Die Pflichten des Bieters bei freiwilligen Übernahmeangeboten [1 ed.] 9783428521609, 9783428121601

Am 01.01.2002 trat das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) in Kraft, welches den Ablauf von Unternehmensüberna

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Die Pflichten des Bieters bei freiwilligen Übernahmeangeboten [1 ed.]
 9783428521609, 9783428121601

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 198

Die Pflichten des Bieters bei freiwilligen Übernahmeangeboten

Von Stefanie Maier

Duncker & Humblot · Berlin

STEFANIE MAIER

Die Pflichten des Bieters bei freiwilligen Übernahmeangeboten

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 198

Die Pflichten des Bieters bei freiwilligen Übernahmeangeboten

Von Stefanie Maier

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-12160-0 978-3-428-12160-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Anfang Dezember 2005 berücksichtigt werden. Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Fuchs, für die Anregung zur Thematik und für die Erstellung des Erstgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Malte Schindhelm für die schnelle Fertigung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Werner Ebke für die Ermöglichung eines einjährigen Studienaufenthalts an der Universität Oxford. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich zudem bei Professor Paul Davies und Dr. Alison Young für ihre fachliche Betreuung vor Ort. Mein besonderer Dank gilt meinem Mann, Dr. Frank Schäffler, der mir stets mit viel Geduld und Verständnis zur Seite stand und bei der Durchsicht der Arbeit behilflich war. Ebenso danke ich meiner Mutter und Jochen Schäffler für die orthographische Korrektur der Arbeit sowie Sonja Kurth für ihr Interesse und jederzeitige Diskussionsbereitschaft. Ich widme die Arbeit meinen Eltern, Bernhard und Christel Maier, die meine gesamte wissenschaftliche Ausbildung ermöglichten und mich finanziell sowie persönlich in jeder erdenklichen Weise unterstützten. Ich danke Ihnen für das in mich gesetzte, uneingeschränkte Vertrauen. Stuttgart, Sommer 2006

Stefanie Maier

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung

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A. Neues Übernahmerecht in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Teil Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

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A. Definition des Regelungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Kontrollerwerb im Zielunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Erfordernis einer neutralen Position des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Positive Auswirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Negative Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Empirische Untersuchungen über die Auswirkungen von Übernahmeangeboten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allokative Funktionsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allokative Effizienz des Kapital- und des Unternehmenskontrollmarktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Störung der allokativen Effizienz durch Übernahmeangebote . . . . . . . a) Das Gefangenendilemma der Aktionäre der Zielgesellschaft . . . . . b) Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konzernierung der Zielgesellschaft zum halben Preis . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutionelle Funktionsdefizite des Kapitalmarktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlegervertrauen als institutionelle Funktionsbedingung . . . . . . . . . . . 2. Störung der institutionellen Funktionsfähigkeit durch Übernahmeangebote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gefährdung von Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gefahr für die Arbeitnehmer/Gläubiger der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . V. Gefährdung einer wirtschaftlich gesunden Zielgesellschaft. . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

D. Umsetzung des Regelungsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Drei Säulen von Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Informationspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensrechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichbehandlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abwägung mit Rechten des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Teil Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

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A. Regelungsversuche von Übernahmeangeboten in der Vergangenheit . . . . . . . . I. Selbstregulierung von Übernahmeangeboten in Deutschland . . . . . . . . . . . 1. Die Leitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Übernahmekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung und Inhalte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründe für das Scheitern der freiwilligen Selbstkontrolle . . . . . . . . II. Zivil- und gesellschaftsrechtliche Begründungsansätze von Verhaltenspflichten des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. culpa in contrahendo (§§ 311 II, 280 I, 241 II BGB) und §§ 305 ff. BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vormitgliedschaftliche Treuebindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten gemäß Deliktsrecht . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere spezialgesetzliche Verhaltenspflichten des Bieters . . . . . . . . . . . . .

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B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich und Systematik des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wesentliche Konzepte des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Kontrollbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung mit dem Bieter zusammenwirkender Dritter. . . . . . . a) Gemeinsam handelnde Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufsichtsbehörde und Sanktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgaben der BAFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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4. Teil Das britische Vorbild und die europäische Übernahmerichtlinie

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A. Regelung von Übernahmeangeboten in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der City Code on Takeovers and Mergers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbstregulierung der Londoner City . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Takeover Panel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsziele und Inhalte des City Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) General Principles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rules. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einfluss sonstiger Regelungen auf Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rules Governing Substantial Acquisitions of Shares . . . . . . . . . . . 2. Der Financial Services and Markets Act 2000. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Criminal Justice Act 1993. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Companies Act 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Enterprise Act 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Effektivität des britischen Regelungsmodells – Durchsetzbarkeit der Regelungen des City Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Die Regelung von Übernahmeangeboten auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . I. Entwicklung der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Pennington-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 1989/1990 – Detaillierte Richtlinienvorschläge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Richtlinienvorschlag 1990. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 1996/1997 – Der Vorschlag einer Rahmenrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates vom 19.06.2000 . . . . . . . . . . . 6. Der Richtlinienvorschlag 2002. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Verabschiedung der Richtlinie 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ziele und Inhalte der Übernahmerichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsetzungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Kollisionsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neutralitätspflicht des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Angebotspreis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausschluss- und Andienungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 96 96 97 99 100 101 103 104 104 106 106 107 107 108 108

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Inhaltsverzeichnis 5. Teil Die Bieterpflichten

A. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Angebotsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Informationsgefälle bei Angebotsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mängel der deutschen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strohmanngeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Angaben über die Vermögensverhältnisse des Bieters . . . . . . . . . . . c) Gewinnerwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen bei mangelhafter Angebotsabgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Untersagung des Angebots. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung für die Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aktualisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entscheidungsdruck während des laufenden Annahmeverfahrens . . . . . . . 1. Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informations- und Meldepflichten während der laufenden Annahmefrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Laufende Wasserstandsmeldungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu § 21 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine zwingenden Wasserstandsmeldungen nach dem City Code. d) Europäische Vorgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der deutschen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfahrensrechtliche Pflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitplan des Übernahmeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Festlegung eines gesetzlichen Zeitrahmens für Übernahmeverfahren. a) Beginn des Angebotsverfahrens und Veröffentlichung der Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Festlegung einer Mindest- und Höchstfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verlängerungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Änderung des Angebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Änderung der Angebotsfrist durch den Bieter. . . . . . . . . . . (2) Zweiwöchige Annahmefristverlängerung bei Angebotsänderung gem. § 21 V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkurrierende Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (1) Synchronisierung von Erstangebot und Konkurrenzangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Annahmefrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgestaltung eines Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unverbindliche Angebotsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Probleme bei der Abgabe unverbindlicher Übernahmeangebote . . b) Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot einer invitatio ad offerendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbot des Rücktritts- und Widerrufsvorbehalts . . . . . . . . . . . . cc) Verbot rein subjektiver Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Diskussion einzelner Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vom Bieter ausschließlich selbst herbeigeführter Bedingungseintritt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausschluss des Finanzierungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bedingung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (1) Veröffentlichung der Angebotsabsicht ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Umgehungsmöglichkeit der Bindungswirkung des Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zustimmungsbedingung nur in gesetzlich zwingenden Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bedingung zu unterlassender Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Material-Adverse-Change Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zeitpunkt des Bedingungseintritts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Obligatorische Mindesterwerbsschwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problem der Zulässigkeit unbedingter Übernahmeangebote . . . . . . aa) Wirkungslosigkeit der Zaunkönigregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Annahmefristverlängerung zu Nutzen des Bieters . . . . . . . . . . cc) Fehlende Entscheidungsmacht der Aktionäre bezüglich des Kontrollwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das britische Lösungsmodell: Unzulässigkeit eines Beteiligungserwerbs unterhalb von 50% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Alternative Lösungsversuche für das deutsche Recht . . . . . . . (1) Teleologische Auslegung des § 16 II S. 1 . . . . . . . . . . . . . (2) Obligatorische Mindesterwerbsschwelle von 30% . . . . . . (3) Effektive Kontrollschwelle als obligatorische Mindesterwerbsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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148 151 152 153 153 153 154 154 155 156 157 157 159 160 160 161 162 164 165 166 168 169 169 171 173 174 175 176 176 178 178 179 183

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Inhaltsverzeichnis c) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorteile des britischen Lösungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorteile des hier unterbreiteten Vorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beeinträchtigung der Zielgesellschaft durch unprofessionelle, wiederholte oder missbräuchliche Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersagung von offensichtlich missbräuchlichen Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sperrfrist für die Abgabe eines erneuten Übernahmeangebots . . . . aa) § 26 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik und Verbesserungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erneutes Angebot durch mit dem Bieter zusammenwirkende Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grundsätzliche Sperrfrist bei Scheitern des Übernahmevorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Konsequenzen einer obligatorischen Mindesterwerbsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Konsequenzen sonstiger Scheiterungsgründe . . . . . . . . (3) Sperrfrist bei Absichtsveröffentlichung und unterbliebener Angebotsabgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Ausnahmeregel im Fall des Pflichtangebots . . . . . . . .

C. Gleichbehandlungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraberwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft unter Verheimlichung der Angebotsabsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kaufmotive des Bieters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ungleichbehandlung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Benachteiligung der Aktionäre, die vor Absichtsveröffentlichung veräußerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Benachteiligung der Angebotsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anschleich-Taktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Dawn-raid-Strategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insidergeschäfte, Gerüchte, Spekulationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die deutsche Lösung: Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung der Angebotsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das britische Lösungsmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 186 190 192 192 193 193 193 195 198 199 199 200 200 202 202 203 204 205 207 207 207 207 208 208 209 209 210 211 212 213 213 215

Inhaltsverzeichnis aa) Kontinuierliche Meldepflichten bei Überschreitung bestimmter Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verlangsamung des rapiden Beteiligungsaufbaus . . . . . . . . . . . cc) Pre-bid-announcements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassende Stellungnahme zum britischen Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stärkere Beschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit des Bieters im deutschen Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterschiedliche Reichweite der Beschränkung nach dem WpÜG und dem City Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strikte Gleichbehandlung der Aktionäre als Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die insiderrechtliche Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bedeutung der insiderrechtlichen Wertung . . . . . . . . . (b) Prüfung des Insiderhandelsverbots für den Bieter . . . (2) Zulässigkeit einer abweichenden Wertung des Übernahmerechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Übernahmespezifische Gefahrenlage. . . . . . . . . . . . . . . (b) Schaffung von Investitionsanreizen am Kapitalmarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beseitigung der Gefahr des heimlichen Beteiligungsaufbaus als Rechtfertigungsgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beseitigung von Informationsmissbrauch und Intransparenz als Rechtfertigungsgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzungsprobleme bei § 10 I S. 1 angesichts seiner subjektiven Ausrichtung am Tatbestandsmerkmal der Bieterentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das ursprüngliche Konzept des deutschen Gesetzgebers . . . . bb) Verzögerungsanreize des Bieters bei Entscheidungsveröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verzögerungsmöglichkeiten des Bieters auf Grund des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Entscheidung . . . . . . . . . . . (1) Enge Auslegung des Merkmals der „Entscheidung“ . . . . (2) Leugnen der Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schutzlücken infolge des Konzepts des § 10 I S. 1 . . . . . . . . . c) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Korrekturbedarf des WpÜG – Anregungen durch das britische Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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216 217 219 221 222 223 223 223 225 225 225 227 229 229 231 232 233 234

235 235 236 238 238 239 240 241 242 243

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Inhaltsverzeichnis a) Geeignetheit der deutschen kaptialmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten und der Insiderregeln zur Beseitigung der Schutzlücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 21 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 15 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Veröffentlichungspflicht der Angebotsabsicht gem. § 15 I WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Defizite des § 15 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernahmerechtliche Vorveröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernahmerechtliche Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geheimhaltungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verschärfung der Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verlangsamung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teilangebote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ungleichbehandlung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erhöhter Verkaufsdruck je nach Ausgestaltung des Teilangebots. . . 2. Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Repartierungspflichten bei Erwerbsangeboten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot von Teilangeboten im Rahmen von Übernahmeangeboten. c) Die britische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe für die Zulassung von Teilangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermöglichung wünschenswerter Transaktionen . . . . . . . . . . . . . bb) Aufrechterhaltung von Börsennotierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Adäquater Schutz des verbleibenden Teils durch deutsches Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründe für das Verbot von Teilangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Positive Selektionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz der Autonomie des Kapitalanlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vollumfängliche Partizipation an der Kontrollprämie. . . . . . . . dd) Gleichbehandlung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Diskussion der britischen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unstimmigkeiten im WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung der Vollangebotspflicht auf Aktien . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestimmung der Konditionen des Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefahr – Die Ungleichbehandlung der Angebotsadressaten . . . . . . . . . 2. Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben zur Höhe der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

243 243 245 245 248 250 251 252 254 256 256 257 257 257 258 259 259 259 260 262 262 262 264 264 265 265 266 267 267 268 269 270 270 270 271 272 272 275 275

Inhaltsverzeichnis aa) Mindestpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachbesserungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Parallelerwerbe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nacherwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorgaben zur Art der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit von Tauschangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpflichtung zum Barangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strikte Gleichbehandlungspflicht im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mindestpreisregel beim Pflichtangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überreglementierung bei freiwilligen Angeboten . . . . . . . . . . . cc) Geschwächte Verhandlungsposition der Adressaten eines freiwilligen Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beurteilung der Angemessenheit des Angebotspreises zur freien Disposition der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Individuelle Aktionärsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Konditionendiktat der Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Akzeptables Spekulationsrisiko des Kapitalmarktteilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Entscheidung durch die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Konditionendiktat der Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fragen zum Tauschangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Liquidität der angebotenen Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aktien abhängiger Unternehmen als Gegenleistung . . . . . . . . . c) Verteilung der Kontrollprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deutsche, britische und europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kontrollprämie als Ausdruck einer besonderen ökonomischen Mehrleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anteiliges Anrecht aller Aktionäre am Kontrollbonus. . . . . . . dd) Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kontrollmacht kein isolierter Vermögenswert der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Missbrauch der Kontrollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kompensation der Nachteile der außenstehenden Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Prämienteilhabe als Mittel des präventiven Konzernschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 275 277 277 278 279 279 280 281 281 281 282 284 285 285 286 286 288 289 289 291 291 294 295 295 297 299 299 300 302 303 303 304 305 306

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Inhaltsverzeichnis (2) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ausreichender Schutz vor Missbrauch durch die Vollangebotspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Prämienpartizipation aller Aktionäre als maßgebliches Hindernis für Unternehmensübernahmen . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Vorschlag einer Preisregel im WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307 307 308 311 312

6. Teil Ergebnisse

314

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABlEG AC AcP a. E. AER a. F. AG AGBG AktG AllER Anh. Anm. AT Aufl. AVO BAFin BB BCLC Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ BKR BörsG BR-Drs. BT BT-Drs. cic City Code ColumLRev CompAct 1985

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis am Ende American Economic Review alte Fassung – Aktiengesellschaft – Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktiengesetz All England Law Reports Anhang Anmerkung Allgemeiner Teil Auflage Angebotsverordnung Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Der Betriebsberater Butterworths Company Law Cases Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Börsengesetz Bundesratsdrucksache Besonderer Teil Bundestagsdrucksache culpa in contrahendo The City Code on Takeovers and Mergers Columbia Law Review Companies Act 1985

18 CompLaw DAV DB ders. dies. DiskE DStR DTI DZWir ebd. EG EG-Komm. EGV Einl. EU EuGH EuZW EWGV EWS f. FAZ FB ff. FKVO FMFG FN FS FSA FSA 1986 FSMA 2000 gem. GmbH GmbHR GWB HarvLRev HGB h. M. Hrsg. ICLQ JBL JBus JCompCorpL

Abkürzungsverzeichnis Company Lawyer Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb derselbe dieselbe Diskussionsentwurf Deutsches Steuerrecht Department of Trade and Industry Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ebenda Europäische Gemeinschaft Kommission der Europäischen Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Der Finanzbetrieb fortfolgende Fusionskontrollverordnung Finanzmarktförderungsgesetz Fußnote Festschrift Financial Services Authority Financial Services Act 1986 Financial Services and Markets Act 2000 gemäß Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH Rundschau Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Harvard Law Review Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber The International and Comparative Law Quaterly Journal of Business Law Journal of Business Journal of Comparative Corporate Law and Securities Regulation

Abkürzungsverzeichnis JEconPersp JFinEcon JuS JZ KB KGaA KK KOM L.J. LQR MK MLR m. w. N. n. F. NJW NZA NZG ÖÜbG PL plc QB RefE RegE RIW RL RN s S.

Journal of Economic Perspectives Journal of Financial Economics Juristische Schulung Juristenzeitung Law Reports King’s Bench Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar Kommission Lord Justice Law Quaterly Review Münchner Kommentar Modern Law Review mit weiteren Nachweise neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht österreichisches Übernahmegesetz Public Law public limited company Law Reports Queen’s Bench Referentenentwurf Regierungsentwurf Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer section – Satz – Seite SAG Schweizer Aktiengesellschaft SARs Rules Governing Substanial Acquisitions of Shares SIB Securities and Investment Board SRO Self-Regulatory Organisation ss sections SZ Süddeutsche Zeitung TexLRev Texas Law Review UmwG Umwandlungsgesetz Univ of ChiLRev University of Chicago Law Review VerkProspG Verkaufsprospektgesetz VerkProspVO Verkaufsprospektverordnung VO Verordnung Vorb. Vorbemerkungen

19

20 wbl WLR WM WPg WpHG WpÜG WuR YaleLJ ZBB zfbf ZGR ZHR ZIP ZRP

Abkürzungsverzeichnis wirtschaftsrechtliche Blätter Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wirtschaft und Recht Yale Law Journal Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

1. Teil

Einführung A. Neues Übernahmerecht in Deutschland und Europa Kaum ein Rechtsgebiet hat in den letzten Jahren so weitreichende und viel diskutierte Neuerungen erfahren wie das Recht der Unternehmensübernahmen. Besonders brisant ist, dass sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene erstmals ein verbindliches Regelwerk erstellt wurde. Am 01.01.2002 trat das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz in Kraft. Sein Ziel ist es, die immer häufiger auftretenden Übernahmeangebote am deutschen Kapitalmarkt endlich auf eine verbindliche Rechtsgrundlage zu stellen. Der Werdegang des WpÜG wurde von den beinah endlos erscheinenden Diskussionen um die europäische Übernahmerichtlinie begleitet. Am 30.03.2003 konnte der Ministerrat diese nach knapp dreißigjährigem Ringen verabschieden. Dieses dringende Bedürfnis nach rechtlichen Regelungen spiegelt die stetig zunehmende Bedeutung von Übernahmeangeboten wider. Noch vor Jahren war das Phänomen der Übernahmeangebote allein von den Märkten angloamerikanischer Rechtsordnungen bekannt. Der deutsche Kapitalmarkt bot aufgrund seiner starren Beteiligungsstrukturen, dem ausgeprägten Paketbesitz, den dominierenden Depotstimmrechten der Banken und der Existenz eines Aufsichtsrats ein eher übernahmefeindliches Umfeld. Angesichts der wachsenden Globalisierung und zunehmenden Deregulierung der Märkte, der Entstehung eines europäischen Binnenmarktes mit freiem Kapitalverkehr und dem verstärkten Engagement privater Haushalte am Kapitalmarkt kann seit Mitte der neunziger Jahre aber die Zunahme von Übernahmeangeboten auch am deutschen Kapitalmarkt beobachtet werden1. Aufmerksamkeit erzielten erstmals die Übernahmepläne der Flick-Neffen im Bezug auf die Feldmühle Nobel AG2. Erfolgreich waren beispielsweise die Übernahmen von Rheinstahl durch Thyssen, von Audi/NSU durch VW oder von 1

Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27. „Flick-Neffen wollen Feldmühle-Mehrheit erwerben“, Süddeutsche Zeitung vom 13.6.1988. 2

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1. Teil: Einführung

Thyssen durch Krupp-Hoesch3. Grenzüberschreitende Übernahmeversuche wie von Nestlé für den britischen Süßwarenhersteller Rowentree4, der italienischen Pirelli-Gruppe für die Continental AG5, Siemens für Plessey und schließlich 1998 Daimler-Benz für Chrysler waren am deutschen Kapitalmarkt nicht länger eine Seltenheit. Besonders markant wurde das Fehlen einer verbindlichen Regelung von Übernahmeverfahren im deutschen Recht, als die medienwirksame Übernahmeschlacht zwischen der Mannesmann AG und der vodafone airtouch plc im Jahre 1999 losbrach6. Diese löste in der Öffentlichkeit eine Diskussion um die faire Behandlung der Mannesmann-Aktionäre im Besonderen und der Investoren am Kapitalmarkt im Allgemeinen aus. Dieser Übernahmekampf war der letzte, notwendige Anstoß, den die Bundesregierung benötigte, um endlich ein verbindliches Übernahmegesetz zu entwerfen. Auf europäischer Ebene war man sich des Bedürfnisses nach einer Harmonisierung der Übernahmebedingungen in der Europäischen Union schon seit den siebziger Jahren bewusst, als erste Entwürfe einer europäischen Richtlinie entstanden. Die Übernahmerichtlinie ist nur ein weiterer Bestandteil beim Versuch, das europäische Gesellschaftsrecht insgesamt zu vereinheitlichen. Unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Strukturen im jeweiligen nationalen Recht, widerstreitende politische Interessen und die Angst, Unternehmen im eigenen Land dem Diktat eines ausländischen Großaktionärs unterwerfen zu müssen, waren aber viele Jahre lang die Ursache für das wiederholte Scheitern diverser Regelungsversuche auf europäischer Ebene. Für die hier erfolgende rechtliche Betrachtung des deutschen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) ist wesentlich, dass der britische City Code on Takeovers and Mergers für dieses wie auch für die europäische Übernahmerichtlinie und für zahlreiche andere kontinentaleuropäische Gesetzgeber eine maßgebliche Vorbildfunktion einnahm. Der Code verkörpert die älteste Übernahmeregelung Europas. Er trat Ende der sechziger Jahre in Kraft, um den am britischen Kapitalmarkt bereits zu dieser Zeit immer häufiger auftretenden Übernahmeangeboten eine rechtliche Basis zu 3

Körner, DB 2001, 367; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 3. 4 „Eine Kampagne gegen die Übernahme von Rowentree“, FAZ vom 11.05.1988, S. 17. 5 „Conti kämpft weiter gegen eine Übernahme von Pirelli“, FAZ 05.11.1990, S. 19. 6 „Ein Jahrzehnt deutscher Versäumnisse macht den Angriff auf Mannesmann erst möglich – Vodafone nutzt Lücke in deutschen Übernahmeregeln“, Handelsblatt vom 24.11.1999, S. 2; „Die Übernahme im Rückblick“, Süddeutsche Zeitung vom 06.06.2000, S. 26; „Die Deutschland-AG bröckelt“, Süddeutsche Zeitung vom 14.11.2000, S. 23.

B. Ziel der Arbeit

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verleihen. Heute gilt er als eine vorbildliche, verlässliche und über die Jahre bewährte Regelung für Übernahmeverfahren, welche die Interessen aller Beteiligten in einen fairen Ausgleich zu bringen vermag. Ziel aller drei Regelungswerke, des deutschen WpÜG, des britischen City Codes und der europäischen Übernahmerichtlinie ist die Bereitstellung eines fairen Verfahrens für die Durchführung von Übernahmeangeboten, welches die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich bringt. Ein Regelungsschwerpunkt liegt hierbei jeweils auf der Normierung von Verhaltenspflichten des Bieters im Übernahmeverfahren. Der Bieter ist der Initiator des Verfahrens und schafft damit zugleich Chancen und Risiken für die übrigen Beteiligten und den Kapitalmarkt. Der Bieter trifft die Entscheidung, ein anderes Unternehmen zum Ziel seiner Übernahmeambitionen zu erklären, wählt den passenden Zeitpunkt und gestaltet die Konditionen des Übernahmeangebots sowie dessen Durchführung. Ein Großteil des Regelungsbedarfs im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten resultiert aus den Gefährdungen, die das Verhalten des Bieters mit sich bringt. Aus diesem Grund greifen die übernahmerechtlichen Regelungen an diesem Punkt ein und reglementieren insbesondere das Verhalten des Bieters bei Übernahmeangeboten, indem sie umfangreiche Verhaltenspflichten für die jeweiligen Stadien des Übernahmeverfahrens aufstellen.

B. Ziel der Arbeit Ziel der Arbeit ist zu überprüfen, ob dem deutschen Gesetzgeber mit dem WpÜG eine angemessene Regelung von Übernahmeverfahren gelungen ist. Es wird der Frage nachgegangen, ob das WpÜG die Verhaltenspflichten des Bieters so ausgestaltet, dass die von der Person des Bieters ausgehenden typischen Gefahren im Übernahmeverfahren weitestgehend beseitigt werden, ohne aber der deutschen Volkswirtschaft die mit Übernahmeangeboten verbundenen Chancen gänzlich vorzuenthalten. Diese beiden Anforderungen stehen typischerweise in einem Spannungsverhältnis. Im Zuge der Analyse der Bieterpflichten werden Regelungsalternativen vorgestellt und Verbesserungsvorschläge aufgezeigt, wie ein noch effizienterer Regelungsrahmen gestaltet werden könnte. Hierfür werden insbesondere die existierenden Regelungen im britischen Recht vergleichend herangezogen und als Anregung für mögliche Veränderungsvorschläge benutzt. Im Ergebnis soll ein Katalog von Bieterpflichten bereitgestellt werden, der ein wohl organisiertes Übernahmeverfahren gewährleistet und dem es im Zusammenspiel mit anderen kapitalmarktrechtlichen Verhaltensvorschriften gelingt, die Interessen der Beteiligten zu schützen und zugleich die von Übernahmeangeboten ausgehenden positiven Impulse für die Volkswirt-

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1. Teil: Einführung

schaft weitestgehend zu nutzen. Auf diese Weise erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit der augenblicklichen Rechtslage, das heißt mit den Verhaltenspflichten des Bieters nach dem WpÜG.

C. Gang der Untersuchung Zu Beginn wird der Regulierungsbedarf von Übernahmeangeboten analysiert. Dieser Teil der Arbeit untersucht die Gefahren, die von einem Bieter bei der Durchführung eines Übernahmeangebots für die Beteiligten entstehen und ob der Marktmechanismus selbständig in der Lage ist, ein faires und geordnetes Übernahmeverfahren sicher zu stellen. Es werden Funktionsdefizite des Marktes herausgearbeitet, um den genauen Regelungsbedarf zu ergründen. Im Anschluss wird in genereller Form aufgezeigt, wie der Regelungsbedarf umzusetzen ist und dass sich die Bieterpflichten drei wesentlichen Pflichtensäulen zuordnen lassen. Bevor eine eingehende Analyse der einzelnen Bieterpflichten erfolgt, gibt der dritte Teil einen kurzen Überblick über die Regelungsversuche von Übernahmeangeboten in der Vergangenheit. Angesprochen werden die Leitsätze und der Übernahmekodex. Die Gründe für ein Scheitern des Systems der freiwilligen Selbstkontrolle in Deutschland werden erörtert. Zudem werden die zivil- und gesellschaftsrechtlichen Begründungsversuche von Bieterpflichten hinterfragt. Diese sind auch heute noch von Bedeutung, weil sie mögliche Lücken im Anwendungsbereich des WpÜG schließen können. Schließlich wird das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz mit seinen wesentlichen Konzepten, den Allgemeinen Grundsätzen und der Aufsichtsbehörde vorgestellt. Im vierten Teil werden die beiden Regelungswerke eingeführt, die im Wesentlichen bei der Analyse der einzelnen Bieterpflichten des WpÜG herangezogen werden. Zum einen hatte der britische City Code on Takeovers and Mergers eine wesentliche Vorbildfunktion für die Väter des WpÜG aber auch für den europäischen Gesetzgeber. In Großbritannien existiert bis heute ein erfolgreiches System der freiwilligen Selbstkontrolle unter Leitung des Takeover Panel. Für die Beurteilung des britischen Übernahmerechts spielen auch sonstige kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Regeln eine Rolle, die an dieser Stelle skizziert werden. Schließlich erfolgt eine Einführung in die europäische Rechtslage mit einem kurzen historischen Rückblick über den langen Werdegang der Übernahmerichtlinie und einer Darstellung ihrer wesentlichen Ziele und Inhalte Das Kernstück dieser Arbeit bildet der fünfte Teil, welcher die einzelnen Bieterpflichten des WpÜG analysiert. Er prüft, ob diese jeweils wirksam

C. Gang der Untersuchung

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die Gefahren beseitigen können, die bei Übernahmeangeboten durch das Verhalten des Bieters verursacht werden. Hierfür werden einzelne, typische Gefahrenlagen herausgegriffen und erörtert. Daraufhin werden rechtliche Lösungsmöglichkeiten zur Beseitigung dieser Gefahren dargestellt, wobei auf die existenten Regelungen des deutschen, britischen und europäischen Rechts Bezug genommen wird und bei Bedarf auch andere Alternativlösungen aufgezeigt werden. Die verschiedenen Lösungsmodelle werden abgewogen und deren Stärken und Schwächen herausgearbeitet. Die Verhaltenspflichten des Bieters von WpÜG und City Code werden so einem funktionalen Rechtsvergleich unterzogen. Das deutsche Recht wird dahingehend kritisch überprüft, ob eine Anlehnung an das britische Vorbild zweckmäßig bzw. ein Abweichen von demselben begründet ist. Berücksichtigt werden schließlich die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers. Es wird hinterfragt ob diese immer interessengerecht sind und ob der deutsche Gesetzgeber sie angemessen berücksichtigt hat. Für die Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Bieterpflichten des WpÜG bietet sich eine vergleichende Gesamtschau der drei Regelungsgeber Deutschland, Großbritannien und Europa in besonderem Maße an. Das WpÜG entstand in gezielter Auseinandersetzung mit den britischen und europäischen Regeln. Eine isolierte Betrachtung seiner Rechtssätze würde zu kurz greifen. Für ein verbessertes Verständnis und eine angemessene Kommentierung muss auf die einflussnehmenden Quellen zurückgegriffen werden. Bei der Zweckmäßigkeitsanalyse der Bieterpflichten des deutschen Übernahmerechts wird deren europäische Dimension des WpÜG daher besonders beachtet.

2. Teil

Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten A. Definition des Regelungsgegenstands I. Das Übernahmeangebot Ein Übernahmeangebot ist ein an die Öffentlichkeit gerichtetes Erwerbsangebot für die Aktien eines Unternehmens (Zielgesellschaft) mit dem Ziel, einen Stimmrechtsanteil zu erreichen, der seinem Inhaber die Kontrollmacht in der Zielgesellschaft vermittelt7. Dieses kann sich auf einen Teil oder auf sämtliche Wertpapiere der Gesellschaft erstrecken (Voll- oder Teilangebot) und kann als Gegenleistung Barzahlung oder Wertpapiere des Bieters oder eines anderen Unternehmens vorsehen (Bar- oder Tauschangebot). Übernahmeangebote sind neben dem Paketkauf und dem sukzessiven Anteilskauf an der Börse eine Technik der Unternehmensakquisition durch Kontrolltransaktion8. Die Abgabe eines Übernahmeangebots ist dann vorzugswürdig, wenn sich die Aktien des Zielunternehmens überwiegend im Streubesitz befinden und der Bieter diese mit Hilfe des öffentlichen Angebots in seiner Hand bündeln will9. Im Vergleich zu Transaktionsformen wie Verschmelzung oder Unternehmensverträgen bietet ein Übernahmeangebot den Vorteil, dass der Kontrollerwerb ohne Mitwirkung der Verwaltung des Zielunternehmens oder sogar gegen deren Willen vollzogen werden kann10. Ist das Übernahmeangebot 7 Kübler, Gesellschaftsrecht, 1999, S. 403; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 26; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 8; Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 23; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 22; Basaluda in Assmann u. a. Übernahmeangebote, 1990, S. 157, 159; Behrens, ZGR 1975, 433, 437; Bozenhardt, Freiwillige Übernahmeangebote, 1990, S. 10; Hauschka/Roth, AG 1988, 181, 182; Berger, ZIP 1991, 1644, 1645; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 64; Witt, Übernahme, 1998, S. 22 ff. 8 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 12; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 26; Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 23; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 18 f. 9 Basaluda in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 157, 163; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 22; Immenga, SAG 1975, 890, 90. 10 Immenga, SAG 1975, 89, 90.; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a. Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 11.

A. Definition des Regelungsgegenstands

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nicht mit der Unternehmensleitung des Zielunternehmens abgesprochen bzw. wird es von dieser missbilligt, so wird es als feindliches Übernahmeangebot bezeichnet11. Erfolgt es dagegen in Abstimmung mit der Verwaltung der Zielgesellschaft, so gilt das Übernahmeangebot als freundlich12. Von einem Übernahmeangebot, das ohne Bestehen einer diesbezüglichen Rechtspflicht zum Zwecke des Kontrollerwerbs abgegeben wird, ist das Pflichtangebot zu unterscheiden. Auch dieses ist ein öffentliches, an die Aktionäre der Zielgesellschaft gerichtetes Angebot zum Erwerb ihrer Beteiligungspapiere. Daher stellt es teilweise dieselben Anforderungen an die Rechtsregeln wie auch das freiwillige Übernahmeangebot. Allerdings beabsichtigt der Bieter mit einem Pflichtangebot gerade nicht den Kontrollerwerb. Vielmehr hat er diesen bereits mittels privater Transaktion vollzogen und wird auf Grund des Kontrollerwerbs zur Abgabe eines öffentlichen Angebots an alle Wertpapierinhaber im Zielunternehmen verpflichtet. Eine Vielzahl von internationalen Rechtsordnungen hat das Pflichtangebot als Mittel des Anleger- und Minderheitenschutzes in das Übernahmerecht inkorporiert13. Im Folgenden werden die Bieterpflichten bei freiwilligen Übernahmeangeboten analysiert. Das Pflichtangebot ist zwar nicht unmittelbar Gegenstand der Untersuchung; jedoch berühren sich die Regelungsbereiche beider Angebotsformen, da Übernahmeangebote ein Mittel zum Kontrollerwerb darstellen, welcher seinerseits gerade Auslöser der Angebotspflicht ist. Das Verhältnis beider muss geklärt und das funktionsfähige Zusammenspiel beider Regelungskomplexe sichergestellt werden. Das Pflichtangebot wird in die nachstehenden Überlegungen zu den Bieterpflichten daher immer wieder einbezogen.

II. Der Kontrollerwerb im Zielunternehmen Der Kontrollerwerb ist der zentrale Begriff eines jeden Übernahmerechts. Er dient zur Definition des freiwilligen Übernahmeangebots, das auf den Kontrollerwerb abzielt und ist zugleich Tatbestandsvoraussetzung des Pflichtangebots, welches durch den Kontrollerwerb ausgelöst wird. Kontrolle ist die Bezeichnung derjenigen Position im Unternehmen, welche es einem Gesellschafter ermöglicht, die Lenkung der Unternehmens11 Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 20 ff.; Assmann/ Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 8. 12 Siehe zur Unterscheidung von freundlicher und feindlicher Übernahme Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 1. 13 Siehe für einen vergleichenden Überblick Wymeersch, ZGR 2002, 520.

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

politik zu übernehmen14. Unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen von einem Mehrheitsgesellschafter kontrolliert wird, lässt sich nicht leicht bestimmen. Zu unterscheiden sind absolute und effektive Kontrollmacht. Während die absolute Kontrollstellung leicht als das Halten von mehr als 50% der Stimmrechtsanteile definiert werden kann, bereitet die Bestimmung der effektiven Kontrollschwelle Schwierigkeiten. Offensichtlich ist, dass ein Gesellschafter nicht der absoluten Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung bedarf, um auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Die effektive Kontrollerlangung ist vielmehr abhängig von den individuellen Binnenverhältnissen jedes Unternehmens im Einzelfall. Maßgeblich ist zum Beispiel, welcher Stimmrechtsanteil bei der Hauptversammlung regelmäßig vertreten ist15. Relevant ist auch die Anlegerstruktur im betreffenden Unternehmen. So hängt das Maß des Einflusses davon ab, ob es einen oder mehrere weitere Großaktionäre in der Gesellschaft gibt, die entweder über ein größeres Aktienpaket verfügen oder auf Grund ihrer Zusammenarbeit den Mehrheitsgesellschafter überstimmen könnten. Die Einflussnahme eines Paketbesitzers ist umso größer, je weiter das restliche Aktienkapital unter den Mitaktionären gestreut ist. Die effektive Kontrollschwelle in einem Unternehmen kann daher weder exakt noch verlässlich bestimmt werden. Die Ungewissheit über die Schwelle des Kontrollübergangs stellt den Regelungsgeber von Übernahmeangeboten vor Schwierigkeiten. Will er für Übernahme- und Pflichtangebote Regelungen aufstellen, ist eine Definition desselben, und damit der Kontrollstellung selbst, unumgänglich. Insbesondere im Bereich des Pflichtangebots muss der Kontrolltatbestand rechtlich greifbar sein, da dieser gerade Tatbestandsmerkmal für die Angebotspflicht ist. Die Kapitalmarktteilnehmer benötigen Gewissheit, ab welcher Beteiligungsquote eine sie erheblich belastende Angebotspflicht entsteht. Angesichts der geschilderten Schwierigkeiten bei der Bestimmung der individuellen, effektiven Kontrollschwelle eines Unternehmens haben sich zahlreiche Regelungsgeber für die Normierung eines fixen (effektiven) Kontrolltatbestandes in ihrem Übernahmerecht entschieden16. So normiert beispielsweise das deutsche Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz die 14 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 20; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 19. 15 Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 20. 16 Vgl. Wymeersch, ZGR 2002, 520, 528 ff.; es gibt jedoch auch Rechtsordnungen, die noch einen flexiblen Kontrollbegriff verfolgen. Beispielsweise legt das ÖÜbG keine unwiderlegliche Kontrollvermutung fest, sondern definiert den Begriff der „kontrollierenden Beteiligung“ in § 22 V ÖÜbG und in der zugehörigen Rechtsverordnung §§ 1–8. Allerdings enthält § 2 RVO einen widerleglichen Vermutungstatbestand der kontrollierenden Beteiligung bei 30% der Stimmrechte. Auch der

B. Erfordernis einer neutralen Position des Gesetzgebers

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unwiderlegliche Vermutung, dass ein Besitz von 30% der Stimmrechtsanteile die Kontrolle im Zielunternehmen vermittelt17. Die 30%-Schwelle wird durch den Verweis auf vergleichbare Regelungen in anderen europäischen Staaten18 und durch die regelmäßigen Präsenzen in den Hauptversammlungen börsennotierter deutscher Unternehmen begründet19. Diese festen Schwellen liefern jedoch nur Anhaltspunkte und können für einen Großteil der Fälle zutreffend den Übergang der effektiven Kontrolle markieren. Garanten für den effektiven Kontrollübergang sind sie jedoch nicht. Die genaue Schwelle, bei deren Erreichen die effektive Kontrolle übergeht, kann nur durch aufwändige Einzelbetrachtung, und selbst dann nicht exakt, ermittelt werden.

B. Erfordernis einer neutralen Position des Gesetzgebers Ein Gesetzgeber kann durch die Ausgestaltung seiner Regelungen Einfluss auf die betreffenden Marktvorgänge nehmen. Die rechtspolitische Entscheidung, wie die Regelung von Übernahmeverfahren auszugestalten ist, hängt davon ab, welche Auswirkungen Übernahmeangebote für die Gesamtwirtschaft haben. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für eine neutrale Position entschieden, indem er die Abgabe von Übernahmeangeboten weder fördert noch verhindert. Übernahmeangebote können nämlich sowohl positive als auch negative Effekte mit sich bringen. Abhängig ist dies insbesondere von den Motiven des Bieters bei der Angebotsabgabe20:

Übernahmekodex, der im deutschen Recht durch das WpÜG abgelöst wurde, enthielt noch einen flexiblen Kontrollbegriff. 17 § 29 II WpÜG; siehe dazu Harbarth, ZIP 2002, 321, 322 ff.; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2001, 724, 768, 772; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 563 f. 18 Großbritannien, Italien und Österreich normieren die Kontrollvermutung ebenfalls bei 30%; auf ein Drittel der Stimmrechte stellen Frankreich und die Schweiz ab. 19 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 53; siehe dazu Untersuchung der Hauptversammlungspräsenzen der DAX-Werte von 1995–1997 bei Benner-Heinacher, DB 1997, 2521 f.; Nachweise auch bei Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 20 FN 6. 20 Siehe für einen Überblick der verschiedenen Motive Romano in Hopt/Wymeersch, European Takeovers, 1992, S. 7; Mertens, AG 1990, 252; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 151 ff.

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

I. Positive Auswirkungen In der US-amerikanischen Literatur wurde das Modell des Marktes für Unternehmenskontrolle entwickelt21 und teilweise auch in der deutschen Literatur anerkannt22. Die Vorstellung geht dahin, dass die Leitung eines Unternehmens als eigenständiges wirtschaftliches Gut auf einem selbständigen Markt gehandelt werde23. Derjenige, der meint, diese Ressource „Unternehmensleitung“ effizienter nutzen zu können als die gegenwärtige Verwaltung, sei bereit, hierfür einen höheren Preis zu bezahlen. Verwirklichen kann er seine Ambitionen, indem er ein öffentliches Übernahmeangebot abgibt, in welchem er einen den aktuellen Börsenkurs übersteigenden Übernahmepreis bietet. Das Modell des Marktes für Unternehmenskontrolle baut auf der Lehre der Kapitalmarkteffizienz24 auf25. Der Börsenkurs gebe danach alle notwendigen Informationen über das betroffene Unternehmen wieder und inkorporiere diese unverzüglich in den Preis. Der Preis am Kapitalmarkt spiegle folglich den Wert des Unternehmens unter der bisherigen Leitung und damit den Grad der Effizienz der Ressourcenallokation wider26. Ein niedriger Börsenkurs drücke folglich die ineffiziente Unternehmensleitung durch das gegenwärtige Management aus. Ein Anreiz zur Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots liegt daher in der Hoffnung, ein ineffizientes Management abzulösen und unter eigener Führung den Wert des Unternehmens zu erhöhen27. Hiervon profitieren sowohl der Bieter bzw. die Bietergesellschaft als auch die akzeptierenden Aktionäre der Zielgesellschaft, denen eine lukrative Übernahmeprämie geboten wird. Der Anlagewert wird für die verbleibenden Zielgesellschafts- und Bieteraktionäre gesteigert. Das Insolvenzrisiko kann verringert und Arbeitsplätze gesichert werden. 21 Begründet wurde dieses von Manne (1965) 73 JPolEcon 110; im Anschluss Fischel (1978) 57 TexLRev 1; Easterbrook/Fischel (1981) 94 HarvLRev 1161; dies. (1982) 91 YaleLJ 698. 22 Adams, AG 1990, 63 f.; ders., AG 1989, 333; Hahn, ZBB 1990, 10. 23 Manne (1965) 79 JPolEcon 110, 112. 24 Die sogenannte ECMH „Efficient Capital Market Hypothesis“ stammt ebenfalls aus der US-amerikanischen Ökonomie. Siehe für eine Einführung Haugen, Introductory Investment Theory, S. 447 ff.; Easterbrook/Fischel (1981) 94 HarvLRev 1161, 1165 ff. 25 Vgl. Easterbrook/Fischel (1982) 91 YaleLJ 698, 715; Manne, 73 JPolEcon 110, 112 FN 10 (1965); Fischel (1978) 57 TexLRev 1, 2 ff. 26 Easterbrook/Fischel (1981) 94 HarvLRev 1161, 1165. 27 Manne (1965) 73 JPolEcon 110, 112 f.; Fischel (1978) 57 TexLRev 1, 5 f.; Easterbrook/Fischel (1991) 94 HarvLRev 1161, 1169 ff.; dies. (1982) 91 YaleLJ 698, 705.

B. Erfordernis einer neutralen Position des Gesetzgebers

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Derartig motivierte Übernahmeangebote bewirken jedoch nicht bloß eine Ablösung eines ineffizient wirtschaftenden Managements quasi als Konsequenz schlechter Unternehmensführung. Allein die Tatsache, dass die Gefahr eines solchen Angebots besteht, trägt dazu bei, das tätige Management zu disziplinieren, und leistet somit einen Beitrag zur corporate governance. Folge eines erfolgreichen Übernahmeangebots, vor allem eines feindlichen, ist nämlich in der Regel die Absetzung der alten Führung. Diese drohende Gefahr des Arbeitsplatzverlustes ist Anreiz genug für die amtierende Unternehmensleitung, das Unternehmen möglichst effizient zu führen. Dies drückt sich in einem hohen Börsenkurs aus und vermindert somit das Risiko eines Übernahmeangebots. Die Disziplinierung des Managements ist ein positiver Effekt von Übernahmeangeboten. Ein weiterer, häufig angeführter Begründungsversuch für Übernahmeangebote ist die Erzielung von Synergieeffekten durch Zusammenführung der Ressourcenpools der bisher voneinander unabhängig betriebenen Unternehmen28. Der Wert des neuen Unternehmensgebildes soll die Summe seiner Einzelteile übersteigen. Erzielt werden soll der „2 + 2 = 5-Effekt“. Kosten können im Forschungs- und Entwicklungsbereich, im Vertrieb und in der Produktion gespart werden. Damit steigt die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, die Wettbewerbsfähigkeit und -intensität auf den betroffenen Märkten und den Wert der Anteile sowohl des Bieter- als auch des Zielunternehmens. Zwar besteht die Gefahr, dass bei solchen Vorgängen Arbeitsplätze verloren gehen. Andererseits steigt die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, dessen Investitionsfähigkeit und Expansionsmöglichkeit. Expandiert das Unternehmen in Folge steigender Gewinne, können wiederum neue Arbeitsplätze entstehen29. Das Übernahmemotiv, Synergieeffekte erzielen zu wollen, wird daher gesamtwirtschaftlich ebenfalls als positiv beurteilt30. Bezweckt wird mit Übernahmeangeboten auch oftmals, die Präsenz eines Unternehmens auf andere erfolgsversprechende Märkte auszuweiten31. 28

Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 25; Caytas/Mahani, Investment Banking, 1988, S. 34; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 168; Romano in Hopt/Wymeersch, European Takeovers, 1992, S. 7; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 99; Peltzer, ZIP 1989, 69, 71; Hahn, ZBB 1990, 10, 11; Bradley (1980) 53 JBus, 345, 347. 29 Siehe zur Frage, ob der Erhalt von Arbeitsplätzen Aufgabe des Übernahmerechts sein kann unten S. 47. 30 Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 26 f.; Romano in Hopt/Wymeersch, European Takeovers, 1992, S. 7 f.; Mühle, Das WpÜG; 2002, S. 88. 31 Romano in Hopt/Wymeersch, European Takeovers, 1992, S. 22 f.; Immenga/ Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 25; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 180.

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

Wenn marktstrategische Überlegungen in einem bestimmten Industriesektor eine günstige Entwicklung versprechen, so könnte ein bestehender Konzern durch einen geeigneten Hinzuerwerb abgerundet und neue Märkte erschlossen werden. Diese Übernahmen werden auch getätigt, um das konzerneigene Tätigkeitsfeld zu erweitern. Zweck muss dabei nicht ausschließlich eine Gewinnsteigerung auf neuen Märkten sein, sondern es kann auch die Risikostreuung und Verminderung des Konkursrisikos beabsichtigt werden32. Auf diese Weise bleiben bestehende Arbeitsplätze erhalten, Gläubiger und Kredit werden abgesichert etc. Auch diese Antriebe können gesamtwirtschaftlich daher nicht als negativ bewertet werden33.

II. Negative Auswirkungen Ein in der Literatur auch häufig zitiertes Motiv für Übernahmeangebote ist der Anreiz zur Externalisierung von Kosten34. Kostenexternalisierung bedeutet, dass der Kontrollierende externe Kosten auf das Zielunternehmen, seine Anleger oder Dritte abwälzt und dadurch seinen persönlichen Gewinn vergrößert35. Der Kontrollaktionär verfolgt allein seine individuelle, vom Anlegerverbund abweichende Nutzenmaximierung und beutet auf diese Weise die Minderheitsaktionäre aus36. Er kann das Unternehmen in der Form lenken, dass bestimmte Gewinne allein bei ihm anfallen, die hierfür aufzubringenden Kosten jedoch von der Gesamtheit der Aktionäre des übernommen Unternehmens zu tragen sind. Schwer nachweisbar und kaum sanktionierbar ist dabei die sanfte Ausbeutung bei Konzernsachverhalten, die in Gestalt von Konzernverrechnungspreisen, fiktiven Beratungsverträgen, Lizenzgebühren und Absaugen von Gewinnchancen auftritt37. 32

Dies wird auch als Diversifikation oder finanzielle Synergieeffekt bezeichnet. Caytas/Mahari, Investment Banking, S. 35 führen an, die auftretenden Koordinationsprobleme von beziehungslosen Konzernbausteinen würden die Vorteile der Diversifikation aufwiegen. Krause, Das obligatorische Übernahmeangebote, 1996, S. 102 beschreibt das Scheitern solcher amerikanischen Konglomerate und das Abstoßen von entlegenen Unternehmensteilen. 34 Hirte, KK-WpÜG; 2003, Einleitung, Rn. 20; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 197 ff.; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 105 ff.; Houben, WM 2000, 1873, 1874; Mühle, Das WpÜG; 2002, S. 73 ff.; für den Kontrollwechsel generell Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 27 ff. 35 Grundlegend Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 188 f.; ders. in Jahrbuch, 1990, S. 11, 20 f.; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 28 f. 36 Siehe zu diesem Motiv Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 197; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 105; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangbote, 1990, S. 75. 37 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 20 f. 33

B. Erfordernis einer neutralen Position des Gesetzgebers

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Externalisieren kann der Bieter Kosten aber auch, indem er die Akkumulierung und spätere Ausnutzung von Marktmacht verfolgt38. Die Beseitigung des Wettbewerbs dient dazu, den Markt zu monopolisieren bzw. die bestehende Marktmacht zu vergrößern, um durch Qualitätsverschlechterung, Preiserhöhung oder Verlangsamung des technischen Fortschritts die persönlichen Gewinne zu maximieren39 Die Kosten des Kontrollerwerbs werden so auf Verbraucher und Wettbewerber verlagert40. Eine weitere Möglichkeit zur Externalisierung von Kosten ist das vom Management der Bietergesellschaft angestrebte ineffiziente Größenwachstum (so genannte empire-building-Theorie41). Bei Unternehmensakquisitionen muss Größenwachstum nicht denknotwendig zu größerer wirtschaftlicher Rentabilität führen. Jedoch könnte die individuelle Nutzenmaximierung des Managements bei Vergrößerung des Unternehmens gesichert sein. Es steigt das Vorstandsgehalt, das „psychischen Einkommen“42, die Macht und Einflussnahme der Person des Managers. Zudem wird das Schutzbedürfnis vor feindlichen Übernahmen befriedigt und das Risiko des Arbeitsplatzverlustes verkleinert. Auch das psychologische Moment, sich selbst behaupten zu wollen und neuen Herausforderungen zu begegnen spielen bei der Motivation des Managers eine ernst zu nehmende Rolle43. Ist das Übernahmemotiv des Bieters in der Externalisierung von Kosten begründet, kann der Preismechanismus keine positive allokationsfördernde Wirkung entfalten. Der Bieter bezahlt die Übernahmeprämie gerade nicht, um die gesamten Vermögenswerte der Gesellschaft einer effektiveren Nutzung zuzuführen. Er bezahlt sie, um die Kontrollmacht über die gesamten Ressourcen zu erzielen, ohne hierfür den vollen Betrag bezahlen zu müssen. Er kann diese Ressourcen einer für ihn persönlich gewinnträchtigen Nutzung zuführen, auch wenn diese Nutzung für die Gesamteigentümer der Ressourcen nachteilig ist. Dies verursacht eine Fehlallokation von Ressourcen am Markt44. 38 Zum Übernahmemotiv von Marktmacht und Monopolgewinnen siehe Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 188; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 28. 39 Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 28. 40 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 18 f. 41 Die managerialistische Theorie geht zurück auf Marris, Economic theory of „Managerial“ Capitalism, 1964, S. 101 ff.; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 103 ff.; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 192 ff.; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 69. 42 Zitiert werden hier häufig die „3 Ps“: power, prestige, perquisites, bei: Gordon, Business Leadership in the Large Corporation, 1945, S. 305 ff. 43 Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 193. 44 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 22.

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

Negative Auswirkungen können Übernahmeangebote auch deshalb haben, weil die Prämisse der Kapitalmarkteffizienz nicht uneingeschränkt zutreffend ist45. Der Börsenkurs vermag es nicht grundsätzlich, die unternehmerische Leistung des Managements zutreffend zu bewerten46. Ein niedriger Börsenkurs muss nicht zwingend den Unternehmenswert bzw. die Führungsschwäche des Managements widerspiegeln, sondern kann auf andere Einflüsse zurückzuführen sein47. Wenn dieser Indikator aber unzutreffend ist, dann muss ein Übernahmeversuch nicht denknotwendig zu einer Effizienzsteigerung führen. Vielmehr könnte im betroffenen Unternehmen bereits eine optimale Ressourcenallokation gegeben sein, die nicht mehr verbessert werden kann. Wertet der Bieter die Kursentwicklung der Zielgesellschaftspapiere aber fehlerhaft, dann könnte sein Übernahmeangebot sogar zu Effizienzverlusten führen, weil er zu einer besseren Unternehmensleitung nicht in der Lage ist und unnötige Transaktionskosten verursacht hat. Die bestehende Möglichkeit der Abgabe eines Übernahmeangebots kann auch deshalb effizienzmindernde Wirkung haben, weil sich das Management auf Grund des permanenten Drucks, Ziel eines Übernahmeangebots zu werden, genötigt sieht, die Unternehmenspolitik auf die Erzielung kurzfristiger Gewinne zu richten und längerfristige Planungen zu scheuen. Damit sei ein Rückgang der Investitionstätigkeit in Forschungs- und Entwicklungsprojekte oder die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter verbunden48.

III. Empirische Untersuchungen über die Auswirkungen von Übernahmeangeboten Da der Bieter auf unterschiedlichste Art und Weise motiviert sein kann und entsprechend diverse Zwecke verfolgt, kann keine allgemeingültige Auswirkung von Übernahmeangeboten festgestellt werden49. Dies belegen auch die empirischen Untersuchungen der Folgewirkungen von Übernahmeangeboten: 45 Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 140 ff.; ders. in Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschafter, 1990, S. 11, 18 f.; Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 13; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 48; Lipton/Roseblum (1991) 58 Univ of ChiLRev 187, 197. 46 Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 48 f. 47 Lenel in Gröner, Über den Markt für Unternehmenskontrolle, 1992, S. 9, 13 ff.; Shiller (1981) 71 AER 421. 48 Vor sogenanntem „short termism“ in diesem Zusammenhang spricht Bardley (1990) 53 MLR 170, 177; Lipton/Rosenblum (1991) 58 Univof ChiLRev 187, 205 f. 49 Zustimmend Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 87; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 206.

B. Erfordernis einer neutralen Position des Gesetzgebers

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Insbesondere in den USA wurden in den letzten drei Jahrzehnten zahlreiche empirische Untersuchungen über die Auswirkung von erfolgreichen Übernahmeangeboten für Ziel- und Bietergesellschaft sowie deren Aktionäre durchgeführt50, welche sich eingeschränkt auf den deutschen Kapitalmarkt übertragen lassen51: Einigkeit besteht weitgehend, dass die Aktionäre des Zielunternehmens von einem Übernahmeangebot profitieren52. Sie erzielen lukrative Prämien oberhalb des aktuellen Börsenkurses im Wege des öffentlichen Angebots. Auch das Zielunternehmen selbst soll sich nach der Akquisition zunächst positiv entwickeln53. Allerdings wurde auch behauptet, dass dieser Post-Akquisitions-Zuwachs nur von kurzzeitigem Bestand sei und sich in der Langzeitperspektive wieder abbaue54. Teilweise wurde sogar festgestellt, dass sich die Profitabilität der Zielgesellschaft längerfristig negativ entwickelt55. Noch weniger eindeutig sind die Ergebnisse im Hinblick auf das übernehmende Unternehmen. Teilweise werden leicht steigende Börsenkurse der Bietergesellschaft ermittelt56. Ein anderer Teil will dagegen insbesondere für Übernahmen der neueren Vergangenheit Verluste für den Bieter erkennen57. Insbesondere Langzeitstudien58 sind schwierig zu erstellen, da es 50 Einen Überblick vermitteln Jensen/Ruback (1983) 11 Journal of Financial Economics 5, 9 ff. 51 Bühner, zfbf 1990, 295, 303 stellt einen Vergleich deutscher und US-amerikanischer Studien an und plädiert für eine Übertragbarkeit der Ergebnisse; für die Zulässigkeit dieses Vorgehens auch Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 708; eine „gewisse Zurückhaltung“ bei der Übertragung US-amerikanischer Befunde fordert Hirte in KK-WpÜG, 2003, Einleitung, Rn. 31 ff. 52 Romano, in Hopt/Wpymeeersch, European Takeovers, 1992, S. 3, 4; Jensen/ Ruback (1983) 11 JFinEcon 5, 10 ff.; Jensen (1988) 2 JEconPersp 21; Jarell/Brickley/Netter (1988) 2 JEconPersp 49, 51; zur Bewertung der Ergebnisse auch Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 52 f.; Hirte in KK-WpÜG, 2003, Einleitung, Rn 5 f.; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 155 f. 53 Dodd/Ruback (1977) 5 JFinEcon 351, 365 f.; so für Deutschland auch Bühner zfbf, 1990, 295, 300 f. 54 Dodd/Ruback (1977) 5 JFinEcon 351, 365 f.; Bradley (1980) 53 JBus 345, 364 f. ermittelt einen Rückgang der Börsenkurse des Zielunternehmens schon in den ersten Monaten nach durchgeführter Übernahme. 55 Ravenscraft/Scherer (1987) 26 Journal of Industrial Economics 147 f.; Bradley (1980) 53 JBus 345 befand eine negative Entwicklung des Börsenkurses der übernommenen Unternehmen relativ zum Übernahmepreis. Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 21 folgert hieraus angesichts der steigenden Bösenkurse der Erwerber, dass diese die Erträge der Zielgesellschaft in die Bietergesellschaft verlagerten und begründet somit die praktische Bedeutung von Ausbeutung nach Übernahmen. 56 Jensen/Ruback (1983) 11 JFinEcon 5, 11 f. 57 Jarell/Brickley/Netter (1988) 2 JEconPersp 49, 53; dasselbe Ergebnis erzielt eine deutsche Studie von Bühner, zfbf 1990, 295, 300 f.; siehe auch Schneider, AG 2002, 125, 126; Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 964 mit Hinweis auf eine Unter-

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

kaum möglich ist, den Effekt des Übernahmeangebots in der empirischen Analyse zu isolieren. Ermittelte Kursveränderungen können vielerlei Ursachen haben und sind nicht denknotwendig auf das durchgeführte Übernahmeangebot zurückzuführen. Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine verlässliche Aussage über die Auswirkung von erfolgreichen Übernahmeangeboten auf die Ziel- und Bietergesellschaft und deren Aktionäre nicht getroffen werden kann. Die Untersuchungsergebnisse sind uneinheitlich und widersprechen sich vielerorts. Insbesondere können sie unter Zugrundelegen eines längerfristigen Beobachtungshorizonts kein unverfälschtes Ergebnis erzielen.

IV. Zusammenfassung Zurecht hat sich also der deutsche Gesetzgeber für eine neutrale Position bei der Regelung von Unternehmensübernahmen entschieden. Die Darstellung der Übernahmemotive sowie die Betrachtung empirischer Befunde lassen erkennen, dass Übernahmeangebote sowohl positive als auch negative Auswirkungen für die Gesamtwirtschaft haben können. Eine definitive Entscheidung, ob Übernahmeangebot besonders wünschenswert für eine Volkswirtschaft sind oder ob sie eher verhindert werden sollten, ist daher nicht möglich. Es stellt sich die Frage, ob Übernahmeangebote angesichts dieser rechtspolitischen Wertneutralität überhaupt einer rechtlichen Regelung bedürfen.

C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten Zu analysieren ist, ob es für den Austauschvorgang mittels Übernahmeangebot einer gesetzlichen Regulierung bedarf oder ob Vertragsfreiheit, Privatautonomie und Wettbewerb allein für ein transparentes Marktgeschehen sorgen und einen angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten schaffen können59. Um gerade den Regelungsbedarf der Bieterpflichten bei Übernahmeangeboten zu bestimmen, sind insbesondere die Gefahren bzw. Marktdefizite, die durch das Verhalten des Bieters hervorgerufen werden, zu ergründen. suchung der Unternehmensberatung Roland Berger, Handelsblatt vom 4.4.2001 und der Universität Witten/Herdecke, FAZ vom 14.5.2000 S. 37. 58 Siehe dazu Dodd/Ruback (1977) 5 JFinEcon 351, 368; Malatesta (1983) 11 JFinEcon 155, 173 f.; Magenheimer/Mueller in Coffee u. a., Kinghts, 1988, S. 172, 181; Ravenscraft/Scherer (1987) 26 Journal of Industrial Economics, 75 ff., 205 ff.; Herman/Lowenstein in Coffee u. a., Knights, 1988, S. 211, 229. 59 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 15.

C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten

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I. Allokative Funktionsdefizite 1. Allokative Effizienz des Kapitalund des Unternehmenskontrollmarktes Ein funktionsfähiger Markt erbringt die Leistung einer effizienten Ressourcenallokation60. Der Markt- und Preismechanismus erfüllt die Aufgabe, knappe Güter dem effizientesten Verwender zuzuführen. Eine Transaktion kommt zustande, wenn ein Interessent einen höheren Preis bietet, als das Gut dem Veräußerer wert ist. Der Erwerber bietet diesen Preis, weil er sich von dem Gut einen höheren Nutzen verspricht als der augenblickliche Eigentümer. Es kommt zu einer allokativ effizienten Transaktion. Übernahmeangebote sind Austauschvorgänge am Markt. Die Ressourcen, die es im Wege von Übernahmeangeboten zu platzieren gilt, sind vordergründig die einzelnen Anteile der Zielgesellschaft. Dahinter steht jedoch die Allokation der Kontrollmacht über die im Zielunternehmen gebundenen Ressourcen. Dem Bieter geht es um den Kontrollerwerb im Zielunternehmen, den er verwirklicht, indem er ein Kaufangebot auf die einzelnen Anteile abgibt und diese in seiner Hand zu einem Kontrollpaket bündelt. Platziert werden auf diese Weise zwei Arten von Ressourcen, nämlich zum einen die Unternehmensanteile selbst und zum anderen die durch sie vermittelte Kontrolle über die Zielgesellschaft. Es geht also nicht nur um den bloßen Handel von Wertpapieren am sekundären Kapitalmarkt61, sondern es verwirklicht sich auch eine Kontrolltransaktion am dahinter stehenden Unternehmenskontrollmarkt62. Beide Märkte sind nicht scharf voneinander zu trennen. Vielmehr bildet der sekundäre Kapitalmarkt das Vehikel, um den Unternehmenskontrollmarkt zu aktivieren63. 60 Baßeler/Heinrich/Koch, Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 2003, S. 63. 61 Am Kapitalmarkt wird das spezielle Gut von Eigen- und Risikokapital („Unternehmensbeteiligungen und verbriefte bzw. öffentlich registrierte Geldforderungstitel“, Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 431 gehandelt. Zur Unterteilung von primärem und sekundärem Kapitalmarkt Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 425 f.; Assmann in Großkommentar zum AktG, 1992, Einl. Rn. 396; Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 13, bezeichnet Übernahmeangebote als Vorgänge des sekundären Kapitalmarktes; ders., Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 11. 62 Siehe dazu oben S. 30 und weiter Hopt ZHR 161 (1997), 368, 371; Immenga, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 14 ff.; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 253 ff.; Meier-Schatz, WuR 1987, 16, 20. 63 Assmann in Großkommentar zum AktG, 1992, Einl. Rn 365, 399 bezeichnet der „Unternehmenskontrollmarkt“ als „Annexmarkt“ des Kapitalmarktes. Siehe zum Verhältnis beider Märkte auch Röhrich, Feindliche Übernahmeangebote, 1992, S. 50 f.

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

Sind diese Märkte funktionsfähig, so leisten sie eine effiziente Allokation der an ihnen gehandelten Ressourcen. Für den Kapitalmarkt bedeutet dies, dass das Kapital bzw. die Kapitalanlagen dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt und am erfolgsversprechendsten eingesetzt werden können64. Für den dahinter stehenden Kontrollmarkt heißt es, dass die Kontrolle über die unternehmerischen Ressourcen demjenigen zugeordnet wird, der sie am effizientesten zu nutzen vermag. Die effiziente Ressourcenallokation vollzieht sich also auf zwei Ebenen. Zu untersuchen ist, ob Übernahmeangebote als Transaktionsinstrumente auf diesen beiden Märkten, eine effiziente Allokation der jeweils gehandelten Ressourcen gewährleisten und inwiefern sie mögliche Störungen des Marktmechanismus hervorrufen. 2. Störung der allokativen Effizienz durch Übernahmeangebote a) Das Gefangenendilemma der Aktionäre der Zielgesellschaft Die allokative Effizienz des Kapital- als auch des Unternehmenskontrollmarktes könnte gestört sein, weil eine Seite der Transaktion, nämlich die Zielgesellschaftsaktionäre, sich nicht allein von der (allokativ effizienten) Erwägung leiten lässt, ob das Übernahmeangebot, den tatsächlichen Wert der Anteile überbietet und die andere Seite, nämlich der Bieter, dieses Defizit für sich ausnutzt. Führt nämlich das Übernahmeangebot zu einem Kontrollwechsel im Zielunternehmen, so sinken regelmäßig die Börsenkurse der betroffenen Zielgesellschaftspapiere65, was anhand empirischer Untersuchungen belegt werden kann66. Der Kapitalmarkt bewertet damit das Risiko, dass der Bieter als neuer Mehrheitsgesellschafter bestrebt sein könnte, die Minderheitsaktionäre auszubeuten67. Die einschlägigen Motive der Kostenexternalisierung wur64 Vgl. speziell zur allokativen Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes Assmann in Großkommentar zum AktG, 4. 1992, Einl. Rn 358; ders. in Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1997, § 1 Rn. 24; ihm folgend Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.399, 8.416 siehe speziell für die effiziente Allokation der Ressource „Anlagekapital“ durch ein Übernahmeangebot Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebot, 1990, S. 1, 47. 65 Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1708 ff, 1713; ders. in Coffee u. a., Knights, 1988, S. 373; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 725; Fleischer, NZG 2002, 545, 546; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 35 Rn. 7; Schneider/ Burgard, DB 2001, 963, 965; Hommelhoff in FS Semeler, 1993, S. 455, 457. 66 Bradley (1980) 53 JBus 345, 352 ff.; Securities Exchange Act Release No. 21079 FedSecLRep 83, 637 (21 Juni 1984). 67 Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 965; siehe auch Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1711.

C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten

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den oben bereits dargestellt68. Dies gilt ebenso für den deutschen Kapitalmarkt, auch wenn lange Zeit versucht wurde, mit dem Hinweis auf das deutsche Konzernrecht diese nachteilige Position des Minderheitsaktionärs zu leugnen69. Mittlerweile herrscht Einigkeit, dass das Konzernrecht für die Minderheitsaktionäre keinen verlässlichen Schutzmechanismus bereitstellen kann70. Mit einer Kontrollübernahme durch einen neuen Mehrheitsaktionär verschlechtert sich also deren Position trotz des geltenden Konzernrechts. Zu dieser Sichtweise hat sich auch der deutsche Gesetzgeber bekannt, als er das Pflichtangebot als typisches Instrument des Konzerneingangsschutzes ins deutsche Recht eingeführt hat. Wird also ein Übernahmeangebot abgegeben weiß der einzelne Anleger erstens, dass sich seine Position im Zielunternehmen verschlechtern kann, falls er das Übernahmeangebot ablehnt, der Kontrollwechsel aber dennoch stattfindet. Zweitens geht er davon aus, dass seine persönliche Anlageentscheidung keinerlei Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeangebots hat, das heißt, dass der Kontrollerwerb des Bieters nicht von seiner Anlageentscheidung abhängig ist. Da der Ausgang des Übernahmeangebots für den einzelnen Anleger zu dem Zeitpunkt ungewiss ist, zu dem er seine Anlageentscheidung treffen muss, wird er versuchen, die Folgen seiner Anlageentscheidung für ihn persönlich alternativ abzuwägen, je nachdem, ob das Übernahmeangebot zu einem Kontrollwechsel führt oder nicht71. Es bestehen danach vier Möglichkeiten: Angenommen das Übernahmeangebot führt den Kontrollwechsel herbei. Dann hätte der Angebotsadressat erstens das Übernahmeangebot akzeptieren können und würde das Zielunternehmen zum Übernahmepreis verlassen. Zweitens hätte er das Übernahmeangebot ablehnen können und würde nun als außenstehender Minder68

Siehe S. 32. So wurde das Pflichtangebot als Instrument des Konzerneingangsschutzes angesichts des bestehenden Konzernbestandsschutzes in §§ 291 AktG ff. lange Zeit als überflüssig bewertet, siehe Berger, ZIP 1991, 1652; Mertens, AG 1990, 252, 258; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108 ff.; Werner, Probleme feindlicher Übernahmeangebote im Aktienrecht, 1989, S. 15; Grunewald, WM 1989, 1233, 1238; dies., WM 1991, 1361, 1362; a. A. Adams AG 1990, 243, 248 ff.; siehe auch die Stellungnahme des Gemeinsamen Ausschusses des Bundesverbandes Deutscher Industrie, des Bundesverbandes Deutscher Banken, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Deutschen Industrie- und Handelstags, des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft für Fragen des Unternehmensrechts vom 21.6.1989. 70 Zum unzulänglichen Minderheitenschutz im bestehenden Konzern auch Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 408 f.; Houben, WM 2000, 1873, 1875 ff.; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 75; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 248, 278 ff. 71 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 27; Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1720 ff.; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 108 ff. 69

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

heitsaktionär im Zielunternehmen zurückbleiben. In diesem Fall müsste er zunächst Kursverluste seiner Wertpapiere hinnehmen und wäre den Risiken einer missbräuchlichen Unternehmensführung ausgesetzt. Folglich minimiert der Angebotsadressat im Erfolgsfall des Übernahmeangebots sein Risiko, wenn er das Übernahmeangebot annimmt, selbst wenn er von der Attraktivität des Angebotspreises nicht überzeugt ist. Er schließt damit die Gefahr aus, als Minderheitsaktionär im Zielunternehmen noch herbere Vermögensverluste hinnehmen zu müssen. Betrachtet man die Möglichkeit, dass das Übernahmeangebot scheitern könnte, so ergibt sich als dritte Alternative für den Anleger, dass er dieses hätte ablehnen können und sich für ihn keinerlei Veränderungen ergeben würden. Hätte er als vierte Variante das Übernahmeangebot in diesem Fall angenommen, so würde er das Zielunternehmen zum Übernahmepreis verlassen. Angesichts dieser vier Konstellationen, die sich einem Angebotsadressaten stellen, ergibt sich für dessen Anlageentscheidung folgendes Ergebnis: Hält der Angebotsadressat den Übernahmepreis für attraktiv, so wird er das Angebot annehmen und es ergibt sich keine Störung des Marktmechanismus. Eine effiziente Ressourcenallokation könnte in diesem Fall gewährleistet werden. Problematisch ist die Konstellation, in welcher er von den offerierten Konditionen nicht überzeugt ist. Der Anleger wird hier nicht die (effiziente) Schlussfolgerung ziehen, das Angebot abzulehnen. Seine Entscheidung ist systematisch verzerrt. Insofern liegt eine Störung der allokativen Funktionsfähigkeit des Marktes vor. Der Angebotsadressat wird stattdessen versuchen, die Erfolgschancen des Übernahmeangebots auszuloten, um so die Gefahr einzuschätzen, ob er bei Ablehnung des Angebots in eine unerwünschte Minderheitsposition geraten könnte. Kernproblem ist für den Aktionär hierbei, dass er weder die Einschätzung des Übernahmeangebots durch seine Mitaktionäre kennt, noch sein Verhalten mit dem ihrigen koordinieren kann72. Die Angebotsadressaten befinden sich insofern in der aus der Spieltheorie73 bekannten Situation des Gefangenendilemmas74. Die Spieler wissen nicht, welchen Ausgang die Situation 72 Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1725; Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 26; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 41; Baums in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 165, 166. 73 Siehe dazu Samuelson/Nordhaus, Economics, 2001, S. 631; Davis, Spieltheorie für Nichtmathematiker, 1999; Pfohl/Braun, Entscheidungstheorie, 1981, S. 311 ff. 74 Zum Gefangenendilemma der Aktionäre bei Übernahmeangeboten Assmann/ Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 11, FN 53; Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 25 f.; ders., Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991,

C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten

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nehmen wird. Der rational handelnde Spieler wird hier die Maximin-Strategie75 wählen, das heißt er entscheidet sich für den Weg, der bei einem für ihn negativen Ausgang noch immer zum besten Ergebnis bzw. zum geringsten Übel führt. Für die Situation des Übernahmeangebots bedeutet dies, dass die Angebotsadressaten, die das Übernahmeangebot als nicht attraktiv genug bewerten, im Zweifel ihre Anteile dennoch verkaufen werden. Sie können den Erfolg des Übernahmeangebots nicht vorhersagen. Wollen sie das Risiko eliminieren, als Minderheitsgesellschafter unter der neuen Führung des Bieters im Zielunternehmen eingeschlossen zu sein, bleibt ihnen nur die Möglichkeit der Angebotsannahme. Sie wählen das geringere Übel, indem sie die Zielgesellschaft zu einem nicht angemessenen Preis verlassen, aber zumindest das Risiko ausschließen, als außenstehender Minderheitsaktionär noch herbere Wertverluste ihrer Anteile hinnehmen zu müssen. Sie begrenzen damit ihr Risiko nach unten, indem sie nämlich einen Wertverlust insofern hinnehmen, als ihnen der Übernahmepreis nicht angemessen erscheint. Daraus folgt, dass die vom Gefangenendilemma betroffenen Aktionäre eine allokativ ineffiziente Entscheidung treffen. Der Bieter ist sich dieser Wirkung seines Übernahmeangebots bewusst und wird sich diese zunutze machen, indem er den Übernahmepreis für sich möglichst günstig ausgestaltet76. Dadurch ruft er eine Störung der allokative Effizienz sowohl des Kapital- als auch des Unternehmenskontrollmarktes hervor. b) Informationsasymmetrien Wie gesehen ist der Bieter bei einem Übernahmeangebot der dominierende Vertragsteil. Er kann die geschwächte Position der Aktionäre noch zusätzlich verschlechtern, indem er ihnen nicht die notwendigen Informationen anbietet, die sie zur Bewertung des Angebots benötigen. Der einzelne Aktionär verfügt nämlich gerade nicht über die Kenntnisse, die ihm eine zutreffende Bewertung des Angebots erlauben77. S. 235 ff.; Hahn, ZBB 1990, 10, 14; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 62 ff.; Röhrich, Feindliche Übernahmeangebote, 1991, S. 84 ff.; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 38 ff.; Krause, Das Obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 107 ff.; Witt, Übernahme, 1998, S. 82 ff.; Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 85 ff. 75 „Maximize the minimal return“, siehe dazu Pfohl/Braun, Entscheidungstheorie, 1981, S. 174 ff.; teilweise auch als Minimax-Strategie bezeichnet, Carney, [1983] AmBFoundRes J 341, 351 FN 46. 76 Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1721 „(. . .) the current distortions operate systematically and strongly in favor of bidders“; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 16.

