, S. 30–38. 6 Vgl. Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns. 2 Bände. Frankfurt am Main 1988.

Einleitung

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chen Wirtschaftsordnung,7 sondern lediglich deren mögliches Übergreifen auf andere soziale Sphären, insbesondere solche, die ihr nicht systemisch strukturiert zu sein schienen. Diese Konstellation ist nicht länger aktuell. Was sich seit kurzem beobachten lässt, sind die Anfänge philosophischer Debatten, welche den Markt und die Märkte betreffen. Es ist bemerkenswert, dass dieser Diskurs von Theoretikern initiiert worden ist, die ganz unterschiedlichen Strömungen der politischen Philosophie und der Sozialphilosophie angehören – etwa dem Liberalismus, dem Kommunitarismus, dem Feminismus, der Kritischen Theorie oder dem Marxismus. Was diese Denker interessiert, sind begriffliche, sozialtheoretische, moralpsychologische und ethische Fragen, welche ihres Erachtens von zeitgenössischen Märkten aufgeworfen werden. Gefragt wird zum Beispiel: Was ist ein marktwirtschaftlicher Tausch? Welche konstitutiven Eigenschaften hat Geld? Haben Märkte sittliche Grundlagen, die bei ihrer Beschreibung berücksichtigt werden müssen? Was sind freie im Unterschied zu regulierten Märkten? Sind Märkte selbständige Institutionen oder müssen sie von Staaten eingerichtet und aufrechterhalten werden? Welche Gemeinsamkeiten weisen kapitalistische und nicht-kapitalistische Märkte auf, und wodurch unterscheiden sie sich voneinander? Gefragt wird auch: Zeichnen die Wirtschaftswissenschaften ein angemessenes Bild der Marktteilnehmer? Sind Menschen, die auf Märkten agieren, individuelle Nutzenmaximierer? Welche Bezüge weisen ihre Handlungen zu gesellschaftlich geteilten Werten und Normen auf? Was sind Wirtschaftsunternehmen, und welchen strukturellen Zwängen sind sie an Märkten ausgesetzt? Und: Wie sind Märkte ethisch zu bewerten? Welche Verpflichtungen haben Marktteilnehmer aus Gründen der Gerechtigkeit? Sind materielle Ungleichheiten, die Märkte erzeugen, ethisch relevant?8 Welche Gefahren birgt die eingangs skizzierte Ausweitung von Märkten für die sittliche 7

Vgl. hierzu nun auch Streeck, Wolfgang: Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Berlin 2013. 8 Harry G. Frankfurt ist der Überzeugung, dass materielle Ungleichheiten, die von Märkten erzeugt werden, als solche ethisch irrelevant sind. (Vgl. Frankfurt, Harry G.: Ungleichheit. Warum wir nicht alle gleich viel haben müssen. Berlin 2016.) Wie er selbst mitteilt, liegen dieser Schrift zwei Aufsätze zugrunde, die er 1987 bzw. 1997 publiziert hat (»Equality as a Moral Ideal« und »Equality and Respect«). Während diese Aufsätze als fachliche Beiträge zu einer non-egalitaristischen Gerechtigkeitstheorie rezipiert wurden, hat Ungleichheit – vom Verlag als »Coup« angekündigt – in einer nicht-philosophischen Öffentlichkeit polemische Reaktionen hervorgerufen. Diese höchst unterschiedliche Rezeption von Frankfurts Überlegungen ist ein Indiz der Richtigkeit unserer eingangs geäußerten Thesen, dass Märkte heute, anders als noch vor kurzem, als problematische Institutionen wahrgenommen werden und dass die von ihnen erzeugten Einkommens- und Vermögensdifferenzen in den Augen vieler Menschen einen ihrer problematischen Aspekte bilden.

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Einleitung

Substanz von Gemeinwesen, und welche moralischen Potentiale hat sie? Lassen sich Märkte überhaupt im Allgemeinen ethisch beurteilen, oder sind einige Märkte (etwa solche für giftige Abfälle oder menschliche Organe) unter dieser Perspektive anders einzustufen als andere? Mit der Erörterung von Fragen wie diesen schließt das philosophische Denken thematisch an die europäische Philosophie des 18. und des 19. Jahrhunderts an. Angesichts von politischen Revolutionen und wirtschaftlichen Umbrüchen, in deren Zuge sich marktwirtschaftliche Systeme sowie profitorientierte Unternehmensformen und Verhaltensweisen zu etablieren begannen, war es für die Philosophie sehr wichtig, Klarheit darüber zu gewinnen, wie Märkte funktionieren, welche sozialen Auswirkungen sie haben und wie sie ethisch zu bewerten sind. Welche Dringlichkeit diese Fragen besaßen, ist allein daran zu ersehen, dass sie von so unterschiedlichen Denkern wie den schottischen Aufklärern, den deutschsprachigen Kameralisten, den französischen Frühsozialisten, den Deutschen Idealisten9, den Vertretern des Liberalismus und den Linkshegelianern bis hin zu Karl Marx eingehend behandelt worden sind. Die Forschung, die auf diesem Wege geleistet wurde, hat nicht nur das philosophische Denken stark beeinflusst, sondern darüber hinaus zur Etablierung von Disziplinen wie den Wirtschaftswissenschaften oder der Soziologie wesentliche Beiträge geleistet. Nicht wenige Philosophinnen und Philosophen, die sich heute mit Fragen des Marktes beschäftigen, sind der Auffassung, dass das philosophische Denken früherer Zeiten ihre Überlegungen systematisch bereichern kann. So verfolgen Robert und Edward Skidelsky in ihrer vielbeachteten Studie Wieviel ist genug?10 das Anliegen, im Rahmen einer neoaristotelischen Theorie des guten Lebens darzulegen, warum das Streben nach monetärem Gewinn vernünftigerweise kein letztes Ziel menschlichen Handelns sein kann, und sie kritisieren kapitalistische Märkte im Ausgang von diesem Gedanken. Debra Satz befasst sich in ihrer Abhandlung Von Waren und Werten ausführlich mit den Theorien Adam Smith’, David Ricardos und Karl Marx’;11 diese Autoren ha9

Das gilt zumindest für Johann Gottlieb Fichte und Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Vgl. Fichte, Johann Gottlieb: Der geschloßne Handelsstaat. In: Werke, Bd. 3. Hg. v. Immanuel Hermann Fichte. Berlin 1971, Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Philosophie des Geistes. In: Gesammelte Werke (GW), Bd. 8. Hg. v. Rolf-Peter Horstmann unter Mitarbeit v. Johann Heinrich Trede. Hamburg, Düsseldorf 1976, S. 185–287 sowie ders.: Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Grundlinien der Philosophie des Rechts. In: GW, Bd. 14.1. Hg. v. Klaus Grotsch u. Elisabeth Weisser-Lohmann. Hamburg 2012. 10 Skidelsky, Robert/Skidelsky, Edward: Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. München 2013. 11 Satz, Debra: Von Waren und Werten. Die Macht der Märkte und warum manche Dinge nicht zum Verkauf stehen sollten. Hamburg 2013, insbesondere S. 55–86.

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ben ihres Erachtens Erkenntnisse erzielt (etwa bezüglich struktureller Differenzen von Gütermärkten und Arbeitsmärkten oder Herrschaftsbeziehungen, die durch Märkte befestigt werden), welche von der zeitgenössischen Ökonomik kaum beachtet werden, für Philosophinnen und Philosophen, die über Märkte nachdenken, aber äußerst bedeutsam sind. Axel Honneth versucht eine seiner sozialphilosophischen Kernthesen – dass Märkte deshalb eine sittliche Grundlage haben, weil Marktteilnehmer einander nicht nur als Rechtssubjekte behandeln können, die ihre eigenen Interessen verfolgen, sondern sich auch als Partner einer solidarischen Kooperationsgemeinschaft verstehen müssen – im Rückgriff auf die Hegelsche Philosophie des Geistes auszuarbeiten und zu rechtfertigen.12 Und eine größer werdende Gruppe von Philosophen (wie auch von Soziologen und Wirtschaftswissenschaftlern) geht der Frage nach, ob das Marxsche Denken nicht doch Aufschlüsse über die Funktionsweise kapitalistischer Märkte gibt und Ressourcen für die Konzipierung und Rechtfertigung (markt-)sozialistischer Ordnungen zur Verfügung stellt.13 Wie diese Entwicklungen zeigen, bilden philosophiegeschichtlich inspirierte Fragen, Thesen und Theorien über Märkte heute den Gegenstand vielfältiger und lebhafter Diskussionen, deren Ergebnisse noch gar nicht absehbar sind.14 Die vorliegende Textsammlung steht in diesem Diskussionszusammenhang. Sie verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: Erstens möchte sie einen Beitrag zur Klärung, Erörterung und Beantwortung der begrifflichen, sozialtheoretischen, moralpsychologischen und ethischen Fragen leisten, mit denen die Philosophie des Marktes gegenwärtig konfrontiert ist. Zweitens möchte sie herausarbeiten, welche marktbezogenen Theorien von klassischen und zeitgenössischen Vertretern der Philosophie des Marktes (etwa Adam Smith, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Marx, John Stuart Mill oder Axel Honneth) entwickelt worden sind. Drittens schließlich möchte sie prüfen, ob, wodurch und 12

Vgl. Honneth, Axel: Markt und Moral. Alternativen der Kapitalismusanalyse. In: Unerfüllte Moderne? Neue Perspektiven auf das Werk von Charles Taylor. Hg. v. Michael Kühnlein und Matthias Lutz-Bachmann. Berlin 2011, S. 78–103. 13 Um nur einige wenige Schriften zu nennen: vgl. Jaeggi, Rahel/Loick, Daniel (Hg.): Nach Marx. Berlin 2013; Jaeggi, Rahel/Loick, Daniel (Hg.): Karl Marx – Perspektiven der Gesellschaftskritik. Berlin 2013; Kuch, Hannes: Real Utopias, Reciprocity and Concern for Others. In: Philosophy & Social Criticism, 6. Januar 2016, S. 1–23 (Online First); Petersen, Thomas/Faber, Malte: Karl Marx und die Philosophie der Wirtschaft. Freiburg 2013; Quante, Michael: Recognition in Capital. In: Ethical Theory and Moral Practice 16 (4), 2013, S. 713–727 und Rapic, Smail (Hg.): Habermas und der Historische Materialismus. Freiburg 2014. 14 Auch das systematische Interesse, das die Sozialphilosophie seit einigen Jahren dem Denken des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlers Karl Polanyi entgegenbringt, steht in diesem Zusammenhang. Vgl. hierzu z. B. Brie, Michael: Polanyi neu entdecken. Hamburg 2015.

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Einleitung

aus welchen Gründen diese Theorien den heutigen philosophischen Diskurs über Märkte bereichern können. Wie aus diesen Zielsetzungen zum Teil hervorgeht, liegen der Textsammlung folgende Annahmen zugrunde: Die Beschäftigung mit grundlegenden sozialtheoretischen Fragen – wie denen, ob Märkte normfreie Systeme oder Marktteilnehmer homines oeconomici sind – fällt in den Aufgabenbereich einer empirisch informierten Philosophie.15 Und: Die Philosophie der Moderne kann dem zeitgenössischen Denken über Märkte in systematischer Hinsicht wichtige Impulse geben. Ob – und inwieweit – diese Annahmen gerechtfertigt sind, kann selbstverständlich nur durch die entsprechende philosophische Forschung selbst erwiesen werden.16 Das vorliegende Buch versammelt dreizehn Ausätze, die unterschiedliche Aspekte der Philosophie des Marktes thematisieren. Diese Texte stammen fast alle aus der Feder von Philosophinnen oder Philosophen; vier von ihnen wurden von Autoren verfasst, die (auch) Ökonomen sind. Wenngleich es zunächst klassische Vertreter der Philosophie des Marktes und zeitgenössische Autoren erst im Anschluss daran behandelt, gliedert sich das Buch nicht in einen philosophiegeschichtlichen und einen systematischen Teil. Wie bereits angedeutet, liegt ihm im Gegenteil die Erwartung zugrunde, dass bei seinem Thema philosophiegeschichtliche Untersuchungen auch systematisch bereichernd und systematische Erörterungen auch philosophiegeschichtlich erhellend sind. Die Reihung der in diesem Buch versammelten Texte orientiert sich vielmehr an den Bezügen und Verweisen, die auf Seiten der modernen und zeitgenössischen Philosophie des Marktes selbst bestehen; deshalb folgen Beiträge zu Hegel auf solche zu Smith und Untersuchungen zu Marx auf solche zu Hegel. Heinz D. Kurz (Graz) eröffnet den vorliegenden Band mit einer Erörterung der Grundlagen der Theorie des Marktes, die Adam Smith in seiner bahnbrechenden Untersuchung Der Wohlstand der Nationen entwickelt. In seinem Beitrag (»Zur Politischen Ökonomie des homo mercans. Adam Smith über Märkte«) zeigt Kurz zunächst, warum der schottische Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler Märkte aus anthropologischen Gründen befürwortet. Wie Kurz dann deutlich macht, ist Smith der Auffassung, dass Märkte bei freiem Wettbewerb 15

Damit wird selbstverständlich keine exklusive Zuständigkeit seitens der Philosophie behauptet. 16 Wie ich hier nur feststellen kann, sind sich Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler darüber uneinig, wie grundlegende Fragen wie die im Haupttext genannten (ob Märkte normfreie Systeme oder Marktteilnehmer homines oeconomici sind) zu behandeln und zu beantworten sind. (Vgl. hierzu auch Caspari, Volker/Schefold, Bertram (Hg.): Wohin steuert die ökonomische Wissenschaft? Ein Methodenstreit in der Volkswirtschaftslehre. Frankfurt am Main, New York 2011.) Dies spricht prima facie dafür, dass die Soziologie und die Wirtschaftswissenschaften sich im vorliegenden Zusammenhang gegenüber der Philosophie in keiner privilegierten Erkenntnisposition befinden.

Einleitung

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den Wohlstand der Menschen mehren – und zwar deshalb, weil sie deren Verhalten so koordinieren, dass es Folgen hat, die von den Akteuren nicht intendiert werden und für die Allgemeinheit von Vorteil sind. Dabei hat Smith, folgt man Kurz’ Überlegungen, ein deutliches Bewusstsein der Gefahren, die Märkte erzeugen und denen sie ausgesetzt sind: So hält er Finanzmärkte für »inhärent instabil« und plädiert für eine weitreichende Regulierung des Bankensektors. Darüber hinaus sieht er in dem »Monopolgeist« von Unternehmern eine nicht zu unterschätzende Gefährdung der Aufrechterhaltung stabiler und dem Allgemeinwohl förderlicher Märkte. Es sind Smith’ Überlegungen zu diesen Themen, die sich nach Einschätzung von Heinz D. Kurz wie ein »Kommentar« zur gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise lesen; sie nicht beachtet zu haben hält der Grazer Ökonom für ein schweres Versäumnis der zeitgenössischen Ökonomik und Ökonomie. Auch Martin Hartmann (Luzern) befasst sich im Lichte aktueller Fragen und Probleme mit dem Denken Adam Smith’. In seinem Beitrag (»Invisible Hand and Impartial Spectator: The Adam Smith Problem Reconsidered«) geht er von der Beobachtung aus, dass Märkte von der heutigen Soziologie und Sozialphilosophie höchst unterschiedlich konzeptualisiert werden: zum einen als normfreie soziale Systeme, die von externen gesellschaftlichen Normen zehren, zum anderen als normativ verfasste soziale Sphären, deren Ausbildung und Fortbestand von solchen externen Normen unabhängig sind. Unter Bezugnahme auf die gegenwärtige Kontroverse zu diesem Thema entwickelt Hartmann eine Lesart von Smith’ Schriften, nach der Menschen nur unter Aktualisierung komplexer moralischer Fähigkeiten ihr jeweiliges Eigeninteresse auf Märkten verfolgen können, und er gelangt zu der Einschätzung, dass individuelle Autonomie, Gleichheit und die Würde des Einzelnen aus Smithscher Perspektive den Rahmen marktwirtschaftlicher Transaktionen bilden. Darüber hinaus plädiert Hartmann dafür, die Figur des »unparteiischen Beobachters«, die Smith in seiner moralphilosophischen Abhandlung Theorie der ethischen Gefühle entwickelt, auch im Kontext von dessen Theorie des Marktes zu berücksichtigen; auf diesem Wege lasse sich verständlich machen, warum das Gelingen von marktwirtschaftlichen Transaktionen in weitaus größerem Maße von sozial geteilten Normen und Werten abhänge, als dies beispielsweise von Befürwortern der Rational Choice Theory angenommen werde. Seine Überlegungen versteht Hartmann zugleich als Beitrag zur Lösung des sogenannten Adam-Smith-Problems, welches die Vereinbarkeit der moralphilosophischen und der wirtschaftswissenschaftlichen Position(en) betrifft, die Smith in seinen beiden Hauptwerken (der Theorie der ethischen Gefühle von 1759 und dem 1776 veröffentlichten Wohlstand der Nationen) vertritt. Douglas Moggach (Ottawa) wirft einen anderen Blick auf Märkte und ihre sozialen Auswirkungen. In einer thematisch weitreichenden Untersuchung

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Einleitung

(»Die Kultur der Zerrissenheit und ihre Überwindung. Friedrich Schiller, Bruno Bauer und der ästhetische Republikanismus«) analysiert Moggach die »Kultur der Zerrissenheit«, der Europa im späten 18. Jahrhundert im Urteil vieler Intellektueller ausgesetzt war. Folgt man Moggach, dann hat diese Kultur folgende Merkmale: Infolge einer Ausweitung marktwirtschaftlicher Beziehungen und einer Zunahme beruflicher Spezialisierungen nehmen die Menschen die politische und soziale Welt nur noch bruchstückhaft wahr, und sie bilden Interessen aus, die miteinander in Konflikt geraten können; darüber hinaus gibt es keine institutionelle Stabilität, da der Fortbestand von wirtschaftlichen und politischen Einrichtungen letztlich von »den Launen des Marktes« abhängt. In diesem sozialen und geistigen Kontext habe sich, so Moggach, unter dem Einfluss von Kants praktischer Philosophie ein spezifisch deutscher (»ästhetischer«) Republikanismus ausgebildet, der in Friedrich Schiller und Bruno Bauer zwei seiner wichtigsten Vertreter hat. Für beide Denker war in politischer Hinsicht die folgende Frage zentral: Wie kann eine freiheitliche staatliche (»republikanische«) Ordnung von Menschen hergestellt werden, die unterschiedliche und zum Teil konfligierende Interessen haben? Nach Moggachs Einschätzung war für Schiller im vorliegenden Zusammenhang eine »ästhetische Erziehung« entscheidend, die die Menschen dazu befähigt, aus eigener Bestimmung über ihre besonderen Interessen hinauszugehen und um des Gemeinwohls willen miteinander zu kooperieren. Als Bauer ein halbes Jahrhundert später seine republikanischen Überlegungen ausarbeitete, hatten sich die gesellschaftlichen Konflikte deutlich verschärft: Angesichts der sozialen Frage ging Bauer davon aus, dass die Interessen der Mitglieder moderner Gesellschaften aus strukturellen Gründen einen antagonistischen Charakter haben, und dementsprechend glaubte er, so Moggach, dass sich republikanische Freiheit nur durch eine Emanzipation der Menschen von ihren »Besonderheiten« verwirklichen lasse. Wie er abschließend darlegt, ist der deutsche Republikanismus für Moggach als Alternative zu einem Liberalismus, der sich in den Dienst der privaten Interessen der Menschen stellt, von bleibendem Wert. Was dachte Hegel (dessen wirtschaftsbezogene Überlegungen auch von Ökonomen aufgegriffen und debattiert werden)17 über Märkte? Und welches Interesse haben seine Überlegungen aus heutiger Sicht? Diese Fragen werden von Hans-Christoph Schmidt am Busch (Braunschweig), Andrew Buchwalter (Jacksonville) und Michael Quante (Münster) behandelt. In seinem Beitrag (»Die sittliche Ambivalenz von Märkten – ein Grundproblem moderner Gesellschaften?«) analysiert Schmidt am Busch zunächst die »sittliche Gesin17

Vgl. z. B. Herrmann-Pillath, Carsten/Boldyrev, Ivan: Hegel, Institutions and Economics: Performing the social. Abingdon, New York 2014 oder Klikauer, Thomas: Hegel’s Moral Corporation. Basingstoke 2015.

Einleitung

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nung«, welche die Mitglieder moderner (»bürgerlicher«) Gesellschaften nach Hegels Auffassung haben, und legt dar, in welchem Sinne und aus welchen Gründen Märkte unter Hegelscher Perspektive sittlich ambivalent sind. Dabei wird deutlich, dass Hegel ein modernes Verständnis von Märkten hat, das durch die Theorien Adam Smith’ und anderer Nationalökonomen geprägt ist. Wie Schmidt am Busch dann zeigt, vertritt der Autor der Grundlinien der Philosophie des Rechts darüber hinaus die folgenden beiden Thesen: Die sittliche Gesinnung der Mitglieder moderner Gesellschaften enthält ein Element, das nur durch privatrechtliche und marktwirtschaftliche Institutionen angemessen gesichert werden kann, und die Politik ist außerstande, die sittlich problematischen Auswirkungen von Märkten zu unterbinden oder auszugleichen. Hieraus folgt, dass die moderne Welt (zumindest im Bereich des »Objektiven Geistes«) aus Hegelscher Sicht sittlich unvollkommen und krisenanfällig sein muss. Hat Hegel mit diesen Überlegungen ein Grundproblem moderner Gesellschaften identifiziert? Im letzten Teil seiner Untersuchung stellt Schmidt am Busch vorbereitende Überlegungen darüber an, wie diese Frage zu beantworten wäre, und er zeigt auf, welche Perspektiven die Hegelsche Gesellschaftsdiagnose der heutigen Sozialphilosophie eröffnet. Ein anderes Bild der Hegelschen Theorie des Marktes und der bürgerlichen Gesellschaft zeichnet Andrew Buchwalter in seinem Aufsatz »›Die Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft‹. Entzweiung, Bildung und Hegels Aufhebung der Aporien der sozialen Moderne«. Buchwalter würdigt Hegels Analyse der »Entzweiungen«, die in Gesellschaften auftreten, welche im Wesentlichen durch freie Märkte strukturiert werden; in den Überlegungen zur Armut und zum »Pöbel«, zum Diktat der Mode und zur Regulierung der Arbeit, die sich in der Hegelschen Rechtsphilosophie finden, sieht er eine Vorwegnahme von zentralen Punkten der Sozialkritiken, die Karl Marx, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Hannah Arendt, Michel Foucault oder Jürgen Habermas später entwickeln sollten. Anders als diese Autoren, so Buchwalter, habe Hegel jedoch gezeigt, aus welchen Gründen und auf welche Weise sich auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen sittliche Verhältnisse ausbilden können. Hegels Originalität sieht Buchwalter im vorliegenden Zusammenhang in dem Gedanken, dass Versittlichungsprozesse nicht trotz, sondern dank der »Entzweiungen« stattfinden, die sich in bürgerlichen Gesellschaften ereignen – und zwar deshalb, weil die Menschen durch dieselben dazu gebracht werden, über sich und ihre sozialen Beziehungen zu reflektieren. Was Hegel unter »Sittlichkeit« versteht und warum er der Auffassung sei, dass sittliche, die »Aporien« der modernen Gesellschaft aufhebende Verhältnisse durch korporativ verfasste Betriebe institutionell gesichert werden können, legt Buchwalter unter Bezugnahme auf Hegels Begriff der Bildung dar. Wie er abschließend ausführt, ist er der Ansicht, dass Hegels Theorie der Sittlichkeit einen »entschie-

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Einleitung

den modernen Charakter« habe und in vielen Punkten zutreffend und relevant sei. Im Zentrum von Michael Quantes Beitrag (»Handlung, System der Bedürfnisse und Marktkritik bei Hegel und Marx«) steht die Untersuchung der Frage, warum Hegel und Marx Märkte so unterschiedlich bewerten. Wie Quante deutlich macht, konzeptualisieren Hegel und Marx Handlungen nicht nur ähnlich, sondern stimmen auch in der Auffassung überein, dass Handlungen Folgen haben können, die eine »Zweckmäßigkeitsstruktur« aufweisen, obwohl sie von keinem Akteur intendiert (oder auch nur vorhergesehen) worden sind. Darüber hinaus, so der Münsteraner Philosoph, verstehen sowohl Hegel als auch Marx Märkte als Institutionen, die derartige Folgen wesentlich zeitigen. Allerdings wird dieser Umstand seines Erachtens von den beiden Theoretikern höchst unterschiedlich bewertet: Während Hegel mit seiner metaphysischen Konzeption der »Idee« den Nachweis anstrebe, dass das marktwirtschaftliche Geschehen als ganzes vernünftig sei, vertrete Marx die Auffassung, dass die strukturelle Zweckmäßigkeit, die das von ihm als automatisches Subjekt konzipierte »Kapital« erzeuge, die individuellen Akteure von ihrem menschlichen Wesen entfremde. Quante beschließt seinen Beitrag mit Überlegungen zu den auch sachlich wichtigen Fragen, ob Märkte aus Hegelscher Sicht einen notwendigen Bestandteil vernünftiger moderner Gemeinwesen bilden und ob es Arten von Märkten geben kann, welche aus Marxscher Perspektive akzeptabel sein würden. Der Aufsatz von Emmanuel Renault (Paris) schließt thematisch an Quantes Überlegungen an. In »Marx’s Critique of the Market« verfolgt Renault mehrere Ziele: Er möchte zeigen, dass ein Kommunismus Marxscher Prägung mit der Befürwortung nicht-kapitalistischer Märkte kompatibel ist, und auf der Grundlage dieses Nachweises darlegen, warum die Marxsche Theorie der heutigen Sozialphilosophie vielfältige und ernstzunehmende Möglichkeiten der Kapitalismuskritik eröffnet. Renault macht zunächst deutlich, dass sich eine kapitalistische von einer nicht-kapitalistischen Marktwirtschaft nicht nur durch die Existenz von Arbeitsmärkten unterscheidet; vielmehr haben unter kapitalistischen Produktionsbedingungen alle Märkte eine andere Funktion als unter nicht-kapitalistischen, da der Kauf und Verkauf von Gütern und Leistungen hier primär der Erzielung von Gewinnen diene. Dies erkannt zu haben sei eines der großen Verdienste von Karl Marx. Folgt man Renaults weiteren Überlegungen, dann ist Marx der Überzeugung, dass Menschen, die auf Märkten agieren, einander als freie und gleiche Personen anerkennen und auf ihre individuellen Bedürfnisse wechselseitig Bezug nehmen. Diese »Prinzipien« (Freiheit, Gleichheit, wechselseitiges Sich-nützlich-Sein) weise Marx keineswegs, wie viele seiner Interpreten glauben, einfach zurück; was er kritisiere, sei vielmehr die Auffassung, dass sie durch kapitalistische Arbeitsmärkte

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institutionell gesichert werden können. Diese Auffassung sei nicht nur falsch, sondern trage auch zur Verschleierung einer strukturellen Ungleichheit und Herrschaftsbeziehung (zwischen den Eigentümern der gesellschaftlichen Produktionsmittel und den Arbeitern) bei. Im Lichte dieser Überlegungen hält es Renault für möglich, kapitalistische Märkte mit Marx unter Bezugnahme auf normative Prinzipien wie die der Freiheit oder Gleichheit zu kritisieren. Der Karlsruher Philosoph und Ökonom Michael Schefczyk beschäftigt sich mit einem der einflussreichsten englischsprachigen Denker des 19. Jahrhunderts, John Stuart Mill. In seiner Untersuchung (»The Tale of Two Doctrines. Mill on economic and political liberalism«) legt Schefczyk zunächst dar, warum Mills politischer Liberalismus theoretisch nicht von seinem wirtschaftlichen Liberalismus getrennt werden könne, sondern diesen im Gegenteil einschließe. Für den Utilitaristen Mill, so Schefczyk, sei Freiheit ein sehr hohes Gut, das durch ein System von Rechten gesichert werden müsse, die den Einzelnen als Staatsbürger und als Wirtschaftssubjekt vor äußerem Zwang schützen und ihn berechtigen, nach eigenen Vorstellungen zu handeln. Da marktwirtschaftliche Ordnungen durch solche Rechte strukturiert werden, seien sie nach Mills Auffassung aus freiheitstheoretischen Gründen zu befürworten. Schefczyk zeigt dann, dass das Laisser-faire- bzw. Non-interference-Prinzip in Mills Verständnis erhebliche staatliche Befugnisse rechtfertigt und sich keineswegs, wie viele seiner Befürworter glauben, allein auf den Schutz des Einzelnen als Person und Eigentümer bezieht. Folgt man Schefczyk, dann lassen sich mithilfe dieses Prinzips diejenigen Bedingungen spezifizieren, die ein staatlicher Eingriff in die Wirtschaft erfüllen muss, um nach Mills Auffassung gerechtfertigt zu sein. Im letzten Teil seines Aufsatzes verteidigt Schefczyk Mills Theorie der Verteilungsgerechtigkeit gegenüber Vorwürfen, die Friedrich August von Hayek erhoben hat, und zeigt, warum Mill trotz seiner freiheitstheoretischen Kritik an planwirtschaftlichen Institutionen Überlegungen entwickelt hat, die als marktsozialistisch anzusehen sind. Grundlegende sozial- und ökonomietheoretische Fragen stehen im Zentrum der Überlegungen von Birger P. Priddat (Witten/Herdecke) und Simon Derpmann (Münster). Glaubt man dem Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler Priddat, dann zeichnet die Standardökonomik ein einseitiges und problematisches Bild von Marktteilnehmern, marktwirtschaftlichen Transaktionen und Märkten. Diese Einschätzung versucht Priddat in seinem Buchbeitrag (»Die Transaktion als Juxtaposition und als Kooperation. Differente Interpretation des Marktes«) darzulegen und zu rechtfertigen. Für den ökonomischen Mainstream, so Priddat, sind Marktteilnehmer rationale Nutzenmaximierer, die als einzelne entscheiden, welche Käufe und Verkäufe sie tätigen möchten; unter dieser Perspektive sei eine marktwirtschaftliche Transaktion nicht mehr als der Ort, an dem sich individuelle Kalküle realisieren,

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die unabhängig voneinander gebildet worden seien. Dem hält Priddat entgegen, dass Marktteilnehmer mit einem Vertragsabschluss rechtlich kodifizierte »Transaktionsstandards« und die mit ihnen einhergehenden Befugnisse und Verpflichtungen anerkennen; aufgrund dieses Umstands sei die Transaktion eine »zivilisatorische Institution«, die es Konkurrenten ermögliche, zu ihrem Vorteil zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus stehe es Marktteilnehmern frei, unabhängig von eventuellen Nutzenerwägungen rechtlich bindende Vereinbarungen zu treffen; die Transaktion könne deshalb kooperative Beziehungen zwischen Personen mit höchst unterschiedlichen Überzeugungen, Motiven und Zielsetzungen stiften. Schließlich lasse sich empirisch zeigen, dass Märkte auch dann funktionsfähig sind, wenn Marktteilnehmer auf eine Weise agieren, die aus Sicht der Standardökonomik ineffizient ist. Auf der Grundlage dieser Überlegungen gibt Priddat zu bedenken, dass die Ausweitung von Märkten nicht notwendigerweise, wie vielfach angenommen, eine Vereinheitlichung von Lebensweisen und -welten zur Folge habe. Was ist Geld? Wie kann Geld als Ware behandelt werden? Ist der warenförmige Umgang mit Geld sozialphilosophisch zu kritisieren? Diese Fragen erörtert Simon Derpmann in seinem Aufsatz »Geld als Ware«. Der Philosoph und Volkswirt Derpmann legt zunächst dar, dass Geld für viele Theoretiker eine Ware ist, die aufgrund ihrer Beschaffenheit als Tauschmittel, Wertmaß und Wertaufbewahrungsgegenstand marktwirtschaftlich relevante Funktionen erfüllen kann. Dem stehe die (von Joseph Schumpeter favorisierte und von Georg Simmel vertretene) »Kredittheorie des Geldes« entgegen, nach der Geld keine Ware, sondern ein Anspruch auf eine Zahlung oder einen Teil der gesamtgesellschaftlich erzeugten Güter ist. Als Ware, so führt Derpmann dann aus, wird Geld behandelt, wenn es von den Marktteilnehmern als Tauschmittel anerkannt wird. Hiervon sei eine andere Art der Behandlung von Geld als Ware zu unterscheiden, die im Handel mit der Verfügung über gegenwärtige Kaufkraft bestehe und auf Finanzmärkten zum Tragen komme. Diese Art des Umgangs mit Geld ist aus Derpmanns Sicht gesellschaftlich problematisch und sozialphilosophisch zu kritisieren. Zwar richte sich Karl Polanyis vieldiskutierte Theorie des Geldes als einer fiktiven Ware, genau genommen, gegen die institutionelle Bindung von Geld an eine natürlicherweise knappe Ressource (wie etwa Gold); gleichwohl lasse sich im Ausgang von Polanyis Theorie eine sozialphilosophisch gehaltvolle Kritik an der auf Finanzmärkten anzutreffenden Behandlung von Geld als Ware entwickeln. Hierzu stellt Derpmann im letzten Teil seines Beitrags vorbereitende Überlegungen an. Welche moralischen Verpflichtungen haben Marktteilnehmer gegenüber einander, und welche praktische Relevanz haben derartige Verpflichtungen in einer globalen Ökonomie? Diese ethischen Fragen untersucht Lisa Herzog (München) in ihrem Beitrag zu dem vorliegenden Band (»Who should pre-

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vent sweatshops? Duties, excuses, and the moral division of labour in the global economy«). Nach Herzogs Einschätzung hat ein Marktteilnehmer A eine moralische Prima-facie-Verpflichtung, zur Verbesserung der Situation eines anderen Marktteilnehmers B beizutragen, wenn B sich in einer für ihn selbst schädlichen Situation befindet, A an dem Bestehen dieser Situation in einem kausalen Sinne beteiligt ist und darüber hinaus die Möglichkeit hat, zur Verbesserung von B’s Situation einen (sei es auch noch so geringen Beitrag) zu leisten. Im Fall von westlichen Unternehmen und Konsumenten, die von Kinderarbeit in anderen Teilen der Welt profitieren, sind diese Bedingungen für Herzog erfüllt. Dieser Befund wirft die Frage auf, ob es Gründe geben kann, die schwerer wiegen als die genannte Verpflichtung und eine Nichterfüllung derselben rechtfertigen. In diesem Zusammenhang analysiert und erörtert Herzog drei mögliche »Kandidaten«: die verschwindend geringen Auswirkungen des eigenen Handelns auf globalen Märkten, die Unwissenheit von Marktteilnehmern bezüglich der Auswirkungen ihres Handelns und das Fehlen von Handlungsspielräumen aufgrund von budgetären Zwängen. Wie sie im Einzelnen darlegt, glaubt Herzog, dass diese Gründe vielfach – etwa im Fall großer Unternehmen – gar nicht gegeben sind. Dass sie dennoch immer wieder geltend gemacht werden, führt die Münchener Philosophin auf den Einfluss basaler ökonomietheoretischer Vorstellungen (etwa bezüglich der Preisbildung unter marktwirtschaftlichen Bedingungen) zurück, die ihres Erachtens auf reale Märkte aber nur sehr eingeschränkt zutreffen. Ihre Überlegungen versteht Herzog nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zu ethischen Untersuchungen, welche die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen von globalen Märkten betreffen. In seinem Aufsatz »Prostitution and Corruption« erörtert Edward Skidelsky (Exeter) am Beispiel der Prostitution die Frage, ob Handlungen und Praktiken durch ihre Vermarktlichung so korrumpiert werden können, dass sie ihre Natur bzw. ihr Wesen verfehlen. Wie er selbst deutlich macht, schließt er mit seiner Untersuchung an eine Kontroverse zwischen dem kommunitaristischen Philosophen Michael Sandel und seinen liberalen Kritikern an. In seinem Bestseller Was man für Geld nicht kaufen kann18 vertritt Sandel die These, dass soziale Praktiken durch ihre Vermarktlichung beschädigt bzw. korrumpiert werden können. Dem halten Vertreter des Liberalismus entgegen: Es wäre paternalistisch, Menschen zu verbieten, sich aus freien Stücken an korrumpierten 18

Sandel, Michael J.: Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen von Märkten. Berlin 2012. Vgl. hierzu auch Derpmann, Simon: Michael Sandel: What Money Can’t Buy. The Moral Limits of Markets. In: Ethical Theory and Moral Practice 16 (1), 2013, S. 219–220. Vgl. zu Sandels Marktkritik nun auch Pies, Ingo (Hg.): Die moralischen Grenzen des Marktes. Diskussionsmaterial zu einem Aufsatz von Michael J. Sandel. Freiburg, München 2016.

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Praktiken zu beteiligen, und es ist zudem fraglich, ob Praktiken überhaupt so etwas wie einen inhärenten Zweck haben, relativ zu welchem Korruptionen festgestellt werden können. In kritischer Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt versucht Skidelsky zu zeigen, dass die gesellschaftliche Praxis der Prostitution eine Korruption des sexuellen Aktes beinhaltet. Ein solcher Akt drückt für ihn normalerweise ein sexuelles Begehren aus, das sich nicht nur auf den Körper, sondern zugleich auf das Begehren des Partners beziehe. Unter Zugrundelegung dieser – seines Erachtens unkontroversen – begrifflichen Bestimmung kritisiert er die Prostitution als eine beschädigte Praxis, und er macht die Käuflichkeit des sexuellen Aktes als Ursache dieser Beschädigung aus. Anders als einige liberale Philosophen behaupten, so lautet Skidelskys Fazit, steht es uns also nicht frei, die Bedeutung sozialer Praktiken nach unseren Vorstellungen einfach festzulegen. Welches Verständnis von Märkten hat die Sozialphilosophie in der Tradition der Frankfurter Schule? Und wie beurteilt sie die gegenwärtigen marktwirtschaftlichen Entwicklungen? Christopher F. Zurn (Boston) beginnt seinen Beitrag zu dem vorliegenden Band (»The Ends of History: Alternative Teleologies and the Ambiguities of Normative Reconstruction«) mit der Untersuchung dieser Fragen. Anhand differenzierter methodologischer Überlegungen arbeitet er heraus, dass der neben Jürgen Habermas bedeutendste zeitgenössische Vertreter der Frankfurter Schule, Axel Honneth, eine Art von Sozialphilosophie befürwortet, nach der institutionalisierte gesellschaftliche Praktiken im Rückgriff auf diejenigen Werte zu beschreiben sind, die ihnen zugrunde liegen, und in dem Maße als gesellschaftliche Fehlentwicklungen kritisiert werden sollten, in dem sie diesen Werten nicht gerecht werden. Kapitalistische Märkte, so Zurn, gründen nach Honneths Auffassung auf dem »Versprechen« sozialer Freiheit, die sich durch eine arbeitsteilige Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der Marktteilnehmer und ihre Wertschätzung als füreinander nützliche Bürgerinnen und Bürger realisiert. Da sie dieses Versprechen nicht erfüllen, hält es Zurn für keine Überraschung, dass zeitgenössische (»neoliberale«) Märkte in Honneths Urteil kritikwürdige Institutionen sind. Der Bostoner Philosoph verteidigt Honneths »moralischen Ökonomismus«, dem zufolge Märkte im Rückgriff auf die ihnen zugrunde liegenden Werte zu beschreiben sind, gegen alternative systemtheoretische Konzeptionen. Andererseits glaubt er, dass Honneth nicht überzeugend darlegen könne, warum im vorliegenden Zusammenhang gerade soziale Freiheit relevant sei – und nicht etwa individuelle Freiheit, die sich im rechtlichen Schutz des Einzelnen als Person und Eigentümer erschöpft. Zurn plädiert deshalb für eine Erweiterung der Honnethschen Sozialphilosophie um eine Theorie gesellschaftlicher Lernprozesse, mit der sich seines Erachtens moralische Fortschritte und Rückschritte von Gesellschaften hinreichend fundiert feststellen lassen. Die Überlegungen, die Zurn

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zu diesem Thema entwickelt, bilden zugleich den Abschluss der in dem vorliegenden Sammelband geführten Untersuchung zur Philosophie des Marktes. * Das Buch ist aus der Tagung »Die Philosophie des Marktes« hervorgegangen, die das Seminar für Philosophie der Technischen Universität Braunschweig im Februar 2014 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Philosophie ausgerichtet hat. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung haben mich das Präsidium, die Fakultät 6 und das Seminar für Philosophie der TU Braunschweig sehr unterstützt. Mein besonderer Dank gilt meiner Kollegin am Braunschweiger Seminar für Philosophie, Prof. Dr. Nicole C. Karafyllis, meiner Mitarbeiterin Claudia Wirsing sowie Christiane Dill-Müller, Carolin Wegner und Nils Reichert; sie alle haben mit ihrem großen Einsatz das Zustandekommen der Tagung erst möglich gemacht. Der Deutschen Gesellschaft für Philosophie und ihrem damaligen Präsidenten, Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Quante, danke ich für eine exzellente Zusammenarbeit, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre großzügige Förderung der Braunschweiger Veranstaltung. Bei der Veröffentlichung der hier versammelten Beiträge haben mich Prof. Dr. Max Cherem, Kim Lisa Dallügge, Johanna Macher, Nicole Schlieper, Carolin Wegner und Claudia Wirsing kompetent und zuverlässig unterstützt; ihnen allen bin ich zu großem Dank verpflichtet. Dr. Markus Hardtmann hat zwei Aufsätze aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt; hierfür möchte ich ihm sehr herzlich danken. Dem Felix Meiner Verlag und der Deutschen Gesellschaft für Philosophie danke ich für die Aufnahme des Buches in die Reihe »Deutsches Jahrbuch Philosophie«, Marcel Simon-Gadhof, der diese Veröffentlichung seitens des Meiner Verlags betreut hat, für eine exzellente Zusammenarbeit. Braunschweig, im Juni 2016

Hans-Christoph Schmidt am Busch

Heinz D. Kurz

Zur Politischen Ökonomie des homo mercans Adam Smith über Märkte

1. Zum Problem Der schottische Moralphilosoph und Ökonom Adam Smith vertrat die Auffassung, dass große Teile des Wirtschaftslebens eines Landes interdependenten Märkten anvertraut werden können, sofern freie Konkurrenz herrscht. Ein derartiges System, so seine Überzeugung, fördere »equality, liberty and justice«1 und sei daher eine gute Sache. Er war entgegen einer weitverbreiteten Meinung entschieden nicht der Auffassung, »that nothing but selfishness is necessary to yield socially beneficial outcomes.«2 Das eigensüchtige Verhalten von Menschen zielt vielfach darauf ab, die Konkurrenz einzuschränken, um sich Monopolrenten auf Kosten anderer zu sichern. Smith’ Angriff auf das von ihm verachtete »Merkantilsystem« der Privilegien, Bevorzugungen, Regalien und Konzentration wirtschaftlicher Macht in wenigen Händen gilt dem »wretched spirit of monopoly«3 – dem unseligen Monopolgeist. Dieser ist zum Vorteil Weniger und zum Nachteil Vieler und drosselt ökonomische Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum. Die auf sein Wirken zurückzuführenden Zustände sind statisch und dynamisch inferior. Er ist daher sowohl aus Gründen ökonomischer Effizienz als auch moralischer Billigkeit zu bekämpfen. Er schläft nie und stellt daher eine permanente Bedrohung dar. Wenn eine Hydra einen Kopf verliert, heißt es in der griechischen Mythologie, wachsen an dessen Stelle zwei neue nach, und der Kopf in der Mitte der Hydra ist unsterblich. Ähnlich verhält es sich mit dem Monopolgeist. Die Beispiele der Ostindischen Gesellschaften Britanniens und der Niederlande belegen schlagend, welch gewaltige Schäden unkontrollierte Selbstsucht anrichten kann. Selbstsucht allein, so Smith, setzt keine gute Gesellschaft ins Leben. Dem schottischen Menschenkenner Smith war andererseits klar, dass selbstsüchtiges Verhalten nicht aus der Welt zu schaffen ist. Die condition humaine ver1

Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Erstmals veröffentlicht 1776 in The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith, Zwei Bände. Hg. v. R. H. Campbell u. A. S. Skinner. Oxford 1976, IV.ix., S. 664. Im Folgenden zitiert mit: Smith: Wealth of Nations. Buchnummer, Kapitelnummer, Teilnummer, Seitenzahl. 2 Schotter, Andrew: Free Market Economics. A Critical Appraisal. New York 1985. 3 Smith: Wealth of Nations. IV.ii., S. 461.

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langt, dass der Mensch auf sich und seine Interessen achtet, um nicht zu verkommen. Was »self love«, Selbstachtung und -verteidigung, im Einzelnen erfordern, ist indes nicht einfach zu beantworten. Gier und Raffsucht basieren auf einem Missverständnis des Eigeninteresses und können in einer schlecht regierten Gesellschaft großen Schaden anrichten. Worauf es daher ankommt, ist, menschliches Verhalten durch Gesetze, Regularien, Normen, Anreize usw. so zu steuern, dass es das Interesse des Einzelnen fördert, ohne der Gesellschaft zu schaden und für sie gegebenenfalls sogar segensreich ist. Die Politische Ökonomie als bedeutender Teil einer »Wissenschaft des Gesetzgebers« – einer science of the legislator – hat bei der Befassung mit dieser schwierigen staatspolitischen Aufgabe ihre Nützlichkeit zu erweisen. »Good government«, davon ist Smith überzeugt, führt nicht zu Armut und Elend, sondern zu Reichtum und Wohlstand, indem es Fleiß, Geschäftssinn und Kreativität beflügelt. Angenommen, die fragliche Aufgabe wird befriedigend gelöst und selbstsüchtiges Verhalten mit potenziell gesellschaftsschädlichen Auswirkungen erfolgreich eingedämmt. Was in diesem Fall noch aussteht, ist der Beweis, dass die Koordination des eigeninteressierten Verhaltens der Vielen mittels eines Systems wechselseitig voneinander abhängiger Märkte gelingt. Denn was hätte man von einer guten Regierung, wenn der genannte privat-dezentrale Koordinationsmechanismus versagt und die Wirtschaft zusammenbricht? Generationen von Philosophen vor Smith hatten davor gewarnt, der Institution des Marktes die Koordination zu übertragen, Chaos und Anarchie wären die Folge. Smith teilt diese Auffassung nicht. Aber was hat er zugunsten der Marktlösung zu sagen? Warum glaubt er, dass Märkte gute Ergebnisse erbringen? Und vor allem: Warum glaubt er, dass sie stabil sind? Die Arbeit ist wie folgt gegliedert: Abschnitt 2 erörtert Smith’ Auffassung, dass dem Menschen die Neigung zu tauschen und zu handeln angeboren und er damit geradezu auf eine marktförmige Organisation hin konditioniert sei. Abschnitt 3 befasst sich mit Smith’ Unterscheidung zwischen »Marktpreisen« und »natürlichen Preisen« und seiner Überzeugung, dass nur über letztere verallgemeinerungsfähige Aussagen getroffen werden können. Abschnitt 4 gibt einen kritischen Überblick über Smith’ Vorstellung von der »Gravitation« der Marktpreise hin zu ihren natürlichen Niveaus. Diese bildet die Grundlage seiner Überzeugung von der Ordnung und Kohärenz erzeugenden zentripetalen Kraft der Konkurrenz. Abschnitt 5 wendet sich kurz der zentrifugalen Seite der Konkurrenz zu: der Einführung neuer Produkte und Produktionsverfahren sowie deren Absorption durch das ökonomische System. Abschnitt 6 behandelt das Problem der Informationsasymmetrien auf verschiedenen Märkten und zwischen verschiedenen Klassen von Akteuren und untersucht insbesondere das sich ergebende Problem des moralischen Risikos und der adversen Selektion; das Hauptaugenmerk gilt dem Banken- und Finanzierungssektor, weil

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dort Smith zufolge die größten Gefahren für die Gesellschaft insgesamt lauern. Abschnitt 7 enthält einige Bemerkungen zum niemals ruhenden »elenden Monopolgeist«, der darauf aus ist, den Wettbewerb einzuschränken, um sich auf diese Weise auf Kosten der Allgemeinheit Extraprofite zu sichern. Abschnitt 8 enthält ein kurzes Schlusswort.4

2. Der Mensch – ein homo mercans Smith gründet seine ökonomische Analyse auf eine philosophische Anthropologie. In der Theory of Moral Sentiments erörtert er in großer Ausführlichkeit Natur und Anlagen des Menschen, dessen charakteristische Eigenschaften, seine Beweggründe und Wünsche, seine physischen, mentalen und emotionalen Fähigkeiten usw. Im Wealth of Nations konzentriert er sich auf jenen Ausschnitt hieraus, der besonders für das Wirtschaftsleben von Bedeutung ist. Eine »gütige Vorsehung« habe den Menschen mit Eigenschaften und Motiven ausgestattet, die ihn auf Vergesellschaftung, Tausch und Handel, Kooperation, Wettbewerb, Entwicklung und Wachstum konditionieren. Smith zufolge bestehe »a certain propensity in human nature … to truck, barter, and exchange one thing for another.« Er fügt hinzu: »Whether this propensity be one of those original principles in human nature, of which no further account can be given; or whether, as seems more probable, it be the necessary consequence of the faculties of reason and speech, it belongs not to our present subject to enquire. It is common to all men, and to be found in no other race of animals, which seem to know neither this nor any other species of contracts.«5 Der Mensch sei jedoch nicht nur befähigt, zu kommunizieren, zu handeln und zu tauschen, er sei auch darauf angewiesen, diese Fähigkeiten zu nutzen: »[M]an has almost constant occasion for the help of his brethren, and it is in vain for him to expect it from their benevolence only. He will be more likely to prevail if he can interest their self-love in his favour, and shew them that it is for their own advantage to do for him what he requires of them. Whoever offers to another a bargain of any kind, proposes to do this. Give me that which I want, and you shall have this which you want, is the meaning

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Vgl. zum Folgenden auch Kurz, Heinz D./Sturn, Richard: Die größten Ökonomen: Adam Smith. Konstanz, München 2013 und Adam Smith für jedermann. Pionier der modernen Ökonomie. Frankfurt a. M. 2013. 5 Smith: Wealth of Nations. I.ii., S. 25.

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of every such offer; and it is in this manner that we obtain from one another the far greater part of those good offices which we stand in need of.« 6 Die heute double coincidence of wants genannte Situation beschreibt er in einer der am besten bekannten Passagen des Wealth wie folgt: »It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker, that we expect our dinner, but from their regard to their own interest. We address ourselves, not to their humanity but to their self-love, and never talk to them of our own necessities but of their advantages.«7 Und selbst die Arbeitsteilung – seiner Sicht zufolge die Hauptquelle wachsenden Wohlstands – hat ihre letzte Ursache in den genannten Fähigkeiten und Neigungen: »As it is by treaty, by barter, and by purchase, that we obtain from one another the greater part of those mutual good offices which we stand in need of, so it is this same trucking disposition which originally gives occasion to the division of labour.«8 Auf wenigen Seiten etabliert Smith zwei zentrale Axiome, auf denen seine gesamte sonstige Analyse beruht: (1) Der Markt ist die natürliche Form der Organisation wirtschaftlicher Angelegenheiten, weil auf ihm bedeutende natürliche Anlagen des Menschen – des homo mercans oder homo negotians – zur Geltung kommen können. (2) Das Wohlergehen des Menschen hängt von der gelungenen Ausübung seiner Disposition zum Handel und Tausch und damit dem Funktionieren des Marktes ab, denn sie führt zu einer immer tieferen Teilung der Arbeit, einem damit einhergehenden Anstieg der Arbeitsproduktivität und steigendem Pro-Kopf-Einkommen, Smith’ Maß für den Reichtum einer Nation. Der Markt funktioniert Smith zufolge am besten unter Bedingungen freien Wettbewerbs, das heißt der Abwesenheit jeglicher Beschränkungen des Markteintritts und Marktaustritts. Der Wettbewerb aktiviert zwei Arten von Kräften: zentripetale und zentrifugale. Erstere bewirken, dass die Marktpreise zu ihren natürlichen Niveaus gravitieren bzw. um diese oszillieren und damit eine Tendenz hin zu einer langfristigen Position des Systems hinsichtlich der Waren6 7 8

Ebd., I.ii., S. 26. Ebd., I.ii., S. 26 f. Ebd., I.ii., S. 27.

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preise und der Einkommensverteilung bewirken, die ihrerseits unterstelltermaßen unabhängig vom Gravitationsprozess sind. Letztere bewirken die Störung dieser Position und ihre Ersetzung durch eine neue infolge technischen und organisatorischen Wandels. Während der Konkurrenzkampf im erstgenannten Fall mittels eines Preiswettbewerbs bei gegebenem technischen Wissen ausgetragen wird, wird er im zweitgenannten Fall mittels der Schaffung und Anwendung neuen technischen Wissens – neuer Produktionsmethoden und Produkte und damit »improvements« bzw. Innovationen – ausgefochten. Im zweiten Fall kann der Wettbewerb mit einer Peitsche verglichen werden, die das ökonomische System zu immer höheren Niveaus von Produktivität und Gütervielfalt treibt.9 Hierbei handelt es sich um die ungleichgewichtige, evolutionäre und Entwicklung bewirkende Seite der Konkurrenz. In beiden Fällen liegt die Betonung auf der Rivalität zwischen den Akteuren und den Verhaltensweisen, die diese induziert.10 Wir wenden uns zunächst den zentripetalen Kräften der Konkurrenz zu. Sie geben der Wirtschaft Ordnung und Kohärenz, indem sie die Marktteilnehmer disziplinieren. Smith betont: »[Good] management … can never be universally established but in consequence of that free and universal competition, which forces every body to have recourse to it for the sake of self-defence.«11 Marx sollte dereinst vom »Zwangsgesetz der Konkurrenz«12 sprechen. Gutes Management begreift Smith als conditio sine qua non des Überlebens in Wettbewerbsmärkten. So unterbieten Firmen einander im Preis, um ihren Absatz und Marktanteil zu steigern, und sie überbieten einander, sofern sich die Wirtschaft in einer »advancing condition«13 befindet, um über höhere Löhne zusätzliche Arbeitskräfte anzuziehen. Wettbewerb und Märkte, so die Smithsche Überzeugung, erreichen in effektiver Weise und zu niedrigen Kosten, was ein Leviathan, wenn überhaupt, nur weniger effektiv und zu weit höheren Kosten erreichen könnte.14

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Vgl. Kurz, Heinz D.: Technical change, capital accumulation and income distribution in Classical economics: Adam Smith, David Ricardo and Karl Marx. In: European Journal of the History of Economic Thought 11 (2010), S. 1183–1222. 10 Vgl. McNulty, Paul J.: Economic theory and the meaning of competition. In: Quarterly Journal of Economics 82 (1968), S. 639–656. 11 Smith: Wealth of Nations. I.xi.b., S. 163 f. (Hervorhebung hinzugefügt). 12 Marx, Karl/Engels, Friedrich: Gesamtausgabe (MEGA): Hg. v. der International Marx-Engels Foundation (IMES). Zweite Abteilung: »Das Kapital« und Vorarbeiten, Bd. 15, S. 257. 13 Smith: Wealth of Nations. I.vii., S. 72. 14 John Stuart Mill sollte dereinst behaupten: »Only through the principle of competition has political economy any pretension to the character of a science«, denn nur dann könne die Bestimmung von Löhnen, Grundrenten und Profiten auf der Basis von

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Freie Konkurrenz bildet die Grundlage dessen, was Smith ein »system of natural liberty« nennt, denn sie erlaubt die bestmögliche Verwirklichung der Prinzipien von »equality, liberty and justice«. Freie Konkurrenz bedeutet die Abwesenheit nennenswerter legaler und sonstiger Schranken des Eintritts in oder Austritts aus den verschiedenen Märkten. Wo »perfect liberty« herrsche, so Smith, könne ein Produzent, Kapitaleigentümer, Grundbesitzer oder Arbeiter sein Gewerbe so oft wechseln, wie es ihm beliebt.15 Mobilitätsschranken in Gestalt von Monopolen, Privilegien, Handelspräferenzen, Zünften usw. dominierten das Merkantilsystem.16 Smith kritisiert dieses System auf das heftigste, gestattet jedoch bedeutende Ausnahmen von seiner Kritik. So verteidigte er die Navigationsakte, die britischen Schiffen ein Monopol bei der Beförderung von Handelsgütern unter der Devise »defence is of much more importance than opulence«17 einräumte, denn eine starke und leicht für Kriegszwecke umrüstbare Flotte war von großer militärischer Bedeutung. Auch das Smithsche Eintreten zugunsten der Monopolprivilegien der Bank of England ist Ausdruck des Diktums, Verteidigung sei wichtiger als Opulenz. Die Bank, so seine Überzeugung, sei das Rückgrat der finanziellen Stärke und damit der internationalen Macht eines Landes.18 Smith liefert jedoch auch zahlreiche Beispiele rein ökonomischer Rechtfertigungen von Interventionen und Regulierungen.19 Abstrahieren wir von diesen Ausnahmen und wenden uns jetzt Smith’ Idealfall, dem Fall uneingeschränkter Konkurrenz, zu. Er ist sich dessen bewusst, dass dieser Fall die aktuellen Verhältnisse in der Welt, in der er lebt, nicht widerspiegelt – die Verzerrungen durch die Merkantilpolitik sind allgegenwärtig. Es handelt sich vielmehr um jenen Zustand, der anzustreben ist, um die statischen und dynamischen Eigenschaften des ökonomischen Systems zu verbessern. Wenn Smith gleichwohl einen Großteil seiner Analyse auf diesen Fall gründet, so um den Nachweis der Überlegenheit des »Systems der natürlichen Freiheit« und seiner sich selbst regulierenden, homöostatischen Eigenschaften anzutreten. Wie also funktionieren Märkte Smith zufolge? Welche Ergebnisse zeitigen sie? Und, am wichtigsten vielleicht, sind Märkte stabil? Kann man ihnen große »laws … assigned for them« erfolgen. In: Mill, John Stuart: Principles of Political Economy. Band II. Toronto 1973, S. 242. 15 Vgl. Smith: Wealth of Nations. I.vii., S. 73. 16 Vgl. ebd., I.vii., S. 77. 17 Ebd.,IV.ii., S. 464 f. 18 Vgl. ebd., V.iii., S. 909. 19 Vgl. Aspromourgos, Tony: The Science of Wealth: Adam Smith and the Framing of Political Economy. London 2009. Vgl. auch meine Überlegungen in Teil 6 des vorliegenden Beitrags.

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Teile des gesellschaftlichen Lebens anvertrauen? Smith versucht Fragen dieser Art in Kapitel VII von Buch I des Wealth of Nations zu beantworten.

3. Marktpreise und »natürliche Preise« Smith unterscheidet zwischen »Marktpreisen« und »natürlichen Preisen«. Über erstere sagt er: »The market price of every particular commodity is regulated by the proportion between the quantity which is actually brought to market, and the demand of those who are willing to pay the natural prices of the commodity, or the whole value of the rent, labour, and profit, which must be paid in order to bring it thither. Such people may be called the effectual demanders, and their demand the effectual demand; since it may be sufficient to effectuate the bringing of the commodity to market.«20 Der Unterscheidung von Markt- und natürlichen Preisen entspricht diejenige zwischen allen Arten von Kräften, welche die Preise an einem gegebenen Ort und zu einer gegebenen Zeit beeinflussen, darunter nur temporär, zufällig und nicht systematisch wirkende, sowie den nur dauerhaften und systematischen Kräften. Natürliche Preise spiegeln nur letztere wider und drücken technologische und gesellschaftliche Machtverhältnisse aus. Sie hängen ab 1. vom tatsächlich von kostenminimierenden Produzenten gewählten System der Produktion und 2. von den an die Arbeiter gezahlten Reallöhnen. Die Reallöhne hängen ihrerseits inter alia davon ab, ob sich die Wirtschaft in einem schrumpfenden, stagnierenden oder wachsendem Zustand befindet.21 Auf der Grundlage der in der Werttheorie als Daten bzw. unabhängige Variablen behandelten Größen 1 und 2 können die abhängigen Variablen bestimmt werden. Diese sind (a) die allgemeine Profitrate (und die Grundrenten) und (b) die natürlichen Preise. Smith schreibt: »The competition of the different dealers obliges them all to accept of this [natural] price, but does not oblige them to accept of less.«22 Er besteht darauf, dass der natürliche Preis der langfristig niedrigste Preis ist, »which sellers can commonly afford to take, and at the same time continue their business«. Dieser deckt ihre Produktionskosten

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Smith: Wealth of Nations. I.vii., S. 73. Vgl. ebd., I.vii., S. 80. Ebd., I.vii., S. 74.

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ab und wirft ihnen die gewöhnliche Profitrate auf den Wert des eingesetzten Kapitals ab. Natürliche Preise. Wir können das Smithsche Konzept der natürlichen Preise im einfachen Fall nur zirkulierenden Kapitals und unter Absehung von knappen natürlichen Ressourcen wie folgt formalisieren:23 Wir normieren die Bruttooutputmenge einer jeden der m Industrien mit Eins und bezeichnen mit A die mxm Matrix der Koeffizienten der Produktionsmittel und notwendigen Unterhaltsmittel der Arbeitskräfte, mit p den m-dimensionalen Spaltenvektor der natürlichen Preise und mit r die allgemeine Profitrate. Dann kann das System der natürlichen Preise wie folgt geschrieben werden: p = (1 + r)Ap Bezeichnen wir die Matrix der Produktionsmittelkoeffizienten mit M und nehmen der Einfachheit halber an, dass ein einheitlicher Reallohn in Gestalt eines Warenvektors w je Arbeitseinheit gezahlt wird (w ist ein Zeilenvektor), dann können wir für die im Spaltenvektor l zusammengefassten direkten Arbeitseinsätze die Matrix A in die Matrix der Produktionsmittel M und der Subsistenzmittel S aufspalten: A = M + S = M + lw und daher p = (1 + r)(M + lw)p. Hier bezeichnet w den »natürlichen Lohn« und r die »natürliche Profitrate« Adam Smith’. Messen wir alle Wertgrößen in Einheiten eines Warenbündels b, das heißt, setzen wir das Skalarprodukt aus diesem Bündel und dem Preisvektor gleich Eins, bp = 1, so können wir für gegebene Größen oder unabhängige Variablen M, l und w die abhängigen Variablen, die Profitrate und die Preise der verschiedenen Produkte bestimmen. Keine anderen Daten werden benötigt, um das System zu schließen. Der Nominallohn, ausgedrückt in Einheiten des Wertstandards, ist dann gleich w = wp.

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Eine Behandlung eines Systems mit fixem Kapital und knappen natürlichen Ressourcen findet sich zum Beispiel in: Kurz, Heinz D./Salvadori, Neri: Theory of Production. A Long-Period Analysis. Cambridge 1995.

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Die referierte Formalisierung findet sich natürlich noch nicht bei Smith, aber seine Überlegungen in der Sache laufen auf sie hinaus und bestätigen seine beachtliche Intuition: Die natürlichen Preise der Waren werden durch zwei Einflussfaktoren bestimmt – die sozio-technischen Bedingungen der Produktion und den Reallohnsatz. Aber wie kommt es zu diesen? Marktpreise. Für einen gegebenen Reallohnsatz und eine gegebene Technik sieht Smith die natürlichen Preise als Zentren der Gravitation der Marktpreise, als »Attraktoren«, wie man heute sagen würde: »The natural price, therefore, is, as it were, the central price, to which the prices of all commodities are continually gravitating. Different accidents may sometimes keep them suspended a good deal above it, and sometimes force them down even somewhat below it. But whatever may be the obstacles which hinder them from settling in this center of repose and continuance, they are constantly tending towards it.«24 Smith spricht auch davon, dass die Marktpreise um ihre natürlichen Niveaus »oszillieren«. Es ist seiner Vorstellung zufolge also nicht notwendig, dass sich die Marktpreise asymptotisch den natürlichen Niveaus nähern. Es genügt, wenn sie in nicht allzu weiter Entfernung von diesen um sie kreisen. Warum aber weichen Marktpreise von ihren natürlichen Niveaus überhaupt ab? Weil in einem privat-dezentralen System keine ex ante-Koordination der individuellen Pläne der vielen Akteure erfolgt und damit auch kein Grund zur Annahme besteht, die auf den Markt gebrachte Menge einer Ware sei immer gleich der »effektiv« von ihr nachgefragten Menge, das heißt jener, die sich ergibt, wenn der natürliche Preis herrscht. Angesichts dessen kann offenbar nur dann gesagt werden, dass das ökonomische System gleichwohl unter normalen Bedingungen Ordnung und Kohärenz erzeugt, wenn es jedenfalls der Tendenz nach Abweichungen der Marktpreise von ihren natürlichen Niveaus beseitigt. Smith hat zu zeigen, dass der genannte Mechanismus schnell und effektiv funktioniert, so dass man von Marktpreisen außer in besonderen Situationen oder bei nur kurzfristiger Betrachtungsweise absehen und sich ganz auf die natürlichen Preise und deren Bestimmungsgründe konzentrieren kann. Dieser Auffassung ist Smith, vorausgesetzt eine hinreichend hohe Wettbewerbsintensität herrscht im System, denn andernfalls kommen die notwendigen Mengen- und Preisreaktionen nicht zustande. Letzteres ist im Merkantilsystem der Fall, in dem die glücklichen Besitzer von Monopolpositionen den Markt dauerhaft unterversorgen und auf diese Weise den Marktpreis ihres Produkts dauerhaft über dessen natürlichem Preis halten können und so große Gewinnspannen realisieren. 24

Smith: Wealth of Nations. I.vii., S. 75.

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Im Einzelnen gründet Smith seinen Optimismus bezüglich des Funktionierens des Gravitationsprozesses auf folgende Prämissen: 1. Wann immer die Menge einer Ware, die auf den Markt gebracht wird, kleiner (größer) ist als die effektive Nachfrage danach, wird ihr Marktpreis über (unter) seinem natürlichen Niveau zu liegen kommen. Dies wiederum bedeutet, dass die sektorale (produktspezifische) Profitrate (oder die gezahlten Löhne und Renten) über (unter) ihrem natürlichen Niveau liegen wird. 2. Gewinnorientierte Produzenten werden die auf den Markt gebrachte Menge vergrößern (verkleinern), wenn die sektorale (produktspezifische) Profitrate über (unter) derjenigen in benachbarten Sektoren der Wirtschaft liegt. Sind diese Annahmen notwendig und hinreichend, um Smith’ Auffassung zu bestätigen, dass die natürlichen Preise ein stabiler Fixpunkt oder Attraktor des Systems sind?

4. Das Problem der »Gravitation« Im Anschluss an Piero Sraffas Neuformulierung der klassischen Wert- und Verteilungstheorie in Production of Commodities by Means of Commodities25 kam es zu einer neuerlichen Befassung mit dem Problem der Gravitation der Marktpreise zu ihren natürlichen Niveaus. In Abhängigkeit von den gemachten Annahmen erbrachten die vorgestellten Formalisierungen des Problems sowohl gravitationsverneinende als auch -bejahende Resultate. An dieser Stelle kann kein vollständiger Überblick über die fragliche Literatur gegeben werden;26 es müssen vielmehr einige Hinweise darauf genügen, warum und unter welchen Umständen die Smithsche Intuition verneint oder bejaht wird – eine Intuition, die von bedeutenden Ökonomen sehr unterschiedlicher Orientierung geteilt wurde, darunter David Ricardo, John Stuart Mill, Karl Marx, Eugen von Böhm-Bawerk, Knut Wicksell, Léon Walras und Vilfredo Pareto. Die Mehrzahl der Modelle sind vom kreuz-dualen (»cross-dual«) Typus. Darin reagieren die relativen Preise auf sektorale Outputproportionen und umgekehrt. Genauer: Die Veränderungsrate des aktuellen Preises einer Ware

25

Vgl. Sraffa, Piero: Production of Commodities by Means of Commodities. Cambridge 1960. 26 Vgl. hierzu Bellino, Enrico: Gravitation of market prices towards natural prices. In: Sraffa and Modern Economics. Hg. v. R. Ciccone, C. Gehrke und G. Mongiovi. London 2011, S. 58–75.

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reagiert auf Abweichungen der effektiven Nachfrage von der auf den Markt gebrachten Menge und die Veränderungsrate der auf den Markt gebrachten Mengen auf Abweichungen der sektoralen von der durchschnittlichen (oder normalen) Profitrate. Die Formalisierungen gehen typischerweise von einem gegebenen Fixpunkt (x*, p*, r*) aus, der durch die Uniformität der Profitraten r1 = r2 = … = rm = r* sowie die Gleichheit von effektiver Nachfrage und aktuellem Output bezüglich eines jeden Marktes gekennzeichnet ist, d* = s = x*, mit d* = (d *1, d *2, …, d *m) als dem Zeilenvektor der effektiv nachgefragten Warenmengen, s = (s1, s2, …, sm) als dem Zeilenvektor der aktuellen Produktions- und Angebotsmengen und x* als den p* und r* zugeordneten Mengen. Die beiden erwähnten Annahmen wurden dann wie folgt modelliert: Annahme 1 wurde für jede Ware j (j = 1, 2, …, m) in die Existenz einer das Vorzeichen bewahrenden Funktion fi übersetzt, die Unterschiede zwischen effektiver Nachfrage und aktuellem Angebot in eine augenblickliche Veränderung des Marktpreises von Ware j überführt dpj/dt = fj(d *j, – sj), mit dpj/dt als Ableitung des Marktpreises nach der Zeit. Annahme 2 betrifft die Veränderung des Outputs von Ware j als Ergebnis der Differenz zwischen sektoraler Profitrate und der Profitraten in benachbarten Sektoren. Diese Differenz wurde als das Resultat der Abweichung des Marktpreises der Ware von ihrem natürlichen Preis begriffen. Man postulierte infolgedessen die das Vorzeichen erhaltende Funktion gj, wobei dsj/dt = gj(pj – p*j), mit dsj/dt als Ableitung des Angebots nach der Zeit. Preise reagieren auf Mengendifferenzen und Mengen auf Preisdifferenzen – dies ist die den kreuz-dualen Modellen zugrunde liegende Logik. Es zeigte sich jedoch, dass die letzten beiden Gleichungen nicht ausreichen, um im gegebenen Kontext Gravitation sicherzustellen. Was sind die sich ergebenden Probleme? Während in einem zweisektoralen Rahmen eine Äquivalenz besteht zwischen (pj – p *j,) > 0 [(pj – p *j,) < 0] und rj > r* (rj < r*), ist dies in einem msektoralen Rahmen (m > 2) nicht notwendigerweise der Fall. Der Marktpreis einer Ware kann über ihrem natürlichen Preis liegen, ohne dass auch die Profitrate des fraglichen Sektors über der normalen oder durchschnittlichen liegt.

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Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Marktpreise einiger der Inputs in diesem Sektor ebenfalls über den natürlichen Niveaus liegen, und zwar so, dass die sektorale Profitrate kleiner ist als die natürliche oder durchschnittliche.27 Es ist demnach nicht ausreichend, nur auf einen einzelnen Sektor zu sehen – eine Partialanalyse ist dem Problem nicht angemessen. Alle Sektoren sind in den Blick zu nehmen und mit ihnen alle Preise und produzierten Mengen. Den kreuz-dualen Modellen zufolge ist der Gravitationsprozess inhärent instabil. Einigen Autoren zufolge ist demnach die Smithsche Vorstellung von der Funktionsweise von Märkten und deren Koordinationsfunktion nicht haltbar. Dagegen wenden andere Betrachter ein, diese Schlussfolgerung sei voreilig, denn der fragliche Modelltypus sei selbst problematisch und gebe die klassische Sicht der Dinge nicht adäquat wieder. Pierangelo Garegnani hat folgendes Argument zugunsten der Gravitation der Preise für ein System vorgelegt, in dem ein jedes Produkt direkt oder indirekt in die Erzeugung aller Produkte eingeht:28 Zwar könne die zuvor geschilderte Möglichkeit für einige Waren und Sektoren zutreffen, nicht aber für alle zugleich. Geht die positive Abweichung des Marktpreises vom natürlichen Preis einer Ware einher mit einer negativen Abweichung der warenspezifischen Profitrate von der normalen oder durchschnittlichen, dann kann die gleiche Konstellation einander entgegengerichteter Vorzeichen für mindestens eines der Produktionsmittel nicht zutreffen. Für das betreffende Produktionsmittel müssen sowohl die Marktpreisabweichung als auch die Profitratenabweichung gleiches Vorzeichen haben. Die Ausdehnung der Produktionsmenge wird folglich den Marktpreis verringern, was direkt oder indirekt zu einem Anstieg der Profitrate in der Erzeugung der zunächst betrachteten Ware führen wird. Dieser Anstieg wird dem ursprünglich »perversen« Rückgang der Produktionsmenge entgegenwirken. Wählt man andere Formalisierungen als die oben vorgestellte, so sieht die Sache weniger betrüblich aus. Man kann zum Beispiel den Anpassungsmechanismus durch einen anderen ersetzen, in dem nicht die Änderungsrate, sondern die Höhe des Marktpreises relativ zum natürlichen Preis auf Unterschiede zwischen effektiver Güternachfrage und Güterangebot reagiert. Schließlich ist bei Smith und anderen klassischen Autoren klar, dass es im Allgemeinen nicht den Marktpreis einer Ware gibt, sondern eine Vielzahl von aktuellen Preisen für ein und dieselbe Ware. Zu studieren wäre demnach die Dispersion von Marktpreisen und deren Veränderung in der Zeit in Abhängigkeit von den da27

Vgl. Steedman, Ian: Natural prices, differential profit rates and the Classical competitive process. In: The Manchester School 25 (2) (1984), S. 123–140. 28 Vgl. Garegnani, Pierangelo: On some supposed obstacles to the tendency of market prices towards natural prices. In: Political Economy 6 (1–2) (1990), S. 329–359.

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durch ausgelösten Anpassungsprozessen. Dies könnte mittels des Konzepts der Wahrscheinlichkeitsverteilung von Preisen angegangen werden. Zu berücksichtigen wäre schließlich der Umstand, dass die verschiedenen Sektoren sehr verschieden und verschieden schnell auf Ungleichgewichte der geschilderten Art reagieren, die ihrerseits zurückzuführen sind auf unterschiedliche Eigenschaften der Sektoren, unterschiedliches Nachfrageverhalten der Käufer usw. Smith betonte, dass ein zu geringes Angebot den Wettbewerb unter den Käufern (sog. »Verkäufermarkt«) intensivieren wird, ein Überschussangebot indes den Wettbewerb unter den Verkäufern (sog. »Käufermarkt«). Die Konkurrenz wird daher auf der sog. »langen« Marktseite entfacht. Liegt das aktuelle Angebot unter der effektiven Nachfrage, dann hat dies gemäß Smith folgende Auswirkungen auf die Nachfrager: »A competition will immediately begin among them, and the market price will rise more or less above the natural price, according to as either the greatness of the deficiency, or the wealth and wanton luxury of the competitors, happen to animate more or less the eagerness of the competition. Among competitors of equal wealth and luxury the same deficiency will generally occasion a more or less eager competition, according as the acquisition of the commodity happens to be of more or less importance to them: Hence the exorbitant price of the necessities of life during the blockade of a town or in a famine.«29 Im Fall einer die effektive Nachfrage übersteigenden Produktionsmenge hingegen gelte: »The market price will sink more or less below the natural price, according as the greatness of the excess increases more or less the competition of the sellers, or according as it happens to be more or less important to them to get immediately rid of the commodity. The same excess of the importation of perishable, will occasion a much greater competition than in that of durable commodities; in the importation of oranges, for example, than in that of old iron.«30 Smith sieht in der Konkurrenz und der damit einhergehenden Mobilität von Kapital und Arbeit eine stabilisierende Rolle. Er ist voller Vertrauen in die Fähigkeit von Gütermärkten, unter Bedingungen freier Konkurrenz die Koordination der mannigfaltigen, dezentral erfolgenden Produktions- und Konsumtionsaktivitäten zu leisten.

29 30

Smith: Wealth of Nations. I.vii., S. 73 f. Ebd., I.vii., S. 74.

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Wir belassen es bei diesen Hinweisen und wenden uns jetzt der zentrifugalen Kraft der Konkurrenz zu: Die Rivalität der Produzenten untereinander veranlasst diese dazu, aus Gründen der Selbstverteidigung neue Produktionsmethoden und neue Güter einzuführen. Die Konkurrenz ist die Quelle der Rastlosigkeit des Kapitalismus, der sich ständig aus sich selbst heraus verändert. Diese Rastlosigkeit beschreibt besonders eindrucksvoll Marx und in seinem Gefolge Schumpeter, aber bereits Smith hat sie erahnt.

5. Verbesserungen – Innovationen Smith sieht, dass technische und organisatorische Verbesserungen alle Wirtschaftszweige erfassen. Der erfolgreiche Neuerer streicht für eine gewisse Zeit Extraprofite ein, bis diese infolge von Nachahmung und der Verbreitung des Neuen im System erodieren und die zentripetalen Kräfte der Konkurrenz wieder die Oberhand gewinnen und auf einen Ausgleich der Profitrate drängen. Smith schreibt: »The establishment of any new manufacture, of any new branch of commerce, or of any new practice in agriculture, is always a speculation, from which the projector promises himself extraordinary profits. These profits sometimes are very great, and sometimes, more frequently, perhaps, they are quite otherwise; but in general they bear no regular proportion to those of other old trades in the neighbourhood. If the project succeeds, they are commonly at first very high. When the trade or practice becomes thoroughly established and well known, the competition reduces them to the level of other trades.«31 Als Teil der immer tiefer gegliederten Arbeitsteilung bildet sich ein Gewerbe heraus, das man heute Forschung und Entwicklung (F&E) nennt. Smith erläutert: »All the improvements in machinery … have by no means been the inventions of those who had occasion to use the machines. Many improvements have been made by the ingenuity of the makers of the machines, when to make them became the business of a peculiar trade; and some by that of those who are called philosophers or men of speculation, whose trade it is, not to do any thing, but to observe every thing; and who, upon that account, are often capable of combining together the powers of the most distant and dissimilar objects. In the progress of society, philosophy or speculation be31

Ebd., I.x.b., S. 131 f.

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comes, like every other employment, the principal or sole trade and occupation of a particular class of citizens.«32 »Philosophy or speculation« – gemeint ist die Wissenschaft – durchdringen die moderne Gesellschaft immer mehr und werden zur Grundlage ihres materiellen Stoffwechsels und der Erzeugung eines Surplus oder Überschussprodukts. 250 Jahre vor der Prägung des Begriffes der »Wissensgesellschaft« pocht Smith darauf, dass die einer Gesellschaft verfügbare »quantity of science« deren Produktivität und Wohlstand bestimme.33 Erwähnenswert ist auch, dass Smith die kombinatorische Metapher verwendet, um Neues zu beschreiben: Neues, ökonomisch nützliches Wissen ergibt sich aus der neuen Kombination rekonfigurierter Partikel bekannten Wissens – eine Definition, welche die Pfadabhängigkeit des Wissensfortschritts betont. Die Metapher wurde von zahlreichen Ökonomen nach Smith aufgegriffen, etwa von Joseph Schumpeter.34 Die nicht-intendierten Konsequenzen menschlichen Handelns sind ein zentrales Thema in Smith’ Analyse. So lösen die Kapitaleigner in Verfolgung ihres Profitstrebens in einer wohl regierten Gesellschaft einen Prozess aus, der, mit Marx gesagt, »hinter ihrem Rücken« das Los der großen Masse der Besitzlosen, der »labouring poor«, verbessert und damit gesamtgesellschaftlich vorteilhaft ist. Dies ist Smith’ Hauptargument zugunsten der Marktwirtschaft. Die Kritik von Selbstsucht und Gier, so sehr sie auch aus moralphilosophischer Sicht berechtigt sein mag, ignoriert jene Auswirkungen, die das auf derartigen Motiven beruhende Verhalten zeitigt. Sofern diese Auswirkungen der Gesellschaft insgesamt förderlich sind, greift eine enge moralische Betrachtungsweise zu kurz. Aber ist damit zu rechnen, dass tatsächlich vorrangig positive Auswirkungen eigeninteressierten Verhaltens zustande kommen? Genauer: Unter welchen Umständen sind solche zu erwarten und unter welchen nicht? Im folgenden Abschnitt behandeln wir Smith’ Antizipation dessen, was man heute asymmetrische Information, moralisches Risiko und adverse Selektion nennt. Wir konzentrieren uns dabei auf seine Analyse des Bankensektors. Im darauf folgenden Abschnitt wenden wir uns dann dem nie ruhenden und »elenden

32

Ebd., I.i., S. 21 (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. ebd., I.i., S. 22. 34 Vgl. Schumpeter, Joseph A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Berlin 1912. Vgl. hierzu auch Kurz, Heinz D.: Schumpeter’s new combinations. Revisiting his Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung on the occasion of its centenary. In: Journal of Evolutionary Economics 22 (5) (2012), S. 871–899 sowie Kurz, Heinz D./Sturn, Richard: Schumpeter für jedermann. Von der Rastlosigkeit des Kapitalismus. Frankfurt a. M. 2012. 33

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Monopolgeist« zu – von dem Smith zufolge die größte Bedrohung der »natürlichen Freiheit« ausgeht.

6. Asymmetrische Information, moralisches Risiko und adverse Selektion Smith war sich darüber im Klaren, dass Finanzmärkte inhärent instabil sind. Die Ereignisse im Gefolge der Einführung von Papiergeld in Frankreich zu Beginn des 18. Jahrhunderts, der vielleicht größten Innovation in der gesamten Geld- und Finanzgeschichte, waren noch weithin im kollektiven Bewusstsein. Die Gründe für die dadurch ausgelöste Krise, die Frankreich an den Rand des Ruins brachte, und die »Mississippi-Blase« hatte Smith gründlich studiert. Die Einführung des Papiergeldes unter dem Herzog von Orléans, dem Regenten Frankreichs, folgte teilweise den Plänen John Laws, eines Schotten wie Smith und ausgezeichneten Mathematikers und Glücksspielers. Mittels des Papiergeldes sollte die vom französischen König vor allem infolge eingegangener Kriege gewaltig angewachsene Staatsschuld getilgt werden. Law hatte dagegen vorgetragene Bedenken, dies führe zu Inflation und Instabilität, mit dem Argument beiseite gewischt, der Wert des emittierten Papiergeldes sei durch das gewaltige Grundeigentum des Königs mehr als besichert. Smith befürwortete interessanterweise die Einführung von Papiergeld und verglich sie ausdrücklich mit »some improvements in mechanicks«35, das heißt mit technischem Fortschritt. Papiergeld erlaubte die Ersetzung von Gold und Silber, zweier wegen ihrer hohen Such- und Förderkosten sehr wertvollen Materialien, durch ein Material, dessen Kosten vernachlässigbar waren. Aber er sah deutlich die Gefahren, die mit dem neuen Finanzinstrument verbunden waren und kleidete sie in folgenden Vergleich: »The gold and silver money which circulates in any economy may very properly be compared to a highway«, auf dem die Waren transportiert werden; das Papiergeld indessen sei vergleichbar einem »sort of waggon-way through the air«. Handel und Geschäfte eines Landes, warnte Smith, »cannot be altogether so secure, when they are thus, as it were, suspended upon the Daedalian wings of paper money, as when they travel upon the solid ground of gold and silver.«36 Wie Ikarus, Sohn des Dädalus, nachdem er der Sonne zu nahe gekommen war, in den Tod stürzte, so könne ein auf Papiergeld basiertes Geldsystem bei unvorsichtiger Handhabung durch den homo negotians die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft in eine tiefe Krise stürzen.

35 36

Ebd., II.ii., S. 296. Ebd., II.ii., S. 321 (Hervorhebung hinzugefügt).

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Smith nannte die Pläne des »famous Mr. Law … splendid, but visionary«.37 Vonnöten war die Einführung und Überwachung des Papiergeldes durch »judicious operations of banking«.38 In einem einzigen Abschnitt ist viermal von einem umsichtig bzw. »prudent« operierenden Bankensystem die Rede!39 Aber selbst wenn alle Banker »people of undoubted credit«40 sein sollten, was der Menschenkenner Smith nicht annahm, so würde dies für sich genommen noch nicht genug sein, um alle Gefahren von der Ökonomie abzuwenden. Smith erläutert: »Over and above the accidents to which they [das heißt Handel und Geschäfte] are exposed from the unskilfulness of the conductors of this paper money, they are liable to several others, from which no prudence or skill of those conductors can guard them.«41 Smith’ diesbezüglicher Pessimismus wurzelt in Phänomenen, die heute mit den Begriffen »asymmetrische Information«, »moralisches Risiko« und »adverse Selektion« belegt werden. Diese Phänomene seien weit verbreitet, wenn nicht gar allgegenwärtig, und selbst die besten Regulierungen des Bankwesens können die genannten Gefahren nur einschränken, nicht aber völlig ausschalten. Asymmetrische Information und moralisches Risiko. »Mean people« hätten einen besonderen Anreiz, Banker zu werden, wenn ihnen die Ausgabe von Banknoten in kleiner Stückelung, das heißt auf kleine Summen lautend, erlaubt sei. Wie mehrere historische Beispiele belegen, führte dies zu einer beachtlichen Zunahme des Umlaufs von Papiergeld, zu wirtschaftlichen Krisen und dem Bankrott zahlreicher Banken. Die »beggarly bankers«, warnte Smith, stellten »a very great calamity to many poor people who had received their notes in payment«42 dar. Die Ausgabe von Banknoten in kleiner Stückelung sollte daher zum Schutz der kleinen Leute untersagt werden. Auf größere Summen lautende Banknoten sollten nur im Verkehr der Händler untereinander eingesetzt werden. Gewöhnliche Leute sollten ausschließlich Münzen verwenden und damit auf dem festen Boden von Gold und Silber reisen. Smith empfahl demnach zwei weitgehend voneinander getrennte Geldkreisläufe. 37

Ebd., II.ii., S. 317. Ebd., II.ii., S. 320. 39 Wie dem aufmerksamen Zeitgenossen nicht entgangen sein wird, lautet das Zauberwort nach der jüngsten Finanzkrise prudent banking. Hätte man nur die Smithsche Lehre berücksichtigt, diese (für viele) schmerzvolle Wiederentdeckung hätte man sich ersparen können. 40 Smith: Wealth of Nations. II.ii., S. 324. 41 Ebd., II.ii., S. 321. 42 Ebd., II.ii., S. 323. 38

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Smith war sich darüber im Klaren, dass es sich beim Verbot, kleine Banknoten auszugeben, um »a manifest violation of that natural liberty which it is the proper business of law, not to infringe, but to support«, handelte. Aber der Vorteil weniger dürfe nicht zum Nachteil vieler oder gar der Gesellschaft als ganzer werden: »Such regulations may, no doubt, be considered as in some respect a violation of natural liberty. But those exertions of the natural liberty of a few individuals, which might endanger the security of the whole society, are, and ought to be, restrained by the laws of all governments; of the most free, as well as of the most despotical. The obligation of building party walls, in order to prevent the communication of fire, is a violation of natural liberty, exactly of the same kind with the regulations of the banking trade which are here proposed.«43 Informationsasymmetrien durchziehen den gesamten Wealth of Nations. Smith klassifiziert selbst die drei großen gesellschaftlichen Klassen – Grundeigentümer, Arbeiter und Kapitaleigner – nach Maßgabe ihrer Teilhabe an Information und Wissen. (1) Die Grundeigentümer, schreibt er, erhalten ein Einkommen, die Grundrente, »[which] costs them neither labour nor care, but comes to them, … independent of any plan or project of their own.« Dies mache sie träge und »too often, not only ignorant, but incapable of that application of mind which is necessary in order to foresee and understand the consequences of any publick regulation.«44 (2) Noch schlimmer stehe es um die zweite Gruppe von Menschen: Die Lebensbedingung des Arbeiters »leaves him no time to receive the necessary information, and his education and habits are commonly such as to render him unfit to judge even though he was fully informed.« Der Arbeiter ist am stärksten in Gefahr, zugunsten anderer Interessen manipuliert zu werden: »In the publick deliberations, therefore, his voice is little heard and less regarded, except upon some particular occasions, when his clamour is animated, set on, and supported by his employers, not for his, but their own particular purposes.«45 (3) In wirtschaftlichen und politischen Dingen am besten informiert seien der Handeltreibende, Manufakturist und Geldkapitalist – der professionelle homo mercans und homo negotians. »As during their whole lives they are engaged in plans and projects, they have frequently more acuteness of understanding than the greater part of country gentlemen.«46 Ihr »superior knowledge of their own interest« sei einerseits eine 43 44 45 46

Ebd., II.ii., S. 324. Ebd., I.xi.p., S. 265. Ebd., I.xi.p., S. 266 (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd., I.xi.p., S. 266.

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indirekte Quelle allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklung. Ihre Selbstsucht indes sei nicht selten schädlich für die Interessen der anderen gesellschaftlichen Klassen. Unter besonderer Bezugnahme auf Händler und Marktintermediäre betont Smith: »The interest of the dealers, however, in any particular branch of trade or manufactures, is always in some respects different from, and even opposite to, that of the publick. To widen the market and to narrow the competition, is always the interest of the dealers. To widen the market may frequently be agreeable enough to the interest of the publick; but to narrow the competition must always be against it, and can serve only to enable the dealers, by raising their profits above what they naturally would be, to levy, for their own benefit, an absurd tax upon the rest of their fellow-citizens.« In alarmierendem Ton fährt er fort: »The proposal of any new law or regulation of commerce which comes from this order, ought always to be listened to with great precaution, and ought never to be adopted till after having been long and carefully examined, not only with the most scrupulous, but with the most suspicious attention. It comes from an order of men, whose interest is never exactly the same with that of the publick, who have generally an interest to deceive and even to oppress the publick, and who accordingly have, upon many occasions, both deceived and oppressed it.«47 Die besser Informierten – Händler, Gewerbetreibende, Manufakturisten und Geldkapitalbesitzer – können ihr überlegenes Wissen in Politik und Wirtschaft zum Nachteil anderer einsetzen. Ihre Gegenüber – Kunden, Konsumenten und allgemein Arbeiter – sind in Gefahr, über den Löffel balbiert zu werden: Sie sind moralischem Risiko ausgesetzt. Smith unterstrich insbesondere die Bereitschaft von Bankern, hohe Risiken einzugehen, darauf setzend, dass im Falle ihres Scheiterns die Kosten von anderen getragen werden würden. Adverse Selektion. Smith betonte, dass Projekte mit höherer erwarteter Profitabilität typischerweise auch riskanter seien. Die jüngste Finanzkrise zeigte aufs Neue, dass zahlreiche Menschen diese Tatsache ignoriert haben. Sie wurden Opfer einer »irrational exuberance« (Alan Greenspan) – eines unvernünftigen Überschwangs. Smith’ diesbezügliche Ausführungen lesen sich wie ein Kommentar zur jüngsten Krise. Mit dem hypertrophen Wachstum von Banken gehe einher, dass Banker immer weniger über ihre Schuldner wüssten. Sie verliehen Geld an

47

Ebd., I.xi.p., S. 267 (Hervorhebungen hinzugefügt).

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»chimerical projectors, the drawers and re-drawers of circulating bills of exchange, who would employ the money in extravagant undertaking, which, with all the assistance that could be given them, they would probably never be able to compleat, and which, if they should be compleated, would never repay the expence which they had really cost … .«48 Das Problem bestehe darin, dass »phantastische Pläneschmiede« den Banken hohe Zinsen versprechen würden, weil sie sich hohe Profite von ihren »extravagant undertakings« erwarteten und im Fall ihres Scheiterns nicht die Absicht hätten, die Schulden zurückzuzahlen. Die »sober and frugal debtors«, die weniger vom »grand and the marvellous, [but] more of the solid and the profitable« verkörperten, würden nach sorgfältiger Kalkulation nur einen geringeren Zins zu zahlen bereit sein und daher als Kreditbegünstigte ausscheiden. Es sei zu erwarten, dass die Banken eher den Phantasten und nicht den Nüchternen und Sparsamen Geld anvertrauten. Dies aber bedeute adverse Selektion, die einen großen Teil des Kapitals eines Landes »from prudent and profitable, to imprudent and unprofitable undertakings«49 umlenke. Smith war gegen ein generelles Zinsverbot, wie es die Gesetzgebung gegen den »Wucher« in zahlreichen Ländern zu seiner Zeit vorsah. »This regulation«, schrieb er, »instead of preventing, has been found from experience to increase the evil of usury; the debtor being obliged to pay, not only for the use of the money, but for the risk which his creditor runs by accepting a compensation for that use. He is obliged, if one may say so, to insure his creditor from the penalties of usury.«50 Er trat indes für eine Zinsobergrenze ein. Ohne eine solche oder mit einer zu hohen Obergrenze »the greater part of the money which was to be lent, would be lent to prodigals and projectors, who alone would be willing to give this high interest. Sober people, who will give for the use of money no more than a part of what they are likely to make by the use of it, would not venture into competition. A great part of the capital of the country would thus be kept out of the hands which were most likely to make a profitable and advantageous use of it, and thrown into those which were most likely to waste and destroy it. Where the legal rate of interest, on the contrary, is fixed but a very little above the lowest market rate, sober people are universally preferred, as 48 49 50

Ebd., II.ii., S. 316. Ebd., II.ii., S. 316 f. Ebd., II.iv., S. 356 (Hervorhebung hinzugefügt).

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borrowers, to prodigals and projectors. The person who lends money gets nearly as much interest from the former as he dares to take from the latter, and his money is much safer in the hands of one set of people, than in those of the other. A great part of the capital of the country is thus thrown into the hands in which it is most likely to be employed with advantage.«51 Die Frage war Smith zufolge daher nicht, ob das Bankgewerbe zu regulieren sei – die Antwort war ein klares Ja. Die Frage war vielmehr, durch welche Regulierungen die »Sicherheit der ganzen Gesellschaft« zu garantieren war, ohne zugleich den Spielraum für die Verfolgung des Eigeninteresses und die Kreditschöpfung und -vergabe der Banken über Gebühr zu beschneiden. Da damit zu rechnen war, dass sich die Vertreter des Bankwesens immer neue Tricks und Schliche zur Umgehung bestehender Vorschriften und Verbote ausdenken würden, war die Regulierung des Bankgewerbes keine Angelegenheit, die man ein für alle Mal würde erledigen können. Sie war vielmehr eine ständige Herausforderung und Aufgabe. Abschließend wenden wir uns kurz der Smith zufolge größten Bedrohung der natürlichen Freiheit zu: den immer und überall anzutreffenden Versuchen, die Konkurrenz auszuschalten und sich Monopolpositionen zu verschaffen.

7. Der »unselige Monopolgeist« Der Monopolist braucht keine Angst vor Konkurrenten zu haben, die seine Preise unterbieten, ihm Marktanteile wegnehmen und seine Profite schmälern. Monopolisten seien imstande, »[to] keep up the market price, for a long time together, a good deal above the natural price.«52 Die Differenz zwischen Monopolpreis und natürlichem Preis wird als übernormaler Profit eingesteckt. Den Wettbewerb einzuschränken ist demnach im Interesse eines jeden Händlers und Gewerbetreibenden, weil es profitabel ist. Es ist gegebenenfalls auch profitabler als eine Innovation, die auch, jedenfalls temporär, dem erfolgreichen Neuerer eine Monopolposition verschafft. Smith’ Monopolbegriff ist viel weiter gefasst als der heute übliche, der von einem einzigen Anbieter ausgeht. Smith setzt eine dauerhafte, mehr oder weniger große positive Abweichung nach oben des Marktpreises von seinem natürlichen Niveau voraus und unterstellt daher das Unterbleiben des in Abschnitt 4 geschilderten Gravitationsprozesses. Ausgedrückt mittels der Preisgleichungen (1) müsste die einheitliche Profitrate r durch differentielle Raten r1, r2, …, 51 52

Ebd., II.iv., S. 357. Ebd., I.vii., S. 77.

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rm ersetzt werden – eine für jeden Sektor, wobei rj > 0 ist (j = 1, 2, …, m) – und einem jeden Satz von (zulässigen) Raten würde typischerweise ein anderer Satz von relativen Preisen zugeordnet sein. Wir können dies mittels nur zweier Sektoren veranschaulichen. In der Abbildung wird der Reallohnsatz in Einheiten einer der Waren (oder eines Warenbündels) durch ω ausgedrückt und entlang der vertikalen Achse gemessen. Die sektoralen Profitraten r1 und r2 werden hingegen entlang der beiden die Grundfläche der Abbildung bildenden Achsen abgetragen. Der sich für gegebene technische Verhältnisse der Produktion der beiden Waren ergebende Zusammenhang zwischen den drei Verteilungsgrößen (r1, r2 und ω) ist als Verteilungs- oder Lohnkurve bekannt.53 Zu einem ge-

Die Lohnkurve

gebenen Reallohnsatz ω* erhält man die uniforme konkurrenzwirtschaftliche Profitrate r* (= r1 = r2) durch den Schnitt einer senkrecht auf der 45°-Linie im Grundquadranten aufgestellten Fläche und der Lohnkurve (ω, r1, r2) in Höhe von ω*. Sollte in einem der beiden Sektoren aufgrund monopolistischer Privilegien eine höhere Profitrate als die »natürliche« erzielt werden (bei annahmegemäß gleichem Reallohnsatz), dann ist die Profitrate im anderen Sektor notwendigerweise niedriger. In der Abbildung ist eine derartige Situation ein53

Vgl. Kurz/Salvadori: Theory of Production, S. 50 f.

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gezeichnet, mit r2 > r* > r1. Die drei Verteilungsgrößen sind demnach nicht unabhängig voneinander: Ist eine in gewisser Höhe gegeben, dann verhalten sich die beiden anderen invers zueinander.54 Wir begegnen bei Smith in manchen Passagen einem Verständnis dieses Sachverhaltes (andere Passagen hingegen nähren Zweifel daran, dass sein Verständnis sehr tief reichte). Smith unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Monopolen. Sein Hauptaugenmerk galt künstlichen Monopolen, insbesondere solchen, die das Ergebnis wirtschaftspolitischer Bevorzugungen Einzelner waren, einer im Merkantilismus weithin anzutreffenden Praxis. Derartige Monopole konnten grundsätzlich jederzeit wieder aufgehoben werden, und Smith trat dafür ein, dass sie dies tatsächlich würden. Denn: »The price of monopoly is upon every occasion the highest which can be got. The natural price, or the price of free competition, on the contrary, is the lowest which can be taken … for any considerable time together.«55 Er erläutert: »A monopoly granted either to an individual or to a trading company has the same effect as a secret in trade or manufactures. The monopolists, by keeping the market constantly under-stocked, by never fully supplying the effectual demand, sell their commodities much above the natural price, and raise their emoluments, whether they consist in wages or profit, greatly above their natural rate.«56 Smith ist nicht immer und unter allen Umständen gegen gesetzliche Monopole, wie insbesondere seine Unterstützung der Navigationsakte und auch der Privilegien der Bank of England zeigt. Aber er besteht darauf, dass sie nur zeitlich begrenzt eingerichtet und strengen Anforderungen und Beaufsichtigungen unterworfen werden müssten. Die englische East India Company ist ein abschreckendes Beispiel für die enormen Schäden, die ein legales Monopol anrichten kann: »The constant view of such companies is always to raise the rate of their own profit as high as they can; to keep the market, both for the goods which they export, and for those which they import, as much understocked as they can: which can be done only by restraining the competition, or by discouraging new adventurers from entering into the trade.«57

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Um ein Beispiel aus jüngerer Zeit zu geben: Als der frühere CEO der Deutschen Bank, Josef Ackermann, eine Kapitalverzinsung für sein Gewerbe von 25 % forderte, sollte dies als eine Art Kriegserklärung im Verteilungskampf gegenüber anderen Wirtschaftszweigen und auch der Arbeiterschaft begriffen werden. Für gegebene technische Bedingungen der Produktion kann eine Seite nur auf Kosten anderer Seiten gewinnen. 55 Smith: Wealth of Nations. I.vii., S. 78 f. 56 Ebd., I.vii., S. 78 (Hervorhebung hinzugefügt). 57 Ebd., V.i.e., S. 736.

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Und an anderer Stelle schreibt Smith: »Some nations have given up the whole commerce of their colonies to an exclusive company, of whom the colonists were obliged to buy all such European goods as they wanted, and to whom they were obliged to sell the whole of their own surplus produce. It was the interest of the company, therefore, not only to sell the former as dear, and to buy the latter as cheap as possible, but to buy no more of the latter, even at this low price, than what they could dispose of for a very high price in Europe. It was their interest, not only to degrade in all cases the value of the surplus produce of the colony, but in many cases to discourage and keep down the natural increase of its quantity. Of all the expedients that can well be contrived to stunt the natural growth of a new colony, that of an exclusive company is undoubtedly the most effectual.«58 Die Herrschaft derartiger Gesellschaften in den Kolonien war typischerweise gewalttätig und grausam. Als glühender Anhänger des Freihandels beklagte Smith: »The savage injustice of the Europeans rendered an event, which ought to have been beneficial to all, ruinous and destructive to several of those unfortunate countries.«59 Abschließend wenden wir uns kurz Smith’ Sicht der Bestimmung der Löhne in Kapitel VIII von Buch I des Wealth of Nations zu und fragen, inwieweit sie mit dem Monopolproblem zu tun hat. Bekanntlich sah Smith einen Konflikt in der Verteilungsfrage: »What are the common wages of labour depends every where upon the contract usually made between those two parties, whose interests are by no means the same. The workmen desire to get as much, the masters to give as little as possible. The former are disposed to combine in order to raise, the later in order to lower the wages of labour.«60 Er fügte hinzu: »It is not, however, difficult to foresee which of the two parties must, upon all ordinary occasions, have the advantage in the dispute, and force the other into compliance with their terms. [1] The masters, being fewer in number, can combine much more easily; and [2] the law, besides, authorises, or at least does not prohibit their combinations, while it prohibits those of the 58 59 60

Ebd., IV.vii.b., S. 575. Ebd., IV.i., S. 448. Ebd., I.viii., S. 83.

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workmen. We have no acts of parliament against combining to lower the price of work; but many against combining to raise it. In all such disputes the masters can hold out much longer. … [3] [Masters] could generally live a year or two upon the stocks which they have already acquired. Many workmen could not subsist a week, few could subsist a month, and scarce any a year without employment.«61 Wegen der Gründe [1] bis [3] ist die Verhandlungsposition der Arbeiter schwach und sie müssen gewöhnlich die Bedingungen der »Masters« im »Disput« über die Lohnhöhe akzeptieren. »Masters«, schrieb Smith, »are always and every where in a sort of tacit, but constant and uniform combination, not to raise the wages of labour above their actual rate. To violate this combination is every where a most unpopular action, and a sort of reproach to a master among his neighbours and equals.« Er fügte hinzu: »We seldom, indeed, hear of this combination, because it is the usual, and one may say, the natural state of things which nobody ever hears of.«62 Lediglich in Zeiten geschwinder wirtschaftlicher Expansion, in denen die Nachfrage nach »Händen« schneller wächst als das Angebot, durchbrechen die Herren ihre stillschweigende Übereinkunft: »The scarcity of hands occasions a competition among masters, who bid against one another, in order to get workmen, and thus voluntarily break through the natural combination of masters not to raise wages.«63 Interessanterweise nennt Smith die Absprachen der Herren, die Löhne nicht zu erhöhen (oder zu senken), den »natural state of things«. Der diesbezügliche Erfolg der Herren würde daher zu einem niedrigeren Reallohnsatz ω in der obigen Abbildung führen, aber nicht notwendigerweise zu einer Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen in den verschiedenen Sektoren der Wirtschaft. Wir könnten daher unter Rückgriff auf Alfred Marshalls Unterscheidung zwischen »class conflicts« und »trade conflicts«64 von einem Klassenkonflikt sprechen. Hinsichtlich der Erzielung monopolistischer Privilegien hingegen wäre von einem Konflikt zwischen verschiedenen Gewerben (Sektoren) zu sprechen.