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

Veräußert werden bei Übernahmeangeboten die einzelnen Anteile, aber auch die dadurch vermittelte Kontrollmacht im Zielunternehmen. Die Bewertung beider Güter setzt eine komplexe Analyse des Unternehmenswertes voraus, welche selbst unter Anwendung der durch die Wirtschaftswissenschaft entwickelten Methoden zu keinem exakten Ergebnis führen kann78. Schon dem Bieter ist die exakte Wertbestimmung der Anteile nur schwer möglich, obwohl dieser in der Lage ist, sich etwa mittels einer due diligence-Prüfung im Zielunternehmen die Kriterien zur Bestimmung des Unternehmenswertes und der damit korrespondierenden Angebotshöhe zu erarbeiten79. Ebenso könnten einem Großaktionär die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, um sich ein Bild vom tatsächlichen Wert der Anteile zu machen. Jedoch besteht insbesondere zu Lasten der Kleinaktionäre ein erhebliches Informationsgefälle80. Ihnen ist die Bestimmung des aktuellen, tatsächlichen Unternehmenswertes und damit ihres persönlichen Anteilswertes kaum möglich. Es bleibt ihnen allein die Orientierung am Börsenpreis, welcher über den tatsächlichen Wert der Anteile nur unzureichend Auskunft geben kann. Grund hierfür ist, dass der Kapitalmarkt nicht als vollkommen informationseffizient angesehen wird, das heißt, dass der Börsenkurs nicht alle Informationen über die internen und externen Umstände des Unternehmens widerspiegelt81. Der Bieter ist sich bewusst, in welcher Situation sich die angesprochenen Aktionäre befinden. Würde ein intakter Marktmechanismus den Kaufinteressenten zur nötigen Transparenz in seinem Angebot zwingen, weil der Verkäufer ansonsten keine Motivation zur Transaktion verspüren könnte, so versagt dieser marktbedingte Zwang gerade bei öffentlichen Übernahme77 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 13; Baums in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 165, 166; Möllers, ZGR 2002, 664, 668 f.; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, S. 1, 15; Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1719 ff. bezeichnet diesen tatsächlichen Wert als „the independent target’s value“, weil er seine Analyse auf Fälle reduziert, in welchen ein sich im Streubesitz befindliches Unternehmen im Wege eines Übernahmeangebots konzerniert wird, das heißt, unter die Kontrolle eines ersten Mehrheitsaktionärs gerät. 78 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 15. 79 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 23. 80 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 15, 23; ders., SAG 1975, 89; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, S. 1, 15. 81 Siehe zur Diskussion der Lehre von der Kapitalmarkteffizienz schon oben S. 30, FN 24. Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 15; Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 13; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 39.

C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten

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angeboten. Die Aktionäre wagen es nicht, das Risiko der Angebotsablehnung einzugehen, selbst wenn sie von dessen Qualität mangels ausreichender Information nicht überzeugt sein sollten. Sie sehen sich mit einem zweifachen Risiko konfrontiert, nämlich einerseits mit dem Risiko, in die Rolle des Minderheitsaktionärs zu geraten und andererseits mit dem Preisrisiko, insofern, als sie ihre Anteile unter Wert an den Bieter veräußern könnten82. Der Bieter verursacht ein Marktversagen infolge unzureichender Information der Angebotsadressaten83. c) Konzernierung der Zielgesellschaft zum halben Preis Der Preismechanismus bewirkt eine effiziente Ressourcenallokation84. Im Rahmen von Übernahmen ist dieser Mechanismus deshalb gestört, weil der Bieter hier die bloße Kontrollmacht über die Unternehmensressourcen und nicht die Güter im Ganzen erwirbt. Er muss nur soviel Kapital investieren, wie er zum Erwerb einer Anteilszahl benötigt, die ihm die Kontrolle im Zielunternehmen sichert85. Er muss aber nicht den Kapitaleinsatz leisten, den er für den direkten Eigentumserwerb der Unternehmensressourcen erbringen müsste. Er erwirbt die Herrschaft über die Ressourcen des Unternehmens insoweit zu billig, als er nicht alleiniger Eigentümer der Ressourcen des Unternehmens werden muss, sondern diese Stellung mit den übrigen Anlegern teilt, jedoch als Kontrollaktionär die alleinige Verfügungsmacht über diese Ressourcen besitzt. Aus diesem Auseinanderfallen von bloßem Kontrollerwerb und vollem Ressourcenerwerb folgt, dass der Bieter nicht denknotwendig die Effizienzsteigerung der Ressourcennutzung bezwecken muss, um aus der Transaktion einen Gewinn zu erzielen. Vielmehr kann der Bieter nur seine persönliche Gewinnmaximierung verfolgen und die entstehenden Kosten auf die Eigentümer im Ganzen abwälzen86. Für den Bieter ist es „ökonomisch rational87“, mit einem Übernahmeangebot auch solche Ziele zu verfolgen, die nicht auf die effizientere Nutzung der Ressourcen der Zielgesellschaft gerichtet sind. Die allokative Effizienz des Marktes ist gestört. 82

Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, S. 1, 15. Siehe Mühle, WpÜG; 2002, S. 54, 132; Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 15. 84 Samuelson/Nordhaus, Economics, 2001, S. 741 ff.; Baßeler/Heinrich/Koch, Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 2003, S. 63. 85 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 22; ders., Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 133 ff.; Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 17 spricht insofern von einem nur „halben Preis für die Konzernierung“. 86 Siehe oben zu den Übernahmemotiven der Kostenexternalisierung, S. 32. 87 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 22. 83

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

3. Zusammenfassung Im Ergebnis wird festgestellt, dass der Bieter in der Lage ist, durch Abgabe seines Übernahmeangebotes die allokative Funktionsfähigkeit der Märkte zu beeinträchtigen, indem er das für die Aktionäre bestehend Gefangenendilemma ausnutzt, Informationsasymmetrien nicht beseitigt und versucht, die Zielgesellschaft zum halben Preis zu konzernieren. Der Marktmechanismus weist Defizite auf und schafft keine für die Volkswirtschaft günstige Ausgestaltung von Übernahmeangeboten. Es werden daher Regeln für das Verhalten des Bieters benötigt. Diese müssen den Ablauf von Übernahmeangeboten in einer Weise regeln, welche die Störung der allokativen Effizienz der Märkte beseitigt.

II. Institutionelle Funktionsdefizite des Kapitalmarktes 1. Anlegervertrauen als institutionelle Funktionsbedingung Der Kapitalmarkt übernimmt in einer Volkswirtschaft die Funktion der Kapitalsammelstelle88. Private Anleger transferieren ihre Ersparnisse in unternehmerisches Eigen- oder Risikokapital, um für diese Leistung Renditen zu erzielen. Unternehmen bedienen sich aus diesem Topf, da sie sich aus eigener Kraft nicht finanzieren könnten. Der Kapitalmarkt kann diese für eine Volkswirtschaft unverzichtbare Aufgabe nur übernehmen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen sind, dass Unternehmen Kapitalanlagemöglichkeiten eröffnen und im Gegenzug Anleger diese nutzen, um ihre Ersparnisse zu investieren89. Man spricht hier von der institutionellen Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes90. Die gesamtwirtschaftlich notwendige Funktion der Kapitalsammelstelle kann der Kapitalmarkt nur dann erfüllen, wenn das langfristige Vertrauen des Anlegerpublikums in die Stabilität und Integrität des Marktes und insbesondere in die Berechenbarkeit der Risikofaktoren der auf dem Markt angebotenen Anlagen erhalten bleibt und gefestigt wird91. Mit der Transaktionsform des Übernahmeangebots sind jedoch typischerweise Risiken für 88

Zur Kapitalsammelfunktion Assmann in Großkommentar zum AktG, 1992, Einl. Rn. 356; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 252. 89 Assmann in Großkommentar zum AktG, 1992, Einl. Rn. 360; ders. in Handbuch zum Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 26. 90 Siehe zur institutionellen Funktionsfähigkeit Assmann in Großkommentar zum AktG, 1992, Einl. Rn. 360; ders. in Handbuch zum Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 26; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.399. 91 Assmann in Großkommentar zum AktG, 1992, Einl. Rn. 360 kategorisiert diese Leistung als institutionelle Effizienz des Kapitalmarktes.

C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten

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die Kapitalanleger verbunden. Diese könnten geeignet sein, deren Vertrauen und Investitionsfreude in den Kapitalmarkt zu schmälern und somit dessen institutionelle Funktionsfähigkeit zu gefährden. Nur wenn das Risiko des Vermögensverlustes infolge eines Übernahmeangebots möglichst gering gehalten wird, bleibt die Geldanlage am Kapitalmarkt eine attraktive Investitionsform92. 2. Störung der institutionellen Funktionsfähigkeit durch Übernahmeangebote Die oben genannten Verhaltensweisen des Bieters93, die geeignet sind, die allokative Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu beeinträchtigen, bergen denknotwendig auch das Potential, das Anlegervertrauen in diese Investitionsform zu reduzieren94. Ein Übernahmeangebot bringt die Gefahr der Konzernierung und ein Preisrisiko mit sich. Der Bieter bedroht damit die vermögensrechtlichen Interessen der Aktionäre. Dies könnte Grund genug sein für die Investoren, diese Anlageform zu meiden. Zudem hat der Bieter die Möglichkeit das Übernahmeangebot nicht an alle Aktionäre zu richten, etwa nur ein Teilangebot abzugeben oder das Angebot nur an Inhaber bestimmter Aktien zu adressieren etc. Führt ein solches Übernahmeangebot zum Kontrollwechsel, so verändert sich für die in der Zielgesellschaft verbleibenden Aktionäre die Geschäftsgrundlage ihres Investments95. Sie befinden sich dann als Investoraktionär in einer Zielgesellschaft unter neuer Führung. Mit einer Investition am Kapitalmarkt geht ein Anleger folglich das Risiko ein, nicht mehr autonom über die Grundlage seines Investments entscheiden zu können. Auch diese Einschränkung kann ein Grund sein, die Investition am Kapitalmarkt zu scheuen. Letztlich könnte der Bieter versucht sein, den Markt durch gezieltes Anoder Verkaufsverhalten vor oder auch nach Angebotsabgabe oder durch die Streuung unrichtiger oder unvollständiger Informationen künstlich zu beeinflussen96. Da der Börsenkurs für viele Anleger den einzigen Gradmesser 92

Houben, WM 2000, 1873. Siehe oben S. 37 ff. 94 Störungsfaktoren für die allokative Funktionsfähigkeit des Marktes führen naturgemäß auch zur Beeinträchtigung seiner institutionellen Funktionsfähigkeit, siehe dazu Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 47. Indes werden dadurch nicht alle Aspekte umfaßt, die das Vertrauen des Anlegerpublikums schmälern könnten, Assmann in Großkommentar zum AktG, 1992, Einl. Rn. 360. 95 Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558 ff. 96 Zu den Schwankungen der Börsenkurse aufgrund von Übernahmegerüchten Burgard, AG 1992, 41 f.; Witt, Übernahme, 1998, S. 75. 93

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

zur Beurteilung der Attraktivität des Angebots bietet, könnte dem Bieter beispielsweise an einer Senkung des Börsenkurses der Zielgesellschaftspapiere gelegen sein, weil er diesen in seinem Übernahmeangebot überbieten muss. Bietet er eigene oder andere Wertpapiere zum Tausch, so ist er an einer Steigerung dieser Kurse interessiert, um ein für ihn günstiges Tauschverhältnis zu erzielen. Derartige Manipulationsversuche und Insiderhandlungen schädigen die Seriosität des Kapitalmarktes. Das Vertrauen der Investoren schwindet. Seine institutionelle Funktionsfähigkeit ist in Gefahr. Der Bieter hat es also in der Hand, durch bestimmte Verhaltensweisen die institutionelle Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu gefährden. Daher bedarf es Verhaltensregeln für den Bieter bei der Durchführung von Übernahmeverfahren, die eine Störung des Anlegervertrauens am Kapitalmarkt verhindern können.

III. Gefährdung von Individualinteressen Zentraler Gesichtspunkt des institutionellen Funktionenschutz des Marktes ist der Schutz der Anlegerschaft. Unter Anlegerschaft ist eine unbestimmte Gesamtheit von Anlegern als Träger der Angebots- und Nachfragepotentials zu verstehen97. Der so umschriebene Schutz der Anlegerschaft bezweckt den Schutz des Anlegers als Glied einer unbestimmten Personengesamtheit und dient allein dem öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen Kapitalmarkt, das heißt dem Funktionenschutz. Hiervon scharf zu unterscheiden ist der kapitalmarktrechtliche Individualschutz, der die Interessen des einzelnen Anlegers schützen will98. Die Individualinteressen des einzelnen Aktionärs sind dann betroffen, wenn solch grundlegende Rechtspositionen bedroht sind, dass er sich selbst direkt gegen die Bedrohung wehren können muss. Erwirbt der Bieter beispielsweise die Kontrolle über ein Unternehmen, konzerniert sodann die Zielgesellschaft und beeinträchtigt dadurch die Veräußerbarkeit der Anteile, so verletzt er die in Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition der Aktionäre im Bezug auf ihre Anteile99. Deshalb schreibt das Übernahmerecht vor, dass er ein Pflichtangebot abgeben muss. Tut er dies nicht, handelt er dem Übernahmerecht zuwider und sieht sich bestimmten Sanktionen ausgesetzt. Mehr kann der Funktionenschutz aber nicht leisten. Da der einzelne Aktionär aber in seinem Eigentum, d.h. in einer ganz konkreten individuellen Rechtsposition, beeinträchtigt ist, muss ihm Individual97 98 99

Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.419 f. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.419 f. BVerfG ZIP 1999, 1440.

C. Analyse der Gefahren für die Beteiligten

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schutz gewährt werden. Rechtstechnisch lässt sich das Bedürfnis umsetzten, indem der Regelung des Pflichtangebots zugleich drittschützende Wirkung beigemessen wird und der Aktionär den Bieter auf Schadensersatz gem. § 823 II BGB in Verbindung mit der Pflichtangebotsregel verklagen kann100. Übernahmeangebote beeinträchtigen die Interessen der Anlegerschaft und somit zugleich des einzelnen Anlegers. Der Individualschutz gewinnt im Übernahmerecht dann eigenständig Bedeutung, wenn der Bieter durch sein Verhalten grundlegende Rechtsgüter des einzelnen Anlegers gefährdet und dieser sich selbständig zur Wehr setzten können muss.

IV. Gefahr für die Arbeitnehmer/Gläubiger der Zielgesellschaft Die erfolgreiche Kontrollübernahme kann Folgen für den Fortbestand des Unternehmens und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen haben. Angesichts erhoffter Synergieeffekte ist es denkbar, dass der neue Mehrheitsgesellschafter die Gesellschaft auflöst, einzelne Betriebe schließt und Arbeitnehmer entlässt, um auf diese Weise Kosten zu sparen. Auch die Gläubiger der Zielgesellschaft können von Umstrukturierungsmaßnahmen betroffen sein. Abhängig von den Absichten der neuen Unternehmensleitung, können ihre Vermögensinteressen berührt werden. Übernahmeangebote stellen eine Gefährdung für die so genannten stakeholder der Zielgesellschaft dar101. Die Minimierung dieses Gefährdungspotentials obliegt jedoch nicht den Übernahmeregeln. Veränderte Unternehmenspolitik birgt grundsätzlich Risiken für die stakeholder, insbesondere die Arbeitnehmer. Zwar ist es zutreffend, dass gerade mit einem Übernahmeangebot auf eine solche Veränderung der Unternehmenspolitik abgezielt wird. Dennoch ist dies kein übernahmespezifischer Problemkreis. Vielmehr ist es Aufgabe des Arbeits-, Insolvenz- oder Kreditsicherungsrechts die Interessen dieser Gruppen zu schützen102. Die Übernahmeregeln können lediglich einen Beitrag zur Schaffung ausreichender Transparenz für die Beteiligten leisten, um diesen die Wahrnehmung ihrer spezifischen Rechte zu erleichtern103. Ein expliziter Zuschnitt auf deren Bedürfnisse und die Berücksichtigung dieses Gefährdungspotentials scheidet für die Zielsetzung von Übernahmeregeln somit aus104. 100

Oechsler, in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 4 Rn. 11. Grobys, NZA 2002, 1; Kirchner, WM 2000, 1821, 1822; Wackerbarth, WM 2001, 1741, 1744; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 16. 102 Wackerbarth, WM 2001, 1741, 1744; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 715; Baudisch, AG 2001, 251, 253. 103 Grobys, NZA 2002, 1, 2. 104 Zustimmend Hopt ZHR 161 (1997), 368, 371 f., 375. 101

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

V. Gefährdung einer wirtschaftlich gesunden Zielgesellschaft Gibt ein Bieter ein Übernahmeangebot ab, wird auch von entstehenden Übernahmekämpfen oder Belagerung der Zielgesellschaft gesprochen. Diese Begrifflichkeiten spiegeln bereits wieder, dass die Durchführung eines Übernahmeangebots zu einer beträchtlichen Behinderung der Zielgesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit führen kann. Die Aufmerksamkeit der Unternehmensleitung kann sich auf schädigende Abwehrmaßnahmen konzentrieren105 oder aber das Management ist zu strikter Neutralität verpflichtet und durch das Stillhaltegebot an bedeutenden Transaktionen gehindert. Auch ist der Börsenkurs einer von einem Übernahmeangebot bedrohten Zielgesellschaft angesichts der verstärkten Spekulationen über deren unternehmerischen Fortbestand erheblichen Schwankungen ausgesetzt. Auf Grund der ungewissen Zukunftsaussichten und der damit verbundenen Planungsunsicherheit ist die Zielgesellschaft in dieser Phase kein verlässlicher Schuldner. Auch deshalb ist sie in ihrer Geschäftstätigkeit behindert. Je länger das Übernahmeverfahren dauert, desto bedeutsamer werden die Beeinträchtigungen für die Zielgesellschaft. Ein Bieter könnte eine wirtschaftlich gesunde Zielgesellschaft regelrecht auslaugen, wenn er das Übernahmeverfahren nur ausreichend in die Länge ziehen oder entsprechend oft seinen Übernahmeversuch wiederholen würde. Es ist daher Aufgabe des Gesetzgebers, für ein zügiges und effizientes Übernahmeverfahren zu sorgen und unzählige Wiederholungen gescheiterter Übernahmeversuche zu begrenzen. Abzugrenzen ist diese Problematik freilich von der Frage, ob die Zielgesellschaft durch die Kontrollübernahme insofern bedroht ist, als der neue Mehrheitsaktionär deren Existenz beenden, sie ausschlachten oder konzernieren könnte. Ein selbständiges Eigeninteresse der Zielgesellschaft an ihrem Fortbestand nach Kontrollübernahme wird übereinstimmend abgelehnt106. Es gilt hier lediglich, die Interessen der Aktionäre und stakeholder zu berücksichtigen.

105

Siehe zu solchen beispielhaft Krause, AG 2002, 133 f.;Weisner, ZRP 2000, 520 ff.; Steding, Jura 1999, 181, 183. 106 Kritisch bereits Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 17; Versteegen in KK-WpÜG, 2003, § 3 Rn. 40 bezeichnet eine mögliche Existenzbeendigung der Zielgesellschaft durch den neuen Mehrheitsaktionär als „legitimen Vorgang“.

D. Umsetzung des Regelungsbedarfs

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D. Umsetzung des Regelungsbedarfs I. Drei Säulen von Verhaltenspflichten Durch bestimmte Verhaltensweisen hat es der Bieter in der Hand, bei der Durchführung eines Übernahmeangebots die allokative sowie die institutionelle Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu beeinträchtigen. Gleichzeitig kann er die individuellen Interessen der Aktionäre bedrohen oder wirtschaftlich gesunde Zielgesellschaften zermürben. Der Gesetzgeber muss daher durch Normierung von Bieterpflichten versuchen, die vom Bieter ausgehenden Gefahren möglichst weitgehend zu eliminieren und ihm ein für die Gesamtwirtschaft schädigendes Vorgehen zu untersagen. 1. Informationspflichten Ein wesentlicher Grund für den gestörten Marktmechanismus bei Übernahmeangeboten ist die fehlende Transparenz auf dem Unternehmenskontrollmarkt107. Die Aktionäre können die Attraktivität des Angebots, dessen konkrete Bedingungen und seine Erfolgsaussichten nicht adäquat beurteilen. Wesentliches Element eines funktionsfähigen Marktes ist aber eine rationale und wohlinformierte Anlegerentscheidung. Diese ist nicht gewährleistet, da der Wert der Kontrolle für die Aktionäre kaum bestimmbar ist und hierfür kein Marktpreis existiert108. Zudem fehlen ihnen die Kenntnisse über die Hintergründe und Ziele des Übernahmeangebots und die Verhältnisse beim Bieter. Außerdem können die Aktionäre die Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots nicht abschätzen. Dies führt für die Mehrheit der Aktionäre zu einem Koordinationsproblem und schließlich zum Gefangenendilemma. Dieses nutzt der Bieter für seine Zwecke aus und gefährdet somit die allokative und insitutionelle Funktionsfähigkeit des Marktes. Die genannten Gefahren können eingedämmt werden, wenn das Übernahmerecht dem Bieter umfassende Informationspflichten auferlegt: Erstens müssen die Aktionäre durch angemessene und ausführliche Information in die Lage versetzt werden, die Attraktivität des Übernahmeangebots selbständig bewerten zu können109. Das Übernahmeangebot, seine Hintergründe und Ziele müssen im Detail beschrieben werden, damit die Aktionäre die Verhältnisse im Bieterunternehmen beurteilen können. Die transparente 107 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 23; Möllers, ZGR 2002, 664, 668; Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 376. 108 Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 15. 109 Immenga, SAG 1975, 89, 92.; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 51, 94 ff.

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

Gestaltung von Übernahmeangeboten fördert zugleich das wachsende Vertrauen der Anleger in die Seriosität des Kapitalmarktes. Ein Übernahmeangebot verlangt von den Aktionären eine neue Investitionsentscheidung. Hierfür müssen die Aktionäre aber auch über die Umstände der neuen Kapitalanlage informiert werden, um ihren persönlichen Bedarf bestimmen zu können. Die Informationen des Bieters dienen als Grundlage für eine fundierte Anlegerentscheidung, ob die Anteile gehalten oder verkauft werden. Zweitens muss das Informationsgefälle zum Nachteil der Aktionäre bezüglich der Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots beseitigt werden. Das Koordinationsproblem der Aktionäre kann beseitigt werden, wenn diese genaue Informationen über das Anlageverhalten ihrer Mitaktionäre geliefert bekommen und somit die Wahrscheinlichkeit des Kontrollwechsels beurteilen können. Mithilfe richtiger Information zum richtigen Zeitpunkt kann das Gefangenendilemma reduziert, wenn nicht sogar beseitigt werden. Die Gesamtheit diverser Informationspflichten spielt daher eine zentrale Rolle für die Beseitigung übernahmespezifischer Gefahrenlagen. 2. Verfahrensrechtliche Pflichten Weitere Gefahren für die Aktionäre können sich daraus ergeben, dass der Bieter als Herr des Übernahmeverfahrens dessen Ablauf und Ausgestaltung diktiert und so in der Lage ist, das Angebot möglichst ungünstig für die Mehrheit der Aktionäre auszugestalten. Der gestörte Marktmechanismus zwingt ihn nicht zu einer möglichst attraktiven Ausgestaltung aus Sicht der Aktionäre. Der Bieter dominiert den Ablauf des Übernahmeverfahrens. So kann er beispielsweise sehr kurze Annahmefristen vorgeben und den Zeitund Entscheidungsdruck für die Aktionäre willkürlich erhöhen. Umgekehrt könnte er die Annahmefrist sehr lange laufen lassen, um die Zielgesellschaft möglichst lang zu lähmen und auszuzehren. In dieselbe Richtung gehen Versuche des Bieters, sich den Rücktritt oder Widerruf des Angebots vorzubehalten, so dass die Zielgesellschaft zwar durch das zunächst abgegebenen Angebot beeinträchtigt ist, der Bieter an seine Offerte aber nicht gebunden ist. Um diese Gefahren zu beseitigen, muss das Übernahmerecht ein formales Übernahmeverfahren zur Verfügung stellen, welches die Durchführung des Angebots im Detail regelt. Dem Bieter müssen genaue Vorgaben gemacht werden, wie er zeitlich und inhaltlich sein Angebot auszugestalten hat. Beispielsweise muss der Start- und Endpunkt eines Übernahmeverfahrens definiert werden, so dass sich die Zielgesellschaft auf die Dauer der Belagerung verlässlich einstellen kann. Es muss auch der Rahmen für eine Annahmefrist vorgeschrieben sein, damit weder die Aktionäre vom Angebot über-

D. Umsetzung des Regelungsbedarfs

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rollt, noch die Zielgesellschaft zu lange behindert wird. Außerdem sind dem Bieter inhaltliche Vorgaben zu machen, ob er Bedingungen, Widerrufsund Rücktrittsvorbehalte aufnehmen darf, ob er ein Angebot wiederholen darf und wann es als gescheitert zu betrachten ist. Zusätzlich muss festgelegt werden, zu welchem Zeitpunkt im Verfahrensablauf der Bieter die Aktionäre mit welchen Informationen zu versorgen hat. Verfahrensrechtliche Pflichten und Informationspflichten lassen sich daher nicht immer scharf abgrenzen, sondern greifen zur effektiven Gefahrenbeseitigung ineinander über. 3. Gleichbehandlungspflichten Die Informationspflichten und verfahrensrechtlichen Pflichten allein sind freilich nicht ausreichend, um das Gefangenendilemma zu beseitigen. So bleiben dem Bieter immer noch Möglichkeiten, die Aktionäre unter Verkaufsdruck zu setzen, indem er beispielsweise den Angebotspreis staffelt. Je früher das Angebot angenommen wird, desto höher ist dann der Ertrag. Außerdem ist er in der Wahl seiner Angebotskonditionen völlig frei. Gestaltet er das Angebot unattraktiv für die Aktionäre, kann er noch immer hoffen, angesichts der Wirkung des Gefangenendilemmas doch Erfolg zu haben. Oder aber der Bieter macht nur für einen Teil der Anteile ein Angebot und kündigt an, dass die Inhaber der übrigen Anteile in der Zielgesellschaft konzerniert werden. Diese Vorgehensweise ist für ihn besonders attraktiv, da er die Kontrolle über die Zielgesellschaft so zu einem denkbar geringen Preis erwerben und die Zielgesellschaft strategisch ausbeuten kann. Diesem Verhalten des Bieters und den daraus resultierenden Gefahren für die Beteiligten kann begegnet werden, indem für den Bieter eine generelle Gleichbehandlungspflicht aller Aktionäre verankert wird. Der Bieter muss verpflichtet werden, allen Angebotsadressaten denselben Preis für den Verkauf ihrer Anteile zu bieten. Ferner hat er bei Abgabe eines Übernahmeangebots allen Aktionären der Zielgesellschaft die Möglichkeit zu verschaffen, mit all ihren Anteilen die Zielgesellschaft zu verlassen. Auf diese Weise wird auch bei freiwilligen Übernahmeangeboten allen Aktionären der Ausstieg aus der Zielgesellschaft zu gleichen Konditionen garantiert. Wesentlich ist des Weiteren, dass ein Mindestlimit für die Angebotskonditionen festgesetzt wird. Orientiert sich dieses an den Kaufpreisen, die der Bieter den Aktionären bezahlt hat, die vor dem Übernahmeangebot aus der Zielgesellschaft ausgeschieden sind, ist auch eine Gleichbehandlung dieser beider Aktionärsgruppen garantiert. Durch die Preisregel und die Pflicht zum Vollangebot wird dem Bieter die Möglichkeit genommen, die Kontrolle im Zielunternehmen möglichst

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2. Teil: Regulierungsbedarf bei Übernahmeangeboten

billig zu erwerben. Die Motive der Kostenexternalisierung werden zurückgedrängt, da der Bieter gezwungen wird, ein Angebot für alle Anteil zu machen. Die allokativen Funktionsdefizite werden durch die Gleichbehandlungspflicht reduziert. Freilich ist diese auch geeignet, die Vertrauenswürdigkeit des Kapitalmarktes und damit dessen institutionelle Funktionsfähigkeit zu sichern110. Ist die Chance zur Gewinnerzielung für die Aktionäre nicht von der Willkür des Bieters abhängig, sondern eröffnet das Auftreten von Übernahmeangeboten allen Aktionären gleichermaßen die Chance, eine Kontrollprämie zu erzielen, wird nicht nur das Vertrauen in diese Anlageform vergrößert, sondern sogar die Investitionsfreude am Kapitalmarkt angesichts dieser Gewinnchancen stimuliert. Chancengleichheit am Kapitalmarkt mittels Gleichbehandlung ermutigt zur Investition. Die Gleichbehandlungspflichten sind der dritte, grundlegende Pflichtenkomplex, mit Hilfe dessen die Gefahren für die Beteiligten bei Übernahmeangeboten reduziert werden können. Im Ergebnis kann also ein zur Gefahrenbeseitigung effektives Gefüge von Bieterpflichten auf den drei Pflichtensäulen, Informationspflichten, verfahrensrechtliche Pflichten und Gleichbehandlungspflichten aufgebaut werden. Die einzelnen Bieterpflichten können jeweils einem dieser Bereiche bzw. mehren zugleich zugeordnet werden111. Das Zusammenspiel dieser drei Pflichtenkreise kann dann zu einer weitgehenden Reduzierung der Gefahren führen, die der Bieter bei der Durchführung eines Übernahmeangebots durch sein Verhalten hervorrufen kann.

II. Abwägung mit Rechten des Bieters Wenn die Bieterpflichten einer Analyse unterzogen werden, ob sie geeignet sind, die übernahmespezifischen Gefährdungslagen zu beseitigen, so dürfen auf der anderen Seite die Interessen des Bieters nicht vernachlässigt werden. Der deutsche Gesetzgeber will ein rechtspolitisch neutrales Umfeld für die Abgabe eines Übernahmeangebotes schaffen. Das heißt, Übernahmeangebote sind weder zu fördern noch zu verhindern. Jede Bieterpflicht verkürzt aber denknotwendig dessen Handlungsspielraum. Sie beschränken dessen unternehmerische Handlungsfreiheit und greifen in seine Privatautonomie ein. Je umfassender Übernahmeverfahren also im Bezug auf die Verhaltensweisen des Bieters reglementiert sind, desto geringer ist sein Anreiz zur Angebotsabgabe.

110 111

Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 241 f. Siehe dazu eingehend S. 110 ff.

D. Umsetzung des Regelungsbedarfs

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Übernahmeangebote sollen aber gerade nicht über die Maßen behindert werden, weil sie auch positive Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft mit sich bringen. Sie können bei idealer Ausgestaltung die effiziente Allokation der in Unternehmen gebundenen Ressourcen fördern, positive Impulse für den Strukturwandel setzen und das Zusammenwachsen der Märkte der Europäischen Union begünstigen. Das deutsche Übernahmerecht darf keine unverhältnismäßigen Hindernisse für Investoren aus dem In- und Ausland errichten und muss die Unternehmen für die positiven Effekte des europäischen und weltweiten Wettbewerbs öffnen. Die Bieterrechte dürfen nicht in unangemessener Weise verkürzt, Übernahmeangebote dürfen nicht über die Maßen verteuert werden. Gleichzeitig sind Wege zu suchen, die die dargestellten Gefahrenlagen der Beteiligten und der Allgemeinheit zurückdrängen. Jede Pflichtnormierung muss daher eine Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zur Folge haben. Den Bieter beschränkende Rechtsregeln müssen normiert werden, wenn sie zwingend erforderlich sind, um die Interessen der Beteiligten und der Gesamtwirtschaft zu schützen. Diese Interessenabwägung wird im Folgenden jeweils für den Einzelfall vorzunehmen sein.

3. Teil

Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht A. Regelungsversuche von Übernahmeangeboten in der Vergangenheit I. Selbstregulierung von Übernahmeangeboten in Deutschland 1. Die Leitsätze In Deutschland existierte lange Zeit keine spezielle Regelung für die Abwicklung von Übernahmeverfahren112. Ursache hierfür war die geringe Bedeutung von Übernahmeangeboten am deutschen Kapitalmarkt. Diese ist auf die besonderen institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zurückzuführen113. Beispielsweise bedeutet die Zweiteilung der Unternehmensleitung in Vorstand und Aufsichtsrat, dass ein Absetzen eines unerwünschten Vorstandes im deutschen Aktienrecht erschwert und verlangsamt wird. Auch kann die Arbeitnehmermitbestimmung auf der Ebene des Aufsichtsrates die Durchsetzung einer neuen Unternehmenspolitik behindern und galt von je her als Hinderungsgrund für Übernahmevorhaben114. Hinzu kommt, dass das deutsche Konzernrecht verstärkt auf Minderheitenschutz im bestehenden Konzern statt auf Konzerneingangsschutz setzt. Die diversen konzernrechtlichen Schutzinstrumente wie Ausgleichsund Abfindungsansprüche, Abhängigkeitsberichte, Sonderprüfungen etc. werden häufig als Hindernis für den Versuch einer Übernahme angeführt115. Auch die Struktur der Anlegerschaft am deutschen Kapitalmarkt bietet kein übernahmefreundliches Umfeld. Traditionell haben Banken hier ein erhöh112 Heinsius in Schmitthoff/Goré/Heinsius, Übernahmeangebote im Aktienrecht, 1976, S. 35 f.; vgl. auch Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 39 ff. 113 Vgl. Adams, AG 1990, 243, 250 f.; Mertens, AG 1990, 252, 254 f.; Peltzer, ZIP 1989, 69; Neye, ZIP 1995, 1464; Gordon, AG 2002, 670, 671 f. 114 Hirte, KK-WpÜG, 2003, Einleitung, Rn. 35 ff. 115 Neye, ZIP 1995, 1464.

A. Regelungsversuche von Übernahmeangeboten in der Vergangenheit

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tes Einflusspotential. Sie halten große Aktienpakete, besetzen wichtige Aufsichtsratsposten und dominieren die Hauptversammlungen auf Grund der übertragenen Depotstimmrechte. Die Großkonzerne sind stark wechselseitig verflochten und Publikumsgesellschaften mit weit gestreutem Aktienbesitz sind am deutschen Kapitalmarkt eine Seltenheit. Da Übernahmeangebote am deutschen Kapitalmarkt zwar unbekannt, jedoch rechtlich nicht ausgeschlossen waren, entschied sich die Börsensachverständigenkommission 1979 zur speziellen Verankerung von Prinzipien für Übernahmeverfahren und legte im Januar 1979 die Leitsätze für Übernahmeangebote vor116. Diese waren keine verbindlichen Rechtsnormen, sondern Gegenstand einer Empfehlung der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium für Finanzen und damit ein Instrument der Selbstregulierung. Diese Empfehlungen waren sowohl an das bietende Unternehmen, als auch an die Zielgesellschaft und die beteiligten Kreditinstitute gerichtet. Selbst ihr Vollzug durch privatrechtliche Anerkennungsverträge war – anders als bei vergleichbaren Instrumenten freiwilliger Selbstkontrolle, wie den Insiderhandelsrichtlinien oder den Händler- und Beraterregeln – nicht vorgesehen. Ziel der Leitsätze war bereits der Schutz der Minderheitsaktionäre, die Gewährleistung ausreichender Transparenz und die Vorgabe bestimmter Grundprinzipien für die Abwicklung von Übernahmevorhaben. Sie enthielten einen Katalog allgemeiner Grundsätze, sowie Regelungen zur Vorbereitung, zum Inhalt und zur Durchführung des Angebots. Die praktische Bedeutung der Leitsätze blieb gering. Es fehlte eine Instanz, die ihre Beachtung kontrollierte117. Mangels möglicher Sanktionierbarkeit von Verstößen und angesichts des nicht geregelten Anerkennungsverfahrens blieben diese Empfehlungen in der Praxis ohne Relevanz und weitgehend unbeachtet118.

116 „Leitsätze für öffentliche freiwillige Kauf- und Umtauschangebote bzw. Aufforderungen zur Abgabe derartiger Angebote in amtlich notierten oder im geregelten Freiverkehr gehandelten Aktien bzw. Erwerbsrechten“ (LSÜbernahmeangebote); abgedruckt sind diese noch in Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., 1995, S. 1398; siehe dazu Sandberger, DZWir 1993, 319 f.; Assmann, AG 95, 563; Schander, NZG 1998, 799. 117 Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 149, 150. 118 Neye, ZIP 1995, 1464; Sandberger, DZWir 1993, 319; Roth/Zinser, EWS 2000, 233, 234; Zinser, NZG 2001, 391, 392.

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

2. Der Übernahmekodex a) Entwicklung und Inhalte Die Debatte über die Notwendigkeit von Übernahmeregeln verstummte in Deutschland jedoch nicht. Einerseits wurden auf europäischer Ebene erste Versuche unternommen, eine 13. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie für Übernahmeangebote zu entwerfen119. Andererseits waren auch in Deutschland einzelne Versuche feindlicher Unternehmensübernahmen zu beobachten120. Im Interesse eines gestärkten und wettbewerbsfähigen Finanzplatzes Deutschland wurde nach einem Regelungsinstrument gesucht, welches zum einen über ein höheres Maß an Verbindlichkeit verfügt als die Leitsätze, zum anderen aber nach wie vor Flexibilität und Praxisnähe leisten konnte. Die Rolle der Minderheitsaktionäre sollte nachhaltig gestärkt werden. Nach überwiegender Ansicht konnte auf lange Sicht nur zur Stärkung des deutschen Kapitalmarktes beigetragen werden, wenn sich Privatanleger an den Wertpapiermärkten in einem fairen und durchschaubaren Umfeld engagieren könnten. Als Ergebnis dieser Überlegungen führte die Börsensachverständigenkommission am 01.10.1995 den Übernahmekodex ein, welcher zum 01.01.1998 nochmals nachgebessert wurde121. Der Kodex war wie schon seine Vorgänger, die Leitsätze, eine Maßnahme der Selbstregulierung durch die betroffenen Wirtschaftskreise. Die Beachtung seiner Regeln konnte nicht erzwungen werden. Sie sollte vielmehr auf Grund freiwilliger Anerkennung des Kodex durch die Beteiligten erfolgen122. Um dem Übernahmekodex zu erhöhter Beachtung zu verhelfen, war im Gegensatz zu den Leitsätzen nunmehr eine förmliche Anerkennungserklärung des Bieters gegenüber der Übernahmekommission vorgesehen (ÜK 21). Diese Anerkennung hatte privatrechtlichen Charakter, da keine der beiden Parteien Träger hoheitlicher Gewalt war123. Mangels Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Über119

Siehe dazu S. 96 ff. Zu nennen sind hier der 1988 unternommene Übernahmeversuch der Feldmühle Nobel AG, des Weiteren die Übernahme der Continental AG von Pirelli SpA 1990 und der Hoesch AG durch die Krupp GmbH 1992, vgl. dazu Zehetmeier-Müller in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, Einleitung Rn. 3 f. 121 Abgedruckt in Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., S. 1644; dazu Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 149; Neye, ZIP 1995, 1464; Thoma, ZIP 1996, 1725; Hopt, ZHR 161 (1997), 368; ders. in FS Zöllner, 1998, S. 253, 263; Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435; Habersack/Mayer, ZIP 1997, 2141; Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105; Schander, NZG 1998, 799. 122 Neye, ZIP 1995, 1464, 1465. 123 Anderes galt für den britischen Takeover Panel. Weil er elementare Aufgaben zum Erhalt der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes übernimmt und daher im öf120

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nahmekommission kam mit der Anerkennungserklärung jedoch kein privatrechtlicher Vertrag zustande, aus dem sich schuldrechtliche Pflichten hätten ableiten lassen können. Stattdessen begründete diese eine bloß unverbindliche, nicht einklagbare Selbstbindung124. Formal als auch inhaltlich dienten als Orientierungshilfen und Arbeitsgrundlagen zur Entwicklung des Kodex sowohl der britische City Code on Takeovers and Mergers als auch der europäische Richtlinienvorschlag125. Als Institution zur Kontrolle der Einhaltung der Kodex-Bestimmungen wurde die Übernahmekommission mit einer Geschäftsstelle bei der Deutschen Börse AG in Frankfurt am Main eingerichtet126. Sie war zuständig für die verbindliche Interpretation des Kodex, für die Abgabe entsprechender Änderungsvorschläge und für die Erteilung von Befreiungen von den Vorschriften des Kodex (ÜK 20–23). Regelmäßig veröffentlichte die Geschäftsstelle Listen von Unternehmen, die den Kodex anerkannt hatten (so genannte Positivlisten). Inhaltlich war der Kodex in fünf Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt wurden Allgemeine Grundsätze für Übernahmeverfahren aufgestellt. Festgelegt wurden darin der Gleichbehandlungsgrundsatz (ÜK 1), Informations- und Veröffentlichungspflichten (ÜK 2, 5), ein Verbot von Marktverzerrungen (ÜK 3) und Beratungspflichten (ÜK 6). Es folgten Vorschriften über den Angebotsinhalt. Der dritte Abschnitt normierte die Bieterpflichten. Abschließend wurden die Pflichten der Zielgesellschaft und Vorschriften zur Übernahmekommission niedergelegt. Die Pflichten des Bieters erhielten im Übernahmekodex deutlich mehr Gewicht als noch in den Leitsätzen. Ein zentraler Regelungskomplex des Kodex beinhaltete Vorschriften zum Ablauf und zur Durchführung des Übernahmeverfahrens. Wie bereits in den Leitsätzen wurde der Mindestinhalt des Übernahmeangebots in detaillierter Form vorgeschrieben (ÜK 7)127. Darin enthalten sein fentlichen Interesse tätig ist, wird ihm ein öffentlich-rechtlicher Charakter zugesprochen: v. R. Panel on Takeovers and Mergers, ex parte Datafin and another (1987), 1 QB 815, 828: Der Panel wird bezeichnet als „. . . body which de facto exercises what can only be characterised as powers in the nature of public law powers“. In Deutschland wurde dagegen einhellig die privatrechtliche Natur der Übernahmekommission und des Kodex als freiwilliges Regelwerk angenommen, vgl. Assmann, AG 1995, 563, 564; Groß, DB 1996, 1909; Schander, NZG 1998, 799, 800. 124 Schander, NZG 1998, 799, 801. 125 Thoma, ZIP 1996, 1725, 1726; Neye, ZIP 1995, 1464, 1465; Zehetmeier-Müller in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, Einleitung, Rn. 5. 126 Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 149, 150.

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mussten Angaben über die Person des Bieters, über den Kaufpreis bzw. die Gegenleistung und die wesentlichen Faktoren zu deren Bestimmung. Zudem musste der Bieter Umfang und Preis der Vorerwerbe offen legen, seine bisherige Beteiligung im Zielunternehmen benennen und die Bedingungen des Angebots aufzählen. Es durften nur solche Bedingungen in das Angebot aufgenommen werden, deren Eintritt der Bieter nicht ausschließlich selbst herbeiführen konnte (ÜK 9). Machte der Bieter ein Teilangebot und überstieg die Zahl der Annahmeerklärungen die vom Bieter angestrebte Beteiligungshöhe, so traf ihn eine Repartierungspflicht (ÜK 10). Letztlich musste die Angebotsfrist mindestens 28 und höchstens 60 Tage betragen. Der Abschnitt, welcher sich mit den Bieterpflichten selbst befasste, normierte hauptsächlich Konkretisierungen des Gleichbehandlungsgebots. Erwarb der Bieter während der Angebotsfrist zu besseren als den im Angebot angegebenen Bedingungen Wertpapiere der Zielgesellschaft, so galten die besseren Bedingungen für alle Inhaber von Wertpapieren derselben Gattung, auch wenn diese das öffentliche Angebot bereits angenommen hatten (ÜK 13). Deshalb war der Bieter auch verpflichtet, alle von ihm oder für seine Rechnung getätigten Geschäfte in Wertpapieren der Zielgesellschaft der Geschäftsstelle der Übernahmekommission zu melden (ÜK 12). Unterbreitete der Bieter innerhalb einer von ihm zu benennenden Frist, die nicht kürzer als 12 Monate sein durfte, ein besseres, freiwilliges Angebot, so war er gegenüber denjenigen Anlegern, die das erste Angebot angenommen hatten, zur Nachbesserung verpflichtet (ÜK 15). Generell war der Bieter berechtigt, sein Übernahmeangebot innerhalb der Angebotsfrist zu verbessern, insbesondere falls ein konkurrierender Bieter ein vorteilhafteres Angebot unterbreiten sollte. In diesen Fällen verlängerte sich die Annahmefrist um einen mit der Übernahmekommission abzustimmenden Zeitraum (ÜK 14). Zudem wurde im Übernahmekodex erstmals im deutschen Recht ein Pflichtangebot eingeführt. Insbesondere diese Vorschrift wurde durch die Reform vom 01.01.1998 verschärft128. Sobald die „Kontrolle“ über eine Gesellschaft erreicht wurde, war danach ein Pflichtangebot abzugeben. Der Kontrolltatbestand wurde in Art. 16 anhand von Fallgruppen definiert129. 127 Schander, NZG 1998, 799, 802; Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 149, 155 f. 128 Hopt in FS Zöllner, 1998, S. 253, 263; Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 149, 152 ff.; Schander, NZG 1998, 799, 801 f.; zur alten Fassung des Pflichtangebots Thoma, ZIP 1996, 1725, 1726 ff.; Neye, ZIP 1995, 1464, 1465. 129 Ein Kontrollerwerb war danach gegeben, wenn der Bieter – gegebenenfalls auch unter Zurechnung von Stimmrechten gemäß § 22 I Ziffer 1–7 WpHG oder auf Grund von Vereinbarungen mit Dritten bezüglich des Abstimmungsverhaltens – über die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft verfügte oder wenn der Bie-

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Die zuvor starre Fixierung der 50%- Schwelle, welche nach der alten Fassung des Kodex ein Pflichtangebot auslösen sollte, wurde damit aufgegeben. Nach Ansicht der BSK sollte das Pflichtangebot nicht anhand starrer Prozentwerte, sondern einzelfallgerecht unter Berücksichtigung der Hauptversammlungspräsenzen jeder einzelnen Gesellschaft definiert werden130. Zudem wurde die Preisregelung gem. ÜK 17 verschärft, indem nun der höchste Börsenpreis in den letzten drei Monaten als Richtwert für die Angemessenheit des Angebotspreises festgelegt wurde, anstatt ein angemessenes Verhältnis des Angebotspreises zum aktuellen Börsenpreis zu fordern (ÜK 17 a. F.). b) Gründe für das Scheitern der freiwilligen Selbstkontrolle Der Übernahmekodex hat niemals flächendeckende Anerkennung erfahren131. Sogar bedeutende DAX-Werte wie BMW oder Höchst haben den Kodex niemals anerkannt132. Seine nur lückenhafte Akzeptanz führte zu dem für freiwillige Verhaltensregeln typischen „free-rider-Problem133“. Dabei erkannten einige der Beteiligten freiwillig den Kodex an, manche verweigerten dies jedoch und konnten sich so auf Kosten der freiwilligen Akzeptanten bereichern, weil ihnen Wege offen standen, die den Akzeptanten durch den Kodex verschlossen blieben134. Am Ende führte dies zu einer Diskriminierung der Unterzeichner, es schaffte eine Wettbewerbsasymmetrie135, die gesamtwirtschaftlich nicht erwünscht und den loyalen Unterzeichnern nicht zuzumuten war. Vielmehr erhöhte dies gerade den Anreiz, den Kodex nicht zu akzeptieren, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. ter trotz eines geringeren Stimmenanteils aus anderen Gründen in der Lage war, Bestellungen oder Abberufungen der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane der Zielgesellschaft vorzunehmen. 130 Börsensachverständigenkommission, Standpunkte 1999, S. 14; von einer erheblichen Verbesserung des Übernahmekodexes bzgl. des Pflichtangebots spricht Hopt, in Festschrift Zöllner, 1998, 253, 263; kritisch zur Aufgabe einer fixen Kontrollschwelle Roth/Zinser, EWS 2000, 233, 238. 131 Hopt ZHR 161 (1997), 368, 395 f.; ders. in FS Zöllner, 1998, S. 253, 264; Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 149, 159 f.; Land/Hasselbach, DB 2000, 1747. 132 Insgesamt hatten bis zum 11.04.2001 von 1016 börsennotierten, inländischen Unternehmen nur 755 den Übernahmekodex verbindlich anerkannt. Hierunter waren 86 Unternehmen des DAX 100, Begründung WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 27. 133 Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999 S. 149, 160; Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 398. 134 Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 160; Hopt ZHR 161 (1997), 368, 400. 135 Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105, 109.

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Ursache der mangelhaften Akzeptanz des Übernahmekodex war seine unzureichende Sanktionierbarkeit bei Verweigerung der Anerkennung136. Gem. ÜK 21 konnte die Geschäftsstelle lediglich so genannte Positivlisten veröffentlichen, welche diejenigen Unternehmen aufführten, die den Kodex anerkannt haben. Ebenso wurden dieselben im Kursteil der Börsenzeitung gekennzeichnet. Das sollte moralischen Druck auf die Nichtakzeptanten ausüben und diesen mit der Gefahr des Reputationsverlustes drohen. Die Geschäftsstelle der Übernahmekommission konnte gem. ÜK 21 Bemerkungen, Empfehlungen und Entscheidungen zu einem Übernahmevorgang veröffentlichen, insbesondere wenn die Regeln des Kodex nicht beachtet wurden. Davon sollte eine präventive Wirkung zur Einhaltung derselben ausgehen. Seit 1998 war die Anerkennung des Übernahmekodex zudem Voraussetzung für die Zulassung zum DAX, MDAX und Neuen Markt. Diese Sanktionsmechanismen erwiesen sich als nicht wirkungsvoll genug, um dem Übernahmekodex zu einer umfassenden Anerkennung zu verhelfen. Die Sorge um einen Reputationsverlust auf Grund der Nicht-Anerkennung war in Deutschland nicht allzu groß. Da vor allem namhafte Unternehmen die Anerkennung ablehnten, wurde eine gewichtige Gegenposition gegenüber den Unternehmen aufgebaut, die den Kodex akzeptieren. Es erschien durchaus legitim, dem Kodex die Anerkennung zu versagen, ohne sich ins wirtschaftspolitische Abseits zu stellen. Es fehlte in Deutschland der Druck der Öffentlichkeit und der Finanzwelt. Auch die Presse reagiert zurückhaltend auf die Nichtanerkennung. Zwar konnte die Deutsche Börse AG die Zulassung zu den verschiedenen Indexes versagen, aber für bereits zugelassene Gesellschaften war dies kein Druckmittel. Gerade die Zusammensetzung des DAX ändert sich nämlich kaum. Eben diese bedeutenden Unternehmen hätten aber eine Vorreiterrolle bei der Anerkennung des Kodex übernehmen müssen. Das System der freiwilligen Selbstregulierung von Übernahmeverfahren ist in Deutschland endgültig gescheitert. Diese rechtliche Konstruktion führte im Ergebnis zu lückenhafter Anerkennung, mangelhaftem Rechtsschutz und Justiziabilität137. Deutschland gilt als legislatives System. Diverse Versuche, bestimmte Problemfelder im Wege der Selbstregulierung zu regeln, sind bereits gescheitert138. Die freiwillige Selbstkontrolle wird hierzulande daher sowohl aus ökonomischer als auch aus ordnungspolitischer 136 Loehr in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 149, 160 f. 137 Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105, 106 ff.; Hopt in FS Zöllner, 1998, S. 253, 263 bezeichnet dies als „Geburtsfehler der ganzen deutschen Lösung“. 138 Beispielsweise hat die freiwillige Insiderhandels-Richtlinie auch niemals die gewünschte Beachtung erzielt, siehe Hopt in FS Zöllner, 1998, S. 253, 264; ders., ZHR 161 (1997), 368, 398.

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Perspektive eher kritisch beurteilt139. Aus diesem Grund fiel auch die Entscheidung für eine gesetzlich verbindliche Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht. Am 01.01.2002 trat das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz in Kraft.

II. Zivil- und gesellschaftsrechtliche Begründungsansätze von Verhaltenspflichten des Bieters Neben dem speziellen Regelungswerk für Übernahmeangebote wurde schon früh versucht, das allgemeine Zivil- und Gesellschaftsrecht zur Begründung von Verhaltenspflichten des Bieters heranzuziehen140. Zwar hat sich der deutsche Gesetzgeber mit der Schaffung des WpÜG für einen kapitalmarktrechtlichen Lösungsansatz entschlossen141. Dennoch ist eine Analyse der Tragfähigkeit der allgemeinen Begründungsversuche sinnvoll, da diese heute noch von Bedeutung sein können, wenn es darum geht, mögliche Lücken des WpÜG zu schließen, etwa weil dieses nicht anwendbar ist142 oder bestimmte Fragen nicht abschließend regelt143. 1. culpa in contrahendo (§§ 311 II, 280 I, 241 II BGB) und §§ 305 ff. BGB Das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo, das im Wege der Schuldrechtsmodernisierung seine gesetzliche Verankerung in §§ 311 II, 280 I, 241 II BGB gefunden hat, kann bei Übernahmeangeboten zur Anwendung kommen, indem an die „Verhandlung“ über den Beteiligungserwerb im Zielunternehmen angeknüpft wird144. Freilich gibt es in diesem Bereich 139 So zum Beispiel die Monopolkommission im Hauptgutachten 1994/95, Baden-Baden 1996, S. 35 Rn. 94 ff. 140 Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 41. 141 Zur kapitalmarktrechtlichen Einordnung des WpÜG und seinen Berührungspunkten mit benachbarten Rechtsmaterien, siehe Fleischer NZG 2002, 545; Mülbert, ZIP 2002, 1221, Mühle, Das WpÜG, 2002. 142 Zum Anwendungsbereich des WpÜG siehe sogleich unten. Beispielsweise ist das WpÜG nicht auf Übernahmeangebote für Zielgesellschaftsanteile anwendbar, die im Freiverkehr gehandelt werden. Gem. § 1 WpÜG erstreckt sich dessen Anwendungsbereich nämlich nur auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Der Freiverkehr zählt gem. § 2 VII WpÜG aber gerade nicht zum organisierten Markt. 143 Siehe beispielhaft Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 11 Rn. 8. 144 Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 75 ff.; die cic wurde im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt. Das ungeschriebene Rechtsinstitut wurde mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.1.2002 in § 311 BGB kodifiziert, siehe hierzu Palandt/Heinrichs, 2003, § 311 Rn. 11 ff.

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keine Verhandlung im klassischen Sinne. Sobald der Bieter aber an die Aktionäre der Zielgesellschaft herantritt, indem er sein öffentliches Übernahmeangebot abgibt, könnte sich zwischen den Aktionären und dem Bieter aber ein Vertragsanbahnungsverhältnis begründen lassen, welches geeignet sei, erste Pflichten der Vertragsbeteiligten zu begründen. Die Vertreter dieses Begründungsansatzes betonen, dass sich das Institut der cic längst vom Erfordernis der individuellen Vertragsverhandlung losgelöst hat und beispielsweise auch auf Ausschreibungsverfahren, in denen ein persönlicher Kontakt nicht statt fände, anwendbar ist145. Bereits im Rahmen der Prospekthaftung ist die Figur des „typisierten Vertrauens146“ entwickelt worden, welche eine Loslösung der cic vom unmittelbaren Personenbezug hin zum Funktionen- und Institutionenschutz widerspiegle147. Für die Regelung eines Übernahmeverfahrens könnten sich dieser Auffassung zufolge aus dem Rechtsinstitut der cic wichtige Aufklärungs-, Informations-, Schutz-, Fürsorge- und Obhutspflichten des Bieters gegenüber den Aktionären ableiten lassen148. Die Konditionen des Angebots würden zudem der materiellen Inhaltskontrolle für Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 307–309 BGB unterliegen149. Für Verträge über die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen ist der Anwendungsbereich dieser Normen gem. § 310 BGB unproblematisch eröffnet150. Die Begründung der Bieterpflichten in Übernahmeverfahren anhand der cic erfährt jedoch umfassende Kritik151. Systematisch wird mit einem vertragsrechtlichen Regelungsinstrument ein unzulänglicher Ansatz gewählt, da dieses zwangsläufig an eintretende Vertragsverhandlungen und eine individuelle Zwei-Personen-Beziehung anknüpfen muss. Beispielsweise lassen sich im Wege der cic keine Bieterpflichten vor Veröffentlichung des Übernahmeangebots begründen. Erst mit der Angebotsabgabe stellt der Bieter den Kontakt zu den Aktionären her und erst ab diesem Zeitpunkt können mit Hilfe der cic Pflichten begründet werden. Bereits im Vorfeld der Ange145 BGH NJW 1981, 1673; BGH NJW 1983, 442; BGH NJW 1985, 1466; Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindung, 1999, S. 17. 146 BGHZ 83, 226; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 230 f. 147 Weber, Treuebindungen, 1999, S. 231; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 75. 148 Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 76. 149 Oechsler, NZG 2001, 817, 821; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 11 Rn. 6; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 83, die sich freilich noch auf §§ 9–11 AGBG berufen. 150 Basedow, MK, 2001, § 23 AGBG, Rn. N12; Ulmer, AGB-Gesetz, 2001, § 23 AGBG Rn. 6; Assmann/Bozenhardt, in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 84; Wolf/Horn/Lindacher AGBG, 1999, § 23 Rn. 74 a. 151 Insbesondere Weber, Treuebindungen, 1999, S. 232 f.

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botsabgabe kann der Bieter aber durch sein Verhalten Gefahrenlagen für die übrigen Beteiligten schaffen, weshalb schon in diesem Stadium ein Bedürfnis zur Regelung besteht. Des Weiteren lässt sich die Gleichbehandlungspflicht als generelle Verhaltenspflicht bei Übernahmeverfahren nicht aus cic ableiten. Erwirbt beispielsweise ein Anteilseigner die Kontrolle im Zielunternehmen, so bestehen gegenüber den außenstehenden Aktionären keinerlei Kontakte. Es lässt sich gegenüber diesen keine Pflicht zur Angebotsabgabe anhand eines vertragsrechtlichen Instituts konstruieren. Auch kann der Bieter auf der Grundlage der cic nicht verpflichtet werden, sein Übernahmeangebot auf alle Zielgesellschaftsaktionäre auszudehnen. Ebenso wenig lassen sich aus der cic keine Schutzmechanismen zugunsten der Zielgesellschaft ableiten, die diese vor langfristiger Belagerung und Auszehrung schützen könnten. Das Rechtsinstitut der cic ist auf das Verhältnis zweier Vertragspartner ausgerichtet und setzt individuellen Kontakt voraus. Seine Verhaltensanforderungen gelten für die vertragliche Zweierbeziehung152. Soll es vielseitige Beziehungen regeln oder übergeordneten Funktionenschutz leisten, weist es zwangsläufig Defizite auf. 2. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Häufig kommt es vor, dass ein Bieter bei Abgabe seines Übernahmeangebots bereits einen gewissen Anteil von Aktien des Zielunternehmens erworben hat, um die Erfolgsaussichten seines Kontrollerwerbs zu vergrößern. Verhaltenspflichten des Bieters gegenüber seinen Mitaktionären im Übernahmeverfahren können daher aus seiner bestehenden mitgliedschaftlichen Einbindung, genauer aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Aktionäre153, begründet werden154. Die Treuepflicht ist ein flexibles Schutzinstrument für den einzelnen Gesellschafter, dass seine Individualinteressen im gesellschaftlichen Verbund gewahrt bleiben. So ist ein Mehrheitsgesellschafter, der auf Grund seines Aktienbesitzes über erhöhte Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft verfügt, zur besonderen Rücksichtnahme gegenüber den Publikumsaktionären verpflichtet155. Für Übernahmeverfahren 152

Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindlungen, 1999, S. 232. Grundlegend anerkennt der BGH die Treuepflicht der Aktionäre untereinander in der „Linotype“-Entscheidung, BGHZ 103, 184; bestätigt durch BGH NJW 1992, 3167, 3171; siehe Hüffer, Aktiengesetz, 2004, § 53 a, Rn. 14; ders. in FS Steindorff, 1990, S. 59, 63; Kübler, Gesellschaftsrecht, 1999, S. 179; Berding, WM 2002, 1149, 1151. 154 Schwark in FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1108. 155 Hüffer, Aktiengesetz, 2004,§ 53 a Rn. 17; Kübler, Gesellschaftsrecht, 1999, S. 179. 153

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wurde die gesellschafterliche Treuepflicht daher herangezogen, um beispielsweise die Pflicht zur Gleichbehandlung zu begründen156 und damit zum Schutz der Minderheit beizutragen. Die Treuepflicht kann aber für Übernahmeangebote keinen verlässlichen Regelungsrahmen bieten, weil dieser Begründungsansatz ins Leere geht, wenn der Bieter in Einzelfällen noch kein Mitglied der Zielgesellschaft ist157. Der Vorgang des Erwerbs der Mitgliedschaft ist der Begründung der Treuepflicht eine logische Sekunde vorgelagert158. Wenn ein außenstehender Dritter also versucht, eine Beteiligung an einer Aktiengesellschaft zu erwerben, unterliegt er keiner besonderen Rücksichtnahmepflicht gegenüber den anderen Aktionären. Ob bei einer marktlichen Transaktion mittels Übernahmeangebot auf beiden Seiten Verbandsmitglieder beteiligt sind, ist vom Zufall abhängig. Daher eignet sich die gesellschafterliche Treuepflicht nicht als Basis zur Entwicklung von Verhaltenspflichten für die Transaktionsform des Übernahmeangebots159. 3. Vormitgliedschaftliche Treuebindung Dass eine bestehende Mitgliedschaft Voraussetzung dafür sein soll, gesellschafterliche Treuepflichten zu begründen, wird mit dem Modell einer vormitgliedschaftlichen Treuebindung entgegen getreten160. Begründet werden vormitgliedschaftliche Verhaltenspflichten im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten damit, dass diese eine erhöhte Einwirkungsgefahr auf die Zielgesellschaft und ihre Aktionäre mit sich bringen161. Es droht eine Veränderung der Mitgliedschaftsstruktur und Minderheitsaktionäre könnten vom neuen Mehrheitsgesellschafter ausgebeutet werden. Der Bieter dominiert das Übernahmegeschehen zu seinen Bedingungen und 156 Hüffer, Aktiengesetz, 2004,§ 53 a Rn. 14; Kuhr, Minderheitenschutz, 1992, S. 61; zustimmend auch Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 267, jedoch bezeichnet er die Herleitung der Gleichbehandlungspflicht aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als „methodisch und rechtspolitisch problematisch“. 157 Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 73; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 86; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 156; ders., ZHR 153 (1989), 460 f.; Bozenhardt, Freiwillige Übernahmeangebote, S. 74 ff. 158 Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 266. 159 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 86. 160 Zu deren Begründung grundlegend Weber, Treuebindungen, 1999, S. 178 ff.; ihm folgend Berding, WM 2002, 1149, 1152; eine Vorwirkung der Treuepflicht bejahen auch Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, S. 588; Wittowski, GmbHR 1990, 544, 549. 161 Weber, Treuebindungen, 1999, S. 206 und 235; ähnlich im Allgemeinen bereits Lutter in FS Steindorff, 1990, S. 125, 133.

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gewinnt daher ein erhebliches Maß an Einfluss auf die Zielgesellschaft. Wenn aber für einen zukünftigen Gesellschafter bereits eine solch erhöhte Einflussnahmemöglichkeit besteht, so müssen sich im Gegenzug auch Verhaltenspflichten desselben begründen lassen, die sich an den Verbandsinteressen zu orientieren haben. Der Bieter kann auf diesem Wege, ohne Mitglied zu sein, in das gesellschaftsrechtliche Schutzsystem einbezogen werden. Dies ist gerechtfertigt, da er in der Lage ist, ein spezifisch gesellschaftsbezogenes Gefahrenpotential zu schaffen. Mittelbare Einwirkungsmöglichkeiten sind durch quasigesellschafterliche Verhaltensbindung zu kompensieren. Konkret lassen sich mittels des Modells vormitgliedschaftlicher Treuebindung für Übernahmeverfahren beispielsweise die Pflicht zur paritätischen Zuteilung bei Teilangeboten und die Teilhabe an der Kontrollprämie herleiten162. Der Bieter als Nichtmitglied ist angesichts seiner künftigen Mitgliedschaftsstellung in die Pflicht treugebundener Gleichbehandlung der Gesellschafter miteinzubeziehen. Des Weiteren verpflichte die Stellung als Quasigesellschafter mit erhöhter Einwirkungsmöglichkeit den Bieter zur angemessenen Information der Zielgesellschaft und ihrer Anleger163. Auch bei der Bestimmung der Angebotsfrist und den sonstigen Bedingungen unterliegt der Bieter besonderen treugebundenen Schranken und muss auf die Belange der Anleger Rücksicht nehmen164. Problematisch an diesem Regelungsmodell ist aber der hohe Eingriffsgehalt in die unternehmerische Handlungsfreiheit des Bieters, welcher allein mit dessen potentieller Einflussnahmemöglichkeit gerechtfertigt wird. Die Situation des Nichtmitglieds ist eben nicht mit der eines Mitglieds vergleichbar, weil letzteres freiwillig den Gesellschaftsvertrag eingeht und seinen Beitritt zum Verband begründete. Mit diesem Akt entstehen für das neue Mitglied Rechte und Pflichten, womit es sein Eigeninteresse aus freien Stücken den Verbandsinteressen unterordnet. Der außenstehende Bieter aber will mit dem Übernahmeangebot erst seine Mitgliedschaft begründen. Die Eignung verbandsrechtlicher Treuepflichten zur Regulierung von Verfahren, deren Ergebnis erst die Mitgliedschaft sein soll, ist schon aus diesem Grund sehr zweifelhaft165. Zudem wäre die Herausbildung allgemein verbindlicher Verhaltenspflichten für Übernahmeverfahren anhand vormitgliedschaftlicher Treuepflichten in der Praxis ein langwieriger und ungewisser Vorgang. Schon die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht wurde in Form einer Generalklausel als Er162 163 164 165

Weber, Treuebindungen, 1999, S. 379 f., 411. Weber, Treuebindungen, 1999, S. 419 f. Weber, Treuebindungen, 1999, S. 427 ff. Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 86.

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

gebnis der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt166. Ähnlich müsste es sich mit der Vorverlagerung derselben verhalten. Ihre konkrete Ausgestaltung würde durch Einzelrechtssätze konkretisiert. Es vergehen Jahre, bis zu einem Einzelproblem eine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert. Erst wenn eine Verhaltenspflicht in „ständiger Rechtsprechung“ anerkannt wird, kann sie sich zu einer allgemein verbindlichen Verhaltensregel etablieren167. Ein verlässlicher Regelungsrahmen für Übernahmeverfahren, der die Interessen der Beteiligten in einen fairen Ausgleich bringt und die beschriebenen Gefahren wirkungsvoll beseitigt, kann auf diesem Wege deshalb nicht bereitgestellt werden. Richtig ist, dass die Verzahnung von Verbands- und Kapitalmarktrecht immer stärker zunimmt. Das Gesellschafts- insbesondere das Aktienrecht setzen es sich zum Ziel, innergesellschaftlichen Anlegerschutz zu gewährleisten, indem die Anlegerentscheidung gegen nicht vorhersehbare innergesellschaftliche Veränderungen stabilisiert wird168. Ziel ist, die Investition in Aktien zu fördern und damit die Funktion der Aktiengesellschaft als Kapitalsammelstelle sicherzustellen. Aus diesem Grund hat nicht nur ein Schutz der Mitwirkungs- und Kontrollrechte, sondern insbesondere der Vermögensrechte der Anleger zu erfolgen. An dieser Stelle berühren sich die Zielsetzungen von Aktien- und Kapitalmarktrecht169. Auch die Verhaltenspflichten des Bieters bei Übernahmeangeboten knüpfen an das direkte Verhältnis der Aktionäre untereinander an, so dass eine Begründung durch die mitgliedschaftliche Treuepflicht nahe liegt. Auf diese Weise können einzelne Verhaltenspflichten des Bieters begründet werden. Nicht leisten kann das Verbandsrecht aber im Vergleich zu einem vom Verband losgelösten Kapitalmarktrecht die Prozedualisierung dieser Verhaltenspflichten, welche für den geregelten Ablauf eines Übernahmeverfahrens aber von großer Bedeutung ist170. Im Ergebnis ist der verbandsrechtliche Lösungsansatz zwar geeignet, um den Minderheitenschutz in der Gesellschaft mit zunehmender Ausrichtung auf den Kapitalmarkt zu verstärken. Ein verlässlicher und verbindlicher Regelungsrahmen für Übernahmeverfahren lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.

166

Hüffer in FS Steindorff, 1990, S. 58, 68 ff. Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 268. 168 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 121. 169 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 65 f.; Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 148 ff.; Fleischer, NZG 2002, 545 f. 170 Fleischer, NZG 2002, 545, 546 f.; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 268. 167

A. Regelungsversuche von Übernahmeangeboten in der Vergangenheit

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4. Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten gemäß Deliktsrecht Die ausgeführten Lösungsversuche begegnen allesamt dem Problem, dass sie von einem Vertragsverhältnis abhängig sind. Das dritte Regelungsmodell versuchte sich durch einen Wechsel der Argumentationsebenen von dieser Hürde zu lösen, indem es eine außervertragliche Pflichtenbegründung befürwortet. Verhaltenspflichten auf dem Kapitalmarkt sollen einen Unterfall der deliktisch begründeten Verkehrssicherungspflichten bilden. Auf diese Weise können unter anderem Bieterpflichten im Übernahmeverfahren begründet werden171. Auch zur Herleitung der Grundsätze der Prospekthaftung wurde dieser Ansatz bereits verwandt172. Der Ausbau des deliktischen Regelungsumfangs könnte zu einem kompletten Marktorganisationsrecht173 führen. Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten werden von den Vertretern dieser Lösung als Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB verstanden174. Insbesondere die Gleichbehandlungspflicht lässt sich so begründen175. Die Befürworter176 des Modells gehen von der Prämisse aus, der deliktsrechtliche Vermögensschutz sei unzureichend. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung mache es nötig, in Fällen besonderen sozialen Kontaktes oder besonderer Verantwortlichkeit auf Grund spezifischer Macht- und Vertrauenspositionen eine Haftung für den sorgfältigen Umgang mit fremdem Vermögen entstehen zu lassen177. Speziell auf ein Übernahmeverfahren bezogen könnten sich Schutzpflichten für fremdes Vermögen daraus begründen lassen, dass der professionell, informationell und wirtschaftlich Überlegene Verantwortung für die auf ihn angewiesenen Personen zu tragen hat178. 171

Grundlegend hierzu Mertens, AcP 178 (1978) 226, 231 ff. Die von der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 71, 284; BGHZ 123, 106, 110) entwickelte Prospekthaftung leitet sich aus dem Rechtsinstitut der cic ab; Assmann versuchte eine neue Lösung über im Deliktsrecht angesiedelte kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten, Assmann, Prospekthaftung, S. 252 ff. 173 Assmann ZBB 1989, 49, 63; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 273. 174 Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 75; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 260 f. 175 Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 272 f., der im Ergebnis aber diesen Begründungsansatz angesichts methodischer und rechtspolitischer Bedenken hinter den mitgliedschaftlichen Treuepflichten zurückstellt, S. 276. 176 Entwickelt wurde dieser Ansatz grundsätzlich von Mertens, AcP 178 (1978), 227; aufgegriffen wurde er von Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 260 ff. 177 Mertens MK, 1997, § 823 Rn. 10. 178 Diese Fallgruppe ist dem Katalog von Schutzpflichten entnommen, den Mertens in MK, 1997, § 823 Rn. 473 f. vorstellt. 172

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

Jedoch wird die Qualifizierung richterlicher Verkehrspflichten als Schutzgesetze im Sinn des § 823 II weitgehend abgelehnt179. Systematisches Gegenargument ist, dass § 823 II BGB außerdeliktische Normen in das Deliktsrecht transportieren soll180. Verkehrspflichten sind aber gerade Normen des Deliktsrechts. Sie dienen dazu, mittelbare Eingriffe oder Handlungen durch Unterlassen unter § 823 I BGB zu subsumieren181. Es würde zu einer Entleerung des § 823 I BGB führen, wenn mittelbare Verletzungen und Handlungen durch Unterlassen aus § 823 I herausgelöst und in § 823 II BGB eingeführt würden. Die Verletzung von Verkehrspflichten allein ist keine selbständige deliktische Handlung182. Zudem würde durch die Anerkennung der Verkehrspflichten als Schutzgesetze das Deliktsrecht durch ein Haftungssystem ergänzt, das von Richtern autonom geschaffen wird183. Es ist aber mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung unvereinbar, die Herausbildung eines eigenständigen Haftungssystems allein der richterlichen Rechtsfortbildung zu überlassen. Ihr fehlte die gesetzliche Legitimation, sie ist von den zu entscheidenden Einzelfällen abhängig. Letztlich würde der Versuch, Verhaltenspflichten als Schutzgesetze des § 823 II BGB anzuerkennen, eine einschneidende Veränderung des Deliktsrechts bedeuten. Es führte nämlich zu einer nahezu uferlosen Haftung für nur fahrlässig verursachte Vermögensschäden184. Im Ergebnis konnte sich die Auffassung nicht durchsetzen, die Verkehrspflichten als Schutzgesetze im Sinn des § 823 II BGB ansehen wollte. Für das Übernahmerecht bedeutete dies, dass das Deliktsrecht nicht die geeignete Grundlage sein konnte, um Verhaltenspflichten des Bieters bei Übernahmeverfahren zu begründen185. 179 Assmann/Bozenhardt, in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 75; in FN 400 favorisieren die Verfasser zunächst zwar dieses Modell, sehen aber die Akzeptanzschwierigkeiten; daher nehmen sie von einer ausführlicheren Darstellung Abstand. 180 Larenz/Canaris, Schuldrecht, 1994, S. 405. 181 Hager in Staudinger, 1999, § 823 Rn. E4; Larenz/Canaris § 76 III 2 a. 182 Canaris in Festschrift Larenz, 1983, S. 83; Larenz/Canaris, Schuldrecht, 1994, S. 406. 183 Picker, JZ 1987, 1042, 1047; ders., AcP 183 (1983), 489 ff. 184 Larenz/Canaris, Schuldrecht, 1994, S. 405. 185 Selbst die Befürworter dieses Modells wagten nicht dessen vollständige Entwicklung. Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebot, 1990, FN 400 wollen ihre Untersuchung nicht mit der Entfaltung der Grundlagen dieses Konzepts überfrachten; Bozenhardt, Freiwillige Übernahmeangebote, 1990, S. 78, meint bei realistischer Betrachtung sei mit der Verfolgung des deliktischen Ansatzes nicht zu rechnen; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 276 zweifelt an der Akzeptanz des deliktischen Ansatzes durch die Rechtsprechung; Assmann, Prospekthaf-

A. Regelungsversuche von Übernahmeangeboten in der Vergangenheit

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5. Zusammenfassung Im Ergebnis lassen sich mögliche Lücken im Anwendungsbereich des WpÜG mit Hilfe des Rechtsinstituts der cic und der gesellschafterlichen Treuepflicht schließen. Aus cic können Aufklärungs-, Informations-, Schutz-, Fürsorge- und Obhutspflichten des Bieters gegenüber den adressierten Aktionären vom Zeitpunkt der Angebotsabgabe an hergeleitet werden. Die gesellschafterliche Treuepflicht verlangt vom Bieter ein rücksichtsvolles Verhalten gegenüber den Aktionären, bewirkt Minderheitenschutz und ist insbesondere geeignet die Pflicht zur Gleichbehandlung zu begründen. Voraussetzung ist aber, dass der Bieter bei Durchführung des Übernahmeangebots bereits Gesellschafter im Zielunternehmen ist. Nur mit erheblichem Begründungsaufwand lassen sich diese Verhaltenspflichten in das Anbahnungsstadium der Mitgliedschaft transportieren. Dagegen ist der deliktische Begründungsversuch nicht tragfähig.

III. Weitere spezialgesetzliche Verhaltenspflichten des Bieters Neben dem speziellen Übernahmerecht können auch Vorschriften anderer Spezialgebiete des Kapitalmarktrechts Verhaltenspflichten des Bieters begründen. Beispielsweise kann er einer kartellrechtlichen Anmeldepflicht unterliegen186. Zweck der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle ist es, eine übermäßige Unternehmenskonzentration zu verhindern, einer Verschlechterung der Marktstruktur und den Gefahren der Marktbeherrschung vorzubeugen187. Dieser Schutzzweck ist aber losgelöst von der Form des Zusammenschlusses, etwa durch Übernahmeangebote, weshalb hier auf eine vertiefte Betrachtung verzichtet werden kann. Des Weiteren unterliegt der Bieter wie jeder Teilnehmer am Kapitalmarkt dem Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation188. Ihm ist beispielsweise untersagt, in Vorbereitung seines Übernahmeangebots durch ein gezieltes An- oder Verkaufsverhalten den Kurs der Papiere der Bietergeselltung, S. 309 gibt zu, dass die Rechtsprechung voraussichtlich im Bezug auf die Prospekthaftung an der Rechtsfigur der cic festhalten wird und dass seine Skizze der verkehrspflichtorientierten und kapitalmarktbezogenen Prospekthaftung die Gefahr praktischer Irrelevanz in sich trägt. 186 §§ 35 ff. GWB und §§ 1 ff. Fusionskontrollverordnung, VO 139/2004 vom 20.01.2004 ABlEG Nr. L 24/1 v. 29.01.2004. 187 Mestmäcker in Immenga/Mestmäcker; GWB, 2001, vor § 35 Rn. 26 ff.; Emmerich, Konzernrecht, 2001, S. 251. 188 §§ 20 a WpHG; vgl. noch zur alten Fassung des WpHG Fürhoff/Schuster, BKR 2003, 134 f.; Großmann/Nicoleyczik, DB 2002, 2031, 2033 f.

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

schaft absichtlich in die Höhe zu treiben, bzw. denjenigen der Papiere der Zielgesellschaft negativ zu beeinflussen189. Außerdem muss jeder Anteilsinhaber eine maßgebliche Veränderung seiner Beteiligung in einem Unternehmen sowohl der Gesellschaft selbst als auch der BAFin mitteilen190. Betroffen sein kann der Bieter vom Insiderrecht, wonach ihm einerseits der Erwerb und die Veräußerung von Insiderpapieren sowie die Weitergabe von Insiderinformation verboten ist und er andererseits jede Insiderinformation, die ihn als Emittenten unmittelbar betrifft, veröffentlichen muss. Das genaue Zusammenspiel dieser kapitalmarktrechtlichen Vorschriften mit dem Übernahmerecht wird im Sachzusammenhang der einzelnen Bieterpflichten erörtert191.

B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz I. Anwendungsbereich und Systematik des WpÜG Am 01.01.2002 trat das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz in Kraft, welches fortan die Durchführung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht regelt192. Anwendbar ist das WpÜG auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren193, die von einer entsprechenden Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind194. Als Zielgesellschaft kommen nur Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaften auf Aktien mit Sitz im Inland in Betracht195. Als organisier189 Siehe zu diesen „effektiven Geschäften“ Ziouvas, ZGR 2002, 113, 130, 133; Großmann/Nikoleyczik, DB 2002, 2031, 2034; noch zu § 88 a BörsG a. F. Assmann, ZGR 2002, 697, 723. 190 § 21 WpHG, § 20 AktG. 191 Siehe S. 243 f. und S. 227. 192 Siehe dazu Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002; Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002; KK-WpÜG, 2003; Ehricke u. a., WpÜG, 2003; MK-WpÜG, 2003; Baums u. a., WpÜG, 2004; Assmann u. a., WpÜG, 2005; Hopt, ZHR 166 (2002), 383; Krause, ZGR 2002, 500; ders., NJW 2002, 705; Thoma, NZG 2002, 105; Cahn/Senger, FB 2002, 277; Tröger, DZWir 2002, 353; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52; Assmann, AG 2002, 114; Zschocke, DB 2002, 79. 193 Siehe zur Legaldefinition des Wertpapierbegriffs § 2 II (Paragraphen ohne Gesetzesangaben sind im Folgenden solche des WpÜG); zu den mit Aktien vergleichbaren Wertpapieren zählen beispielsweise Zwischenscheine und Zertifikate, die Aktien vertreten; zu den Wertpapieren, die den Erwerb von Aktien zum Gegenstand haben, zählen Wandelschuldverschreibungen oder Optionsscheine oder -anleihen; vgl. Krause, NJW 2002, 705, 706; Hopt, ZHR 161 (2002), 383, 394. 194 § 1. 195 § 2 III.

B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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ter Markt gilt der amtliche Handel oder der geregelte Markt einer Börse im Inland bzw. eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums196. Der Begriff des Angebots ist dreigeteilt und erstreckt sich auf bloße Erwerbsangebote, die nicht auf einen Kontrollwechsel ausgerichtet sind, auf freiwillige Übernahmeangebote, welche den Kontrollerwerb zum Ziel haben und auf Pflichtangebote197. Das Angebot muss ein öffentliches sein. Dieser zentrale Grundbegriff des WpÜG wird nicht näher definiert. Einigkeit besteht dahingehend, dass das Angebot mittels eines allgemein zugänglichen Mediums zu unterbreiten ist und sich an einen „unbestimmten, individuell weder begrenzten noch begrenzbaren Personenkreis“ richten muss198. Das WpÜG regelt jeweils den Verfahrensablauf der drei genannten Angebotsformen. Hierfür normiert es unterschiedliche Verhaltenspflichten der Verfahrensbeteiligten je nach Angebotsart. Hauptadressat dieser Pflichten ist der Bieter. Es werden aber auch Verhaltenspflichten der Verwaltung der Zielgesellschaft festgeschrieben. Das WpÜG bedient sich einer komplizierten Verweissystematik, indem es versucht, allgemeine Anforderungen vor die Klammer zu ziehen199. Es verfolgt einen pyramidenförmigen Schachtelaufbau, wobei die Regeln der allgemeinsten Angebotsform, nämlich des Erwerbsangebots, die Basis bilden200, auf der die Verhaltensanforderungen für das freiwillige Übernahmeangebot201 und für das Pflichtangebot202 jeweils in zweiter und dritter Stufe aufbauen. Auf jeder Stufe kommen zusätzliche, gefahrenspezifische Verhaltenspflichten für die Beteiligten hinzu203. 196 § 2 VII; als geregelter Markt einer Börse im Inland gilt der Geregelte Markt im Sinne der § 71 BörsG. Zu den organisierten Märkten im Ausland zählen die von Art. 1 Nr. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (AblEG Nr. L 141, S. 27 vom 10.5.1993) erfassten Märkte in anderen Staaten des EWR, welcher seinerseits in § 2 VIII definiert ist. 197 § 2 I; vgl. Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 29 f.; Assmann, AG 2002, 114; Thoma, NZG 2001, 105, 106. 198 Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 1 Rn. 17; siehe auch Fleischer, ZIP 2001, 1653, der einem funktionalen Begriffsverständnis folgen möchte und das öffentliche Angebot als eine „Offerte an einen größeren Publikumskreis in einem jedermann zugänglichen Medium“ definiert (S. 1660); des Weiteren Versteegen in KK-WpÜG, 2003, § 2 Rn. 45 ff., Baum, AG 2003, 144 ff.; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 393. 199 Assmann, AG 2002, 114. 200 Abschnitt 3 des WpÜG, §§ 10–28. 201 Abschnitt 4 des WpÜG, §§ 29–34. 202 Abschnitt 5 des WpÜG, §§ 35–39. 203 So ordnet § 34 WpÜG an, dass für Übernahmeangebote die Vorschriften des 3. Abschnitts gelten, soweit sich aus den vorstehenden Vorschriften nichts anderes ergibt; dieses Konzept fortführend verweist § 39 auf die Vorschriften des 3. und 4. Abschnitts, wobei einzelne Normen angesichts der spezielleren Regelung in §§ 35 ff. ausdrücklich ausgenommen sind.

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

Neben den materiellen Regelungen zur Durchführung der drei Angebotsarten enthält das WpÜG formelle Regelungen über die Aufsichtsbehörde204, das Verfahren205, die Rechtsmittel206, die Sanktionen207 und die gerichtliche Zuständigkeit208. Das WpÜG ermächtigt in unterschiedlichen Vorschriften das Bundesministerium der Finanzen zum Erlass von einzelnen normkonkretisierenden Rechtsverordnungen. Demzufolge erging erstens die Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots, kurz WpÜG-Angebotsverordnung209. Zweitens wurden die Verordnung über Gebühren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, drittens die Verordnung über die Zusammensetzung des Widerspruchsausschusses und zuletzt die Verordnung über die Zusammensetzung, die Bestellung der Mitglieder und das Verfahren des Beirats beim Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel verabschiedet.

II. Wesentliche Konzepte des WpÜG 1. Der Kontrollbegriff Es wurde bereits allgemein festgestellt, dass der Begriff des Kontrollerwerb im Zielunternehmen von zentraler Bedeutung für jedes Übernahmerecht ist. So dient er auch im deutschen Recht zur Abgrenzung eines Übernahmeangebotes von einem bloßen Erwerbsangebot. § 29 I210 definiert als Übernahmeangebot jedes Angebot, welches auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet ist. Zweitens ist der Kontrollerwerb in einem Zielunternehmen gem. § 35 I in Verbindung mit Abs. II Tatbestandsmerkmal für die Abgabe eines Pflichtangebots. Des Weiteren wird im WpÜG definiert, unter welchen Voraussetzungen von einem Kontrollerwerb auszugehen ist. Wie bereits erläutert, ist der effektive Kontrollerwerb in einem Zielunternehmen ein nur schwer fassbarer Vorgang211. Er ist einzelfallabhängig und stetigen Schwankungen unterwor204 205 206 207 208 209 210 211

Abschnitt 2 des WpÜG §§ 4–9. Abschnitt 6 des WpÜG, §§ 40–47. Abschnitt 7 des WpÜG, §§ 48–58. Abschnitt 8 des WpÜG, §§ 59–65. Abschnitt 9 des WpÜG, §§ 66–68. Im Folgenden bezeichnet als WpÜG-AVO. Paragraphen ohne Gesetzesbezeichnung zählen zu denjenigen des WpÜG. Siehe zum Kontrollbegriff oben, S. 27 ff.

B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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fen. Außerdem ist die hierfür erforderliche Beteiligungshöhe nicht exakt bestimmbar. Der deutsche Gesetzgeber hat sich daher zur Normierung einer fixen Kontrollschwelle entschieden. § 29 II definiert Kontrolle im übernahmerechtlichen Sinn als das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte in einer Zielgesellschaft212. Da an den Kontrollerwerb oder dessen Beabsichtigung weitreichende Rechtsfolgen, wie die Abgabe eines Pflichtangebots oder die Auslösung strengerer Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten geknüpft werden, soll die fixe Kontrollschwelle Rechts- und Planungssicherheit aller Beteiligten bei Übernahmeverfahren gewährleisten213. Umgekehrt nimmt der deutsche Gesetzgeber hin, dass durch dieses starre Kriterium zwangsläufig in Einzelfällen das Regulierungsziel verfehlt werden muss214. Für den Fall des Pflichtangebots heißt das, dass ein solches nicht ausgelöst wird, wenn ein Anteilsinhaber die 30%-Schwelle zwar nicht überschreitet, aber auf Grund der Anlegerstruktur bzw. der regelmäßigen Hauptversammlungspräsenz im Einzelfall die Kontrolle bereits auf Grund einer Beteiligung unterhalb dieser Schwelle erreicht hat215. Im umgekehrten Fall hingegen, wenn trotz Überschreitens der 30%-Schwelle der effektive Kontrollerwerb nicht erreicht wurde, ist eine gewisse Flexibilität möglich, da der Gesetzgeber entsprechende Befreiungstatbestände von der Angebotspflicht gem. § 37 in Verbindung mit § 8 WpÜG-AVO vorsieht216.

212 Siehe von Bülow, KK-WpÜG, 2003, § 29 Rn. 69, der von einem „formellen Kontrollbegriff“ spricht; Thoma, NZG 2002, 105, 111 bezeichnet ihn als „abstrakten Kontrollbegriff“; des Weiteren Tröger, DZWir 2002, 397; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 768, 772 f.; Cahn/Senger, FB 2002, 277, 285 f. 213 Tröger, DZWir 2002, 397; Krause, WM 1996, 893, 899; Meyer in Geibel/ Süßmann, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 14; Möller in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 29 Rn. 15; Zinser, NZG 2001, 391, 396; ders., NZG 2000, 573, 578; Houben WM 2000, 1879, Roth/Zinser, EWS 2000, 233, 238. 214 Kleindiek, ZGR 2002, 546, 563; Krause, WM 1996, 893, 899; Theater, NZG 2002, 105, 111. 215 Beispielhaft führt Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1225 die letzten Hauptversammlungen von VW an, auf denen – bedingt durch die Sonderregeln des VW-Gesetzes – nur 36,63% der Stimmrechte vertreten waren. Die Hauptversammlungsmehrheit steht dem Land Niedersachsen bereits mit einem Stimmrechtsanteil von lediglich 20% zu. 216 Kleindiek, ZGR 2002, 546, 563; wenn der Bieter also die 30%-Schwelle überschreitet, aber aufzeigen kann, dass er die Kontrolle im Einzelfall dennoch nicht übernehmen konnte, wird er von der Verpflichtung zur Angebotsabgabe vom Bundesaufsichtsamt befreit.

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

2. Berücksichtigung mit dem Bieter zusammenwirkender Dritter Oftmals würde es übernahmerechtlich zu kurz greifen, wenn nur die Stimmrechte des Bieters selbst oder allein sein Verhalten Konsequenzen für das Übernahmeverfahren entfalten würde. Um Umgehungsmöglichkeiten des Bieters durch Einschaltung Dritter zu unterbinden, wurden insbesondere die Konzepte der gemeinsam handelnden Personen entwickelt und des acting in concert aus dem britischen Recht übernommen. a) Gemeinsam handelnde Personen Das Konzept der gemeinsam handelnden Personen217 zieht sich durch das gesamte WpÜG. Personen handeln gemeinsam, wenn sie ihr Verhalten im Hinblick auf ihren Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft oder ihre Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft mit dem Bieter auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmen218. Ist das gemeinsame Handeln festgestellt, ergeben sich daraus Konsequenzen für die Verhaltenspflichten des Bieters im Übernahmeverfahren. So beziehen sich beispielsweise die Veröffentlichungspflichten des Bieters im Übernahmeverfahren bezüglich seines Anteilsbestands nicht nur auf die von ihm gehaltenen Stimmrechte, sondern zusätzlich hat er die Anzahl der Stimmrechte der mit ihm gemeinsam handelnden Personen zu benennen219. Oder der Bieter darf in sein Angebot keine Bedingung aufnehmen, auf deren Eintritt er selbst oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen allein Einfluss haben220. Auch haben die Vorerwerbe dieser Personen Einfluss auf die Preisbestimmung im Übernahmeangebot221. b) Zurechnungstatbestände Eine ähnliche, wenn auch engere Zielrichtung verfolgt § 30, der dem Bieter bestimmte Stimmrechte Dritter zurechnet. Damit wird erreicht, dass es für die Ermittlung des Kontrolltatbestands im Sinne des § 29 II nicht al217

Siehe Legaldefinition § 2 V. Als Vereinbarung gilt jede förmliche oder formlose, ausdrückliche oder stillschweigende Willenseinigung zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten. Für die Abstimmung in sonstiger Weise muss eine bewusste praktische Zusammenarbeit vorliegen, Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 2 Rn. 26; Versteegen, KKWpÜG, 2003, § 2 Rn. 159 ff. 219 § 23 I. 220 § 18 I. 221 § 31 III, IV und V. 218

B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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lein auf die formelle Rechtsinhaberschaft an den stimmberechtigten Aktien sondern auch auf die tatsächliche Stimmrechtsherrschaft ankommt222. Die Zurechnung von Stimmrechten hat die weitreichende Konsequenz, dass der Bieter zur Abgabe eines Pflichtangebots gezwungen sein kann, obwohl er selbst nicht unmittelbar über 30% der Stimmrechte verfügt223. Von § 30 I werden Sachverhalte erfasst, in welchen der Bieter regelmäßig auf die Stimmrechtsausübung des Dritten Einfluss nehmen kann bzw. eine solche Vermutung besteht224. § 30 II enthält eine dem City Code angelehnte Zurechnungsvorschrift225 für die Fälle abgestimmten Verhaltens, international unter acting in concert zusammengefasst226. Im deutschen Recht fällt hierunter schon das bloß abgestimmte Stimmverhalten mehrerer Anteilsinhaber227. Um allerdings eine uferlose Ausdehnung dieses Zurechnungstatbestands und seiner weitreichenden Konsequenzen zu vermeiden, hat die Rechtsprechung mittlerweile engere Konturen entwickelt228. Es muss zunächst zumindest ein bewusster, interaktiver Kommunikationsprozess stattfinden, um von einem abgestimmten Verhalten ausgehen zu können229. Allein die Verfolgung paralleler geschäftlicher Interessen reicht nicht aus, es muss ein Kontakt bestehen, der über die normale soziale Bindung hinausgeht. Zudem muss der Dritte bewusst mit dem Bieter mit dem Ziel zusammenarbeiten, die Mitgliedschaftsrechte der Zielgesellschaft zu koordinieren und kontinuierlich auszuüben.230. Eine Nachhaltigkeit der Einflussnahmen 222 Von Bülow, KK-WpÜG, 2003, § 30 Rn. 4; Casper, ZIP 2003, 1469; Seibt, ZIP 2004, 1829, 1830. 223 Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 410 f.; Krause, ZGR 2002, 500, 511 f.; Franck, BKR 2002, 709, 710. 224 Beispielsweise kann der Bieter sicherlich die Stimmrechtsausübung eines Tochterunternehmens oder eines Dritten, der dieselben für Rechnung des Bieters hält, bestimmen (§ 30 I Nr. 1 und 2). In Fällen, in denen der Bieter die Stimmrechte durch einseitige Willenserklärung erwerben kann, ist von einer entsprechenden Einflussnahme ebenfalls auszugehen, wobei eine solche lediglich vermutet werden kann, siehe von Bülow, KK-WpÜG, 2003, § 30 Rn. 2. 225 Rule 9.1. 226 International wird der Begriff „acting in concert“ allerdings nicht einheitlich verstanden, vgl. von Bülow, KK-WpÜG, 2003, § 30 Rn. 106; Casper, ZIP 2003, 1469; Pentz, ZIP 2003, 1478; Seibt, ZIP 2004, 1829. 227 Zur Unsicherheit im Zusammenhang mit der Weite des Tatbestands siehe Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1008. 228 Wegweisend war die Pixelpark-Entscheidung des OLG Frankfurt/M., ZIP 2004, 1309; im Fall WMF Württembergische Metallwarenfabrik AG, LG München I, ZIP 2004, 1101; zum Fall Beiersdorf AG siehe Pressemitteilung der BaFin v. 23.1.2004, „Kein Acting in Concert bei Beiersdorf AG“. 229 OLG Frankfurt/M. ZIP 2004, 1309, 1312; OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, 1977, 1980. 230 OLG Frankfurt/M. ZIP 2004, 1309, 1312; siehe auch Casper, ZIP 2003, 1469, 1476.

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

ist erforderlich231. Die Abstimmung muss einen konkreten gesellschaftsrechtlichen Bezug gerade zur Zielgesellschaft aufweisen. 3. Allgemeine Grundsätze Das WpÜG orientiert sich am City Code und den diversen Richtlinienentwürfen, wenn es in § 3 Allgemeine Grundsätze des Übernahmerechts den detaillierteren Regelungen vorschaltet. Sie haben die Aufgabe als eine Art Programmsätze232 die generelle Zielrichtung des WpÜG vorzugeben, können aber auch bei der Auslegung speziellerer Vorschriften herangezogen werden233. Die drei Säulen der Verhaltenspflichten des Bieters sind aus den Allgemeinen Grundsätzen leicht abzulesen. Gleichbehandlungspflicht, Informationspflicht und festgelegtes Übernahmeverfahren sind die zentralen Vorgaben an den Bieter, die bei Durchführung seines Übernahmeangebots zu beachten hat234. Als erster und zugleich zentrale Grundsatz des WpÜG wird die Gleichbehandlungspflicht vorangestellt235. Er soll die Funktionsfähigkeit des Unternehmenskontroll- und Kapitalmarktes gewährleisten236. Die Inhaber von Wertpapieren gleicher Gattung der Zielgesellschaft sind danach gleich zu behandeln. Dieser Grundsatz findet an verschiedenen Stellen des WpÜG konkretere Ausprägung. Zu nennen sei hier exemplarisch die Zuteilungspflicht bei Teil- (Erwerbs-)Angeboten, die Orientierung an Vorerwerben bei der Mindestpreisregel, Nachbesserungspflichten oder das Verbot eines Teilangebots bei Übernahmeangeboten237. Gleichzeitig beansprucht das Gleichbehandlungsprinzip unmittelbare Geltung und bestimmt grundlegend die Gestaltung und Abwicklung des Angebots238. Beispielsweise scheitert die Zulässigkeit sogenannter Staffelangebote, welche die Höhe der Gegenleistung vom Zeitpunkt der Annahme des Angebots abhängig machen, unmit231 So schon von Bülow, KK-WpÜG, 2003, § 30 Rn. 108; Schwark/Noack, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 2003, § 30 Rn. 11. 232 Versteegen, KK-WpÜG, 2003, § 3 Rn. 2. 233 Begründung WpÜG; Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 35. 234 Siehe zur allgemeinen Bedeutung dieser Grundsätze S. 49 f. 235 Siehe zu diesem schon vorne, S. 51. 236 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 3 Rn. 1. 237 Auch die Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 35 verweist ausdrücklich auf §§ 19, 31, 32, siehe auch Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 400; Versteegen, KK-WpÜG, 2003, § 3 Rn. 13; Schüppen in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 3 RN 6; Cahn/Senger, FB 2002, 277, 281; Möller in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 3 Rn. 13. 238 Versteegen, KK-WpÜG, 2003, § 3 Rn. 13; in diese Richtung auch Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 400.

B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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telbar am allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz239. Nur Inhaber von Wertpapieren derselben Gattung sind gleich zu behandeln. Hauptfall unterschiedlicher Gattungen sind innerhalb der Aktie die Stamm- und Vorzugsaktien240. Diese sind jeweils mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet, weshalb eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Zweites wesentliches Grundprinzip des WpÜG ist die Gewährleistung umfassender Information bei Übernahmeverfahren241. Die Aktionäre sollen in die Lage versetzt sein, über die Annahme eines Übernahmeangebots auf der Grundlage von ausreichender Information, in Kenntnis der Sachlage in einem genügend langen Zeitraum entscheiden zu können. Nur wenn dies gewährleistet ist, kann das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt und dessen institutionelle Funktionsfähigkeit gewahrt bleiben242. In Ausprägung dieses Grundsatzes etabliert das WpÜG umfassende Informationspflichten des Bieters zu den verschiedensten Zeitpunkten des Übernahmeverfahrens. Zuerst hat er unverzüglich seine Entscheidung zur Angebotsabgabe zu veröffentlichen, er muss eine umfassend ausgestaltete Angebotsunterlage veröffentlichen und hat nach Angebotsabgabe in regelmäßigen Abständen die Zahl der eingegangen Annahmeerklärungen mitzuteilen. Die Funktion des § 3 II erschöpft sich aber in der Darstellung des gesetzgeberischen Anliegens und entfaltet keine unmittelbare Geltung243. Der dritte Grundsatz ist nicht an den Bieter, sondern an den Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft adressiert, welche im Interesse der Zielgesellschaft handeln müssen. Im vierten der Allgemeinen Grundsätze wird der Bieter angehalten, das Verfahren rasch durchzuführen, damit die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert wird. Der durch ein Angebotsverfahren entstehende Schwebezustand, die damit verbundene Unsicherheit und die Beeinträchtigung der Zielgesellschaft in ihrem Tagesgeschäft sind im Interesse des Bieters, der Zielgesellschaft, deren Wertpapierinhabern und des gesamten Kapitalmarktes auf einen möglichst kurzen Zeitraum zu beschränken244. Insbesondere die zahlreichen Fristbestimmungen245 dienen der Beschleunigung des Übernahmeverfahrens 239

Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034 S. 35. Versteegen, KK-WpÜG, 2003, § 3 Rn. 18. 241 Siehe S. 49. 242 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 3 Rn. 20; Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.316. 243 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 3 Rn. 19; Versteegen, KK-WpÜG, § 3 Rn. 30 f.; Schüppen in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 3 Rn. 7, 11. 244 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 35; siehe auch S. 50. 240

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

und konkretisieren diesen allgemeinen Grundsatz. Aber auch Vorgaben zur Aufnahme von Bedingungen in das Angebot, zu Rücktritts- oder Widerrufsvorbehalt, zur Änderung und Finanzierung des Angebots, zur invitatio ad offerendum und zu konkurrierenden Angeboten zählen zu den Verfahrensvorschriften, die einen raschen und möglichst reibungslosen Ablauf des Übernahmeverfahrens ermöglichen. Schließlich dürfen beim Handel mit Wertpapieren der Ziel- bzw. Bietergesellschaft oder anderer betroffener Gesellschaften keine Marktverzerrungen geschaffen werden. Im Übernahmerecht kommt diesem Grundsatz nur geringe Bedeutung zu, da durch umfassende Informations- und Offenlegungspflichten das Potential des Bieters zur Marktmanipulation ohnehin eingeschränkt ist. Zudem sind die spezialgesetzlichen Bestimmungen des Insiderrechts (§§ 14, 38 WpHG) und des allgemeinen Verbots der Kursund Marktpreismanipulation (§ 20 a WpHG)246 der Bestimmung des § 3 V insofern überlegen als sie angesichts schärferer Strafen leichter durchsetzbar sind247.

III. Aufsichtsbehörde und Sanktionen Das WpÜG beinhalten neben den materiellrechtlichen Vorschriften zur Regelung von Übernahmeverfahren zudem verfahrensrechtliche Normen. Die Aufsicht über die Durchführung von Übernahmeangeboten wird im zweiten Abschnitt des WpÜG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs245 Beispielsweise gibt § 14 WpÜG einen engen Zeitrahmen für die Durchführung von Übernahmeangeboten vor, welcher mit der Veröffentlichung der Entscheidung zur Angebotsabgabe beginnt; auch gibt § 16 I eine maximale Annahmefrist vor; des Weiteren sorgt § 25, welcher die unverzügliche Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses des Bieterunternehmens fordert, für eine zügige Abwicklung des Übernahmeverfahrens; siehe Schüppen in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 3 Rn. 19. 246 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 35, welcher noch auf § 88 a BörsG verweist. Das Verbot der Kursmanipulation wurde durch das 4. FMFG jedoch in das WpHG überführt. Im Übernahmerecht enthält einzig § 10 I S. 3 einen Hinweis auf die Vermeidung von Marktverzerrung. Danach kann der Bieter von der Veröffentlichung seiner Entscheidung zur Angebotsabgabe nur dispensiert werden, wenn Marktverzerrungen aus einer solchen Entscheidung nicht zu befürchten sind. 247 Sowohl der Insiderhandel als auch die Kursmanipulation können als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden und darüber hinaus auch einen Straftatbestand erfüllen, siehe § 38 WpHG; dagegen kann die Aufsichtsbehörde wegen eines Verstoß gegen § 3 V WpÜG nur im Wege der Missbrauchsaufsicht gem. § 4 I S. 3 WpÜG einschreiten und anordnen, der Betreffende habe sein manipulatives Verhalten zu unterlassen, siehe Assmann, AG 2002, 114, 116; Versteegen, KK-WpÜG, 2003, § 3 Rn. 53.

B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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aufsicht, im Folgenden kurz als BAFin bezeichnet, zugewiesen. Im sechsten Abschnitt sind verfahrensrechtliche Befugnisse der BAFin normiert. Diese kann gegen die Beteiligten bei Verstoß gegen ihrer Rechtspflichten bestimmte Sanktionen verhängen, welche im achten Abschnitt zusammengefasst sind. Der siebte Abschnitt enthält Regelungen bezüglich der möglichen Rechtsmittel gegen entsprechende Anordnungen der BAFin. 1. Aufgaben der BAFin Für die Gewährleistung eines verlässlichen und fairen Übernahmeverfahrens durch das WpÜG muss insbesondere die praktische Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit dessen materiellrechtlicher Normen sichergestellt sein. Zu diesem Zweck ordnet das WpÜG für Übernahmeverfahren erstmals eine staatliche Aufsicht an. Gem. § 4 wird die Überwachung aller Übernahmeverfahren der durch das 4. FMFG neu gegründeten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zugewiesen248. Diese übt sektorübergreifend die staatliche Aufsicht über den gesamten Finanzmarkt aus. Die Aufsichtskompetenz des ehemals zuständigen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel für Übernahmeverfahren wurde auf die BAFin überführt249. Es wird für Übernahmeverfahren ein Kontrollgremium etabliert, dessen Neutralität gewährleistet ist und welches zugleich über hoheitliche Befugnisse verfügt, um wirkungsvolle Sanktionen zu verhängen250. Die Aufsichtsbehörde kann den Vorschriften des WpÜG zur verbesserten Geltung verhelfen, indem sie schnell und flexibel in Übernahmeverfahren eingreifen und deren ordnungsgemäße Abwicklung erzwingen kann. Durch die Schaffung eines Beirats251 und eines Widerspruchsausschusses252 soll gleichzeitig der Sachverstand 248 Im Folgenden als BAFin bezeichnet. Gegründet wurde diese mit dem Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002(§ 1 I FinDAG) zum 1.5.2002 in Form einer bundesunmittelbaren, rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Die BAFin nimmt den Status einer allgemeinen Kapitalmarktaufsichtsbehörde ein und ist unter anderem für die Erfüllung der durch das WpHG und WpÜG übertragenen Aufgaben zuständig, § 4 I FinDAG; siehe dazu Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 390; Binder, WM 2001, 2230; Fürhoff/Schuster, BKR 2003, 134 ff. 249 Zusammengelegt wurden hierbei das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen und das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel in einer Behörde, der neu gegründeten BAFin. 250 Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 31. 251 § 5, der Beirat setzt sich gem. Abs. I aus Vertretern der Emittenten, der institutionellen und privaten Anleger, Vertretern von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Arbeitnehmern und Wissenschaft zusammen. Aufgabe des Beirates ist, bei der Aufsicht beratend mitzuwirken. 252 § 6, dieser entscheidet über Widersprüche gegen Verfügungen des Bundesaufsichtsamtes.

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3. Teil: Die Regelung von Übernahmeangeboten im deutschen Recht

der Wirtschaft, sowie der Anleger und Arbeitnehmer in die Aufsicht einbezogen werden253. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirkt die BAFin einerseits aktiv an der Durchführung des Übernahmeverfahrens mit, weil ihr beispielsweise die Überprüfung des Angebots gem. § 14 WpÜG obliegt, andererseits ist sie für die Überwachung desselben zuständig und soll Missständen entgegenwirken254. § 4 I S. 3 enthält hierfür eine Generalermächtigung255, wonach die BAFin entsprechende Anordnungen treffen kann, um einen Missstand zu beseitigen oder zu verhindern. Auch vorbeugende Maßnahmen sind hiervon erfasst. Ein Missstand liegt vor, wenn im Verlauf des Übernahmeverfahrens dessen ordnungsgemäßer Ablauf beeinträchtigt wird oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt drohen256. Spezielle Ermächtigungsnormen gehen der Generalnorm vor. Hierzu zählen beispielsweise die Untersagungskompetenz des Angebots257, die Kompetenz, vom Pflichtangebot zu befreien258 oder bestimmten Arten der Werbung zu untersagen259. Zudem verfügt die BAFin über weitgehende Ermittlungsbefugnisse in der Form von Auskunfts-, Einsichts- und Betreuungsrechten (§ 40), um die Überwachung der Pflichten zu vereinfachen. 2. Sanktionen Sollte die BAFin im Rahmen der genannten Kompetenznormen Verfügungen an die Beteiligten des Übernahmeverfahrens erlassen, handelt es sich hierbei um öffentlich-rechtliche Anordnungen. Gem. § 46 kann die BAFin diese mit Zwangsmitteln nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz durchsetzen260. Zudem kann die BAFin ihre Verfügungen gem. § 44 veröffentlichen, was einer öffentlichen Rüge gleichkommt261. Die BAFin ist auch zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 60262. Verstöße gegen die Vorschriften 253

Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 31. § 4 I S. 1 und 2; vgl. hierzu Lenz/Behnke, BKR 2003, 44 f. 255 Giesberts, KK-WpÜG, 2003, § 4 Rn. 14. 256 Giesberts, KK-WpÜG, 2003, § 4 Rn. 17. 257 § 15, im Falle unvollständiger Angebotsunterlagen im Sinne von § 11 oder nicht frist- oder formgerechter Erstellung gem. § 14 kann die BAFin das Übernahmeangebot untersagen. 258 § 36. 259 § 28; siehe dazu weiter Lenz/Linke, AG 2002, 361 ff.; Lenz/Behnke, BKR 2003, 43 ff. 260 Rönnau in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, vor § 60 Rn. 6 f. 261 Rönnau in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, vor § 60 Rn. 11. 254

B. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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des WpÜG können von nun an als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert werden, was die Verhängung einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro bedeutet263. Erfasst werden insbesondere Verstöße gegen Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten wie beispielsweise ein Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung der Entscheidung zur Angebotsabgabe (§ 10 I), zur Veröffentlichung der Angebotsunterlage (§§ 14 II, 35 II S. 1) oder zur Veröffentlichung des Beteiligungsstandes während des Übernahmeverfahrens (§ 23). Auch Zuwiderhandlungen gegen einzelne vollziehbare Anordnungen der BAFin sind gem. § 60 II bußgeldbewehrt. Weitere Sanktion des WpÜG ist der Rechtsverlust aus Aktien bei Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung oder zur Abgabe eines Pflichtangebots gem. § 59264. Dies gilt auch für Aktien, die mit dem Bieter gemeinsam handelnden Personen oder deren Tochterunternehmen gehören. Der Bieter kann den Verlust von Ansprüchen auf Dividende oder Liquidationserlös vermeiden, wenn er nachweist, dass der Verstoß nicht vorsätzlich erfolgte und die Angebotsabgabe nachgeholt wird. Verstößt der Bieter gegen seine Pflichten gem. § 35, ist er den Aktionären zudem für die Dauer des Verstoßes gem. § 38 zur Zahlung von Zinsen auf die Gegenleistung verpflichtet, was für ihn von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein kann. Die Sanktionsvorschriften des WpÜG lehnen sich an entsprechende Regelungen des WpHG an, was insbesondere bei der Ausgestaltung des Bußgeldrahmens als auch bei der Anordnung des Rechtsverlustes deutlich wird265.

262 § 61 WpÜG bezeichnet die BAFin als zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 I Nr. 1 OWiG. 263 Möller, AG 2002, 170, 174. 264 Möller, AG 2002, 170, 175. 265 Möller, AG 2002, 170, 176.

4. Teil

Das britische Vorbild und die europäische Übernahmerichtlinie Von großer Bedeutung für die deutschen Übernahmeregeln war der britische City Code on Takeovers and Mergers. Dieser trat 1968 in Kraft und verkörpert somit die älteste Übernahmeregelung in Europa. Das WpÜG ist von seinen Verfassern in voller Kenntnis des Codes und in Auseinandersetzung mit dessen Maßstäben erarbeitet worden. Wie bereits anderen kontinentaleuropäischen Übernahmeregeln diente der City Code auch für das WpÜG als Vorlage266. Angesichts der grundlegenden Einflussnahme des britischen Regelungswerks auf das deutsche WpÜG ist für die Auslegung und Kommentierung des deutschen Übernahmegesetzes auf die britischen Regeln und Erfahrungen zurückzugreifen267. Die Verhaltenspflichten des Bieters in beiden Regelungssystemen sollen einem funktionalen Rechtsvergleich unterzogen und auf diese Weise auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden. Da sich der City Code über die Jahre im Vereinigten Königreich bewährt hat und viele europäische Regelungsgeber inspirierte, ist es nicht verwunderlich, dass er auch für die Arbeiten an der europäischen Übernahmerichtlinie als Vorbild diente. Diese wurde nach jahrelanger Diskussion am 21.04.2004 durch Ministerrat und Parlament unterzeichnet.

266

Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 388; ders., ZGR 2002, 333, 334. Hopt meint in einem Beitrag „es dränge sich geradezu auf, auf die im Vereinigten Königreich gemachten Erfahrungen zurückzugreifen“ ZHR 166 (2002), 383, 388. 267

A. Regelung von Übernahmeangeboten in Großbritannien

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A. Regelung von Übernahmeangeboten in Großbritannien I. Der City Code on Takeovers and Mergers 1. Selbstregulierung der Londoner City In Großbritannien existiert seit dem 27. März 1968 der City Code on Takeovers and Mergers, der seitdem mehrfach überarbeitet wurde268. Dieser regelt hauptsächlich die Durchführung von Übernahmeangeboten in Großbritannien. Anwendbar ist dieser sowohl, wenn es sich bei der Zielgesellschaft um eine public als auch um eine private company handelt, welche nicht notwendiger Weise börsennotiert sein muss269 und im Vereinigten Königreich, der Isle of Man oder den Channel Islands ihren Sitz hat270. Erforderlich ist im Fall der private company zudem, dass in den vergangenen zehn Jahren Aktien der Gesellschaft öffentlich gehandelt wurden271. Wesentliches Merkmal des City Codes ist sein Charakter als Instrument freiwilliger Selbstkontrolle. Er besitzt keinerlei Gesetzeskraft272, sondern beinhaltet als Verhaltenskodex die nach Auffassung seiner beteiligten Verfasser good business standards, die bei einem Übernahmeverfahren beachtet werden sollten273. Entworfen wurde der Code als Antwort auf die fortdauernde Kritik in den fünfziger und sechziger Jahren von Presse und Parlament, die angesichts diverser prominenter Übernahmekämpfe laut wurde274. Bereits 268 Siehe zum City Code Johnston, The City Takeover Code, 1980; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 772 ff.; Charlesworth/Morse, Company Law, 1999, S. 602 ff.; Farrar’s Company Law, 1998, S. 590 ff.; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 2002, S. 4005 ff., Stedman, Takeovers, 1993, S. 64 ff.; Stern in Button/Bolton, Takeovers and Mergers in the EU, 1999/2000, S. 551, 556 ff.; siehe für eine ausführliche Darstellung seiner Entwicklung Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 86 ff.; Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, 1996, S. 42 ff. 269 Panel statement zu Chez Nico Restaurants Ltd [1991] JBL 352; siehe auch Charlesworth/Morse, Company Law, 1999, S. 605; Stern in Button/Bolton, Takeovers and Mergers in the EU, 1999/2000, S. 551, 556. 270 Die Gesellschaft muss „resident“ in den genannten Gebieten sein, das heißt, sie muss dort inkorporiert sein und die Unternehmenszentrale bzw. der Verwaltungssitz müssen dort stationiert sein; vgl. Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 154. 271 Stedman, Takeovers, 1993, S. 50; Stern in Button/Bolton, Takeovers and Mergers in the EU, 1999/2000, S. 551, 556. 272 So heißt es bereits in dessen introduction (1) (a) „. . . the City Code has not and does not seek to have the force of Law“. 273 City Code Introduction 1 (a). 274 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 93 ff.

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4. Teil: Britisches Vorbild und europäische Übernahmerichtlinie

bei dessen Einführung wurde diskutiert, ob ein System freiwilliger Selbstkontrolle oder eine gesetzlich verbindliche Regelung vorzugswürdig sein könnte275. Die Londoner City276 war es zu dieser Zeit jedoch gewohnt ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Es handelte sich bei der City um eine enge Gemeinschaft der am Finanzdienstleistungswesen Beteiligten. Viele ihrer Institutionen schlossen sich zu Vereinigungen zusammen, die sich selbst Regeln auferlegten. Wirtschaftliche Abläufe sollten nicht durch staatliche Normen reglementiert werden, sondern sich frei durch privates Handeln entwickeln können. Die Londoner City verfügte über eine mächtige Stellung, was ihr die Einflussnahme im Wege der Selbstregulierung vereinfachte. Positionen aus Politik und Verwaltung waren in ihr eng verbunden. Tradition wurde hoch geschätzt, das Prinzip des „Fair-Play277“ wurde allseits beachtet. Es war eine Frage der Ehre, sich an die Regelungen der Gemeinschaft zu halten. Nur dadurch konnte man seinen Platz in der Londoner Finanzwelt sichern. Alle Beteiligten der City hielten sich an ihre Vorgaben, da sie alle am Funktionieren der Märkte und an dem Schutz ihrer Integrität interessiert waren278. Es herrschte unter ihnen gegenseitiges Vertrauen und Respekt. Sie verbanden sich dazu, ihre Regeln auch gegenüber der Außenwelt durchzusetzen. Der Kapitalmarkt wurde allein im Wege der Selbstregulierung geregelt. So war es nicht verwunderlich, dass sich die Finanzverbände der City of London auch im Bereich der Unternehmensübernahmen für einen Regelungsmechanismus entschieden, der eine autonome Ausarbeitung eigener Verhaltensregeln ermöglichte ohne sich einer gesetzlichen Kontrolle zu unterwerfen. Weil gegen staatliche Regulierung wirtschaftlicher Abläufe auf der Insel verbreitete Ablehnung bestand und ein freiwilliges Regelungssystem mehr Flexibilität, zweckorientierte Auslegung, eine schnellere und effizientere Verwaltung und Kostenminimierung versprach, entschied man sich in Großbritannien im Bereich der Übernahmeangebote für ein System der Selbstregulierung279.

275

Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 2002, S. 4005, Rn. 4-1002. Die „City of London“ bezeichnet ursprünglich einen Stadtteil von Greater London, in dem die Institutionen angesiedelt sind, die das finanzielle Zentrum Großbritanniens bilden. Umfaßt sind hiervon Banken, Börsen, die Stock Exchange, Devisenmärkte, Pension Funds, Versicherungsgesellschaften etc. Mit „City“ wird der gesamte Finanzdienstleistungssektor Großbritanniens bezeichnet, siehe Clarke, How the City of London works, 1991, S. 2. 277 Rider (1978) 1 JCompCorpL 319. 278 Die City of London wird auch als Gentlemen’s Club bezeichnet, eine enge Gemeinschaft sozial Gleichrangiger, Rider (1978) 1 JCompCorpL 319; für den Kontinentaleuropäer ist die „village atmosphere“ der City of London nur schwer verständlich, es herrschen peinlich genau eingehaltene Traditionen und britisches fairplay-denken vor, Langhart, Rahmengesetz und Selbstregulierung, 1993, S. 201. 276

A. Regelung von Übernahmeangeboten in Großbritannien

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2. Der Takeover Panel Zentrale Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Systems freiwilliger Selbstkontrolle kommt dem Aufsichtsorgan zu, welches die Einhaltung der Bestimmungen der Selbstregulierung zu überwachen hat. Von dessen Autorität und Einfluss ist die Wirksamkeit der Regeln der freiwilligen Selbstkontrolle maßgeblich abhängig. Zu diesem Zweck wurde 1968 der Panel on Takeovers and Mergers als private Selbstverwaltungseinrichtung geschaffen280. Er setzt sich aus neun Mitgliedern britischer Verbände zusammen, die Aktionäre oder Investoren vertreten, sowie Körperschaften, die an der Börse oder anderweitig im Aktienhandel auftreten und Vertretern der Industrie und Aktiengesellschaften281. Die Autorität des Panels leitet sich allein von den in ihm vertretenen Organisationen ab. Er gilt als „moralische Instanz282“, welche die Einhaltung des Codes auf freiwilliger Basis überwacht. Die Hauptaufgabe des Panel ist es, die faire und gleiche Behandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft in Übernahmeverfahren und die Einhaltung von good business standards sicher zu stellen283. Die Funktionen des Panels lassen sich hierfür in vier Bereiche untergliedern: Zunächst ist er allein dafür verantwortlich, Regelungen des City Codes zu entwerfen und anschließend fortwährender Verbesserung zu unterziehen284. Zweitens gibt der Panel Hilfestellung bei der Interpretation des City Codes in konkreten Situationen. Gerade weil der Code keine formelle Gesetzeskraft besitzt, können seine Vorschriften offener formuliert und mit mehr Flexibilität ausgestattet werden285. Für die Anwendung im Einzelfall hat der Panel dann beratend tätig zu werden. Drittens überwacht der Panel die Einhaltung des Codes und stellt entsprechende Nachforschungen an. 279 Zur Abwägung der Vor- und Nachteile des britischen Regelungsmodells der Selbstregulierung siehe Samuels, Code of Practice and Legislation, [1986] Statute Law Review, 29 ff.; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 224 ff. 280 Siehe zum Takeover Panel, Johnston, The City Takeover Code, 1980, S. 30 ff.; 58 ff., 125 ff.; Charlesworth/Morse, Company Law, 1999, S. 603 ff.; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 774 ff.; Lee, EWS 1990, 241, 242; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 112 ff. 281 Hierzu zählen die Issuing Houses Association, das Accepting Houses Committee, die Association of Investment Trusts, die British Insurance Association, das Committee of London Clearing Bankers, die Confederation of British Industry, die National Association of Pension Funds und der Stock Exchange, vgl. Johnston, The City Takeover Code, 1980, S. 37. 282 Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 112. 283 Lee, EWS, 1990, 241, 242; Morse, [1981] JBL 509. 284 Es wird insofern von der „legislative role“ des Panels gesprochen, Morse [1981] JBL 509, 511 ff. 285 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 2002, S. 4009, Rn. 4-1007.

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4. Teil: Britisches Vorbild und europäische Übernahmerichtlinie

Zuletzt ist es die Aufgabe des Panels, die Regeln des Codes durchzusetzen und zu diesem Zwecke Verstöße zu sanktionieren bzw. Sanktionen anzudrohen286. Das Tagesgeschäft wird von so genannten executives ausgeführt287, welche von den unterschiedlichen Institutionen der City of London abgeordnet werden. Sie sind hauptsächlich für die Beratung der Beteiligten an Übernahmeverfahren zuständig und leisten bei Auslegung der Vorschriften des Codes Hilfestellung. In letzter Konsequenz können sie auch Sanktionen auf Grund von Verstößen gegen den City Code erlassen288. Entscheidungen der executives können vom full Panel289 überprüft werden, dessen Entscheidungen wiederum durch das Appeal Committee290 kontrolliert werden. Die Panel-Entscheidungen unterliegen mittlerweile auch der eingeschränkten Kontrolle durch die ordentlichen Gerichte291. Allerdings sind zuvor sämtliche übrigen Rechtsschutzmöglichkeiten auszuschöpfen. Überprüfbar sind allein grobe Verstöße gegen die Gerechtigkeit. Im Übrigen ist die gerichtliche Kontrolle angesichts der besonderen Bedürfnisse des Kapitalmarktes nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit stark eingeschränkt292. Dem Panel steht grundsätzlich ein sehr weiter, nicht überprüfbarer Ermessensspielraum zu.

286

Morse [1981] JBL 509, 511 ff. City Code introduction (2) (a). 288 Farrar’s Company Law, 1998, S. 590; Lee, EWS 1990, 241, 242; siehe zu den Sanktionsmöglichkeiten des Panels sogleich S. 94 ff. 289 Dieser setzt sich aus einem ständigen Vorsitzenden, zwei beigeordneten Vorsitzenden sowie weiteren unabhängigen Mitgliedern und Abgeordneten der City-Institutionen zusammen. Der „full Panel“ kommt im Schnitt zehnmal im Jahr zusammen, um Berichte der „executives“ zu hören und über Berufungsfälle zu entscheiden, vgl. Lee, EWS 1990, 241, 242; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 165, 170. 290 Sollte ein Beteiligter eines Übernahmeverfahrens vom Panel eine Sanktion auferlegt werden, so ist diese Entscheidung vom Appeal Committee zu überprüfen, in welchem ein ständiger Vorsitzender (regelmäßig ein ehemaliger Richter) und zwei weitere Mitglieder der City-Institutionen vertreten sind, siehe Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 167, 174. 291 Richtungsweisend war hierzu die Entscheidung im Fall Datafin durch den Court of Appeal, R. v. Panel on Takeovers and Mergers, ex parte Datafin and another [1987] 1 QB 814 = [1987] 1 AllER 564, in welchem die „judicial review“ einer Panel-Entscheidung erstmals eingeschränkt zugelassen wurde; daran schloss sich die Entscheidung im Fall Guiness R. v. Panel on Takeovers and Mergers, [1990] 1 QB 146 = [1989] 2 WLR 863 an, in welchem die Entscheidung des Panel zum zweiten Mal der gerichtlichen Kontrolle unterzogen wurde; siehe hierzug Charlesworth/Morse, Company Law, 1999, S. 603 ff.; Farrar’s Company Law, 1998, S. 591 ff.; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 775; grundlegend auch Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 191 ff. 292 Siehe die Ausführung von Sir John in R. v. Panel on Takeovers and Mergers, ex parte Datafin and another [1987] 1 QB 814, 838. 287

A. Regelung von Übernahmeangeboten in Großbritannien

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3. Regelungsziele und Inhalte des City Codes a) General Principles Die Zielsetzung des City Codes wird bereits in seiner introduction verdeutlicht. Sichergestellt werden soll die faire und gleiche Behandlung der Aktionäre in Übernahmeverfahren. Der Code besteht aus zehn General Principles und siebenunddreißig Rules, welche durch eine Sammlung von Notes erklärt und erweitert werden. Bereits an den General Principles lässt sich ablesen, dass der City Code als Vorlage für das WpÜG diente. Das WpÜG hat seine Allgemeinen Grundsätze nicht nur inhaltlich sondern auch was die Reihenfolge und Wichtigkeit der einzelnen Regeln angeht, eng an den Code angelehnt: Indem er ihn als ersten Grundsatz nennt, räumt bereits der Code dem Gleichbehandlungsgrundsatz293 eine zentrale Stellung ein. Es folgt der Grundsatz transparenter Übernahmeverfahren: alle Aktionäre sollen dieselben umfassenden Informationen erhalten und auf deren Basis in einem angemessenen zeitlichen Rahmen autonom über die Annahme oder Ablehnung des Angebots entscheiden294. Hierzu ist notwendig, dass das Management der Zielgesellschaft zu absoluter Neutralität verpflichtet ist und keine Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote ergreifen darf ohne von der Gesellschafterversammlung dazu ermächtigt zu sein295. Gibt das Management eine Stellungnahme ab, hat es allein die Interessen der Aktionäre, Gläubiger und Arbeitnehmer zu berücksichtigen296. Im Unterschied zum WpÜG, das es bei der Festschreibung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes belässt, verankert der Code die Notwendigkeit eines Pflichtangebots an alle Aktionäre nach Kontrollerwerb bereits in den General Principles297. Um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu bewahren, werden die Beteiligten angehalten, jegliche Irreführung des Marktes zu vermeiden298. Zudem ist der Bieter bei der Mitteilung seiner Übernahmeabsicht und bei der Veröffentlichung der Angebotsunterlage zu höchster Sorgfalt verpflichtet299.

293 294 295 296 297 298 299

General General General General General General General

Principle Principle Principle Principle Principle Principle Principle

1. 2 und 4. 7. 9; genauer regelt er das Pflichtangebot dann in Rule 9. 10. 6. 3 und 5.

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4. Teil: Britisches Vorbild und europäische Übernahmerichtlinie

b) Rules Die Rules des City Codes sind inhaltlich in mehrere Abschnitte (sections) unterteilt. Sie skizzieren und folgen dem zeitlichen Ablauf von Übernahmeverfahren. Es werden detaillierte Verhaltenspflichten der Beteiligten, hauptsächlich aber des Bieters, in den unterschiedlichen Phasen des Verfahrens aufgestellt. Der Bieter ist der Initiator und dominierende Vertragspartner bei Übernahmeangeboten, weshalb insbesondere seine Vorgehensweise besonderen Vorgaben zu folgen hat und zahlreichen Beschränkungen unterliegt. Die Rules des City Codes spiegeln dieses Verständnis wider. Den Ausgangspunkt markieren Regelungen über die Annäherung an die Zielgesellschaft, die Veröffentlichung der jeweiligen Absichten und die Einholung unabhängiger Beratung300. Gefolgt wird dieser Abschnitt von Vorschriften über den Handel und die Beschränkungen desselben im Vorfeld eines Übernahmeangebots301. Anschließend sind die speziellen Verhaltensvorschriften für Pflichtangebote302 und für freiwillige Übernahmeangebote303 sowie generelle Verhaltensregeln für alle Übernahmeangebote304 normiert. Es folgen Regelungen zum Verhalten während des laufenden Übernahmeverfahrens305, zur Angebotsunterlage des Bieters bzw. zur Stellungnahme des Managements der Zielgesellschaft306. Speziell wird Bezug genommen auf die Abgabe von Gewinnerwartungen und die Bewertung von Vermögensteilen307. Schließlich werden der zeitliche Ablauf sowie die Möglichkeit zum Widerruf des Übernahmeangebots geregelt308. Das Verhalten in der Nachangebotsphase unterliegt ebenfalls gewissen Beschränkungen309. Es folgen Regelungen zur Zulässigkeit eines Teilangebots310. Abschließend wird die Möglichkeit des Rückkaufs eigener Aktien und der Handel von market makers behandelt311. 300

Section D (Rule 1–3): The Approach, Announcements and Independent Ad-

vice. 301

Section E (Rule 4–8): Dealings and Restrictions on the Acquisition of Shares and Rights over Shares. 302 Section F (Rule 9): The Mandatory Offer and Its Terms. 303 Section G (Rule 10–13): The Voluntary Offer and Ist Terms. 304 Section H (Rule 14–18): Provisions Applicable to All Offers. 305 Section I (Rule 19–22): Conduct During the Offer. 306 Section J (Rule 23–27): Documents from the Offeror and the Offeree Board. 307 Section K (Rule 28): Profit Forecast und Section L (Rule 29): Asset valuation. 308 Section M (Rule 30–32): Timing and Revision. 309 Section N (Rule 35): Restrictions Following Offers and Possible Offers. 310 Section O (Rule 36): Partial Offers. 311 Section P (Rule 37): Redemption or Purchase by a company of its Own Securities und Section Q (Rule 38): Dealings by Connected Market Makers.

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II. Einfluss sonstiger Regelungen auf Übernahmeangebote 1. Die Rules Governing Substantial Acquisitions of Shares Ein weiteres Instrument der Selbstregulierung, welches ebenfalls durch den Panel überwacht wird, sind die Rules Governing Substantial Acquisition of Shares (SARs)312. Sie haben denselben Anwendungsbereich wie auch der City Code. Die SARs wurden als Reaktion auf das Phänomen so genannter dawn raids erlassen313. Hiermit wird eine Methode des blitzartigen und umfangreichen Beteiligungsaufbaus bezeichnet. Dieser wird in großer Geschwindigkeit durchgeführt, wobei ein über dem aktuellen Börsenkurs liegender Preis offeriert wird. Da das Angebot nur wenige Minuten offen steht, gelingt es oftmals nur den institutionellen Anlegern, davon zu profitieren. Weil dies gegenüber den Privatanlegern als unfair empfunden wird, entschied sich der britische Regelungsgeber für die Verabschiedung der SARs. Diese sollen die Geschwindigkeit reduzieren, in der ein solcher Aufbau getätigt werden kann. Daher werden bestimmte Fristen vorgeschrieben, in denen eine bestimmte Maximalhöhe von Anteilen in einem Unternehmen erworben werden darf314. Ziel der Regelungen ist es, allen Aktionären die Möglichkeit zu eröffnen, an Gewinnchancen solcher Erwerbsaktionen zu partizipieren. Dies gelingt nur, wenn der Erwerbsvorgang verlangsamt wird. 2. Der Financial Services and Markets Act 2000 Das britische Börsensystem wurde unter der Labour Regierung einer umfassenden Reform unterzogen315. Zwar wurde bereits in den achtziger Jahren die reine Selbstregulierung des Kapitalmarktes in Großbritannien aufgegeben und mit dem Financial Service Act 1986 ein Mischsystem der Selbstregulierung innerhalb eines gesetzlichen Rahmens eingeführt316. Das britische Börsen- und Kapitalmarktrecht erfuhr zuletzt durch den Financial Services and Markets Act 2000 eine grundlegende Veränderung, wobei der gesetzliche Rahmen nochmals bedeutend enger gesteckt wurde. Wichtigste Veränderung war die Schaffung einer Allfinanzaufsicht, der Financial Ser312 Das heißt Regelungen für den erheblichen Beteiligungserwerbs in Unternehmen, siehe Charelsworth/Morse, Company Law, 1999, S. 616 f.; Stedman, Takeovers, 1993, S. 142 ff.; Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 56 f.; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 779. 313 Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 779. 314 Zu den Einzelheiten siehe unten S. 217 f. 315 Fleischer, RIW 2001, 817. 316 Vgl. die britische Bezeichnung zitiert bei Rider/Abrams/Ferran, Guide to the Financial Service Act 1986, „self-regulation within a statutory framework“.

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vice Authority (FSA), welche die neuen Regelungen administriert und zum Erlass von Sekundärrecht ermächtigt wurde. Bei ihr sind die unterschiedlichen Selbstregulierungsinstitutionen und Aufsichtsbehörden unter einem Dach vereinigt. Kernstücke des Regelungswerkes bildet das Erfordernis einer authorisation für die Durchführung von regulated activities. Hiernach ist die Genehmigung der FSA erforderlich, falls bestimmte Tätigkeiten am Börsen- und Kapitalmarkt durchgeführt werden sollten317. Zu den regulated activities zählen der Handel mit investments318, die Organisation eines solchen Handels, die Verwahrung oder Verwaltung von Vermögen, das Management von investments, die Beratung etc.319. Genau festgeschrieben werden die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Genehmigung320. Das Erfordernis der Genehmigung für derartige Finanzdienstleistungen gewinnt für Übernahmeangebote insofern Bedeutung, als die FSA mit dem Panel eng zusammenarbeitet und die Erteilung der Genehmigung an die Einhaltung des City Codes gekoppelt wird. Der FSMA 2000 hat also keinen direkten Einfluss auf die Regelung von Übernahmeangeboten, ist aber dennoch von herausragender Relevanz, als er dem City Code mittelbar zu verbesserter Durchsetzbarkeit verhelfen kann321. Ein weiterer Hauptbestandteil des FSMA 2000 ist der Abschnitt, welcher Regelungen über die Zulassung von Wertpapieren zur Börse enthält322. Die Kompetenz zur Ausarbeitung detaillierter listing rules ist von der London Stock Exchange, welche das Yellow Book herausgab, auf die FSA übergegangen. Nunmehr sind die listing rules im so genannten Purple Book enthalten. Unternehmen, welche die Zulassung zum Börsenhandel beantragen, schließen mit der FSA ein listing agreement ab, das heißt eine Vereinbarung, in der sie sich zur Einhaltung der Regeln des Purple Book verpflichten. Enthalten sind darin unter anderem die Verpflichtung zur Einhaltung des City Codes, Anforderungen an den Inhalt der Angebotsunterlage und weitere Verfahrensvorschriften. Beispielsweise bestehen auch Vorschriften zur Kapitalerhaltung, welche die Höhe des zum Kauf von Zielgesell317 Ss 19 FSMA; übernommen wurde insofern das bereits unter dem Financial Service Act 1986 etablierte System, wonach eine Genehmigung für Finanzdienstleister zum Betreiben eines „investment business“ erforderlich war. 318 S 22 (4) FSMA 2000 definiert „investment“ als jeglichen Vermögenswert, Rechte oder Beteiligungen an Unternehmen „Investment incoludes any asset, right or interest“. 319 Vgl. zur näheren Erläuterung der „regulated activites“, FSMA 2000, Schedule 2. 320 S 41 FSMA 2000 i. V. m. Schedule 6. 321 Siehe dazu sogleich näher S. 94 f. 322 FSMA 2000, Part VI.

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schaftsanteilen eingesetzten Kapitals beschränken und von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig machen. Auch wird die Ausgabe neuer Aktien in einer Gesellschaft hier geregelt323. Zentrale Bedeutung hat insbesondere das neue gesetzliche Regelungssystem zur Kontrolle von Marktmissbrauch (market abuse)324. Gem. section 118 FSMA werden drei Fallgruppen des market abuse definiert, nämlich erstens die missbräuchliche Verwendung nicht allgemein zugänglicher Informationen. Diese Sektion hat Ähnlichkeit mit den Regelungen zum Insiderhandel325, ist jedoch bedeutend weiter326. Zweitens gilt als market abuse jedes Verhalten, das geeignet ist, den Markt im Hinblick auf Angebot, Nachfrage, Preis oder Wert des gehandelten investment irre zu führen und drittens jegliche Verursachung von Verzerrungen des Marktes. Gerade bei Übernahmeangeboten kann die Versuchung für die Beteiligten besonders groß sein, Einfluss auf die Entwicklung der Börsenkurse der betroffenen Papiere zu nehmen. Je weiter die Kurse der Zielgesellschaft vor Angebotsabgabe sinken, desto billiger wird das Übernahmevorhaben für den Bieter. Kann er umgekehrt eine Steigerung seiner eigenen Wertpapierkurse erreichen, könnte er ein günstiges Umtauschverhältnis erreichen. Diese neuen Vorschriften des FSMA 2000 spielen für Übernahmeverfahren daher eine wichtige Rolle und stellen an das Verhalten der Beteiligten zusätzliche Anforderungen. Anzumerken sei, dass die neuen Regeln des market abuse im FSMA 2000 zu einer erheblichen Überschneidung der Zuständigkeit des Takeover Panel und der FSA im Fall von Übernahmeangeboten führen können. Beim Entwurf des FSMA 2000 bestand bereits Besorgnis, die Parteien könnten versucht sein, die FSA zur Beanstandung eines Übernahmeangebots heranzuziehen, um dessen Durchführung taktisch zu behindern. Aus diesem Grund wurde die FSA im FSMA 2000 ermächtigt, so genannte save harbour provisions aufzustellen, die besagen, dass ein Verhalten, welches mit dem City Code im Einklang steht, nicht als market abuse gelten kann. Außerdem sagte die FSA zu, dass sie, sollte ein Verhalten sowohl gegen den City Code verstoßen als auch market abuse begründen, nicht eigenmächtig in das Übernahmeverfahren eingreifen und sich mit dem Takeover Panel abstimmen werde327. Auch der Panel strebt eine enge Zu323

Siehe Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 57. Siehe dazu Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2000/2001, S. 59, 84 ff., 262 ff. 325 Dazu sogleich S. 92. 326 Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 58 f., 86. 327 Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 58 f., 83; die so genannte „gate keeper provision“ besagt, dass die FSA kein Verfahren gegen die 324

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sammenarbeit mit der FSA an, um die Wirksamkeit seiner zukünftigen Arbeit nicht zu gefährden. Neben den Bestimmungen gegen market abuse wurde das ehemals im FSA 1986 enthaltene Verbot irreführender Angaben und Geschäftspraktiken in section 397 FSMA 2000328 übernommen. 3. Der Criminal Justice Act 1993 Die Gefahr des Insiderhandels ist bei Übernahmeverfahren besonders groß329. Sowohl die Kenntnis von einem bevorstehenden Angebot als auch Informationen über das Übernahmeangebot während des laufenden Verfahrens sind höchst marktrelevante Informationen, die geeignet sind, den Kapitalmarkt nachhaltig zu beeinflussen. Der Criminal Justice Act 1993 verbietet generell den Missbrauch von Insiderwissen330. Insider ist jeder, der Zugang zu Informationen auf Grund seiner Stellung als Direktor, Angestellter oder Aktionär besitzt oder auf Grund seiner Anstellung, seines Amtes oder seiner Berufsausübung Zugang hat. Untersagt ist danach Personen, die Informationen aus einer Insiderquelle besitzen, der Handel mit den betroffenen Wertpapieren, andere Personen zum Handel zu ermutigen oder die Insiderinformation an Dritte weiterzugeben. Hiernach dürfen beispielsweise directors oder andere im Bieterunternehmen beschäftigte Personen ihre Kenntnis von einem bevorstehenden Übernahmeangebot nicht für private Wertpapierkäufe der Zielgesellschaft ausnutzen. Oder aber die Bietergesellschaft darf dann keinen Handel mehr in den relevanten Wertpapieren der Zielgesellschaft betreiben, wenn sie im Zuge einer due diligence-Prüfung im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot marktrelevante Informationen von der Unternehmensleitung der Zielgesellschaft erhalten hat. Allerdings besteht Einigkeit, dass kein Verstoß gegen die Insiderregeln vorliegt, wenn die Bietergesellschaft in Kenntnis ihres bevorstehenden Übernahmeangebots fortfährt, Wertpapiere der Zielgesellschaft am Kapitalmarkt aufzukaufen331. Beteiligten eines Übernahmeverfahrens auf Grund von „market abuse“ anstrengt, es sei denn der Panel hätte darum ausdrücklich gebeten. 328 S 397: Misleading statments and practices. 329 Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243. 330 Farrar’s Company Law, 1998, S. 611; Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 58; 80 ff. 331 Ausführlich dazu Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 244 ff.; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4138, Rn. 4-6008; Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 81; vgl. zu dieser Fragestellung im deutschen Recht unten S. 227 f.

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4. Der Companies Act 1985 Vereinzelt gewinnen auch Regelungen des Companies Act 1985 Einfluss auf Übernahmeverfahren332. Zunächst erlangen die Regeln über die compulsory acquisition of shares Bedeutung333, wonach das Recht eines Anteilsinhabers begründet wird, bei einer Beteiligung von 90% die restlichen Aktien auch gegen den Willen ihrer Inhaber aufzukaufen. Umgekehrt haben die Minderheitsaktionäre ihrerseits in dieser Situation ein Recht, vom Bieter den zwangsweisen Erwerb ihrer Minderheitsaktien zu verlangen334. Für Übernahmeverfahren relevant sind auch die im Companies Act 1985 verankerten strengen Meldepflichten335. Ein Anteilseigner muss der betroffenen Gesellschaft anzeigen, wenn er eine stimmrechtsgewährende Beteiligung von 3% erwirbt, veräußert oder sich diese in irgendeiner Form verändert. Verändert sich oberhalb dieser Schwelle seine Beteiligungsquote in der Art, dass die Ziffer vor dem Komma wechselt, so ist er ebenfalls zur Meldung verpflichtet336. Diesen Meldepflichten hat der Bieter insbesondere während der Vorbereitung von Übernahmeverfahren oder während der Durchführung derselben Folge zu leisten337. 5. Der Enterprise Act 2002 Der Enterprise Act 2002338 bezweckt neben der Verbesserung des Insolvenzrechts und Verbraucherschutzes auch den wettbewerbsrechtlichen Rahmen in Großbritannien zu verbessern und somit die Märkte zu stärken. Ins Leben gerufen wird eine neue Behörde, das Office of Fair Trading (OFT), welche ein ordnungsgemäßes Marktverhalten aller Beteiligten sicher stellen soll und somit zum Wohle der Allgemeinheit tätig wird. Für Übernahmeangebote ist insbesondere Teil 3 von Bedeutung, in welchem ein neues Meldesystem für bestimmte Zusammenschlüsse (mergers) etabliert wird. Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung kontrolliert gemäß der europäischen Fusionskontrollverordnung die Kommis332

Einen Überblick bietet Stedman, Takeovers, 1993, S. 57 f. Ss 428. 430 F CompAct 1985; Charlesworth/Morse, Company Law, 1999, S. 617 f.; Farrar’s Company Law, 1998, S. 607 f.; Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 57 f., 87 f. 334 S 430 A, B; Farrar’s Company Law, 1998, S. 610. 335 Ss 198–220 CompAct 1985; siehe dazu eingehend hinten S. 216 f.; Farrar’s Company Law, 1998, S. 611; Button, A Practitioner’s Guide to the City Code, 2001/02, S. 57. 336 Ss 198 (1), 199 (5) (b), 200 (1) CompAct 1985. 337 Siehe dazu unten, S. 181. 338 Abrufbar unter www.hmso.go.uk/acts/acts2002/20020040.htm. 333

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sion339. In Großbritannien untersucht nach in Kraft treten des Enterprise Act 2002340 das OFT sämtliche Zusammenschlüsse bzw. entsprechende Vorhaben341 und entscheidet, ob ein Zusammenschluss von Bedeutung (relevant merger situation) vorliegt und ob eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu befürchten ist342. Bejaht das OFT diese Frage, hat sie der Competition Commission Mitteilung zu machen. Diese entscheidet letztlich darüber, ob aus ihrer Sicht durch den Zusammenschluss bzw. das Vorhaben der Wettbewerb am Markt tatsächlich beeinträchtigt wird und trifft die angemessenen Maßnahmen, verhängt also Strafen oder untersagt einen Zusammenschluss.

III. Effektivität des britischen Regelungsmodells – Durchsetzbarkeit der Regelungen des City Codes Der City Code gilt als eines der erfolgreichsten Beispiele funktionierender Selbstregulierung343, auch wenn er inzwischen mittelbare gesetzliche Unterstützung erhalten hat. Eine zentrale Funktion für die Durchsetzbarkeit der Regeln der Selbstregulierung übernimmt der Takeover Panel, welchem eine Vielzahl effektiver Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen den Code zur Verfügung steht344. Insbesondere hat der Panel bei der Durchsetzung des Codes Unterstützung durch die FSA unter dem FSMA 2000 erfahren. Die FSA ist berechtigt, auf Anfrage des Panels, zur Durchsetzung des Codes Sanktionen gegen solche Personen zu verhängen, die nach dem FSMA zur Durchführung bestimmter Tätigkeiten einer Genehmigung (authorisation) bedürfen und die sich dem City Code oder Weisungen des Panels widersetzten. Zur Verfügung stehen der FSA Mittel wie öffentliche Verweise, Geldstrafen und schließlich als wirkungsvollstes Mittel der Entzug der Genehmigung345. 339 Neufassung der Fusionskontrollverordnung zum 01.05.2004, VO 139/2004 vom 20.01.2004 ABlEG Nr. L 24/1 v. 29.01.2004; gemeinschaftsweite Bedeutung wird bei einem weltweiten Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen von Mehr als 5 Milliarden Euro bzw. bei einem gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz mindestens zweier Unternehmen von mehr als 250 Millionen Euro angenommen. Art. 1Abs. 2 der VO, Abs. 3 normiert weitere Einzelfälle. 340 Ss 22 ff. Enterprise Act 2002. 341 Ss 33 Enterprise Act 2002 „Duty to make references in relation to anticipated mergers“. 342 Zur Definition der „relevant merger situation“ siehe s 23 Enterprise Act 2002. 343 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4019, Rn. 4-1029; Roßkopf, Selbstregulierung, S. 234; Kirchner/Ehricke AG 1998, 105, 106. 344 City Code, Introduction, 3 (a). 345 City Code, introduction (1) (c); s 56–58 FSMA 2000 „prohibition orders“, geprüft wird hier, ob der Betroffene als geeignet („fit and proper“) zur Durchführung

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Auch arbeitet der Panel eng mit anderen Institutionen, wie dem Department of Trade and Industry, der London Stock Exchange346 oder der Bank von Großbritannien zusammen347. Diese tauschen relevante Informationen aus und setzen sich gegenseitig über Verstöße gegen den City Code in Kenntnis. Auch können diese Einrichtungen ihrerseits gesetzlich vorgesehene oder vertraglich begründete Maßnahmen ergreifen. Beispielsweise könnte die Stock Exchange als Konsequenz eines Verstoßes gegen den City Code die Kursfeststellung der betroffenen Wertpapiere aussetzen oder die Zulassung zum Börsenhandel verweigern348. Schärfste Sanktion ist die Möglichkeit des Panel in Zusammenarbeit mit der FSA zum cold shouldering349. Die FSA verpflichtet dabei die Personen, denen sie eine Genehmigung erteilt, nicht für Klienten tätig zu werden, die sich nicht an die Vorschriften des City Codes gehalten haben oder halten wollen350. Da sämtliche Finanzdienstleister in Großbritannien eine Genehmigung für ihre Tätigkeit benötigen und ein Verstoß gegen die cold shoulder rule zu einem Entzug derselben durch die FSA führen könnte, sind die Regeln des City Codes auf diese Weise mittelbar zwangsweise durchsetzbar351. Ein Klient, der von den entsprechenden Finanzdienstleistern nicht mehr bedient wird, kann ein Übernahmeangebot praktisch nicht durchführen, da ihm die notwendige Finanzierung, Beratung und Betreuung vollends versagt wird. Auch kann der Panel wie auch die FSA einen öffentlichen (public censure)352 oder nichtöffentlichen Verweis (private reprimand)353 erteilen. Insbesondere der öffentliche Verweis hat oftmals Reaktionen der Wirtschaftspresse zur Folge und kann für den Gerügten erhebliche Nachteile mit sich bringen. Die Wirksamkeit dieser Sanktion hängt freilich maßgeblich vom der entsprechenden Tätigkeit angesehen werden kann. Beachtet er nicht die Regelungen des City Codes, ist dies von der FSA regelmäßig zu verneinen. Zur alten Rechtslage unter dem Financial Service Act 1986 Prentice in Hommelhoff u. a., Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, 2001, S. 100, 101 FN 19. 346 Das heißt die Londoner Börse. 347 City Code, introduction (2) (c); Farrar’s Company Law, 1998, S. 593; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4019, Rn. 4-1029. 348 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4020, Rn. 4-1030; Stedman, Takeovers, 1993, S. 58. 349 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4019, Rn. 4-1029; Farrar’s Company Law, 1998, S. 592 f.; Stedman, Takeovers, 1993, S. 59, allerdings zur alten Rechtslage, wobei die Aufgaben der FSA noch durch entsprechende Selbstregulierungsbehörden ausgeführt wurden. 350 Siehe City Code, introduction (1) (c). 351 FSA s 10, Schedule 2, Nr. 1; siehe City Code, introduction (1) (c); Langhart, Rahmengesetz und Selbstregulierung, 1993, S. 224; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 146. 352 Stedman, Takeovers, 1993, S. 59. 353 Siehe Farrar’s Company Law, 1998, S. 593.

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4. Teil: Britisches Vorbild und europäische Übernahmerichtlinie

Tätigkeitsfeld des Gerügten ab und inwieweit die Mitglieder seiner Branche auf tadellose Reputation Wert legen. Wichtige Befugnis des Panels ist des Weiteren, die Regeln des City Codes zugunsten einer Partei außer Kraft setzen zu können (waiver of the Code). Wenn der Panel der Meinung ist, eine Partei verhalte sich nicht korrekt, so kann er die anderen Partei unterstützen, indem er sie von bestimmten Verhaltensanforderungen legitimer Weise entbindet, ohne dass ihr hieraus Nachteile entstehen.

B. Die Regelung von Übernahmeangeboten auf europäischer Ebene I. Entwicklung der Rechtslage 1. Der Pennington-Entwurf Die Geschichte der Übernahmerichtlinie begann bereits im Jahre 1974 mit dem Pennington-Entwurf354. Die Initiative der Kommission ging darauf zurück, dass in den vergangenen Jahren in den meisten westlichen Industriestaaten Unternehmensübernahmen als Instrument der Kontrolltransaktion und Unternehmenskonzentration an Bedeutung gewonnen haben. Mehrere Mitgliedstaaten verfügten zu diesem Zeitpunkt bereits über nationale Regelungen355. Allen voran hatte Großbritannien bereits 1968 den City Code geschaffen356. Ebenso hatten Italien (1971) und die Niederlande (1970) freiwillige Verhaltenskodizes ins Leben gerufen. Frankreich hatte den Weg gesetzlicher Regulierung gewählt und am 21.01.1970 die allgemeine Börsenmaklerverordnung um die Vorschriften der offres publiques ergänzt. Dagegen waren in Deutschland, Dänemark und Irland Übernahmeangebote bislang überhaupt nicht geregelt. Die nationalen Regelungen befanden sich so auf einem sehr unterschiedlichen Entwicklungsniveau357. Die EG-Kommission betraute in dieser Situation den britischen Rechtswissenschaftler Prof. Robert Pennington als Sonderberater der Kommission mit der Erstellung eines Gutachtens, einschließlich eines Vorschlagentwurfes für eine entsprechende Richtlinie. Der sodann von Pennington vorgelegte Entwurf war sehr stark vom englischen Regelungsmechanismus geprägt und äußerst detailliert358. Inhaltlich 354 EG-Komm. Dok. XI/56/74; dazu Behrens ZGR 1975, 433; Bess, AG 1976, 169 (Teil I), 206 (Teil II); historische Darstellung bei Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 266 ff.; Richter, Chancen für eine Übernahmeregelung in Europa, S. 15 ff. 355 Überblick bei Behrens, ZGR 1975, 433, 435. 356 Siehe S. 83 ff. 357 Behrens, ZGR 1975, 433, 436.