61 62 63 64

Ebd., I.viii., S. 83 f. Ebd., I.viii., S. 84 (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd., I.viii., S. 86. Marshall, Alfred: Industry and Trade. London 1920 (2. Aufl.), S. 17.

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8. Schlussbemerkung Märkte und Handel sind Smith zufolge grundsätzlich sehr gut geeignet, privat-dezentrale wirtschaftliche Aktivitäten des homo mercans zu koordinieren, vorausgesetzt es herrscht Wettbewerb. Dann wachsen die Bäume des Einzelnen nicht auf Kosten der Vielen in den Himmel. Markt ist daher nicht gleich Markt und nicht überall, wo ge- und verkauft wird, stehen die Dinge zum Besten. Eigensucht und Selbsterhaltungstrieb veranlassen die Akteure, sich so gut sie können der Konkurrenz zu entledigen, und dies kann auf verschiedenerlei Weise geschehen – von der Einführung neuer oder besserer Produkte und kostensenkender Produktionsverfahren über die Entdeckung neuer Märkte bis hin zum »Rent-seeking« über politische Privilegien und Monopolbildung. Die Politische Ökonomie, Smith zufolge das vielleicht bedeutendste Gebiet einer Art allgemeiner politischen Wissenschaft unter Einschluss der »Wissenschaft des Gesetzgebers« (science of the legislator), hat die Aufgabe, Aberglaube und Fehlmeinungen in wirtschaftspolitischen Fragen zu bekämpfen sowie Ansichten, die Individualinteressen als im allgemeinen Interesse stehend ausgeben, zu entlarven und Anreize, Institutionen und einen Regulierungsrahmen zu entwerfen, wodurch Gefährdungen der Sicherheit der Gesellschaft als ganzer oder einzelner Gruppen in ihr minimiert werden, ohne dass dadurch auch das eigeninteressierte Verhalten, das sowohl individuell als auch gesellschaftlich nützliche Ergebnisse zeitigt, eingeschränkt wird. Smith’ Werk hat nichts von seiner Aktualität verloren. Hätte die Wirtschaftswissenschaft, anders als von einigen ihrer Vertreter behauptet, alles, was in den Schriften früherer Ökonomen wertvoll ist, bewahrt, dann hätte sie auf die jüngste Finanzkrise nicht mit blankem Entsetzen, gefolgt von Unverständnis reagiert, ja, vielleicht wäre die Krise sogar zu verhindern oder wenigstens ihr Umfang einzuschränken gewesen. Die Regulierung des Bankensektors, lehrte uns Smith, sei eine permanente Aufgabe, weil der professionelle homo negotians auch in diesem Sektor ständig bestrebt sei, mittels raffinierter Neuerungen geltende Beschränkungen zu umgehen.65

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Dieser Aufsatz basiert auf meinem in englischer Sprache verfassten Vortrag anlässlich der Tagung »Die Philosophie des Marktes« am Philosophischen Seminar der Technischen Universität Braunschweig, 13.–15. Februar 2014. Eine revidierte englische Fassung ist mittlerweile erschienen; vgl. Kurz, Heinz D.: Adam Smith on markets, competition and violations of natural liberty. In: Cambridge Journal of Economics, doi:10.1093/cje/bev011 (2015). Ich danke den Teilnehmern der Braunschweiger Tagung für zahlreiche wertvolle Kommentare. Die Verantwortung für das Geschriebene liegt selbstverständlich allein bei mir.

Martin Hartmann

Invisible Hand and Impartial Spectator: The Adam Smith Problem Reconsidered

It is still often assumed that markets economize on virtues and other prosocial attitudes. Thus, in The Public Use of Private Interest Charles Schultze claims that »market-like arrangements reduce the need for compassion, patriotism, brotherly love, and cultural solidarity«.1 At the same time, however, various recent theoretical approaches across disciplines emphasize the degree to which markets could not be what they are without normative foundations or norms of reciprocity, justice, fairness and mutual respect governing the behavior of the subjects acting on markets. For the sake of my argument I call this the normativity thesis. By normativity I mean that markets are regulated by reciprocally accepted norms that are not only self-interested but which also encapsulate reference to the motives or interests of other market participants. For the moment I will not specify these other-regarding norms but, as the argument unfolds, it ought to become clear what the relevant alternatives are. As has been pointed out by many authors, the normativity thesis is not very helpful when taken in abstraction as it leaves open the exact place and provenance of the norms involved.2 Furthermore, it is not clear whether the normativity thesis is itself descriptive or normative. Does it claim (descriptively) that all markets, in order to be markets, are normatively regulated in the sense specified? Or does it claim that there may be markets regulated by other (non-moral) norms or by no norms at all and that these markets ought to be regulated by the right kind of norms in order to be, say, good markets? In what follows, these questions will not be satisfactorily answered as the approach instead attempts to reconstruct the idea of markets as developed by Adam Smith. As such, no claims about real markets are involved. Smith, of course, was no idealist and often based his theoretical assumptions on observations concerning the »civilized« societies of his day. The division of labor and its positive effects on productivity, for example, are conceptualized as real economic developments and not as ideal constructs. However, it seems to be clear that Smith repeatedly draws normative conclusions from the observed facts and suggests that these have not been 1

Schultze, Charles L: The Public Use of Private Interest. Washington, D.C. 1977, p. 18. Honneth, Axel: »Markt und Moral: Alternativen der Kapitalismusanalyse«. In: Unerfüllte Moderne: Neue Perspektiven auf das Werk von Charles Taylor. Ed. by Michael Kühnlein and Matthias Lutz-Bachmann. Berlin 2011, pp. 78–103. 2

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adequately articulated in his time. In that sense his work on markets can be understood, in a Hegelian vein, as interpretively reconstructing the rationality and normativity of a given practice. Moreover, if widely accepted, such a reconstruction will to some extent change the way agents understand what they are doing. This formulation does presuppose, of course, that markets do in fact have a normativity to be reconstructed. But even if this is granted, it is part of the reconstruction process to discern the type of normativity at play, and our presupposition does not prejudge that outcome. The only a priori given, a possibility beyond the scope of this article, might be that the idea that markets are norm-free or ruled by non-moral norms itself frequently amounts to a normative thesis according to which particular understandings of markets provide us with the theoretical means to devise regulations or regulation-blocks for real markets. On a Hegelian reading of Smith this second-order normativity does not come as a surprise. Having said this, the normativity thesis is still in need of further clarification. In what sense do markets rely on norms? Among the possibilities envisaged here are the following: (a) Markets feed on social or moral norms prevalent outside the specific realm of markets since they themselves cannot produce the attitudes necessary to stabilize market behavior (say a specific work ethic). This thesis is sometimes called the »parasitic liberalism thesis« as markets appear to make use of attitudes and norms generated in non-economic spheres of action.3 Sociological approaches to markets frame the same idea in terms of functional preconditions for markets. According to another version of the normativity thesis (b) markets do not feed on social norms generated and valid outside their specific realm of action, they are instead constituted by norms that they themselves not only help to generate but which they rely on as well. Call this the constitutional thesis. Axel Honneth seems to aim at this when discussing an understanding of markets that he labels »normative functionalism« or »moral economism«.4 As should be obvious, it is not easy to distinguish this version of the normativity thesis from functional accounts of the market. One could put it like this: Markets are introduced (say, into feudal contexts) in order to create spaces of equality and mutual respect that were not socially prevalent to the same degree before they were created. Thus, markets do not rely on social norms valid outside the market sphere but generate their own social norms that help to legitimize them and which also render them morally acceptable. Albert Hirschman’s famous account of »political arguments for capitalism before its triumph« and of the »virtues of commerce« can be seen as a case in 3

Bowles, Samuel: »Is Liberal Society a Parasite on Tradition?« In: Philosophy and Public Affairs 39 (2011), pp. 46–81. 4 Honneth: »Markt und Moral«, p. 90.

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point. In this account, commercial activity relies on and produces its own set of virtues, such as constancy and predictability, that is morally laudable in addition to being economically sensible.5 According to the two positions just sketched, markets are either non-normative in themselves (in the rough sense of normativity introduced above) and thus in need of external norm injection or they are intrinsically normative and thus generate their own normatively valid principles and motives. Both positions, I repeat, agree that markets cannot be understood as functioning well (or perhaps as functioning at all) without a normative basis or backing. In that sense, they are rather similar. But the difference between them is still considerable. Think of typical Weberian accounts of capitalist markets such as that given by Luc Boltanski and Ève Chiapello in The New Spirit of Capitalism. Boltanski and Chiapello claim that, in itself, capitalism is an absurd system in need of »powerful moral reasons for rallying« around it.6 The underlying idea is that capitalism cannot internally generate the motives it needs to establish itself and thus requires external motivational input. Put differently, as capitalism is in itself free of moral considerations it needs argumentative support from other spheres of social action. From the perspective of the constitutional thesis this idea of an external injection of norms or of parasitism does not make sense, as markets are perceived to be intrinsically linked to a set of strong reciprocal norms that help to successfully establish them in the first place and which are also required in order to stabilize them. Despite a general similarity between the parasitism and constitutional thesis, strong differences remain and need to be kept visible. In what follows I want to discuss how to situate Adam Smith’s approach to markets in this debate. In a certain sense this endeavour looks like renewing the old Adam Smith problem that originated in Germany in the 19th century, which concerned the relation between Smith’s The Theory of Moral Sentiments (first edition published in 1759) and his An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (first edition published in 1776); that is, the problem of the relationship between his ethics and his economics.7 The basic tenet of this 5

Hirschman, Albert O.: The Passions and the Interests: Political Arguments for Capitalism before Its Triumph. Princeton 1977. 6 Boltanski, Luc/Chiapello, Ève: The New Spirit of Capitalism. London 2007, p. 9. 7 Montes, Leonidas: »Das Adam Smith Problem: Its Origins, the Stages of the Current Debate, and One Implication for Our Understanding of Sympathy«. In: Journal of the History of Economic Thought 25 (2003), pp. 63–90. See also Dickey, Laurence: »Historicizing the ›Adam Smith Problem‹: Conceptual, Historiographical, and Textual Issues«. In: Journal of Modern History 59 (1986), pp. 579–609; Teichgraeber, Richard F.: »Rethinking Das Adam Smith Problem«. In: Journal of British Studies 20 (1981), pp. 106– 123.

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»problem« was that both books appeared to be irreconcilable or inconsistent in that the one proposed a complex theory of human sympathy as a central motivational set-up whereas the other suggested an egoistic concept of self-interest as, apparently, guiding us in most of our activities. Most recent commentators agree that the (historical) Adam Smith problem has been misconceived due to superficial readings of both books but particularly of Smith’s Theory of Moral Sentiments. Thus D. D. Raphael claims that Smith never meant to introduce sympathy as a motive of human action but merely as a »constituent of moral judgment«. If true, this would imply that sympathy and self-interest could not possibly compete with each other as the concept of sympathy does not refer to a psychological motive of action but to an affectively loaded judgmental perspective that allows us to determine whether given acts are morally appropriate or not.8 Seen in this light, the perspective of sympathy may even be taken up in judging whether strictly economic motives of action, say selfinterest, are morally laudable or not. Furthermore, it is often claimed that The Wealth of Nations never assumes that self-interest is the sole motive of human action.9 Other authors treat The Theory of Moral Sentiments and The Wealth of Nations as complementary. The idea is, in the words of Charles Griswold, that commerce helps »to sustain the moral character of citizens«.10 As we will see, this reading is close to the constitutional thesis outlined above, for it suggests that market transactions require great doses of sympathy that allow us to look at situations from each other’s point of view. Consequently, if The Theory of Moral Sentiments spells out the conditions under which humans become virtuous, then a liberal commercial society should range among them.11 8

Raphael, David D.: The Impartial Spectator: Adam Smith’s Moral Philosophy. Oxford 2007, p. 116. 9 Ibid. 10 Griswold, Charles L.: Adam Smith and the Virtues of Enlightenment. Cambridge 1999, p. 265. 11 Interestingly, the role of Smith in Hirschman’s narrative (The Passions and the Interests) is ambivalent. While Smith, according to Hirschman, accepted the idea that commerce makes for »more orderly government« (p. 102) he reserved this positive function of commerce to feudal lords being »unwittingly« (ibid.) transformed into more or less peaceful merchants (thus losing their political dangerousness) while doubting that the same could be said of kings and governors. In fact, Hirschman suggests that, for Smith, »economic progress is possible regardless of improvements in the political environment« (p. 103) – a thought in line with the assumed existence of market-endogenous virtues. However, Hirschman takes Smith to lose sight of the autonomy of the commercial virtues by re-embedding them into the set of the more traditional passions (namely those passions that commercial interest, in Hirschman’s story, was originally pitted against) such as the »desire for consideration« (p. 109). In emphasizing such »noneconomic springs of economic action« (p. 110) and in virtually equating »the passions with the interests« (ibid.) Smith reopens space for assessing economic transactions in a more

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What these brief remarks show is that the Adam Smith problem has not been fully relegated to the history books but has simply shifted onto a new argumentative basis. In other words, the question of the exact relation that The Theory of Moral Sentiments bears to The Wealth of Nations is still being discussed and is by no means outdated. The only difference between the old debate and some of the newer accounts is that, for reasons of a greater familiarity with The Theory of Moral Sentiments, today it appears to be easier to detect significant overlap between Smith’s ethics and his economics. I will follow this trend in attempting to spell out the rich normative vocabulary present not only in Smith’s explicit moral theory but also, albeit often submerged, in his economic writings. My basic claim will be that the perspective of self-interest that appears to be central to Smith’s account of the market must be surrounded by various other value-laden attitudes and perspectives that help to make reliance on self-interest possible in the first place. In other words, only if the perspective of self-interest is embedded in attitudes of mutuality and cooperation that do not themselves reduce to self-interest can self-interest play its coordinating role in social life. Furthermore, I will treat the famous impartial spectator developed in The Theory of Moral Sentiments as a morally charged reflective device allowing us to assess a given social or, for that matter, economic practice in terms of its guiding principles and ideas. Put differently, I will read certain passages of The Wealth of Nations through the imagined eye of an impartial spectator equipped with the ability to transcend individual positions and perspectives and thereby be situated in a space beyond the self-love characteristic of these individual positions and perspectives. In taking up the perspective of the impartial spectator we are thus able to reflectively stabilize our practices by asserting or reasserting the intrinsic worth they have for us. The idea of stability »under reflection« I adopt from Bernard Williams. In his Truth and Truthfulness he shows that it is not possible to coherently defend the non-instrumental value of a practice in instrumental terms (as when utilitarians sometimes try to defend the non-instrumental value of certain moral attitudes on utilitarian grounds). If we think about it, we will realize, as Williams says, that in such critical perspective. If, as Hirschman states in Rousseauian terms (p. 109), all amour de soi really is amour propre, if the final aim of »bettering our condition« is, as Smith says in The Theory of Moral Sentiments (Smith, Adam: The Theory of Moral Sentiments. In: The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith, I. Ed. by D. D. Raphael and A. L. Macfie. Oxford 1976, p. 50), »to be observed, to be attended to, to be taken notice of with sympathy, complacency, and appreciation«, then we can ask whether falling for commercialism really allows us to fulfill this aim. Some commentators assume that the alleged recognitional aspect of commercial activity rests on an illusion that robs it of some of its normative force. Others defend an independent realm of »bettering our condition« that is normatively innocent (and thus compatible with amour de soi).

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cases the »spirit being justified« diverges from the »spirit of the justification«.12 Transposed to Smith this means that any defense of self-interest ought to show its intrinsic worth by linking it to other values that it helps to shape and is inherently related to. The device of the impartial spectator can be used in this sense to reflectively stabilize our practices. Such a device allows us to assess whether the spirit of the practices being justified and the spirit of the justification are still in line. While this may sound as if the impartial spectator is, in Griswold’s words, used as a »heuristic procedure, one way … of checking the accuracy of our view of things«, it should be remembered that, as Griswold himself says, the impartial spectator »has normative force in part because it defines the moral point of view already latent in ordinary life«.13 This should not be read as suggesting that the judgments of the impartial spectator always cohere with the actual judgments of a moral community. This is not the case, as the impartial spectator can transcend communal positions just as much as it can transcend individual biases or prejudices. The impartial spectator can achieve such transcendence as it is in principle capable of adopting the point of view of a less involved third party that judges events and situations from the outside. What matters here, however, is the idea that the articulation of »latent« moral contents can prove that given practices fall short of their own normative requirements and that it is the impartial spectator who gives voice to this possible discrepancy. One question left open is the extent to which processes of reflective stabilization have to be consciously undertaken by the involved subjects. Smith at one point says that »habit and experience« have taught us to judge situations through the eyes of a »third person … who judges with impartiality«. We do this, he adds, »so easily and so readily, that we are scarce sensible that we do it«.14 If this is true, the perspective of the impartial spectator can be naturalized to some extent and must not be consciously applied, as it were, to singular instances of morally relevant judgments. Following Williams, I will briefly substantiate this thought with reference to the question of trust and trustworthiness.

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Williams, Bernard: Truth and Truthfulness. Princeton, Oxford 2002, p. 91. See already Williams’ treatment of these questions in Ethics and the Limits of Philosophy. London 1985, ch. 6. 13 Griswold, Charles: »Imagination: Morals, Science, and Arts«. In: The Cambridge Companion to Adam Smith. Ed. by Knud Haakonssen. Cambridge 2006, p. 39. 14 Smith: The Theory of Moral Sentiments, pp. 135–136.

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I. In my introductory remarks I claimed that the perspective of self-interest that appears to be central to the functioning of market societies must be surrounded by various other values or value-laden attitudes that help to make mutual reliance on self-interest possible. My point is not that, as has often been emphasized, Smith’s economic theory allows for various psychologically relevant motives and character traits and cannot be reduced to a single motive of self-interest.15 Rather, my point is that self-interest itself cannot be the basis for stable forms of interaction if it isn’t accompanied or surrounded by various other evaluative attitudes that provide it with intrinsic worth. I leave the concepts of »motive« and »attitude« deliberately loose as I do not want to insert a conceptual precision into Smith that isn’t there. But it might help to note that on my account motives are psychologically manifested springs of action whereas attitudes crystallize in evaluative judgments that can help to make sense of motives but which also have independent intrinsic worth. What has to be shown is that self-interested motives of action are embedded in a larger evaluative frame that helps to supply them with the meaning and value they have. On the other hand, a specific understanding of self-interest helps to materialize these values and gives them practical shape. Still, these values carry their own evaluative weight and cannot be reduced to the values inherent in selfinterest. Among the values I have in mind here – values that have been introduced as a frame for economic action – are such basic values as freedom, equality and dignity but also others that might be mentioned such as cooperation, peace or specific (economic) virtues. However, let me begin with Smith’s famous invisible hand that, in The Wealth of Nations, appears in a context dealing with »individuals« promoting what Smith calls »the public interest« by concentrating on their own interests.16 While the notion of »public interest« cannot be discussed at length, it clearly appears to refer to a state of society that allows individuals to better promote their various goals but which cannot, in evaluative terms, be 15

Cf. Morgan, Mary: »Economic Man as Model Man: Ideal Types, Idealization and Caricatures«. In: Journal of the History of Economic Thought 28 (2006), pp. 1–27, p. 2: »Smith’s economic man shows himself to be a complex mixture of instincts, talents, motivations, and preferences«; see also Fleischacker, Samuel: On Adam Smith’s Wealth of Nations: A Philosophical Companion. Princeton, Oxford 2004, p. 86; also Haakonssen, Knud/Winch, Donald: »The Legacy of Adam Smith«. In: The Cambridge Companion to Adam Smith, p. 374. 16 Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. In: The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith, II, vol. 1+2. Ed. by William B. Todd. Oxford 1976, p. 456 (vol. 1).

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reduced to these interests. This becomes clear if we take a closer look at the economic context of the argument. As is explicit from the chapter-title, the central question concerns »Restraints upon the Importation from foreign Countries of such Goods as can be produced at Home«. For various reasons Smith is rather critical of import restraints implemented by governments and prefers to let »private people« make their own decisions as to how to spend their capital. Here is one of the reasons why Smith thinks this is to be preferred: »As every individual … endeavours as much as he can both to employ his capital in the support of domestick industry, and so to direct that industry that its produce may be of the greatest value; every individual necessarily labours to render the annual revenue of the society as great as he can. He generally, indeed, neither intends to promote the publick interest, nor knows how much he is promoting it. By preferring the support of domestick to that of foreign industry, he intends only his own security; and by directing that industry in such a manner as its produce may be of the greatest value, he intends only his own gain, and he is in this, as in many other cases, led by an invisible hand to promote an end which was no part of his intention. Nor is it always the worse for the society that it was no part of it. By pursuing his own interest he frequently promotes that of the society more effectually than when he really intends to promote it.«17 It is important to keep in mind that the argument for the invisible hand is addressed to a legislative body that can best fulfill its purpose, namely improving the common welfare, if it refrains from preventing individual merchants from using their capital as they think fit. As Emma Rothschild has shown in her brilliant (though controversial) discussion of the invisible hand, this thought and its implications stand in tension with many other insights of Smith.18 After all, what the argument says is that individual agents are incapable of assessing the collective consequences of their actions but that there is an entity, Rothschild sometimes alludes to it as »the theorist«, that does indeed infallibly recognize what is obscured by this incapacity or blindness.19 Yet such wisdom of (theoretical) authorities, Rothschild suggests, is inimical to Smith’s general interest in dignifying the authority and prudence of individual judgment: »Smith is thought of, rightly, as a great defender of individual freedom. He is a defender of enlightenment, in the sense of the disposition of individuals to be independent and to see through projects; he sees the people as the best judges of their 17

Ibid. Rothschild, Emma: Economic Sentiments: Adam Smith, Condorcet, and the Enlightenment. Cambridge/Mass., London 2001, p. 124. 19 Ibid. 18

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own interest«.20 In a certain sense, then, the idea of the blindness of individuals to the larger consequences of their actions clashes with the idea of the superiority of individual judgment in assessing the welfare effects of individual action and it also introduces a type of agency that apparently discerns more than these very individuals, certainly with respect to questions of the collective good. If we ignore this agency for the moment, what we are left with is a strong defense of individual autonomy that implies positively valuing democratically distributed judgmental capacities. Unsurprisingly, in his posthumously published Lectures on Jurisprudence Smith criticizes Locke’s account of tacit consent by pointing out that all those who have not agreed to the original contract (that is, most of those born later) cannot be said to have obligations to the central political institutions even if they continue to live in the country. They are not fully conscious of the original decisions and therefore cannot be obligated to adopt a loyal stance towards »their« political authorities. As Smith says: »The foundation of a duty cannot be a principle with which mankind is entirely unacquainted. They must have some idea however confused of the principle upon which they act.«21 What this suggests is that the principles upon which public authorities act and the principles to be followed by their subjects must not only be common knowledge but must also be accepted as legitimate by the subjects. And this means that they are not in principle incapable of assessing public matters even though the invisible hand passage in The Wealth of Nations appears to say just that. I take the tension highlighted by Rothschild to be a real tension that must be resolved or at least adequately dealt with. In general, then, Smith tends to upgrade individual judgment. The context of the invisible hand passage itself, curiously, leaves no doubt about this. As noted, Smith is skeptical of import restrictions on foreign goods that can also be produced by the national market. This support for domestic markets also results if individual merchants are left alone to decide for themselves where to invest. Interestingly, this is where the category of trust enters Smith’s argument for each »wholesale merchant naturally prefers the home-trade to the foreign trade of consumption, and the foreign trade of consumption to the carrying trade« as he is intent on keeping an eye on his capital and prefers to trade with those within reach: »He can know better the character and situation of the persons whom he trusts, and if he should happen to be deceived, he knows better the laws of the country from which he must seek redress.«22 Even if the 20

Ibid., p. 123. See also Fleischacker, Samuel: A Third Concept of Liberty: Judgment and Freedom in Kant and Adam Smith. Princeton 1999, ch. 6. 21 Smith, Adam: Lectures on Jurisprudence. In: The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith, V. Ed. by R. L. Meek, D. D. Raphael and P. G. Stein. Oxford 1978, p. 403. 22 Smith: The Wealth of Nations, p. 454 (vol. 1).

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judgmental capacity mentioned here remains local and is praised as local, it is hard to see why judgments that move beyond the confines of a given locality should not also be possible. In The Theory of Moral Sentiments Smith says that the »qualities most useful to ourselves are … superior reason and understanding, by which we are capable of discerning the remote consequences of all our actions.«23 But, if this is true, why would the same Smith assume that we can never adopt aims geared towards the common good as part of our motivational set-up? The statement that it isn’t »always the worse for the society that it [the public interest] was no part of it [the intention of the individual]« could be taken as cautiously addressing those who think that they intend solely to serve the common good in all their actions while, in actuality, they cater to their private interests. Self-interest and the common good appear to be compatible if the former is openly acknowledged and if the latter is not treated as the arcane knowledge of the privileged few. What is important, then, is to attribute to individual agents the capacity to implement their economic autonomy as a condition of realizing their moral autonomy and that this, in turn, manifests itself in their judgmental competence and prudent foresight. If the rational interest that thus expresses itself in economic action is seen in this larger evaluative frame, it attracts specific values such as freedom and autonomy that have intrinsic worth and allow one to defend economic freedom even if it sometimes does not serve one’s own interests (which is, as we know, often the case). We tend to interpret the notion of interest as an antagonistic category that pits one individual, class or group against another individual, class or group. In Smith, however, interest acquires an egalitarian dimension. This becomes obvious if we recall that, historically, the notion of interest was reserved for the common people while the upper strata of society supposedly cared for the common good and exercised the requisite virtues to do so.24 Democratizing the notion of interest by stipulating that all individuals, independently of class or group membership, follow certain interests thus attacked the idea of the supposed selflessness of the upper social strata and cultural elites. If interest-based goals are seen to be legitimate then they acquire further normative weight because they can now be seen to oppose relations of one-sided domination and superiority. Another famous passage in The Wealth of Nations may clarify what is meant by these ideas. »In civilized society he [man] stands at all times in need of the cooperation and assistance of great multitudes, while his whole life is scarce sufficient to 23

Smith: The Theory of Moral Sentiments, p. 189. See Hirschman, Albert O.: »The Concept of Interest: From Euphemism to Tautology«. In: Hirschman, Albert O.: Rival Views of Market Society and Other Recent Essays. New York 1986, pp. 35–55. 24

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gain the friendship of a few persons. In almost every other race of animals each individual, when it is grown up to maturity, is entirely independent, and in its natural state has occasion for the assistance of no other living creature. But man has almost constant occasion for the help of his brethren, and it is in vain for him to expect it from their benevolence only. He will be more likely to prevail if he can interest their self-love in his favour, and show them that it is for their own advantage to do for him what he requires of them. Whoever offers to another a bargain of any kind, proposes to do this. Give me that which I want, and you shall have this which you want, is the meaning of every such offer; and it is in this manner that we obtain from one another the far greater part of those good offices which we stand in need of. It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own interest. We address ourselves, not to their humanity but to their self-love, and never talk to them of our own necessities but of their advantages. Nobody but a beggar chooses to depend chiefly upon the benevolence of his fellowcitizens.«25 The term benevolence here stands for an action that withdraws from motives of self-interest. The beggar who appeals to the benevolence of his fellow-citizens does not assume that what he asks of them is in their self-interest, as he has nothing to offer them in return. This is why he finds himself in a position of weakness and extreme inequality. He lacks the means to satisfy or respect the legitimate interests of the other. While he may attempt to satisfy his own wants through begging and may even obligate the other to reciprocate (if the other does so he certainly acts virtuously), Smith’s main point concerns the dependency resulting from having to rely merely on the benevolence of others. Being dependent on the benevolence of the other implies focusing on one’s own desires without being able to consider those of the other. The beggar thus loses an argument, as it were, that might lead the other to deal with his request and this creates the dependency. In a certain way the beggar is forced to ignore the interests of the other and establishes, strange as that may sound, an asymmetry between himself and the other that he himself would prefer to abrogate if possible. Consequently, the ability to appeal to the interest of others has an equalizing force; having nothing to offer implies, on the other hand, that one loses the ability to respect the interests of others. This description of the situation may appear cynical because it is not the beggar who establishes the asymmetry, but instead his weak position that 25

Smith: The Wealth of Nations, pp. 26–27 (vol. 1). In the discussion following the quote I rely on Hartmann, Martin: Die Praxis des Vertrauens. Berlin 2011, pp. 483–485.

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forces him to beg (how he came to be in this position is never mentioned). He simply lacks the means to equalize the original asymmetry. However, the point is not the question of whether Smith suggests measures to avoid poverty and extreme inequality but rather that the notion of interest itself – introduced in this specific context – can serve to level potential asymmetries between agents. The thesis is that this can only be the case if one has the means to stimulate or appeal to the (self-) interests of the other. Only if this is the case can one be free from the whims of the other. It is no accident that Smith’s model of commercial society has often been compared to rhetoric. Smith himself mentions such a comparison in his Lectures on Jurisprudence. According to this line of reasoning, the disposition to truck and barter is founded on the »natural inclination every one has to persuade. The offering of a shilling, which to us appears to have so plain and simple a meaning, is in reality offering an argument to persuade one to do so and so as it is for his interest«.26 The requirement to persuade others implies that they are not forced into complying with one’s goals and that one takes up and seriously considers their perspectives and situation. Seen in this light, Smith’s model of exchange actually rests upon the theory of sympathy developed in The Theory of Moral Sentiments, even though it has frequently been treated as precursor to modern rational choice approaches. Griswold puts this point very well: »Elementary processes of exchange require that we look at the situation from each other’s point of view, grasp the other’s situation and perspective, and calibrate our own demands accordingly. This is not merely analogous to the process of sympathy described in The Theory of Moral Sentiments, it is built upon it.«27 As we will see, this reference to »calibrating our own demands« may 26

Smith: Lectures on Jurisprudence, p. 352. See also Fleischacker: On Adam Smith’s The Wealth of Nations, pp. 90–94, and Otteson, James R.: Adam Smith’s Marketplace of Life. Cambridge 2002, p. 92. 27 Griswold: Adam Smith and the Virtues of Enlightenment, pp. 297–298; see also Fleischacker: On Adam Smith’s Wealth of Nations, pp. 90–91: »Unlike the beggar … the butcher’s customer can appeal to someone else’s needs rather than bleating self-pityingly about his own. Thus, regardless of whether the butcher is self-interested, the argument of the passage depends on the butcher’s customer being able to perceive, and address himself to, other people’s interests. Instead of an almost Ayn Randian exaltation of selflove, we may now see these famous lines as focusing on our capacity to be other-directed.« These statements of Fleischacker somewhat belie his attempts, expressed in other passages of his book, to demoralize his reading of The Wealth of Nations and distinguish strictly political from strictly moral aspects (e. g. pp. 55–57). To my mind, admitting that »the virtues of commerce include not just peace among nations, but the moral bases of individual freedom and mutual respect« (p. 94) amounts to admitting that commercial exchange, as theorized in The Wealth of Nations, is based on moral capacities such as sympathy’s perspective taking. At the same time, however, I find Fleischacker’s claim that homo moralis requires homo economicus (p. 120) extremely important as it high-

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even point to the importance of the impartial spectator whose role seemed to disappear from The Wealth of Nations. What we can now begin to see is the extent to which economic transactions, if organized along egalitarian parameters, are based on complex moral capacities. Following Smith’s use of rhetorical devices once more, one could say that slaves, as Smith points out in another context, do not have to be persuaded as one can issue orders to them. Therefore those who want to rule prefer slaves to »freemen«. As Smiths adds: »Nothing mortifies him [man] so much as to be obliged to condescend to persuade his inferiors«.28 What the slaves lack, according to this model, is what we today call dignity. So, respecting the interests of the other is a means to secure and stabilize such dignity. Smith repeatedly calls the rules of justice that require individuals not to harm others and to refrain from all actions that could diminish their happiness sacred. Moreover, the »property which every man has in his own labour« is »the most sacred and inviolable«.29 Without respect for the inviolability of the other there can neither be a market economy nor a society at large. If there is any »society among robbers and murderers,« Smith writes, »they must at least … abstain from robbing and murdering one another«.30 They must understand, in other words, that there cannot even be bad practices or institutions without knowledge of the rules establishing just about any practice or institution. In contrast to Kant, for Smith a race of devils cannot found a state.31 Having (much too) briefly mentioned autonomy, equality and dignity as the moral framework for commercial society, it is worth noting that various other social and institutional conditions must be added before these moral attitudes can become practically realizable. I want to mention just one such phenomenon here that has been labeled »commercial universalism« and that can be exemplified by referring to the role of trust in market relations.32 With the onset of the modern market society trust lost some of the exclusivist and authoritybased tendencies it previously had. Put differently, while trust in feudal times took on the form of a loyal bond between vassal and liege but yet did not exlights that the exercise of most of our moral capacities rests on material preconditions that include just distributions of resources. 28 Smith: The Wealth of Nations, p. 388 (vol. 1). 29 Ibid., p. 138 (vol. 1). See Griswold: Adam Smith and the Virtues of Enlightenment, p. 238: »The rules of justice are sacred because what they protect – the human individual – is as sacred as is the domain of a god. This ringing declaration of the sanctity of the individual is at the heart of Smith’s moral philosophy and political economy.« 30 Smith: The Theory of Moral Sentiments, p. 86. 31 Cf. Griswold: Adam Smith and the Virtues of Enlightenment, p. 295. 32 Silver, Allan: »Friendship in Commercial Society: Eighteenth-Century Social Theory and Modern Sociology«. In: American Journal of Sociology 95 (1990), pp. 1474– 1504.

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tend beyond their relation, the emerging market society allowed trust to spread massively among people. Potential or real enemies now became potential collaborators within a market that could spread way beyond the confines of national borders. Consequently, the emerging capitalist production process was accompanied by the evolution of civil forms of self-understanding that allowed for and stimulated the spread of non-combative relations no longer tied to patronage relations geared towards securing the honor of the parties involved. We may say that this process generated a democratization of social benevolence and of attitudes of social cooperation that had a far-reaching impact on the societies involved. For where new possibilities of cooperation transcending the traditional corporate allegiances emerged, a new understanding of intersubjectivity had to develop that allowed extended forms of trust in strangers to materialize and to become ontically real.33 It may be too strong to speak of an increase in general benevolence in this context, but the point that matters is that the process of discovering others as partners in economic cooperation does significantly change the social cosmos of the period. Apart from the commercial virtues that may now uproot more traditional honor-based shapes of character, new attitudes towards others helped to establish the doux commerce that Hirschman and others have so often described in vivid terms. Put differently, apart from more specific moral values such as autonomy, equality or dignity, the spread of markets has had its own positive effects that can be conceptualized on the basis of the normativity theses. Of course, this does not mean that markets have no negative effects. Smith was, as is well known, fully aware of them. But in enriching our picture of markets we not only gain a fuller and more complete picture of their various normative features, we also gain new possibilities for criticizing them on their own terms. To give just one example, it ought to be clear that in Smith’s model of the economy poverty is to be avoided at all costs as it is poverty that forces individuals into dependence. For Smith freedom and equality go hand in hand. In fact, if general dependence results from an inability to take another’s interest into consideration and from depending on their goodwill, then what is today often called equality of resources seems to be a precondition for freedom. Of course, we are used to arguing that poverty creates conditions of disrespect and humiliation. But if I am not mistaken, Smith gives an interesting twist to this argument by adding that, at least in market relations, poverty also implies the inability of the poor to equally respect other people’s interests. They cannot, in other words, engage in the kind of perspective-taking that is relevant to market societies. If these reflections are correct, then values such as freedom, equality and even mutual respect are inherently linked to market society and not just 33

Cf. Taylor, Charles: A Secular Age. Cambridge/Mass., London 2007, p. 162.

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functional preconditions. Consequently, the justification of markets should not merely rely on notions of efficiency and self-interest even though they should not be taken lightly. The point is that markets can only implement efficiency and self-interest if they are backed up by a plurality of values that can be intrinsically esteemed. This is part of the idea of »moralized« markets depicted at the beginning of this chapter. It is important to add that Smith does believe that there are strong behavioral and affective indications for this dimension of intrinsic esteem. Thus, while Smith does not doubt that men have economic incentives and enjoy wealth, he sees further motives at work in them. »What reward,« he asks, »is most proper for promoting the practice of truth, justice, and humanity? The confidence, the esteem, and love of those we live with. Humanity does not desire to be great but to be beloved. It is not in being rich that truth and justice would rejoyce, but in being trusted and believed.«34 As part of just behavior is simply the readiness to accept those rules that demand respect for another’s integrity and standing, it becomes clear that being just is a precondition for the liberty and equality typical of market societies. In other words, the rewards for justice, namely trust and confidence, are valued independently of any gains resulting from a just disposition and it is these rewards that allow market societies to be what they would like to be according to their own standards.

II. So far I have spelled out some aspects of what was called the normativity thesis above. This thesis claimed that markets are regulated by reciprocally accepted norms that are not just norms of self-interest but also norms that encapsulate reference to the motives or interests of other market participants. Referring to several of Smith’s ideas in The Wealth of Nations I have tried to show what the normativity thesis might amount to. I am aware that my reflections have been rather superficial and require further substantiation in many places. Thus, my claim is not that markets are sufficiently stable in so far as they are structured around the norms specified so far. Markets are also legally structured entities, they rely on complex processes of information exchange, they often produce their own specific types of inequality, and so on. I remain silent about most of these additional aspects. My focus in what follows will be the notion of intrinsic worth. The claim is that for the idea of self-interest to be reflectively stable it must be surrounded by various other values that we are able to attach intrinsic worth to. Some of these values such as autonomy, equality and dignity have al34

Smith: The Theory of Moral Sentiments, p. 166.

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ready been mentioned in the first part of this chapter. But, apart from the thesis that they are somehow expressed or articulated in market-oriented commercial activity, I have not said much about their precise relation to this kind of activity. By reflective stability I mean, following Bernard Williams, that the spirit of the justification of our practices must be compatible with the spirit justified. For instance, in order to avoid Prisoner’s Dilemma situations, we might try to justify our willingness to restrain utility maximization with reference to the apparent fact that such restraint (say, the acceptance of certain moral norms) is the only way to better maximize utility. However, this would create what Williams calls a »lack of fit« between the norm to be justified (egocentric utility maximization) and the justifying norm (moral restraint).35 Both norms, egocentric utility maximization and the readiness to accept certain moral restraints, contradict each other if the idea is that the acceptance of moral norms is the best means to reach the overriding goal of utility maximization. The problem is, as Williams says, how a »self-interested agent who is armed with this reflection and no more, and who knows that the other parties are in the same situation, will not simply be returned to the Prisoner’s Dilemma: each party will fear that the other party will not act as a constrained maximizer, and so reasonably does not act in that way himself«.36 What this means is that instrumental justifications of non-instrumental norms (norms of morality) must fail; it also means that we must be able to find non-instrumental (intrinsic) justifications for these norms and that only if this is done will we be able to also find stable justifications for explicitly instrumental norms such as the self-interest norm. It is clear that more has to be said in this context about the notion of intrinsicness. For Williams, valuing a good intrinsically should not just amount to saying that it is good because it is good. Rather, what we need to be able to do in order to understand what it might mean to value a good intrinsically is to coherently relate it to other values that we consider to be of importance to who we are and what we do. Thus, as we have just seen, in Smith truth-telling and trustworthiness seem to be intimately linked to each other in the sense that our willingness to tell the truth does not aim at getting rich but at being recognized as trustworthy. Being seen as trustworthy, in turn, is not good because it is good, it is good because it expresses an attitude that has come to make sense to us. This might be called an intrinsic valuation of a good even though it is accepted that the good (truth-telling) is related to other goods or helps a certain practice to materialize. The intrinsic nature of our esteem for a good thus rests not only on our attitude towards the good but also on our attitude towards the other goods the good is closely related to. With respect to truth35 36

Williams: Truth and Truthfulness, p. 91. Ibid.

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telling this means that we desire other people’s trust for the sake of wanting to be recognized by them as just and truthful. The desire to be recognized as just and truthful may, of course, have many sources; what is of interest in this context is that justice and truthfulness are also constitutive virtues of a fair market society and allow it to create an atmosphere of mutual reliance and respect. While this may still sound like an instrumentalist justification of truth-telling (good for a specific practice of commercial activity), it is instrumentalism with a proviso. The proviso says that it has come to make sense to us to treat the willingness to be just and truthful in non-instrumental terms as these values express who we are and who we want to be in addition to their practical effects on commercial activity.37 Furthermore, the commercial activity can only be reflectively stable if enough of us adopt non-instrumental attitudes towards the central values involved in market transactions. Put differently, given the stipulated close link between markets and the various values materialized in them we will only be able to justify these markets to ourselves as long as we recognize their normative framework as more or less intact and still related to them but yet also expressed in them. From this perspective, not only must a slave market appear degenerate but also any markets that allow for or provoke inequalities that force individuals into relations of dependency.38 I now want to claim that the impartial spectator is a morally charged device allowing us to assess whether our practices still follow coherently endorsable principles and norms and can thus still be justified as intrinsically worthy. The impartial spectator represents an impartial perspective by abstracting from individually charged perspectives and taking up the perspective of a collective »us« that manifests itself as such in our common affective and judgmental reactions to the intentional actions of others. As such, this device is closely linked to Smith’s account of sympathy but it is also an idealized observer aware of the adequate reactions in any given situation. As we have seen, sympathy does play a role in economic transactions by helping us to assess the normative quality of exchange processes (and in criticizing slavery, for example). To repeat, if we think of all the attempts of economic actors to find out what other actors really desire, economic processes are full of perspective-taking. If we thus transfer Smith’s language of sympathy as introduced in The Theory of Moral Sentiments to his economic writings we might say that, in taking up the perspective of another person and imagining what she feels like, we do not just

37

See Anderson, Elisabeth: Value in Ethics and Economics. Cambridge/Mass., London 1993, ch. 2 for an »expressive« theory of rational action. 38 Cf. Satz, Debra: Why Some Things Should Not Be For Sale: The Moral Limits of Markets. Oxford 2010; I have reviewed Satz’s book in: Zeitschrift für philosophische Literatur 2 (2014), pp. 1–11.

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empathize with that person in the sense of feeling what she feels like but, to use Smith’s terms, we also judge her reaction to a given situation as proper or improper. In fact, according to my reading, the similarity or »concurrence« of feelings is what constitutes sympathy.39 If we deem a given reaction to a situation to be wrong, we do not actually sympathize with the person even though it might be necessary to switch perspectives in order to find out who the person is and why she reacts as she does. Understanding why someone reacts as she does is one thing; to sympathize with that person is another. In sympathy we consider the reaction to be the correct one given a specific situation and its specific demands. Sympathy, then, is a positive evaluative stance or attitude that encapsulates collective standards of propriety or impropriety. The impartial spectator is the internalized source of these collective judgments and formulates what we regularly take to be correct reactions to specific situations. He represents what Smith calls the »general rules of morality«.40 The judgments of this spectator, then, flowing as they do into our acts of sympathy, instantiate what I would call a community of feeling that creates and corroborates a common practice such as the practice of exchanging goods on markets. What this means is that the perspective of the impartial spectator can also be inserted, as it were, into our reading of The Wealth of Nations. If we submit commercial activity in this way to the judgment of the impartial spectator, 39

Smith: The Theory of Moral Sentiments, p. 160. It is a difficult task to determine whether sympathy is itself a feeling or not, for it could appear to simply be the approval or disapproval of events and behaviors expressed on the basis of the presence or absence of fellow-feeling. Raphael (The Impartial Spectator, p. 14) says this: »The spectator’s judgment arises from imagining himself in the agent’s place and comparing the motivating feeling of the agent with the feeling that he himself would have in the imagined situation. If his own imagined feeling is the same as the actual feeling of the agent, he is ›sympathizing‹ with the agent, and his awareness of the sympathy (fellow-feeling) is given expression in approval.« Taken literally, this interpretation of Smith’s model calls for two simultaneous feeling-states; the imagined feeling of myself in place of the other (say, I feel grief in a situation in which I take the other to feel grief) and the fellowfeeling of sympathy I feel on the basis of taking my imagined grief to be the appropriate feeling in the given situation. However, if sympathy is the »awareness« of fellow-feeling it does not seem to be an independent feeling-state. It just is the awareness of the same feeling here and there, it is not another feeling. To sympathize, then, means to feel the same as the other and to be aware of this (imagined) affective sameness. Whether this awareness amounts to another (second-level) feeling-state (one to be distinguished from the felt grief) cannot be clarified here. Griswold, to add just one more point, denies that sympathy is to be equated with approval (see Griswold: »Imagination: Morals, Science, and Arts«, p. 25) for he takes it to be possible to sympathize with someone without approving his feelings or reactions. As far as Smith is concerned, I am not convinced and side with Raphael’s position. Part of the problem stems, I think, from Griswold’s quasiidentification of imagination with sympathy. 40 Smith: The Theory of Moral Sentiments, p. 159.

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we relativize merely subjective perspectives as the impartial spectator takes up the perspective of one among many. Interestingly, The Theory of Moral Sentiments does contain a passage that treats »prudence« as accepted by the impartial spectator: »In the steadiness of his industry and frugality,« Smith says, »in his steadily sacrificing the ease and enjoyment of the present moment for the probable expectation of the still greater ease and enjoyment of a more distant but more lasting period of time, the prudent man is always both supported and rewarded by the entire approbation of the impartial spectator, and of the representative of the impartial spectator, the man within the breast.«41 What we see here is that economic prudence is seen by the impartial spectator as acceptable as long as it does not aim at immediate gain or exemplify pure greed. In fact, his approbation encapsulates general acceptance of the pursuit of economic selfinterest as it is surrounded by various evaluatively attractive attitudes (steadiness, willingness to sacrifice present needs). Again, the very fact that economic activity is rendered acceptable by the impartial spectator proves that this activity substantiates values not reducible to self-serving interests. It is, of course, open to controversy what exactly »impartiality« means for Smith. I take the notion to represent commonly acceptable standards of morality and decency which aim at stabilizing and expressing the intersubjective web of social life. Market activity is embedded in this web and gains its legitimacy from just this fact. Put differently, whatever work the invisible hand is to do, it can only do this work if a certain widely shared orientation to the common good is already presupposed. It is an illusion to assume that the invisible hand generates this good behind an individual’s back. On the contrary, it can only do its work if it is embedded in a social and cultural context in which individuals are already cooperatively oriented to others and the main indicator of the presence of such a practice is the existence of a community of feeling as represented in the impartial spectator. The existence of such a community also makes itself known in our severe feelings of indignation to acts that disappoint our expectations of a fairly structured market-reciprocity. Even recent research in behavioral economics suggests that such expectations of a fair reciprocity and the affective attitudes that support and maintain these expectations are defended independently of their effects on self-interest understood as oriented towards utility maximization.42 In exactly this sense the perspective of the impartial spectator adopts ideas concerning what Smith sometimes calls the public interest. If the »man within the breast« is the representative of the common standards of appropiateness, it just wouldn’t make sense to claim that we, as individual agents, 41

Ibid., p. 215. Gintis, Herbert et al. (eds.): Moral Sentiments and Material Interests: The Foundations of Cooperation in Economic Life. Cambridge/Mass., London 2005. 42

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have no idea of the common good. On the contrary, many standards of the common good are present in our common jugdments concerning the moral quality of acts, events and persons. I am aware of the fact that I have taken several shortcuts here that I ought to have avoided if I had more space to develop my thoughts. The figure of the impartial spectator is complicated and provokes many questions (particularly concerning its reach and potential conflicts with conventional wisdom).43 But by developing my interpretation of the role of the impartial spectator I have already hinted at possible answers to the introduction’s final question. The question was to what extent processes of reflective stabilization have to be consciously undertaken by the subjects involved in a practice. I have suggested, quoting Smith, that we can to some extent naturalize these processes and I can now add that the impartial spectator is just the device to do so. The impartial spectator serves as an internal generalized other that spares us from all those acts of perspective-taking that we can’t possibly undertake in market societies where most interaction sequences take place between strangers. The impartial spectator thus serves as a psychological and motivational basis allowing us to repeatedly convince ourselves that we are still part of the practice we take ourselves to participate in. In feeling indignation, for example, about a breach of trust, a collective dimension is present as the indignation rests on common patterns of esteem. We take the indignation to be correct in itself thereby aligning it with a morality of cooperative trust. Smith’s impartial spectator as the voice of concurring sentiments rests on our ability to imagine ourselves in the position of those we take to be wrongfully treated. If we realize at some point that our judgment of a case clashes with common reactions, we either readjust our judgments (though that is by no means an easy affair) or question the rightfulness of the majoritarian reactions (which is even more difficult). With respect to trust it is the voice of the impartial spectator that allows us to generate a sense of trust that integrates us into a practice. Practices in turn presuppose a commonality among those participating in them and have affective and symbolic aspects. Practices of trust for that matter consist in common reasons and common evaluative judgments concerning the practice. If trust is rational, we have reasons to trust others, reasons we have because others have them too. In other words, we have these reasons because we assume that others share them even if we do not have absolute guarantees that they actually do. If a certain attitude of trust has turned into our second nature, its rationality amounts to an openness for negative markers of wrongfully placed trust, an openness 43

See Hartmann, Martin: »Vorstellungskraft, Mitgefühl und Kritik. Überlegungen im Anschluss an Adam Smith«. In: Sozialphilosophie und Kritik. Ed. by Rainer Forst et al. Frankfurt/M. 2009, pp. 506–527.

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that has to remain firmly within the judgmental competence of each actor and cannot be systemically or institutionally substituted. In Truth and Truthfulness Williams suggests that dispositions of trustworthiness can only be secured if the parties involved »come to think that trustworthy behaviour, such as keeping one’s word, has an intrinsic value, that it is a good thing … to act as a trustworthy person acts«, and he notably adds that »it has to be common knowledge that the parties think in this way, the idea of intrinsic value has to be shared, and it has to be understood as part of the culture that it is shared«.44 The difficult question is how we, as individual agents, become aware of being part of such a culture and how we even know that such a culture exists. Rational choice theory as instantiated in the Prisoner’s Dilemma has always assumed that it makes perfect sense to attribute preferences for utility maximization to others in terms of a strong orientation to self-interest. It was this presupposition that created the dilemmas of rationality in the first place. If we want to drop the basic assumptions of this picture of homo economicus and socialize our agents along the lines suggested by the normativity thesis, we still confront the question of what dispositions and mindsets it is rational to attribute to others. If my reconstruction of Smith is correct, integrating the figure of the impartial spectator into the reading of The Wealth of Nations helps us to recognize that the extent of our social embeddedness and our capacity for sympathetic perspectivetaking is much greater than accepted by narrow rational choice theorists – even if we act within and in response to markets.

44

Williams: Truth and Truthfulness, p. 90.

Douglas Moggach

Die Kultur der Zerrissenheit und ihre Überwindung Friedrich Schiller, Bruno Bauer und der ästhetische Republikanismus

Der grundlegende Unterschied zwischen Antike und Moderne lässt sich laut Hegel mit deren unterschiedlichen Auffassungen von Persönlichkeit und Gemeinschaft illustrieren. »Schöne Individualität« beschreibt das Ideal der griechischen Antike, demzufolge die Person Mikrokosmos des politischen Ganzen ist, über bestimmte Tugenden oder Vortrefflichkeiten verfügt und sich harmonisch in ein kollektives Leben einfügt, das noch verhältnismäßig undifferenziert ist, insofern die Arbeitsteilung im Vergleich mit modernen Wirtschaftsformen erst unvollständig ausgebildet ist.1 Zu dieser Gemeinschaft verhalten sich die einzelnen Mitglieder wie Akzidenzien oder Exemplare, welche die Attribute des Ganzen teilen, das nach Aristoteles den Teilen logisch vorausgeht.2 Die antike Gemeinschaft gleicht so einem Organismus und weist ihren Mitgliedern bestimmte Funktionen zu, um das Ganze aufrechtzuerhalten. Der Einzelne entscheidet nicht frei über seinen Platz innerhalb der Totalität, sondern er findet die Rolle, die er im Ganzen spielt, vorbestimmt und vorgeschrieben. Auch die Idee eines kritischen Selbstbewusstseins, des subjektiven Prüfens von institutionellen Geltungsansprüchen, die für das strapazierfähige Subjekt der Moderne charakteristisch ist, ist hier noch nicht anzutreffen. Sobald diese Idee mit Sokrates in Erscheinung tritt, stellt sie eine tödliche Gefahr für die antike Lebensform dar. Nach Hegels Einschätzung erkennt Platon diese Bedrohung und führt das sokratische Programm nicht etwa aus, sondern sucht ganz im Gegenteil Subjektivität und freie Wahl in seiner idealen Polis zu unterdrücken. Im platonischen Denken erkennt Hegel denn auch nichts Utopisches, sondern den klaren Ausdruck des Prinzips der Substantialität und festgesetzter

1

Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke in zwanzig Bänden. Theorie-Werkausgabe. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe. Hg. v. Eva Moldenhauer u. Karl Markus Michel. Frankfurt a. M. 1969 ff., Bd. 7, § 356. (Im Folgenden: TWA mit der Angabe des Bandes.) Hegel betont hier in den Grundlinien der Philosophie des Rechts außerdem den ausschließenden Charakter der griechischen Gemeinschaft, in der nur einige frei sind. Die antike Gemeinschaft bringt jedoch einen inneren Konflikt zwischen menschlichem und göttlichem Recht sowie zwischen Staat und Familie zum Ausdruck. Vgl. die Analyse von Antigone in der Phänomenologie des Geistes: TWA, Bd. 3, S. 328–332. 2 Aristoteles: Metaphysik. Griechisch-Deutsch. Hg. v. Horst Seidl. Hamburg 1989. 2 Bde., 1045a.

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Douglas Moggach

Beziehungen, auf dem der griechische Stadtstaat beruht.3 Dank der Mühen des mittelalterlichen unglücklichen Bewusstseins und der Stärke aufklärerischer Kritik sollte Subjektivität aber letzten Endes triumphieren und sich als Prinzip der modernen Welt durchsetzen. Die große Entdeckung der Aufklärung besteht für Hegel in der Einsicht, dass alles für das Subjekt existiert, sei es in der Form von Nützlichkeit oder Verzehr, sei es als Materie für den Ausdruck von Freiheit.4 Hegels Darstellung nach bringt die moderne Betonung von Freiheit, die sich bei Hobbes und Descartes ankündigt, die klassischen und mittelalterlichen Lehren von starren Grenzen, hierarchischen Orten und der Priorität des Ganzen vor den Teilen zum Einsturz. Der Begriff der Freiheit beseitigt die Natürlichkeit und das Gegebensein von Werten und Beziehungen – und damit deren Unabhängigkeit vom Urteil und der inneren kritischen Beteiligung des Subjekts. Allerdings artikuliert sich das moderne Prinzip der Freiheit zunächst auf einem scheinbar unfruchtbarem Boden, nämlich im Rahmen dessen, was Hegel (der hier Schiller folgt) in seinen Vorlesungen über die Ästhetik als Kultur der Zerrissenheit ansieht.5 In dieser wird das Selbst als entfremdet und stückhaft erfahren, und das Besondere und das Allgemeine, das Individuum und die Gesellschaft scheinen sich in einem unversöhnlichen Gegensatz zu befinden. Wie Hegel im Hinblick auf liberale Naturrechtslehren (die mit Hobbes anheben) treffend bemerkt, ist die überlieferte Gemeinschaft aufgelöst und muss nun – als Akt der Freiheit – aus ihren Elementen neu aufgebaut werden. Moderne Subjekte sehen sich einer objektiven Welt gegenüber, die immanenter Zwecke beraubt wurde und die sie mithilfe der instrumentellen Vernunft zu dominieren suchen. Indem sie kausale Zusammenhänge in der Natur entdecken und manipulieren, fördern sie zwar neue Formen zutage, ihre eigenen Unternehmungen tragen jedoch den Stempel dieser kausalen Muster.6 Die für die liberale Vertragstheorie typischen unilinearen Kausalmodelle, die Gemeinschaft als Produkt individueller Entscheidungen und Freiheit als präpolitisches Attribut des Selbst beschreiben, haben hier ihren Ursprung. Der Mechanismus, der auf dieser Grundlage Gegenseitigkeit erzeugen soll, ist jedoch ständig in Gefahr zusammenzubrechen, wie Hobbes’ eigene Philosophie zeigt. Das Geltendmachen ungezügelter Besonderheit gefährdet die Möglichkeit, dauerhaft auf rationale Weise interagieren und rationale Autonomie erreichen zu können. Die 3

Vgl. die Vorrede zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts: TWA, Bd. 7, S. 11–

28. 4

So Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Vgl. TWA, Bd. 20, S. 332–333. 5 TWA, Bd. 13, S. 80–84, S. 135 und S. 137–138. 6 Vgl. Macpherson, Crawford Brough: The Political Theory of Possessive Individualism: From Hobbes to Locke. Oxford 1962.

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immer weiter verfeinerte Arbeitsteilung, welche die Voraussetzung für das rasche Wachstum der Produktivkräfte und der Mittel der Bedürfnisbefriedigung ist, eröffnet den wirtschaftlich Handelnden jeweils nur eine bruchstückhafte Perspektive auf die Welt. So beschränkt sie die Arbeitsteilung auf eng umrissene und sich wiederholende Aufgaben in der Sphäre der Produktion, während ihre materiellen Bedürfnisse potenziell auf dem Markt befriedigt werden können. Die Arbeitsteilung bringt neue Formen der Ungleichheit hervor, die nicht mehr wie in der Antike an das harmonische Funktionieren des Staates, sondern an die Launen des Marktes gebunden sind. Sie legt die jeweils besonderen Interessen der Handelnden auf ein konfliktreiches Verhältnis zueinander fest, das sich als Kampf ums Überleben und die Akkumulation von Gütern manifestiert. Unter modernen Bedingungen wird die Einheit von Einheit und Vielfalt, von der die Erhaltung politischer und sozialer Institutionen abhängt, zu einem kaum zu realisierenden Ziel. In der Kultur der Zerrissenheit stehen private Interessen hartnäckig in Opposition zueinander, und die Einheit, die bisweilen erreicht wird, bleibt hochgradig fragil und zeitlich begrenzt. Zentrifugale Kräfte drohen ständig, die integrativen Fähigkeiten moderner Institutionen zu überwältigen. Freilich enthält nicht antike Substantialität, sondern moderne Subjektivität selbst die Ressourcen, um die Zerrissenheit und Entfremdung zu überwinden, die sie hervorbringt. Existiert alles für das Subjekt, so hängt alles davon ab, wie man dieses Subjekt begreift. Im Gegensatz zur Kultur der Zerrissenheit beschreibt Hegel eine andere Entwicklungslinie der modernen Welt. Er entwirft ein alternatives Bild der Moderne, und zwar im Begriff der freien und unendlichen Persönlichkeit7, der es erlaubt, die Momente der Allgemeinheit und Besonderheit in die rationale Einheit des modernen Staates zu reintegrieren. Die Merkmale des Marktes, die Zerrissenheit zur Folge haben, werden in diesem Staat nicht etwa unterdrückt, sondern in die rationalen Interaktionen des sittlichen Lebens eingebettet und so neu ausgerichtet und bezähmt. Von besonderem Interesse ist dabei für uns nicht so sehr Hegels eigene Analyse des Verhältnisses von Staat und Markt und der ihr zugrundeliegenden Begriffe von Persönlichkeit und Freiheit; was uns im Folgenden interessiert, sind vielmehr andere Lösungsversuche, die sich aus denselben Quellen speisen. Im Kontext des Deutschen Idealismus gibt es verschiedene Ansätze, das weitverbreitete Problem der Zerrissenheit und Besonderung zu lösen, und diese Versuche existieren entweder neben der Hegelschen Lehre der Sittlichkeit oder entwickeln diese auf unterschiedliche Weise weiter. In der Zeit zwischen der Französischen Revolution und den europäischen Revolutionen von 1848 bildet sich ein spezifisch deutscher Republikanismus, dessen wesentliche Merk7

TWA, Bd. 7, § 260.

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male sich aus einer Erweiterung und Ausarbeitung von Kants juridischem und ethischem Denken herleiten. Der deutsche Republikanismus überträgt den Begriff der Autonomie – das heißt, der rationalen Selbstgesetzgebung moderner Subjekte – auf politische Beziehungen und Interaktionen und berücksichtigt dabei maßgebliche Unterschiede zwischen der antiken und der modernen politischen Erfahrung. In diesem Zusammenhang steht der Begriff der Moderne zum einen für die Vielfalt (und nicht etwa die Homogenität) von Interessen, den Konflikt zwischen ihnen und die als zentral verstandene politische Aufgabe, eine Harmonisierung zwischen ihnen herbeizuführen, zum andern für die Auffassung, dass die Zwecke von Handlungen nicht von Natur bestimmt, sondern selbstgegeben sind, wodurch sich die Aussicht auf eine aktive Veränderung des Selbst jenseits der bloßen Geltendmachung besonderer Interessen eröffnet. Aus dieser Bestimmung ergibt sich ein doppelter Kontrast: einerseits zwischen der antiken und der modernen Form des Staates, und andererseits zwischen der liberalen und der republikanischen Staatsauffassung in der Moderne. Der antike Staat repräsentiert für den deutschen Republikanismus die Absorption des Staatsbürgers im Gemeinwesen, durch die der subjektiven Anstrengung und Initiative bei der Formulierung, Kritik und Bestätigung öffentlicher Normen kein ausreichender Raum gegeben würde. Der liberale Staat dagegen stellt sich aus dieser Sicht ganz in den Dienst bestehender Privatinteressen und bestätigt die Kultur der Zerrissenheit, indem er den potentiell transformativen Einfluss des öffentlichen Lebens einschränkt und verzerrt. Demgegenüber verteidigt der deutsche Republikanismus den Gedanken der Autonomie sowohl gegen das heteronome Aufgehen in gemeinschaftlichen Werten als auch gegen die Verlockungen eines besitzergreifenden Individualismus. Eben darin besteht die Leistung und das Erbe dieser politischen Philosophie. So wie später Hegel in seiner Geschichte der Philosophie hatte schon Kant die Aufklärung als einen entscheidenden Wendepunkt in der Entwicklung der Menschheit beschrieben.8 Im Zuge der Aufklärung schüttelt das Subjekt seine selbst verursachte Unmündigkeit ab und leitet so eine geschichtliche Entwicklung der menschlichen Gattung ein. Sowohl traditionelle als auch transzendente Quellen von Autorität werden nicht länger unhinterfragt akzeptiert, sondern müssen sich der kritischen Beurteilung und Selbstgesetzgebung rationaler Subjekte stellen. Kant hatte schon früher, in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, einen ähnlichen Gedanken formuliert: »Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß. Religion durch ihre Heiligkeit und Gesetzgebung durch ihre 8

Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Kant’s Gesammelte Schriften. Hg. v. der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1902 ff., Bd. 4, S. 35–42. (Im Folgenden: AA mit der Angabe des Bandes.)

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Majestät wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdann erregen sie gerechten Verdacht wider sich und können auf unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können.”9 Aufgeklärte Subjekte leiten ihre ethischen und politischen Maßstäbe nicht länger aus der Voraussetzung einer festen natürlichen Ordnung ab, sondern aus der Idee des Selbst und seiner Zwecke. Der Primat der Freiheit beinhaltet dabei keineswegs, dass Gesetze abgelehnt werden; vielmehr wird das Gesetz auf eine neue Grundlage gestellt und verlangt, dass geprüft wird, was das Selbst rechtmäßig fordern und tun kann. Die Aufgabe besteht darin, die Freiheit des Einzelnen mit der Freiheit aller zu versöhnen, und zwar im Rahmen einer politischen Ordnung, die nicht einfach gegeben ist, sondern eigens hervorgebracht werden muss. Harmonie ist nicht prästabilisiert, sie muss hergestellt werden. Dieses Problem der Kompossibilität der Freiheit verschiedener Subjekte steht seit Kant im Mittelpunkt des politischen Denkens in Deutschland und findet seinen Ausdruck in der spezifischen Form des deutschen Republikanismus, der sich bei Schiller und der Hegelschen Schule belegen lässt, deren führendes Mitglied Bruno Bauer war. Während diese Denker Kants moralischem Begriff der Autonomie politisches Gewicht verleihen, sind ihre Theorien auch von ästhetischen Überlegungen, von den Ideen der Schönheit und Erhabenheit, geprägt. Das Ergebnis ist ein ästhetischer Republikanismus, dem es vor allem um die Lösung der Probleme von Zusammenhalt und Trennung – und damit um die Einheit von Einheit und Vielheit – in der modernen Gesellschaft geht. Während die kantische Tradition sich auf Konzeptionen der Aufklärung stützt, unternimmt sie es zugleich, diese zu kritisieren und zu reformulieren. Empiristische und materialistische Denker der Aufklärung (Helvetius, d’Holbach und später Bentham, mit Hobbes als einem frühen Vorläufer) beschreiben die zentrale Rolle des modernen Subjekts mithilfe der Kategorie der Nützlichkeit und verwandter Begriffe. Die Welt existierte als Material für die Befriedigung von Bedürfnissen – und die Maximierung von Glück. Aus kantischer Sicht begreifen diese Denkströmungen jedoch die Natur von Subjektivität nicht in adäquater Weise. Während die Materialisten sich auf menschliche Bedürfnisse und die Bedingungen ihrer Befriedigung konzentrieren, vertreten sie eine allzu naturalistische und deterministische Konzeption des Subjekts; sie ordnen das Verhalten des Subjekts dem Begriff natürlicher Notwendigkeit unter und bilden so eine vereinfachende, reduktionistische Theorie menschlicher Handlungsfähigkeit. Dem materialistischen Modell zufolge sind erstens die 9

Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. In: AA, Bd. 4, A 9, Anm. [Die B-Auflage von 1787 findet sich in AA, Bd. 3.]

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Begierden von Subjekten weitgehend von der Wirkung der Sinnlichkeit oder der Natur abhängig;10 zweitens bestimmen diese Begierden (zusammen mit Überzeugungen, die aufgrund früherer Erfahrung gebildet wurden) unmittelbar Handlungen oder sind jedenfalls ein hinreichender Anreiz für sie; und drittens beschränkt sich die Vernunft, die ebenfalls von empirischen Überzeugungen beeinflusst wird, im Gewand der Besonnenheit auf die untergeordnete Rolle, bestimmte Handlungen zu zügeln. Folgt man diesem Modell, dann sind Subjekte (wie auch Marx später bemerkte)11 im Grunde genommen passiv: Sie reagieren nur auf natürliche Imperative und sind in den Kausalzusammenhang der natürlichen Ordnung vollständig eingeordnet.12 Obwohl die neuen materialistischen Philosophien die Natur ihrer vormaligen Bedeutung als einer normativen Ordnung berauben, bestehen sie darauf, dass eine natürliche Notwendigkeit durch die Mechanismen von Bedürfnissen und Begierden weiterhin die Subjekte beherrscht. Für Kant und die Deutschen Idealisten, die sein Denken weiterentwickelten, unterschätzen die Materialisten den Sachverhalt, dass Subjekte von Motiven der Sinnlichkeit und unmittelbaren Interessen abstrahieren und diese einer rationalen Prüfung und Kritik unterziehen können. Der Fehler der Materialisten besteht darin, dass sie menschlichen Subjekten ihre intrinsische Spontaneität absprechen. Kant und seine Nachfolger verändern daher das Modell rationaler Handlungsfähigkeit, das dem Projekt der Aufklärung zugrunde liegt. Der Schlüssel zu dieser Neubestimmung liegt im Begriff der Spontaneität, einem der zentralen und charakteristischen Begriffe der deutschen Philosophie seit Leibniz.13 10

Selbst weniger deterministische Theorien können diese Schwierigkeiten nicht ganz vermeiden, insofern sie subjektive Präferenzen als im Grunde genommen willkürlich betrachten und der Vernunft eine nur instrumentelle Rolle einräumen. Dieser Schein von Willkürlichkeit verdeckt den »verborgenen Mechanismus der Natur«, das heißt, die Wirkungen natürlicher Kausalität auf den Willen, die nicht geprüft werden und denen kein Widerstand entgegengesetzt wird. Zur Diskussion einer solchen voluntaristischen Theorie vgl. Moggach, Douglas: Subject or Substance: The Meta-Ethics of the Hegelian School. In: Die linken Hegelianer: Studien zum Verhältnis von Religion und Politik im Vormärz. Hg. v. Michael Quante u. Amir Mohseni. Paderborn 2015, S. 177– 198. 11 Marx, Karl: Thesen über Feuerbach. In: Karl Marx u. Friedrich Engels: Werke. Hg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Berlin 1969. Bd. 3, S. 5. 12 Enge, nicht-kantische Auffassungen von Autonomie definieren diesen Begriff häufig als konsistente Rangordnung von Präferenzen oder als Effizienz der Mittel. Neuere Überlegungen zum Thema finden sich in Christman, John/Anderson, Joel (Hg.): Autonomy and the Challenges to Liberalism. Cambridge 2005. 13 Spontaneität hat hier die technische Bedeutung einer selbstverursachten Handlung. Diese Bedeutung ist vom allgemeinen Sprachgebrauch zu unterscheiden, in dem »Spontaneität« sich auf eine Handlung bezieht, die ohne Überlegung ausgeführt wird. Vgl. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Monadologie. In: Die philosophischen Schriften von

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Obwohl sich die Leibnizsche und die Kantsche Version von Spontaneität auf bedeutsame Weise voneinander unterscheiden, geht es beiden Denkern im Kern um die Fähigkeit, nicht von außen beherrscht zu werden, sondern sich selbst zu bestimmen. Dieser Gedanke liegt der Forderung zugrunde, sowohl die äußere als auch die innere Welt der Leitung der Vernunft zu unterstellen, und dieser Imperativ ist auch ein Kennzeichen des Deutschen Idealismus im Zuge seiner Weiterentwicklung der Philosophie der Aufklärung. In theoretischer Hinsicht charakterisiert Kant Spontaneität als das Vermögen des Gemüts, Vorstellungen aus sich selbst hervorzubringen.14 In praktischer Hinsicht bezieht sich Spontaneität auf die Fähigkeit des Willens, sich vom Diktat äußerer Kausalität zu befreien und sich selbst mittels selbstgesetzter Regeln oder Maximen, die nicht ihrerseits kausal determiniert sind, zu bestimmen. Kants Auffassung zufolge werden Subjekte sinnlich affiziert, sie sind jedoch nicht sinnlich determiniert.15 Die praktische Vernunft stattet Subjekte mit der Fähigkeit aus, vom Walten natürlicher Ursachen oder Begierden, wie sie im Medium der Sinnlichkeit auftreten, zu abstrahieren und in der Welt der Erscheinungen neue Kausalreihen anzufangen, die ihren Ursprung in einem Akt des Willens und nicht in einer früheren Bestimmungsursache haben.16 Für Kant (ebenso wie für die Stoiker,17 die zumindest in dieser Hinsicht als die aufgeklärten IdeGottfried Wilhelm Leibniz. Hg. v. Carl Immanuel Gerhardt. Berlin 1885. Bd. 6, insbes. §§ 11–13 sowie Rutherford, Donald: Leibniz on Spontaneity. In: Leibniz: Nature and Freedom. Hg. v. Donald Rutherford u. Jan A. Cover. Oxford 2005, S. 156–180. Eine anregende und erhellende Diskussion von Leibniz und dem deutschen Idealismus stammt von Cassirer, Ernst: Freiheit und Form: Studien zur deutschen Geistesgeschichte. In: Ernst Cassirer Werke. Hg. v. Birgit Recki. Hamburg 2001, Bd. 7. 14 Kant: Kritik der reinen Vernunft. In: AA, Bde. 4 u. 3, A 51/B 75. 15 Die Standardreferenz ist hier der erste Teil von Thomas Hobbes: Leviathan. Hg. v. Richard Tuck. Cambridge 1991. Hobbes bestimmt dort das stoische Begriffspaar horme/ aphorme in polemischer Absicht neu. Geht es bei den Stoikern um die praktischen Entscheidungen von Subjekten, die Maxime zu einer Handlung in Beziehung auf Gegenstände entweder anzunehmen oder abzulehnen, so interpretiert Hobbes dieses Verhältnis als mechanische Anziehung oder Abstoßung, welche die Gegenstände auf die Subjekte ausüben. Zu damit zusammenhängenden Modellen des Handelns vgl. Allison, Henry E.: Kant’s Theory of Freedom. Cambridge 1990, S. 5–6, 39–40, 60–61, 191–98. Die Unterscheidung zwischen sinnlicher Affizierung und Determinierung findet sich auf S. 60. 16 Allison: Kant’s Theory of Freedom, S. 85. Die dritte Antinomie der Kritik der reinen Vernunft beweist die Möglichkeit von Freiheit in Bezug auf natürliche Kausalität. Vgl. Kant: Kritik der reinen Vernunft. In: AA, Bde. 4 u. 3, A 452–55, B 480–83; A 534–38, B 562–66. Die zweite Kritik soll dagegen die Wirklichkeit von Freiheit erweisen. Vgl. Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA, Bd. 5, S. 3–163, sowie Henrich, Dieter: Between Kant and Hegel: Lectures on German Idealism. Hg. v. David S. Pacini. Cambridge 2003, S. 46–61. 17 Long, Anthony Arthur (Hg.): Problems in Stoicism. London 1971.

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alisten der Antike erscheinen) erzwingen Begierden nicht direkt Handlungen, sondern sie operieren durch das Medium praktischer Urteile, nachdem sie im Hinblick auf ihre Tauglichkeit für die teleologischen Vorhaben des Subjekts gefiltert und beurteilt wurden. Dieser Vorgang kommt nicht nur im Zusammenhang mit moralischen Fragen zur Anwendung, sondern er charakterisiert rationales Handeln überhaupt. Damit eröffnet sich eine weitere Perspektive auf die Freiheit, die Subjekte bei der Befriedigung ihrer Begierden genießen, da sie unter diesen wählen oder sie zurückweisen können. Ein bekannter Kommentator drückt dies so aus: Eine Begierde ist nicht automatisch, sondern nur insoweit Ursache einer Handlung, als das Subjekt diese Begierde in die Maximen integrieren kann, die es als Regeln für sein Handeln übernimmt.18 Ganz ähnlich sind in der stoischen Widerlegung des Epikureismus Lust und Schmerz nicht unmittelbare Rohdaten, welche die Gesamtheit unserer Reaktionen determinieren, sondern Materialien für den Willen: Insoweit sie als Anreize für bewusstes Handeln dienen (und nicht etwa nur Ursachen für instinktive Reaktionen sind), müssen Lust und Schmerz im Rahmen der bestehenden Selbstauffassung des Individuums als lustvoll oder schmerzhaft aufgenommen beziehungsweise erkannt werden. Negative Freiheit im Sinne Kants bezeichnet eben diese Unabhängigkeit des Willens von Begierden und dessen Fähigkeit, ein Urteil über sie zu fällen. Der Wille wird nicht direkt von Gegenständen des Begehrens bestimmt, sondern nur von Ursachen, die er selbst zulässt beziehungsweise denen er gestattet, als solche zu fungieren.19 Aus der Spontaneität des Willens ergeben sich die anderen Begriffe, die Kant in seiner Theorie rationaler Handlungsfähigkeit anführt: Autonomie, Heteronomie und Bestimmbarkeit. Diese Begriffe sind auch für das nachkantische politische Denken zentral. Für Kant ist Autonomie Selbst-Gesetzgebung in Übereinstimmung mit dem moralischen Gesetz und aus dem Motiv der Pflicht heraus; sie beinhaltet daher sowohl äußere als auch innere Konformität mit dem Gesetz. Autonomie ist Spontaneität unter der Kontrolle der praktischen Vernunft, das heißt, Handeln in Übereinstimmung mit Maximen, die allgemein ohne Widersprüche gewollt werden können. Diese Maximen leiten sich weder aus Motiven der Sinnlichkeit oder des Interesses noch aus der Voraussetzung einer teleologischen Ordnung der Natur ab, sondern sie entstammen der Vernunft in ihrer praktischen Absicht.20 Für Menschen, die nur unvollkommen rationale Wesen sind und Verstand und Sinnlichkeit in sich vereinen, nimmt Sittlichkeit die Form von Imperativen an, welche die Vernunft erlässt, um Begierden zu beurteilen und 18

Allison: Kant’s Theory of Freedom, S. 40. Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA, Bd. 5, § 8, S. 33. 20 Zu empirischer und rationaler Heteronomie vgl. Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: AA, Bd. 4, S. 441–443. 19

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unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese Konzeption einer richterlich urteilenden und Gesetze erlassenden Vernunft erweitert den Begriff der Rationalität, die von der Aufklärung bis dahin nur als Dienerin der Leidenschaften und Interessen angesehen wurde.21 Als Reaktion auf materialistische Auffassungen instrumenteller Rationalität schlägt Kant vor, zwischen empirischer und reiner praktischer Vernunft zu unterscheiden. Empirischer Vernunft ist es um die Befriedigung von Bedürfnissen, um Nützlichkeit und um Glück zu tun. Obwohl es sich hierbei um einen unerlässlichen Aspekt von Vernunft handelt, kann sich Rationalität hierin nicht erschöpfen, da empirische Vernunft die Wirksamkeit von Mitteln, nicht aber die Angemessenheit von Zwecken beurteilt. Um letzteres geht es der reinen praktischen Vernunft, die den Bereich der Selbst-Gesetzgebung und Sittlichkeit umfasst, auf denen Kant zufolge die Sphären des Rechts und der Tugend in ihrer spezifischen Differenz gründen. Dank der reinen praktischen Vernunft üben Subjekte ihre Autonomie aus, indem sie zum einen Maximen hinsichtlich ihrer Gültigkeit und Verallgemeinerbarkeit prüfen, und zum andern nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht handeln, wann immer die beiden einander widersprechen.22 Die Imperative der reinen praktischen Vernunft sind kategorisch, nicht hypothetisch; das heißt, sie gelten um ihrer selbst und nicht um anderer Zwecke willen. Freiheit erscheint hier in ihrer höchsten Form als Selbst-Gesetzgebung, durch die Subjekte sich das moralische Gesetz selbst vorschreiben, ohne sich dabei auf äußere Autoritäten zu verlassen, die ihnen ihre Schlussfolgerungen diktierten. Die Quelle von Wert und Normativität liegt im Innern, in den Vernunftvermögen, und nicht in äußeren Maßstäben. Einsicht in diesen Sachverhalt markiert das Ende selbstverschuldeter Unmündigkeit und den Anbruch echter Aufklärung. Auch im Gegenstück zur Autonomie, der Heteronomie oder Übernahme des Gesetzes von woandersher, bekundet sich Spontaneität. Wenn Subjekte heteronom handeln, bestimmen sie dennoch sich selbst, allerdings in Übereinstimmung mit einer Neigung – und im Gegensatz zur Pflicht.23 Es ist also nicht der Fall, dass die Begierde wie im materialistischen Modell einfach den subjektiven Willen bestimmt; vielmehr trägt der Wille, indem er illegitime Zwecke verfolgt, aktiv zu dieser Bestimmung bei. Die Befriedigung von Bedürfnissen ist nur dann sittlich heteronom, wenn sie in Konflikt zur Pflicht beziehungsweise moralischen Imperativen steht. »Glücklich zu sein, ist nothwendig das Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens […].«24 Freilich ist Glück

21

Hirschman, Albert O.: The Passions and the Interests: Political Arguments for Capitalism Before Its Triumph. Princeton 1977. 22 Kant: Grundlegung. In: AA, Bd. 4, S. 440–441. 23 Siehe oben, Anm. 16. 24 Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA, Bd. 5, S. 25.

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ein unbestimmtes Ziel, dem eine große Vielfalt von Befriedigungen zugerechnet werden können; diese werden nur dann als heteronom betrachtet, wenn sie sich im Gegensatz zu dem befinden, was wir tun sollen. Kants Theorie rationaler Handlungsfähigkeit rundet der Begriff der Bestimmbarkeit ab, der im nachkantischen Denken eine zentrale Rolle spielen wird. Bestimmbarkeit meint dabei nicht so sehr die Nachgiebigkeit des Selbst, die den Einfluss äußerer Kräfte implizieren würde, sondern bezieht sich vielmehr auf die Fähigkeit des Selbst, seine eigenen empirischen Eigenschaften zu bestimmen, indem es aus einer Reihe von Möglichkeiten nach einem (sittlichen oder nicht-sittlichen) Bewertungsmaßstab auswählt.25 Dieser Vorgang, durch den das Selbst sich selbst bestimmt, ist sowohl in der empirischen als auch in der reinen praktischen Vernunft wirksam. Zwar ist diese schöpferische Fähigkeit des Selbst nicht absolut und unbegrenzt, da nicht alle empirischen Eigenschaften des Selbst dem Einfluss des Willens unterliegen; für Kant umfasst sie jedoch eine große Bandbreite von Aktivitäten, mittels derer sich das Selbst allmählich in Einklang mit der Freiheit und der Vernunft bringt. Als Prozess der Selbstbildung ist Bestimmbarkeit eine Facette der Spontaneität des Subjekts und wird so von Schiller und anderen Nachkantianern verstanden werden. Der Begriff der Bestimmbarkeit ist deshalb jedoch nicht redundant: Durch ihn tritt die ästhetische Dimension von Freiheit besonders deutlich hervor. In der Metaphysik der Sitten von 1797 entfaltet Kant sein System der praktischen Vernunft, insbesondere seine Rechtslehre, welche die rechtlichen Beziehungen zwischen freien und unabhängigen Subjekten beschreibt.26 Der kantische Begriff der Freiheit stützt sich auf den Vorrang von Selbstbeziehung und Selbstbewusstsein vor Begierde, Lust und Schmerz und folgt darin einem von den Stoikern beschriebenen Gedankengang. Freiheit ist nicht die Befriedigung wahlloser Begierden, sondern sie setzt die Fähigkeit zu wählen und zu urteilen voraus. Dieser Primat des Selbstbewusstseins wird in der kantischen Auffassung des Rechts berücksichtigt, insofern das Selbst als unabhängige Quelle praktischer, technischer und pragmatischer Urteile27 anerkannt und die empirische Suche nach Befriedigung der Sphäre der Wohlfahrt überantwortet wird. Kants Unterscheidung zwischen Glück, Recht und Tugend hat hier ihre Wurzel. Die Sphäre des Rechts erhält bei Kant das Recht jedes einzelnen Staatsbürgers zur Spontaneität aufrecht. Obwohl für Kant Glück zu subjektiv und unbeständig ist, um eine sichere Grundlage für das sittliche Denken bilden zu kön25 26 27

Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA, Bd. 5, S. 42–43. Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten. In: AA, Bd. 6, S. 205–493. Kant: Grundlegung. In: AA, Bd. 4, S. 416–417.

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nen, räumt er ihm doch einen hinreichend großen und legitimen Spielraum ein. Dabei bestimmen allgemeine Prinzipien, in welchem Umfang ein Subjekt der Befriedigung seiner Neigungen angemessen nachgehen kann. Im Unterschied zur Sittlichkeit, die volle Autonomie im Sinne sittlicher Selbstgesetzgebung beinhaltet, regelt die rechtliche Sphäre äußere Handlungen, um sicherzustellen, dass Subjekte ihre eigenen Zwecke verfolgen können, ohne dabei die Bedingungen für die freie Aktivität anderer zu verletzen. Innerhalb der Sphäre des Rechts wählen Individuen bestimmte Güter oder Gegenstände des Glücks, die sie erstreben, insoweit dies mit der Wahl anderer vereinbar ist.28 Würden diese spezifischen Entscheidungen politisch vorgeschrieben, so beinhaltete dies einen Verstoß gegen die Spontaneität und das Recht des Einzelnen: Es wäre Tyrannei.29 Der Staat darf legitimerweise nicht verfügen, wie seine Untertanen das Glück zu suchen haben, aber er muss sie jeweils daran hindern, das Recht anderer, frei zu handeln, zu beschneiden. Kants rechtlicher Republikanismus löst das Problem, wie die Kompossibilität der Freiheit aller zu erreichen ist, durch eine vom Staat garantierte wechselseitige Beschränkung der Individuen (beziehungsweise den wechselseitigen Ausschluss von ihren jeweiligen Betätigungsfeldern). In seiner Theorie des Rechts reflektiert Kant auf die Errungenschaften des modernen politischen Denkens und entwickelt seine eigene Variante der Lehre vom Gesellschaftsvertrag. Auch in diesem Zusammenhang grenzt er sich jedoch in mehrfacher Hinsicht von Hobbes und Locke ab. Berechnungen der Klugheit mögen einen hinreichenden Grund für Handlungen innerhalb der Sphäre des Rechts liefern (wenn wir rechtmäßig handeln, wird von uns nicht verlangt, dass wir sittliche Beweggründe haben; so dürfen wir es beispielsweise aus dem Grund unterlassen, einem anderen Schaden zuzufügen, weil wir mögliche Folgen fürchten). Diese Sphäre selbst gründet jedoch nicht auf Klugheit.30 Der Imperativ, den mutmaßlichen Naturzustand hinter sich zu lassen und rechtmäßige Beziehungen in einer Zivilgesellschaft einzuführen, ist eine sittliche Forderung, ein Gebot der reinen praktischen Vernunft. Das heißt: »Es werde Recht!« ist ein moralisches Dekret, ein kategorischer Imperativ – und nicht etwa ein hypothetischer Imperativ, der auf Erwägungen der Nützlichkeit basierte. Dieser kategorische Imperativ ermöglicht sowohl Freiheit (in der 28

Moggach, Douglas: The Construction of Juridical Space: Kant’s Analogy of Relation in The Metaphysics of Morals. In: The Proceedings of the Twentieth World Congress of Philosophy. Vol. 7: Modern Philosophy. Hg. v. Mark Gedney. Bowling Green, OH 2000, S. 201209. 29 Kant, Immanuel: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. In: AA, Bd. 8, S. 275–313. 30 Höffe, Otfried: Recht und Moral: ein kantischer Problemaufriss. In: Neue Hefte für Philosophie 17 (1989), S. 1–34.

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Form von Spontaneität) als auch Befriedigung; er wurzelt somit in reiner praktischer Vernunft, die es der empirischen praktischen Vernunft überlässt, ihre Zwecke zu verfolgen, und ihr eigenes Gebiet dabei sichert. Außerdem gehört die Sphäre des Rechts immer dem weiteren Kontext der Sittlichkeit an. Das Recht stellt nicht die höchste Form rationaler Freiheit dar, aber es ist ein wichtiger untergeordneter und relativ unabhängiger Ausdruck von ihr. Die reine Autonomie sittlicher Selbstbestimmung wird jenseits der Sphäre des Rechts ausgeübt. Sittlichkeit geht über das Recht hinaus, ohne es deshalb zu unterdrücken oder entbehrlich zu machen. Die kategorische Grundlage des Rechts ist jedoch mit einer gewissen Flexibilität bei dessen Anwendung vereinbar. So wurde bereits festgehalten, dass Subjekte bei ihren rechtlichen Interaktionen nicht sittlich motiviert sein müssen. Außerdem erlegen Rechte zwar spezifizierbare Verpflichtungen auf, die verhindern, dass Subjekte bei ihren Unternehmungen einander entgegenarbeiten; Kant meint jedoch, dass das einzelne Subjekt nicht dazu verpflichtet ist, zu allen Zeiten und bis ins letzte Detail auf der gesamten Bandbreite von Rechten zu bestehen, solange nur die allgemeinen Bedingungen für die Fähigkeit zu handeln respektiert werden.31 Bei rechtmäßigen Interaktionen lässt Kant somit Raum für die wechselseitige Anpassung und ein kluges Vorgehen der Handelnden, und dies ist ein Gedanke, der dann auch im Zentrum von Schillers politischem Projekt stehen wird. Anders als der junge Wilhelm von Humboldt sollte man Kants Auffassung vom kategorischen Charakter des Rechts auch nicht so verstehen, als ob damit die Möglichkeit signifikanter staatlicher Interventionen in die Wirtschaft oder in soziale Bereiche wie die Bildung oder die Gesundheitsvorsorge ausgeschlossen wäre.32 Wie Fichte erkannte,33 lassen sich Interventionen dieser Art im Sinne Kants rechtfertigen, wenn sie die Bedingungen freien Handelns fördern oder sogar erweitern und also darauf angelegt sind, in erster Linie Freiheit und nicht Glückseligkeit zu stärken (wobei Kant selbst der Glückseligkeit eine, wenn auch bescheidene Rolle im Kontext internationaler Rivalitäten einräumt).34

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Kant, Immanuel: Recension von Gottlieb Hufeland’s Versuch über den Grundsatz des Naturrechts. In: AA, Bd. 8, S. 127–30. Vgl. Rohls, Michael: Kantisches Naturrecht und historisches Zivilrecht: Wissenschaft und bürgerliche Freiheit bei Gottlieb Hufeland (1760– 1817). Baden-Baden 2004, S. 41, Anm. 121 sowie S. 49. 32 von Humboldt, Wilhelm: Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen. In: Gesammelte Schriften. Hg. v. Albert Leitzmann. Berlin 1903, Bd. 1. 33 Fichte, Johann Gottlieb: Der geschloßne Handelsstaat. In: Werke. Hg. v. Immanuel Hermann Fichte. Berlin 1971, Bd. 3. 34 Moggach, Douglas: Freedom and Perfection: German Debates on the State in the Eighteenth Century. In: Canadian Journal of Political Science 42/4 (2009), S. 1003–23.

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Die Begriffe der Spontaneität, Autonomie und Bestimmbarkeit sowie die Unterscheidungen zwischen Glückseligkeit, Recht und Tugend bilden die Pfeiler, auf denen das nachkantische politische Denken errichtet wird. Zu den wichtigsten Veränderungen gehören die zunehmende Politisierung des Autonomiebegriffs, die auch eine Umgestaltung von Kants Unterscheidung zwischen Tugend und Recht beinhaltet, sowie die Ästhetisierung von Bestimmbarkeit, die wahrgenommene Probleme im Verhältnis von Wohlfahrt und Recht lösen soll. Diese Schwierigkeiten, so wird angenommen, lassen sich durch eine ästhetische Fassung des modernen Selbst lösen, die bei Schiller auf das Schöne, bei Bruno Bauer auf das Erhabene rekurriert. Schönheit verlangt, dass sich Individuen aneinander harmonisch anpassen und nicht als Träger von Rechten prozessfreudig entgegenstellen. Die Möglichkeit eines solchen harmonischen Miteinanders beruht auf einer ästhetischen Erziehung, die eher Anpassungsfähigkeit als Sturheit fördert, wenn es darum geht, die eigenen Interessen zu verfolgen. Vom Erhabenen her gesehen ergibt sich das Problem der Kompossibilität jedoch nicht allein deshalb, weil in der modernen bürgerlichen Gesellschaft Privatinteressen fragmentarisch sind und rigide vertreten werden, sondern weil sie in ihrer Substanz miteinander unvereinbar sind. Die unterschiedlichen Arten, das Glück zu suchen, wirken sich negativ auf die Strukturen des Rechts aus und drohen, diese zu beschädigen. Um dieses Problem zu lösen, bedarf es nicht nur einer Anpassung, sondern einer grundlegenden Umgestaltung, einer Radikalisierung von Bestimmbarkeit im Sinne eines erhabenen Transzendierens partikularer Interessen. Auf diesem Terrain entstehen zwei unterschiedliche Formen des ästhetischen Republikanismus. Schiller schrieb sein ästhetisches Hauptwerk, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen,35 in den Jahren 1793 und 1794, als die Jakobiner die Französische Revolution prägten. Das Werk wurde also vor der Veröffentlichung von Kants Metaphysik der Sitten und deren kanonischer Unterscheidung zwischen Wohlfahrt, Recht und Sittlichkeit konzipiert und auch publiziert. Zu diesem Zeitpunkt stand Schiller jedoch mit der Kritik der Urteilskraft nicht nur Kants wichtigster Beitrag zur Ästhetik zur Verfügung, sondern er hatte auch Zugriff auf Kants Hauptschriften zur praktischen Philosophie aus den vorausgegangenen zehn Jahren, die das Wesen der Aufklärung und der modernen Subjektivität,36 die verschiedenen Arten von Im-

35

Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. In: Werke in drei Bänden. Hg. v. Herbert G. Göpfert unter Mitwirkung v. Gerhard Fricke. München 1966, Bd. II, S. 445–520. 36 Kant: Was ist Aufklärung? In: AA, Bd. 8, S. 35–42.

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perativen, die Begriffe der Autonomie und Heteronomie,37 der Bestimmbarkeit und der negativen Freiheit38 sowie die Unterscheidung zwischen Freiheit und Glückseligkeit erklären.39 Somit hatte Schiller genügend Material, um ein Modell politischer Interaktion zu erstellen, das mit den Hauptlinien des kantischen Denkens übereinstimmt, und er benutzt in seinen Schriften regelmäßig geeignete kantische Begriffe. Außerdem stand Schiller in Jena im Zentrum einer Gruppe von Kollegen und Korrespondenten, die an seinen journalistischen Projekten beteiligt waren, und in diesem Kreis wurde die politische und ästhetische Dimension von Kants Denken breit und tiefgründig debattiert.40 Als Schiller die Ästhetische Erziehung schrieb, war er somit ganz in Kant vertieft, und die Argumente, die er in seinen Briefen entwickelt, lassen sich vor dem Hintergrund von Kants eigener Entwicklung von republikanischen Themen verstehen. Der ästhetische Charakter von Schillers Republikanismus rückt mit seiner Unterscheidung zwischen dem Vollkommenen und dem Schönen in den Vordergrund, mit der er die Differenz zwischen Autonomie und Heautonomie wiedergibt.41 Der Begriff der Heautonomie leitet sich aus der Kritik der Urteilskraft her, und Schiller benutzt ihn, um damit Prozesse selbsterzeugter Veränderung hervorzuheben. Für Schiller meint Autonomie, dass die Idee der Vernunft im Objektiven manifest ist; das Denken hat sein Objekt, wie es seine Aufgabe ist, bestimmt. Heautonomie betont jedoch, dass die Angemessenheit des Objekts für die Idee das Resultat einer freien und bewussten Tätigkeit – der Spontaneität – ist und nicht bloß zufällig oder von außen auferlegt worden ist. »Frei sein und durch sich selbst bestimmt sein, von innen heraus bestimmt sein, ist eins. […] Das Vollkommene kann Autonomie haben, insofern seine Form durch seinen Begriff rein bestimmt worden ist; aber Heautonomie hat nur das Schöne, weil nur an diesem die Form durch das innere Wesen bestimmt ist. Das Vollkommene, dargestellt mit Freiheit, wird sogleich in das Schöne verwandelt. […] Die Schönheit oder vielmehr der Geschmack betrachtet alle Dinge als Selbstzwecke, und duldet schlechterdings nicht, daß eins dem andern als Mittel dient, oder das Joch trägt. In der ästhetischen Welt ist jedes Naturwesen ein freier Bürger, der mit dem Edelsten gleiche Rechte hat, und nicht ein37

Vgl. Kant: Grundlegung. In: AA, Bd. 4, S. 440–445. Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA, Bd. 5, S. 42–43. 39 Kant: Theorie und Praxis. In: AA, Bd. 8, S. 61–92. 40 Moggach: Freedom and Perfection, S. 1010 u. 1014–15. 41 Schiller, Friedrich: Kallias oder über die Schönheit: Briefe an Gottfried Körner. Brief vom 23. Februar 1793. In: Werke in drei Bänden, Bd. II, S. 352–381, hier S. 362– 376. Für eine detailliertere Analyse vgl. Moggach, Douglas: Schiller’s Aesthetic Republicanism. In: History of Political Thought 28 (2007), S. 520–541. 38

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mal um des Ganzen willen darf gezwungen werden, sondern zu allem schlechterdings konsentiren muß.«42 Die zentrale politische Frage ist für Schiller, wie eine Einheit erreicht werden kann, die mit Differenz vereinbar ist und nicht gewaltsam durchgesetzt, sondern aufgrund von spontaner Selbstbestimmung herbeigeführt wird.43 Seine Unterscheidung von Autonomie und Heautonomie spiegelt sich in den zwei Begriffen von Form in der Ästhetischen Erziehung: Form in einem Sinne ist von außen auferlegt, spröde und leblos, weil sie nicht von einer inneren Energie belebt wird, sondern der Materie äußerlich angeheftet bleibt. Form im andern Sinne ist ästhetische Form, die geschmeidig und spontan die Bewegung der Einzelheiten beschreibt, die sie hervorbringen.44 Schön ist die ästhetische Form, weil in ihr Vielfalt zur Einheit gebracht und nicht in monotoner Eintönigkeit unterdrückt wird. Die Einheit schöner Form ist ihren Bestandteilen gegenüber jedoch nicht äußerlich, sondern wird von diesen selbst – als Reflexion der Vielheit zurück in die Einheit – erzeugt. Im Gegensatz hierzu mag ein System, das so wie in der Tradition von Leibniz und Wolff auf Vollkommenheit gründet, zwar seinen vollständigen Begriff darstellen und in diesem Sinne seine Inhalte vereinigen, es handelt sich dabei jedoch um eine nur äußerliche Synthesis und nicht um wirkliche Harmonie, die durch die spontane Selbstformung der Bestandteile hervorgebracht worden wäre. Schiller macht das Argument von Kants kurz zuvor veröffentlichtem Aufsatz zu Theorie und Praxis für seine eigenen Zwecke passend und legt dar, dass selbst dann, wenn ein System, das auf Vollkommenheit basiert, die Glückseligkeit seiner Subjekte garantieren könnte, ihm dies nur um den Preis ihrer Freiheit möglich wäre. Dieses System opferte die reine der empirischen praktischen Vernunft und instituierte Abhängigkeits- und Unmündigkeitsverhältnisse, die, auch wenn sie dem Wohlwollen entsprungen wären, der Forderung republikanischer Freiheit nicht entsprechen könnten. Als Symbol dieser republikanischen Freiheit ist das Schöne dagegen eine selbstgeleitete Bewegung, in der die gegenseitige Vereinbarkeit der Elemente durch deren eigenes Zusammenwirken aufrechterhalten wird. Die Einheit von Einheit und Vielfalt ergibt sich hier aus harmonischer Übereinstimmung, gegenseitiger Anerkennung und wechselweisem Einverständnis.45 Indem wir die 42

Schiller: Kallias oder über die Schönheit. Brief vom 23. Februar 1793, S. 363–372. Hervorhebung im Original. 43 Wilkinson, Elizabeth M./Willoughby, Leonard A.: Introduction. In: Schiller, Friedrich: On the Aesthetic Education of Man in a Series of Letters. Hg. u. übers. v. Elizabeth M. Wilkinson u. Leonard A. Willoughby. Oxford 1967, S. lxxxviii. 44 Diese Unterscheidung taucht in der Diskussion des ästhetischen Staats auf. Vgl. Schiller: Ästhetische Erziehung. Sechzehnter Brief, S. 482–484. 45 Vgl. Kern, Margit: Zur Geschichtsphilosophie Friedrich Schillers. In: Aufklä-

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Freiheit anderer respektieren, regen wir sie unter dem Einfluss ästhetischer Erziehung dazu an, sich umgekehrt zu einer Beschränkung ihrer eigenen Freiheit zu verpflichten. Eben diese freiwillige wechselseitige Anerkennung und Anpassung wird das Wesen des republikanischen Staates ausmachen. Indem Schiller die Unterscheidung zwischen Autonomie und Heautonomie weiterentwickelt und ihre politische Anwendung expliziert, erweitert er Kants Theorie und illustriert, wie Spontaneität in ästhetischer Bestimmbarkeit und Selbstbildung am Werk ist. In der ästhetischen Erziehung bildet sich die Spontaneität und erhebt sich zu einem moralischen Standpunkt, auf dem die Ansprüche der Pflicht und der Sinnlichkeit nicht länger im Streit miteinander liegen.46 Die Grenzen zwischen Wohlfahrt, Recht und Tugend sind bei Schiller durchlässiger als bei Kant, und die Konflikte zwischen ihnen sind weniger akut. Autonomie ist nicht auf das moralische Leben oder die Bestimmung von Maximen beschränkt, sondern sie verweist das Subjekt auf eine institutionelle Matrix, in der Freiheit alle sozialen und politischen Beziehungen durchdringt. Selbstgesetzgebung begreift Schiller sowohl als ein Charakteristikum der Sittlichkeit als auch der rechtlichen Praxis. Nicht nur der vormundschaftliche Staat scheitert an der Verwirklichung schöner Freiheit, sondern Schiller kritisiert auch die Einheit, die der revolutionäre Staat der Jakobiner seinen Bürgern diktiert. Eine »Staatsverfassung wird«, wie Schiller schreibt, »noch sehr unvollendet sein, die nur durch Aufhebung der Mannigfaltigkeit Einheit zu bewirken imstande ist.«47 Denn der »Staat soll nicht bloß den objektiven und generischen, er soll auch den subjektiven und spezifischen Charakter in den Individuen ehren.«48 Schiller glaubt, dass die Französische Revolution es versäumt hat, der Vielheit Rechnung zu tragen, und stattdessen ihren Bürgern mit Zwang eine einheitliche politische Identität aufzunötigen suchte. Als Alternative schlägt Schiller ein neues Ideal vor, das weder Einförmigkeit noch Wirrwarr beinhaltet,49 sondern sich auf ästhetische Prozesse spontaner Veränderung und die Verwirklichung schöner Einheit unter den Bedingungen der Moderne konzentriert. Dieses Ideal erkennt die Vielfältigkeit von Interessen an und sucht nach einer Möglichkeit, diese miteinander zu vereinbaren. Es betrachtet Interessen in rechtlichen Beziehunrung – Geschichte – Revolution: Studien zur Philosophie der Aufklärung, Bd 2. Hg. v. Manfred Buhr u. Wolfgang Förster. Berlin 1986, S. 271–298. 46 Dies ist ein Aspekt von Schillers Kritik an Kant, dessen Wichtigkeit hier nur angemerkt, aber nicht weiter untersucht wird. Vgl. McCumber, John: Schiller, Hegel, and the Aesthetics of German Idealism. In: The Emergence of German Idealism. Hg. v. Michael Baur u. Daniel O. Dahlstrom. Washington, D.C. 1999, S. 135–136. 47 Schiller: Ästhetische Erziehung. Vierter Brief, S. 451. 48 Ebd. 49 Schiller: Ästhetische Erziehung. Vierter Brief, S. 449–452.

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gen als bestimmbar und der Auflösung oder Synthesis fähig und sucht also ein allgemeines Interesse, ein gemeinsames Ziel zu stiften, das durch individuelle Anstrengung, Einsicht und Tugend formuliert und aufrechterhalten wird. Ist dieser Prozess im unmittelbaren historischen Zusammenhang gegen das disziplinarische Abschleifen der Besonderheit unter der Herrschaft der Jakobiner gerichtet, so muss man vorwegnehmend sagen, dass er sich auch gegen die Bejahung bloßer Vielfalt oder die Affirmation einer partikularistischen Identitätspolitik richten würde, die später im politischen Diskurs prominent werden sollten. Stattdessen konzentriert sich Schiller auf die Möglichkeit, dass eine neue, polyphone Harmonie geschaffen werden kann. Schiller ist sich darüber im Klaren, dass Subjektivität und Freiheit die Bedingungen sind, unter denen sich das Problem der Differenz in der Moderne stellt. Die Harmonie von besonderen und allgemeinen Interessen kann nicht länger vorausgesetzt, sie muss eigens geschaffen werden. Dabei kann die moderne, ästhetisch erzeugte Einheit jedoch nicht den Griechen nachgebildet werden, da Ganzheit und Harmonie im Sinne der Antike eine Bürgerschaft voraussetzen, die im Vergleich zu ihrem modernen, von Arbeitsteilung gekennzeichnetem Pendant noch weitgehend undifferenziert ist, was die Interessen und Funktionen der einzelnen Staatsbürger anbelangt. Einheit im Sinne der Griechen ist daher nicht länger erreichbar, noch im Sinne eines Ideals auch nur wünschbar.50 Die griechische Konzeption schöner Individualität, die den Staatsbürger als Mikrokosmos seiner Polis auffasst, ermangelt des modernen Prinzips der Reflexion. Diesem Prinzip zufolge ist das Individuum nicht einfach nur Teil eines umfassenden Ganzen, sondern selbstständiges Zentrum des Urteilens und Bewertens, das sich auf seine Welt kritisch bezieht und von ihr unterscheidet. Während die Moderne die scheinbar unmittelbare Harmonie der griechischen Antike zerschlägt, eröffnet sie zugleich neue Möglichkeiten, durch selbstbestimmtes und spontanes Handeln zwischen Einheit und Vielfalt zu vermitteln. Schiller entwickelt in diesem Zusammenhang eine differenzierte Analyse der griechischen Welt und ihrer scheinbar unmittelbaren Einheit, die mit den Grundzügen des kantischen Denkens übereinstimmt. Zwei Punkte sind hier zu beachten: Erstens, die Polis sichert die Einheit von Selbst und Gemeinschaft, indem sie die Autonomie und Spontaneität des Selbst leugnet und durch Sittlichkeit politischen Zwang ausübt. Die kantische Unterscheidung zwischen

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Schiller, Friedrich: Über naive und sentimentalische Dichtung. In: Werke in drei Bänden, Bd. II, S. 540–606. Zur Diskussion vgl. Chytry, Joseph: The Aesthetic State: A Quest in Modern German Thought. Berkeley 1989, S. 92, 96 u. 103.

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Recht und Sittlichkeit51 stellt in dieser Hinsicht einen beachtlichen Fortschritt dar, da sie Zwang nur in der Sphäre der Legalität und äußeren Handlung, nicht aber bei der Verbreitung von Tugenden zulässt. Zweitens, Schiller erkennt an, dass es in der griechischen Welt der Antike wichtige Unterschiede im Hinblick auf die Beziehung zwischen Glück und Tugend gibt. Schiller neigt nicht zu den kargeren Formen von Einheit, wie sie beispielsweise in Sparta anzutreffen waren, sondern er bevorzugt die Vitalität und Überschwänglichkeit Athens. Innerhalb der Grenzen der antiken Konzeption von Selbst und Gemeinschaft ermöglicht es das athenische Modell, sowohl die Vervollkommnung von Geist und Kultur anzustreben als auch eine größere Vielfalt von materiellen Bedürfnissen zu befriedigen. Auch diese Einschätzung Schillers stimmt mit den Hauptmerkmalen von Kants im Entstehen begriffenem politischen Denken überein.52 Die Moderne stellt erneut die Frage nach der Einheit von Einheit und Vielfalt. Neue Formen des Verschiedenseins, die ihre Wurzeln in der modernen Arbeitsteilung haben, eröffnen ein noch nie dagewesenes Spektrum an möglichen Spannungen zwischen privaten Interessen und machen es notwendig, die politischen Bande zwischen Staatsbürgern neu zu überdenken. Schillers Ansicht nach wirkt sich die moderne Fragmentierung von Arbeit nachteilig auf den individuellen Produzenten aus, mit dessen Tätigkeit auch seine Sicht auf das Selbst, die Gesellschaft und die Welt verkürzt und deformiert wird: »Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus; ewig nur das eintönige Geräusch des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft.”53 Während fortschreitende Spezialisierung und Arbeitsteilung die Entwicklung des Wissens für die Gattung fördern, verstümmeln sie die Individuen, welche die treibende Kraft dieses Prozesses sind. Hieraus ergibt sich die Forderung, diesem Zustand der Zerrissenheit abzuhelfen: Man muss neue Möglichkeiten 51

Kant skizzierte diese Unterscheidung in »Theorie und Praxis« aus dem Jahre 1793, einem Aufsatz, der nach Schillers Text zu Lykurgus und Solon (s. u., Anm. 53) von 1789 veröffentlicht wurde. Die Unterscheidung war zuerst in den Debatten aufgetaucht, die Kants Schriften aus den späten 1780er Jahren angestoßen hatten. Vgl. Moggach: Freedom and Perfection, S. 1014–1015. 52 Schiller, Friedrich: Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon. In: Sämtliche Werke. Hg. v. Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert. 5 Bde. München 1980, Bd. IV, S. 805–836. Schillers Ansicht nach stellt Sparta keine überzeugende Alternative dar, da Spartas Modell auf der Homogenität und erzwungenen Konformität der Einwohner beruht. 53 Schiller: Ästhetische Erziehung. Sechster Brief, S. 453–459.

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für Ganzheit und Unversehrtheit entdecken, die mit den Differenzierungen des modernen Lebens vereinbar sind, und die politische Einheit auf eine neue Grundlage stellen. Einheit ist dabei weder mit der Homogenität der Antike noch mit der jakobinischen Unterdrückung von Besonderheit gleichzusetzen; sie hängt vielmehr von der Bestimmbarkeit und Bildung des Selbst ab. Schiller glaubt, dass Interessen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft zwar vielfältiger geworden, aber trotzdem miteinander versöhnbar sind. Er entwickelt eine politische Interpretation des Autonomiebegriffs, der zufolge Begierden beziehungsweise Privatinteressen nicht unmittelbar als Ursachen politischer Handlungen wirken, sondern bewusst geprüft und als durch das Selbst bestimmbar behandelt werden müssen. Nur indem Individuen das jeweils Besondere an ihren begrenzten Privatzwecken aufeinander abstimmen, können Zerrissenheit und Fragmentierung überwunden werden, und nur dann kann auch ein wirklich allgemeines Interesse formuliert werden. Diese spontane Tätigkeit macht das Wesen der ästhetischen Erziehung aus. Die wechselseitige Begrenzung, die Kant nutzen wird, um die rechtliche Sphäre zu charakterisieren, wird von Schiller als Werk der Freiheit dargestellt. Schiller rekurriert auf den Begriff der Bestimmbarkeit,54 um hervorzuheben, dass das Selbst seine Eigenschaften und die objektiven Formen seiner Erscheinung verändern kann. Das vernünftige Subjekt ist weder (wie bei den Denkern der Antike) Träger unveränderlicher Zwecke, die durch die natürliche Ordnung festgelegt wären, noch ist es (wie bei den Materialisten der Aufklärung) ein Wesen mit unveränderlichen natürlichen Attributen; es ist vielmehr frei und spontan. Bestimmbarkeit in Übereinstimmung mit den Einsichten der Vernunft erlaubt es Individuen, durch ästhetische Erziehung neue Fähigkeiten und Formen der Interaktion auszubilden. Schillers kritisches Ideal ist ein ästhetischer Staat schöner und harmonisierter Lebensbedingungen und Beziehungen – und also eine rechtliche Sphäre, die durch gegenseitige Anpassung, nicht durch Zwang und Konflikt charakterisiert ist. Neben dem vormundschaftlichen und dem jakobinischen Staat unterscheidet Schiller noch zwei weitere mögliche Wege, auf denen sich der moderne Staat entwickeln könnte. Dieser könnte entweder einfach die Kultur der Zerrissenheit und deren hartnäckige Konflikte widerspiegeln und verstärken, oder er könnte den freien Erwerb neuer Fähigkeiten mittels der ästhetischen Bestimmbarkeit des Selbst fördern. Das erste mögliche Resultat beschreibt Schiller als den »dynamischen Staat«, der auf dem Widerstreit zwischen Individuen beruht, die sich durchzusetzen suchen, eisern auf ihren eigenen Privatinteressen bestehen und nur über den Wettstreit um materielle Vorteile miteinander in Beziehung treten. Dieser Staat vertritt eine disjunktive Auffassung von 54

Schiller: Ästhetische Erziehung. Zwanzigster Brief, S. 492–493.

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Reziprozität, nämlich ein Modell gegenseitigen Ausschlusses. Schiller nimmt hier den modernen liberalen Staat vorweg und bemerkt, dass in diesem Fall Einheit bestenfalls instrumentell durch Eigeninteressen herbeigeführt werden könnte. Interessen werden so, wie sie gegeben sind, als gültig anerkannt und durch den Zusammenprall konfligierender Kräfte (die im Begriff der »Dynamik« erfasst werden) zum Ausdruck gebracht. Das zweite mögliche Resultat ist der ästhetische Staat, den Schiller als eine moderne Form des Republikanismus beschreibt und der auf Zusammenarbeit und gegenseitiger Anerkennung beruht.55 Dieses Ideal bezeichnet nicht einen utopischen Endzustand, sondern einen Prozess ständiger Erneuerung. Seine Ordnung ist nicht gegeben, sondern wird erzeugt, und zwar nicht unter Zwang, sondern als freies Spiel. Der ästhetische Staat zielt auf eine höhere Einheit, die Vielfalt erhält, während sie Zusammenarbeit stärkt. So beinhaltet die aktive Reziprozität des ästhetischen Zustands, dass das Selbst sich und seine Eigenschaften im Lichte des Allgemeinen bestimmt. Aus kantischer Sicht handelt es sich dabei um Tugend, die in rechtliche Beziehungen eindringt und deren Funktionieren verändert. Der ästhetische Staat stimmt mit republikanischen Ideen überein, die Tugend als zentral für das politische Leben halten.56 Ästhetische Erziehung lehrt uns zweierlei. Zum einen hält sie uns davon ab, unsere Zielsetzungen beispielsweise dadurch zu verfolgen, dass wir – wie es für die moderne Kultur der Zerrissenheit typisch ist – eisern auf bestimmten Partikularinteressen bestehen. Zum andern bringt sie uns bei, unsere eigenen Projekte auf andere Weise zu verfolgen, etwa indem sie uns lehrt, dabei zum Gemeinwohl beizutragen und Vollkommenheit durch unsere eigenen Handlungen zu fördern. Ästhetische Erziehung befreit Subjekte von der ungezügelten Herrschaft der Sinnlichkeit, an der die Griechen der Antike Schillers Ansicht nach litten; sie entwindet Subjekte aber auch dem Griff einer allzu asketischen Moral, welche die Welt der Sinne als fremden und feindlichen Gegensatz zu sich selbst begreift (eine Position, die Schiller bisweilen Kant zuschrieb).57 Von Subjekten verlangt ästhetische Erziehung, dass sie ihre Spontaneität einüben, so dass diese das Niveau der Autonomie erreicht (wobei die Beziehungen zwischen Spontaneität und Autonomie, aber auch zwischen Schönheit und Erhabenheit bei Schiller nicht eindeutig sind und für ihn schwierige Fragen bleiben).58 Die hierzu erforderliche Selbstdisziplin und Selbstregie der Spon55

Zum Beispiel Schiller: Ästhetische Erziehung. Vierzehnter und sechzehnter Brief, S. 476–478 u. 482–484. Vgl. Chytry: The Aesthetic State, S. 81–85 u. 101–102. 56 Beiser, Frederick: Schiller as Philosopher: A Re-Examination. Oxford 2005. 57 McCumber: Schiller, Hegel, S. 136–37. 58 Schiller, Friedrich: Über Anmut und Würde. In: Sämtliche Werke, Bd. V, S. 433– 488. Schiller, Friedrich: Vom Erhabenen. In: Sämtliche Werke, Bd. V, S. 489–512. Schiller, Friedrich: Über das Erhabene. In: Sämtliche Werke, Bd. V, S. 792–808.

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taneität impliziert jedoch nicht, dass das Besondere wie im Jakobinismus oder in rigoristischen Moralsystemen ausgemerzt würde. Der Mensch muss, wie Schiller sich ausdrückt, »lernen edler begehren, damit er nicht nötig habe, erhaben zu wollen.«59 Schillers ästhetisches Ideal ist es, das Selbst auf eine höhere sittliche Ebene zu heben und die ihm jeweils eigenen, besonderen Perspektiven abzuschwächen, aber nicht aufzuopfern.60 Die politische Synthese, die ihm vorschwebt, vermeidet die absorbierende Allgemeinheit der antiken griechischen Polis, die von außen verfügte Einheit des revolutionären Staats in Frankreich sowie den ungezügelten Partikularismus des »dynamischen Staats«. Wie sich der moderne Staat geschichtlich entwickeln wird, ist nach Schiller offen. Bei ihm gibt es keinen Triumphalismus oder nichtssagenden Optimismus, sondern Zweifel und Zögern, was die Angemessenheit der von ihm vorgeschlagenen Lösung und der Mittel anbelangt, sie zu verwirklichen. Indem die Moderne Individuen von traditionellen Beziehungen befreit, ermöglicht sie es einerseits, neue Formen der Interaktion und der Individualität zu erschaffen, droht aber andererseits, sie in Kämpfen um die Befriedigung von Begierden zu verschlingen. Ästhetische Erziehung stellt immerhin in Aussicht, dass eines Tages eine vernünftige Emanzipation erreicht sein wird. Das Programm der Selbstbildung, das Schiller formuliert, soll Spontaneität und Autonomie so zusammenführen, dass dies mit moderner Vielfältigkeit vereinbar ist. Eine spätere, nachkantische Form von ästhetischem Republikanismus vertritt dagegen mit Nachdruck ein rigoristisches Ideal, welches das Besondere den Ansprüchen des Allgemeinen unterzuordnen sucht. Freiheit wird nicht mit schöner Harmonie verbunden, sondern mit dem erhabenen Ringen gegen innere und äußere Herrschaft, das heißt, die Macht ungeprüfter Begierden und unvernünftiger politischer Regime. Dass ein solches erhabenes Wollen für die soziale Einheit und den Fortschritt zwingend erforderlich ist, ist die Schlussfolgerung, die Bruno Bauer aus seiner Analyse der Welt während und nach der Französischen Revolution zieht. Die Interessen, welche die moderne bürgerliche Gesellschaft ausmachen, sind seiner Ansicht nach nicht einfach nur vielfältig, sondern einander entgegengesetzt. Mit Kant hatte Schiller dagegen angenommen, dass Interaktionen in der rechtlichen Sphäre sich zwar gegenseitig begrenzen, aber potentiell miteinander versöhnbar sind. Es schien nicht der Fall zu sein, dass die bürgerliche Gesellschaft notwendigerweise gegensätzliche Interessen hervorbringt. Zwar traf es zu, dass Interessen fragmentarisch waren und allzu einseitig und unnachgiebig vertreten wurden; in ihrer Substanz schienen sie aber potentiell miteinander vereinbar zu sein, wenn sie nur 59 60

Schiller: Ästhetische Erziehung. Dreiundzwanzigster Brief, S. 502. Schiller: Ästhetische Erziehung. Vierter Brief, S. 449–452.

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angemessen verstanden und zum Ausdruck gebracht wurden. Das Aufkommen der sozialen Frage im frühen 19. Jahrhundert legte aber die entgegengesetzte Schlussfolgerung nahe und führte dazu, dass die Beziehungen innerhalb der Sphäre von Kants praktischer Vernunft noch einmal neu beurteilt wurden. Die negativen Auswirkungen von Eigentum und wirtschaftlichen Interessen auf die politische Freiheit wurden zu einem zentralen Thema für die Hegelsche Linke, die mit ihren Interpretationen von Kant und Hegel zu sozialer Veränderung und Gerechtigkeit beitragen wollte. Anders als Kant, der von der Kompossibilität äußerer Sphären des Handelns im rechtlichen Raum ausgeht, glaubt Bauer, einer der führenden Köpfe des Linkshegelianismus in den 1840er Jahren, dass die bürgerliche Gesellschaft durch widerstreitende und unvereinbare Privatinteressen geprägt ist.61 Seiner Ansicht nach besteht das politische Problem nicht so sehr darin, zwischen diesen Interessen zu vermitteln, etwa durch Kompromisse und pragmatische Anpassungen oder auch nur durch den heiklen Ausgleich, den ästhetische Erziehung herstellen soll. Bevor diese Interessen überhaupt in Einklang gebracht werden können, müssen sie nach Bauers Auffassung verändert werden; oder genauer gesagt, die Individuen, die diese Interessen vertreten, müssen sich selbst ändern. Wie Schiller erfasst auch Bauer die Bestimmbarkeit von Individuen in ästhetischen Kategorien; nun ist allerdings nicht mehr das Schöne, sondern das Erhabene der angemessene Begriff. Das Erhabene erscheint in zwei Dimensionen: Subjektiv manifestiert es sich darin, dass das Selbst seine besonderen Interessen unterdrückt und sich einem strengeren Prozess der Transformation unterzieht als bei Schiller, da es nicht länger um die Unnachgiebigkeit von Menschen, sondern um die Inkommensurabilität von Interessen geht. Objektiv erscheint das Erhabene im anhaltenden Kampf, Vernunft und Freiheit im sozialen und politischen Leben zu verwirklichen.62 Bauers Standpunkt ist damit näher an der Jakobinischen Lösung, die Schiller verworfen hatte, da Bauers Schriften den Eindruck erwecken, als bilde die Besonderheit selbst einen Gegensatz zu vernünftiger Freiheit. Bauer hält jedoch weiterhin daran fest, dass Individuen sich selbst aus dem Griff irrationaler Interessen, Begierden und Abhängigkeiten befreien müssen und nicht von jemand anderem emanzipiert werden können. Nicht der Staat befreit die Subjekte, sondern diese befreien sich selbst, indem sie für die Einrichtung einer republikanischen Ordnung kämpfen.

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Bauer, Bruno: Die gute Sache der Freiheit und meine eigene Angelegenheit. Zürich, Winterthur 1842, S. 199 ff. (Anon.): Das Wohl der arbeitenden Klassen. In: Norddeutsche Blätter IX (1845), S. 52–66. 62 Moggach, Douglas: The Philosophy and Politics of Bruno Bauer. Cambridge 2003.

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Während Schiller sorgfältig zwischen antiker und moderner Subjektivität differenziert, setzt Bauer diese Unterscheidung als gegeben voraus. Wenn Bauer sich auf die Antike beruft, so zieht er vor allem biblische Quellen heran,63 oder er bezieht sich auf das Römische Reich, in dem die Konzentration der Macht im Kaiser die Individuen auf eine vor Wut kochende Masse formloser Besonderheiten reduziert, die aller Fähigkeit zur Selbstbestimmung beraubt sind. Diese spezifische Konfiguration lässt sich laut Bauer mit bestimmten tyrannischen Tendenzen in der Moderne vergleichen.64 Im Gegensatz zu Schiller befürwortet Bauer im allgemeinen die jakobinische Phase der Französischen Revolution und meint, dass in der entgegengesetzten Haltung der Girondisten das Prinzip der Privatinteressen und des Egoismus, in Napoleon die Transformation emanzipatorischer Absichten in räuberische Eroberungskriege zum Ausdruck komme.65 Wie Schiller glaubt auch Bauer, dass die Moderne einen vor die klare Alternative stelle, entweder eine Kultur der Zerrissenheit oder eine der Freiheit zu verwirklichen. Indem die Moderne die überkommene hierarchische Ordnung der Ständegesellschaft zerschlägt, erlaubt sie es den Einzelnen, soziale Beziehungen neu aufzubauen, indem sie entweder sich einfach dem Hang des Privatinteresses überlassen oder ihre Interessen einer Kritik unterziehen. Die von Bauer als »allgemeines Selbstbewusstsein« bezeichnete kritische Freiheit fordert, dass Individuen sich nicht von ihren Begierden bestimmen lassen, sondern sich von ihren besonderen Interessen und Identitäten emanzipieren, wann immer diese mit dem allgemeinen Interesse an Fortschritt in Konflikt geraten. Kritik umfasst eine Beurteilung sowohl der eigenen Werte als auch sozialer Praktiken und Institutionen. Dabei geht es jedoch nicht nur um eine theoretische Prüfung von Geltungsansprüchen, sondern auch um praktische Interventionen, die unvernünftige Beziehungen infrage stellen und beseitigen.66 Mithilfe des Begriffs des allgemeinen Selbstbewusstseins passt Bauer Kants praktische Vernunft an seine eigenen Zwecke an. Indem sittliche Sub63

Bauer, Bruno: Kritik der Geschichte der Offenbarung: Die Religion des alten Testaments in der gechichtlichen Entwicklung ihrer Prinzipien dargestellt. 2 Bde. Berlin 1838. 64 Quellen und eine Analyse finden sich in Moggach, Douglas: Failures of Autonomy: A Hegelian Diagnosis of Modern Tyranny. In: Confronting Tyranny: Ancient Lessons for Global Politics. Hg. v. Toivo Koivukoski u. David Tabachnick. Lanham, MD 2006, S. 53–66. 65 Bauer, Bruno et al.: Denkwürdigkeiten zur Geschichte der neueren Zeit seit der Französischen Revolution. Nach den Quellen und Original Memoiren bearbeitet und hg. v. Bruno Bauer u. Edgar Bauer. Charlottenburg 1843–1844. Zu Bauer über die Französische Revolution vgl. Moggach: Bruno Bauer, S. 126–27 u. 149–54. 66 Bauer, Bruno (Anon.): Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen: Ein Ultimatum. Leipzig 1841. Zur Analyse vgl. Moggach: Bruno Bauer, S. 99–118.

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jekte den Standpunkt des Allgemeininteresses einnehmen und die Maximen zu ihren Handlungen rational überprüfen, legen sie Spontaneität an den Tag und befreien sich von der Bestimmung durch äußere Ursachen oder ungeprüfte innere Triebe. Politische Tugend impliziert, dass man das Besondere den Regeln des Allgemeinen unterwirft. Begierden und Triebe konstituieren nicht die tiefste, authentische Dimension des Selbst,67 sondern sie können Freiheit behindern, insoweit sie heteronom bestimmt sind. Bauer erweitert den Begriff der Autonomie, indem er die Prämissen von Kants Ethik als Grundlage für politische und rechtliche Handlungen und Beziehungen interpretiert. Auf diese Weise führt Bauer den Begriff der Tugend wieder in die Sphäre des Rechts ein, aus der Kant ihn herausgenommen hatte. Politische Tugend meint, dass die Zwecke politischer (aber auch sittlicher) Handlungen universalistischer Zustimmung und rationaler Rechtfertigung im Hinblick darauf bedürfen, ob sie die Bedingungen von Freiheit fördern. Erwägungen, die sich auf persönlichen Nutzen oder die Wohlfahrt des Einzelnen richten, dürfen sich nicht über das Allgemeininteresse hinwegsetzen. Indem anerkannt wird, dass alle Subjekte sittliche und rechtliche Gleichheit in Anspruch nehmen können, werden im Namen des Allgemeinen all jene ererbten Unterschiede des Ranges, des Status, des Rechts und der Privilegien zurückgewiesen, die mit der alten vorrevolutionären Ordnung verbunden waren.68 Bauers Ansicht nach müssen diese Unterschiede als bloß ›positive‹, historische Überreste ohne Anspruch auf rationale Rechtfertigung beseitigt werden. Auch die wirtschaftlichen Interessen moderner emanzipierter Individuen sind der Kritik zu unterziehen. Bauers Wiedereinführung der Tugend in die Sphäre des Rechts hängt mit einer neuen Konzeption der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Grenzen zusammen und ist also kein Schritt zurück hinter Kant. Die linkshegelianische Fassung der Unterscheidung zwischen Staatsbürgerschaft einerseits und erwerbssüchtigem Individualismus andererseits prägen Einsichten in die Charakteristiken und Probleme der modernen bürgerlichen Gesellschaft. So argumentiert Bauer beispielsweise in seiner Analyse der Französischen Revolution, dass diese an der Durchsetzung der allgemeinen Emanzipation scheiterte, weil die französische Bourgeoisie ängstlich am Eigentum festhielt: Das Bürgertum war bereit, republikanische Institutionen und eine jakobinische Tugend aufzugeben und vor dem militärischen Absolutis67

Eine kritische Diskussion von neueren Versionen der Behauptung, dass Begierden bei der Selbstbestimmung primär seien, findet sich in Allison: Kant’s Theory of Freedom, S. 191–198. 68 Bauer, Bruno: Geschichte der Politik, Kultur und Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts. Erster Band: Deutschland während der ersten vierzig Jahre des achtzehnten Jahrhunderts. Charlottenburg 1843.

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mus des Bonapartismus zu kapitulieren, weil es seine wirtschaftlichen Vorteile sichern wollte.69 In der nachrevolutionären Welt besteht die Gefahr für die Freiheit darin, dass Eigentum die Tendenz hat, das Gebiet der Politik zu entstellen. Individuen werden in den Bereich ihrer Privatinteressen eingeschlossen und in hartnäckigen Gegensatz zueinander und zum geschichtlichen Fortschritt gebracht, während der Staat das Allgemeine als transzendente Macht für sich in Anspruch nimmt und dabei doch nur im Interesse der herrschenden Gruppen handelt. Dieser Analyse zufolge liegen Tugend und Handel im Streit miteinander, weil der Markt Heteronomie und den Gegensatz von Interessen fördert: Er bringt Subjekte dazu, Eigentum auf Kosten ihrer politischen Verpflichtungen zu maximieren. Bei dieser Betrachtung handelt es sich um eine Wiederholung der älteren republikanischen Kritik an der Chrematistik,70 die Bauer durch seine Überlegungen zur Entstehung des modernen Staates und seiner Wirtschaft zu rehabilitieren sucht. Hatte die Französische Revolution ihren Ursprung im emanzipatorischen Kampf gegen irrationale Privilegien und Hierarchien, so wurde sie nach dem Sturz der Jakobiner zu einem Vehikel für Habgier und imperiale Eroberung im Dienste der französischen Bourgeoisie.71 Laut Bauer steht die nachrevolutionäre Welt kurz davor, sich in eine bestimmungslose Massengesellschaft aufzulösen. In einer solchen Welt sind Individuen in dem Sinne partikularistisch, dass sie ihre unmittelbaren Interessen verfolgen, ansonsten aber sind sie bestimmungslos: Sie verzichten auf die Vermögen der Spontaneität und Autonomie, welche die Moderne überhaupt erst möglich machte. Republikanische Tugend muss diese neuen Formen von Heteronomie bezwingen und Autonomie innerhalb der Rechtspraktiken und bei der Suche nach Glück verwirklichen. Von der Massengesellschaft72 grenzt Bauer eine tu69

Bauer, Bruno: Die Septembertage 1792 und die ersten Kämpfe der Parteien der Republik in Frankreich. Charlottenburg 1844, Teil I, 6. Bauer, Bruno: Geschichte der Politik, Kultur und Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts. Dritter Band, Zweite Abteilung: Die Politik der Revolution bis zum Frieden von Basel. Charlottenburg 1845, S. 256. 70 Hont, Istvan/Ignatieff, Michael (Hg): Wealth and Virtue: The Shaping of Political Economy in the Scottish Enlightenment. Cambridge 1983. Ottow, Raimund: Markt, Tugend, Republik. Berlin 1996. Bauers Überlegungen klingen hier eindeutig an Rousseau an, dessen Discours sur l’origine et les fondement de l’inégalite parmi les hommes den Verlust an Freiheit mit den Wirkungen der Arbeitsteilung und der ungleichen Verteilung von Privateigentum verbindet. Für Bauer, der hier von Kant beeinflusst ist, besteht eine Lösung des von Rousseau aufgeworfenen Problems weder darin, dass das Individuum wie im antiken Modell in die Gemeinschaft absorbiert wird, noch darin, dass eine Zivilreligion wiederhergestellt wird; vielmehr betont Bauer das Element der Selbstgesetzgebung und Selbstveränderung im emanzipierten individuellen Willen. 71 Vgl. oben, Anm. 66. 72 Zur Masse und ihren Problemen vgl. Moggach: Bruno Bauer, S. 150–62.

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gendhafte Bürgerschaft ab, das heißt, das Volk als eine sich selbst bestimmende politische Entität, und er stellt heraus, dass eine solche Bürgerschaft sich gegen die auflösenden und ausschließenden Effekte von Eigentum und Privatinteressen immunisiert hat, um entschlossen und bestimmt im Allgemeininteresse zu handeln. Der zukünftige republikanische Staat muss die Ausweitung von Beziehungen des Rechts, der Reziprozität und der Gerechtigkeit auf alle Bereiche sicherstellen. Rechtspraktiken sollen die wohlfahrtsstaatlichen Institutionen reformieren. Bauers republikanisches Programm, das er inmitten der revolutionären Gärung der 1840er Jahre verfasste, stellte eine mitreißende Verteidigung der Souveränität des Volkes dar. Sein Republikanismus wies den Kompromiss mit dem monarchischen Staat unter dem trügerischen Deckmantel der Reform zurück. Er kritisierte aber auch den Liberalismus dafür, dass er Privatinteressen in die Politik verlegte und sich aufgrund der Bedeutung, die er dem Eigentum zuschrieb, zusammen mit der alten Ordnung völlig kompromittiert hatte. Schließlich setzte sich Bauer auch polemisch mit dem entstehenden Sozialismus auseinander, den er für unvereinbar mit der freien Selbstbestimmung des Individuums hielt.73 Allen diesen Auseinandersetzungen ist gemeinsam, dass Bauer partikularistische Ansprüche zurückweist und an ihrer Stelle das Allgemeininteresse verteidigt, wie es in der Doktrin unendlichen Selbstbewusstseins formuliert ist. Bauers Ansicht nach lässt sich die Kraft des Partikularismus nur durch die erhabene Bestimmbarkeit des Selbst und damit einen Prozess strenger Selbstveränderung bezwingen. Nur schön zu wollen reicht unter Bedingungen, in denen Privatinteressen einander diametral entgegengesetzt sind, nicht länger aus. Bauers Schriften nach den gescheiterten Revolutionen von 1848 sind zutiefst problematisch.74 Dagegen ist seine Kritik aus den 1840er Jahren von anhaltendem Interesse. Sie identifiziert Formen der Herrschaft und Heteronomie, die sich in zeitgenössischen wirtschaftlichen Beziehungen verbergen, und verteidigt demgegenüber moderne republikanische Optionen, die Förderung und Ausweitung der Rechtssphäre sowie die Tugenden aktiver Staatsbürgerschaft. Dabei ist Bauers republikanischer Rigorismus nicht naiv optimistisch: 73

Bauer, Bruno: Erste Wahlrede von 1848. In: Barnikol, Ernst: Bruno Bauer: Studien und Materialien. Hg. v. Peter Reimer u. Hans-Martin Sass. Assen 1972, S. 526–529. Vgl. zur Auseinandersetzung zwischen Bauer und den verschiedenen sozialistischen Bewegungen von 1848 auch Moggach: Bruno Bauer, S. 175–178 sowie Moggach, Douglas/ Jones, Gareth Stedman: Republicans and Socialists in 1848. In: The Revolutions of 1848 and Modern Political Thought. Hg. v. Gareth Stedman Jones u. Douglas Moggach. Cambridge (im Erscheinen). 74 Eine knappe Diskussion dieser späteren Ansichten findet sich in Moggach: Bruno Bauer, S. 180–187.

Die Kultur der Zerrissenheit und ihre Überwindung

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Er lädt Subjekte dazu ein, ein erhabenes und sehr anspruchsvolles Ideal der Selbstveränderung zu übernehmen, ohne ihnen metaphysische Erfolgsgarantien zu geben. Geleitet von der Idee, dass für den Geist nichts unmöglich ist, sucht Bauers politische Philosophie neue Praktiken und Auffassungen von Freiheit hervorzulocken.75 Diese Bekräftigung der Macht der Spontaneität bildet das Wesen des Deutschen Idealismus und seines Republikanismus.76 Aus dem Englischen übersetzt von Markus Hardtmann

75

Bauer, Bruno: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden. In: Feldzüge der reinen Kritik. Hg. v. Hans-Martin Sass. Frankfurt a. M. 1968, S. 195. 76 Der Autor bedankt sich für Unterstützung durch das Social Sciences and Humanities Research Council of Canada und The Faculty of Social Sciences an der University of Ottawa. Teile des vorliegenden Aufsatzes wurden bereits veröffentlicht unter dem Titel: Unity in Multiplicity: The Aesthetics of German Republicanism. In: On Civic Republicanism: Ancient Lessons for Global Politics. Hg. v. Geoffrey Kellow u. Neven Leddy. Toronto 2016, S. 305–329. Der Text wird hier in deutscher Übersetzung mit Genehmigung der University of Toronto Press publiziert.

Hans-Christoph Schmidt am Busch

Die sittliche Ambivalenz von Märkten – ein Grundproblem moderner Gesellschaften?

Seit einigen Jahren erleben wir eine Renaissance der Philosophie des Marktes. Längere Zeit war die Beschäftigung mit Märkten für die zeitgenössische Philosophie von untergeordneter Bedeutung und beschränkte sich weitgehend auf Fragen der gerechten Verteilung von Gütern und Dienstleistungen; diese thematische Ausrichtung verdankte sich nicht zuletzt dem starken Einfluss, welche die Rawlssche Gerechtigkeitstheorie auf den Diskurs der politischen Philosophie ausgeübt hat. Inzwischen können wir beobachten, wie Märkte unter einer umfassenderen philosophischen Perspektive, welche auch sozialtheoretische Fragen einschließt, zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht werden.1 Thematisch schließt die zeitgenössische Philosophie damit an die Philosophie des 18. und des 19. Jahrhunderts an: Die deutschsprachigen Kameralisten, die schottischen Moralphilosophen, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, die französischen Frühsozialisten und die Linkshegelianer bis hin zu Karl Marx – sie alle haben sich eingehend mit den Fragen beschäftigt, was Märkte sind und welche Auswirkungen sie auf die Möglichkeiten der Menschen haben, ein gelingendes Leben zu führen. Genährt wird das neuerliche philosophische Interesse an Märkten durch problematische wirtschaftliche und soziale Entwicklungen, von denen viele westliche Gesellschaften betroffen sind. In diesem Zusammenhang sind zu nennen: ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen, insbesondere bei jungen Menschen; eine Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und Lebensformen; eine Rückkehr der Armut, auch unter Kindern; eine Zunahme psychischer Erkrankungen unter Erwerbstätigen; eine Spreizung von Arbeitseinkommen; eine Konzentration des wirtschaftlichen Vermögens; eine Verschuldung der öffentlichen Haushalte, welche die Zahlungs- und Handlungsfähigkeit von Staaten gefährdet; eine Abnahme der Beteiligung an demokratischen Wahlen; 1

Um nur einige aktuelle Publikationen zu diesem Themenbereich anzuführen: Buchwalter, Andrew (Hg.): Hegel and Capitalism. New York 2015; Herzog, Lisa: Inventing the Market. Smith, Hegel, and Political Theory. Oxford 2013; Herzog, Lisa/Honneth, Axel (Hg.): Der Wert des Marktes. Ein ökonomisch-philosophischer Diskurs vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Berlin 2014; Satz, Debra: Von Waren und Werten. Die Macht der Märkte und warum manche Dinge nicht zum Verkauf stehen sollten. Hamburg 2013; Skidelsky, Robert/Skidelsky, Edward: Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. München 2013.

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ein Wiedererstarken des Nationalismus; sowie ein Aufschwung rechtsextremer Parteien und Bewegungen. Angesichts solcher Entwicklungen ist es keine Überraschung, dass sich Philosophinnen und Philosophen für die Fragen interessieren, wie Märkte funktionieren, welche gesellschaftlichen Auswirkungen sie haben und wie sie ethisch und sozialphilosophisch zu bewerten sind. Die gegenwärtigen Debatten zu diesen Themen betreffen zum einen bestimmte Märkte, zum anderen Märkte im Allgemeinen. In jenem Zusammenhang wird beispielsweise erörtert, ob und warum einzelne Märkte – etwa für giftige Abfälle oder menschliche Organe – ethisch problematisch sind und staatlich begrenzt werden sollten;2 in diesem Zusammenhang steht die Frage im Vordergrund, ob Märkte »normfreie«3 Systeme sind oder moralische Grundlagen haben, die mehr oder weniger adäquat institutionalisiert sein können.4 Während jene Themen verstärkt von englischsprachigen Philosophinnen und Philosophen aufgegriffen worden sind,5 hat diese Frage vor allem unter Theoretikerinnen und Theoretikern, die in der Tradition der Frankfurter Schule stehen, vielfältige Diskussionen und Kontroversen hervorgerufen.6 Die Vorstellung, dass nicht nur einzelne Märkte, sondern auch das uns bekannte »System der Marktwirtschaft« auf einer basalen Ebene »moralisch oder sittlich« verfasst sei, hat Axel Honneth im Zuge einer umfassenden Aktualisierung der Hegelschen Theorie der Sittlichkeit näher ausgearbeitet. Honneth glaubt, »daß die vom Markt vorgenommene Koordinierung von bloß individuellen Nutzerwägungen dann überhaupt nur gelingen kann, wenn die beteilig2

Vgl. z. B. Sandel, Michael J.: Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes. Berlin 2012 oder Satz, Debra: Everything for Sale? Moralische Grenzen des Marktes. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung 10, 1 (2013), S. 3–16. Vgl. hierzu nun auch das »Symposium on Limits of Markets« der Zeitschrift Moral Philosophy and Politics (2, 2 (2015), S. 329–377). 3 Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns. Zweiter Band. Frankfurt a.M. 1988, S. 231. 4 Diese Frage erörterte Axel Honneth in einem öffentlichen Abendvortrag (»Die Sittlichkeit des Marktes. Normative Grundlagen wirtschaftlichen Handelns«) anlässlich der in der »Einleitung« des Buches genannten Braunschweiger Tagung. Vgl. auch Honneth, Axel: Markt und Moral. Alternativen der Kapitalismusanalyse. In: Unerfüllte Moderne? Neue Perspektiven auf das Werk von Charles Taylor. Hg. v. Michael Kühnlein u. Matthias Lutz-Bachmann. Berlin 2011, S. 78–103. 5 Vgl. aber beispielsweise auch die Überlegungen, die Elisabeth Anderson zu Märkten und Wirtschaftssystemen im Rahmen ihres Modells der Gesellschaft als Kooperationszusammenhang angestellt hat (in: What is the Point of Equality? In: Ethics 109, 2 (1999), S. 287–337). 6 Vgl. z. B. den Schwerpunkt der Zeitschrift Critical Horizons (16, 2 (2015), S. 107– 226) zu Axel Honneths Sozialphilosophie. In diesem Diskussionszusammenhang steht auch der Beitrag von Christopher F. Zurn zu dem vorliegenden Buch (»The Ends of History: Alternative Teleologies and the Ambiguities of Normative Reconstruction«).

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ten Subjekte sich vorweg nicht nur rechtlich als Vertragspartner, sondern auch moralisch oder sittlich als Mitglieder eines kooperierenden Gemeinwesens anerkannt haben.«7 Diesen Gedanken, als dessen Urheber er Hegel ausmacht, versucht Honneth im Rahmen einer Theorie des »normativen Funktionalismus«8 zu rechtfertigen. Damit wirft er zugleich die Frage auf, welches systematische Interesse Hegels Überlegungen zu Märkten für die heutige Forschung haben. In dem vorliegenden Beitrag werde ich mich mit Hegels Philosophie des Marktes beschäftigen. Der Ausgangspunkt und das Ziel meiner Untersuchung unterscheiden sich jedoch von denen Honneths. Ich möchte darlegen, in welchem Sinne und aus welchen Gründen Märkte für Hegel sittlich ambivalent sind, erläutern, warum diese Ambivalenz aus Hegels Sicht ein Grundproblem moderner Gesellschaften ist, und erwägen, ob Hegels Überlegungen der heutigen Forschung Anregungen geben oder Perspektiven eröffnen können. Den Ausgangspunkt meiner Untersuchung bildet Hegels These, dass die Mitglieder moderner (»bürgerlicher«) Gesellschaften eine spezifische »sittliche Gesinnung« haben. Ich werde zunächst darlegen, worin diese Gesinnung besteht (1 & 2), und dann erläutern, warum Märkte nach Maßgabe dieser Gesinnung sittlich ambivalent sind (3 & 4). Abschließend werde ich die Frage untersuchen, aufgrund welcher Annahmen Hegel die sittliche Ambivalenz von Märkten für ein Grundproblem moderner Gesellschaften hält, und überlegen, ob sein Standpunkt die zeitgenössische Forschung bereichern kann (5).

1. Hegel ist der Überzeugung, dass sich in Westeuropa zu seinen Lebzeiten eine neue Form von Gesellschaft bildet, die als »bürgerliche Gesellschaft«9 anzusehen ist. Die Entstehung von bürgerlichen Gesellschaften führt Hegel auf politische und wirtschaftliche Umbrüche im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zurück – etwa die Französische Revolution oder die von England ausgehende Industrialisierung. Wie er betont, sind bürgerliche Gesellschaften nach seiner Auffassung nicht nur in institutioneller Hinsicht von anderen Arten von Ge7

Honneth, Axel: Das Recht der Freiheit, Berlin 2011, S. 328–329. Ebd., S. 332. 9 PhR, § 182–256. Ich zitiere Hegels Schriften nach folgender Ausgabe: Gesammelte Werke (GW). In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft hg. v. der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Hamburg 1968 ff. Zusätze zu Paragraphen der Grundlinien der Philosophie des Rechts zitiere ich nach folgender Ausgabe: Werke in zwanzig Bänden. Hg. v. Eva Moldenhauer u. Karl Markus Michel. Bd. 7. Frankfurt a.M. 1986. Bei der Ausweisung von Zitaten aus den Grundlinien der Philosophie des Rechts (GW, Bd. 14.1) verwende ich die Sigle PhR. 8

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sellschaften verschieden; vielmehr haben ihre Mitglieder auch eine spezifische »sittliche Gesinnung«, die sie von Angehörigen anderer Gesellschaften unterscheidet: »Die sittliche Gesinnung […] ist daher […], sich, und zwar aus eigener Bestimmung, durch seine Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten und nur durch diese Vermittelung mit dem Allgemeinen für sich zu sorgen, sowie dadurch in seiner Vorstellung und der Vorstellung anderer anerkannt zu seyn.«10 Wie ist diese Aussage zu verstehen? Was die Bedeutung einzelner Ausdrücke angeht, ist zunächst Folgendes festzustellen: Wenn Hegel davon spricht, dass ein Mensch »sich zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft« macht, sich »als solches« erhält und »nur durch diese Vermittelung mit dem Allgemeinen für sich« sorgt, dann meint er, dass die fragliche Person den eigenen Lebensunterhalt dadurch sichert, dass sie im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung als berufstätige Güter herstellt oder Dienste anbietet, von denen andere Menschen einen Nutzen haben. In einer bürgerlichen Gesellschaft sichern die Menschen ihren Lebensunterhalt also dadurch, dass sie mit ihrer Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts anderer Personen beitragen. Warum aber spricht Hegel in diesem Zusammenhang von einer »sittlichen« Einstellung? Was heißt es, dass der Einzelne in einer bürgerlichen Gesellschaft die »sittliche Gesinnung« hat, aus eigener Bestimmung und durch eigene Tätigkeit einen Beruf zu erlernen und auszuüben und seinen Lebensunterhalt dadurch zu sichern, dass er mit seiner Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts anderer Menschen beiträgt? Und warum ist er, wie Hegel schreibt, »dadurch in seiner Vorstellung und der Vorstellung anderer anerkannt«? Wie wir sehen werden, lässt sich die sittliche Gesinnung der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften thesenartig charakterisieren. Aus Gründen der Übersichtlichkeit bietet sich hierbei eine geringfügige Formalisierung an. Th-1: Für ein Mitglied einer bürgerlichen Gesellschaft, A, ist es wichtig, aus eigener Bestimmung und durch eigene Tätigkeit einen Beruf zu erlernen und auszuüben und den eigenen Lebensunterhalt durch Beiträge zur Sicherung des Lebensunterhalts anderer Personen zu sichern. Oder, geringfügig formalisiert: Th-1: Für ein Mitglied einer bürgerlichen Gesellschaft, A, ist es wichtig, X zu tun. 10

PhR, § 207.

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Th-2: A hat wie selbstverständlich die Überzeugung, dass es auch für die anderen Gesellschaftsmitglieder, B, C usw., wichtig ist, X zu tun. Th-3: A, B, C usw. stehen auf dem Standpunkt, dass jeder von ihnen, sofern es ihm möglich ist, X tun sollte. Th-4: Wenn A X tut, ist es für A wichtig, von B, C usw. dafür wertgeschätzt (»anerkannt«) zu werden. Th-5: Wenn B, C usw. X tun, ist A ohne weiteres bereit, sie dafür wertzuschätzen. Th-6: A, B, C usw. stehen auf dem Standpunkt, dass jeder von ihnen von den anderen wertgeschätzt werden sollte, wenn er X tut. Diese Thesen sollen in dem verbleibenden Teil des vorliegenden Abschnitts erläutert werden. Dass es für A wichtig ist, X zu tun, besagt, dass A diese Aktivität als einen integralen Bestandteil eines gelingenden Lebens ansieht; könnte A X nicht tun, wäre er der Meinung, dass sein Leben unvollkommen sein würde. Folglich ist es für A nicht nur in instrumenteller Hinsicht wichtig, X zu tun. A übt eine berufliche Tätigkeit also nicht nur deshalb aus, um Geld zur eigenen Verfügung zu haben – sodass er aufhören würde zu arbeiten, wenn ihm dies finanziell möglich wäre, etwa im Falle einer Erbschaft oder eines Lottogewinns. Vielmehr legt A Wert darauf, mit seiner Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts anderer Gesellschaftsmitglieder beizutragen und den eigenen Lebensunterhalt auf diesem Wege zu sichern. Damit hat A eine evaluative und volitional-praktische Einstellung, die ihm hilft, das eigene Leben zu strukturieren. Diese Einstellung ermöglicht es ihm etwa, Wünsche, die er hat, zu bewerten, anzunehmen oder zu verwerfen, oder Handlungen, die ihm offen stehen, nach Maßgabe der Erfordernisse des XTuns als angemessen oder unangemessen, als sinnvoll oder nicht-sinnvoll zu beurteilen. Damit hat diese Einstellung einen erheblichen Einfluss auf A’s Selbstverständnis und praktische Identität. In einer bürgerlichen Gesellschaft ist es A nicht nur wichtig, X zu tun; darüber hinaus geht A wie selbstverständlich davon aus, dass es auch für die anderen Gesellschaftsmitglieder wichtig ist, X zu tun – sodass er überrascht, ja verblüfft sein würde, wenn er erführe, dass B oder C keinerlei Interesse daran hat, X zu tun. Mehr noch: A – wie auch B und C – steht auf dem Standpunkt, dass es normativ richtig ist, dass jeder von ihnen, sofern es ihm möglich ist, X tut. Damit verfügt A – ebenso wie B und C – über einen Maßstab, der es ihm ermöglicht, das eigene Verhalten und das der anderen als gut oder schlecht, als lobens- oder tadelnswert einzustufen – je nach dem,

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ob es normerfüllend oder normwidrig ist. Hierbei ist zu beachten, dass diese Norm besagt, dass jedes Gesellschaftsmitglied X tun soll, sofern es ihm möglich ist. Personen, denen es etwa aufgrund von Behinderungen unmöglich ist, X zu tun, verhalten sich also nicht dadurch normwidrig, dass sie X nicht tun. Kommen wir zu den Thesen 4, 5 und 6. Sie besagen, dass es den Mitgliedern einer bürgerlichen Gesellschaft wichtig ist, wertgeschätzt zu werden, wenn sie X tun; ferner, dass sie ohne weiteres bereit sind, einander wertzuschätzen, wenn sie X tun; und schließlich, dass sie es für angemessen oder normativ richtig halten, dass Personen, die X tun, hierfür wertgeschätzt werden. Diese Komponenten der Einstellung der Gesellschaftsmitglieder sind nur deshalb verständlich, weil das X-Tun eine Aktivität ist, die nicht selbstverständlich oder mühelos gelingt. Würde das X-Tun etwa im Grüßen von Arbeitskollegen bestehen, könnte es – jedenfalls unter normalen Umständen – keine geeignete Grundlage von Wertschätzung bilden; es wäre vielmehr etwas, was die Menschen wie selbstverständlich voneinander erwarten würden. Demgegenüber besteht das X-Tun im vorliegenden Fall darin, aus eigener Bestimmung und durch eigene Tätigkeit einen Beruf zu erlernen und auszuüben und den eigenen Lebensunterhalt durch Beiträge zur Sicherung des Lebensunterhalts anderer Personen zu sichern – also in einer zeitlich ausgedehnten, komplexen Aktivität, deren Gelingen Entschlossenheit und Anstrengung erfordert. Weil das so ist, bildet dieses Tun eine geeignete Grundlage von Wertschätzung, die sich, wie ich hier nur feststellen kann, auf unterschiedliche Aspekte desselben beziehen kann (etwa die Bereitschaft, einen Beruf zu erlernen und zu praktizieren, die fachlichen Kompetenzen, welche mit der Ausübung einer Berufsarbeit einhergehen, oder den gesellschaftlichen Nutzen, welchen diese Arbeit stiftet).11 Halten wir fest: Wenn Hegel von der »sittlichen Gesinnung« der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften spricht, meint er eine Einstellung, die sich anhand der oben genannten Thesen charakterisieren lässt. Wie erläutert, hat eine solche Einstellung evaluative, normative und volitional-praktische Elemente, und sie schließt darüber hinaus Überzeugungen bezüglich des Vorhandenseins dieser Elemente (bei sich selbst und bei anderen Personen) ein. Wie aus den vorangehenden Überlegungen erhellt, hat eine solche Einstellung einen erheblichen Einfluss auf das Selbstverständnis der Menschen, ihre Lebensführung sowie die gesellschaftlichen Beziehungen, die sie zueinander unterhalten.

11

Vgl. hierzu auch meine Überlegungen in »Anerkennung« als Prinzip der Kritischen Theorie. Berlin, New York 2011. Vgl. zum Begriff der Anerkennung nun auch Ikäheimo, Heikki: Anerkennung. Berlin, Boston 2015.

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2. Im Hinblick auf unsere weiteren Überlegungen ist ein Element der oben behandelten sittlichen Gesinnung näher zu untersuchen, das von Hegel selbst herausgestellt wird: das der »eigenen Bestimmung«, aus der der Einzelne sich zu einem Angehörigen eines »Moments«, lies: einer Berufsgruppe, der bürgerlichen Gesellschaft macht und als solches erhält. Es bietet sich an, Hegels oben analysierte Aussage zur bürgerlichen Gesinnung unter diesem Aspekt erneut zu betrachten. »Die sittliche Gesinnung […] ist daher […], sich, und zwar aus eigener Bestimmung, durch seine Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten und nur durch diese Vermittelung mit dem Allgemeinen für sich zu sorgen sowie dadurch in seiner Vorstellung und der Vorstellung anderer anerkannt zu seyn.«12 In einem benachbarten Paragraphen der Grundlinien der Philosophie des Rechts macht Hegel nähere Angaben zu dem uns interessierenden Element der sittlichen Gesinnung der Menschen. In einer bürgerlichen Gesellschaft, so lesen wir hier, liege »die letzte und wesentliche Bestimmung […] in der subjectiven Meynung und der besondern Willkühr, die sich in dieser Sphäre ihr Recht, Verdienst und ihre Ehre giebt, so daß, was in ihr […] geschieht, zugleich durch die Willkühr vermittelt ist und für das subjective Bewußtseyn die Gestalt hat, das Werk seines Willens zu seyn.« 13 Was muss demnach der Fall sein, damit eine Person A sich »aus eigener Bestimmung« zu einem Mitglied eines »Moments« der bürgerlichen Gesellschaft macht und als solches erhält? Im vorliegenden Zusammenhang ist es nicht nur erforderlich, dass es überhaupt eine Entscheidungssituation gibt – dass also nicht unter Bezugnahme auf Faktoren wie soziale Herkunft oder ethnische Zugehörigkeit verbindlich geregelt ist, wer welche Arbeiten zu verrichten hat –; ferner, dass niemand – eine andere Person oder eine Institution – anstelle von A entscheidet, welche Arbeiten von ihm auszuführen sind; und schließlich, dass A nicht genötigt wird – von einer Privatperson oder einem Vertreter einer gesellschaftlichen oder staatlichen Einrichtung –, sich mit der Übernahme bestimmter Arbeiten einverstanden zu erklären. Vielmehr muss A darüber hinaus berechtigt sein, Mitglied der unterschiedlichen »Momente« 12 13

PhR, § 207 (Hervorhebungen von mir; SaB). PhR, § 206.

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der bürgerlichen Gesellschaft zu werden – eine Bestimmung, die dann erfüllt ist, wenn es keine Gesetze und Bräuche gibt, die es A untersagen, bestimmte berufliche Tätigkeiten auszuüben – und sich nach Maßgabe seiner »Meynung« und seiner Präferenzen (»besondern Willkühr«) zu konkreten beruflichen Optionen zu verhalten, und zwar ohne dazu verpflichtet zu sein, die Gründe seiner Entscheidung (zu Gunsten oder zu Ungunsten der jeweiligen beruflichen Tätigkeit) offenzulegen, zur Diskussion zu stellen oder einer Prüfung zu unterziehen.14 Nur wenn auch diese Bedingungen erfüllt sind, werden A selbst und seine Mitbürgerinnen und Mitbürger die Überzeugung haben, dass diejenige berufliche Tätigkeit, durch die sich A zu einem Mitglied eines »Moments« der bürgerlichen Gesellschaft macht und als solches erhält, durch seine »Willkühr« vermittelt bzw. »das Werk seines Willens« ist. Und nur dann werden sie der Auffassung sein, dass die fragliche Tätigkeit eine ist, die A »aus eigener Bestimmung« ausübt.15

3. Die Berechtigung, sich »aus eigener Bestimmung« zu einem Mitglied eines »Moments« der Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten, wird in bürgerlichen Gesellschaften durch einen Institutionenkomplex kodifiziert und geschützt, den Hegel »das abstracte Recht«16 nennt. Wodurch ist dieses »Recht« in seinen Grundzügen charakterisiert? Und warum ist es geeignet, den Einzelnen als jemanden zu fassen und zu schützen, der die Berechtigungen hat, Mitglied der unterschiedlichen »Momente« der bürgerlichen Gesellschaft zu werden und sich nach Maßgabe seiner »subjectiven Meynung« und »besondern Willkühr« zu seinen beruflichen Optionen zu verhalten? Folgt man Hegels eigenen Ausführungen, dann macht die »Persönlichkeit […] den Begriff […] des abstracten Rechts«17 aus. Demnach ist zunächst zu klären, was Hegel unter »Persönlichkeit« versteht. In diesem Zusammenhang ist der folgende Paragraph der Grundlinien aufschlussreich: »Die Allgemeinheit dieses für sich freyen Willens ist die formelle, die selbstbewußte, sonst inhaltslose einfache Beziehung auf sich in seiner Einzelnheit, – das Subject ist in so fern Person. In der Persönlichkeit liegt, daß ich 14

Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass A dazu berechtigt ist, dies zu tun. Ob ein Mitglied einer bürgerlichen Gesellschaft etwas »aus eigener Bestimmung« tut oder nicht, hängt also normalerweise (d. h. bei Abwesenheit psychischer Beeinträchtigungen) von sozialen Gegebenheiten (wie Berechtigungen) ab. 16 Vgl. PhR, §§ 34–104. 17 PhR, § 36. 15

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als Dieser vollkommen nach allen Seiten (in innerlicher Willkühr, Trieb und Begierde, so wie nach unmittelbarem äußerlichen Daseyn) bestimmte und endliche, doch schlechthin reine Beziehung auf mich bin und in der Endlichkeit mich so als das Unendliche, Allgemeine und Freye weiß.«18 Hierzu merkt Hegel an: »Die Persönlichkeit fängt erst da an, in so fern das Subject nicht bloß ein Selbstbewußtseyn überhaupt von sich hat als concretem, auf irgendeine Weise bestimmtem, sondern vielmehr ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich, in welchem alle concrete Beschränktheit und Gültigkeit negirt und ungültig ist.«19 Mit dem Wort »Persönlichkeit« bezeichnet Hegel ein spezifisches Willensverhältnis, und Menschen, die dieses Verhältnis realisieren, sind für ihn Personen.20 Legt man seine oben zitierten Aussagen zugrunde, dann wird man feststellen, dass Hegel Personen anhand von zwei Eigenschaften charakterisiert: Ein Individuum, das eine Person ist, unterhält erstens eine »nach allen Seiten bestimmte und endliche« Beziehung zu sich selbst. Als ein Wesen, das eine biologische Natur hat und in einem sozialen Kontext steht, hat eine solches Individuum vielfältige Bedürfnisse, Neigungen und Interessen, und in der Regel weiß es auch, dass es diese – und nicht andere – Bedürfnisse, Neigungen und Interessen hat. Mit diesem Wissen ist es auf sich selbst als ein »bestimmtes und endliches« Individuum bezogen. Es versteht sich als ein »concrete[s]« Subjekt. Zweitens unterhält ein Individuum als Person eine »schlechthin reine Beziehung« zu sich selbst und hat »ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich, in welchem alle concrete Beschränktheit und Gültigkeit negirt und ungültig ist.« Hiermit ist gemeint: Das Individuum, das auf sich selbst als ein »bestimmtes und endliches« bezogen ist, steht zugleich auf dem Standpunkt, dass es sich von jedem seiner Bedürfnisse, jeder seiner Neigungen und jedem seiner Interessen willentlich distanzieren kann. Für es gibt es kein X-Tun, das es kraft eines Bedürfnisses, einer Neigung oder eines Interesses wollen müsste; vielmehr könnte es auch dann, wenn es das Bedürfnis, die

18

PhR, § 35. PhR, § 35, Anm. 20 Vgl. zu Hegels Begriffen der Person und der Persönlichkeit vor allem Quante, Michael: ›Die Persönlichkeit des Willens‹ als Prinzip des abstrakten Rechts. Eine Analyse der begriffslogischen Struktur der §§ 34–40 von Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts. In: Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Hg. v. Ludwig Siep. Berlin 1997, S. 73–94, Quante, Michael: Hegel’s Concept of Action. Cambridge 2004, S. 13–55 sowie Siep, Ludwig: Personbegriff und Praktische Philosophie bei Locke, Kant und Hegel. In: Ders.: Praktische Philosophie im Deutschen Idealismus, Frankfurt a.M. 1992, S. 107–124. 19

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Neigung oder das Interesse hätte, X zu tun, den Willen bilden, X nicht zu tun. In diesem Sinne versteht sich das Individuum als »ein vollkommen abstracte[s] Ich«, das durch »concrete« Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen letztlich nicht beschränkt wird. Zu beachten ist: Ein Individuum, das eine Person ist, schreibt sich nicht nur die Fähigkeit zu, sich von seinen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen willentlich zu distanzieren und selbst zu entscheiden, welche dieser Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen es erfüllen möchte; vielmehr hält es sich darüber hinaus für berechtigt, dies zu tun, und es ist der Überzeugung, dass seine Freiheit eben hierin besteht. In diesem Sinne ist es für es selbst »das Unendliche, Allgemeine und Freye«, wenn es sich zu sich selbst als einem »bestimmten und endlichen« Individuum willentlich verhält. Hegels weitere Überlegungen betreffen das Verhältnis, in dem die oben analysierten beiden Eigenschaften von Personen zueinander stehen. Hegel schreibt: »Die Besonderheit des Willens ist wohl Moment des ganzen Bewußtseyns des Willens, aber in der abstracten Persönlichkeit als solcher noch nicht enthalten. Sie ist daher zwar vorhanden, aber als von der Persönlichkeit, der Bestimmung der Freyheit, noch verschieden, Begierde, Bedürfniß, Triebe, zufälliges Belieben u.s.f.«21 Die »Besonderheit des Willens« – also der Umstand, dass das Individuum bestimmte Bedürfnisse, Neigungen und Interessen hat – ist demnach zwar ein integraler Bestandteil des Willens von Personen, zugleich aber von der »abstracten Persönlichkeit«, durch die das Individuum sich als frei versteht, »noch verschieden«. Wie ist diese Aussage zu verstehen? Zu beachten ist zunächst, dass Hegel im vorliegenden Zusammenhang von der abstrakten Persönlichkeit spricht. Mit diesem Ausdruck bezieht er sich nicht – wie mit dem Ausdruck »Persönlichkeit« – auf das gesamte Willensverhältnis, das Personen realisieren, sondern lediglich auf einen Teil desselben, nämlich dasjenige Selbstverständnis, das ein Individuum von sich als »vollkommen abstracten Ich« hat (und das von uns als die zweite Eigenschaft von Personen analysiert worden ist). Auf der Grundlage dieser terminologischen Klärung lassen sich Hegels oben wiedergegebene Ausführungen verständlich machen. Die Besonderheit des Willens muss ein integraler Bestandteil des Willens von Personen sein, denn von ihr distanziert sich ein Individuum ja, wenn es zu sich selbst in eine »schlechthin reine Beziehung« tritt und entscheidet, welche seiner Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen es erfüllen möchte. Darüber hinaus würde ein Individuum, das lediglich ein solches »vollkommen abstrac21

PhR, § 37.

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tes Ich« wäre, überhaupt kein Willensverhältnis in einem uns geläufigen (oder auch nur verständlichen) Sinne ausbilden – da es ja keine inhaltliche Bestimmung und mithin keinen möglichen Zweck haben würde. Folglich kann der Wille einer Person ohne das Moment der Besonderheit nicht gegeben sein. Andererseits ist die Besonderheit des Willens bei Personen »noch verschieden« von dem Willensmoment der abstrakten Persönlichkeit und hat die Gestalt von »Begierden, Bedürfnissen, Trieben, zufälligem Belieben u.s.f.« Damit ist gemeint: Um eine Person zu sein, ist es hinreichend, dass ein Individuum sich zu beliebigen möglichen Zwecken – die ihm mit seinen Begierden, Bedürfnissen usw. gegeben sein können – auf die oben analysierte Art und Weise willentlich verhält; demgegenüber ist es nicht erforderlich, dass es seine Entscheidung, X zu tun oder zu unterlassen, an Prinzipien wie denen der Universalisierbarkeit von Handlungsmaximen oder der Maximierung des allgemeinen Nutzens ausrichtet oder in Form von Volitionen zweiter Stufe22 befürwortet. Aus diesem Grunde ist das Willensverhältnis der Persönlichkeit, wie Hegel schreibt, mit Bezug auf »moralische und sittliche Verhältnisse« lediglich eine »Möglichkeit«.23 Für Hegel, so hatten wir gesehen, macht die »Persönlichkeit […] den Begriff […] des abstracten Rechts« aus. Wir haben daraufhin untersucht, worin das Willensverhältnis der Persönlichkeit besteht. Im Lichte der Ergebnisse dieser Untersuchung sollte es nun möglich sein, die Grundzüge der Hegelschen Theorie des abstrakten Rechts zu bestimmen. In demjenigen Paragraphen der Grundlinien, dem die oben zitierte Textstelle entnommen ist, lesen wir: »Die Persönlichkeit […] macht den Begriff […] des abstracten und daher formellen Rechts aus. Das Rechtsgebot ist daher: sey eine Person und respectiere die andern als Personen.«24 Demnach ist das, was Hegel das abstrakte Recht nennt, ein rechtlich institutionalisiertes Willens- und Anerkennungsverhältnis. In intersubjektiver Hinsicht besteht dieses Verhältnis zwischen Individuen, die sich selbst und einander als gleichberechtigte Personen ansehen und respektieren. Im Lichte der Ergebnisse unserer Analyse des Hegelschen Begriffs der Persönlichkeit ist im vorliegenden Zusammenhang folgender Punkt herauszustellen: Diejenige Art von Anerkennung, die Individuen einander als Personen entgegenbringen (und die Hegel als Respekt 22

Vgl. zu diesem Konzept Frankfurt, Harry G.: Freedom of the will and the concept of a person. In: Ders.: The importance of what we care about. Cambridge 1988, S. 11–25. Vgl. zu diesem Thema auch Quante, Michael: Person. Berlin 2007, S. 135–177 und Bieri, Peter: Wie wollen wir leben? St. Pölten 2011. 23 PhR, § 38. 24 PhR, § 36.

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bezeichnet), bezieht sich ausschließlich auf eines der beiden Momente des Willens von Personen: das der abstrakten Persönlichkeit; das Moment der Besonderheit spielt demgegenüber im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Dementsprechend halten sich Individuen, die einander als Personen respektieren, für berechtigt, selbst zu entscheiden, welche Zwecke sie verfolgen. In diesem Sinne anerkennen sie einander als selbständige Akteure. Zwar mögen sie sich auch aufgrund der bestimmten Zwecke, die sie verfolgen, oder aufgrund der bestimmten Motive, die ihren Zwecksetzungen zugrunde liegen, wertschätzen; allerdings wäre eine solche Wertschätzung kein Element von personaler Anerkennung. Folglich bezieht sich diese Art von Anerkennung auf das »Ich will, dass ich … tue« eines einzelnen Akteurs, nicht aber auf das, was gewollt wird, oder auf das, aufgrund wessen etwas gewollt wird. In ihrem Fall kommt es deshalb, wie Hegel schreibt, »nicht auf das besondere Interesse, meinen Nutzen oder mein Wohl an – ebenso wenig auf den besondern Bestimmungsgrund meines Willens, auf die Einsicht und Absicht.«25 An dieser Stelle ist einem Missverständnis vorzubeugen. Das grundlegende »Rechtsgebot« des abstrakten Rechts, so haben wir gesehen, wird in Hegels Verständnis dadurch erfüllt, dass die Menschen Personen sind und einander als Personen respektieren. Hegels Argumentation folgend, hatten wir zuvor bereits dargelegt, unter welchen Bedingungen ein Mensch das Willensverhältnis der Persönlichkeit realisiert und mithin eine Person ist. Durch dieses Vorgehen mag der Eindruck entstanden sein, dass Hegel der Meinung sei, Menschen würden zunächst als einzelne das Willensverhältnis der Persönlichkeit ausbilden und dann, gleichsam in einem zweiten Schritt, einander als Personen anerkennen. Diese Auffassung ist nicht die Hegelsche. Im Gegenteil: Hegel glaubt, dass dasjenige Willensverhältnis, das er »Persönlichkeit« nennt, erstmalig in Kämpfen um Anerkennung entsteht26 und in Gesellschaften nur dann Bestand haben kann, wenn der Einzelne durch die anderen (oder jedenfalls hinreichend viele) Menschen und die grundlegenden gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen als Person respektiert wird. Damit ein Mensch eine Person sei, ist es nach Hegel also erforderlich, dass er in spezifischen sozialen Beziehungen steht. Welche gesetzlichen Regelungen enthält das abstrakte Recht? Möchte man diese Frage beantworten, wird man zu untersuchen haben, welche Berechti25

PhR, § 37. Vgl. Siep, Ludwig: Der Kampf um Anerkennung. Zu Hegels Auseinandersetzung mit Hobbes in den Jenaer Schriften. In: Hegel-Studien 9 (1974), S. 155–207 und Anerkennung als Prinzip der praktischen Philosophie. Untersuchungen zu Hegels Jenaer Philosophie des Geistes. Freiburg, München 1979 sowie Honneth, Axel: Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte (mit einem neuen »Nachwort«). Frankfurt a.M. 2003. 26

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gungen Personen sich und einander zuschreiben. Im Allgemeinen gilt: Menschen halten sich als Personen für berechtigt, ihre Lebensverhältnisse nach ihrem Willen mit den Mitteln des Rechts zu gestalten. Folgt man den Grundlinien der Philosophie des Rechts, dann schreiben sie sich insbesondere die Berechtigung zu, über ihren Körper und über ihr privates sächliches Eigentum als »Einzelne«27 zu verfügen.28 In dieser Berechtigung sind für Hegel weitere enthalten: So ist ein Mensch nach seiner Überzeugung als Person dazu berechtigt, selbst zu entscheiden, wie er Fähigkeiten und Vermögen, die er als körperliches Wesen hat, gebrauchen möchte; ob und zu welchen Konditionen er solche Fähigkeiten und Vermögen im Rahmen des gesellschaftlichen Leistungsaustauschs nutzen oder zur Verfügung stellen möchte; wie er sächliches Eigentum, das er rechtmäßig erworben hat, verwenden möchte; und ob oder zu welchen Konditionen er Dinge, die sein privates Eigentum sind, abgeben möchte. Berechtigungen wie diese werden durch das abstrakte Recht kodifiziert und geschützt. Hierbei stützt sich das abstrakte Recht auf zwei Arten von Gesetzen: solche, welche »Verbote«, und solche, welche »Befugnisse«29 spezifizieren.30 So bildet das Verbot, das Eigentum einer anderen Person ohne ihre Zustimmung zu nutzen, den Inhalt eines Gesetzes jener Art, und die Befugnis, einen »Schenkungsvertrag«31 abzuschließen, den Inhalt eines Gesetzes dieser Art. Gesetze wie diese werden durch das abstrakte Recht nicht nur gegeben, sondern gegebenenfalls auch auf einzelne Fälle angewendet und in ihrer Wirksamkeit gesichert. Dementsprechend besteht das abstrakte Recht nicht nur, wie

27

PhR, § 46. Ob Hegels Auffassung, dass die wechselseitige Anerkennung von Menschen als Personen gerade mit diesen Arten von Eigentumsansprüchen einhergeht, schlüssig und plausibel ist, sind Fragen, deren Erörterung außerhalb der Grenzen der vorliegenden Untersuchung liegen. Vgl. hierzu nun Mohseni, Amir: Abstrakte Freiheit. Zum Begriff des Eigentums bei Hegel. Hamburg 2014 sowie meine Überlegungen in: Personal Respect, Private Property, and Market Economy: What Critical Theory Can Learn From Hegel. In: Ethical Theory and Moral Practice 11, 5 (2008), S. 573–586 sowie Personal Freedom without Private Property? Hegel, Marx, and the Frankfurt School. In: International Critical Thought 5, 4 (2015), S. 473–485. 29 PhR, § 38. 30 Wie diese Ausführungen zeigen, unterscheidet Hegel zwischen rechtlichen Normen, die von den Adressaten derselben verlangen, dass sie sich auf bestimmte Art und Weise verhalten, ob sie dies wollen oder nicht, und rechtlichen Normen, die den Adressaten derselben bestimmte Befugnisse geben. Diese Unterscheidung ist aus Sicht der zeitgenössischen Rechtsphilosophie sehr wichtig. Vgl. Hart, H. L. A.: Der Begriff des Rechts. Berlin 2011, S. 41–57. Hegels Rechtsverständnis – anders als das vieler Autoren – ist also nicht einseitig am Modell strafrechtlicher Normen ausgerichtet. 31 PhR, § 80. 28

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sein Name suggeriert, aus gesetzgebenden Institutionen, sondern schließt auch solche der »Rechtspflege«32, etwa Gerichte und Exekutivorgane, ein. Warum, so fragten wir zu Beginn dieses Abschnitts, vermag das abstrakte Recht den Einzelnen als jemanden zu fassen und zu schützen, der berechtigt ist, sich nach Maßgabe seiner »subjectiven Meynung« und seiner »besondern Willkühr« zu den gesellschaftlich gegebenen Möglichkeiten, eine berufliche Tätigkeit zu erlernen und auszuüben, zu verhalten? Diese Frage können wir nun beantworten. Vom Standpunkt des abstrakten Rechts sind die Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften gleichberechtigte Personen, nämlich Menschen, die sich aufgrund ihrer »abstracten Persönlichkeit« respektieren. Da diese Art von Anerkennung keine Elemente enthält, die zum Willensmoment der Besonderheit gehören, lässt sich unter Bezugnahme auf sie der Ausschluss bestimmter Personengruppen von bestimmten beruflichen Tätigkeitsfeldern nicht rechtfertigen. Zudem stattet das abstrakte Recht die Menschen mit der Befugnis aus, als »Einzelne« zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sie eine berufliche Tätigkeit aufnehmen möchten, und es verpflichtet sie nicht dazu, ihre jeweilige Entscheidung gegenüber anderen Personen oder Institutionen zu rechtfertigen. Weil das so ist, vermag das abstrakte Recht den Einzelnen in den oben genannten Hinsichten zu fassen und zu schützen.

4. Was haben unsere bisherigen Überlegungen mit Märkten zu tun? Das hängt natürlich davon ab, was man unter Märkten versteht. Wie viele Ökonomen versucht Hegel nicht, den Begriff »Markt« zu definieren.33 Gleichwohl entwickelt er Überlegungen, die deutlich machen, was er unter Märkten versteht. Diesen Überlegungen lässt sich entnehmen, in welchem Sinne und aus welchen Gründen er der Auffassung ist, dass Märkte in sittlicher Hinsicht ambivalent sind. Wie wir sehen werden, glaubt Hegel, dass Märkte Eigenschaften haben, durch die sie die Ausbildung oder Aufrechterhaltung der sittlichen Gesinnung der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften begünstigen, während er zugleich der Meinung ist, dass Märkte andere Eigenschaften haben, durch die sie die Ausbildung oder Aufrechterhaltung eben dieser Gesinnung gefähr-

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PhR, § 209. Vermutlich unternimmt Hegel einen solchen Versuch deshalb nicht, weil Märkte für ihn gesellschaftliche Einrichtungen sind, die Entwicklungen durchlaufen und sich im Zuge derselben erheblich verändern können. Vgl. hierzu unsere weiteren Überlegungen im vorliegenden Abschnitt 4. 33

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den. Dass Märkte diese Eigenschaften haben, erklärt Hegel wiederum auf der Grundlage der oben analysierten Willensmomente der abstrakten Persönlichkeit und der Besonderheit. Mit den hiermit genannten Elementen der Hegelschen Theorie des Marktes werden wir uns in dem vorliegenden Abschnitt unserer Untersuchung beschäftigen. Märkte, so glaubt Hegel, werden durch das abstrakte Recht strukturiert. Warum er diese Einschätzung teilt, macht er in den Grundlinien der Philosophie des Rechts deutlich. Nach seiner Überzeugung sind Marktteilnehmer Menschen, die – zumindest in der Regel – einander als Personen im Sinne des abstrakten Rechts begegnen und durch die Institutionen dieses Rechts geschützt werden. Marktteilnehmer beachten also die »Verbote«, die das abstrakte Recht enthält, und sie nutzen die »Befugnisse« desselben, wenn sie übereinkommen, Güter zu tauschen und Eigentumsrechte, die sie an diesen Gütern halten, zu übertragen. Zudem werden Marktteilnehmer durch die Institutionen des abstrakten Rechts geschützt, die ihnen die fraglichen gesetzlichen Bestimmungen zugänglich machen, rechtliche Streitigkeiten unter ihnen gerichtlich beilegen und dafür Sorge tragen, dass rechtmäßig zustande gekommene Übereinkünfte von den Vertragspartnern eingehalten werden.34 Hieraus folgt für Hegel, dass Märkte Orte tatsächlicher Anerkennung sind. Als Marktteilnehmer anerkennen die Menschen einander »als Personen und Eigenthümer«, und was sich in einer vertraglichen Übereinkunft zwischen ihnen manifestiert, ist »die Idee des reellen […] Daseyns der freyen Persönlichkeit.«35 Wie ist das zu verstehen? Die institutionell gesicherte wechselseitige Anerkennung der Marktteilnehmer als Personen – das folgt ohne weiteres aus unseren obigen Überlegungen36 – bezieht sich allein auf das Willensmoment der abstrakten Persönlichkeit (und nicht auch auf das der Besonderheit). Dementsprechend besteht sie in individuellen Einstellungen, die sich wie folgt beschreiben lassen: Marktteilnehmer halten einander für berechtigt, unabhängig voneinander zu entscheiden, ob und zu welchen Konditionen sie Güter, die in ihr privates Eigentum fallen, abgeben oder erwerben möchten, und sie halten einander für berechtigt, unabhängig voneinander zu entscheiden, ob und zu welchen Konditionen sie Fähigkeiten oder Vermögen, die sie als körperliche Wesen haben, zur Verfügung stellen oder in Anspruch nehmen möchten. Darüber hinaus halten sie sich nicht für verpflichtet, die Gründe ihrer jeweiligen Entscheidungen offenzulegen oder zur Diskussion zu stellen. Folglich ist ein marktförmiger Austausch von Gütern oder Leistungen für die beteiligten Personen ein Vorgang, 34 35 36

Vgl. PhR, §§ 215–229. PhR, § 71, Anm. Siehe oben, Abschnitt 3.

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der genau dann stattfindet, wenn sie als »Einzelne« dies wollen. Weil das so ist, geht ein solcher Austausch für die Vertragspartner mit der Erfahrung einher, als Personen tatsächlich anerkannt zu sein. In ihm manifestiert sich deshalb für sie »das reelle Daseyn« ihrer »freyen Persönlichkeit«. Wie unschwer zu erkennen ist, stärken Märkte auf diesem Wege eines der Elemente der sittlichen Gesinnung der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften: das der »eigenen Bestimmung«, aus der die Menschen einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Als Marktteilnehmer erfahren sie nämlich, dass sie berechtigt sind, sich nach Maßgabe ihrer »subjectiven Meynung« und »besondern Willkühr« zu den gesellschaftlich gegebenen Arbeitsmöglichkeiten zu verhalten, und dass sie nicht dazu verpflichtet sind, über die Gründe ihrer jeweiligen Entscheidungen Rechenschaft abzulegen oder auch nur Auskunft zu geben. Deshalb sind Märkte Institutionen, die zur Ausbildung oder Aufrechterhaltung der sittlichen Gesinnung der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften positive Beiträge leisten können. Andererseits ist Hegel der Auffassung, dass Märkte Eigenschaften haben, durch die sie die Ausbildung oder Aufrechterhaltung der sittlichen Gesinnung von Bürgerinnen und Bürgern gefährden. Diesen Standpunkt begründet Hegel in seinen Jenaer Schriften zur Sozialphilosophie, insbesondere dem »System der Sittlichkeit« (1802/3) und der »Philosophie des Geistes«, einem 1805 und 1806 verfassten Vorlesungsmanuskript. Einige seiner dort entwickelten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Märkte, die allein durch das abstrakte Recht strukturiert werden, können nicht sicherstellen, dass jeder Mensch tatsächlich die Möglichkeit hat, sich »durch seine Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten.« Gewiss, als Personen haben die Menschen die Berechtigung, sich als »Einzelne« zu den gesellschaftlich gegebenen Arbeitsmöglichkeiten zu verhalten; wie diese Möglichkeiten aber jeweils beschaffen sind – ob es also Arbeitsplätze mit angemessenem Profil in ausreichender Menge gibt –, ist nach Hegels Auffassung unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ungewiss. Diese Einschätzung ergibt sich für Hegel aus den Möglichkeiten, dass Marktteilnehmer diejenigen Qualifikationen, die sie für die Ausübung bestimmter beruflicher Arbeiten benötigen, aufgrund von natürlichen oder sozialen Gegebenheiten weder haben noch erwerben können; dass nachfragebedingt auch größere Preisschwankungen auftreten, die zumindest vorübergehend zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen; dass technologische Innovationen das Beschäftigungsniveau branchenweit und auf Dauer verringern; oder dass sich Monopole bilden, die das Angebot an

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Gütern und Arbeitsplätzen verknappen. 37 Zwar glaubt Hegel, dass Märkte, die frei von Monopolen sind, die Tendenz haben, ein »Gleichgewicht« zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen,38 doch erachtet er die in diesem Zusammenhang auftretenden Preisschwankungen als eine Gefahr für die sittliche Gesinnung der Menschen: »Die Abstraction des Gleichgewichts ist wohl sicher, daß eine Art von Überfluß, die nicht mehr die Angemessenheit zur Totalität der Bedürfnisse hat, diese wieder erhalten, also daß erfolgen wird, daß eines theils sich nur so viele damit beschäfftigen, als davon leben können, daß ihr Werth steigen wird andern theils, daß wenn ihrer zu wenig sind, für diejenigen, denen dieser Überfluß Bedürfniß ist, daß ihr Werth fallen wird; aber für die Realität […] hat [theils] der zu niedrige Werth, weil er einen Theil [betrifft], dessen physische Existenz vom Ganzen sich abhängig gemacht hat und itzt durch diß Ganze ganz ruinirt wird, theils der zu hohe Werth, durch welchen alle in ihrer Totalität des Genusses und des Gewöhnlichen gestört werden, ein Interesse, von dem die Abstraction des Gleichgewichts absieht.«39 Und: »[…] das Sinken des Werthes einer Art von Überfluß, und die Unfähigkeit desselben, die Totalität des Bedürfnisses zu vertreten, da an diese Fähigkeit ein Theil des Volkes im Vertrauen auf das Allgemeine seine Existenz geknüpft hat, zerstöhrt diese, und betrügt sein Zutrauen.«40 2. Märkte, die allein durch das abstrakte Recht strukturiert werden, können nicht sicherstellen, dass diejenigen Personen, die einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, dadurch durchgängig ein Einkommen erzielen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt sichern können. Diese Einschätzung 37

Wie wichtig dieses Thema bereits für Adam Smith war, erläutert Heinz D. Kurz in seinem Beitrag zu dem vorliegenden Band (»Zur Politischen Ökonomie des homo mercans. Adam Smith über Märkte«). 38 Diesen sehr wichtigen Gedanken übernimmt Hegel von Adam Smith (vgl. dessen ökonomisches Hauptwerk Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. München 1999). Allein aus diesem Grunde ist die Annahme gerechtfertigt, dass die beiden Denker ein ähnliches Verständnis der Funktionsweise von Märkten haben. Wie aus unseren weiteren Überlegungen erhellt, bewertet Hegel Marktmechanismen aber anders als Smith, und er gelangt deshalb auch zu anderen institutionellen Standpunkten als der schottische Moralphilosoph und Wirtschaftswissenschaftler. Während etwa Korporationen von Smith abgelehnt werden (vgl. Der Wohlstand der Nationen. Erstes Buch, 10. Kapitel, 1. Teil, S. 103–125), sind sie für Hegel Einrichtungen, die Märkte stabilisieren und die sittliche Gesinnung von Marktteilnehmern stärken können (siehe unten, Abschnitt 4). 39 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Sittlichkeit. In: GW, Bd. 5, S. 352. 40 Ebd.

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ergibt sich für Hegel unmittelbar aus seinen oben skizzierten Überlegungen zu marktwirtschaftlichen Preisschwankungen. Relevant ist sie in unserem Zusammenhang deshalb, weil die sittliche Gesinnung der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften es ja erfordert, dass der Einzelne »nur durch die[] Vermittelung mit dem Allgemeinen«, lies: durch seine berufliche Tätigkeit, »für sich […] sorg[t].« Treffen Hegels Überlegungen zu, dann können Märkte dieses Erfordernis auch im Fall von erwerbstätigen Personen nicht durchgängig erfüllen. 3. Märkte, die allein durch das abstrakte Recht strukturiert werden, können so stark fluktuieren, dass es dem Einzelnen nicht möglich ist, sich planmäßig »durch seine Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten.« Wie erläutert, lebt ein Mitglied einer bürgerlichen Gesellschaft gemäß seiner Gesinnung, wenn es sich dazu entschließt, gesellschaftlich relevante Qualifikationen zu erwerben und im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit anzuwenden – mit dieser komplexen, zeitlich ausgedehnten Aktivität möchte es ja zur Sicherung des Lebensunterhalts anderer Menschen beitragen und zugleich den eigenen Lebensunterhalt sichern.41 Was aber, wenn gar nicht absehbar ist, welche Qualifikationen selbst in einer näheren Zukunft beruflich relevant sein werden? In dem Fall könnte das fragliche Gesellschaftsmitglied, genau genommen, den Entschluss gar nicht fassen, sich durch den Erwerb bestimmter Qualifikationen »zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten.« Zwar könnte es sich bei entsprechender Gelegenheit dazu entschließen, spezifische Qualifikationen zu erwerben, und es könnte, wenn sich herausstellt, dass diese Qualifikationen gesellschaftlich nicht länger relevant sind, den Versuch unternehmen, andere berufsbezogene Kompetenzen sich anzueignen; unter den gegebenen Umständen würde es aber keine längerfristigen beruflichen Pläne bilden können, welche sich auf den Erwerb und die Ausübung von Qualifikationen im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit beziehen. Deshalb wäre sein berufliches Leben derart fragmentiert,42 dass es den Erfordernissen der sittlichen Gesinnung von Bürgerinnen und Bürgern nicht entsprechen würde.

41

Siehe oben, Abschnitt 1. Für Richard Sennett sind Personen, die unter solchen Bedingungen arbeiten, Drifter: Sie treiben von Job zu Job, von Beschäftigung zu Beschäftigung und haben keine kohärente Berufs- und Lebensgeschichte. Vgl. Sennett, Richard: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin 2000. 42

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Nach Hegels Auffassung können sich Märkte, welche die oben genannte rechtliche Struktur aufweisen, derart dynamisch entwickeln, dass sie den Einzelnen zu einem Spielball von Entwicklungen machen, die für ihn nicht vorhersehbar sind. Wenn die Menschen aber, wie Hegel schreibt, sich »in dem Fall eines Spielers«43 befinden, werden sie berufliche Erfolge, die sie haben, nicht als ihr Verdienst ansehen können, sondern vielmehr auf »Zufälligkeiten«44 zurückführen. Damit aber wird es ihnen unmöglich sein, die für die sittliche Gesinnung charakteristische Wertschätzungsstruktur45 zu realisieren. Aus diesem Grunde können Märkte Umstände schaffen, unter denen auch Berufstätige, die durch ihre Arbeit ihren Lebensunterhalt sichern, nicht gemäß ihrer sittlichen Gesinnung leben können, sondern im Gegenteil nach Maßgabe derselben »aufgeopfert«46 werden. Aus diesen Überlegungen zieht Hegel folgenden Schluss: In einem allein durch das abstrakte Recht strukturierten marktwirtschaftlichen Kontext werden früher oder später wirtschaftliche Entwicklungen eintreten, die es vielen Bürgern unmöglich machen, gemäß ihrer sittlichen Gesinnung zu leben, und bei einigen von ihnen sogar zu einem Verlust dieser Gesinnung führen. Menschen, die ohne Aussicht auf eine Anstellung sind, Menschen, die mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt nicht sichern können, Menschen, die keine Möglichkeit haben, ihr berufliches Leben vorausschauend zu gestalten, sondern vielmehr von einem Job zum nächsten driften, werden nicht der Auffassung sein, in einer Gesellschaft zu leben, deren Mitglieder sich durch eigene »Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente« dieser Gesellschaft machen und »als solches« erhalten können. Und einige von ihnen werden sogar in dem Sinne ihre sittliche Gesinnung verlieren, dass es ihnen nicht länger wichtig ist, X zu tun; dass es ihnen in normativer Hinsicht gleichgültig ist, ob die Mitglieder der Gesellschaft X tun oder nicht; dass es ihnen nicht wichtig ist, wertgeschätzt zu werden, wenn sie X tun; dass es ihnen in normativer Hinsicht gleichgültig ist, ob Menschen, die X tun, dafür wertgeschätzt werden oder nicht; und dass sie außerstande sind, Gesellschaftsmitglieder, die X tun, dafür wertzuschätzen. Glaubt man Hegel, dann sind diese Menschen in Gefahr, auch das »Gefühl[] […] von ihrer Selbstständigkeit«47 sowie das »Gefühl[] […] des 43

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Philosophie des Rechts. In: GW, Bd. 26.2, § 253. 44 Ebd. 45 Siehe oben, Abschnitt 1, Thesen Th-4, Th-5 und Th-6. 46 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Philosophie des Geistes (1805/6). In: GW, Bd. 8, S. 242. 47 PhR, § 245.

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Rechts, der Rechtlichkeit«48 zu verlieren. Mit anderen Worten: Der oben genannte Gesinnungsverlust kann so weit reichen, dass die Menschen aufhören, sich selbst und die anderen als selbstbestimmte Individuen bzw. als Personen zu bejahen, und das abstrakte Recht nicht länger als eine institutionalisierte Praxis wechselseitiger Anerkennung wahrnehmen. Tritt dieser Fall ein, dann bildet sich nach Hegel ein »Pöbel«, dessen »Gesinnung […] durch die innere«, einer politischen Artikulation nicht fähige, »Empörung gegen die Reichen, gegen die Gesellschaft, gegen die Regierung usw.«49 charakterisiert ist.50 Als Ergebnis der in diesem Abschnitt geführten Untersuchung ist Folgendes festzuhalten: Märkte sind nach Hegels Auffassung in sittlicher Hinsicht ambivalent. Dieser Einschätzung liegt die in den Grundlinien der Philosophie des Rechts vertretene Theorie der sittlichen Gesinnung der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften zugrunde. Einerseits sind Märkte, die durch das abstrakte Recht strukturiert werden, Orte tatsächlicher personaler Anerkennung; andererseits können sie eine Dynamik entfalten, die es vielen Menschen unmöglich macht, sich durch eigene »Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten«, und bei einigen sogar zu einem Verlust ihrer sittlichen Gesinnung führt. Damit haben Märkte Eigenschaften, die nach Maßgabe der Hegelschen Theorie der Sittlichkeit gegensätzlich zu bewerten sind.51

5. Für Hegel haben seine von uns rekonstruierten Überlegungen zur sittlichen Ambivalenz von Märkten eine sehr große sozialphilosophische Relevanz. Seines Erachtens sind sie nämlich geeignet, uns auf ein Grundproblem moderner Gesellschaften52 aufmerksam zu machen. Worin dieses Problem besteht und 48

PhR, § 244, Zs. PhR, § 244, Zs. 50 Daneben sieht Hegel die Gefahr der Entstehung eines »reichen Pöbel[s]«, dessen »Verdorbenheit« darin besteht, »dass der Reiche sich alles für erlaubt hält.« (PhR 1821/22, § 244) Vgl. hierzu Ruda, Frank: Hegel’s Rabble. An Investigation into Hegel’s Philosophy of Right. London 2011 und Carré, Louis: Populace, multitude, populus. Figures du peuple dans la Philosophie du droit de Hegel. In: Tumultes 40 (2013), S. 89–107. 51 Können Märkte auch dann bestehen, wenn alle oder sehr viele Marktteilnehmer ihre sittliche Gesinnung verloren und stattdessen eine pöbelhafte Gesinnung angenommen haben? Wie ich hier nur feststellen kann, ist Hegel der Auffassung, dass dies nicht möglich ist. Eine systematische Erörterung dieser Frage liegt außerhalb der Grenzen der vorliegenden Untersuchung. 52 Um Missverständnissen vorzubeugen, sei bemerkt, dass Hegel diese Überlegungen auf moderne westliche Gesellschaften bezieht. 49

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warum er glaubt, dass moderne Gesellschaften von ihm betroffen sind, werden wir anhand von drei Punkten darlegen, die Hegel in seinen Jenaer Schriften und den Grundlinien der Philosophie des Rechts vertritt. Abschließend werden wir einige Überlegungen zu der Frage anstellen, ob Hegels Standpunkt die zeitgenössische Forschung bereichern kann. Folgende von Hegel vertretene Punkte sind im vorliegenden Zusammenhang zu beachten: 1. Die sittliche Gesinnung von Bürgerinnen und Bürgern enthält ein Element – nämlich die Berechtigung, »aus eigener Bestimmung« einen Beruf zu erlernen und auszuüben –, das nur durch das abstrakte Recht und Märkte, die durch dieses Recht strukturiert werden, institutionell gesichert werden kann.53 2. Wo immer das abstrakte Recht und Märkte, die durch dieses Recht strukturiert werden, die gesellschaftlichen Organisationsprinzipien sind, werden früher oder später wirtschaftliche Entwicklungen eintreten, die vielen Menschen die Möglichkeit nehmen, »sich aus eigener Bestimmung, durch [ihre] Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten«, und die deshalb den Fortbestand ihrer sittlichen Gesinnung gefährden. 3. Staaten können diese Gefahr nicht beseitigen. Gewiss, nach Hegels Auffassung können (und sollten) Staaten Maßnahmen ergreifen und Institutionen etablieren, die zu einer Stabilisierung von Märkten und Stärkung der sittlichen Gesinnung der Menschen beitragen.54 Da sie 53

Wie ich an anderen Stellen dargelegt habe, bin ich der Auffassung, dass Hegel Märkte in der Tat als notwendige Bestandteile sittlich verfasster moderner Gemeinwesen erachtet. Vgl. hierzu meine in Anmerkung 28 genannten Arbeiten. Vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch den Buchbeitrag von Michael Quante (»Handlung, System der Bedürfnisse und Marktkritik bei Hegel und Marx«). 54 Hierzu zählt Hegel bekanntlich die Korporationen sowie polizeiliche Regulierungen. (Vgl. z. B. Hardimon, Michael O.: Hegel’s Social Philosophy. The Project of Reconciliation. Cambridge 1994, Neuhouser, Frederick: Foundations of Hegel’s Social Theory. Actualizing Freedom. Cambridge (Mass.), London 2000, Siep, Ludwig: Der Staat als irdischer Gott. Genese und Relevanz einer Hegelschen Idee. Tübingen 2015 sowie Vieweg, Klaus: Das Denken der Freiheit. Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts. München 2012.) Wie er sehr deutlich macht, glaubt Hegel aber, dass Staaten in dieser Hinsicht nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten haben (vgl. PhR, § 237) und beispielsweise die Entstehung des »Pöbels« nicht verhindern können. Deshalb ist Hegel die Auffassung zuzuschreiben, dass Staaten die von Märkten ausgehende Gefährdung der sittlichen Gesinnung der Bürgerinnen und Bürger nicht beseitigen können. Vgl. hierzu meine Überlegungen in: Why Ethical Life is Fragile: Rights, Markets and States in Hegel’s Philosophy of Right. In: Hegel’s Elements of the Philosophy of Right: A Critical Guide. Hg. v. David

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marktwirtschaftliche Entwicklungen sowie die ökonomischen Effekte wirtschaftspolitischer Maßnahmen nicht genau vorhersehen können, riskieren sie aber, ihr Ziel zu verfehlen, wenn sie versuchen sicherzustellen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger sich »zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft« machen und »als solches« erhalten kann. Darüber hinaus haben zumindest einige der Maßnahmen, die Staaten zu diesem Zweck ergreifen, die Eigenschaft, die Berechtigung der Menschen, »aus eigener Bestimmung« einen Beruf zu erlernen und auszuüben, mehr oder weniger stark einzuschränken.55 Deshalb sind Staaten Akteure, deren Handeln nicht nur ineffizient, sondern sogar eine Gefährdung der sittlichen Gesinnung von Bürgerinnen und Bürgern sein kann. Aus diesen drei Punkten – von denen der erste und der dritte über das hinausgehen, was wir in den Abschnitten 1 bis 4 entwickelt haben – zieht Hegel weitreichende Schlüsse: Die sittliche Gesinnung der Mitglieder bürgerlicher Gesellschaften lässt sich institutionell nicht adäquat sichern. Menschen, welche diese Gesinnung haben, möchten als selbstbestimmte Individuen56 im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung füreinander tätig sein und auf diese Weise ihre gesellschaftliche Zugehörigkeit herstellen. Allerdings gibt es kein Set an Institutionen, das beiden Elementen dieser Gesinnung – der individuellen Selbstbestimmung und der gesellschaftlichen Zugehörigkeit – dauerhaft gerecht werden würde. Das abstrakte Recht und die durch es strukturierten Märkte nehmen vielen Menschen die Möglichkeit, als Berufstätige gesellschaftlich zugehörig zu sein, und staatliche Versuche, dies zu korrigieren, sind der Gefahr ausgesetzt, ihr Ziel zu verfehlen und die Berechtigung der Menschen, »aus eigener Bestimmung« einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, einzuschränken. Weil das so ist, sind bürgerliche Gesellschaften in institutioneller und sittlicher Hinsicht instabile bzw. krisenanfällige Gebilde: Märkte und Staaten können die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger verlieren, und die sittliche Gesinnung der Menschen kann in »Empörung und Haß«57 umschlagen. Die UnJames. Cambridge 2017. 55 Wie Hegel selbst andeutet (vgl. PhR, § 236, Zs. und § 237), trifft das auch auf einige der Befugnisse der »Regulirung« (PhR, § 236) zu, welche die »Polizey« (PhR, § 231) innehat. In diesem Zusammenhang sei an unsere obigen Überlegungen aus Abschnitt 2 erinnert. 56 Ich verwende den Ausdruck »selbstbestimmt« im Sinne meiner bisherigen Ausführungen: Selbstbestimmte Individuen sind also Menschen, die »aus eigener Bestimmung« einen Beruf erlernen und ausüben. Alle anderen Aspekte von »Selbstbestimmung« bleiben im vorliegenden Zusammenhang außer Acht. 57 Hegel: Philosophie des Geistes (1805/6). In: GW, Bd. 8, S. 244.

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möglichkeit, diese Gesinnung institutionell adäquat zu sichern, ist deshalb für Hegel ein Grundproblem moderner Gesellschaften. Ist sie es? Nehmen wir zunächst einmal an, dass Hegels gesellschaftliche Diagnose in ihren Grundzügen richtig ist; nehmen wir also an, dass »individuelle Selbstbestimmung« und »gesellschaftliche Zugehörigkeit« – so, wie wir diese Ausdrücke eingeführt haben – wesentliche Bestandteile der Gesinnung der Mitglieder moderner Gesellschaften bezeichnen;58 ferner, dass diese beiden Elemente – nach allem, was wir wissen59 – institutionell nicht adäquat gesichert werden können (weil Märkte in dem genannten Sinne sittlich ambivalent sind und Staaten die von Märkten ausgehenden Gefahren nicht beseitigen können); und schließlich, dass dies ein Grundproblem moderner Gesellschaften ist. Unter dieser Annahme müsste Hegels Diagnose unser Verständnis gesellschaftlicher Gegebenheiten und theoretischer Positionen fördern können. Wie würde sie dies tun? Hegels Diagnose, so ist zunächst festzustellen, würde hypothetisch einen empirisch zu überprüfenden Zusammenhang zwischen der alltäglichen Haltung der Menschen gegenüber wirtschaftlichen Einrichtungen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen und der mehr oder weniger adäquaten Institutionalisierung ihrer (unterstellten) sittlichen Gesinnung etablieren. Befürworten viele Menschen die gegebenen wirtschaftlichen Einrichtungen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen, ist vom Hegelschen Standpunkt zu vermuten, dass dies deshalb so ist, weil die fraglichen Institutionen die Erfordernisse der sittlichen Gesinnung der Menschen vergleichsweise gut erfüllen. Stoßen die wirtschaftlichen Einrichtungen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen einer Gesellschaft hingegen auf Ablehnung, wird von Hegels Überlegungen die Vermutung nahegelegt, dass dies deshalb so ist, weil die fraglichen Institutionen die Erfordernisse der sittlichen Gesinnung der Menschen vergleichsweise schlecht erfüllen. Und wenn viele Menschen den grundlegenden gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen in einer Haltung begegnen, die von Verdruss und Gleichgültigkeit oder von Empörung und Hass geprägt ist, liegt dies aus Hegels Sicht eventuell daran, dass es massive und anhaltende Probleme bei der institutionellen Sicherung ihrer sittlichen Gesinnung gibt. Wohlgemerkt, die Eigenschaft von wirtschaftlichen Einrichtungen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die Erfordernisse dieser Gesinnung besser oder schlechter zu erfüllen, ist ein Faktor, mit dem sich möglicherweise erklären lässt, warum die fraglichen Institutionen befürwortet oder abgelehnt werden – denn es ist ja 58

Damit wird offengelassen, ob es weitere solcher Bestandteile gibt und worin diese gegebenenfalls bestehen. 59 Mit dieser Bestimmung wird Hegels obiger Punkt 1 (vgl. den Beginn des vorliegenden Abschnitts 5) abgeschwächt.

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nicht ausgeschlossen, dass andere Faktoren, etwa solche, die mit anderen Bestandteilen der Gesinnung der Menschen zusammenhängen, hierfür verantwortlich sind. (Wirtschaftliche oder wirtschaftspolitische Institutionen mögen etwa deshalb auf Ablehnung stoßen, weil sie ökologisch katastrophale Auswirkungen haben, oder die Zustimmung der Bevölkerung finden, weil sie militärische Produktionen ermöglichen, die für die äußere Sicherheit der Gesellschaft als notwendig angesehen werden.) Auf der Grundlage von Hegels obiger Diagnose lassen sich also sozialwissenschaftliche Hypothesen aufstellen, die empirisch untersucht werden können. Eine ähnliche Rolle würden Hegels Überlegungen bei der Erklärung von institutionellem Wandel spielen. Werden Märkte – wie in Westeuropa und Nordamerika in der Folge der 1929 einsetzenden »Großen Depression« und des Zweiten Weltkriegs – staatlich stärker reguliert oder – wie in Westeuropa, Nordamerika, Neuseeland und Australien seit den 1980er Jahren – stark dereguliert, dann liegt im Lichte von Hegels obiger Diagnose die Vermutung nahe, dass die fragliche Neuausrichtung auch deshalb stattfindet, weil die bis dahin bestehenden institutionellen Arrangements den Erfordernissen der sittlichen Gesinnung der Menschen nur schlecht entsprechen und in dieser Hinsicht keine Verbesserungen in Aussicht stellen. In den oben genannten beiden Fällen wären demnach in Betracht zu ziehen: zum einen das Unvermögen weitgehend deregulierter Märkte, ab den späten 1920er Jahren die gesellschaftliche Zugehörigkeit der Menschen als Berufstätige zu sichern, und die dadurch geschürte Ablehnung der basalen gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen, zum anderen die Schwierigkeiten staatlich regulierter Märkte, ab den frühen 1970er Jahren für Vollbeschäftigung zu sorgen und zugleich den Anspruch der Menschen, »aus eigener Bestimmung« zu agieren, zu erfüllen. Ob diese Umstände tatsächlich Einfluss auf die in Rede stehenden institutionellen Neuausrichtungen (die staatliche Regulierung von Märkten und ihre spätere Deregulierung) gehabt haben und welche anderen Faktoren in diesen Zusammenhängen wirksam waren, sind Fragen, die nur empirisch geklärt werden können. Auch bei der Erklärung von institutionellem Wandel ermöglicht Hegels gesellschaftliche Diagnose also die Formulierung von Hypothesen, welche die sozialwissenschaftliche Forschung anleiten können. Schließlich ermöglichen Hegels Überlegungen eine kritische Auseinandersetzung mit den Hauptströmungen des modernen politischen Denkens, dem Liberalismus und dem Marxismus. Für Marx und viele Marxisten ist personale Freiheit kein zu schützendes Gut60 und das abstrakte Recht, das diese Art von 60

Diesen Standpunkt vertritt Marx bereits in seinen Schriften aus den Jahren 1843 und 1844. In den »Auszügen aus James Mills Buch Élémens d’écomonie politique« etwa stellt Marx über Marktteilnehmer fest: »Die Absicht der Plünderung, des Betrugs liegt

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Freiheit sichert, ein bloßes Instrument, mit dem die Klasse der Eigentümer des Kapitals die Klasse der Arbeiter beherrscht und ausbeutet;61 dementsprechend würde sich in einer kommunistischen Gesellschaft die soziale Natur des Menschen in einer Form von Zusammenarbeit realisieren, die frei von denjenigen Ansprüchen ist, die mit personaler Freiheit einhergehen.62 Für viele Vertreter des klassischen Liberalismus, zu dessen Erneuerung Friedrich August von Hayek wesentlich beigetragen hat, ist personale Freiheit demgegenüber ein Gut, das Staaten vorrangig, wenn nicht ausschließlich zu schützen haben;63 aus ihrer Perspektive ist die Sicherung gesellschaftlicher Zugehörigkeit – sofern diese überhaupt als ein Gut angesehen wird64 – allenfalls ein untergeordnetes Ziel legitimen staatlichen Handelns. Im Lichte von Hegels gesellschaftlicher Diagnose sind diese beiden Positionen als einseitig zu kritisieren: als Befürwortung gesellschaftlicher Zugehörigkeit ohne individuelle Selbstbestimmung und als Befürwortung individueller Selbstbestimmung ohne gesellschaftliche Zugehörigkeit. Dass ihre politische Umsetzung (etwa in Gestalt des real existierenden Sozialismus oder des Neoliberalismus unserer Tage) erhebliche Akzeptanz- und Legitimationsprobleme aufwirft, machen Hegels Überlegungen auf diese Weise verständlich.

notwendig im Hinterhalt, denn da unser Austausch ein eigennütziger ist, von deiner wie meiner Seite, da jeder Eigennutz den fremden zu überbieten sucht, so suchen wir uns notwendig zu betrügen. […] Reicht die physische Kraft hin, so plündere ich dich direkt. Ist das Reich der physischen Kraft gebrochen, so suchen wir uns wechselseitig einen Schein vorzumachen und der Gewandteste übervorteilt den andern.« (In: Marx Engels Werke, Bd. 40. Berlin (Ost) 1985, S. 460–461.) 61 Vgl. Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Erster Band. Berlin 1998, 4. und 5. Kapitel. 62 Vgl. Marx’ Skizze einer Gesellschaft, in der die Menschen »als Menschen« produzieren, in: Auszüge aus James Mills Buch Élémens d’écomonie politique. In: Marx Engels Werke, Bd. 40, S. 462–463. Vgl. hierzu vor allem Brudney, Daniel: Producing for Others. In: The Philosophy of Recognition. Historical and Contemporary Perspectives. Hg. v. Hans-Christoph Schmidt am Busch u. Christopher F. Zurn. Lanham 2010, S. 151–188, ders.: Two Types of Civic Friendship. In: Ethical Theory and Moral Practice 16, 7 (2013), S. 685–697 sowie Michael Quantes »Kommentar« zu Karl Marx’ Ökonomisch-philosophischen Manuskripten (Frankfurt a.M. 2009, S. 275–300). Vgl. auch meine Analyse und Interpretation der oben genannten Marxschen Textstelle in Schmidt am Busch: Anerkennung, S. 69–152. 63 Bereits in seinem frühen Hauptwerk, Der Weg zur Knechtschaft, betont von Hayek, dass der Schutz dieser Art von Freiheit »das höchste Ziel« von Gemeinwesen sein müsse. Vgl. von Hayek, Friedrich August: Der Weg zur Knechtschaft. München 2011, S. 99–100. 64 Wer, wie Margaret Thatcher, glaubt, dass es die Gesellschaft nicht gibt, muss auch der Auffassung sein, dass es gesellschaftliche Zugehörigkeit nicht geben kann. Er würde also eine Politik, die hierin ein zu schützendes Gut sieht, aus sozialontologischen Gründen als verfehlt erachten.