B. Die Regelung von Übernahmeangeboten auf europäischer Ebene

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sah der Entwurf beispielsweise die Errichtung einer Aufsichtsbehörde, diverse Informationspflichten des Bieters und eine Mindestpreisregel für Übernahmeangebote vor. Teilangebote waren zulässig. Es sollte eine Neutralitätspflicht für das Management der Zielgesellschaft bestehen. Letztlich wurde das Pflichtangebot im Entwurf aufgenommen. Die meisten Mitgliedstaaten zeigten jedoch wenig Interesse an der Rechtsangleichung auf europäischer Ebene. Insbesondere Großbritannien und Deutschland359 vertraten zur Konzeption des Entwurfes eine eher ablehnende Haltung. Kritisiert wurde von deutscher Seite der Weg der Detailregelung360. Die EG sollte sich auf die Einführung bestimmter Prinzipien beschränken361, wobei die Art und Weise der Durchführung und die Einführung von Sanktionen den Mitgliedstaaten überlassen bleiben sollte. In den folgenden Jahren sorgten mangelndes Interesse und die ablehnende Haltung der Mitgliedstaaten dafür, dass das europäische Vorhaben der Harmonisierung von Übernahmeverfahren nicht weiter verfolgt wurde. 2. 1989/1990 – Detaillierte Richtlinienvorschläge In ihrem Weißbuch362 von 1985 über die Vollendung des Binnenmarktes bis 1992 kündigte die Kommission einen weiteren Richtlinienvorschlag für Unternehmensübernahmen an. 1987 folgte der Vorentwurf363, der im Wesentlichen Verfahrens- und Publizitätsvorschriften, aber keine materiellrechtlichen Regeln enthielt. Er sollte als Diskussionsgrundlage dienen364. Als Carlo Benedetti im Januar 1988 versuchte, die größte belgische Holding Société Général de Belgique zu übernehmen, trat die Dringlichkeit einer europäischen Vereinheitlichung offen zu Tage365. Der Vorentwurf mündete daher in den überarbeiteten und verschärften Richtlinienvorschlag vom 19.01.1989366. Dieser war ein ehrgeiziges Projekt, der durch eine Zeit, in der Fusionen und Übernahmen an der Tagesordnung waren, gekennzeichnet war. Mehrere Mitgliedstaaten hatten die Kommission zu einer Initiative ge358

Peltzer, ZGR 1990, Sonderheft Nr. 9, S. 180; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 266. 359 Eine ausführliche Diskussion der Regelungen des Entwurfes findet sich bei Beß, AG 1976, 169 ff.; Behrens, ZGR 1975, 433 ff. 360 Beß, AG 1976, 206, 209. 361 Beß, AG 1976, 206, 210. 362 Dok. KOM (85) 310 v. 14.6.1985. 363 EG-Komm. Dok. XV/63/87. 364 Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 10; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 33 ff. 365 Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 269. 366 AblEG 1989 Nr. C 64 vom 14.3.1989.

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4. Teil: Britisches Vorbild und europäische Übernahmerichtlinie

drängt, um bei Übernahmeangeboten gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen und die Beteiligten ausreichend zu schützen367. Inhaltlich wurde erstmals der Gleichbehandlungsgrundsatz als Allgemeines Prinzip in Art. 3 RL-E 1989 normiert. Detaillierte Informationspflichten des Bieters blieben bestehen und Regelungen zum äußeren Ablauf des Übernahmeverfahrens wurden aufgenommen. Eine Mindestpreisregel war nicht mehr vorgesehen, allerdings musste der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 RL-E 1989) beachtet werden. Ein Pflichtangebot war beim Überschreiten der Kontrollschwelle von 33 1/3% der Anteile der Zielgesellschaft erforderlich, und Teilangebote, die darauf abzielten, diese Schwelle zu überschreiten, waren nicht zulässig. Das Management der Zielgesellschaft blieb zur Neutralität verpflichtet. Der Richtlinienvorschlag wurde in Deutschland sowohl im Grundsatz als auch in den Details überwiegend kritisch aufgenommen368. Seine praktische Auswirkung wurde als gering eingestuft, da diese Art der Kontrolltransaktion hierzulande aufgrund bestehender Hindernisse für Unternehmensübernahmen kaum vorkam. Dazu zählten die geringere Anzahl der GoingPublic-Gesellschaften, die festgefügten Aktionärskreise, die ihre Aktienpakete weniger als Handelsobjekt sondern mehr als Mittel unternehmensstrategischer Einflussnahme sahen, die Abwicklung der Altersversorgung mehr über die Sozialversicherungen als über den Kapitalmarkt, das two-boardsystem bestehend aus Aufsichtsrat und Vorstand, das die Abberufung der Leitungsorgane erschwerte, die Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung sowie die aufgrund der Zulässigkeit stiller Reserven größere Intransparenz und fehlende Publizität von Unternehmensbeteiligungen369. Insbesondere wurde von deutscher Seite das Pflichtangebot kritisiert370. Minderheitenschutz mittels Pflichtangebot sei überflüssig, da bereits das 367

Monti, Vorschlag für eine Richtlinie über Übernahmeangebote, in von Rosen/ Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 16. 368 Stellungnahme des Gemeinsamen Arbeitsausschusses des Bundesverbands Deutscher Industrie, Handelsblatt vom 6.6.1989, S. 3; AG-Report, AG 1990, R 134; Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, BT-Drs. 11/6612; aus dem Schrifttum ablehnend Grunewald, WM 1989, 1233; Hahn, ZBB 1990, 10; differenzierend: Hopt, Übernahmeangebote im europäischen Recht, in Festschrift Rittner, S. 187 ff.; Baums, ZIP 1989, 1376; Assmann/Bozenhardt, in Assmann u. a. Übernahmeangebote, 1990, S. 1, 32 ff.; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106; Mertens, AG 1990, 252; eher zustimmend: Peltzer, ZGR 1990, Sonderheft Nr. 9; S. 179 ff. 369 Vgl. zu den schlechteren Ausgangsbedingungen in Deutschland auch Mertens, AG 1990, 252, 254; Hopt, Übernahmeangebote im europäischen Recht, FS Rittner, S. 191, 192. 370 Kritisch Assmann/Bozenhardt, in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 37 f, 48 ff.; Baums, ZIP 1989, 1376, 1377; Bozenhardt, Freiwillige Übernahme-

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deutsche Konzernrecht oder die Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters die Interessen der Minderheit ausreichend schütze371. Das Pflichtangebot passe nicht in den Kontext des deutschen Konzernrechts372. Zudem werde unzulässig in die Privatautonomie des Bieters eingegriffen. Pflichtangebote hätten eine unerwünschte konzentrationsfördernde Wirkung373. Andererseits blockierten sie ökonomisch sinnvolle Kapitalverflechtungen, da sie Übernahmeangebote generell verteuerten. 3. Der Richtlinienvorschlag 1990 Der Wirtschafts- und Sozialausschuss nahm am 27. September 1989 zu dem Richtlinienvorschlag vom 19.01.1989 Stellung374. Am 17.01.1990 gab das Europäische Parlament eine befürwortende Stellungnahme ab375. Am 10.09.1990 nahm die Kommission den geänderten Vorschlag unter Berücksichtigung beider Stellungnahmen an376. Die Änderungen erschöpften sich in technischen Verbesserungen. Geist und Zielsetzung des Richtlinienvorschlags blieben erhalten377. Insbesondere war das Pflichtangebot noch immer vorgesehen und blieb im Zentrum der Kritik378. Bedingt durch die Rezession ging die Zahl von Übernahmen und Fusionen in den Folgejahren zurück, die Dringlichkeit einer europäischen Lösung schwand. Einige Mitgliedstaaten hielten eine europäische Harmonisierung allgemein für nicht mehr erforderlich379. Bei den Verhandlungen im Rat konnte über die Vorschläge keine Einigung erzielt werden, so dass im Juni 1991 die Verhandlungen ausgesetzt wurden380. angebote, 1990, S. 46 ff.; Grunewald ZIP 1989, 1233, 1238; Hahn, ZBB 1990, 10, 17; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108 ff.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 1996, S. 282 ff.; Mertens, AG 1990, 252, 256; Sandberger DZWir 1993, 319; differenzierend Immenga, in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, S. 11, 14; Basaluda in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 157; Adams, AG 1990, 243, 248; Lüttmann, Kontrollwechsel bei Kapitalgesellschaften, S. 202 ff.; Hopt in FS Rittner, S. 187, 194 ff.; Peltzer in Assmann u. a. Übernahmeangebote, 1990, S. 179, 191 ff. 371 Mertens, AG 1990, 252, 256. 372 Grunewald, WM 1991, 1361, 1362. 373 Grunewald, ZIP 1989, 1233, 1238. 374 AblEG 1989, C 298/56 vom 27.11.1989. 375 AblEG 1990, C 38/41 vom 19.2.1990. 376 AblEG 1990 Nr. C 240 vom 26.9.1990. 377 Dok. KOM (90) 416 – SYN 186 vom 10.9.1990, Seite 2, Richter, S. 32. 378 Grunewald, WM 1991, 1361, 1362; Hommelhoff in FS Semeler, S. 455, 456; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 274 m. w. N. 379 Monti, in von Rosen/Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 15, 17.

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4. 1996/1997 – Der Vorschlag einer Rahmenrichtlinie Der neue Vorschlag der Kommission vom 07.02.1996381 war eine Rahmenrichtlinie382. Der Entwurf wurde von früher 23 Artikel auf 12 Artikel reduziert383. Er gab das ehrgeizige Projekt einer detaillierten Regelung von Übernahmeangeboten auf und beschränkte sich auf eine „Rahmenregelung, die allgemeine Grundsätze und eine begrenzte Zahl allgemeiner Vorschriften“384 enthielt, die von den Mitgliedstaaten durch präzise Regelungen konkretisiert werden mussten. Dieser weite Spielraum sollte den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Übernahmeregeln im Einklang mit ihrem jeweiligen Rechtssystem zu erlassen. Eingeführt wurden in Art. 5 RL-E 1996 fünf Allgemeine Grundsätze, die Prüfstein für das gesamte Übernahmerecht sein sollten385. Die Mitgliedstaaten sollten diese Prinzipien bei der Umsetzung der Richtlinie beachten. Dazu gehörten der Gleichbehandlungs-, der Transparenz-, der Neutralitätsund der Effizienzgrundsatz sowie das Verbot von Marktverzerrungen. Es wurde kein fixer Schwellenwert für den Kontrollerwerb mehr normiert, dies blieb den Mitgliedstaaten überlassen. Teilangebote sollten von nun an zulässig sein, auch ein Mindestpreis war nicht vorgeschrieben, der Preis musste lediglich dem Schutz der Interessen der Minderheitsaktionäre gerecht werden. (Art. 10 I RL-E 1996). Eine strikte Neutralitätspflicht für das Management der Zielgesellschaft nach Bekanntgabe des Übernahmeangebots bestand nach wie vor. Die Anforderungen an die Informationen, die der Bieter zu veröffentlichen hatte, waren im Vergleich zu den Vorgängerentwürfen deutlich knapper gefasst. Auch die Ausgestaltung des Übernahmeverfahrens unterlag fortan nicht mehr europarechtlichen Vorgaben, sondern sollte von den Mitgliedstaaten selbst geregelt werden. Im materiellrechtlichen Bereich hatte die Kommission die Regelungstiefe damit deutlich zurückgenommen. Zugeständnis an die Deutschen war, dass auf die Normierung des Pflichtangebots an alle Aktionäre verzichtet werden konnte, wenn der Schutz der 380 Pötzsch/Möller, Das künftige Übernahmerecht, WM 2000, Sonderbeilage Nr. 2, S. 4. 381 AblEG 1996, C 162/5 vom 6.6.1996. 382 Vgl. hierzu ausführlich Krause, AG 1996, 209; Neye DB 1996, 1121; Beckmann, DB 1995, 2407; Roos, WM 1996, 2177; Peltzer, AG 1997, 145; Hopt, ZHR 161 (1997), 168. 383 Neye, DB 1996, 1121; Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 373 spricht von einer dramatisch abgemagerten Version. 384 Präambel des Richtlinienentwurfes. 385 Roos, WM 1996, 2177, 2182.

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Minderheitsaktionäre „durch andere geeignete und mindestens gleichwertige Vorkehrungen“ gesichert werden konnte. Angesprochen war hier das deutsche Konzernrecht. Der deutsche Wirtschafts- und Sozialausschuss386, Wirtschaftsverbände und der Bundesrat äußerten sich dazu positiv387. Der Verzicht auf das Pflichtangebot wurde als entscheidender Fortschritt bewertet. Allerdings stieß das Gesamtkonzept der Rahmenrichtlinie auf Kritik388. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit würden nicht erreicht. Zu viele Regelungsfragen blieben ungelöst, zu viele wesentliche Aspekte der Regelung der Mitgliedstaaten überlassen. Es könnte nur sehr eingeschränkt von einer Harmonisierung des Übernahmerechts gesprochen werden. Problematisch sei insbesondere, dass der Entwurf die strukturellen, institutionellen und rechtlichen Übernahmehindernisse in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht beseitigte. Das Konzept führte dazu, dass in einigen Mitgliedstaaten Übernahmen begünstigt, in anderen unmöglich gemacht würden389. Am 10.11.1997 legte die Kommission nach einjähriger parlamentarischer Beratung einen „Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates“ vor. 5. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates vom 19.06.2000 Die auch in Großbritannien bestehende Skepsis führte dazu, dass der RL-E 1997 unter britischem EU-Vorsitz im ersten Halbjahr 1998 in keiner Sitzung diskutiert wurde. Erst in der zweiten Jahreshälfte von 1998 und 1999 war der Vorschlag Gegenstand intensiver Beratung im Rat. Nach zähem Ringen verständigten sich die Mitgliedstaaten letztlich am 21.06. 1999 politisch weitgehend auf den Inhalt der Richtlinie390. Die formale Festlegung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates scheiterte allerdings noch am Streit zwischen Spanien und Großbritannien über die Frage der zuständigen Aufsichtsbehörde, falls ein auf Gibraltar ansässiges Unternehmen an einer Übernahme beteiligt wäre. Schließlich konnte die Arbeitsgruppe des Europäischen Rates am 19.06.2000 den Gemeinsamen Standpunkt zur 13. Richtlinie verabschieden. Damit war der erste Schritt des gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebungsverfahrens vollzogen. Die Konzeption des Richtlinienentwurfes in der Fassung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates entsprach derjenigen des Geänderten Vor386

AblEG 1996, C 295/1 vom 7.10.1996. BR-Drs. 162/96. 388 Roos, WM 1996, 2177, 2187. 389 Hopt ZHR 161 (1997), 368, 392; Wymeersch, European Takeovers, S. 104. 390 Rat der Europäischen Union, Interinstitutionelles Dossier 95/0431 (COD) vom 22.06.1999. 387

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4. Teil: Britisches Vorbild und europäische Übernahmerichtlinie

schlags vom 10.11.1997: Die Normierung eines Pflichtangebotes war für alle Mitgliedstaaten verbindlich. Bei den Verhandlungen im Rat war die Ausnahmeregelung auf großes Unverständnis gestoßen, dass der Minderheitenschutz nicht nur durch ein Pflichtangebot sondern auch durch „andere geeignete und mindestens gleichwertige Vorkehrungen“ garantiert werden könnte. Das System des deutschen Konzernrechts war in anderen Mitgliedstaaten weitgehend unbekannt391. Da sich auch in Deutschland Zweifel an der Qualität des Minderheitenschutzes durch das Konzernrecht, besonders im Hinblick auf den faktischen Konzern §§ 311 ff. regten, wurde auf einen Sonderweg verzichtet. Der Preis des Angebots musste angemessen sein, die Gegenleistung konnte in Wertpapieren erfolgen (Tauschangebot) und die Festsetzung der Kontrollschwelle blieb den Mitgliedstaaten überlassen. Die in den Kommissionsvorschlägen von 1996/97 zugelassenen Teilangebote waren in dem Gemeinsamen Standpunkt nicht mehr vorgesehen. Intensive Verhandlungen fanden über die Verhaltenspflichten des Managements der Zielgesellschaft statt (Art. 9 RL-E 2000). Eine Stillhaltepflicht sollte jedenfalls nur durch Ermächtigung der Hauptversammlung aufgehoben werden können (Art. 9 I). Umstritten war, ob so genannte Vorratsbeschlüsse zulässig sein sollten. Durch diese könnte die Hauptversammlung den Vorstand der Zielgesellschaft generell mit Kompetenzen zur Abwehr von Übernahmeversuchen ausstatten. Geregelt wurde schließlich, dass die Hauptversammlung erst während der Laufzeit der Annahmefrist über Abwehrmaßnahmen entscheiden sollte. Gem. Art. 9 II RL-E 2000 waren aber Vorratsbeschlüsse zur Kapitalerhöhung bei voller Wahrung des Bezugsrechts mit einer Frist von 18 Monaten generell zulässig. Die Richtlinie in der Fassung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates wurde erneut dem Europäischen Parlament zugeleitet. Am 13.12.2000 beschloss das Parlament 15 Änderungen des Gemeinsamen Standpunktes des Rates392. Hauptstreitpunkt war die strikte Neutralitätspflicht des Managements der Zielgesellschaft. Das Europaparlament befürwortete eine Lockerung. Unterstützt wurde dieses Verlangen insbesondere von deutscher Seite. In einer „spektakulären Kehrtwende“393 Ende April 2001 sprach sich Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen die strikte Stillhaltepflicht der Vorstände aus und wandte sich somit gegen die Bestimmungen des Richtlinienvorschlags. Die Vorratsbeschlüsse für Abwehrmaßnahmen sollten nach der Ansicht Deutschlands generell zulässig sein. Hauptversammlungsbeschlüsse zur Genehmigung von Abwehrmaßnahmen erst nach Angebots391 392 393

Neye, AG 2000, 289, 293. Neye, ZIP 2001, 1120 f. SZ vom 05.05.2001, S. 22; Handelsblatt vom 09.5.2001.

B. Die Regelung von Übernahmeangeboten auf europäischer Ebene

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abgabe herbeiführen zu dürfen, stellte für sehr große Unternehmen ein technisches und organisatorisches Problem dar. Dieser Zeitraum sei zu kurz, und Abwehrmaßnahmen wären faktisch nicht mehr möglich. Durch Normierung der strikten Neutralitätspflicht würde den europäischen Staaten die Waffengleichheit im Verhältnis zu US-amerikanischen Unternehmen verwehrt, denen diverse Abwehrmöglichkeiten offen stehen. Reagiert werden sollte aus deutscher Sicht auch auf Wettbewerbsnachteile im Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten. So existierte in Spanien oder Frankreich ein so genannte Goldene Aktie394. Dieses Papier sicherte sich die öffentliche Hand. Eine Übernahme der Gesellschaft sei gesetzlich nur möglich, wenn der Inhaber dieser Aktie zustimmt. Somit könnte der Staat die nationale Firmenstruktur mitbestimmen. In Mitgliedstaaten, die über dieses Mittel nicht verfügten, würden Übernahmen erleichtert. Deutschland fürchtete deshalb eine Benachteiligung und versuchte sich über Abwehrmaßnahmen wie die Vorratsbeschlüsse abzusichern. Am 6. Juni 2001 unterbreitete der Vermittlungsausschuss einen Richtlinienentwurf, der gegen den Willen Deutschlands und Teile des Parlaments die strikte Neutralitätspflicht des Managements bei Übernahmeangeboten bestätigte395. Dessen Annahme scheiterte im Parlament am 04.07.2001 in einer spektakulären Abstimmung mit 273 zu 273 Stimmen. Das Vorhaben war zunächst gestoppt worden. 6. Der Richtlinienvorschlag 2002 Die Kommission beauftragte bereits im September 2001 eine unabhängige Expertengruppe unter der Leitung von Jaap Winter, Vorschläge zu den umstrittenen Fragen der Übernahmerichtlinie zu unterbreiten. Der daraufhin erstellte Bericht der Winter-Gruppe enthielt unter anderem Preisregelungen für ein Pflichtangebot, Regelungen zum Squeeze-Out und Transparenzpflichten für die Beteiligten eines Übernahmeverfahrens, die bei den Mitgliedstaaten weitgehend auf Zustimmung trafen. Zur Lösung der Debatte um die Übernahmehindernisse in einzelnen Mitgliedstaaten, schlug die Wintergruppe eine Durchbrechungslösung vor: Danach sollte jeder Bieter, der 75% des Risiko tragenden Kapitals396 hielt, Übernahmehindernisse wie Mehrstimmrechte, Doppelstimmrechte, Höchststimmrechte sowie Vorzugsaktien ohne Stimmrechte außer Kraft setzten können. Gerade bei den Mit394

Handelsblatt vom 09.05.2001. SZ vom 07.06.2001, S. 23, „Ein Waterloo für Schröder“; Handelsblatt vom 06.06.2001,“ Vorstoß zum Übernahmerecht gescheitert“; „Übernahme: Das letzte Wort hat der Aktionär“; „Eine Giftpille für Schröder“. 396 Dieser Anteil errechnete sich aus der Beteiligung am Gewinn und dem Liquidationserlös, also nicht aus den bestehenden Stimmrechten oder dem Anteil am Grundkapital, siehe eingehend Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 221, 224 FN 22. 395

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4. Teil: Britisches Vorbild und europäische Übernahmerichtlinie

gliedstaaten, deren nationales Recht solche Übernahmehindernisse vorsah, stieß dieser Vorschlag auf massive Ablehnung. Am 02.10.2002 legte die Kommission daraufhin einen Richtlinienvorschlag vor, der auf dem Bericht der Winter-Gruppe basierte. Viele Vorschläge wurden von den Mitgliedstaaten begrüßt. Stark umstritten war jedoch die so genannte Mini-Durchbrechungsregel. Diese versuchte in Teilen, die Durchbrechungslösung der Winter-Gruppe umzusetzen und nationale Übernahmehindernisse zu beseitigen. Allerdings umfasste sie gerade nicht die umstrittenen Doppel- und Mehrstimmrechte. Deutschland wollte die Normierung der strikten Neutralitätspflicht nur hinnehmen, wenn die Durchbrechungsregel erweitert werden würde. Nach umfassender Diskussion versuchte die Griechische Präsidentschaft Mehrstimmrechte in die Durchbrechungsregel einzubeziehen397. Diese „große Lösung“ fand keine Mehrheit.

II. Die Verabschiedung der Richtlinie 2004 In dieser Situation schlug die portugiesische Delegation das nun verabschiedete zweistufige Optionsmodell vor. Auf der ersten Stufe sind die Mitgliedstaaten danach berechtigt, sowohl von der Umsetzung der Neutralitätspflicht als auch von der Umsetzung der Durchbrechungsregel abzusehen (Opt-Out). Auf der zweiten Stufe müssen diese Mitgliedstaaten, die von ihrem Opt-Out-Recht Gebrauch machen, den Gesellschaften mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet die Möglichkeit einräumen, sich der Neutralitätspflicht bzw. der Durchbrechungsregel freiwillig zu unterwerfen (Opt-In). Hierzu ist ein Hauptversammlungsbeschluss des jeweiligen Unternehmens mit satzungsändernder Mehrheit erforderlich. Am 27.11.03 wurde dieser Kompromissvorschlag von den Mitgliedstaaten im Rahmen einer politischen Orientierung angenommen. Am 16.12. 2003 stimmte das Parlament dieser Lösung zu. Der Weg war frei, dass der Ministerrat am 30.03.2004 endgültig die Übernahmerichtlinie verabschieden konnte. Am 20.05.2004 trat die Richtlinie mit der Maßgabe in Kraft, dass die Mitgliedstaaten diese innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen müssen. 1. Ziele und Inhalte der Übernahmerichtlinie Neben den allgemeinen Zielvorgaben wie die Förderung der Errichtung des Gemeinsamen Marktes, die Integration der europäischen Finanzmärkte 397

Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 221, 224.

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und die Harmonisierung des Übernahmerechts zur Förderung der Restrukturierung von Unternehmen soll die Rechtssicherheit bei transnationalen Übernahmevorgängen im Interesse aller Beteiligten erhöht und der Schutz der Minderheitsaktionäre sichergestellt werden398. Die Regelung erfasst sämtliche Angebote, die als Pflicht- oder freiwilliges Angebot auf alle oder auch nur einen Teil der Wertpapiere der Zielgesellschaft gerichtet sind und die sich an den Kontrollerwerb anschließen bzw. diesen zum Ziel haben399. Die Definition der Kontrolle wird nach wie vor dem Mitgliedstaat überlassen, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat400. Wie bereits der City Code – und ihm folgend auch das WpÜG – normiert auch die Richtlinie vorweg einen Katalog allgemeiner Grundsätze, die bei Übernahmeverfahren generell zu beachten sind401. Ebenfalls an erster Stelle wird das Gleichbehandlungsprinzip genannt, gefolgt von der Gewährleistung ausreichender Information und dem Erfordernis ausreichender Zeit für die Entscheidung über das Angebot und der Neutralitätspflicht des Managements der Zielgesellschaft. Gefordert wird weiter die Vermeidung von Marktverzerrung, das Erfordernis der Sicherstellung der Finanzierung und das Verbot der Beeinträchtigung der Zielgesellschaft über einen angemessenen Zeitraum hinaus402. In Art. 4 werden Fragen des Kollisionsrechts und der Aufsichtsstelle geregelt, bevor in Art. 5 eingehend auf das Pflichtangebot eingegangen wird. Schließlich widmen sich die Art. 6–13 dem Übernahmeverfahren und legen Informationspflichten, Annahmefristen, Verhaltensregeln für das Management und die erwähnte Durchbrechungsregel fest. Ihr zufolge gelten Beschränkungen der Übertragung von Wertpapieren oder der Stimmrechte für einen bestimmten Zeitraum als Dritten gegenüber unwirksam. In Art. 12 ist das genannte Optionsmodell verankert403. Abschließend wird die Möglichkeit des Ausschluss- und ein Andienungsrechts geregelt404. Letzteres stellt sicher, dass die außenstehenden Aktionäre nach Durchführung eines Übernahmeverfahrens dann vom Bieter den Erwerb ihrer Papiere zu einem angemessenen Preis verlangen können, wenn das Angebot an alle Anteilsinhaber für all ihre Papiere abgegeben wurde und wenn der Bieter mindestens 90% des Gesellschaftskapitals erworben hat405. 398

Erwägungsgründe (1), (2), (3) der RL. RL Art. 2 (1) a). 400 RL Art. 5 (3). 401 RL Art. 3 Allgemeine Grundsätze. 402 Art. 3 d)–f) RL-Vorschlag. 403 Siehe dazu S. 104; Krause, BB 2004, 113, 114; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 221, 306, 312; Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866, 868. 404 Siehe zum Squeeze-Out und zum Sell-Out Krause, BB 2004, 113, 118 f. 399

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2. Umsetzungsbedarf Die Vorgaben der Übernahmerichtlinie müssen bis 20. Mai 2006 ins deutsche Recht umgesetzt werden. In vielen Bereichen erfüllt das WpÜG, das im Januar 2001 in Kraft trat und sich in vielen maßgeblichen Punkten am City Code und dem damals existierenden Richtlinienentwurf orientierte, bereits die Anforderungen der Richtlinie. Gerade im Hinblick auf die neuen Konzepte der Richtlinie, wie das Optionsmodell oder das Ausschluss- und Andienungsrecht aber auch bezüglich mancher Detailregelung besteht Umsetzungsbedarf406. Die wesentlichen Neuerungen werden im Folgenden kurz aufgezeigt: a) Anwendungsbereich und Kollisionsrecht In Bezug auf den Anwendungsbereich des WpÜG und die Kompetenzen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht müssen Änderungen der Rechtslage vorgenommen werden: Der personale Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich auf alle Gesellschaften, deren Gesellschaftsstatut das Recht eines Mitgliedstaates ist und deren stimmrechtstragende Wertpapiere zumindest teilweise an einem geregelten Markt im Sinne der Richtlinie 93/22/EWG zugelassen sind (Art. 1). Zudem müssen die kollisionsrechtlichen Regelungen (Art. 4) ins deutsche Recht umgesetzt werden. Die Richtlinie legt fest, welche nationale Rechtsordnung welche Rechtsfrage im Übernahmerecht regelt. Sie unterscheidet drei Regelungsbereiche, nämlich gesellschaftsrechtliche Fragen, Regelung des Angebotsverfahrens und den Bereich der Aufsichtszuständigkeit- bzw. des Aufsichtsverfahrens, an die die Regelungszuständigkeit anknüpft (Art. 4 II). Im einfachsten Fall ist ein Mitgliedstaat für alle drei Regelungsbereiche zuständig, wenn nämlich Sitz der Zielgesellschaft und der geregelte Markt, auf dem ihre Wertpapiere zugelassen sind, in demselben Mitgliedstaat liegen. Ist eine Zulassung für den geregelten Markt des Sitzstaates nicht gegeben, ist die Regelungszuständigkeit aufgeteilt407.

405

RL Art. 16. Kindler, DStR 2004, 866; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200; Hopt/Mülbert, AG 2005, 109; Mülbert, NZG 2004, 633; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 221. 407 Vgl. dazu eingehend Mülbert, NZG 2004, 633, 637 f.; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 204 f. 406

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b) Neutralitätspflicht des Managements Der deutsche Gesetzgeber kann die in Art. 12 I und Art. 9 der Richtlinie vorgesehene Opt-Out-Lösung im deutschen Recht verankern, das heißt er kann davon absehen, Gesellschaften mit Sitz in Deutschland Verhaltenspflichten für das Leitungs- und Verwaltungsorgan, wie in Art. 9 der Richtlinie vorgesehen, aufzuerlegen. Im Gegenzug muss der deutsche Gesetzgeber gem. Art. 12 II der Richtlinie diesen Gesellschaften die unwiderrufliche Wahlmöglichkeit einräumen, sich diesen Verhaltenspflichten freiwillig zu unterwerfen, wenn ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss vorliegt. Auf diese Weise kann der deutsche Gesetzgeber an den bestehenden Verteidigungsmitteln festhalten408. Hierzu zählen insbesondere die in § 33 I S. 2 und Abs. II WpÜG geregelten Vorratsbeschlüsse und Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats. Zusätzlich muss eine Entschädigungspflicht im Sinne von Art. 11 V normiert werden. Art. 10 der Richtlinie sieht zudem eine Verpflichtung börsennotierter Gesellschaften vor, im jährlichen Lagebericht diejenigen Gesellschaftsstrukturen und Mechanismen offen zu legen, die eine Übernahme behindern könnten. Auf diese Weise sollen sowohl potentielle Bieter im Hinblick auf zukünftige Übernahmevorhaben als auch die Anleger in Bezug auf eine Investitionsentscheidung angemessen informiert werden. c) Der Angebotspreis Allein für Pflichtangebote sieht die Richtlinie eine Preisregel vor. Danach muss der Preis, der im Pflichtangebot den Wertpapierinhabern offeriert wird, zumindest dem höchsten vom Kontrollinhaber oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person während eines Referenzzeitraums von mindestens sechs bis maximal zwölf Monate gezahlten Preis entsprechen. Der im WpÜG vorgesehene Referenzzeitraum von drei Monaten gem. § 31 I WpÜG in Verbindung mit § 4 S. 1 WpÜG-AngebotsVO muss also verlängert werden. Die Richtlinie sieht die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vor, ihr Aufsichtsorgan unter bestimmten Voraussetzungen und unter Einhaltung bestimmter Vorgaben zur Erhöhung oder Ermäßigung dieses Preises zu ermächtigen. Das WpÜG normiert im Gegensatz zur Richtlinie gem. § 31 I auch eine Mindestpreisregel für freiwillige Angebote409. Diese Vorgabe kann auch nach Verabschiedung der Richtlinie beibehalten werden, da der nationale 408 409

Kindler, DStR 2004, 866, 872; Krause, BB 2004, 113, 114. Siehe S. 272 ff.

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Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt ist, deren Mindestanforderungen zu verschärfen410. d) Ausschluss- und Andienungsrecht Wie schon im Richtlinienvorschlag 2002 ist auch in der Richtlinie gem. Art. 15 ein Squeeze-Out-Recht des erfolgreichen Bieters vorgesehen, das er innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist ausüben muss. Dieses Recht gründet auf kapitalmarktrechtlichen Überlegungen und soll den Bieter für die mit dem Übernahmeverfahren verbundenen Kosten und Risiken entschädigen411. Er ist berechtigt, wenn er einen Anteil von 90% der Stimmrechte besitzt bzw. sich vertraglich verpflichtet hat, diesen Anteil zu erwerben, von den verbleibenden Wertpapierinhabern den Verkauf ihrer Papiere zu einem angemessenen Preis zu verlangen. Dieses Ausschlussrecht unterscheidet sich maßgeblich von dem aktienrechtlich normierten Verfahren gem. § 327 a AktG und sollte deshalb direkt im WpÜG verankert werden412. Gleiches gilt für das Andienungsrecht oder Sell-Out-Recht der Aktionäre, das als Gegenstück zum Ausschlussrecht von der Richtlinie vorgesehen ist. Ein solches ist im deutschen Rechts bisher nicht niedergelegt; eine verwandte Regelung findet sich in § 16 Abs. 2 WpÜG413. Die inhaltliche Ausgestaltung des Sell-Out ist dem Squeeze-Out-Recht anzulehnen.

3. Zusammenfassung Das zu Beginn der langen Geschichte der Übernahmerichtlinie formulierte Ziel, ein level playing field für Unternehmensübernahmen auf dem europäischen Markt zu schaffen, konnte mit der Richtlinie nicht vollständig erreicht werden. Das Optionsmodell eröffnet den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, nationale Übernahmehindernisse und somit ungleiche Voraussetzungen für Übernahmevorhaben aufrechtzuerhalten. Andererseits war diese Kompromisslösung der einzige, zu diesem Zeitpunkt gangbare Weg, um ein Regelwerk auf europäischer Ebene zu schaffen. In Bezug auf die Verhaltenspflichten des Managements und die Übernahmehindernisse wie Mehrstimmrechte, Goldene Aktien etc. waren die Fronten in der Diskussion verhärtet und eine vollständige Rechtsangleichung aussichtslos. 410 Kindler, DStR 2004, 866, 872; a. A. Mülbert, NZG 2004, 633, 640; zur Diskussion dieser Thematik siehe S. 281 f. 411 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 240 f. 412 Kindler, DStR 2004, 866, 873; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 239. 413 Siehe S. 169 f.

B. Die Regelung von Übernahmeangeboten auf europäischer Ebene

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Insbesondere die Möglichkeit des Opt-In, die den einzelnen Unternehmen eröffnet wird, ist als gelungene Komponente des Kompromisses zu begrüßen. Unternehmen, die sich auf diese Weise dem Wettbewerb am Markt aussetzen – und die Öffentlichkeit gem. Art. 10 der Richtlinie darüber informieren –, dürfen auf die Wertschätzung der Aktionäre und deren Investitionsfreude hoffen. Diese erwarten, angesichts der Offenheit des Unternehmens für den internationale Wettbewerb, eine Optimierung der Unternehmensführung und damit des Anteilswertes. Denkbar ist, dass die Opt-In-Lösung für die Unternehmen deshalb nicht die Ausnahme bleibt und auf dieser Ebene Schritt für Schritt eine Harmonisierung erreicht werden kann. Im Ergebnis wurde mit Hilfe der Optionslösung ein beträchtlicher Grad an Harmonisierung erreicht. Wichtige Punkte wie die Anwendungsbereiche des nationalen Rechts, Zuständigkeiten der Aufsichtsorgane, Verfahrensvorschriften, Preisbestimmungsregeln sowie Ausschluss- und Andienungsrechte wurden erfolgreich vereinheitlicht.

5. Teil

Die Bieterpflichten A. Informationspflichten I. Angebotsabgabe 1. Informationsgefälle bei Angebotsabgabe Bei Abgabe eines Übernahmeangebots besteht naturgemäß ein Informationsdefizit auf Seiten der Aktionäre414. Der Bieter hatte ausreichend Vorbereitungszeit und auch standen ihm die notwendigen Mittel zur Verfügung, um den Wert des Zielunternehmens zu bestimmen und hiervon die Gegenleistung im Übernahmeangebot abhängig zu machen. Stattdessen fehlen den Aktionären substantiierte Kenntnisse, um die Angemessenheit des Angebotspreises zu beurteilen und über die Annahme des Angebots zu entscheiden. Zwar werden ihre Belange bereits mittels einer Mindestpreisregel geschützt, die versucht einen objektiven Angemessenheitsmaßstab festzulegen und die Gleichbehandlung der Aktionäre zu gewährleisten415. Hier handelt es sich jedoch nur um eine Mindestgarantie. Diese ersetzt nicht das Bedürfnis, die Aktionäre mit den erforderlichen Informationen auszustatten, um ihre Stellung als Vertragspartner des Bieters zu stärken und die Funktionsfähigkeit des Marktmechanismus zu erhalten. Das Informationsgefälle zu Lasten der Aktionäre muss hierfür beseitigt werden416. Um die Ziele des Anleger- und Kapitalmarktschutzes im Übernahmeverfahren erreichen zu können, muss daher eine wohl informierte, das heißt auf umfassenden, objektiven und zuverlässigen Informationen beruhende Entscheidung der Aktionäre sicher gestellt werden, ob das in die Zielgesellschaft investierte Geld durch die Annahme eines Barangebots zu rekapitalisieren oder – im Falle eines Tauschangebots in die Bieteraktien zu reinvestieren ist. Die Information stärkt die Position der Aktionäre in doppelter Hinsicht. Erstens sind sie in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger in die Lage zu versetzen, die Angemessenheit des Angebotspreises adäquat beur414 415 416

Siehe dazu bereits S. 41 f. Siehe dazu unten S. 272 f. Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 15, 23.

A. Informationspflichten

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teilen zu können. Zweitens haben sie in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Zielgesellschaft über deren Zukunft zu entscheiden. Es muss ihnen erleichtert werden, unseriöse, spekulative Übernahmevorhaben zu erkennen, die auf die Zerschlagung der Zielgesellschaft statt auf Verbesserung deren Ertragslage abzielen417. 2. Die Angebotsunterlage a) Funktion Zur Beseitigung des Informationsdefizits auf Seiten der Aktionäre wird der Bieter durch das Übernahmerecht verpflichtet, eine umfassende Angebotsunterlage zu erstellen, die sämtliche relevanten Informationen enthalten muss. Über das Angebot informiert werden dabei zunächst die Aktionäre der Zielgesellschaft genauso wie deren Management. Jedoch auch die gesamte Öffentlichkeit am Markt und die Aufsichtsbehörde erlangen so die entscheidenden Informationen. Im deutschen Recht bestimmt § 11 I allgemein, dass der Bieter zur Erstellung und Veröffentlichung einer Angebotsunterlage verpflichtet ist418. Die Angaben darin müssen es den Aktionären ermöglichen, in Kenntnis der Sachlage über das Angebot zu entscheiden. Gewährleistet sein muss die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben419. Konkretisiert wird dadurch das bereits als allgemeiner Grundsatz gem. § 3 II festgelegte Transparenzgebot420. Die Angebotsunterlage stellt dabei das eigentliche Übernahmeangebot in Form eines unbedingten Antrags auf Abschluss eines Erwerbsvertrages im Sinne des § 145 BGB dar421. Sie ist Kernstück des Übernahmeangebots422 und gleicht hinsichtlich ihrer Funktion und den rechtlichen Anforderungen dem kapitalmarktrechtlichen Verkaufsprospekt423. 417

Immenga, SAG 1975, 89, 93; Zinser RIW 2001, 481, 483. Siehe dazu Hamann, ZIP 2001, 2249; Liebscher, ZIP 2001, 853, 862 f.; Hopt, ZHR 161 (2002), 383, 402 f.; Riehmer/Schröder, BB 2001, Beilage 5 zu Heft 20, S. 4 f.; Möllers, ZGR 2002, 664, 668 f. 419 § 11 I S. 3. 420 Renner in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 11 Rn. 9; Seydel in KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 2. 421 Liebscher, ZIP 2001, 853, 862; Renner in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 11 Rn. 11; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 11 Rn. 2; Seydel, KK-WpÜG; 2003, § 11 Rn. 20. 422 Harmann, ZIP 2001, 2249. 423 Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 403; Hamann, ZIP 2001, 2249; Assmann, ZGR 2002, 697, 717; zum Informationszweck des Verkaufsprospekts Assmann in Assmann/Lenz/Rith, Verkaufsprospektgesetz, 2001, Einleitung Rn. 1.; eine Gliederung der Angebotsunterlage zeigt Oechsler auf in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 11 Rn. 5a. 418

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Dieser zielt auf eine Verbesserung des Anlegerschutzes ab, indem er verstärkt Informationsmöglichkeiten vor Abgabe der Anlageentscheidung zur Verfügung stellt424. Alle für eine Anlageentscheidung wesentlichen Umstände sollen in einem vor Kaufentscheidung zur Verfügung stehenden Prospekt offen gelegt werden425. Die Angebotsunterlage betrifft genau die spiegelbildliche Situation, da der Wertpapierinhaber im Übernahmeverfahren durch den Prospekt zum Verkauf oder Tausch seiner Papiere veranlasst werden soll. Das WpÜG will, ebenso wie §§ 44, 45 BörsG n. F. für die börsenrechtliche Prospekthaftung, das Vertrauen der Anleger schützen. Die Veröffentlichung der Angebotsunterlage soll dieses fördern426. Die deutsche Rechtslage entspricht den Anforderungen der Übernahmerichtlinie427, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Angebotsunterlage mit den notwendigen Informationen zu erstellen und diese rechtzeitig bekannt zu machen428. Vergleichbar sieht der City Code in Rule 23 als allgemeine Vorschrift vor, dass den Aktionären ausreichende Information zu gewähren ist, um eine wohl informierte Entscheidung zu treffen429. Konkretisiert wird auch hier das allgemeine Transparenzgebot von General Principle 4. Direkt wird der Bieter in Rule 24430 zur Erstellung der Angebotsunterlage verpflichtet431. Diesbezüglich stellt General Principle 5 sicher, dass mit höchst möglicher Sorgfalt vorzugehen ist. Falls die Zielgesellschaft börsennotiert ist, sind zusätzlich die Anforderungen des Purple Book zu beachten432.

424 Groß, Kapitalmarktrecht, 2003, Vorbemerkungen Verkaufsprospektgesetz, Rn. 3. 425 Regierungsbegründung Verkaufsprospektgesetz, BT-Drs. 11/6346, S. 1, 10. 426 Möllers, ZGR 2002, 664, 670. 427 RL 6 II, III; Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 11. 428 RL Art. 6 II. 429 Siehe dazu Davies in Gower’s Principles, 1997. S. 796 f.; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4097 ff., Rn. 4-5002 ff. Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 74 f.; Witt, Übernahmen, 1998, S. 127 f. 430 Rule 24 „Offeror Document“. 431 Siehe Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 4-5001; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 724 ff.; Hill in Butterworths Corporate Law Service, Corporate Transactions; Rn. 7.103 ff, Zinser, RIW 2001, 481, 483. 432 Beispielsweise sind die Entwürfe der Angebotsdokumente im voraus der FSA zu übermitteln, an den Inhalt der Dokumente werden erhöhte Anforderungen gestellt, Expertenmeinungen sind einzubeziehen und als solche zu kennzeichnen, sogenannte „listing particulars“, d.h. besondere Informationen zum Zwecke der Börsennotierung, können verlangt werden etc.

A. Informationspflichten

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b) Formales Das WpÜG verlangt gem. § 11 I S. 4, dass die Angebotsunterlage in deutscher Sprache und in einer Form, die ihr Verständnis und ihre Auswertung erleichtert, zu erstellen ist. Zum Schluss muss der Bieter sie unterzeichnen, § 11 I S. 5. Damit gibt er zu erkennen, dass er die Verantwortung für deren Richtigkeit und Vollständigkeit übernimmt und andernfalls hierfür haftet433. Gem. §§ 14 II, II S. 1 muss der Bieter die Veröffentlichung der Angebotsunterlage durch Bekanntgabe im Internet und durch Veröffentlichung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bzw. durch Bereithalten zur kostenlosen Ausgabe bei einer geeigneten Stelle im Inland vornehmen. Vergleichbare formale Anforderungen stellt auch der City Code an das Angebotsdokument. Die Information muss in angemessener und ansehnlicher Form dargestellt werden434. Eine Regelung über die Form der Veröffentlichung fehlt im City Code. Eine solche wäre hier auch überflüssig. Im britischen Recht werden die Aktien grundsätzlich als Namensaktien ausgegeben. Um Aktionär einer britischen Gesellschaft zu werden, muss der konstitutive Eintrag in deren Aktionärsregister erfolgen435. Dies gilt sowohl für den Erwerb der Aktien direkt von der Gesellschaft oder von einem anderen Aktionär. In das Register sind Name, Adresse, Datum der Registrierung und Datum des Erlöschens des jeweiligen Mitgliedschaftsrechts einzutragen436. Das Aktionärsregister ist der Öffentlichkeit zugänglich437. Vom Bieter wird deshalb verlangt, die Angebotsunterlage den Aktionären der Zielgesellschaft persönlich zu übersenden438. c) Inhalte Beiden Rechtsordnungen ist auch eine katalogisierte Aufzählung der notwendigen Mindestinhalte der Angebotsunterlage gemeinsam439. Erneut stehen diese jeweils im Einklang mit den Regeln der Übernahmerichtlinie440. Das WpÜG nimmt hierbei eine Dreiteilung zwischen Inhaltsangaben, ergänzenden Angaben nach WpÜG und ergänzenden Angaben nach WpÜG-AVO 433

Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 41 ff. Rule 19.1 „. . . information given must be adequately and fairly presented.“ 435 Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 330. 436 Ss 352–362 CompAct 1985. 437 S 356 CompAct 1985 – Inspection of Register. 438 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999. S. 4100 ff., Rn. 4-5007 f.; zur Schwierigkeit der persönlichen Feststellung der Angebotsadressaten im deutschen Recht siehe Riehmer/Schröder, BB 2001 Beilage 5 zu Heft 20, S. 1 f. 439 § 11 II, § 2 WpÜG-AVO und Rule 24 City Code. 440 Siehe obligatorischer Katalog des Angebotsinhalts, RL Art. 6 III a)–n). 434

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5. Teil: Die Bieterpflichten

vor. Als sachgerecht begrüßt wird die nähere Bestimmung der Angaben innerhalb einer Rechtsverordnung, da mit diesem Instrument schnell und flexibel auf die Erfordernisse der Praxis eingegangen werden könne441. Gefordert werden gem. § 11 II Angaben über die Person des Bieters, die Zielgesellschaft, die Wertpapiere, die Ziel des Angebots sind, die gebotene Gegenleistung, die für das Angebot geltenden Bedingungen und die Länge der Annahmefrist. Aufgezählt werden hier vom Gesetzgeber die essentialia negotii des Übernahmeangebots442. Im City Code sind diese Inhaltsangaben deshalb nicht ausdrücklich für das Angebotsdokument vorgesehen, weil der Bieter diese bereits bei Veröffentlichung seiner festen Annahmeabsicht gem. Rule 2.5 (b) City Code bereithalten muss443. Detailliertere Informationspflichten sind im deutschen Recht im Katalog der ergänzenden Angaben gem. § 11 II S. 3444, im britischen Recht im Katalog über die allgemeinen Inhalte des Angebotsdokuments unter Rule 24.1-13 enthalten. Es werden jeweils Angaben über die Absichten des Bieters in Bezug auf die Zielgesellschaft und deren Arbeitnehmer gefordert445. Hierzu zählen Informationen über eine mögliche Sitzverlegung, die Verlagerung wesentlicher Unternehmensteile, die beabsichtigte Vermögensverwendung und geplante Änderungen der Beschäftigungsbedingungen446. Zu beachten ist in diesem Bereich aber, dass eine zu weit gehende Offenlegung den legitimen Geheimhaltungsinteressen des Bieters entgegensteht. Schon aus Wettbewerbsgründen ist es für den Bieter unzumutbar, sämtliche zukünftige geschäftliche Maßnahmen zu veröffentlichen447. Zwar ist eine Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen des Bieters im WpÜG nicht explizit vorgesehen. In Anbetracht der sachlichen Nähe zu den verkaufsprospektrechtlichen Regeln wird aber eine analoge Anwendung des § 7 III VerkProspG in Verbindung mit § 14 IV Nr. 2 VerkProspVO befürwortet448. 441

Stellungnahme DAV, NZG 2001, 420, 423; Hamann, ZIP 2001, 2249, 2252. Liebscher, ZIP 2001, 853, 862. 443 Im deutschen Recht muss nach augenblicklicher Rechtslage zu diesem Zeitpunkt eine derart detaillierte Information noch nicht erfolgen, da der Bieter zur unverzüglichen Veröffentlichung der Angebotsabsicht gezwungen sein soll und die Konditionen des Angebots noch nicht ausgearbeitet hat. Dass dieser gesetzlich vorgegebene Verfahrensablauf wenig gelungen ist, wird an späterer Stelle erörtert, vgl. S. 223 ff. 444 Siehe hierzu Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 11 Rn. 36 ff. 445 Rule 24.1, § 11 II Ergänzende Angaben Nr. 2. 446 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034 S. 41 und Katalog in Rule 24.1 (a)–(d). 447 Renner in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 11 Rn. 50; Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 11 Rn. 13. 448 Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 30. 442

A. Informationspflichten

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Diese normieren Ausnahmetatbestände, dass von der Aufnahme einzelner Angaben im Verkaufsprospekt abgesehen werden kann, wenn die Verbreitung dieser Angaben dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt, sofern die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Tatsachen oder Umstände täuscht. Es hat eine Abwägung der Bieter- und Anlegerinteressen statt zu finden, welche im Übernahmerecht letztlich von der BAFin vorgenommen werden sollte. Zweitens wird eine Aufklärung über die Maßnahmen zur Sicherstellung der Finanzierung449 und eine entsprechende Bestätigung des Finanzdienstleisters mit Angaben über denselben verlangt450. Diese Angabe ist nötig, um Übernahmevorhaben zu verhindern, die auf unsicherer wirtschaftlicher Grundlage stehen und die unter Umständen von vornherein zum Scheitern verurteilt sind451. Außerdem soll den Angebotsadressaten die Möglichkeit zur Verfolgung von eventuellen Ansprüchen gegen den Finanzdienstleister gegeben werden452. Des Weiteren müssen Angaben über spezielle Vereinbarungen mit dem Management der Zielgesellschaft, wie Geldleistungen, geldwerte Vorteile etc. offen gelegt werden453. Da die Zielgesellschaft selbst eine Stellungnahme zum Übernahmeangebot abgeben muss454, ist eine Kenntnis der Aktionäre über einen eventuellen Interessenkonflikt auf Seiten des Managements von erheblicher Bedeutung455. Werden Aktien der Bietergesellschaft zum Tausch angeboten, so ist über diese Papiere ausreichend zu informieren456. Wichtig ist auch die Information über die Anzahl der vom Bieter oder von mit ihm gemeinsam handelnden Personen bereits gehaltener Wertpapiere, sowie die Höhe der gehalte449

Rule 24.2 (d); § 11 II WpÜG Ergänzende Angaben Nr. 1. Rule 24.7; § 11 II WpÜG Ergänzende Angaben Nr. 4. 451 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 41. 452 Hamann, ZIP 2001, 2249, 2254. 453 Rule 24.5; § 11 II WpÜG Ergänzende Angaben Nr. 3. 454 Auch dieses Erfordernis ist beiden Rechtsordnungen gemeinsam, vgl. Rule 25 und § 27 WpÜG. 455 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034 S. 41. 456 Rule 24.9, 10; § 2 Nr. 2 WpÜG-VO i. V. m. § 7 VerkProspG und VerkProspVO. Besteht die Gegenleistung in Wertpapieren wird nämlich gem. § 1 VerkProspG ein Wertpapier angeboten und den Aktionären der Zielgesellschaft müssen die Angaben zur Verfügung gestellt werden, die notwendig sind, um sich ein zutreffendes Bild über den Emittenten und das Wertpapier zu machen. Nur wenn innerhalb des letzen Jahres im Inland in deutscher Sprache ein Verkaufsprospekt nach Maßgabe der Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes veröffentlicht wurde, entfällt diese Informationspflicht; hierzu Hamann, ZIP 2001, 2249, 2252; Liebscher, ZIP 2001, 853, 863. 450

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5. Teil: Die Bieterpflichten

nen Stimmrechtsanteile unter Berücksichtigung der Zurechnungstatbestände457. Um die Beurteilung der Angemessenheit des Angebots für die Aktionäre zu erleichtern, muss der Bieter auch Angaben zu Art und Umfang der jeweils für den Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft gewährten oder vereinbarten Gegenleistung Auskunft geben458. 3. Mängel der deutschen Rechtslage a) Strohmanngeschäfte Nach gegenwärtiger Gesetzeslage muss der Bieter keine Angaben darüber machen, ob er die durch das Übernahmeangebot erworbenen Anteile an einen Dritten weiterveräußern will. Sogenannte Strohmanngeschäfte wären also möglich, welche die Aktionäre über die Identität des wahren künftigen Mehrheitsgesellschafters täuschen könnten459. Für die Aktionäre sollte es aber absehbar sein, unter wessen Führung das Zielunternehmen in Zukunft geleitet werden würde. Dies ist ein entscheidendes Element ihrer Entscheidung zum Verbleib oder Ausstieg aus der Zielgesellschaft. Im britischen Recht verlangt die so genannte ultimate owner-rule460 Auskunft darüber, ob geplant ist, die erworbenen Anteile an einen Dritten zu übertragen. Ist dies der Fall, müssen zusätzlich Angaben über die Parteien dieser Vereinbarung und die Anzahl der Anteile, die der Dritte zu diesem Zeitpunkt bereits hält, gemacht werden. Die Aktionäre sollen sich ein genaues Bild über den zukünftigen Mehrheitsgesellschafter machen können, der die Geschicke des Zielunternehmens leiten wird. Es ist deshalb dem deutschen Gesetzgeber zu empfehlen, eine entsprechende Informationspflicht als ergänzende Angabe in den bestehenden Katalog aufzunehmen. b) Angaben über die Vermögensverhältnisse des Bieters Im deutschen Recht muss der Bieter nur insofern Angaben über seine finanzielle Situation machen, als diese Aufschluss über die Sicherstellung der Finanzierung des Angebots geben461. Für die Angebotsadressaten könnte es 457 458

Rule 24.3, § 2 Nr. 5 WpÜG-AVO. § 2 Nr. 7 WpÜG-VO; Rule 24.3 (c), siehe auch Hamann, ZIP 2001, 2249,

2253. 459

Oechsler, NZG 2001, 817, 823; Hamann, ZIP 2001, 2249, 2251. Rule 24.8; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4107 f., Rn. 4-5024. 461 § 11 II 3 Nr. 1; vgl. hierzu Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 224. 460

A. Informationspflichten

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aber auch von Interesse sein, über die gesamten Vermögensverhältnisse des Bieters in der Gegenwart und in der jüngeren Vergangenheit informiert zu werden, um sich ein Bild über dessen Qualitäten bei der Unternehmensführung zu machen. Ist der Bieter selbst ein finanzstarker Unternehmer, so ist zumindest die Befürchtung gebannt, dass er sich mit Hilfe der Zielgesellschaft sanieren will. Insbesondere wenn das Übernahmeangebot als Tauschangebot ausgestaltet ist und die Angebotsadressaten potentielle Neuaktionäre in der Bietergesellschaft sind, muss ihnen ermöglicht werden, sich ein Bild über die Finanzkraft derselben zu machen. Die Aktionäre benötigen ausreichende Anhaltspunkte, um die Qualität der angebotenen Neuinvestition beurteilen zu können. Die Angebotsunterlage übernimmt hier unmittelbar die Funktion eines Verkaufsprospekts462. Für diese Fälle sieht § 2 Nr. 2 WpÜG-AVO deshalb auch vor, dass Angaben gem. § 7 VerkProspG zu machen sind. Es handelt sich hierbei um einen Rechtsfolgenverweis463. Danach hat der Bieter im Übernahmeverfahren den Angebotsadressaten solche Angaben zu machen, die notwendig sind, um ihnen ein zutreffendes Bild über den Emittenten (hier: den Bieter) und seine Wertpapiere zu ermöglichen. Die Angaben müssen über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Wertpapiere notwendig sind, Auskunft geben464. Der genauere Umfang ergibt sich durch den Verweis auf die Verkaufsprospektverordnung, worin beispielsweise Angaben über den Emittenten, das Kapital desselben, seine Geschäftstätigkeit und dessen Vermögens-, Finanzund Ertragslage vorgesehen sind465. Dazu zählen der letzte offengelegte Jahresabschluss, dessen Stichtag höchstens achtzehn Monate vor der Aufstellung des Verkaufsprospekts liegen darf und zwischenzeitlich veröffentlichte Zwischenübersichten. In dieser Hinsicht ist der City Code deutlich strenger466. Auskunft des Bieters über seine augenblickliche finanzielle Lage und auch seine Vergangenheit wird grundsätzlich für alle Übernahmeangebote verlangt, ob Baroder Tauschangebot467. Gem. Rule 24.2 (a) muss der Bieter zum Beispiel Angaben für die letzen drei Geschäftsjahre über seinen Umsatz, Gewinnund Verlust-Rechnung vor und nach Steuer, seine Steuerlast, außergewöhn462 463 464 465 466 467

Seydel in KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 82. Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 11 Rn. 48. Begründung, Ref-E WpÜG-VO, S. 12. Siehe §§ 5–8 VerkProspV. So auch Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 12. Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4102 ff., Rn. 4-5013 ff.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

liche Belastungen etc. machen. Zudem muss er einen Bericht über sein Vermögen und die Verbindlichkeiten gemäß der letzten Bilanz vorlegen. Er muss alle bedeutsamen Veränderungen seiner Finanz- und Umsatzlage seit dem letzten Bilanzstichtag nennen und vieles mehr. Die Regelungen des City Codes zielen darauf ab, dass die Aktionäre sehr genau über die gegenwärtige und vergangene Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unterrichtet werden, um ihnen so die Grundlage für eine wohl informierte Entscheidung über die Angebotsannahme zu bieten. Im deutschen Recht ist dies wie gesehen nur im Falle von Tauschangeboten und auch dann nicht in der im britischen Recht praktizierten Ausführlichkeit vorgesehen. Deshalb ist fraglich, ob der Verweis auf die verkaufsprospektrechtlichen Vorschriften genügt, um den Aktionären adäquate Information zu bieten. Zudem ist zweifelhaft, ob sie nach bestehender Rechtslage in ausreichendem Maße vor unseriösen Tauschangeboten geschützt werden könnten468. Das Verkaufsprospektgesetz bezweckt den Anlegerschutz durch Information des Publikums über die angebotenen Wertpapiere und deren Emittenten. Informationsdefizite sollen durch die Prospektveröffentlichung bei der Anlageentscheidung während der Dauer des öffentlichen Angebots469 abgebaut werden470. Dabei sind die in § 7 II VerkProspG aufgezählten Informationen explizit als Mindestanforderungen ausgestaltet471. Die Aufzählungen des § 11 in Verbindung mit § 2 WpÜG-AVO dagegen gelten als abschließend472. Der Bieter soll sich darauf verlassen können, dass dieser Umfang an Informationen ausreicht, um vom Bundesaufsichtsamt gem. § 15 I Nr. 1 angenommen zu werden. Der bloße Verweis auf die Mindestangaben des Verkaufsprospektgesetztes im Rahmen der Übernahmeregeln greift deshalb zu kurz. 468 Auch Möllers, ZGR 2002, 664, 677 erkennt, dass das britische Recht deutlich mehr Pflichtangaben als § 11 vorsieht und stellt deshalb die Frage, ob im Hinblick auf das Informationsbedürfnis der Aktionäre der Katalog des § 11 abschließender Natur ist. Im Ergebnis bejaht er dies wohl (S. 678). 469 Zum Begriff des öffentlichen Angebots im Sinne des VerkProspG siehe Bekanntmachungen der BAFin zum Verkaufsprospektgesetz, abgedr. bei Groß, Kapitalmarktrecht, 2003, § 1 VerkProspG Rn. 15. 470 Hamann in Schäfer, WpHG/BörsG/VerkProspG, 1999, vor § 1 VerkprospG Rn. 2; Groß, Kaptialmarktrecht, 2003, § 1 VerkProspG Rn. 1. 471 Die Informationen werden nur beispielhaft genannt („insbesondere . . .“), siehe Möllers, ZGR 2002, 664, 677 m. w. N.; Groß, Kapitalmarktrecht, 2003, § 7 VerkProspG Rn. 7; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz, Verkaufsprospektgesetz, 2001, § 7 VerkProspG Rn. 18. 472 Hopt, 166 (2002), 383, 403; Möllers, ZGR 2002, 664, 678; ders., KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 42.

A. Informationspflichten

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Hinzu kommt, dass Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bieters in der Vergangenheit nicht allein im Rahmen von Tauschangeboten von Interesse sind473. Sollte sich der Zielgesellschaftsaktionär im Rahmen eines Barangebots für den Verbleib in der Zielgesellschaft unter neuer Führung entscheiden, so ändern sich auch hier die Grundlagen seiner Investitionsbeziehung474. Um die Position das Anlegers als Investoraktionär zu schützen, sind ihm daher auch in diese Situation ausreichend Informationen an die Hand zu geben, um zu beurteilen, ob er diese neue Investitionsbeziehung begründen will. Die Aktionäre haben ein generelles Interesse daran, bei Übernahmeangeboten die wirtschaftliche Gesundheit des Bieters beurteilen zu können. Diese Information kann Anhaltspunkte darüber liefern, wie erfolgsversprechend die unternehmerische Zukunft der Zielgesellschaft verlaufen könnte. Sie stärkt das Vertrauen in den Bieter und seine Führungsqualität. Dieses Kriterium erleichtert die Qualifikation des Angebots als hochwertiges oder rein spekulatives.

c) Gewinnerwartungen Der Bieter muss gem. § 11 II 3 Nr. 1 Angaben über die erwarteten Auswirkungen eines erfolgreichen Angebots auf seine Vermögens-, Finanz- und Ertragslage machen. Streitig ist, ob hier langfristige Prognosen zur Gewinnerwartung des Bieterunternehmens oder bloße Angaben über die unmittelbare Auswirkung des Übernahmeangebots auf dasselbe gefordert werden475. Der Wortlaut ist jedenfalls nicht eindeutig. Die Gesetzesbegründung konkretisiert jedoch, dass der Bieter Auskunft über die „finanzielle Belastung“ eines erfolgreichen Übernahmeangebots auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage geben soll476. Dies deutet auf die kurzfristige Auslegung hin. Nach Auffassung der BAFin sollten diese Angaben des Bieters sowohl statische als auch dynamische Elemente der Vergangenheit als auch der nahen Zukunft enthalten477.

473 So macht beispielsweise der City Code hinsichtlich dieser Informationsforderung keine Unterschiede zwischen Bar- und Tauschangebot, a. A. Möllers, ZGR 2002, 664, 679; in diesem Sinne auch Oechsler, NZG 2001, 817, 823. 474 So bei einem Wechsel des Kontrollinhabers in der Gesellschaft Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558. 475 Vgl. Oechsler, NZG 01, 817, 823; Hamann, ZIP 2001, 2249, 2253; Möllers, ZGR 2002, 664, 679 f. 476 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 41. 477 Lenz/Behnke, BKR 2002, 43, 46.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Damit sich die Aktionäre ein Bild von der zukünftigen Entwicklung der Bietergesellschaft machen können, welche Muttergesellschaft der Zielgesellschaft werden soll, sind aber bereits die obligatorischen Auskünfte über die Absichten des Bieters im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit ausreichend478. Weder die Übernahmerichtlinie noch das britische Recht sehen überhaupt eine Verpflichtung zur Gewinnprognose vor. Dies hat auch seinen guten Grund, da Gewinnprognosen im Rahmen von Übernahmeangeboten besondere Gefahrenquellen bergen479. Grundsätzlich wohnt diesen ein Werbecharakter inne. Sie werden vom Bieter benutzt, um die Qualität des Übernahmeangebots anzupreisen. Er könnte in Versuchung geraten, übertriebene Gewinnerwartungen auszusprechen, um unsachgemäße Werbung für sein Übernahmeangebot zu betreiben. Sowohl die Adressaten eines Tauschangebots, die gerade zu einer Reinvestition ihres Kapitals in Wertpapiere der Bietergesellschaft veranlasst werden sollen, aber auch die in der Zielgesellschaft verbleibenden Aktionäre, die von dem Bieterunternehmen abhängig werden, könnten von unzutreffenden oder überhöhten Gewinnerwartungen zu einer fehlerhaften Anlageentscheidung getrieben werden. Vor diesem Hintergrund muss das Übernahmerecht strenge Anforderungen an Prognoseangaben in der Angebotsunterlage stellen. Die Information über so genannte Gewinnerwartungen ist folglich ein hoch sensibler Bereich, in welchem der Bieter einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab zu wahren hat, um die Interessen der Anleger nicht zu gefährden. Es ist nicht sachgemäß, den Bieter zur Abgabe solcher Prognosen gesetzlich zu verpflichten. Wenn er es für erforderlich erachtet, soll ihm auf freiwilliger Basis die Aufnahme solcher Prognosen gestattet sein, wobei er aber zu einem besonders sorgfältigen Vorgehen verpflichtet ist. Ein Seitenblick auf die britischen Regeln macht deutlich, welch besonders hohen Maßstäbe an die Genauigkeit und Sorgfalt bei Veröffentlichung derartiger Prognosen angelegt werden480. Eine Gewinnerwartung ist unter dem höchsten Maß von Sorgfalt und Objektivität abzugeben. Die Annahmen, auf denen die Gewinnerwartung beruht, müssen zudem veröffentlicht werden481. Bei Tauschangeboten müssen Berichte der Rechnungsprüfer, Buchführer und Finanzberater über die Bestimmung der Gewinnerwartung 478

§ 11 I S. 3 Nr. 2. Rule 28.1 besagt selbst „There are obvious hazards attached to the forecasting of profits . . .“; Oechsler, NZG 2001, 817, 823. 480 Rule 28.1: Standards of care; siehe dazu Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4120 ff., Rn. 4-5051 ff.; Charlesworth/Morse, Company Law, 1999, S. 613; Seydel KK-WpÜG § 11 Rn. 12 f.; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 11 Rn. 16. 481 Rule 28.2: The assumptions. 479

A. Informationspflichten

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vorgelegt werden. Wenn die Erträge aus unbeweglichem Vermögen eine entscheidende Rolle für die Gewinnerwartung spielen, müssen unabhängige Gutachter diese bestätigen482. Im deutschen Recht soll auf Grund der oben genannten Nähe von Angebotsunterlage und börsenrechtlichem Verkaufsprospekt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Prognosen in Angebotsunterlagen auf die Grundsätze der börsenrechtlichen Prospekthaftung zurückgegriffen werden483. Ihre Prämissen müssen demzufolge wirklichkeitsnah, die Berechnung rechnerisch korrekt und die bestehenden Risiken hinreichend genau bezeichnet sein. Sie müssen ausreichend durch Werturteile gestützt und kaufmännisch vertretbar sein484. Vergleichbar mit der verkaufsprospektrechtlichen Praxis könnten prognostische Angaben deshalb unter Vorbehalt abgegeben und mit Risikohinweisen versehen werden müssen485. Würde der Bieter diesen Anforderungen nicht entsprechen, könnten die Prognosen als unrichtige Angaben im Sinne des § 12 I gelten und die Angebotsunterlagenhaftung des Bieters auslösen486. Die Darstellung dieser Prognosen hat bereits in der verkaufsprospektrechtlichen Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten geführt487. Bezüglich der Behandlung von „wertenden Aussagen“ ist hier vieles unklar488. Im Interesse der Abwicklung eines geordneten und verlässlichen Übernahmeverfahrens sollte das WpÜG deshalb ausdrücklich festlegen, welche Anforderungen an Prognoseangaben gestellt werden. Grundsätzlich soll der Bieter zur Abgabe derartiger Prognosen aber nicht verpflichtet sein. Er unterliegt hier einem erhöhten Haftungsrisiko und soll frei entscheiden können, ob er dieses eingehen will. Dem Informationsbedürfnis der Aktionäre ist bereits durch die Offenlegung seiner Absichten nach Übernahme der Kontrolle Genüge getan. Sollte der Bieter Prognoseangaben aufnehmen wollen, so muss er aus Gründen der Rechts- und Planungssicherheit bei Erstellung der Angebotsunterlage wissen, wie er Aussagen über Gewinnprognosen oder auch kurzfristige Auswirkungsprognosen ausgestalten muss, um eine Untersagung des 482

Rule 28.3: Reports required in connection with profit forecast. Möllers, ZGR 2002, 664, 681. 484 BGH, WM 1982, 862, 865; Assmann, in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1997, § 7 Rn. 68; Hamann in Schäfer, WpHG/BörsG/VerkProspG, 1999, §§ 45, 46 a. F. BörsG Rn. 74 f. m. w. N. Zur Übertragung dieser Grundsätze auf die Angebotsunterlage Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 11 Rn. 47; Oechsler, NZG 2001, 817, 823; Möllers, ZGR 2002, 664, 681. 485 BGH ZIP 1982, 923. 486 Assmann, AG 2002, 153, 155; Möller, KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 26. Zur Haftung siehe sogleich unten S. 125 f. 487 Lenz/Linke, AG 2002, 361, 363. 488 Hamann in WpHG/BörsG/VerkProspG, 1999, §§ 45, 46 a. F. BörsG Rn. 73. 483

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Angebots gem. § 15 I zu vermeiden. Es muss gewährleistet sein, dass Prognoseangaben ausreichend durch Tatsachen gedeckt und kaufmännisch vertretbar sind489. Der Bieter soll die Faktoren nennen müssen, die Grundlage seiner Prognose sind. Wie auch im britischen Recht soll der Bieter anzeigen müssen, welche Angaben reine Schätzungen und damit nicht verlässlich sind490. Auch eine Stellungnahme von bieterunabhängiger Stelle über die gemachten Gewinnerwartungen trägt zur Steigerung der Seriosität der Angebotsunterlage bei491. Hier erhält die später noch zu diskutierende zwingende Beratungspflicht Relevanz492. Professionelle Berater können zur Abgabe einer eigenen Erklärung auch im Bezug auf die Prognoseerklärung veranlasst werden. Auf diese Weise können die von Prognoseabgaben ausgehenden Gefährdungen weitgehend eingeschränkt werden. 4. Rechtsfolgen bei mangelhafter Angebotsabgabe a) Untersagung des Angebots Die Angebotsunterlage kann in vielerlei Hinsicht mangelhaft sein. In Betracht kommt beispielsweise, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Unterlage nicht erfüllt werden. Auch wenn die Angebotsunterlage Konditionen enthält, die mit den Vorgaben des WpÜG nicht übereinstimmen, ist die Angebotsabgabe mangelhaft. Das WpÜG sieht für diese Fälle gem. § 15 I Nr. 1 und 2 eine übernahmespezifische Rechtsfolge vor und ordnet die Untersagung des gesamten Angebots durch die BAFin an. Voraussetzung ist, dass entweder die Angebotsunterlage nicht die Angaben enthält, die gem. § 11 II oder gem. § 2 WpÜG-AVO erforderlich sind oder dass die in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben offensichtlich gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder einer entsprechenden Rechtsverordnung verstoßen. Der BAFin obliegt somit eine eingeschränkte materielle Prüfungspflicht der Angebotsunterlage493. Eine vollumfängliche materielle Prüfung, für welche der Bieter ergänzende Unterlagen vorlegen müsste, findet jedoch nicht statt494. Ein „offensichtlicher Verstoß“ ist jedenfalls dann gegeben, 489

Seydel KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 33. Rule 28. 2, Note 1 (b). 491 Oechsler, NZG 2001, 817, 823; so auch die britische Rechtslage, vgl. Rule 28.2 und 3 City Code. 492 Siehe unten S. 193 ff. 493 Siehe Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 15 Rn. 27 ff.; Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 15 Rn. 16; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 15 RN 1 spricht insofern von einer Evidenzprüfung. 490

A. Informationspflichten

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wenn die Rechtswidrigkeit des Angebotsinhalts außer Zweifel steht, so zum Beispiel, wenn das Angebot entgegen § 17 als invitatio ad offerendum ausgestaltet, wenn entgegen § 18 II ein Rücktrittsvorbehalt enthalten, gem. § 16 eine unzulässige Annahmefrist vorgesehen oder das Angebot als Teilangebot ausgestaltet ist495. Offensichtlichkeit wird mit Hinweis auf die im Rahmen der §§ 319 VI S. 2 AktG und § 16 III S. 2 UmwG entwickelten Grundsätze zu diesem Begriff aber auch dann angenommen, wenn zwar schwierigere rechtliche Überlegungen erforderlich sind, aber nach eingehender Prüfung durch die BAFin die Rechtslage für sie feststeht496. Das Schutzbedürfnis der Zielgesellschaft und der Angebotsadressaten erfordert insofern eine weite Auslegung der Untersagungsbefugnis bei rechtswidriger Ausgestaltung des Angebots. Wird das Angebot untersagt, darf der Bieter die vorgesehene Angebotsunterlage gem. § 15 III nicht veröffentlichen. Gleichzeitig löst die Untersagung eine Angebotssperre des Bieters von einem Jahr gem. § 26 I S. 1 aus. Diese verhältnismäßig scharfe Sanktionierung will den Bieter motivieren, seine Angebotsunterlage gesetzeskonform auszugestalten und langwierige Prüfungsverfahren oder überflüssige Beeinträchtigungen des Kapitalmarktes zu vermeiden. b) Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB Nicht allein die genannten Verstöße sind aber geeignet, die Angebotsausgestaltung mangelhaft erscheinen zu lassen. Es fragt sich, ob über § 15 I Nr. 1 und 2 hinaus eine Inhaltskontrolle der Angebotsunterlage gem. §§ 305 ff. BGB stattfinden kann. Bereits vor Verabschiedung des WpÜG war geklärt, dass die Unterlage des Übernahmeangebots als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des früheren AGBG zu verstehen war497. Das AGBG ist im Wege der Schuldrechtsmodernisierung in das BGB überführt worden. Für Angebotsunterlagen ist der Anwendungsbereich dieser Regeln gem. §§ 305, 310 IV grundsätzlich eröffnet. Allerdings hat die Verabschiedung des WpÜG die ehemals angestellten Überlegungen obsolet gemacht, wonach versucht wurde, dem Bieter auf Grundlage des AGBG Vorschriften bezüglich der Konditionenbildung, das heißt der Angebotsfrist, der Angebotsmenge und dem Angebotspreis, zu 494 Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 15 Rn. 28; Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 15 Rn. 16. 495 Siehe zur Auflistung offensichtlicher Verstöße Seydel, KK-WpÜG; 2003, § 15 Rn. 32; Angerer in Geibel/SüßmannWpÜG, 2002, § 15 Rn. 18. 496 Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 15 Rn. 34. 497 Siehe dazu bereits oben S. 61 ff.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

machen498. Stimmen heute diese Faktoren des Übernahmeangebots nicht mit den Vorgaben des WpÜG überein, so liegt ein offensichtlicher Verstoß gem. § 15 I Nr. 2 vor und die BAFin wird das Angebot untersagen499. Würde der Bieter heute etwa einen gem. § 308 Nr. 3 BGB unzulässigen Rücktrittsvorbehalt in die Angebotsunterlage aufnehmen, so bliebe diese Regelung dennoch unanwendbar. Nach heutiger Rechtslage ist dieser Vorbehalt nicht gem. § 308 BGB unwirksam, sondern es geht die spezielle Rechtsfolge des WpÜG vor und das gesamte Angebot wird untersagt. § 15 I Nr. 1 und 2 ist lex specialis zu §§ 307–309 BGB. Die Wirkung der strengeren Sanktion in Übernahmeverfahren kann nur durch den Vorrang des § 15 sichergestellt werden. Allerdings kann die Anwendung der §§ 305 ff. BGB im Übernahmeverfahren heute noch in Betracht kommen, wenn § 15 I Nr. 1 und 2 nicht einschlägig sein sollten500, das heißt also, wenn der Mangel nicht auf fehlenden Inhaltsangaben oder offensichtlichen Verstößen gegen das WpÜG beruht. Dies ist denkbar, wenn das Übernahmeangebot eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB enthalten sollte, wie beispielsweise die Aufnahme kaufrechtlicher Gewährleistungspflichten der Aktionäre der Zielgesellschaft gegenüber dem Bieter auf Grund von Sach- oder Rechtsmängeln501 oder wie eine überlange Stundungsvereinbarung bezüglich der Kaufpreiszahlung durch den Bieter bei Durchführung des Übernahmeangebots. § 307 ff. BGB stellen Auffangtatbestände für die Inhaltskontrolle der Angebotsunterlage dar, falls die übernahmespezifischen Regelungen nicht eingreifen sollten. In diesen Fällen ist die jeweilige Klausel unwirksam, das Übernahmeangebot bleibt aber bestehen. Das WpÜG ist ein neues Gesetz, welches auf nur geringe Erfahrungen der Praxis zurückgreifen kann. Bestehen hier noch Regelungslücken, so darf sich der Rückgriff auf allgemeine zivilrechtliche Schutzinstrumente, wie etwa die Vorschriften zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. nicht verbieten. Allerdings könnte der Übernahmegesetzgeber bestimmte immer wiederkehrende Konstellationen aufgreifen, wie beispielsweise die Aufnahme von Gewährleistungsrechten des Bieters gegen die Aktionäre in der Angebotsunterlage. Das WpÜG könnte diesbezüglich ein übernahmespezifisches Ver498 Siehe Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 85 ff. 499 Siehe oben, S. 80. 500 Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 23; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 11 Rn. 3. 501 Dieses Beispiel bildet Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 23; siehe auch Oechsler, NZG 2001, 817, 821.