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Hans-Christoph Schmidt am Busch

Ist Hegels Diagnose in ihren Grundzügen richtig? Ist die Unmöglichkeit, die sittliche Gesinnung von Bürgerinnen und Bürgern institutionell adäquat zu sichern, ein Grundproblem moderner Gesellschaften? Im Zuge der Beantwortung dieser Fragen wäre zunächst festzustellen, ob individuelle Selbstbestimmung und gesellschaftliche Zugehörigkeit tatsächlich wesentliche Bestandteile der Gesinnung der Mitglieder moderner Gesellschaften sind und, wenn ja, ob es bisher tatsächlich nicht gelungen ist, sie institutionell zufriedenstellend zu sichern. Diese Fragen wären anhand von Fakten zu beantworten, die historisch oder sozialwissenschaftlich zu ermitteln sind. Sofern sie positiv ausfällt, wirft die Antwort auf diese Fragen weitere auf: Ist es tatsächlich unmöglich, die oben genannten beiden Elemente der Gesinnung der Menschen adäquat zu institutionalisieren, oder ist dies lediglich bisher nicht gelungen oder sogar verhindert worden? Bilden individuelle Selbstbestimmung und gesellschaftliche Zugehörigkeit – wie bislang angenommen – feste Bestandteile der Gesinnung der Menschen, oder lassen sie sich in einer komplexeren, ethisch akzeptablen Gesinnung ›aufheben‹, welche eigene institutionelle Erfordernisse aufweist?65 Es sind ökonomietheoretische, politikwissenschaftliche und sozialphilosophische Fragen, mit denen uns Hegels gesellschaftliche Diagnose auf diesem Wege letztlich konfrontieren würde.66

65

Diesen Nachweis versucht Axel Honneth mit seiner Theorie sozialer Freiheit zu führen. Vgl. Honneth: Recht der Freiheit. 66 Ich habe Überlegungen, die in meinen Aufsatz eingegangen sind, auf folgenden Tagungen zur Diskussion gestellt: Die Philosophie des Marktes (Braunschweig, Februar 2014), Penser global (Nantes, September 2014), Von der Kooperation zur Korporation. Die Gegenwart von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft (Hagen, September 2015), Théories de la reconnaissance et critique sociale (Nantes, September 2015), Le travail dans la philosophie moderne (Straßburg, November 2015) und From Marx to Hegel and Back to the Future (Stockholm, Februar 2016). Bei jeder dieser Gelegenheiten erhielt ich wertvolle Hinweise und Anregungen zu meiner Arbeit. Hierfür bin ich den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sehr dankbar. Daniel Brudney, Max Cherem, Lisa Herzog, Alain Patrick Olivier, Frédéric Porcher, Michael Quante, Maiwenn Roudault und Claudia Wirsing möchte ich sehr herzlich für Kommentare und Verbesserungsvorschläge zu früheren Fassungen meines Aufsatzes danken.

Andrew Buchwalter

»Die Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft« Entzweiung, Bildung und Hegels Aufhebung der Aporien der sozialen Moderne

Einer der komplexeren Züge von Hegels Philosophie des Rechts hat mit dem normativen Status zu tun, den er in diesem Werk der bürgerlichen Gesellschaft zuweist. Während Hegel die bürgerliche Gesellschaft zusammen mit der Familie und dem Staat im Abschnitt über die Sittlichkeit behandelt, stellt er diese Gesellschaftsform, die seine Analyse moderner Marktgesellschaften mit umfasst, zugleich als Leugnung von Sittlichkeit dar. Hegel charakterisiert die bürgerliche Gesellschaft als Sphäre der Teilung, Trennung, Fragmentierung und Entzweiung und sieht sie von einer Fülle von Pathologien heimgesucht, die individuelle Autonomie und gesellschaftliches Wohlergehen – und damit die Merkmale, für die sich die Fürsprecher einer Marktgesellschaft einsetzen – untergraben. Die bürgerliche Gesellschaft begünstigt unter anderem entfremdende Arbeitsbedingungen, Geltungskonsum, die Herausbildung einer gesellschaftlichen Unterklasse, Kolonialismus und enorme Vermögensungleichheiten zwischen Arm und Reich. Wie Hegel in einer berühmten Passage schreibt: »Die bürgerliche Gesellschaft bietet in diesen Gegensätzen und ihrer Verwicklung das Schauspiel ebenso der Ausschweifung, des Elends und des beiden gemeinschaftlichen physischen und sittlichen Verderbens dar.«1 In dieser Hinsicht nimmt Hegels Charakterisierung der bürgerlichen Gesellschaft die Ansichten späterer Sozialkritiker wie Marx, Horkheimer, Adorno, Arendt, Foucault und Habermas vorweg, die auf verschiedene Weise die Rationalität und normativen Möglichkeiten moderner Marktgesellschaften in Frage stellen. Allerdings behauptet Hegel nicht, dass Marktgesellschaften jeder Möglichkeit beraubt sind, echte Autonomie und umfassendere Vorstellungen von Gemeinschaft zu verwirklichen. So würde er zum Beispiel Habermas nicht zustimmen, für den Marktwirtschaften einen ›normfreien‹, sich selbst regulierenden Bereich bilden, den die strategischen Kalkulationen individueller Nutzenmaximierer steuern.2 Hegel behauptet stattdessen, dass Überlegungen zu Moralität und Sittlichkeit für eine Theorie der modernen bürgerlichen 1

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke in zwanzig Bänden. Theorie-Werkausgabe. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe. Hg. v. Eva Moldenhauer u. Karl Markus Michel. Frankfurt a. M. 1969 ff., Bd. 7, § 185. Im Folgenden: TWA mit der Angabe des Bandes. 2 Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1981, Bd. 2, S. 275. Vgl. auch Honneth, Axel: Arbeit und Anerkennung: Versuch einer

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Gesellschaft von zentraler Bedeutung bleiben. Diesen Gedanken entwickelt Hegel außerdem auf eine Weise, die strapazierfähiger sein dürfte als die Argumente, die einige Verteidiger von Marktgesellschaften vorbringen. Laut Hegel verwirklicht die bürgerliche Gesellschaft nämlich nicht nur das »Recht der Subjektivität« und das »Prinzip der subjektiven Freiheit«, noch ist sie nur die Sphäre, in der ein Begriff von Moralität zum Tragen kommt, den die Philosophie des Rechts vorher abstrakt formuliert hatte. Wie vor allem der abschließende Unterabschnitt zu Korporationen deutlich macht, bringt die bürgerliche Gesellschaft vielmehr eine Beziehung zwischen Individuum und Gemeinschaft zum Ausdruck, die beispielhaft für eine moderne Auffassung von Sittlichkeit ist. In der Tat spielt schon die Bezeichnung »bürgerliche Gesellschaft« nicht nur auf den Bourgeois an, wie er in der liberalen Tradition gängig ist, sondern auch auf den Citoyen in der Tradition des bürgerlichen Republikanismus. Das wiederum heißt: Die bürgerliche Gesellschaft bezieht sich bei Hegel auf Individuen nicht nur, insoweit sie fähig sind, jeweils ihren eigenen Nutzen zu maximieren, sondern auch, insoweit sie in der Lage sind, auf ihr wechselseitiges Wohlergehen und die Wohlfahrt der Gemeinschaft zu achten. In dieser Hinsicht beinhaltet die bürgerliche Gesellschaft nicht weniger als die Familie oder der Staat eine Theorie von Sittlichkeit. Im vorliegenden Aufsatz untersuche ich die für Hegels Ansatz charakteristische Darstellung von »Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft«3. Im Gegensatz zu anderen Interpreten berufe ich mich dabei jedoch nicht auf Formen von Sittlichkeit, die trotz oder neben den verschiedenen Entzweiungen, die Hegel in seiner Diskussion erläutert, vorliegen mögen. Ich betone nicht Arten der gegenseitigen Anerkennung, die in kommerziellen Austauschprozessen präsent sind, Formen der Solidarität, die in der modernen Arbeitsteilung implizit sind, oder Erscheinungsweisen von Sittlichkeit, die soziale Beziehungen in Marktgesellschaften vorweg stärken.4 Was auch immer das Verdienst solcher Interpretationsansätze sein mag, sie berücksichtigen nur unzureichend, was das principium individuationis von Hegels Zugang ist, nämlich eine Theorie der bürgerlichen Gesellschaft zu entwickeln, in der Sittlichkeit nicht trotz, sondern aufgrund dieser Entzweiungen verwirklicht wird.5 Hegel formuliert theoretischen Neubestimmung. In: Ders.: Das Ich im Wir: Studien zur Anerkennungstheorie. Frankfurt a. M. 2010, S. 79 f. 3 TWA, Bd. 10, § 552. 4 Auf aufschlussreiche Weise sind Elemente dieser drei Ansätze aufgeführt in Honneth, Axel: Das Recht der Freiheit: Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit. Berlin 2011. 5 Eine alternative, an der Tradition orientierte Sicht auf die positive Bedeutung, die Hegel Entzweiungen im Rahmen seiner Theorie der bürgerlichen Gesellschaft zuschreibt, stammt von Ritter, Joachim: Metaphysik und Politik: Studien zu Aristoteles und Hegel.

»Die Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft«

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nicht nur eigens einen Begriff von Sittlichkeit, der auf diese Entzweiungen reagiert, sondern strenggenommen hat Sittlichkeit überhaupt nur insoweit Bestand, als sie Entzweiung selbst integriert und artikuliert. In dieser Hinsicht illustriert Hegels Antwort auf die Aporien der bürgerlichen Gesellschaft seine Behauptung, dass dasjenige, »welches die Wunde schlägt […] dieselbe auch heilt.«6 Seine Reaktion kommt überdies dem dialektischen Hang seines Denkens entgegen, das sich im Wesentlichen um das »Fassen des Entgegengesetzten in seiner Einheit oder des Positiven im Negativen«7 bemüht. Schließlich stimmt seine Antwort auch mit seiner immanenten Konzeption von philosophischer Kritik überein, die darauf zielt, einen Sachverhalt mit den ihm eigenen Begriffen zu erfassen. Ich entwickle meine Interpretation, indem ich den Begriff der Bildung betone. Für Hegel bezieht sich Bildung gleichermaßen auf Prozesse individueller und sozialer Entwicklung. In dem hier verfolgten Zusammenhang ist Bildung wichtig, weil sie für die bürgerliche Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist und die Strukturen der Entzweiung in der bürgerlichen Gesellschaft selbst instanziiert.8 Hegels Gebrauch dieses Begriffs ist auch deshalb von Bedeutung, da in seiner Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Stadien der bürgerlichen Gesellschaft Bildung selbst einem Bildungsprozess unterworfen wird. In der Frankfurt a. M. 1969, S. 212–231 sowie S. 252 (Exkurs XI). Die in meinem Beitrag entwickelte Interpretation der Rolle der Entzweiung bei Hegel steht Überlegungen näher, die Albrecht Wellmer entwickelt hat. Vgl. ders.: Freiheitsmodelle in der modernen Welt. In: Ders.: Endspiele: Die unversöhnte Moderne: Essays und Vorträge. Frankfurt a. M. 1993, S. 15–35. Indem Wellmer den Zusammenhang zwischen Entzweiung und negativer Freiheit akzentuiert, entwickelt er allerdings eine Theorie von Sittlichkeit, die auf einem allzu statischen Verhältnis zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft basiert. Im Gegensatz hierzu konzentriere ich mich im Folgenden auf den Gegenstand der subjektiven Freiheit und arbeite eine Auffassung von Sittlichkeit aus, die das Produkt eines Bildungsprozesses ist, in dem die Konzeptionen des Individuums und der Gemeinschaft sich gegenseitig verändern und erweitern. Eine zeitgenössische Aneignung von Hegels Gesellschaftstheorie, die ebenfalls die konstitutive Rolle hervorhebt, die der Begriff der Entzweiung bei Hegel spielt, findet sich in Ladwig, Bernd: Moderne Sittlichkeit: Grundzüge einer ›hegelianischen‹ Gesellschaftstheorie des Politischen. In: Politik der Integration: Symbole, Repräsentation, Institution. Hg. v. Hubertus Buchstein u. Rainer SchmalzBruns. Baden-Baden 2006, S. 111–135. 6 TWA, Bd. 8, § 24, Zusatz 3, S. 88. 7 TWA, Bd. 5, S. 52. 8 Rüdiger Bubner hat den Hintergrund der Phänomenologie des Geistes untersucht und dabei festgestellt, dass Hegel in seinen frühen Schriften eine einzigartige Verbindung zwischen Bildung und Entzweiung herstellt. Vgl. Bubner, Rüdiger: Problemgeschichte und systematischer Sinn der »Phänomenologie«. In: Ders.: Dialektik und Wissenschaft. Frankfurt a. M. 1973, S. 15–26. Hegel selbst charakterisiert Bildung in der Phänomenologie als einen »sich [selbst] entfremdete[n] Geist«. Vgl. TWA, Bd. 3, S. 359– 398.

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Evolution vom System der Bedürfnisse über die Rechtspflege zur Polizei und Korporation artikuliert der Begriff der Bildung das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft auf eine Weise, die der Verwirklichung von Sittlichkeit angesichts der Erfordernisse einer modernen Gesellschaft zunehmend angemessen ist. Vor allem auf der Stufe der Korporation ermöglicht dieser Bildungsprozess so eine Rückkehr des Sittlichen »als ein[es] Immanente[n] in die bürgerliche Gesellschaft«9. Der Hinweis auf den Prozess der Bildung erhellt, auf welch einzigartige Weise Hegel die Aporien der modernen Gesellschaft glaubt aufheben zu können. Während er den Zweifel späterer Denker an der Rationalität moderner Marktgesellschaften vorwegnimmt und argumentiert, dass gesellschaftliche Rationalität nur dann herbeigeführt werden kann, wenn die in solchen Gesellschaften verbreiteten Formen von Gesellschaftlichkeit verändert werden, so behauptet er doch zugleich, dass die Instrumente, die eine solche Transformation bewirken können, in der bürgerlichen Gesellschaft selbst enthalten sind. In dieser Hinsicht verbleibt seine Antwort auf die Aporien der Moderne im Geltungsbereich einer Theorie immanenter Kritik, allerdings auf eine Weise, die mit seiner spezifischen Auffassung von Vernunft eng zusammenhängt. Immanente Kritik ist nämlich für Hegel nicht nur derjenige Vorgang, durch den der Theoretiker problematische gesellschaftliche Verhältnisse mit den ihnen eigenen Normen von Rationalität konfrontiert. Vielmehr stützt sich Hegel hier, in Übereinstimmung mit seiner Konzeption des Geistes, auf ein Modell, nach dem eine Substanz für sich selbst Subjekt wird, und dementsprechend versteht er unter immanenter Kritik einen Vorgang, durch den eine Gemeinschaft ihre eigene Rationalität herausbildet und zum ersten Mal ins Werk setzt, wenn sie sich den gesellschaftlichen Übeln zuwendet, mit denen sie konfrontiert ist.10 Meine Erörterung von Hegels Standpunkt hat vier Teile. Teil I vergegenwärtigt die grundlegenden Elemente von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft und konzentriert sich dabei auf die verschiedenen Arten, auf welche die bürgerliche Gesellschaft Sittlichkeit zum Ausdruck bringt – oder nicht. Teil II skizziert die allgemeinen Parameter für Hegels Aufhebung der Pathologien der modernen Gesellschaft und hält dabei fest, wie die Entzweiungen, die für den Verlust des Sittlichen verantwortlich sind, zugleich die Mittel für eine Auffassung von Sittlichkeit bereitstellen, die diesem Verlust entgegenwirkt. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Begriff der Bildung, der sich spezifisch auf die Theorie der bürgerlichen Gesellschaft bezieht und im Zuge der Entfaltung die9

TWA, Bd. 7, § 249. Vgl. hierzu Buchwalter, Andrew: Dialectics, Politics, and the Contemporary Value of Hegel’s Practical Philosophy. New York, London 2011, S. 9–14. 10

»Die Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft«

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ser Theorie selbst einem Bildungsprozess unterworfen wird. Teil III untersucht die Kulmination dieses Prozesses in Hegels Theorie der Korporation, die sich auf einen entsprechend entwickelten Begriff der Bildung stützt und eine Auffassung von Sittlichkeit entwickelt, die auf Strukturen der Entzweiung zurückgreift, die ansonsten Sittlichkeit untergraben würden. Teil IV schließt mit einigen Bemerkungen zu Hegels Projekt und der modernen Auffassung von Sittlichkeit, die sich aus ihm ergibt.

I. Wir beginnen mit einer Rekonstruktion der wesentlichen Bestandteile von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, durch die deren zweideutiger Status als Sphäre der Sittlichkeit sichtbar werden wird. Am Anfang scheint Hegels Beschreibung der bürgerlichen Gesellschaft, die seine Ansichten zu modernen Marktgesellschaften mit umfasst, eindeutig nahezulegen, dass es in der bürgerlichen Gesellschaft keine Sittlichkeit gibt. Ihrem ersten »Prinzip«11 nach ist die bürgerliche Gesellschaft derjenige soziale Bereich, in dem Individuen als private Personen mit bestimmten Bedürfnissen und Interessen anerkannt werden. So entscheidend das Prinzip der Besonderheit auch für die Moderne und für das ist, was Hegel als die Verwirklichung subjektiver Freiheit darstellt, dieser Grundsatz verbürgt zunächst ein »System der Atomistik«12, in dem sich Individuen – oft unnötig und ohne Einschränkung – ausschließlich darauf konzentrieren, ihre privaten Eigeninteressen zu verfolgen. Betrachtet man die bürgerliche Gesellschaft aus diesem Blickwinkel, so setzt sie sich aus Nutzenmaximierern zusammen, die sich um das gemeinschaftliche Wohl, das für die Sittlichkeit von zentraler Bedeutung ist, kaum kümmern. Während die Familie und der Staat jeweils sittliche Einheiten konkretisieren, liefert die bürgerliche Gesellschaft – »die Stufe der Differenz«13 oder der »Standpunk[t] der Entzweiung«14 – ein Beispiel für die Aufspaltung von Individuum und Gesellschaft. Die bürgerliche Gesellschaft ist aus diesem Grund aber noch lange nicht der Ort eines ewigen Konflikts etwa im Sinne von Hobbes’ Naturzustand.15 Ihr zweites »Prinzip« besagt nämlich, dass die bürgerliche Gesellschaft auch die systematische gegenseitige Abhängigkeit von Individuum und Gemeinschaft

11 12 13 14 15

TWA, Bd. 7, § 182. TWA, Bd. 10, § 523. TWA, Bd. 7, § 181. TWA, Bd. 7, § 186. Vgl. TWA, Bd. 7, § 289.

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beinhaltet.16 Im Abschnitt zum »System der Bedürfnisse« beruft sich Hegel auf Theorien der politischen Ökonomie von »Smith, Say, Ricardo«17 und behauptet, dass moderne Industriegesellschaften, die von Warenaustausch und wachsender Arbeitsteilung geprägt sind, nach einer Logik operieren, welche die Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse eines Individuums mit der Bedürfnisbefriedigung anderer untrennbar verknüpft. Die bürgerliche Gesellschaft bringt eine »dialektische Bewegung«18 zum Ausdruck, in der das private Streben nach besonderem Wohl das Wohl aller bekräftigt. Dabei ist »das Versöhnende«19 nicht bloß das Resultat einer unsichtbaren Hand, die hinter den eigennützigen Handlungen individueller Vermögensmaximierer am Werk wäre; vielmehr lässt das System gegenseitiger Abhängigkeiten, das die bürgerliche Gesellschaft prägt, inter alia Haltungen der Zusammenarbeit und Gegenseitigkeit entstehen. Dieses Netzwerk von Interdependenzen gibt Anlass zur Unterstützung von öffentlichen Einrichtungen, zeitigt Formen moralischen Verhaltens, die Normen individuellen und gemeinschaftlichen Wohls zum Ausdruck bringen, und ruft eine »sittliche Gesinnung«20 hervor, die ihre Wurzel in dem Umstand hat, dass Individuen ihre eigenen Zwecke nur erreichen können, »insofern sie selbst ihr Wissen, Wollen und Tun auf allgemeine Weise bestimmen und sich zu einem Gliede der Kette dieses Zusammenhangs machen.«21 In dieser Hinsicht artikuliert die bürgerliche Gesellschaft Elemente der Sittlichkeit selbst: die »Einheit des an sich seienden Allgemeinen mit der subjektiven Besonderheit«22. Auch wenn die bürgerliche Gesellschaft so »die Erscheinungswelt des Sittlichen«23 darstellt, kann sie noch nicht als Repräsentation von Sittlichkeit selbst angesehen werden. Echte Sittlichkeit ist auf Individuen angewiesen, die ihre Gemeinsamkeit verstehen und aktiv wollen. Die Realität der bürgerlichen Gesellschaft ist jedoch gerade durch den Mangel an einer solchen expliziten Erkenntnis und einem solchen ausdrücklichen Willen gekennzeichnet. Die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft mögen ihre Handlungen zwar bewusst »auf allgemeine Weise« bestimmen, aber nur, weil sie verstehen, dass ihre privaten Zwecke am besten mittels sozialer Strukturen und allgemein akzeptabler Praktiken erreicht werden können. Ihnen fehlt damit die Verpflichtung auf das Allgemeine als etwas, was an sich wünschenswert ist, und sie sehen nicht, 16 17 18 19 20 21 22 23

Vgl. TWA, Bd. 7, § 182. TWA, Bd. 7, § 189. TWA, Bd. 7, § 199. TWA, Bd. 7, § 189. TWA, Bd. 7, § 207. TWA, Bd. 7, § 187. TWA, Bd. 7, § 229. TWA, Bd. 7, § 181.

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dass ihr besonderes Wohlergehen nur in gemeinschaftlichen Beziehungen angemessen gefördert wird. Sie mögen sich zwar auf das Allgemeine hin ausrichten, jedoch nur, insoweit dies einem System entspricht, das auf Bedürfnis und Not basiert – und also aus bloßer Notwendigkeit. Was fehlt, ist das Bewusstsein der »Freiheit«24, wodurch Individuen die Bedingungen allgemeiner Vermittlung selbst wollen, da sie verstehen, dass diese Vermittlung ihre Freiheit und ihr Wohlergehen bestimmt. Während die bürgerliche Gesellschaft sowohl dem Prinzip gegenseitiger Abhängigkeit als auch dem Grundsatz der Besonderheit Ausdruck gibt, bietet sie – auf der Stufe der Differenz – nur der disjunktiven Beziehung zwischen diesen beiden Prinzipien Raum. Sie fördert keine »vollkommene Durchdringung«25, wonach die Gemeinschaft nur in der expliziten Bejahung durch ihre Mitglieder Bestand hat, so wie die Besonderheit von Individuen nur in der bewussten Bejahung ihrer Gemeinsamkeit voll verwirklicht wird. Stellt die bürgerliche Gesellschaft eine Erscheinung des Sittlichen dar, so doch nur als Schein, nicht als Wirklichkeit. Hegel meint jedoch nicht nur, dass die bürgerliche Gesellschaft bloß der Schein von Sittlichkeit ist; sein springender Punkt ist vielmehr, dass sie deren Verlust darstellt. Wenn sich die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft nicht explizit auf die Bedingungen ihrer Gemeinsamkeit festlegen, dann bringt diese Gesellschaftsform eine ganze Schar von Pathologien hervor, die noch den Schein von Sittlichkeit zunichtemachen. Hegel weist die Ansicht Adam Smith’ zurück, der zufolge soziales Wohlergehen durch die unsichtbare Hand des Marktes und dessen mutmaßliche Mechanismen der Selbstregelung und Selbstanpassung erreicht werden kann.26 Während Marktmechanismen den Schein einer allumfassenden Harmonie erzeugen mögen, besteht die Wirklichkeit in Disharmonie. In seiner Diskussion der bürgerlichen Gesellschaft macht Hegel deutlich, wie vielfältig der Verlust des Sittlichen in Marktgesellschaften ist. Hierzu gehören die Unterordnung individueller Autonomie unter das Diktat der Mode, die physisch und psychisch auszehrende Reglementierung der Arbeit sowie die Tendenz, Arbeiter durch Maschinen zu ersetzen. Hegels weitreichendste Erklärung der Belastungen moderner Marktgesellschaften findet sich aber in seiner Diskussion der Armut, die seiner Ansicht nach eine Begleiterscheinung des normalen und »ungehinderte[n]«27 Funktionierens von Marktwirtschaften ist. Angetrieben von den Handlungen von Individuen, die ihren Reichtum zu 24

TWA, Bd. 7, § 186. TWA, Bd. 7, § 1 Zs. 26 Vgl. hierzu ausführlich Herzog, Lisa: Inventing the Market: Smith, Hegel and Political Theory. Oxford 2013. Vgl. zu diesem Thema auch die Beiträge von Heinz D. Kurz und Michael Quante im vorliegenden Band. 27 TWA, Bd. 7, § 243. 25

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maximieren suchen, lösen Marktgesellschaften Boom-Bust-Zyklen aus, in denen Überproduktion zu Entlassungen und Unterbeschäftigung führt. Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit bringen ihrerseits eine verarmte Unterschicht hervor, die ein gewisses Maß an Dauerhaftigkeit gewinnt, da die Armen, die ökonomischer Ressourcen beraubt sind und nicht mehr wie in traditionellen Gesellschaften von der ökonomischen Struktur der Großfamilie unterstützt werden, nur begrenzt die Möglichkeit haben, Fertigkeiten zu erwerben, mit denen sie (wieder) einen Platz im ökonomischen Leben der Gesellschaft finden können.28 Hegels Analyse dieses armen »Pöbels«, wie er die Unterschicht nennt, konzentriert sich in erster Linie jedoch nicht auf materielle Entbehrung, sondern auf die damit verbundene Psychologie der Demütigung und Entfremdung. Armut bringt Individuen um ihre Selbstachtung und ihr Selbstwertgefühl. Der Verlust der Arbeit beraubt sie nicht nur ihres Sinns für Selbständigkeit, der für die Mitgliedschaft in modernen Gesellschaften von zentraler Bedeutung ist, sondern die Armen wissen auch, dass sie der sozialen Anerkennung ermangeln, die für eine gesellschaftliche Ordnung, die auf Leistung und der Marktfähigkeit individueller Anstrengung beruht, von größter Wichtigkeit ist. Da die Armen sich ihres Mangels an Anerkennung bewusst sind, entziehen sie außerdem der Gesellschaft ihre Anerkennung, wie sich nicht nur in Neid, Verbitterung und der Wut gegen die Reichen zeigt, sondern auch in einer antagonistischen Haltung gegenüber der Gesellschaft im Allgemein, sei es durch die Zurückweisung von Arbeit und des Leistungsprinzips, sei es in der Opposition gegen die soziale Ordnung überhaupt. Von zentraler Bedeutung für Hegels Analyse der Armut ist jedoch nicht nur die Erfahrung des armen, sondern auch die des reichen Pöbels.29 Zu dieser Schicht gehören Individuen, die von unbegrenzter Gewinnsucht beherrscht sind und sich ganz dem Geltungskonsum widmen. In Übereinstimmung mit der bürgerlichen Gesellschaft als einer Sphäre des »Scheins« sind sie ganz von äußeren Zurschaustellungen individuellen Werts in Anspruch genommen.30 Den reichen Pöbel motiviert eine Habsucht, die zu weitreichenderen materiellen Ungerechtigkeiten und Vermögensungleichheiten beiträgt. So nutzen die Mitglieder dieser Schicht die weit verbreitete Arbeitslosigkeit aus, indem sie ihren Angestellten nur einen minimalen Lohn zahlen, was »hinwiederum […] die größere Leichtigkeit, unverhältnismäßige Reichtümer in wenige Hände zu konzentrieren, mit sich führt.«31 Die Reichen nehmen außerdem eine unbe28

Vgl. TWA, Bd. 7, § 241. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Die Philosophie des Rechts: Vorlesung von 1821/22. Hg. v. Hansgeorg Hoppe. Frankfurt a. M. 2005, § 244. 30 Vgl. Rózsa, Erzsébet: Das Prinzip der Besonderheit in Hegels Wirtschaftsphilosophie. In: Dies.: Hegels Konzeption praktischer Individualität. Paderborn 2007, S. 194. 31 TWA, Bd. 7, § 244. 29

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kümmerte und verächtliche Haltung gegenüber den Armen ein, was weiter zur Marginalisierung und Pöbelmentalität der letzteren beiträgt.32 In seiner Antwort auf das Problem der Armut appelliert Hegel an die Art von Aufsichtsbehörden, die in Smith’ Theorie moderner Marktgesellschaften fehlen. Aufgabe der »Polizei« oder »öffentlichen Autorität« ist es, Vorsorge »gegen die in jenen Systemen zurückbleibende Zufälligkeit« zu treffen.33 Hegel gibt allerdings auch zu, dass die Maßnahmen von Aufsichtsbehörden von begrenztem Wert sind, wenn es darum geht, das Problem der Armut anzugehen, da diese Interventionen häufig die fraglichen Schwierigkeiten reproduzieren.34 Aufwendige Formen staatlicher Fürsorge können Individuen ihrer Selbständigkeit berauben, ein Gefühl der Abhängigkeit erzeugen und so ihrer Selbstachtung abträglich sein. Ebenso kontraproduktiv wären Anstrengungen, der Armut mit öffentlich geschaffenen Beschäftigungsmöglichkeiten entgegenzuwirken, da diese zur Überproduktion beitragen können, die das Problem überhaupt erst schuf. Deshalb behauptet Hegel, »daß bei dem Übermaße des Reichtums die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug ist, d. h. an dem ihr eigentümlichen Vermögen nicht genug besitzt, dem Übermaße der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern.«35 Selbst wenn man regulatorischen Maßnahmen dieser Art einen gewissen Wert einräumt, bestreitet Hegel, dass sie zur Erklärung von Sittlichkeit beitragen können. In der Tat bekräftigen solche Maßnahmen die Gegensätze, die sie überhaupt erst nötig machen. Indem solche Programme ihren Ausgang von der These nehmen, dass Individuen selbstsüchtige Privatpersonen sind, können sie die Wucht dieser Gegensätze nicht beseitigen, sondern nur lindern, und das auch nur dann, wenn es darum geht, konkurrierende Interessen im Zaum zu halten oder auszugleichen.36 Solche Programme können keine Einheit herstellen, die angemessen zwischen Gegensätzen vermittelte, denn dazu müssten die besonderen Individuen ausdrücklich das Allgemeine wollen, während das Allgemeine seinerseits wiederum durch die Bejahung der besonderen Individuen verwirklicht werden würde.

32

Vgl. ausführlich Ruda, Frank: Hegels Pöbel: Eine Untersuchung der »Grundlinien der Philosophie des Rechts«. Konstanz 2011, insbes. Kapitel 5 & 6. 33 TWA, Bd. 7, § 188. 34 Vgl. TWA, Bd. 7, § 243. 35 TWA, Bd. 7, § 245. 36 Vgl. Rózsa: Prinzip der Besonderheit, S. 199.

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II. Um eine angemessene Theorie von Sittlichkeit zu formulieren, ist es daher notwendig, vom Gebiet der bürgerlichen Gesellschaft zum Staat, der »Wirklichkeit der sittlichen Idee«37, fortzuschreiten. Als Ort der Gemeinschaft im engeren Sinn ist der Staat – oder das Gemeinwesen – die Domäne der Bürger (citoyens), nicht der Bourgeoisie. Im Gegensatz zur nur scheinbaren Sittlichkeit, die Individuen beim Verfolgen privater Gewinne nebenbei zustande bringen, ist die Sittlichkeit, die einem Gemeinwesen zukommt, das Produkt der expliziten Erkenntnis und des ausdrücklichen Willens von Individuen: Sittlichkeit nicht nur an sich, sondern auch für sich. Auch Individuen in der bürgerlichen Gesellschaft machen die Bedingungen ihrer Gemeinsamkeit zu einem Gegenstand ihres Wollens, allerdings nur, um auf diese Weise ihre Privatinteressen zu sichern, während Individuen im politischen Bereich dies um der Gemeinsamkeit selbst willen tun.38 Entsprechend stellt politisch verwirklichte Sittlichkeit die Objektivierung von Freiheit und nicht von Notwendigkeit dar.39 Sie verwirklicht außerdem subjektive Freiheit und sogar das Prinzip eigenständiger Besonderheit, da Individuen einzusehen lernen, dass ihre besonderen Identitäten am besten in der Gemeinschaft und in intersubjektiven Beziehungen zu erlangen sind.40 Um Sittlichkeit zu entwickeln, ist es jedoch nicht notwendig, die bürgerliche Gesellschaft zugunsten des Staates aufzugeben. Elemente einer solchen Ansicht finden sich in Hegels frühen Schriften, in denen er für die Idee einer Volksreligion eintritt, die von wirtschaftlichen Rücksichten unberührt bleibt. In der Philosophie des Rechts aber – wenn nicht bereits in seinen Schriften seit der mittleren Jenaer Periode am Anfang des 19. Jahrhunderts – vertritt Hegel die Ansicht, dass die bürgerliche Gesellschaft selbst, ungeachtet ihrer Aporien, zu einer richtigen Auffassung von Sittlichkeit beiträgt. In der Tat ist es für Hegels Standpunkt charakteristisch, dass eine korrekte Theorie von Sittlichkeit nur möglich ist, wenn hierzu Hilfsmittel verwendet werden, die der bürgerlichen Gesellschaft eigen sind. Die Formen der Entzweiung, die den Verlust von Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft begünstigen, bringen zugleich eine moderne Auffassung von Sittlichkeit hervor. Ein zentrales Element bei dem Bemühen, eine moderne Auffassung von Sittlichkeit auszubilden, ist der Begriff der Reflexion. Für Hegel ist Sittlichkeit als Durchdringung und gründliche Vermittlung von Individuum und Gemein37 38 39 40

TWA, Bd. 7, § 257. Vgl. TWA, Bd. 7, § 258. Vgl. TWA, Bd. 7, § 186. Vgl. TWA, Bd. 7, § 260.

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schaft zu verstehen. Was diese Vermittlung charakterisiert, ist jedoch nicht einfach das Faktum der Vermittlung, sondern die reflexiven Praktiken, durch die Individuen bewusst, wenn auch gewohnheitsmäßig, ihre Gemeinsamkeit fördern. Sittlichkeit ist für Hegel reflexive Sittlichkeit, »das lebendige Gute, das in dem Selbstbewußtsein sein Wissen, Wollen und durch dessen Handeln seine Wirklichkeit«41 hat. Der Begriff der Sittlichkeit, der seine Wurzeln in Hegels Auffassung des Geistes als einer Substanz hat, die für sich selbst Subjekt ist, hängt demgemäß von der Fähigkeit von Individuen ab, sich sowohl einzeln als auch gemeinsam kognitiv zu objektivieren, das heißt, sich selbst und ihre Beziehungen als Gegenstände der Reflexion auszulegen. Diese Objektivierung wird durch die bürgerliche Gesellschaft erleichtert. Als Sphäre der Teilung, Differenz und Entgegensetzung in Hegels praktischer Philosophie ist die bürgerliche Gesellschaft auch die Domäne von Reflexion und »Reflexionsverhältnis[sen]«42. Aufgrund ihrer Entzweiungen sorgt die bürgerliche Gesellschaft für die Modi der reflexiven Objektivierung und Selbstobjektivierung, die für eine angemessen differenzierte Auffassung von Sittlichkeit erforderlich sind und Individuen die Beziehung zwischen ihrem eigenen Wohl und dem der Gemeinschaft verstehen und sie entsprechend handeln lassen. Wenigstens zum Teil macht die bürgerliche Gesellschaft die »sittliche Wurzel des Staates« aus, da ihre Entzweiungen jene »in sich reflektiert[e] Besonderheit« hervorbringen, die für eine »gewußt[e] und denkend[e] Sittlichkeit« von zentraler Bedeutung ist.43 Auch wenn man die Einzelheiten von Albrecht Wellmers Kommentar in Frage stellen mag, so hat er doch die allgemeine Stoßrichtung von Hegels Überlegungen richtig erfasst. Hegels Rezeption von naturrechtlichen Theorien ist laut Wellmer zu verstehen »als Artikulation einer grundlegenden Dimension der Freiheit in der modernen Welt, einer negativen Freiheit, durch welche ineins die überkommenen Bande der Solidarität zwischen Individuen zerstört und die Voraussetzungen für jene reflexive […] Form der Solidarität geschaffen werden, die die einzig mögliche im modernen Staat ist.«44 Um Hegels Aufhebung der Entzweiungen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft richtig einschätzen zu können, genügt es jedoch nicht, einfach auf seine Theorien der Reflexion, der Vernunft, des Geistes oder der Subjektivität hinzuweisen. Nicht weniger bedeutsam ist, wie Gegensätze durch das bewusste Handeln der betroffenen Individuen selbst schöpferisch überwunden werden. Von größter Wichtigkeit ist hier der Begriff der Bildung, den Hegel als »Her41 42 43 44

TWA, Bd. 7, § 142. TWA, Bd. 7, § 181. TWA, Bd. 7, § 255 u. 255 Zs. Wellmer: Endspiele, S. 37.

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vortreiben der Allgemeinheit des Denkens«45 bestimmt. Bildung bringt die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft dazu, die Einseitigkeit und den »Irrtum« in ihren Ansichten über die Beziehung zu anderen und zur Gemeinschaft überhaupt zu ändern.46 Und Bildung, die Hegel ferner als »absolute[n] Durchgangspunkt zu der […] unendlich subjektiven Substantialität der Sittlichkeit«47 beschreibt, bringt in Individuen die sittliche Gesinnung hervor, die es ihnen erlaubt, in ihre Auffassung von sich selbst die Einsicht in die intersubjektiven Bedingungen von Freiheit und Wohlergehen mit einzubeziehen.48 Indem Hegel in diesem Zusammenhang an Bildung appelliert, konfrontiert er die bürgerliche Gesellschaft jedoch nicht mit externen Normen und Erwartungen. Auch hier heißt er nicht die Praxis gut, die er im Vorwort zur Philosophie des Rechts kritisiert hatte, nämlich der Welt vorzuschreiben, wie sie sein soll. Stattdessen beruft er sich auf Ressourcen, die der bürgerlichen Gesellschaft selbst innewohnen.49 Das ist angemessen, da er die bürgerliche Gesellschaft ebenso sehr als »Stufe der Bildung«50 wie der »Differenz« charakterisiert. In dieser Formulierung ist »Bildung« von »Erziehung« zu unterscheiden, wobei letztere das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in der Familie beschreibt, das auf einer »unmittelbaren, noch gegensatzlosen Empfindung«51 basiert. Im Gegensatz hierzu bringt Bildung die Formen der Entzweiung zum Ausdruck, die für die bürgerliche Gesellschaft beispielhaft sind: Bildung nimmt von der Erfahrung selbständiger Personen ihren Ausgang, fördert subjektive Freiheit und nimmt die Form »harte[r] Arbeit«52 gegen natürliche Unmittelbarkeit an; sie nährt sich von der anhaltenden Spannung zwischen Besonderem und Allgemeinem, bekräftigt das Allgemeine, das im Gedanken reflektiert wird, und liefert ein Beispiel für die Dichotomien der Reflexion, welche die bürgerliche Gesellschaft insgesamt durchdringen. Hegels Theorie von Bildung in der bürgerlichen Gesellschaft zeichnet sich außerdem durch ihre dynamische Qualität aus. In der Tat nimmt die Darstellung von Bildung hier die Form eines Entwicklungs- oder Lernprozesses an. Zwei Bemerkungen können zu diesem Prozess gemacht werden, der die 45

TWA, Bd. 7, § 20. TWA, Bd. 7, § 181 Zs. 47 TWA, Bd. 7, § 187. 48 Vgl. Rózsa: Prinzip der Besonderheit, S. 201. 49 Eine Darstellung der bürgerlichen Gesellschaft als Bildungsgemeinschaft entwickelt Vieweg, Klaus: Das Denken der Freiheit: Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts. München 2012, S. 293–296. Vgl. außerdem Vieweg, Klaus/Winkler, Michael (Hg.): Bildung und Freiheit: Ein vergessener Zusammenhang. Paderborn 2012. 50 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Philosophie des Rechts: Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift. Hg. v. Dieter Henrich. Frankfurt a. M. 1983, S. 148. 51 TWA, Bd. 7, § 175. 52 TWA, Bd. 7, § 187. 46

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Evolution vom System der Bedürfnisse über die Rechtspflege zur Polizei und Korporation nachzeichnet, und beide stellen eine Verbindung zwischen soziokulturellen Lernprozessen und dem Phänomen der Entzweiung her. Erstens wird dieser Entwicklungsprozess von dem wachsenden Bemühen angetrieben, die Probleme der bürgerlichen Gesellschaft anzusprechen und zu verbessern. Zweitens wird in diesem Prozess stets erneut kalibriert, wie die Formen der Entzweiung die Bildung strukturieren bzw. wie sie bestimmen, was jeweils als Bildung zählt. Während Bildung im System der Bedürfnisse jene Strategien zur Nutzenmaximierung stärkt, die den Zielen der Sittlichkeit abträglich sind, und sie auf der Stufe der Rechtspflege einen Begriff formeller Gerechtigkeit unterstützt, der einerseits Probleme angeht, die sich auf der vorangegangenen Stufe ergeben hatten, andererseits aber neue Schwierigkeiten schafft, verwirklicht Bildung auf der letzten Stufe – vor allem im Zusammenhang der Korporation – die komplexe Vermittlung von Individuum und Gemeinschaft, die für eine echte Darstellung von Sittlichkeit nötig ist. Bildung bringt diese Vermittlung zustande, indem sie sich produktiv genau jene Mittel der Entzweiung zu eigen macht, die bisher Sittlichkeit behindert hatten. Auf dieser letzten Stufe verleiht Bildung daher dem Geist selbst Ausdruck: »Der Geist hat seine Wirklichkeit nur dadurch, daß er sich in sich selbst entzweit, […] sich diese Schranke und Endlichkeit gibt und eben damit, daß er sich in sie hineinbildet, sie überwindet und darin sein objektives Dasein gewinnt.«53 Der folgende Abschnitt des vorliegenden Aufsatzes untersucht Bildung, wie sie in dieser letzten und »wahre[n]«54 Form zum Ausdruck kommt, während der Rest dieses Abschnittes Bildung auf den ersten beiden Stufen ihrer Entwicklung diskutiert. In seiner Diskussion der bürgerlichen Gesellschaft beschreibt Hegel die unterschiedlichen Weisen, auf die Bildung im Zuge der Entwicklung von Subjektivität – einem der zentralen Prinzipien moderner Gesellschaften – gegebene Unmittelbarkeiten »wegarbeitet«, das heißt, sie als solche eliminiert und transformiert. Im System der Bedürfnisse nimmt dieser Vorgang die Form theoretischer und praktischer Bildung an, die beide darauf zielen, die Voraussetzungen für eine effektive Teilnahme an modernen Handelsgesellschaften zu schaffen. Theoretische Bildung lehrt das abstrakte logische Denken, das man braucht, um seinen Lebensunterhalt in komplexen, differenzierten und wachstumsorientierten Gesellschaften zu verdienen, und bringt einem die hierzu nötige »Beweglichkeit und Schnelligkeit des Vorstellens« sowie »das Fassen verwickelter und allgemeiner Beziehungen« bei.55 Praktische Bildung lehrt technische und soziale Fertigkeiten und trainiert Gewohnheiten, die man für den 53 54 55

TWA, Bd. 7, § 187. TWA, Bd. 7, § 187 Z. TWA, Bd. 7, § 197.

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Erfolg in Marktwirtschaften braucht. Beide Formen von Bildung bringen so deren allgemeinen Zweck zum Ausdruck, nämlich in Individuen die Anerkennung des Allgemeinen zu fördern. Allerdings sind theoretische und praktische Bildung auf dieser Stufe noch mit einem gewissen Instrumentalismus verbunden: Das Allgemeine dient vornehmlich als Mittel zu dem Zweck, privaten Bedürfnissen und Zielen nachzugehen. Demgegenüber kommt auf der Stufe der Rechtspflege eine höhere Form von Bildung ins Spiel. Auch hier bringt Bildung ein Bewusstsein des Allgemeinen und Gemeinsamen hervor, aber das Ziel ist nicht mehr nur, den eigenen Nutzen zu maximieren. Vielmehr nimmt das gebildete Bewusstsein eine reflexivere Form an, das heißt, es entwickelt sich zum Rechtsbewusstsein, das die rechtlichen Strukturen, die das Funktionieren moderner Handelsgesellschaften ermöglichen, unterstützt und aufrechterhält.56 Zur Bildung in diesem Sinne gehört zum einen die Unterstützung eines fairen, unparteiischen und formell kodifizierten Rechtssystems. Zum andern gehört hierzu das Bewusstsein von Rechten, durch die Individuen sich gegenseitig als Träger gleicher Rechte anerkennen – und sich damit als Personen achten, die als solche, das heißt, als Menschen und nicht etwa aufgrund von besonderen Statuserwägungen, Respekt verdienen. Durch Bildung – und damit durch »Denken als Bewußtsein des Einzelnen in Form der Allgemeinheit« – gilt der Mensch, »weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist.«57 Bildung bringt diesen Respekt für den anderen hervor, ohne sich hierzu abstrakt auf die allgemeinen Menschenrechte berufen zu müssen, die Hegel mit Kosmopolitismus verbindet. Die Denkweise, die sich auf Individuen als Träger gleicher Rechte konzentriert, ist das Produkt eines soziohistorischen Lernprozesses, der an eine wirtschaftliche Ordnung gekoppelt ist, die im Prinzip auf einer meritokratischen Bewertung von Fertigkeiten und Leistungen basiert. Die reflexive Fähigkeit von Individuen, sich gegenseitig als Personen zu behandeln, ist in diesem Sinne weder das Produkt einer konkreten Einsicht noch einer abstrakten Erkenntnis, sondern eine Funktion der Mitgliedschaft in einer Kultur, in der Individuen aufgrund ihrer alltäglichen Praxis dazu neigen, ihren »Willen nach einem Allgemeinen [zu] richten.«58 In modernen Gesellschaften wird ein reflexives Rechtsbewusstsein zu einem Bestandteil einer gewohnheitsmäßigen Praxis, so wie umgekehrt Gewohnheitsrechte von dieser Reflexivität geprägt werden.59 56

Vgl. Vieweg: Das Denken der Freiheit, S. 307–308. TWA, Bd. 7, § 209. 58 TWA, Bd. 7, § 209 Zs. 59 Es sei hier daran erinnert, dass Hegel im Gegensatz zur historischen Schule annimmt, dass sie »das Moment [enthalten], als Gedanken zu sein und gewußt zu werden« (TWA, Bd. 7, § 211). 57

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Der springende Punkt ist für Hegel jedoch nicht einfach, dass ein entwickeltes Rechtsbewusstsein die kulturellen Mittel bereitstellt, um ein modernes System von Gesetzen zu unterstützen. Vielmehr macht er geltend, dass dieses System nur durch ein solches Bewusstsein Wirklichkeit erlangt. Versteht man unter einem Rechtssystem die Verwirklichung selbstbewusster Freiheit, so hängt diese davon ab, dass Individuen in der Lage sind, das System gutzuheißen, insoweit es sich auf die Umstände ihres alltäglichen Lebens bezieht und diese artikuliert. Obwohl die allgemeinen Prinzipien, die in modernen rechtlichen Strukturen verkörpert sind, die Lebenspraxis moderner Individuen prägen, erlangt das Rechtssystem »Gelten und objektive Wirklichkeit«60 nur, wenn es von denjenigen, auf die es angewendet wird, auch anerkannt, gewusst und gewollt wird. In mehrfacher Hinsicht artikuliert der Abschnitt zur Rechtspflege so eine Theorie des Verhältnisses zwischen Individuum und Gemeinschaft, die fruchtbarer und verästelter ist als die Darstellung im System der Bedürfnisse. Zugleich tragen die Mittel, welche die Rechtspflege bereitstellt, der Sittlichkeit jedoch noch nicht angemessen Rechnung. Zwei Schwierigkeiten, die miteinander zusammenhängen und damit zu tun haben, wie Bildung auf dieser Stufe an der Vermittlung zwischen Allgemeinem und Besonderem scheitert, müssen in diesem Kontext genannt werden. Erstens geht es in der Rechtspflege nur um die Anerkennung eines abstrakten und »formelle[n]«61 Begriffs von Gerechtigkeit, der auf die allgemeine Vorstellung universeller Rechte und die allgemeine Anerkennung eines jeden besonderen Individuums als Mensch zielt. Die Rechtspflege versäumt, das Problem anzugehen, das für Sittlichkeit und bürgerliche Gesellschaft gleichermaßen wichtig ist, nämlich die Schwierigkeit, wie allgemeines Wohlergehen sich auf das besondere Individuum als besonderes beziehen kann. Dieses Versäumnis ist in Bezug auf moderne Armut besonders deutlich, denn das Phänomen der Armut enthüllt, wie die tatsächliche Arbeitsweise der bürgerlichen Gesellschaft, die sich in den Boom-Bust-Zyklen von Marktwirtschaften spiegelt, in Wahrheit für viele die Grundrechte untergräbt, auf die sie formell als Mitglieder der Gesellschaft Anspruch haben. Armut stellt die Verfügbarkeit »negativer« Freiheitsrechte in Frage. Rechte, die Individuen gegen die Verletzung ihrer Person und ihres Eigentums schützen, sind für die Armen kaum von Bedeutung, da sie aufgrund der tatsächlichen Arbeitsweise von Marktgesellschaften nicht nur des Eigentums, sondern auch des Personseins ermangeln, das für Hegel auf Eigentum angewiesen ist. Außerdem stellt Armut in Frage, inwieweit »positive« Sozialrechte eigentlich Schutz gewähren, da die Armen in Wirklich60 61

TWA, Bd. 7, § 209. TWA, Bd. 10, § 529.

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keit häufig der Arbeit, der Gesundheit, des Unterhalts und sogar des Lebens beraubt werden. Ferner können die Armen nicht von politischen Rechten Gebrauch machen: Ohne das notwendige Kapital und Ressourcen (wie Ausbildung, Fertigkeiten, Kleidung und Gesundheit) sind sie de facto von der Teilnahme in den Foren ausgeschlossen, in denen das politische Leben gemeinsam geformt wird. Schließlich weisen die Armen auch nicht das Rechtsbewusstsein auf, das Hegel mit der Kultur der Mitgliedschaft in modernen Gesellschaften verbindet. Die Armen sehen nicht nur, dass sie der Rechte ermangeln, die ihnen formell zustehen, und sie insbesondere der Mitgliedschaftsrechte beraubt sind, auf die man in einer Gesellschaft, die sich kulturell über die Prinzipien wirtschaftlicher Selbständigkeit definiert, Anspruch hat; insoweit die Armen nicht als vollgültige Mitglieder einer Gesellschaft anerkannt werden, die Mitgliedschaft an den Besitz von Rechten bindet, legen sie auch ein »Gefühl der Rechtlosigkeit«62, einen verinnerlichten Sinn sozialer Entrechtung an den Tag.63 Selbst diejenigen, die Rechtsbewusstsein haben, haben damit noch nicht – und das ist das zweite Problem von Bildung auf dieser Stufe – eine sittliche Gesinnung im strengen Sinn. Das Rechtsbewusstsein, das auf dieser Stufe zu finden ist, nimmt die Form von »Rechtschaffenheit« an, und mit diesem Begriff beschreibt Hegel den Sachverhalt, dass die Mitglieder einer Gemeinschaft gewissenhaft die Institutionen und Praktiken unterstützen, die ihre Rechte und das Streben, individuelle Bedürfnisse zu befriedigen, schützen.64 So verstanden, bleibt das Rechtsbewusstsein an die Anliegen der bürgerlichen Privatperson und deren Hauptsorge, Besitz und Eigentum, gebunden. Es ist noch nicht das sittliche Bewusstsein selbst, über das all diejenigen verfügen, die sich darüber im Klaren sind, dass ihre Identität und ihr Wohl intersubjektiv und unter den Bedingungen gemeinschaftlichen Wohlergehens konstituiert werden, und entsprechend handeln. »Rechtschaffenheit ist noch nicht Sittlichkeit, weil der Mensch noch höhere Zwecke haben muß.«65 Auf die Beschränkungen, die Hegel mit der Rechtspflege verbindet, reagiert er, indem er sich der Theorie von Polizei und Korporation zuwendet, die zwischen besonderen und allgemeinen Anliegen auf umfassendere Weise vermittelt. Unter »Polizei« ist hier die bereits angeführte zentralisierte öffent62

Hegel: Philosophie des Rechts: Vorlesung von 1821/22, § 244. Vgl. hierzu ausführlicher Buchwalter, Andrew: Hegel, Human Rights, and Political Membership. In: Hegel Bulletin 34/1 (2013), S. 98–119. 64 Vgl. TWA, Bd. 7, § 207. 65 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über Naturrecht und Staatswissenschaft. Nachgeschrieben v. P. Wannenmann. Hg. v. Claudia Becker et al. Hamburg 1983, § 107. Eine Diskussion der Beziehung zwischen Rechtschaffenheit und Sittlichkeit entwickle ich in Buchwalter, Andrew: Hegel’s Concept of Virtue. In: Ders.: Dialectics, Politics, and the Contemporary Value of Hegel’s Practical Philosophy, bes. S. 163–166. 63

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liche Autorität zu verstehen, deren Aufgabe es ist, den Handel zu regulieren, die Ressourcen zu sichern, die es Individuen erlauben, in Marktgesellschaften zu funktionieren, und die Unterstützung für Arme und Bedürftige bereitzustellen. Unter dem Titel »Korporation« dagegen sind sich selbst organisierende und arbeitsbezogene Vereinigungen zu verstehen, die sich der Förderung des Wohls ihrer Mitglieder widmen. Wenn es darum geht, Sittlichkeit zu verwirklichen, ist die Korporation für Hegel die bevorzugte Alternative, da sie eine »immanente« und nicht nur eine »äußerliche« Vermittlung von individuellen und gemeinsamen Anliegen leistet. In der Tat ist für Hegel die Korporation der Ort, an dem »das Sittliche als ein Immanentes in die bürgerliche Gesellschaft«66 zurückkehrt. Hegels Standpunkt ist wiederum in der charakteristischen Rolle reflektiert, die er der Bildung in diesem Zusammenhang zuweist: Bildung trägt zu einem Begriff von Sittlichkeit bei, der den Anforderungen der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber offen ist.

III. Es soll zunächst dargelegt werden, wie die Mitgliedschaft in einer Korporation das Wohl des besonderen Individuums fördert. Zum einen bieten Korporationen Ausbildungsprogramme für Arbeiter sowie materielle Unterstützung für diejenigen an, für die sich die Dynamik von Marktgesellschaften nachteilig auswirkt. Zum anderen kümmern sich Korporationen um psychische Symptome, zu denen das Gefühl der Demütigung und ein geschwächtes Selbstwertgefühl zählen, die häufig diejenigen heimsuchen, auf die Marktkräfte einen abträglichen Einfluss haben. Korporationen lindern diese Leiden, da sie so strukturiert sind, dass sie Individuen für Fertigkeiten, Fähigkeiten und Qualifikationen, die sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Korporation haben, anerkennen und schätzen. Wenn die Mitgliedschaft in der bürgerlichen Gesellschaft das Individuum sich wie ein »Niemand« fühlen lässt – oder bestenfalls wie eine Rechtsperson, die von anderen Rechtspersonen ununterscheidbar ist –, so erkennt die Korporation den Einzelnen als besonderen »Jemand« an.67 Diese Anerkennung erscheint als »Ehre«, die ein Individuum aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Korporation oder in seinem »Stand« hat.68 Hegel räumt ein, dass der Begriff der Ehre üblicherweise mit traditionellen Gesellschaften assoziiert wird, besteht aber darauf, dass sein Gebrauch dieses Begriffs modernen Gesellschaften und ihren Systemen der Vermittlung angemes66 67 68

TWA, Bd. 7, § 249. Vgl. TWA, Bd. 7, § 253. Vgl. TWA, Bd. 7, § 253.

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sen ist.69 In Hegels Deutung verdient ein Individuum Wertschätzung oder Ehre nicht aufgrund einer ihm innewohnenden Eigenschaft oder Qualität, sondern aufgrund der Anerkennung, die ihm andere Mitglieder der Korporation zukommen lassen. Was dabei zählt, ist jedoch nicht die Anerkennung selbst, sondern die »Vorstellung«, auf der sie beruht. Ein Mitglied der Korporation wird geehrt, insoweit er oder sie als jemand angesehen wird, der die allgemeinen Talente und Fähigkeiten besitzt, die eine Mitgliedschaft in der Korporation erfordert. In Hegels Begriffen: Jemand wird geehrt, wenn er oder sie nicht als Individuum, sondern als Verkörperung des Allgemeinen anerkannt wird.70 Durch eine »vermittelte Vorstellung« dieser Art – und also aufgrund der Würdigung durch andere in Übereinstimmung mit allgemeinen Normen – wird die Person auf eine Weise berücksichtigt, die in der bürgerlichen Gesellschaft ansonsten fehlt: Die Person wird in ihrer jeweiligen Besonderheit anerkannt.71 Ehre im Zusammenhang mit der Korporation setzt Hegel mit Bildung gleich, dem »Hervortreiben der Allgemeinheit des Denkens«72. Wie auch sonst bei Hegel ist es das Vermögen, Individuen als Verkörperungen allgemeiner Kategorien zu betrachten, was den »Geist« und das gebildete Bewusstsein der Korporation ausmacht.73 Allerdings ist es wichtig, auch zu sehen, was in diesem Zusammenhang anders ist. Bereits im Abschnitt zur Rechtspflege hielt Hegel fest, wie Bildung den Mitgliedern der Gemeinschaft das Bewusstsein der Allgemeinheit einschärft, das für die gesellschaftliche Praktizierung gleicher Rechte für Personen unabdingbar ist. Während das Rechtssystem aber Allgemeinheit in Bezug auf das allgemeine Menschsein eines Individuums interpretiert, deutet die Korporationsgemeinschaft Allgemeinheit im Hinblick auf die persönliche Besonderheit des Individuums. Der »Reflex von Bildung«, der sich an die Ehre in der Korporation knüpft, achtet den »Einzelnen in aller Besonderheit«.74 Mit dieser »Einwurzelung des Besonderen in das Allgemeine«75 schafft die Korporation für einen Begriff von Bildung Raum, der es sich zur Aufgabe macht, zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen zu vermitteln. Die Korporation ermöglicht so auch einen Begriff von Sittlichkeit, der auf einer Vermittlung dieser Art basiert. 69

Hegel: Philosophie des Rechts: Die Vorlesung von 1819/20, S. 205. Hegel: Philosophie des Rechts: Die Vorlesung von 1819/20, S. 204–206. 71 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Philosophie des Rechts: Berlin 1819/20. Nachgeschrieben v. Johann Rudolf Ringier. Hg. v. Emil Angehrn et al. Hamburg 2000, S. 151. 72 TWA, Bd. 7, § 20. 73 Vgl. TWA, Bd. 7, § 289. 74 Hegel: Philosophie des Rechts: Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift, S. 205. 75 TWA, Bd. 7, § 289. 70

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Der springende Punkt ist für Hegel jedoch nicht nur, dass die Mitgliedschaft in einer Korporation eine gebildete Gemeinschaft mit sich bringt, die es sich zum Ziel setzt, den Wert des besonderen Individuums anzuerkennen. Entscheidend ist für Hegel vielmehr auch, dass die Gemeinschaft der Korporation die Bildung des Individuums zum »Zweck« hat.76 Als ein »Jemand«, der einfach als der geschätzt wird, der er ist, braucht das Mitglied der Korporation darüber hinaus nicht Anerkennung zu suchen, indem es – wie in Marktgesellschaften üblich – äußere Zeichen seines Erfolgs ausstellt. Ein »Ehrenmann« legt stattdessen eine souveräne Selbstbeherrschung an den Tag, die von der Sorge um Reichtum und Macht, welche die »Ungebildeten« so stark beschäftigt, weitgehend unberührt bleibt. Hegel beschreibt diese Art der Selbstbeherrschung als »höchste Form«77 von Bildung und betont die »Einfachheit« von solchen unbesorgten Individuen, ohne deshalb nach dem Vorbild Rousseaus einzelgängerische Selbständigkeit zum Ziel individueller Bildung zu machen.78 Eine solche Auffassung ist für Hegel schon deshalb ausgeschlossen, weil er behauptet, dass das souveräne Selbst darauf angewiesen ist, von Mitgliedern der Gemeinschaft anerkannt zu werden. Die Rousseausche Sichtweise wird von Hegel auch deshalb abgelehnt, weil er erkennt, dass in der bürgerlichen Gesellschaft Existenz und Identität des Individuums untrennbar mit dem Schicksal der Gesellschaft als ganzer verknüpft sind. Wenn Hegel sich in diesem Zusammenhang für Einfachheit stark macht, so geht es ihm folglich nicht darum, diese gesellschaftlichen Verstrickungen zu leugnen, sondern er will sie in einem anderen Licht darstellen. Hierzu gehört, dass er die Beziehung zwischen Individuum und Gemeinschaft, Selbst und Anderem nicht, wie es in modernen Marktgesellschaften üblich ist, rein instrumentell versteht, sondern stattdessen betont, dass sich die Identität von Individuen nur in diesen Verhältnissen vollständig herausbildet. Erst mit der Einsicht, dass sich individuelle Identität nicht »atomistisch«, sondern über gemeinschaftliche Zugehörigkeiten entwickelt, wird die echte, »organisch gebildet[e] Besonderheit«79 zur Wirklichkeit. Außerdem sind solche Beziehungen intersubjektiver Vermittlung für die Einfachheit gebildeter Individuen verantwortlich. Um zu verstehen, wie die Existenz innerhalb der Korporation zur sittlichen Bildung des Individuums beiträgt, muss man auch die reflexive Natur seiner 76

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Philosophie des Rechts: Nach der Vorlesungsmitschrift von H. G. Hotho 1822/23. In: Ders.: Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818– 1831. Hg. v. K. H. Ilting. Stuttgart-Bad Cannstatt 1973. Bd. 3, § 252. 77 Hegel: Vorlesungen über Naturrecht und Staatswissenschaft, § 91. 78 Vgl. TWA, Bd. 7, § 153 Zs. 79 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Philosophie des Rechts: Nach der Vorlesungsmitschrift von K. G. von Griesheim 1824/25. In: Ders.: Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818–1831, Bd. 4, § 251, S. 622.

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Beziehung zur Gemeinschaft berücksichtigen. Wie im Fall von Bildung generell gestaltet sich auch die Erfahrung des Mitglieds einer Korporation als »Wissen« um oder »Einsicht« in das, was ihm und den anderen Mitgliedern gemeinsam ist.80 Reflexion ist hierbei notwendig, weil Individuen sich als Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft zunächst und vor allem im Blick auf ihre Besonderheit verstehen und die Beziehung zwischen ihrem »privaten« und ihrem »substantiellen« Selbst eigens begreifen müssen. Außerdem ist ein »wahrhaftes Bewußtsein«81 dieser Art nötig, um den »Irrtum« zu korrigieren, der die meisten Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft plagt, insoweit sie fälschlicherweise annehmen, dass sie nicht auf die Bedingungen ihres gegenseitigen Wohls achten müssen, weil es für ihr persönliches Gedeihen ohne Bedeutung ist.82 Schließlich bedarf auch Sittlichkeit selbst dieser Art von Reflexion, damit die wechselseitige Durchdringung von Individuum und Gemeinschaft, die mit Sittlichkeit gleichbedeutend ist, nicht nur für Dritte, sondern auch für die Teilnehmer selbst deutlich wird. Freilich nimmt Reflexion in diesem Zusammenhang nicht die Gestalt abstrakter Erkenntnisprozesse an, die sich vom Lauf des alltäglichen Lebens entfernen würden. Ein Aspekt der durch Bildung geförderten Einfachheit ist, dass sie im Brauch und der Gewohnheit weiter gefächerte normative Festlegungen ausprägt.83 Der gebildete Mensch »will, daß er selbst in allem sei, was er tut.«84 Mit dem Hinweis auf die Rolle der Gewohnheit streitet Hegel jedoch keineswegs ab, dass das Denken für seine Theorie sittlicher Bildung von größter Wichtigkeit ist. Was er auf diesem Wege sagen möchte, ist vielmehr, dass in der Korporation die reflexive Bindung an gemeinschaftliches Wohlergehen Teil der alltäglichen Praxis besonderer Personen geworden ist. Ein grundlegendes Merkmal einer »organisch gebildeten« Persönlichkeit ist ihre zur Gewohnheit gewordene Einsicht, dass ihre eigenen Zwecke und die der Gemeinschaft voneinander abhängen. Diese Überlegungen betreffen auch die republikanische Dimension der Mitgliedschaft in Korporationen. Insoweit ein Individuum einsieht, dass seine Identität vollständig in gemeinschaftlichen Beziehungen herausgebildet wird, wird es auch in seiner alltäglichen Praxis die Gemeinschaft und ihr Wohl unterstützen. Indem das Individuum anerkennt, »daß es einem Ganzen […] angehört«, wird es auch »für den uneigennützigeren Zweck dieses Ganzen Inte-

80 81

Henrich, S. 202. Hegel: Philosophie des Rechts: Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift,

S. 207. 82 83 84

Vgl. TWA, Bd. 7, § 107 Zs. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie des Rechts: Berlin 1819/20, S. 152. TWA, Bd. 7, § 107 Zs.

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resse und Bemühungen« haben.85 Hegel will damit natürlich nicht sagen, dass Individuen das Wohl der Gemeinschaft nur im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in Korporationen fördern. Versteht man unter der bürgerlicher Gesellschaft ein System gegenseitiger Abhängigkeit, so ist es ein allgemeines Merkmal von ihr, dass Individuen einfach dadurch zum allgemeinen Wohl beitragen können, dass sie ihre privaten Eigeninteressen verfolgen. Der Unterschied ist allerdings, dass in der Korporation das, was sonst »bewußtlose Notwendigkeit« ist, ausdrücklich Gegenstand des Wissens und Wollens wird.86 So wie die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt, konzentrieren sich auch die Mitglieder der Korporation auf die Befriedigung ihrer besonderen Bedürfnisse. Als Mitglieder einer Korporation schätzen sie jedoch nicht nur die Befriedigung dieser Bedürfnisse, sondern ihre Besonderheit als Personen ist an die bewusste und aktive Unterstützung des Ganzen gebunden. Hegels Sichtweise liegt eine Theorie der reflexiven Natur sittlichen Handelns zugrunde. Indem Individuen zugunsten des Ganzen handeln, richten sie sich nicht nur auf die Gemeinschaft aus, sondern auch auf die Idee der Gemeinschaft selbst – oder die Gemeinschaft als Gemeinschaft.87 Reflexivität dieser Art ist die angemessene Form sittlichen Bewusstseins für die Mitgliedschaft in einer Korporation; denn im Ausgang von der Tatsache der Entzweiung zielt die Korporation nicht auf eine gegebene Vorstellung von Gemeinschaft, sondern auf die allgemeinen Bedingungen für Gemeinschaft überhaupt. Nun charakterisiert Aufmerksamkeit auf das Allgemeine als »allgemeiner Zweck«88 auch ein angemessen gebildetes Bewusstsein, bedenkt man, dass Bildung für Hegel die Allgemeinheit des Denkens zum Vorschein bringt. Das Bewusstsein der Mitglieder einer Korporation artikuliert so »wahre Bildung«, die ihrerseits die Voraussetzung »wahre[r] Originalität« ist.89 Die Gemeinschaft der Korporation drückt die »unendlich fürsichseiende, freie Subjektivität«90 aus und besteht aus Individuen, welche die Idee der Gemeinschaft selbst zum Gegenstand ihres Wissens und Wollens machen. In dieser normativ starken Form von Selbstreflexivität wird Bildung »immanentes Moment des Absoluten und [erweist] ihren unendlichen Wert.«91 Ebenso macht Hegel geltend, dass die sittliche Einheit im Rahmen der Korporation reflexiv konstituiert ist. Gemeinsamkeit innerhalb der Korporation 85

TWA, Bd. 7, § 253. Vgl. TWA, Bd. 7, § 255 Zs. 87 Vgl. Hegel: Philosophie des Rechts: Nach der Vorlesungsmitschrift von H.G. Hotho 1822/23, § 251, S. 709. 88 TWA, Bd. 7, § 251. 89 TWA, Bd. 7, § 187 Zs. 90 TWA, Bd. 7, § 187. 91 TWA, Bd. 7, § 187. 86

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beruht nicht auf einer Anzahl substantieller Werte oder Zwecke, welche die Mitglieder miteinander teilen. Dies verhindern zum einen die Entzweiungen, die überhaupt erst Anlass zur Herausbildung von Gemeinschaft in der Korporation geben, und zum andern das Prinzip selbständiger Besonderheit, um das sich diese Gemeinschaft dreht. Hegel befürwortet stattdessen etwas, was man als »formale« Konzeption von Sittlichkeit bezeichnen könnte.92 In Übereinstimmung mit der Reflexivität, die Hegel mit der gebildeten Gemeinschaft verbindet, besteht die substantielle Einheit von Sittlichkeit einfach in der Praxis der Mitglieder der Gemeinschaft, die Bedingungen ihrer Gemeinsamkeit stets erneut zu bestimmen. Die Wirklichkeit von Sittlichkeit ist gleichfalls reflexiv konstituiert. Sittlichkeit artikuliert nicht eine mutmaßliche Ordnung des Seins, sondern besteht im Handeln von Individuen, die ihre Gemeinsamkeit selbst schaffen. In der Korporation wird »sittliche Einheit […] durch die Mitwirkung der Mitglieder selbst hervorgebracht.«93 Genossenschaft in der Korporation ist Engagement für diese Genossenschaft. Nun kann man zugeben, dass ein Engagement dieser Art von bereits bestehenden Praktiken und Institutionen, die sittliches Verhalten fördern, geprägt ist und in der Tat von diesen gebildet wird.94 Auch wenn sittliches Engagement auf einer bestehenden sittlichen Ordnung beruht, so wird Sittlichkeit selbst – die Wirklichkeit selbstbewusster Freiheit – doch nur durch die Handlungen derjenigen realisiert, die sich den Bedingungen ihrer sittlichen Gemeinsamkeit widmen. Die Modi des Wissens und Wollens, die für Sittlichkeit von zentraler Bedeutung sind, mögen ihre »Grundlage« im »sittliche[n] Sein« haben, Sittlichkeit selbst aber erlangt ihre Wirklichkeit nur im »Handeln« des Selbstbewusstseins.95 Außerdem sind auch Institutionen – Korporationen inbegriffen96 – reflexiv konstituiert. Hegels Verständnis nach sind Institutionen keine Strukturen oder Praktiken, die zum Verhalten eines Handelnden von außen dazukommen; als Elemente der allgemeinen Verwirklichung von Freiheit existieren Institutionen wie beispielsweise Korporationen nur durch die bewussten Handlungen von Individuen und den vermittelnden Unterbau, der ihren Willen zum Ausdruck bringt.97 Wie die Verfassung, deren Morphologie Institutionen nachbil92

Honneth, Axel: Kampf um Anerkennung: Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte. Frankfurt a. M. 1992, Kapitel 9. 93 Hegel: Philosophie des Rechts: Nach der Vorlesungsmitschrift von K.G. von Griesheim 1824/25, § 230, S. 588. 94 Vgl. Honneth: Das Recht der Freiheit, insbes. Teil A. III: Die soziale Freiheit und ihre Sittlichkeitslehre, S. 81–118. 95 TWA, Bd. 7, § 142. 96 Vgl. TWA, Bd. 7, § 263. 97 Eine hiermit verwandte Diskussion von Hegels Theorie von Institutionen findet

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den, sind auch diese Einrichtungen an das »wesentlich[e] Selbstbewußtsein« besonderer Personen und deren »auf einen allgemeinen Zweck gerichtetes Geschäft« gekoppelt.98 Was Hegel vom Staat sagt, gilt generell auch für die Korporation, den »kleine[n] Staat«99: »Das Selbstgefühl der Individuen macht seine Wirklichkeit aus.«100 Mit diesen Ausführungen zur Korporation soll freilich nicht gesagt werden, dass für Hegel die Mitgliedschaft in der Korporation die vollständige Verwirklichung von Sittlichkeit wäre. Als letzte Artikulation von Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft ist die Korporation in mehrfacher Hinsicht »beschränk[t] und endlic[h]«101. Zum einen geht es in der Korporation nur um die Mitgliedschaft in einer besonderen beruflichen Vereinigung – und nicht in der Gesellschaft überhaupt. Zum anderen gehören in erster Linie Gewerbefachleute zu einer Korporation, und viele, die unter Armut leiden, sind deshalb ausgeschlossen. Schließlich leitet sich ihr Begriff von Gemeinsamkeit vom »an sich Gleiche[n]«102 ihrer Mitglieder her, und die Korporation versäumt es daher, den gesellschaftlichen Differenzierungen Raum zu geben, die für ein echtes Gemeinwesen erforderlich sind. Eine vollständige Beschreibung von Sittlichkeit macht es daher notwendig, zur expliziten Theorie der politischen Gemeinschaft überzugehen, die für Hegel der Staat repräsentiert. Auch wenn man diesen Sachverhalt einräumt, wird die zentrale Bedeutung von Korporationen für ein System der Sittlichkeit dadurch nicht verringert. Kommt Sittlichkeit erst in der politischen Gemeinschaft voll zum Ausdruck, so bleibt die politische Gemeinschaft aufgrund ihrer Stellung als eine differenzierte Totalität doch von Korporationen abhängig. Sofern das Gemeinwesen eine Vermittlung von Allgemeinem und Besonderem leisten soll, hängt es von der Entwicklung der Besonderheit und des besonderen Individuums ab, deren Analyse in einer Theorie der bürgerlichen Gesellschaft mit der Korporation als ihrem Kernstück angestrebt wird.103 Die Korporation bleibt auch deshalb von großer Bedeutung, weil ein Gemeinwesen eine institutionell differenzierte Totalität ist und somit aus »einem gegliederten Ganzen [besteht], dessen Teile

sich in Weisser-Lohmann, Elisabeth: Rechtsphilosophie als praktische Philosophie: Hegels »Grundlinien der Philosophie des Rechts« und die Grundlegung der praktischen Philosophie. München 2011, S. 228–231. 98 TWA, Bd. 7, § 264. 99 Hegel: Philosophie des Rechts: Nach der Vorlesungsmitschrift von K.G. von Griesheim 1824/25, § 250, S. 621. 100 TWA, Bd. 7, § 265 Zs. 101 TWA, Bd. 7, § 265. 102 TWA, Bd. 7, § 251. 103 TWA, Bd. 7, § 260.

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selbst besondere, untergeordnete Kreise bilden.«104 Als ein solches Ganzes ist das Gemeinwesen auf Korporationen angewiesen, mit der Familie als einer der »Grundsäulen der öffentlichen Freiheit«105. Ebenso helfen Korporationen dabei, jene reflexive Sittlichkeit hervorzubringen, die im Staat dann vollständig ausgebildet wird. Korporationen, die aufgrund ökonomischer Überlegungen entworfen wurden, nähren das sittliche Bewusstsein, das für ein Gemeinwesen erforderlich ist und seine Grundlage in dem Umstand hat, dass Individuen den Zusammenhang zwischen ihrem persönlichen und dem gemeinschaftlichen Wohl einzusehen lernen. In Hegels institutionell differenziertem Gemeinwesen liefert die Korporation außerdem ein Beispiel für jene mittelgroßen Vereinigungen, die man braucht, um eine sittliche Gesinnung in politischen Gemeinschaften von der Größe, dem Umfang und der Komplexität von modernen Staaten zu pflegen. Eben weil Korporationen sittliches Bewusstsein unter modernen Bedingungen herausbilden können, beschreibt Hegel sie auch als »das Geheimnis des Patriotismus«106. Außerdem ist die Gemeinschaft der Korporation der Ort, an dem Individuen auf die Übel von Marktgesellschaften reagieren und zum ersten Mal ein reflexives sittliches Bewusstsein entwickeln, das sich auf die Bedingungen ihrer Gemeinsamkeit richtet. Die bloße Vielfalt von Korporationen bildet schließlich auch das Verständnis für jenen Sinn geteilter Identität heraus, der für den Begriff einer sittlichen Gemeinschaft in einem Gemeinwesen, das im Innern differenziert ist, von zentraler Bedeutung ist.

IV. In dem vorliegenden Beitrag habe ich versucht, Hegels Verständnis von Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft zu erhellen. Eine solche Klärung schien mir deshalb sehr wichtig zu sein, weil die bürgerliche Gesellschaft ein Bestandteil der sittlichen Welt ist, welche die Philosophie des Rechts analysiert, zugleich aber einen gesellschaftlichen Bereich bildet, in dem sich ein weitreichender Verlust von Sittlichkeit ereignet. Indem ich mich auf die Entzweiungen konzentriert habe, die diesen Verlust nähren, konnte ich zeigen, dass Hegel eine Theorie der Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft ausarbeitet, die mit den allgemeinen Intentionen seiner Dialektik insofern übereinstimmt, als Sittlichkeit nicht trotz, sondern gerade aufgrund der Entzweiungen in der bürger104

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Politische Schriften. Nachwort von Jürgen Habermas. Frankfurt a. M. 1966, S. 161. 105 TWA, Bd. 7, § 265. 106 TWA, Bd. 7, § 289.

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lichen Gesellschaft verwirklicht wird. Dementsprechend habe ich den Schwerpunkt meiner Untersuchung auf den Begriff der Bildung gelegt, der nicht nur für Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft von größter Wichtigkeit ist, sondern auch deren Entzweiungen verdeutlicht. Hegels Rekurs auf Bildung ist bemerkenswert, weil dieser Begriff selbst im Übergang vom System der Bedürfnisse über die Rechtspflege zur Korporation einen Bildungsprozess durchläuft. Ich habe die Funktion, die Bildung im Zusammenhang der Korporation ausübt, deshalb eingehend behandelt, weil sich so deutlich machen lässt, dass Hegel in vielen Einzelheiten darlegt, wie Sittlichkeit sich genau jene Entzweiungen zu eigen macht, die sie ansonsten untergraben würden. Indem ich Hegels Theorie als das Resultat eines inneren Bildungsprozesses darstellte, konnte ich auch zeigen, dass Hegel – in Übereinstimmung mit seiner Konzeption einer immanenten normativen Analyse – eine Kritik und Korrektur moderner sozialer Pathologien entwickelt, die nicht als das Ergebnis eines äußerlichen Vorgangs, sondern als Werk der betroffenen Individuen zu verstehen ist. Die Konzeption von Sittlichkeit, die sich aus Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft ergibt, hat einen entschieden modernen Charakter. Anders als Ethiken, die sich auf Aristoteles und das klassische Denken der Griechen berufen, gründet Hegels Begriff der Sittlichkeit nicht auf einer philosophischen Anthropologie oder einem politischen Verständnis der menschlichen Natur. Ein solcher Ansatz ist für Hegel deshalb ausgeschlossen, weil er dem modernen Prinzip selbständiger Besonderheit und den sozialen Entzweiungen, die sich daran knüpfen, den Vorrang gibt. Eine moderne Theorie von Sittlichkeit ist differenziert und reflexiv vermittelt; sie gründet auf der Rekonstruktion moderner Auffassungen von Individualität und Gemeinschaft. Einerseits artikuliert Hegel eine Konzeption sittlichen Bewusstseins, die darauf basiert, dass Personen anerkennen, dass sie ihren individuellen Interessen am besten in der Gemeinschaft nachgehen, sich ihre Besonderheit in intersubjektiven Beziehungen konstituiert und die Gemeinschaft sowohl einen instrumentellen als auch einen intrinsischen Wert hat – und deshalb als eine Gemeinschaft unterstützt werden sollte, die sowohl normativ wünschenswert als auch empirisch wirklich ist. Andererseits plädiert Hegel für eine Auffassung, der zufolge Sittlichkeit selbst sich weder auf bereits bestehende Werte noch irgendeine mutmaßliche Ordnung des Seins stützt. Moderne Sittlichkeit reagiert auf eine entzweite soziale Realität, die aus unterschiedlich gestellten Gruppen und Individuen besteht, indem sie die Form einer Gemeinschaft annimmt, deren »Substanz« in nichts anderem besteht als dem Bemühen ihrer Mitglieder, die Bedingungen ihrer Gemeinsamkeit zu klären, zu definieren und ins Werk zu setzen. Ganz ähnlich berücksichtigt eine Gemeinschaft, die von dem Bewusstsein ihrer Mitglieder geprägt ist, dass sie voneinander abhängig sind, sowohl das materielle Wohl des Individuums als auch seinen Wert innerhalb der Gemeinschaft, der

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kaum abhängig ist von den äußeren Zeichen des Erfolgs in jenem »Schauspiel«, das die bürgerliche Gesellschaft andernfalls darbieten würde. Sittlichkeit beschreibt also eine Gemeinschaft, die dadurch erschaffen und erhalten wird, dass sich ihre Mitglieder ihre Gegenseitigkeit und Gemeinsamkeit wissend und wollend bestätigen. Diese Bestätigung wird durch die Teilnahme in den verschiedenen Bereichen erleichtert, aus denen sich ein modernes Gemeinwesen zusammensetzt. Insoweit sich ein modernes Gemeinwesen aus den unterschiedlichsten Bereichen, Organisationen und Gruppierungen zusammensetzt, muss die Vermittlung von Allgemeinem und Besonderem, auf der das Gemeinwesen beruht, immer wieder erneuert und austariert werden. Hierbei handelt es sich auch deshalb um einen unabschließbaren Prozess, weil die Fähigkeit einer Gemeinschaft, sich einer definitiven Selbstreflexion zu unterziehen, notwendig unvollständig ist. Für Hegel bringen moderne Gesellschaften einen entschieden modernen Begriff von Sittlichkeit hervor, der durch die spezifischen Formen der Differenzierung und Reflexivität, die der bürgerlichen Gesellschaft eigen sind, ausgebildet und aufrechterhalten wird. Im Hinblick auf Hegels Konzeption von Sittlichkeit kann man viele Fragen stellen. Spiegelt seine Beschreibung von Sittlichkeit im Rahmen der Korporation wirklich die Tendenzen und Möglichkeiten moderner Marktgesellschaften wider, oder beruht seine Theorie nicht vielmehr auf Annahmen, die sich nicht mit einer immanenten Rekonstruktion dieser Gesellschaften vereinbaren lassen? Können wirtschaftliche Vereinigungen tatsächlich eine angemessene Auffassung von Sittlichkeit garantieren, um moderne soziale Pathologien anzusprechen? Sind in zeitgenössischen Gesellschaften, und sei es nur in der Rekonstruktion, wirklich jene Prozesse individuellen und kollektiven Lernens möglich, die für diese Konzeption moderner Sittlichkeit erforderlich sind? Ist es Hegel gelungen, die Wucht jener modernen Entzweiungen zu integrieren, die er sich für seine Theorie produktiv zu eigen zu machen sucht? Wie verhält sich die Einheit von Allgemeinem und Besonderem, die Hegel im Zusammenhang mit der Korporation beschreibt, zu der monarchistischen Version, die er an einem späteren Punkt in der Philosophie des Rechts ausarbeitet? Kann eine Auffassung von Sittlichkeit, die im Zusammenhang mit der Korporation entwickelt wird, auch jene Missstände adressieren, die sich aus Marktmechanismen auf der globalen Ebene ergeben? Diese Fragen konnte ich hier nicht behandeln. Stattdessen habe ich versucht, Hegels komplexe Überlegungen zur Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft ein Stück weit zu erhellen. Hegel vertritt keine Theorie von Sittlichkeit, die jenen Pathologien der Entzweiung, die er so scharfsinnig nachzeichnet, einfach entgegengesetzt wäre; vielmehr legt er eine Theorie vor, die durch den produktiven Einsatz dieser Entzweiungen hervorgebracht wird. Auf diese Weise vertritt Hegel eine entschieden moderne Auffassung, nach der Sittlich-

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keit differenziert und reflexiv sein muss, damit sie sich die Gegensätze, welche die moderne Gesellschaft charakterisieren, zunutze machen kann. Damit gibt Hegel eine Antwort auf die Herausforderungen der modernen Gesellschaft, mit der er »dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt.«107 Indem ich mich auf einen Begriff der Bildung konzentriert habe, der die Entwicklung subjektiver Besonderheit zum Ziel hat, habe ich bekräftigt, dass Hegel die moderne Subjektivität in Frage stellt, indem er sich der Mittel bedient, die dieser Subjektivität selbst zu eigen sind. Und indem ich den Sachverhalt in den Blick gerückt habe, dass Hegel sich auf Normen und Praktiken beruft, die in modernen Gesellschaften selbst verbreitet sind, versuchte ich deutlich zu machen, dass Hegel die Aporien der sozialen Moderne auf immanent transzendente Weise aufhebt. All dies sind Merkmale von Hegels kritischer Rekonstruktion moderner Marktgesellschaften, die allem Anschein nach auch heute noch relevant sind.108 Aus dem Englischen übersetzt von Markus Hardtmann

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TWA, Bd. 3, S. 36. Eine englische Version dieses Aufsatzes erscheint in Hegel’s Elements of the Philosophy of Right: A Critical Guide. Hg. v. David James. Cambridge 2017. Die deutsche Übersetzung wird mit Genehmigung von Cambridge University Press publiziert. 108

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Handlung, System der Bedürfnisse und Marktkritik bei Hegel und Marx

Nations stumble upon establishments, which are indeed the result of human action, but not the execution of any human design. (Ferguson) Der selbstsüchtige Zweck in seiner Verwirklichung, so durch die Allgemeinheit bedingt, begründet ein System allseitiger Abhängigkeit, daß die Subsistenz und das Wohl des Einzelnen und sein rechtliches Daseyn in die Subsistenz, das Wohl und das Recht Aller verflochten, darauf gegründet und nur in diesem Zusammenhange wirklich und gesichert ist. (Hegel) Sie wissen das nicht, aber sie thun es. (Marx)

Wie lässt sich verstehen, dass Marx, der viele Hegelsche Theoreme in seine eigene Konzeption übernimmt, bei der Bewertung des Marktes zu radikal anderen Konsequenzen kommt als Hegel? Dieser Befund trifft nicht nur für den Markt zu; er gilt auch für Moral, Recht oder Staat insgesamt. Deswegen zielt die Frage dieses Beitrags möglicherweise nicht unbedingt auf das Spezifische des Marktes, sondern auf einen fundamentaleren Zusammenhang: Mit wie viel Entfremdung müssen wir uns und sollten wir uns realistischerweise oder aus ethischer Sicht sogar angemessenerweise zufriedengeben?1 In diesem Beitrag möchte ich erstens genauer nachvollziehen, aus welchen Prämissen bzw. aus welchen begrifflichen Elementen der Hegelschen und Marxschen Theorie die Differenzen bezüglich der Einschätzung des Marktes folgen. Zweitens möchte ich klären, ob man an der Hegelschen Willenstheorie als Grundlage der praktischen Philosophie festhalten kann, ohne dass man den Markt zwingenderweise miteinkaufen muss. Ist die Institution des Marktes eventuell notwendigerweise eine Implikation der Hegelschen Konzeption der Anerkennung?2 Mit Bezug auf Marx lautet die analoge Fragestellung, ob 1

Diese weitergehende Fragestellung wird in dem vorliegenden Aufsatz allerdings nicht behandelt. 2 In seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts verwendet Hegel zwar nicht mehr das Konzept der Anerkennung als organisierendes Regionalprinzip; diese Rolle übernimmt dort »der Wille, welcher frey ist«; vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts. In: Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deut-

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man an zentralen Aspekten seiner Analyse der kapitalistischen Welt festhalten kann, ohne sich die realpolitisch freischwebende Forderung, Märkte generell abzuschaffen, einzuhandeln. Ist es möglich, mit den Märkten, zumindest mit manchen ihrer institutionellen Varianten, seinen Frieden zu machen und dennoch weiterhin an zentrale Einsichten der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie anzuschließen? Um diese Ziele zu erreichen, wird im ersten Teil dieses Beitrags kurz an die handlungstheoretischen Grundlagen, die bei Hegel und Marx aus meiner Sicht nahezu identisch sind, erinnert. Dabei werde ich der Vermutung nachgehen, dass ein zentraler Grund für die gegensätzlichen Einschätzungen des Marktes, die sich bei Hegel und Marx finden, in ihrer unterschiedlichen Bewertung nicht-intendierter Folgen menschlichen Tuns zu verorten ist. Möglicherweise stellt sich aus dieser Perspektive sogar heraus, dass die Positionen von Hegel und Marx aus philosophischer Sicht gar nicht so radikal divergieren. Im zweiten Teil dieses Beitrags werden die Antworten von Hegel und Marx auf das Problem der nicht-intendierten Konsequenzen in Bezug auf den Markt expliziert. Dabei werde ich mich einer mit Blick auf diese beiden Autoren künstlichen Gegenüberstellung bedienen, indem ich eine metaphysische von einer normativen Dimension unterscheide. Diese heuristische Differenzierung darf sowohl bei Hegel als auch bei Marx nur als eine Aspektunterscheidung verstanden werden und ist nicht positivistisch misszuverstehen. Sie liegt quer zu derjenigen, auf welche die Frage: »empirisch oder metaphysisch?« abzielt. Wir haben es bei Hegel und bei Marx mit philosophischen Konzeptionen zu tun – »philosophisch« in Opposition zu »einzelwissenschaftlich« verstanden –, die beide eine praktische und metaphysische Dimension gleichermaßen einschließen.3 Selbstverständlich sind die Konzeptionen von Hegel und Marx beide einzelwissenschaftlich (und in diesem Sinne: empirisch) informiert. Aber der Terminus »empirisch« ist schillernd und vieldeutig; deswegen stütze ich mich im Folgenden auf die Unterscheidung metaphysisch versus normativ, die allerdings auch erläuterungsbedürftig ist.4 schen Forschungsgemeinschaft seit 1968 hg. v. der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Band 14.1. Hg. v. Klaus Grotsch u. Elisabeth WeisserLohmann. Hamburg 2009 (im Folgenden zitiere ich diese Ausgabe mit GW unter Angabe des Bandes und des jeweiligen Paragraphen). Vgl. zu den anerkennungstheoretischen Aspekten bei Hegel und Marx Schmidt am Busch, Hans-Christoph: ›Anerkennung‹ als Prinzip der Kritischen Theorie. Berlin 2011. 3 Vgl. hierzu Rózsa, Erzsébet: Hegels Konzeption praktischer Individualität. Paderborn 2007, Kap. 4, 6 und 7 sowie Rózsa, Erzsébet: »Hegels Wirtschaftsphilosophie in seiner Rechtsphilosophie von 1820« (im Erscheinen). 4 Die ausführlichste Darstellung der spekulativ-logischen Struktur der Hegelschen Rechtsphilosophie findet sich in Vieweg, Klaus: Das Denken der Freiheit. München 2012. Um die Leistungsstärke der Hegelschen Wirtschaftsphilosophie auszuweisen, muss al-

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Der dritte Teil dieses Beitrags dient dazu aufzuzeigen, wie komplex meine prima facie einfache Fragestellung letztendlich ist, und wie weit man sich auf die Konzeptionen von Hegel und Marx jeweils einlassen muss, um die gesuchte Differenz klar ermitteln zu können. Im vierten Teil dieses Beitrags werden meine Überlegungen in die Frage einmünden, an welcher Stelle und auf welche Weise man weiterfragen muss, um diese Konstellation zwischen den Konzeptionen von Hegel und Marx genauer zu verstehen. Diese Überlegungen sind durchaus auch als kritische Selbstverständigung gemeint: Wo kann man sich, wenn man aus dieser philosophischen Tradition herkommt, in diesen Fragen systematisch plausibel positionieren? Wie viel Markt (und in welcher institutionellen Ausgestaltung) ist zu akzeptieren? Und allgemeiner: Welches Maß an Entfremdung welcher Art ist in welchem Kontext zu ertragen? Und wie lässt sich dieses Werturteil philosophisch begründen? Zu diesem Projekt leistet der vorliegende Beitrag nur eine Vorarbeit, da er sich auf die Frage nach dem Markt beschränkt und primär exegetisch angelegt ist.

1. Handlungstheoretische Grundlagen bei Hegel und Marx 1.1 Der Begriff der Handlung bei Hegel Hegel führt seinen Handlungsbegriff im Moralitätskapitel der Rechtsphilosophie ein.5 Im § 110 der Grundlinien der Philosophie des Rechts heißt es: »Der Inhalt ist für mich als der Meinige so bestimmt, dass er in seiner Identität nicht nur als mein innerer Zweck, sondern auch, insofern er die äußerliche Objectivität erhalten hat, meine Subjectivität für mich enthalte.«6 Das bedeutet aus handlungstheoretischer Sicht: Wenn ich handle, muss es ein Handlungsresultat geben, das ich so beschreiben kann, dass ich darin meinen Zweck als realisiert wiedererkennen kann. Wenn das nicht der Fall ist, kann es sich nicht um eine Handlung handeln. Menschliche Handlungen weisen immer Aspekte auf und bringen Folgen hervor, die vom Akteur nicht erkannt lerdings ihr explanatorischer Mehrwert ausgewiesen werden; ein bloßer Verweis auf die begrifflichen Ableitungszusammenhänge in Hegels System reicht dazu sicher nicht aus. 5 In diesem Beitrag beziehe ich mich ausschließlich auf den Handlungsbegriff, wie er von Hegel in den Grundlinien entfaltet worden ist; vgl. dazu ausführlicher Quante, Michael: Hegels Begriff der Handlung. Stuttgart-Bad Cannstadt 1993 (im Folgenden zitiert als Handlung) und Quante, Michael: Die Wirklichkeit des Geistes. Frankfurt am Main 2011, Kap. 9 und 10 (im Folgenden zitiert als Wirklichkeit). 6 GW 14.1, § 110; die Hervorhebungen des Originals werden nicht übernommen.

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werden bzw. nicht vorhergesehen worden sind. Dabei kann es sein, dass er von ihnen gar nicht gewusst hat oder aber dass er sie zumindest nicht gewollt, sondern lediglich in Kauf genommen hat. Solche nicht-intendierten Aspekte oder Effekte produzieren Menschen mit ihren Handlungen immer und unausweichlich. Trotzdem muss ich mir, dies ist Hegel zufolge ein bewährter und zentraler Bestandteil unserer Praxis der Zuschreibung von moralischer Verantwortung, zumindest einige dieser Aspekte und Folgen moralisch zurechnen lassen. In beidem, dem Auftreten nicht-intendierter Aspekte und Folgen sowie der Zurechnung einiger dieser Aspekte und Folgen, manifestiert sich, so Hegels philosophische Explikation und Rechtfertigung dieser Praxis, die Endlichkeit menschlicher Akteure als einer Gestalt des an und für sich freien Willens. Nachdem er im anschließenden § 111 mit dem ganzen Repertoire seiner Wissenschaft der Logik gezeigt hat, welche spekulativ zu explizierende Tiefenstruktur diese Endlichkeit menschlichen Handelns aufweist, begibt Hegel sich wieder auf die Ebene der Handlungstheorie und sagt (in § 112): »Indem ich meine Subjectivität in Ausführung meiner Zwecke erhalte (§ 110) [also meine Absicht im Resultat wiedererkenne; MQ], hebe ich darin als der Objectivierung derselben diese Subjectivität zugleich als unmittelbare, somit als diese meine einzelne auf.«7 In dem Moment, wo ich einen Sachverhalt als das Resultat meines inneren Zwecks, meiner Absicht, anerkenne, bin ich nicht mehr in einem inneren subjektiven Raum, sondern habe eine soziale Tatsache geschaffen.8 Darum zeigt sich das Allgemeine, oder wie Hegel auch sagt: das Objektive, das Soziale des Handelns, schon in dieser Struktur der absichtlichen Zweckrealisierung als solcher. Hegel fasst unter dieser Objektivierung, die sich in der Zweckrealisierung vollzieht, zwei Aspekte zusammen: Auf der Ebene des Handlungsereignisses sind es die nicht-intendierten Aspekte und kausalen Folgen, die eine die innerliche Subjektivität der Handlungsabsicht transzendierende Objektivität entfalten. Auf der Ebene der Handlungsbeschreibung (bzw. Zurechnung der Handlung) ist es die intersubjektive Anerkennung oder auch Kritik des mit einer solchen Zweckrealisierung einhergehenden Geltungsanspruchs, den Hegel als Objektivierung fasst.9 Menschliches Handeln erschöpft sich also nicht in 7

GW 14.1, § 112. Hegel akzeptiert die Trennung von Innerem und Äußerem, Privatem und Öffentlichem für das Mentale (und damit auch für die Handlungstheorie) nicht im Sinne zweier extensional getrennter Sphären, obwohl er die Rede von Innerem und Äußerem im Rahmen der Explikation seiner Handlungstheorie als eine Form der Objektivierung der Subjektivität des Willens anerkennt; vgl. dazu Quante, Wirklichkeit, Kap. 4. 9 In dieser zweiten Dimension der Objektivierung, in der sich Hegel zufolge die Allgemeinheit der Vernunft manifestiert, liegt auch der Grund dafür, dass Handeln 8

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einem Kausalprozess, sondern stellt – in Hegels Konzeption – begrifflich notwendigerweise ein Geltungsphänomen dar. Als Handelnder beanspruche ich, in einem komplexen Weltzustand das von mir absichtlich Hervorgebrachte zu erkennen und an diesem Weltzustand auch nur dieses als meine Handlung anzuerkennen.10 Wenn sich ein Akteur bestimmte Folgen seiner Handlungen nicht zurechnen lassen will und sich dabei auf seine Absicht oder seine Auffassung der Vorgänge zurückzieht, dann wehrt er die nicht-intendierten Aspekte und Folgen als zurechenbare ab, weil dies nicht das gewesen ist, was er wollte oder vorhergesehen hatte. Solche Zurückweisungen von moralischer Zurechnung, aber auch das Vorbringen von Entschuldigungen, erheben einen Geltungsanspruch, der sich nicht in der Rekonstruktion kausaler Verhältnisse erschöpft, sondern auf Anerkennung von Normen und Werten abstellt. In einer solchen Aufforderung des Handelnden, seine Perspektive auf die Vorgänge als Maßstab ihrer Bewertung anzuerkennen, wird Hegel zufolge explizit, dass im Handeln ein Bezug auf den Willen anderer implizit enthalten ist. Handeln ist damit kein bloßer Naturvorgang (keine reine Körperbewegung), sondern impliziert begrifflich eine soziale Geltungsdimension und setzt Hegel zufolge mehr als einen Akteur begrifflich voraus.11 Es liegt auf der Hand, dass diese Verschränkung von subjektiver und objektiver Perspektive im Handeln im Kontext sozialer Kooperationen zu noch komplexeren Konstellationen führen muss: In solchen Fällen müssen sich die beteiligten Akteure aufeinander abstimmen und wechselseitig aufeinander reagieren; sie müssen dabei mit eigenen Erwartungen und Verständnissen der Handlungen sowie mit denen der anderen Akteure reflexiv umgehen. Damit steht die Möglichkeit im Raum – dies war eine der Grundüberzeugungen der begrifflich Intersubjektivität voraussetzt; vgl. dazu ausführlicher Quante, Handlung und Quante, Wirklichkeit, Kap. 9. Obwohl Hegel sich, vor allem in den Randnotizen zum Moralitätskapitel der Grundlinien, sehr darum bemüht, diese beiden Formen der Objektivierung zu unterscheiden, erschwert er dem Leser das Verständnis dadurch erheblich, dass er den Begriff der Tat für beide Aspekte gleichermaßen verwendet: Tat steht in Opposition zur Handlung sowohl für den Aspekt des Handlungsereignisses als auch für einen sozialen Beschreibungs- und Bewertungsstandard. Mit Blick auf Hegels Beweisziele ist diese Engführung nachvollziehbar, weil unter »Tat« damit die beiden Momente der Objektivierung zusammengebracht werden können. Aus Sicht einer handlungstheoretischen Rekonstruktion dagegen entsteht mit Bezug auf die Verwendung des Begriffs der Tat die Gefahr, diese kontextuell auszudifferenzierende Reflexionsbestimmung (Handlung vs. Tat) als bloße Äquivokation zu diskreditieren. 10 Hegel entfaltet diese Zusammenhänge in seiner philosophischen Explikation unserer Praxis des Vorbringens und Akzeptierens (oder auch Ablehnens) von Entschuldigungen; vgl. dazu Quante, Wirklichkeit, Kap. 10. 11 Diese intersubjektivistische Konzeption des Handelns ist nicht zu verwechseln mit sozialer Interaktion oder Kooperation, welche auf einer anderen Ebene und in anderer Weise mehrere Akteure involviert.

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schottischen Nationalökonomen, die Hegel in seiner Rechtsphilosophie schon sehr früh konstruktiv aufgegriffen hat –, dass es nicht-intendierte Folgen von intendierten Handlungen gibt, die im Rahmen von Interaktionen eine Zweckmäßigkeitsstruktur aufweisen, obwohl kein einzelner Akteur sie intendiert hat. Diesen Befund akzeptieren Hegel und, wie sich gleich zeigen wird, Marx gleichermaßen. Aber sie konzeptualisieren ihn unterschiedlich und bewerten ihn gegensätzlich.

1.2 Der Begriff der Handlung bei Marx Seine eigene Konzeption der Handlung hat Marx, der mit Hegels Rechtsphilosophie im Allgemeinen und mit Hegels Handlungsbegriff im Besonderen gut vertraut war, in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten im Rahmen seiner Entfremdungsanalyse so zusammengefasst: »Der Gegenstand, den die Arbeit produziert, ist ihr Produkt, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine vom Produzenten unabhängige Macht gegenüber. Das Produkt der Arbeit ist die Arbeit, die sich in einem Gegenstand fixiert, sachlich gemacht hat. Es ist die Vergegenständlichung der Arbeit, die Verwirklichung der Arbeit und ihre Vergegenständlichung.«12 Verwirklichung bedeutet, hier steht Marx in der Tradition von Aristoteles und Hegel, energeia – und nicht einfach nur Materialisierung. Die im Vergegenständlichungsmodell des Handelns zum Ausdruck kommende Idee ist zugleich fester Bestandteil des Common Sense: Zuerst gibt es etwas – in einem intuitiv plausiblen Sinne – Inneres (oder Subjektives), dann folgt eine Realisierung (Prozesssinn) durch eine Körperbewegung, die durch die Absicht des Handelnden gelenkt ist, und am Ende besteht als Konsequenz dieser Körperbewegungen ein Weltzustand, den man in dem Fall, dass die Handlung gelungen ist, berechtigterweise als Realisierung (Resultatsinn) des Intendierten beschreiben kann. Genauso fester Bestandteil des Common Sense ist die Erfahrung, dass bei dieser Realisierung vieles misslingen kann. Systematisch wichtig ist an dieser Stelle, dass Marx, dies steht in einer Argumentationslinie, die zu Fichtes Konzeption des Ich führt, die These vertritt, dass nichts im Handlungsresultat vergegenständlicht sein kann, was zuvor nicht bereits in der Handlungsrealisierung enthalten gewesen ist. Diesen argumentativen Zug macht Marx in seiner Entfremdungsanalyse auf folgende Weise: Im ersten Schritt unterscheidet er die Entfremdung des Arbeiters vom Produkt seiner Tätigkeit von der Entfremdung des Arbeiters von seiner 12

MEGA2, I.2, S. 236.

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Tätigkeit im Vollzug; im zweiten Schritt fragt er danach, wie diese beiden Dimensionen der Entfremdung zusammenhängen und stellt die These auf, dass die Entfremdung im Handlungsvollzug die ursprünglichere sei, weil nichts im Resultat sein könne, was nicht schon zuvor im Akt gewesen sei. Marx kleidet diese zentrale Prämisse seiner Entfremdungskonzeption, die zugleich eine grundlegende handlungs- und subjektivitätstheoretische Prämisse darstellt, in eine rhetorische Frage: »Wie würde d[em] Arbeiter d[as] Produkt seiner Thätigkeit fremd gegenübertreten können, wenn er im Akt der Production selbst sich nicht sich selbst entfremdete? Das Product ist ja nur das Resumé der Thätigkeit, d[er] Production.«13 Jetzt ergibt sich allerdings ein Problem: Woher kommen, wenn diese Aussage zutrifft, die nicht-intendierten Konsequenzen menschlicher Handlungen? Dieses Problem hat Hegel, der die Fichtesche Prämisse vom Primat der Tätigkeit vor dem Resultat der Tätigkeit und, in diesem Sinne, vom Primat des Praktischen (in einer pragmatistisch-handlungstheoretischen bzw. subjektivitätstheoretisch fundamentalen Bedeutung) ebenfalls teilt, selbstverständlich auch.

2. Das Problem der nicht-intendierten Folgen absichtlichen Handelns und der Markt Damit sind wir beim Ausgangspunkt der zentralen Frage dieses Beitrags angelangt: Wie lassen sich, wenn Sachverhalte nicht nur als kausale Folgen von Handlungsereignissen, sondern als ein Zweckgeschehen aufgefasst werden sollen, die nicht von den Individualagenten vorhergesehenen Folgen ihrer Aktionen philosophisch kontrolliert als Zweckrealisierung explizieren?14 Adam Smith, aber auch schon Adam Ferguson haben eine solche Interpretation in Bezug auf institutionell verfasstes Handeln im Allgemeinen und in Bezug auf den Markt im Besonderen vorgelegt, die, in das Bild der unsichtbaren Hand gekleidet, einen zentralen Bezugspunkt für jede Kritik des Marktes darstellt.

MEGA2, I.2, S. 238. 14 Für eine umfassende Diskussion des Problems müssten auch die nicht zur Kenntnis genommenen Aspekte der Handlung mitdiskutiert werden, da diese in unserer Praxis der Zuschreibung von moralischer Verantwortung sowie des Vorbringens und Akzeptierens von Entschuldigungen ebenfalls zentral sind. Mit Blick auf das Forschungsprogramm einer Kritik der politischen Ökonomie sind sie vermutlich auch für die Marxsche Konzeption der Ideologie ein wichtiger Baustein. 13

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2.1 Nicht-intendierte Folgen absichtlichen Handelns: eine handlungstheoretische Herausforderung Marx und Hegel teilen die Annahme, dass individuelle Handlungen und Interaktionen Konsequenzen in der Welt zeitigen, die sich vom verstehenden Beobachter als Zweckrealisierung und nicht nur als Kausalgeschehen interpretieren lassen, zugleich aber keinem Individualakteur zugerechnet werden können. Da sie beide in der Tradition von Fichtes Konzeption der Tathandlung stehen, teilen sie damit auch das Problem, wie dieser Befund in ihren philosophischen Konzeptionen des Handelns zu explizieren und in ihrer Kritik des Marktes zu bewerten ist. Menschen begreifen sich fundamental vom Handeln her; wir sind daher immer versucht, für die Ebene, auf der wir eine Absichts- oder Zweckrealisierung als Interpretation sinnvoll finden, einen auf diesem überindividuellen Level angesiedelten Akteur zu unterstellen – dies wird schon durch die Grammatik unserer beschreibenden Sätze nahegelegt. Varianten davon sind einmal die »Idee«, die Marx in Hegels Metaphysik kritisiert, aber auch das Kapital als »automatisches, in sich selbst prozessirendes Subjekt«, das er als literarische Figur selber einführt.15 Die entscheidende Frage lautet, wie dieser Befund philosophisch zu explizieren ist: Handelt es sich bei solchen Beschreibungen nur um eine abkürzende Rede, die in einer komplexen Theorie auf individuelle Akteure und deren Einzelhandlungen reduzierbar ist, oder ist es sinnvoll bzw. sogar unausweichlich, überindividuelle soziale Institutionen als zweckrealisierende Megasubjekte zu deuten? Marx hat Hegel so interpretiert, dass die Rede von der Idee einen überindividuellen Akteur impliziert (dies war einer der Gründe, weshalb Marx der These Feuerbachs, Hegels Philosophie sei eine Form der Theologie, zugestimmt hat).16 Viele Interpreten haben Marx dann gleichermaßen so verstanden, dass sein Rekurs auf eine Ebene der Zweckhaftigkeit nicht-intendierter Kooperationsfolgen zwangsläufig ein Megasubjekt, das hinter dem Rücken der Beteiligten seine eigenen Zwecke verfolgt, unterstellt. Dabei ist die Vorstellung, die Idee, das Kapital oder irgendein anderes Megasubjekt verfolge seine eigenen Zwecke und verwende dabei menschliche Akteure wie ein Marionettenspieler seine Puppen, die systematisch unplausibelste Variante aller denkbaren Formen des Holismus in der Sozialphilosophie. Diese Lesart ist zwar eine proMEGA2, II.5, S. 109. Diese Formulierung behält Marx in allen Auflagen des Kapital bei; sie findet sich auch noch in der kanonisch gewordenen vierten Auflage des ersten Bandes. 16 Vgl. dazu Quante, Michael: After Hegel. The Realization of Philosophy through Action. In: Routledge Companion to 19th Century Philosophy. Hg. v. Dean Moyar. London 2010, S. 197–237. 15

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minente, zumeist aber zugleich auch diffamierende Deutung gewesen – von Hegel und Marx gleichermaßen.17 Wenn man demgegenüber, wofür philosophisch alles spricht, weder eine solche Deutung der Konzeptionen von Hegel oder Marx für angemessen hält, noch einen derartigen Holismus für eine plausible Konzeption hält, ergibt sich allerdings ein Problem: Muss man unter dieser Voraussetzung darauf verzichten, diese überindividuelle Ebene des Sozialen noch zweckhaft intentional zu beschreiben? Eine diese Konsequenz ziehende Interpretation, sei sie in systemtheoretischer oder allgemeiner funktionalistischer Redeweise ausbuchstabiert, verschleiert jedoch nur das Problem: Entweder ist sie – wie beispielsweise unsere alltägliche Rede über die Evolution – versteckt intentionalistisch aufgeladen. Oder sie beschränkt sich explizit auf die Rede von kausalen Folgen und vermeidet konsequent jedwede Anklänge an Intentionales. So reduziert kommt aber die institutionelle Verfasstheit, d. h. das konstitutive Design des Sozialen, nicht mehr in den Blick. Übrig blieben nur Individualakteure mit ihren mentalen Zuständen, ihre Körperbewegungen und die kausalen Interaktionen sowie die daraus resultierenden Sachverhalte. Der Rest wäre bloße Mechanik (oder Stochastik) und die soziale Welt wäre damit als genuines Geltungsphänomen eliminiert. Will man diesen m. E. phänomenal nicht plausiblen und philosophisch wenig aussichtsreichen Weg nicht einschlagen, steht man vor einer echten systematischen Herausforderung.

2.2 Der Markt als Unterfall Der Markt stellt eine Variante dieses Problems dar, wenn man diese Institution so expliziert, wie Hegel und Marx es tun. Beide verstehen das Marktgeschehen als Resultat von sich im ersten Schritt als autonome Privateigentümer begreifenden Akteuren, die im nächsten Schritt in Interaktion treten; das Marktgeschehen ist als institutionell verfasste Interaktion kein vorab geplantes Geschehen. Trotzdem entsteht daraus etwas als zweckhaft Interpretierbares; ob man dies als intrinsisch Wertvolles, als normativ Gehaltvolles oder auch als nur die Wohlfahrt Steigerndes ausbuchstabiert, kann hier offengelassen werden.18 Aber es kann für die beteiligten Akteure auf der Individualebene auch etwas eminent Negatives daraus hervorgehen. Hegel ist aus diesem Grund kein neoliberaler Marktverehrer; auch er wusste bereits, dass durch dieses soziale 17

Vgl. dazu Quante, Wirklichkeit, Kap. 12. Vgl. zu den normativen Gehalten, die der Markt in Hegels Konzeption des objektiven Geistes realisiert, Schmidt am Busch, Hans-Christoph: Religiöse Hingabe oder soziale Freiheit. Hamburg 2007. 18

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Arrangement systematisch Elend produziert wird und Einzelne massiv unter den Folgen des Marktgeschehens leiden können. Hegel ist weder naiv noch ideologisch getrieben der Ansicht, dass der Markt, wenn man ihn ungestört laufen lässt, für alle Beteiligten das Beste oder auch nur das Bestmögliche erzeugt. Aber Hegel bewertet den Markt auch nicht einfach nur negativ und als zu eliminierendes soziales Phänomen.19 Als Philosoph steht er vor der doppelten Aufgabe, wie die Individualinterpretationen des Handelns und dieses überindividuelle zweckhafte Geschehen handlungstheoretisch zu konzeptualisieren und normativ zu bewerten sind. »Die Besonderheit zunächst als das gegen das Allgemeine des Willens überhaupt Bestimmte (§ 6) ist subjectives Bedürfniß, welches seine Objectivität d. i. Befriedigung durch das Mittel α) äußerer Dinge, die nun ebenso das Eigenthum und Product anderer Bedürfnisse und Willen sind, und β) durch die Thätigkeit und Arbeit, als das die beyden Seiten Vermittelnde erlangt. Indem sein Zweck die Befriedigung der subjectiven Besonderheit ist, aber in der Beziehung auf die Bedürfnisse und die freye Willkühr Anderer die Allgemeinheit sich geltend macht, so ist dieß Scheinen der Vernünftigkeit in diese Sphäre der Endlichkeit der Verstand die Seite, auf die es in der Betrachtung ankommt, und welche das Versöhnende innerhalb dieser Sphäre selbst ausmacht. Die Staats-Oekonomie ist die Wissenschaft, die von diesen Gesichtspunkten ihren Ausgang hat, dann aber das Verhältniß und die Bewegung der Massen in ihrer qualitativen und quantitativen Bestimmtheit und Verwickelung darzulegen hat. – Es ist dieß eine der Wissenschaften, die in neuerer Zeit als ihrem Boden entstanden ist. Ihre Entwickelung zeigt das Interessante, wie der Gedanke (s. Smith, Say, Ricardo) aus der unendlichen Menge von Einzelnheiten, die zunächst vor ihm liegen, die einfachen Prinzipien der Sache, den in ihr wirksamen und sie regierenden Verstand herausfindet. – Wie es einerseits das Versöhnende ist, in der Sphäre der Bedürfnisse dieß in der Sache liegende und sich bethätigende Scheinen der Vernünftigkeit zu erkennen, so ist umgekehrt dieß das Feld, wo der Verstand der subjectiven Zwecke und moralischen Meynungen seine Unzufriedenheit und moralische Verdrießlichkeit ausläßt.«20 Im § 189 der Grundlinien nimmt er sich dieser Aufgabe auf zwei Ebenen an. Wie immer wird in der Anmerkung des Paragrafen nicht die begriffliche Entwicklung vollzogen, sondern es werden Bezüge zu denjenigen Sachfragen her19

Vgl. hierzu Ellmers, Sven: Freiheit und Wirtschaft. Theorie der bürgerlichen Gesellschaft nach Hegel. Bielefeld 2015. 20 GW 14.1, § 189.

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gestellt, die den jeweiligen Kontext für Hegels Entwicklung der Willensstruktur bilden. In dieser Anmerkung fragt Hegel nach dem Verhältnis von dem, was die Nationalökonomie auf der Ebene der verstandesmäßig einzelwissenschaftlichen Beschreibung des Marktgeschehens und ihrer Theoriebildung entdeckt hat, zu der im Rahmen seiner Sozialphilosophie mit den Mitteln seiner logischen Kategorien explizierten Deutung.21 Seine Antwort findet sich mit Bezug auf das Verhältnis von Nationalökonomie und Philosophie des Marktes im § 189 auf ein Wort zusammengedrängt: »Die Staats-Oekonomie ist die Wissenschaft, die von diesen Gesichtspunkten ihren Ausgang hat, dann aber das Verhältniß und die Bewegung der Massen in ihrer qualitativen und quantitativen Bestimmtheit und Verwickelung darzulegen hat.« Hegel zufolge ist es konsequent und vollkommen richtig, dass die Ökonomie so verfährt. Sie ist ja nicht Philosophie, hat andere Zwecke, andere Erkenntnisziele, andere Methoden. So weit besteht also kein Problem. Es folgt ein Gedankenstrich und Hegel fährt fort: »Es ist dieß eine der Wissenschaften, die in neuerer Zeit als ihrem Boden entstanden ist. Ihre Entwickelung zeigt das Interessante, wie der Gedanke (s. Smith, Say, Ricardo) aus der unendlichen Menge von Einzelnheiten, die zunächst vor ihm liegen, die einfachen Prinzipien der Sache, den in ihr wirksamen und sie regierenden Verstand herausfindet.« Genannt werden Verallgemeinerung aus induktiven Basen und das Auffinden einer bestimmten Sorte von Gesetzmäßigkeiten. Hier liegt ein bestimmtes Erklärungsmuster, ein bestimmtes Set von Kategorien vor, die Hegel dem Verstand zuordnet. Dann wechselt er Ebene und Gegenstand:

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Dahinter verbirgt sich die allgemeine Frage, wie sich Hegels Interpretationen von Phänomenen im Rahmen seiner spekulativen Philosophie zu den einzelwissenschaftlichen Beschreibungen dieser Phänomene verhalten. Mit ihr hat Hegel sich oft auch selbst beschäftigt. In dem berühmten Kapitel der Phänomenologie des Geistes, das der beobachtenden Vernunft gewidmet ist, macht er nicht etwa die Schädelforschung lächerlich, sondern stellt die ernsthafte Frage, was diese Disziplin mit ihren Mitteln Sinnvolles über das Geistige herausfinden kann, und versucht zu bestimmen, wo die Grenze einer solchen Betrachtung liegt. Dabei will Hegel klären, wie sich eine solche Betrachtung zu einer philosophischen Erfassung des Geistigen verhält. Das sind alles Fragen, die wir heute, wenn wir interdisziplinär arbeiten und uns als Philosophen mit den Neurowissenschaftlern verständigen wollen, auch beantworten müssen. Hegel entwickelt eine differenzierte Antwort auf diesen Problemkomplex; vgl. dazu meine Analyse in Quante, Wirklichkeit, Kap. 4–6.

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»Wie es einerseits das Versöhnende ist, in der Sphäre der Bedürfnisse dieß in der Sache liegende und sich bethätigende Scheinen der Vernünftigkeit zu erkennen.« Vernünftigkeit, das ist weder Gegenstand noch Methode der Ökonomie, das ist das genuine Geschäft der Philosophie. Wenn man, so Hegel, als Philosoph die Nationalökonomie, den Markt und die Theorien des Marktes interpretiert, dann findet man darin die tiefe Befriedigung, in diesem Tun und Treiben das »Scheinen« der Vernünftigkeit zu erkennen. Das ist die philosophische Deutung des Geschehens, die keine einzelwissenschaftliche ist. Der Philosoph sieht hinter dem, was der Verstand erfasst, noch etwas anderes, von Hegel als Scheinen der Vernünftigkeit charakterisiert. Zugleich erkennt Hegel an, dass dieser Gegenstandsbereich zu Recht auch vom Verstand behandelt wird.22 Damit wird ein erweiterter Perspektivwechsel vorgenommen; denn jetzt ist nicht unbedingt oder primär der Ökonom gemeint, sondern auch das an diesem Geschehen beteiligte endliche Individuum mit seiner Akteursperspektive: Es handelt sich hier um ein »Feld, wo der Verstand der subjectiven Zwecke und moralischen Meynungen seine Unzufriedenheit und moralische Verdrießlichkeit ausläßt.« Damit haben wir den einzelwissenschaftlichen Standpunkt, den beteiligten Standpunkt der Subjekte und den spekulativen des Philosophen in einem Satz zusammengedrängt. Die Scharnierstelle, mit der Hegel diese Perspektiven in ein philosophisch bestimmtes Verhältnis bringt, ist seine Aussage: Der Verstand ist das Scheinen der Vernünftigkeit. Diese Interpretation wird auch durch den Haupttext des Paragrafen gestützt. Dessen Auftakt bildet ein für Hegels Grundlinien typischer Satz, der die logischen Bestimmungen anführt: »Die Besonderheit zunächst als das gegen das Allgemeine des Willens überhaupt Bestimmte (§ 6) ist subjectives Bedürfniß, welches seine Objectivität d. i. Befriedigung durch das Mittel α) äußerer Dinge, die nun ebenso das Eigenthum und Product anderer Bedürfnisse und Willen sind, und β) durch die Thätigkeit und Arbeit, als das die beyden Seiten Vermittelnde erlangt.«

22

Damit ist die These verbunden, dass sich die einzelwissenschaftlichen und die philosophische Behandlung ökonomischer Phänomene nicht über eine extensionale Aufteilung disziplinär unterscheiden lassen. Hegels Vorgehen zielt deshalb auch konsequent auf eine methodologisch und kategorial verfasste Differenz zwischen Verstand und Vernunft ab.

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Wir verfügen an dieser Stelle über Hegels Handlungstheorie, wir wissen an dieser Stelle, dass subjektive Bedürfnisse das Besondere des Allgemeinen und das Allgemeine die Vernünftigkeit des Willens sind, es ist bereits dargestellt, dass man für die Realisierung der Handlungsabsichten Interaktionen und materiale Produkte braucht etc. Dieser Satz liefert die logische Charakterisierung des kooperativen Handelns als das Erfüllen individuell partikularer Zwecke von individuellen Akteuren, die zugleich qua rationale Wesen an einer allgemeinen Vernünftigkeit partizipieren. Der nächste Satz ist dann für unsere jetzige Fragestellung relevant: »Indem sein Zweck die Befriedigung der subjectiven Besonderheit ist, aber in der Beziehung auf die Bedürfnisse und die freye Willkühr Anderer die Allgemeinheit sich geltend macht, so ist dieß Scheinen der Vernünftigkeit in diese Sphäre der Endlichkeit der Verstand die Seite, auf die es in der Betrachtung ankommt, und welche das Versöhnende innerhalb dieser Sphäre selbst ausmacht.« Ein erstes Verständnisproblem erwächst daraus, dass der Text prima facie als ungrammatisch erscheint. Um hier Klarheit zu gewinnen, ist es aufschlussreich, die englische Übersetzung zum Vergleich heranzuziehen. »Particularity, in its primary determination as that which is opposed to the universal of the will in general (see §6), is subjective need, which attains its objectivity, i.e. its satisfaction, by means of (α) external things [Dinge], which are likewise the property and product of the needs and wills of others and of (β) activity and work, as the mediation between the two aspects. The end of subjective need is the satisfaction of subjective particularity, but in the relation [Beziehung] between this and the needs and free arbitrary will of others, universality asserts itself, and the resultant manifestation [Scheinen] of rationality in the sphere of finitude is the understanding. This is the chief aspect which must be considered here, and which itself constitutes the conciliatory element within this sphere. Political economy is the science which begins with the above viewpoints but must go on to explain mass relationships and mass movements in their qualitative and quantitative determinacy and complexity. – This is one of the sciences which have originated in the modern age as their element [Boden]. The development of science is of interest in showing how thought extracts from the endless multitude of details with which it is initially confronted the simple principles of the the thing [Sache], the understanding which works within it and controls it (see Smith, Say, and Ricardo). – To recognize, in the sphere of needs, this manifestation [Scheinen] of rationality which is present in the thing [Sache] and active within it has, on the one

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hand, a conciliatory effect; but conversely, this is also the field in which the understanding, with its subjective ends and moral opinions, gives vent to its discontent and moral irritation.«23 Zuerst einmal fällt auf, dass »Scheinen« mit »manifestation« inadäquat übersetzt wird, da diesem in Hegelscher Terminologie »Erscheinen« und nicht »Scheinen« entspräche. Ein zweiter Fehler besteht in Folgendem: Der deutsche Einleitungssatz verweist mit »indem etwas so ist, so ist etwas« auf eine Aspektunterscheidung. Dies fällt in der englischen Übersetzung weg, weil Hegels Satz in zwei Sätze aufgelöst wird. In dem ersten dieser beiden Sätze löst der Übersetzer ein Problem des Originaltextes, in dem unklar ist, auf wen oder was sich »sein Zweck« bezieht. Im Englischen wird diese Schwierigkeit durch eine Satzumstellung eliminiert, doch damit geht auch die Aspektstruktur verloren. Das ist in meinen Augen der zweite Fehler, zumindest aber ein problematischer interpretatorischer Eingriff, der kenntlich gemacht werden müsste. Ein dritter Punkt, und da ist die Übersetzung sinnvoll, ist die Auflösung einer unverständlichen Stelle in Hegels Text: »so ist dieß Scheinen der Vernünftigkeit in diese Sphäre der Endlichkeit der Verstand die Seite, auf die es in der Betrachtung ankommt.« Man muss diesen Einschub »Scheinen der Vernünftigkeit in diese Sphäre der Endlichkeit« als Hegels Erläuterung zu »der Verstand« lesen; ihm zufolge ist auf dieser Ebene die Verstandesbetrachtung der wichtige Punkt. Dies kommt in der englischen Übersetzung sehr gut zum Ausdruck, indem »die Seite« zum zweiten Satz gezogen wird. Der Grund für diese Entscheidung des englischen Übersetzers war also vermutlich, das soeben dargestellte Verständnisproblem zu lösen. Der Preis für seine Lösung ist allerdings, die Indem-Struktur auflösen zu müssen. In der Handlungstheorie ist der Unterschied zwischen »Ich bestelle ein Bier, indem ich die Hand hebe« und »Ich verursache das Erschrecken des Kellners, weil ich die Hand hebe« jedoch systematisch überaus bedeutsam. Die Relationen, in die Handlungsbeschreibungen zueinander gesetzt werden, sind handlungstheoretisch niemals unschuldig. Sie erzeugen intensionale Kontexte, die zugleich kausale Kontexte sind; dies ist ein für die Handlungstheorie generell wichtiger Befund. Hegels Formulierungen sind an dieser Stelle nicht ungenau, sondern überaus präzise: Indem Hegel die Indem-Relation verwendet, macht er einen handlungstheoretisch bedeutsamen Punkt. 24 Dieser fällt der Übersetzung zum 23

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Elements of the Philosophy of Right. Hg. v. Allen W. Wood, übersetzt von H. B. Nisbet. Cambridge 1991. 24 Vgl. hierzu Quante, Wirklichkeit, S. 247–252.

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Opfer; ein nur mit der englischen Ausgabe arbeitender Interpret kann gar nicht sehen, dass wir es nach Hegel mit Beschreibungen ein und desselben Gegenstandsbereichs, nämlich von individuellen Handlungen als Realisierungen kollektiver Handlungszusammenhänge und als individuelle Zweckrealisierungen, zu tun haben, die durch »indem« aufeinander bezogen sind. Für die Handlungstheorie oder auch die Sozialphilosophie sind diese nicht-kausalen Relationen ein wichtiges Instrument, Beschreibungsperspektiven in nicht lediglich ereigniskausaler Weise aufeinander zu beziehen. Die Indem-Relation ist, anders als die Dadurch-dass-Relation, primär nicht kausal. Hegel verwendet, so können wir unser bisheriges Ergebnis zusammenfassen, im § 189 »Scheinen« zweimal. Damit verweist er uns auf eine der abgründigsten Stellen seines gesamten Werks, nämlich die Wesenslogik; denn das Scheinen hat in Hegels Logik eine Doppeldeutigkeit: Neben dem positiven Sinn von »Scheinen«, den beispielsweise Ernst Bloch mit »Vorschein« im Sinne der Vorstufe gedeutet hat, gibt es auch den »bloßen Schein«, mit dem Scheinen im Sinne der Täuschung gemeint ist. Damit haben wir die ontologische Ambivalenz identifiziert, die Hegel für die Doppelperspektivität seiner Explikation systematisch ausnutzt: Auf der einen Seite steht der interpretierende Philosoph, der weiß, dass die Sinnhaftigkeit des Geistigen sich gar nicht auf der Ebene der Individualakteure und ihrer Zwecke entscheidet, sondern sich durch die in institutionellen Arrangements vernünftig koordinierte Kooperation hinter deren Rücken einstellt; der Philosoph, der weiß, dass auf dieser tieferliegenden Ebene die eigentliche Vernünftigkeit zu finden ist; der Philosoph, der darin den Vorschein der höheren Sphäre der Wirklichkeit sowie die Vernunft als das gegenüber dem Verstand höhere Vermögen erkennt. Die Beteiligten sitzen dagegen dem Schein dieser Vernünftigkeit, das heißt ihren ideologischen Verzerrungen und Verrücktheiten, auf. Ohne die Übernahme dieser Hegelschen Doppelstruktur sind, so meine These, die Marxsche Kritik an ideologischen Formen sowie seine Verwendung der Unterscheidung von Wesen und Erscheinung in der Kritik der politischen Ökonomie nicht zu verstehen. Zugleich ist diese Doppelstruktur unverzichtbar für seine Kritik an Hegel, dem er die Überzeugung zuschreibt, dass hinter dem Rücken der beteiligten Akteure eine Vernünftigkeit zum Wohle aller am Werke ist, von der die Beteiligten nichts wissen und der sie im Einzelfall durch das Marktgeschehen (oder auch in weltgeschichtlichen Großwetterlagen) geopfert werden. Auch diese Hegelkritik von Marx hat hier ihren handlungstheoretischen Ort.

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3. Die Tiefenstruktur der Differenz zwischen Hegel und Marx Wie organisiert Hegel diese Ebenen- und Perspektivunterscheidung in seiner Explikation des Marktes? Er entwickelt seine Konzeption mithilfe der metaphysischen Kategorien Wesen, Erscheinung und Schein sowie der Unterscheidung von Verstand und Vernunft als zweier methodologischer Strategien. Hinzu kommt Hegels teleologische Annahme, dass die unteren Formen vorläufige Manifestationen oder Ausdifferenzierungen des komplexen Ganzen sind, die in philosophischer Hinsicht keinen ontologisch robusten Status haben, sondern denen nur eine Aspekt- und Teilfunktion zukommt. Mit diesem metaphysischen Entwurf macht Hegel »die Idee« nicht zu einem eigenen Akteur neben den Akteuren; er fasst sie vielmehr, wie ich sagen möchte, als eine Grammatik auf, die hinter den Einzelperspektiven die Vernünftigkeit des Gesamten zusammenhält, die allerdings nur in philosophischer und nicht in einzelwissenschaftlicher Deutung erkennbar ist. Hegel hat außerdem eine zweiteilige normative Antwort parat: Die Dignität des Geistes geht erstens nicht in der Würde des einzelnen Individuums auf, sondern wird auch durch seinen Beitrag zur Sozialität, zur Allgemeinheit der Vernunft konstituiert. Hegel ist der Meinung, dass der wirkliche Träger von Autonomie das vernünftig verfasste Arrangement sozialer Institutionen ist und weder das einzelne Individuum, geschweige denn einzelne seiner Handlungen. Dies liegt seiner Willenskonzeption zufolge daran, dass unsere personale Dignität davon abhängt, gute Bürger einer vernünftig eingerichteten Polis zu sein, die uns allererst ermöglicht, personale Autonomie zu realisieren. Das Soziale ist kein bloßes Instrument individueller Selbstverwirklichung; unsere individuelle Selbstverwirklichung ist vielmehr ein wesentlicher Teil der Realisierung des Guten; und dieses Gute ist letztlich auf der Ebene der Gattung (oder des Allgemeinen) zu verorten.25 Hegels zweiter normativer Zug besteht in dem Hinweis, dass in der institutionellen Verfasstheit die Arrangements zu finden sind, durch die Anerkennungsstrukturen realisiert werden können, die sich in einer Individualagenten-Perspektive nicht erschließen. Mit Bezug auf den Markt behauptet Hegel, dass sich in dieser Art der Interaktion etwas für den Menschen Wesentliches zeigt. Zum einen wird hier manifest, dass wir als Einzelwesen bedürftig und auf Interaktion angewiesen sind. Zum anderen verortet Hegel in dieser Dependenz eine evaluative Dimen25

Diese normative Überzeugung liegt beispielsweise Hegels Kritik an kontraktualistischen Konzeptionen in der politischen Philosophie zugrunde. Vgl. zu den sich hieraus ergebenden systematischen Fragen Siep, Ludwig: Praktische Philosophie im Deutschen Idealismus. Frankfurt am Main 1992, Kap. 15 sowie zu den ideengeschichtlichen Hintergründen der Hegelschen Gesamtkonzeption Siep, Ludwig: Der Staat als irdischer Gott. Genese und Relevanz einer Hegelschen Idee. Tübingen 2015.

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sion, die zu einer vollständigen Realisierung des freien Willens irreduzibel hinzugehört. Zu fragen ist allerdings, ob man diese evaluative Dimension ausschließlich durch und in Marktarrangements realisieren kann. Eventuell ließe sich eine für das Marktgeschehen charakteristische Art von personalem Respekt auch in anderen Arrangements verwirklichen? In letzterem Fall wäre der Markt kein notwendiger Bestandteil einer Hegelschen Willens- und Anerkennungskonzeption, sondern nur eine hinreichende Realisierung einiger ihrer Momente. Könnte Hegel allerdings zeigen, dass eine solche Realisierung von personalem Respekt nur über den Markt geht, dann würde zu einer vollen Autonomiekonzeption für endliche Wesen immer ein solches System dazugehören, auch wenn andere Werte dieses Subsystem möglicherweise institutionell einhegen müssten. Das ist eine schon mit Blick auf die Interpretation Hegels interessante Frage. Marx’ Antwort auf diesen Problemkomplex fällt, obwohl er im Grunde den gleichen konzeptionellen Rahmen verwendet wie Hegel, anders aus. Bei ihm ist es nicht die Idee, sondern das Kapital als automatisches Subjekt, welches die Struktur der sozialen Sphäre regiert. Funktional weist die gesamte Struktur weitreichende Äquivalenzen auf: Man kann auch bei Marx leicht auf die Deutung verfallen, das Kapital selbst als einen genuinen Akteur zu verstehen. Es gibt auch bei Marx eine Zweckverwirklichung auf der systemischen Interaktionsebene, die man ihm zufolge als defizitären Handlungsmodus beschreiben kann; deswegen spricht er auch von einem automatischen Subjekt. Die Rede vom »automatischen Subjekt« lässt sich als Marx’ Replik auf Hegels Vernünftigkeit-Verstand-Geschichte interpretieren, denn der automatische Staat, die Maschine, ist die Verstandesmetaphysik des Sozialen.26 Im Kapitalismus haben wir, so Marx, eine Schwundstufe der Realisierung des Gattungswesens des Menschen, so wie der mechanistische Aufklärungsstaat die Verarmung des eigentlich Sozialen ist.27 »Automatisch« steht dabei in Opposition zu organisch-lebendig, aber nicht im biologischen Sinne, sondern im Sinne einer vernünftigen Einheit, einer konkreten Totalität. Marx ruft mit sei26

Erinnert sei hier nur an die berühmte Passage aus dem sogenannten Ältesten Systemprogramm, wo der Staat mit einer Maschine gleichgesetzt wird (vgl. GW 2, S. 615). Auch wenn die Autorschaft dieses Textes nicht gesichert ist, zeigt er doch, dass die Maschinenmetapher in Bezug auf den Staat als eine kritische Wendung auch für Hegel präsent war. 27 Dass der Markt nur eine reduzierte Realisierung des Sozialen ist, kommt auch in Hegels Rede vom Not- und Verstandesstaat zum Ausdruck; vgl. dazu GW 14.1, § 160. Für eine aktuelle Diskussion dieses Zusammenhangs siehe Vieweg, Klaus: Jenseits von Wall Street und People’s Republic. In: Zur Architektonik praktischer Vernunft – Hegel in Transformation. Hg. v. Hartmut Rosa und Klaus Vieweg. Berlin 2014, S. 11–27.

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nem Bild, so mein Interpretationsvorschlag, diesen semantischen Kontext ab. Dabei teilt er mit Hegel zwar den Theorierahmen, hält die Gesamtstruktur aber nicht für eine vernünftige Einheit und die dem objektiven Geist angemessene Lösung, sondern begreift sie lediglich als die extremste Zerrissenheit und Entfremdung des menschlichen Gattungswesens. Darin liegt die entscheidende Umwertung, wobei auf der normativen Ebene der auf der metaphysischen Ebene verortete Gegensatz wieder abgerufen wird: Für Hegel ist es das Scheinen der Vernünftigkeit, für Marx ist es die pervertierte Vernünftigkeit als Verstandesautomat. Auf der normativen Ebene kritisiert Marx »Freiheit, Gleichheit, Eigenthum und Bentham« als verkehrte Normen.28 Diese Kritik ist ihrerseits nicht normfrei, sondern Marx hält sie für entfremdete Normen, denen er seine Konzeption des nicht-entfremdeten Gattungswesens gegenüberstellt. Dabei stützt er sich in seiner Kritik am Markt, der für ihn die adäquate Implementierung privatrechtlich verfasster Normativität und damit auch einer deontologischen Moral der Gerechtigkeit ist, auf eine anthropologisch fundierte Ethik, die er in den Mill-Exzerpten 1844 in den Grundzügen ausbuchstabiert hat. Damit kritisiert Marx nicht nur spezifisch den Markt, sondern er kritisiert auf einer fundamentaleren Ebene die Selbstinstrumentalisierung des Tauschhandels und des Produzierens für den Tausch. Marktkritik ist, so könnte man vermuten, für Marx eine notwendige Konsequenz seiner anthropologisch fundierten Instrumentalisierungs- und Selbstinstrumentalisierungskritik. Damit ergeben sich auch in Bezug auf Marx zwei Anschlussfragen: Lassen sich, so ist erstens zu überlegen, Arten von Märkten konzipieren, welche die von Marx auf der fundamentaleren Ebene diagnostizierten Fehler nicht aufweisen? Wäre es möglich, dass ein solchermaßen verfasster Markt eine vertretbare Lösung für bestimmte Kooperationsprobleme darstellt? Wenn gezeigt werden könnte, dass die von Marx identifizierten Entfremdungsprobleme nicht in jeder Art von Marktmechanismen enthalten sein müssen, dann wäre eine solche Form des Marktes mit der Marxschen Kritik kompatibel. Was folgt, so ist zweitens zu erörtern, aus der Marxschen Kapitalismuskritik, wenn seine Entfremdungskonzeption aus philosophischen Gründen abzulehnen wäre, weil sie Menschen prinzipiell überforderte? Zu klären wäre, ob mit diesem argumentativen Zug automatisch alle Aspekte der Marxschen Marktkritik entfallen müssten, oder ob dies zwar eine notwendige Bedingung, aber keine hinreichende Bedingung dafür darstellt, Märkte philosophisch zu akzeptieren. Denkbar ist ja auch, auf der Grundlage einer Konzeption, die Entfremdung im Prinzip zulässt, den Markt aufgrund anderer spezifischer Merkmale oder desMEGA2, II.5, S. 128; auch diese Formulierung findet sich in allen Auflagen des ersten Bandes des Kapital. 28

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halb abzulehnen, weil er ein unzumutbares Ausmaß an Entfremdung verursacht. Auch unter der realistischen Annahme, dass Entfremdungserfahrungen zur menschlichen Lebensform zwingend hinzugehören, wird man vermutlich bestimmte Arten von Entfremdung oder ein zu hohes Maß derselben nicht zulassen wollen. Systematisch stehen wir mit Blick auf Entfremdung nicht vor der Alternative eines all or nothing, die der philosophischen Anthropologie von Marx eingeschrieben zu sein scheint. Hegels Antwort impliziert eine gradualistische Entfremdungskonzeption, wobei noch zu klären wäre, ob seine Willenstheorie ihn auf die These festlegt, der Markt sei ein unverzichtbares Moment der Realisierung von Anerkennung. Dies bleibt selbst dann offen, wenn Hegel gezeigt hätte, dass der Markt eine hinreichende Verwirklichung derselben wäre. Mit Blick auf Marx wird die Lage komplexer: Er verfügt nicht nur über eine perfektionistische anthropologische Ethik, sondern er trägt seine Marktkritik auch als Autonomieverlust vor. Der dabei zugrunde gelegte Begriff der Autonomie ist zweischneidig, da er im Sinne des privatrechtlichen Eigentümers oder im Sinne individueller Authentizität ausbuchstabiert werden kann. Der Autonomie-Begriff hat außerdem eine Geschichte, die perfektionistische und deontologische Momente gleichermaßen einschließt. Bei Marx ist die Lage nicht immer klar; und auch mit Blick auf Hegel bin ich mir nicht vollkommen sicher, ob er in den Grundlinien einen rein deontologischen Autonomiebegriff kantischer oder fichtescher Provenienz verwendet. Meine Vermutung ist vielmehr, dass Hegel und Marx auch hier näher beieinander sind, als häufig angenommen wird, weil sie beide eine Synthese von Fichte und Aristoteles erreichen wollten. Auch die zweite normative Kritikstrategie von Marx, der zufolge die Autonomie des Lohnarbeiters systematisch untergraben wird, weil er dem Marktgeschehen ausgeliefert ist, stellt keine große Differenz zu Hegel dar. Marx ruft in seiner Kritik ein Autarkieideal ab und zeigt einen Anerkennungsverlust an, der in vielem dem entspricht, was Hegel in seiner Analyse des Pöbels vorträgt. Eine prinzipielle oder kategoriale Differenz ist nicht zu entdecken. Im späteren Werk von Marx finden sich zudem realistische Einschränkungen dieser Maßstäbe, die nicht richtig zu seiner polaren Entfremdungskonzeption passen: Dass Arbeit nicht Spiel werden kann, sondern immer auch Unfreiheit und Mühsal bedeuten muss, ist vermutlich eine implizite Selbstkorrektur der Entfremdungskonzeption, die Marx in den Schriften von 1844 entwickelt hat.29 Aber letztere verschwindet zu keinem Zeitpunkt gänzlich aus seinem 29

»Die Arbeit kann nicht Spiel werden, wie Fourier will«, heißt es etwa in den Grundrissen der Kritik der Politischen Ökonomie (MEGA2, II.1–2, S. 589); und im dritten Band des Kapital sagt Marx: »Das Reich der Freiheit beginnt in der That erst da,

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Denken; vielmehr ist sie konzeptuell in den Grundbegriffen der Handlungstheorie und der philosophischen Anthropologie verankert. Marx versucht, eine für komplexe soziale Gebilde realistische Ausdeutung seiner Gattungsmetaphysik vorzulegen, ohne diese jemals völlig preiszugeben. Prima facie aber erzwingt seine philosophische Konzeption, in der im Grunde institutionelle Vermittlungen von Individuum und Sozialität nicht zugelassen sind, genau diese starke Forderung. Wenn dieser Interpretationsbefund zutrifft, muss jeder Interpret entscheiden, welchen Teil der Marxschen Konzeption man aus systematischen Gründen aufgeben muss und an welchen man produktiv anschließen kann. Dabei ist es wichtig, die folgenden beiden Fragen auseinanderzuhalten: (i) Lässt die Marxsche Konzeption (inklusive Gattungswesen, Handlungstheorie, Entfremdungs- und Anerkennungskonzeption) nicht-intendierte Folgen sozialer Kooperation als gelingende individuelle und gattungsmäßige Selbstverwirklichung prinzipiell zu? (ii) Erzwingt die Marxsche Konzeption des Verhältnisses von Individuum und Gattung (im Fall des Menschen) ein harmonistisches Bild der Ermittlung kollektiver Ziele? Diese Fragen sind nicht gänzlich unabhängig voneinander, weil nicht jede Antwort auf die eine mit jeder Antwort auf die andere verträglich sein wird. Dennoch lassen sie, ohne dass ich dem in diesem Beitrag noch nachgehen kann, soweit also eigenständig, mehrere sinnvolle Antwortkombinationen zu.

4. Ausblick Zusammenfassend kann man auf drei Ebenen Unterschiede zwischen Hegel und Marx bezüglich des Marktes oder der Frage der Zulässigkeit nicht-intendierter Nebenfolgen als sinnhafter Form der Selbstrealisierung festhalten. Die erste und einfachste Antwort auf die Leitfrage dieses Beitrags lautet: Zwischen Hegel und Marx besteht lediglich eine taktisch-politische Differenz. Der eine glaubt, wir können auf der Grundlage moralischer und rechtlicher Normen eine sozial-philosophisch zu entfaltende Einhegung des Marktes realisieren; der andere glaubt dagegen, dass die sich durch das Markthandeln in den Individuen einstellenden Überzeugungen alle anderen normativen Überzeugungssysteme unterwandern werden, sodass sich der Markt nicht einhegen lassen wird. Während Hegel meinte, durch interne Anbindungen an wo das Arbeiten, das durch Noth und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört« (MEGA2, II.15, S. 794).

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bestimmte Aspekte des Marktgeschehens und eine umfassende institutionelle Rahmung eine normative Einhegung betreiben zu können, ist Marx zu dem Ergebnis gekommen, man müsse aus dem durch Privateigentum an Produktionsmitteln und Lohnarbeit geprägten Paradigma vollständig heraustreten. Marx hat als politischer Akteur alle Reformen und Verbesserungen der Lage der Arbeiter unterstützt, aber immer betont, dass solche Reformen das fundamentale menschliche Existenzproblem nicht lösen werden. So gesehen lautet die Frage: Richten wir uns im Ungemütlichen ein oder träumen wir den Traum einer Welt, aus der diese Art eines verdinglichten selbstinstrumentalisierten Umgangs miteinander verschwunden ist? Und die Anschlussfrage lautet natürlich: Wie könnte dies institutionell ausgestaltet werden? Auf der normativen Ebene ist zweitens die Frage, ob es nicht eine gefährliche Idee ist, die Selbstverwirklichung des Individuums zu einem Großteil in seiner Einbettung in der Realisierung der Gattung zu verorten. Die sich hier abzeichnenden Gefahren nehmen viele Theoretiker zum Anlass, perfektionistische Konzeptionen generell aus der praktischen Philosophie auszuschließen. Dagegen möchte ich die These stellen, dass man in einem perfektionistischen Rahmen der Ethik bleiben muss, um das Problem in seiner ganzen Tiefe überhaupt sichtbar machen zu können. Erst auf dieser Grundlage kann man an diese Analysen von Hegel oder Marx anschließen bzw. zu dem ihnen zugrunde liegenden Problemverständnis überhaupt vorstoßen. Zu klären wäre, in welchen Bezügen und Handlungen der menschlichen Existenz etwas intrinsisch begründet liegt, das sich einer Instrumentalisierung prinzipiell entzieht. Wo und warum wird der Eigensinn dieser Praxen zerstört, wenn man sie der Logik des egoistischen Tausches unterwirft? Bezüglich dieser normativen Frage ist mir die gesuchte Differenz nicht klar, weil Hegel und Marx jeweils beide Seiten in ihre Konzeptionen integriert haben. Hegel organisiert seine Rechtsphilosophie in normativ eigensinnigen Sphären; und Marx partizipiert an einem idealistischen Bildungsideal, das einen radikalen individualistischen Autonomiebegriff und eine solidarische Gattungsmetaphysik gleichermaßen vereint. Zugrunde liegt hier vermutlich drittens eine metaphysische Differenz. Hegel hat das Verhältnis des einzelnen, autonomen Individuums zum Allgemeinen in einer überaus komplexen, nach den Prinzipien seiner Logik organisierten Konzeption als eine Theorie des objektiven Geistes entfaltet. Marx dagegen reduziert dieses Verhältnis, wenn er sich überhaupt explizit dazu äußert, zumeist auf das ontologische Verhältnis von biologischer Gattung zu einzelnem Exemplar. Die vermittelnde Rolle der autonomen Einzelheit, die Hegel sich als durch institutionelle Verfasstheiten partiell mediatisierte Bezüge zwischen mir als Individuum und mir als Teil einer geteilten Lebensform vorstellt, wird von Marx zugunsten einer unmittelbaren Nahbereichsintuition aufgelöst, die er von Feuerbach übernimmt. Zugleich nimmt Marx dabei einen emphatischen

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Begriff des einzelnen Individuums fast im Sinne eines privaten, universal Gebildeten in Anspruch. Darin ist er wesentlich individualistischer als Hegel es je war. Beide Tendenzen stehen im Denken von Marx unvermittelt nebeneinander und schlagen immer wieder ineinander um: die radikal individualistische Freiheits-Emphase und die Unmittelbarkeits-Emphase. Beide verhindern, all die sozialen Vermittlungsformen der Stabilisierung, die Hegel in den Grundlinien aufbietet, überhaupt zuzulassen. Sie können für Marx letztlich nur Symptome eines permanenten Reparierens sein, weil das grundlegende Problem nicht gelöst ist. Die Antwort auf die Frage, ob dieses Problem überhaupt lösbar ist oder ob wir uns von der Idee einer Versöhnung verabschieden sollten, macht dann den Unterschied ums Ganze aus. Letztlich werden wir weder bei Hegel noch bei Marx die entscheidende Antwort finden. Sie ringen beide mit ähnlichen Problemen, weil es die Probleme der modernen Gesellschaft und damit letztlich auch die unseren sind. Die fundamentale Differenz, die man sich nur aus der Philosophiegeschichte heraus verständlich machen kann, besteht in dem linkshegelianischen, religionskritischen Versuch, den Absoluten in den Objektiven Geist aufzulösen: Die Versöhnung hat bei Hegel letztendlich nur in der individuellen und sozial geteilten Selbstdeutung des Absoluten Geistes ihren Ort; man kann diese als Praxen der expressiven Selbstbeschreibung des Menschen verstehen, die der Einhegung der Entfremdungen dienen, denen Menschen im Bereich des Objektiven Geistes unentrinnbar ausgesetzt sind, weil sie endliche Subjekte sind. Marx wollte diese Versöhnung in den Objektiven Geist, d. h. in die soziale Welt, überführen; dabei diente ihm die Religionskritik Feuerbachs mit ihrer Anthropologisierung religiöser Vorstellungen als paradigmatisches Modell. Einiges spricht dafür, dass dies aus philosophisch-anthropologisch benennbaren Gründen eine permanente Überforderung von Individuen und sozialen Institutionen hervorruft. Immerhin hat Hegel gute Gründe für seine These, dass der Objektive Geist endlich und störanfällig bleibt, vorgebracht, die es weiterhin ernst zu nehmen gilt.30 Das Ziel könnte aber sein, das Marxsche Korrektiv in abgeschwächter Form doch beizubehalten, um möglichst viel von dem normativen Gehalt seiner Konzeption in den Objektiven Geist hinüberzuretten. Dies müsste allerdings geschehen, ohne auf die Annahme zu verfallen, dass die Aufgabe erst dann gelöst ist, wenn alles, was bei Hegel im Absoluten Geist gedacht wird, in den Bereich des Sozialen übersetzt worden ist. Sonst führt uns das zu Denkern wie Ernst Bloch, die am Ende meinten, dass sogar der biologische Tod, weil die höchste Form der Entfremdung, durch technischen Umbau des Menschen überwunden werden muss. Spätestens dann aber schlägt sogar die Utopie der 30

Vgl. hierzu den Beitrag von Hans-Christoph Schmidt am Busch in diesem Band.

Handlung, System der Bedürfnisse und Marktkritik bei Hegel und Marx

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Nicht-Entfremdung in eine technische Entfremdung um, die im Transhumanismus heute ihre Feste feiert und dabei mit dem Kapitalismus wundersam vereinbar bleibt, weil sie letztlich in eine Variante der individuellen Markt- und Präferenzerfüllungsideologie mutiert. Es hängt also etwas daran, wie man sich zu dieser fundamentalen Differenz verhält – auch für andere Fragen.

Emmanuel Renault

Marx’s Critique of the Market

Contemporary discussions in social theory and political philosophy seem to give more and more significance to the issue of the market. On the one hand, capitalism is viewed as a form of economic organization that is efficient due to the central role it gives to markets. On the other, markets are seen as embodying a set of normative principles that belong to the very principles of modernity: they would be the best way to promote and protect individual freedom of choice as far as professional careers, incomes and ways of consuming are concerned. Within social criticism, it follows that radical critiques of the market would be illegitimate and that only two options remain open. According to the first, the social functioning of the market is not problematic as such, and what is required is simply limits on the expansion of the commodification of social life. According to the second, even when commodification remains inside its legitimate boundaries, the functioning of the market can become problematic as soon as markets are not regulated. The question is then to decide which boundaries and regulations are legitimate. Each of these two types of critique could in turn be cast in terms of either external or immanent critique. On the one hand, one could contend that these boundaries and regulations should be grounded in either moral principles (for instance, in principles that are incompatible with the commodification of one’s body), or in principles of justice (for instance, in a theory of the priority of social justice over economic efficiency)1, or in the right of society to defend itself against its destruction by the market.2 On the other hand, one could contend that markets embody normative principles that decide which boundaries and regulations are legitimate. For instance, Habermas has elaborated an argument against the colonization of the life-world that relies upon the contrast between the instrumental rationality of the market and the communicative rationality of the life-world.3 In a similar fashion, Honneth has recently drawn on Durkheim’s theory of the division of labour in order to contend that market regulations should be grounded in a principle of organic solidarity that is immanent to the social functioning of

1 2 3

Rawls, John: A Theory of Justice. Cambridge, Mass., London 1971. Polanyi, Karl: The Great Transformation. New York 1944. Habermas, Jürgen: Theory of Communicative Action. Boston 1984.

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Emmanuel Renault

the markets.4 According to him, markets do not just embody efficiency principles; they also presuppose a social rationality that calls for just limitations and regulations. Furthermore, in order to be legitimate, the critique of the capitalist economy should be immanent and grounded upon these market principles: one should refer to normative principles already having social validity in the institutional framework of the capitalist economy, and it is precisely on the very level of the market practices that these norms would have to be found.5 This political and social theoretical reappraisal of the market is associated with various lines of criticism against Marx. According to the first critique, Marx would have been incapable of understanding that there are varieties of capitalism, and that capitalism is compatible with different types of market limitations and regulations. Such criticism can be countered by recalling that Capital defines capitalism as »an organism capable of change, and constantly engaged in a process of change«6, and that Marx devotes a whole chapter to legislation of the working day; that is, to a type of regulation over the labour market.7 According to a second line of criticism, Marx would have confused markets in general with capitalist markets, and would not have understood that markets are underpinned by principles of ethics and efficiency that are independent of the logic of capitalist valorization. Here again, the criticism misses the mark. Marx is perfectly aware that markets have existed before capitalism and that a high degree of division of labour is a sufficient condition for giving a central role to markets. By »market production« (production for the market) he understands a presupposition of capitalism rather than one of its distinctive features, even if it is only within capitalism that the whole of production is oriented toward markets and where commodities appear as the »elementary form« of the »wealth of societies«.8 The fact that part one of book one deals with commodities, exchange and money in general, while part two distinguishes between pre-capitalist market functioning (the »simple circulation« formulated as »C-M-C«) and capitalist market functioning (the »capitalist circulation« formulated as »M-C-M’«),9 clearly shows that capitalism is 4

Honneth, Axel: Freedom’s Right. New York 2014. See also Honneth, Axel: Work and Recognition. A Redefinition. In: The Philosophy of Recognition: Historical and Contemporary Perspectives. Ed. by Hans-Christoph Schmidt am Busch and Christopher F. Zurn. Lanham et al. 2010, pp. 223–240. 6 Marx, Karl: Capital I. London 1990, p. 93. 7 Marx: Capital I, chap. 10. 8 Marx: Capital I, p. 125. On the link between division of labour and markets, see chapter XIV.4. On the different functions of market, in economies that are not organized in »market production« or that are organized by the emergence of the »market production« and in capitalism, see Capital III, chap. XX and LI. 9 Marx: Capital I, chap. 6. 5

Marx’s Critique of the Market

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conceived of as simply one among many types of »market production«. Furthermore, if on the one hand, Capital and the Critique of the Gotha Programme seem to equate overcoming capitalism with substituting planned organization for markets then, on the other, markets still play a role in the first phase of the communist society as articulated in the Communist Manifesto. More generally, if Marx’s conception of communism is hardly compatible with the persistence of a labour market and of a capital market, it seems fully compatible with markets of consumption goods and of production goods.10 A third criticism relates to the type of theory of action and institutions that is assumed in Marx’s account of markets. Marx is sometimes charged with having endorsed an anthropology of homo oeconomicus. He would have depicted exchange practices as driven merely by utilitarian motives (profit maximization by capitalists and basic need satisfaction by workers). He would have been unaware that individual expectations toward markets not only concern material interests, but also ethical or moral standards. Marx would also have endorsed the same functionalist approach to the social realm as classical political economy. He would have reduced markets to means of capitalist accumulation, and he would have reduced the principles of justification for market practices to ideologies; that is, to instruments of legitimation and dissimulation of inequality and domination. A reply to these criticisms could be that Marx’s point is that the utilitarian anthropology is not a description of human nature but rather of a second nature shaped by capitalism. Indeed, social action is always driven by interests, but these interests could be material as well as moral. For instance, workers’ struggles are motivated by not only the need to satisfy basic needs related to food, housing and health, but also by the rejection of their humiliating living and working conditions.11 But what are the specific implications of this account of social action for a theory of markets? And what about the normative principles of freedom and equality that are associated with markets: are they something more than ideologies? These questions are not easy to answer. They deserve special consideration. In order to address these issues, I will proceed in three steps. First, I spell out the sense in which capitalism is a market economy as well as the specific forms and functions of the market in a capitalist economy. Second, I focus on the market as a set of social practices and on the normative principles associ-

10

On the compatibility of Marx’s theory with a theory of socialism with markets, see Bidet, Jacques: Théorie de la modernité suivi de Marx et le marché. Paris 1990 and Andréani, Toni: Le Socialisme est (a)venir. Paris 2004. 11 See Renault, Emmanuel: Three Marxian Approaches to Recognition. In: Ethical Theory and Moral Practice 16/4 (2013), pp. 699–711.

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ated with it in capitalist societies. Finally, I give an overview of Marx’s critique of capitalist markets.

1. Markets in capitalism With respect to defining capitalism as a market economy,12 Marx’s contention is twofold. First, capitalism should be seen in terms of a market economy since it owes its specificity to the production of commodities and a commodification that is potentially universal. Second, the very notion of a market economy is misleading since (a) the very logic of capitalist production is not only that of the production of commodities (for the market) but also that of the production of surplus-value. Now the production of surplus-value depends on a specific type of extraction of surplus-labour, that is, on a mechanism that isn’t taking place in markets but in the work place, and that gives rise to a specific type of division of labour – the technical division of labour – that shouldn’t be confused (as in Smith) with the social division of labour that is organized by market competition.13 The very definition of a market economy is also misleading because (b) the logic of producing surplus-value implies not only an extension of the market function (or commodification), but also a new market function (new social practices within the market): markets are no longer the place where individual producers exchange the goods they don’t need against goods they need (»simple circulation«, C-M-C), but rather the place where capitalists buy the labour-force that can produce surplus-value and where surplus-value can be realized in a monetary form that transforms it into profit (»capitalist circulation«, M-C-M’). In other words, capitalism not only gives an economic centrality to markets, but it gives new social functions to markets and it also creates new markets. The very idea of surplus-value presupposes a labour market and waged workers. Capitalism also presupposes a land market and a capital market. Since competition between capitalists interconnects these three markets with each other as well as with markets of production and consumption goods, one could say that capitalism is also specified by (c) the emergence of a system of markets. In this system, markets are not simply a way of actualizing the mutual dependency of the various branches of the division of labour (as in Durkheim’s conception of »organic division of labour«): they also become the predominant way of organizing the division of labour through competi-

12

This claim is broadly assumed in contemporary debates, and frequently drawing on Polanyi’s influential The Great Transformation. 13 Marx: Capital I, chap. XII.4.

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tion between capitalists (hence the »anarchy of production«14 that is proper to the capitalist mode of production) and become the major way of distributing wealth (through wage, rent and interest). Capitalism clearly shapes market production in a way that is far too specific to allow for discussions about markets in general, or about a market economy in general, or about principles of efficiency or ethics within markets in general. Therefore, it is not surprising that in Capital one can hardly find a theory of the market in general or a critique of the market in general. In part one of book one, the concept of »market production«, which refers to the general logic of the production for the market, clearly refers to something more general than to the capitalist market production, but it doesn’t refer to markets in general. Rather it refers to the specific situations where a high degree of social division of labour implies that markets become the dominant social mediation between production and consumption. Indeed Marx elaborates a concept of »market« in general (in chapter two) in order to specify his concept of »market production«, just as he elaborates his concept of »market production« in order to specify his concept of »capitalist market production«. But these concepts are just instrumental to the theory of the capitalist production. »Markets« and »market production« are two concepts that denote phenomena that are simply too heterogeneous to be subjected to theorization in its Marxian sense15 or critique. From Marx’s point of view, only a theory of capitalist production is possible, and only a critique of capitalism is required. As far as markets are concerned, this latter critique could be depicted as a critique of social pathologies, more precisely, as a critique of social pathologies of first and second orders. In this context social pathology refers to a type of social problem that relates not to injustice – that is, to illegitimate inequalities – but rather to social settings that tend to damage individual and social life.16 From the point of view constituted by Capital ’s theoretical framework, the critique of capitalist markets cannot be elaborated with reference to justice since markets are subjected to principles of freedom and equality17 (even if, as we will see, such a critique becomes relevant in some cases). But markets could be seen as social pathologies in so far as some structural tendencies (periodic14

Marx, Karl: The Poverty of Philosophy. In: Karl Marx and Frederick Engels, Collected Works (hereafter: MECW), vol. 6. London 1975, p. 137. 15 On the conception of theory that is presupposed in Capital, see Duménil, Gérard: Le concept de loi économique dans Le Capital. Paris 1978. 16 See Honneth, Axel: Pathologies of the Social: The Past and Present of Social Philosophy. In: Disrespect: The Normative Foundations of Critical Theory. Cambridge 2007, pp. 3–48. 17 As it is famously stated in The Critique of the Gotha Program; see for instance Renault, Emmanuel: Marx et la philosophie, chap. 3. Paris 2014.

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ity of crises and pauperization) make them unable to satisfy social needs. Now, an institution can be described as participating in a second-order pathology when the way in which it impacts social life generates obstacles to the resolution of social problems, be they social injustices or first-order social pathologies.18 Capitalist markets could be seen as social pathologies in this sense in so far as they generate cognitive and practical problems that obstruct the resolution of first-order social pathologies. On the cognitive side, the theory of »commodity fetishism« indicates that capitalist markets generate the illusion that their functioning relies upon natural laws and therefore cannot be modified. On the practical side, competition in the labour market undermines the old professional solidarities and subsequently generates another obstacle to the resolution of the capitalist social pathologies: an obstacle that relates to the social conditions of collective mobilization.19 To sum up, one could say that the capitalist system of markets is criticized for its lack of efficiency, for the pauperization and cyclic crises that are generated by the competition between capitalists (first-order pathology) and for its negative effects on the cognitive and practical conditions that enable collective action that could face the social problems (second-order pathologies). But this is only half of the story since Marx’s approach to capitalist markets is not only critical. Marx also acknowledges that markets embody rules of equality and freedom. What are the implications of this acknowledgment?

2. The norms of the market I have already mentioned that capitalist markets are regulated by rules of equality and freedom: market exchanges are mediated by (explicit or implicit) contracts that presuppose the equality and freedom of the contractors. Now, the question is whether these normative principles embedded in market functioning are only ideological or whether they ground legitimate claims about justice in exchange or production. According to the first option, the market norms of freedom and equality should merely be taken as means for legitimating and dissimulating domination and inequality. As such, critiques of capitalist mar18

I’m distinguishing first order and second order pathologies, while C. F. Zurn defines »social pathologies« as »second-order« social disorder; see Zurn, Christopher F.: Social Pathologies as Second-Order Disorders. In: Axel Honneth: Critical Essays. With a Reply by Axel Honneth. Ed. by Danielle Petherbridge. Dordrecht 2011, pp. 345–370. 19 Marx points out that the workers have understood by themselves that they have to balance the individualizing effects of competition with coalitions if they want to resist to the worsening of their situation. See note 27 below and also the last pages of The Poverty of Philosophy, pp. 209–212.

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kets and production in terms of equal freedom should always be seen as irrelevant. According to the second option, the normative validity claimed by these principles of freedom and equality should be seen as possessing a type of legitimacy. In what follows, my contention is that Marx assumes a legitimacy of the market norms but that this legitimacy should be framed in totally different terms in the case of either markets of consumption goods or production goods as opposed to the labour market. Let me first recall the way in which Marx describes markets in general in chapter two of Capital. An initial point to note is that Marx doesn’t simply consider the market from a functionalist point of view – as just one social sphere (the sphere of circulation) contrasted with another (the sphere of production), both being dependent on each other in various ways – but also as a set of social practices. The notion of the market doesn’t merely refer to the transformation of value into prices and the circulation of commodities but also to social practices since »commodities cannot themselves go to market and perform exchange in their own right.«20 Market exchanges are to be conceived of as a process; in the words he uses in a note for the French edition, as »a development considered in all of its actual conditions.«21 A theory of the »process of exchange« (the title of chapter two) presupposes a theory of the relations between use value and exchange value (chapter one, sections a & b) as well as a theory of the relations between the relative and equivalent forms of value (chapter one, section c). But it also presupposes a theory of the representation of the value that drives the social agents in exchanges (chapter one, section d) and a theory of mutual expectations in their interactions. This last presupposition is made explicit at the beginning of chapter two where Marx explains that within the market, individuals relate to each other as free and equal.22 Indeed, within the market, individuals relate to each other as a »personification of economic relations«, or as »bearers of these economic relations«:23 they exist for one another as either buyers or sellers. In A Contribution to the Critique of Political Economy, Marx points out that these roles are not natural properties of individuals but social constructs, and that there is no need to complain about the fact that people be20

Marx: Capital I, p. 178. Marx, Karl: Le Capital. Livre 1, tome 1. Paris 1978, p. 181. 22 Exchange is an interaction that requires that owners »recognize each other as owners of private property« (Capital I, p. 178). When Marx adds, »this juridical relation, whose form is the contract, whether as part of a developed legal system or not, is a relation between two wills which mirrors the economic relation«, he is not putting the ideological dimension of the juridical framework of exchanges to the fore. Rather, he is elaborating a phenomenology of interactions through social roles: »the persons exist for one another merely as representatives and, hence, as owners of commodities.« 23 Marx: Capital I, p. 179. 21

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have in relation to each other through these roles. He also adds that this relation »exists already in pre-bourgeois social formations, for it requires merely that the relations of individuals to one another should be those of commodityowners.«24 There is nothing in chapter two that indicates that markets as such are problematic because the principles of equality and freedom they presuppose would be nothing but ideological. Marx adds that market functioning presupposes another normative condition: since the exchange is a free relation and since it is an exchange between equal values, the only reason to exchange is to substitute a commodity one doesn’t need with a commodity one needs.25 Exchanges presuppose not only forms of equality and freedom but also forms of reciprocally satisfying needs and desires. Interestingly, this presupposition of mutual usefulness is depicted in the Grundrisse as involving a principle of social solidarity. Here Marx rephrases the Hessian conception of »species-being« as cooperation and exchange of living activities that he had endorsed in 1844 in order to highlight the fact that, in market exchanges, »being for oneself« unites with »being for another«, and »the fact that this need on the part of one can be satisfied by the product of the other, and vice versa, and that the one is capable of producing the object of the need of the other, and that each confronts the other as owner of the object of the other’s need, this proves that each of them reaches beyond his own particular need etc., as a human being, and that they relate to one another as human beings; that their common species-being is acknowledged by all.«26 But indeed, this is the case only if there is an organic division of labour, that is, if participation in the division of labour is a means to satisfy individual and social needs. However, this is no longer the case in capitalist markets where the wealth that is produced shows up as an oppressive and alien force that becomes an obstacle to the satisfaction of workers’ needs. Therefore, it is not surprising that chapter two of Capital, which deals with markets in general, doesn’t mention solidarity: it is not in markets in general but only in precapitalist markets that markets could embody a principle of solidarity. As we have seen, the competition that makes capitalist markets specific tends to destroy solidarity, and this tendency is all the more powerfully exerted upon the labour market in situations of unemployment (or »relative surplus-population«). It is only the social antagonism between capitalists and proletarians that generates new forms of solidarity: on the one hand, solidarity between workers in their attempt to balance the destructive effects that competition between them has 24

Marx, Karl: A Contribution to the Critique of Political Economy. In: MECW, vol. 29, p. 332. 25 Marx: Capital I, p. 179. 26 Marx, Karl: Grundrisse. In: MECW, vol. 28, pp. 171–172.

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upon their living conditions, on their resistances and struggles.27 On the other hand, solidarity between capitalists in their attempt to increase the average rate of profit.28 Markets in general are characterized by a principle of mutual usefulness, not of solidarity. Moreover, far from producing »organic solidarity«, capitalist markets are specified by a type of competition that undermines solidarity. Nonetheless, Marx’s account of freedom, equality and mutual usefulness as market principles entails a positive account of markets in general and of capitalist markets in particular: they enable individuals to choose both what they need and the types of exchanges that will help them satisfy their needs. What chapter two says about markets in general is true of capitalist markets in general but with one exception: the capitalist labour market. It is only in the context of this specific market that the three normative principles of market freedom, equality and mutual usefulness become problematic, and this leads Marx to speak of them ironically: »The sphere of circulation or commodity exchange, within whose boundaries the sale and purchase of labour-power goes on, is in fact a very Eden of the innate rights of man. It is the exclusive real of Freedom, Equality, Property and Bentham.«29 In this particular case, the criticism of the market principles of freedom, equality and mutual usefulness is based on three separate arguments. The first concerns the fact that the freedom of the workers is only formal. The Manifesto already highlights the fact that this freedom is only the freedom of participating in a social competition that can’t be a means of self-realization since the work offered on the labour market »has lost all individual character, and, consequently, all charm for the workman. He becomes an appendage of the 27

Marx: Capital I, p. 793: »the workers learn the secret of why it happens that the more they work, the more alien wealth they produce, and the more the productivity of their labour increases, the more does their very function as a means of production becomes precarious; (…) they discover that the degree of intensity of the competition amongst themselves depends wholly on the pressure of the relative surplus population; (…) by setting up trade unions, etc. they try to organize planned co-operation between the employed and the unemployed in order to obviate or to weaken the ruinous effects of the natural law of capitalist production on their class.« 28 Marx: Capital III, chap. X. 29 Marx: Capital I, p. 280. Here again, the issues raised by the Grundrisse have been clarified. In the chapter dealing with the transformation of the money into capital (MECW, vol. 28, pp. 171–173), Marx had highlighted the continuity between markets of consumption and production goods and the labour market (»already the simple forms of exchange value and of money latently contain the opposition between labour and capital etc.«) as well as the essential contradiction between the normative principles of the market and the forms of their effectuation: »the money system is in fact the system of equality and freedom, and that the disturbances which they encounter in the further development of the system are disturbances inherent in it, are merely the realization of equality and freedom, which prove to be inequality and unfreedom.«

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machine, and it is only the most simple, most monotonous, and most easily acquired knack, that is required of him.«30 Marx contrasts merely negative, or formal freedom of choice, with a positive freedom that demands that work be »a means to widen, to enrich, to promote the existence of the labourer.«31 In Capital, this contrast is articulated through the idea that the waged worker is free in a »double sense«: free of being no longer possessed as a means of production (such as slaves or serfs) and free in the sense of being deprived or detached from any means of production.32 It is worth noting that, in this context, Marx is not saying that freedom in the first sense has no worth. Rather, he acknowledges this worth but adds that it is only one side of the coin, so to speak. His point is that progress regarding freedom as freedom of choice on the labour market is counterbalanced by a structural impossibility of converting this negative freedom into a positive freedom: »The historical movement which changes the producers into wage-labourers appears, on the one hand, as their emancipation from serfdom and from the fetters of the guilds, and it is this aspect of the movement which alone exists for our bourgeois historians. But, on the other hand, these newly freed men became the sellers of themselves only after they had been robbed of all their own means of production and all the guarantees of existence afforded by the old feudal arrangements.«33 Here the principle of freedom on the labour market is not depicted as ideological in itself, but rather as being possibly interpreted in an ideological way: when such negative freedom is the only thing that is taken into consideration while simultaneously ignoring the structural impossibility of positive freedom. Marx acknowledges that this negative freedom should be conceived of as the »positive aspect of wage labour«34 but doesn’t suppose that this positive aspect is sufficient to give legitimacy to capitalist markets. He adds two arguments that give ideological dimensions to the very normative principles of the labour market. The first relates to the dissimulation of the structural inequality and domination that defines the relationship between capitalists and proletarians as a social relation of production. On the labour market, this specific social relationship takes the »phenomenal form« of a free, equal and useful interaction. This form dissimulates the fact that the exchange of wages with the labour-force is based on a structural inequality (only some possess the means of production) and on a structural lack of freedom: for those who are deprived of the means 30

Marx, Karl/Engels, Frederick: Manifesto of the Communist Party. In: MECW, vol. 6, p. 490. 31 Marx/Engels: Manifesto, p. 499. 32 Marx: Capital I, p. 874: »Free workers are therefore free from, unencumbered by, any means of production of their own.« 33 Marx: Capital I, p. 875. 34 Marx, Karl: Wages. In: MECW, vol. 6, pp. 436–437.

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of production and whose wage remains minimal, exchange is rooted in constraints of survival rather than in freedom. As a consequence, not only the principles of freedom and equality but also the principle of reciprocal utility loses its normative value. As was the case with the theory of fetishism, the ideological dimension attached to the principles of the labour market consists here in a cognitive effect generated by the market: the market gives its phenomenal form to something that has reality outside of the market, and this phenomenal form is an illusion. The second ideological dimension regards the legitimation of the domination that operates in the work place. In this context, the ideological dimension no longer relates to freedom, equality and mutual usefulness as general forms of market exchanges, but to the specific form that the labour contract takes on as a contract of subordination. The specific ideological feature at play is that the freedom of contracting parties, which has reality in the sphere of circulation, is reversed into the domination of work in the work place – where domination means not only obeying another’s will but also being forced to spend surplus work.35 Here the ideological dimension of the normative principles of the labour market no longer amounts to a cognitive deficiency. Rather, it relates to the fact that the principles of market interactions (freedom, equality and mutual usefulness) and the principle of productive interactions (production of surplus value through constraints) are heterogeneous and contradictory despite the fact that the former justifies the latter through the labour contract. But even if these principles have ideological dimensions, their use is not necessarily ideological. At the beginning of his chapter on the working day, Marx gives room to the »voice to a worker«,36 a worker articulating claims that the norms of freedom, equality and mutual usefulness should be understood in such a way that the working day should be restricted.37 Far from criticizing this use of market principles as ideological, Marx highlights its legitimacy in his commentaries of this worker’s claims: »the peculiar nature of the commodity sold implies a limit to its consumption by the purchaser, and the worker maintains his right as a seller when he wishes to reduce the working day to a particular normal length.« He then adds: »There is here therefore an antinomy, or right against right, both equally bearing the seals of the law of exchanges.

35

Marx: Capital I, p. 280. See Renault, Emmanuel: Work and Domination in Marx. In: Critical Horizons 15/2 (2014), pp. 179–193. 36 Marx: Capital I, p. 342. 37 Marx explains in a footnote that »during the great strike of the London building workers (1959–1960) for the reduction of the working day to 9 hours, their committee published a manifesto that contained to some extent, the plea of our worker.« See Capital I, p. 343.

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Between equal rights, force decides.«38 What follows from these comments is that, despite their ideological dimension, the principles of the labour market don’t lose all normative value. They could ground the legitimate claims that are raised by this worker in order to regulate the domination to which he is subjected – as labour contracts are something that is constituted in market interactions but which nevertheless impacts domination in the work places. The principles of the labour market could lead to market regulations as well as to work place regulations, but indeed, they lose their critical dimension when what is at stake is no longer the regulation but the radical transformation of the very functioning of the capitalist markets and the social relations of production. This last insight explains why Proudhon and other French socialists are wrong when they ground the project of abolishing exploitation on the norms of freedom and equality in exchanges. The problem is not only that these norms already structure market exchanges such that one hardly sees how they could lead to something more than regulations of capitalist markets. The problem is also that exploitation is something other than forced work and robbery, so that any claim for more justice within exchanges misses the point. The central point of focus should rather be on the structural conditions of exploitation, that is, on the social relationship of production between proletarians and capitalists; one should also focus on the actual form of exploitation in the sphere of the production, in other words, the power relations that underpin the extraction of surplus-labour.39

3. Types of social critique Marx’s critique of capitalist markets is complex and multilayered, and the contemporary discussions about markets in social theory and political philosophy rarely do justice to its high level of sophistication. As a conclusion, let’s try to locate his critique within the ongoing debates about social critique more generally. Here again, Marx can be seen as promoting a complex model of social critique against which the diverse positions that frame the contemporary discussion appear one-sided.

38

Marx: Capital I, p. 344. On exploitation as a social relation of class domination and a specific power relation within the work place, see Renault, Emmanuel: Pouvoir ou domination? Pouvoir ou exploitation? Deux fausses alternatives. In: Marx & Foucault. Lectures, usages, confrontations. Ed. by Christian Laval, Luca Paltrinieri and Ferhat Taylan. Paris 2015, pp. 199–212. 39

Marx’s Critique of the Market

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Regarding the types of critique, one could distinguish: 1) a critique of first-order social pathologies relating to the lack of efficiency of market competition and its ruinous effects on the workers’ condition; 2) a critique of second-order social pathologies involving, on the one hand, a critique of ideology and, on the other, a critique of the undermining of social resources such as networks of solidarity. Regarding the norms of the critique, one could distinguish: 1) a normative functionalism: markets are legitimate only insofar as they remain moments of the social metabolism, that is insofar as they remain subordinated to an organic division of labour. 2) a reinterpretation of the meaning of equality, freedom and mutual usefulness as fundamental norms: in opposition to the restricted meaning of market equality, freedom and mutual usefulness one should promote a conception of positive freedom, and a primacy for the satisfaction of social needs over the rule of equality.40 Regarding the form of critique, one could say that Marx’s critique of capitalist markets is neither an external critique (the critique of ideology makes it impossible to refer to universal and trans-historical norms) nor an immanent critique (it is not enough to refer to the meaning that capitalist societies associate with freedom, equality and usefulness as economic, social and political norms). Rather, the critique of capitalist markets relates to: 1) a model in which social criticism is thought of as the self-reflective moment of social struggles. The salient perspective in such a form of social criticism is one that thinks about markets and production from the point of view of workers’ resistance against the degradation of their living conditions in the hope that alienated work can be transformed into emancipated work. 2) a model of disclosing critique in which the point is to give due consideration and accurate knowledge to what is dissimulated by the market functioning (work as the origin of value and exploitation as a social relationship of production). 3) a model in which social critique needs to account for the fact that the social world is differentiated into various social spheres ruled by specific

40

See Marx, Karl: Marginal Notes on the Programme of the German Workers Party. In: MECW, vol. 24, pp. 86–87.

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principles of interaction. Just as freedom and equality could be actualized in the political sphere without being actualized in the social spheres, what is true in the sphere of circulation could be false in the sphere of production.

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The Tale of Two Doctrines Mill on economic and political liberalism

In the fifth chapter of On Liberty, Mill points out that one must distinguish between the so-called doctrine of free trade and the principle of individual liberty. He conceives of the doctrine of free trade as the theorem »that both the cheapness and the good quality of commodities are most effectually provided for by leaving the producers and sellers perfectly free, under the sole check of equal freedom to the buyers for supplying themselves elsewhere«1. An important part of the argument for free trade is purely negative and consists of reasons against government intervention.2 Mill presents some of these grounds in a chapter of his Principles of Political Economy devoted to a discussion of government interference based on erroneous theories,3 such as the protection of native industries or regulation of commodity prices. The core idea of the free trade doctrine, as presented in On Liberty, is that consumer choice in competitive markets provides an effective method of guaranteeing low prices on the one hand and a supply of goods and services which answers to people’s needs and desires on the other. In short, producers who consistently launch products that no-one wants will go out of business; the same is true for producers who bring goods to the market at too high a price. Thus, consumer choice in competitive markets makes the regulation of production by state agencies to some extent redundant. This doctrine, Mill says, rests on »grounds different from, though equally solid with, the principle of individual liberty asserted in [On Liberty]«.4

1

Mill, John Stuart: On Liberty. In: Collected Works of John Stuart Mill. Vol. 18. Essays on Politics and Society. Edited by John M. Robson. Toronto 1977, pp. 213–310, hereafter: CW 18, p. 293. 2 See on Mill’s economic theory: Blaug, Mark: Economic Theory in Retrospect. Cambridge 52006; Hollander, Samuel: The Economics of John Stuart Mill. Toronto 1985; Riley, Jonathan: Mill’s political economy: Ricardian science and liberal utilitarian art«. In: The Cambridge Companion to Mill. Edited by John Skorupski. Cambridge 1998, pp. 293–337; Su, Huei-chun: Economic Justice and Liberty. The social philosophy in John Stuart Mill’s utilitarianism. London, New York 2013. 3 Mill, John Stuart: Principles of Political Economy. With Some of Their Applications to Social Philosophy. In: Collected Works of John Stuart Mill. Vol. 3. Books III–V. Edited by John M. Robson. Toronto 1965, pp. 913–935, hereafter: CW 3. 4 CW 18, p. 293.

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I shall spare you from a consideration of the exegetical embarrassments of this passage. Suffice it to say that Mill leads one to believe that he advocates two separate liberal doctrines, which differ in terms of content and justification. One doctrine deals with the liberties individuals should enjoy in the social realm, the other with the liberties individuals should have in the economic realm. The one doctrine is political liberalism, the other economic liberalism. Political liberalism defends the principle of individual liberty; economic liberalism defends laisser-faire, or what Mill calls the non-interference principle. Both doctrines are warranted by different reasons. I shall call the notion that Mill made a sharp distinction between economic and political liberalism the tale of two doctrines. The tale of two doctrines prepares the way for an idea which became popular in the 20th century, the idea that it is required for thinking people to be liberal in the social domain but not in the economic domain. I shall call this the distinction theorem. Whereas the tale of the two doctrines avers that political and economic liberalism differ in terms of content and justification, the distinction theorem claims that one must approve of political liberalism but at the same time disapprove of economic liberalism. Today people on the political left predominantly adhere to the distinction theorem; they see themselves as proponents of civic liberties but as opponents of economic liberalism, which today goes frequently by the name neo-liberalism. Mill, of course, says that the doctrine of free trade rests on grounds which are »equally solid with« the grounds on which the doctrine of On Liberty rests. Hence, he rejected the distinction theorem ante litteram. On closer inspection, though, it emerges that he did not advocate the tale of two doctrines either. Political and economic liberalism draw on the same justificatory basis and, in the final analysis, must be all of a piece. From a Millian point of view, it makes no sense to examine how two independently devised conceptions of liberalism relate to each other. The question to be asked is what the system of economic governance in a genuinely free society would look like. My discussion of Mill’s position has three parts. In the first section, I shall distinguish between liberal economic policy and economic liberalism and determine the systematic locus of both doctrines within the so-called Art of Life, which Mill also refers to as »the principles of Practical Reason«.5 I shall argue that Mill’s political liberalism implies his economic liberalism. The second section is devoted to Mill’s principle of non-interference, which I interpret as a justification requirement on regulation. According to Mill, the principle of 5

Mill, John Stuart: A System of Logic Ratiocinative and Inductive. Being a Connected View of the Principles of Evidence and the Methods of Scientific Investigation. In: Collected Works of John Stuart Mill. Vol. 8. Book IV-VI. Edited by John M. Robson. Toronto 1974, hereafter: CW 8, p. 950.

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non-interference governs optional functions of government and does not stand in the way of redistribution that aims at correcting morally arbitrary inequalities. In the third section, I shall point out that Mill’s conception of distributive justice commits him to one form or the other of socialist liberalism. What form of liberal socialism is best depends on the cultural and societal context but also on still insufficiently known aspects of human nature.

1. The unity of moral science, or why there are not two doctrines Mill believed in the usefulness of the division of epistemic labour; but he also believed in the necessity of a unified science of human action. In the Logic he refers to »the proper study of mankind« as a »most desirable object«.6 A unified science of human action is a requirement of Mill’s naturalism. Humans and their actions are part of nature, which is governed by causal laws. The causal laws that determine the possible courses of human actions are the laws of mind. The latter give us the science of human nature, which explains individual behaviour and all resulting social and cultural phenomena from marriage to money. We do not have this unified science yet; but there is no reason to doubt its possibility even if its predictions will be »for the most part only approximately true.« This, however, is nothing unusual. As Mill points out, »all the resources of science are not sufficient to enable us to calculate à priori, with complete precision, the mutual action of three bodies gravitating towards one another (…)«.7 However, knowledge of the laws of human nature enables us to state tendencies »and determine the direction which each of them, if acting alone, would impress upon society«.8 For the time being we have in lieu of a unified science of human nature a plurality of disciplines that study different laws of mind. One such discipline is political economy. Political economy examines the social tendencies that are produced by the operation of a particular psychological law, namely the preference of greater gains to smaller ones with a given quantity of labour and self-denial. Mill assumes that the study of this law carves out »one large class of social phenomena«. This class of phenomena can be mainly explained by the desire for wealth so that political economy is a sufficiently »distinct and separate, though not independent«9 study of human nature. By the phrase »distinct and separate, though not independent«, Mill

6

CW 8, p. 834. CW 8, p. 848. 8 CW 8, p. 896. 9 CW 8, p. 901. See also: Hausman, Daniel M.: The inexact and separate science of economics. Cambridge, New York 1992. 7

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emphasises that political economy studies a certain aspect of human nature. Political economy is not distinct and separate in the sense that »the economy« constitutes a distinct and separate sphere in which »the desire of obtaining the greatest quantity of wealth with the least labour and self-denial«10 determines all observable social phenomena. What makes political economy a distinct and separate study of human nature is the counterfactual supposition that man »is a being who is determined, by the necessity of his nature, to prefer a greater portion of wealth to a small in all cases, without any exception (…)«.11 In other words, political economy presupposes what one knows to be factually wrong. The point of this exercise is, of course, to provide models that describe how a particular type of cause would operate in the absence of counter-forces. Since we know that these counter-forces exist, we must be aware that all laws of distinct and separate sciences lie – and not only those of physics, to paraphrase the title of Nancy Cartwright’s famous book.12 As Mill acerbically remarks, no »political economist was ever so absurd to suppose that mankind«13 desires wealth and nothing else; not even our market transactions are determined solely by this desire. It is a commonplace that effects depend on a »concurrence of causes«.14 If we want to make progress in science though, we must study the causes »one at a time«15 and investigate their laws separately. These laws characterise human behaviour under counter-factual conditions; they have no factual content. According to Mill, a law of mind, such as the law that we prefer more wealth to less, informs us about tendencies or statistical patterns in the real world. In »certain departments of human affairs«,16 Mill assumes, the acquisition of wealth is such a dominant motive that political economy (as the science of this very motive) has considerable explanatory and predictive power (in this domain).17 This motive is critical for the explanation of two species of social facts: the production of wealth and its distribution.18 In order to understand production and distribution, we have to take into account that people tend to prefer more product, profit or income to less. But due to the unity of nature, political economy is, even in this domain of social facts, necessarily 10

CW 8, p. 903. CW 8, p. 902. 12 Cartwright, Nancy: How the Laws of Physics Lie. Oxford, New York 1983. 13 CW 8, p. 902. 14 Ibid. 15 Ibid. 16 Ibid. 17 »There is, for example, one large class of social phenomena, in which the immediately determining causes are principally those which act through the desire of wealth; and in which the psychological law mainly concerned is the familiar one, that a greater gain is preferred to a smaller« (CW 8, p. 901). 18 Ibid. 11

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»intertwined with many other branches of social philosophy«.19 The importance of counteracting motives may be so significant that corrections must be interpolated »into the expositions of political economy itself«; Mill sees this as a departure from strict scientific practice »for the sake of practical utility« and explanatory power. As an example of such a departure, he mentions nothing less than Malthus’s principle of population as a critical factor in explaining the distribution of wealth.20 Thus, the status of political economy as the science of the production and distribution of wealth is hypothetical in the sense that it is only applicable to the explanation of real events if the pursuit of wealth operates undisturbed by other motives. If, however, the collateral influence of other psychological causes is sufficiently strong, the fundamental law of political economy is inapplicable. These considerations are crucial for Mill’s understanding of the object and scope of liberal economic policy as a normative conception of economic governance. In his conceptualisation liberal political economy corresponds to the art of economic policy. An art presupposes the desirability of some end.21 Being a particular doctrine of the art of economic policy, liberal economic policy assumes the desirability of wealth. It contains those elements from the science of political economy that are supposed to justify the conviction that the observance of the non-interference principle is the most suitable way of promoting wealth production.22 Just as the predictive power of political economy depends upon the presence or absence of counteracting forces, the prescriptive authority of liberal economic policy depends upon the presence or absence of competing normative considerations regarding a particular species of social facts. Moreover, it requires a justification for the assumption that its end – to wit, wealth – is indeed desirable. »There is, then, a Philosophia Prima peculiar to Art, as there is one which belongs to Science. There are not only first principles of Knowledge, but first principles of Conduct. There must be some standard by which we determine 19

Mill, John Stuart: Principles of Political Economy. With Some of Their Applications to Social Philosophy. In: Collected Works of John Stuart Mill. Vol. 2. Books I–II. Edited by John M. Robson. Toronto 1965, hereafter: CW 2, p. xci. 20 CW 8, p. 903. 21 »Every art has one first principle, or general major premise not borrowed from science; that which enunciates the object aimed at, and affirms it to be a desirable object. The builder’s art assumes that it is desirable to have buildings; architecture (as one of the fine arts), that it is desirable to have them beautiful or imposing. The hygienic and medical arts assume, the one that the preservation of health, the other that the cure of disease, are fitting and desirable ends« (CW 8, p. 946). 22 It is important to note that Mill, in contrast to 20th century libertarians, assumes that the production and distribution of wealth are to a certain degree independent from each other. I shall come back to this point later.

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the goodness or badness, absolute and comparative, of ends, or objects of desire. And whatever that standard is, there can be but one: for if there were several ultimate principles of conduct, the same conduct might be approved by one of those principles and condemned by another (…)«.23 Mill’s name for this art that determines the proper objects of approbation and their order of precedence is the Art of Life.24 Unsurprisingly perhaps, the governing principle of this master art is the Greatest Happiness Principle.25 Liberal economic policy as the art which belongs to political economy is thus hypothetical in a twofold sense: Its prescriptive authority hinges, firstly, on the prevalence of the desire for wealth in matters of production, distribution and exchange; and, secondly, on the desirability of the pursuit of wealth in the light of considerations concerning human well-being. We are now in a better position to understand why Mill states in On Liberty that the doctrine of free trade rests on »grounds different from, though equally solid with, the principle of individual liberty«.26 Liberal economic policy is, in Mill’s account, based on the instrumental value of uncoerced production and exchange for the accumulation of wealth. In order to obtain prima facie prescriptive authority, a further argument is required to the effect that wealth is conducive to well-being. The principle of individual liberty, in contrast, is justified without such an intermediate argumentative step as a necessary condition of human development. As Mill puts it, individual liberty is »grounded on the permanent interests of man as a progressive being. Those interests, I contend, authorize the subjection of individual spontaneity to external control, only in respect to those actions of each, which concern the interest of other people«.27 It becomes apparent that liberal economic policy is not on a par with the doctrine of On Liberty for two reasons. Firstly, Mill claims that the principle of individual liberty can be directly justified by utilitarian considerations, whereas the precepts of liberal economic policy, as construed by Mill, require further argumentative turns. In order to give them prescriptive authority, it must be shown that increasing wealth is desirable and that it does not conflict with other and more important ends. Thus, liberal economic policy and political 23

CW 8, p. 951. CW 8, p. 949. See also: Eggleston, Ben et al. (eds.): John Stuart Mill and the Art of Life. Oxford, New York 2011. 25 Mill, John Stuart: Utilitarianism. In: Collected Works of John Stuart Mill. Vol. 10. Edited by John M. Robson. Toronto 1969, pp. 203–259, hereafter: CW 10, p. 210; see also: CW 8, p. 951. 26 CW 18, p. 293. 27 CW 18, p. 224. 24

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liberalism differ in their justificatory basis. Secondly, liberal economic policy and political liberalism differ dramatically in scope. The principle of individual liberty concerns all forms of coercive interventions by society and political authority, thereby also including regulations regarding the production, distribution or the exchange of wealth. In other words, the system of individual liberties that Mill aspires to justify also governs the so-called economic realm. The principle of individual liberty – limited by the harm principle – is justified by the Greatest Happiness Principle and binds all reasonable doctrines of the art of economic policy; this art, in turn, is based on knowledge of political economy as the science of the production, distribution and exchange of wealth. It is thus important to note that the pervading nature of the principle of individual liberty commits Mill to a form of economic liberalism that has to be distinguished from his liberal economic policy. The latter is the art of political economy and recommends economic liberties because they are instrumental for the production of wealth; the former, by contrast, demands economic liberties as a necessary condition of human progress and well-being. On a certain stage of societal and cultural development, economic liberties would have to be granted even if they were harmful to the accumulation of wealth. In other words, the basic liberties of individuals exclude the permissibility of command economies even if these were more productive than market systems. Any society which has »become capable of being improved by free and equal discussion«28 and to which the principle of individual liberty is thus applicable requires a system of free markets under the sole restriction of the harm principle. Far from advocating the tale of two doctrines, Mill avers that political liberalism implies economic liberalism.

2. The non-interference principle In his Principles of Political Economy, Mill proposes the laisser-faire or noninterference principle as the ground rule for the justification of any permissible system of economic governance. The principle is in essence a justification requirement on regulation. »Laisser-faire«, Mill writes, »should be the general practice: every departure from it, unless required by some great good, is a certain evil«.29 Mill’s understanding of laisser-faire differs markedly from that of 28

CW 18, p. 224. CW 3, p. 945. In this context we find Mill’s supplementary objections to government intervention to the effect that (1) even popular governments are likely to use their power in order to promote special interests, either because these interests are well organised and articulate or because they control riches or other instruments of power to influence the political agenda; or (2) that government will function badly if overbur29

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the so-called laisser-faire school, which has restricted the scope of legitimate state interference to the »protection of person and property against force and fraud«. Mill regards this position as untenable »since it excludes (…) some of the most indispensable and unanimously recognized duties of government«.30 These necessary functions of government include, among many other things, the determination of property rules and rights. As I shall point out later in greater detail, Mill argued that taxation can and ought to be used in the light of an »idea of distributive justice, which consists not in imitating but in redressing the inequalities and wrongs of nature«.31 He advocates what is arguably an early version of luck egalitarianism of a luck egalitarian argument. Redistributive taxation aims at levelling morally arbitrary inequalities in income and wealth. Mill’s idea that natural riches »are the inheritance of the human race«32 points in the same direction. Besides these necessary functions of government, there are also optional ones »on which diversity of opinion does or may exist«.33 The non-interference principle is accordingly a rule of political deliberation with regard to the justification of optional government functions. Beyond the purview of necessary state functions, government interference is permissible only if it is »required by some great good«. This confronts one with two questions: Firstly, why is Mill convinced that laisser-faire should be, as it were, the political default setting; in other words, why should the burden of proof rest with those in favour of a certain government intervention? Secondly, what kind of warrant qualifies as a reason for intervention? With regard to the first question, Mill’s foremost consideration emphasises the regard for human freedom and dignity. In the fashion of On Liberty, he speaks of »a circle around every individual human being, which no government, be it that of one, of a few, or of the many, ought to be permitted to overstep: there is a part of the life of every person who has come to years of discretion, within which the individuality of that person ought to reign uncontrolled either by any other individual or by the public collectively«.34 Within this circle of strict non-interference all matters can be found which concern solely the individual. Applied to market transactions, this principle implies that competent adults must be free to buy and sell products and serdened with responsibilities; or (3) that in performing certain tasks companies are more efficient than public administration; or (4) that interventionist governments stifle habits of self-help or collective action in the population. 30 CW 3, p. 936. 31 CW 3, p. 808. 32 CW 3, p. 801. 33 CW 3, p. 800. 34 CW 3, p. 938.

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vices according to their personal preferences. Regard for human freedom and dignity precludes paternalist prohibitions of market transactions between consenting competent adults. Note that Mill presents his justification of this constraint on market regulation not in his Principles but in On Liberty. As already mentioned, the art of liberal economic policy presupposes not only portions of the science of political economy and considerations regarding the desirability of wealth; it also includes normative side-constraints from higher-order parts of what Mill calls the Art of Life. In sketching a utilitarian justification of regard for freedom and dignity, On Liberty provides one of the two basic norms of a good society. We can now turn to the second question. The principle of individual liberty does not only determine a circle of strict non-interference, but also sets a demanding justification requirement for »the defenders of legal prohibitions«.35 Firstly, authoritarian interventions that prescribe or interdict certain actions must be justified by considerations of, as Mill puts it, »absolute necessity«. By »absolute necessity« he seems to mean that a coercive measure (a) serves the prevention of harm to others or is in the interest of everyone, (b) is indispensable in the sense that no non-authoritative intervention or less intrusive form of coercion is sufficient for attaining this end and (c) is demonstrably effective in order to prevent a real risk of harm. »It is not a merely constructive or presumptive injury to others, which will justify the interference of law with individual freedom«.36 As to (a), it is a stock criticism that Mill does not provide a sufficiently selective criterion of »harm to others«.37 If most actions affect others in some form or another, Mill’s approach seems to imply that a narrowminded public which is offended by any deviation from custom or convention is entitled to use coercive means in order to suppress even the smallest impulse of individuality or non-conformity. Moreover, if the government or the public is entitled to sanction harm to others, it must be permissible, or even required, to punish a seller who offers products at low prices for harming his competitors. On closer inspection, though, it becomes apparent that Mill does not understand »harm« in a naturalistic way as »pain« or »displeasure«; he conceives of it as the transgression of »the appropriate region of human liberty«.38 This region has three areas: the first is the inward domain of conscience; the second, the liberty of »framing the plan of our life to suit our own character, of doing as we like, subject to such consequences as may follow«;39 and the third, 35

CW 3, p. 938. Ibid. 37 See for instance: von Hayek, Friedrich August: The Constitution of Liberty. Chicago 1960, p. 145. 38 CW 18, p. 225. 39 CW 18, p. 226 36

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the liberty of »combination among individuals: freedom to unite, for any purpose not involving harm to others; the persons combining being supposed to be of full age, and not forced or deceived«.40 These liberties belong to a system of subjective rights that protects what Mill calls in Utilitarianism an »extraordinarily important and impressive kind of utility«;41 the latter is lexicographically prior to other forms of utility, for instance the kind of pleasure that arises from the punishment of non-conformist behaviour. As far as liberty rights are concerned, the extraordinary importance and impressiveness of utility is due to two factors: Firstly, according to Mill, competent judges have a »decided preference«42 for the pleasures of liberty; they would not be willing to give up these pleasures for an infinite amount of the pleasure of conforming to custom and doing or thinking what one is expected to do or think. When Mill refers to a »sense of dignity«, he probably means that competent judges who know the value of autonomy or equality feel pity or contempt for those who are unable to experience such higher pleasures. Secondly, Mill is convinced that an adequate system of liberties is a necessary but not necessarily sufficient condition for human development. He conceives of human development as a tendency (a) to provide an ever-increasing number of people with the opportunity of framing the plan of their life to suit their own character43 and (b) to increase the number of people who choose more valuable life plans in the light of »experiments in living«.44 From a Millian point of view, market competition is a special case of the general principle that human progress is based on the variation and selection of cultural and social patterns. A system of subjective rights is justified in so far as it protects the conditions of human progress, or, as Mill puts it in On Liberty, individual liberties are »grounded on the permanent interests of man as a progressive being«.45 However, Mill included not only the protection of liberties but also subjective rights based on security among the »strong reasons« which are required in order to justify government intervention. According to Mill, security is the »most vital of all interests«.46 Generally speaking, it demands the protection of the basic conditions of one’s life plan. We enjoy security if our »fellow-creatures« join us »in making safe for us the very groundwork of our existence«.47 This means, on the most elementary level, »physical

40 41 42 43 44 45 46 47

Ibid. CW 10, pp. 250–251. CW 10, p. 211. CW 18, p. 226. CW 18, p. 281. CW 18, p. 224. CW 10, p. 251. Ibid.

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nourishment«48 but also such principles as the rule of law, protection of moral rights to property or the enforcement of contracts. These principles are critical for the legitimate expectations which form the backbone of our life plan, and thus for the enablement of a good life. In order to get a better grasp on Mill’s understanding of legitimate expectations, we must now turn to his conception of distributive justice. It will become apparent that Mill advocates a form of socialist liberalism.

3. Mill’s socialist liberalism An opening note on the socialist character of Mill’s liberalism might be in order. Anthony Crossland’s classic The Future of Socialism names Mill as a proponent of one of the twelve traditions of British socialist thought. He calls Mill’s variety of socialism »the theory of rent as unearned increment«,49 referring to the idea that income from landed property is »in no way deserved«50 and that a just society would redistribute rent or the land itself according to a principle of justice. It is interesting to note that some credible sources, such as Crossland, describe Mill as a socialist even in his most capitalist moments. To be more precise, even when Mill ponders the possibility of a just market society based on individual property, he formulates conditions that can be characterised as socialist. In the following, I will focus on this version of Mill’s liberal socialism. As I will briefly explain in my concluding remarks, though, Mill seriously considered the possibility that socialist firms are more productive than capitalist firms and that their economic success will usher in a new phase of human development. Whereas the non-interference principle is a rule of political deliberation with regard to the justification of optional government functions, Mill’s »highest abstract standard of social and distributive justice«51 pertains mainly to one of the necessary functions of government: the determination of a system of ownership and taxation. Mill gives only a rough outline of his standard of distributive justice and leaves it to others to spell out the details. The core idea is that the basic institutions of a just society must respond appropriately to individual desert. In Utilitarianism, Mill does not even say in generic terms how individual desert should be determined by society. However, in the Principles 48

»It required much experience, and careful examination of different modes of poor-law management, to give assurance that the admission of an absolute right to be supported at the cost of other people, could exist in law and in fact, without fatally relaxing the springs of industry and the restraints of prudence« (CW 2, p. 360). 49 Crossland, Anthony: The Future of Socialism. London 2006, p. 55. 50 CW 2, p. 216. 51 CW 10, p. 257.

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of Political Economy he says enough to make us sceptical of Hayek’s reading that »treatment by society according to desert« amounts to the »determination of a particular distribution by the government«.52 As non-interference is the default setting for optional state functions, equality is the default setting, according to Mill for the distribution of private property rights. He treats it as an open question whether a »body of colonists, occupying for the first time an uninhabited country«53 should establish a system of individual property or a system of »common ownership and collective agency«. However, if »private property were adopted« as the principle of the distribution of productive shares, the body of colonists would have to make sure that the instruments of production »would be divided fairly among them, so that all might start, in respect to outward appliances, on equal terms«.54 Mill even considers the possibility of compensation »for the injuries of nature« by apportioning the »less robust members of the community« more resources in order »to put them on a par with the rest«.55 Remarkably enough, he continues with the following remark: »But the division, once made, would not again be interfered with; individuals would be left to their own exertions and to the ordinary chances, for making an advantageous use of what was assigned to them«.56 In the light of these reflections, von Hayek’s apprehension that Mill advocates the determination of a particular distribution by government proves to be unfounded. Quite the reverse, Mill explicitly states that once a just distribution of initial endowments has been reached, a government is generally not entitled to interfere with the decisions of producers and consumers. One may additionally consider that Mill’s principle of non-interference is compatible with his highest standard of distributive justice only if the market process distributes the yields of production according to desert. He does not analyse in great detail under which conditions this would indeed be the case. But he mentions some general principles that may give us some orientation. Firstly, Mill states as the »essential principle of property«,57 (a) that every person should receive an income according to her productive contribution and (b) that she may keep what she accumulates by her abstinence. The latter point is critical for the justification of capital income. However, the division of labour in cooperative production makes it difficult to determine the proper equivalent of a productive contribution in terms of money income. One admittedly imperfect estimate is the wage earned as the result of demand and supply in the labour market. It is an imper52 53 54 55 56 57

Hayek according to Su: Economic Justice, p. 158. CW 2, p. 201. Ibid. Ibid. CW 2, pp. 201–202. CW 2, p. 227.