A. Informationspflichten

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bot erlassen und einen Rückgriff auf die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln entbehrlich werden lassen. Einen solchen Gewährleistungsausschluss verlangt beispielsweise Rule 24.11 City Code502. c) Haftung für die Angebotsunterlage aa) Haftungsvoraussetzungen Letztlich kann die Angebotsabgabe mangelhaft sein, weil der Bieter unrichtige oder unvollständige Angaben in der Angebotsunterlage aufnahm. Solche lösen gem. § 12 I einen übernahmerechtlichen Schadensersatzanspruch der Aktionäre aus, die das Angebot angenommen haben. Ein solcher findet sich in dieser spezifischen übernahmerechtlichen Form nur im deutschen Recht503. Im britischen Recht besteht ein Schadensersatzanspruch beispielsweise nur nach allgemeinen Grundsätzen und auch nur soweit die Verantwortung gem. Rule 19.2 übernommen wurde. Im Einklang mit dem deutschen kapitalmarktrechtlichen Prospekthaftungssystem wurde im WpÜG die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage verankert504. Dies dient der Durchsetzung der in § 11 normierten Informationspflichten505. Eine Richtigkeitsgewähr für die Angebotsunterlage ex ante wird folglich nicht übernommen. Zwar muss die BAFin diese vor Veröffentlichung billigen (§ 14 II). Jedoch unterzieht diese das Dokument lediglich einer formellen Inhaltskontrolle. Die Richtigkeit der Angaben wird nicht garantiert506. Die materielle Inhaltskontrolle findet deshalb ex post in Form der Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage statt. Die Ausgestaltung der Haftung ist dabei an die börsenrechtliche Prospekthaftung angelehnt507. Bei Anwendungsfragen ist ein Rückgriff auf die Rechtsprechung und Literatur zu §§ 44, 45 n. F. BörsG daher hilfreich. Haftungsvoraussetzung ist, dass für die Beurteilung des Angebots „wesentliche Angaben“ der Angebotsunterlage unrichtig oder unvollständig sind. 502

Oechsler, NZG 2001, 817, 821. So Möllers, ZGR 2002, 664, 670. 504 Möllers, KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 12. 505 Möllers, KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 2. 506 Assmann, ZGR 2002, 697, 717; siehe auch Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 42. 507 Vgl. §§ 45 f. BörsG bzgl. unrichtiger Börsenzulassungsprospekte; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 12 Rn. 1; Hamann, ZIP 2001, 2249, 2251; Assmann ZGR 2002, 697, 717; Möllers, ZGR 2002, 664, 671 f.; ders., KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 13. 503

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Als wesentlich gilt, was ein durchschnittlicher, verständiger Anleger „eher als nicht“ bei seiner Entscheidung zur Angebotsannahme berücksichtigen würde508. Wie bei § 44 BörsG n. F. zählen dazu die so genannten „wertbildenden Faktoren“, wie zum Beispiel die essentialia negotii eines Vertrages, Person des Bieters, die Wertpapiere, die Gegenstand des Angebots sind, Art und Höhe der Gegenleistung, Dauer der Angebotsfrist etc.509 Es haftet, wer für die Angebotsunterlage die Verantwortung übernommen hat und von wem der Erlass derselben ausging. Dies entspricht der börsenrechtlichen Unterscheidung zwischen Prospekterlasser und Prospektveranlasser510. Eine Übernahme der Verantwortung liegt jedenfalls beim Bieter, der die Angebotsunterlage gem. § 11 I S. 5 zu unterschreiben hat. Veranlasser der Angebotsunterlage sind die tatsächlichen Urheber der Angebotsunterlage, die typischerweise ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Übernahme haben. Hierzu zählen beispielsweise die mit dem Bieter gemeinsam handelnden Personen511. Nicht als Veranlasser gelten Rechtsanwälte, Wirtschaftprüfer oder sonstige Berater. Für diese gelten jedoch die Haftungsregeln der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung bzw. der beruflichen Auskunftshaftung512. Der Bieter wird von der Haftung befreit, wenn er nachweist, dass er die Unrichtigkeit der Angebotsunterlage nicht gekannt hat bzw. nicht gekannt haben musste. Er haftet also nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Sein Verschulden wird insofern jedoch vermutet513. Ein Haftungsausschluss besteht gem. § 12 III, sofern die Angebotsannahme nicht auf Grund der Angebotsunterlage erfolgt ist514. Die Kausalität wird auch hier zugunsten der Aktionäre vermutet. Die Beweislast für die fehlende Kausalität liegt beim Bieter515. An der Ursächlichkeit der fehlerhaften Angebotsunterlage für die Annahmeerklärung fehlt es auch dann, wenn der Bieter vor Angebotsannahme die fehlerhaften Angaben berichtigt hat, § 12 III Nr. 3516. Weiter508

Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 12 Rn. 6; Assmann, in Assmann/Lenz/ Ritz, Verkaufsprospektgesetz, 2001, § 13 Rn. 25; Hamann in Schäfer, WpHG/ BörsG/VerkProspG, 1999, §§ 45, 46 n. F. BörsG Rn. 31. 509 Möllers, ZGR 2002, 664, 671; ders., KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 77 ff.; eine Aufzählung der als wesentlich zu betrachtenden Angaben in der Angebotsunterlage findet sich auch bei Assmann, AG 2002, 153, 154 f. 510 § 45 I Nr. 1 und 2 BörsG; Möllers, KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 91 ff. 511 Zu diesen siehe vorne S. 74. 512 Möllers, KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 92. 513 Assmann, AG 2002, 153, 159. 514 Zu den Ausschlusstatbeständen auch Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 234. 515 Assmann, AG 2002, 153, 158; Hamann, ZIP 2001, 2249, 2256 f.; Möllers, ZGR 2002, 664, 672 f. 516 Siehe zu einer etwaigen Aktualisierungspflicht S. 127 f.

A. Informationspflichten

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hin ist bei Kenntnis des Annehmenden von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit die Haftung ausgeschlossen, § 12 III Nr. 2. bb) Aktualisierungspflicht Umstritten ist im Bereich der Haftung für die Angebotsunterlage, ob der Bieter einer Aktualisierungspflicht unterliegt. Jedenfalls haftet der Bieter für anfänglich unrichtige und unvollständige Angebotsunterlagen. Er kann dieser Haftung durch Berichtigung der Angaben gem. § 12 III Nr. 3 entgehen. Unklar ist, ob Angaben, die erst nach ihrer Veröffentlichung unrichtig geworden sind, eine Haftung des Bieters begründen können. Würde dies bejaht, wäre auch eine laufende Aktualisierungspflicht des Bieters für die Angebotsunterlage gegeben. Dem Wortlaut des § 12 III Nr. 3 lässt sich keine Antwort entnehmen. Es wird argumentiert, dass § 11 VerkProspG und § 52 II BörsZulVO eine Aktualisierungspflicht ausdrücklich anordnen517. Auf Grund der Nähe des Regelungszwecks von WpÜG und VerkProspG wird von einer planwidrigen und ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke ausgegangen und die analoge Anwendung von § 11 VerkProspG befürwortet518. Dafür spräche auch die teleologische Auslegung, dass nur eine aktuelle Angebotsunterlage als taugliche Grundlage für eine wohl informierte Aktionärsentscheidung im Sinne des § 3 II dienen könne519. Die Aktualisierungspflicht ließe sich schon aus dem allgemeinen Transparenzgebot herleiten. Die Gegenansicht520 beruft sich darauf, dass § 23 eine abschließende Regelung von Veröffentlichungspflichten nach Angebotsabgabe enthalte. Danach hat der Bieter Veränderungen bei der Anzahl der von ihm bereits gehaltenen Wertpapiere und der Höhe der Stimmrechtsanteile zu veröffentlichen. § 23 befasst sich aber gerade nur mit Veröffentlichungspflichten bezüglich der Anteilsbeteiligung des Bieters. Über die Veröffentlichung sonstiger relevanter Informationen während des Angebotsverfahrens wird nichts 517 Möllers, ZGR 2002, 664, 674; Assmann, AG 2002, 153, 157; Stephan, AG 2002, 3, 6. Die Pflicht nach § 11 S. 1 VerkProspG wurde sogar noch verschärft, da von nun an eine Nachtragspflicht nicht nur für Veränderungen zwischen Veröffentlichung des Prospekts bis zum Abschluss des öffentlichen Angebots, sondern bereits für Veränderungen ab Gestattung der Veröffentlichung bzw. nach Firstablauf gem. § 8 a I VerkProspG besteht, siehe Ritz, AG 2002, 662, 667. 518 Assmann, AG 2002, 153, 157; Möllers ZGR 2002, 664, 675; Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 11 Rn. 14. 519 Möllers, KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 52; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 12 Rn. 13; so auch bereits Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 97 f. 520 Hamann, ZIP 2001, 2249, 2257.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

ausgesagt. Es ist denkbar, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle lediglich die sogenannten Wasserstandsmeldungen zur Abmilderung des Koordinationsproblems der Aktionäre regeln wollte521 und in diesem Kontext eine Aktualisierungspflicht der Angebotsunterlage nicht bedacht oder nicht als passend empfunden hat. Im Umkehrschluss deshalb zu folgern, dass diese nicht notwendig sei, ist unzutreffend522. Gegen eine Aktualisierungspflicht des Bieters spräche auch, dass diese angeblich Lücke bereits durch § 15 WpHG geschlossen werden könne. Ein Informationsdefizit für die Aktionäre entstehe deshalb nicht, weil die Adhoc-Publiziät zur Veröffentlichung kursrelevanter Daten verpflichte523. Es müssen jedoch nicht alle potentiellen Bieter gleichzeitig Emittenten im Sinne des § 15 WpHG sein. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Ad-hocPublizität sind also zu eng als dass sie für die Auslösung einer verlässlichen Aktualisierungspflicht des Bieters genügen könnten524. Zudem gilt § 15 WpHG als nicht ausreichend sanktioniert und die Beachtung desselben erscheint deshalb nicht gesichert525. Für die Gewährleistung umfassender Information der Aktionäre im Übernahmeverfahren ist es unerlässlich, den Bieter zur Aktualisierung seiner Angebotsunterlage während der Dauer des Angebotsverfahrens zu verpflichten526. Die Angebotsunterlage ist das Kernstück des Übernahmeangebots, auf welchem die Entscheidung der Aktionäre zur Annahme des Angebots maßgeblich basiert. Die Richtigkeit und Vollständigkeit derselben muss deshalb vom Gesetzgeber gewährleistet sein. § 12 I ist deshalb so auszulegen, dass auch eine nachträglich unrichtig gewordene Angebotsunterlage die Haftung des Bieters auslöst, es sei denn der Bieter hat diese vor Annahme des Angebots im Sinne des § 12 III Nr. 3 berichtigt. Um die Rechtslage in diesem Bereich eindeutiger zu gestalten, sollte der Gesetzgeber ausdrücklich eine Berichtigungs- und Aktualisierungspflicht der Angebotsunterlage statuieren527.

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Siehe dazu unten S. 130 f. So zieht Möllers, ZGR 2002, 664, 675 aus der Informationspflicht gem. § 23 einen Erst-Recht-Schluss, dass wenn schon eine Aktualisierungspflicht für die Beteiligungsverhältnisse vorgesehen ist, müsse eine solche erst recht für ähnlich wichtige Informationen und damit wesentliche Angaben im Sinne von § 12 gelten. 523 Hamann, ZIP 2001, 2249, 2257. 524 Siehe zur Prüfung einer Schutzlückenschließung mit Hilfe des § 15 hinsichtlich der Veröffentlichung der Angebotsabsicht unten S. 245. 525 Möllers, ZGR 2002, 664, 675. 526 Seydel in KK-WpÜG, 2003, § 11 Rn. 40; Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 12 Rn. 49 f.; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 11 Rn. 17. 527 Zustimmend Oechsler, NZG 2001, 817, 824. 522

A. Informationspflichten

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II. Entscheidungsdruck während des laufenden Annahmeverfahrens 1. Gefahr Mittels der Vorschriften bezüglich der Angebotsunterlage (§ 11528) wird sicher gestellt, dass die Angebotsadressaten zu Beginn der Annahmefrist ein ausreichendes Maß an Information erhalten, um die Qualität des Angebots beurteilen zu können. Hierzu zählt auch die Angabe über den aktuellen Stand der Beteiligung des Bieters gem. § 11 II, IV Nr. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 5 WpÜG-AVO. Damit soll gewährleistet sein, dass sich die Aktionäre zu Beginn des Annahmeverfahrens über die Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots ein Bild machen können529. Zur Beseitigung des Informationsgefälles soll damit ein weiterer Beitrag erbracht werden. Jedoch setzt sich die Ungewissheit über den Ausgang des Übernahmeangebots für die Aktionäre während der laufenden Annahmefrist fort. Es besteht für sie keine Möglichkeit, ihre Einschätzung des Übernahmeangebots und ihr daraus resultierendes Anlageverhalten mit den übrigen Mitaktionären zu koordinieren. Es bleibt für sie unklar, ob und wie viele der Mitaktionäre zur Veräußerung ihrer Anteile bereit wären. Gerade das Verhalten der Mitaktionäre kann für die Entscheidung des einzelnen aber ein maßgebliches Kriterium sein. Je mehr Aktionäre das Übernahmeangebot annehmen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Bieter mit dem Kontrollerwerb Erfolg haben wird und dass die bis dahin außenstehenden Aktionäre in die unliebsame Position des Minderheitsgesellschafters geraten. Angesichts der Unsicherheit im Bezug auf das Annahmeverhalten der Mitaktionäre, wird der einzelne Aktionär im Zweifel vorziehen, die Zielgesellschaft zu verlassen, selbst wenn er die Konditionen nicht für angemessen hält530. Er befindet sich im Gefangenendilemma und glaubt, als einzelner Anleger ohnehin keinen Einfluss auf das Ergebnis des Übernahmeangebots zu haben531. Deshalb tendiert er zur risikolosen Gewinnmitnahme, auch wenn er den Verbleib in der Zielgesellschaft unter der herkömmlichen Führung für die attraktivere Kapitalanlage halten würde.

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Siehe dazu oben S. 111 ff. Immenga, SAG 1975, 89, 93; Witt, Übernahme, 1998; S. 95. 530 Otto, DB 1988, Beilage 12, 1, 4; Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 7; siehe zur Situation des Gefangenendilemmas oben S. 38 ff. 531 Witt, Übernahme, 1998, S. 84; Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 7. 529

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5. Teil: Die Bieterpflichten

2. Informations- und Meldepflichten während der laufenden Annahmefrist a) Laufende Wasserstandsmeldungen Um das während der laufenden Annahmefrist existente Gefangenendilemma abzumildern, sieht § 23 I Nr. 1 „laufende Wasserstandsmeldungen532“ vor. Danach hat der Bieter zunächst wöchentlich, sowie in der letzten Woche vor Ablauf der Annahmefrist täglich den Stand seiner Beteiligung zu veröffentlichen. Die erhöhte Frequenz in der letzten Angebotswoche wird normiert, weil insbesondere institutionelle Anleger regelmäßig erst sehr kurz vor Ablauf der Annahmefrist ihre Entscheidung zur Angebotsannahme treffen und eine sofortige Information darüber ermöglicht werden soll533. Um den tatsächlichen Einfluss des Bieters auf das Zielunternehmen abschätzen zu können, muss der Bieter gem. § 23 I S. 1, 1. Alt. nicht nur die Anzahl sämtlicher ihm, den mit ihm gemeinsam handelnden Personen und deren Tochterunternehmen zustehenden Wertpapiere beziffern, sondern auch die sich daraus ergebende Höhe der Anteile, sowie die dem Bieter zustehenden Stimmrechtsanteile und schließlich die ihm nach § 30 zuzurechnenden Stimmrechtsanteile nennen534. § 23 I S. 1, 2. Alt. sieht zudem vor, die Anzahl der Wertpapiere einschließlich der Höhe der Wertpapier- und Stimmrechtsanteile anzugeben, die sich aus den dem Bieter zugegangenen Annahmeerklärungen ergibt. Mit der Verweisung in § 23 I 2 auf § 31 VI wird klargestellt, dass auch solche Wertpapiere hinzuzuzählen sind, die Vereinbarungen verbriefen auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann. Hierunter fallen zum Beispiel vom Bieter gehaltene Optionsscheine oder Wandelschuldverschreibungen. Dieser Regelungskomplex ermöglicht es den Aktionären, in regelmäßigen zeitlichen Abständen die Reaktion ihrer Mitaktionäre auf des Übernahmeangebot zu verfolgen und sich somit ein Bild über die Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots zu machen. Dies soll ihnen die eigene Entscheidung erleichtern. Auf diese Weise wird das Ungleichgewicht an Information während des laufenden Annahmeverfahrens verringert535. Zweck der laufenden Wasserstandsmeldungen ist es letztlich, das Gefangenendilemma abzumildern536. 532 Witt, NZG 2000, 809 und eingehend Bartelt, § 23 WpÜG – Veröffentlichungspflichten des Bieters nach Abgabe des Angebots, 2004. 533 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 50. 534 Siehe zu den vier Varianten innerhalb des § 23 I S. 1, 1. Alt. WpÜG Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 49 f. 535 Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 9.

A. Informationspflichten

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b) Verhältnis zu § 21 WpHG Nicht nur das WpÜG sieht Meldepflichten bezüglich der Beteiligung des Bieters am Zielunternehmen vor. Nicht an den zeitlichen Faktor, sondern an die Überschreitung einer bestimmten Beteiligungshöhe knüpft § 21 I WpHG die Veröffentlichungspflicht für jeden Anteilseigner. Es soll die Transparenz für Anleger und Gesellschaften im Wertpapierhandel gefördert werden537. Es ist zu hinterfragen, ob diese Meldepflicht geeignet sein könnte, ein ausreichendes Maß an Transparenz für Übernahmeverfahren sicher zu stellen. Der Kapitalmarkt soll nicht durch eine Vielzahl von Meldungen überfrachtet werden, weil ansonsten angesichts eines Informationsüberflusses die Beachtung der einzelnen Mitteilung gefährdet wäre. Die Meldepflicht gem. § 23 I Nr. 1 könnte dementsprechend entbehrlich sein. Das WpHG hat mit Verabschiedung des WpÜG Änderungen erfahren, um eine Harmonisierung der Anwendungsbereiche beider Rechtsgebiete zu gewährleisten538. Der Erwerb von Anteilen in Gesellschaften, die als Zielgesellschaft im Sinne des WpÜG in Frage kommen, unterfällt nun grundsätzlich der Meldepflicht gem. § 21 WpHG539. Zu beachten ist jedoch, dass gem. § 21 I WpHG nur meldepflichtig ist, wer die Stimmrechte erworben hat. Nach herrschender Meinung ist entscheidend, wann die Wertpapiere der Zielgesellschaft dinglich wirksam erworben wurden540. Rein obligatorische Kauf- oder Tauschverträge, wie sie im Rahmen von Übernahmeangeboten häufig abgeschlossen werden und die erst mit Eintritt einer oder mehrerer Bedingungen wirksam werden, führen nicht zu einem meldepflichtigen Erwerb541. Zwar erweitert § 22 I Nr. 5 WpHG die Meldepflicht, indem Stimmrechte die der Bieter durch einseitig Willenserklärung erwerben kann den bereits erworbenen Stimmrechten des § 21 I WpHG gleich gestellt werden. Abhängig von der Gestaltung des Übernahmeangebots kann diese Variante ein536

Witt, Übernahme, 1998, S. 93 f.; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 23 Rn. 2; Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 11. 537 Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, BR-Drs. 793/93; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 16.433. 538 Art. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BGBl. 2001 Teil I Nr. 72, S. 3822, 3837; Sudmeyer, BB 2002, 685; Krause NJW 2002, 714; Witt noch unter Zugrundelegung des WpÜG-RefE AG 2001, 233; Cahn/Senger, FB 2002, 277. 539 Siehe dazu unten S. 243 f. 540 Schäfer in Schäfer WpHG/BörsG/VerkProspG, 1999, § 21 Rn. 20; zum Streitstand Schneider in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 21 Rn. 41; siehe auch Riehmer/Schröder, BB 2002, Beilage 5 zu Heft 20, S. 15. 541 Schröder in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 23 Rn. 9; Burgard, WM 2000, 611, 613; Witt, NZG 2000, 809, 810 f.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

schlägig sein, wenn der mitteilungspflichtige Bieter jederzeit durch entsprechende Erklärung gegenüber dem veräußerungswilligen Angebotsadressaten den Eigentumserwerb herbeiführen kann, wenn die Rechtsänderung also allein von dessen Willen abhängig ist542. Da die Aufnahme einer Potestativbedingung bei Übernahmeangeboten jedoch gem. § 18 untersagt ist, sind nur wenige Anwendungsfälle dieses Zurechnungstatbestands denkbar. Ein Beispielsfall wäre, dass eine Bedingung des Übernahmeangebots als verzichtbar ausgestaltet ist543. Sobald der Eigentumsübergang der Wertpapiere der Zielgesellschaft durch einseitige Willenserklärung des Bieters herbeigeführt werden kann, sind diese Papiere in die Berechnung der Beteiligungshöhe des Bieters gem. § 22 I Nr. 5 WpHG einzubeziehen544. Nicht der Meldepflicht gem. § 21 I WpHG unterliegen jedoch die Annahmeerklärungen der Aktionäre, falls das Übernahmeangebot noch einer objektiven Bedingung, wie beispielsweise einer Mindesterwerbsschwelle oder dem Vorbehalt der Zustimmung der Kartellbehörde unterliegt. Eine umfassende Information im Übernahmeverfahren über das Annahmeverhalten der Mitaktionäre kann das WpHG daher nicht gewährleisten545. Die Funktion der Meldepflichten des WpHG ist nicht auf die typischen Bedürfnisse im Übernahmeverfahren zugeschnitten. Diese müssen daher denknotwendig hinter der Schutzqualität der übernahmespezifischen Meldepflichten zurückbleiben546. Erstere dienen dazu bestehenden Einfluss des Anteilseigners transparent zu machen und Insidergeschäfte zu verhindern547. Letztere versuchen den besonderen Gefahrenlagen in Übernahmeverfahren zu begegnen, indem sie über das potentielle Maß an Einfluss informieren, das der Bieter erlangen könnte. Wichtig ist für die Angebotsadressaten, über die Zahl der dem Bieter zugegangenen Annahmeerklärungen Kenntnis zu erlangen, auch wenn ein Eigentumserwerb der Anteile durch den Bieter noch nicht statt gefunden hat. Es ist gerade der Regelfall, dass Übernahmeangebote von Bedingungen abhängig gemacht werden, auf deren Eintritt der Bieter allein keinen Einfluss hat. Während § 21 WpHG in diesen Fällen eine Veröffentlichung der 542 Vorliegen einer Potestativbedingung, Witt, Übernahme, 1998, S. 152, FN 80 m. w. N.; Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 86. 543 Riehmer/Schröder, BB 2002, Beilage 5 zu Heft 20, S. 15; Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 86; zur Relevanz des Zurechnungstatbestandes im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten siehe auch Witt, Übernahme, 1998, S. 152. 544 Erläuternd am Beispiel von Vodafone/Mannesmann, Burgard, WM 2000, 611, 613 f. 545 Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 86 f. 546 Assmann, ZGR 2002, 697, 716; zur Mangelhaftigkeit der Meldepflichten gem. § 21 WpHG für Übernahmeverfahren auch Witt, Übernahme, 1998, S. 279 ff., insbesondere S. 284; Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 33. 547 Zur unterschiedlichen Funktion von § 21 WpHG und § 23 I siehe Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 33 f.

A. Informationspflichten

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zugegangenen Annahmeerklärungen nicht erzwingen kann, gelingt dies durch § 23 I. Die Meldepflicht des § 21 WpHG ist für den Informationsbedarf bei Übernahmeverfahren augenblicklich schon deshalb lückenhaft, weil die vorgesehenen Meldeschwellen von 5, 10, 25, 50 und 75% zu grobmaschig sind, um ausreichend Transparenz für Übernahmeverfahren zu schaffen548. Insbesondere in den Zwischenbereichen können sich maßgebliche und für die Angebotsadressaten besonders interessante Änderungen abspielen, von denen das Anlegerpublikum im Übernahmeverfahren in Kenntnis gesetzt werden muss549. Zudem sieht § 21 WpHG ein schwerfälliges, zweistufiges Verfahren vor, das dem dringenden Bedürfnis zeitnaher Transparenz in Übernahmeverfahren nicht gerecht wird550. Zunächst hat nämlich der Anteilseigner der Gesellschaft bzw. dem Bundesaufsichtsamt die Schwellenberührung innerhalb von sieben Kalendertagen mitzuteilen. Von diesen ist schließlich die Mitteilung zu veröffentlichen. § 23 I ist als spezielle übernahmespezifische Ausprägung der Informationspflicht dem § 21 WpHG deutlich überlegen, wenn es darum geht, ausreichende Transparenz in Übernahmeverfahren herzustellen. c) Keine zwingenden Wasserstandsmeldungen nach dem City Code Der City Code sieht vergleichbare Wasserstandsmeldungen, die zwingend innerhalb bestimmter zeitlicher Abstände vorgenommen werden müssen, während des gesamten Übernahmeverfahrens nicht vor551. Rule 17.1 City Code bestimmt lediglich, dass der Bieter nach Ablauf der Annahmefrist die Anzahl der Annahmeerklärungen, die Anzahl der Anteile, die er vor Beginn des Übernahmeverfahrens inne hatte und die Anzahl der Anteile, die er während des Übernahmeverfahrens erworben hat, offen legen muss. Diese Regel entspricht § 23 I Nr. 2, leistet aber keinen Beitrag zur Sicherstellung der Transparenz während des laufenden Angebotsverfahrens über die Anzahl der zugegangenen Annahmeerklärungen. Die Informationspolitik des City Code bewertet diese Art von Transparenz als nicht erforderlich oder sogar als unerwünscht. Eine Veröffent548

Witt, AG 2001, 233, 241, Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 34. Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 34; Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 83 f. 550 Witt, NZG 2000, 809, 810, FN 15. 551 Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 38; Schröder in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 23 Rn. 12; knapp und nicht ganz genau Witt, NZG 2000, 809, 816. 549

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5. Teil: Die Bieterpflichten

lichungspflicht während des laufenden Annahmeverfahrens ist gem. Rule 7.1 und Rule 8.1 lediglich für die Fälle vorgesehen, in denen der Bieter oder eine mit ihm gemeinsam handelnde Person außerhalb des laufenden Annahmeverfahrens Wertpapiere der Ziel- oder Bietergesellschaft erwirbt oder veräußert552. Diese Meldepflicht soll der Nachbesserungspflicht des Bieters gem. Rule 6.2 bezüglich des Angebotspreises zur Durchsetzung verhelfen. Diese Regelung dient jedoch nicht zur Schaffung von Transparenz im Bezug auf die dem Bieter zugegangenen Annahmeerklärungen in Erwiderung des Übernahmeangebots. Eine solche Regel kennt der City Code nicht. Allein falls der Bieter oder einer seiner Berater eine Äußerung über die Annahmequote während des Annahmeverfahrens verlauten lässt, muss unverzüglich eine formelle Mitteilung an die Öffentlichkeit nach den Grundsätzen von Rule 17 erfolgen553. Grundsätzlich sind Äußerungen über die Anzahl der eingegangenen Annahmeerklärungen während des Übernahmeverfahrens unerwünscht554. Die Anleger sollen frei von derartiger Irritation über das Angebot entscheiden. Wenn dennoch eine solche an die Öffentlichkeit dringen sollte, muss nach den Grundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlung bei Übernahmeverfahren eine formell korrekte Veröffentlichung dieser Tatsache erfolgen, die für alle Aktionäre zugänglich ist. Die Übernahmeregeln zielen jedoch nicht auf die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Anzahl der abgegebenen Annahmeerklärungen während des Übernahmeverfahrens ab. Wie bereits an früherer Stelle erörtert, kennt das Gesellschaftsrecht in Großbritannien aber allgemeine Mitteilungspflichten555, wonach ein Anteilseigner, der 3% der Stimmrechte556 besitzt, seiner Gesellschaft eine Mitteilung zu machen hat. Im Weiteren muss er jedes Mal, wenn der Prozentsatz seiner Beteiligung sich so verändert, dass die Ziffer vor dem Komma wechselt, eine entsprechende Meldung machen557. Wenn mehrere Personen gemeinsam den Kontrollerwerb anstreben, haben sie dies zu veröffentlichen und die eine Veröffentlichungspflicht auslösende Beteiligungsstände werden wechselseitig berücksichtigt558. Diese allgemeine Regel wird im Übernahmeverfahren gem. Rule 8.3 noch ver552

Rule 8.1 Disclosure of Dealings During the Offer Period (a) „Dealing sin relevant securities by an offeror or the offeree comany, and by any associates, for ther own account during an offer period must be publicly disclosed (. . .)“. 553 Rule 17, Note 2. 554 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4054 f., Rn. 4-3033 f. 555 Disclosure of Shareholding, Part VI CompAct 1985, siehe S. 93. 556 S 199 (2) CompAct 1985; der „Secretary of State“ kann jedoch durch Verordnung diese Schwelle verändern, s 210 A. 557 Ss 198–200 CompAct 1985; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 486 f.; siehe auch Witt, Übernahme, 1998, S. 126. 558 Ss 204–206.

A. Informationspflichten

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schärft. Wer während der Angebotsfrist ein Prozent der relevanten Anteile in Ziel- oder Bietergesellschaft hält, kontrolliert oder infolge einer Transaktion halten bzw. kontrollieren wird, hat jegliche Transaktion in Wertpapieren der betroffenen Gesellschaft unverzüglich zu veröffentlichen559. Hierdurch wird ein Höchstmaß an Transparenz im Bezug auf maßgebliche Beteiligungen in Ziel- und Bietergesellschaft hergestellt. Was das Bedürfnis nach so genannten Wasserstandsmeldungen während des laufenden Annahmeverfahrens betrifft, weisen diese Veröffentlichungspflichten jedoch dieselbe Lücke auf wie bereits § 21 WpHG. Sie werden nur dann ausgelöst, wenn der Anteilseigner die Beteiligung tatsächlich erworben hat560. Da im britischen Recht die Übernahmeangebote zwangsweise auf einen Mindesterwerb von 50% der Stimmrechte bedingt sind561, ist bis zum Ablauf der Annahmefrist ungewiss, ob das Übernahmeangebot durchgeführt wird und ob die Annahmeerklärung tatsächlich Wirksamkeit entfalten. Annahmeerklärung, die dem Bieter während der Annahmefrist zugingen, führen deshalb nicht zu einem Erwerb der relevanten Papiere und zu keiner Erhöhung der Beteiligung im Sinne der sections 198–200 Companies Act 1985. Folglich ist es im britischen Recht nicht vorgesehen, dass die Angebotsadressaten während der Annahmefrist Informationen über den aktuellen Stand der Annahmeerklärungen erhalten. d) Europäische Vorgaben RL Art. 6 enthält Vorschriften bezüglich der vom Bieter bereit zu stellenden Information. Vorgeschrieben wird lediglich die unverzügliche Veröffentlichung der Angebotsabsicht (Abs. I) und die Modalitäten zur Veröffentlichung der Angebotsunterlage (Abs. II) und deren Inhalt (Abs. III). Der Richtlinienvorschlag 1989 sah in Art. 17 I noch die Verpflichtung des Bieters vor, während der Annahmefrist auf Anfrage der Aufsichtsbehörde jederzeit Auskunft über die Anzahl der bis dahin eingegangenen Annahmeerklärungen zu erteilen. Diese Pflicht des Bieters könnte sich auch nach heutiger Fassung noch aus Art. 6 V herleiten lassen, wonach die Mitgliedstaaten sicher zu stellen haben, dass die Parteien des Angebots dem Aufsichtsamt auf Anfrage jederzeit alle verfügbaren Informationen über das Angebot erteilen müssen, die für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nötig sind. Selbst wenn hierunter die Anzahl der eingegangenen Annahmeerklä559

Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 789, FN 2. S 198 (1) (a) „Where a person to his knowledge acquires an interest in shares . . . (b) or becomes aware that he has acquired an interest . . .“. 561 Rule 10 in Verbindung mit Rule 31.4, siehe dazu oben S. 176 f. 560

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5. Teil: Die Bieterpflichten

rungen gefasst werden könnte, müsste das Aufsichtsamt diese Information nicht notwendigerweise veröffentlichen. Die Übernahmerichtlinie sieht keine kontinuierlichen Veröffentlichungspflichten über Anzahl die abgegebenen Annahmeerklärungen vor562. Es bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, derartige Pflichten zu normieren. 3. Kritik an der deutschen Rechtslage Die umfangreichen Veröffentlichungspflichten gem. § 23 I Nr. 1 führen zu erheblichen Belastungen des Bieters563. Insgesamt verteuern sie das Übernahmeverfahren und erschweren dessen Organisation. Rein administrativ ist die Bestimmung der Anzahl der dem Bieter zustehenden Wertpapiere und die Höhe der Stimmrechtsanteil nur schwer Tag genau möglich. Es kommt hierfür auch auf die Beteiligungen der Tochtergesellschaften und sonstiger gemeinsam handelnder Personen an, welche für den Bieter nicht ohne weiteres ersichtlich und nur unter erhöhtem Aufwand zu ermitteln sind. Zudem ist die Bezifferung des Stands der abgegebenen Annahmeerklärungen schwierig, weil diese gewöhnlich nicht direkt dem Bieter sondern vielmehr den Depotbanken zugehen werden. Die Bankmeldungen müssten vom Bieter zunächst gesammelt und dann verwertet werden. Eine Tag genaue Bestimmung ist praktisch kaum möglich. Dem Bieter wird ein erhöhter technischer Aufwand abverlangt564. Das Erfordernis laufender Wasserstandsmeldungen bedeutet einen erhöhten Aufwand für den Bieter im Übernahmeverfahren und beschränkt ihn deshalb nachhaltig in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit. Kritisch zu beurteilen ist des Weiteren, dass die Auswirkung von regelmäßigen Wasserstandsmeldungen auf das Übernahmeverfahren keinesfalls nur positiver Natur sind. Wöchentliche und in der Schlussphase tägliche Wasserstandsmeldungen können im Gegenzug zu erheblicher Irritation führen. Insbesondere institutionelle Anleger, die oft maßgebliche Beteiligungen am Zielunternehmen innehaben, entscheiden sich häufig erst kurz vor Ablauf der offiziellen Annahmefrist für oder gegen die Angebotsannahme565. 562 So schon Witt, NZG 2000, 809, 816, der sich noch auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 19.6.2000 bezieht. Bezüglich der Informationspflichten hat RL Art. 6 keine Änderungen erfahren; vgl. zur europarechtlichen Lage auch Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 31. 563 Schröder in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 23 Rn. 2, 27. 564 Schröder in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, Rn. 27 ff.; auch Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 802 FN 85. 565 Liebscher, ZIP 2001, 853, 865; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 61; Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 12; DAV, Stellungnahme vom April 2001, NZG 2001, 420, 426; Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820, 822.

A. Informationspflichten

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Es kann also zu einem plötzlichen Hochschnellen der bis dahin eher geringen Quote von Annahmeerklärungen kommen. Kleinanleger könnten gerade hierdurch in Panik geraten und versucht sein, möglichst schnell auch ihre Anteile abzustoßen. Umgekehrt könnten Anleger, die eher zur Annahme des Angebots tendieren, durch die Veröffentlichung einer anfänglich relativ niedrigen Annahmequote verunsichert werden und von der Angebotsannahme vorerst absehen566. Eine eigenverantwortliche Bewertung der Attraktivität des Angebots wird erschwert, indem der Blick hauptsächlich auf das Annahmeverhalten der Mitaktionäre gerichtet wird und über die Einstellung der Mehrheit derselben spekuliert wird. Ein solches Verhalten widerspricht gerade den Zielen eines allokativ effizienten Kapitalmarktes. Letztlich sind die Wasserstandsmeldung weder geeignet noch erforderlich, um das Gefangenendilemma der Aktionäre zu beseitigen567. Selbst wenn eine Veröffentlichung über die Annahmequote regelmäßig während der Annahmefrist statt findet, bleiben Unsicherheiten darüber zurück, ob mit dem Übernahmeangebot ein Kontrollwechsel zugunsten des Bieters tatsächlich herbeigeführt werden kann568. Gerade institutionelle Anleger tendieren zu einer sehr späten Annahme des Übernahmeangebots. Kurz vor Schließung des Angebots könnte die Annahmeerklärung eines Anlegers eingehen, der einen so wesentlichen Stimmrechtsanteil an den Bieter veräußert, dass diesem damit zum endgültigen Kontrollerwerb verholfen würde. Für die Information der außenstehenden Aktionäre und insbesondere eine daran geknüpfte Reaktion bleibt kaum mehr ausreichend Zeit569. Die Effektivität der laufenden Wasserstandsmeldungen in Bezug auf Beseitigung des Gefangenendilemmas wird durch die Tatsache deutlich relativiert, dass sich Großaktionäre erst kurz vor Ablauf der Annahmefrist zur Annahme des Übernahmeangebots entscheiden. Daher wird im Ergebnis hier vertreten, von obligatorischen Wasserstandsmeldungen während des Angebotsverfahrens abzusehen570. Sie bedeuten eine erhebliche Belastung für den Bieter und sind nicht geeignet das Gefangenendilemma zu beseitigen. Vielmehr sorgen sie für Verunsicherung der Anleger. Besonders auffällig ist auch, dass der britische City Code solcher Meldepflichten nicht bedarf und dennoch seit Jahrzehnten ein ausgewogenes Regelungssystem für Übernahmeangebote bereitzustellen vermag. Nicht einmal der europäische Regelungsgeber besteht auf diese Form der Melde566

Von nicht zu unterschätzenden psychologischen Effekten der Veröffentlichung der Annahmequote sprechen Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820, 823. 567 So aber Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 82, 87 f. 568 Immenga, SAG 1975, 89, 98. 569 Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 12. 570 A. A. Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 23 Rn. 3.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

pflichten571. Beide Regelungsgeber bewerteten die Wasserstandsmeldungen offenbar als wenig hilfreich für die Schaffung eines geordneten Übernahmeverfahren, sondern vielmehr als belastend. Hinzu kommt aus britischer Sicht, dass der City Code mit seiner Zaunkönigregel über einen Regelungsmechanismus verfügt, der zuverlässig das Gefangenendilemma beseitigt572. Es kann sich daher einen Verzicht auf den Bieter belastende und die Aktionäre nicht ausreichend schützende Wasserstandsmeldungen erlauben573. Könnte die Zaunkönigregel des WpÜG denselben Effekt erzielen, wären Wasserstandsmeldungen erst recht überflüssig und das Übernahmeverfahren an dieser Stelle deutlich überreglementiert574.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten I. Zeitplan des Übernahmeverfahrens 1. Gefahren Die unterschiedlichen Beteiligten am Übernahmeverfahren haben hinsichtlich der zeitlichen Abwicklung des Übernahmeangebots unterschiedliche Interessen. Die adressierten Aktionäre verlangen naturgemäß einen längeren Zeitraum, um das Angebot zu überdenken. Auch die Zielgesellschaft kann einerseits an einer ausreichend langen Annahmefrist interessiert sein, um eine wohlinformierte Stellungnahme abgeben zu können575. Andererseits sind Übernahmeangebote mit erheblichen Belastungen für die Zielgesellschaft verbunden, können die Verwaltung derselben weitgehend lahm legen und eine nur kurze Dauer des Übernahmeverfahrens wäre wünschenswert576. Der Bieter hingegen könnte gerade die Übervorteilung der Aktionäre oder die Beeinträchtigung der Zielgesellschaft anstreben und versuchen mittels einer sehr kurzen Annahmefrist die Aktionäre unter erheblichen Zeitdruck für die Angebotsannahme zu setzen. Auf diese Weise könnte er das Gefangenendilemma der Angebotsadressaten noch verstärken, weil 571 Überreglementierung kritisiert auch der DAV, Stellungnahme vom April 2001, NZG 2001, 420, 426 und Schröder in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002 § 23 Rn. 5. 572 Siehe dazu unten S. 176 f. 573 Bereits Immenga, SAG 1975, 89, 98 zieht das britische Lösungsmodell zur Beseitigung des Gefangenendilemmas den regelmäßigen Wasserstandsmeldungen vor. 574 Dieser Fragestellung wird ausführlich auf S. 178 ff. nachgegangen. 575 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 16 Rn. 3. 576 Siehe hierzu S. 48 f.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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diese zu einer vorschnellen Entscheidung ohne ausreichende Information, Beratung und Koordination mit den übrigen Anlegern gedrängt würden. Andererseits könnte der Bieter aber auch ein Interesse an einer überlangen Ausdehnung des Übernahmeangebots haben, wenn er gerade auf die Schädigung und Beeinträchtigung der Zielgesellschaft abzielen würde. Auf Grund der widerstreitenden Interessen der am Übernahmeverfahren Beteiligten ist es nicht sachgerecht dem Bieter, als Initiator desselben, volle Dispositionsfreiheit bei der Bestimmung des zeitlichen Ablaufs zu überlassen. Sowohl die Aktionäre als auch die Zielgesellschaft wären ihm dann schutzlos ausgeliefert. Bereits in den allgemeinen Grundsätzen wurde daher niedergelegt, dass der Bieter einerseits den Aktionären ausreichende Bedenkzeit einräumen muss, damit diese in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden können577. Im Gegenzug wird jedoch zum Schutze der Zielgesellschaft die rasche Durchführung des Übernahmeverfahrens verlangt, damit diese nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert ist578. §§ 3 II und IV bestimmen in allgemeiner Form sowohl die Ober- als auch die Untergrenze der Dauer des Übernahmeverfahrens. Sie stehen naturgemäß zueinander im Zielkonflikt. Das WpÜG hat die Aufgabe, mit seinen speziellen Regelungen die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten zum Ausgleich zu bringen. 2. Festlegung eines gesetzlichen Zeitrahmens für Übernahmeverfahren a) Beginn des Angebotsverfahrens und Veröffentlichung der Angebotsunterlage Um einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen, kann der Übernahmegesetzgeber einen gesetzlichen Zeitrahmen für Übernahmeverfahren aufstellen, den alle Beteiligten gezwungener Maßen einhalten müssen. Der straffe Zeitplan des Übernahmeverfahrens579 beginnt sowohl im britischen als auch im deutschen Recht mit der Veröffentlichung der Entschei577 § 3 II, so auch Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 16 Rn. 3; Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002 § 16 Rn. 3. 578 § 3 IV. 579 Siehe zu einer ausführlichen Darstellung dieses Zeitplans nach dem WpÜG Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 16 Rn. 29; Thoma/Stöcker, Baums, WpÜG, 2004, § 16 Rn. 27 f.; nach dem City Code Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4035 Rn. 4-2024 f. und S. 4082 Rn. 4-4039.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

dung zur Angebotsabgabe. Beide Regelungssysteme ordnen dieser Bekanntgabe verfahrenseröffnende Funktion zu580. § 10 I S. 1 schreibt dem Bieter vor, seine Entscheidung581 zur Angebotsabgabe unverzüglich zu veröffentlichen. Rule 2.5582 verlangt die Veröffentlichung der festen Angebotsabsicht, sobald sich der Bieter restlos sicher ist, das Angebotsverfahren ordnungsgemäß durchführen zu können583. Nachdem die Absicht der Angebotsabgabe bekannt gegeben wurde, hat als zweiter Schritt im Übernahmeverfahren die Veröffentlichung der Angebotsunterlage und damit die eigentliche Angebotsabgabe zu erfolgen. Der Zeitraum zwischen diesen beiden Verfahrensschritten ist streng begrenzt. Gem. § 14 I S. 1 hat der Bieter die Angebotsunterlage innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Angebotsabsicht beim Bundesaufsichtsamt einzureichen. Es besteht eine Verlängerungsmöglichkeit für weiterer vier Wochen, falls die Einhaltung der Frist auf Grund eines grenzüberschreitenden Angebots oder erforderlicher Kapitalmaßnahmen nicht möglich ist, § 14 I S. 3. Die Aufsichtsbehörde hat im Anschluss die Angebotsunterlage zu überprüfen. Nach Gestattung durch das Bundesaufsichtsamt ist die Angebotsunterlage unverzüglich zu veröffentlichen584. Sind seit Eingang der Angebotsunterlage zehn Werktage vergangen, ohne dass die BAFin die Veröffentlichung untersagt hat, kann diese auch ohne ausdrückliche Gestattung vorgenommen werden (§ 14 II S. 1). Vergleichbar verlangt auch Rule 30.1, dass der Bieter binnen 28 Tagen nach Bekanntgabe seiner festen Angebotsabsicht den Aktionären die Angebotsunterlage zukommen lassen muss585. Eine gesonderte Prüfung durch den Panel ist hier jedoch nicht vorgeschrieben. Ein begrenztes Maß an Flexibilität wird auch hier dem Bieter einge580

Thoma, NZG 02, 105, 107; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 781. Zur Problematik im Zusammenhang mit diesem Tatbestandsmerkmal siehe unten S. 213 und S. 235 f. 582 Wenn im Folgenden von „Rules“ bzw. „General Principles“ gesprochen wird, sind diejenigen des City Codes on Takeovers and Mergers gemeint. 583 Rule 2.5: Firm intention to make an offer. Diese unterschiedlichen Auslösungstatbestände der Veröffentlichungspflicht – und damit der Verfahrenseröffnung – haben insbesondere Auswirkungen auf die Gleichbehandlung der Aktionäre. Daher ist auf diesen konkreten Unterschied im Abschnitt der Gleichbehandlungspflichten näher einzugehen, siehe Seite 207 ff. 584 § 14 II S. 1 zu veröffentlichen ist die Unterlage auch, wenn seit Eingang derselben bei der BAFin zehn Werktage vergangen sind und das Angebot nicht untersagt wurde; siehe zur Angebotsunterlage oben S. 111 ff. 585 Die Angebotsunterlage wird direkt an die Aktionäre übersandt, da es hier keinen anonymen Aktienbesitz gibt und jede Gesellschaft ein Mitgliederverzeichnis besitzt, welches von jedermann eingesehen werden kann, vgl. oben bei Angebotsabgabe, Zinser, RIW 2001, 481, 487. 581

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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räumt: Wenn die Angebotsunterlage aus irgendwelchen Gründen nicht innerhalb dieses Zeitraums versandt werden kann, muss dazu der Panel befragt werden. b) Festlegung einer Mindest- und Höchstfrist Mit Veröffentlichung der Angebotsunterlage beginnt die Annahmefrist für das Übernahmeangebot zu laufen (§ 16 I S. 2). Auch die Dauer derselben ist von den jeweiligen Übernahmeregeln vorgegeben. Das WpÜG bestimmt in § 16 I S. 1, dass die Frist für die Angebotsannahme mindestens vier Wochen betragen muss. Der City Code sieht eine Mindestannahmefrist von nur 21 Tagen ab Versendung der Angebotsunterlage an die Aktionäre vor586. Die kürzere Mindestannahmefrist rechtfertigt sich deshalb, weil in Großbritannien eine Versendung der Angebotsunterlage an die Aktionäre persönlich statt findet und eine unverzügliche Kenntnisnahme vom Übernahmeangebots durch die Angebotsadressaten garantiert587. Dagegen muss im deutschen System, in welchem Namensaktien die Ausnahme und bloße Inhaberaktien die Regel bilden, die Veröffentlichung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder per Internet stattfinden (§ 14 III S. 1). Die Kenntnisnahme der Aktionäre vom Übernahmeangebot durch diese öffentlichen Medien verzögert sich naturgemäß um einige Tage. Deshalb wird im deutschen Recht eine verlängerte Mindestannahmefrist gewährt. Hiermit geht der deutsche Gesetzgeber allerdings mit der Festlegung einer vierwöchigen Mindestannahmefrist über die in Art. 7 I der Übernahmerichtlinie vorgesehenen Mindestfrist von zwei Wochen hinaus. Da die Richtlinie nur einen Mindeststandard für die von den Aktionären benötigte Bedenkzeit bei Übernahmeangeboten vorschreibt, ist es den Mitgliedstaaten jedoch gestattet, diesen zu überschreiten und den Aktionären einen erhöhten Schutz in Form einer verlängerten Mindestannahmefrist zukommen zu lassen. Die Mindestfrist soll eine reflektierte Entscheidung der Aktionäre gewährleisten, die frei von Zeitdruck zustande kommt588. § 16 I S. 1 ist somit spezielle Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, dass die Wertpapierinhaber ausreichend Zeit haben, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können (§ 3 II). 586

Rule 31.1; vgl. Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 800. Jede Gesellschaf hat eine sogenanntes Mitgliederverzeichnis „register of members“ zu führen, ss 352 ff. CompAct 1985. Der Eintrag in dieses begründet erst den Aktionärsstatus, siehe Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 328. 588 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 16 Rn. 1; Land, DB 2001, 1707, 1709, Ekkenga/Hofschroer, DStR 2001, 724, 728; Schüppen, WPg 2001, 958, 964; Riehmer/Schröder, BB 2001, Beilage 5 zu Heft 20, S. 3; Farrar’s Comany Law, 3. Auflage, 1991, S. 639. 587

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Im Gegenzug sehen beide Gesetzgeber auch eine maximale Laufzeit für Übernahmeangebote vor. Die Festlegung einer maximalen Annahmefrist ist Ausprägung des Grundsatzes, Übernahmeverfahren rasch durchzuführen und die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit zu behindern589. Außerdem soll durch ein zeitlich gestrafftes Übernahmeverfahren der Verunsicherung des Kapitalmarktes entgegen gewirkt werden590. Eine Verlängerung dieser Frist ist nur in Ausnahmefällen gestattet, welche sogleich näher zu diskutieren sind. War im Diskussionsentwurf des WpÜG noch eine Höchstfrist von sechs Wochen vorgesehen591, so wurde diese inzwischen auf zehn Wochen verlängert. Einerseits wurde diese Ausdehnung der Annahmefrist insbesondere im Hinblick auf die eventuelle Einberufung einer Hauptversammlung vorgenommen, welche Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft gegen das Übernahmeangebot beschließen soll592. Um eine ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung einer solchen Hauptversammlung sicher zu stellen, muss in diesen Fällen grundsätzlich die maximale Annahmefrist von zehn Wochen ab Veröffentlichung der Angebotsunterlage ausgeschöpft werden (§ 16 III S. 1). Sechs Wochen wären hierfür nicht ausreichend. Andererseits orientiert sich das WpÜG mit Festlegung der zehnwöchigen maximalen Annahmefrist auch am europäischen Gesetzgeber, welcher in Art. 7 I S. 1 der Übernahmerichtlinie diese Höchstfrist bestimmt593. Die Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten die Zulassung einer Fristverlängerung, sofern der allgemeine Grundsatz berücksichtigt wird, dass die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden darf594. Der Bieter muss dann aber seine Absicht zur Schließung des Angebots mindestens zwei Wochen zuvor bekannt geben. Offensichtlich ist auch der europäische Gesetzgeber bemüht, das Interesse des Bieters an einer Fristverlängerung, das Interesse der Zielgesellschaft an einer möglichst kurzen Belagerung und das Interesse der Aktionäre an ausreichender Bedenkzeit in Ausgleich zu bringen. Auch der City Code legt einen zeitlichen Höchstrahmen für Übernahmeangebote fest. Im britischen Recht muss nach 60 Tagen seit Angebotsabgabe über Erfolg oder Scheitern des Angebots Klarheit bestehen595. Nur 589

Schüppen, WPg 2001, 958, 964; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2001, 724, 728. Farrar’s Company Law, 1991, S. 639. 591 § 19 I DiskE-WpÜG. 592 § 16 III, siehe Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 46; Liebscher, ZIP 2001, 853, 865. 593 Land, DB 2001, 1707, 1709, Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 16 Rn. 5. 594 So verweist RL Art. 7 I S. 2 auf Art. 3 I f). 590

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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wenn der Bieter bis zu diesem Zeitpunkt entweder seine genannte oder zumindest die gesetzliche Mindesterwerbsschwelle596 erreicht hat, kann das Angebot weiter aufrecht erhalten werden, andernfalls scheitert das Übernahmeangebot. Wenn die jeweilige Mindesterwerbsschwelle erreicht wurde, muss das Angebot noch mindestens weitere vierzehn Tage zur Annahme offenstehen597. Mindestens 21 Tage nach Erreichen der Mindesterwerbsschwelle müssen sämtliche weiteren Bedingungen erfüllt sein (spätestens am 81. Tag nach Angebotsabgabe)598. Nach spätestens weiteren 14 Tagen muss das Angebot vollends abgewickelt sein599. Die maximale Behinderung der Zielgesellschaft beträgt also 95 Tage600. c) Verlängerungstatbestände aa) Änderung des Angebots Ändert der Bieter sein Angebot gem. § 21 I, so verlängert sich die Annahmefrist um zwei Wochen, falls die Veröffentlichung der Änderung innerhalb der letzten zwei Wochen vor Ablauf der Annahmefrist erfolgt (§ 21 V). Eine Angebotsänderung löst für diejenigen Aktionäre, die das Angebot bereits angenommen hatten, ein gesetzliches Rücktrittsrecht aus (§ 21 IV), um ihnen somit Gelegenheit zu geben, das verbesserte Angebot anzunehmen. Es wird gewährleistet, dass den Angebotsadressaten mindestens ein Zeitraum von zwei Wochen zur Verfügung steht, um über einen eventuellen, gem. § 21 IV ermöglichten Rücktritt vom ursprünglichen bzw. über die Annahme des veränderten Angebots zu entscheiden601. Wiederum findet der allgemeine Grundsatz des § 3 II Ausdruck, dass die Wertpapierinhaber über ausreichend Zeit verfügen müssen, um in Kenntnis der Sachlage über das – veränderte – Angebot zu entscheiden. Schöpft der 595 Rule 31.6, siehe Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4035, Rn. 4-2024; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 16 Rn. 5. 596 Im britischen Recht muss der Bieter die Bedingung in sein Angebot aufnehmen, nach Ablauf des Übernahmeangebots über mindestens 50% der Stimmrecht der Zielgesellschaft zu verfügen (Rule 10: acceptance condition); siehe zum Zweck dieser Regelung unten S. 176 ff. 597 Rule 31.4: Offer to remain open for 14 days after unconditional as to acceptances. 598 Rule 31.7: Time for fulfilment of all other conditions. 599 Rule 31.8: Settlement of consideration. 600 Siehe zu einem zusammenfassenden Überblick über den Zeitplan eines Übernahmeverfahrens Hill in Butterworths Corporate Law Service, 7.93 ff. 601 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 49; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 21, Rn. 45; a. A. aber Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 21 Rn. 17.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Bieter die höchste Annahmefrist von zehn Wochen aus und ändert er sein Übernahmeangebot innerhalb der letzten beiden Wochen vor Ablauf dieser Frist, dann beträgt die maximale Annahmefrist eines Übernahmeangebots zwölf Wochen602. Endlose Übernahmeverfahren durch wiederholte Angebotsänderungen in letzter Minute werden vom WpÜG verhindert, indem § 21 VI eine erneute Änderung des Angebots während der von § 21 V gewährten Verlängerungsfrist verbietet. Die Taktik des Bieters, sein Angebot immer wieder zu verändern, um die Zielgesellschaft einer endlosen Belagerung auszusetzen, wird damit unterbunden. Mittels Angebotsänderung kann der Bieter maximal eine zwölfwöchige Behinderung der Zielgesellschaft bewirken. Das WpÜG setzt dem Bieter bezüglich möglicher Angebotsänderungen also Grenzen. Sein Recht, das Übernahmeangebot beliebig abzuändern, wird im Interesse der Zielgesellschaft an einer möglichst kurzen Behinderung eingeschränkt. (1) Änderung der Angebotsfrist durch den Bieter Diskutiert wird die Frage, ob eine einseitige Änderung der Annahmefrist durch den Bieter möglich ist. Zulässige Änderungsmöglichkeiten des Bieters sind in § 21 aufgezählt. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass darüber hinausgehende Veränderungen des Angebots unzulässig sind. Vereinzelt wird bestritten, dass es sich bei der Veränderung der Annahmefrist um eine Angebotsänderung im Sinne des § 21 handeln könnte, weil dieser lediglich die Änderung „einzelner, besonders wichtiger, den materiellen Kern des Angebots betreffender Änderungen festschreibe“603. Hiergegen lässt sich aber der Wortlaut des § 21 vorbringen, der von einer generellen „Änderung des Angebots“ spricht und im Rahmen dessen einzelne zulässige Änderungstatbestände normiert. Diese sind keinesfalls auf materielle Faktoren beschränkt. Beispielsweise könnte der genannte Bedingungsverzicht gem. § 21 I Nr. 4 auch im Verzicht auf eine Mindesterwerbsschwelle oder die Zustimmung der Hauptversammlung liegen, welche ein formelles Kriterium des Angebots darstellt. Die Annahmefrist ist ein gem. § 11 II S. 2 Nr. 6 zwingend in die Angebotsunterlage aufzunehmender Bestandteil des Übernahmeangebots und eine Veränderung derselben stellt eine Angebotsänderung dar. Die Unzulässigkeit einer einseitigen Annahmefristveränderung durch den Bieter kann durch das Erfordernis der Planungssicherheit für Zielgesellschaft und auch Aktionäre gerechtfertigt werden. Der Bieter soll sich bei seiner Angebots602 Unbeschadet dessen kann sich gem. § 16 II WpÜG daran eine zweiwöchige weitere Annahmefrist anschließen, bis das Angebot endgültig geschlossen wird. 603 Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 21 Rn. 17.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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abgabe festlegen, wie lange die Zielgesellschaft durch das Übernahmeverfahren beeinträchtigt wird und die Aktionäre bzw. ihre Wertpapiere der durch das Übernahmeverfahren verursachten Unsicherheit an den Börsen ausgesetzt sind. Von dieser Ankündigung darf er nur aus wichtigem Grund – beispielsweise bei einer Angebotsänderung in den Fällen des § 21 I oder bei Auftreten eines konkurrierenden Bieters abweichen. Sollte er ein Scheitern seines Angebots fürchten, so bleiben ihm die im Katalog des § 21 I vorgesehenen Möglichkeiten, den Erfolg herbeizuführen. Die Verlängerung der Annahmefrist ist für diese Zwecke nicht vorgesehen. Eine solche Änderung ist im Übernahmeverfahren unzulässig. (2) Zweiwöchige Annahmefristverlängerung bei Angebotsänderung gem. § 21 V Kritisch hinterfragt werden muss angesichts der für die Zielgesellschaft und ihre Aktionäre wünschenswerten Planungssicherheit auch der vom WpÜG gewählte Lösungsweg, im Falle einer Angebotsänderung eine zusätzliche Fristverlängerung für das Übernahmeverfahren zuzulassen. Die maximale Annahmefrist bei Übernahmeangeboten kann somit allein auf Betreiben des Bieters von zehn auf zwölf Wochen verlängert werden. Wenn der starre Zeitplan für Übernahmeverfahren durch bloße Initiative des Bieters ausgedehnt werden kann, ist die Kalkulationsgrundlage für die Zielgesellschaft und auch deren Aktionäre im Bezug auf das Übernahmeangebot, wenn auch nur in beschränktem Maße, der Willkür des Bieters ausgesetzt. Ein verlässlicher äußerer Rahmen, der einen fixen Endpunkt der Belagerung der Zielgesellschaft festlegt, ist nicht gegeben. Anders löst der britische Regelungsgeber die Problematik. Der City Code bestimmt, dass ein Angebot nur bis zum 46. Tag nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage verändert werden darf604. Denn auch nach dem City Code muss ein Angebot nach einer Änderung mindestens noch 14 Tage offen stehen605. Da am 60. Tag spätestens über Durchführung bzw. Scheitern des Angebots entschieden werden muss, kann nur bis zum 46. Tag eine Angebotsänderung erfolgen606. Es wird ein absoluter Zeitpunkt im Übernah604

Rule 32.1. Rule 32.1. 606 Vgl. Rule 32.1 „If revised, an offer must be kept open for at least 14 days following the date on which the revised offer document is posted. Therefore, no revised offer document may be posted in the 14 days ending on the last day the offer is able to become unconditional as to acceptances“. Rule 31.6 „. . . an offer may not become or be declared unconditional as to acceptances after midnight on the 60th day after the day the initial offer document was posted.“; siehe auch Morse, [1992] JBL 104 f. 605

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5. Teil: Die Bieterpflichten

meverfahren bestimmt, bis zu welchem eine Angebotsänderung möglich ist. Dem Bieter wird kein weiterer Spielraum gewährt. Angebotsänderung verursachen im britischen Recht deshalb keine Verlängerung des maximalen Annahmezeitraums607. Alle Beteiligten sind an die Einhaltung des festen Zeitplans für Übernahmeverfahren gebunden und müssen ihr Verhalten entsprechend terminieren. Um den Angebotsadressaten innerhalb des maximalen Annahmezeitraums eine ausreichende Überlegungsfrist bezüglich veränderter Angebotskonditionen einzuräumen, wird hier der späteste mögliche Zeitpunkt festgesetzt, bis zu welchem eine Angebotsänderung zulässig ist. Der maximale Zeitrahmen wird aber nicht verschoben. Ein vergleichbares Ergebnis könnte im deutschen Recht erreicht werden, wenn Änderungen nur bis zu einem Zeitpunkt, der zwei Wochen vor Ablauf der Annahmefrist liegt, zulässig sind. Ein mit dem britischen Recht vergleichbarer, fixer spätester Änderungszeitpunkt ist im deutschen Recht ungeeignet, da oben die verbindliche Festlegung der Annahmefrist bei Angebotserstellung befürwortet wurde und sich somit eine individuelle Höchstdauer eines jeden Übernahmeverfahrens ergibt. Es ist dann Sache des Bieters, die Annahmefrist des Übernahmeangebots so festzusetzen, dass eine Angebotsänderung zwei Wochen vor Fristablauf in seinen individuellen Zeitplan passt. Bei einer gesetzlich vorgegebenen maximalen Annahmefrist von zehn Wochen, wäre allerdings ein absoluter spätester Änderungszeitpunkt acht Wochen nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage gegeben. Vorzugswürdig ist an diesem Lösungsweg, dass der maximale Annahmezeitraum nicht durch einseitige Aktion des Bieters, allein nach dessen Willen, ausgedehnt werden kann. Der Bieter darf nicht am letzten Tag vor Ablauf der maximalen Annahmefrist eine Angebotsänderung durchführen und damit die Zielgesellschaft unerwartet einer verlängerten Behinderung aussetzen. Die maximale Dauer der Belagerung der Zielgesellschaft steht nicht zur Disposition des Bieters. Ansonsten würde die Zielgesellschaft mit einer erhöhten Unsicherheit belastet und die Organisation ihrer Geschäftstätigkeit zusätzlich erschwert. Auch die Aktionäre sollen von vornherein, das heißt bei der Angebotsabgabe, über die maximale Dauer des Übernahmeverfahrens und die damit verbundenen Beeinträchtigungen informiert sein und damit kalkulieren können. Der Bieter hat sich auf die absolute Maximalfrist der Angebotslaufzeit von zehn Wochen von vornherein einzustellen und seine Konditionspolitik spätestens bis zum Ablauf von acht Wochen nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage festzulegen. Für alle am Übernahmeverfahren Beteiligten gilt derselbe Zeitrahmen. Zielgesellschaft und Anleger erhalten die nötige Pla607

Hill in Butterworths Corporate Law Service, Corporate Transactions, Rn. 7.99.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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nungssicherheit, dass das Übernahmeverfahren innerhalb eines festen Zeitplans abläuft, welcher nicht einseitig vom Bieter ausgedehnt werden kann. Problematisch ist aber im deutschen Recht, dass wesentliche Entscheidungen der Hauptversammlung der Ziel- als auch der Bietergesellschaft bis kurz vor Ablauf der maximalen Annahmefrist getroffen werden können. Beispielsweise erlaubt § 25 dem Bieter einen Beschluss seiner Hauptversammlung über das Übernahmeangebot bis zu 5 Tage vor Ablauf der Annahmefrist herbeizuführen. Wenn dem Bieter aber die Einholung der Zustimmung seiner Gesellschafterversammlung noch bis in die zehnte Woche seit Veröffentlichung der Angebotsunterlage gestattet ist, so ist es nur konsequent, ihm eine entsprechende Änderung des Angebots – etwa in Anlehnung an den Gesellschafterbeschluss – zu ermöglichen. Beispielsweise könnte dem Bieter das Angebot einer weiteren Gegenleistung im Sinne des § 21 I Nr. 2 empfohlen worden sein oder der Verzicht auf bestimmte Bedingungen gem. § 21 I Nr. 4. Das System des WpÜG ist insofern stimmig. Beruft auf der anderen Seite die Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot eine Hauptversammlung ein, so beträgt die Annahmefrist zwingend zehn Wochen (§ 16 III)608. Die Festlegung der zehnwöchigen Frist soll dabei sicher stellen, dass etwaige Beschlüsse der Hauptversammlung vom Vorstand der Zielgesellschaft noch umgesetzt werden können609. Wenn folglich aber der Vorstand der Zielgesellschaft, der von der Hauptversammlung zu bestimmten Maßnahmen ermächtigt wurde, in einem sehr späten Stadium des Annahmeverfahrens zur Abwehr des Übernahmeangebots ansetzt, muss dem Bieter eine Reaktion hierauf zumindest ermöglicht werden, das heißt er muss zu diesem späten Zeitpunkt zur Angebotsänderung noch berechtigt sein. Beispielsweise könnte die Zielgesellschaft die Ausgabe neuer Aktien beschließen, um dem Bieter einen Kontrollerwerb zu erschweren oder diesen zumindest erheblich zu verteuern. Im Gegenzug könnte der Bieter eine von ihm gesetzte Mindesterwerbsschwelle für Anteile der Zielgesellschaft gem. § 21 I Nr. 3 herabsetzten wollen, weil ihm der Erwerb dieser Beteiligungsquote unter zugrunde legen der erhöhten Zahl der Gesamtstimmrechte nun zu teuer ist. Diese Möglichkeit wäre ihm abgeschnitten, wenn Angebotsänderungen nur bis zur achten Woche zulässig wären, die Hauptversammlung ihren Vorstand aber in der zehnten Woche zu Abwehrmaßnahmen ermächtigen würde. Das WpÜG liefert insofern jedenfalls ein durchdachtes System eines Zeitplanes, in welchem Aktion und Reaktion der jeweiligen Beteiligten 608 609

Siehe dazu Land, DB 2001, 1707, 1709. Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 46.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

berücksichtigt werden. Es wird eine maximale Annahmefrist von zehn Wochen bestimmt. Bis zum Ablauf derselben müssen entsprechende Handlungen der Ziel- und Bietergesellschaft vorgenommen sein. Als Folge bzw. Reaktion auf diese Handlungen wird dem Bieter eine Angebotsänderung ebenfalls bis zum Ablauf dieser maximalen Annahmefrist gestattet. Um den Aktionären jedoch eine angemessene Überlegungsfrist zu garantieren, folgt auf eine Angebotsänderung ein Mindestzeitraum, während dessen die Annahme des veränderten Angebots noch möglich ist. Deshalb entscheidet sich das WpÜG in diesen Fällen für die Verlängerung der maximalen Annahmefrist um zwei Wochen. Um auch im deutschen Recht einen verlässlichen, von keiner Partei einseitig ausdehnbaren Zeitplan für Übernahmeverfahren zur Verfügung zu stellen, reicht es nicht aus, eine Vorschrift einzuführen, die Angebotsänderungen lediglich bis zu zwei Wochen vor Ablauf der Annahmefrist zulässt. Zusätzlich müssen einzelne Bestimmungen angepasst werden. Beispielsweise müsste der Bieter den Beschluss seiner Gesellschafterversammlung vor diesem spätesten Änderungszeitpunkt herbeiführen, um hierauf noch reagieren zu können. Ebenso verhielte es sich mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung der Zielgesellschaft. Allerdings wäre eine Verkürzung des Zeitraumes für die Herbeiführung des Zielgesellschafterbeschlusses wenig geglückt, da § 16 III S. 1 gerade deshalb eine zehnwöchige Annahmefrist vorsieht, falls die Hauptversammlung der Zielgesellschaft einberufen wird, um die Fristen für die Durchführung, Beschlussfassung und Umsetzung durch den Vorstand zu wahren610. Gelöst werden könnte dieses Problem durch die Zulassung einer Ausnahme vom spätestens Änderungszeitpunkt, indem dieser vom Zeitpunkt der abgehaltenen Gesellschafterversammlung der Zielgesellschaft abhängig gemacht würde. In diesem Fall hätte es dann nämlich die Zielgesellschaft mittelbar selbst in der Hand, die Länge des Übernahmeverfahrens mittels Festlegung des Zeitpunktes der Gesellschafterversammlung zu bestimmen. bb) Konkurrierende Angebote (1) Synchronisierung von Erstangebot und Konkurrenzangebot Ein zweiter Ausnahmetatbestand für die Verlängerung der maximalen Annahmefrist von zehn Wochen, wird gem. § 22 II im Fall des Auftretens eines konkurrierenden Bieters festgelegt. Zweck dieser Vorschrift ist es, für Konkurrenzangebote einen Synchronisierung zu schaffen611. Um gleiche 610 611

Siehe Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 46. Krause in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 22 Rn. 30.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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Rahmenbedingungen für sämtliche konkurrierende Übernahmeangebote herzustellen, soll der Ablauf der Annahmefristen zum selben Zeitpunkt eintreten612. Muss sich ein Anleger zwischen zwei oder mehreren Übernahmeangeboten entscheiden, soll er zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit haben, alle Angebote anzunehmen613. Außerdem soll jeder Bieter die Gelegenheit haben, auf ein Konkurrenzangebot entsprechend zu reagieren. Ansonsten bliebe die erwünschte Auktionswirkung von konkurrierenden Angeboten aus, weil ein Zweitbieter schlicht den Ablauf der Annahmefrist des ersten Angebots abwarten könnte, um im Anschluss sein eigenes Angebot zu steigern. Dem Erstbieter darf nicht die Chance abgeschnitten werden, auf durch ein Konkurrenzangebot ausgelöste, veränderte Rahmenbedingungen mit Angebotsverbesserung zu reagieren614. Im Vergleich zum Ausnahmetatbestand des § 21 V bei Angebotsänderungen ist die Verlängerung der Annahmefrist im Fall konkurrierender Angebote weniger bedenklich. Der Bieter kann hier nicht allein nach seinem Willen die Belagerung der Zielgesellschaft verlängern, um aus taktischen Gründen eine überlange Beeinträchtigung derselben zu verfolgen. Vielmehr ist objektiv die Abgabe eines konkurrierenden Angebots durch einen zweiten Bieter erforderlich, auf welches der Erstbieter berechtigt sein soll zu reagieren. Zudem ist die Zielgesellschaft auf Grund des Konkurrenzangebots ohnehin in ihrer Geschäftstätigkeit gestört. Erneut gelten die Handlungsbeschränkungen für den Vorstand gem. § 33 und eine entsprechende Stellungnahme ist erforderlich. Wenn die Annahmefrist des Erstangebots an das Zweitangebot angepasst wird, entsteht für die Zielgesellschaft deshalb keine erhebliche Zusatzbelastung. Um aber tatsächlich eine Parallelität beider Annahmefristen zu erreichen, muss sich der Ablauf einer Annahmefrist jeweils an der des länger laufenden Konkurrenzangebots orientieren. Die Formulierung des WpÜG ist insofern lückenhaft als sich nur die Laufzeit des Erstangebots an der des Zweitangebots orientieren kann, nicht aber umgekehrt615. Führt beispielsweise der Erstbieter als Reaktion auf das Konkurrenzangebot eine Angebotsänderung durch und verlängert sich folglich die Annahmefrist für das Erst612

Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 50. So der DAV in seiner Stellungnahme, NZG 2001, 420, 425. 614 Oechsler befürchtet ansonsten die einseitige Benachteiligung eines Konkurrenten, NZG 2001, 817, 825. 615 Kritisch Oechsler, NZG 2001, 817, 825; ders. in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 22 Rn. 7; DAV Stellungnahme NZG 2001, 420, 425; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 22 Rn. 17, 22 f.; Schröder, Öffentliche Übernahmeangebote, 2002, § 22 Rn. 17. 613

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5. Teil: Die Bieterpflichten

angebot gem. § 21 V um zwei Wochen, so führt das nach gegenwärtiger Rechtslage nicht zu einer Verlängerung der Laufzeit des Konkurrenzangebots616. Konkurrierende Angebote sollen den Aktionären aber gleichzeitig offen stehen und zum gleichen Zeitpunkt geschlossen werden, damit sich diese in Kenntnis beider Angebote frei zwischen denselben entscheiden können617. Das WpÜG hat deshalb eine wechselseitige Anpassung der jeweiligen Annahmefristen festzuschreiben. Wird aber ein synchronisierter Ablauf der Annahmefristen bei konkurrierenden Angeboten bestimmt, muss Vorkehrung getroffen werden, dass es nicht zu einer endlosen Verlängerung des gesamten Übernahmeverfahrens kommt, wenn sich die konkurrierenden Bieter wechselseitig und fortdauernd überbieten618. Wenn beispielsweise der Erstbieter sein Erstangebot A mit einer Annahmefrist von zehn Wochen ausstattet und ein Zweitbieter in Woche neun sein Angebot B mit ebenfalls zehnwöchiger Laufzeit einbringt, dann verlängert sich die Laufzeit von Angebot A auf neunzehn Wochen gem. § 22 II. Der Erstbieter könnte in Woche neunzehn sein Angebot gem. § 21 I verändern. Das veränderte Angebot A hätte nun gem. § 21 V eine Laufzeit bis Woche einundzwanzig. Nach oben Gesagtem müsste sich auch das Angebot B entsprechend verlängern, um eine synchronisierte Annahmefrist beider Angebote zu erreichen. Nun könnte aber der Zweitbieter wiederum versucht sein, sein Konkurrenzangebot B zu verbessern und das veränderte Angebot A zu überbieten. Es würde eine erneute Ausdehnung der Annahmefrist für das Angebot A gem. § 22 II und für B gem. § 21 V folgen. Der Zweitbieter wäre daran auch nicht gem. § 21 VI gehindert. Schließlich verändert er sein Angebot B nicht innerhalb einer ihm von § 21 V gewährten Frist, die seine vorhergehende Angebotsänderung voraussetzen würde619. Im Gegenzug könnte der Erstbieter das veränderte Zweitangebot überbieten wollen. Dieses Auktionsverfahren könnte sich unendlich fortsetzen und die Zielgesellschaft einer unabsehbaren Behinderung aussetzen620. Zwar ist einerseits ein solches Auktionsverfahren aus Sicht der Aktionäre der Zielgesellschaft erwünscht, da der Preis der Gegenleistung beständig ansteigen könnte. Andererseits ist es mit § 3 IV unvereinbar, wenn diesem 616 Schröder in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 22 Rn. 18; Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 340; laut Oechsler ist es schlicht ein Versehen des Gesetzgebers, dass eine Verlängerung der Annahmefrist des Konkurrenzangebots für diesen Fall nicht vorgesehen ist, NZG 2001, 817, 825; siehe auch DAV Stellungnahmen, NZG 2001, 420, 425. 617 So Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 22 Rn. 24. 618 Dazu auch Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 22 Rn. 30. 619 Zustimmend Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 22 Rn. 28. 620 Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 22 Rn. 26 ff.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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Auktionsverfahren keinerlei zeitliche Grenzen gesetzt werden621. Eine unbegrenzte Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft und eine damit zwangsläufig einhergehende Schwächung ihrer Ertragskraft ist weder im Interesse der jeweiligen Bieter, noch der Anleger, noch des gesamten Kapitalmarktes. Es ist deshalb eine zeitliche Obergrenze zu setzen, bis zu welcher konkurrierende Angebote verändert werden dürfen622. Ein Vergleich mit dem britischen Recht bestätigt diesen Lösungsvorschlag. Die strikte Einhaltung des Zeitplans für Übernahmeverfahren wird auch nach dem City Code im Fall konkurrierender Angebote aufgeweicht. Gem. Rule 31.6 (a) (i) wird der Panel hier Ausnahmen der 60-Tage-Regel (Rule 31.6) zulassen und ein so genanntes Auktionsverfahren für Übernahmeangebote einleiten623. Grundlegend gilt hier, dass Angebotsänderungen als Antwort auf Konkurrenzangebote nur bis zum 46. Tag seit Veröffentlichung des Konkurrenzangebots zulässig sind624. Im Anschluss daran gewährt der Panel dem Konkurrenten quasi als Antwort eine letzte Möglichkeit zur Erhöhung seines Angebots. Damit gewährleistet das britische Recht eine Höchstdauer für Auktionsverfahren und gegenseitige Überbietungen mittels immer wieder vorgenommener Angebotsänderungen. Die maximale Behinderung der Zielgesellschaft wird zeitlich vom letzten veröffentlichten Angebot abhängig gemacht. Ein Ende des Übernahmekampfes ist für alle Beteiligten absehbar. (2) Zusammenfassung Für das deutsche Übernahmerecht wird vorgeschlagen, im Falle konkurrierender Übernahmeangebote synchronisierte Annahmefristen festzuschreiben. Die Annahmefristen sollen zum selben Zeitpunkt ablaufen. Der Ablauf bestimmt sich jeweils nach der längsten Annahmefrist – sei es die ursprüngliche oder eine durch Angebotsveränderung verlängerte. Dies ist im Interesse der Aktionäre, die frei zwischen den Konkurrenzangeboten entschei621

Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 22 Rn. 30. A. A. Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 22 Rn. 26 ff., der das Interesse der Zielgesellschaft an einem unbeeinträchtigten Geschäftsverlauf hinter den Interessen der Aktionäre an einer Verbesserung der Gegenleistung zurückstehen lassen will. 623 So Rule 32.5 competitive situation: „. . . the Panel will require revised offers to be published according to an auction procedure the terms of which will be determined by the Panel.“ 624 Rule 32.5 „. . . That procedure will normally require final revision to competing offers to be announced by the 46th day following the posting of the competing offer document but enable an offeror to revise its offer within a set period in response to any revision announced by a competing offeror on or after the 46th day“. 622

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5. Teil: Die Bieterpflichten

den wollen und durch ein Auktionsverfahren in den Genuss einer erhöhten Gegenleistung kommen können. Es ist auch im Interesse der Bieter, die jeweils auf eine Änderung des Konkurrenzangebots mit einer Verbesserung der eigenen Konditionen reagieren wollen. Werden die Annahmefristen aber wechselseitig einander angepasst, muss eine zeitliche Begrenzung für gegenseitige Überbietung festgesetzt werden, um die endlose Ausdehnung eines Auktionsverfahrens zu verhindern625. Für das deutsche Recht wird deshalb die Einführung einer absoluten, zeitlichen Höchstgrenze befürwortet, bis zu deren Erreichen eine Angebotsveränderung als Reaktion auf ein Konkurrenzangebot möglich ist. Als Höchstgrenze wird der Ablauf der achten Woche des zuletzt veröffentlichten Angebots vorgeschlagen. Damit könnte den Aktionären eine zweiwöchige Überlegungsfrist garantiert und gleichzeitig der strikte Zeitplan für Übernahmeverfahren eingehalten werden, der eine maximale Annahmefrist von zehn Wochen erlaubt. Alle Beteiligten des Übernahmeverfahrens können sicher sein, dass nach Ablauf von zehn Wochen seit Veröffentlichung des zuletzt abgegebenen Übernahmeangebots das Ende des Übernahmekampfes eingeläutet wird. d) Weitere Annahmefrist Die weitere Annahmefrist gem. § 16 II bildet die Schlussphase des Übernahmeverfahrens. Nach Ablauf der ursprünglichen Annahmefrist hat der Bieter gem. § 23 I S. 1 Nr. 2 den Stand seiner Beteiligungen und der mit ihm gemeinsam handelnden Personen zu veröffentlichen626. Diese weitere Annahmefrist von zwei Wochen wird allerdings dann nicht gewährt, wenn der Bieter seine selbst gesetzte Mindesterwerbsschwelle verfehlt haben sollte627. Nach Ablauf diese weiteren Annahmefrist ist das Übernahmeverfahren abgeschlossen und es folgt die Abwicklung der Wertpapiertransaktionen.

625

So auch Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 341. Siehe zu diesen sogenannten „Wasserstandsmeldungen“ S. 130 f. 627 § 16 II S. 2, siehe zu den mit dieser Regelung verbundenen Problemen unten, S. 169 ff. 626

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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II. Ausgestaltung eines Übernahmeangebots 1. Unverbindliche Angebotsabgabe a) Probleme bei der Abgabe unverbindlicher Übernahmeangebote Für den Bieter ist es von Vorteil, wenn er das Übernahmeangebot unverbindlich ausgestalten kann. Das Angebotsverfahren erstreckt sich über einen langen Zeitraum, während dessen der Bieter das Risiko trägt, dass sich in dieser Phase für ihn zur Angebotsabgabe motivierende Faktoren verändern und die Realisierung des Übernahmevorhabens nicht länger ökonomisch sinnvoll ist. Gründe, von dem Übernahmevorhaben Abstand zu nehmen, könnten zum Beispiel sich verschlechternde wirtschaftliche Verhältnisse bei der Zielgesellschaft, eigene finanzielle Schwierigkeiten oder mangelnde Akzeptanz des Angebots darstellen. Um dieses Risiko abzuwälzen, könnte sich der Bieter im Übernahmeangebot ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumen. Er könnte das Übernahmeangebot auch als bloße invitatio ad offerendum ausgestalten, anstatt ein verbindliches Angebot im Sinne des § 145 BGB abzugeben und die Reaktion darauf abwarten. Auch durch Aufnahme entsprechender Bedingungen könnte der Bieter versuchen, die Bindungswirkung, die ein Übernahmeangebot entfalten sollte, zu umgehen und sich stets die Möglichkeit offen lassen, das Übernahmevorhaben aufzugeben. Wenn die Bedingung entsprechend formuliert ist, kann der Bieter sie nach seinem Willen eintreten lassen und sich von der Verbindlichkeit des Angebots befreien. Im Hinblick auf ein solches Vorgehen sind jedoch die Interessen der Aktionäre und der Zielgesellschaft zu berücksichtigen, die eine verbindliche Angebotsabgabe vorziehen würden. Ein Übernahmeangebot hat gravierende Folgen für die Zielgesellschaft628. So wird der Börsenkurs ihrer Wertpapiere erheblichen Schwankungen ausgesetzt, das Management wird zeitweilig in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt629, hat eine Stellungnahme abzugeben und das Tagesgeschäft der Zielgesellschaft kann nicht mehr wie gewohnt abgewickelt werden630. Wenn die Zielgesellschaft solche Beeinträchtigungen aber hinnehmen muss, dann sollte der Bieter auf der anderen Seite zumindest zur verbindlichen Angebotsabgabe gezwungen sein. Einerseits kann damit eine unnötige Behinderung der Zielgesellschaft auf Grund 628 Begründung WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 47; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 17 Rn. 1; Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 18 Rn. 2, § 17 Rn. 4. 629 Vgl. § 33. 630 Begründung WpÜG, BT-Drs. 14/7034 S. 27, 47; Busch, AG 2002, 145.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

unüberlegter Angebotsabgaben unterbunden werden. Andererseits könnte es sich der Bieter sonst zum Ziel setzen, die Zielgesellschaft bewusst zu schädigen, indem er ein Übernahmeangebot abgibt, um die nachteiligen Wirkungen für die Zielgesellschaft auszulösen und dieses nach einer langen Phase der Behinderung in schlichter Ausübung seines Rücktrittsrechts oder auf Grund des Eintritts oder Ausbleibens einer gewillkürten Bedingung wieder fallen zu lassen. Außerdem könnten willkürlich formulierte Bedingungen, Rücktritts- und Widerrufsvorbehalte die Transparenz des Übernahmeverfahrens gefährden. Den Aktionären wäre keine Planungssicherheit geboten. Für sie sollte aber vorhersehbar sein, unter welchen Voraussetzungen das Übernahmeverfahren scheitern könnte. Nur unter diesen Umständen können sie eine fundierte Entscheidung über die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots treffen. Wäre eine gewöhnliche Verhandlungssituation zwischen zwei ebenbürtigen Vertragspartnern gegeben, könnte die Aufnahme willkürlicher Bedingungen, Rücktritts- oder Widerrufsvorbehalte auch nur schwer durchgesetzt werden. Das Bedürfnis, den schwächeren Vertragspartner vor einseitiger Vertragslösung zu schützen, spiegelt sich beispielsweise auch in § 308 Nr. 3 BGB wider, wobei dem Verwender eine Lösung vom Vertrag nur aus sachlich gerechtfertigtem Grund möglich sein soll. Demselben Schutzbedürfnis hat auch das WpÜG Rechnung zu tragen. b) Lösungsmöglichkeiten aa) Verbot einer invitatio ad offerendum Angesichts dieser Gefahrenlage ist es zu begrüßen, dass § 17 dem Bieter untersagt, sein Angebot als invitatio ad offerendum auszugestalten. Stattdessen muss er ein rechtlich verbindliches Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Erwerbsvertrags gem. § 145 BGB abgeben631 und darf nicht seinerseits rein unverbindlich zur bindenden Angebotsabgabe seitens der Aktionäre auffordern632. Behinderungen der Zielgesellschaft durch ein nicht vollends durchdachtes oder spekulatives Übernahmeangebot, von welchem sich der Bieter ohne weiteres lösen kann, werden damit unterbunden633. Dem Bieter wird die Möglichkeit abgeschnitten, mittels einer unverbindlichen Aufforderung zur Angebotsabgabe die Erfolgsaussichten des Über631 Pötzsch/Möller, WM 2000, Beilage 2, S. 21; Liebscher ZIP 2001, 853, 862; Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 17, Rn. 11. 632 Begründung, WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 47, Stellungnahme DAV NZG 2001, 420, 424. 633 Begründung, WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 47.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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nahmevorhabens zu testen, den Umfang seines möglichen finanziellen Aufwands abzuschätzen und die Entwicklungen am Kapitalmarkt abzuwarten. Sowohl im Interesse der Zielgesellschaft, die mit dem Übernahmeangebot einhergehende Beeinträchtigungen nur dann soll hinnehmen müssen, wenn eine ernsthafte Absicht zur Durchführung eines Übernahmeverfahrens besteht als auch im Interesse der Aktionäre, die auf einer verlässlichen Grundlage über die Annahme des Angebots entscheiden wollen, ist dieser Flexibilitätsverlust des Bieters hinzunehmen. bb) Verbot des Rücktritts- und Widerrufsvorbehalts Gem. § 18 II ist sowohl ein Rücktritts- als auch ein Widerrufsvorbehalt im Übernahmeangebot unzulässig634. Die Möglichkeit, sich vom Angebot zu lösen, könnte sich für den Bieter im deutschen Recht jedoch nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, nunmehr § 313 BGB635, bieten. Als Rechtsfolge kann bei Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung der Rücktritt gem. § 313 III BGB eröffnet sein. Voraussetzung ist, dass sich die Umstände, die Grundlage der Angebotsabgabe waren, in schwerwiegender Weise verändert haben und dem Bieter die Aufrechterhaltung des Angebots nicht länger zumutbar ist. Wo allerdings die Wesentlichkeits- bzw. Zumutbarkeitsgrenze verläuft hängt stark vom Einzelfall ab636. Das Übernahmerecht will eine Loslösung des Bieters von seinem ursprünglichen Angebot nur unter engen Voraussetzungen zulassen. Diese Zielsetzung darf durch die Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Regeln nicht unterlaufen werden. Eine Berufung auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt ein gänzlich unvorhersehbares, den Bieter in unverhältnismäßiger Weise benachteiligendes Ereignis voraus. Nicht ausreichen kann der Rückgang des Börsenkurses der Wertpapiere der Zielgesellschaft, welcher vielmehr als Spekulationsrisiko des Bieters zu werten ist. Ebenfalls können von der Zielgesellschaft ergriffene, zulässige Abwehrmaßnahmen einen Rücktritt nicht rechtfertigen637. Für einen Rücktritt nicht ausreichend sind Veränderungen, die sich im Rahmen des Vorhersehbaren halten638. Ein Lösungsrecht kommt nur im Fall schwerer Äquivalenzstörungen in Betracht, wenn auf Grund unvorhersehbarer Ereignisse das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung fun634

Riehmer/Schröder, BB 2001, Beilage 5 zu Heft 20, S. 6, Stellungnahme DAV NZG 2001, 420, 425. 635 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 47 ff. 636 Siehe Palandt/Heinrichs, 2003, § 313 Rn. 15 f. 637 Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 75. 638 Palandt/Heinrichs, 2003, § 313, Rn. 34.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

damental verändert wird und ein Festhalten am Vertrag unter keinen Umständen mehr zumutbar ist639. Selbst im Fall der plötzlichen Insolvenz der Zielgesellschaft, wird mit Hilfe von § 313 eher eine Vertragsanpassung statt ein Rücktritt des Bieters zu erreichen sein. Auch im britischen Recht wird dieses Ergebnis erzielt, indem Rule 2.7 anordnet, dass der Bieter sein Übernahmeangebot durchführen muss, wenn er einmal seine feste Angebotsabsicht veröffentlicht hat640. Allerdings ist der Panel in Einzelfällen berechtigt, von diesem Grundsatz Ausnahmen zuzulassen, wenn beispielsweise ein konkurrierender Bieter auftritt oder bestimmten Verteidigungsmaßnahmen ergriffen werden641. Der Panel möchte grundsätzlich spekulative Angebote unterbinden und wird regelmäßig nur sehr zurückhaltend seine Zustimmung erklären. Nicht ausreichen würde beispielsweise eine bloße Veränderung des Börsenpreises der Zielgesellschaftspapiere und eine daraus resultierende drastische Erhöhung des Angebotspreises642. cc) Verbot rein subjektiver Bedingungen Im Einklang erklären deutscher und britischer Gesetzgeber so genannte Potestativbedingungen643 für unzulässig. Gemeint sind solche Bedingungen, deren Eintritt der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen oder für das Übernahmeverfahren tätige Berater ausschließlich selbst herbeiführen können644. Das freiwillige Übernahmeangebot ist im Gegensatz zum Pflichtangebot nicht grundsätzlich bedingungsfeindlich. Dem Bieter ist es erlaubt bestimmte Risiken eines bindenden Übernahmeangebots mittels Bedingungsaufnahme einzugrenzen. Zulässig ist es zum Beispiel, das Angebot vom Erreichen einer Mindestakzeptanzschwelle abhängig zu machen645. Erlaubt 639

Oechsler, NZG 2001, 817, 822; Peltzer in Assmann u. a., Übernahmeangebote, 1990, S. 179, 204. 640 Rule 2.7: Consequences of a firm announcement: „Where there has been an announcement of a firm intention to make an offer, the offeror must proceed with the offer unless the posting of the offer is subject to the prior fulfilment of a specific condition and that condition has not been met.“ 641 Zinser, RIW 2001, 481, 486. 642 Farrar’s Company Law, 1991, S. 639. 643 Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 18 Rn. 14; Stellungnahme des DAV, NZG 2001, 420, 425; Liebscher, ZIP 2001, 853, 862, Hirte, WpÜG-Materialien, S. 1, 18; Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 16. 644 § 18 I, siehe dazu Busch, AG 2002, 145; Land, DB 2001, 1707, 1711; Liebscher, ZIP 2001, 853, 861; Riehmer/Schröder, BB 2001, Beilage 5 zu Heft 20, S. 6; Theater/Barth, NZG 2001, 545, 548.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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sind auch Bedingungen, die das Angebot von noch ausstehenden kartellrechtlichen oder sonstigen behördlichen Genehmigungen, von der Nichtabgabe von konkurrierenden Angeboten oder dem unveränderten Fortbestand der Vermögens- und Ertragslage der Zielgesellschaft abhängig machen646. Ausdrücklich erwähnt ist im WpÜG die Aufnahme der Bedingung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung des Bieters647. c) Diskussion einzelner Regelungen aa) Vom Bieter ausschließlich selbst herbeigeführter Bedingungseintritt Vom Bedingungsverbot des § 18 I werden nur solche Bedingungen erfasst, deren Eintritt „einzig und allein648“ von einem Verhalten des Bieters oder des ihm zuzurechnenden Personenkreises abhängt. Damit bleibt die Vorschrift lückenhaft und schafft Raum für Umgehungsmöglichkeiten649, falls nämlich der Eintritt einer Bedingung sowohl vom Verhalten des Bieters als auch von der Mitwirkungshandlung anderer Personen oder Stellen bzw. dem Eintritt eines äußeren Ereignisses abhängt. Auf der Grundlage von § 18 I kann die Aufnahme solch kumulativer Bedingungen in die Angebotsunterlage nicht untersagt werden650. Dem Bieter steht es in diesen Fällen offen, seinen Beitrag zur Bedingungserfüllung nicht zu leisten, um sich einen Spielraum für die Verbindlichkeit des Angebots zu schaffen. Als Beispiel kann eine mit Auflagen behaftete Genehmigung der Kartellbehörde dienen, welche dem Bieter den Zusammenschluss im Wege eines Übernahmeangebots nur gestattet, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt651 oder von der Preisgabe bestimmter In645 Die Aufnahme einer solchen Bedingung ist in der Praxis durchaus üblich, wenn der Bieter beispielsweise ein Hauptversammlungsmehrheit von 75% sicherstellen will, um Sperrminoritäten zu verhindern oder wenn er die 95%-Schwelle überschreiten will, um sich die Möglichkeit zum squeeze-out zu eröffnen, vgl. Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 18 Rn. 5. 646 Begründung WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 47; Riehmer/Schröder, BB 2001, Beilage 5 zu Heft 20, S. 6; Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1751; Liebscher, ZIP 2001, 853, 862; Katalog einzelner Bedingungen bei Geibel in Geibel/ Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 20 ff. 647 § 25. 648 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 15. 649 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 16. 650 Für eine erweiternde Auslegung des § 18 I im Falle von Bedingungen, deren Eintritt der Bieter vollständig kontrollieren bzw. in der Hand haben, Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 17. 651 Für die Zulässigkeit einer solchen Bedingung nach gegenwärtiger Gesetzeslage Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, Rn. 18, 26 f.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

formationen durch den Bieter abhängig macht. Nach geltender Gesetzeslage bleibt in diesen Fällen bei willkürlicher Bedingungsvereitelung nur ein Rückgriff auf § 162 BGB, wobei allerdings zu beachten ist, dass dieser nur im Rahmen der Privatautonomie gilt und sich mit dessen Hilfe beispielsweise behördliche Genehmigungen oder die Börsenzulassung, zu deren Erteilung der Bieter ebenfalls beitragen müsste, nicht fingieren lassen652. § 162 BGB greift aber zumindest in Bezug auf den schuldrechtlichen Kaufoder Tauschvertrag des Bieters mit den Angebotsadressaten ein. Diesem Vertrag liegt jedenfalls die implizite Verpflichtung des Bieters zugrunde, alles zu tun, um den Bedingungseintritt herbeizuführen653. Verletzt der Bieter schuldhaft diese Pflicht, kann er von den Angebotsadressaten auf Erfüllung bzw. auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden654. Nicht entschädigt werden kann danach allerdings die Zielgesellschaft selbst, die durch den Bieter in ihrer Geschäftstätigkeit erheblich behindert wurde. Sie wurde nicht unmittelbare Vertragspartnerin des Bieters. Allein die drohende Schadensersatzpflicht gegenüber den Aktionären könnte den Bieter motivieren, für die Realisierung des Übernahmevorhabens alles seinerseits erforderliche zu tun. Mittelbar kommt dies auch der Zielgesellschaft zugute. Ob der Bieter aber alles seinerseits erforderliche für den Bedingungseintritt getan oder aber diesen schuldhaft vereitelt hat, bleibt für die ordentlichen Gerichte schwerlich nachprüfbar und angreifbar. Um bei Übernahmeverfahren ein erhöhtes Maß an Flexibilität und Durchsetzungskraft zu erreichen, könnte der Aufsichtsbehörde hier die ausdrückliche Befugnis eingeräumt werden, die Aufnahme sogenannter kumulativer Bedingungen – das heißt Bedingungen, deren Eintritt zumindest auch von der Mitwirkung des Bieters abhängig sind – zu überprüfen, gegebenenfalls als unzulässig abzulehnen und ansonsten die Gründe für deren Eintritt bzw. Ausbleiben zu kontrollieren. Augenblicklich kann die BAFin allein im Wege der allgemeinen Missstandaufsicht gem. § 4 III gegen derartig missbräuchliches Verhalten des Bieters vorgehen. Da in diesem Zuständigkeitsbereich auf Grund der Weite der Generalklausel augenblicklich noch Zurückhaltung der BAFin zu vermerken ist, könnte die explizite Zuweisung der Überwachung solcher Bedingungen an die Aufsichtsbehörde, die Effektivität derselben erhöhen. Beispielsweise ist es ausdrücklich Aufgabe des Panels im britischen Recht unter bestimmten Umständen zwar ein gewisses Maß an Subjektivität der Bedingung zu akzeptieren, wenn es nicht praktikabel ist alle Faktoren auf652

Busch, AG 2002, 145, 146. BGHZ 67, 34, 35; Palandt/Heinrichs, 2003, § 242 Rn. 33; Krause in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 18Rn. 26; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 16; Busch AG 2002, 145, 146. 654 Geibel, in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 16; Busch, AG 2002, 145, 146. 653

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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zuzählen, von denen die Erfüllung einer bestimmten Bedingung abhängen könnte655. Ausdrücklich erwähnt werden hier öffentlich-rechtliche Genehmigungen, deren Vergabe von der Erfüllung bestimmter Auflagen durch den Bieter abhängig gemacht wird. Allerdings wird dem Bieter sogleich untersagt, durch Berufung auf derartige Bedingungen das Übernahmeangebot zum Scheitern zu bringen, wenn nicht die jeweiligen Umstände für den Bieter von entscheidender Bedeutung sind656. Überwacht wird die korrekte Vorgehensweise der Beteiligten in diesem Bereich vom Panel. bb) Ausschluss des Finanzierungsvorbehalts Aus § 13 I, der die Sicherstellung der Finanzierung vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage fordert, folgt indirekt, dass das Übernahmeangebot nicht unter dem Vorbehalt einer noch zu organisierenden Finanzierung abgegeben werden darf657. Dies könnte die Durchführbarkeit größerer Transaktionen erheblich erschweren. Ein Übernahmeverfahren kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Fraglich ist, wie bei Verfahren bedeutender Größenordnung die Finanzierung über einen solch langen Zeitraum hinweg sichergestellt werden kann. Hinzu kommt, dass sich gem. § 13 I ein Finanzdienstleister finden muss, der über diesen Zeitraum die Finanzierung unter Übernahme der unbegrenzten Eigenhaftung bestätigt658. Allerdings kann die Finanzierungszusage des Wertpapierdienstleisters im Sinne von § 13 I 2 unter solchen Vorbehalten stehen, wie sie auch als Bedingungen gem. § 18 I zulässig wären659. Beispielsweise wäre eine Finanzierungszusage unter Vorbehalt keiner wesentlich nachteiligen Änderungen im Zielunternehmen zulässig660. Der entsprechende Vorbehalt ist dann in das Übernahmeangebot zu transferieren. Für den Wertpapierdienstleister bedeutet dies eine gewisse Absicherung vor unkalkulierbaren Risiken, für den Bieter folglich eine Erleichterung bei der Beschaffung einer Finanzie655 Insbesondere Rule 13 Note 1; siehe allgemein zu Rule 13 „subjective conditions“ Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4074, Rn. 4-4020; Stedman, Takeovers, 1993, S. 217 ff.; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 794. 656 Rule 13 note 2, „. . . unless the circumstances are of material significance to the offeror in the context of the offer.“ 657 Hirte, WpÜG-Materialien, S. 1, 18; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 18 Rn. 3; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 18 Rn. 35; Krause in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 18 Rn. 67. 658 Busch, AG 2002, 145, 147; Theater/Barth, NZG 2001, 545, 548. 659 Busch, AG 2002, 145, 147. 660 So genannte „Material-Adverse-Change-Klausel“ oder „Force-Majeur-Klausel“, vgl. dazu Busch, AG 2002, 145, 147, 150 und Oechsler in Ehricke u. a., 2003, § 18 Rn. 6.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

rungsbestätigung. Im Interesse der Zielgesellschaft, nicht durch ein am Ende unrealisierbares Übernahmeverfahren beeinträchtigt zu werden, ist die Auflage der sicher zu stellenden Finanzierung daher gerechtfertigt. cc) Bedingung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (1) Veröffentlichung der Angebotsabsicht ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung Auch wenn ein erforderlicher Beschluss der Gesellschafterversammlung noch nicht vorliegt, ist der Bieter gem. § 10 I S. 2 verpflichtet, seine Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots zu veröffentlichen. Für die Entscheidungsfindung kommt es folglich nicht auf die Gesellschafterversammlung an, sondern auf die Willensbildung der Unternehmensführung. Genauer gesagt, kommt es auf die Zustimmung des Aufsichtsrats und nicht bloß des Vorstandes an, wenn eine solche aus gesellschaftsrechtlichen Gründen erforderlich ist661. Es soll verhindert werden, dass während der langwierigen Vorbereitung der Gesellschafterversammlung und mit Veröffentlichung der Tagesordnungspunkte Gerüchte und Spekulationen über ein bevorstehendes Übernahmeangebot aufkommen und die Stabilität der Börsenkurse gefährdet sein könnte662. Deshalb gestattet § 25 dem Bieter ausdrücklich, das Übernahmeangebot vom Beschluss der Gesellschafterversammlung abhängig zu machen. Dasselbe gilt nach dem City Code. Der Bieter ist hier zur Veröffentlichung seiner festen Angebotsabsicht verpflichtet663, auch wenn die Gesellschafterversammlung noch nicht zugestimmt haben sollte. Die Aufnahme einer solchen Zustimmungsbedingung ist auch in dieser Rechtsordnung gestattet664. Es ist zu begrüßen, dass die Veröffentlichung der Angebotsabsicht unabhängig von der Entscheidung der Gesellschafterversammlung vollzogen werden soll. Konsequent ist insoweit, die Bedingung der Zustimmung derselben zuzulassen. Hierdurch könnten jedoch Missbrauchsmöglichkeiten für den Bieter eröffnet werden, denen entgegen zu wirken ist. 661

Siehe Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 39; dazu Liebscher, ZIP 2001, 853, 860; Krause, NJW 2002, 705, 707; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 53, 56; Ekkenga/Hofschroer DStR 2002, 724, 727; Geibel in Geibel/ Süßmann, WpÜG, 2002, § 10 Rn. 12; Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 10 Rn. 24 f. 662 Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 10 Rn. 23. 663 Rule 2.5: Announcement of a firm intention to make an offer. 664 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4075 f.; Rn. 4-4024; Schröder in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002 § 25 Rn. 4.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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(2) Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Kapitalerhöhung Zunächst weisen Kritiker darauf hin, dass auf diese Weise die Finanzierungsverantwortung des Bieters aufgeweicht werden könnte665. Der Bieter könnte nämlich die Durchführung eines Tauschangebots von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung des Bieters zur Kapitalerhöhung abhängig macht666. Allerdings würde dieses Vorgehen im Widerspruch zu den Wertungen von § 13 I stehen. Die Norm zielt darauf ab, bei Angebotsabgabe Unsicherheiten für die Beteiligten hinsichtlich der Finanzierung zu beseitigen. Im Falle eines Tauschangebots muss der Bieter bei Abgabe desselben über ein ausreichendes, noch nicht genutztes, genehmigtes Kapital verfügen, das zur Ausgabe der als Gegenleistung gewährten neuen Aktien genutzt werden kann. Ist dies nicht der Fall, so muss der Bieter vor Angebotsabgabe einen Hauptversammlungsbeschluss zur erforderlichen Kapitalerhöhung herbeiführen667. Nicht ausreichend sind Vorbereitungshandlungen des Bieters zur Durchführung dieser Hauptversammlung. Der Wortlaut des § 13 I verlangt die sicher gestellte Finanzierung des Übernahmeangebots und nicht die Vorbereitung einer eventuellen Sicherstellung. „Sicher gestellt“ im Sinne des § 13 I ist die Finanzierung auch dann nicht, wenn der Vorstand der Bietergesellschaft die Zustimmung seiner wichtigsten Aktionäre zu der Kapitalerhöhung im Vorfeld der Hauptversammlung einholt668. Weder übernahmerechtlich noch insiderrechtlich kann es erwünscht sein, dass ein kleiner Aktionärskreis von den Übernahmeplänen frühzeitig erfährt. Dies wäre ein fundamentaler Verstoß gegen den (aktienrechtlichen) Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 53 a AktG und würde Insiderhandlungen stark begünstigen. Dass es im Sinne des Gesetzgebers ist, die Sicherstellung der Finanzierung vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage herbeizuführen, belegt auch schon die Vorschrift des § 14 I S. 3, wonach eine Fristverlängerung von bis zu vier Wochen für die Erstellung der Angebotsunterlage zugelas665

Oechsler, NZG 2001, 817, 821; Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1751; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 36, § 13 Rn. 5. 666 Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 18 Rn. 37; Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 65; jedoch mit Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Verhältnisses zu § 13 I; Riehmer in Haarmann u. a., 2002, §10 Rn. 23; auch Oechsler, NZG 2001, 817, 821 hält nach gegenwärtiger Rechtslage diese Form der Bedingung für möglich, allerdings für problematisch. 667 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 13 Rn. 5; § 18 Rn. 36. 668 So aber Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 65.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

sen wird, wenn die Finanzierung des Übernahmeangebots noch durch eine erforderliche Kapitalmaßnahme sichergestellt werden muss. Daraus lässt sich nämlich der Schluss ziehen, dass auch im Falle von Tauschangeboten die Finanzierung vor Angebotsabgabe sicher zu stellen und ein Finanzierungsvorbehalt unzulässig ist669. Der in § 25 angesprochene Beschluss der Gesellschafterversammlung bezieht sich danach lediglich auf die Frage der Durchführung des Übernahmeangebots, nicht auf die Methoden der Finanzierung desselben. § 13 ist insofern als die gegenüber § 25 speziellere Regel zu verstehen. Eine klärende Formulierung des Gesetzgebers im Rahmen des § 25 bleibt hier aber wünschenswert. (3) Umgehungsmöglichkeit der Bindungswirkung des Übernahmeangebots Des Weiteren könnte sich der Bieter durch Aufnahme einer Zustimmungsbedingung der Gesellschafterversammlung eine Rücktrittsmöglichkeit vom Übernahmeangebot offen halten, wenn das Management der Bietergesellschaft im Einvernehmen mit dem Mehrheitsgesellschafter handelt670. Ist die Durchführung des Übernahmeangebots nicht länger ökonomisch sinnvoll, könnte dieser Mehrheitsgesellschafter schlicht seine Zustimmung verweigern. Noch deutlicher wird der Missbrauch, wenn der Mehrheitsgesellschafter als eigentlicher Interessent das Angebot durch ein zu 100% von ihm kontrolliertes Tochterunternehmen abgeben lässt671. Das WpÜG versucht diese Missbrauchstaktik dadurch zu entschärfen, dass gem. § 25 der Beschluss der Gesellschafterversammlung unverzüglich, spätestens bis zum 5. Werktag vor Ablauf der Annahmefrist herbeizuführen ist. § 28 DiskE-WpÜG sah für die Herbeiführung des Gesellschafterbeschlusses noch eine Frist von zwei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist vor. Damit sollte der rasche Vollzug von Übernahmeverfahren gewähr669 Offensichtlich geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass der notwendige Kapitalerhöhungsbeschluss bereits vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage herbeigeführt wurde, siehe Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 67; zustimmend Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 36. 670 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 48; Liebscher, ZIP 2001, 853, 862; Stellungnahme des DAV NZG 2001, 420, 425; Geibel in Geibel/ Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 18; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 18 Rn. 30. 671 Siehe Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 18; Land, DB 2001, 1707, 1711; Oechsler, NZG 2001, 817, 821; ders. in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 18 Rn. 10; Stellungnahme des Handelsrechtsausschußes des DAV, NZG 2001, 420, 425; Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1751.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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leistet werden672. Die Problematik der missbräuchlichen Verwendung dieser Bedingung wurde hier noch nicht erkannt. Dagegen ist gem. § 25 nun gewährleistet, dass die außenstehende Wertpapierinhaber rechtzeitig vor Ablauf der Annahmefrist über den Eintritt der Bedingung informiert sind und ihre Entscheidung darauf stützen können. Dem Bieter ist es nicht länger möglich, den Ablauf der Annahmefrist abzuwarten, das Ergebnis des Angebots für sich zu bewerten und sich im Anschluss gegebenenfalls missbräuchlich mit Hilfe der Gesellschafterversammlung von dem Angebot zu lösen. Die Gefahr der Festlegung eines versteckten Rücktrittsrechts ist aber dennoch nicht restlos beseitigt, da dieses noch immer vor Ablauf dieser 5-Tage-Frist ausgeübt werden könnte673. Es wird argumentiert, die missbräuchliche Verwendung dieser Bedingung sei schon gem. § 18 I selbst ausgeschlossen. Die Herbeiführung der Zustimmung in solchen Fällen sei bloße Formsache und der Eintritt der Bedingung im Sinne des § 18 I wäre letztlich vom Bieter „ausschließlich selbst herbeizuführen“. § 18 I sei sinn- und zweckgemäß auszulegen und auf diese Fälle als Verbotsnorm anzuwenden674. Diese Auslegung aber widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 18 I, der mit dem Verweis auf § 25 ausdrücklich die Zulässigkeit einer Bedingung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung festlegt. Fälle solch enger Kooperation zwischen Management und Mehrheitsgesellschafter der Bietergesellschaft, dass tatsächlich von einem „ausschließlich selbständigen Herbeiführen des Bedingungseintritts“ gesprochen werden kann, sind in der Praxis nur schwerlich nachzuweisen. Vorzugswürdig erscheint es daher, diese Fälle anhand der allgemeinen zivilrechtlichen Instrumente für vertragsschädigendes Verhalten zu lösen. Auf Grundlage von § 162 BGB wäre eine entsprechende Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu fingieren675 oder der Bieter könnte nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen dazu verpflichtet werden, alles seinerseits mögliche zu unternehmen, um den Bedingungseintritt herbeizuführen, wenn er nicht schadensersatzpflichtig werden wollte. Übernahmerechtlich könnte das missbräuchliche Vorgehen des Bieters unterbunden werden, indem das Bundesaufsichtsamt dieses im Wege der allgemeinen Missstandsaufsicht (§ 4 I 3) angreift676. Es könnte folglich eine Bedingung der Zu672

Begründung DiskE-WpÜG, Besonderer Teil, S. 134. Liebscher, ZIP 2001, 853, 862. 674 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 18. 675 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 18 Rn. 10; Wackerbarth in MKWpÜG, 2004, § 25 Rn. 7; siehe zur mißbräuchlichen Vereitelung des Bedingungseintritts schon oben S. 157 f., Busch, AG 2002, 145, 147; nicht überzeugend insofern die Gegenmeinung Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1751. 676 Begründung, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 48; siehe zur allgemeinen Missstandsaufsicht oben S. 79. 673

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5. Teil: Die Bieterpflichten

stimmung der Gesellschafterversammlung dann für ungültig erklären oder deren Aufnahme ins Angebotsdokument untersagen, wenn diese offensichtlich die Umgehung der Verbindlichkeit des Übernahmeangebots bezweckt. (4) Zustimmungsbedingung nur in gesetzlich zwingenden Fällen Um die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung dieser Bedingung zu minimieren, sollte der Gesetzgeber zusätzlich sicher stellen, dass der Bieter nur dann die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Bedingung machen darf, wenn diese gesellschaftsrechtlich zwingend erforderlich ist677. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich schließen, dass dies bereits die eigentliche Absicht des Gesetzgebers war678. Der Wortlaut des § 25 ist insofern jedoch nachzubessern679. Nur wenn der Vorstand gemäß der Grundsätze der Holzmüller680- und ihr nachfolgend der Gelatine-Entscheidung681 zur Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung verpflichtet ist oder aber wenn die Gesellschaftsverfassung eine solche Zustimmung ausdrücklich vorsieht, wäre eine entsprechend aufgenommene Angebotsbedingung zulässig. Der BGH hat in seiner Gelatine-Entscheidung die Kriterien einer Zustimmungspflicht der Hauptversammlung, die bereits durch die Holzmüller-Entscheidung entwickelt wurden, nochmals deutlich konkretisiert. Offen gelassen hat der BGH hier zwar noch immer, ob der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen überhaupt unter diese Grundsätze fällt682. Klargestellt wurde aber, dass eine Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands „nur in engen Grenzen“ in Betracht kommt, wenn nämlich 677

Zustimmend Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 18 Rn. 11; Krause in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 18 Rn. 60; Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1751; a. A. Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 18 Rn. 30 f. 678 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs 14/7034, S. 27, 51; zu § 25: „. . . Ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung des Bieters zu dem Angebot erforderlich, wird dieser somit die Rechtswirkung seines Angebots von einer Entscheidung seiner Gesellschafterversammlung abhängig machen . . .“. 679 Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 55 kommt bereits nach geltender Gesetzeslage mit Hilfe einer teleologischen Auslegung zu diesem Ergebnis. 680 Holzmüller-Entscheidung, BGHZ 83, 122. 681 Gelatine-Entscheidung, BGH vom 26.04.2004 – II ZR 155/02, NZG 2004, 571, 575 = AG 2004, 384. 682 Verneinend jetzt aber Götze, NZG 2004, 585, 588 und schon nach Holzmüller Renner, NZG 2002, 1091 f.; Busch, AG 2002, 145, 148; Mertens in KK-AktG, 1996 § 76 AktG Rn. 51; Groß, AG 1994, 266, 271 ff.; Timm, ZIP 1993, 114, 117; Wollburg/Gehling in Festschrift Lieberknecht, 1997, S. 133, 152; zusammenfassend Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 10 Rn. 26; bejahend Lutter in Festschrift Stimpel, 1985, S. 825, 850 ff.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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eine „Quasi-Satzungsänderung“ vorliegt. Die Schwelle des Unternehmenswertes, der von der Vorstandsentscheidung betroffen ist, muss deutlich über 50% hinausgehen, vielmehr muss die Maßnahme in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung des Holzmüller-Falls erreichen683. Bekanntlich betraf die Holzmüller-Ausgliederung 80% des Gesellschaftsvermögens. Nur wenn also ein Übernahmeangebot deutlich mehr als 50% des Unternehmenswertes des Bieters umfasst, also sich eher in einer Größenordnung von 80% des Unternehmenswertes bewegt, könnte von einer strukturverändernden Maßnahme im Sinne von Holzmüller/Gelatine ausgegangen werden und ein Vorbehalt der Hauptversammlungszustimmung gerechtfertigt sein684. Um letzte Unsicherheiten zu vermeiden, sollte ein zwingendes Zustimmungserfordernis der BAFin im WpÜG aufgenommen werden, falls der Bieter die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Angebotsbedingung machen will685. Die BAFin könnte so die aktienrechtliche Notwendigkeit der Zustimmung der Hauptversammlung zu den Übernahmeabsichten und folglich die Zulässigkeit der Aufnahme einer entsprechenden Bedingung überprüfen. Für den Großteil der Fälle könnte auf diesem Wege das Risiko des Missbrauchs eines solchen Zustimmungsvorbehalts ausgeschlossen werden. dd) Bedingung zu unterlassender Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft Dem Bieter ist es gestattet, sein Angebot davon abhängig zu machen, dass während des laufenden Übernahmeverfahrens keine Änderungen bei der Zielgesellschaft herbeigeführt werden, wie zum Beispiel der Verkauf für den Bieter interessanter Unternehmensbestandteile686. Gem. § 33 ist der Vorstand in bestimmten Grenzen ermächtigt, den Erfolg von Übernahmeangeboten zu verhindern, sofern ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss vorliegt. Der Bieter hat im deutschen Recht also mit Abwehrmaßnahmen gegen sein Übernahmeangebot zu rechnen. Demzufolge könnte sich beispielsweise die Vermögensposition der Zielgesellschaft verändern oder durch Kapitalerhöhung könnte der Bieter gezwungen sein für einen 683

So wörtlich der BGH NZG 2004, 571, 574 und 575, 579. Die Ergebnisse der Gelatine-Entscheidung resümieren Götze, NZG 2004, 585; Fuhrmann, AG 2004, 339; Liebscher, ZGR 2005, 1. 685 Stellungnahme DAV, NZG 2001, 420, 425. 686 So genannte „Crown Jewel Strategie“; Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 47 f.; Liebscher, ZIP 2001, 853, 862; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 18 Rn. 7. 684

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Mehrheitsgewinn deutlich mehr Aktien erwerben zu müssen, als ursprünglich geplant. Schon um die Finanzierung sicherstellen zu können, wozu er gem. § 13 I verpflichtet ist, muss ihm eine entsprechende Bedingungsaufnahme gestattet sein687. Auch ist es den Aktionären zuzumuten, dass sich der Bieter unter diesen Umständen vom Angebot lösen kann. Die Handlungen des Vorstands wurden von der Hauptversammlung genehmigt und fallen in die Sphäre der Zielgesellschaft. Die Gesamtheit der Aktionäre muss folglich die Konsequenzen daraus tragen und auf die Chance zur Veräußerung ihrer Anteile im Wege des Übernahmeangebots verzichten688. Es wird gefordert, die Ausgestaltung der Bedingung einem objektiven Maßstab zu unterwerfen. Es hat nicht im Ermessen des Bieters zu stehen, ob ein bestimmtes Verhalten des Managements der Zielgesellschaft als Abwehrmaßnahme zu qualifizieren ist, die den Bedingungseintritt auslöst689. Ansonsten würde wiederum das unerwünschte Ergebnis erzielt, dass der Bedingungseintritt ausschließlich vom Bieter abhängig wäre. Es ist daher nötig, dass der Bieter das bedingungsauslösende Verhalten möglichst genau und objektiv feststellbar qualifiziert. Er muss konkret angeben, welche Veränderungen der Zielgesellschaft auf Grund bestimmter Vorstandshandlungen ihn zum Rückzug des Übernahmeangebots veranlassen könnten. Dies folgt bereits aus dem für Übernahmeverfahren gültigen Transparenzgebot, dass für die Beteiligten vorhersehbar sein muss, unter welchen Umständen das Angebot scheitern könnte. ee) Material-Adverse-Change Klausel In eine ähnliche Richtung zielen die so genannten Material-AdverseChange Klauseln, die den Bieter vor wesentlich nachteiligen Änderungen in der Zielgesellschaft während eines bestimmten Zeitraums schützen sollen690. Verbreitet sind diese vor allem im anglo-amerikanischen Rechtsraum691. Ein anschauliches Beispiel liefert das Übernahmeangebot in Großbritannien von WPP group plc für die Tempus group plc, welches eine solche Klausel enthielt692. Im Zuge des Terroranschlags vom 11.01.2001 be687

So auch Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 49. Busch, AG 2002, 145, 149. 689 So Riehmer/Schröder, BB 2001, Beilage 5 zu Heft 20, S. 6; Busch, AG 2002, 145, 149 f. 690 Auch Force-Majeure Klausel genannt, siehe dazu Busch, AG 2002, 145, 150; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 18 Rn. 6; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 18 Rn. 51; Krause in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 18 Rn. 88. 691 Hill, Butterworths Corporate Law Service, Corporate Transactions, Rn. 7.86; Busch, AG 2002, 145, 150 mit Beispielen; Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 42. 688

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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rief sich WRP auf bei Tempus eingetretene wesentliche Veränderungen der Zukunftsaussichten. Bei der Zulässigkeit dieser Klauseln geht es vor allem um die Frage des Gefahrenübergangs bzw. ab welchem Zeitpunkt der Bieter das Zufallsrisiko plötzlicher Verschlechterungen zu tragen hat und ob dies wirksamer Vertragsbestandteil werden kann. Erstens dürfen, um Sinn und Zweck von § 18 I nicht zu gefährden, die Material-Adverse-Change Klauseln nicht vom subjektiven Ermessen des Bieters abhängig sein. Insofern gelten dieselben Überlegungen wie bei der Zulässigkeit von Bedingung der unterlassenen Abwehrmaßnahmen. Die Bedingung ist möglichst spezifisch und objektiv feststellbar zu formulieren, um möglichst keinen Ermessensspielraum des Bieters zu eröffnen693. Zweitens ist die übernahmerechtliche Zielsetzung zu beachten, dass ein Übernahmeangebot grundsätzlich verbindlich sein sollte und eine unnötige Belastung der Zielgesellschaft zu vermeiden ist. Im Rahmen von Material-Adverse-Change Klauseln ist daher eine nachteilige Änderung von wesentlichem Gewicht und von längerfristiger Natur zu fordern694. Zwar ist dem Bieter zuzugestehen, das Risiko zufälliger Verschlechterung der Situation der Zielgesellschaft auf die Aktionäre abzuwälzen. Es muss ihm dann jedoch zumindest eine Erheblichkeitsgrenze gesetzt werden, um leichtfertige Aufgaben von Vorhaben, welche zu beträchtlicher Behinderung der Zielgesellschaft führten, zu unterbinden. Dieselbe Wertung kann in allgemeinerer Form im City Code in Rule 13 Note 2 gefunden werden, wonach es dem Bieter nicht gestattet ist, sich auf jede Bedingung zu berufen, die das Angebot zum Scheitern bringen könnte, sondern ihm dies nur dann erlaubt ist, wenn die Umstände von „entscheidender Bedeutung“ für ihn sind695. In Großbritannien wird die Zulässigkeit der jeweiligen Bedingung bzw. die Ansiedlung der Erheblichkeitsschwelle an den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemessen696. Diese Sichtweise könnte aber zu 692 Die Bedingung lautete, dass „. . . no material adverse change of deterioration having occurred in the business, assets, financial or trading position of profits of prospects of any member of the wider Tempus Group.“ Siehe Panel Statement vom 6.11.2001; abzurufen unter www.thetakeoverpanel.org.uk, statement, 2001/15; vgl. auch Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 44 m. w. N. 693 Busch, AG 2002, 145, 151; Hasselbach, KK-WpÜG; 2003, § 18 Rn. 42. 694 Busch, AG 2002, 145, 151; der Panel forderte im Fall von WPP in der schriftlichen Begründung der Entscheidung vom 6.11.2001 „. . . an adverse change of very considerable significance striking at the heart of the purpose of the transaction“. 695 Rule 13 note 2, „. . . unless the circumstances are of material significance to the offeror in the context of the offer.“ 696 So formuliert der Panel im Fall von WPP, dass ein Rückzug vom Übernahmeangebot etwas verlangt: „. . . analogous to something that would justify frustration of legal contract . . .“.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

streng sein697. Die Material-Adverse-Change Klauseln sollen dem Bieter gerade die Möglichkeit eröffnen, seine subjektive Erheblichkeitsschwelle zu definieren698. Die Wesentlichkeitsgrenze im Rahmen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wird deshalb so hoch angesiedelt, weil der Vertragspartner vor einer überraschenden Lösung des Vertrags bewahrt werden soll. Der Vertragspartner ist über die Beweggründe und Anreize seines Gegenüber bei Vertragsschluss nicht informiert. Wenn bestimmte subjektive Erwartungen einer Partei nicht Vertragsbestandteil geworden sind, soll es einer erschwerten Rechtfertigung in Form einer erhöhten Wesentlichkeitsgrenze bedürfen, um sich vom Vertrag zu lösen. Werden Material-Adverse-Change Klauseln formuliert, so sind die Vertragspartner aber gerade über die Faktoren informiert, die für den Bieter subjektiv entscheidend sind, um das Angebot durchzuführen. Im Falle der Störung eines dieser Faktoren, käme eine Loslösung des Bieters für diese also nicht im selben Maße überraschend. Die Transparenz des Übernahmeverfahrens bliebe gewahrt. Bei der Formulierung von Material-Adverse-Change Klauseln muss zwar eine Erheblichkeitsschwelle einbezogen werden. Diese ist jedoch nicht mit der Wesentlichkeitsschwelle nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gleichzusetzen699. Vielmehr können subjektiv entscheidungserhebliche Faktoren hier verstärkt eine Rolle spielen. ff) Zeitpunkt des Bedingungseintritts Wünschenswert wäre es, wenn der Bedingungseintritt noch vor Ablauf der Annahmefrist feststehen würde, um den Aktionären eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die Annahme des Übernahmeangebots zu bieten. Unter dem Gesichtspunkt einer raschen Verfahrensdurchführung (§ 3 IV 1) sollte dieser spätestens bis zum Ablauf der Annahmefrist feststehen700. Problematisch ist dies insbesondere im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Genehmigungen. Übernahme- und kartellrechtlicher Fristenlauf sind nicht aufeinander abgestimmt. Während das Übernahmeverfahren einem sehr straffen Zeitrah697 Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 18 Rn. 44 fordert, dass die Verschlechterung einem Fall der Störung der Geschäftsgrundlage zumindest „nahe kommt“. 698 Kritisch zum britischen Verständnis, das einen Fall ähnlich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage fordert, um den Wegfall des Angebots zu rechtfertigen, auch Busch, AG 2002, 145, 151. 699 Busch, AG 2002, 145, 151 schlägt vor, sich bei der Formulierung der Angebotsbedingung an der zum Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelten Kasuistik zu orientieren, diese aber nicht deckungsgleich zu übernehmen. 700 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 18 Rn. 39 ff.; Hasselbach, KKWpÜG, 2003, § 18 Rn. 68.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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men unterworfen ist, der mit Veröffentlichung der Angebotsabsicht zu laufen beginnt, kann sich ein fusionskontrollrechtliches Hauptverfahren über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten (§40 II GWB) oder 90 bzw. 105 Arbeitstagen (Art. 10 III Fusionskontrollverordnung)701 erstrecken. Die Ungewissheit über die kartellbehördliche Entscheidung wird sich also im Großteil der Fälle über das Ende der Angebotsfrist hinaus ausdehnen702. Der Fortdauer dieses Schwebezustands sollten gewisse äußerer Grenzen gesetzt werden. So verlangt der City Code gem. Rule 31.7, dass spätestes am 81. Tag nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage alle Bedingungen des Übernahmeangebots erfüllt sein müssen. Ist bis zu diesem absoluten Zeitpunkt eine bestimmte Bedingung nicht erfüllt, so soll dies zu Lasten des Bieters gehen, selbst wenn er die Verzögerung des Bedingungseintritts nicht zu vertreten hat. Das Bedürfnis der Zielgesellschaft an einer nicht unangemessen lang dauernden Beeinträchtigung legt eine solche maximale Frist für den Bedingungseintritt bzw. -wegfall nahe. Ab einem bestimmten Zeitpunkt hat der Bieter allein das Risiko des verspäteten Bedingungseintritts zu tragen. Entschärft werden könnte diese strenge Regelung, indem der BAFin ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, wonach sie diese Maximalfrist im Einzelfall verlängern kann, wenn also eine Entscheidung der Kartellbehörde unmittelbar bevor steht etc. Eine dem britischen Recht vergleichbare Maximalfrist sollte deshalb auch im deutschen Recht eingeführt werden, um die Zielgesellschaft nicht einer unabsehbaren Belagerung durch den Bieter auszusetzen. 2. Obligatorische Mindesterwerbsschwellen a) Problem der Zulässigkeit unbedingter Übernahmeangebote Ein Übernahmeangebot ist von einem bloßen Erwerbsangebot zu unterscheiden. § 29 I definiert das Übernahmeangebot als ein Angebot, das auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet ist. Auch der Kontrollbegriff wird in § 29 II legal definiert als das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft703. Ob der Bieter aber mittels dieses Übernahmeangebots tatsächlich die Kontrollschwelle im konkreten Zielunternehmen 701 Je nach Größenordnung des Zusammenschlusses ist für seine Kontrolle die europäische Kommission gemäß Fusionskontrollverordnung VO 139/2004 vom 20.01.2004, ABlEG Nr. L 24/1 v. 29.01.2004 oder das Bundeskartellamt zuständig, siehe § 35 GWB. 702 Fleischer, NZG 2002, 545, 550; Diregger/Ulmer wbl 2002, 97, 103; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 18 Rn. 48 f. 703 Vgl. zu den unterschiedlichen Kontrollbegriffen oben S. 27.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

überschreitet, ist für die Durchführung desselben jedoch unerheblich. Der Bieter ist berechtigt, sein Übernahmeangebot auch dann durchzuführen, wenn er den Kontrollerwerb verfehlt. Nach gegenwärtiger deutscher Gesetzeslage ist ihm ein Beteiligungserwerb von jeglicher Größe im Wege eines Übernahmeangebots gestattet704. Freilich kann der Bieter freiwillig die Durchführung seines Übernahmeangebots vom Erwerb einer bestimmten Mindestbeteiligung im Zielunternehmen abhängig machen705. Hierzu ist er jedoch nicht verpflichtet. Im Folgenden sollen die Konsequenzen einer unbedingten Angebotsabgabe aufgezeigt werden: Nach Ablauf der Annahmefrist ist der Bieter gem. § 23 I Nr. 2 zur Veröffentlichung des Ergebnisses verpflichtet, das heißt, er muss die Anzahl sämtlicher ihm, den mit ihm gemeinsam handelnden Personen und deren Tochterunternehmen zustehenden Wertpapiere der Zielgesellschaft einschließlich der Höhe der jeweiligen Anteile und der ihm zuzurechnenden Stimmrechtsanteile, sowie die sich aus den ihm zugegangenen Annahmeerklärungen ergebende Anzahl der Wertpapiere und Höhe der Stimmrechtsanteile nennen. Die Aktionäre sollen sich ein Bild machen können, über welches Maß an Einfluss der Bieter nach Durchführung des Angebots in der Zielgesellschaft verfügen wird. Problematisch ist allerdings, dass dieses Ergebnis nicht notwendigerweise darüber Auskunft geben wird, ob der Bieter tatsächlich die effektive Kontrolle706 in der Zielgesellschaft erlangt hat. Ist das Ergebnis des Übernahmeangebots veröffentlicht, schreibt das WpÜG als Folgeschritt gem. § 16 II S. 1 vor, dass nach Veröffentlichung der aktuellen Beteiligungsquote des Bieters grundsätzlich eine weitere Annahmefrist von zwei Wochen zu laufen beginnt707, im Laufe derer sich die außenstehenden Aktionäre erneut zur Annahme des Angebots entscheiden können. 704 Süßmann, in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 5; a. A. Steinmeyer/ Häger, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 13 ff.; Santelmann, AG 2002, 497, 498. 705 Dies kann für den Bieter sinnvoll sein. Beispielsweise könnte er Mindesterwerbsschwellen von 95% (weil ihm hier der squeeze-out der Minderheit ermöglicht ist), von 75% (weil er eine Dreiviertelmehrheit für die Durchführung bestimmter Transaktionen benötigt), von 50% (weil er die absolute Mehrheit sichern will) oder auch weniger als 50% (je nachdem wo er im konkreten Übernehmen die Schwelle für den effektiven Kontrollübergang ansiedelt) in das Übernahmeangebot aufnehmen. 706 Denn allein auf die effektive Kontrolle, das heißt die faktische Möglichkeit die Geschäftspolitik des Zielunternehmens zu bestimmen, kommt es an. Vgl. zu den Kontrollbegriffen oben, S. 27. 707 Es sei denn der Bieter hat das Angebot von dem Erwerb eines Mindestanteils der Aktien abhängig gemacht und dieser Mindestanteil wurde nach Ablauf der Annahmefrist nicht erreicht (§ 16 II S. 2). Von dieser Konstellation wird hier aber gerade nicht ausgegangen.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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aa) Wirkungslosigkeit der Zaunkönigregel Die Gewährung einer weiteren Annahmefrist nach Ablauf des ursprünglichen Annahmeverfahrens und nach Veröffentlichung dessen Ergebnisses wird als Zaunkönigregel bezeichnet708. Bezweckt wird mit dieser Regelung die vollständige Beseitigung des Gefangenendilemmas709. De lege lata ist dies jedoch nicht gewährleistet710: Zwar legt der deutschen Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung die Annahme zugrunde, die weitere Annahmefrist des § 16 II werde nur gewährt, „sofern das Angebot erfolgreich ist“711. Erfolgreich ist ein Übernahmeangebot dann, wenn der Bieter zumindest die effektive Kontrolle im Zielunternehmen erlangt. Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass die Frage, ob das Übernahmeangebot erfolgreich war, nach Ablauf der ersten Annahmefrist beantwortet werden könnte. Würde diese Annahme des Gesetzgebers zutreffen, könnte die Eliminierung des Gefangenendilemmas in der Tat gelingen. Aktionäre, die dem Übernahmeangebot kritisch gegenüber stehen, könnten zunächst den Ablauf der ersten Annahmefrist abwarten. Nach Ablauf derselben würde feststehen, ob das Übernahmeangebot „erfolgreich“ war, ob also ein Kontrollwechsel statt finden wird. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist für die außenstehenden Aktionäre sicher gestellt, dass sie das Übernahmeangebot ablehnen können, ohne zu riskieren, deshalb in die unliebsame Position eines Minderheitsaktionärs zu geraten. Würde die Kontrollübernahme aber gelingen, so würden die bis dahin noch außenstehende Aktionäre darüber informiert und könnten auf dieser Grundlage erneut ihre Entscheidung treffen, ob sie im übernommenen Zielunternehmen als Minderheitsgesellschafter zurückbleiben oder dieses zu den ursprünglichen Konditionen des Übernahmeangebots verlassen wollen. Sie könnten diese Entscheidung auf einer sicheren Grundlage treffen. Auf diese Weise könnte das Koordinationsproblem der außenstehenden Aktionäre erfolgreich beseitigt werden. Tatsächlich entfaltet die Zaunkönigregel im deutschen Recht jedoch nicht diese gewünschte Wirkung. Der Gesetzgeber irrt in seiner Annahme, dass die weitere Annahmefrist nur einsetzt, falls das Angebot „erfolgreich“ ist. Die weitere Annahmefrist des § 16 II wird de lege lata nämlich in jedem 708

„Sitting on the fence“ siehe Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 404 FN 102; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 16 Rn. 1; Hasselbach in KK-WpÜG, 2003, § 16 Rn. 31; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 16 Rn. 8. 709 Seiler in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 16Rn. 29 f.; Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 16 Rn. 32; Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 16 Rn. 14 ff.; siehe zum Gefangenendilemma oben S. 38 ff. 710 A.A. Seiler in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 16 Rn. 30. 711 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 46; siehe dazu auch Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 16 Rn. 21 f.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Fall gewährt, es sei denn, der Bieter nimmt freiwillig eine Mindesterwerbsschwelle in sein Angebot auf. Der Grund für diese lückenhafte Regelung ist, dass die eindeutige Beantwortung der Frage, ob das Übernahmeangebot erfolgreich war, nach Ablauf der ersten Annahmefrist nicht in jedem Fall möglich ist. Der Bieter veröffentlicht nach Ablauf der ersten Annahmefrist eine bestimmte Beteiligungsquote. Diese könnte entweder den sicheren Kontrollerwerb des Bieters anzeigen712. In diesem Fall würde das zuvor beschriebene, vom Gesetzgeber entworfene Konzept aufgehen. Oder aber die veröffentlichte Beteiligungsquote könnte die sichere Verfehlung des Kontrollerwerbs widerspiegeln. Oder es könnte von dieser nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob sie dem Bieter die Kontrollmacht vermittelt. Grundsätzlich ist die Schwelle des effektiven Kontrollübergangs nicht exakt bestimmbar713. In den letzten beiden Fällen ist den außenstehenden Aktionären gerade keine sichere Entscheidungsgrundlage geboten. Bleiben sie bei ihrer Ablehnung des Angebots und gelingt der Kontrollwechsel, so geraten sie in der unliebsamen Rolle der Minderheitsaktionäre in der Zielgesellschaft. Nehmen sie das Angebot an, obwohl sie seine Konditionen für nicht angemessen halten, und verfehlt der Bieter den Kontrollerwerb, so haben sie entgegen ihrer Überzeugung und ohne zwingenden Grund die Zielgesellschaft verlassen. Besteht also nach Ablauf der ersten Annahmefrist noch immer Ungewissheit über den Kontrollwechsel, so bleibt der aus dem Gefangenendilemma resultierende Verkaufsdruck und die entsprechende Unsicherheit bezüglich der Entscheidungsfindung in dieser Phase unverändert bestehen. Die Gewährung einer weiteren Annahmefrist an dieser Stelle ist daher nicht geeignet das Gefangenendilemma zu beseitigen. Vielmehr setzt sich dieses während der weiteren Annahmefrist für die außenstehenden Aktionäre in unveränderter Form fort714. Es wird sogar in dieser Phase noch zusätzlich verschärft, weil während der weiteren Annahmefrist keine Veröffentlichungspflichten über den Stand der Angebotsannahmen vorgesehen sind715. Die Aktionäre werden sogar der Möglichkeit beraubt, mit Hilfe die712 Klarstes Beispiel ist der absolute Kontrollerwerb, d.h. mindestens 50% der Anteile, nach Ablauf der ersten Annahmefrist. Denkbar wäre ein sicherer Kontrollwechsel aber auch, wenn im konkreten Fall die effektive Kontrollschwelle versucht wurde zu ermitteln und diese vom Bieter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überschritten wurde. 713 Siehe dazu oben S. 27 f. 714 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 16 Rn. 33; Santelmann, AG 2002, 497, 499; Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 14; Hasselbach in KKWpÜG, 2003, § 16 Rn. 32; Möllers in KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 15; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 16 Rn. 22.

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ser Meldungen die Reaktion ihrer Mitaktionäre verfolgen zu können. Das Koordinationsproblem wird nicht einmal mehr abgemildert. Das Ziel des Gesetzgebers wird nach gegenwärtiger Rechtslage in einer Vielzahl der Fälle verfehlt, mit Hilfe der Zaunkönigregel das Gefangenendilemma der Aktionäre zu beseitigen. bb) Annahmefristverlängerung zu Nutzen des Bieters Nicht nur wird aber die angestrebte Wirkung der Zaunkönigregel verfehlt, das für die Aktionäre nachteilige Gefangenendilemma zu beseitigen. Vielmehr werden Sinn und Zweck der Zaunkönigregel sogar ins Gegenteil verkehrt, weil dem Bieter in Fällen, in denen der Kontrollerwerb entweder mit Sicherheit verfehlt wurde oder Unsicherheit über den Kontrollwechsel besteht, mittels § 16 II quasi eine zweite Chance eingeräumt wird, den Kontrollerwerb zu vollenden bzw. zu konsolidieren. Wie gezeigt, setzt sich während der weiteren Annahmefrist das Gefangenendilemma der Aktionäre fort, wenn nach Ablauf der ersten Annahmefrist nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob der Kontrollwechsel vollzogen wird. Die vom Gefangenendilemma unter Druck gesetzten Aktionäre werden daher auch während der weiteren Annahmefrist verstärkt zur Annahme des Angebots tendieren. Die Fristverlängerung nutzt allein dem Bieter, dessen Chancen vergrößert werden, den Kontrollerwerb zu vollenden. Die weitere Annahmefrist stellt sich nicht – wie ursprünglich geplant – als Anhang an das eigentliche Übernahmeverfahren dar, um den außenstehenden Aktionären eine letzte Chance zum Ausstieg zu gewähren. Vielmehr wird das eigentliche Annahmeverfahren schlicht um zwei Wochen ausgedehnt und dem Bieter wird ein verlängerter Zeitraum zugestanden, in welchem ihm Annahmeerklärungen der Aktionäre zugehen könnten. Dies ist umso bedenklicher als die Zielgesellschaft diese zusätzliche Zeitspanne der Belagerung hinnehmen muss, ohne dass hiermit den Schutzzwecken eines fairen und geordneten Übernahmeverfahrens gedient wäre. Stattdessen verlängert sich allein die Phase der Ungewissheit für alle Beteiligten. Die Zielgesellschaft muss eine verlängerte Beeinträchtigung ertragen, nur um die Chance des Bieters zum erfolgreichen Kontrollerwerb auszudehnen. Dieses Ergebnis steht im Konflikt mit dem Grundsatz, die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus zu beeinträchtigen (§ 3 IV). 715 § 23 I S. 1, Nr. 1 WpÜG, Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 16 Rn. 33; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 61; Hommelhoff/Witt in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 35 Rn. 56 FN 37; Santelmann AG 2002, 497, 499; kritisch auch Witt, NZG 2000, 809.

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cc) Fehlende Entscheidungsmacht der Aktionäre bezüglich des Kontrollwechsels Die Zulässigkeit unbedingter Übernahmeangebote führt dazu, dass für die Aktionäre nicht absehbar ist, welche Konsequenz ihre Annahmeentscheidung bezüglich der Kontrollsituation im Zielunternehmen hat. Der einzelne Aktionär entscheidet somit mit seiner Annahmeentscheidung nicht über die Zukunft des Zielunternehmens, sondern lediglich über die Form seiner individuellen Vermögensanlage. Die aktuelle Regelung bezüglich der Durchführung von freiwilligen Übernahmeangeboten trägt allein der Rolle des Anlegers als Investoraktionär Rechnung. Nicht angesprochen wird er in seiner Eigenschaft als Mitglied und Teilhaber der Zielgesellschaft, ob er einen Kontrollwechsel tatsächlich befürwortet. Zugrunde gelegt wird das Verständnis, dass es dem Aktionär bei der Entscheidung allein auf seine vermögensrechtlichen Interessen, nicht auf die als Verbandsmitglied ankommt. Ein Beispiel soll diese Problematik verdeutlichen: Angenommen ein Aktionär des Zielunternehmens lehnt einen Kontrollwechsel in demselben ab und befürwortet einen Verbleib der gegenwärtigen Unternehmensleitung. Diesen Standpunkt muss er nicht allein aus vermögensrechtlichen Gesichtspunkten vertreten, sondern er könnte beispielsweise die betriebene Umweltpolitik oder bestimmte Entwicklungsstrategien unterstützen wollen. Anschaulich ist auch der Fall von Belegschaftsaktionären, welche die Arbeitnehmerpolitik der gegenwärtigen Verwaltung befürworten und daher einen Wechsel ablehnen. Diese Interessenlagen verfolgen die Aktionäre in ihrer Eigenschaft als Mitgesellschafter der Gesellschafter nicht in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger. Wird nun ein Übernahmeangebot abgegeben, können diese Aktionäre ihrer unternehmenspolitischen Ablehnung des Übernahmeversuchs nicht ohne Risiko Ausdruck geben. Denn angenommen nach Ablauf der ersten Annahmefrist gem. § 16 I wäre der Kontrollwechsel möglich, jedoch noch nicht gesichert, befinden sich diese Aktionäre in einer Zwickmühle. Entweder sie verweigern die Angebotsannahme und geben damit ihrer unternehmenspolitischen Überzeugung Ausdruck. Sie riskieren jedoch, dass der Kontrollwechsel dennoch während der weiteren Annahmefrist gelingt und gerade das unerwünschte Ergebnis, nämlich die Kontrollübernahme des Bieters erzielt wird. Wollen sie dieses Risiko ausschließen, müssen sie das Übernahmeangebot annehmen und gegen ihre unternehmenspolitische Überzeugung handeln. Es wird offensichtlich, dass das WpÜG nicht daran interessiert ist, die Rolle des Aktionärs als Verbandsmitglied zu schützen. Es lässt sich freilich

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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argumentieren, dass in der Realität heute das Selbstverständnis eines jeden Aktionärs demjenigen eines Kapitalanlegers und nicht länger eines Verbandsmitglieds entspricht. Insbesondere bei Großkonzernen wird dies für die Mehrzahl der Aktionäre zutreffen. Dennoch ist anerkannt, dass der Aktionär bis heute eine hybride Stellung zwischen Verbandsmitglied und Kapitalanleger einnimmt716. So ist den Aktionären im Aktienrecht ein Restbestand unternehmerischer Entscheidungsbefugnisse erhalten geblieben. Dies gilt insbesondere im Bereich von Grundsatzentscheidungen wie die Änderung des Verbandszwecks, die Identitätsänderung ihrer Mitgliedschaft oder bei Geschäften mit der Gefahr eines Totalverlustes des Gesellschaftsvermögens717. Im Fall eines freiwilligen Übernahmeangebots, mit dem der Bieter die aktienrechtliche Mehrheitsherrschaft im Zielunternehmen anstrebt und die bisher mit Streubesitz befindliche Gesellschaft unter seine Kontrolle bringen will, wird eine vergleichbare Grundsatzentscheidung der Aktionäre über die Zukunft der Gesellschaft getroffen718. Daher muss die Hoheit der Aktionäre, über den Kontrollübergang bei Übernahmeangeboten zu entscheiden, gewährleistet sein. Diese sollen sich nicht allein von der Sorge leiten lassen, eventuell ein Minderheitsaktionär im übernommenen Unternehmen zu werden. Das Gefangenendilemma bedroht nicht nur ihre Stellung als Kapitalanleger sondern auch als Verbandsmitglieder des Zielunternehmens. dd) Zusammenfassung Die aktuelle Rechtslage in Deutschland ist unbefriedigend. Der Gesetzgeber erlaubt jeden beliebigen Beteiligungserwerb mittels eines freiwilligen Übernahmeangebots. An welcher Stelle die Kontrolle tatsächlich übergeht, kann nicht exakt beantwortet werden. Das freiwillige Übernahmeangebot wird auch dann durchgeführt, wenn es dem Bieter nicht die Kontrolle verschaffen kann. Dies hat zur Folge, dass die Zaunkönigregel das Gefangenendilemma nicht beseitigen kann. Vielmehr könnte § 16 II zugunsten des Bieters wirken, indem ihm eine Fristverlängerung zum Kontrollerwerb gewährt wird. Zudem ist die Entscheidungshoheit der Aktionäre bezüglich des Kontrollwechsels nicht gegeben.