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fect estimate because wages may contain a rent component due to transaction costs, exploitive behaviour and imperfect information. Moreover, the distribution of the gains of cooperation is not fully determined by the laws of production so that the resulting shares of capitalists and wage-earners reflect their respective bargaining power. For instance, the so-called reservation wage – the minimal wage for which a person is willing to perform a task – is typically private knowledge. It is thus very likely that the income of many economic agents contains a rent component. Since the wage rate is the result of bargaining between market participants, Mill does not »hesitate to say that associations of labourers (…) far from being a hindrance to the free market for labour, are the necessary instrumentality of that free market; the indispensable means of enabling the sellers of labour to take due care of their own interests under a system of competition«.58 The fair determination of the wage rate presupposes that the working class is equipped with sufficient power for what Adam Smith calls »the higgling [haggling or bargaining, MS] of the market«.59 In other words, the essential principle of property demands the existence of trade unions or other institutional arrangements that protect the interests of workers. The second principle that Mill mentions gives the involved parties a sense of what an adequate solution to the bargaining problem might look like. He says that a just system of individual property would be one in which »every member of the community« were to participate fully »in its benefits«.60 Full participation in the benefits of cooperation should, I think, be interpreted in the sense that the incomes of every deserving member of the community develop in line with the overall wealth of society. Applied to bargaining over wages in individual capitalist firms, this principle could be interpreted more specifically by, to use John Rawls’s term, »close-knitting«61 the income development of capitalists and employees. On the level of an entire industry, productivity development could be an indicator for the adjustment of wages; on the level of the whole country, one could examine whether real incomes grow in line with the economy. These admittedly coarse-grained but arguably plausible principles help us to determine whether a market system based on individual property of the means of production distributes incomes according to desert. Within Mill’s theoretical framework, it is an open question whether an imperfectly just distribution of market incomes licenses government interference. Even if markets distribute incomes in a way that arguably deviates from 58 59 60 61

CW 3, p. 932. Ibid. CW 2, p. 214. Rawls, John: A Theory of Justice. Cambridge, Mass., London 1971/1999, pp. 70–72.

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the highest standard of distributive justice, it is not certain that a government (a) is able to correct the imperfection at all or (b) is able to do so without violating individual liberty or well-being or subverting the preconditions of human progress. Those who advocate government interference in the workings of the market have to make a case to the effect that (1) the unregulated market violates important kinds of utility, (2) the intervention is unavoidable in order to protect the higher-order interests of market participants and (3) the existence of the injustice and the effectiveness of the correcting measure are not just speculative but evidenced by solid data and sound reasoning. Mill recommended correcting undeserved inequalities mainly at the source, as it were, by means of redistributing property rights instead of tampering with market processes. Since he considered individual property to be justified as the recognition of the moral right of the producer to his product, he was opposed to the »unearned advantage« of those »who have inherited the savings of others«.62 In the Principles he seems to be advocating the redistribution of these unearned advantages in order to give all children a »fair chance of a desirable existence, to which they are entitled«.63 Mill brings forward a similar argument with regard to property in land. Since no »man made the land«, it is »the original inheritance of the whole species«.64 However, Mill follows Bentham in the idea that security is an »extraordinarily important and impressive kind of utility«65 which demands protection against sudden or unforeseeable changes in legislation. As a consequence, he argues that the legislator must compensate landowners for dispossession even if their title cannot be justified by utilitarian considerations. Moreover, he goes so far as to defend the compensation of slaveholders, arguing that »iniquitous as it is, (…) when the state has expressly legalized [property in human beings, MS] (…) for generations, [and humans, MS] have been bought, sold, and inherited under sanction of law, it is another wrong, in abolishing the property, not to make full compensation«.66 Mill was convinced that the transition from an unjust to a just society must be achieved in a manner that is just itself; this requires recognising that even the beneficiaries of injustice have legitimate expectations that arise from engrained societal practices. These expectations must not be ignored in the course of the transition. Considerations regarding transitional justice are also crucial to

62 63 64 65 66

CW 2, p. 216. CW 2, p. 222. CW 2, p. 230. CW 10, pp. 250–251. CW 2, p. 233.

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what Mill has to say in his most socialist moments. In these moments he considers the possibility and desirability of fully-fledged socialism in the sense of a society in which capital is the »joint property of all who participate in their productive employment«.67 By joint property, he does not mean that the government owns and manages all productive resources. As we have already seen, Mill conceives of command economies as something incompatible with freedom and human development. The only form of socialism that would be possibly desirable would be one in which socialist firms, managed and owned by the workers, compete with each other in the market. Mill was convinced that the principle of the socialist firm is based on trust in many of the most laudable human dispositions, such as the willingness to take responsibility for a common enterprise on the basis of fair terms of co-operation. Since we are largely ignorant about the strength of these dispositions in the present state of society, the viability of socialist firms must be established by experience. Mill considered it an open question whether a just capitalist firm, »associating their work-people in the profits«,68 or a socialist firm is more efficient. However, he thinks that we have to take the possibility seriously that socialist firms will attract higher qualified and better motivated people and thus produce higher profits than just capitalist firms. Borrowing the language that the magazine The Economist reserves – sometimes tongue in cheek – for those working in the financial sector: The »best and the brightest« will work in socialist firms because they prefer co-responsibility for a common enterprise on equal terms to the »condition of labouring for wages«69 in a hierarchal organization. If this were indeed the case, socialist firms would be more profitable than capitalist firms. Under these conditions, individual capitalists would prefer to invest their money in socialist firms instead of running a capitalist enterprise. The road to liberal socialism would be the peaceful result of rational investment decisions of capital owners. In a nutshell, Mill’s idea of a just transition to socialism was that of a »kind of spontaneous process« driven by the principle of profitability and material self-interest in combination with the desire of the »best and the brightest« to co-operate with others on terms of equality. When compared against the standard of this vision, Mill was very critical of the dominant socialist tendencies on the European continent. To a certain degree, he could understand the hope to see a free and just society realised »in their own time and at a blow«. But he was convinced that one must resist this impulse for normative and scientific reasons. With hindsight, one cannot read his prophetic remarks on the »fright-

67 68 69

CW 3, p. 793. CW 3, p. 792. CW 3, p. 766.

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ful bloodshed«70 that a socialist revolution will necessarily unleash without a shudder. As we have seen, his misgivings about revolutionary violence were not only of a moral nature. It is the combination of what he called »a recklessness of other people’s suffering«71 with hubris regarding knowledge that horrified him.

70 71

CW 5, p. 737. Ibid.

Birger P. Priddat

Die Transaktion als Juxtaposition und als Kooperation Differente Interpretationen des Marktes

1. Märkte als Transaktionsfelder Transaktionen koppeln zwei Aktanten.1 Beide Aktanten agieren auf Märkten unabhängig, finden aber in der Transaktion zusammen. Da Transaktionen – Kauf oder Verkauf – über Zahlungen abgeschlossene Vorgänge darstellen, geht man davon aus, dass sich die Aktanten über andere Transaktionsmöglichkeiten erkundigt haben, um dann final sich nur für eine davon zu entscheiden. Daraus zu schließen, dass sie die Transaktion eingehen, weil es für sie den optimalen Kauf oder Verkauf bedeutet, ist aber eine normative Interpretation, die jede ökonomische Handlung als rational choice wertet; faktisch oder empirisch können die Aktanten andere Motive, Gründe oder Anreize haben, die nach einem rationalen Referenzkriterium als unzureichend oder suboptimal gelten mögen. Für das Zustandekommen der Transaktion sind die Motive, Gründe oder Anreize der Aktanten gleichgültig; die Transaktion gilt als erfolgt bzw. als erfolgreich, wenn die Zahlung getätigt ist. Man kann Märkte als Mannigfaltigkeiten von Transaktionsprozessen beschreiben, ohne auf Optimalität der Transaktionsdurchführungen bestehen zu müssen. Der Markt prozessiert transaktional effektiv, ohne effizient sein zu müssen.2 In der Ökonomik wird gewöhnlich angenommen, dass Transaktionen nur die Ortsangabe bzw. die Passierstation der individuellen Nutzenmaximierung der beteiligten Vertragspartner sind. Als eigenständige Institution wird die Transaktion gar nicht wahrgenommen. Nur so kann sich der Eindruck erhalten, als ob die individuelle rational action der entscheidende Operator der Ökonomik sei (das »methodologische Individuum«). In dieser Logik bestimmt die 1

Es ist offensichtlich, dass niemand in Märkten tauscht. Sondern wir haben es – fast ausschließlich (barter-Geschäfte ausgenommen) – mit Ware/Geld-Relationen zu tun: mit Transaktionen. Das zu betonen ist wichtig, weil damit alle äquivalenztheoretischen Implikationen (wie auch Gerechtigkeitszuschreibungen) entfallen können. Wir kommen darauf zurück. 2 Vgl. Priddat, Birger P.: Mutual and self-enforcing agreements. Neue Anmerkungen zur Vertragstheorie der Ökonomie. In: Die Zukunft der Firma. Hg. v. Josef Wieland. Marburg 2011, S. 61–90 und Priddat, Birger P.: Kollaborative Vertragsprozesse und Netzwerke. Williamson and beyond. In: Verantwortung in der globalen Ökonomie gestalten. Governanceethik und Wertemanagement. Hg. v. Stephan Grüninger et al. Marburg 2011, S. 111–146.

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Nutzenmaximierung den Prozess; in der so beschriebenen Transaktion treten Akteure vorentschieden gegeneinander auf und gehen nur deshalb in contract, weil sie das Angebot des jeweiligen anderen vorher im Markt als das beste geprüft haben, in Vergleich und Konkurrenz aller anderen Angebote. Das heißt: Jeder der beiden Aktanten hat bereits virtuell kontrahiert, bevor er reell kontrahiert. Dadurch kann die Transaktion interaktionsfrei dargestellt werden: Alles, was in der Transaktion vertraglich beschlossen wird, ist individuell bereits vorher (mit sich selber) »beschlossen« und koinzidiert das lediglich im Vertrag, d. h. passiert ihn lediglich wie einen juridischen Filter. Weil die Akteure in dieser Beschreibung dermaßen vor-entschieden sind, ist es nicht nötig, der Transaktion in der Standardökonomik eine besondere Funktion zuzuweisen. Beide Aktanten treffen sich, um das, was sie gegen andere bereits vorentschieden haben, final in contract zu bringen. Die Transaktion ist nur der Ort der Juxtaposition, der momenthaften Annäherung zweier im Prinzip unabhängiger Akteure. Sie bleiben in Konkurrenz, haben aber für den juxtapositionalen Moment entschieden, sich miteinander zu »vertragen« (in Vertrag zu gehen. Das »Sich-Vertragen« ist die Ausnahme in einer eigentlich konfliktären oder Wettbewerbssituation.) Sie haben dann nichts weiter miteinander zu tun, als Zug um Zug Ware und Geld zu übergeben. Jeder – wird zudem unterstellt – maximiert seinen Nutzen aus dem Vertrag. Das heißt, dass es bei der Transaktion kein Moment der gegenseitigen Berücksichtigung gibt, außer darin, den anderen als die notwendige – gleichsam technische – Bedingung des Gelingens der eigenen Nutzenmaximierung zu sehen. Ohne diesen minimalen Bezug bliebe die individuelle Nutzenmaximierung fiktiv (einer kann so rational wie möglich entscheiden – wenn er keinen Vertragspartner findet, bleibt seine individuelle rational action marktirrelevant). Die beiden Aktanten nähern sich nicht nur im vollen Besitz ihrer je eigenen Nutzenmaximierungsintention dem anderen, um sich bezugslos auszutauschen, sondern sie müssen final interagieren. Sonst findet keine ökonomische Handlung statt (die nur in der Form der Transaktion überhaupt stattfinden kann). Dass diese Interaktion eine »interaktionsfreie Interaktion« ist, sei nur der Vollständigkeit halber nachgereicht. Die Ökonomik interessiert sich für das Vollzugsmoment bzw. -signal, nicht für die Interaktion selbst. Tatsächlich aber haben wir es mit einer minimalsoziologischen Interaktion zu tun, die in economics allerdings so beschrieben wird, als ob sie nur das juridisch markierte Ende einer Näherung zweier ansonsten ökonomisch unabhängig definierter Akteursindividuen sei. Sie nehmen Bezug auf die Sache, die zur Transaktion ansteht, aber nicht auf sich selber; gleichsam ein technischer Vorgang. Doch bleibt eine (minimal-)soziologische Interaktion offensichtlich, was zu beweisen ansteht.

Die Transaktion als Juxtaposition und als Kooperation

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2. Die Transaktion als Interaktion Die Transaktion ist allerdings fundamentaler ausgelegt, als die Ökonomik sie interpretiert. Denn sie ist kein bloßes Medium wechselseitiger Nutzenmaximierungen, sondern eine Gewährleistungsinstitution für erfolgreiches gemeinsames Kontrahieren als Kauf/Verkauf. Sie hat institutionale Qualität: Sie ist der einzige Ort im Markt, der Handlungskoordination – und damit den Markt selber – herstellt. Und zugleich – das werden wir genauer analysieren – ist jede Transaktion potentiell ein Ort von Kooperation (bzw. ein möglicher Phasenübergang von bloßer Koordination in bewusste Kooperation).3 Herstellung von Handlungskoordination ist primär kein Maximierungsvermittlungsereignis, sondern schlicht ein Verfahren, Kauf und Verkauf geltend zu machen, in juridischer Einbettung. Das juridische Institut (Vertragsrecht) kann aus der Transaktion nicht eliminiert werden; wir haben es mit einer triadischen Instanz zu tun, die ökonomische, juridische und soziologische Dimensionen verbindet.4 Ohne die juridisch-institutionale Einbettung sind Transaktionen unsichere Koordinationsagentien, d. h. vertrauensarm. Die juridische Einbettung sichert die Revision bei Betrug und anderen Verfehlungen. Gerade wenn man sich mit den je eigenen Nutzenvorstellungen maximierend gegenübersteht, muss Vertrauen herrschen, nicht ausgebeutet zu werden. Die Transaktion ist – de intentione – ein »herrschaftsfreies Institut«5, in dem sich 3

Vgl. Priddat, Birger P.: Akteure, Verträge, Netzwerke. Der kooperative Modus der Ökonomie. Marburg 2012. 4 Vgl. Teubner, Gunther: In the Blind Spot: The Hybridization of Contracting. In: Theoretical Inquiries in Law. Vol. 7 (2006), S. 51–71. 5 In dem Sinne ist der Markt historisch seit der Neuzeit (vgl. Priddat, Birger P.: Leidenschaftliche Interessen: Hirschmans Theorem im Blickpunkt alternativer Rekonstruktionen. In: Albert Hirschmans grenzüberschreitende Ökonomik. Hg. v. Ingo Pies u. Martin Leschke. Tübingen 2006, S. 29–54) eine zivilisatorische Instanz (vgl. den doux commerce-Diskurs im 18. Jahrhundert): Sie konstituiert die bürgerliche Gesellschaft (civil state bei Thomas Hobbes und John Locke), weil sie in den Handels- und Transaktionsbeziehungen horizontale Interaktionsfelder eröffnet, die in ihrem Bannkreis die vertikalen Herrschaftsformen ausschließen (sollen). Darin scheint bereits die politische Möglichkeit der Republik auf; deshalb wird die neue Ökonomik Ende des 18. Jahrhunderts zu Recht auch eine politische Ökonomie genannt (mit der besonderen Implikation, zumindest bei Adam Smith, Monopol-Macht-Ansprüche im Markt staatlich auszuschließen). Der Markt solle ein natural system of liberty werden, d. h. eine macht- und herrschaftsfreie Institution. Der Markt der Political Economy des 17. und 18. Jahrhunderts ist eine ökonomische Polis-Konzeption: der Selbstherrschaft (als Ordnung) der Bürger als rechtsgleiche Personen. Güter/Preis-Bildungen sind gleichsam ›Abstimmungen‹ über Bürgerinteressen. Bürger sind jurido-politische Rechtssubjekte, denen ein marktkonfundierendes juridisches System eindeutige Eigentumsrechte zuweisen kann (eine Negation reziproker Verpflichtungsrelationen und fürstlicher Rechts-Willkür). Vgl. hierzu genauer Priddat, Birger P.: Die oikos-polis-Differenz als prägende Struk-

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die Transakteure als formal Gleiche gegenübertreten; unabhängig von ihren sozialen und Vermögenspositionen sollen sie sich über das, was sie wechselseitig interessiert, peer to peer einigen können.6 Die Transaktion markiert immer auch den juridischen Vertragsrechtsraum, in dem die Geschäfte konfliktfrei abgewickelt werden können. Und sie setzt einen Preisraum voraus, in dem die Bezahlungsmodalitäten signalisiert sind. Unbeachtet blieb bisher der Umstand, dass im Finale der Transaktion die beiden Aktanten sich nicht als Konkurrenten gegenüberstehen, sondern als Kooperateure, wenn auch nur für den Moment der Transaktion. Das betrifft nicht die je individuelle Intention (die weiterhin je nutzenmaximierend ausgeprägt sein mag oder nicht), aber das Einlassen auf Transaktionsstandards, was bedeutet, im Transaktionsmoment den anderen nicht zu übervorteilen. Die Transaktion ist eine zivilisatorische Institution, die verbietet, im Moment des Vertragsabschlusses den anderen zu betrügen, zu hintergehen etc. Jeder kann erwarten dürfen, dass das so geschieht. Darin sind beide Aktanten generell in einem gemeinschaftlichen oder kooperativen Modus (auch wenn sie sich subjektiv juxtapositiv nutzenmaximierend verhalten). Sie haben sich implizit (es nur im Fall des Rechtsstreites explizit machend) auf eine Ordnung eingelassen, eine zivilisatorische Regel, das einzuhalten, was sie sich gerade versprechen. Sie haben sich, implizit und explizit, deshalb auf diese Ordnung einzulassen, weil nur ihre Einhaltung den Erfolg der Transaktion gewährleistet. Wir können von einer transactional constitution reden, die, wenn sie explizit gemacht werden würde, beide Aktanten auf eine Reflektion der Bedingungen der Geltung der tur der neuzeitlichen Ökonomie/Politik-Formation. In: Oikonomia und Chrematistike. Wissen und Strukturen von »Wirtschaft« im antiken und frühneuzeitlichen Europa. Hg. v. Iris Därmann u. Aloys Winterling. München 2016 (in Vorbereitung) sowie Enkelmann, Wolf Dieter: Europa – Nichts als ein Versprechen. Eine Nacherzählung. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 692 (2006), S. 1103–1112. 6 Das ist der Grund, weshalb die Ökonomik hier von »Tausch« bzw. exchange redet (die Transaktion ist ein neuerer Begriff, der erst mit der institutional economics (zuerst Commons, John R.: Legal Foundations of Capitalism. New York 1995 [1924]) zum Theorievokabular hinzugekommen ist, wenn auch kaum durchgängig. »Tausch« wird a priori als Äquivalenzentausch gedeutet, d. h. als »gleich« im Wert dessen, was gegeneinander getauscht wird. Da wir aber de facto nicht mit Tauschakten, sondern mit Kauf/ Verkauf-Situationen zu tun haben, in denen Ware gegen Geld transferiert wird, ist der Transaktionsbegriff der einzig angemessene. Das bedeutet in der Umkehrung, dass weder Ware noch Geld apriori »gleich« oder gleich »wert sind«, sondern erst im Transaktionsprozess »für gleich« deklariert werden. Erst das Faktum der vollzogenen Transaktion erklärt Ware und Geld im je spezifischen Fall für »gleich«. Das aber heißt, dass das, was in diesen Prozess eingeht, ungleich sein kann. Wir haben es im Prinzip mit einem Bewertungsprozess zu tun (was uns entfallen ist, weil die meisten Transaktionen hochkonventionell verlaufen). Bewertungen aber, das werden wir gleich genauer behandeln, sind interpretationsoffen.

Die Transaktion als Juxtaposition und als Kooperation

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Transaktion verpflichtete. Implizit wird das, was die Transaktion als Institution ausmacht, wie eine Regel befolgt. Beide Aktanten befinden sich in einem Gerechtigkeits-Erwartungs-Gleichgewicht (wir sehen, wie sich im Markt eine soziale Konstruktion institutionell verankert offenlegen lässt). Im juxtapositiven Konzept der Ökonomik wird diese Gewährleistungsleistung der Transaktion ceteris paribus vorausgesetzt, aber konzeptionell ignoriert. Die beiden nutzenmaximierenden Transaktionspartner zeigen – in der Perspektive dieser Ökonomik – in ihrem Verhalten keine Reflektion auf die Einhaltungsbedingungen (als conditio sine qua non des Transaktionsgelingens); sie wissen nicht, dass sie in ihrem scheinbar nur eigeninteressierten Handeln die Institution mit re-produzieren.7 Die Transaktion als Institution wird ceteris paribus gesetzt, d. h. als Gratisleistung des juridischen Systems. In der Logik dieser Handlungsweisen kann sich die Haltung der Akteure allerdings auf smartness verschieben, d. h. auf eine hohe Aufmerksamkeit, das eigene Handeln darauf auszurichten, den anderen doch zu übervorteilen (Ausnutzen von Informationsasymmetrien etc.).8 Das, was die Transaktion als Institution in die Märkte historisch eingeführt hat – ihre kulturelle Substanz9 –, ist die enorme Qualität, als Vertrauensbasis für anonyme Partner dienlich zu sein.10 Sie verliert an Gewährleistungsqualität, wenn man sich wegen der smartness-behaviour wieder der Person bzw. deren personaler Integrität extra versichern muss, was z. B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass man fordert, wieder moralisch zu handeln (es ist pari passu nur ein anderer Ausdruck der Klage über die steigenden Versicherungskosten bzw. über die Unsicherheit hinsichtlich des transaktionalen Erwartungsgleichgewichtes).11

7

In der behavioural economics wird diese transactional constitution allerdings offensichtlich eingedacht, wenn die Akteure auf fairness abstellen, d. h. gegebenenfalls auf Nutzenmaximierung verzichten, um angemessene Transaktionsbedingungen eingehalten zu wissen (gegen free riders). Vgl. Falk, Armin: Homo Oeconomicus versus Homo Reciprocans: Ansätze für ein neues wirtschaftspolitisches Leitbild? In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 4, 1 (2003), S. 141–172 und Fehr, Ernst/Fischbacher, Urs: Social norms and human cooperation. In: Trends in Cognitive Sciences 8, 4 (2004), S. 185–190. 8 Vgl. Kabalak, Alihan: Rationale Gründe für Kooperation, Anhang 1. In: Leistungsfähigkeit der Sozialpartnerschaft in der Sozialen Marktwirtschaft. Mitbestimmung und Kooperation. Hg. v. Birger P. Priddat. Marburg 2011, S. 291–308. 9 Vgl. hierzu genauer den Schlussabschnitt des vorliegenden Beitrags. 10 Vgl. hierzu Deidre McCloskeys Darlegung der Vertrauensbasis des Handels in der Neuzeit. In: Dies.: The Bourgeois Virtues. Ethics for an Age of Commerce. Chicago, London 2006. 11 Indem man Moral für den Markt fordert, will man das geregelt wissen, was man vorher im Vertrauen auf die Gewährleistung der Transaktion durch die Transaktion selber geregelt zu wissen glaubte. Mit dem Verlust kultureller Institutionalität entstehen Informations- und Versicherungsmärkte, die das extra regeln wollen, was vordem impli-

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Denn die Transaktion ist jener Ort im Marktprozess, an dem sich zwei Aktanten wechselseitig versprechen, das einzuhalten, was sie dann kontraktuell ausführen wollen. Potentielle Versprechen haben sie vielen anderen Anbietern vorher zu geben erwogen, ohne dass eine Resonanz im Markt erfolgte. Erst in der konkreten Transaktionssituation geraten die Versprechen in Resonanz und gehen in Einlösung über. Alle vorherigen Transaktionsversuche, wenn wir den suchenden Prozess vorher (Léon Walras’ tatonnement)12 so nennen, sind erfolglos geblieben; nur erst dieser eine beginnt, transaktional wirksam zu werden (transactional lock-in). Der transaktionale lock-in hat zur Wirkung, dass alle Konkurrenz ausgeschaltet ist. Im konsensuellen Moment des Vertrages begegnen sich die Konkurrenten als Kooperierende. Dabei sind nicht nur die je individuellen Nutzen zu zählen, die sie voneinander haben, sondern auch der Nutzen, den sie durch die Transaktion als koordinative Ordnung haben. Wenn sie ihre losen Nutzenmaximierungsvorstellungen nicht final wettbewerbsausschließend koordinieren könnten, würden sie den Nutzen der Transaktion nicht erzielen können. Inmitten der Dynamik der Wettbewerbsmärkte ist die Transaktion – die einzige und ausschließliche marktliche Vermittlungs- und Kopplungsinstanz – zugleich, und mit Notwendigkeit, eine Wettbewerbsausschließung: damit ein non-market-Moment. Das bedenken wir kaum: dass die Kernoperation des Marktes, der durch Wettbewerb definiert ist, einen wettbewerbsausschließenden Phasenübergang birgt.13 Das sei hier extra betont, um die salvierende Funktion der Transaktion herauszuheben. Die Akteure, die im Konkurrenzmarkt als Rivalen auftreten, werzit möglich war. Der Preis der Marktbenutzung steigt (vgl. diverse Aufsätze in: Der Wert des Marktes. Hg. v. Lisa Herzog u. Axel Honneth. Berlin 2014). Ob die laufenden mannigfaltigen Transaktionen, die einzig die Märkte machen, weiterhin den Vertrauensraum stabilisieren, ist aktuell wieder in Frage gestellt: als moralische Frage an die Ökonomie. Deshalb muss es noch kein empirisches Problem sein, aber die Ridikülität mancher Transaktionsgebahren ist schon Mark Twain beim Eisenbahnmagnaten Jay Gould (in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts) aufgefallen: »Beschaff ’s dir (Geld) auf unehrliche Weise, wenn du kannst; auf ehrliche, wenn du musst.« (Mark Twain, zit. bei Greiner, Ulrich: Alles klar! In: ZEIT-Literatur Nr. 49 (2012), S. 52–55; vgl. Twain, Mark: Meine geheime Autobiographie. Berlin 2012, 2 Bde.). Die Thematisierung von Moral ist keine notwendig analytische Aussage, aber ein Indikator (vgl. Priddat, Birger P.: Moral als Indikator und Kontext von Ökonomie. Marburg 2007). 12 Uzawa, Hirofumi: Walras’ Tâtonnement in the Theory of Exchange. In: The Review of Economic Studies 27, 3 (1960), S. 182–194. 13 Jede Entscheidung ist eindeutig ein Ausschluss aller Alternativen. Die entscheidende Frage bleibt: nach welchen Kriterien welcher Alternativen? Der hier interessierende Unterschied ist der: dass in der Transaktion als Prozess potentiell selber – emergent wechselseitig bzw. gemeinsam – geklärt werden kann, was endgültig als Entscheidung resultieren soll.

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den momenthaft »Freunde« oder Partner. Die Bedeutung dieser historisch der Transaktion zugewachsenen Funktion lässt sich nur im weiten Sinne politisch verstehen, wie wir sie bei Montesquieu etwa als doux commerce-Argument lesen.14 Im friedlichen und friedfertigen Handel werden Rivalitäten nicht-militärisch, gewaltlos gelöst. Der Markt selber ist eine proto-politische Form des sozialen Vertrages, wie ihn Hobbes und vor allem Locke thematisiert haben.15 Zwei »Einigungen« überlagern sich: die institutionelle »Einigung«, als Bestätigung einer erwarteten Regel, und die faktische »Einigung«, die schematisch oder aber mutualistisch erfolgen kann, mit gegenseitigen Zugeständnissen bzw. »Gaben«. Wagen wir es, das auf die Institution der Transaktion in Märkten herunterzubrechen, verstehen wir wieder, dass erst die rechtliche und habituelle Institutionalisierung des Markthandelns Formen der Konkurrenz produktiv machen kann, da außerhalb dieser Gewährleistungsinstanzen die kooperativen Kopplungen unwahrscheinlich sind oder zumindest riskant und deswegen geringzahlig. Die Transaktion ist der im Markt eingelagerte social contract; wir nannten es eine transactional constitution. Das Vertragsrecht ist die geronnene institutionelle Form dieser Einigung, die à deux bzw. bilateral stets erneut wiederholt wird, gleichsam als mikro-prozessuale Bestätigung des social contract des Marktes als zivilisatorischer Instanz der produktiven Konkurrenz.16 Die Gewährleistungsqualität der Transaktion als Institution hat sich historisch als mimetische Operation etabliert (was sie fortlaufend weiter leistet, außer im Indikatorenbereich nachlassender Befolgung). Die beiden Aktanten, die die Transaktion realisieren, realisieren nicht nur ihrer beider Nutzen, sondern zugleich auch die Institution selber. Die Leistung der Institution besteht wesentlich darin, sich auf ein Objekt zu einigen (auf den Transaktionsgegen-

14

Siehe oben, Anm. 5 sowie Hirschman, Albert O.: Leidenschaften und Interessen. Politische Begründungen des Kapitalismus vor seinem Sieg. Frankfurt am Main 1987. 15 Die dichteste Fassung des social contract lesen wir bei Sigmund Freud: »Gewalt wird gebrochen durch Einigung, die Macht dieser Geeinigten stellt nun das Recht dar im Gegensatz zur Gewalt des Einzelnen. Wir sehen, das Recht ist die Macht der Gesellschaft.« (Freud, Sigmund: Warum Krieg? In: Ders.: Studienausgabe in 10 Bänden, Bd. IX. Hrsg. v. Alexander Mitscherlich et al. Frankfurt am Main 1982.). Vgl. zu Locke auch Priddat, Birger P.: Eigentum, Arbeit, Geld: Zur Logik der Naturrechtsökonomie bei John Locke. In: John Locke. Zwei Abhandlungen über die Regierung. Hg. v. Michaela Rehm u. Bernd Ludwig. Berlin 2012, S. 79–94. 16 Deshalb sind wir kulturell so erschrocken, wenn das in den hypermodernen Finanzmärkten anscheinend auszusetzen beginnt. Haben wir es mit dem Beginn einer DeInstitutionalisierung zu tun? Vgl. Chesney, Marc: Zum Widerspruch zwischen der Logik des Finanzsektors und den Prinzipien des Liberalismus. In: Kapitalismus – eine Religion in der Krise II. Hg. v. Georg Pfleiderer et al. Baden-Baden 2015, S. 59–76.

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stand inklusive seines monetären Kompensats), statt sich weiterhin in Rivalität zu halten. Der Philosoph René Girard hat die Kulturentwicklung auf ein mimetisches Begehren zurückgeführt. Rivalität entstehe um Objekte, die man begehrt, weil man das begehrt, was andere begehren. Wenn das Objekt aber in diesem mimetischen Begehren verschwindet, schlägt Rivalität in Gewalt um.17 Transaktionen sind Instanzen, die genau diesen Umschlag verhindern können, als rivalitätsmoderierende Objektvermittlung. Girard entwirft das Begehren als ein sozial-konkurrentes, nicht als individuellen Wunschtraum (die ›romantische Lüge‹). Damit ist es von vornherein latent gewaltfähig. Was Girard gegen den social contract als Konzept einwendet, dass er vor diesen Gewaltumschlägen nicht schütze,18 kann für den micro-social contract der Transaktion auch gelten – Gewalt hieße dann, dass die Aktanten in den Zustand der wechselseitigen Übervorteilung zurückfallen. Aber im Normalfall leistet die Transaktion die Aufrechterhaltung produktiver Rivalität, die nicht in wechselseitige Gier und Übervorteilung (Gewaltdimension) umschlägt. Sie hat gegen diesen Umschlag keine Sanktionen (außer den rechtlichen); nur die kulturelle Inhabitation oder die Gewöhnung daran, dass das Einhalten von Verträgen einen eigenen Nutzen generiert, der die individuellen bilateralen Nutzen überhaupt erst zu realisieren gestattet, macht sie zu einer effektiven Institution. Darin ist eine Symmetriebehauptung eingelagert: dass beide ihre Nutzen realisieren können sollen (gleichsam ein Exploitations- bzw. ein wechselseitiges Herrschaftsverbot). Jeder Aktant spiegelt die eigene Nutzenerwartung im anderen; nur so kommt der Vertrag in der Transaktion zustande. Damit wird dem anderen bereits immer schon zugestanden, seine Nutzenerwartung zu erfüllen, aber unter der mitlaufenden (konstitutionellen) Bedingung, dass beide sich wechselseitig diesen Zustand zugestehen. Es ist eine gespiegelte Mimesis des Begehrens, die im friedvollen Moment des austauschenden Zugeständnisses ihre Rivalität aussetzt.

3. Die Transaktion als emergenter Prozess und kultureller Operator Man muss zwischen dem konkurrenten Such- und Vergleichsprozess vor der Transaktion und der Transaktion als eigenständigem kooperativen Prozess unterscheiden. Beide Prozesse zusammen bilden den Marktprozess. Käufer suchen das beste Angebot, Verkäufer suchen Nachfrager, die sich auf ihr Angebot 17

Vgl. Girad, René: La violence et le sacré. Paris 2011 und Palaver, Wolfgang: René Girards mimetische Theorie. Wien 2004. 18 Vgl. Palaver: René Girards mimetische Theorie.

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(und seinen Preis) einlassen. Es ist eine laufende Vergleichskommunikation, in der Überredung (Werbung) dominiert.19 Die Verkäufer befinden sich in Konkurrenz um die Nachfrager, aber auch die Nachfrager befinden sich in Konkurrenz, denn es geht beim Konsum nicht nur um Preis-/Qualität-Optimierung, sondern auch um Status- und Anerkennungskonkurrenz. Die Rivalität der Nachfrager untereinander beruht auf performativer Differenzierung. Man begehrt das, was andere schon haben und dadurch »sind«.20 Wenn der erwartete Nutzen in einer sozialen Positionierung besteht, mit anderen gleichzuzuziehen oder sie zu übertrumpfen (social rivality), ist der subjektive Preis nicht nach einem Standard zu bemessen, sondern nach der Rivalität. Man kauft sich ein in die neue social community oder will sich in ihr dominant präsentieren. Man will das »sein«, was andere »sind«. Das sind preistreibende Momente (bzw. der Preis wird als Eintrittsgebühr in exklusive soziale Räume marginalisiert).21 Ist der Zustand erreicht, dass zwei Aktanten in Transaktion gehen, verabschieden sie sich aus dem Suchprozess und gehen in einen anderen Modus, der die Rivalität in Kooperation wandelt. Dieser Phasenübergang ist latent labil, da man auch aus dem finalen Vertragsprozess jederzeit wieder aussteigen und in den Suchprozess zurückgehen kann. Transaktionen sind aber potentiell bargaining-Situationen: Man kann verhandeln. Die meisten Konsumkaufakte sind gewöhnlich standardisierte Verfahren ohne Verhandlung. Aber das bargaining kann jederzeit beginnen und eigene Ergebnisse zeitigen, die dann, wenn sie geschehen, völlig unabhängig von den Konkurrenzangeboten des Marktes entstehen. Der gewöhnliche Konsumakt ist hochgradig konventionalisiert: Man kauft das, was angeboten wird. Die Verhandlungen sind vorher geschehen, durch die Wahl dieses und keines anderen Transaktionspartners. Und: Die Zeichen sind gesetzt (Preise, Mengen, Qualitäten). Aber man kann in den Transaktionen jederzeit aus den konventionellen Schemata austreten. Dass Transaktionen potentiell bargaining-Situationen sind, zeigt nur, dass die Transaktion eine eigenständige Institution ist, die gegebenenfalls andere Preise erzielt als die, die im Markt offeriert werden. Das findet immer dann statt, wenn einer dem anderen etwas gewährt, was im Marktraum vorher nicht 19

Vgl. Priddat, Birger P.: Economics of persuasion. Ökonomie zwischen Markt, Kommunikation und Überredung. Neue Einsichten in der Ökonomie. Marburg 2015. 20 Vgl. Dumouchel, Paul/Dupuy, Jean P.: Die Hölle der Dinge. René Girard und die Logik der Ökonomie. Berlin, Münster, Wien, Zürich, London 1998. 21 Vgl. Priddat. Birger. P.: Wertlose Preise. Der Preis als Eintrittsgebühr in den Konsum. In: Ders.: Economics of persuasion, Kap 9. Man müsste den Markt a, den Gütermarkt, mit einem Markt b korrelieren, der die Statuswerte ermisst. Der Preis wäre dann ein Preis aus zwei Knappheitsdimensionen, die in einem zu analysierenden Estimationsprozess zweier verschiedener pairwise matchings entsteht, d. h. in einer Kreuzung zweier Skalen, die nicht kongruieren.

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zu ermessen war: z. B. der Vermieter dem Mieter einen Nachlass, weil er ihn sympathisch findet, z. B. der Hausverkäufer dem Käufer einen »Freundschaftspreis«, z. B. der Händler dem alten Kunden ein Vorzugsangebot, wie auch z. B. die Bank ihrem langjährigen Kreditnehmer, auf Gebrauchtmärkten, »unter Freunden«, in verwandtschaftlichen Geschäftsbeziehungen etc. Überall dort, wo sich persönliche Beziehungen innerhalb des Transaktionsprozesses aufbauen, haben wir es nicht mehr mit einer Wettbewerbsökonomie zu tun, sondern mit einer reziprozitären Ökonomie, in der einer dem anderen etwas »schenkt«.22 Die Gründe, Motive, Haltungen etc., die dazu führen, sind an dieser Stelle nebensächlich23, weil allein zu zeigen ist, dass jede Transaktion potentiell über ein solches bargaining einen ›eigenen Markt machen‹ kann – price making statt price taking –, der sich faktisch aus dem umgebenden Markt aus22

Reziprozitäre oder Gaben-Ökonomie ist kein ethnologisches Momentum vormoderner Gesellschaften, sondern – verteilt – präsent in allen Märkten und Non-Märkten (vgl. Hénaff, Marcel: Die Gabe der Philosophen: Gegenseitigkeit neu denken. Bielefeld 2014; Mauss, Marcel: Die Gabe: Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt am Main 1990; Priddat, Birger P.: Mehr als Effizienz? Über Allokation und die gabenökonomische Infrastruktur der modernen Ökonomie. In: Ders: Was ist?: Wirtschaftsphilosophische Erkundungen. Definitionen, Ansätze, Methoden, Erkenntnisse, Wirkungen, Bd. III. Hg. v. Wolf D. Enkelmann u. Birger P. Priddat. Marburg 2016; Hillebrandt, Frank: Praktiken des Tauschens. Zur Soziologie symbolischer Formen der Reziprozität. Wiesbaden 2008; Adloff, Frank/Mau, Steffen: Vom Geben und Nehmen. Zur Soziologie der Reziprozität. Frankfurt am Main 2005; Bowles, Samuel: Was Märkte können – und was nicht. In: Der Wert des Marktes. Hg. v. Lisa Herzog u. Axel Honneth. Berlin 2014, S. 470–510; Dommann, Monika: Markttabu, S. 183–206. In: Auf der Suche nach der Ökonomie. Hg. v. Christof Dejung et al. Tübingen 2014; Enkelmann, Wolf Dieter: Beginnen wir mit dem Unmöglichen: Jacques Derrida, Ressourcen und der Ursprung der Ökonomie. Marburg 2010). In den Transaktionen tauchen reziprozitäre Momente dann auf, wenn man dem Transaktionspartner etwas zugesteht, was außerhalb der Wettbewerbspreise liegt. Dann geht die anonyme Transaktion in eine persönliche Beziehung über, weil a dem b etwas »geben«, »schenken« will – aus welchen Motiven auch immer (zur Philosophie der Gabenökonomie siehe Derrida, Jacques: Falschgeld. Zeit Geben I. München 1993; Ricoeur, Paul: Wege der Anerkennung. Frankfurt am Main 2006 und Därmann, Iris: Theorien der Gabe. Hamburg 2010). 23 Wenn man bedenkt, dass nicht nur in den behavioural economics über das Spektrum der Gründe, Motive, Haltungen, Emotionen, Irrationalitäten, Anreize, Konventionen, Rationalitäten etc. geforscht wird, sondern generell inzwischen in Frage gestellt werden kann, inwieweit die Akteure in den Märkten die normativen Anforderungen durchgehender Rationalität erfüllen (vgl. Kahnemann, Daniel: Schnelles Denken, langsames Denken. Berlin 2012), dann haben wir es in den Transaktionen mit Konstellationen verschiedener Verhalten zu tun, mit asymmetrischen Ausgangspositionen, die transaktional bewältigt werden. Dann aber muss eine Ökonomik nicht mehr darauf bauen, dass ihre Akteure rational handeln bzw. als nutzenmaximierende Akteure in die Transaktion eintreten. Jedes Verhalten kann verarbeitet werden. Die Transaktionen arbeiten hocheffektiv, aber nicht notwendig effizient.

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klinkt. Das aber ist hier nur anzudeuten24, um zu zeigen, dass die Kooperation nicht nur ein Momentum ist, sondern als ein eigenständiger Prozess ausgefaltet werden kann. Auf jeden Fall ist die Rivalität ausgeschlossen, das heißt, dass im Kernprozesses des Marktes, in den Transaktionen, das Prinzip des Marktes: Konkurrenz, momenthaft aufhört. Wenn die Transaktion nicht als kooperativer Modus verstanden wird, sondern nur als Instanz, seine Vorteile zu maximieren, ist das Momentum der wechselseitigen Anerkennung des Begehrs des jeweils anderen ignoriert. Was die Transaktion als Aussetzung von Rivalität leistet, kann aber selbst wieder ausgesetzt werden. Die Aktanten verstehen dann die Transaktion als eine Arena, in der sie Informationsasymmetrien nicht nur nutzen, sondern selber produzieren, d. h. den anderen überreden oder nötigen, zu einem Preis zu kaufen oder zu verkaufen, der frei und kooperativ verhandelt anders gewesen wäre. Dazu gehören auch Begehrkommunikationen, die Valenzen simulieren, die nicht im reellen Nutzen des Gutes enthalten sind (Werbung etc.)25. Wir müssen die Sachdimension der Güter von ihrer sozialen Dimension unterscheiden. Begehren ist ein den Nutzen überschießender Zustand von Akteuren: ein phantasma oder eine Imagination. Im Markt muss sich Begehren erst in Nutzenerwartung übersetzen. Das ist ein erster Rationalisierungsschritt, der das Begehren (die Wunschmaschine) in marktadäquate Erwartungen eingrenzt. In den Nutzenerwartungen repräsentiert sich oft dennoch mehr, als der reelle Nutzen darstellt, den man erst im Konsum, d. h. nach dem Kaufakt erfährt. Wir können drei Phasen unterscheiden: Begehren, Nutzenerwartung, reeller Nutzen. Die Übersetzung von Begehren in Nutzenerwartung bleibt ein ambiguer Prozess, den die Überredungskommunikationen – Werbung der Anbieter, aber auch die Kommunikationen in der Gesellschaft und ihren Netzwerken – ausbeuten. Sie wollen zum Kauf anreizen, indem sie das Begehren aktivieren und damit die Differenz zwischen Begehren und Nutzenerwartung verwischen, wenn nicht löschen. Die Begehrlichkeit zu wecken unterläuft den rational choice-Prozess, der in der eher nüchternen Prüfung von möglichen

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Vgl. Priddat: Akteure, Verträge, Netzwerke und ders.: Mehr als Effizienz? Werbung ist nur scheinbar Information, vor allem aber wettbewerbsausschließende Überredung, ein Modus ökonomischer Kommunikation (Vgl. Priddat: Wertlose Preise; vgl. auch unsere Anm. 26 weiter unten). Man kann sie als eine Transaktion in der Transaktion kennzeichnen. Dann ist das Interpretationsangebot der Werbung ein ›Geschenk‹, das der Konsument ›dankend‹ annimmt, weil es ihn vor der kognitiven Anstrengung der rational choice bewahrt, ein eigenständiger Modus einer reziprozitären Ökonomie (siehe oben, Anm. 20). 25

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Nutzenerwartbarkeiten ablaufen sollte. Hier spielen kognitiv-affektive Verschränkungen eine erhebliche Rolle (neuroeconomics).26 Während die rational choice-Erklärung des Konsumhandelns auf Präferenzen setzt, d. h. auf kognitiv vorgebildete Rankings von möglichen Kaufalternativen, setzt die Begehrkommunikation auf Aussetzung der Präferenzen, um Alternativen dominant werden zu lassen, die rational überlegt (also rein kognitiv) nicht zur Wahl stünden (zumindest nicht an erster Stelle). In der Ökonomik werden Begehr und Präferenzen gewöhnlich umstandslos identisch gesetzt, aber die Differenz zwischen dem, was sich Konsumenten erträumen und dem, was sie vernünftigerweise sich selbst zur Wahl stellen können, ist so erheblich für den tatsächlich erfolgenden Kauf, dass wir nicht davon ausgehen können, Präferenzen wären gleichsam individuell kultivierte, überlegte Formen des Begehrs. Das kann man nur annehmen, wenn man die Überredungskommunikationen in den Märkten theoretisch ignoriert, die einzig dazu dienen, die Präferenzen zu irritieren, abzubrechen oder zu ändern.27 Die Ökonomik muss gewahr werden, dass sie in dem, was sie als Marketing marginalisiert, eine sie selbst irritierende Instanz in der Theorie hat, die eine bruchlose Anwendung ihres Präferenz- bzw. rational choice-Konzepts unmöglich werden lässt.28 Die Ökonomik hat sich einseitig auf einen Modus juxtapositiver Koordination eingelassen, der interaktive Modalitäten ausschließt. Wenn man aber die Transaktion ins operative Zentrum der Märkte stellt, sind juxtapositive wie alle anderen Koordinationsmöglichkeiten offen, d. h. sie lassen alle Formen der Kontraktion zu, alle Motive, Gründe, Anreize, Affekte etc. Es gibt – transaktionstheoretisch – keinen Grund, die durch die Transaktion gekoppelten Verhalten durch Rationalitätsprädikate auszuzeichnen. Rationalität kann genauso vorkommen wie Nicht- oder Irr-Rationalität, ohne dass die Marktfunktion gestört oder abgebrochen wird. Das ist keine andere normative Behauptung, sondern eine angemessene Erklärung für die faktisch asymmetrischen Verhaltenstypen, Nichtrationalitäten und anderen, aus der einseitigen rational choice26

Vgl. Kabalak, Alihan/Priddat, Birger P.: Emotion, Gefühl und Entscheidung. Elemente einer Affektenlogik der Ökonomie. In: Economics of persuasion. Hg. v. Birger P. Priddat. Marburg 2015, Kap.10. 27 Vgl. Priddat: Wertlose Preise. 28 Werbung ist ein Überredungsversuch, rationale Komparationen auszuschließen, d. h. andere Angebote offen oder subtil zu diskreditieren. Es wird dadurch eine spezifische Form individuellen bargainings eingeleitet: Die Werbung ›verhandelt‹ mit dem Konsumenten, nur diese Relation wahrzunehmen, alle anderen nicht. D. h. den (evtl. niedrigeren) Preis anderer zu ignorieren. D. h. auf das Maximieren zu verzichten, um subjektiv mit der Empfehlung zu leben, dass die überredende Relation die beste sei. Was hier das Beste/Maximale ist, beruht auf assertorischen Aussagen, nicht auf tatsächlichen Vergleichen – ein expliziter Verzicht auf rational choice. Vgl. Priddat: Wertlose Preise.

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Sicht atypischen, Handlungen, die empirisch vorkommen. Wir öffnen den Begriffsrahmen für das Empirische, ohne immer wieder neue Formen der Rationalität erfinden zu müssen, um den Effizienzmythos aufrechtzuerhalten. Dabei ändern wir die ökonomische Theorie in ihrem zentralen Punkt, indem wir zeigen, dass die Funktionsfähigkeit der Märkte vollständig erhalten bleibt, ohne dass sie die normative Anforderung auf Effizienz erfüllen muss. Empirisch aber sind die Akteure so häufig nicht auf Rationalität geeicht, dass wir das anerkennen und Theorien verwenden müssen, die diesem Umstand gerecht werden.29 Was wir den Akteuren zurechnen können, ist allein die Tatsache, dass sie Transaktionen abschließen. Das reicht völlig aus, um das Funktionieren von Märkten zu zeigen. Das erfolgreiche Gelingen von Transaktionen beruht nicht darauf, dass alle Beteiligten ein homogenes Verhalten einbringen, sondern Transaktionen sind umgekehrt in der Lage, heterogene Verhalten erfolgreich zu koppeln. Märkte sind Netzwerke von Transaktionen (von parallelen und sich kreuzenden Serien von Transaktionen), die alle möglichen Verhalten in Käufe/ Verkäufe koppeln können, ohne rationale Voraussetzungen notwendig zu machen. Anstelle von einer Rationalität der beteiligten Aktanten zu reden, haben wir es mit einer institutionellen Rationalität der Transaktion selber zu tun, die in der Kopplung des Inhomogenen besteht. Damit erweist sich der Markt als ein gesellschaftlicher Ort der Vermittlung von Akteuren, völlig unabhängig von ihren Familien, Stammes- oder Freundschaftsnetzwerken. Er ist ein öffentlicher Platz sui generis (agora), auf dem beliebige Beziehungen hergestellt werden können: friedlich und ohne Anerkennungs- oder Zugehörigkeitsnachweis. Märkte sind ideale Arenen der erfolgreichen Begegnung von Fremden, die sich nur in den 29

Der Schwerpunkt dieser Behauptung liegt nicht daran, die rational choice zu kritisieren, sondern ihre empirische Seltenheit zu betonen. Wir können die Märkte nicht so analysieren, als ob ihre Teilnehmer selbstverständliche oder ›natürliche‹ rational actors wären. Das ist der Effizienztraum der Ökonomik, der reell seltener vorkommt, als sie unterstellen muss; deshalb ist ihr immer wieder bemühtes Einfangen der atypischen Verhalten als je besondere Form der Rationalität selber schon traumatisch zu nennen. Der Ökonomik fehlt die methodische Gelassenheit, anzuerkennen, dass weite Felder des Marktverhaltens nicht rational ablaufen. Um die Rationalitätszuschreibung ubiquitär aufrechtzuerhalten, müssten Ökonomen die Liste Yudkowskis – basierend auf Kahnemann et al. (vgl. Kahnemann: Schnelles denken, langsames Denken) – in jedem Verhalten durchgehen und prüfen, ob sie die dort gelisteten kognitiven Mängelleistungen ausschließen können (vgl. Ferguson, Niall: Der Aufstieg des Geldes. Berlin 2009 und Yudkowsky, Eliezer: Cognitive Biases Potentially Affecting Judgement of Global Risks. In: Global Catastrophic Risks. Hg. v. Nick Bostrom u. Milan M. Cirkovic. Oxford 2008); eine zweite Liste emotionalen Verhaltens müsste aus der neuroeconomics hinzugefügt werden (vgl. Glimcher, Paul W./Camerer, Colin F./Fehr, Ernst/Poldrack, Russell. A.: Neuroeconomics: Decision Making and the Brain. Amsterdam et al. 2009). Erst wenn alle Mängel ausgeschlossen sind, kann davon geredet werden, dass der untersuchte Akteur rational zu handeln fähig ist. Das ginge nicht allgemein, sondern nur empirisch.

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Aspekten koppeln, die sie beide in dem Moment interessieren, ohne das »soziale Gepäck« der sonstigen Beziehungsarbeit. Darin liegt ihre revolutionäre gesellschaftliche Funktion, die immer von einer Kulturkritik begleitet wurde, die den Markt als Auflösung tradierter Beziehungen ansah. Einziges Kriterium ist die Zahlungsfähigkeit bzw. die Verfügbarkeit über Eigentumsrechte.30 Was die beiden Aktanten in der Transaktion beschließen, ist völlig ihnen allein anheimgestellt. Natürlich orientieren sie sich an vergleichbaren Alternativen auf dem Markt und wollen die beste Lösung. Das ist der Quellcode der Rationalität, die jeder in die Transaktion einbringen kann. Aber jede Transaktion ist letztlich ein lokales Ereignis, das sich aus der allgemeinen Komparation auskoppeln kann. Man kann sich sympathisch finden und eigene Übergaberegeln ersinnen. Oder man bricht die vergleichende Suche nach besseren Transaktionsmöglichkeiten ab, weil man es angemessen oder bequem findet, mit dem, den man gerade vor sich hat, den Vertrag einzugehen. Vor allem kommuniziert man und es reicht völlig aus, wenn man sich einig ist – aus welchen Gründen, Motiven, Anreizen etc. auch immer.31 In utility-terms: Es kann mir mehr nutzen, eine Transaktion in eine persönliche good relation eingebettet zu sehen (ohne notwendigerweise strategische Intentionen zu haben), weil ich dann meinen Vorteil mit dem anderen koppele, und zwar in bewusster Form: Ich kaufe bei ihm, damit es auch ihm gut geht. Nicht »gegen ihn«. Das, was man von dem anderen nicht fordert (nicht optimiert), ist ein Geschenk, eine Gabe an ihn. Der Markt de-anonymisiert in dieser Lokalität. Bedeutsam ist die Feststellung, dass potentiell jede Transak30

Das sind natürlich Exklusionsbedingungen. Die Marktfreiheit ist eine Freiheit innerhalb seiner Ordnung, keine allgemeine Freiheit, den Markt jederzeit nutzen zu können. Um an Märkten teilzuhaben, bedarf es Leistungsangebote, die in den Transaktionen übertragen werden. Jede andere wirtschaftliche Teilhabe läuft über non-markets, die einen erweiterten Allokationsraum bilden (öffentliche Güter, Sozialtransfers, Stiftungen, familiale Versorgungen etc.). Hier haben wir es mit reziprozitären Systemen zu tun (vgl. Priddat: Mehr als Effizienz?), die wir partiell im mutualistischen bargaining innerhalb von Transaktionen wiederfinden. 31 Die ökonomische Theorie versucht uns zu überreden, dass nur effiziente Handlungen ihr zuzurechnen seien. D. h. dass persönliche Beziehungen die mögliche Effizienz der Transaktionen übersehen. Was aber, wenn es für die Aktanten »effizient« ist, gerade eine persönliche Beziehung über die Transaktion zu generieren oder zu verfestigen? Man sieht leicht, dass es unangemessen ist, solche Beziehungen »effizient« zu nennen, weil es gerade nicht um ein »Besser« oder »Optimum« geht, sondern um eine hybride Estimation, in der mehrere Aspekte kompariert werden und einen Nexus bilden, der auf der homogenen Skala des »Mehr« oder »Besser« nicht verzeichnet ist (vgl. Priddat, Birger P.: ›mehr‹, ›besser‹, ›anders‹. Über den Steigerungsanspruch der Ökonomie. In: Was ist? Wirtschaftsphilosophische Erkundungen. Definitionen, Ansätze, Methoden, Erkenntnisse, Wirkungen, Bd. II. Hg. v. Wolf D. Enkelmann u. Birger P. Priddat. Marburg 2015, S. 333–370.

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tion de-anonymisieren könnte (wie ich wieder – aus persönlicher Treue – in der Buchhandlung kaufe, anstatt anonym bei Amazon zu bestellen). Es gibt keine natürliche Anthropologie des nutzenmaximierenden Menschen. Und es wäre unangemessen, diese production of social mood als Extension des Nutzenbegriffs zu verwenden. Wir sehen, dass wir im reellen Marktgeschehen häufig gabenökonomische Prozesse vorfinden, die nicht als effiziente Allokation verbucht werden, wohl aber als Allokation/Leistungsvermittlung.32 Und wir sehen, dass die Effizienzskalierung der Standardökonomie nicht zutreffen muss, wenn andere Skalierungen in die Transaktion einfließen. Transaktionen sind mehrdimensional auslegbar: Das kooperative oder bargaining-Momentum ist gleichsam eingerollt in der Transaktionsstruktur enthalten und jederzeit aktivierbar, als eigendefiniertes Geben und Nehmen. Selbst wenn sich Akteure angewöhnen, alle Transaktionshandlungen aus dem Eigeninteresse allein zu betrachten – das historische Lernprogramm der Ökonomik – ist das, was das eigene Interesse je sein soll und je sein kann, nicht a priori festgelegt und kann situativ und in der Interaktion modifiziert werden. Nur wenn wir die Alternativen, ihre Preise wie die eigenen Präferenzen als gegeben annehmen, als ontologische facta, kann die Transaktion nur als mechanische Antwort auf diese Vorgegebenheiten ausfallen. Der finale transaktionale Konsensus ist der entscheidende Schritt, nicht die optimale Realisation aus den Blickwinkeln anderer Beobachter. Wenn Aktanten das Empfinden haben, ihr »Optimum« wäre erreicht, kann die Transaktion erfolgreich abgeschlossen werden, ohne dass optimale Optima gesucht werden. Der Erfolg der Transaktion beruht nicht darauf, dass beide die optimal mögliche Lösung erlangt haben, sondern die, die sie beide in der Situation für ausreichend halten. 33 Deshalb sind Komparationen – die Suche nach noch besseren Lösungen – jederzeit abbrechbar und der Wettbewerb wird dann ausgeschlossen. Die Unterstellung der ökonomischen Theorie, dass erst und immer dann abgebrochen wird, wenn die jeweils optimalen Zustände erreicht sind, ist empirisch nicht haltbar. Die Rationalität der beteiligten Aktanten ist hoch32

Vgl. Priddat: Mehr als Effizienz? Robert Ayres spricht von einer »no-loss rule, instead of the maximizig principle utility rule of conventional Economics, namely that an exchange between two parties only happens if no one is worse off afterwards. Ayres calls this ›transactional irreversibility of the pairwise exchange …‹« (Lünsdorf, Nicole: Applied Thermodynamics in Evolutionary Economics. Dissertation an der Wirtschaftsfakultät der Universität Witten/Herdecke, Februar 2015 mit Bezug auf Ayres, Robert U.: Information, Entropy and Progress – A New Evolutionary Paradigm. American Institute of Physics, College Park 1994). Man will nicht schlechter aus der Transaktion herausgehen als man hineinging, aber nicht notwendig besser. Es geht vornehmlich um die Transformation, d. h. die Leistungsübergabe (als Allokation im engen Sinne, d. h. nicht als effiziente Allokation, nicht um deren Optimierung (vgl. Priddat: Mehr als Effizienz?)). 33

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elastisch, d. h. im strengen Sinne wird sie nicht eingehalten, wenn die optimale Suche abgebrochen wird. Deshalb ist jedes Verhalten möglich und die Transaktionen sind dennoch erfolgreich, wenn die beteiligten Aktanten zufrieden sind. Satifisfying ist das Kriterium, das Herbert A. Simon mit seiner bounded rationality als ausreichend eingeführt hatte.34 Bounded rationality formuliert aber immer noch eine – wenn auch eingeschränkte – rational choice. Es ist an dieser Stelle noch einmal zu wiederholen, dass jedes Verhalten transaktional bewältigt werden kann, auch Nicht-Rationalität oder Irrationalität. Niemand ist für den erfolgreichen Abschluss einer Transaktion verpflichtet, optimal zu handeln, wenn es ihm ausreicht, was im Kauf oder Verkauf gelingt. Wir haben mit der Transaktion einen Operator, der lediglich zwei Verhalten erfolgreich koppelt, ohne vorzugeben, welcher Art sie sein müssen. Rational choice hingegen ist ein normatives Konzept, das Akteure nötigt, komparativ aufmerksam zu sein. Aber viele bewegen sich in den Märkten nach ganz anderen Kriterien, was den Markt nicht stört, der funktional alle Verhalten effektiv verarbeitet. Aber selten effizient. Was leistet eine Transaktion? Sie vermittelt zwei Akteuren Leistungen. Eine Leistungsvermittlung heißt ökonomisch Allokation. Transaktionen sind bilaterale Allokationen: a bekommt eine Ware, b Geld. Wir konnten zeigen, dass diese Vermittlung/Allokation die entscheidende Leistung der Transaktion als Transaktion ist. Die Vermittlungsfunktion ist höherwertiger als die Effizienzfunktion. Sehen wir uns die Leistungscharakteristik genauer an. Drei Dimensionen der Transaktion haben wir bereits identifiziert: sie ist 1. ökonomisch eine Leistungsvermittlung bzw. -übergabe, 2. juridisch gegen Betrug versichert (juridischer Revisionsvorbehalt) und 3. soziologisch eine Interaktion (d. h. nur als Interaktionspaar – als pairwise matching – marktrelevant). Eine vierte Dimension ist bisher unbeleuchtet geblieben: die kulturelle Effektivität der Transaktion. Effektivität ist nicht »Effizienz«; das sei betont, weil der Ausdruck »kulturelle Effektivität« bereits ungewohnt ist. Jurij M. Lotman35 definiert Kultur wie folgt: »Eine Kultur – vom kleinsten Element bis zum großen Makro-Design – verbindet, erforscht und nutzt mindestens zwei unvereinbare und doch untrennbare Sprachen, die nicht Wirklichkeit kodieren, sondern Bedeutungen durch Wechselwirkung produzieren.«36 In seiner englischen Ver34

Simon, Herbert A.: Theories of decision making in economics and behavioural science. In: American Economic Review 49, 3 (1959), S. 253–283; Gigerenzer, Gerd/ Selten, Reinhard: Bounded Rationality: The Adaptive Toolbox. Cambridge, Mass., London 2001. 35 Vgl. Lotman, Jurij M.: Die Innenwelt des Denkens. Berlin 2010. 36 Baecker, Dirk: Künstliche Paradiese. In: XING. Ein Kulturmagazin 7, 21 (2011), S. 13.

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sion schreibt Dirk Baecker: »produce meaning through mutual interaction.«37 Das genau erklärt die kulturelle Funktion von Transaktionen. Sie leisten eine ungewöhnliche Vermittlung (die nicht dadurch aufgehoben wird, dass wir uns daran gewöhnt haben): Transaktionen vermitteln jedes Verhalten, wenn sie einen social mood herstellen, in dem beide Aktanten wechselseitig akzeptieren, dass ihr Vertrag, d. h. ihre Interpretation dessen, was sie sich vermitteln, gültig bzw. akzeptiert wird. Im Gegensatz zur Ökonomik, die voraussetzt, dass beide wissen, was ihre Interessen und Nutzen unabhängig vom Transaktionsprozess sind, entstehen die Nutzen potentiell erst im Prozess.38 Sie sind keine notwendig vorabgeklärten Tatbestände, sondern potentiell im bargaining der Transaktion erst gemeinsam herzustellen – und zwar potentiell singulär, lokal, nicht mehr mit dem umgebenden Markt korreliert – »produce meaning through mutual interaction«. Wir bekommen den Blick auf diese elastische Funktion der Transaktionen verstellt, wenn wir sie nur noch als Passierstellen vorgeklärter Individualrationalitäten sehen (wenn wir der Semantik der Ökonomik folgen). Als Instanzen der mutual interaction sind sie aber emergente Verhandlungsereignisse. Empirisch ist ihre emergente Wertbildung selten, aber latent jederzeit möglich. Doch gehen wir einen Schritt weiter, um die kulturelle Funktion herauszuheben. Als elastische Operatoren sind die Transaktionen auch in den Standardsituationen in der Lage, asymmetrische Beziehungen zu salvieren. Niemand ist gezwungen, einen Vertrag einzugehen, den er nicht freiwillig bedienen will. Auch die Informationen der Akteure sind häufig asymmetrisch, dennoch gehen sie die Transaktionen ein. »Asymmetrisch” heißt im strengen Sinne: dass die Rationalitätsbedingung nicht – oder zumindest nicht vollständig – eingehalten werden kann. Gemessen an dem, was die Akteure an Rationalität aufbringen sollten, verhalten sie sich empirisch vielfältig suboptimal. Jede suboptimale Transaktion ist – gemessen am strengen Rationalitätsstandard – unvollständig (d. h. potentiell revisionsoffen). Wenn aber die Transaktionen jedes Verhalten salvieren, das zu einem Abschluss kommt, den beide bilateral akzeptieren, sind viele Transaktionen unvollständig und bedienen dennoch die Märkte hocheffektiv.39 37

Baecker, Dirk: Artificial Paradise Revisited, 2012. papers.ssrn.com/sol3/papers. cfm?abstract_id=1865160. 38 Siehe oben, Anm. 6. 39 Beide Aktanten gehen als ungleich in den Prozess. Die Transsubstantiation, Ware in Geld zu verwandeln, macht beide gleich im Resultat des Prozesses, kann aber nicht a priori unterstellen, dass dort etwas Gleiches vermittelt wird. Jede Gleichheit, als Vertragsresultat, kann verschieden sein. »Kann« heißt: vom Potential der Transaktion als Transaktion her. Dass faktisch immer so transagiert würde, als sei schon von vornherein klar, was dort vermittelt wird, ist eine prozessignorante Annahme. Denn potentiell entscheidet die mutual interaction, was transaktional gilt, nicht, was die Aktanten vorher bereits meinen bestimmt zu haben. Oder was man meint, dass »der Markt« vorher

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Dass sie unvollständig, aber effektiv sind, heißt, dass sie revisionslos akzeptiert werden, ohne die Rationalität des »best off« auszureizen.40 Als kulturelle Operation hebt die Transaktion die Verschiedenheit der beiden Aktanten nicht auf: Sie vergleicht nur, was zwischen ihnen (mutually) vermittelt wird, aber nicht sie selber noch die verhandelten Objekte. Ware bleibt Ware, Geld Geld. Und die beiden Aktanten bleiben, wer sie waren – es sei denn, sie wandeln ihr Verhalten im Transaktionsprozess selber, indem sie sich wechselseitig etwas zugestehen, was ab ovo ihnen nicht ersichtlich war. Die Transaktion kann anonyme Vermittlung leisten wie persönliche. Ihre kulturelle Elastizität erlaubt alle Formen von sozialen Beziehungen; in dem Sinne zeigt sie sich als eine besondere Soziologie, die wir in der Moderne als Marktkultur ausgefaltet bekommen haben. Sie ist der große Transmitter, d. h. die einzige kulturelle Instanz, der es gelingt, alle Verhalten in effektive Kooperation zu bringen. Transaktionen sind in der Lage, heterogene Verhalten erfolgreich zu koppeln. Das ist ihre kulturelle, d. h. marktkulturelle Leistung. Die kulturelle Effektivität der Transaktion besteht darin, die verschiedenen Ausgangsbedingungen (verschiedene Verhalten, verschiedene Objekte, verschiedene Welten) zu vermitteln, aber nicht aufzuheben. Das ist die Bedingung für die hohe Effektivität der Transaktionen: immer wieder Anschlüsse zu generieren, auch in hochasymmetrischen Relationen.41 Die Markttransaktionen »kommerzialisieren« nicht notwendig die Verhalten und Objekte, wenn man damit meinen sollte, dass sie die Kulturen einander angleichen. Umgekehrt besteht die kulturelle Leistung bzw. Effektivität der Transaktionen darin, die kulturellen Verschiedenheiten zu vermitteln, ohne die Kulturen selbst zu vermitteln (im Sinne von »angleichen«). Das ist insofern bemerkenswert, als der Verdacht, der Markt würde die Lebenswelten angleichen, kommerzialisieren, rationalisieren, nur bedingt gilt. Es liegt nahe, so zu reden, wenn man den Markt als Rationalisierungsveranstaltung betrachtet, die die Akteure zwingt, als rational actors zu operieren. Wenn Transaktionen das einzig Elementare der Märkte sind, und wenn sie jedes Verhalten vermitteln, ohne das Verhalten mit Notwendigkeit »anzugleichen«, dann entfällt das Argument, dass Märkte/Transaktionen nutzenmaximierende Homogenität herstellten. Faktisch kann man das beobachten, zugleich aber beobachten, dass viele Transaktionen subeffizient auslaufen, ohne bereits festlegt, was Geltung hat. Die Transaktion hebt ihre Asymmetrie nur partiell auf: indem sie ein bilateral akzeptiertes Ergebnis herstellt. Transaktionen produzieren ihr Ergebnis (es sei denn, man definiert die Akteure so, dass sie ihre gewünschten Ergebnisse vorproduziert haben): Die Transaktion ist potentiell eine produktive Instanz, keine neutrale Passage. 40 Siehe oben, Anm. 33. 41 Vgl. Rustemeyer, Dirk: Kulturen und Märkte. In: Was ist? S. 161–186.

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dass die Märkte in ihrer Anschlusseffektivität gestört sind. Und man kann zusätzlich beobachten, dass etliche Transaktionen emergente bargainings tätigen, die ihre eigenen mutual interactions herstellen. Bargaining bzw. mutual interaction heißt, dass die jeweilige Bedeutung dessen, was vertraglich finalisiert wird, potentiell lokal/situativ, interaktiv festgelegt werden kann. Von der Transaktionsstruktur moderner Märkte her spricht nichts dagegen – abgesehen von dem Faktum der Minimierung kognitiver Anstrengungen, das viele Transaktionen konventionell verlaufen lässt, d. h. als perennierende Kopie früher getroffener Entscheidungen. Das ist allerdings weder rational noch lokal, sondern serial (economics of conventions). Die Ökonomik, die jede Transaktion als effizient behaupten möchte, ist eine normative Theorie, die uns lehrt, jede Transaktion so zu betrachten, als ob sie rational erfolgen würde. Dafür unterstellt sie, dass das, was transaktional verhandelt werden kann, objektiv oder vorgegeben ist. Nur, wo die Akteure sich so verhalten, dass sie nicht prüfen oder gar kooperativ modulieren, können wir die naturalistische Disposition der Ökonomik gelten lassen. Andernfalls nicht. Denn im Kern ist jede Transaktion potentiell eine singuläre bargaining-Möglichkeit (gleichsam ein eingerolltes Potential, das unter bestimmten Bedingungen entfaltet werden kann). In der neuen digital economy kristallisiert sich diese Singularität heraus, wenn Konsumenten individuell zugeschnittene Offerten bekommen, die 1. aus den statistisch ermittelten bisherigen Kaufbiographien rekonstruiert werden, 2. aus aktuellen Signalen (z. B. von Sensoren) und 3. aus den Trends, die die social networks (communities, friends) der jeweiligen Konsumenten anzeigen, die statussichernd in die Offerten algorithmisch eingearbeitet sind. Wenn wir personalisiert zugeschnittene Offerten haben, ist jede Transaktion potentiell individuell-singulär (potentiell auch der Preis). Dann können wir nicht mehr von »den Märkten« reden, nicht mehr allgemein von »dem Angebot« oder von »der Nachfrage«. Märkte dissoziieren in Mannigfaltigkeiten individueller Offerten (mit potentiell individuellem bargaining).42 Aus der reziprozitären Welt vormoderner Ökonomie43 über die anonymen Massenmärkte in die re-personalisierten Transaktionen hypermoderner Märkte sehen wir die Marktökonomie sich historisch wandeln. Es entsteht möglicherweise eine neue 42

Vgl. Priddat, Birger P.: Homo Dyctos. Netze, Menschen, Märkte. Über das neue Ich: market-generated identities. Marburg 2014. Vgl. Kap. 2. 43 Vgl. Polanyi, Karl: The Great Transformation. Berlin 2014 und Dommann, Monika: Markttabu.

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Marktkultur, die nur noch aus Abermillionen individueller und statistisch personalisierter Transaktionen besteht. Um das zu zeigen, brauchen wir die kulturelle Institution der Transaktion nicht zu erneuern, sondern vielmehr nur ihr verborgenes Potential zu entfalten.

Simon Derpmann

Geld als Ware

Eine zentrale Aufgabe in der theoretischen Auseinandersetzung mit Märkten besteht in der Analyse des Geldes und seiner Bedeutung für die Vermittlung marktförmiger Produktions- und Austauschbeziehungen. Dabei ist zu beachten, dass Geld auf Märkten in unterschiedlichen Gestalten vorzufinden ist. Einerseits ist Geld das allseits sichtbare Organisationsmittel marktförmiger Beziehungen, anhand dessen Waren bewertet, verglichen und veräußert werden. Nur mit der monetären Erfassung wirtschaftlicher Erzeugnisse durch Preise und der Bildung eines Äquivalents für ihren Austausch ist marktförmiger Wettbewerb realisierbar. Andererseits wird Geld nicht nur gebraucht, um darin zu rechnen, es zurückzulegen oder damit zu zahlen, sondern es ist selbst Marktgegenstand, wenn es in Form von Devisen, Guthaben und Krediten gehandelt wird. Die folgenden Überlegungen befassen sich mit dieser zweiten Erscheinung von Geld als Gegenstand von Märkten und mit seiner Unterscheidung von herkömmlichen Waren. Dies geschieht mit Blick auf die Formulierung einer spezifischen Kritik an der Bereitstellung und Verteilung von Geld über Märkte, die in ähnlicher Form für verschiedene Gegenstände vorgebracht wird, deren Behandlung als Waren ihnen nicht angemessen scheint. So lässt sich etwa argumentieren, dass politischer Einfluss oder strafrechtliche Amnestie nicht käuflich sein sollten, weil ihre eigene soziale Bedeutung nahelegt, dass sie nach anderen Prinzipien als nach denen des Marktes zu verteilen sind; etwa entsprechend bestimmter demokratischer oder juridischer Normen.1 Einwände dieser Art werden nur selten gegen die Behandlung von Geld als Ware vorgebracht. Dies ist vielleicht dadurch zu erklären, dass Geld zuerst als unmittelbarer Bestandteil des Marktmechanismus begriffen wird. Insofern Geld untrennbar mit dem Markt verbunden ist, so lässt sich argumentieren, ist auch seine marktförmige Behandlung unbedenklich oder folgerichtig. Allerdings verdienen diejenigen Märkte, auf denen Geld als Ware behandelt wird, gesonderte theoretische Aufmerksamkeit. Die zentrale Bedeutung von Geld- und Finanzmärkten für gesamtwirtschaftliche und soziale Zusammenhänge sowie

1

Neuere Abhandlungen zu diesem alten Thema finden sich bei Satz, Debra: Why Some Things Should not be for Sale. The Moral Limits of Markets. New York 2010 oder bei Sandel, Michael: What Money Can’t Buy: The Moral Limits of Markets. New York 2012.

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die zunehmende Finanzialisierung wirtschaftlicher Beziehungen geben Anlass zu einer eingehenderen Beschäftigung mit der Behandlung von Geld als Ware.2 Die vorliegenden Überlegungen gliedern sich wie folgt: Im ersten Abschnitt sind entsprechend der Doppelrolle von Geld als Bestandteil des Marktmechanismus und als Gegenstand auf Märkten zwei Ausprägungen der These, dass Geld eine Ware ist, zu unterscheiden. Denn die Verwendung einer Ware als Geld bedeutet etwas anderes als die Behandlung von Geld – was immer Geld ist – als Ware. Diese beiden Verständnisse sind in den darauf folgenden Abschnitten gesondert zu untersuchen. Der zweite Abschnitt befasst sich zunächst mit der Warenförmigkeit des Geldes innerhalb der Bestimmung von Geld als Bestandteil des Marktmechanismus, d. h. mit einer bestimmten Antwort auf die Frage, was Geld ist. In klassischen Ansätzen ist Geld als eine besondere Ware zu begreifen, die als Vermittler marktförmiger Austauschbeziehungen auftritt. Allerdings lassen sich auch alternative Bestimmungen vorbringen, in denen Geld nicht als Ware begriffen wird, sondern als besonderer übertragbarer Anspruch zu beschreiben ist, auf den wiederum die zweite Bestimmung von Geld als Marktgegenstand anwendbar ist. Der dritte Abschnitt behandelt diese zweite Bedeutung von Geld als Ware, insofern es über einen Markt bereitgestellt und verteilt wird, sowie die Kritik seiner warenförmigen Behandlung in Karl Polanyis Beschreibung von Geld als ›fiktiver Ware‹. Polanyis einflussreiche Analyse scheint zunächst unmittelbar als Kritik an der warenförmigen Behandlung von Geld zu verstehen zu sein, d. h. als eine allgemeine Kritik der wettbewerblichen Bereitstellung und Verteilung von Geld über den Markt. Die Rekonstruktion seiner Überlegungen zeigt jedoch, dass Polanyi sich gegen eine bestimmte Ausprägung der Behandlung von Geld als Ware richtet, und zwar gegen die institutionelle Bindung des Geldes an eine besondere materielle Ressource. Die Auseinandersetzung mit dieser spezifischen Kritik verdeutlicht die Bedeutung der im ersten Abschnitt unterschiedenen Begriffe von Geld als Ware. Die von Polanyi vorgebrachte Kritik behandelt gleichzeitig die marktförmige Behandlung von Geld und seine Gleichsetzung mit einer bestimmten Ware. Allerdings setzt nicht jede vorstellbare Form der Bereitstellung und Verteilung von Geld über den Markt diese Geldform voraus. Polanyi hält zwar die Mittel einer allgemeinen Kritik der Ausdehnung des Marktes auf die Geldorganisation bereit, schöpft diese Mittel aber womöglich nicht aus, indem er beide Fragen innerhalb einer konkreten gesellschaftlichen Konstellation gemeinsam beantwortet. Während sich seine Kritik von Geld als fiktiver Ware scheinbar insgesamt auf die marktförmige Behandlung von Geld richtet, ist sie tatsächlich auf eine bestimmte institutionelle Ausprägung der Geldorganisation zu2

Eine Übersicht über die Literatur zu ›Finanzialisierung‹ der Wirtschaft findet sich etwa in der Einleitung zu Lapavitsas, Costas: Profiting without Producing. London 2013.

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geschnitten. Die abschließenden Überlegungen im vierten Abschnitt versuchen auf der Grundlage der getroffenen Unterscheidungen zu bestimmen, wie eine Kritik von Geld als Ware – d. h. eine Kritik der marktförmigen Bereitstellung und Verteilung von Geld qua wirtschaftlicher Kaufkraft bzw. gesellschaftlicher Vermögensmacht – zu formulieren ist, wenn diese auch unabhängig von dieser institutionellen Voraussetzung der Bindung des Geldes an eine Ware greifen soll. Das Ergebnis dieses Versuchs besteht nicht in einer umfassenden normativen Einordnung von Geldmärkten. Ziel des vorliegenden Beitrags ist vielmehr, ausgehend von den vorgebrachten Unterscheidungen eine begriffliche Grundlage für die systematische Kritik der warenförmigen Behandlung von Geld bereitzustellen.

1. Geld und Markt Das vorrangige Augenmerk in der Analyse der gesellschaftlichen Bedeutung des Geldes liegt gewöhnlich auf der Funktion, die Geld als Wertmaß, als Tauschmedium und als Zahlungsmittel auf Märkten für Konsumgüter, Arbeit oder Produktionsmittel einnimmt, und in der Folge auf den gesellschaftlichen Auswirkungen der Verteilungsresultate der geldvermittelten Marktwirtschaft. Geld wird als organisierender Bestandteil des Marktmechanismus diskutiert, oftmals aber nicht gleichzeitig in seiner Bedeutung als Gegenstand des Marktes oder als Ware erfasst. Geld ist zunächst konstitutiver Bestandteil des Marktmechanismus, insofern erst der geldvermittelte Austausch einen allein preisbestimmten Wettbewerb ermöglicht. Geld ist aber gleichzeitig Gegenstand besonderer Märkte, so dass Geld nicht nur gebraucht wird, um Waren zu vergleichen und auszutauschen, sondern selbst als Ware be- oder gehandelt wird. Die These, dass Geld eine Ware ist, lässt sich demnach ausgehend von den beiden beschriebenen Weisen des Auftretens von Geld an Märkten einerseits als die These begreifen, dass (i) es zur Beschaffenheit von Geld gehört, selbst in Form einer Ware vorzuliegen oder zumindest bestimmte Waren wie etwa Salz, Vieh oder Gold zu repräsentieren. In dieser Beschreibung erlaubt Geld die Überwindung der fundamentalen Herausforderung der direkten Tauschwirtschaft, unterschiedliche Kombinationen von Angeboten und Nachfragen aneinander zu vermitteln. Diese Vorstellung findet sich in klassischen ökonomischen Geldkonzeptionen, die von der Unterstellung einer Geldware als Tauschmedium ausgehen, das letztlich nur aus praktischen Gründen durch Münzen, Banknoten oder Buchungssätze repräsentiert wird. Andererseits lässt sich die Behauptung, dass Geld eine Ware ist, als die These begreifen, dass (ii) Geld – was immer Geld ist – nach den Prinzipien von Angebot und Nachfrage zu behandeln ist. Gemäß dieser Überlegung sind Argumente, die für die Be-

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handlung von Gegenständen als Waren sprechen, wie etwa gesellschaftliche Allokationsvorteile oder die Beachtung individueller Eigentumsansprüche, auf Geld übertragbar. Weil Geld eine zentrale Funktion innerhalb der Organisation industrieller Produktion und der wirtschaftlichen Entwicklung zukommt, so die Argumentation, sollte die Bereitstellung und Verteilung von Geld, genau wie die von Rohstoffen, Maschinen und Arbeit, über den Marktmechanismus erfolgen. Die erste Version der These, dass Geld eine Ware ist, betrifft demnach die grundlegende Beschaffenheit und Wirkungsweise von Geld als Vermittler von Marktrelationen. Die zweite Version beinhaltet eine Positionierung in der normativen Frage, ob Geld – wie immer Geld zu begreifen ist – zum Gegenstand von Marktrelationen gemacht werden sollte.3 Die Auseinandersetzung um die erste Deutung der These, dass Geld eine Ware ist, betrifft konkurrierende Bestimmungen einer ökonomischen Grundkategorie; die Auseinandersetzung um ihre zweite Deutung verhandelt einen genuin wirtschaftspolitischen Streitpunkt. In geldtheoretischen und geldpolitischen Debatten liegt es nahe, Entscheidungen in beiden Fragen miteinander zu verbinden und anzunehmen, dass ein bestimmtes Verständnis der Natur des Geldes dafür oder dagegen spricht, es zu einer Ware zu machen. Oftmals geht die These zur Beschaffenheit von Geld daher mit der Forderung einher, auch die institutionellen Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Geld tatsächlich die Eigenschaften einer solchen materiellen Ware – insbesondere ihre Knappheit und dezentrale Regulierung ihrer Verteilung über Angebot und Nachfrage – aufweist.4 Eine Positionierung hinsichtlich der These zur Geldbeschaffenheit zwingt jedoch nicht zu einer Positionierung hinsichtlich der These zur Geldbehandlung. Die zweite Bestimmung von Geld als Ware, die seine marktförmige Behandlung einfordert, ist zwar durch einen institutionellen Rahmen umsetzbar, in dem gemäß der ersten vorgelegten Bestimmung eine bestimmte Ware wie Salz oder Gold als Geld eingesetzt wird. Allerdings ist diese Kopplung des Geldes an eine bestimmte Ware weder notwendig noch hinreichend für die Behandlung von Geld als Marktgegenstand. Denn es ist einerseits auch in Systemen, die Geld nicht in einer bestimmten materiellen Ware, sondern in übertragbaren quanti3

Offenkundig liegen diesen Thesen unterschiedliche Begriffe von Ware zugrunde. Die erste These begreift Waren als materielle Gegenstände, die zweite subsumiert unter Waren all diejenigen Objekte, die auf Märkten gehandelt werden. 4 Begründungen dieser Forderung verweisen oftmals auf den fehlenden Willen oder die fehlende Fähigkeit des Staates, bzw. der Zentralbank, eine unabhängige und sinnvolle Geldmengensteuerung vorzunehmen, was die Preisstabilität innerhalb einer Wirtschaft gefährdet. Verteidiger des Goldstandards etwa sehen hierin die Gefahr, dass die Ausgaben einer Regierung über eine Ausweitung der Geldmenge und damit über eine Entwertung des Geldes finanziert werden.

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tativ bemessenen Ansprüchen verorten, der marktförmige Austausch von Geld vorstellbar – etwa in Form eines Wettbewerbs um die Banknoten privater Kreditinstitute oder um übertragbare Wechsel einzelner Wirtschaftssubjekte, die aufgrund ihrer verlässlichen Tauschbarkeit anerkannt werden. Andererseits lassen sich umgekehrt monetäre Systeme denken, in denen Geld zwar an einen bestimmten Gegenstand oder ein wirtschaftliches Gut geknüpft ist – wenn etwa die Ausgabe von Banknoten nur unter der Bedingung ihrer vollständigen Deckung in Gold zugelassen wird –, die Behandlung dieses Deckungsguts aber außermarktlichen Eingriffen in Form von religiösen Normen oder politischen Vorschriften unterliegt, so dass es letztlich nicht überzeugend ist, von einem Markt für dieses Gut zu sprechen.5 Die Unabhängigkeit dieser beiden Positionen wird im Laufe der Untersuchung deutlich werden. Zunächst werden die beiden genannten Verständnisse von Geld als Ware im Folgenden eingehend erörtert; denn in ihrer begrifflichen Unterscheidung liegt die Voraussetzung der überzeugenden Kritik der marktförmigen Behandlung von Geld.

2. Geld als Ware: Warengeld Das erste zu behandelnde Verständnis von Geld als Ware betrifft die grundlegende Bestimmung der Beschaffenheit von Geld, die zentral für die gesamte Organisation marktförmigen Wirtschaftens ist. Während diese Frage innerhalb der ökonomischen Theoriebildung, die Geld oftmals nur als Schmiermittel des tatsächlichen Austauschs von Waren begreift, nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, behandeln insbesondere Beiträge aus der Wirtschaftssoziologie und der Anthropologie verstärkt die grundlegende Frage, was Geld eigentlich ist.6 Eine fundamentale Differenz zwischen verschiedenen Geldkonzeptionen hinsichtlich dieser Frage bezieht sich auf die Warenförmigkeit von Geld.7

5

In diesem zweiten Fall ist allerdings fraglich, ob noch von einer Bestimmung von Geld als Ware die Rede sein kann, oder nicht vielmehr von Geld als einem bestimmten materiellen Gut, das, insofern kein Markt für es entsteht, auch nicht als Ware gelten kann. 6 Zur Metapher des Geldes als Schmiermittel siehe Hume, David: Of Money. In: Essays and Treatises on Several Subjects. London 1777, S. 281–294, hier S. 281. 7 Siehe hierzu Ingham, Geoffrey: The Nature of Money. Cambridge 2004, S. 15–58 oder Ganßmann, Heiner: Doing Money. Elementary Monetary Theory from a Sociological Standpoint. Abingdon 2012, S. 62–132. Ein Überblick über die verschiedenen Optionen in dieser Debatte findet sich bei Dodd, Nigel: The Social Life of Money. Princeton 2014, S. 15–134.

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2.1 Die orthodoxe Position: Geld als Tauschware Ausgangspunkt klassischer Geldbestimmungen ist ein über weite Teile der ökonomischen Geldtheorie und auch in vortheoretischen Auffassungen auftauchender Begriff von Geld als einer besonderen Art von Wertgegenstand, dem aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit eine besondere Funktion im Austausch von Waren zukommt. Die klassischen ökonomischen Theorien des Geldes beginnen zur Illustration dieser Vorstellung bei der hypothetischen Ausgangssituation der arbeitsteiligen, aber nicht gesellschaftlich geplanten wirtschaftlichen Produktion. Wirtschaftliche Erzeugnisse werden in dieser basalen Vorstellung von unabhängigen Wirtschaftssubjekten individuell produziert. Da jeder Einzelne in diesem Szenario nicht selbst die Mittel zur Befriedigung der Gesamtbreite seiner Bedürfnisse erzeugt, sondern sich auf bestimmte Gegenstände spezialisiert, müssen die unabhängig voneinander betriebenen Produktionstätigkeiten sowie die Bereitstellung und Verteilung der produzierten Güter gesellschaftlich koordiniert werden.8 Innerhalb dieser basalen Theorie erklärt sich die Notwendigkeit des Geldes aus den Erfordernissen der arbeitsteiligen Produktion, wenn diese nicht mittels zentraler Koordination, sondern über Märkte vollzogen wird. Wenn eine Person in der hypothetischen Tauschwirtschaft über Felle verfügt und Fische benötigt, dann muss sie jemanden finden, der zur selben Zeit Fische hat und Felle benötigt. Die Angewiesenheit der Tauschenden auf diese sogenannte doppelte Koinzidenz erklärt pragmatisch die Herausbildung einer bestimmten Ware als Tausch- bzw. Geldware. Denn eine solche Ware erlaubt im Tausch die Unabhängigkeit von Nachfrage und Angebot. Wenn es solch ein Tauschmittel gibt, muss die Besitzerin der Felle immer noch einen Tauschpartner finden, der ihre Felle haben möchte, aber dieser Andere muss nicht mehr gleichzeitig der Eigentümer der Fische sein. Er muss lediglich über die Geldware verfügen, mittels derer von einem wiederum Anderen Fische erworben werden können.9 Der logische Ursprung des Geldes wird in dieser Vorstellung in der Herausbildung einer Ware gesehen, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale als allgemeines Tauschmedium fungiert. Dem Geld kommt die Rolle einer Vermittlerin realer ökonomischer Austauschverhältnisse von Waren zu, insofern

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Siehe hierzu Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations. London 1904 [51789], S. 24–65 oder Ricardo, David: On the Principles of Political Economy and Taxation. Cambridge 1951 [31821], S. 47–51. 9 Ob das Szenario der Herausbildung voneinander vollkommen unabhängiger, aber gleichzeitig arbeitsteilig produzierender Wirtschaftssubjekte plausibel ist, und ob es die tatsächliche historische Genese von Geld beschreibt, sind zwei von diesen hypothetischen praktischen Erwägungen gesondert zu behandelnde Fragen.

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Geld diejenige Ware ist, die als Tauschmittel, zur Wertaufbewahrung und in der Messung und Verbuchung von Schulden fungiert: eine Ware, die allgemein anerkannt wird, wertvoll, haltbar und teilbar ist; wie etwa Edelmetalle, aus denen Münzen hergestellt werden, deren Reinheit und Gewicht wiederum durch die Prägung durch eine übergeordnete Instanz garantiert wird. Geld ist ein allgemeines Äquivalent, insofern sich der Wert verschiedener Waren in Geld ausdrücken lässt und alle Marktteilnehmer dazu bereit sind, ihre Waren gegen Geld zu tauschen. Indem eine Ware zum gängigen Tauschmedium wird, beginnen Wirtschaftssubjekte den Wert ihrer Waren in dieser bestimmten Tauschware zu bemessen, und verwenden deren Gewichtsangabe schließlich selbst als Wertausdruck, wie im Fall von Pfund, Lira oder Schekel. Dass sich diese Maßbegriffe als Währungsnamen herausbilden, zeigt scheinbar noch den Ursprung des Geldes in einer konkreten gegenständlichen Ware, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale als Tauschmedium fungiert. Geld ist in dieser Vorstellung nur deshalb in der Lage, den Wert anderer Waren auszudrücken, weil ihm selbst dieselbe Art Wert zukommt, der auch in anderen Waren zu finden ist. So wie das Urkilo ein Gewichtsmaß ist, indem es selbst schwer ist, oder der Urmeter ein Längenmaß ist, indem er selbst lang ist, scheint Geld in dieser Vorstellung auch selbst wertvoll sein zu müssen, um Wert messen zu können. Geldbildung durch bloße Setzung unabhängig von einem wertvollen Träger ist nicht vorgesehen. Diese Vorstellung ist damit vereinbar, dass sich der Nennwert von Münzen von ihrem Warenwert scheidet. Münzen haben dann nicht mehr selbst den Wert, den sie repräsentieren. So ist die Aufschrift »non aes sed fides«, auf einer Malteser Münze zu verstehen, die verdeutlicht, dass nicht das Erz, sondern das Vertrauen den Wert der Münze ausmacht.10 Dennoch lässt sich dieses Vertrauen als Vertrauen in die Wertdeckung deuten, mit der Banknoten und Scheidemünzen einen bestimmten Warenwert repräsentieren, ohne ihn selbst zu verkörpern. Dieses Bargeld hat dann zwar selbst keinen Warenwert, es dient aber als Symbol für einen Warenwert, und wird nur dadurch zu Geld. Die beiden Phasen des Goldstandards kommen dieser Vorstellung von Geld auf den ersten Blick vergleichsweise nahe. In dieser 1844 zuerst durch den Bank Act in England eingeführten Geldordnung, die infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 sukzessive aufgegeben wurde und erneut ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Aufhebung der Golddeckung des US-Dollars 1971 Bestand hatte, sind Banknoten und Münzen der Währungen der großen Industrienationen durch eine festgelegte Menge Edelmetall 10

Zu dieser doppelten Bedeutung des Werts und des Vertrauens siehe Hart, Keith: Heads or Tails? Two Sides of the Coin. In: Man, New Series 21 (1986), S. 637–656. Der Verweis auf die Münze findet sich bei Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Frankfurt am Main 1989 [21907], S. 215.

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gedeckt. Unter dieser institutionellen Rahmenbedingung gilt für Geld, das in Banknoten vorliegt, und zum Teil auch für Bankguthaben, dass diese zumindest insofern als Waren zu gelten haben, als sie die Geldware Gold repräsentieren.11 Diese besondere Form der Gleichsetzung von Geld mit der Ware Gold, sowie ihr Zusammenhang mit der warenförmigen Behandlung von Geld, werden im dritten Abschnitt relevant. Obwohl die hypothetische Erklärung der Herausbildung des Geldes über die Erfordernisse des Warentauschs eine fundamentale Geldfunktion innerhalb der arbeitsteiligen Gesellschaft illustriert, ist der Schluss auf einen damit verbundenen Warencharakter des Geldes kritisch zu beurteilen. Eine genauere Betrachtung der historischen Erscheinungsformen von Geld einerseits und der Wirkungsweise der modernen Geldschöpfung durch das Bank- und Kreditwesen andererseits begründen Zweifel an dieser Beschreibung des Geldes als einer tauschbaren Ware.

2.2 Die heterodoxe Korrektur: Geld als soziale Relation Eine einflussreiche Kritik der Warengeldhypothese begreift Geld als Relation von Schuld und Kredit und verweist auf Vorkommnisse der gesellschaftlichen Organisation wirtschaftlichen Austauschs über Schuldverbuchungen, die unabhängig von einem warenförmigen Tauschmittel sind. Diese Zurückweisung der Vorstellung, dass Geld als Ware zu begreifen ist, wird seit mehr als einem Jahrhundert systematisch formuliert.12 Der zentrale Einwand gegen die Warengeldvorstellung verweist darauf, dass die soziale Organisation des Warentauschs ohne eine Tauschware begrifflich gedacht und auch historisch belegt werden kann.13 Wenn der Tausch von Waren ohne den Intermediär eines Warengeldes allein über die Verbuchung und Verrechnung von Schulden in 11

Dollarnoten tragen noch 1957 das Versprechen »One dollar in silver payable to the bearer upon demand.« 12 Siehe insbesondere Knapp, Georg F.: Staatliche Theorie des Geldes. Berlin 1905, Mitchell-Innes, Alfred: What is Money? In: Banking Law Journal (1913), S. 377–408, aber auch bereits Simmel: Philosophie des Geldes, S. 199–253. 13 Zum Beleg dieses Gebrauchs von Buchgeld werden etwa mesopotamische Keilschrifttafeln und pazifisches Steingeld herangezogen. Siehe beispielsweise Furness, William Henry: The Island of Stone Money. UAP of the Carolines. Philadelphia 1910, S. 92– 106 oder Veenhof, Klaas: Modern Features in Old Assyrian Trade. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient 40 (1997), S. 336–366. Zur Debatte um das Vorkommen von Geld als Tauschmittel in traditionalen Gesellschaften siehe etwa Maucourant, Jérôme: Polanyi on Institutions and Money: An Interpretation Suggested by a Reading of Commons, Mitchell and Veblen. In: Economy and Society. Money, Capitalism and Transition. Hg. v. Fikret Adaman und Pat Devine. Montreal 2002, S. 150–171.

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einem anerkannten monetären Wertmaß durchgeführt werden kann, dann hat dies offenkundig Auswirkungen auf das Verständnis der Beschaffenheit von Geld, das als logisch unabhängig von einem in Waren verkörperten Medium zu begreifen ist. Geld ist demnach zwar einerseits in Form eines abstrakten Maßstabs ökonomischen Werts erforderlich, um qualitativ verschiedene Waren in einem rein quantitativen Austauschverhältnis zu vergleichen, und andererseits als Vorkommnis monetär bemessener Forderungen und Verbindlichkeiten innerhalb eines ökonomischen Verbuchungssystems, so dass sich in diesem Maßstab konkrete Schuldbeträge festhalten und skontrieren lassen. Der Austausch von Waren jedoch ist ohne ein Tauschmittel möglich, allein indem wertgleiche Forderungen festgehalten und verrechnet werden. Die zuvor beschriebene Angewiesenheit auf eine doppelte Koinzidenz ist demnach durch ein Verbuchungssystem von Ansprüchen und Verbindlichkeiten zu überwinden. Zwar können die hypothetischen vereinzelten Fischer und Jäger der orthodoxen Theorie nicht auf ein solches System zurückgreifen; aber es ist plausibel anzunehmen, dass arbeitsteilige Gesellschaften über die sozialen und institutionellen Grundlagen eines solchen Systems verfügen. Die Ablösung des direkten Warentauschs durch die Geldwirtschaft bedarf demnach grundsätzlich ebenso wenig des Goldes oder der Münzen, wie das Schachspiel Figuren braucht. Es kommt auf die Geltungsbeziehungen einzelner monetärer Größen an, nicht aber auf ihre Manifestation in einer Ware.14 Auch der Prozess der modernen Gelderzeugung durch Banken zeigt, dass Geld unabhängig von einer Geldware regelrecht hergestellt werden kann, indem Zahlungsversprechen ausgestellt werden, die nicht durch realökonomische Werte, sondern vielmehr durch Vertrauen gedeckt sind. Dies widerspricht der verbreiteten Vorstellung, dass Banken bloße Vermittler sind, die Geld von einer Partei in Verwahrung nehmen und es dann an eine andere weitergeben, um einen Gewinn aus der Differenz der Zinssätze zu ziehen. Die adäquatere Beschreibung ist jedoch, dass Geld in Form von übertragbaren Guthaben geschaffen wird, indem eine Bank einen Kredit gewährt. Es liegt also nicht zuerst Geld vor, das dann verliehen wird, sondern Geld entsteht mitunter bereits durch den Prozess des Verleihens.15 Letztlich muss sich bei einer Bank weder Warengeld noch ein sonstiger nichtmonetärer wirtschaftlicher Wert befinden, 14

Zu diesem Vergleich von Geld und Schach siehe Ganssmann: Doing Money, S. 20–

21. 15

Wie Basil Moore darlegt, ist »Credit money […] the proximate liability of commercial banks, which are simply one type of financial intermediary […]. Whenever economic units choose to borrow from their bank, deposits and so bank money are created in the process. Whenever economic units choose to repay their bank loans, deposits are destroyed.« Siehe Moore, Basil: Horizontalists and Verticalists: The Macroeconomics of Credit Money. Oxford 1988, S. 20.

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damit die von ihr ausgegebenen Banknoten oder Guthaben als Geld fungieren können. Die Erwartung anderer Wirtschaftssubjekte, dass die ausgegebenen Banknoten bei der Begleichung wirtschaftlicher Schulden von Dritten akzeptiert werden, genügt – und wie sich oftmals zeigt, genügt auch ihr Zweifel, um Geld in dieser Form auszulöschen. Dieser Mechanismus führt letztlich dazu, dass Versprechen einer Bank oder vergleichbarer Wirtschaftssubjekte wie Geld – oder besser gesagt: als Geld – zu gebrauchen sind. Diese Beobachtung zeigt den Unterschied zwischen der Geldschöpfung durch Banken und dem in diesem Zusammenhang oft vorgebrachten Garderobier, der ihm anvertraute Mäntel weiter verleiht, und aus der bloßen Verwahrung und Vermittlung einen Vorteil zieht. Während jedoch die Marke, die zur Herausgabe eines Mantels berechtigt, nicht selbst als Mantel zu gebrauchen ist, lassen sich die von Banken ausgegebenen Anweisungen auf Geld wiederum als Geld gebrauchen.16 Die Bank – oder jedes Wirtschaftssubjekt, dessen Zahlungsversprechen als vertrauenswürdig gilt – kann somit durch die Ausgabe von Zahlungsanweisungen Geld erzeugen. Hierin zeigt sich eine sonderbare Verdopplung des Geldes in Kreditwirtschaften. Eine Forderung auf Geld fungiert unter bestimmten Bedingungen als Geld. Natürlich unterstellt diese Vorstellung reinen Kreditgeldes das Vorliegen von Geld als Wertmaßstab, um Schuldverschreibungen quantifizierbar zu machen; und hier findet sich womöglich noch der Verweis auf Tabak, Vieh, Muscheln oder Gold, die eine Recheneinheit bereitstellen. Entscheidend ist jedoch, dass der in diesem Maß bestimmte Kredit dem Vorliegen des Tauschmittels logisch vorgeordnet ist.17 Der Begriff des Geldes geht gemäß dieser Vorstellung nicht dem Begriff des Kredits voraus, sondern der Begriff des Kredits erschließt umgekehrt den Begriff des Geldes. Das Geld, über das Wirtschaftssubjekte in Form von Banknoten oder -guthaben verfügen, ist demnach tatsächlich nichts anderes als eine in einer monetären Größe bemessene Schuld. Diese Beschreibung ruft den offenkundigen Einwand auf den Plan, dass Geld nicht selbst als Verhältnis von Kredit und Schuld zu verstehen ist, sondern vielmehr als das Mittel, um Schuldverhältnisse aufzulösen – wie es auf dem USDollar explizit vermerkt ist: This note is legal tender for all debts, pub16

Siehe hierzu etwa Schumpeter, Joseph A.: Das Wesen des Geldes. Göttingen 1970, S. 233, Fußnote 2 oder bereits Macleod, Henry: The Theory of Credit. London 1889, S. 83. 17 Deshalb ist nach Joseph Schumpeter »[p]raktisch wie auch analytisch […] möglicherweise eine Kredittheorie des Geldes einer Geldtheorie des Kredits vorzuziehen.« Siehe Schumpeter, Joseph A: Geschichte der ökonomischen Analyse. Göttingen 1965, S. 876. Bereits Mitchell-Innes hat die Behauptung, dass Geld tatsächlich nichts anderes als Kredit ist, mit großem Widerhall vertreten: »Money […] is credit and nothing but credit. A’s money is B’s debt to him, and when B pays his debt, A’s money disappears. This is the whole theory of money.« Siehe Mitchell-Innes: What is Money?, S. 402.