716

Siehe dazu insbesondere Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 154 ff. Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 161 ff.; §§ 179 a, 293 II S. 1, 319 II S. 1, 320 I S. 3 AktG. 718 In diese Richtung Schneider, AG 2002, 125, 127, 130 f. 717

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5. Teil: Die Bieterpflichten

b) Lösungen aa) Das britische Lösungsmodell: Unzulässigkeit eines Beteiligungserwerbs unterhalb von 50% Ursache der aufgeführten Problematik ist es, dass die Schwelle des effektiven Kontrollerwerbs nicht exakt bestimmt werden kann und daher nicht beantwortet werden kann ab welchem Beteiligungserwerb ein Übernahmeangebot „erfolgreich“ ist. Die effektive Kontrollschwelle ist von vielfältigen Faktoren des konkreten Einzelfalls abhängig und in den jeweiligen Unternehmen daher unterschiedlich und kaum exakt bestimmbar. Gelöst werden könnte das Problem daher, indem der bloß effektive Kontrollerwerb im Wege von Übernahmeangeboten schlicht untersagt wird. Zulässig darf allein der absolute Kontrollerwerb sein. Ein Übernahmeangebot kommt nur dann zur Durchführung, wenn der Bieter in Folge dessen über 50% der Stimmrechte des Zielunternehmens verfügt. Rechtstechnisch kann dies durch das Erfordernis der obligatorischen Aufnahme einer entsprechenden Mindesterwerbsschwelle durch den Bieter verwirklicht werden. Bedingung des Übernahmeangebots muss zwingend sein, dass der Bieter nach Ablauf der ersten Annahmefrist über einen Anteilsbesitz von über 50% der Stimmrechte verfügt. Verfehlt er dieses Ziel, scheitert das Angebot. Die Annahmeerklärungen der veräußerungswilligen Aktionäre führen zu keinem Vertrag, da das Angebot aufschiebend bedingt abgegeben wurde. Sie bleiben folglich im Besitz ihrer Anteile. Im Wege eines freiwilligen Übernahmeangebots kann folglich nur ein Anteilsbesitz von über 50% der Stimmrechte erzielt werden. Dieses Konzept wird vom City Code umgesetzt719. Im britischen Recht muss als Vorstufe zum Abschluss des Übernahmeverfahrens ein Angebot unconditional as to acceptences erklärt werden, das heißt der Bieter erklärt das Angebot für unbedingt im Bezug auf die Annahmequote oder anders formuliert, der Bieter erklärt, dass die Mindesterwerbsschwelle erreicht wurde und das Angebot nicht mehr daran scheitern wird, dass der Bieter nicht genügend Anteile erwerben konnte. Rule 10 bestimmt dabei, dass ein Übernahmeangebot nur dann unconditional as to acceptances720 erklärt werden darf, wenn der Bieter Stimmrechte erworben hat bzw. ihm entsprechende Annahmeerklärungen zugegangen sind, die ihm einen Anteilsbesitz von 50% der Stimmrechte der Zielgesellschaft sichern721. Das heißt, im bri719

Charlesworth/Morse, Company Law, 1999, S. 611; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4070 ff., Rn. 4-4012 ff.; dazu auch Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 56, 79. 720 Siehe dazu auch Zinser, RIW 2001, 481, 483, 487 FN 98.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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tischen Recht existiert eine zwingende Mindesterwerbsschwelle für Übernahmeangebot von 50%. Zusätzlich bestimmt der City Code gem. Rule 31. 6 (a), dass ein Angebot nur bis zum Ablauf des 60. Tages seit Veröffentlichung der Angebotsunterlage unconditional as to acceptances erklärt werden darf. Andernfalls muss es scheitern722. Spätestens nach 60 Tagen muss der Bieter also eine ausreichende Zahl von Annahmeerklärungen erhalten haben, dass er nach Durchführung des Übernahmeangebots im Besitz von 50% der Stimmrechte ist oder das gesamte Übernahmevorhaben ist gescheitert. Ist ihm eine entsprechende Zahl von Annahmeerklärungen zugegangen, so muss das Angebot gem. Rule 31.4 zumindest weitere 14 Tage offen stehen, um den außenstehenden Aktionären die Möglichkeit zu geben, unter diesen Umständen aus der Zielgesellschaft auszusteigen723. Der Zeitraum der Ungewissheit ist für alle Beteiligten auf maximal 60 Tage beschränkt. Entweder das Angebot scheitert, weil der Bieter die 50%ige Beteiligung verfehlt. Aktionäre, die das Angebot negativ bewerten, können dasselbe vorerst ohne Risiko ablehnen. Oder aber der Kontrollerwerb des Bieters steht nach Ablauf der ersten Annahmefrist fest und die bis zu diesem Zeitpunkt noch außenstehenden Aktionäre können auf dieser Basis überlegen, ob sie als Minderheitsaktionäre in der Zielgesellschaft bleiben bzw. diese zu den Angebotskonditionen verlassen wollen. Das Gefangenendilemma der Aktionäre wird mittels dieses Regelungsmechanismus vorbildlich beseitigt724. Weil die Konsequenzen der Anlage- bzw. Verkaufsentscheidung für die Kontrollsituation in der Zielgesellschaft eindeutig vorhersehbar sind, ist zudem die Entscheidungshoheit der Aktionäre gewahrt. Sie wissen genau, dass sie mit der Angebotsannahme gleichzeitig den Kontrollwechsel herbeiführen. Umgekehrt können sie ohne Risiko die Annahme verweigern, falls sie den Kontrollwechsel nicht befürworten. Sollte das Übernahmeangebot dennoch dem Bieter die absolute Mehrheit bringen, können sie innerhalb von zwei Wochen die Zielgesellschaft noch verlassen. Die Aktionäre allein 721 Rule 10 Acceptance Condition: „It must be a condition of any offer (. . .) which, if accepted in full, would result in the offeror holding shares carrying over 50 per cent of the voting rights of the offeree company that the offer will not become or be declared unconditional as to acceptances unless the offeror has acquired or agreed to acquire (either pursuant to the offer or otherwise) shares carrying over 50 per cent of the voting rights (. . .)“. 722 Stedman, Takeovers, 1993, S. 290 „It will lapse if it is not unconditional as to acceptances by that time“. 723 Rule 31.4 Offer to remain open for at least 14 day after unconditional as to acceptances. 724 So Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 27; nicht zutreffend ist die Kritik von Witt, Übernahme, 1998, S. 88 f.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

entscheiden nach britischem Recht über den Kontrollwechsel in ihrer Gesellschaft. Hierfür sind sie die einzig richtige Instanz725. Die 50%-Bedingung stärkt deshalb die Rechte der Aktionäre in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Gesellschaft. bb) Alternative Lösungsversuche für das deutsche Recht (1) Teleologische Auslegung des § 16 II S. 1 Die Unzulänglichkeiten der aktuellen deutschen Rechtslage wurden bereits erkannt und zu lösen versucht. So wurde vorgeschlagen726, § 16 II S. 1 teleologisch zu reduzieren. Eine weitere Annahmefrist solle nur dann gewährt werden, wenn der Bieter tatsächlich die beabsichtige Kontrolle nach Ablauf der ersten Annahmefrist erzielen konnte. Der ausdrücklichen Annahme des Gesetzgebers, nur bei „erfolgreichem Übernahmeangebot“ die weitere Frist zu gewähren, soll also Rechnung getragen werden. Es wurde aber bereits aufgezeigt, dass nach Ablauf der ersten Annahmefrist die Frage des Kontrollwechsels gerade nicht in allen Fällen klar beantwortet werden kann. An welchem Punkt die effektive Kontrolle wechselt ist einzelfallabhängig und nicht eindeutig definierbar. Dies ist gerade das Kernproblem, wenn man den bloß effektiven Kontrollwechsel mittels Übernahmeangebot zulassen will. So macht obiger Vorschlag nicht klar, was er genau unter dem „Erzielen der beabsichtigen Kontrolle“ versteht. Einerseits könnte die tatsächliche Kontrolle im Einzelfall gemeint sein, andererseits könnte sich der Begriff der Kontrolle an der gesetzlichen Definition des § 29 II orientieren. Letzteres hat Unterstützung gefunden727. Es wird argumentiert, dass zum einen der Regelungszusammenhang der §§ 16 II 2, 23 I Nr. 3, 26 I 2 für Übernahmeangebote die Angabe einer Mindesterwerbsschwelle in Höhe der Kontrollschwelle von 30% nach gegenwärtiger Rechtslage bereits implizit voraussetze. Andernfalls würden diese Regeln wenig Sinn machen728. Dieses Argument allein kann aber nicht eine solche Auslegung des WpÜG rechtfertigen, die zu einer zwingenden Mindesterwerbsschwelle für Über725

Zum Ausdruck kommt die Aktionärshoheit dieser Entscheidung auch bei der Forderung einer strikten Neutralitätspflicht des Managements der Zielgesellschaft. Dieses darf nichts tun, um das Angebot zu verhindern, die Entscheidung liegt allein bei den Aktionären, Davies, Regulation on Takeovers, 1976, S. 59 ff.: „The Principle of Shareholder Decision-Making“. 726 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 16 Rn. 33; Seiler in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 16 Rn. 34; Thoma/Stöcker, Baums, WpÜG, 2004, § 16 Rn. 44. 727 Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 13 f.; Santelmann, AG 2002, 497. 728 Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 14, 17.

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nahmeangebote führt729. Insbesondere zeigt der Wortlaut des § 16 II 2730, dass die Aufnahme einer Mindesterwerbsschwelle optionalen Charakter haben soll. Eine zweite Argumentation will ebenfalls mit Hilfe der teleologischen Auslegung eine obligatorische Mindesterwerbsschwelle nach gegenwärtiger Gesetzeslage begründen731. Danach soll das in §§ 3 II, 11 I 2 verankerte Transparenzgebot, welches eine Entscheidung der Aktionäre auf Grundlage ausreichender Information und in Kenntnis der Sachlage fordert, die Annahme einer notwendigen Mindesterwerbsschwelle begründen. Jedoch ist das Transparenzgebot in Form einer Generalklausel im WpÜG verankert. Es konkretisiert sich in Form diverser Informationspflichten und beansprucht keine unmittelbare Geltung732. „Kenntnis der Sachlage“ ist weit zu interpretieren und wäre auch gegeben, wenn der Bieter offen legt, dass er den Kontrollerwerb zwar beabsichtigt, bei Verfehlung desselben aber beispielsweise am Erwerb einer Sperrminorität interessiert wäre. Das Transparenzgebot verpflichtet den Bieter nicht, eine exakte Mindesterwerbsschwelle von vornherein festzulegen. Es ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht möglich, aus einer generalklauselartigen Formulierung derartig weitreichende wie auch konkrete Beschränkungen für den Bieter herzuleiten, wie etwa die obligatorische Aufnahme einer Mindesterwerbsschwelle von 30%. Die Mängel der deutschen Rechtslage können nicht im Wege der teleologischen Auslegung beseitigt werden733. (2) Obligatorische Mindesterwerbsschwelle von 30% Kann aus formalen Gründen eine obligatorische Mindesterwerbsschwelle von 30% nach geltender Rechtslage nicht angenommen werden, so ist dieser Vorschlag doch inhaltlich zu diskutieren und seine Überzeugungskraft im Hinblick auf eine dahingehende Gesetzesänderung zu untersuchen734. 729

Zustimmend Santelmann, AG 2002, 497, 500. „. . . wenn der Bieter das Angebot von dem Erwerb eines Mindestanteils abhängig gemacht hat . . .“. 731 Santelmann, AG 2002, 497, 500 ff. 732 Versteegen, KK-WpÜG, 2003, § 3 Rn. 30 f.; siehe zum Transparenzgebot als allgemeinem Grundsatz oben S. 76. 733 Gegen eine teleologische Reduktion des § 16 II spricht sich auch Hasselbach aus in KK-WpÜG, 2003, § 16 Rn. 34, der allerdings die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dieser Vorschrift verneint. 734 Siehe zu diesem Vorschlag Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 13 f., 17; Santelmann, AG 2002, 497, 501; Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 29 f. schlägt vor, dass die Aktionäre ihr Angebot unter der Bedingung abgeben können, dass der Bie730

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Für dieses Konzept spricht die Beibehaltung der Systematik des WpÜG, welches sich für die Normierung einer fixen Kontrollschwelle entschieden hat und hieran mancherlei Konsequenzen knüpft, wie zum Beispiel die Auslösung des Pflichtangebots. Ungerechtigkeiten im Einzelfall müssen hingenommen werden. So wird zum Beispiel ein Halter, der mit 29,9% der Stimmrechte im konkreten Fall die effektive Kontrolle erlangt hat, mangels fixer Schwellenwertüberschreitung dennoch nicht zur Angebotsabgabe an alle Aktionäre verpflichtet. Die Unsicherheit, ob mit Überschreiten der 30%igen Beteiligung die effektive Kontrolle erreicht wurde, ist dem System des WpÜG immanent und muss toleriert werden. Im Falle des Pflichtangebots werden die Aktionäre nämlich in exakt dieselbe Position gebracht wie unter der Normierung einer obligatorischen Mindesterwerbsschwelle von 30%. Der Bieter überschreitet jeweils die 30%ige Beteiligungsschwelle – entweder im Wege eines freiwilligen Übernahmeangebots oder durch private Transaktionen – und muss im Anschluss das Angebot für alle Aktionäre weiter offen halten bzw. erst ein Pflichtangebot abgeben. Ob ein effektiver Kontrollwechsel im konkreten Fall tatsächlich an der 30%-Marke statt gefunden hat, ist ungewiss. In beiden Fällen müsse ein letztes Maß an Unsicherheit bezüglich des effektiven Kontrollwechsels aus Gründen der Planungs- und Rechtssicherheit akzeptiert werden. Eine obligatorische 30%ige Mindesterwerbsschwelle könnte sich systematisch korrekt in das WpÜG einfügen. Jedoch ist zu beachten, dass für das Pflichtangebot zahlreiche Ausnahmetatbestände gem. § 37 vorgesehen sind, die bemüht sind, Ungerechtigkeiten im Einzelfall zu beseitigen. Wenn beispielsweise ein Großaktionär im Zielunternehmen ein Aktienpaket von mehr als 30% der Stimmrechte hält, dann kann derjenige, der auf Grund einer privaten Transaktion die 30%-Schwelle überschreitet, jedoch nicht zum Mehrheitsaktionär wird, vom Pflichtangebot befreit werden. Vergleichbare Regelungen, die ein ähnliches Maß an Flexibilität gewährleisten, müssten auch vorgesehen werden, wenn eine Mindesterwerbsschwelle von 30% eingeführt werden sollte. Dennoch ist diese Lösung abzulehnen. Die beiden Situationen von Pflicht- und Übernahmeangebot sind nicht vergleichbar. Im Rahmen des Pflichtangebots ist der Kontrollerwerb Tatbestandsmerkmal, um die Angebotspflicht auszulösen. Es gilt, dieses so deutlich wie möglich zu definieren. Für Pflichtangebote wurde insbesondere deshalb eine fixe Kontrollschwelle festgeschrieben, weil der Gesamtheit der Teilnehmer am Kapitalmarkt Plater eine Kontrollposition erreicht. Das entscheidende Merkmal der „Kontrollposition“ wird von Reul als das Halten von 33 1 / 3 % der Stimmrechte definiert. Er befürwortet folglich auch die Fixierung einer effektiven Kontrollschwelle im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote.

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nungssicherheit in Bezug auf ihr Kaufverhalten eingeräumt werden sollte735. Erwirbt eine Person Aktien am Kapitalmarkt, so soll sie sicher sein dürfen, ab welcher Beteiligungshöhe sie zur Abgabe eines öffentlichen Angebots an alle Aktionäre verpflichtet wird. Ein Pflichtangebot bedeutet einen erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand für den Normadressaten. Um das erforderliche Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten, ist daher eine allgemein verbindliche Regelung erforderlich. Eine individuelle Bestimmung der effektiven Kontrollschwelle kann nicht für jedes einzelne Unternehmen vorgenommen und dauerhaft überwacht bzw. aktualisiert werden. Daher ist es sinnvoll, im Rahmen von Pflichtangeboten eine fixe Kontrollschwelle zu normieren und angesichts der erforderlichen Rechtssicherheit Ungerechtigkeiten im Einzelfall zu tolerieren. Diese Argumentation gilt nicht im Kontext von freiwilligen Übernahmeangeboten. Die Bestimmung der effektiven Kontrollschwelle hat hier eine andere Funktion als beim Pflichtangebot. Sie dient allein dazu, einen funktionierenden Mechanismus zur Beseitigung des Gefangenendilemmas in Gang zu setzten. Erforderlich ist, dass nach Ablauf der ersten Annahmefrist ausgesagt werden kann, ob das Übernahmeangebot zum Kontrollerwerb des Bieters geführt hat. Ist dies der Fall, wird eine weitere Annahmefrist eingeräumt. Ansonsten scheitert das Angebot. Eine fixe Schwellenbestimmung, die für alle Übernahmeangebote Gültigkeit besitzt, ist zur Beseitigung des Gefangenendilemmas im Einzelfall nicht geeignet. Erforderlich ist, dass die jeweilige Schwelle im konkreten Fall möglichst genau bestimmt werden kann. Welche Fehlleistung eine fixe Mindesterwerbsschwelle von 30% im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote bringen kann soll anhand von zwei Beispielen veranschaulicht werden: Im ersten Beispiel soll angenommen werden, dass in der Zielgesellschaft Y die Kontrolle erst mit dem Erwerb von 35% der Stimmrechtsanteile übergehen würde. Der Bieter C hat nach Ablauf der ersten Annahmefrist 30% der Stimmrechte erreicht. Die Einführung einer obligatorischen Mindesterwerbsschwelle von 30% führt in dieser Situation zu keinerlei Verbesserung. Die effektive Kontrolle hat noch nicht gewechselt, bei den Aktionären besteht Unsicherheit über die genaue Grenze, die Gewährung einer weiteren Annahmefrist führt lediglich zu einer ungewollten Fristverlängerung für den Bieter und sowohl zu einer Ausdehnung des Gefangenendilemmas als auch zu einem Verlust der Entschei735 Krause, WM 1996, 893, 899; Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 29 Rn. 14; Zinser, NZG 2001, 391, 396; ders., NZG 2000, 573, 578; Houben WM 2000, 1879, Roth/Zinser, EWS 2000, 233, 238; Immenga in Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, 1992, S. 11, 20 befürwortet gerade in Übernahmeverfahren eine feste Kontrollschwelle, wohingegen der aktienrechtliche Abhängigkeitsbegriff flexibler ausgestaltet sein darf.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

dungshoheit für die Aktionäre. Zwar könnte in diesen Fällen spekuliert werden, dass der Bieter selbst eine höhere Mindesterwerbsschwelle festsetzen würde, weil er selbst definitiv seinen Kontrollerwerb absichern will. Diese Motivation des Bieters kann aber nicht in allen Fällen vorausgesetzt werden. Beispielsweise könnte der Bieter auch am Erwerb einer Sperrminorität interessiert sein. Es muss daher möglich sein, dass die Übernahmeregeln aus eigener Kraft ein faires Verfahren sichern können. Auf Mitwirkungshandlungen des Bieters sollte die Funktionsfähigkeit dieser Regeln nicht angewiesen sein. Im zweiten Beispielsfall ist davon auszugehen, dass in der Zielgesellschaft Z die effektive Kontrolle bereits bei Überschreitung des Stimmrechtsanteils von 25% erlangt werden könnte. Nach geltender Rechtslage würde der Bieter B ein Übernahmeangebot gem. § 29 I abgeben, das auf den Kontrollerwerb gerichtet ist. B würde keine Mindesterwerbsschwelle in sein Angebot aufnehmen, würde zwar den gesetzlich definierten Kontrollerwerb von 30% anstreben – da dies eine komfortablere Mehrheit bieten würde –, sich jedoch auch mit dem Erwerb von 25% zufrieden geben, da er damit die Kontrolle über Z, wenn auch nur knapp, erreicht hätte. Wenn er nach Ablauf der Annahmefrist 28% der Stimmrechtsanteile halten würde, hätte er sein Ziel erreicht. Hätte B die obligatorische Mindesterwerbsschwelle von 30% in sein Angebot aufnehmen müssen, wäre sein Angebot gescheitert, obwohl er die Kontrolle erworben hätte. Dieses den Bieter benachteiligende Ergebnis ist bei der Festlegung fixer Mindesterwerbsschwellen nicht zu vermeiden. Wollte B im zweiten Fall ein Scheitern des Angebots verhindern, dann müsste er ein bloßes Erwerbsangebot abgeben – wobei er quasi gezwungen ist seine eigentliche Übernahmeabsicht zu verbergen – und dieses auf den Erwerb eines Stimmrechtsanteils unterhalb der ausschlaggebenden 30%-Marke zu begrenzen. Erreicht er dann 28% der Stimmrechte, hat er die Kontrolle in Z erlangt, ohne jedoch die strengeren Regeln für Übernahmeangebot beachten zu müssen. Mit Normierung einer obligatorischen Mindesterwerbsschwelle von 30% würde der Gesetzgeber den Bieter geradezu zu solchen Umgehungsformen zwingen. Die gesetzliche Fixierung einer Mindesterwerbsschwelle bei freiwilligen Übernahmeangeboten führt zu erheblichen Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten im Einzelfall. Im Ergebnis ist deshalb die gesetzliche Festlegung einer Mindesterwerbsschwelle von 30% für Übernahmeangebot abzulehnen. Es ist nicht möglich, die Effekte der beispielsweise in Großbritannien normierten Mindesterwerbsschwelle von 50% auf diese Weise nachzuahmen. Allein diese kann die Sicherheit des absoluten Kontrollübergangs bieten. Jede fixe Mindesterwerbsschwelle, die unter 50% angesiedelt ist,

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muss willkürlich sein, führt zu Unsicherheit und Ungerechtigkeit im Einzelfall und gewährleistet nicht die Beseitigung des Gefangenendilemmas. (3) Effektive Kontrollschwelle als obligatorische Mindesterwerbsschwelle Hauptkritikpunkt an der Fixierung einer obligatorischen Mindesterwerbsschwelle von 30% ist, dass der effektive Kontrollübergang nicht einzelfallgerecht bestimmt werden kann und daher zu Unstimmigkeiten und ungerechten Ergebnissen führt. Deshalb könnte ein System vorzugswürdig sein, welches die Kontrollsituation im Einzelfall berücksichtigen kann. Umgesetzt werden könnte dieses, indem der Bieter nach Ablauf der ersten Annahmefrist die Anzahl der von ihm gehaltenen Anteile veröffentlichen muss und daraufhin von objektiver Stelle zu beurteilen ist, ob der Bieter die effektive Kontrolle erlangt hat. Diese Aufgabe könnte beispielsweise von der BAFin erfüllt werden, welche damit über Erfolg oder Scheitern des Übernahmeangebots zu entscheiden hätte. Die Arbeiten zur Analyse der effektiven Kontrollschwelle der jeweiligen Zielgesellschaft könnten mit Abgabe der Angebotsunterlage beginnen. Ein Ergebnis müsste bei Ablauf der Annahmefrist feststehen. Gegen ein solches Verfahren spricht insbesondere der massive zeitliche und finanzielle Arbeitsaufwand auf Seiten der Aufsichtsbehörde. Zudem müssten derartige Entscheidungen der gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein, was dem Interesse der Beteiligten an einer verlässlichen und zügigen Abwicklung von Übernahmeverfahren widersprechen würde. Eine weniger zeit- und kostenintensive Möglichkeit wäre es, den Bieter zur Aufnahme der Bedingung zu verpflichten, dass er das Übernahmeangebot nur dann vollständig durchführen werde, wenn er mindestens die effektive Kontrolle erreicht. Hierfür muss er vorab angeben, wo er die Schwelle des effektiven Kontrollübergangs ansiedelt, um den Aktionären einen Richtwert zu liefern. Eine übermäßige Belastung für den Bieter kann darin nicht gesehen werden, da er seinerseits ein Interesse daran hat, bereits im Vorfeld zu analysieren, welche Beteiligungshöhe er erreichen muss, um die Kontrolle in der konkreten Zielgesellschaft zu übernehmen. In der Praxis kann deshalb davon ausgegangen werden, dass der Bieter für sich diese Frage grundsätzlich im Voraus zu beantworten sucht. Die Übernahmeregeln würden ihn lediglich zur Veröffentlichung dieser Information zwingen. Um hierbei Versuche des Bieters zur Irreführung des Kapitalmarktes zu vermeiden, müssten ihm bestimmte Eckdaten vorgegeben werden, die er zur Bestimmung der effektiven Kontrollschwelle verwerten muss. Zu denken ist

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5. Teil: Die Bieterpflichten

hier an Faktoren wie die Präsenz der letzten Hauptversammlungen, wie anderweitig bestehender Paketbesitz unter den Anteilsinhabern oder wie das Ausmaß der Streuung des Anteilsbesitzes in der konkreten Gesellschaft. Objektive Kalkulationsfaktoren sollen dem Bieter willkürliche Festsetzungen der Schwelle unmöglich machen. Die Schwelle des effektiven Kontrollübergangs wäre auf diese Weise flexibel für den Einzelfall zu bestimmen. Derartige Versuche, die effektive Kontrollschwelle für den Einzelfall zu bestimmen, sind in der internationalen Übernahmegesetzgebung nicht unbekannt. Beispielsweise versucht Österreich die Pflicht zur Angebotsabgabe am Erlangen einer „kontrollierenden Beteiligung“ fest zu machen736. Zur Definition dieses Merkmals sollen die unterschiedlichsten Faktoren herangezogen und vielfältige Vermutungstatbestände berücksichtigt werden. Eine Rolle spielt zum Beispiel die Streuung des Aktienbesitzes, das üblicherweise in den Hauptversammlungen vertretenen Grundkapital oder die Bestimmung in der jeweiligen Satzung der Zielgesellschaft737. Auch der Übernahmekodex normierte für das Pflichtangebot zahlreiche und variable Kontrolltatbestände, die eine möglichst flexible Bestimmung im Einzelfall zulassen sollten738. Die flexible Bestimmung der Kontrollschwelle für die Pflicht zur Angebotsabgabe wird aus Gründen der Rechtssicherheit abgelehnt. Die Ansätze internationaler Rechtsordnungen zur Bestimmung einer flexiblen Kontrollschwelle lassen sich aber heranziehen, wenn es darum geht, dem Bieter im Fall des freiwilligen Übernahmeangebots die Aufnahme einer Mindesterwerbsschwelle und die Anforderungen an deren Bestimmung vorzugeben. Diese soll flexible sein und ist am jeweils konkreten Punkt des effektiven Kontrollübergangs anzusetzen. Nach Ablauf der ersten Annahmefrist wird festgestellt, ob der Bieter die auf diese Weise definierte effektive Kontrolle mittels seines Übernahmeange736

§ 22 I ÖÜbG. § 22 V ÖÜbG und §§ 1–8 der Verordnung der Übernahmekommission. 738 Art. 16 Übernahmekodex. Kontrolle hatte danach erreicht, wer einschließlich der ihm (. . .) zuzurechnenden Stimmrechte über die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft verfügt; wem auf Grund einer mit anderen Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft getroffenen Vereinbarung die Mehrheit der Stimmrechte allein oder gemeinsam mit anderen Wertpapierinhabern zusteht; wem das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungsoder Aufsichtsorgans der Zielgesellschaft zu bestellen oder abzuberufen; wer durch Erwerb oder auf sonstige Weise einen Stimmrechtsanteil erlangt, der bei der ersten Beschlussfassung an allen drei vorhergehenden ordentlichen Hauptversammlungen der Zielgesellschaft zu einem Stimmrechtsanteil von jeweils mindestens drei Vierteln des präsenten, stimmberechtigten Grundkapitals geführt hätte. 737

– – – –

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bots erreichen konnte. Ist dies der Fall, so gilt § 16 II S. 1. Den zu diesem Zeitpunkt noch außenstehenden Aktionären wird eine weitere Annahmefrist von zwei Wochen eingeräumt, um die Zielgesellschaft zu verlassen. Es kommt zu einer vollständigen Durchführung des Übernahmeangebots. Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn der Bieter diesen effektiven Kontrollerwerb verfehlt hat. Im britischen Recht, welches die absolute Kontrolle als Mindesterwerbsschwelle vorsieht, muss das gesamte Angebot dann scheitern. Das ist insofern konsequent als ansonsten riskiert werden würde, dass der Bieter einen Anteilsbesitz erwirbt, der ihm gerade die effektive Kontrolle vermitteln könnte. Diese Gefahr besteht nach dem hier gemachten Vorschlag aber nicht. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das Angebot zwingend scheitern sollte, wenn der Bieter den effektiven Kontrollerwerb verfehlt. Die Aktionäre sind hier keiner Gefährdung ausgesetzt. Entscheidend ist allein, dass das Angebotsverfahren damit abgeschlossen und ein Kontrollerwerb des Bieters nicht länger zu befürchten ist. Der Bieter hat den Kontrollerwerb zwar verfehlt, kann aber – wenn er will – die Anteile erwerben, die ihm von den Aktionären der Zielgesellschaft zum Kauf offeriert wurden. Insofern ist dasselbe Ergebnis wie bei der Abgabe eines bloßen Erwerbsangebots erzielt. Es macht keinen Sinn, dem Bieter diesen Erwerb zu untersagen. Notwendig ist jedoch, dass die Funktionsfähigkeit des Zusammenspiels von freiwilligem Übernahmeangebot und Pflichtangebot erhalten bleibt. Dieses wird gestört, wenn ersteres eine flexible, letzteres eine fixe Kontrollschwelle zugrunde legen. Wenn nämlich der Bieter im Wege des freiwilligen Übernahmeangebots die für das Pflichtangebot maßgebliche fixe Kontrollschwelle überschreiten sollte, jedoch die flexible Kontrollschwelle verfehlt, dann darf ihm der Erwerb der Wertpapiere über die fixe Kontrollschwelle hinweg nicht gestattet werden. Wenn also beispielsweise im konkreten Fall der effektive Kontrollerwerb bei 40% der Stimmrechte angesiedelt wird und der Bieter nach Ablauf der ersten Annahmefrist über 35% verfügen würde, dann kann ihm nicht erlaubt werden, diesen Erwerb zu realisieren. Von der Angebotspflicht wäre er nämlich gem. § 35 III gerade befreit und er könnte einfach die fehlenden Stimmrechtsanteile zum vollständigen Kontrollerwerb (hier 5%) mittels privater Transaktion hinzu erwerben und auf diese Weise die Regeln des Pflichtangebots umgehen. Es würde eine erhebliche Schutzlücke für die betroffenen Aktionäre entstehen. Es muss gewährleistet sein, dass die Regeln von freiwilligem Übernahmeangebot und Pflichtangebot im Zusammenspiel funktionieren. Im Ergebnis muss also geregelt sein, dass der Bieter im Falle der Kontrollverfehlung beim freiwilligen Übernahmeangebot zum Erwerb der angebote-

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nen Anteile berechtigt ist, jedoch unterhalb der Beteiligungsschwelle von 30% zurück bleiben muss. Sollten mehr Annahmeerklärungen eingegangen sein (im Beispiel oben waren es 35%), so hat eine verhältnismäßige Zuteilung zu erfolgen. Es wird dann dasselbe Ergebnis erzielt, wie wenn der Bieter ein gem. § 19 zulässiges Teilangebot abgeben würde, mit dem er den Kontrollerwerb gerade nicht beabsichtigt739. Auch hier ist eine Zuteilung pro rata zulässig. Ein Widerspruch zu § 32, wonach Teilangebot dann unzulässig sind, wenn der Bieter den Kontrollerwerb beabsichtigt, würde dann nicht entstehen. Die Regeln der §§ 19, 32 dürfen nämlich durch die vorgeschlagene Einführung einer Mindesterwerbsschwelle nicht ausgehebelt werden. Der Bieter muss also hinnehmen, dass ihm ein Beteiligungserwerb oberhalb der 30%-Schwelle versagt bleibt. Angesichts der Zielsetzung der Pflichtangebotsregeln, Planungs- und Rechtssicherheit für alle Kapitalmarktteilnehmer herzustellen, ist diese Einschränkung aber hinzunehmen. Auf diese Weise kann den unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten am ehesten Rechnung getragen werden. c) Abwägung aa) Vorteile des britischen Lösungsmodells Die britischen Normen lassen ein freiwilliges Übernahmeangebot nur dann zur Durchführung gelangen, wenn der Bieter damit in den Besitz der absoluten Stimmrechtsmehrheit kommt. Ein Vorteil des britischen Regelungsmodells ist daher, dass die absolute Beseitigung der Ungewissheit bezüglich des Kontrollwechsels garantiert ist. Das Gefangenendilemma ist restlos eliminiert. Sämtliche Lösungsversuche, die den bloßen effektiven Kontrollerwerb im Zielunternehmen für die zulässige Durchführung eines Übernahmeangebot ausreichen lassen wollen, bergen denknotwendig ein letztes Maß an Restunsicherheit, ob sich der effektive Kontrollwechsel tatsächlich mit dem Übernahmeangebot vollzieht. Beispielsweise müssen die Präsenzen der vergangenen Hauptversammlung nicht repräsentativ für die Zukunft sein, die Streuung des Grundkapitals kann sich verändern etc. Die effektive Kontrollschwelle unterliegt einer dauernden Fluktuation. Ihre exakte Bestimmung ist praktisch nicht möglich. Diese Lösungsversuche sind daher grundsätzlich dem britischen Modell insofern unterlegen als sie eine absolute Beseitigung des Gefangenendilemmas nicht zu gewährleisten vermögen. Zudem besitzt das britische Lösungsmodell gleichzeitig kapitalmarktpolitische Lenkungsfunktion. Rule 10 trägt dazu bei, die Entstehung von Ak739

Zum Teilangebot siehe S. 257 ff.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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tienpaketen in der Größenordnung zwischen 30% und 50% der Stimmrechtsanteile zu verhindern. Diese Intention des britischen Regelungsgebers ist vielerorts sichtbar. Beispielsweise untersagt Rule 5.1 (a) City Code einem Kapitalmarktteilnehmer, dessen Anteilsbestand weniger als 30% der Stimmrechte beträgt, eine solche Anzahl von Aktien oder Rechte über Aktien hinzu zu erwerben, dass er in den Besitz von mehr als 30% der Stimmrechte gelangen könnte740. Rule 5.2 lässt von diesem Grundprinzip allerdings vereinzelte Ausnahmen zu741. Die britische Kapitalmarktpolitik zielt also darauf ab, die Entstehung solcher Aktienpakete zu verhindern742. In Großbritannien befinden sich die Großzahl der börsennotierten Aktiengesellschaften im Streubesitz743. In der typischen britischen Aktiengesellschaft existiert kein allein dominierender Mehrheitsgesellschafter. Untersuchungen belegen, dass der Gesellschafter, mit dem höchsten Stimmrechtsanteil, durchschnittlich 9,9% der Anteile in einer börsennotierten Aktiengesellschaft innehat. Gefolgt wird er auf Platz zwei und drei von Gesellschaftern, die im Schnitt 7,3 und 6,0% der Stimmrechtsanteile besitzen744. Im Gegensatz dazu zeichnet sich die Anlegerstruktur in Deutschland durch dominierenden Paketbesitz aus. Selbst die DAX-Werte sind entweder im Mehrheitsbesitz eines Gesellschafters oder werden indirekt durch Banken im Wege der Depotstimmrechte kontrolliert745. Über 50% der börsennotierten Gesellschaften werden von einem einzelnen Mehrheitsgesellschafter kontrolliert, welcher im Schnitt über 49,6% der Stimmrechte verfügt746. 740 Rule 5.1 Restrictions; siehe dazu Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 788; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4139 ff. Rn. 4-6013 ff. Stedman, Takeovers, 1993, S. 144 f.; Lüttmann, Kontrollwechsel. 1992, S. 52. 741 Ausnahmen gelten beispielsweise für Paketerwerbe, aber nur, wenn dieser Erwerb der einzige innerhalb von sieben Tagen bleiben sollte, Rule 5.2 (a). Auch gilt das Erwerbsverbot nicht unmittelbar vor der Veröffentlichung einer festen Übernahmeabsicht, Rule 5. 2 (b). Einem blitzartigen Aufbau wesentlicher Beteiligungen wird damit Einhalt geboten, siehe zur Verhinderung sogenannter „dawn raids“ auch unten S. 217. Die Überschreitung der 30%-Schwelle ist auch zulässig, wenn der Bieter unmittelbar darauf seine feste Absicht zur Abgabe eines öffentlichen Angebots veröffentlicht und das Angebot öffentlich von der Zielgesellschaft unterstützt wird. 742 Goergen/Renneboog in Barca/Becht, Control, 2001, S. 280 „Though dispersed ownership is the rule (. . .) This structure is also shaped by regulation (. . .)“. 743 Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 792; Goergen/Renneboog in Barca/ Becht, Control, 2001, S. 277. 744 „Ultimate Voting Blocks by rank for 1992“, bei Goergen/Renneboog in Barca/Becht, Control, 2001, S. 270, Figure 10.4. 745 Siehe zum Paketbesitzes bei DAX-Werten und zu dem jeweiligen Anteil der Depotstimmrechte die Darstellung von Becht/Böhmer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 130, Table 5.1, 5.2.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Zumeist fehlt es hier an einem zweiten Paketbesitzer. Dies führt zu einer erhöhten Konzentration der Stimmrechtsmehrheit in Deutschland747. Die britische Kapitalmarktpolitik verfolgt das Ziel, eine Konzentration der Kontrollmacht in einer oder wenigen Händen möglichst schwierig zu gestalten und Koalitionen von mehreren Paketbesitzern nötig zu machen, um die absolute Stimmrechtsmehrheit zu erzielen748. Auf diese Weise versucht der britische Gesetzgeber, dem Missbrauch von Machtkonzentration in einer Hand entgegenzuwirken. In Deutschland ist dieselbe Dringlichkeit nicht gegeben, da als hervorstechendes Merkmal der deutschen Unternehmensverfassung eine Zweistufigkeit des Leitungsorgans mit Vorstand und Aufsichtsrat vorgesehen ist. Der Aufsichtsrat übernimmt hier die Überwachungsfunktion. Zwar ist die Konzentration von Kontrollmacht am britischen Kapitalmarkt im Wege von Übernahmeangeboten zulässig, aber dann nur durch den Erwerb der absoluten Mehrheit der Stimmrechte. Auf diese Weise wird zumindest die gegenseitige Blockade von Großpaketbesitzern verhindert. Offensichtlich wird durch den Vergleich der beiden Kapitalmarktstrukturen aber insbesonders, dass Deutschland nicht dieselbe Kapitalmarktpolitik verfolgt und verfolgen kann wie Großbritannien. Am deutschen Kapitalmarkt machen solche Regelungsmechanismen keinen Sinn, die eine Paketbildung insbesondere in der Größenordnung zwischen 30% und 50% verhindern wollen. Deutsche Aktiengesellschaften werden typischerweise von einzelnen Paketbesitzern dominiert. Dies ist Folge einer jahrzehntelangen Entwicklung am Deutschen Kapitalmarktes. Familiengesellschaften haben sich nach und nach als Aktiengesellschaften organisiert. Der dominierende Mehrheitsbesitz wurde in vielen Fällen von den Familienmitgliedern, den Unternehmensgründern oder deren Nachfolgern beibehalten749. 32% der Aktienpakete sind daher in Privat- bzw. Familienbesitz750. Ein großer Anteil der Aktienpakete wird von anderen Unternehmen im Wege langjährig 746

Becht/Böhmer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 138, Figure 5.2. Becht/Mayer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 19. 748 Goergen/Renneboog in Barca/Becht, The Control of Corporate Europe, 2001, S. 270 „(. . .) in the typical British company absolute control would require a coalition.“; Becht/Mayer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 20. 749 Beispielsweise kontrollieren heute ca. 50 Mitglieder der Porsche/Piech Familie die Porsche AG. Gemeinsam verfügen sie über 100% der Stimmrechte, siehe Becht/Mayer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 30; Henkel und BMW werden noch heute von Nachfolgern der Gründer kontrolliert, vgl. Becht/Böhmer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 135. 750 Becht/Mayer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 30; die durchschnittlicher Größe solcher Aktienpakete in Familienbesitz beträgt danach 26, 9% der Stimmrechte. 747

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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gewachsener, wechselseitiger Beteiligungen gehalten751. Eine dritte Gruppe der Paketbesitzer bilden Banken und Finanzdienstleister, da diese häufig für die Fremdfinanzierung der jeweiligen Unternehmen sorgten und dafür im Gegenzug an deren Vermögen beteiligt wurden752. Die Anlegerstruktur am deutschen Kapitalmarkt ist durch Paketbesitze geprägt. Eine Kapitalmarktpolitik, die der Bildung solcher Pakete entgegenwirken wollte, würde die Realität der deutschen Kapitalmarktstruktur negieren. Die Zielsetzung des britischen Gesetzgebers kann nicht auf das deutsche Recht übertragen werden. Vielmehr könnte sogar die Veräußerbarkeit dieser existenten Pakete durch derartige Regeln erschwert werden, was lediglich zu einer Betonierung der bestehenden Beherrschungsstrukturen führen würde. Dem Ziel, den Finanzplatz Deutschland zu stärken, indem insbesondere die so genannte Deutschland-AG mit ihren starren Beteiligungsverhältnissen aufgebrochen werden solle, würde dann gerade entgegengewirkt753. Ist die Mindesterwerbsschwelle von 50% im britischen Recht angesichts ihrer kapitalmarktpolitischen Lenkungsfunktion zu befürworten, gilt diese Wertung gerade nicht für Deutschland. Drittes Argument für das britische Lösungsmodell, welches im Rahmen von freiwilligen Übernahmeangeboten eine Mindesterwerbsschwelle von 50% der Stimmrechte vorsieht, ist die Schaffung erhöhter Aktionärsdemokratie. Der Anteilsbestand des Bieters wird bei Angebotsabgabe zwischen 0 bis knapp 30% der Stimmrechte liegen. Die 30%-Schwelle wird der Bieter nicht überschreiten, weil er ansonsten nach deutschem und britischem Recht zur Abgabe eines öffentlichen Angebots gesetzlich verpflichtet wäre754. Das heißt, der Bieter muss in seinem Übernahmeangebot eine Anzahl von Annahmeerklärungen empfangen, die ihm einen weiteren Stimmrechtsanteil von mindestens knapp über 20% bis maximal 50% vermitteln. Das Erfordernis eines derart umfangreichen Anteilserwerbs könnte eine Art demokratische Legitimationswirkung für den Kontrollwechsel haben, weil zumindest ein beträchtlicher Teil der außenstehenden Aktionäre dem Übernahmevorhaben zustimmen müsste755. Ohne die Mindesterwerbsschwelle 751 Zum Beispiel wird die DEGUSSA AG vollständig durch die Veba AG kontrolliert. Allianz kontrolliert BASF, BAYER, VEBA, Dresdner Bank und Hoechst, vgl. Becht/Böhmer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 135. 752 Beispielsweise halten Deutsche Bank, Dresdner Bank, und Bayrische Vereinsbank gemeinsam je knapp 30% der Stimmrechte von Münchner Rück und Allianz, AG 1999, R 87, 90; siehe auch Mella/Jähnke, Börsenzeitung vom 18.1.1996. 753 Zu den allgemeinen Bestrebungen der Verbesserung des Finanzplatzes Deutschland siehe Seibert, AG 2002, 417, 418. 754 Rule 9.1 (a) City Code und § 35 II S. 1. 755 Santelmann, AG 2002, 497 spricht insofern von einer Art Quasi-Zustimmung der Aktionäre.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

von 50% könnte der Erwerb eines verschwindend geringen Stimmrechtsanteils, das heißt also die Zustimmung eines sehr geringen Prozentsatzes der Aktionäre, bereits den Kontrollübergang ermöglichen. Es erscheint aber geradezu willkürlich, den Anteilsinhabern des zur absoluten Kontrollübernahme fehlenden Prozentsatzes der Stimmrechte, die Entscheidungsmacht über das Gelingen des Angebots zu übertragen. Angenommen der Bieter hält bereits 29% der Stimmrechtsanteile an der Zielgesellschaft. Von den 71% der außenstehenden Aktionären müssen nur 21% den Erfolg des Übernahmeangebots befürworten. Diese repräsentieren nicht einmal ein Drittel der außen stehenden Aktionäre. Von einer demokratischen Entscheidung der betroffenen Aktionäre kann gerade nicht gesprochen werden756. Wäre eine solche erwünscht, so ließe sich dies nur mit Hilfe einer gesonderten Abstimmung der Hauptversammlung der Zielgesellschaft herbeiführen, wobei die Stimmrechte des Bieters und mit ihm gemeinsam handelnden Personen gerade unberücksichtigt bleiben müssten757. Die Mindesterwerbsschwelle von 50% lässt sich mit dem Hinweis auf eine erhöhte Aktionärsdemokratie jedenfalls nicht rechtfertigen. bb) Vorteile des hier unterbreiteten Vorschlags Ein Regelungssystem, welches schon den effektiven Kontrollerwerb für die Durchführung eines Übernahmeangebots ausreichen lässt, greift in geringerem Maße in die Rechte der Beteiligten und den natürlichen Mechanismus von Kontrolltransaktionen ein. Es ist ein typisches Merkmal eines Unternehmens, dessen Anteilsbesitz unter einer Vielzahl von Eignern aufgeteilt ist, dass die Kontrolle über dessen Vermögenswerte schon vor Erwerb der absoluten Mehrheit der Stimmrechtsanteile übergeht. Hiervon profitieren potentielle Bieter, welche die Führung in diesem Unternehmen übernehmen wollen, weil sie hierfür nicht den vollen Kapitalaufwand leisten müssen. Stattdessen genügt es für sie, bloß die effektive Kontrolle zu erwerben und dafür einen Aufpreis zu bezahlen758. Folglich profitieren von der Zulässigkeit eines effektiven Kontrollerwerbs auch die Anleger im Zielunternehmen, denen dieser erhöhte 756 Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 79 kritisiert am britischen Regelungsmodell gerade, dass keine mehrheitliche Entscheidung der außenstehenden Aktionäre über das Übernahmeangebot gesichert ist. 757 Siehe zur Diskussion einer Mehrheitsentscheidung der außenstehenden Aktionäre über die Durchführung eines Übernahmeangebots unten, S. 289. 758 Der Preis des Übernahmeangebots liegt regelmäßig über dem aktuellen Börsenkurs. Nur auf diesem Wege kann sich der Bieter den Erfolg des Übernahmeangebots erhoffen.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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Übernahmepreis offeriert wird. Die Möglichkeit eines Aktionärs, lukrative Übernahmeangebote anzunehmen, ist ein gerade dieser Anlageform eigentümlicher Vorteil. Die Normierung einer Mindesterwerbsschwelle von 50% ist insofern nachteilig, als sie den Bieter grundsätzlich zu einem absoluten Kontrollerwerb und dem entsprechenden Kapitaleinsatz zwingt. Selbst wenn ihm eine ausreichende Anzahl von Annahmeerklärungen zugehen würde, um den effektiven Kontrollerwerb herbeizuführen, könnte sein Vorhaben scheitern müssen. Das Verbot, ein solches Übernahmeangebot durchzuführen, stellt einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Bieters dar. Der hier unterbreitete Vorschlag könnte nahezu dasselbe Ergebnis unter Einsatz eines erheblich milderen Mittels erzielen. Auf der anderen Seite werden auch zum Teil die Aktionäre der Zielgesellschaft an der Realisierung einer Gewinnchance gehindert. Diejenigen Anleger, denen das Angebot attraktiv erschien, bleibt die Realisierung des Gewinns vorenthalten, weil keine ausreichende Zahl ihrer Mitaktionäre das Übernahmeangebot angenommen hat. Für diese Aktionäre wirkt die Mindesterwerbsschwelle von 50% wie ein faktisches Veräußerungsverbot759. Das britische Recht toleriert die tiefgreifende Beschränkung der Bieterrechte und das faktische Veräußerungsverbot für einen Teil der Aktionäre, weil im Gegenzug die absolute Beseitigung des Gefangenendilemmas erreicht werden kann. Dieser Wertung ist für das deutsche Recht zu widersprechen. Aus kapitalmarktpolitischer Sicht kann das britische Bedürfnis nicht geteilt werden, die Entstehung von Aktienpaketen, die mehr als 30% der Stimmrechte beinhalten, zu verhindern. Zudem ist eine Beseitigung des Gefangenendilemmas auch nach dem hier unterbreiteten Vorschlag für die Großzahl aller Fälle möglich. Der Bieter wird zumeist selbst eine solche Mindesterwerbsschwelle normieren, die ihm mit höchster Wahrscheinlichkeit den Kontrollerwerb sichert. Für die restlichen Fälle gilt obiger Vorschlag, dass der Bieter gesetzlich das Übernahmeangebot vom Erwerb der effektiven Kontrolle abhängig machen muss und diese Schwelle in der Angebotsunterlage entsprechend definieren muss. Hat der Bieter nach Ablauf der ersten Annahmefrist die effektive Kontrollschwelle erreicht, so muss er den außenstehenden Aktionären eine weitere Annahmefrist von zwei Wochen einräumen. Andernfalls kann er das Angebot durchführen, muss aber unter der 30%igen Kontrollschwelle zurück bleiben, weil ansonsten die Pflichtange759 So Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 29 allerdings bezüglich des Erfordernisses der Zustimmung der Hauptversammlung zur Durchführung des Übernahmeangebotes – siehe hierzu unten S. 289. Die obligatorische 50%-Bedingung entfaltet aber insofern dieselbe Wirkung.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

botsregeln außer Kraft gesetzt wären. Auf diese Weise ist die Beseitigung des Gefangenendilemmas möglich und gleichzeitig kann der effektive Kontrollerwerb mittels freiwilliger Übernahmeangebote zugelassen werden. Den Interessen des Bieters wird in hohem Maß Rechnung getragen. Zugleich kann eine Vielzahl der verkaufswilligen Aktionäre die Chance der Gewinnmitnahme realisieren. Hinzu kommt außerdem, dass aufgrund der effektiven Beseitigung des Gefangenendilemmas endgültig auf die kritisch beurteilten Wasserstandsmeldungen im deutschen Recht verzichtet werden kann760. Deshalb verdient der hier entworfene Verbesserungsvorschlag der deutschen Rechtslage den Vorzug gegenüber dem britischen Lösungsmodell.

III. Beeinträchtigung der Zielgesellschaft durch unprofessionelle, wiederholte oder missbräuchliche Übernahmeangebote 1. Gefahr Die Zielgesellschaft wird durch die Abgabe eines Übernahmeangebots erheblich beeinträchtigt761. Mit Veröffentlichung der Entscheidung zur Angebotsabgabe unterliegt der Vorstand der Zielgesellschaft den Handlungsbeschränkungen gem. § 33 I. Er muss von seiner täglichen Geschäftstätigkeit ablassen und auf das Übernahmeangebot reagieren. Die Zielgesellschaft befindet sich in einem ungünstigen Schwebezustand, welcher geeignet ist, Aktionäre, Gläubiger und sämtliche Beteiligten, die mit der Zielgesellschaft in Geschäftsverbindung stehen, zu verunsichern. Der Bieter könnte diese Wirkung gezielt zur Wettbewerbsbehinderung der Zielgesellschaft einsetzen und Übernahmeangebote abgeben, die in erster Linie die Beeinträchtigung oder Schädigung der Zielgesellschaft bezwecken. Um die Zielgesellschaft langsam zu zermürben könnte der Bieter nach einem gescheiterten Angebot sofort einen erneuten Übernahmeversuch unternehmen und ein neues Angebot abgeben. Die Zielgesellschaft käme so nicht mehr zur Ruhe, würde fortlaufend in Übernahmeverfahren gedrängt und der Vorstand wäre dauerhaft an der Verfolgung seiner üblichen Geschäftstätigkeit gehindert. Die Zielgesellschaft würde regelrecht gelähmt. Jedoch sind nicht allein Übernahmeangebote durch einen Bieter bedenklich, der die Zielgesellschaft absichtlich schädigen oder zermürben will. Eine unnötige und überflüssige Beeinträchtigung der Zielgesellschaft findet 760

Vgl. dazu oben S. 136 f. Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 34; Möllers, ZGR 2002, 664, 686; Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 3 Rn. 41. 761

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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schon dann statt, wenn der Bieter ein unprofessionelles Übernahmeangebot abgibt. Einerseits könnten dessen Erfolgsaussichten von vornherein sehr gering sein, so dass außer der Behinderung der Zielgesellschaft nichts erreicht würde. Andererseits könnte dem Bieter auch die Fachkenntnis zur Durchführung eines Übernahmeverfahrens fehlen, das vollständig den Anforderungen des WpÜG entspricht. Dies führt zu zeitlichen Verzögerungen, zu notwendigen Korrekturen durch das Aufsichtsamt und zu langwierigen Beeinträchtigungen der Zielgesellschaft. Die Zielgesellschaft gerät in einer Art „Opferposition“, weil der Übernahmekampf grundsätzlich durchgestanden werden muss, ohne dass sie die Möglichkeit hätte, sich diesem zu entziehen. Sie ist der Willkür der jeweiligen Bieter ausgeliefert, die ein Übernahmeangebot abgeben, auch wenn die dahinter stehende Absichten noch so schädigend, deren Kompetenz noch so gering oder die Erfolgsaussichten des Übernahmeversuchs noch so schlecht sind. Auf diese Weise könnten wirtschaftlich gesunde Gesellschaften regelrecht ausgelaugt werden. 2. Lösungen a) Beratungspflichten aa) Funktion Um ein reibungsloses und rasches Übernahmeverfahren zu gewährleisten, verpflichtete § 14 DiskE-WpÜG den Bieter noch, bei der Vorbereitung und Durchführung der Übernahme einen geeigneten Berater hinzuzuziehen. Zeitraubende und kostspielige Fehlentscheidungen des Bieters sollten so verhindert werden762. Die Pflicht entfiel, falls der Bieter ausreichende eigene Kenntnisse nachweisen konnte. Als geeignete Berater konnten Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Rechtsanwälte etc. in Betracht kommen, da diese über ausreichend Erfahrung bei der Durchführung von Übernahmeangeboten verfügten763. Sinn und Zweck einer obligatorischen Beratungspflicht ist es, dass sachverständige Dritte die Erfolgschancen des Übernahmevorhabens beurteilen und dem Bieter in Folge dessen von seinem Vorhaben ab- bzw. zuraten. Sollte die Durchführung desselben befürwortet werden, leisten die Berater dem Bieter Hilfestellung für eine zügige und gesetzeskonforme Abwicklung des Verfahrens. Das WpÜG stellt an ein korrektes Übernahmeverfahren vielfältige Anforderungen, die ein unerfahrener Bieter allein nur schwer vollständig übersehen kann. Hierzu zählen insbesondere die detaillierten 762 763

Begründung DiskE-WpÜG, Besonderer Teil, S. 108. Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1749.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Anforderungen an die Erstellung der Angebotsunterlage764, die diversen Mitteilungspflichten vor, während und nach Ablauf des Übernahmeverfahrens765, sowie die Einhaltung sämtlicher Fristen766 etc. Es wird mit der Beratungspflicht das Ziel eines raschen Verfahrens mit möglichst gering gehaltener Beeinträchtigung der Zielgesellschaft verfolgt. Sollten qualifizierte Berater von dem geplanten Übernahmevorhaben abraten, könnten somit bereits im Vorfeld unprofessionelle und wenig erfolgsversprechende Vorhaben unterbunden werden, die in nur unnützer und überflüssiger Weise die Zielgesellschaft behindern, den Markt beeinträchtigen und die Beteiligten verunsichern würden. Aber nicht nur die Zielgesellschaft sondern auch der Bieter selbst könnte durch die obligatorische Einschaltung von kompetenten Beratern vor Vermögensverlusten geschützt werden. Das WpÜG beinhaltet, wie gesagt, ein komplexes System zur Durchführung eines korrekten Übernahmeverfahrens. Führt der Bieter dieses nicht sachgemäß durch, so hat er mit Schadensersatzforderungen und Sanktionen auf Grund von Verstößen gegen die Übernahmeregeln zu rechnen767. Im Vorfeld ist das Ausmaß der Anforderungen für den Bieter nicht vollständig absehbar. Eine obligatorische Beratungspflicht könnte deshalb auch in seinem Interesse sein. Der Hinweis, dass die Hinzuziehung geeigneter Berater im wohl verstandenen eigenen Interesse der Beteiligten liegt768 und es diesen daher selbst überlassen sein muss, ob sie auf professionelle Beratung zurückgreifen, kann aber nicht überzeugen. Mit einem unüberlegten und mangelhaften Angebot schädigt sich der Bieter nämlich nicht ausschließlich selbst, sondern behindert insbesondere und überflüssiger Weise die Zielgesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit und löst unnötige Kursschwankungen der Wertpapiere derselben aus. Die professionelle Beratung des Bieters dient damit dem Schutz der Zielgesellschaft und des gesamten Kapitalmarktes und soll deshalb nicht zur freien Disposition des Bieters stehen. Wenn schließlich eine obligatorische Beratungspflicht eingeführt würde, könnte diese so weit ausgedehnt werden, dass der Berater auch zur Veröffentlichung seines Beratungsergebnisses, seiner Stellungnahmen oder Empfehlungen verpflichtet würde. So könnte ohne nennenswerten zusätz764 § 11 in Verbindung mit § 2 WpÜG-AVO; vgl. zu den bis dato häufig auftretenden Fehlern in diesem Bereich Lenz/Behnke, BKR 2003, 43, 45 f. 765 §§ 10 I S. 1, 14, 23. 766 §§ 14, 16. 767 Möllers, ZGR 2002, 664, 687; schadensersatzpflichtig macht sich der Bieter beispielsweise gem. § 12 I bei unrichtiger oder unvollständiger Erstellung der Angebotsunterlage. Siehe zu den Sanktionen wie öffentliche Rügen oder Geldbußen im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit, S. 80 f. 768 Liebscher, ZIP 2001, 853, 859, FN 39.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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lichen Aufwand, eine verbesserte Information der Aktionäre erreicht werden, indem eine zusätzliche, objektive Informations- und Entscheidungsgrundlage für die Aktionäre bereitgestellt wäre769. Zudem würden dem Gebiet von Übernahmeangeboten erfahrene Dienstleister zur Erstellung einer klar strukturierten, anlegerfreundlichen Angebotsunterlage beitragen, die alle relevanten Informationen bereit hält ohne unübersichtlich und schwer verständlich zu sein. bb) Diskussion Gegen die Beratungspflicht lässt sich vorbringen, dass sie für den Bieter das Übernahmeverfahren kostspieliger und aufwendiger werden lässt, da er zunächst einen geeigneten Berater finden muss. Dies bedeutet einen vehementen Eingriff in seine unternehmerische Handlungsfreiheit. Jedoch besteht die Möglichkeit für die Aufsichtsbehörde, den Bieter von der Beratungspflicht zu befreien, wenn er ausreichende Fachkunde zur Durchführung eines Übernahmeangebots vorweist. Kann er dies nicht, dient es auch seinem eigenen Schutz, wenn er zur Einholung kompetenten Rates verpflichtet ist. Daher kann darin keine unverhältnismäßig hohe Belastung des Bieters erkannt werden. Des Weiteren könnte das Argument der Verfahrensbeschleunigung ins Gegenteil verkehrt werden, wenn das Haftungsrisiko des Beraters in Betracht gezogen wird. Zunächst haftet der Berater gegenüber dem Bieter als seinem Auftraggeber aus Vertrag. Denkbar wäre, dass dieser Beratungsvertrag auch Schutzwirkung zugunsten der Aktionäre der Zielgesellschaft entfaltet770. Schwerer wiegt jedoch die mögliche Eigenhaftung des Beraters gegenüber den Aktionären gem. § 311 III BGB in Form der Berufshaftung auf Grund in besonderem Maße in Anspruch genommenen Vertrauens. Vor allem Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater könnten für unrichtige Testate, Gutachten oder Auskünfte gegenüber den Anlegern oder Kreditinstituten haften, die gerade auf Grund dieser Stellungnahmen eine Anlageentscheidung getroffen haben771. Der Berater könnte angesichts seiner besonderen beruflichen Position oder als Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen, sofern er durch sein nach außen erkennbares Mitwirken an der Durchführung des Übernahmeangebots und insbesondere an der Erstellung der Angebotsunterlage einen besonderen Vertrauenstatbestand schafft772. 769

Hopt in FS Koppensteiner, 2001, S. 78. Emmerich, MK, 2003, § 311 Rn. 229. 771 Emmerich, MK, 2003, § 311 Rn. 227. 772 Verwiesen werden kann hier auf die zum Verkaufsprospekt entwickelten Grundsätze, wonach für so genannte berufsmäßige Sachkenner in Fortführung des 770

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Gerade wenn das Beratungsergebnis veröffentlicht werden müsste, um den Aktionären eine zusätzliche objektive Entscheidungsgrundlage zu liefern, würde der Berater damit einen nach außen sichtbaren Vertrauenstatbestand schaffen, der seine Haftung begründet773. Dieses Haftungsrisiko des Beraters könnte ihn zu einem besonders sorgfältigen und zeitintensiven Beratungsaufwand veranlassen. Gerade die Veröffentlichung des Beratungsergebnisses würde er erst nach eingehender Prüfung vornehmen. Dies könnte zu einer erheblichen Verlangsamung des Übernahmeverfahrens führen. Wenn eine obligatorische Beratungspflicht nicht vorgeschrieben ist, dann wird sich ein Großteil der Bieter schon im eigenen Interesse für eine Beratung entscheiden. In diesen Fällen ist eine Verfahrensverlangsamung also ohnehin gegeben. Im Interesse der Kapitalmarktbeteiligten, die sich bei jedem einzelnen Übernahmeverfahren auf eine ordnungsgemäße Abwicklung verlassen wollen, ist es hinzunehmen, dass die obligatorische Beratung das Verfahren in einzelnen Fällen, in denen die Bieter auf ein Beratung verzichten würden, verlangsamen könnte. Zudem ist die Schaffung einer zusätzlichen objektiven Informationsgrundlage für die Aktionäre durch Veröffentlichung des Beratungsergebnisses zu begrüßen. Im Gegenzug muss der Nachteil des hierfür nötigen zusätzlichen Zeitaufwands hingenommen werden. Insbesondere mit Blick auf internationale Übernahmeregeln soll dem deutschen Gesetzgeber die Normierung einer Beratungspflicht empfohlen werden: Sowohl nach österreichischem und schweizerischem als auch eingeschränkt nach britischem Recht muss sich der Bieter im Zusammenhang mit Übernahmevorhaben beraten lassen. Der City Code fordert in Rule 3.2 zwar keine grundsätzliche Beratungspflicht des Bieters, jedoch muss er in bestimmten Fällen des Interessenkonflikts774 in Ziel- und Bietergesellschaft oder bei Abgabe eines reverse take-over offers unabhängigen Rat zur Vorbereitung des Angebots einholen. Eine grundsätzliche Beratungspflicht ist aber nur für die Zielgesellschaft vorgesehen (Rule 3.1)775. Eine unbedingte Gedankens einer Vertrauenshaftung eine Prospekthaftung begründet wird, siehe dazu Assmann, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1997, S. 276, 282; ders., Prospekthaftung, 1985, S. 245, 306; Schäfer in Schäfer, WpHG/BörsG/VerkProspG, 1999, §§ 44, 45 BörsG a. F. Rn. 55. 773 Auch Möllers verweist hier auf die Prospektverantwortlichkeit Dritter im Rahmen der Prospekthaftung, wenn der Berater seine Beratungsergebnisse in der Angebotsunterlage veröffentlicht, ZGR 2002, 668, 689. 774 Note 3 zu Rule 3.2, von einem „conflict of interests“ wird gesprochen, wenn erhebliche wechselseitige Beteiligungen in Ziel- und Bietergesellschaft bestehen, wenn Vorstandsmitglieder in Ziel- und Bietergesellschaft identisch sind oder wenn ein Anleger Mehrheitsaktionär in Ziel- und Bietergesellschaft ist. 775 Insofern nicht eindeutig Oechsler, NZG 2001, 817, 820; Hopt in FS Koppensteiner, 2001, S. 78.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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Beratungspflicht fordern dagegen der österreichische und schweizerische Gesetzgeber. Gem. § 9 I ÖÜbG muss der Bieter zu seiner Beratung während des gesamten Verfahrens einen hierfür geeigneten, von ihm unabhängigen Sachverständigen hinzuziehen. Dies soll der Verfahrensbeschleunigung und einem besseren Schutz der am Übernahmeverfahren beteiligten Parteien dienen776. Dieselbe Vorkehrung trifft der schweizerische Gesetzgeber gem. § 25 BHEG. Auch der Richtlinienvorschlag der Kommission von 1989/1990 sah die Vertretung des Bieters im Übernahmeverfahren durch eine für die Durchführung von Geschäften auf dem Kapitalmarkt der Gemeinschaft befähigte und zugelassene Person oder ein Kreditinstitut vor777. Begründet wurde diese Verpflichtung ebenfalls mit dem verbesserten Schutz der Beteiligten und der verbesserten Einhaltung der Richtlinienbestimmungen. Seit 1996 wurde der Übernahmerichtlinie allerdings der Charakter einer Rahmenrichtlinie verliehen, die von nun an auf derart detaillierte Bestimmungen verzichtet. In das WpÜG sollte deshalb erneut ein Beratungspflicht aufgenommen werden, wie sie ursprünglich in § 14 DiskE-WpÜG vorgesehen war778. Das WpÜG ist eine neue, unbekannte und dabei sehr komplexe Rechtsmaterie. Übernahmeverfahren stecken in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Bieter können die Anforderungen, die an ein korrektes Übernahmeverfahren gestellt werden, leicht unterschätzen. Dabei riskieren sie nicht nur eigene Verluste, sondern insbesondere auch die überflüssige Behinderung der Zielgesellschaft, die Schädigung der Angebotsadressaten und insgesamt die Beeinträchtigung des Kapitalmarktes. Eine das Übernahmeverfahren begleitende Beratung gewährleistet die korrekte Vornahme der einzelnen Verfahrensschritte. Sie verursacht eventuell einen verhältnismäßig geringen zeitlichen Mehraufwand, garantiert aber im Gegenzug die erforderliche Kompetenz auf Seiten des Bieters. Der Kapitalmarkt kann deshalb verstärkt auf die Durchführung ordnungsgemäßer Übernahmeverfahren vertrauen. Von vornherein zum Scheitern verurteilte Vorhaben können mit Hilfe der Berater frühzeitig aufgegeben werden, ohne die Zielgesellschaft unnötigen Belastungen auszusetzen.

776

Hausmaninger/Herbst, Kurzkommentar zum ÖÜbG, 1999, § 9 Rn. 1. Art. 9 RL-Vorschlag 1990, AblEG 1990 Nr. C 240 vom 26.9.1990. 778 So auch Hopt in FS Koppensteiner, 2001, S. 78; Oechsler, NZG 2001, 817, 820; Zinser, NZG 2001, 391, 394; Möllers, ZGR 2002, 664, 693. 777

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5. Teil: Die Bieterpflichten

b) Untersagung von offensichtlich missbräuchlichen Übernahmeangeboten Beabsichtigt der Bieter aber gerade die Behinderung der Zielgesellschaft und ist sich des erhöhten Risikos seines Übernahmevorhabens wohl bewusst, dann werden Berater ihn von diesem Vorhaben nicht abbringen können. Sicherlich wird ihm sein Ansinnen insofern erschwert als er geeignete Berater finden muss, die sein missbräuchliches Übernahmeangebot mittragen, das allein auf Schädigung der Zielgesellschaft ausgerichtet ist. Berater werden nur zurückhaltend mit ihrem guten Namen für die Beratung derart motivierter Übernahmevorhaben einstehen wollen. Wenn ein Berater den Bieter im Rahmen seiner Schädigungsabsicht beratend unterstützt, setzt er sich zudem Haftungsrisiken gegenüber der Zielgesellschaft und deren Aktionären aus779. Folglich kann die Beratungspflicht einen Beitrag leisten, um missbräuchliche Übernahmeversuche zu erschweren. Eine verlässliche Verhinderung derselben kann durch die Beratungspflicht jedoch nicht erzielt werden. Den entscheidenden Beitrag zur Verhinderung von Übernahmeangeboten, die allein auf die Schädigung der Zielgesellschaft gerichtet sind, muss daher die BAFin im Wege der allgemeinen Missstandsaufsicht gem. § 4 I leisten780. Vorgehen kann die BAFin auf dieser Grundlage gegen sogenannte „offensichtlich missbräuchliche“ Angebote des Bieters, welche einen Misstand im Sinne des § 4 I S. 2 darstellen781. Ein „offensichtlich missbräuchliches“ Angebot ist in erster Linie auf Schädigung der Zielgesellschaft gerichtet und liegt beispielsweise dann vor, wenn der Bieter die Angebotsunterlage verspätet zur Prüfung durch das Bundesaufsichtsamt einreicht bzw. auf anderer Weise versucht, die Dauer des Angebotsverfahrens künstlich zu verzögern oder das Angebot bloß zum Schein abgibt782. In diesen Fällen ist offensichtlich, dass es dem Bieter weniger auf die Durchführung des Übernahmeangebots und den Kontrollerwerb sondern vielmehr auf Beeinträchtigung der Zielgesellschaft ankommt. Die BAFin kann folglich das Angebot als offensichtlich missbräuchlich untersagen. In der Praxis hat die allgemeine Missstandsaufsicht im Sinne des § 4 I S. 2 bisher jedoch noch wenig Bedeutung erlangt783. Vielmehr konzentriert sich die Aufsichtstätigkeit noch hauptsächlich auf die formelle Überwachung 779 Dies zumindest gem. § 826 BGB; siehe zur Vertrauenshaftung aus früherer culpa in contrahendo, heute § 311 III schon oben S. 195. 780 Siehe oben S. 79. 781 Giesberts, KK-WpÜG, 2003, § 4 Rn. 17; Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 4 Rn. 5. 782 Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 33 Rn. 40. 783 Lenz/Linke, AG 2002, 361.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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von Angebotsverfahren. Der Schwerpunkt liegt insbesondere auf der Kontrolle diverser Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten und der Überprüfung der Angebotsunterlage784. Eine couragierte Aufgabenwahrnehmung des Bundesaufsichtsamtes auch in weniger griffigen Bereichen, die Ermessensentscheidungen notwendig werden lassen und unter Umständen leichter angreifbar sind, ist im Interesse der Herstellung fairer und geordneter Übernahmeverfahrens dringend erwünscht. Eine Gefährdung der Beteiligten wäre nicht zu befürchten, da Rechtsschutz gegen Entscheidungen der BAFin gewährleistet ist. Nur auf diesem Wege können mit der Zeit eine Abschreckungswirkung für Bieter mit Schädigungsabsicht erzielt und solche Vorhaben zurückgedrängt werden. Die BAFin sollte ähnlich ambitioniert wie ihr britisches Vorbild, der Takeover Panel in Übernahmeverfahren eingreifen, wenn sie die gegebene Notwendigkeit sieht. Der Panel ist auf Grund seiner schnellen, flexiblen und durchsetzbaren Entscheidungen nämlich maßgeblich am Erfolg des bewährten, übernahmerechtlichen Systems in Großbritannien beteiligt. Das wirkungsvolle Eingreifen des Aufsichtsorgans in Übernahmeverfahren ist für die Gewährleistung fairer und geordneter Verfahren unerlässlich. c) Sperrfrist für die Abgabe eines erneuten Übernahmeangebots aa) § 26 I Zum Schutz einer Zielgesellschaft, die bereits Ziel eines öffentlichen Übernahmeversuches war, ist in § 26 I eine einjährige Sperrfrist für die Abgabe eines erneuten Übernahmeversuchs vorgesehen. Damit wird dem in § 3 VI S. 2 niedergelegten Grundsatz Rechnung getragen, dass die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden soll785. Der Zielgesellschaft muss ausreichend Zeit gegeben werden, sich von der Beeinträchtigung durch den Übernahmeversuch zu erholen786. Der Bieter soll daran gehindert werden, durch wiederholte Übernahmeangebote die Zielgesellschaft planmäßig zu zermürben. Sein Interesse daran, nach kurzer Zeit einen erneuten Übernahmeversuch starten zu können, muss hinter dem Schutzbedürfnis der Zielgesellschaft zurückstehen. 784

Lenz/Linke, AG 2002, 361. Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 51; Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 26 Rn. 2. 786 So aus der britischen Literatur Farrar’s Company Law, 1991, S. 640 „This [that the offeror may not make another offer for the offeree during the next 12 months] can be of crucial importance to a company which has successfully resisted an unwelcome bind in securing a breathing space before the bidder returns.“ 785

200

5. Teil: Die Bieterpflichten

Gem. § 26 I ist ein erneutes Angebot während der Sperrfrist eines Jahres unzulässig, falls das Angebot gem. § 15 I oder II untersagt wurde oder wenn der Bieter ein Angebot von dem Erwerb eines Mindestanteils abhängig gemacht hat und dieser Mindestanteil nach Ablauf der Annahmefrist nicht erreicht wurde. Die Sanktion der Sperrfirst ist eine Ergänzung zum Untersagungsrecht der Aufsichtsbehörde gem. § 15 I, II, falls die Angebotsunterlage fehlerhaft war oder nicht ordnungsgemäß veröffentlicht wurde. § 26 I dient damit indirekt der Einhaltung der Vorschriften über die Angebotsabgabe gem. §§ 11, 14. Die Sperrfrist gilt gem. § 26 I S. 2 nicht, falls der Bieter gem. § 35 II S. 1 zu einem Angebot verpflichtet sein sollte. Außerdem kann das Bundesaufsichtsamt den Bieter von der Sperrfrist befreien, sofern die Zielgesellschaft zustimmt. Normzweck der Sperrfrist ist der Schutz der Zielgesellschaft vor weiteren Behinderungen. Es ist daher sachgerecht, die Einhaltung der Norm zur Disposition des Schutzbedürftigen, das heißt der Zielgesellschaft zu stellen787. Dem Bundesaufsichtsamt ist jedoch ein Ermessen eingeräumt, um der Gefahr missbräuchlichen Verhaltens bei der Zustimmung durch den Vorstand der Zielgesellschaft vorzubeugen788. bb) Kritik und Verbesserungsvorschläge (1) Erneutes Angebot durch mit dem Bieter zusammenwirkende Dritte Die Sperrfrist gem. § 26 I gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur für den Bieter selbst. Tochtergesellschaften und in Abstimmung mit dem Bieter handelnden Dritten ist ein wiederholtes Angebot folglich nicht untersagt. Dem Bieter wäre somit leicht die Umgehung der Sperrfrist möglich, indem er schlicht das Angebot durch eine 100%ige Tochter oder eine andere geeignete Person abgeben ließe789. Teilweise wird versucht im Wege der teleologischen Auslegung unter den Terminus „Angebot des Bieters“ im Sinne des § 26 I S. 1 auch solche Angebote zu fassen, bei denen zwar nicht der ursprüngliche Bieter formal Partei des Erwerbsvertrages wird, dieser aber faktisch das Angebot betreibt790. 787 Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 25 Rn. 18; siehe auch Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 51 f.; laut der Stellungnahme des DAV NZG 2001, 420, 426 geht es bei der Sperrfrist vorrangig um den Schutz der Zielgesellschaft und weniger um den Schutz des Kapitalmarktes. 788 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 52. 789 Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 26 Rn. 24; Wackerbarth in MKWpÜG, 2004, § 26 Rn. 17.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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Da das WpÜG aber für solche Fälle der Umgehungsversuche unter zu Hilfenahme Dritter gerade das Konzept der „gemeinsam handelnden Personen“ vorsieht791 und es im Falle des § 26 eben nicht verwendet, ist eine planwidrige Regelungslücke nur schwer zu begründen792. An vielerlei anderen Stellen bezeichnet das WpÜG nämlich sorgfältig den Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen und deren Tochterunternehmen als Normadressaten793. Schon das Rechtsstaatsprinzip und das Analogieverbot gem. Art. 103 II GG verbieten den willkürlichen Einbezug Dritter in den Adressatenkreis einer bestimmten Verhaltenspflicht. Nach geltender Rechtslage unterliegen mit dem Bieter zusammenwirkende Dritte nicht der Sperrfrist gem. § 26 I. Diskutiert werden könnte, ob als Auffangtatbestand für eine Untersagungsbefugnis eines solchen Angebots durch Dritte die Generalermächtigung des § 4 I S. 3 herangezogen werden könnte. Einerseits könnte sich ein solcher Rückgriff verbieten, weil § 26 als speziellere Norm die Anwendung der allgemeinen Norm der Missstandsaufsicht präkludieren würde794. Da § 26 aber gerade nicht für Dritte gilt, könnte sich der Vorrang des § 26 und seine Sperrwirkung für die allgemeinere Norm allein auf den Bieter selbst beziehen. Dritten könnte ein Angebot dann nach den Regeln der Missstandsaufsicht untersagt werden. Offensichtlich ist, dass – wenn überhaupt – nur unter einem erheblichen Begründungsaufwand eine Untersagungsermächtigung wiederholter Angebote durch mit dem Bieter zusammenwirkender Dritte hergeleitet werden kann. Zu fordern ist daher, dass der Gesetzgeber den Wortlaut des § 26 I nachbessert und die Sperrfrist auf mit dem Bieter gemeinsam handelnde Personen und deren Tochterunternehmen ausdehnt. Für den Schutz wirtschaftlich gesunder Zielgesellschaften, die durch wiederholte Übernahmeangebote nicht ausgezehrt werden sollen ist dies unerlässlich. Gestützt werden kann dieser Vorschlag durch den Seitenblick auf die parallele Regelung des City Codes. Auch hier gilt die Sperrfrist gem. Rule 35.1 (a) sowohl für Personen, die mit dem Bieter während des ursprünglichen Übernahmeangebots zusammen gearbeitet haben als auch für solche, die im Anschluss daran mit einer dieser Personen zusammen wirken. 790 Seydel, KK-WpÜG; 2003, § 26 Rn. 39; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 26 Rn. 4. 791 Siehe dazu oben S. 74. 792 Anderer Ansicht aber Seydel, KK-WpÜG, 2003, § 26 Rn. 39; ihm folgt auch Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 26 RN 18; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 26 Rn. 4 spricht von einem redaktionellen Versehen. 793 Siehe zu Beispielsfällen oben, S. 74. 794 Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 26 Rn. 24.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

(2) Grundsätzliche Sperrfrist bei Scheitern des Übernahmevorhabens Nach geltender Rechtslage ist der Bieter dann für eine erneute Angebotsabgabe gesperrt, wenn ihm das Angebot gem. § 15 untersagt wurde oder wenn er eine von ihm aufgenommene Mindesterwerbsschwelle verfehlt haben sollte. (a) Konsequenzen einer obligatorischen Mindesterwerbsschwelle Oben wurde die zwingende Aufnahme einer Mindesterwerbsschwelle, nämlich der effektiven Kontrollschwelle, im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote befürwortet. Diese Regelung macht auch im Hinblick des Schutzes der Zielgesellschaft vor wiederholter Belagerung Sinn. Bisher kann ein freiwilliges Übernahmeangebot so ausgestaltet sein, dass es nicht auf den Mindesterwerb einer bestimmten Beteiligungshöhe bedingt ist. Der Bieter könnte so mittels eines ersten Übernahmeversuchs einen wesentlichen Beteiligungssockel aufbauen, der ihm zwar noch nicht die endgültige Kontrolle vermittelt, aber eine gute Ausgangsbasis für den zweiten Übernahmeversuch liefert. Er könnte unbeschränkt erneute Übernahmeversuche starten795, um endgültig eine ausreichende Zahl von Anteilen zu erwerben, die ihm eine kontrollierende Beteiligung vermitteln. Es ist ihm nicht verwehrt mittels dieser Taktik die Zielgesellschaft vollends zu zermürben, bis er schließlich mit der Übernahme Erfolg hat. Dies ist eine bedenkliche Lücke der aktuellen Rechtslage. Angenommen der Bieter wäre bei jedem Übernahmeangebot verpflichtet, das Erreichen einer Mindesterwerbsschwelle in seinem Übernahmeangebot zur Bedingung zu machen. Wenn der Bieter diese obligatorische Mindesterwerbsschwelle verfehlt, dann würde er gem. § 26 I grundsätzlich für eine erneute Angebotsabgabe gesperrt. Führt ein Übernahmeangebot nicht zum Kontrollerwerb, dann hätte der Bieter vorerst seine Chance zur Kontrollübernahme mittels freiwilligen Übernahmeangebots vertan. Bevor er einen erneuten Versuch startet, müsste er der Zielgesellschaft ausreichend Zeit geben, um ihrer regelmäßigen Geschäftstätigkeit ungestört nachgehen zu können. Der Bieter dürfte also die Zielgesellschaft einmalig durch ein freiwilliges Übernahmeangebot angreifen. Entweder er hat Erfolg und übernimmt die Kontrolle oder aber er verfehlt den Kontrollwechsel und der Bieter ist für zwölf Monate für einen erneuten Angriff gesperrt. 795 In der Ausgestaltung der Konditionen würde er freilich bestimmten Beschränkungen angesichts seines ersten Übernahmeangebots unterliegen, siehe zur Konditionenbildung und der Relevanz von Vorerwerben hinten, S. 272.