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lic and private.18 Diesem Einwand zufolge sind Kredit und Schuld als in Geld bemessen zu begreifen. Geld selbst hingegen ist demnach kein Verhältnis von Schuld und Kredit, sondern vielmehr der Gegenstand eines solchen Verhältnisses. Mit Georg Simmels Geldbestimmung als Anweisung auf die Gesellschaft lässt sich diesem Einwand allerdings über eine erweiterte Betrachtung der Beteiligten der Schuldbeziehung begegnen, so dass Geld weiterhin als Kreditverhältnis zu verstehen ist: »Wenn man gegen die Lehre, die auch im Metallgelde einen Kredit finden will, eingewendet hat, daß der Kredit doch eine Verbindlichkeit begründe, die Metallgeldzahlung aber jede Verbindlichkeit löse, so ist übersehen, daß das, was für den einzelnen Lösung ist, für die Gesamtheit Bindung sein kann. Die Solvierung jeder privaten Verbindlichkeit durch Geld bedeutet eben, daß jetzt die Gesamtheit diese Verpflichtung gegen den Berechtigten übernimmt.«19 Simmel greift damit genau den Einwand auf, dass Geld nicht selbst als Verbindlichkeit zu begreifen ist, sondern umgekehrt Gegenstand von Verbindlichkeiten ist, und sie nur deshalb auflösen kann. Er gesteht ein, dass Schuldverhältnisse durch die Bezahlung von Geld aufgelöst werden, fügt aber hinzu, dass diese Bestimmung des Geldes als Gegenstand von Schuldverhältnissen zu kurz greift, weil im Geld selbst wiederum eine Schuld enthalten ist, aufgrund derer Geld überhaupt erst eingesetzt werden kann, um die Verbindlichkeit eines Kreditverhältnisses zu lösen. In dieser Beschreibung löst Geld zwar ökonomische Verbindlichkeiten, aber die im Vorliegen von Geld selbst enthaltene ökonomische Schuld wird erst durch die Bereitstellung von Waren und Leistungen getilgt, wenn das Geld verwendet wird. Die Person, die einem Anderen Geld gibt, um eine Schuld bei ihm zu begleichen, erzeugt damit eine neue Schuld – bzw. verschiebt eine bestehende Verbindlichkeit der Gesellschaft, die andauert, solange das Geld besteht. Geld ist demzufolge, wie Simmel festhält »[…] nur eine Anweisung auf die Gesellschaft […]; es erscheint gleichsam als ein Wechsel, in dem der Name des Bezogenen nicht ausgefüllt ist.«20 Während in einfachen Schuldverhältnissen konkrete Personen als Berechtigte und Verpflich18

Siehe auch die Bestimmung von John Maynard Keynes: »Money itself [is] that by delivery of which debt-contracts and price contracts are discharged.« Siehe Keynes, John M.: A Treatise on Money. London 1930, S. 3. 19 Simmel: Philosophie des Geldes, S. 214. Eine ähnliche Überlegung findet sich ebenfalls bereits in Macleods Theory of Credit. 20 Simmel: Philosophie des Geldes, S. 214. Vgl. auch die Bestimmung bei Schumpeter als »allgemeine Anweisung auf verschiedene Mengen beliebiger Güter […] oder, wie wir sagen können, als allgemeine Kaufkraft.« Siehe Schumpeter, Joseph A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Berlin 1934, S. 66.

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tete festgelegt sind, enthält Geld als übertragbarer Anspruch keine Festsetzung bestimmter Individuen als Gläubiger, formuliert aber weiterhin ein ökonomisches Verhältnis von Anspruch und Schuldigkeit. Die gesamte Gesellschaft ist der jeweiligen Halterin des Geldes verpflichtet. Die Kredittheorie des Geldes, mit der Geld selbst als Verhältnis von Kredit und Schuld zu begreifen ist, bringt allerdings eine weitere Schwierigkeit mit sich, insofern in einem gewöhnlichen Kreditverhältnis Schuldnerin und Gläubiger durch einen geschuldeten bzw. einen gewährten Gegenstand verbunden sind. Dass eine Person einem Anderen etwas schuldet, erlaubt die Frage, was es ist, das sie dem Anderen schuldet. Wenn allerdings nicht nur gilt, dass Geld das Maß von Schuld bereitstellt, sondern dass es selbst über eine Schuld konstituiert ist, stellt sich unmittelbar die Frage, was der im Fall von Geld geschuldete Gegenstand ist, wenn nicht Geld selbst. Auf diesen Einwand mit dem Rückbezug auf eine bestimmte Ware zu antworten, ist offenkundig nicht vereinbar mit der Pointe der Bestimmung von Geld als Kredit, denn Geld würde wieder zum bloßen Platzhalter für Salz, Getreide oder Erz. Worin also besteht der Gegenstand der vermeintlich im Geld enthaltenen Anweisung auf die Gesellschaft? Hinsichtlich seiner Bedeutung als Wertmaß offenbart sich in der Beantwortung dieser Frage eine sonderbare Selbstbezüglichkeit des Geldes, das zur Bestimmung seines Werts auf nichts außer sich selbst verweisen kann. Während andere Maße wie Meter oder Kilogramm sich an äußeren Gegenständen festmachen lassen oder sogar darüber definiert sind, ist dies beim Geld nicht ohne Weiteres möglich. So scheint das auf einer Note über fünf Pfund gegebene Versprechen der Bank of England »I promise to pay the bearer upon demand the sum of five pounds« als Wertbestimmung zunächst sinnlos zu sein, weil die Note auf sich selbst referiert, um ihren Wert zu benennen. Denn die Banknote räumt keine Verfügung über fünf Pfund einer bestimmten Ware ein; auch wenn der im Namen enthaltene Verweis auf ein Gewicht dies nahelegt. Der im Geld enthaltene Anspruch ist nicht in Weizen, Salz oder Gold bemessen, sondern die Halterin der Banknote hat einen Anspruch auf den Wert, den sie bereits in den Händen hält. Ihre fünf Pfund sind tatsächlich ein Versprechen auf fünf Pfund. Diese sonderbare Selbstbezüglichkeit des Geldes spricht allerdings nicht gegen das Verständnis von Geld als Schuldverhältnis. Das Gegenteil ist der Fall. Denn die selbstreferentielle Wertbestimmung des Geldes passt zur Logik marktförmiger Preisbildung. Der Gegenstand der im Geld enthaltenen Schuld ergibt sich nicht aus einer zugrundeliegenden bestimmten Ware, sondern aus einem Anspruch auf die gesellschaftliche Wirtschaftskraft, dessen Umfang sich wiederum nur im Wertmaßstab des Geldes selbst erfassen lässt. Die wirtschaftliche Größe der im Geld enthaltenen Schuld zeigt sich erst in der vollzogenen gesellschaftlichen Verwendung des Geldes, das heißt in der Übersetzung des in Geld bemessenen Werts in Dienstleistungen oder Waren

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innerhalb eines komplexen Gesamtgefüges wirtschaftlicher Produktions- und Austauschrelationen. So ist der Umfang des im Geld begründeten Anspruchs auf einen Teil der gesellschaftlichen Wirtschaftskraft von diesem monetär vermittelten Gesamtgefüge abhängig, und ist daher nicht anders als über das abstrakte monetäre Wertmaß bestimmbar. Geld ist demnach durch eine Schuld konstituiert, die allerdings nicht wiederum eine Geldschuld ist, sondern eine letztlich allein in Geld zu bemessene Warenschuld. Deshalb ist das Versprechen auf der Banknote nicht als ein bloßes Rudiment der einstigen Deckung von Banknoten durch eine bestimmte Menge an Edelmetall zu deuten. Die Halterin kann den Umfang ihres im Geld bezeugten Anspruchs nur bestimmen, indem sie ihn einlöst, das heißt, indem sie ihr Geld verwendet. Ob Geld in Form eines Bankwechsels als Anspruch auf Zahlung oder als Anspruch auf einen unbestimmten Teil der wirtschaftlichen Erzeugnisse einer Gesellschaft auftritt, in beiden Fällen hat die Beschreibung von Geld als Kredit- oder Schuldverhältnis gravierende begriffliche Folgen, weil Geld nunmehr nicht als Ding oder als Symbol für einen Gegenstand aufzufassen ist, sondern als soziale Relation.21 Das soziale Verhältnis von Schuld und Kredit ist in dieser Beschreibung nicht nur die Voraussetzung von Geld, sondern Geld ist nichts anderes als die Relation zwischen Schuldner und Gläubiger. Guthaben und Banknoten verkörpern Geld – wenn auch nur im übertragenen Sinne im Fall von Buchungssätzen –, insofern sie die eigentliche im Geld enthaltene Schuldrelation festhalten. Die Bestimmung des Geldes als soziale Relation ist daher nicht mit der These zu verwechseln, dass Geld durch gesellschaftliche Einrichtungen hervorgebracht wird, wie dies etwa für arbeitsteilig produzierte Güter behauptet werden könnte.22 Natürlich bedarf Geld eines bestimmten institutionellen Rahmens. Aber darin liegt nicht die besondere Pointe der Kreditgeldhypothese. Weiterhin behauptet die These nicht einfach, dass der Wert des Geldes durch gesellschaftliche Wertungen bestimmt ist, wie dies etwa bei Kunstwerken angeführt werden könnte, deren Wert nicht nur von bestimmten Eigenschaften des Gegenstands, sondern von kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen der Wertschätzung abhängt. Außerdem ist die These, dass Geld eine soziale 21

So bemerkt Geoffrey Ingham: »Obviously, money is socially produced in the sense that it does not occur naturally, and it also mediates and symbolizes social relations […]. However, I wish to go further and argue that money itself is a social relation.« Siehe Ingham, Geoffrey: Money is a Social Relation. In: Review of Social Economy 54 (1996), S. 507–529, hier S. 510. 22 Dies legt etwa Viviana Zelizer dar: » [the invention of market money] was not the automatic, irrepressible outcome of […] market economies. Instead, […] the creation of a centralized, homogenous uniform legal tender took enormous and sustained effort.« Siehe Zelizer, Viviana: The Social Meaning of Money. Pin Money, Paychecks, Poor Relief, and other Currencies. Princeton 1997, S. 205.

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Relation ist, nicht gleichbedeutend mit der Behauptung, dass gesellschaftliche Wohlfahrt vom Umgang mit Geld abhängt, wie dies etwa bei bestimmten Gemeingütern wie Sicherheit oder Sauberkeit der Fall ist. All diese Beobachtungen zum Zusammenhang von Geld und Gesellschaft sind womöglich richtig, sie betreffen aber nicht in derselben hier relevanten Weise die Frage, was Geld ist. Simmels Bestimmung von Geld als einer ›Anweisung auf die Gesellschaft‹ bringt vielmehr den Kern eines grundlegenden alternativen Geldverständnisses zum Ausdruck, mit dem Geld selbst als Verhältnis von Schuld und Anspruch durch eine soziale Relation konstituiert ist. Mit diesen Bestimmungen liegt ein hinreichendes Verständnis der ersten Deutung der These vor, dass Geld eine Ware – oder eben keine herkömmliche Ware – ist. Da die Diskussion der Warentheorie des Geldes und ihrer Zurückweisung im vorliegenden Kontext zunächst nur der Bestimmung des logischen Ortes dieser spezifischen Auseinandersetzung um ein angemessenes Verständnis der Warenförmigkeit des Geldes dient, sind die Kreditgeldhypothese und die Erwiderungen, die gegen sie vorgebracht werden, an dieser Stelle nicht weiter zu verfolgen.23 Sie sind lediglich von der im Folgenden behandelten Frage nach der Besonderheit der Behandlung von Geld als Marktgegenstand zu unterscheiden. Wie sich allerdings zeigt, ist die Debatte um die Bestimmung von Geld als Ware oder Kredit mit der Analyse der marktförmigen Behandlung des Geldes verknüpft.

3. Geld als Ware: Geldmärkte Die zweite zuvor genannte Deutung der These, dass Geld eine Ware ist, enthält eine Forderung, und zwar die, dass Geld als Marktgegenstand den Prinzipien von Angebot und Nachfrage unterworfen sein sollte. Eine mögliche Begründung hierfür ist, dass die in der Behandlung von herkömmlichen Gegenständen als Waren angeführten Erwägungen auf Geld übertragbar sind. Die Argumente, die dafür sprechen, Getreide, Turbinen oder Arbeit über Märkte bereitzustellen und bestimmten Verwendungen zuzuordnen, werden gewissermaßen auf Geld ausgeweitet. Im Folgenden ist zunächst zu ergründen, was es bedeutet, Geld als Ware zu behandeln, sowie was unter einem Markt für Geld zu verstehen ist. Daraufhin ist die von Karl Polanyi vorgebrachte einflussreiche Kritik des warenförmigen Umgangs mit Geld zu erörtern, die als Ausgangspunkt einer systematischen Analyse und Kritik der warenförmigen Behandlung von Geld dient. Die Auseinandersetzung mit Polanyis Analyse ist deshalb aufschlussreich, weil sie diejenigen Unterscheidungen zum Vorschein bringt, 23

Siehe hierzu etwa Ganßmann: Doing Money, S. 110–129.

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anhand derer die grundlegenden philosophischen Optionen der Kritik von Geldmärkten ersichtlich werden.

3.1 Geld handeln und als Ware behandeln Auf einem Markt, auf dem Geld selbst gehandelt wird, tritt es nicht einfach als Vermittler von Markttransaktionen – wie etwa bei der Bezahlung einer Taxifahrt oder dem Kauf von Datteln – auf. Denn auf einem Markt für Geld wird nicht nur mittels Geld eine bestimmte Ware gekauft und verkauft, sondern Geld selbst wird gekauft und verkauft. John Stuart Mill unternimmt zwar den Versuch einer Beschreibung, in der der Verkauf einer Ware nichts anderes als der Kauf von Geld ist.24 Sobald allerdings der Unterschied zwischen ökonomischem Wert und dem monetär bemessenen Preis eingeführt ist, lassen sich Kauf und Tausch nicht mehr gleichbedeutend verwenden. Während in gewöhnlichen Markttransaktionen eine Partei ihre Ware gegen Geld – oder zu einem bestimmten Preis – verkauft und eine andere Partei diese Ware für Geld kauft, ist Geld selbst dann nicht ohne begriffliche Probleme als Ware zu beschreiben, die gekauft und verkauft wird. Denn worin besteht der monetär zu bemessene Preis von Geld, wenn der Verkauf eines Apfels gleichzeitig der Kauf von Geld ist? Der Wert des Geldes wird in diesem Ausdruck offenbar in der für Geld gebotenen Ware ausgedrückt. Diese Wertbestimmung lässt sich aber nicht als Preis bezeichnen, für den Geld gekauft wird, wenn Preise per definitionem monetär verfasst sind. Wenn der Preis des Geldes ein echter Preis sein soll, dann muss er wiederum in Geld bemessen sein. Die augenscheinliche Besonderheit in der Untersuchung der besonderen Ware Geld zeigt sich also bereits in der Überlegung, womit Geld gekauft oder verkauft wird, wenn Geld auf Märkten gehandelt wird.25 Wenn Geld nicht im eigentlichen Sinn ge- und verkauft werden kann, stellt sich die Frage, wie Geld zum Marktobjekt gemacht wird und was sein Preis ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass Geld an Märkten in doppelter Funktion auftritt. Innerhalb der Analyse der Funktionsweise von Märkten 24

Siehe Mill, John Stuart: Principles of Political Economy with Some of Their Applications to Social Philosophy. In: Collected Works of John Stuart Mill. Hg. v. John M. Robson. Bd. 2–3. Toronto 1965 [71871], S. 509. 25 An dieser Stelle sind Währungsgeschäfte sowie der Tausch unterschiedlicher Geldformen innerhalb eines Währungsraums außen vor gelassen. So werden einerseits unterschiedliche Arten von Devisen gegeneinander getauscht. Außerdem werden unterschiedlich liquide Werte, die als Geld unterschiedlicher Qualität fungieren, gegen staatlich emittiertes Geld getauscht, das auch als ›high-powered money‹ beschrieben werden kann. Siehe hierzu Ingham, Geoffrey: Capitalism. Cambridge 2008, S. 76–78.

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besteht die fundamentale Funktion des Geldes (i) in der Vermittlung von Austauschverhältnissen. Wirtschaftssubjekte gebrauchen Geld, um von Anderen Waren zu erwerben oder eigene Waren gegen Geld zu veräußern. In dieser Form ist Geld zunächst Zirkulationsmittel, insofern es selbst in der Vermittlung von Tauschhandlungen übertragen wird, aber dabei selbst erhalten bleibt. Geld bewegt sich gewissermaßen auf Märkten, damit Waren sich auf Märkten bewegen können. In diesem Geschehen ist eine bestimmte Menge Geld als gegeben unterstellt, die gebraucht wird, um Waren gegen Geld zu tauschen, das wiederum gegen weitere Waren getauscht wird. Nicht die Entstehung des Geldes wird dabei thematisch, sondern seine Verwendung. Es wird gegen bestehende wirtschaftliche Werte übertragen. Eine weitere Funktion des Geldes ist die des (ii) Finanzierungsmittels, dessen Verwendung keine unmittelbare Entsprechung in einer gehandelten Ware, sondern in der Begründung eines Schuldverhältnisses hat. Geld ist in dieser Funktion ein übertragbarer ökonomischer Anspruch, der in Form eines Kredits erzeugt wird und nach dessen Tilgung erlischt.26 Diese Erscheinung von Geld findet sich beispielsweise im Handelskredit. Während das zuerst genannte zirkulierende Geld nach Schumpeter wesentlich in Bestätigungen eines Einwurfs in das Sozialprodukt besteht, weil es das Gegenstück einer zuvor erbrachten wirtschaftlichen Leistung ist, beruht das Kreditgeld auf einem Vorschuss, der durch die Erwartung auf zukünftige wirtschaftliche Erträge gedeckt ist. Denn die Empfängerin von Kreditgeld kann über Rohstoffe und Arbeitskraft verfügen, ohne im Gegenzug dafür unmittelbar eigene Ressourcen einbringen zu müssen. Dieses Geld hat kein materielles Gegenüber; es ist vergleichbar mit den zuvor beschriebenen übertragbaren Forderungen gegen eine Bank, die allein aus der Gewährung von Krediten erwachsen. Anders als das Geld, das sich als Tauschmittel im Wirtschaftsprozess bewegt, ist dieses Geld letztlich auf seine eigene Aufhebung ausgerichtet, weil es von vornherein in einer bloß vorübergehend eingeräumten Vermögensmacht besteht. Die Expansion und Kontraktion des Volumens von Finanzmärkten besteht im Wesentlichen aus diesem temporären Einräumen von Vermögensmacht gegen Sicherheiten. Es handelt sich bei diesen beiden Bestimmungen von Geld nicht notwendig um verschiedene Gelder, sondern vielmehr um Geld in unterschiedlichen Verwendungen. Wenn Geld jedoch in der ersten Verwendung den Wirtschaftskreislauf bildlich schmiert, indem es den reibungslosen Austausch von Waren ermöglicht, dann bringt Geld die Wirtschaft in der zweiten Verwendung zum 26

Um diesen Unterschied deutlich zu machen, unterscheidet Schumpeter zwischen »Kredite[n], denen eine Vorleistung des Empfängers entspricht […], und solchen bei denen dies nicht der Fall ist.« Siehe Schumpeter, Joseph: Das Wesen des Geldes. Göttingen 1970, S. 210.

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Pulsieren, indem es über den Vorgriff auf die gesellschaftliche Wirtschaftskraft produktive Tätigkeiten initiiert.27 Der kapitalistische Wirtschaftsprozess, in dem die Faktoren wirtschaftlicher Produktion über Märkte bereitgestellt und bestimmten Verwendungen zugeordnet werden, ist auf beide Formen von Geld angewiesen. Einerseits müssen Waren auf Märkten in Geld bewertet und über Geld gehandelt werden, damit die Preis-, Anreiz-, und Verteilungsmechanismen des Wettbewerbs überhaupt greifen können. Andererseits erfordert die Organisation wirtschaftlicher Entwicklung und Innovation in diesem Rahmen die Bereitstellung vorgeschossener monetärer Liquidität in Form von Krediten, die auf Finanzmärkten bereitgestellt werden. Die für den vorliegenden Kontext entscheidende Frage ist, was es für Geld in dieser zweiten Form bedeutet, über Märkte bereitgestellt zu werden. Geld tritt in dem zuletzt diskutierten Kontext nicht als Tauschmedium auf, sondern ist selbst in Form der vorgezogenen Verfügbarkeit von Kaufkraft ein Marktobjekt, für das ein Preis gezahlt wird. Unter Geldmärkten sind daher zunächst diejenigen Märkte zu verstehen, auf denen Geld gehandelt wird, also Märkte, auf denen Kaufkraft in Form von Devisen, Krediten und Verbindlichkeiten angeboten und nachgefragt wird. Diese Erkenntnis erleichtert die Beantwortung der Frage nach dem Preis der Ware Geld. Geld wird als Ware an Märkten nicht im engeren Sinne gekauft, sondern geliehen. Da der Preis von Waren in Geld ausgedrückt wird, wird also Geld für Geld gekauft, was zunächst sonderlich anmutet. Außer bei Devisengeschäften werden beim Kauf von Geld allerdings nicht Münzen und Scheine wiederum für Münzen und Scheine gekauft, sondern es wird die temporäre Verfügung über gegenwärtige Kaufkraft gehandelt.28 Der Zins ist der monetär bemessene Preis des Geldes, bzw. der vorübergehenden Verfügung über gesellschaftliche Kaufkraft. Auf der Grundlage dieser Überlegungen lässt sich formulieren, was es bedeutet, Geld – worin auch immer Geld besteht – zu einer Ware zu machen. Die Behandlung von Geld als Ware besteht in der Möglichkeit der Veräußerung und Aneignung der vorübergehenden Verfügungsmacht über gegenwärtige Kaufkraft. Die Analyse von Geld in dieser Warenform ist deshalb von Bedeutung, weil sie ein möglicher Ausgangspunkt einer weitreichenden Kritik der gegenwärtigen Praxis der Bereitstellung und Verteilung von Geld ist. Womöglich wird hier der Markt auf einen Gegenstand ausgedehnt, für den er nicht geeignet ist. Diese Kritik muss 27

Hier den Ursprung wirtschaftlichen Wachstums zu verorten, ist die Pointe von Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 28 So umschreibt, wie bereits gesehen, Schumpeter Geld im Zusammenhang der Unterscheidung von Kapital und Kapitalgütern: »Das Geld bietet sich dem ersten Blicke lediglich als eine allgemeine Anweisung auf verschiedene Mengen beliebiger Güter dar oder, wie wir sagen können, als ›allgemeine Kaufkraft‹.« Siehe Schumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 66.

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darlegen, inwiefern das Marktprinzip entweder aufgrund der spezifischen Beschaffenheit eines bestimmten Gegenstands oder aber aufgrund der sozialen, ökonomischen oder ökologischen Folgen seiner Kommodifizierung zurückzuweisen ist. Die folgenden Abschnitte befassen sich mit der Ausdehnung dieser Kritik auf die Ware Geld.

3.2. Geld als ›fiktive Ware‹ Eine erhellende Kritik der Behandlung von Geld als Ware findet sich in Karl Polanyis The Great Transformation, dessen Analyse zum Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen genommen wird.29 Gegenstand seiner Untersuchung ist der Zusammenbruch der zentralen Institutionen der wirtschaftlichen Organisation des 19. Jahrhunderts, der seinen zerstörerischen Höhepunkt in der Weltwirtschaftskrise von 1929 findet und der katastrophale politische und soziale Auswirkungen nach sich zieht. Polanyi liefert eine vielschichtige Erklärung des Einbruchs der industriellen Produktion, des Entstehens von Massenarbeitslosigkeit und der weitgehenden Auflösung fundamentaler liberaler Grundnormen. Er führt die gesellschaftliche Entwicklung hin zu diesem ökonomischen und sozialen Kataklysmus auf das Festhalten am utopischen Versuch der Umsetzung eines umfassenden sich selbst regulierenden Marktes zurück. Dabei geht es ihm explizit nicht um eine historische Darlegung der Entstehung der Wirtschaftskrise oder des Zerfalls der politischen Ordnung des 19. Jahrhunderts, sondern um eine strukturelle Beschreibung der zwingenden Mechanismen der gesellschaftlichen Selbstzerstörung vermittels bestimmter Weichenstellungen innerhalb ihrer wirtschaftlichen Organisation, in deren Zentrum die Ausdehnung des Marktes steht.30 In den folgenden Überlegungen zum Verständnis von Geld als Ware liegt der Fokus nicht auf einer Gesamteinschätzung der von Polanyi vorgelegten Analyse, sondern auf einem besonderen Bestandteil seiner Beschreibung und Kritik der Ausdehnung des Marktes. Polanyi beschreibt einerseits die Logik, 29

Polanyis wirtschaftssoziologische Untersuchung ist als Referenz der folgenden Überlegungen geeignet, weil er eine Kritik formuliert, die spezifisch auf die Ware Geld zugeschnitten ist. Auch andere philosophische Marktkritiken nehmen Bezug auf Polanyis Theorie. Siehe etwa Fraser, Nancy: Can Society be Commodities all the Way Down? Post-Polanyian Reflections on Capitalist Crisis. In: Economy and Society 43 (2014), S. 541–558. 30 Polanyi, Karl: The Great Transformation: The Political and Economic Origins of Our Time. Boston 2001 [1944], S. 4: »Ours is not a historical work; what we are searching for is not a convincing sequence of outstanding events, but an explanation of their trend in terms of human institutions.«

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mit der Arbeit, Boden und Geld zu Waren gemacht werden, andererseits legt er dar, warum in ihrer marktförmigen Behandlung ein Fehler mit weitreichenden Auswirkungen liegt. Dabei steht nicht die vielfach geführte übergeordnete Debatte um die Einbettung oder Entbettung ökonomischer Prozesse in gesellschaftliche Verhältnisse und Normen im Vordergrund, sondern allein Polanyis Beschreibung von Geld als fiktiver Ware.31 Denn diese besondere Charakterisierung scheint eine Kritik an der zuletzt dargelegten Vorstellung von Geld als Marktgegenstand zu enthalten, insofern seine Unterstellung einer Warenfiktion nahelegt, dass es sich bei Geld nicht im Vollsinne um eine Ware handelt, bzw. dass Geld einen Gegenstand darstellt, der sich nicht ohne empfindliche Probleme zur Ware machen lässt. Den Ausgangspunkt von Polanyis Kritik der Warenfiktion bezüglich des Geldes bildet die Beschreibung des Marktmechanismus als System der wirtschaftlichen Organisation über die individuelle Gewinnausrichtung der Wirtschaftssubjekte und den Ausgleich des Angebots und der Nachfrage von Waren anhand ihrer Preise. Der für die industrielle Entwicklung bestimmende Mechanismus der marktförmigen Selbstregulierung fordert innerhalb der Produktion und Zuordnung wirtschaftlicher Güter, dass alle Mittel der industriellen Produktion als Waren verfügbar sind, und zwar ohne gesellschaftliche Eingriffe, die über die Herstellung von Marktbedingungen hinausgehen. Polanyis Erklärung für diese Ausdehnung des Marktes ist der zunehmende Einsatz von Fabriken und Maschinen innerhalb der industriellen Produktion.32 Da wirtschaftliche Produktion auf industriellem Niveau umfangreiche und langfristige Investitionen erfordert, müssen die Produzenten bzw. Unternehmer und Investoren sich auf die Verfügbarkeit der innerhalb der Produktion benötigten Faktoren verlassen können, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Investitionen zu gewährleisten. Das bedeutet wiederum, dass die Bereitstellung der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Geld, die zuvor weitgehend innerhalb eines Rahmens außermarktlicher Normen und gesellschaftlicher Regulierung – etwa in Form von Lehnsverhältnissen oder Allmendegemeinschaften – organisiert ist, in den Markt überführt wird. Polanyis Kritik der Utopie des umfassenden sich selbst regulierenden Marktes vollzieht sich über die Darlegung der marktförmigen Bereitstellung

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Zur fiktiven Ware Geld vergleiche außerdem Polanyi: Great Transformation, S. 71–80, S. 136–138, S. 141, S. 201–209. 32 Siehe hierzu Polanyi: Great Transformation, S. 77–78. Polanyi führt eine weitere Erklärung der Hervorbringung der Warenförmigkeit des Geldes an. Er argumentiert, dass internationale Investitionen der haute finance im 19. Jh. durch stabile Wechselkurse begünstigt werden sollten. Die Bindung verschiedener Währungen an die Ware Gold war ein Mittel, um dies zu gewährleisten.

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von Arbeit, Boden und Geld.33 Er bezeichnet diese Gegenstände als ›fiktive Waren‹, deren marktförmige Behandlung jeweils mit spezifischen gesellschaftlichen Problemen verbunden ist. In der Rekonstruktion von Polanyis Kritik der geldbezogenen Warenfiktion ist daher herauszustellen, inwiefern Geld ein wirtschaftlicher Gegenstand ist, für dessen Bereitstellung der Markt prinzipiell ungeeignet ist, beziehungsweise inwiefern Geld aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit nicht der Bestimmung einer Ware entspricht. Die ökonomisch und sozial problematische Warenfiktion erläutert Polanyi wie folgt: »The crucial point is this: labor, land, and money are essential elements of industry; they also must be organized in markets […]. But labor, land, and money are obviously not commodities; the postulate that anything that is bought and sold must have been produced for sale is emphatically untrue in regard to them. In other words, according to the empirical definition of a commodity they are not commodities. Labor is only another name for a human activity which goes with life itself […]; land is only another name for nature, which is not produced by man; actual money, finally, is merely a token of purchasing power which, as a rule, is not produced at all, but comes into being through the mechanism of banking or state finance. None of them is produced for sale. The commodity description of labor, land, and money is entirely fictitious.«34 Polanyi argumentiert, dass die grundlegenden industriellen Faktoren Arbeit, Boden und Geld keine wirklichen, sondern nur fiktive Waren sind. Natürlich beobachtet er, dass es sich bei diesen Gegenständen um Waren handelt, insofern sie de facto auf Märkten gehandelt werden. Die Ausdehnung der Lohnarbeit, die Veränderung von Grundeigentum und die Organisation der Geldwirtschaft sind ja gerade die Phänomene, die Polanyi innerhalb seiner Beschreibung der Marktausdehnung beobachtet. Diese Gegenstände müssen jedoch

33

Die Prozesse, mit denen Arbeit, Boden und Geld zu Waren gemacht werden, bilden nur einen Teil der Erklärung der von Polanyi beobachteten gesellschaftlichen Selbstzerstörung. In seinem Argumentationsgang werden zunächst die Auswirkungen der Marktausdehnung auf die fiktiven Waren entfaltet. Daraufhin analysiert er die Gegenbewegungen, die ergriffen werden, um die Gesellschaft vor den zerstörerischen Auswirkungen der Ausdehnung des Marktes zu schützen. Diese Gegenbewegungen wiederum unterminieren letztlich die grundlegenden Institutionen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Organisation. So benennt Polanyi etwa als Ursache des von ihm beschriebenen sozialen Kataklysmus nicht Mechanismen der Erzeugung wirtschaftlicher Ungleichgewichte und Krisen allein, sondern auch »[…] the measures which society adopted in order not to be, in its turn, annihilated by the action of the self-regulating market.« Siehe Polanyi: Great Transformation, S. 257 und S. 79–80. 34 Ebd., S. 75.

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zuerst zu Waren gemacht werden.35 Natürlich lässt sich für alle auf Märkten gehandelten Gegenstände behaupten, dass sie zu Waren gemacht werden, da kein Gegenstand von Natur aus Ware ist. Der Ausgangspunkt seiner Kritik ist, dass diese Gegenstände gegen ihre Beschaffenheit als Waren behandelt werden. Denn sie entsprechen nicht der ›empirischen Definition‹ von Waren als für den Tausch produzierte Gegenstände, d. h. sie werden nicht hergestellt oder sind nicht für den Tausch bestimmt. Die Formulierung ›money is a token of purchasing power‹ – wobei sich ›purchasing power‹ als ›Kaufkraft‹ oder ›Vermögensmacht‹ übersetzen lässt – ist entscheidend für die Deutung des vorgebrachten Arguments. Geld entspricht Polanyi zufolge nicht der Beschaffenheit einer Ware, weil es als Wertzeichen – als token – überhaupt nicht im herkömmlichen Sinn herzustellen ist, sondern durch einen gesellschaftlich gesteuerten Prozess erzeugt wird.36 Polanyi argumentiert dementsprechend, dass die Vorstellung der Möglichkeit einer privaten Herstellung von Geld als einem diskreten handelbaren Gegenstand nicht dem entspricht, was Geld als gesellschaftliche Kaufkraft ausmacht. Geld ist vielmehr ein durch eine politische Institution oder das Bankenwesen erzeugter Anspruch, der als bloßes Zeichen gesellschaftlicher Vermögensmacht nur durch die ihm verliehene Geltung zu Geld wird. In der Behandlung von Geld als Ware wird es daher als eine Art von Gegenstand behandelt, die es nicht ist. Geld wird wider seine Natur mit fatalen Folgen zur Ware gemacht.37 Aber welcher spezifische Prozess des Zurwarema35

Ebd., S. 79. Der Begriff ›token‹ ist in diesem Zusammenhang nicht in der innerhalb der philosophischen Terminologie geläufigen Bedeutung von ›Vorkommnis einer Art‹ zu verstehen, sondern einfach mit ›Zeichen‹ zu übersetzen. Der für Geld außergewöhnliche Zusammenhang von abstraktem Wertmaß und konkretem Einzelvorkommnis, in dem womöglich von einzelnen tokens eines types gesprochen werden kann, ist davon zu unterscheiden. 37 Obwohl in der von Polanyis beschriebenen Warenfiktion eine Gemeinsamkeit mit Marx’ Fetischbegriff zu erkennen ist, will Polanyi mit der Beschreibung von Geld als fiktiver Ware ausdrücklich nicht die Kritik aufgreifen, die Marx unter dem Begriff ›Geldfetisch‹ an der Warenwirtschaft formuliert. Polanyi schreibt daher explizit: »Marx’s assertion of the fetish character of the value of commodities refers to the exchange value of genuine commodities and has nothing in common with the fictitious commodities mentioned in the text.«, Polanyi: Great Transformation, S. 76. Diese Abgrenzung ist begründet. Der Fetischcharakter betrifft für Marx alle Waren gleichermaßen. Er wird im Geld zwar besonders greifbar, weil im Gold mehr als in anderen Arbeitsprodukten der gesellschaftliche Ursprung seines Werts übersehen wird, die Grundbestimmung dieser Reifizierung aber liegt in der Natur der Ware und der Wertbildung im Austausch mit anderen Waren. So schreibt Marx: »Das Räthsel des Geldfetischs ist daher nur das sichtbar gewordne, die Augen blendende Räthsel des Waarenfetischs.« Siehe hierzu MEGA2 /II 6, 121. Polanyis Kritik der Warenfiktion bezieht sich demgegenüber nur auf die Waren Arbeit, Boden und Geld, für die er im Gegensatz zu anderen herkömmlichen Waren allein die verfehlte Vorstellung kritisiert, dass sie für einen Markt als Waren hergestellt 36

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chens von Geld ist es, den Polanyi mit den weitreichenden sozialen Problemen der Marktausdehnung assoziiert? Die entscheidenden Passagen, in denen Polanyi das Zurwaremachen von Geld behandelt, sind mit der Analyse einer spezifischen Organisationsform der Bereitstellung und Verteilung von Geld verbunden, die Polanyi zufolge verheerende Auswirkungen auf die produzierende Sphäre und – vermittelt über die Desorganisation unternehmerischer Zusammenhänge und die daraus resultierende Arbeitslosigkeit und Armut – auf die Gesellschaft insgesamt hat, insofern »the market administration of purchasing power would periodically liquidate business enterprise, for shortages and surfeits of money would prove as disastrous to business as floods and droughts in primitive society.«38 Die desaströsen Folgen der marktförmigen Organisation von Vermögensmacht – d. h. der warenförmigen Behandlung von Geld – zeigt Polanyi anhand der Auswirkungen des Festhaltens am Goldstandard zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts auf.39 Polanyis fundamentale Kritik an der Behandlung von Geld als fiktiver Ware bezieht sich auf diesen spezifischen institutionellen Rahmen der Geldorganisation, in dem Geld an einen stofflichen Träger, Gold, gebunden oder mit ihm identifiziert wird. Damit ist Geld hinsichtlich seiner Bereitstellung und Verteilung, genau wie sein stofflicher Träger, den Gesetzen des Marktes unterworfen: es wird zu einer am Markt gehandelten Ware, deren Menge und Preis durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage reguliert wird. Die Rückbindung von Geld an Gold verhindert außermarktliche Einflüsse auf die Geld- und Kreditmenge. Eine Politik der Steuerung der Geldmenge durch eine übergeordnete planende Institution ist nicht vorgesehen. Dieses Geldsystem steht zunächst in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Marktwirtschaft, insofern Bereitstellung und Verteilung des Produktionsfaktors Geld – bzw. Kapital in Form von Kaufkraft – über seinen Preis dezentral reguliert werden. Allerdings steht dieses System in grundlegendem Widerspruch zu den gesellschaftlichen Anforderungen an Geld als Instrument ökonomischer Koordination und Entwicklung. Denn es erlaubt in Situationen der allgemeinen Geld- und Kreditknappheit keine einfache Ausdehnung der werden können. 38 Polanyi: Great Transformation, S. 76. 39 Siehe hierzu Dale, Gareth: Karl Polanyi: The Limits of the Market. Cambridge 2010, S. 58–79 und Frerichs, Sabine: From Credit to Crisis: Max Weber, Karl Polanyi, and the Other Side of the Coin. In: Journal of Law and Society 40 (2013), S. 7–26, hier S. 18–26. Zu Polanyis Beschreibung von Geld als sozialer Institution siehe Moisseron, Jean-Yves: Money without Exchange: Theoretical Reconsiderations. In: Economy and Society. Hg. v. Fikret Adaman und Pat Devine. Montréal 2011, S. 134–149.

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Geldmenge zur Stimulation wirtschaftlicher Tätigkeit, sondern bietet allenfalls Anreize zu einer vermehrten Ausbeutung der natürlichen – und natürlich begrenzten – Geldvorkommnisse. Die resultierenden Preisschwankungen und Kreditknappheiten wirken sich, wie Polanyi darlegt, desaströs auf die unternehmerische Tätigkeit innerhalb einer so organisierten Wirtschaft aus. Seine Kritik richtet Polanyi gegen Theorieansätze, die in der Tradition von Humes Überlegungen zum Goldautomatismus stehen.40 Das in diesem Automatismus angeführte wirtschaftspolitische Argument für die Bindung des Geldes an einen stofflichen Träger formuliert die Annahme, dass ausgeglichene zwischenstaatliche Handelsbilanzen durch die Golddeckung des Geldes erreicht werden können. Ein Importüberschuss führt dieser Überlegung nach zu einem Goldabfluss und aufgrund der Bindung von Geld an Gold zu einer inländischen Geldknappheit. Diese Geldknappheit bedeutet, dass ein Weiterführen desselben Umfangs an wirtschaftlichen Transaktionen im Inland bei derselben Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nur auf einem geringeren Preisniveau stattfinden kann, welches wiederum die Importe aus dem Ausland verringert und die Exporte vergrößert, weil diese nun im Vergleich günstiger werden. Der internationale Handel findet im Goldstandard nach dieser Auffassung diejenige Geldorganisation mit der größten Verlässlichkeit und Stabilität und der Tendenz zu ausgeglichenen Handelsbilanzen. Für die nationalen Wirtschaften ist dieses System jedoch mit Schwankungen der Verfügbarkeit von Geld und des Preisniveaus verbunden. Die mit dem Goldstandard einhergehenden Preisbewegungen betrachtet Hume aus einer rein quantitätstheoretischen Perspektive, die einen arithmetischen Zusammenhang zwischen Geldmenge, Preisniveau, Transaktionsumfang und Umlaufgeschwindigkeit beschreibt. Polanyi hingegen verweist auf die gesellschaftlich verheerenden Konsequenzen von nur rechnerisch – nicht aber gesellschaftlich – bedeutungslosen Preisbewegungen: »[Hume discovered] that business remains unaffected if the amount of money is halved since prices will simply adjust to half their former level. He forgot that business might be destroyed in the process.«41 Eben dieser Prozess der unter dem Goldstandard notwendig werdenden Preisanpassungen innerhalb von Gesellschaften bildet den Kern der Zurückweisung der geldbezogenen Warenfiktion, die Grundlage des Goldstandards ist.

40

Hume, David: Of the Balance of Trade. In: Essays and Treatises on Several Subjects. London 1777, S. 308–326, hier S. 312. 41 Polanyi: Great Transformation, S. 201–202. Siehe auch ebd., S. 137–138, sowie S. 204: »With money, the threat was to productive enterprise, the existence of which was imperiled by any fall in the price level caused by use of commodity money.«

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Ohne die ökonomischen Details dieses Zusammenhangs zu beurteilen oder die weiterführende Analyse der gesellschaftlichen Reaktion auf die marktförmige Behandlung von Geld in seiner Analyse zu verfolgen, lässt sich mit dieser Rekonstruktion der Kritik der fiktiven Ware Geld die spezifische Stoßrichtung der Polanyischen Argumentation gegen die Vorstellung von Geld als Ware einordnen. Polanyi verweist auf die katastrophalen Folgen der Herauslösung der fiktiven Ware Geld aus ihrer ursprünglichen sozialen Einbettung als ›token of purchasing power‹ durch ihre Überantwortung an die Mechanismen des Marktes, indem er eine spezifische Ausgestaltung – den Goldstandard – der marktförmigen Behandlung von Geld zum Gegenstand macht. Der Missstand, den Polanyi benennt, besteht nicht darin, dass Geld – und damit womöglich auch Zeichengeld (token money) – als Ware behandelt wird, sondern darin, dass dieses Geld durch ein anderes Geld (commodity money) ersetzt wird, das in einer gehandelten Ware besteht. Diese Kritik kann Polanyi nur deshalb formulieren, weil er eine bestimmte wirtschaftstheoretische Auffassung bezüglich der Beschaffenheit von Geld vertritt, in der Geld als Zeichen von Kaufkraft in einer spezifischen sozialen Beziehung besteht. Seine Kritik des Zurwaremachens von Geld gründet sich auf die Zurückweisung einer fehlgeleiteten Vorstellung von Geld als Ware – im Sinne der Debatte aus dem zweiten Abschnitt –, die ihre institutionelle Manifestation im Goldstandard erfährt. Aus diesem Grund nennt Polanyi die Gleichsetzung von Geld mit einer bestimmten Ware eine Fiktion. Die Fiktion besteht darin, dass Geld qua gesellschaftliche Vermögensmacht grundlegend anders beschaffen ist, als es die institutionelle Ordnung des Goldstandards unterstellt. Mit dieser differenzierteren Beschreibung der geldbezogenen Warenfiktion wird deutlich, dass Polanyis Kritik nicht ohne Weiteres einer der beiden in Abschnitt zwei unterschiedenen Versionen der Beschreibung von Geld als Ware zuzuordnen ist. Denn der Prozess, mit dem eine Ware – wie etwa Gold – zu Geld wird, ist nicht zwingend identisch mit dem Prozess, mit dem Geld selbst – was immer unter Geld zu verstehen ist – zu einer Ware wird, deren Allokation und Distribution über einen Markt organisiert wird. Polanyis Kritik richtet sich zumindest nicht unmittelbar gegen die Forderung, Geld zum Gegenstand von Marktbeziehungen zu machen, sondern vielmehr gegen die Bindung von Geld an eine bestimmte Ware, deren Begrenztheit nicht die für Geld notwendigen Ausgleichsbewegungen in Form einer kontrollierten Ausdehnung oder Kontraktion zulässt.42 Obwohl unter dem Goldstandard weiter42

In diesem Punkt trifft Polanyis Kritik der Organisation von Geldmitteln über einen begrenzten Träger im Übrigen auch andere Geldentwürfe, wie etwa Bitcoin, dessen Mengenstarrheit ähnliche Probleme wie die Goldmenge als Geldgrundlage aufwirft. Womöglich kurzfristig erforderliche Geldexpansionen sind in dieser Form nicht ohne

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hin Banknoten zirkulieren, sind diese durch ihre erzwungene Rückbindung an Gold nicht mehr als bloße ›tokens of purchasing power‹, sondern als Stellvertreter einer bestimmten Ware zu begreifen. Die zunächst unmittelbar naheliegende Einordnung von Polanyis Kritik als allgemeine Zurückweisung derjenigen Ausdehnung des Marktes, mit der Geld als Ware behandelt wird, ist daher insbesondere aufgrund der Bedeutung des Goldstandards für seine Argumentation, die eine andere Dimension der Warenförmigkeit des Geldes betrifft, zu korrigieren. Die Ausrichtung von Polanyis Argument auf den Goldstandard und die damit einhergehende Verengung der Analyse der Warenförmigkeit des Geldes auf die Geldkonstitution wird in seiner Beschreibung der Eingriffe von Zentralbanken als Reaktion auf die durch den Goldstandard entstehenden Turbulenzen deutlich: »token money […] was not a commodity; it was purchasing power; […] it was merely a counter embodying a quantified claim to things that would be purchased. Clearly, a society in which distribution depended upon the possession of such tokens of purchasing power was a construction entirely different from market economy.«43 Die Zurückweisung der Gleichsetzung von Geld mit der Ware Gold geht hier mit der Zurückweisung der Subsumtion von Geld unter den Marktmechanismus einher. Diese Verknüpfung ist in Polanyis Argumentationskontext plausibel, weil er darlegen will, dass Geld als quantifizierter Anspruch (a counter embodying a quantified claim) innerhalb eines komplexen Systems von Verbuchungsregeln von der materiellen Ware Gold zu unterscheiden ist und ihre Gleichsetzung nur als Fiktion zu begreifen ist. Geld kann jedoch, wie bereits gesehen, auf andere Weise zur Ware werden als über seine institutionelle Bindung an eine Ware. Polanyis Analyse ist somit nicht auf die gegenwärtige Situation abbildbar, in der gesellschaftliche Vermögensmacht auf Märkten gehandelt wird, ohne dass Geld mit einer gegenständlichen Ware gleichgesetzt wird. Staatliches Geld in Form von Münzen und Geldscheinen ist zwar nicht für den Markt produziert und untersteht der gesellschaftlichen Regulierung in einer Form, mit der es nicht mehr als Ware bzw. als Gegenstand eines Marktes für Geld angesehen werden kann. Innerhalb des Bankwesens geschaffene Kredite und Guthaben aber können durchaus als für einen Markt produziert angesehen werden, insofern Banken tatsächlich systematisch ökonomisches Vertrauen in ihre Zahlungsversprechen erzeugen, um auf dieser Grundlage mit ihrer Anerkennung als verlässlicher Gläubiger und Schuldner zu wirtschaften. Weiteres vorzunehmen. 43 Ebd., S. 205.

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Genau diese Form des Geldes als privat erzeugter gesellschaftlicher Vermögensmacht erlangt zunehmende Bedeutung an modernen Finanzmärkten, und genau dieser Prozess, Geld zu einer Ware zu machen, wird innerhalb von Polanyis Kritik von Geld als fiktiver Ware, die auf den institutionellen Rahmen des Goldstandards ausgerichtet ist, nicht erfasst. Seine Argumentation ist daher nicht ohne Weiteres auf die Behandlung von Geld als Ware auf den Kredit- und Finanzmärkten der Gegenwart zu übertragen, wenn dieser spezifische Rahmen nicht vorausgesetzt ist. Wie sich zeigt, bildet die vorausgehende Rekonstruktion des theoretischen Hintergrunds, vor dem Polanyis Kritik des Geldes als fiktiver Ware erst verständlich wird, die begriffliche Grundlage einer möglichen Kritik der marktförmigen Behandlung des Geldes in seiner Gestalt als bloßer Anweisung auf die Gesellschaft, das heißt als sozialer Kaufkraft oder Vermögensmacht. Diese Kritik kann hier nicht mehr formuliert werden, jedoch wird die theoretische Gestalt, die sie annehmen müsste, erkennbar.

4. Fazit: Zur Kritik der warenförmigen Behandlung von Geld Aus der Gesamtheit der vorangehenden Überlegungen wird deutlich, dass ein Verständnis der Behandlung von Geld als Ware, die dem Organisationsprinzip des Marktes unterworfen ist, besondere Aufmerksamkeit erfordert, weil eine Doppeldeutigkeit der Beschreibung von Geld als Ware mit einer Doppelfunktion von Geld innerhalb von Marktwirtschaften einhergeht. Die hinsichtlich der gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnisse interessante Kritik der marktförmigen Bereitstellung und Verteilung von Geld richtet sich vorrangig auf Geld als Gegenstand von Märkten und nicht auf den innerhalb der Ökonomie diskutierten Zusammenhang zwischen Geld und der Ware Gold. In diesem Verständnis von Geld als Ware steht zunächst nicht die Natur des Geldes als Ware in Frage, sondern dessen marktförmige Behandlung, welche Beschaffenheit auch immer Geld selbst aufweisen mag. Infolge der angeführten Unterscheidungen sind mit Blick auf eine Kritik der Behandlung von Geld als Ware weitere Überlegungen darüber anzustellen, aus welchem Grund gesellschaftliche Kaufkraft oder Vermögensmacht nicht uneingeschränkt über den Markt gehandelt werden sollte. Einen Ausgangspunkt liefert Polanyis Bestimmung von Geld als gesellschaftlicher Vermögensmacht, die nicht als für einen Markt bereitgestellt zu begreifen ist. Wie in vergleichbaren normativen Analysen der marktförmigen Behandlung von Gegenständen lassen sich für Geld zwei verschiedene Arten von Erwägungen anführen. (i) Äußerliche Erwägungen richten sich auf die Folgen der marktförmigen Bereitstellung des Geldes, etwa hinsichtlich seiner Verfügbarkeit, seiner Verwendung und seiner Verteilung. So lassen sich womöglich analog zu Po-

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lanyis Argument empirische Zusammenhänge aufdecken, die nahelegen, dass zentrale Funktionen, die dem Geld innerhalb der Vermittlung wirtschaftlicher Verhältnisse zukommen, über Geld als Marktgegenstand nur unzureichend erfüllt werden. Die starke Ausweitung der vorhandenen Geldmenge innerhalb der letzten Jahrzehnte, auf deren Grundlage der Finanzsektor gegenüber der Realwirtschaft erheblich an Bedeutung gewonnen hat, stützt diesen Verdacht. Zumindest lässt sich mit Blick auf die jüngsten Finanzkrisen argumentieren, dass Finanzmärkte in Situationen systemischer Vertrauenskrisen gerade nicht Kreditmittel im gesamtwirtschaftlich erforderlichen Umfang hervorbringen. Die Angewiesenheit der wirtschaftlichen Entwicklung von Gesellschaften auf die Verfügbarkeit von Geld bildet jedoch nur einen Strang der Begründung gesellschaftlicher Eingriffe in Geldmärkte. Darüber hinaus lassen sich womöglich auch (ii) intrinsische Argumente formulieren, die darauf hinauslaufen, dass die Beschaffenheit von Geld als sozialer Vermögensmacht nicht nur gegen Warengeldsysteme, sondern auch gegen die marktförmige Behandlung von Geld innerhalb von Kreditgeldsystemen spricht. In dieser Argumentation birgt das im Geld enthaltene Verhältnis von gesellschaftlicher Schuldigkeit und individuellem Anspruch womöglich Gründe in sich, die gegen seine Behandlung als Ware auf einem Markt sprechen. Um dies zu zeigen, sind die mit Geld qua gesellschaftlicher Vermögensmacht einhergehenden normativen Anforderungen zu ergründen, die seine Bereitstellung nicht als Aufgabe privatwirtschaftlicher Produktion, sondern als genuin gesellschaftliche Aufgabe erscheinen lassen. Die im Geld als sozialer Vermögensmacht enthaltene Geltung dürfte dann nicht ohne Einschränkungen von privaten Wirtschaftssubjekten in Anspruch genommen werden, wenn diese an Finanzmärkten Kaufkraft regelrecht herstellen. Die für die philosophische Kritik von Geldmärkten zentrale Frage ist dementsprechend, ob sich Argumente der korrumpierenden Wirkung von Märkten auf die über sie bereitgestellten Gegenstände auf den Gegenstand Geld übertragen lassen. Beide Stränge dieser Kritik der warenförmigen Behandlung von Geld erfordern einerseits empirische Belege der ökonomischen und sozialen Struktur von Geldmärkten, aber andererseits auch genuin sozialphilosophische Überlegungen zu den Geltungsbedingungen der im Geld enthaltenen gesellschaftlichen Vermögensmacht. Die entscheidende Erkenntnis der vorausgehenden Überlegungen ist, dass diese Kritik sich nicht nur auf die zum Geld gewordene Ware richten sollte, sondern auch auf das zur Ware gewordene Geld.

Lisa Herzog

Who should prevent sweatshops? Duties, excuses, and the division of moral labour in the global economy

In debates about global justice, many commentators take it for granted that in order to make the global economy more just, its legal and political framework has to be changed. Suggestions include changes in the structures of the WTO,1 a new approach to property rights for resources coming from countries without democratic accountability,2 or a coupling of free trade with labour standards.3 It is hardly possible to deny the importance of such reforms, and many would agree that as citizens of democratic countries, we have a duty to work towards them. In addition, we arguably have a duty of assistance towards those in dire need, for example in cases of famines. In this paper, I ask what other duties participants in the global economy (or market participants, for short) have, and how these duties should be allocated between them. Changes in the global legal structures are hard to push through, and the gears of international politics grind slowly. Meanwhile, many market participants feel that they have other duties as well. For example, many consumers consider it a duty not to buy clothes that might have been produced by child labour.4 It seems clear that if individuals, especially children, in one’s neighbourhood were treated in the way in which sweatshop workers are treated, we would have a duty not to contribute to this treatment, and probably a duty to help as well. In the global economy, the sweatshops in which our 1

See for example Loriaux, Sylvie: Fairness in international economic cooperation: moving beyond Rawls’s duty of assistance. In: Critical Review of International Social and Political Philosophy 15(1) (2012), pp. 19–39. 2 Wenar, Leif: Clean Trade in Natural Resources. In: Ethics & International Affairs 25(1) (2011), pp. 27–39. 3 Barry, Christian/Reddy, Sanjay: International Trade and Labour Standards: A Proposal for Linkage. New York 2012. 4 Sweatshops (which are often combined with child labour) have also famously been discussed by Young, Iris Marion: Responsibility for Justice. Oxford 2011, pp. 126–127. I comment on how my solution differs from hers in fn. 6 below. Ethical consumerism is sometimes seen as an answer to the global governance gap (see e. g. Follesdal, Andreas: Political Consumerism as Chance and Challenge. In: Politics, Products, and Markets: Exploring Political Consumerism Past and Present. Ed. by Michele Micheletti, Andreas Follesdal and Dietlind Stolle. New Brunswick, NJ 2004, pp. 3–20). But consumers are not the only market participants whose responsibilities need to be reconsidered. I therefore suggest a broader analysis.

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clothes are produced are out of sight. Does this mean that all duties we have towards these workers are eliminated? In order to answer this question, it is important not to be misled by certain assumptions about the global economy that are made in textbook models of markets. As will be discussed in more detail below, real-life markets are much more diverse than these models assume, and this diversity translates into a diversity of the duties that market participants can have. The aim of this paper is to disentangle the reasons for and against the existence of moral duties that participants in the global economy have towards one another, and to see how the division of moral labour between them can be informed by an analysis of the validity of counter-arguments. I start by discussing the normative bases of a prima facie duty for market participants not to contribute to harm and to offer help in certain cases. Using a stylized example, I argue that the duty to help is rendered stringent through the involvement with the situation and the capacity to help. Thus, prima facie there is a duty not to harm, or to fail to help, that one has qua participant in the global economy. I then proceed to disentangle various arguments for why one might be justified or excused in neglecting this duty: negligibility, (morally innocent) ignorance, and what I call budget constraints, which relate to the fair distribution of burdens and the role of competition. Arguments about such justifications or excuses deserve close scrutiny, because they can be abused as smokescreens to deflect claims about one’s responsibilities. But one can draw on well-known arguments from moral philosophy in order to evaluate their force and thereby arrive at a decision procedure for when the prima facie duty is binding or not, or when market participants might be excused for failing to fulfil it. An important step in my argument is to draw attention to the heterogeneity of the participants in the global economy: there are not only consumers, i. e. private individuals and families, but also companies of different kinds that can also be held responsible for what they do.5 They have very different capacities to overcome the obstacles that are candidates for justifications or excuses, and for taking measures that are improvements over the status quo. Distinguishing different obstacles and different capacities helps to derive guidelines for a division of moral labour, and hence helps to get beyond general claims about »structural« injustices and our responsibilities for them.6 Such a division of la5

Cf. e. g. Bovens, Mark: The Quest for Responsibility. Accountability and Citizenship in Complex Organisations. Cambridge 1998, for an account of responsibility in organizations. My argument does not turn on whether a company’s responsibility is understood as a collective responsibility of its members, a responsibility of the legal entity, or a responsibility (or responsibilities) of individual members. 6 Young, in her »social connection model« (Responsibility for Justice, chap. 4), argues

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bour can build on the strengths of different market participants and hence keep moral burdens manageable even in the absence of institutional solutions. In the conclusion, I emphasize that this approach does not contradict, but rather supplements, the institutionalism that prevails in debates about global justice and the global economy.

1. The duty not to harm and the duty to help Imagine the following example: Mary often buys vegetables from a nearby farm. One day, she discovers that the farmers have a young child who has to help with the farm work for many hours every day. The parents tell her that they are considering taking the boy out of school so that he can help more; they argue that the competition for customers is so harsh that this is their only way of making ends meet. Mary is appalled: it seems that she has bought food that was produced by exploiting7 a young child, who is likely to have been harmed in his physiological and psychological development. She feels that she has a duty to do something about the situation. What might be the normative bases for Mary having a duty to do something in this situation? There are two obvious candidates: a duty not to harm, and a duty to help. Most theorists consider the duty not to harm a fundamental principle of morality and a perfect duty. To show that a duty of harm has been violated, one needs to show two things: that the person in question has played some causal role in the event,8 and that harm has in fact been done. With regard to the forfor a general responsibility that stems from the participation in morally problematic social structures. Young describes her account as forward-looking rather than backward-looking (pp. 109–110). In that sense it is similar to the stringent duty to help that I describe below. In fact, the kind of social connection Young describes could be seen as spelling out what can make a duty to help stringent (see e. g. pp. 105–106 and pp. 142– 143). My account goes beyond hers in two ways: it also takes into account backwardlooking responsibilities, and it spells out how different justifications or excuses can be used to derive a division of moral labour. Young hints at something similar (under the term »parameters of reasoning«) when reflecting on the responsibility for changing unjust structures (mentioning power (pp. 144–145), privilege (p. 145), interest (pp. 145– 146), and collective ability (pp. 146–147)), but without drawing connections to the ways in which such factors are usually seen in moral theorizing. 7 Note that here and in what follows, I use the term »exploitation« and its cognates in a non-technical, somewhat loose sense. My focus is not on defining exploitation, but on understanding what reasons there might be for being justified or excused when contributing to it. I assume that although there may be borderline cases, many real-life cases clearly fall under a broad concept of exploitation. 8 Note that the question of how that causal role translates into a moral responsibility

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mer, it is important to note that for an act to count as a violation, the violation does not have to be intended, it can also be a by-product of other actions or a result of negligence. Here I also assume that if one contributes to a process that causes harm then this also violates the duty not to harm, at least if this contribution is reasonably direct. It is a matter of judgment whether, in a concrete case, an agent’s contribution is sufficiently direct to constitute a violation. But it is important not to make the threshold for such contributions too high; otherwise one might end up with no one being responsible for the harm done, especially in situations in which there are many contributing individuals.9 With regard to the second condition – that harm has been done – it is equally important to be careful in defining what the harm in question consists in, and what the point of comparison is. In response to the example given above, someone might say that Mary has helped rather than harmed the child, because without her having bought products from his parents, his situation would have been even worse. This conclusion would be too quick, however. Even if Mary’s actions so far might have contributed to a higher income for the family, this does not mean that no harm has been done to the young boy. By assumption, he suffers severe deprivation. Some of this harm could be prevented if the customers, including Mary, paid a higher price for the farm products. Although Mary is not alone in contributing to this harm, she is part of the story. In the discussion of Mary’s situation the second duty upon which one might draw is a duty to help. Here, one can distinguish two levels. There is, first, a general duty to help those in need. It is usually understood as an imperfect duty: there is some latitude in where, when and how one fulfils it. Thus, individuals can decide how they want to fulfil this duty, and they can decide against helping a particular individual in a particular situation, as long as they do enough, overall, to fulfil this duty. How much that is, however, is difficult to determine, especially if others do not do their fair share. Murphy, for example, suggests that our duty of beneficence in a situation of widespread non-compliance amounts to no more than what would be our fair share if everyone did their fair share.10 Another suggestion would be to say that those who are better able to help have a greater duty; thus, Miller is one among many theorists who see »capacity« as a principle of responsibility.11 The general duty to help, however, is not directly connected to Mary’s role as a customer of this family; can only be answered after various candidates for justifications and excuses are considered (see below). 9 Below, I address the problem of »negligibility«, i. e. the claim that some causal effects are so small that they can be neglected in the calculation of moral responsibility. 10 Murphy, Liam B.: Moral Demands in Nonideal Theory. Oxford 2000. 11 Miller, David: Distributing Responsibilities. In: The Journal of Political Philosophy 9(4) (2001), pp. 453–471.

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one might well argue that in order to optimally fulfil this general duty, Mary should donate to whatever organization can use the funds most efficiently in alleviating suffering. But the duty to help can also take on a more specific form: it can become stringent because of someone’s involvement in a situation. After all, Mary stands in a specific relation to the case: she is connected to it in a reasonably direct way, and there are things she can do to address it. For example, she can try to convince the parents that they have to treat their child differently, or she can call the child protection service. These facts create an urgency in which it is morally required for Mary to do something, or at least to attempt to do something. The general duty to help becomes stringent because of two connected facts: Mary’s involvement in the situation – which distinguishes this case from other cases that she has nothing to do with – and the fact that she can do something about it with relative ease. If Mary encounters great obstacles in trying to address the problem, she may be justified or excused if she is not successful in changing the situation for the better. But it would be a violation of her duty not to do anything at all.12 These two lines of reasoning – from the duty not to harm, and from the stringent duty to help – thus go in the same direction. Both require Mary to take action. Readers will have guessed that what I am interested in is not this stylized example, but our role as participants in the global economy. In this role, we are in a situation that is in some ways similar to Mary’s: we participate in economic processes in which grave harm is done to other human beings who have to work in problematic conditions and suffer severe deprivation. Other forms of harm are contributions to climate change, harm to the environment, or the harm done by civil wars that are fuelled by the sale of natural resources.13 The question is whether or not, as participants in the global economy, we have a duty to do something about situations in which such harm is done. Remember that in the next section I will discuss candidates for justifications or excuses; in this section the aim is to establish whether there is a normative basis for such a duty as a prima facie duty. The question therefore is whether the rationale that underlies Mary’s duty to do something in the case of the abused child can also be used for describing the situation of participants in the global economy.

12

In fact, in many legal systems there is a duty to assist in emergencies that can even be legally enforced: if the situation is urgent, and one can do something in order to help, one has a legal duty to do this, even if one has not contributed to bringing about the situation in the first place. 13 In what follows, I focus on labour conditions because they are a particularly clearcut case. In other cases there is more controversy about the causal connections and the possibilities of changing things.

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The crucial difference is, of course, that there is no immediacy of the kind Mary experiences: the problematic practices take place in other parts of the globe. This makes it much easier, from a psychological point of view, to suppress the thought that we might have a duty to try to change the situation. Nonetheless, there are causal chains between these distant regions and our consumption and investment decisions: after all, many items the production of which causes grave harm end up in our shopping carts. As Scheffler puts it, »individuals have a special responsibility for what they themselves do, as opposed to what they merely fail to prevent«.14 Buying these goods is a form of action, not a failure to prevent something, and hence certain causal chains are singled out from the vast set of bad things that we might in theory prevent from happening. In addition, we often have the capacity to avoid the harm caused by the products we buy, at least in principle. For example, the costs of improving safety conditions in the textile industry in countries such as Bangladesh would amount to a price increase of less than one US dollar per piece of clothing.15 For many products, there are alternative products that have been produced under better conditions, for example fair trade products, so consumers have some scope for decision-making. Similarly, many companies that participate in international markets could try to avoid problematic practices. For example, companies could avoid such practices by making sure that they only buy from suppliers that reliably stick to certain moral standards. These two factors, taken together, speak in favour of a prima facie duty to try to change the situation. One might add that, in many situations, Western companies and consumers benefit from the harm because they can buy cheaper products. Some would hold that this is an additional ground for duties.16 But I take it that the first two grounds (the duty not to harm and the stringent duty to help) are sufficient to make a prima facie duty plausible, and will therefore not enter into a discussion of benefitting from harm. In practice, these different grounds for a prima facie duty to do something often point in the same direction. This is typical for the situations Lichtenberg calls »New Harms«: harms that do not arise from major violations in our immediate surroundings (such as the harm done to someone we hit on the head), but from the sum of many individuals engaging in practices that have harmful effects in other parts of the globe. As Lichtenberg argues, the distinction between positive and negative du14

Scheffler, Samuel: Individual Responsibility in a Global Age. In: Social Philosophy and Policy 12 (1995), pp. 219–236, p. 223. 15 See for example Srivastava, Mehul/Shannon, Sarah: Ninety Cents Buys Safety on $22 Jeans in Bangladesh, 2013. http://www.bloomberg.com/news/2013-06-05/ninetycents-buys-safety-on-22-jeans-in-bangladesh.html (as of 2/4/2016). 16 Anwander, Norbert: Contributing and Benefiting: Two Grounds for Duties to the Victims of Injustice. In: Ethics & International Affairs 19(1) (2005), pp. 39–45.

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ties is much less clear-cut in cases of »new harms« than in traditional forms of harm.17 Understanding the prima facie duty not to harm or not to fail to help in the way described above provides responses to two objections that might be raised against a duty of participants in the global economy. A first objection parallels the one that has already been discussed in the example of Mary: that no harm is done. Similarly, some people hold that in cases of sweatshop labour, no harm is done because having a job in a sweatshop is a relative improvement of the situation of the workers.18 But the same rationale that applies in Mary’s case also applies to the sweatshop labourers and similar cases: we are causally connected to them, and it is, at least in principle, very easy for us to help to improve their situation. For example, we could improve their situation by paying slightly higher sums that could be used for installing safety measures in factories. This makes the duty to help stringent. Of course, there must be a limit on how far this duty can go; obviously one cannot construct a duty to enable these workers to live a life in effusive luxury along these lines. But this is not the situation that we face in today’s world: many workers in poor countries, to whom consumers in rich countries are connected by the causal chains of the global market, live in such dire conditions that a failure to help amounts to prolonging grave forms of harm. A second, related objection concerns the strategies that one can draw upon in order to fulfil one’s duty not to harm. It accepts that there is such a duty, but suggests that the best response to it is to avoid all activities that have any likelihood of violating this duty. Let me point out, first, that this is hardly a viable strategy for most of us: we live in societies with divided labour, and it would be very hard to only buy products about which we can be perfectly sure that no harm has been done. A more viable strategy might be to only buy products from well-regulated economies, where grave forms of harm are banned by law. If the only duty we had was to do no harm, to »keep our hands clean«, this might be a good idea. But it might also make the situation of the workers in less developed economies even worse. We would then have to take other steps in order to fulfil our general duty to help them. Given, however, that we need to buy certain products anyway – in order to fulfil existential needs, but also

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Lichtenberg, Judith: Negative Duties, Positive Duties and the »New Harms«. In: Ethics 120(3) (2010), pp. 557–578. 18 Such a claim might for example be made as part of a more general claim that trade with the poor is, in the long term, a better strategy than charity. For such an argument, see e. g. Kuper, Andrew: More Than Charity: Cosmopolitan Alternatives to the »Singer Solution«. In: Ethics & International Affairs 16(2) (2002), pp. 107–120; it is also a widespread position among economists.

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to »appear in public without shame«19 – a more plausible strategy (although maybe not the only permissible one) for fulfilling one’s duties is to trade with them, but without violating our duty not to harm or to fail to help. In principle, market exchanges allow for mutually beneficial outcomes. However, in the current global economy there are vast inequalities, which translate into unequal bargaining power that generates situations in which one side can suffer great harm even though it may be a relative improvement. The question thus is whether market participants could contribute to turning markets into places where mutually beneficial, rather than exploitative and harmful, exchanges take place.

2. Disentangling justifications and excuses In addition to the prima facie duty defended above, however, there could be reasons why market participants might be justified or excused for not fulfilling this duty. By »justified« I mean that other, weightier reasons, override the prima facie duty. By »excused« I mean cases in which, in Austin’s classic definition, we »admit that it was bad but don’t accept full, or even any, responsibility«.20 In what follows, I discuss three candidates for justifications or excuses.21 Firstly, negligibility means that the contribution of a moral agent to an outcome is extremely small, so that it can be left out of a moral evaluation. Secondly, ignorance means that agents lack knowledge about certain aspects of their actions, and therefore cannot be held responsible; however, a follow-up concern is whether the agents’ ignorance is morally innocent. The third category, »budget constraints«, describes a fact often cited as particularly relevant for the economic sphere: one dollar (or euro, or pound) cannot be spent twice. The term »budget« is used in a broad metaphorical sense that describes limited resources of different kinds. Thinking about budget constraints leads to considerations about the fairness of the distribution of burdens, and about the role that economic competition plays in moral evaluations. Questions of negligibility, ignorance, or budget constraints are not specific to the global economy. This is an advantage for theorizing because, given that 19

Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Oxford 1976, p. 470. 20 Austin, John L.: A Plea for Excuses. In: Philosophical Papers. Ed. by James Opie Urmson and Geoffrey James Warnock. New York 1979, pp. 175–204, p. 176. 21 Arguments along these lines frequently occur in public discourse, and such categories are broad enough to cover many of the more concrete arguments that have been brought forward in this context. I do not claim that there cannot be any other, perhaps more specific, justifications or excuses, but I hope to cover the most central cases.

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these cases have been widely discussed, one can draw on well-established arguments when evaluating them. What is specific about the global economy is the scale of these problems, and the ways in which they are intertwined with and reinforced by one another. Often, the contribution of a single individual is small. Such individuals know very little about the consequences of their actions and they may not know whether or not they can make a difference; they have limited resources for addressing issues such as sweatshop labour, and they do not know how to share the burden with others. This leads to coordination failures in which serious harms can happen with only very few agents (or perhaps even none at all) acting on evil intentions or behaving in inexcusably egoistic ways. But not all market participants are identical, and they do not all face these problems in identical ways. This is why it is helpful to analyse the way in which these problems amount to justifications or excuses for market participants in greater detail – for, in cases wherein none of these justifications or excuses applies, there is a duty to do something about the situation. The analysis hence serves as the basis for a decision procedure regarding who has which duties.

2.1 Negligibility A common response to the idea that there might be a duty to contribute to making the global economy more just is that one’s own actions are unlikely to make a difference: one’s contribution is negligible. This argument can be made with regard to one’s contribution to the harm done, but also with regard to the difference it would make if one tried to improve things, as the latter might also be negligible, and – so the argument goes – is therefore not worth its while. Having argued above that there can be both a duty not to harm and a stringent duty to help other participants in the global economy (and that it often does not make a difference, for practical questions, which one we focus on), I treat these arguments together here. If one could know for sure that one’s own actions really did not make any difference to the outcome, this might be considered a valid justification: if, for example, there was no causal chain at all between one’s own actions and the situation of those to whom harm is done by having to work in sweatshops, then there is neither a duty not to harm nor the kind of stringent duty to help that comes from a causal connection and the capacity to help.22 But for this justifi22

In such cases, there might still be some form of liability based on complicity in a system that brings about harm, as Christopher Kutz (Complicity. Ethics and Law for a Collective Age. Cambridge 2005, esp. chap. 5) has argued. Kutz describes this form of liability as being based on the fact that one intentionally takes part in a collective ac-

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cation to hold, one would have to be perfectly certain that one’s actions do not make any difference at all. Yet such certainty is difficult to come by if the topic under discussion is a system as complex as the global economy, where there can be non-linear or threshold effects, and where tiny shifts can trigger much larger changes. For those who are normal consumers and investors in the Western world (rather than, say, those who live on a self-sufficient farm in the wilderness), it is almost impossible to fulfil the epistemic conditions for claiming that one’s actions do not make any difference. Thus, the more plausible version of this claim is that one’s contribution, while undeniably there, is so small that it can be left out of a moral evaluation – negligibility might be seen as an excuse. Before evaluating this argument, it is worth emphasizing that this claim simply does not hold for all participants in the global economy. The influence of some market participants, such as companies with a substantive market share, is so big that their behaviour makes a substantial difference. For other market participants, notably consumers, negligibility looks more plausible. But does this excuse cancel out moral duties? In his consideration of »mistakes in moral mathematics«, Derek Parfit discusses a number of examples that have to do with »negligibility« and which can also be applied to the current topic. One case in point is »overdetermination«: some harm is brought about by the joint action of several people, but would also have been brought about by each individually. Parfit holds that such actions are obviously wrong, even when it is not clear what the smallest group of people that would have brought about this harm is, or when there is no one smallest group.23 Applied to the global economy, this means that even if one’s own actions are an element in a joint action (for example »the consumption behaviour of Western customers with regard to clothes«), in which not all elements would have been necessary to bring about the problematic results, this still does not mean that one’s own behaviour is thereby excused or justified. Parfit also claims that no harm should be ignored, even if it is imperceptibly small. He connects this problem to the heap paradox: a large number of very small contributions can turn into a very large harm, but it is not clear how to tion that brought about a form of harm, even if one’s individual action does not make a difference and/or one did not have control over the outcome. Applying this account to the global economy presupposes that one understands it as a form of collective action, maybe, as Kutz does, as »deeper, systemic, forms of collective action« (p. 167). But if my argument is correct, we do not have reason to believe that our actions are causally negligible. Thus, there is a stronger basis for our duty to address the injustices of the global economy. It is closer to Thomas Pogge’s argument that we violate negative duties by participating in the global economy (see e. g. Severe Poverty as a Violation of Negative Duties. In: Ethics & International Affairs 19(1) (2005), pp. 55–83). 23 Parfit, Derek: Reasons and Persons. Oxford 1986, pp. 70–82.

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determine the point at which it counts as a harm. Parfit’s solution is to hold that all added harm counts, and that there can also be imperceptible harms.24 In a more recent discussion, Kagan addresses the same problem by holding that we can never know whether our contribution, even if it may be very small, might trigger something larger because some threshold might have been reached.25 Another way of understanding the problem of contributions to harm that matters as an aggregate sum is provided by Petersson: he focuses on the »tendency [of small contributions] to cause the harmful effect«, which, he argues, is what matters for their moral evaluation.26 I take it that these arguments are successful in rejecting the point that an action does not »count«, morally speaking, because it is negligibly small. But one might object that in markets there exists a specific form of negligibility. According to the general equilibrium model of markets, the laws of supply and demand determine the quantities and prices of what is bought and sold. Thus, it might be thought that the mechanism of markets is different from summation effects or threshold effects. But it is not clear what such a mechanism would be. There is only one case in which such an argument is plausible: if either supply or demand are fixed, a change on the other side does not affect the quantity sold because the price will adapt. This, however, is a limiting case of the model, and it cannot be generalized across markets. Moreover, the model’s assumptions hardly ever hold in real markets. Supply and demand are usually not fixed, especially in the long run, and there are often market participants with differential market power. And even in the model, the sum of many small changes of behaviour will, in the end, shift the equilibrium. There are no economic »laws« that would rule out the possibility that one’s contribution, even if it may seem negligibly small, can make a difference, either as part of a larger sum of contributions, or because some threshold has been reached. Paying attention to real-life markets and departing from abstract market models also helps to reveal another way in which small contributions can make a difference. Glover has introduced the notion of »spirals« into the debate about consequentialism: to evaluate an action one has to take into account its 24

Ibid., pp. 75–77. Kagan, Shelly: Do I Make a Difference? In: Philosophy & Public Affairs 39(2) (2011), pp. 105–141. Kagan holds that there can be no cases in which there really are imperceptible differences that add up to real differences; rather, all cases are triggering cases (ibid., pp. 133–134). For a discussion see also Nefsky, Julia: Consequentialism and the Problem of Collective Harm: A Reply to Kagan. In: Philosophy & Public Affairs 39(4) (2012), pp. 364–395. 26 Petersson, Björn: The Second Mistake in Moral Mathematics is not About the Worth of Mere Participation. In: Utilitas 16(3) (2004), pp. 288–315, p. 291, emphasis added. 25

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wider influence on social expectations, norms, and institutions.27 An individual action can contribute to sustaining or eroding them. Such effects are easily overlooked if one looks at markets in the way in which mainstream textbook models look at them. In these models markets are realms in which individuals express their opinions exclusively by their consumption and investment decisions, without, for example, discussing them with other people. Moreover, economic man only looks at his own utility function, without caring about social norms or about other people’s bundles of goods. But real markets are different: they are embedded in social relations.28 Market participants influence one another, not only as fellow consumers, but also as fellow company owners or employees. A decision for or against certain forms of behaviour, such as buying sweatshop clothes or choosing fair trade alternatives, can thus have a wider impact than just the immediate effect of one particular purchase. This is another reason for rejecting the idea that negligibility would constitute a valid excuse in the context of the global economy: first of all, because negligibility as such is no good excuse, and second, because it is not at all clear whether an individual’s actions will in fact only have negligible effects. For example, buying a fair trade product and telling a friend about it might be the last push needed to motivate her to talk to her employer. In turn, the employer might have received just enough complaints – a threshold effect à la Kagan – to finally revise her supply chain strategy, which has much greater impact on many people’s lives.

2.2 Ignorance Another candidate for an excuse to violate one’s duties in the global economy is ignorance. Von Hayek has famously argued that free markets are efficient because they convey information through the price system.29 The information that markets pass on, however, is limited. The price of a piece of clothing, for example, does not state whether or not it has been produced by child labour or by harming the environment. The complexity of the interrelated economic system, which is made possible by the use of price signals, often creates situations in which we do not know enough to act responsibly. Ignorance, however,

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Glover, Jonathan: It Makes no Difference Whether or Not I Do It. In: Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volumes 49 (1975), pp. 171–190. 28 Cf. e. g. Granovetter, Mark: Economic Action and Social Structure: The Problem of Embeddedness. In: American Journal of Sociology 91(3) (1985), pp. 481–510. 29 von Hayek, August Friedrich: The Use of Knowledge in Society. In: The American Economic Review 35(4) (1945), pp. 519–530.

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is standardly cited as an excuse for moral failure – can it also excuse a failure to live up to one’s duty with regard to the global economy? For mature market participants who read the newspapers, it is hardly possible to claim that they have no idea at all about the harm done by the global economy. But they might claim that they cannot know enough about the specific effects of their own actions. It is helpful, in this context, to distinguish two forms of ignorance. The first concerns things that strictly cannot be known. This might be the case, for example, if undocumented past events are involved, or if there are »pooling effects« in which the history of certain goods cannot be reconstructed because they have become part of a pool from different sources. Today, however, with many goods being standardly tracked by software, strict impossibilities are likely to be rare. There are more and more technical possibilities for disseminating information; physical distance loses its importance in the Internet Age. Thus, in theory, we could come closer and closer to the ideal postulated in textbook models of the economy, namely full information available at free cost.30 In practice, however, human beings are not as capable of processing information as economic man is. For them, the problem is often not so much the availability of information, but the overload of information and the ways of processing it. It is therefore helpful to consider a second form of ignorance, which might be called »behavioural« ignorance. It captures the difficulties, in a broader sense, of being well-informed: of having up-to-date, unbiased, reliable information about the contexts and consequences of one’s economic decisions. Given how many such decisions each of us takes on a daily basis, it is a practical problem to collect and process all this information. This dynamic may also occasionally be a problem of available resources such as money, which would compound the problem of budget constraints discussed below. Naturally many decisions are routine decisions, such as regularly buying products with a certain trade-mark, and this can make things easier. But there are a plethora of psychological factors, such as time pressure, the use of heuristics, uncertainty, or group effects that can lead to more ignorance than would be necessary, strictly speaking, if one did all that was humanly possible to acquire certain pieces of information.

30

For example, it would be possible to have a website (or a phone app) where market participants could look up where specific products come from, what the hourly wage of the workers in this particularly factory is and how it relates to the costs of living in this country; of course such a system would have to be constructed in ways that make it hard to game the rules, but this does not seem completely utopian, especially if local organizations, e. g. unions or NGOs, got involved in monitoring. To the best of my knowledge, however, no such system yet exists.

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From a moral perspective the question is whether this kind of ignorance excuses the resulting actions, or whether such ignorance might itself be grounds for culpability. For example, Sher argues that an agent can be held responsible for wrong actions if »his failure to recognize [the wrongness] (a) falls below some applicable standard, and (b) is caused by the interaction of some combination of his constitutive attitudes, dispositions, and traits«.31 The standards mentioned in condition (a), according to Sher, are codetermined by »that agent’s cognitive capacities« and »the moral and prudential requirements that apply to him«.32 Thus, one might argue that given the harm done by sweatshops and other problematic practices in the global economy, these »moral and prudential requirements« are very high. On the other hand, in today’s circumstances, getting the relevant information puts considerable burdens on individuals. An additional difficulty stems from the fact that in markets, there are often systematic incentives to hide or distort certain pieces of information, which in turn means that other market participants cannot trust the information they are provided with. This is particularly true for consumers, for whom it is hard to even know where to start looking for relevant and reliable information. Moreover, companies might simply refuse to pass on certain pieces of information. It therefore seems that for some market participants, ignorance can be claimed as a valid excuse because the difficulties of acquiring such information are in many cases too great. But note, again, that this excuse cannot be applied across the board: market participants are different, and have different capacities to gain access to knowledge. Large market players often have »economies of scale« with regard to information, such as when they have access to specialized databases or employ research teams. For actors like this, it is usually possible to find out things such as, for example, the origin of the raw material they buy. If they have a lot of market power, they can also require their suppliers to reveal information that they might not otherwise reveal. Thus, such market participants cannot claim innocent ignorance; the only question is whether the burden of acquiring certain pieces of information might be too high. This is an aspect of the problem of budget constraints, to which I turn next.

31

Sher, George: Who Knew? Responsibility Without Awareness. New York 2009, p. 143. Condition (b) serves to connect the action in question to the agent’s character in a non-accidental way. I here omit Sher’s discussion of cases in which an agent is unaware of acting correctly. 32 Ibid., p. 111.

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2.3 Budget constraints and fairness As already mentioned, the term »budget constraints« is used here to address the general problem of limited resources: often, one has to make a choice between spending money (or time) on fulfilling one’s duties (e. g. by paying a higher price for a fair trade product) or on other things. This can be experienced as economic pressure, along the lines of: »we cannot afford morality!« In extreme cases, agents might even invoke »ought implies can«, and argue that they cannot act morally, because they have no choice: they are not acting freely, and without freedom, there can be no responsibility. However, one needs to take a closer look beneath the surface of this problem. Budgets do not exist in the abstract; they are part of a social situation in which few things are absolutely fixed. Rather, there are different goods at stake, and one has to prioritize between them. Some of these prioritizations may be very easy; for example, basic needs have to be covered before one decides where to go on holiday. But these are nonetheless not questions of being strictly incapable of paying – rather, there are good reasons for not wanting to pay for a certain item because other things are more important. Can it also be the case that market participants are justified in prioritizing other things over fulfilling their duties in the global economy? In order to answer this question, it is helpful to distinguish between individuals and collective entities, such as corporations. Individuals have a right to meet their basic needs, and this right might be taken to override the duty not to harm and the stringent duty to help – after all, not being able to fulfil one’s own basic needs is also a form of grave harm. In Western societies there are, fortunately, only few cases in which the reason that one’s budget is limited is that one has to provide for essential goods such as food, water, and shelter for oneself and one’s family. If this is indeed the case, individuals may be justified in violating their duties towards others – for example, if they have to choose between harming their own children or harming other children, elsewhere in the world, they may be justified in giving priority to their own children. Even a theorist as demanding as G. A. Cohen holds that individuals have a »legitimate personal prerogative« that »grants each person the right to be something other than an engine for the welfare of other people«.33 This prerogative is formulated in terms of helping others, so questions might be raised about its applicability to the cases I have focused on, in which there is a duty not to harm and a stringent duty to help. But fulfilling the latter duty also requires resources. There is likely to be some threshold such that individuals

33

Cohen, Gerald Allen: Rescuing justice and equality. Cambridge, MA 2009, p. 10.

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whose bundle of resources falls below it have a valid excuse for failing to live up to their duties in the global economy. Many cases, however, are less dramatic, and for many individuals it is quite clear that they could still live a normal life – and maybe even a somewhat luxurious life – if they spent more money on trying to fulfil their duties in the global economy. They might experience a loss in relation to their previous lifestyle, and maybe in relation to that of other people who do not fulfil their duties. This might involve a loss in social status, but this hardly seems to be a valid excuse. Where exactly to draw the line is a difficult question – as Cohen admits, his prerogative is »perforce a vague matter« and it is »difficult to decide whether it has been achieved«.34 But I take it that for many individuals in the more affluent societies, it is indeed the case that budget constraints do not offer a valid excuse for failing to fulfil their duties in the global economy, at least if one understand these in the way in which I understand them here (the general duty to help is another matter, as it might be understood in a much more demanding sense). As Goodin puts it, »[i]f there are great gains in view, a morality is not wrong to demand proportionately great sacrifices from people to secure them«.35 Arguably, for many Western consumers the sacrifices would not even be »proportionately great« in comparison to what could be gained for those who currently suffer under the unjust arrangements of the global economy. Before I say more about the social dimension of budget constraints, which raises issues of fairness, let me briefly comment on collective entities. In contrast to individual human beings, it is much more difficult to see what kind of »prerogative« such entities might have with regard to budget constraints. One might say that there are, prima facie, reasons to think that their survival is a good thing. But the normative weight of their survival stems from what they do for human beings – for example, by offering jobs. Offering jobs, and hence an income, to individuals who might otherwise have trouble providing for their families, is certainly a good that should not be easily sacrificed. But it is not clear whether it can override pressing duties to other individuals, whose situation is often far worse than that of the employees in question, even if they became unemployed (especially if there is a welfare state that makes sure that their basic needs are met, as the basic needs of sweatshop workers in poorer countries are not met). The right of shareholders to earn an income on their investments is even much less able to trump the duties a company has towards vulnerable market participants. A lot depends on the circumstances of concrete cases. But, it seems clear that there are many companies, especially large 34

Ibid., p. 11. Goodin, Robert E.: Demandingness as a virtue. In: Journal of Ethics 13(1) (2008), pp. 1–13, p. 8. 35

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companies in affluent societies, which cannot be excused for violating their duties in the global economy by pointing to their budget constraints. Questions about budget constraints, however, have a social dimension: there is always a question about whose budget it is, and how the burden is shared between different individuals. Individuals and companies may ask: why should I make a sacrifice if others don’t? This question has been much debated with regard to the duty of beneficence, and as I have mentioned above, different commentators have answered it in different ways. But the discussion in the preceding sections provides an answer at least with regard to a minimum threshold of what market participants should do: they should at least fulfil their duty not to harm and their stringent duty to help – no matter what other market participants do. This is not likely to be sufficient for fully meeting their general duty to help, so the question about how much individuals have to do in addition remains open. I take the most plausible answer to be some form of the proportionality principle, i. e. with a greater duty to help for those who own more resources. But this is a separate question and I cannot address it here. The problem of how the burden is distributed has yet another dimension, however, when it comes to companies. In free markets, companies compete with one another regarding quality and price. This is supposed to ensure the efficient use of resources and hence an outcome that is better for everyone in society, at least in theory. What this often means, however, is that there are competitive downward pressures with regard to working conditions or environmental standards, i. e. the typical areas in which there might be duties of the kind I have argued for. Companies regularly evoke such competitive pressures as a reason for why they cannot raise their standards: they would be outcompeted by others. In national contexts, this problem can be solved by legally banning certain practices, thereby reducing the scope of competition. But in the global economy, this is exactly what is often missing. If – and this is a non-trivial condition – a case could be made that the survival of a particular company has great moral weight (for example, because it provides income for families that would otherwise suffer great harm), and its competitors force it to lower its standards in ways that imply violations of its duties, can these competitive pressures be evoked as justification? It is hard to judge this question in the abstract, but it is clear that it cannot justify violations of any duty. No company could claim that its survival justifies, for example, murdering innocent bystanders. When it comes to the duty of helping individuals who are gravely harmed if they are not helped, as is the case for children who cannot get an education because they have to work in sweatshops, it seems equally hard to draw on such competitive pressures as a justification. The greatest concession that one could maybe make is to say that such companies might be justified in trying to find compromise solutions. For example, they

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might offer basic education for children who continue to work in sweatshops half a day. This would, in any case, be an improvement over the status quo that we currently see in many countries. Again, it is important not to be misled by textbook models of markets in which competition is homogeneous and perfect, such that a small upward deviation from the equilibrium price would mean immediate ruin. In real-life markets, some companies have considerable market shares, and therefore some power to influence the market equilibrium. Nor are all companies under such tight control by their shareholders that an exclusive focus on the maximization of profits by all means, including immoral ones, is the only strategy that allows them to survive. It is worth repeating that the starting point for any justification of the behaviour of companies must be the rights of individual human beings. This is so even in cases in which there are several institutional layers, as when a company is owned by a pension fund such that the rights of the fund’s owners would be the ones in question. In today’s situation, when many of these rights belong to individuals in affluent societies, it is not at all clear whether their rights are organized such that they could override their duties as participants in the global economy, in the sense in which I have described them. It is also worth noting that as private individuals, consumers and investors do not compete with one another in ways that would allow them to justify violations of their duties by claiming that they might be »outcompeted« by others. Competition is a useful tool for making markets efficient, but this is not the same as competition between private human beings, even though they may sometimes engage in rat races for positional goods, and hence, subjectively, feel under great pressure to keep up with others. They may do so with their discretionary income (although it is unlikely to be a recipe for happiness), but they cannot argue that this would justify violating duties that they could easily fulfil if they left these rat races.

3. A moral division of labour Where does all this leave us? As I have argued, there can be cases in which ignorance (especially among end consumers) and budget constraints (of needy individuals, and maybe in rare cases of struggling companies if their survival is morally valuable) can be valid excuses or justifications. But these cases are not as frequent as one might think. For many, maybe even most, participants in the global economy there are duties not to contribute to harm or to help in cases in which they are causally connected to forms of harm that they could help prevent at relatively low cost.

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Once this has been established, the next question to be addressed is what market participants can do in order to fulfil this duty. If there was absolutely nothing they could do in order to change the situation, one might again run into »ought-implies-can« problems. But I take it that this is implausible: we have good reasons to think that changes in the global economy are possible, and there are examples, e. g. of fair trade practices, in which real improvements have been made. The pros and cons of different practices are, of course, under dispute, and it is usually hard to tell which strategy is best for solving a concrete problem. But in many cases we know enough about the strategies that would be an improvement in comparison to the status quo. For example, it seems clear that mixed strategies, in which children both receive a basic education and work for a few hours per week, are better than situations in which they get no education at all. And it is clear that factories in which basic standards of security are satisfied are better than factories in which workers are exposed to serious hazards. It is therefore blatantly wrong to claim that we do not know which steps could be taken to improve the situation and to reduce harm; we can take these obvious steps first – for example, by buying certified products from companies that obey certain minimal standards – and then both think about and experiment with the steps that should be taken to further reduce the harm done by the global economy. The problem rather seems to be that many market participants are paralysed by the complexity of the problems and the absence of an established division of moral labour that would tell them what they should contribute in order to improve the situation.36 But the analysis of potential excuses or justifications can contribute to developing an account of such a division of moral labour. In order to fulfil their duties, market participants do not necessarily have to act in the most direct way possible; what matters is that they try to contribute to solutions at all. Hence, it makes sense to ask which market participants are best positioned to overcome the different obstacles to establishing better practices. Let me emphasize again that in order to think about a division of moral labour for the global economy, it is crucial to take the heterogeneity of market participants seriously: different constraints apply to them in different ways. By taking these differences seriously, we can avoid overly simplistic solutions while not giving up the basic ideas that all, or most, market participants have duties to address the moral problems of the global economy. Moreover, we can avoid making the burden of fulfilling one’s duties unbearable. The standard answer for achieving this is to introduce institutional solutions.37 But even in the 36

Some market participants might also use this complexity as a pretext for not doing anything although they know very well what they could do. 37 Cf. e. g. Goodin: Demandingness.

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absence of institutions – in the sense of public, formal institutions with effective enforcement mechanisms – taking the differences between market participants seriously generates more realistic, and hence more bearable, suggestions than an analysis that overlooks these differences. In what follows, I draw a stylized distinction between consumers and companies; it should be clear, however, that when it comes to concrete cases, this distinction is still too rough. For example, we might have to differentiate between the duties of global companies with considerable influence over markets and the duties of small local family businesses. Large companies often have greater possibilities of making a difference than individual consumers. If a company has a considerable market share, it can sometimes coordinate with its competitors in order to agree on rules that ban certain harmful practices. This is likely to be far more efficient than if consumers, who are more numerous and more dispersed, tried to organize themselves and to negotiate with companies.38 Consumers, however, should be willing to pay higher prices for goods that are produced in less harmful ways, at least as long as this does not put the fulfilment of their basic needs at risk. In many cases, the obvious thing for them to do is to buy products that are (reliably) labelled as having been produced in certain ways, notably fair trade products. If no such products are available, consumers might turn to fulfilling auxiliary duties that are not too burdensome either: for example, they can signal to companies that they would prefer fair trade products, or they might take part in a consumer boycott of companies that are known for particularly harmful practices. Of course, they might also have additional duties qua voters and qua members of civil society to bring about institutional change. But the sum of these duties does not seem likely to get so burdensome that fulfilling the latter duties would be an excuse for not fulfilling the former duties.39 38

A successful case in point (in which NGOs and political agents also played an important role) is the Forest Stewardship Council in the market for timber. See e. g. Hussain, Waheed: Is Ethical Consumerism an Impermissible Form of Vigilantism? In: Philosophy & Public Affairs 40(2) (2012), pp. 111–143, for a discussion. 39 Lichtenberg (Negative Duties, pp. 563–567) discusses whether it might be more efficacious to donate money than to try to avoid behaviour that contributes to »new harms«. She tentatively concludes that »Perhaps the most we can say at this stage is that it seems likely that, per unit of human effort (measured in dollars, or some other way), we are more likely to make a difference by giving aid than we are by refraining from contributing to harm« (p. 567). But Lichtenberg here discusses different forms of harmful behaviour (for example, with regard to climate change and with regard to global poverty alleviation) that should be kept separate. As I argued earlier, we need to buy certain products anyway, whereas at least some of the activities that harm the climate could be avoided; in addition, one could argue that in the global economy the causal chain between the behaviour of Western consumers and the suffering of, say, sweatshop labour-

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A second field in which a better division of moral labour could have an enormous impact on the global economy is the distribution of information. As argued above, few cases of ignorance are such that no one has the information in question. Often, companies do have critical information, such as information about harmful working conditions. They may not have an interest in disseminating it because this might scare customers away. But this, in itself, does not annihilate their duty to disseminate it, especially if they are the only agents who can realistically do this. This is far more likely to be a practicable and efficient solution than if private customers individually tried to gather this information.40 By providing customers with reliable information companies can make it easier for them to find out how they can fulfil their duties: for example, by buying products that do not involve violations of basic labour standards during production. A third possibility, which concerns both customers and corporations, is indirect action: action that helps to overcome obstacles to preventing harm that is currently done. Collins has recently argued that if there are collective duties that individuals can only fulfil as a group and there is no such group, individuals have a duty to establish such a group: a »collectivization duty«.41 A parallel argument can be made for cases in which the duty is individual, but the means for fulfilling it need to be collective, or are much more efficient when pursued collectively. For example, companies might work towards establishing industry-wide agreements in order to ban certain practices across the industry and avoid competitive downward spirals. Customers might team up with NGOs to increase their impact, and might lobby for rules that, for example, make labelling of products according to certain standards mandatory.

4. Conclusion Although Peter Singer kicked off the debate about global poverty by focusing on individual responsibilities,42 recent commentators have often focused on the institutional structures within which the global economy operates. My ers, is more direct, and more prone to change than what happens in the field of climate change. 40 Unless, that is, it would be possible to have a technical infrastructure for gathering such information easily. Creating such an infrastructure, however, is again easier for companies or groups of companies than for consumers. 41 Collins, Stephanie: Collectives’ Duties and Collectivization Duties. In: Australasian Journal of Philosophy 91(2) (2013), pp. 231–248. 42 Singer, Peter: Famine, Affluence, and Morality. In: Philosophy & Public Affairs 1(3) (1972), pp. 229–243.

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approach, in contrast, redirects attention to the direct duties that market participants have qua market participants. I have argued that although there can sometimes be valid justifications or excuses, these do not apply as often as we might think, and they do not apply across the board to all market participants. Rather, analysing them offers an approach for thinking about the division of moral labour between different groups of agents with regard to these duties. At first glance, one might think that these approaches stand in a certain tension, as they seem to point in different directions: the institutional approach appeals to market participants in their role as citizens who can participate in political processes in order to bring about institutional changes; the approach suggested here appeals to them directly as market participants. But a second look reveals that these approaches can supplement one another. Political measures can help individuals to fulfil their duties as market participants, for example by levelling the playing field among competitors and making it impossible to outcompete others by harming workers. Steps taken by market participants, such as those involved in ethical consumerism, can serve as signals to the wider public that emphasize the moral wrongness of existing practices and which can help to bring about institutional changes.43 There is only one scenario in which the fulfilment of direct moral duties by individuals might create a tension with the institutional approach. This would be the case if individual action reduced the likelihood of more effective institutional change. There may be specific constellations in which this is a real possibility, for example, if a voluntary agreement on minimal standards in an industry leaves many loopholes and thereby undermines efforts to introduce legal standards that could better address the problem. But there is no reason 43

Waheed Hussain (Ethical Consumerism, pp. 111–143) has recently argued that not all forms of ethical consumerism are desirable, and that it needs to fulfil certain conditions in order not to violate democratic values, especially procedural values. This is plausible for the cases he discusses, e. g. boycotts of companies because of the worldviews of their owners. The cases I have been focusing on, however, concern the duty not to contribute to grave harm or to fail to help in specific situations. There is much wider agreement on the existence of these duties than on the political or social values in the examples Hussain discusses. In the cases discussed in this paper, the problem is that we already have an impact, and an extremely negative one, on the lives of other people. Hussain discusses the charge that ethical consumerism puts Western consumers, rather than the people locally concerned, in charge of world politics – but in many cases Western consumers, by buying certain products, are already indirectly in charge of what happens in other countries, but without accepting responsibility for it. For the cases Hussain discusses, what he calls a »proto-legislative« account, i. e. an account ultimately aiming at legal change, may be the only one permissible. In the cases I have discussed, it seems plausible to be more permissive with regard to different strategies. The aim is, after all, to prevent grave harm, and it is therefore plausible that as long as a strategy is effective and does not have negative side effects, it is an improvement over the status quo.

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to think that this is standardly the case; often, voluntary action can help create political momentum by showing that changes are indeed possible. Hence, the burden of proof is on those who want to argue that there exists a fundamental conflict between the two approaches. Is the ideal we should aim for one in which all moral problems are solved by institutions, such that market participants really have to do nothing but follow their self-interest? This would mean that an approach that includes voluntary action would only be a transitional strategy, which is needed in order to address urgent problems before better solutions can be found. Although it may be a compelling scenario to be able to one day completely rely on institutions, rather than individuals or companies and their willingness to fulfil their duties, this is unrealistic. No set of rules can ever be perfect, let alone a set of rules that concerns a complex system such as the global economy. Moreover, once certain moral problems, for example child labour, have been solved, it is likely that new problems will emerge; more precisely, the relative urgency of other issues that may currently be overshadowed by the urgency to address graver forms of harm would change. We may thus become successively able to fulfil other duties, which we were previously unable to address. Solving the most important problems with regard to the global economy can thus be seen as a step that makes it feasible to realize other normative principles, which were previously unfeasible.44 In this process, however, the direct duties of market participants seem at least as important as the duties of individuals qua citizens to change the institutional framework. Convincing market participants that we have such duties can therefore be an important step in making the global economy more just.45

44

Cf. similarly on »dynamic duties« Gilabert, Pablo: Debate: Feasibility and Socialism. In: The Journal of Political Philosophy 19(1) (2011), pp. 52–63. 45 I would like to thank audiences at the Mancept 2012 Workshop »Thinking the Economy« and at Bayreuth University, as well as Martin Rechenauer, Andrew Walton, Stefan Rummens, Melissa Lane, Anca Gheaus, Beth Kahn and Hans-Christoph Schmidt am Busch for valuable suggestions and discussions.

Edward Skidelsky

Prostitution and Corruption

Political philosophers have recently shifted their attention from the market, considered as an abstract universal, to markets in particular goods and services. I think this is a healthy development. The market economy is clearly with us to stay, so rather than condemning or defending it in toto it seems sensible to treat its branches one by one, distinguishing those that are beneficial or innocuous from those that are positively injurious. Why are some goods and services unsuitable for market exchange? What makes some markets »noxious«? Answers to this question take two broad forms. On the one side, markets are condemned for promoting inequality – by exploiting some of their participants or by inflicting other kinds of harm, including reputational harms, on particular social groups. Let us call this the »argument from equality«. It has a powerful advocate in Debra Satz, author of Why Some Things Should Not Be For Sale.1 On the other side, markets are condemned for corrupting the goods they traffic in. This line of argument has long been central to Christian and republican social thought. Its current popularity owes much to Elizabeth Anderson’s Value in Ethics and Economics and Michael Sandel’s recent bestseller, What Money Can’t Buy.2 Sandel cites the example of friendship. I cannot, as a matter of logic, pay someone to be my friend, though I can pay him to act as if he were my friend. Payment dissolves friendship by undermining the motive constitutive of friendship: willing another person’s good for his sake, not one’s own.3 Monetary exchange can also corrupt a good without dissolving it altogether. Sandel gives the example of »Shakespeare in the Park«. This free theatrical project in New York Central Park is increasingly monopolised by the rich, who secure tickets by paying others to stand in line for them. The effect has been to transform Shakespeare in the Park from a civic celebration, an affirmation of shared citizenship, into an ordinary consumption item. The performances remain the

1

Satz, Debra: Why Some Things Should Not Be for Sale: The Moral Limits of Markets. Oxford 2010. 2 Sandel, Michael: What Money Can’t Buy: The Moral Limits of Markets. New York 2012; Anderson, Elizabeth: Value in Ethics and Economics. Cambridge, Mass. 1995. 3 Sandel: Money, pp. 93–94.

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Edward Skidelsky

same, but their social meaning has changed.4 Sandel extends a similar kind of argument to many other practices. This »argument from corruption«, as we can call it, is generally unpopular with liberals, even those who favour tighter restrictions on the market. For a start, it smacks of paternalism. Provided a market is voluntary and victim-free, its »corruption« of the good in question seems to be no ground for restricting it. Moreover, the very idea that goods or services could be »corrupted« sounds bizarre to modern ears. Do human practices and institutions have a built-in purpose, deviation from which constitutes corruption? Most modern liberals reject this archaic sounding notion. As Glen Newey put it in his review of What Money Can’t Buy, a doctor accused of prostituting his talents for pay might simply retort that he is in the business not of doctoring but schmoctoring, »which is just like doctoring, except that its internal goal is to earn money for the schmoctor.«5 I think that markets can be corrupting. Moreover, I think it is primarily a worry about corruption, not inequality, which underlies our fear of creeping marketization. Here as elsewhere, modern liberalism imposes a kind of bad faith on us. It forces us to voice our moral concerns in a language alien to them. I want to focus on the example of prostitution. Prostitution is not just a noxious market. It is the very prototype of a noxious market. We talk of scientists and writers »prostituting« themselves for pay; we describe actions and arguments as »meretricious«, from the Latin meretricius, »of or pertaining to prostitutes«. Prostitution can therefore serve as a specimen case. If our objection to it is based primarily on concerns about corruption, not inequality, the same may be equally true of other noxious markets. Debra Satz has tried to explain the badness of prostitution using an equality-style argument. According to her, prostitution is not bad in itself but because of its widespread stigmatisation, which helps sustain »a social world in which women form a subordinated social group«.6 This may be true, as a matter of fact, but it cannot be our only or primary objection to prostitution, for two reasons. First, as Satz herself admits, her argument applies only to the sale of sex by women. It does not apply to the sale of sex by men, either to women or to other men. But if it is only female prostitution that is noxious, then it is presumably only female prostitution that should be restricted. Blanket restrictions on prostitution would be unfair to male prostitutes and their clients, who do not contribute in any way to the subordination of women. But to restrict only 4

Ibid., pp. 21–22. Newey, Glen: You have £2000, I have a kidney. In: London Review of Books. 21 June, 2012, p. 10. 6 Satz: Some Things, p. 135. 5

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female prostitution is unthinkable in today’s climate. It would fly in the face of numerous UN and EU anti-discrimination conventions. There is a more fundamental objection to Satz’ argument. Satz thinks that prostitution is not bad intrinsically but only contingently, insofar as it is widely believed to be bad and this belief helps sustain sexual inequality. But the widespread belief that prostitution is bad deserves moral consideration only if it is more or less true; otherwise, the correct response is »get over it«. Consider a structurally similar argument about homosexuality. The open acceptance of gay relationships in Europe and America is regarded with abhorrence in many parts of the world. It contributes to a belief that the West is decadent. Yet we do not regard this as a good reason to ban or discourage gay relationships, because we do not ourselves share the viewpoint in question. From our point of view, it is the prejudice against homosexuality, not homosexuality itself, which requires elimination. If critics such as Satz do not think this way about prostitution, it can only be because they do not really believe that it is inherently innocuous, whatever they may claim. Their position trades on moral intuitions that it cannot acknowledge. I want to argue that prostitution is bad not primarily because of any inequalities it helps sustain – though that is an additional consideration – but because it is a corruption of the sexual act. First, though, let me outline three provisos. First, my argument applies with equal force to prostitution by men and women, for men and women. This needs to be pointed out, because it is often assumed that essentialist accounts of the badness of prostitution presuppose certain theories of male and female nature. My account presupposes nothing of the sort. Second, my argument does not impute wrongdoing, either to prostitutes or to their clients. To say that an act is corrupting or degrading is not to say that its author has done any wrong, although it might be the basis for such a claim. I can imagine circumstances in which selling or buying sex might be the best of various alternatives available; think of a single mother struggling to bring up children, or a disfigured man unable to find a partner. Under such conditions, engaging in prostitution or hiring a prostitute might be the right thing to do, but it is still not a good thing to do.7 The conflation of these two categories is

7

In Muriel Spark’s short story The Black Madonna, a couple give birth to a darkskinned daughter, revealing African ancestry on the wife’s side. Unable to love her, they put her up for adoption. The story ends: ‘»We’ve done the right thing,« said Lou. »Even the priest had to agree with that, considering how strongly we felt against keeping the child.« »Oh, he said it was a good thing?« »No, not a good thing. In fact, he said it would have been a good thing if we could have kept the baby. But failing that, we did the right

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an unfortunate consequence of the juristic mode of most contemporary moral argument. Third, my argument is ethical, not legal. It does not imply that prostitution or any associated act should be a criminal offence. Of course, if prostitution is essentially bad, we may well want to restrict it in certain ways. But there may also be good ethical and pragmatic reasons for not banning it altogether. Let me resume. Prostitution, I have said, is a corruption of the sexual act. This implies that there is such a thing as the »normal« sexual act, where »normal« means not just »usual« but »in accordance with the norm«. What could this be? According to the Catholic natural law tradition, a »normal« sexual act is one that is potentially procreative. In more recent romantic versions, it is one that affirms love or intimacy. My own account of the normal sexual act is less ambitious than either of these. It asserts only two things: 1) that the sexual act is expressive of sexual desire, and 2) that this desire is desire not just for another person’s body but for another person’s desiring body. These are undemanding criteria. They are satisfied by the most casual, loveless coupling. But they are not satisfied by an act of prostitution. Let me take them in turn. Having sex is normally a means of satisfying sexual desire, just as eating is a means of satisfying hunger. But it also enacts sexual desire, in a way that eating does not normally enact hunger. (We can imagine a man enacting hunger by falling on his food like a dog, slobbering and salivating, but that is not the way humans normally eat.) Sex, like weeping, smiling and laughing, falls into the category of expressive acts – acts that make immediately manifest, through gesture, voice, and countenance, some inner state of feeling. Expressive acts stand on the margins of the voluntary. They are not mere passive reactions, like blushes or shivers. They can be controlled, and therefore censored (»wipe that smile off your face!«). They are at least partially conventional: think of all the different ways that joy and grief are expressed around the world. But they also have an involuntary, spasmodic aspect; they can »well up« or »burst forth«, despite our best efforts to control them. Sex too has this duality. Baudelaire talked of »these eyes, rolled back like the sleepwalker’s, these limbs whose muscles burst and stiffen as though subject to the action of a galvanic battery.«8 That is perhaps an exaggeration; the loss of control is never absolute. But one sees what he means. My second claim is that sexual desire – the desire that the sexual act typically expresses – is not just a desire for another person’s body but for his or her desiring body. Montaigne put it nicely: »What must be courted and ensnared is thing. Apparently there’s a difference.«’ Quoted in Annas, Julia: Intelligent Virtue. Oxford 2011, p. 45. 8 Baudelaire, Charles: Intimate Journals. London 1989, p. 5.

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the will. I am horrified by the thought of a body given to me but lacking love.«9 Men’s delight in sex is not just sensual, agreed Hobbes, »but a pleasure or joy of the mind, consisting in the imagination of the power they have so much to please.«10 I am not sure if Hobbes’ »men« is meant to include women. His talk of »power« might suggest a typically male psychology, but the broader point is surely applicable to both sexes. Sexual desire is a desire for a desiring subject, not a mere object. This reflexivity is the source of its great literary interest, and also of its intimate entanglement with the will to power, a theme explored by Sartre and others. Indeed, the reflexivity of sexual desire is even more complex than these remarks of Montaigne and Hobbes suggest, for what is desired is not just another person’s desire but another person’s desire as responsive to one’s own. This is a bit hard to get one’s head around, but a device proposed by Thomas Nagel helps. Imagine, he writes, a man gazing with desire through a mirror at a woman who is gazing with desire at him. He is aware of her gaze, which further inflames his desire, but she is not aware of his gaze. Were she to notice this, and he to notice its effect on her, it would add a further dimension to his excitement. After this, Nagel adds, »it becomes difficult to state, let alone imagine, further iterations, though they may be logically distinct.«11 These two features define the normal sexual act. How does an act of prostitution differ? An »act of prostitution« is, of course, two acts, which (unlike in normal intercourse) are necessarily non-identical. Let me take the prostitute’s act first. (For convenience, I will say »she« when referring to the prostitute and »he« when referring to the client, but what I say is equally applicable to all combinations.) A woman who has sex for money does not usually desire the sex for its own sake but as a means to a further end. But why is that so bad? We occasionally eat not out of hunger but for some other reason, such as to please a host. Some people do this regularly, as part of their job. If this is not felt as degrading, it is because eating is not normally expressive of hunger, so that eating without hunger does not require one to feign an appetite one does not feel. Sex, by contrast, is normally expressive of sexual desire, meaning that engaging in it »cold«, without desire, changes its essential nature. It transforms it into a grim mechanical routine – or a piece of theatre.

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de Montaigne, Michel: On some lines of Virgil. In: The Essays. London 1993, p. 310. 10 Hobbes, Thomas: The Elements of Law, Natural and Politic. Quoted in Blackburn, Simon: Lust. Oxford 2004, pp. 87–88. 11 Nagel, Thomas: Sexual Perversion. In: The Journal of Philosophy 66/1 (1969), p. 11.

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Prostitution, in short, is the instrumental use of a normally expressive act, and it is this that lies at the root of our discomfort with it. Other professions also involve the instrumental use of expressive acts: think of the smile of the stewardess, the laugh of the professional companion, or the tears of the paid mourner. All these routines strike us, if not as corrupt exactly, then as sad or tawdry, as diminutions of the ideal of sincere human relations. They can all, significantly, be described as »meretricious«. One might also think of the moral ambiguity surrounding the profession of acting – that »heretical multiplication of souls«, as Camus ironically called it.12 Female actors were, for a long time, hardly distinguishable from prostitutes. People have sex for extrinsic ends other than money, of course. They have sex to get pregnant, to impress their friends, to get back at a rival, and for numerous other reasons. Insofar as these further ends detract from or displace the primary expressive function of sex, they can all be said to corrupt it. »Rarely use venary but for health or offspring«, wrote Benjamin Franklin. »Never use venary«, replied D. H. Lawrence.13 »Going through with it« for the sake of offspring is, on this view, a corruption of the sexual act similar in kind if not degree to prostitution. Of course, it is sometimes a necessity. But it is always a sad necessity. But why can’t sex for money also be an expression of sexual desire? I don’t see any a priori reason why not. Many human acts have a dual end: there are restaurant critics who love eating in restaurants, professional musicians who love playing music. However, the empirical literature on prostitution suggests that, in this particular case, the monetary motive almost always »crowds out« the intrinsic one. The vast majority of prostitutes view their work as, at best, a chore, at worst, disgusting. Many devote considerable efforts to putting up barriers between themselves and their professional personae, through the use of false names, wigs, make-up and other accessories, or by keeping certain body zones off-limits. Some use drugs to help them blank out during work.14 All, or almost all, draw a strict distinction between sex for money and sex for pleasure – if sex for pleasure is still possible for them. The following observations, from various interviewed prostitutes, are characteristic: »Prostitution changes the girls. I feel it myself. I notice it in terms of guys. I can’t be together with a guy when I’m going down there. I feel like every12

Camus, Albert: The Myth of Sisyphus. London 1975, p. 78. Quoted in MacIntyre, Alasdair: After Virtue. London 2007, p. 198. 14 These and other strategies of self-alienation are discussed in Høigård, Cecilie/Finstad, Liv: Backstreets: Prostitution, Money and Love. Cambridge 1992, pp. 63–75: »Prostitutes have worked out an ingenious, complex system to protect the ›real me,‹ the self, the personality from being invaded and destroyed by customers« (p. 64). 13

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thing about my body is just rotten. I can’t stand an okay guy using my body in the same way. Then I would tell him to go to hell. … I was together with this guy for a year and a half. But it won’t work now. I’m not keen on a sexual relationship. My body’s not mine when I’m going down there.«15 »After a while you notice that it bores you. Imagine you’re a baker, who bakes bread all day. Then you come home and your wife says, ›Come on Hans, bake me a loaf.‹ I can’t take doing the same job when I get home.«16 »[It] mucks people’s brains up totally. It’s mucked my brain up totally. … The worst thing is the screwing. The screwing of my mind and body.«17 »Withholding orgasm has always been part of a woman’s integrity and her protection against falling in love. … Giving way to it can have catastrophic consequences, broken hearts, decline in health, suicide, because a woman steps beyond the threshold of caution and into an area of feelings.«18 »When I first started out, I enjoyed the sex. I’d go to work and ›have sex.‹ Now I don’t have that association as much. But my clients seem to think that being a nice guy means being a good lover. They do things to me that they should do with a girlfriend. Like they ask me what I’m into, and apologize for coming too soon! So I need to play along. They apparently have no idea that the best client is the one that comes immediately.«19 In recent decades, a number of prostitutes, together with feminist allies, have sought to rebrand their profession as »sex work«, no different in principle from hairdressing, nursing or other personal services. They emphasise the attractions of the job: its high wages, its flexible working hours, its autonomy (at least for women with no pimp or madam), and its professionalism. Many self-proclaimed »sex workers« take satisfaction in providing a good service for clients, including conversation and massage alongside sex. Some see themselves as social workers or healers. The following statements are typical: »It’s like a sacred, wonderful, beautiful thing to do for other people and to get money for doing that. … The down side of that for me, and maybe for the clients – is that I get seized sometimes by a horrible loneliness after it. 15

Ibid., p. 108. Ibid., p. 107. 17 Brewis Joanna/Linstead, Stephen: ›The Worst Thing is the Screwing‹ (2): Context and Career in Sex Work. In: Gender, Work and Organization 7/3 (2000), p. 172. 18 Taylor, Allegra: Prostitution: What’s Love Got to do with It? London 1991, p. 10. 19 Bernstein, Elizabeth: Temporarily Yours: Intimacy, Authenticity, and the Commerce of Sex. Chicago 2007, p. 104. 16

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That’s why it’s so hard to do more than one [client] a day. Because it’s like I give someone all that love and all that affection and everything, and then suddenly it’s all over, boom.«20 »What I’ve learnt to do is to look at them deeply and very, very lovingly. … For them, it feels great, it’s like so personal, like girlfriend stuff. But I feel that I’m just offering them … love from the earth, coming up from my feet and out to them. So they get love. I’m just channeling love.«21 One wonders how typical such attitudes are. The two people interviewed here were both middle-class San Francisco escorts (one man, one woman), and so not representative of prostitutes as a whole. Perhaps there is an element of posturing or wishful thinking in such talk. But the crucial point is that, even if some prostitutes do derive satisfaction from their work, such satisfaction is professional, not sexual – as the above statements both make clear. What is being offered is still a performance, albeit one that draws on deeper levels of feeling (»from the earth«) than is usually the case. »Deep acting« and »manufactured authenticity« are terms that have been coined to describe this more emotionally engaged style of prostitution.22 But the basic structure remains the same: a normally expressive act is being put to instrumental use. What about the client? For him, unlike the prostitute, intercourse is an expression of sexual desire. If there is any abnormality, it lies in the character of that desire. No doubt many users of prostitutes (sailors ashore, say, or young men in a tradition-bound society) want sex in the normal way but can only get it by paying. But for most regular »johns«, commercial sex has attractions of its own – attractions missing from its non-commercial counterpart. It offers a respite from the demands, and risks, of reciprocity. Many johns are married men who want the excitements of infidelity but not the complications of a mistress. Others are men who, for one reason or another, are unable to form connections with women on terms of equality. Some think of themselves as hideous, whether they are or not. Others are frightened of intimacy, or of the thought that their performance might be found wanting.23 With a prostitute, there is no risk of rejection, or pressure for an unwanted prolongation of the relationship: »›Cause she’s a prostitute, I dared to let myself flow more with the sexual energy. I didn’t need to pretend like anything, or be considerate to her. I aban20

Ibid., p. 104. Ibid. 22 Ibid., pp. 103–104. »Deep acting«, to use sociologist Arlie Horchschild’s term, is viewed by Elizabeth Bernstein as a distinguishing mark of »postindustrial sexual labour«. 23 These various motives are discussed in Høigård/Finstad: Backstreets, pp. 90–105. 21

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doned myself to my own needs and satisfied myself. I wasn’t the one who was supposed to give her something.«24 »If I just want to go out and get laid I’m not going to bother going to a bar and buying drinks and dancing with a girl all night because I’m not interested in that … you don’t want to spend the time looking for it where there is always a maybe – maybe yes or maybe no … you almost want a written guarantee.«25 »I really like women a lot, but they’re always trying to force a relationship on me. … Right now, I know a woman, she’s pretty, nice, but if I make love to her, she’ll want a relationship. But I’m really used to living by myself. I go and come when I want, clean when I want.«26 In short, paying for sex undercuts the reflexivity – the desire for a desire – that Montaigne and Hobbes both saw as integral to normal intercourse. It is a »vacation from mutuality«, as Prieur and Taksdal put it.27 But that is only half the story. Even if they shun real reciprocity, most johns want at least a show of reciprocity, a simulacrum of a response. A surprisingly large number of them are taken in by this show; at least, they temporarily entertain the possibility that it might be genuine.28 They perform the »willing suspension of disbelief« ascribed by Coleridge to theatre-goers. Many johns nurture the fantasy that they are engaged in a romantic tryst: they put on good clothes, cologne, meet in a bar or other seductive environment, chat over drinks, etc.29 »One of the most important things that the customer buys is the power to interpret what is sold«, write Cecilie HØigård and Liv Finstad, »the power to live in his illusions.«30 The typical john is, then, a divided soul: he wants the illusion of reciprocity but not its reality. The inevitable consequence is disillusion when, passion spent, the transactional character of the relationship can no longer be dissembled. Many johns report feeling disgusted at this point, both with themselves and with the women whose services they have bought31 (the feeling is often mutual, as we have seen). Contempt, and self-contempt, is built into the re24

Ibid., p. 96. Holzman, Harold R./Pines, Sharon: Buying Sex: The Phenomenology of being a John. In: Deviant Behavior 4/1 (1982), pp. 104–105. 26 Bernstein: Temporarily Yours, pp. 120–121. 27 Quoted in Høigård/Finstad: Backstreets, p. 96. 28 See ibid., pp. 91–92. 29 See Holzman/Pines: Buying Sex, pp. 105–109. 30 Høigård/Finstad: Backstreets, p. 96. 31 See Holzman/Pines: Buying Sex, pp. 109–110, and Bernstein: Temporarily Yours, pp. 131–134. 25

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lationship. It is not just the consequence of a contingent and reversible social prejudice, as proponents of the »sex work« view optimistically maintain. In short, paying for sex changes the essential nature of the act. On the one side, it transforms what is normally an expression of desire into a means to an end; on the other, it transforms what is normally an expression of reflexive desire into a solipsistic and one-sided release, masked by fantasies of reciprocation. Prostitution is the corruption of sex by money and it is this, not any inequalities that it sustains, that constitutes its particular badness. This badness will not be dispelled by mere rebranding, or by a general change in social attitudes. It is in the thing itself. As I said earlier, no consequences for law follow directly from the verdict that prostitution is a corruption. For many individuals, buying or selling sex may be the best of many bad options available. In any case, restrictions in this area are likely to be ineffectual, and might do more harm than good. Even St. Augustine, whose views on prostitution were considerably dimmer than mine, cautioned that, »if you do away with harlots, the world will be convulsed with lust«.32 This is not to say that my argument has no legal implications. It suggests, at the least, that prostitution should not be treated as »just another« industry. It also gives additional force to Satz’ argument from equality. If the widespread disapproval of prostitution is justified, then it is not simply appeasement to take any negative consequences flowing from that disapproval into political consideration, as it might be in the analogous case of anti-gay prejudice. I offer these brief reflections as a specimen case of the »argument from corruption«. Whether a similar form of argument can be extended to other purportedly noxious markets remains to be seen. The details will vary from case to case, of course. But the general point I want to put across is that social practices will not bear any meaning we chose to give them; that they may, in particular, resist our efforts to press them into a market mould. The schmoctor’s fallacy must be rejected. 33

32

St. Augustine: De Ordine ii, 4. Quoted approvingly by St. Thomas Aquinas in Summa Theologica 2a2ae q. 10, art. 11. 33 Earlier versions of this paper were read at conferences in London and in Braunschweig. I received many valuable criticisms from participants at those events, in particular Nan Craig, Steven Lukes and Daniel Brudney.

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The Ends of Economic History: Alternative Teleologies and the Ambiguities of Normative Reconstruction

Let’s start with the assumption that the key function of social critique is to comprehend, as Marx had it, ›the struggles and wishes of the age.‹ Further, I assume that such comprehension involves developing an empirical social philosophy to describe and explain both present struggles and the broader social context in which they arise. Finally, I assume along with the tradition of critical social theory that such theory is not intended merely as an idle exercise in empirical description and explanation, but that it crucially involves a normative dimension as well; in particular, a theory for assessing and evaluating current struggles and wishes, with an eye to furthering our basic interests in human emancipation and flourishing. This much, I assume, is relatively uncontroversial. Axel Honneth’s recent book Das Recht der Freiheit (hereafter Freedom’s Right) achieves both the empirical and normative tasks by creatively updating Hegel’s later methodology of institutional reconstruction from the Philosophy of Right.1 One of the distinctive claims of Honneth’s new critical social theory is that the normative standards of the evaluative part of the theory – in particular, the specific values it assesses social reality with – are the very same standards that the empirical social theory claims as constitutive of social reality. In other words, the theory’s central critical criteria are the same as those used to organize the description and explanation of society. I want to look at this normative strategy, because I think on the one hand this distinctive methodology of normative reconstruction has much to recommend it, and, on the other, because I think it has potential limitations that must be addressed if it is to serve the functions set for it. The structure of the paper is as follows. First, I consider, at a general level, the promises and limits of three ideal-typical normative methodologies of social critique: first principles critique, intuition refining critique, and institution reconstructing critique (1). Then I turn to the details of Honneth’s history and his diagnosis of market spheres of society as an example of institution reconstructing critique (2). This leads to a consideration of some challenges facing this kind of critique, with particular attention paid to problems posed by alter1

Honneth, Axel: Freedom’s Right: The Social Foundations of Democratic Life. Transl. by Joseph Ganahl. Malden, MA 2014.

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native reconstructions of the same data (3). Finally, in a brief concluding section, I suggest some methodological remedies which might need to be adopted in order to make good on the promise of institution reconstructing critique while avoiding some of its most challenging problems (4).

1. Three Normative Strategies of Critique – Promises and Limits In a recent interview, Honneth makes a distinction between three methods for normative social critique: external critique, immanent critique, and internal critique.2 The first involves philosophically developing and justifying universal principles, say in a theory of justice, and then applying those principles to social reality. The second starts from the ordinary normative beliefs of contemporary social members, and uses them as a gauge against which to measure contemporary social practices and institutions. The third starts from the actual practices and institutions of contemporary society, reconstructs the normative principles implicitly (and imperfectly) constituting those practices and institutions, and then uses that normative content to critically evaluate contemporary society. I adopt this helpful typology here, but I will not adopt Honneth’s labels. Instead, I prefer to call these methods ›first principles critique‹, ›intuition refining critique‹, and ›institutional reconstructing critique‹ respectively.3 Taking these three forms as ideal types, we can contrast their basic promises and typical limitations.

2

Honneth, Axel/Gonçalo, Marcelo: »Recognition and Critical Theory Today: An Interview with Axel Honneth.« In: Philosophy & Social Criticism 39, no. 2 (2013). 3 I suggest changing the labels, in part because ›immanent‹ and ›internal‹ are almost interchangeable, but more fundamentally because I do not think many versions of first principles critique are actually ›external‹ to extant society. Consider only Rawls’s paradigmatic theory of justice as an example of this type of theory: he clearly intends to derive its basic content from the underlying normative consensus actually existent in liberal democratic societies. If he didn’t so tie his theory to moral content immanent in contemporary society, there would be no theoretical role for concepts such as ›reflective equilibrium,‹ ›overlapping consensus,‹ ›political (not metaphysical) liberalism,‹ ›public reason,‹ and so on. For instance: »[W]e look to the public political culture of a democratic society, and to the traditions of interpretation of its constitution and basic laws, for certain familiar ideas that can be worked up into a conception of political justice.« (Rawls, John: Justice as Fairness: A Restatement. Ed. by Erin Kelly. Cambridge, MA 2001, p. 5.) Perhaps other first principles theories, such as those of Cohen, Dworkin and Nozick, are better accused of being ›external‹ to their societies – but even here I have my doubts.

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1.1 First Principles Critique The form that social critique most often takes within philosophy is first principles critique; paradigmatic versions include John Rawls’ theory of justice, Ronald Dworkin’s theory of equality, Robert Nozick’s libertarianism, Gerald Cohen’s socialism and various forms of utilitarianism. Theory is tasked with working up one or a few first principles of political justice, rightness or legitimacy, organizing those principles and any sub-principles in a hierarchical and coherent system, justifying that system as the one uniquely true account of political normativity for society, and then using those ideal principles as a measure of social reality in order to detect injustices, wrongs or illegitimacies and (perhaps) to prioritize remedial action. First principles critique promises, if successful, a set of universally true, non-contingent, and trans-contextual principles useful for evaluating social practices and institutions.4 These first principles promise, in short, a justified and unimpeachable standpoint for social critique. Of course, there are several limitations such a strategy standardly encounters.5 The first limitation is that the principles, insofar as they are quite abstract and often justified through high-level philosophical arguments, will often have little to no motivational force in the real world. Such general rules and standards will often appear to be utopian in comparison with the everyday realities and messiness of our actual social world: against social reality they have the finger-waving character of a mere ought. For individuals and groups of persons, such mere oughts – everyone ought to be equal, distributions should be fair, property regimes should be just – will seem to have little to no motivational purchase. Rather they appear to be the abstract conceits of overly remote, merely hortatory theorizing. A second limitation can be captured in Weber’s phrase – ›warring gods and demons‹ – although I do not mean to invoke Weber’s problem of moral relativism. Rather, I mean that in comparing rival versions of first principles critique, it can be difficult if not impossible to make a reasoned evaluation of them at the level of generality they are originally formulated and justified in terms of. Consider two apparently correct first principle oughts: persons ought to be treated with equal respect, and, persons ought to own the personal property they have acquired fairly. Of course, neither of these oughts conflict at the level of ab4

I pass over here its usefulness for answering certain standard philosophical questions that it is often explicitly aimed at addressing: what is the basis of legitimate state coercion, what is the best form of social cooperation, why should I obey the law, and so on. 5 Honneth, following Hegel’s critique of Kant, points out several of these limitations, though I shall be reformulating them for my own purposes here. For an overview, see Honneth: Freedom’s Right, pp. 1–11.

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stractness formulated, but they may be conflicting principles once the theorists have fully specified all of the relevant institutions a utopian society might require to embody the specific conceptions of the principles. In other words, at the level of ideal theory, there is little to help make a reasoned evaluation of which ideal theory is better, while any purchase we can get on the respective theories only comes in the detailed specification of a utopian set of social arrangements. So as ideal theories, we have merely warring gods and demons – perhaps we should say warring gods and angels – while the real contrasts capable of evaluation only come by virtue of evaluating much more specific, detailed, and concrete social arrangements. A third major limitation follows straight away: the problem of application indeterminacy. For in fact, when it comes to connecting high level principles to the messy reality of concrete circumstances – when those abstractions are being brought down to social reality – it becomes clear that the bridging maneuver is only effected by presupposing (usually tacitly) further substantive normative content that is not itself part of the justified first principles. Without that further presupposed substance, there remains a plurality of different potential application ›utopias‹. Only the further content decides between them. Consider, for instance, that Kant’s categorical imperative could only debar a universal regime of taking what one needs from others on the supposition of an already extant and justified regime of private property.6 While it looks like the first principles (the categorical imperative) are doing all the work, the principles are in fact being conjoined with further normative substance (legitimate private property) that is tacitly presupposed in virtue of being built into social practices and institutions. For a different example of application indeterminacy, consider how Rawls’s own application of his first principles of justice to matters of political economy yields two quite distinct just regimes – property owning democracy and liberal (democratic) socialism – with little theoretical guidance about how to decide between them.7 In summary, it seems that the central promise of first principles critique is that it justifies its standards as normatively valued simpliciter, without regard to contingently given beliefs, practices, or institutions. It gains this universal justification precisely by abstracting from extant social relations to very general principles and a priori justifications. However, through such abstraction, it trades universality for the problems of non-motivating mere oughts, warring 6

Hegel is the originator of this claim about the empty formalism of Kant’s moral theory. See, for example Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Elements of the Philosophy of Right. Ed. by Allen Wood, transl. by Hugh Barr Nisbet. New York 1991, §135. Yet, I find an Italo Calvino short story particularly poignant and useful here: Calvino, Italo: »The Black Sheep.« In: Granta. The magazine of new writing 46 (1994). 7 Rawls: Justice as Fairness, pp. 135–140.

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gods and demons, and application indeterminacy – three problems that are in fact traceable to its own abstracting moves.

1.2 Intuition Refining Critique We can think of the second ideal typical strategy – intuition refining critique – as arising in reaction to the limitations of the first principles strategy. The idea here is to start with the everyday moral beliefs of the members of a given society – typically the critic’s own society – and then purify and clarify those beliefs into sharp normative intuitions that can in turn be incorporated into an overall set of normative standards useful for evaluating particular elements of social reality. Social philosophy, on this account then, gets its normative content from the actual beliefs social participants have about what is right and good and refines them into incisive standards that can be used to evaluate given practices and institutions. Representative theories include classical authors like Marx (at least when he is making normative evaluations of the present) and contemporary authors such as Michael Walzer, Michael Sandel, and Debra Satz.8 Rather than attempt a pure philosophical justification of norms, intuition refining critique simply takes its intuitions as justified by the fact that they are widely shared in society – acceptance by actual people is supposed to underwrite their normative force. Of course, such a strategy gives up the aspiration to find universally valid, trans-contextual normative standards good for all societies (or, less ambitiously, all modern or all liberal societies). But it does so in order to avoid the limitations encountered by first principles critique. This second strategy directly responds to the motivational problem of the mere ought, for the norms employed are already in fact motivational for people: they are actually invoked and employed by social participants as critical and justificatory standards in everyday life. Furthermore, it solves the problem of incomparable abstract standards, since theory has direct access to the actual way such standards are used by attending to the commitments and entailments individuals take on when they use them in their moral practices. It is quite clear, for example, what the contradiction is between ›Don’t tax me because I made this money and its mine‹ and ›People should pay taxes because we are all in this together.‹ Finally, it is also usually clear what the particular institu8

Sandel, Michael J.: What Money Can’t Buy: The Moral Limits of Markets. New York 2012; Satz, Debra: Why Some Things Should Not Be for Sale: The Moral Limits of Markets. New York 2010; Walzer, Michael: Interpretation and Social Criticism. Cambridge, MA 1987. Much of contemporary moral philosophy and applied ethics (the closest there is to ›social philosophy‹) in the style of analytic philosophy proceeds through intuition refinement.

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tional application of a given everyday belief is: ›I made it and its mine‹ translates more or less directly into a minimal state with minimal taxation; ›we’re all in this together‹ translates into a much more extensive public-goods providing state with a more extensive and progressive tax base. Theoretical work can help here, for in refining the intuitions involved, it can also indicate the tensions and tradeoffs between different normative contents drawn from ordinary moral beliefs. So intuition refining critique seems to make an even trade: giving up trans-contextual justification for solving the problems of the mere ought, warring gods and demons, and application indeterminacy. However, such internalist strategies have their own distinctive limitations. Notoriously, they threaten to descend into mere conventionalism, with little to no critical distance possible toward whatever moral beliefs happen to be held by social participants. While they may be able to critically evaluate particular social arrangements that do not live up to the moral standards individuals profess belief in, there is almost no way to say that any particular beliefs are mistaken or wrong or problematic. The mere fact that a great majority endorse them is all the warrant there apparently can be for their worth. It is not at all hard to think of any number of social beliefs from our own society’s past which we now regard as distinctly misplaced, problematic and frankly immoral. Intuition refining critique would have been largely incapable of identifying them as defective at the time. A special version of the problem of conventionalism is posed by ideological beliefs. Here we are dealing with widely shared beliefs which we suspect have no real moral worth, but are rather persistently reproduced because such beliefs function to maintain certain social relations that are unjustifiable in terms of their true moral character. Edmund Burke and his contemporaries may have believed sincerely that »the occupation of a hair-dresser or of a working tallow-chandler cannot be a matter of honour to any person – to say nothing of other more servile employments«,9 but merely holding this belief cannot make it morally correct. Furthermore, we should be rightly suspicious that such a belief is maintained precisely because it is functionally useful for supporting a caste-like status structure. A third limitation of empirical adequacy often appears precisely where intuition refining critique begins to diverge from everyday folk intuitions in order to gain more critical distance from them. For example, consider Satz’s enlightening refinement of intuitions regarding when markets become noxious and should therefore be either regulated or banned – markets for example, in child labor or women’s reproductive capacities or human body parts. Many of 9

Burke, Edmund: »Reflections on the Revolution in France.« In: The Works of Edmund Burke, with a Memoir, Volume I. New York 1835, p. 477.

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the criteria for noxious markets she cites do seem to clearly reflect wide-spread intuitions about the moral limits of markets: for instance that markets ought not to take advantage of extreme vulnerability or that markets should not produce extreme harms to the basic welfare interests of individuals. But it turns out that most of the heavy moral lifting in Satz’s actual critiques of extant market institutions is done by the notion that markets become noxious when they »undermine the social framework needed for people to interact as equals, as individuals with equal standing« and, more specifically, when they undermine the democratic »equality of individuals as co-deliberants and co-participants in making laws that apply to themselves.«10 To put it bluntly, it seems to me that Satz has here moved away from reliance of ordinary folk beliefs and distinctly moved into the realm of sharp moral standards developed by egalitarian and deliberative democratic political philosophies. I doubt that there is widespread empirical endorsement of these stringent beliefs about equal status, at least among Americans. And my doubt that Satz has accurately represented these beliefs is furthered by the fact that most Americans do not wholeheartedly endorse what Satz claims is the concrete realization of these beliefs (if they endorse it at all): T. H. Marshall’s account of equal citizenship as requiring universal social rights to health care, education, housing and a baseline decent income, without regard to personal preferences for such goods or ability to pay for them.11 In short, it seems that when everyday beliefs are theoretically seen as morally insufficient – when conventionalism threatens critical philosophy – theory must choose between empirical adequacy and the critical capacity of the theory itself.

1.3 Institution Reconstructing Critique The third critical strategy responds to difficulties with intuition refining critique. The central idea of institution reconstructing critique is to draw the substantive normative content of the theory immanently out of the actual patterns and practices of social relations, rather than the beliefs of members. Paradigm examples of such a strategy include both Hegel’s mature method in Philosophy of Right and Nietzsche’s reconstruction of punitive practices in the second treatise of On the Genealogy of Morals.12 As developed by Honneth under the label of ›normative reconstruction,‹ this form of critique develops its social theory at 10

Satz: Why Some Things Should Not Be for Sale, p. 95. Ibid., pp. 100–105. 12 Hegel: Elements of the Philosophy of Right; Nietzsche, Friedrich: On the Genealogy of Morality. Transl. by Maudemarie Clark and Alan J. Swensen. Indianapolis, IN 1998. 11

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the same time, and with the same resources, as its normative and critical theories. The basic task for social theory is to reconstruct the different institutional spheres or orders of society in terms of the central values each sphere distinctively realizes. The normative theory then attends to how those very same values have worth for individuals such that the institutions’ obligations and benefits are justified to those individuals. Finally, critique arises where institutions promise the realization of some values, but do not fully deliver on those promises. Institutional reconstruction addresses the three problems faced by first principles critique in similar ways to intuition refining critique, but achieves perhaps even more satisfactory solutions in attending to practices rather than beliefs. First, it does not face the problem of confronting reality with non-motivating, abstract mere oughts. For the values reconstructed are, in fact, those that are actually already serving to motivate people in social reality, at least insofar as individuals continue to reproduce those practices and institutions. Since it is a fundamental premise of reconstructive social theory that institutions require ongoing consent to function, insofar as institutions perdure, there must actually be a motivating consensus around certain values. Furthermore, because the normative content is much more concrete than the abstract norms of a first principles strategy, there is little worry about having no basis on which to evaluate competing substantive content: the warring gods and demons here are actually operationalized for individuals through the specific obligations and benefits they assume in different roles in different institutional complexes. Rather than abstract considerations of whether, say, the right should have priority over the good or how to adjust tradeoffs between freedom, equality and efficiency, social participants can quite well understand the conflict between the values of family relations and political interactions when their institutionalized roles as parents and voters come into direct conflict. Finally, of course, no problem of application indeterminacy arises, since the ›application‹ of principles is already achieved by social reality, rather than being a problem of theoretically specifying a utopia. Normative reconstruction also promises to handle the problems faced by intuition refinement of empirical adequacy and ideological beliefs. To begin, if the social theoretic reconstructions of empirical institutional reality are accurate, then the theory’s substantive reference points are precisely, and only, those values that are actually operative, rather than beliefs about which values are operative. Hence the values identified by the theory cannot be fallacious representations of reality. Nor can they be standard ideological beliefs that do not match up with how institutions actually function, for on an empirically accurate reconstruction those values simply are those necessary for the perdurance of the relevant practices and institutions. Of course, the theory itself might be em-

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pirically inadequate – it may not accurately portray institutional reality and it may be tempted to extend its critique beyond actually existing values. And the theory itself may be ideological – it may function to maintain power asymmetries in an unacknowledged way. But these are problems of theory formation faced by any critical theory, no matter what its normative strategy. What is distinctive about both immanent strategies – intuition refining and institutional reconstruction – is that they heavily rely on getting the relevant facts correct in a way that, at least prima facie, first principles critique is apparently exempt from. We will see soon that this can pose serious challenges. A defender of first principles critique might point out here that it has resources for much more robust responses to these two problems, since its philosophically justified principles are not tainted by empirical contingency. With justified, universally valid principles at hand it doesn’t matter what the actual beliefs of people are, nor does it matter what the character of their institutions is, for the critical standards it brings to bear are the morally correct ones, simpliciter. In the light of its first principles, such critique can directly evaluate whether extant beliefs or institutions are justifiable; moreover such principles can serve as a check on theory itself so that it does not inadvertently become an ideological defense of an immoral status quo. In other words, these two problems bring us back to the central peril of the two immanent strategies: namely, the threat of becoming a form of mere conventionalism. A pressing question, then, is whether institutional reconstruction can retain the advantages it has over the first principles and intuition refining critical strategies, without succumbing to problems associated with conventionalism. One would despair, for instance, if Nietzsche’s genealogical method is the only route here – where genealogy traces a practice such as punishment that is relatively stable over time but which has been reinterpreted in any number of quite distinct and contingently arising evaluative schemas.13 Here normative reconstruction finds a historical procession of different and incompatible values – rendering threats harmless, recompensing injured parties, maintaining social purity, revenge, rehabilitation, etc. – that are all adventitiously tacked on to a single practice in line with reigning social schemas of valuation. The problem here is interpretive or reconstructive indeterminacy: which among different plausible values correctly characterize an institution? This is the inverse of the indeterminacy of application problem that plagued first principles critique. I will soon argue that Honneth’s normative reconstructions are threatened by this problem of ascending from concrete institutional reality to those more abstract values useful for critique.

13

Nietzsche: On the Genealogy of Morality, Treatise 2, §§12–15.

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Hegel’s philosophy of history, of course, promises a solution to the problem of conventionalism. On this account a given society’s current practices and institutions are not mere accidents of history, but have arisen as the result of a developmentally directional and progressive process of transformation, in particular, the progressive process of Reason coming to know itself in history. Critique can then start by reconstructing the values constitutive of current institutions, confident that those institutions and their values are themselves justified as ever greater realizations of progressive Spirit itself. While the metaphysical burdens of argumentation for Hegel’s route are exceedingly demanding, it does promise an extra-conventional check on interpretive indeterminacy. For the specific values that social theory distills out of institutions must at the same time be exactly those values that have been revealed as progressive – in particular as the teleological ends of history – by a philosophical reconstruction of Reason itself. On my understanding of Freedom’s Right, Honneth attempts to respond to the threat of conventionalism by steering a middle course between genealogy and the philosophy of history. In particular, he aims to portray the history of institutional change as directional and developmental, but not in virtue of some metaphysically secured teleology. The claim is rather more modest: current institutions and the values constitutive of them are partly justified because social participants accept them as worthy and also partly justified because current institutions can be seen as the results of learning processes. Thus, current institutions need not be measured against some ultimate end of history in order to be evaluated, but they do need to show that they are (more or less) historically progressive in the sense that current arrangements represent a cognizable improvement over previous ones. This move warrants further investigation. In particular, I am concerned that, as presently worked out, Honneth’s quite promising attempt to reinvigorate the strategy of normative reconstruction for purposes of social critique is in danger of succumbing to problems of both mere conventionalism and interpretive indeterminacy. Furthermore, I am convinced that certain changes need to be made to the theory to avoid these dangers: in particular, a more demanding specification of a context-transcending moral point of view and a much more extensive comparison of plausible but alternative reconstructions of our history. These points cannot be worked out, however, at the abstract level of comparing theoretical strategies: we need rather to take a longer march through the details of Honneth’s various institutional reconstructions. I propose to use his account of market institutions as an example here, even as I will suggest that analogous challenges arise for his other reconstructions of the social spheres of personal relationships and democracy.

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2. Honneth’s Reconstruction of Market Morality To be exceptionally brief, the project of Freedom’s Right can be summarized in five theses. The first fundamental thesis of Honneth’s socio-theoretic reconstruction of modern society and its history is that freedom is the central overriding value constitutive of all of the central spheres of life. While there are other values important for modern life, all of these other values »have been placed under the spell of freedom; sometimes they infuse this idea with greater depth or add new accents.«14 The second fundamental thesis is normative: the best conception of freedom is the social conception of freedom, rather than negative or reflexive conceptions. According to the social conception of freedom, free actions require an accommodating social environment from which those actions derive their sense and purpose, and within which those actions fit into a cooperative scheme of social activity, with reciprocal roles and expectations. As Honneth puts the basic intuition: For modern subjects, it is obvious that our individual freedom depends upon the responsiveness of the spheres of action in which we are involved to our own aims and intentions. The more that we feel that our purposes are supported and even upheld by these spheres, the more we will be able to perceive our surroundings as a space for the development of our own personality.15 The third fundamental thesis of the book is socio-theoretic: each of the central institutional spheres of modern life – law, morality, the family, the market, democracy and the state – are constitutively structured around enabling and promoting social freedom. In particular, each of the different spheres is best reconstructed by articulating the specific kind of social freedom it enables. For instance, institutions of friendship, romantic love, and parenting enable the freedom to consummate ourselves through the confirmation of intimate others; market institutions enable the freedom to meet our own needs and receive recognition for our distinctive achievements; democratic institutions enable the freedom to improve the conditions of our social life through collective deliberations and decisions. The fourth fundamental thesis is justificatory: the normative reconstruction of the different social spheres demonstrates the value of those spheres for individuals, showing how their institutions are necessary conditions of the social freedom of participants. A final fundamental thesis is critical: having reconstructed the internal normative content institutionally promised by each social sphere, Honneth diagnoses the ways in which the ac14 15

Honneth: Freedom’s Right, p. 15. Ibid., p. 60.

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tual history and practices of the sphere fail to make good on that normative promise. Thus, alongside the project of justifying institutional complexes in the best light of their inner moral promise is also the project of critique: detecting the specific limitations, misdevelopments, injustices, or even pathologies that those institutional complexes exhibit in their actual, contemporary operation.16 In order to elucidate certain concerns about the use of the strategy of institutional reconstruction for critical theory, I need to first turn to some of the details of Honneth’s account of market mediated domains of society. An extended section of Freedom’s Right is devoted to a significant sociological and historical deepening of the basic normative analysis of the economy that Honneth first articulated in his earlier work17 and later sharpened through debate with Nancy Fraser.18 In this section he argues that market relationships allow a form of social cooperation that is in the individual interest of all involved.19 According to this approach – which Honneth labels »moral economism«20 – markets distinctively enable the complementary realization of individuals’ own aims by institutionalizing cooperation in a manner (ideally) responsive to two moral principles: meeting individual needs and recognizing distinctive individual achievement. The social freedom made possible by markets is thus institutionalized in two main arenas. First, there is the sphere of consumption within which individuals realize their freedom in a mutual system for meeting needs, organized around the complementary roles of consumers and producers. Second, there is the sphere of the labor market within which individuals realize their freedom in a system of mutual, esteem-based recognition for persons’ distinctive and valued achievements in their roles as 16

Beginning in Freedom’s Right, Honneth makes technical distinctions between four different kinds of negative social developments: limitations, misdevelopments, injustices, and social pathologies. This paper only looks at misdevelopments in the economic sphere. A misdevelopment for Honneth occurs where a social sphere falls short of its inherent normative potential. See Zurn, Christopher F.: Axel Honneth: A Critical Theory of the Social. Cambridge 2015, p. 168, for further information on these distinctions. 17 For instance, Honneth’s third published article from 1980 highlighted the moral potential for protest embedded in contemporary capitalist conditions of work: Honneth, Axel: »Moral Consciousness and Class Domination: Some Problems in the Analysis of Hidden Morality.« In: The Fragmented World of the Social: Essays in Social and Political Philosophy. Transl. by Charles W. Wright. Albany, NY 1995. Furthermore, the economy is a central location of paradigmatic recognition struggles according to Honneth, Axel: The Struggle for Recognition: The Moral Grammar of Social Conflicts. Transl. by Joel Anderson. Cambridge 1995. 18 Fraser, Nancy/Honneth, Axel: Redistribution or Recognition? A Political-Philosophical Exchange. Transl. by Joel Golb, James Ingram, and Christiane Wilke. New York 2003. 19 Honneth: Freedom’s Right, pp. 176–253. 20 Ibid., p. 190.

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employees and employers. For Honneth, by tracing the expansion, development and change of market mediated spheres of interaction over the roughly 300 years of capitalism, we can see that markets uniquely enable individual’s socially-secured freedom. On the one hand, markets meet basic needs for food, shelter, clothing, etc. for ever greater numbers of people and in increasingly satisfactory ways. On the other hand, markets facilitate social forms of esteem tied to the actual achievements of individuals in their distinctive and valued contributions to the system of social cooperation. Even if from one perspective, markets seem to be simply competitive systems that interlock egocentric interests of isolated subjects behind their backs (say, by the ›invisible hand‹ of price signals), according to Honneth they must ultimately be judged by the implicit moral criteria of social cooperation. Markets, on this account, are distinctly not norm-free systems that coordinate action according to functional or purely economic imperatives.21 Rather, »economic processes of exchange … remain embedded in this frame of pre-market norms and values. … There is an intrinsic connection between the conditions of competition on the market and the norms of the lifeworld.«22 Consumer and labor markets serve, then, as facilitators of the basic values of meeting needs and recognizing achievement. That they serve those values – and thereby ultimately facilitate distinctive forms of individual freedom – is also what ultimately justifies markets from a normative perspective. What evidence supports these significant claims about the inextricable embeddedness of markets in norms, and thus about the methodological inescapability of moral economism? How, for instance, might Honneth convince a traditional economist or a Marxist or a systems theorist that moral economism is true, especially when all three are committed to some version of a contrary socio-historical claim: namely, that markets increasingly detach themselves from any and all normative constraints and respond ever more autochthonously to only their own intrinsic imperatives and ›iron laws‹? Especially in light of the apparently unstoppable powers of global markets to reshape any and all communities they come into contact with, Honneth’s moral economism might seem hopelessly idealistic. In the exchange with Fraser a decade earlier, Honneth advanced two main arguments against the functional autonomy of markets from norms: one formed around the claim that esteem dispositives have a determinative influence on wage and salary rates, and another formed around

21

This puts Honneth’s analysis of markets not only at odds with Fraser’s functionalist account, but perhaps more fundamentally at odds with Habermas’s sociological dualism, a dualism that sharply distinguishes between the functional and hermeneutic forms of social integration – between systems and lifeworld. 22 Honneth: Freedom’s Right, pp. 190–191.

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the normative preconditions for the existence of markets.23 If I read Freedom’s Right correctly, Honneth has more or less abandoned the first argument concerning esteem dispositives24 – an argument I contend had serious troubles – but has deepened and subtly reformed the second argument about normative preconditions. He also now implicitly advances a new, third argument from social history. First, a few words about his reformulation of the preconditions argument. The basic argument from Redistribution or Recognition? is that if market institutions do not realize, at least to some tolerable extent, the implicit norms that justify them in the first place, then people will simply withdraw their consent from them and stop participating in them or in the legal and social practices needed to sustain them.25 Thus, to the extent that markets do actually continue to operate, there must be at least some minimal moral consent to them on the part of participants. Hence, from the evidence that markets continue to thrive, we can infer that they are morally embedded. Acknowledging the difficulty of empirically establishing that markets must be morally embedded, Honneth now explicitly recasts this argument as a form of ›normative functionalism‹:26 markets can only be freely consented to when they are embedded in specific social relations that meet pre- or non-market moral criteria.27 So, for instance, if markets systematically and pervasively failed to meet large numbers of people’s individual needs – say, leaving large populations destitute and hungry – and yet people continued to participate in them, we would be justified in saying that although they acquiesced, they had not given their free consent to market institutions. Along with this reformulation of the argument, Honneth also significantly deepens it by showing the different kinds of consilient support it has received in thinkers as diverse as Hegel, Durkheim, Polanyi, and Parsons. On my reading, Freedom’s Right also implicitly advances a new, much more extended argument for moral economism: namely an argument from actual social history. The idea here is that we can see that markets are in fact morally embedded once we carefully attend to all of the different ways that intellec23

I reconstruct and critically evaluate these two arguments in Zurn, Christopher F.: »Recognition, Redistribution, and Democracy: Dilemmas of Honneth’s Critical Social Theory.« In: European Journal of Philosophy 13, no. 1 (2005). 24 In a few short passages, Honneth appears to return to this idea, for example: »wage levels are a symbolic expression of the measure of social esteem enjoyed by a given instance of labor«. See Honneth: Freedom’s Right, p. 246. But I do not interpret such passages as shouldering an argumentative burden in favor of moral economism, but rather as reporting an experiential connection often felt by labor market participants between pay scales and self-esteem. 25 Fraser and Honneth: Redistribution or Recognition?, e. g., pp. 249–251. 26 Honneth: Freedom’s Right, p. 183. 27 Ibid., pp. 181–185.

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tual movements, legal and state reforms, and especially social struggles have invoked and employed the leading moral ideas of market cooperation in their attempts to socialize and domesticate the worst consequences and side-effects of capitalism. Tracing a wide range of diverse intellectual, political, legal, and social phenomena, especially over the changing landscape of the last century and a half of capitalism, Honneth intends to show that these various movements and trends should be read as attempts to realize the normative potential implicit in market modes of social integration. The force of the argument can only be appreciated by reading through the historical and sociological record Honneth advances. Even though it can’t be recapitulated here, I think this socio-historical content shows that Honneth’s new argument for the broad claims of moral economism – that capitalist markets are inescapably structured by normative content and so cannot be taken to be norm-free spheres that are integrated in a purely functional way – is neither conceptual nor normative, but empirical. In particular, the burden is shouldered by an in-depth sociological and historical reconstruction of approximately two centuries of economic history, attending to diverse attempts to institutionalize suitable moral constraints and conditions so that markets fulfill their inherent normative principles. The important payoff of these empirical studies for social critique is the normative account of the market sphere as a domain of social freedom. First, markets institutionalize individuals’ freedom in two specific ways, namely by meeting needs and by providing a crucial location for self-esteem. Markets for consumer items satisfactorily fulfill individual needs by structuring complementary and reciprocal roles of consumers and producers. Markets for labor enable the development of healthy, individual self-esteem through a reciprocal regime of recognition based around individuals’ productive achievements in their complementary roles as employees and employers. Second, what justifies the market domain as a sphere of social freedom is that it enables a form of social cooperation that is in the interest of all involved, one that serves the complementary realization of individuals’ aims. The sphere of consumption is morally valuable to the extent that individuals’ needs are met in a way consistent with the general good, and the sphere of labor is valuable to the extent that it allows for esteem-focused self-realization through mutual recognition. According to the thick and rich historical record Honneth develops, markets are, however, not only organized around these two basic normative principles. For in order to fully realize social freedom within market arenas, we have progressively realized over time that the spheres of consumption and labor need to be regulated according to further moral conditions: safety and environmental regulation for producers, promotion of accurate consumer information, reciprocal relations of solidarity across classes, respect for the

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dignity of others’ work, equality of opportunity, rules of fair play in buying and selling, the security of a wage that is adequate for living, meaningful work, humane working conditions, reciprocal recognition of others as members of a cooperative community, available arenas for discourse about and cooperative bargaining over the conditions of consumer and labor markets, and so on. In other words, Honneth finds a rich vein of normative content that internally structures market spheres and this normative content should be seen as a historical elaboration of the central market values of meeting needs and enabling self-realization. Finally, it is in the light of this normative content that Honneth advances his social critique, proposing a number of diagnoses of the main limitations, injustices and misdevelopments of the market sphere. He is especially concerned with economic transformations over the past two decades where social, geographical and political changes have combined to increasingly disembed markets, a set of transformative changes often summarized as ›neo-liberalism.‹ Rather than consider the entire bill of particulars that Honneth charges these neoliberal changes with, it is perhaps sufficient to see that he is quite pessimistic about the current state of markets as spheres of social freedom. Indeed, he takes neo-liberalism to be a clearly regressive social misdevelopment, »one that hollows out and undermines the normative potential of the market.«28 Although his historical work has enabled him to reconstruct that normative potential through diverse historical and social phenomena over two centuries, Honneth is convinced that the economy cannot be understood as a sphere of social freedom in its contemporary state: There can be no doubt that the current economic system in the developed countries of the West in no way represents a ›relational‹ institution and is thus not a sphere of social freedom. It lacks all the necessary characteristics of such a sphere: It is not anchored in role obligations to which all could agree, and which interweave with each other in a way that would enable subjects to view each other’s freedom as the condition of their own freedom; it therefore lacks an antecedent relation of mutual recognition from which the corresponding role obligations could draw any validity or persuasive power.29 Honneth himself notes in the sentences immediately following this passage that this pessimistic diagnosis raises a prima facie challenge for his method of normative reconstruction. Such a method appears to require an appeal to evidence of moral progress, but here we have evidence of regress. Even if we grant 28 29

Ibid., p. 177. Ibid., p. 176.

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that progress need not be linear, continuous or unidirectional, the evidence from the rapid disembedding of markets from normative constraints seems to undermine the claim about the progressive realization of the inherent normative content of market spheres. I turn now to this and other problems concerning history for the strategy of institutional reconstruction.

3. Problems in History 3.1 Historical Progress? Start with a worry that Honneth’s evaluative claims for the basically progressive character of modern Western societies might in fact be a form of Whiggish history. Of course, his normative reconstructions of recent history are by no means triumphalist: for instance, he advances somewhat pessimistic assessments of the likelihood of overcoming contemporary misdevelopments in both the economic and democratic spheres, even though he paints a relatively rosy picture of the current character of personal relationships.30 And yet, even if we see that he intends to take up a critical stance toward many specific practices and institutional forms of modern society, the picture of historical change is nevertheless teleological, viewing current social reality as fundamentally better than previous eras.31 In fact, this teleological character is, as it were, a methodological prejudice of normative reconstruction. As Honneth puts it: »In spell30

From my own ›attitudinal stance‹, the sections of the book on the family are those I found most worrisomely optimistic. For he strongly endorses family forms that are exclusively dyadic, stable, nuclear and hetero-normative (in tenor, even as he endorses homosexual marriage). In addition, he expresses a corresponding skepticism for all nonnuclear and changing forms of family – see especially ibid., pp. 161–176. I found these sections overly suffused with the warm glow of inevitable moral progress in family relations, and unfortunately insensitive to the ways in which the family sphere has been and continues to be a school of androcentric oppression, and a reliable reproducer of racism, xenophobia, stunted emotions and fraught intersubjective relations; Okin, Susan Moller: Justice, Gender, and the Family. New York 1989. Related concerns about Freedom’s Right are developed at greater length in van den Brink: »From Personal Relations to the Rest of Society.« In: Krisis: Journal for Contemporary Philosophy no. 1 (2013). For some of my concerns about the contemporary institutions of marriage, as well as my proposed remedies, see Zurn, Christopher F.: »Misrecognition, Marriage and Derecognition,« in Recognition Theory as Social Research: Investigating the Dynamics of Social Conflict. Ed. by Shane O’Neill and Nicholas H. Smith. New York 2012. 31 One can imagine that John Grey, a relentless critic of the idea of progress – especially enlightenment-inspired celebrations of Western liberal democracy as evidence of progress achieved through reason – might level all of the charges collected here against Honneth’s account, and more in the same vein. To get a flavor one might look to the first

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ing out the normative implications of already institutionalized spheres of recognition we, as theoreticians, have to try to give the best possible interpretations of them in terms of moral progress.«32 Indeed, Freedom’s Right is certainly not a radical indictment of the present calling for a fundamental revolution against its basic features, but rather an endorsement of its central values, coupled with a call to correct our institutions and practices to be better in line with their underlying ideals. The first worry about an overly Whiggish account of history is its depiction of apparently inevitable progress towards increasing freedom. One potential problem here might be the picture of progress as more or less inevitable – in the Hegelian image, of the gradual and unstoppable unfolding of the inner content of the concept of freedom. Of course, Honneth is no defender of such an inevitability thesis. Not only does Freedom’s Right repeatedly stress the developmental interruptions, discontinuities, and promising yet untaken historical paths – undermining the attribution of inevitability – but the diagnoses that the book presents regarding substantive pathologies, continuing injustices and misdevelopments should also put to rest any suggestion that history is characterized as progressive. Nevertheless, one might reasonably wonder whether enough attention has been paid to the historical contingency and unpredictability of change. Another general worry about Whiggish history is captured in the epithet ›Eurocentric‹: it tends to idolize one’s own current position as the proper goal of history. Freedom’s Right focuses exclusively upon the development of socalled ›WEIRD‹ societies: Western, educated, industrialized, rich democracies. Within this context, the charge of Eurocentrism becomes a worry that European and North American development is hypostasized as the single and sole telos of legitimate or worthy history. This then denigrates, at least by implication, any alternative social arrangements or developments found in non-Western societies.33 Even though the claim to cultural superiority is, as far as I can tell, never endorsed or even broached in Honneth’s book, it seems nevertheless to be a plausible inference from the celebration of the practices and institutions of social freedom found therein. These concerns are not merely about tone or focus. For insofar as Honneth methodologically aims to reanimate Hegel’s project of an internal reconsection of essays in Grey, John: Heresies: Against Progress and Other Illusions. London 2004. 32 Honneth and Marcelo: »Recognition and Critical Theory Today: An Interview,« p. 214. 33 Allen, Amy: »The Ineliminability of Progress?« Paper presented at the conference Freedom’s Right: A Symposium on Axel Honneth’s Political Philosophy (Stony Brook University, NY 21 September 2013).

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struction of the progressive valence and direction inherent in the history of social freedom, he must deal with concerns about the philosophy of history. Of course, he intends to jettison Hegel’s unconvincing metaphysical grounding of historical teleology in the self-unfolding of Reason/Spirit, and replace this with an account of learning mechanisms built into social practices and institutions. The primary mechanisms of progress here are social struggles that push for change by exploiting surplus normativity – the difference between ideals implicit in social institutions and their actual realizations – and then the eventual consolidation of such improvements through rational assessment and reflective endorsement by participants. Nevertheless, it remains unclear how he might respond to concerns about teleological history as Whiggish, Eurocentric, and a potential tool of cultural imperialism. There seem to me to be at least two options, both of which have their own drawbacks. First, he could claim to be doing only an internal reconstruction of our own society’s progress, whereby improvements or deteriorations are gauged only relative to previous states of our own society, with no implications for cross-cultural comparisons. Here he could still claim, for instance, that freedom is our society’s central and most worthy value, and that we have seen real progressive developments with respect to its realization in the various spheres of our social life. But he could scrupulously avoid any inference of cultural superiority or any claim that there is only one goal of moral history: social freedom has simply structured our history. The limitation of this approach – let’s call it ›conventionalism‹ – is that freedom in general and the more specific forms of social freedom seem to have little more claim upon us, according to this approach, than that they are simply ours. Conventionalism looks like a groundless endorsement of our own values as worthy values simply because they are the product of our own history. If so, critical social theory has become decidedly less critical: it could easily descend into an empty chauvinism coupled with an uncritical endorsement of the status quo ante, whatever that status might be. Alternatively, Honneth might argue in a more ›objectivist‹ vein: that the various forms of social freedom are in fact superior to alternative values and to different practices or institutions realizing other values – and it is only that superiority which could underwrite claims of real progress and diagnoses of real regress. Perhaps the reference to ›objectively better‹ is anthropological: a perfectionist account of human flourishing, or more likely for Honneth, a specific philosophical anthropology of self-realization – in any case, something standing in the place of traditional value theory’s reliance on inherent human nature. In this case, the philosophy of history would then have to explicitly explain its grounding in an account of human nature. Alternatively, the philosophy of history might be grounded in some form of trans-cultural claim to

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universal standards of rationality, such that progress is measured in terms of norms of rationality that are potentially operative in all cultures, even if the social conditions for their realization are not universally available.34 At any rate, both forms of objectivism concerning freedom would still have to explain how one could avoid the implications of Eurocentrism or cultural imperialism, in addition to the philosophical heavy lifting of supporting an account of human nature or universal rationality (and, all this while remaining post-metaphysical in method).35

3.2 Alternative Teleologies Objectivism might be ambitious, and even daunting in our anti-foundationalist, social constructionist, and generally skeptical philosophical times. But I would like to briefly sketch a case for why Honneth needs some form of objectivism in order to contend with a very serious problem I believe the substantive diagnoses in Freedom’s Right face. We might call this the problem of ›alternative teleologies.‹ The problem is a variant of the problem of interpretive indeterminacy we encountered before: the difficulty of abstracting from concrete institutional reality to a unique set of values that those institutions are said to embody. It’s perhaps easiest to see in terms of Honneth’s diagnosis of the specific misdevelopments in the contemporary economic sphere, but I believe it is also structurally present in his diagnoses of the current state of the spheres of personal relations and democracy.36 34

This is basically the strategy of Habermas’s critical theory: universal, trans-cultural standards of rationality are built into communicative uses of language, even as they have not been fully realized in the course of more-or-less progressive Western history. See Habermas, Jürgen: The Theory of Communicative Action, Volume 1. Reason and the Rationalization of Society. Transl. by Thomas McCarthy. Boston 1984. 35 Many years ago I argued that Honneth had basically three options for grounding his normative claims: piggybacking on Habermas’s language-based arguments for the universality of moral standards, rationally reconstructing features of social rationality that are taken to be universal across cultures, or relying on a universalist account of inherent human nature; see Zurn, Christopher F.: »Anthropology and Normativity: A Critique of Axel Honneth’s ›Formal Conception of Ethical Life‹.« In: Philosophy & Social Criticism 26, no. 1 (2000). It is now clear that the first option is not of interest to Honneth. My sense is that he has not yet settled decisively between the second and third options, but is still actively grappling with the problem; see Honneth, Axel: »The Normativity of Ethical Life.« Paper presented at the conference Freedom’s Right: A Symposium on Axel Honneth’s Political Philosophy (Stony Brook University, NY 21 September 2013). 36 See van den Brink: »From Personal Relations to the Rest of Society« for some analogous considerations about alternative teleologies of personal relations, especially from the point of view of conservative views of the family.

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Consider then the history and diagnosis of contemporary capitalism in Freedom’s Right. In a nutshell, evidence is presented regarding a strong history of intellectual trends and social movements that insist upon the inherently moral character of market capitalism, and fight for necessary regulations and constraints on unbridled markets so that they realize their telos as spheres of social freedom. To be actual spheres of social freedom, markets would need to be relational institutions where individuals willingly take on their role obligations – as consumers and suppliers, as employees and employers – because those roles structure morally valid and persuasive relations of mutual recognition within which individuals could realize their freedom in and through cooperation with other. According to the diagnosis of the last 20 years of market disembedding, however, actual markets today are not, according to Honneth, true domains of social freedom. Rather, current neo-liberal regimes have witnessed the systematic detachment of markets from those moral constraints Honneth claims are inherent in them. In short, contemporary capitalism is a misdevelopment away from previously progressive trends, as the spheres of consumption and labor have become ever more hollowed out of their normative content and social promise – turning instead into arenas for fierce competition between warring, atomistic individuals who do not view others as cofacilitators of their own freedom. According to this story then, moral economism of the leftist-social-democratic variety is inherent in economic relations – as shown by the normative reconstruction of two centuries of history – but is currently on the rocks, battered by the misdevelopments of the recent disembedding of markets from morality.37 This is, however, not the only story that might be plausibly told from the same evidence. An alternative version of moral economism – say, a libertarian version – might point to the recent disembedding of the market as the final triumph of the inherent normativity of market relations – namely the freeing of the individual from any constraints on personal liberty to buy and sell at will – and the achievement of individual esteem merely through one’s superior income and wealth in comparison to others. Markets have been increasingly purified of their immoral redistributive, regulative, and nanny-state admixtures, and the pure risk-responsibility morality of unbridled individual contract rights has 37

The argument that follows about alternative teleologies of the market is deeply inspired by critiques briefly made in Claassen, Rutger: »Justice: Constructive or Reconstructive?« In: Krisis: Journal for Contemporary Philosophy no. 1 (2013). Whereas Claassen takes them to be probative about the debate between philosophical constructivists (like Kant and Rawls) and reconstructivists (like Hegel and Honneth), I pursue them in order to argue that Honneth ought to adopt an objectivist over a conventionalist form of developmentalism.

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increasingly come to rule the roost. On the libertarian story, the market is seen then as realizing fundamental moral values – but the values are quite different than those at the heart of the story of social freedom. In particular, rather than a social conception of freedom, libertarianism reconstructs the normative goals of market relations as individual consumer freedom to buy and producer freedom to sell. Importantly for normative reconstruction, the libertarian version of moral economism also has real social actors and movements actively struggling to achieve this vision. For instance, in the United Sates a movement of grass-roots activists that started in 2009 called the ›TEA Party‹ – TEA standing for ›Taxed Enough Already‹ – has been remarkably successful in achieving its goals of limiting the growth of federal and state governments. And finally, of course, the libertarian reconstruction is a story of triumph, while the social freedom story is one of at least temporary defeat, a misdevelopment.38 Consider a third (and perhaps fourth) possible story that is put forward by many economists. In contrast to the social freedom and libertarian models, the economy is not seen as inherently moral or immoral – it rather is amoral. Markets are simply very efficient mechanisms coordinating the production and distribution of goods that are functionally integrated through price incentives, and which establish an arena wherein individuals encounter each other as more or less rational egocentric maximizers. Other social institutions – such as the state, charitable organizations, and private families – are responsible for encouraging or enforcing any moral content that would, in the name of otherregarding concerns, put constraints on individual maximizing behavior within the amoral economic sphere. We could call this the ›economistic‹ model, or 38

Other versions of moral economism might need to be considered as well, especially if we widen our view beyond the advanced, industrialized democracies, and consider, say, post World War II trends in welfare economics. Here there has been a clear developmental trajectory of international development institutions ever more clearly realizing that the inner moral purposes of economies is to meet needs and improve welfare. Originally, meeting needs and improving welfare was operationalized through mechanisms guided by quite blunt measurements of either GDP growth or preference satisfaction. Through the sustained struggles of intellectuals, activists and NGO’s, these development mechanisms were transformed by being tailored to more complex development measures, allowing for several different metrics of basic goods and individual welfare, for example in the Millennium Development Goals. This form of moral economism may, like Honneth’s, decry the harshness of neoliberalism, but the values it appeals to as built into the market are perhaps best understood by interpreting needs and welfare in terms of real capabilities, real opportunities, and robust freedoms to realize one’s agency goals. In other words, if we were to develop Sen’s welfare economics and theory of justice as a kind of moral economism through normative reconstruction (Sen, Amartya: The Idea of Justice. Cambridge, MA 2009) , rather than the intuition refining critique Sen currently presents it as, we may very well end up with quite a different picture of the values inherent in market institutions than that proposed by Honneth.

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perhaps better the ›technocratic‹ model since it does acknowledge the need for technical interventions in markets in order to correct for standard forms of market failure. Notably, the technocratic model comes in both right and left flavors: there are defenders of neo-liberal and of welfare state capitalism, both of whom assume that economic history is a progressive autonomization of markets from morality, a learning process whereby we have realized that markets are most efficient where only technical interventions correct market failures. In general it seems that the rightist, neo-liberal flavor has the better empirical claim as a story of recent triumph: namely, the triumph of removing exogenous moral constraints on markets. Here the recent disembedding of markets from moral constraints is a triumph of functionalist specialization: markets run best when they are responsive only to their own internal mechanisms and signals, rather than gummed up with social norms and moral fetters. On the neo-liberal story capitalism triumphs when economies are functionally differentiated from social integration. The leftist, welfare state and technocratic story has a bit harder time being optimistic, given the recent defunding of many mid-20th century welfare-securing programs, but it too can cite historical evidence in its favor. In particular, comparative data regarding the European and American responses to the financial crises beginning in 2007 and 2008 appears to vindicate the importance of counter-cyclical economic stimulus spending by governments and central banks in recessionary environments, rather than governmental austerity and debt reduction. Simplistically put, technocrats following John Maynard Keynes seem to have been vindicated over those following Milton Friedman and Alan Greenspan. But whether in its left or right flavors, the technocratic model seems to have perhaps the most accurate account of the historical trajectory of advanced economies and individuals’ beliefs about them: markets perform best when they are left to their own amoral mechanisms in combination with technical interventions by politically and morally unaccountable specialists. Moral concerns are then to be limited to non-market institutions. Honneth himself sometimes indicates this problem of alternative teleologies, but only in an indirect way, and usually only as a problem of the social scientific evidence needed for diagnoses of misdevelopment. For instance, he is clearly concerned to locate actual, current social movements against what he regards as a new form of regressive political economy. And at the end of the section diagnosing the recent social disembedding of the market sphere and the recent rise and dominance of the notion of individual over social responsibility in the economy, he notes that, »[t]his misdevelopment … poses a problem for our normative reconstruction. … we are faced with the difficult situation that we cannot rely on normative countermoves«39 from those struggling 39

Honneth: Freedom’s Right, p. 252.

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to re-embed the market. But he never considers whether his diagnosis of the present political economy as a misdevelopment should be seriously questioned given this problematic lack of empirical purchase. The only question, rather, is how the theorist can have access to the feelings of outrage that must surely be there – inarticulately, individually, unexpressed – because of the present misdevelopments. Assuming that each of the alternative teleologies has sufficient historical evidence to make it plausible, which story is right and why? Notably, this is not a question that can be settled by empirical evidence alone, since the claim that current market institutions are misdevelopments relies on getting the internal normative content of markets correct, as that normative content is what warrants the evaluation that current institutions have fallen away from their moral promise. At this point, I would contend, Honneth cannot employ a merely conventionalist account of historical progress. At points, he seems tempted in this direction. For instance, the non-metaphysical mechanism of progress he hypothesizes relies on the fact that individuals – courtesy of legal and moral freedom – can take up a distanced and reflective stance towards the social practices and institutions they normally operate unquestioningly within. This distantiating interruption of individual freedom then allows for people to either struggle for changes in the current arrangements or to continue to reproduce them as rationally acceptable in their current form. And, in the methodological introduction to Freedom’s Right, Honneth argues that the fact that people do indeed continue to reproduce given social arrangements is itself evidence of their moral acceptability and hence of historical progress: »The fact that subjects actively preserve and reproduce free institutions is theoretical evidence of their historical value.«40 In other words, the mere fact that institutions exist, which in turn relies on individuals accepting those institutions, appears to underwrite a claim about their moral rightness. Further evidence that Honneth is tempted to endorse conventionalism comes in his recent replies to critical reviews of Freedom’s Right, although that evidence is somewhat ambiguous.41 40

Ibid., p. 59. In a piece responding to diverse critics, Honneth’s summary of his method mostly favors conventionalism: »›Normative reconstruction‹ … refers to attempts at articulating the norms that are tacitly accepted by the participants in a given practical sphere … guided by the hope that the developmental paths thus reconstructed will exhibit a certain directedness towards moral progress. … When there have been departures from the developmental path revealed by the reconstruction … I speak of ›normative misdevelopments‹ (›normative Fehlentwicklungen‹). If by contrast, the institutional reform of a practice leads to a fuller and more adequate application of its basic normative ideal, I speak of ›moral progress‹. The history of Western societies is marked by a series of historical caesuras that in retrospect are perceived (or should be described) by everyone as particularly beneficial or as particular gains, precisely because they brought about sig41

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There at least three major problems with such a conventionalist approach to moral progress. To begin with, it does not clearly decide between the alternative teleologies. The question of how to interpret the history of economic changes in our own societies is, simply, indeterminate. That history contains clear evidence of each of the three stories: struggles to embed markets in egalitarian social relations, struggles to embed markets in libertarian individualism, and struggles to free economies of any indigenous moral content. Without more evidence than ›this is the way we happen to do things around here,‹ it is hard to see which teleology is the correct interpretation. Second, conventionalism does not in fact favor the social freedom story, since the actual history is a story of defeat (misdevelopment) rather than triumph (progress). If anything, the increasing predominance of laissez faire economic and policy regimes that are disembedded from normative constraints and which have spread across the developed world over the last three decades seems to point to the neo-liberal technocratic teleology as the real story about the direction of progress (though, as noted above, perhaps the most recent history of responses to the financial crises points instead towards Keynesian technocracy). The moralized libertarian story is supported by evidence about the increasing spread of consumerist definitions of freedom itself: freedom is seen as no more than an individual’s choice between different product purchases, whether those are the consumer products realizing personal freedom or the politicians and policies realizing political freedom. In short, the technocratic and libertarian stories seem more true to the social practices and institutions that are actually being reproduced. On the conventionalist approach, that should be taken as clear evidence that people in fact find either technocratic or libertarian economism as morally valid and convincing. By contrast, the social freedom story can point to much less evidence that it is getting sustained upnificant improvements in the practice of the relevant norm.« See Honneth, Axel: »Replies.« In: Krisis: Journal for Contemporary Philosophy no. 1 (2013), p. 37. However, the second parenthetical remark (›should be described‹) seems to me to point toward objectivism. Another part of his response is more ambiguous verbally, it seems to me, between conventionalism and objectivism: »It is a requirement on the (in principle corrigible) validity of any particular normative reconstruction that it should know itself to be tied to those particular emancipatory promises of modern societies which it treats as already institutionalized and thus, within this historical context, as universally authoritative. But granted the acceptance of the relevant principles, the reconstructive method then claims to objectively trace the developmental trajectories along which those principles come to be actualized.« In: Ibid., p. 39. (all emphases added). Nevertheless, the idea in this passage seems to be conventionalist: that the moral ideals that are the markers of progress are only justified immanently to a particular society. The objectivity referred to pertains only to the factual, historical claims of the reconstruction.

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take and support by individuals and groups. If ordinary folks simply no longer agree that social freedom is the basis of market legitimacy, then how can a conventionalist theory say that the move away from social freedom is normatively poor – a misdevelopment?42 In short, this is a problem of divergence between the empirical ends of economic history and the ends theory has purportedly reconstructed as already being implicit within institutions. Third, it is simply insufficient for a critical social theory to claim that we can infer progress or even moral acceptability for social institutions from the mere fact of widespread individual compliance with the status quo. There may be any number of explanations for why individuals do, or do not, in fact continue to reproduce given social institutions. They may have no feasible alternatives; they may be unaware of feasible alternatives; they may be forced to comply; they may find material incentives overwhelming; there may be rationality distorting ideologies or wealth-based asymmetries in communications preventing critical reflection; the structures of opportunity may be unequally aligned with wealth disparities and class positions; and so on. Most importantly, a given institutional structure – which is the source of the reconstructed values – may itself directly or indirectly generate institution-supporting values. To give just one plausible example concerning public elementary education: the institutional existence of private elementary schools may itself tend to generate privatizing, libertarian values, while simultaneously undermining values supportive of public goods such as free elementary education for all children. As more higher-achieving students are pulled out of public schools, those schools are more apt to become caught between the pincers of defunding and increasingly difficult educational tasks, thereby making the ›failure‹ of public education into a self-fulfilling prophecy. Of course, individuals might also be convinced on the basis of good reasons that their society’s given economic institutions are morally justifiable and preferable. But compliance alone is not sufficient evidence to support this latter explanation of moral endorsement. In short, given the variety of explanations for ongoing compliance – many of them morally disreputable – compliance alone cannot warrant a claim of moral acceptability.43 And this is precisely what Honneth seems to recognize in recommending his ›normative functionalist‹ reformulation of his earlier argument regarding the ineliminability of social integration for all social spheres, 42

This is, of course, structurally analogous to the problem I pointed out for intuition refining critique (above at 1.2), where it seeks some greater critical purchase on contemporary reality, but is forced to surrender the claim that its description of people’s actual beliefs is empirically adequate. 43 This is, of course, structurally analogous to the problem I pointed out for intuition refining critique (above at 1.2), where it lacks normative resources to gain critical distance on everyday beliefs that are merely ideological.

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based on the notion that ongoing institutional reproduction implies some general evaluative consent by participants. As applied to the market, for instance, normative functionalism implies that there are norms outside of the particular institutional sphere that contribute to the free consent of participants. Normative functionalism[’s] … point of reference would thus not be the sheer existence of an institutional sphere, but the values and norms it embodies, provided that the members of society regard them as a condition for being able to consent to the economic order. According to this interpretation of [the] claim, the market economy relies on an ›ethical‹ framework of pre-contractual norms because it is only under this normative condition that it can garner the consent of all economic actors.44 This new normative functionalism itself, then, pushes toward some form of objectivism, at least if I correctly understand the claim. In short, I would contend that, on the basis of a conventionalist internal historical reconstruction alone, it is hard to tell whether the social freedom teleology – including its story of long historical progress and recent misdevelopment – should in fact be favored over alternative teleologies. Furthermore, this difficulty is not limited to Honneth’s account of market institutions. For instance, in discussing the development of the democratic public sphere, he argues that current tendencies towards sensationalism in the mass media – in particular, the way in which contemporary media is apt to construct virtual realities that do not correspond to political realties – must be seen as misdevelopments. And again he notes – without considering the full implications – that this diagnosis of misdevelopment must be made, in this case, independently of any supporting social reality: These virtualizing tendencies of traditional media pose a significant difficulty for our normative reconstruction; according to the criteria inherent in the democratic public sphere itself, these tendencies must be regarded as a misdevelopment because they no longer sufficiently inform the public, but rather produce reality self-referentially. … It is quite difficult to separate reality from fiction and get a sober look at real social developments.45 But what if virtuality is the real normative telos of the public sphere – a sphere inherently concerned with spectacle and entertainment – rather than with public deliberation about the common good as Honneth argues? How exactly would we decide between the alternative normative reconstructions of the mass media as either reporters or entertainers? 44 45

Honneth: Freedom’s Right, pp. 183–184. Ibid., p. 297.

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Take a more general example: Honneth’s reconstruction of political institutions hypothesizes that a discursive and deliberative public sphere, coupled with a responsive constitutional state that takes direction from that public sphere, is the telos inherent in our political practices. But an alternative reconstruction may see our political institutions and practices working themselves pure over time to a minimalist vision of democracy that is premised on extreme skepticism about the epistemic capacities of ordinary citizens deliberating together. Such a minimalist vision favors experts and technocratic administrations, and deflates the role of popular sovereignty to little more than a mechanism for legitimately and peacefully changing either regimes, rulers or parties in power. Indeed, Schumpeter and (more recently) Somin endorse such a vision.46 If this minimalist vision of democracy is in fact the current historic winner both institutionally and in terms of citizens’ reflective understanding of themselves – a victory that is at least implicitly acknowledged in Honneth’s judgment that many current political institutions and phenomena must be judged as misdevelopments – then why should we accept the reconstructive claim that deliberative democracy best models the inherent meaning of our institutions?

4. Methodological Remedies The basic problem I have pointed out here of alternative teleologies is one of the indeterminacy of abstraction: normative reconstruction must start with concrete social institutions as given, and then interpret them as realizing specific values that are more abstract than the rules, regularities and roles definitive of the institutions themselves. However, for the process of interpretive extraction, there is no direct translation of concrete routines and behaviors into one unique value or set of values. As thinkers from Nietzsche to Foucault have taught us, one given practice can serve many different values and purposes in different times: punitive confinement can serve revenge, or retribution, or removal or rehabilitation and beyond; sexual chastity can serve the art of selfconstitution, or self-abnegation, or science, or new modalities of population control.47 If then the problem is one of the indeterminacy of abstracting up from concrete institutions, it seems that we are faced with the converse of the

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Schumpeter, Joseph A.: Capitalism, Socialism, and Democracy. London 1943; Somin, Ilya: Democracy and Political Ignorance: Why Smaller Government Is Smarter. Standford, CA 2013. 47 Foucault, Michel: The History of Sexuality, Volume 1. An Introduction. Transl. by Robert Hurley. New York 1978; Nietzsche: On the Genealogy of Morality.

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problem of application indeterminacy faced by first principles critique, that is, the problem of moving down from a priori abstractions to concrete institutions. How then to cope with the problem methodologically? To begin, it seems quite clear to me that institution reconstructing critique must engage in sustained consideration and comparison of potential alternative interpretations of institutional complexes. In terms of the economy, this would mean not only doing the serious historical and sociological work of investigating what the theory takes to be the true meaning of the institutional sphere – as Freedom’s Right impressively does – but also at the least considering the counter evidence for different interpretations. The point here is not simply to make more work, as real results can come from such a comparison. For instance, I have suggested that there is a potential alternative technocratic teleology (or two) of market institutions, which insists that the telos of markets is their functional differentiation from all forms of social integration through values. However, Honneth has actually marshaled a great amount of evidence against this thesis in his arguments against systems theoretic accounts of capitalist economies. Both in his most recent book and previous work, there is enough evidence to contradict amoral economism, at least at a sufficiently general level.48 However, if I am not mistaken, we do not yet have evidence to decide between two (or more) alternative forms of moral economism, since we get no real sustained consideration of the plausibility of a libertarian or any other reconstruction. Notably, we also need this comparative evidence in order to begin to address the problem of compliance vs. endorsement. In order to understand whether individuals are merely complying with given institutional structures or are contributing to their reproduction because they sincerely believe those institutions further important values, we need to look at different potential explanations for individuals’ ongoing participation in those institutions. Comparing explanations then, is a first step to addressing concerns about ideological institutions manufacturing the bases of social consent. However, even if we had such comparisons as a basis for making an assessment about which story was most historically accurate, facts about social reality cannot alone settle the matter of whether the current arrangements represent, say, moral progress, stasis, or regress. Nor could we judge whether an institution that reproduces its own consent is to be rationally endorsed as acceptable nevertheless, or rejected as disreputable. Nor finally could we decide whether our family structures, economic systems and political structures currently count as achievements or misdevelopments. For these assessments – 48

For my assessment of his earlier arguments along these lines, see Zurn: »Recognition, Redistribution, and Democracy.«

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which are at the heart of Honneth’s diagnosis of the present – we need normative criteria which are justifiable without sole reliance on any current facts about our given institutions or the extant social consensus. In short, I would argue, Honneth needs some kind of transcontextual universal standards – some form of moral objectivism – in order to underwrite his normative diagnoses and evaluations of the present. Perhaps this should be grounded in a philosophical anthropology of human nature; perhaps in a philosophical theory of the universal rationality of intersubjectivity; perhaps in a modified philosophy of history; perhaps in some other way. In particular, the specific conception of social freedom needs philosophical justification, and in a way that doesn’t collapse back into mere conventionalism. But whatever way this is achieved, a judgment that the recent disembedding of the market represents a misdevelopment requires a moral account of the way history should have gone, but did not – and this cannot be settled by historical facts alone. Such a defense of the specific social conception of freedom could, regardless of the path through which it is achieved, then be applied back to the problem of alternative teleologies. For instance, the alternative reconstruction of political institutions in terms of minimalist democracy would be shown to be a misunderstanding of the way in which our collective self-determination cannot be out-sourced to experts and technocrats and then given a veneer of legitimacy by periodic elections. Should our collective self-determination also then be shown to require decent channels for information and communication in order to hear all relevant facts and opinions, the alternative reconstruction of the mass media as a mere entertainment medium that can legitimately virtualize reality would be shown to be a misdevelopment of what democratic social freedom requires. And of course, the libertarian reconstruction of markets as rewarding individual effort and genius and punishing mediocrity could be shown to be a fundamental misunderstanding of the demands of mutual recognition built into social freedom. It may be that what Honneth could employ here is an unabashed, »principles-first« philosophical defense of the specifically social conception of freedom as the best, most morally appealing version of freedom. That might involve developing, say, arguments for the context-invariant character of social freedom as the apex value of human existence. And Freedom’s Right has already taken some steps in this direction in its opening sections by arguing that the social conception of freedom is superior because it corrects limitations found in alternative conceptions of negative and reflexive freedom. However, that principles-first approach would, it seems to me, court the old dangers of first principles critique, particularly the worries about producing a motivationally inert set of mere oughts and about the problem of warring gods and demons.

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Let me suggest what seems like a better strategy – a more normatively modest strategy – namely, spelling out the objectivity of the social conception of freedom in terms of the notion of a historical learning process. To a certain extent, this strategy is already in Freedom’s Right, at least in nuce. Consider how Honneth’s opening sections on three different conceptions of freedom already have some comparative steps that gesture towards comparative work analogous to that which I am calling for in terms of his institutional reconstructions: these sections contrast social freedom with the barren, ends-devoid character of negative freedom as well as with the socially blind character of reflexive freedom, and find that social freedom is much richer and more compelling than either the negative and reflexive conceptions. Furthermore, these comparisons could be understood as outlining a kind of progressive learning process starting at the birth of modern freedom. Indeed, Honneth does tell a kind of developmental story of sequenced learning here, where (at least intellectually) the modern West has moved from the negative freedom of Hobbes and Locke, to the reflexive freedom of Rousseau and Kant, to the social freedom of Hegel and Honneth. And each step in this process can be seen as intelligibly responding to both the promise and limitations of previous stages. What we would need then is an extension of this method beyond intellectual history in order to make the long march through institutional history. In other words, a particular normative reconstruction would have to show how its preferred values – centered around social freedom, but in their specific form for each institutional sphere – represent cognizable improvements over previous institutional complexes and their associated values. Notably, by using the learning process method to gain some objectivity on the institutional reconstructions, critical theory does not need to reach for an ahistorical, fully transcontextual standpoint from which to judge societies and their institutions. In other words, we need neither a view from nowhere, nor a full picture of the ideally just society, nor a utopian picture of the end of history to do the evaluative work necessary. For progress is shown by the fact that current complexes of institutions and their values solve problems that older complexes could not. And regress or misdevelopment is shown by the fact that current complexes can solve neither current nor past problems. Because this is, in broad strokes, a basically Hegelian strategy – where progress is shown by determinate negation of past complexes leading to their sublation into new and better complexes – it should be especially congenial to Honneth’s project. The idea here is somewhat analogous to a non-realist account of scientific progress, where there is no need to posit an ever better, more realistic correspondence between scientific theory and an independent world in order to understand theory change as progressive. For a new theory is better just to the extent that it can not only solve the problems of the old theory, but also solve

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new problems the old theory could not, all the while explaining why the old theory was incapable of doing so.49 Analogously, institution reconstructing critique needs posit no history- and institution-independent objective standard of morality to which our institutions ever better correspond in order to justify claims about moral progress. Rather, it is enough to say that our current institutions solve problems that were evidently unsolvable through our old institutions, that they solve new problems our old institutions did not even grapple with, and that we can clearly comprehend how and why our current institutions represent cognizable improvements over past ones. Let me also suggest that this learning process strategy would dovetail quite nicely with the naturalized pragmatist moral epistemology Elizabeth Anderson has recently been developing to explain the social processes essential to achieving moral progress.50 One of her central claims is that errors and biases in moral reasoning on the part of the powerful are most frequently overcome through practical contestation, through the less powerful holding the powerful to account and insisting on the limitations of dominant moral reasoning. To this extent, the account has deep affinities with Honneth’s emphasis on practical social activism and diverse practices of social contestation as ineliminable motors for progressive institutional change. A second Anderson claim is also apropos of Honneth’s institution reconstructing critique: namely, that judgments of institutional progress can only be made in light of actual individuals’ experiences of living with new institutions and the specific principles they embody. Asking how a society might be able to tell whether its new arrangements represent moral progress, Anderson answers that it can »see if it finds social life governed under the new principles more satisfactory than life governed under the old – whether the new principle resolves longstanding interpersonal or intergroup conflicts better than the old, or replaces intractable conflicts with more tractable and less dangerous ones, or produces new benefits.«51 In Anderson’s picture, as well as Honneth’s, normative social change is not first and foremost driven by abstract ratiocination: it is a matter of the practical assess-

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MacIntyre, Alasdair: »Epistemological Crises, Dramatic Narrative and the Philosophy of Science.« In: The Monist 60, no. 4 (1977). 50 Anderson, Elizabeth: »The Quest for Free Labor: Pragmatism and Experiments in Emancipation.« In: The Amherst Lecture in Philosophy no. 9 (2014), pp. 1–44. http:// www.amherstlecture.org/ anderson2014/; »Social Movements, Experiments in Living, and Moral Progress: Case Studies from Britain’s Abolition of Slavery.« In: The Lindley Lecture (2014), pp. 1–28. http://kuscholarworks.ku.edu/bitstream/handle/1808/14787/ Anderson_Social_Movements.pdf; »The Social Epistemology of Morality: Learning from the Forgotten History of the Abolition of Slavery.« In: The Epistemic Life of Groups. Ed. by Miranda Fricker and Michael Brady. New York forthcoming. 51 Anderson: »The Social Epistemology of Morality,« p. 2.

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ment of actual experiments with the different normative principles, and only when those principles are realized in and through existing social institutions. A final key Anderson claim follows from these two: namely, that we need not advert to any abstract, society-independent standard of moral rightness to understand many historical sequences as moral progress (or regress). We can infer moral progress, rather, when moral change occurs due to certain features of the social structures within which intersubjective moral reasoning takes place, features that will tend to counteract well-known sources of moral bias, confusion, error, oversight and blindness. So, for instance, Anderson insists that, »[s]ound moral inquiry … demands the participation of the affected parties. … We cannot hope to get our moral thinking straight unless we include the affected parties in our moral inquiry, and include them on terms of equality.«52 Conversely, when change occurs without the participation of the affected – say when simply imposed by the powerful based upon their own insulated moral thought – we have much less grounds for expecting that change to be progressive. Such epistemological criteria for inferring moral progress refer, like MacIntyre’s criteria, to features immanent to the social context of change rather than to a context-independent standard of moral rightness that social arrangements supposedly correspond to. How might such a learning-process strategy work with respect to Honneth’s diagnostic claim of recent misdevelopments away from a social freedom model of the economy, and its competition with the alternative reconstruction of triumphant libertarian moral economism? Here in particular, Honneth would need to tell an un-learning or regress story, for instance, where current institutions fail to solve problems previously solved by older institutions. Let me briefly sketch, in a speculative mode, what kind of a story might be told here. One might think that the devastating consequences in many social spheres resulting from the most recent financial crisis – consequences entirely familiar from past explosions of economic bubbles – are themselves probative evidence that removing significant regulatory checks on financial institutions in the name of the supreme morality of individual freedom over property is a kind 52

Ibid., p. 3. Although Habermas is never cited in these three Anderson papers, many ideas are remarkably close to those of his discourse ethics and especially his version of deliberative democracy. Anderson puts much more emphasis on social activism, social movements and concrete contestation, in contrast with a standard (I’d argue mis-) interpretation of Habermas as mostly concerned with seminar-style polite exchanges of formal philosophical reasons. But many of the ideas – of moral progress as achieved through the epistemic improvements in moral reasoning brought about only through participatory interactions between all affected, not to mention the proceduralist standard of normative rightness as what would be accepted as right by all participants under the right reasoning conditions – are central, longstanding features of Habermasian moral and political theory.

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Christopher F. Zurn

of regression or un-learning. Furthermore, we can comprehend how our latest economic institutions led to market failure, and how our older (less regressive) institutions were better able to deal with such forms of market failure. We might be able to further this story along Andersonian lines. We would thereby expect that financial market policy makers will be subject to errors and biases in their moral reasoning precisely to the extent to which they are insulated from practical interaction and contestation with diverse social actors representing competing interests and presenting diverse moral ideas. And we should expect that our collective moral reasoning concerning political economy will not be progressive when that reasoning is not structured in such a way that it systematically exposes the powerful to the voices of those affected by their decisions so as to correct for predictable failures of solipsistic reasoning. Perhaps ever increasing structural inequality over the last forty years in OECD countries between the economically powerful and those affected by their decisions has something causally to do with the morally regressive changes of neoliberal political economy over the last decades? And finally, there seems to be some significant evidence that, in fact, we do not find »social life governed under the new [neoliberal] principles more satisfactory than life governed under the old«53 social freedom principles. It seems to me that even if the details of this story are rejected, it is nevertheless open to Honneth to attempt to justify the normative superiority of left-democratic social freedom over libertarian market freedom precisely in terms of reconstructible processes of cognizable learning and unlearning. If such a strategy of revealing concrete learning (or regression) processes with real cognizable improvements (or diminishments) as immanent within historical changes driven by social contestation is feasible, then we can maintain the advantages of institution reconstructing critique without the worrying interpretive indeterminacy that threatened to undermine the kinds of diagnostic and critical claims we would like to make about contemporary institutions when they do not measure up to the values they seem to promise. Or so I hope.

5. Conclusion In this paper I have argued for the attractiveness of one particular form of social critique – institution reconstructing critique – over either the first principles or the intuition refining forms of critique. Axel Honneth’s normative reconstruction of market spheres of society in terms of the values of social freedom was shown to be a paradigmatic form of reconstructive critique. How53

Ibid., p. 2.

The Ends of Economic History

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ever, I also showed how his reconstruction of economic institutions had certain characteristic shortcomings in attempting to employ the very same values for social evaluation that it claimed were empirically constitutive of actual social institutions. In particular, I focused on the problem of interpretive indeterminacy: how to decide between different and incompatible reconstructions of the same institutional history. I argued that, in order to maintain itself as a robust form of social critique, normative reconstruction could not collapse into mere conventionalism, along the lines of intuition refining critique, but instead needed to have access to some more or less objective standards for gauging progress and regress. Finally, I suggested a way of avoiding the perils of the way in which first principles critique approaches objective standards: namely, the normatively modest strategy of relying on historical learning (and un-learning) processes. If this is correct, then institution reconstructing critique can bring to bear robust tools for solving the problems of alternative teleologies, without either collapsing into a mere social conventionalism in danger of being ideologically blind, or spinning off into socially and motivationally untethered abstract utopias.54

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My thanks to participants at two conferences who gave invaluable feedback on earlier versions of this paper: Internationale Tagung: Die Philosophie des Marktes, Technische Universität Braunschweig (February 2014) and The Critical Theory Roundtable, Dartmouth College (September 2014). Sections 2 and 3 of this paper incorporate some material, with many changes and additions, from chapter 6 of Zurn: Axel Honneth: A Critical Theory of the Social.

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Autorinnen und Autoren

Andrew Buchwalter ist Presidential Professor an der University of North Florida in Jacksonville. Seine Forschungsgebiete sind die Philosophie des 19. Jahrhunderts, die Politische Philosophie, die Rechtsphilosophie sowie Theorien globaler Gerechtigkeit. Wichtigste Veröffentlichungen: Dialectics, Politics, and the Contemporary Value of Hegel’s Practical Philosophy. London, New York: Routledge, 2011 sowie (als Herausgeber) Culture and Democracy: Social and Ethical Issues in Public Support for the Arts and Humanities. Boulder, CO: Westview Press, 1992, Hegel and Global Justice. Dordrecht: Springer, 2012 und Hegel and Capitalism. Albany, NY: SUNY Press, 2015.

Simon Derpmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seine Forschungsgebiete sind die Sozialphilosophie, die Moralphilosophie und die Philosophie des Geldes. Wichtigste Veröffentlichungen: Gründe der Solidarität. Münster: Mentis Verlag, 2013, Mill. Einführung und Texte. Paderborn: UTB/Wilhelm Fink Verlag, 2014 sowie »Eigentumskritik bei Moses Hess.« In: Michael Quante u. Amir Mohseni (Hg.): Die linken Hegelianer. Studien zum Verhältnis von Religion und Politik im Vormärz. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2015, S. 109–125.

Martin Hartmann ist Ordentlicher Professor für Philosophie mit Schwerpunkt Praktische Philosophie am Philosophischen Seminar der Universität Luzern. Seine Forschung liegt auf den Gebieten der Kritischen Theorie, der Emotionsphilosophie, der Theorie des Vertrauens, des Pragmatismus und der Sozialphilosophie. Wichtigste Veröffentlichungen: Die Praxis des Vertrauens. Berlin: Suhrkamp, 2011, Gefühle. Wie die Wissenschaften sie erklären. Frankfurt am Main: Campus, 2010 (zweite, aktualisierte Auflage), Die Kreativität der Gewohnheit. Grundzüge einer pragmatistischen Demokratietheorie. Frankfurt am Main: Campus, 2003 sowie Die Gegenwart des Pragmatismus. Hg. v. Martin Hartmann, Jasper Liptow u. Marcus Willaschek. Berlin: Suhrkamp, 2013.

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Autorinnen und Autoren

Lisa Herzog ist Professorin für Politische Philosophie und Theorie an der Hochschule für Politik an der Technischen Universität München. Ihre Forschungsgebiete sind Philosophie des Marktes, Politische Philosophie und deren Geschichte, Ideengeschichte der Ökonomie, philosophische Grundlagen der Ökonomie, Ethik in Organisationen und normative Aspekte von Finanzmärkten. Wichtige Publikationen: Inventing the Market. Smith, Hegel, and Political Theory. Oxford: Oxford University Press, 2013, Freiheit gehört nicht nur den Reichen. Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus. München: C.H. Beck, 2014, »The Normative Stakes of Economic Growth. Why Adam Smith does not rely on ›trickle down‹.« In: Journal of Politics 78 (1), 2016, S. 50–62 sowie »The Goods of Work (other than Money!).« In: Journal of Social Philosophy 47 (1), 2016, S. 70–89 (mit Anca Gheaus).

Heinz D. Kurz ist Emeritus Professor am Graz Schumpeter Centre und Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Graz. Seine Forschung liegt auf den Gebieten der Wirtschaftstheorie und der Theoriegeschichte. Buchveröffentlichungen u. a.: Theory of Production. Cambridge, New York u. Melbourne: Cambridge University Press, 1995, Paperback-Ausgabe 1997 (mit Neri Salvadori), Klassiker des ökonomischen Denkens. Zwei Bände. Hg. und in Teilen verfasst von Heinz D. Kurz. München: C.H. Beck, 2008, 2009, Geschichte des ökonomischen Denkens. München: C.H. Beck, 2012, Economic Thought: A Brief History. New York: Columbia University Press, 2016 sowie Handbook on the History of Economic Thought. Drei Bände. Band I: Great Economists since Petty and Boisguilbert; Band II: Schools of Thought in Economics; Band III: Developments in Major Fields of Economics. Hg. und in Teilen verfasst von Gilbert Faccarello und Heinz D. Kurz. Cheltenham und Northampton: Edward Elgar, 2016.

Douglas Moggach ist Distinguished University Professor an der University of Ottawa sowie Honorary Professor of Philosophy an der University of Sydney. Er forscht über die deutsche Philosophie von Leibniz bis Marx. Ausgewählte Veröffentlichungen: The Philosophy and Politics of Bruno Bauer. Cambridge: Cambridge University Press, 2003, The New Hegelians. Hg. v. Douglas Moggach. Cambridge: Cambridge University Press, 2006, Politics, Religion, and Art: Hegelian Debates. Hg. v. Douglas Moggach. Evanston: Northwestern University Press, 2011 sowie The Revolutions of 1848 and Modern Political Thought. Cambridge: Cambridge University Press, 2017 (mit Gareth Stedman Jones; in Vorbereitung).

Autorinnen und Autoren

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Birger P. Priddat ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre und Philosophie an der Wirtschaftsfakultät der Universität Witten/Herdecke. Seine Forschungsgebiete sind die Institutionenökonomie, die Theoriegeschichte der Ökonomie und die Wirtschaftsphilosophie. Wichtigste Veröffentlichungen: Akteure, Verträge, Netzwerke. Der kooperative Modus der Ökonomie. Marburg: Metropolis, 2012, Homo Dyctos. Netze, Menschen, Märkte. Über das neue Ich: market-generated identities. Marburg: Metropolis, 2014, Economics of Persuasion. Ökonomie zwischen Markt, Kommunikation und Überredung. Metropolis, 2015 sowie Erwartung, Prognose, Fiktion. Zur Epistemologie des Futur in der Ökonomie. Marburg: Metropolis, 2016.

Michael Quante ist Professor für Philosophie mit dem Schwerpunkt Praktische Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seine Arbeitsschwerpunkte sind der Deutsche Idealismus, die Philosophie der Person sowie Ethik und biomedizinische Ethik. Ausgewählte Veröffentlichungen: Hegels Begriff der Handlung. Stuttgart: Frommann-Holzboog,1993, Person. Berlin, New York: de Gruyter, 2012 (zweite Auflage), Menschenwürde und personale Autonomie. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2014 (zweite Auflage) sowie Die Wirklichkeit des Geistes. Berlin: Suhrkamp, 2011.

Emmanuel Renault ist Professor für Philosophie an der Universität Paris Ouest Nanterre La Défense. Seine Forschungsgebiete sind Hegel und Hegelianismus, Marx und Marxismen, Kritische Theorie und Sozialphilosophie. Wichtigste Veröffentlichungen: L’expérience de l’injustice. Paris: La Découverte, 2004, Souffrances sociales. Paris: La Découverte, 2008, Marx et la philosophie. Paris: Presses Universitaires de France, 2014 sowie Connaître ce qui est. Enquête sur le présentisme hégélien. Paris: Vrin, 2015.

Michael Schefczyk ist Professor für Praktische Philosophie am Institut für Philosophie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und daselbst Prodekan der Fakultät für Geistesund Sozialwissenschaften. Seine Forschungsgebiete sind die Politische Philosophie, die Gerechtigkeitstheorie, Fragen an der Schnittstelle von Philosophie und Ökonomie sowie die britische Philosophie des neunzehnten Jahrhunderts (insb. John Stuart Mill). Ausgewählte Veröffentlichungen: Verantwortung für historisches Unrecht.

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Autorinnen und Autoren

Berlin: de Gruyter, 2012, John Stuart Mill zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag, 2009 (mit Dominique Kuenzle), »Financial markets: Applying argument analysis to the stabilisation task.« In: Sven Ove Hansson, Gertrude Hirsch Hadorn (Hg.): The Argumentative Turn in Policy Analysis. Reasoning about Uncertainty. Cham: Springer, 2016, S. 265–290 sowie »Background Justice over Time: Property Owning Democracy versus Realistically Utopian Welfare State.« In: Analyse & Kritik 35 (1), 2013, S. 193–212.

Hans-Christoph Schmidt am Busch ist Professor für Philosophie an der Technischen Universität Braunschweig. Seine Forschung liegt auf den Gebieten der Politischen Philosophie, der Sozialphilosophie, der Rechtsphilosophie und der Philosophie der Ökonomie. Ausgewählte Veröffentlichungen: »Anerkennung« als Prinzip der Kritischen Theorie. Berlin, New York: de Gruyter, 2011, Religiöse Hingabe oder soziale Freiheit. Die saintsimonistische Theorie und die Hegelsche Sozialphilosophie. Hamburg: Felix Meiner, 2007 sowie (als Herausgeber) Charles Fourier: Über das weltweite soziale Chaos. Ausgewählte Schriften zur Philosophie und Gesellschaftstheorie. Berlin: Akademie Verlag, 2012 und »Karl Marx and the Philosophy of Recognition.« Special Issue von Ethical Theory and Moral Practice 16 (4), 2013, S. 679–758.

Edward Skidelsky ist Senior Lecturer an der University of Exeter. Er forscht zu Themen der Moralphilosophie, der Politischen Theorie und der Ideengeschichte. Wichtigste Veröffentlichungen: Ernst Cassirer: The Last Philosopher of Culture. Princeton: Princeton University Press, 2007 sowie How Much is Enough? The Love of Money, and the Case for the Good Life. London: Allen Lane, 2012 (mit Robert Skidelsky).

Christopher F. Zurn ist Professor für Philosophie an der University of Massachusetts Boston. Seine Forschung liegt auf den Gebieten der Sozialphilosophie, der Politischen Philosophie, der Kritischen Gesellschaftstheorie und der Rechtsphilosophie. Wichtigste Veröffentlichungen: Deliberative Democracy and the Institutions of Judicial Review Cambridge: Cambridge University Press, 2007 sowie Axel Honneth: A Critical Theory of the Social. Cambridge, Malden/Mass.: Polity Press, 2015.