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Dieselbe Logik liegt auch dem City Code zugrunde. Hier muss ein Übernahmeangebot bereits dann scheitern, wenn der Bieter damit nicht einen Anteilsbestand von 50% der Stimmrechte aufbauen kann796. In diesem Fall darf der Bieter kein erneutes Angebot innerhalb von zwölf Monaten abgeben, Rule 35.1 (a). Diese Regel ist Ausdruck des Gebots, dass ein Übernahmeangebot innerhalb von maximal 60 Tagen entweder zum Kontrollerwerb führen oder vollständig scheitern muss. Das Scheitern hat eine zwölfmonatige Abstandspflicht zur Folge. Ansonsten müsste die Zielgesellschaft überlange Kämpfe ausfechten und wäre unangemessen lange in ihrer Geschäftstätigkeit gehindert, was letztlich nur zum Schaden der Aktionäre wäre797. Die durch Übernahmeangebote veranlasste Behinderung ist scharf begrenzt und für die Zielgesellschaft deutlich absehbar. Um dieses Ergebnis auch im deutschen Recht zu erzielen, wird der obige Vorschlag bekräftigt, im WpÜG zwingend vorzuschreiben, dass jedes Übernahmeangebot auf den Erwerb der effektiven Kontrolle bedingt sein muss. (b) Konsequenzen sonstiger Scheiterungsgründe Die in § 26 I vorgesehenen Scheiterungsgründe, die eine Sperrfrist für den Bieter auslösen, könnten jedoch noch nicht weitreichend genug sein, um einen adäquaten Schutz der Zielgesellschaft zu gewährleisten: Das Scheitern eines Übernahmeangebots kann mannigfaltige Gründe haben. Beispielsweise könnte eine auflösende Bedingung eintreten bzw. eine aufschiebende Bedingung entfallen, wenn etwa die Hauptversammlung des Bieters die Zustimmung zum Übernahmeangebot verweigert.798 Oder aber die oben befürwortete Maximalfrist, bis zu deren Ablauf die Bedingung entweder eingetreten bzw. entfallen sein muss, wenn das Angebot nicht scheitern soll, könnte fruchtlos abgelaufen sein. Auch ist denkbar, dass die BAFin das Übernahmeangebot gem. § 4 I S. 3 untersagt hat799. Insbesondere in letzterem Fall, wenn der Bieter ein missbräuchliches Übernahmeangebot abgegeben hat, ist eine Sperrfrist für die Abgabe eines erneuten Übernahmeangebotes unbedingt zu befürworten. Der Bieter verdient hier keinerlei Interessenschutz. Eventuell könnte die Sperrfrist über ein Jahr ausgedehnt werden, um gleichzeitig der Maßnahme erhöhten Sanktionscharakter zu verleihen. Jedoch auch in den anderen Fällen, in denen ein Angebot ohne das Verschulden des Bieters scheitert, ist eine Sperrfrist 796

Siehe zu diesem Regelungskreis vorne S. 176 ff. Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 4-9001 ff. 798 Nicht gedacht wird hier an die Aufnahme einer Mindesterwerbsschwelle, da diese in § 26 I S. 2 bereits erwähnt ist. 799 Siehe oben S. 79. 797

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5. Teil: Die Bieterpflichten

zu begründen, um der Zielgesellschaft eine kurze Phase der Erholung zu gewähren. So normiert Rule 35.1 (a) grundsätzlich eine Sperrfirst von zwölf Monaten, wenn das Übernahmeangebot zwar angekündigt oder abgegeben wurde aber niemals zur Durchführung gelangte, es sei denn, der Panel ließe eine Ausnahme zu800. Diese Vorschrift macht Sinn: Tritt beispielsweise eine auflösende Bedingung ein oder läuft die vorgeschlagene Maximalfrist ab, so wäre es zweckwidrig, dem Bieter sogleich einen erneuten Übernahmeversuch zu gestatten. Die Maximalfrist würde vollends leer laufen, weil diese gerade eingeführt werden soll, um der Zielgesellschaft die maximale Dauer eines Belagerungszustandes zu garantieren, von welchem sie im Anschluss jedenfalls für einen Mindestzeitraum – eben die Dauer der Sperrfrist – befreit ist. Die Zielgesellschaft gerät bei der Durchführung von Übernahmeverfahren wie gesagt in eine Art „Opferrolle“, da sie sämtliche Beeinträchtigungen wehrlos hinnehmen muss. Sollen wirtschaftlich gesunde Zielgesellschaften nicht der Gefahr der vollständigen Zermürbung ausgesetzt werden, muss das Risiko des Bedingungseintritts bzw. -wegfalls bei Übernahmeangeboten insofern zu Lasten des Bieters gehen, als dieser beim Scheitern des Übernahmeangebots für einen Mindestzeitraum keine weiteren Übernahmeversuche durchführen darf. Dies ist gerechtfertigt, weil der Bieter den Übernahmeversuch initiiert, das Angebot ausgestaltet und sich dessen Erfolg verspricht. Weil der Bieter von einem Erfolg seines Übernahmevorhabens ausgeht, muss die Zielgesellschaft die damit verbundene Beeinträchtigung erdulden. Führt das Angebot aber nicht zum Erfolg, dann hat der Bieter zunächst seine Chance vertan, darf die Zielgesellschaft nicht unbegrenzt behindern und muss eine Sperre für die Abgabe erneuter Angebote hinnehmen. Deshalb sollte das WpÜG grundsätzlich bei einem Scheitern des Übernahmeangebots die Sperrfrist von einem Jahr zur Anwendung kommen lassen. (3) Sperrfrist bei Absichtsveröffentlichung und unterbliebener Angebotsabgabe Das britische Recht ist aber noch strenger. Schon allein, wenn der Bieter durch eine öffentliche Mitteilung Anlass zur Vermutung gibt, dass ein Übernahmeangebot bevorstehen könnte und im Folgenden aber keine feste Angebotsabsicht veröffentlicht, kann dem Bieter die zwölfmonatige Sperrfrist gem. Rule 35.1 (b) auferlegt werden. Diese Regelung wurde erst 1989 an800

Rule 35.1 Delay of 12 Months.

B. Verfahrensrechtliche Pflichten

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lässlich des Storehouse-Falles801 in den City Code inkorporiert. Herr Edelmann hatte hier vielfach in der Öffentlichkeit verkündet, er habe einen möglichen Bieter für Storehouse. Dennoch blieb die tatsächliche Abgabe eines Übernahmeangebots über sechs Monate lang ungewiss. Der Panel urteilte, dass die Aussagen von Herrn Edelmann die Wirkung hatten, den Vorstand von Storehouse zu behindern und ihn in seiner Geschäftsführung zu verunsichern. Storehouse befand sich damit in einer vergleichbaren Situation wie eine von einem tatsächlich abgegebenen Übernahmeangebot bedrohte Zielgesellschaft. Der Panel befand deshalb, dass Herr Edelmann, nachdem er Storehouse über einen verhältnismäßig langen Zeitraum behindert hatte, zwölf Monate lang von einer Angebotsabgabe absehen müsse. Tatsächlich entsteht allein schon durch die Vermutung über ein bevorstehendes Übernahmeangebot bzw. durch eine entsprechende Absichtsveröffentlichung gem. § 10 I S. 1 Unruhe am Kapitalmarkt. Die Börsenkurse der Papiere der Zielgesellschaft schwanken. Der Vorstand ist in seinem regelmäßigen Geschäftsablauf gestört und muss auf die Ereignisse reagieren. Da bereits in diesem Stadium eine Beeinträchtigung der Zielgesellschaft eintritt, entspricht die Erstreckung einer Angebotssperre des Bieters auf diese Fälle auch dem Normzweck des § 26802. Der Bieter würde zu einem sorgfältigen und planvollen Vorgehen gezwungen, da unüberlegte Äußerungen neben einer eventuellen Belegung mit einer Ordnungswidrigkeit803 auch die Sanktion der Angebotssperre nach sich ziehen könnten804. Das WpÜG soll den Tatbestand des § 26 I entsprechend ausdehnen, um die Kapitalmarktbeteiligten im Falle von Übernahmeangeboten in höchstem Maße zu einem besonnenen und wohlüberlegten Vorgehen zu motivieren und voreilige Äußerungen zu unterbinden. (4) Die Ausnahmeregel im Fall des Pflichtangebots Gem. § 26 I S. 3 gilt die Sperrfrist nicht, falls der Bieter zur Angebotsabgabe gem. § 35 II S. 1 verpflichtet ist. Es soll hierdurch verhindert werden, dass der durch die Regelung des Pflichtangebots beabsichtigte Schutz der Minderheitsaktionäre unterlaufen wird, wenn der Bieter nämlich während der Sperrfrist des § 26 I die Kontrollschwelle im Sinne des § 29 II 801 Siehe Statement des Panels zum Storehouse Fall vom 23.6.1989; dazu Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 13-0077. 802 Oechsler NZG 2001, 817, 820 spricht in diesen Fällen von einer für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte bedrohlichen Lücke im deutschen Recht. 803 Gem. § 60 I Nr. 2 a) in Verbindung mit § 14 I S. 1 handelt der Bieter ordnungswidrig, wenn er seine Absicht zur Angebotsabgabe gem. § 10 I S. 1 veröffentlicht, dann aber keine Angebotsunterlage gem. § 14 I S. 1 erstellt. 804 So für die britischen Regeln Zinser, RIW 2001, 481, 487.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

überschreitet. Es ist nicht sachgerecht, den Bieter in diesen Fällen vom Pflichtangebot zu befreien. Von der Angebotssperre in diesen Fällen eine Ausnahme zuzulassen, ist aber nicht die einzige Lösungsmöglichkeit. Beispielsweise untersagt der City Code gem. Rule 35.1 (ii) dem Bieter bereits jeglichen Erwerb von Papieren der Zielgesellschaft, der die Pflicht zur Angebotsabgabe gem. Rule 9 auslösen könnte. Dem Bieter ist es für die Dauer von zwölf Monaten verboten, den Kontrollerwerb in der Zielgesellschaft – sei es durch freiwillige Übernahmeangebote oder durch private Transaktionen – zu versuchen. Es muss erneut eine Abwägung statt finden zwischen dem Interesse der Zielgesellschaft an einer vom Bieter ungestörten Geschäftstätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg und dem Interesse des Bieters, so schnell als möglich die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erwerben. Einerseits ist die Zielgesellschaft auch durch die Abgabe eines Pflichtangebots in ihrer Geschäftstätigkeit behindert, denn auch hier ist der Vorstand gem. §§ 33 I, 39 in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt oder hat eine Stellungnahme gem. §§ 27 I, 39 abzugeben. Andererseits stellt das Pflichtangebot nur eine einmalige letzte Beeinträchtigung der Zielgesellschaft durch den Bieter dar, da dieser mittlerweile sein Ziel des Kontrollerwerbs erreicht hat. Das Pflichtangebot ist nicht Teil einer „Zermürbungs-Taktik“ der Zielgesellschaft. Die Zielgesellschaft wird nicht mehr von wiederholten Versuchen der Kontrollübernahme bedroht, gegen die sie sich zur Wehr setzen muss. Vielmehr hat der Kontrollwechsel endgültig statt gefunden und das Pflichtangebot ist nur noch Ausdruck dessen Abwicklung im Interesse der Minderheitsaktionäre. Daher ist es ein unverhältnismäßig hoher Eingriff in die Recht des Bieters, wenn dieser für die Dauer von zwölf Monaten von jeglicher Möglichkeit des Kontrollerwerbs in der Zielgesellschaft ausgeschlossen wird. Angenommen der Bieter will dringend und so schnell als möglich die Kontrolle über die Zielgesellschaft erwerben, weil er sich wirtschaftlich davon große Vorteile verspricht. Er könnte zunächst versucht sein, den Kontrollerwerb im Wege eines freiwilligen Übernahmeangebots zu vollziehen. Dieses Vorgehen ist für ihn vorteilhafter. So kann er hier beispielsweise Bedingungen aufnehmen805 und ist in der zeitlichen Abwicklung flexibler806. Scheitert er aber mit dem freiwilligen Übernahmeangebot, könnte er auf die zweite, weniger attraktive Möglichkeit des Kontrollerwerbs zurückgreifen. Er könnte einen Paketkauf tätigen, der ihm unmittelbar die Kontrolle vermittelt, das 805

Nicht so beim Pflichtangebot, siehe § 39, welcher ausdrücklich § 18 I ausnimmt. 806 Die Möglichkeit der Fristverlängerung gem. § 14 I S. 3 gilt nicht für Pflichtangebote. Siehe § 39.

C. Gleichbehandlungspflichten

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gesamte Übernahmevorhaben aber verteuert807. Wenn der Bieter stark an dem Kontrollerwerb in der Zielgesellschaft interessiert ist, wird er diesen Weg dennoch wählen. Er würde sich quasi für einen anderen Modus des Kontrollerwerbs entscheiden. Das Schutzbedürfnis der Zielgesellschaft kann es im Fall des Pflichtangebots nicht rechtfertigen, dem Bieter diese (Ausweich-)Option zu versagen, weil gerade eine wiederholte und dauerhafte Beeinträchtigung nicht zu befürchten ist.

C. Gleichbehandlungspflichten I. Voraberwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft unter Verheimlichung der Angebotsabsicht 1. Gefahren a) Kaufmotive des Bieters Der Bieter hat ein erhebliches Interesse daran, bereits vor Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht möglichst viele Wertpapiere der Zielgesellschaft zu erwerben. Mit Veröffentlichung der Angebotsabsicht ist nämlich regelmäßig ein Anstieg der Börsenkurse der Wertpapiere der Zielgesellschaft zu erwarten808. Der Bieter kündigt mit der Absichtsveröffentlichung an, dass er an der Kontrollerlangung in der Zielgesellschaft interessiert ist und dafür in Kürze einen über dem aktuellen Börsenkurs liegenden Preis bieten wird, um die entsprechende Zahl von Anteilen erwerben zu können. Er löst hiermit eine positive Erwartungshaltung des Marktes aus, veranlasst weitere Kapitalmarktteilnehmer in die Werte der Zielgesellschaft zu investieren und verursacht somit einen Anstieg der Börsenkurse der Zielgesellschaftsanteile. Je größer folglich die Zahl der Anteile, die er vor Bekanntgabe seiner Angebotsabsicht erwerben kann, desto geringer werden seine für den endgültigen Kontrollerwerb aufzubringenden Kosten im Wege des Übernahmeangebots sein809. Je größer sein Sockelbestand bei Abgabe des Angebots, desto wahrscheinlicher ist der Erfolg des gesamten Übernahmevorhabens. 807 Zur Ausdehnung der Paketzuschläge auf alle Beteiligten und zur Zulassung eines 15% Abschlags siehe S. 299 ff. 808 Schacht, Insiderhandelsverbot, 2002, S. 58 mit anschaulichem Beispiel der Übernahme der Mannesmann AG durch die Vodafone Airtouch plc; Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 76; Witt, Übernahme, 1998, S. 72. 809 Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 54; Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 244.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Im für den Bieter idealen Fall erwirbt er einen Anteilsbestand knapp unterhalb der ein Pflichtangebot auslösenden Schwelle. Im Anschluss daran führt er ein freiwilliges Übernahmeangebot durch, in welchem er nur auf den Erwerb einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Stimmrechten angewiesen ist, um damit den letzten Schritt zum vollständigen Kontrollerwerb zu vollziehen810. Mittels einer heimlich durchgeführten Bestandsvergrößerung behält sich der potentielle Bieter zudem die Möglichkeit vor, mit einem später auftretenden konkurrierenden Bieter nicht in einen Übernahmekampf treten zu müssen. Hätte der Erstbieter nämlich bereits öffentlich ein Übernahmeangebot abgegeben, ließe sich ein kostspieliger Übernahmekampf für beide Parteien nicht vermeiden. Hält er aber im Stillen seine Anteile für einen eventuellen Angriff bereit und erscheint ein konkurrierender Bieter mit einem lukrativen Angebot, kann sich der potentielle Bieter nach Abwägung der Kostensituation zwischen einem Verkauf seines Pakets im Zuge dieses Übernahmeangebots und der Abgabe eines eigenen konkurrierenden Angebots entscheiden. Für den Bieter hat ein Beteiligungserwerb in der Zielgesellschaft unter Verheimlichung seiner Übernahmepläne also nennenswerte Vorteile. Umgekehrt verursacht ein solches Vorgehen jedoch Gefahren für die übrigen Kapitalmarktteilnehmer. b) Ungleichbehandlung der Aktionäre aa) Benachteiligung der Aktionäre, die vor Absichtsveröffentlichung veräußerten Durch dieses Kaufverhalten verursacht der Bieter je nach Konstellation die Ungleichbehandlung von zwei Aktionärsgruppen. Auf der einen Seite stehen die Aktionäre, die ihre Anteile an den Bieter veräußern, während dieser noch seine Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots verheimlicht. Auf der anderen Seite stehen die Adressaten des Übernahmeangebots. Wie bereits erläutert hat die Veröffentlichung der Angebotsabsicht einen Anstieg des Börsenkurses der Wertpapiere der Zielgesellschaft zur Folge. Der Bieter ist daran interessiert, seine Angebotsabsicht möglichst spät zu veröffentlichen, um möglichst lange zum günstigeren Marktpreis die Wertpapiere der Zielgesellschaft erwerben zu können. Möglichst spät will der Bieter mit einem lukrativen Übernahmeangebot an die Öffentlichkeit gehen. Diejenigen Aktionäre, die ihre Anteile an den Bieter veräußern, während 810

Vgl. Schacht, Insiderhandelsverbot, 2002, S. 34 f.

C. Gleichbehandlungspflichten

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dieser seine Angebotsabsicht noch verheimlicht, sind gegenüber den Angebotsadressaten im Nachteil. Obwohl sie durch die Veräußerung ihrer Anteile ebenfalls zum Kontrollerwerb des Bieters im Zielunternehmen beitragen – wenn auch nicht wissentlich –, profitieren sie nicht von dem im Übernahmeangebot gewährten Aufpreis im Verhältnis zum Marktwert811. Im Ergebnis bedeutet dies die Ungleichbehandlung der zum Erfolg der Kontrollübernahme beitragenden Aktionäre812. bb) Benachteiligung der Angebotsadressaten (1) Anschleich-Taktik Eine Ungleichbehandlung der genannten Aktionärsgruppen ist aber auch im umgekehrten Fall denkbar. Der Bieter könnte die Taktik verfolgen, heimlich eine Beteiligungsquote knapp unterhalb der ein Pflichtangebot auslösenden Schwelle aufzubauen. Er könnte sich so unter Verdeckung seiner Übernahmeabsicht an die Zielgesellschaft heranschleichen, bis er nur noch um wenige Anteile von einem vollständigen Kontrollerwerb entfernt wäre. Das Gefangenendilemma würde sich in dieser Situation für die außenstehenden Aktionäre potenzieren813, weil diesen bewusst wäre, dass nur sehr wenige ihrer Mitaktionäre das Übernahmeangebot annehmen müssten, um dem Bieter den Kontrollerwerb zu ermöglichen und die restlichen Aktionäre einer unliebsamen Minderheitenposition auszusetzen. Diese Wahrscheinlichkeit wäre bei einer bereits bestehenden, sehr hohen Beteiligung des Bieters besonders groß. Wenn der Verkaufsdruck im Gefangenendilemma aber besonders hoch ist, dann kann der Bieter es sich erlauben, sein Übernahmeangebot mit relativ unattraktiven Konditionen auszustatten. Je höher das Risiko für die außenstehenden Aktionäre ist, in eine Minderheitenposition zu geraten, desto größer ist auch ihre Bereitschaft ein Preisrisiko einzugehen, das heißt ihre Anteile zu einem unangemessen niedrigen Preis im Übernahmeangebot zu veräußern. In dieser Konstellation werden die Adressaten des Übernahmeangebots schlechter behandelt als die vor Absichtsveröffentlichung Veräußernden. Der Bieter nutzt seine starke Stellung im Zuge der Kontrollübernahme, um die Aktionäre der Zielgesellschaft auszubeuten und sie ungleich zu behandeln.

811

Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 79. So auch Witt, Übernahme, 1998, S. 96; Beß, AG 1976, S. 206; Immenga, SAG 1975, 89, 99. 813 Siehe zum Gefangenendilemma allgemein oben S. 38 ff. 812

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5. Teil: Die Bieterpflichten

(2) Dawn-raid-Strategie Eine besondere Spielart des bedeutenden Beteiligungsaufbaus im Vorfeld der Veröffentlichung der Angebotsabsicht sind die aus dem britischen Recht bekannten, aber auch grundsätzlich am deutschen Kapitalmarkt denkbaren814, dawn raids815. Dawn raids bezeichnen den blitzartigen Erwerb einer erheblichen Anzahl von Wertpapieren einer börsennotierten Gesellschaft816. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise will der Bieter eine beträchtliche Beteiligung in der Zielgesellschaft in sehr kurzer Zeit aufbauen – freilich ohne die ein Pflichtangebot auslösende Schwelle zu überschreiten – um sich auf lange Sicht eine erfolgsversprechende Ausgangsbasis für den endgültigen Kontrollerwerb zu schaffen. Da der Bieter eine beträchtliche Anzahl von Wertpapieren der Zielgesellschaft innerhalb sehr kurzer Zeit erwerben will, wird er hierfür einen erheblich über dem Marktwert liegenden Preis bieten817. Weil dieser Erwerb innerhalb kürzester Zeit vollzogen wird, bleibt der Mehrzahl der Anleger der Zielgesellschaft zur Annahme dieses Kaufangebots keine Gelegenheit. Praktisch ist es allein den institutionellen Anlegern vorbehalten, von diesem Angebot zu profitieren818. Der Bieter konnte mit Hilfe des dawn raid seine Beteiligung ausbauen. In einem späteren Übernahmeangebot wird ihm auch ein weniger attraktiver Preis zum Kontrollerwerb verhelfen. Die im Zuge des dawn raid gewährte lukrative Gegenleistung bleibt der Mehrzahl der Anleger verwehrt. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist verletzt.

814 So auch Oechsler, NZG 2001, 817, 825, der die dawn-raid-Strategie jedoch insofern nicht zutreffend beschreibt als er die Aktionäre, die vorzeitig an den Bieter verkaufen als „überrumpelt“ bezeichnet und meint, diese würden zu einem niedrigen Preis (nämlich dem aktuellen Börsenkurs veräußern). Dies ist aber gerade nicht der Fall. Der Bieter kann sich von dem Blitzerwerb nur Erfolg versprechen, wenn er einen lukrativeren Preis bietet, siehe dazu S. 217 f. Zu dawn raids im deutschen Recht außerdem Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 54. 815 Siehe dazu Farrar’s Company Law, 1991, S. 642; Bradley (1986) 7 Comp Law 131, 132; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 779, Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 70. 816 Farrar’s Company Law, 1991, S. 642; siehe dazu Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 54. 817 Im Fall der Übernahme von Consolidated Gold Fields durch Anglo-American Corporations und De Beers Consolidated Mines lag der Preis bei Durchführung des dawn raid 18% über dem Marktpreis. Es gelang damit ein Erwerb von 11, 4% der Anteile von Consolidated Gold Fields, siehe Statement des Takeover Panel v. 9.5.1989, siehe Morse [1989] JBL 427; Farrar’s Company Law, 1991, S. 643. 818 Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 770.

C. Gleichbehandlungspflichten

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c) Insidergeschäfte, Gerüchte, Spekulationen Die Verheimlichung der Angebotsabsicht und Voraberwerb des Bieters sind jedoch nicht allein auf Grund der drohenden Ungleichbehandlung der Aktionäre bedenklich. Hinzu kommt in dieser Situation die Gefährdung des Kapitalmarktes durch auftretenden Insiderhandel, Gerüchte und Spekulationen. Bevorstehende Übernahmeangebote bieten ein klassisches Feld für den Insiderhandel819. Vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots ist die Gefahr des Missbrauchs von Spezialwissen besonders groß. Der Bieter arbeitet im Vorbereitungsstadium eines Übernahmeangebots typischer Weise mit einer Vielzahl von Dritten wie Beratern, Finanzdienstleistern, Anwälten etc. zusammen. Diese haben Kenntnis von den Plänen des Bieters. Ist der Bieter selbst ein Unternehmen, sind zumindest die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats über die Absichten informiert. Dieser informierte Kreis könnte seinen Vorsprung an Spezialwissen nutzen, um sich durch Ankäufe von Wertpapieren der Zielgesellschaft persönlich zu bereichern. Beispielsweise wäre es ein Leichtes, vor Veröffentlichung der Angebotsabsicht durch den Bieter Wertpapiere der Zielgesellschaft zum aktuellen Börsenpreis anzukaufen und die durch die Veröffentlichung der Übernahmeabsicht entstehenden Steigerungen des Börsenkurses mitzunehmen820. Leicht können sich zudem Gerüchte und Spekulationen über ein potentielles Übernahmeangebot am Markt verbreiten821. Diese werden genährt durch die unvorsichtige Weitergabe preissensibler Informationen, wie etwa Überlegungen zur Abgabe eines Übernahmeangebots oder auch durch gesteigerte Ankäufe seitens des Bieters oder informierter Dritter. Spekulationen um ein eventuell bevorstehendes Angebot lassen Unruhe am Kapitalmarkt entstehen. Schwankungen des Börsenkurses fördern die Nervosität der Anleger. Unsicherheit mag diese zu schnellen und unüberlegten Verkäufen veranlassen. Das Vertrauen in die Seriosität des Kapitalmarktes leidet822.

819 Übernahmeverfahren werden auch als „locus classicus“ des Insiderrechts bezeichnet, Davies, in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243; siehe auch Hopt, ZGR 2002, 333, 337; Witt, Übernahmen, 1998, S. 75. 820 Vgl. auch Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 244. 821 Witt, Übernahme, 1998, S. 75. 822 Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 78.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

d) Zusammenfassung Die unbeschränkte Zulassung von Wertpapierkäufen des Bieters unter Verheimlichung seiner Angebotsabsicht birgt zusammenfassend folgende Gefahren: Erstens werden diejenigen Aktionäre, die an den seine Übernahmeabsicht verheimlichenden Bieter veräußern, im Vergleich zu den späteren Angebotsadressaten ungleich behandelt, wenn der Preis des Übernahmeangebots den zuvor bezahlten Marktpreis übersteigt, was regelmäßig zu erwarten ist. Zweitens sind die Angebotsadressaten dann im Nachteil, wenn sich der Bieter erfolgreich an die Zielgesellschaft anschleichen konnte, das heißt, wenn ihm ein beträchtlicher Beteiligungsaufbau gelang. In diesem Fall konnte er nämlich das Gefangenendilemma der Angebotsadressaten vergrößern und wird mit einem Angebotspreis, der hinter den für die Vorerwerbe gewährten zurückbleibt, dennoch erfolgreich die Kontrolle im Zielunternehmen übernehmen können. Die Taktik der so genannten dawn raids verkörpert eine besondere Spielart des erheblichen Beteiligungsaufbaus, welche geeignet ist, erhöhten Verkaufsdruck für die verbleibenden Aktionäre aufzubauen und deren Benachteiligung verursacht. Voraberwerbe des Bieters unter Verheimlichung seiner Angebotsabsicht bewirken somit die Ungleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft, was sie in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger gefährdet. Ihr Vertrauen in den Kapitalmarkt wird beeinträchtigt. Folglich ist dessen institutionelle Funktionsfähigkeit bedroht. Die Sicherheit des Kapitalmarktes wird im Zuge von Voraberwerben unter Verheimlichung der Angebotsabsicht jedoch nicht nur durch die Ungleichbehandlung der Aktionäre gefährdet. Hinzu kommt in dieser Situation die erhöhte Gefahr des Informationenmissbrauchs bzw. der Verunsicherung des Kapitalmarktes durch Intransparenz. Der Insiderhandel lässt sich nur schwerlich kontrollieren, Gerüchte und Spekulationen verursachen Verunsicherung aller Kapitalmarktteilnehmer. Im Folgenden sollen Lösungen zur Beseitigung dieser Störungen der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und des Anlegerschutzes gesucht werden. Hergestellt werden soll insbesondere die Gleichbehandlung der Aktionäre. Zurückgedrängt werden müssen aber gleichzeitig auch Insiderhandel und Intransparenz am Kapitalmarkt.

C. Gleichbehandlungspflichten

213

2. Lösungsansätze Vorweg sei angemerkt, dass die Schlechterstellung der Angebotsadressaten im Vergleich zu den Zielgesellschaftsaktionären, die vor Absichtsveröffentlichung ihre Anteile veräußern, mittels Preisregeln für das Übernahmeangebot bekämpft werden kann. Der Bieter kann verpflichtet werden, das Übernahmeangebot mindestens mit solchen Konditionen auszustatten, wie er sie in einem bestimmten Vorangebotszeitraum den Zielgesellschaftsaktionären offeriert hat. Diese Möglichkeit und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten werden im nächsten Abschnitt ausführlich diskutiert823. Allerdings ist die Preisregel nicht geeignet, jegliche Ungleichbehandlung zu eliminieren, weil diese zwangsläufig an einen bestimmten Referenzzeitraum anknüpfen muss, in dem die relevanten Vorerwerbe getätigt wurden. Indem der Bieter seine Erwerbe außerhalb dieses Zeitraumes tätigt, kann er leicht diese Bestimmung umgehen. Der Ungleichbehandlung der Angebotsadressaten muss daher zusätzlich mittels eines alternativen Lösungsansatzes vorgebeugt werden. Nicht nur sind an die getätigten Ankäufe des Bieters Konsequenzen zu knüpfen – insofern als diese Mindestpreisschwellen für das Übernahmeangebot bilden. Vielmehr muss das freie Ankaufverhalten des Bieters reglementiert werden, um – wie bereits dargestellt – dessen Anschleichen an die Zielgesellschaft und die Verunsicherung des Kapitalmarktes zu vermeiden. Im Folgenden soll es allein um die Reglementierung des Ankaufverhaltens des Bieters gehen, bevor im nächsten Abschnitt dessen Beschränkung bei der Konditionenbildung diskutiert wird. a) Die deutsche Lösung: Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung der Angebotsabsicht Im deutschen Recht wird zur Lösung der aufgezählten Probleme die Pflicht des Bieters zur unverzüglichen Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht gem. § 10 I S. 1 normiert. Sobald der Übernahmeinteressent eine Entscheidung getroffen hat, ist er verpflichtet, seine Absichten unverzüglich, das heißt gem. § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern, der Öffentlichkeit mitzuteilen. Der Eintritt in dieses Übernahmeverfahren soll nicht im freien Ermessen des Bieters stehen.824. Mit Veröffentlichung der Angebotsabsicht ist das Übernahmeverfahren eröffnet, für welches ein straffer Zeitplan vorgegeben ist825. Zu ei823

Siehe S. 272 f. Zutreffend Liebscher, ZIP 2001, 853, 859; Thoma/Stöcker in Baums, WpÜG, 2004, § 10 Rn. 6. 824

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5. Teil: Die Bieterpflichten

ner Rücknahme der Übernahmeabsicht ist der Bieter nicht berechtigt, sondern er muss gem. § 14 I S. 1 binnen vier Wochen eine Angebotsunterlage erstellen. Ansonsten handelt er ordnungswidrig gem. § 60 I Nr. 2 a). Die Verfasser des § 10 I S. 1 beabsichtigen hiermit die oben aufgezeigten Probleme zu beseitigen, die bei Ankäufen des Bieters von Wertpapieren der Zielgesellschaft unter Verheimlichung seiner Übernahmeabsicht auftreten. Eine Verheimlichung ist nicht gestattet, stattdessen hat eine unverzügliche Information der Öffentlichkeit über die Pläne des Bieters zu erfolgen. Erstens soll damit eine Benachteiligung der Aktionäre unterbunden werden, die ihre Anteile an den Bieter veräußern, ohne von diesem über ein bevorstehendes und für sie attraktiveres Übernahmeangebot informiert zu sein826. Sie sollen davor bewahrt werden, ihre Anteile zu einem Zeitpunkt zu verkaufen, zu dem die bevorstehende Abgabe eines solchen Übernahmeangebots bereits feststeht. Dem Bieter ist es nicht erlaubt, im Stillen seine Übernahmeabsicht gefasst zu haben und am Markt weiterhin Anteile der Zielgesellschaft zu einem Preis zu erwerben, der hinter dem späteren Preis des Übernahmeangebots zurückbleibt. Die Gleichbehandlung der Aktionäre in diese Richtung soll sichergestellt werden. Folglich soll dem Bieter auch der schleichende Ausbau seiner Beteiligung an der Zielgesellschaft durch Wertpapierkäufe zum Marktpreis verwehrt werden, nachdem er seine Angebotsabsicht gefasst hat. Eine Verheimlichung derselben soll nicht länger zulässig sein. Die Öffentlichkeit am Kapitalmarkt ist von dem bevorstehenden Übernahmeangebot frühst möglich in Kenntnis zu setzten827. Da mit Veröffentlichung der Übernahmeabsicht die Börsenpreise der Zielgesellschaftspapiere ansteigen, ist ein Ankauf derselben außerhalb des Übernahmeangebots für den Bieter nicht länger lohnenswert. Ein heimliches Anschleichen des Bieters an die Zielgesellschaft zur Vorbereitung einer idealen Ausgangsbasis für die Abgabe eines Übernahmeangebots soll mit Hilfe von § 10 I S. 1 unmöglich gemacht werden828. Die Zielgesellschaft und ihre Aktionäre sollen nicht plötzlich durch einen Anteilseigner überrascht werden können, der unter Verdeckung seiner Übernahmeabsicht eine maßgebliche Beteiligung an der Zielgesellschaft aufgebaut hat und die außenstehenden Aktionäre mit einem anschließenden Über825 Thoma, NZG 2002, 105, 107; Assmann in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 10 Rn. 9; zur verfahrenseröffnenden Funktion der Absichtsveröffentlichung und dem Zeitplan bei Übernahmeverfahren siehe S. 139. 826 Tröger, DZWir 2002, 353, 357 spricht insoweit von „informationeller Gleichbehandlung“. 827 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 39; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 RN. 5. 828 Tröger, DZWir 2002, 353, 357.

C. Gleichbehandlungspflichten

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nahmeangebot in ein verstärktes Gefangenendilemma versetzt. Verhindert werden soll die Ausübung erhöhten Verkaufsdrucks durch einen Bieter, der sich heimlich in die Nähe des endgültigen Kontrollerwerbs manövriert hat. Drittens soll durch die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung der Angebotsabsicht auch ein Beteiligungsaufbau mit Hilfe sogenannter dawn raids unterbunden werden829. Muss der Bieter seine Übernahmeabsicht unverzüglich veröffentlichen, ist dieser Vorgehensweise der Boden entzogen. Der Marktpreis für die Papiere der Zielgesellschaft steigt mit Veröffentlichung der Angebotsabsicht an. Um im Wege eines Blitzerwerbs eine große Anzahl von Anteilen aufkaufen zu können, müsste der Bieter diesen gestiegenen Marktpreis in erheblichem Maße überbieten. Dies lohnt sich nicht länger. Sinnvoller ist die Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots an alle Aktionäre. Das WpÜG will damit das Ziel erreichen, die zur Ungleichbehandlung der Aktionäre beitragenden dawn raids zurückzudrängen. Auch dem vierten Problempunkt, nämlich der Gefährdung des Kapitalmarktes auf Grund verstärkten Insiderhandels und Bildung von Gerüchten und Spekulationen, soll mit Hilfe von § 10 I S. 1 entgegengewirkt werden. Die unverzügliche Veröffentlichungspflicht soll die frühzeitige Information der Öffentlichkeit über marktrelevante Daten gewährleisten und damit das Ausnutzen von Spezialwissen verhindern830. Indem der Bieter seinen Entschluss bezüglich der Abgabe eines Übernahmeangebots unverzüglich allen Marktteilnehmer mitteilen muss, verliert dieser seinen Charakter als Insiderinformation. Es soll ein präventiver Schutz vor Insiderhandel etabliert werden. Eine Ungleichgewichtslage auf Grund des Informationsvorsprungs einer bestimmten Gruppe von Anlegern ist zu beseitigen, indem die relevanten Tatsachen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Gerüchten und Spekulationen am Kapitalmarkt soll die Grundlage entzogen werden. Alle Marktteilnehmer sollen so früh als möglich über die gefasste Übernahmeabsicht unterrichtet werden. Die Phase der Unsicherheit am Kapitalmarkt ist so weit als möglich zu verkürzen. b) Das britische Lösungsmodell Der City Code kennt keine dem deutschen Recht vergleichbare Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung der Angebotsabsicht831. Stattdessen verlangt Rule 2.5 die Veröffentlichung der festen Angebotsabsicht dann, aber auch erst dann, wenn der Bieter restlos sicher ist, dass er in der Lage 829

Siehe zur Erklärung dieser Strategie oben S. 210. Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 39. 831 Siehe zu den Unterschieden auch Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 RN. 3 f; Thoma/Stöcker, Baums, WpÜG, 2004, § 10 Rn. 155 f. 830

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5. Teil: Die Bieterpflichten

ist und bleiben wird, das Angebot durchzuführen832. Im Folgenden ist deshalb zu analysieren, wie das britische Recht den oben erläuterten Gefahren für die Beteiligten am Übernahmeverfahren begegnet, die mit Ankäufen des Bieters von Wertpapieren der Zielgesellschaft unter Verheimlichung der Angebotsabsicht verbunden sind: aa) Kontinuierliche Meldepflichten bei Überschreitung bestimmter Beteiligungen Das britische Recht trifft Vorkehrungen gegen einen maßgeblichen Beteiligungsaufbau des Bieters im Stillen, welcher ihn einem endgültigen Kontrollerwerb sehr nahe bringen könnte. Um ein heimliches Anschleichen des Bieters an die Zielgesellschaft zu unterbinden, sind im britischen Recht strenge Aufdeckungs- und Registrierungspflichten für substantielle Beteiligungen am unbeschränkt stimmberechtigten Kapital von public companies verankert833. Ein Anteilseigner muss seiner Gesellschaft Meldung machen, sobald er eine stimmrechtsgewährende Beteiligung von 3% erwirbt, veräußert oder sich diese in irgendeiner Form verändert834. Verändert sich oberhalb der 3%-Schwelle die prozentuale Beteiligung des Bieters derart, dass eine andere Zahl vor dem Komma steht, hat ebenfalls eine Meldung zu erfolgen835. Die Offenlegung muss innerhalb von zwei Tagen ab Kenntnisnahme des Anteilseigners erfolgen836. Im Rahmen dieser Meldepflichten werden die Beteiligungen verwandter oder verbundener Personen zugerechnet837. 832 Rule 2.5 The announcement of a firm intention to make an offer: „The announcement of a firm intention to make an offer should be made only when an offeror has every reason to believe that it can and will continue to be able to implement the offer.“ 833 SS 198–220 CompAct 1985, s 134 CompAct 1989; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 483; Farrar’s Company Law, 1998, S. 611 f.; Stedman, Takeovers, 1993, S. 154 ff.; Prentice in Hommelhoff u. a., Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, 2001, S. 99, 111 ff.; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 69 f.; Roßkopf, Selbstregulierung, 2000, S. 179; Hopt, ZGR 2002, 333, 350 f.; Witt, Übernahme, 1998, S. 126. 834 S 198, 199 (2) CompAct 1985. 835 S 198 (1), 199 (5) (b), 200 (1) CompAct; siehe Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 70; nicht zutreffend Witt, Übernahme, 1998, S. 126, der von einer Veröffentlichungspflicht bei „Erhöhung des Stimmrechtsanteils über einen weiteren vollen Prozentpunkt hinaus“ ausgeht. In der Tat ist eine Mitteilung bereits erforderlich, wenn sich die Beteiligung des Anlegers von 3,9% auf 4,0% erhöht. 836 S 202 (1) CompAct 1985. 837 SS 204–208 CompAct 1985; siehe Prentice in Hommelhoff u. a., Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, 2001, S. 99, 112 f.; Diese System ist mit dem der Zurechnung von Stimmrechten im deutschen Recht gem. den harmonisierten § 30 WpÜG und § 22 WpHG vergleichbar.

C. Gleichbehandlungspflichten

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Diese Meldepflichten werden zwar dem allgemeinen Gesellschaftsrecht zugeordnet, zielen aber unter anderem auch darauf ab, in Übernahmeverfahren den Bestimmungen des City Codes Flankenschutz zu bieten. Sie erfüllen eine Warnfunktion für die Beteiligten des Kapitalmarktes, dass ein Anteilseigner bemüht ist, eine wesentliche Beteiligung an einem bestimmten Unternehmen aufzubauen838. Ein die Anleger und Zielgesellschaft gefährdendes Anschleichen des Bieters an die Zielgesellschaft unter Verheimlichung der Absicht zur Kontrollübernahme soll dadurch verhindert werden. Der Markt wird umgehend über jeglichen, noch so geringen, Beteiligungsaufbau in Kenntnis gesetzt. Damit wird der automatische Marktmechanismus aktiviert. Der Börsenpreis der betreffenden Papiere steigt, da sich auf Grund des schleichenden Beteiligungsaufbaus ein beabsichtigter Versuch des Kontrollerwerbs oder eines Übernahmeangebots für die Öffentlichkeit abzeichnet839. Werden beständig die Beteiligungsquoten eines Anlegers veröffentlicht und erhöht dieser kontinuierlich seine Nachfrage, sind seine Absichten deutlich abzulesen. Je mehr Anteile der Bieter am Markt ankauft, in desto höherem Maße werden die Börsenkurse derselben steigen. Der Aufbau einer maßgeblichen Beteiligung auf diesem Weg wird für den Bieter zu einem sehr teuren, nicht länger lohnenswerten Unterfangen. Die Gefahr wird damit gebannt, dass der Bieter heimlich zu einem verhältnismäßig günstigen Marktpreis eine so große Beteiligung aufbaut, dass er vom Kontrollerwerb nur noch um wenige Stimmrechtsanteile entfernt ist und aus dieser Position heraus durch Abgabe eines Übernahmeangebots die außenstehenden Aktionäre unter erhöhten Verkaufsdruck setzten könnte. Vielmehr gilt, dass der Bieter motiviert sein wird, möglichst schnell mit seinem Übernahmeangebot herauszukommen, statt bei Käufen am Markt steigende Preise als Gegenleistung gewähren zu müssen. Es macht für den Bieter keinen Sinn, unter Verheimlichung der Angebotsabsicht am Markt seine Beteiligung zu vergrößern, wobei er mit beständig steigenden Börsenkursen zu rechnen hat. Wirtschaftlich sinnvoller ist es für ihn, frühzeitig ein Übernahmeangebot abzugeben, in welchem er einen noch moderaten Börsenkurs angemessen überbieten kann. bb) Verlangsamung des rapiden Beteiligungsaufbaus Nicht beseitigen können die kontinuierlichen Meldepflichten des britischen Rechts jedoch die Gefahr der dawn raids840. Wenn der Bieter be838 839 840

Hopt, ZGR 2002, 333, 351. Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 259. Siehe dazu oben, S. 210.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

stimmte Beteiligungsschwellen überschreitet, so hat er innerhalb von zwei Tagen seiner Meldepflicht Folge zu leisten841, woraufhin die Gesellschaft ihrerseits diese Information unverzüglich veröffentlichen muss. Die Reaktion des Marktes auf diesen Beteiligungsaufbau muss sich naturgemäß um einige Tage verzögern. Die Meldepflichten können ihre gewünschte Wirkung der Warnung und Aktivierung des natürlichen Marktmechanismus nur erzielen, wenn der Beteiligungsaufbau schrittweise und langsam vonstatten geht. Mittels der dawn-raid-Strategie versucht der Bieter aber gerade in kürzester Zeit eine beträchtliche Beteiligung zu erwerben, indem er einen besonders attraktiven Preis offeriert. Im Fall der Übernahme von Consolidated Gold Fields erwarben Broker am Morgen des 12. Februar 1980 im Lauf nur weniger Minuten nach Öffnung der Börsen 11,4% der Gesellschaftsanteile indem sie einen Preis boten, der 18% über dem aktuellen Börsenpreis lag842. Die Meldepflichten des Companies Act verfehlten hier ihre Wirkung. Dem Markt blieb keine Zeit, auf den Beteiligungsaufbau zu reagieren. Um der Gefahr des massierten Anteilserwerbs innerhalb kürzester Zeit entgegenzuwirken, wurden deshalb vom Council for the Securities Industry die Rules Governing Substantial Acquisition of Shares (SARs)843 eingeführt. Ihr Ziel ist es insbesondere, die Gleichbehandlung der Aktionäre sicher zu stellen, indem die dawn-raid-Strategie unmöglich gemacht wird844. Gem. Rule 1 SAR ist der Erwerb von mehr als 10% der Stimmrechte innerhalb von sieben Tagen unzulässig, wenn dadurch eine Beteiligung von 15–30% erreicht wird. Der Bieter soll sich nicht mittels eines Blitzerwerbs der Kontrollschwelle des Zielunternehmens gefährlich nähern können845. Ausnahmen bestehen, falls der Bieter die Anteile von einem einzelnen Aktionär erwirbt und dies sein einziger Erwerb innerhalb von sieben Tagen ist 841

S 202 (1) CompAct 1985. Siehe dazu Statement des Takeover Panel vom 9.5.1989 in Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 13–0049; Morse, [1989] JBL 427; Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 779; Farrar’s Company Law, 1991, S. 643. 843 Das heißt Regelungen für den erheblichen Beteiligungserwerb in Unternehmen, siehe dazu oben S. 89 f. 844 Farrar’s Company Law, 1991, S. 643; Charlesworth/Morse, Compay Law, 1999, S. 617; Morse [1981] JBL 208; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 70. 845 Würde der Bieter dagegen die Kontrollschwelle von 30% durch den Blitzerwerb überschreiten, so hätte er unverzüglich ein Pflichtangebot an alle Aktionäre abzugeben. Die Konditionen desselben richten sich nach den Vorerwerben des Bieters, also den bei dem Blitzerwerb gewährten attraktiven Preisen, dazu unten. Der Bieter wird daher darauf bedacht sein, mittels der dawn-raid-Strategie eine Beteiligungsgröße zu erreichen, die hinter der 30%-Marke zurückbleibt. Die SARs verbieten aber gerade einen Blitzerwerb, der dem Bieter eine Beteiligungsquote zwischen 15–30% einbringt. 842

C. Gleichbehandlungspflichten

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oder wenn der Erwerb während eines öffentlichen Übernahmeangebots oder unmittelbar vor Veröffentlichung einer festen Absicht zur Abgabe eines solchen erfolgt. Die Ungleichbehandlung der Aktionäre im Wege der dawnraid-Strategie wird durch die Regelungen der SARs unterbunden. cc) Pre-bid-announcements Meldepflichten über den Beteiligungsaufbau und zeitliche Kauflimitierungen sind also geeignet, der Ungleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft entgegenzuwirken und somit deren Vertrauen in die Seriosität des Kapitalmarktes zu schützen. Nicht gebannt ist damit jedoch das erhöhte Risiko des Informationsmissbrauchs bzw. der Verunsicherung des Kapitalmarktes infolge verstärkter Intransparenz im Vorfeld eines Übernahmeangebots. Nach dem City Code ist der Bieter gerade nicht verpflichtet, die Öffentlichkeit am Kapitalmarkt unverzüglich von seiner Übernahmeabsicht in Kenntnis zu setzen. Es ist ihm gestattet, im Vorfeld Vorbereitungshandlungen wie Analysen, Berechnungen und Beratungen durchzuführen. Auch darf er unter Verheimlichung seiner Angebotsabsicht Anteile der Zielgesellschaft am Markt erwerben846. Diese Zeitspanne vor Veröffentlichung der Angebotsabsicht ist eine sehr kritische Phase für die Sicherheit des Kapitalmarkts, da die Gefahr von Insiderhandlungen nicht berechtigter Dritter und der Entstehung von Unsicherheit auf Grund aufkommender Gerüchte und Spekulationen besonders hoch ist. Gegen diese Gefährdungen der Kapitalmarktsicherheit geht der City Code vor, indem es einen Katalog objektiver Kriterien bereithält, deren Vorliegen sogenannte pre-bid-announcements847 durch den Bieter erforderlich macht. Mit dieser Vorankündigung hat der Bieter den aktuellen Stand seiner Planung offen zu legen, wie weit beispielsweise seine Erwägungen zur Abgabe eines Angebots gediehen sind oder dass er in Verhandlungen mit der Zielgesellschaft steht848. Der Beginn des Übernahmeverfahrens 846 Denn auch das britische Insiderrecht untersagt ihm nicht einen solchen Voraberwerb, siehe Criminal Justice Act 1993 Part V, section 52 und Schedule 1, par 3. Das Insiderhandelsverbot ist nicht auf den Erwerb des Bieters von Wertpapieren der Zielgesellschaft anwendbar, auch wenn dieser seine Übernahmeabsicht bereits gefaßt hat. Vgl. Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 244 ff.; zum deutschen Insiderrecht siehe S. 227 f. 847 Rule 2.2, siehe Hill in Butterworths Corporate Law Service, Corporate Transactions, Rn. 7.51 ff.; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4047, Rn. 4-3019 ff. 848 Rule 2.4 The announcement of a possible offer: „. . . until a firm intention to make an offer has been notified a brief announcement that talks are taking place or

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5. Teil: Die Bieterpflichten

wird mit dem pre-bid-announcement jedoch nicht eingeläutet. Erst die Veröffentlichung der festen Angebotsabsicht gem. Rule 2.5 löst das formale Angebotsverfahren aus. Der Bieter bleibt Herr des Beginns des Übernahmeverfahrens. Rule 2.2 soll insbesondere die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes gewährleisten. Ein pre-bid-announcement durch den Bieter ist daher zwingend, wenn absehbar ist, dass sich die Verhandlungen und Beratungen bezüglich des Übernahmeangebots über einen eng beschränkten Personenkreis hinaus ausdehnen849. Zum eng beschränkten Personenkreis zählen die Personen, die in den betroffenen Gesellschaften notwendigerweise von den Vorgängen Kenntnis haben müssen und deren unmittelbare Berater. Mit dieser Vorschrift leistet der City Code präventiven Schutz vor Insiderhandel. Weitere Vorkehrungen gegen eventuellen Insiderhandel in der sensiblen Phase bis zur Veröffentlichung der Angebotsabsicht trifft der City Code zudem gem. Rule 4.1, worin er Dritten den Handel in Wertpapieren der Zielgesellschaft und die Weitergabe entsprechender Informationen untersagt850. Er gibt hier die Wertung des britischen Insiderrechts wieder851 und verleiht dieser eine übernahmerechtliche Ausgestaltung. Der Bieter ist von diesem Handelsverbot ausdrücklich ausgenommen852. Den Schutz des Kapitalmarktes bezweckt auch Rule 2.2 (d). Ein pre-bidannouncement des Bieters ist erforderlich, sobald über die Zielgesellschaft that a potential offeror is considering making an offer will normally satisfy the obligation under this rule.“; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4049, Rn. 4-3022; siehe dazu Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002. § 10 Rn. 12. 849 Rule 2.2. (e) „An announcement is required, when negotiaitons or discussions are about to extend to include more than a very restricted number of people (outside those who need to know in the companies concerned an their immediate advisers)“. 850 Rule 4: Prohibited Dealings before and during the offer: 4.1 By persons other than the offeror: (a) „No dealings of any kind in the securities of the offeree company by any person, not being the offeror, who is privy to confidential price-sensitive information concerning an offer or contemplated offer may take place between the time when there is reason to suppose that an approach or an offer is contemplated an the announcement of the approach of offer or of the termination of the discussions. (b) No person privy to such information may make any recommendation to any other person at to dealing in the relevant securities. (c) No such dealings may take place in the securities of the offeror except the proposed offer is not price-sensitive in relation to such securities.“ 851 Criminal Jusitice Act 1993, Part V, section 52 f.; siehe S. 92. 852 Allerdings wurde der Bieter in den frühsten Fassungen des City Codes noch in dieses Erwerbsverbot mit einbezogen (Rule 30 City Code 1969). In der Version vom Februar 1972 wurde der Bieter erstmals ausdrücklich ausgenommen. Siehe dazu Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 245.

C. Gleichbehandlungspflichten

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Gerüchte und Spekulationen im Umlauf sind, deren Börsenkurs deshalb heftigen Schwankungen unterliegt und vernünftiger Weise darauf geschlossen werden kann, dass die Handlungen des potentiellen Bieters ursächlich hierfür waren853. Einer Verunsicherung der Kapitalmarktbeteiligten auf Grund unbestätigter Gerüchte und Spekulationen wird auf diese Weise abgeholfen. Der Katalog objektiver Merkmale in Rule 2.2, die den Bieter zu einer Vorankündigung eines eventuell bevorstehenden Angebots veranlassen, erfüllt eine Schutzfunktion der Kapitalmarktbeteiligten im Vorfeld eines Übernahmeangebots. Sowohl der bei Übernahmeverfahren typischerweise hohen Gefahr von Insiderhandlungen als auch der Entstehung von Gerüchten und Spekulationen wird damit wirksam entgegengetreten. dd) Geheimhaltungspflicht Um durch verstärkte Intransparenz aufkommender Unsicherheit am Kapitalmarkt vorzubeugen, normiert Rule 2.1 des City Codes zudem eine übernahmespezifische Geheimhaltungspflicht. Alle Personen, die über vertrauliche und insbesondere über preissensible Informationen im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot verfügen, müssen darüber strenge Geheimhaltung wahren854. Die Information über ein bevorstehendes Übernahmeangebot darf durch den Bieter nur weitergegeben werden, wenn es zwingend erforderlich ist und wenn der Informationsempfänger auf die Notwendigkeit der Geheimhaltung hingewiesen wurde. Jede Person, die im Besitz vertraulicher Information ist, muss dazu beitragen, das Risiko eines unbeabsichtigten Informationsflusses zu minimieren.

853 Siehe rule 2.2. (d) „An announcement is required when before an approach has been made, the offeree company is the subject of rumour and speculation or there is an untoward movement in ist share price an there are reasonable grounds for concluding that it is the potential offeror’s actions (whether through inadequate security, purchasing of offeree company shares or otherwise) which have led to the situation.“ 854 Rule 2.1 Secrecy: „The vital importance of absolute secrecy before an announcement must be emphasised. All persons privy to price sensitive information, concerning an offer or contemplated offer must treat that information as secret an may only pass it to another person if it is necessary to do so an if that person is made aware of the need for secrecy. All such persons must conduct themselves so as to minimise the chances of an accidental leak of information“. Siehe Hill in Butteworths Law Service, Corporate Transactions, Rn. 7.36; Weinberg/Blank, ON Takeovers and Mergers, 1999, S. 4046 f. Rn. 4-3018 f.; Hopt ZGR 2002, 333, 335.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

ee) Zusammenfassende Stellungnahme zum britischen Lösungsmodell Das britische Recht bietet ein ausgefeiltes System, um den Gefahren zu begegnen, die mit Ankäufen des potentiellen Bieters von Wertpapieren der Zielgesellschaft unter Verheimlichung seiner bereits gefassten Angebotsabsicht verbunden sind. Erstens wird der Bieter durch eng gesetzte Meldepflichten daran gehindert, sich heimlich an die Zielgesellschaft heranzuschleichen und unbemerkt eine beträchtliche Beteiligung aufzubauen. Mittels ständiger Information über anwachsende Beteiligungen wird der natürliche Marktmechanismus aktiviert. Um den kontinuierlichen Anstieg der Börsenkurse der Zielgesellschaft zu verhindern, hat der Bieter ein Interesse, frühzeitig mit einem öffentlichen Übernahmeangebot herauszukommen. Zweitens wird der Gefahr der dawn raids mittels zeitlicher Kauflimitierungen begegnet. Innerhalb einer bestimmten Zeitspanne darf nur der Beteiligungserwerb in einer bestimmten Größenordnung erfolgen. Drittens wird der Gefahr des Informationsmissbrauchs und der Verunsicherung des Kapitalmarktes durch Intransparenz begegnet, indem bei Vorliegen bestimmter objektiver Tatbestandsmerkmale pre-bid-announcements bezüglich des Übernahmeangebots gefordert werden. Erforderlich werden derartige Vorankündigungen etwa im Falle der Vergrößerung des Kreises der informierten Personen oder bei aufkommenden Schwankungen der Börsenkurse der Zielgesellschaft auf Grund von Gerüchten oder Spekulationen. Im Gegensatz zum deutschen Recht wird vom britischen Gesetzgeber allerdings das Problem nicht gelöst, dass diejenigen Aktionäre, die ihre Anteile an einen seine Angebotsabsicht verheimlichenden Bieter veräußern, im Vergleich zu den späteren Angebotsadressaten benachteiligte werden könnten. Da eine sofortige Veröffentlichung der Angebotsabsicht nicht gefordert wird, ist es dem Bieter im britischen Recht grundsätzlich gestattet, Wertpapiere der Zielgesellschaft am Markt zu erwerben und dabei seinen bereits gefassten Entschluss zur Abgabe eines Übernahmeangebots zu verheimlichen. Insofern wird eine Ungleichbehandlung derjenigen Aktionäre, die vor Veröffentlichung der Absichten des Bieters ihre Anteile veräußern und der späteren Adressaten des Übernahmeangebots toleriert. Allerdings wird dieser Ungleichbehandlung durch den Bieter insofern entgegengewirkt als die strengen Veröffentlichungspflichten eine deutliche Signalwirkung für den Kapitalmarkt entfalten. Der Bieter hat über einen steigenden Beteiligungsaufbau sofort zu informieren, was einen Kursanstieg der Zielgesellschaftspapiere zur Folge hat. Durch diesen Mechanismus wird die Gefahr zurückgedrängt, dass eine Vielzahl von Aktionären in Unkenntnis von der bestehenden Übernahmeabsicht ihre Anteile zu billig veräußert. Im Ergebnis

C. Gleichbehandlungspflichten

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wird die Ungleichbehandlung zwar grundsätzlich nicht untersagt, jedoch mit Hilfe der Veröffentlichungspflichten deutlich beschränkt855. Im Folgenden sind das deutsche und das britische Lösungsmodell gegeneinander abzuwägen. 3. Bewertung a) Stärkere Beschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit des Bieters im deutschen Recht aa) Unterschiedliche Reichweite der Beschränkung nach dem WpÜG und dem City Code Das deutsche Recht zwingt den Bieter zur unverzüglichen Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht. Ihm soll keinerlei Spielraum überlassen bleiben, in welchem er dieses Vorhaben geheim halten und eventuelle Vorbereitungshandlungen treffen könnte, bevor er in das Übernahmeverfahren eintritt und hierin zur Angebotsabgabe gezwungen wird. Insbesondere will das deutsche Recht dem Bieter keinerlei Ankäufe von Wertpapieren der Zielgesellschaft gestatten, während er für sich im Stillen bereits seine Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots getroffen hat. Der Entzug dieser Möglichkeit bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Dispositions- und unternehmerische Handlungsfreiheit des Bieters856. Für den Bieter ist es wirtschaftlich sehr attraktiv, Wertpapiere der Zielgesellschaft zu erwerben, bevor er mit seiner Übernahmeabsicht an die Öffentlichkeit geht. Da mit Bekanntgabe des Übernahmeangebot ein Kursanstieg der Zielgesellschaftspapiere zu erwarten ist, will er seine Übernahmeabsicht möglichst lange geheim halten und seine Beteiligungsquote im Zielunternehmen durch Ankäufe am Markt zu einem von der Information der Übernahmeabsicht unbeeinflussten Preis erhöhen. Ist der Bieter gem. § 10 I S. 1 jedoch zur unverzüglichen Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht verpflichtet, wird er dieser Möglichkeit vollends beraubt. Dies beschränkt ihn erheblich in der Verfolgung seiner unternehmerischen Interessen. Im Vergleich dazu sind die britischen Übernahmeregeln liberaler, da dem Bieter hier die unverzügliche Veröffentlichung seiner Pläne nicht abverlangt 855

Siehe zum Zusammenspiel der beiden Mechanismen Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 256 ff., 261. Die Freiheit des Bieters, unbeschränkt einen Anteilsbestand im Zielunternehmen als Ausgangsposition für ein Übernahmeverfahren aufzubauen, ist grundsätzlich gegeben, wird aber faktisch durch die Meldepflichten erheblich eingeschränkt. 856 Vgl. Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 244.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

wird. Er ist prinzipiell berechtigt diese geheim zu halten857. Der City Code verlangt sogar vom Bieter, seine Pläne erst dann der Öffentlichkeit bekannt zu geben, wenn er vollständig sicher ist, dass er das beabsichtigte Übernahmeangebot auch durchführen kann858. Der City Code fordert den Gang an die Öffentlichkeit damit zu einem späteren Zeitpunkt als das deutsche Recht. Nicht die frühste Entscheidung über das „Ob“ der Angebotsabgabe muss veröffentlicht werden, sondern es darf zunächst die Übernahmeabsicht gefasst werden und anschließen dürfen entsprechende Vorbereitungshandlungen vorgenommen werden, die sicherstellen sollen, dass die Pläne auch realisierbar sind. Dass dem Bieter im britischen Recht ein größerer Spielraum für eventuelle Vorbereitungen eingeräumt wird, ist auch schon daran ersichtlich, dass die Veröffentlichung der firm intention to make an offer bereits detaillierte Informationen über die Angebotskonditionen, die jeweiligen Bedingungen etc. enthalten muss859. Im deutschen Recht wird das gerade nicht verlangt, weil der Gesetzgeber einsieht, dass zu diesem frühen Zeitpunkt der Veröffentlichung über das „Ob“ des Angebots der Bieter diese Ausarbeitung noch nicht hat vornehmen können860. Folglich gestehen die britischen Übernahmeregeln während dieser Phase vor Veröffentlichung der firm intention dem Bieter auch Ankäufe von Wertpapieren der Zielgesellschaft unter Verheimlichung der frühen Entscheidung über das „Ob“ der Übernahme zu. Der Bieter kann beispielsweise detaillierte Kalkulationen zur Errechnung der zu offerierenden Angebotskonditionen anstellen und in dieser Zeit nach und nach weitere Papiere der Zielgesellschaft am Markt erwerben. Im britischen Recht ist der Bieter in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit weitaus weniger eingeschränkt als nach dem WpÜG. Es fragt sich, wie sich die nachhaltige Beschränkung der Bieterrechte im deutschen Recht im Vergleich zur britischen Rechtslage aus zwingenden Gründen rechtfertigen lassen könnte.

857 Eine Ausnahme von dieser Berechtigung zur Geheimhaltung gilt freilich bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale, die ein „pre bid announcement“ gem. Rule 2.2 erforderlich machen. Siehe oben S. 219 ff. 858 Rule 2.5 (a). 859 Siehe Rule 2.5 (b). 860 So hält es der deutsche Gesetzgeber für denkbar, dass im Rahmen der Veröffentlichung gem. § 10 I S. 1 nicht einmal die „Eckdaten“ des beabsichtigten Angebots bekannt gegeben werden, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 40.

C. Gleichbehandlungspflichten

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bb) Strikte Gleichbehandlung der Aktionäre als Rechtfertigungsgrund Es wurde bereits angesprochen, dass der grundlegende Wertungsunterschied der deutschen und britischen Rechtsordnung darin besteht, dass nach deutschem Recht keinerlei Ungleichbehandlung derjenigen Aktionäre, die ihre Anteile an den seine Angebotsabsicht verheimlichenden Bieter veräußern, toleriert wird, im britischen Recht diese dagegen grundsätzlich zulässig ist, eventuell aber anhand strenger Meldepflichten faktisch eingedämmt werden kann861. Bei der Abwägung beider Lösungsmodelle ist daher zu diskutieren, ob die strikte Gleichbehandlung der Aktionäre in dieser Konstellation zur Gewährleistung eines fairen und geordneten Übernahmeverfahrens unter Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und des Anlegerschutzes zwingend erforderlich ist. (1) Die insiderrechtliche Wertung (a) Bedeutung der insiderrechtlichen Wertung Um eine rechtspolitische Stellungnahme darüber abzugeben, ob der Bieter zu Wertpapierkäufen der Zielgesellschaft am Markt unter Verheimlichung seines bevorstehenden Übernahmeangebots berechtigt sein soll, auch wenn er hierdurch die Ungleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft bewirkt, könnte ein Seitenblick auf die Wertungen des Insiderrechts hilfreich sein. Kritisiert werden könnte an einem solchen Vorgehen des Bieters, dass er seinen Wissensvorsprung über das bevorstehende Angebot absichtlich geheim hält, um die Zielgesellschaftsaktionäre zur Veräußerung ihrer Anteile zu einem Zeitpunkt zu bewegen, zu dem der Wertpapierkurs noch verhältnismäßig niedrig ist. Der Bieter ist im Besitz einer Information, die, hätten die übrigen Kapitalmarktteilnehmer Kenntnis von ihr, zu einem veränderten Kaufverhalten führen würde. Dem Bieter könnte vorgeworfen werden, dass er unter Ausnutzung dieser nur ihm bekannten Tatsache vorteilhafte Wertpapiergeschäfte durchführt, die ihm nicht möglich wären, wenn auch die übrigen Kapitalmarktteilnehmer Kenntnis von ihr hätten. Eben das unberechtigte Ausnutzen von Spezialwissen am Kapitalmarkt soll durch das Insiderrecht unterbunden werden. Hauptanliegen der Insiderregeln ist es, den Missbrauch eines Informationsvorsprungs am Kapital861

Siehe oben S. 222 ff.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

markt zu verhindern, damit nicht einige wenige von ihren Spezialkenntnissen auf Kosten der Mehrheit der Anleger profitieren. Die Insiderregeln sollen weitest gehende Chancengleichheit der Investoren am Kapitalmarkt gewährleisten und das Vertrauen in die Aktie als Kapitalanlage erhalten862. Ebenso wie die Übernahmeregeln bezwecken auch die insiderrechtlichen Vorschriften des WpHG den Schutz des Vertrauens des Anlegerpublikums in eine ordnungsgemäße Abwicklung von Wertpapiergeschäften. Dieses schutzwürdige Vertrauen der Anleger gründet sich insbesondere auf die Zusicherung, dass sie gleich behandelt werden und somit gegen unrechtmäßige Verwendung von Insiderinformationen geschützt sind863. Es könnte somit gerade auch zum funktionalen Zuständigkeitsbereich der Insiderregeln zählen, den Erwerb von Zielgesellschaftsanteilen durch den Bieter unter Verheimlichung seiner Übernahmeabsicht zu unterbinden, um eine Übervorteilung der Anleger, die über eine relevante Information gerade nicht verfügen, zu verhindern. Auf der Basis insiderrechtlicher Grundsätze ist die Frage zu beantworten, ob der Bieter im Übernahmeverfahren zu Unrecht seinen Wissensvorsprung ausnutzt, wenn er seine Angebotsabsicht zunächst verheimlicht, um Wertpapiere der Zielgesellschaft noch zu einem moderaten Preis erwerben zu können und ob nach insiderrechtlichem Verständnis ein den Kapitalmarkt gefährdendes Verhalten vorliegen würde. Würde das Insiderrecht die Wertung treffen, dass Ankäufe des Bieters ohne Veröffentlichung seiner Übernahmeabsicht zu einer unrechtmäßigen Übervorteilung der übrigen Marktteilnehmer führen, welche ihm durch den unzulässigen Missbrauch seines Spezialwissens möglich ist, so würde das Übernahmerecht durch die Normierung einer unverzüglichen Veröffentlichungspflicht gem. § 10 I S. 1 lediglich die Wertung des Insiderrechts auf das Übernahmerecht übertragen und diesen eine übernahmespezifische Ausgestaltung verleihen. Das Verbot der Ungleichbehandlung der Zielgesellschaftsaktionäre durch den Bieter wäre dann bereits im Insiderrecht verankert und hätte durch das Übernahmerecht nur eine speziellere Ausformung erhalten. Rechtspolitisch könnten keine Bedenken erhoben werden. Würde das Insiderrecht jedoch ausdrücklich die Ankäufe des Bieters nach Entschlussfassung gestatten und damit die Ungleichbehandlung der Aktionäre erlauben, so könnte das übernahmerechtliche Verbot derselben auf einem rechtlichen Wertungsfehler und Inkonsequenz des Gesetzgebers beruhen. Wenn das Insiderrecht, welches die 862

Zur Megede in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1997, S. 505; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 16.61. 863 Begründung des Regierungsentwurfs des 2. FFG, BT-Drs. 12/6679, S. 33; 5. Erwägungsgrund der EG-Insiderrichtlinie, Abl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30; Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, vor § 12 Rn. 40; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 16.62.

C. Gleichbehandlungspflichten

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spezielle Zielsetzung hat, den Missbrauch von Spezialwissen zu unterbinden, gerade die genannten Ankäufe gestattet, könnten allein übernahmespezifische Faktoren, wie etwa spezielle Gefährdungslagen bei Übernahmeangeboten etc. eine entgegengesetzte Wertung rechtfertigen. (b) Prüfung des Insiderhandelsverbots für den Bieter Zu prüfen ist, ob es sich bei der Übernahmeabsicht um eine Insiderinformation gem. § 13 WpHG handelt und der Bieter nach seiner Entschlussfassung dem Verbot von Insidergeschäften gem. § 14 I Nr. 1 WpHG unterliegt. Das Wertpapierhandelsgesetz wurde durch das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes mit Wirkung zum 30.10.2004 geändert864. Es sollte damit der europarechtlichen Marktmissbrauchsrichtlinie865 Rechnung getragen werden. Insbesondere betroffen sind die Regelungen der Insidergeschäfte und der Ad-hoc-Publizität. Gem. § 13 I WpHG gilt als Insiderinformation jede konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen. Grundsätzlich könnte die Tatsache eines geplanten Übernahmeangebots hierunter fallen. Es herrscht jedoch Einigkeit, dass der Bieter auch nach der neuen Rechtslage nicht unter Verwendung einer Insiderinformation handelt, wenn er am Markt Anteile der Zielgesellschaft erwirbt und dabei seine Übernahmeabsicht bereits gefasst hat866. Unter altem Recht war bereits allgemeine Ansicht, dass Unternehmen oder Personen, die ein Übernahmeangebot abgeben wollen bzw. ein anderes Unternehmen erwerben oder sich an einem solchen beteiligen wollen in Bezug auf diese Vorhaben nicht als Insider zu betrachten sind867. Wer durch Ankäufe eine solche unternehmerische Entscheidung realisiert, handelt nicht unter „Ausnutzen“ seiner Kenntnis von der beabsichtigten Wertpapiertransaktion, sondern in Ausführung der von ihm getroffenen Entscheidung868. So nutzt derjenige, der den Entschluss zur Abgabe eines Übernahmeangebots gefasst hat und in Vorbereitung die864

BGBl. I 2004, S. 2630. ABl EG Nr. L 96, S. 16 vom 12.04.2003. 866 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 646; Ziemons, NZG 2004, 537, 539. 867 Assmann, AG 1994, 237, 252; Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 14 Rn. 31 ff, 81 c; zur Megede in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1997, S. 511; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 3 Rn. 37. 868 Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. FFG, BT-Drs. 12/6679, S. 47; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 16.168; Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 14 Rn. 81. 865

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5. Teil: Die Bieterpflichten

ser Transaktion Wertpapierkäufe der Zielgesellschaft tätigt, keine Insiderinformation aus, sondern handelt in Ausführung seines Plans des Kontrollerwerbs869. Die Tatsache, dass § 14 WpHG nunmehr nicht mehr vom Ausnutzen sondern von der Verwendung einer Insiderinformation spricht und damit das Insiderhandelsverbot grundsätzlich ausdehnt, ändert an dieser Sichtweise nichts. Seine eigene Erwerbsentscheidung auszuführen bedeutet nicht eine Insiderinformation zu verwenden870. Dies bestätigt auch die Marktmissbrauchsrichtlinie in ihrem dreißigsten Erwägungsgrund, welcher eine bedeutende Auslegungshilfe für das deutsche WpHG ist. Da nämlich einem Erwerb oder einer Veräußerung von Finanzinstrumenten notwendigerweise eine entsprechende Entscheidung einer Person vorausgehen muss, die erwirbt oder veräußert, sollte die Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung als solche nicht als Verwendung von Insiderinformation gelten871. Der Aufkauf von Wertpapieren der Zielgesellschaft durch den Bieter nach der Entscheidung über die Abgabe eines Übernahmeangebots und vor dessen Bekanntgabe ist insiderrechtlich also zulässig872. Das Insiderrecht gestattet ihm Ankäufe von Wertpapieren der Zielgesellschaft auch dann, wenn er seinen Entschluss zur Angebotsabgabe im Stillen bereits gefasst hat. Unter dem Aspekt des verbotenen Insiderhandels, ist es dem Bieter selbst also ausdrücklich gestattet, Ankäufe von Wertpapieren der Zielgesellschaft zu unternehmen. Es wird darin kein verbotener Missbrauch von Spezialwissen, keine unzulässige Ausnutzung eines Wissensvorsprungs und keine unerwünschte Ungleichbehandlung der Kapitalmarktanleger gesehen. Das deutsche Insiderrecht trifft damit eine im internationalen Vergleich nahezu einheitliche Wertung873.

869 Ganz herrschende Meinung, siehe grundlegend Assmann, AG 1994, 237, 253; wieder bestätigt in AG 2002, 114, 117; Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 14 Rn. 81 c; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 54; Schäfer in Schäfer, WpHG/BörsG/VerkProspG, 1999, § 14 Rn. 74; Hopt, ZGR 1991, 17, 37 f.; ders. in FS Heinsius, 1991, S. 289, 296. 870 So auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 646. 871 Siehe Richtlinie 2003/6/EG vom 28.01.2003 (Marktmissbrauchsrichtlinie), Erwägungsgrund (30). 872 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 Rn. 6; im Ergebnis zustimmend Schacht, Insiderhandelsverbot, 2002, S. 166 ff., jedoch mit abweichender Begründung, siehe S. 161 f. 873 Zur britischen Rechtslage bereits oben FN 854; Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing 1991, S. 243, 248.

C. Gleichbehandlungspflichten

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(2) Zulässigkeit einer abweichenden Wertung des Übernahmerechts (a) Übernahmespezifische Gefahrenlage Die Wertungen des Insiderrechts müssen nicht denknotwendig mit denen des Übernahmerechts identisch sein. Das Übernahmerecht regelt den speziellen Fall des Wertpapiererwerbs durch öffentliches Übernahmeangebot. Übernahmespezifische Faktoren könnten spezifische Gefahren- oder Interessenlagen im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten begründen und daher eine entgegengesetzte Wertung des Übernahmerechts rechtfertigen. Aus Gründen der „guten Ordnung von Übernahmeverfahren“ und dem daraus resultierenden Erfordernis der Gleichbehandlung der Aktionäre, könnte es für das Übernahmerecht notwendig sein, in Abweichung vom Insiderrecht dem Bieter Wertpapierkäufe der Zielgesellschaft unter Verheimlichung seiner Angebotsabsicht zu untersagen874. Erstens sind die Aktionäre bei Übernahmeversuchen der Zielgesellschaft besonderen Gefahren ausgesetzt. Gerade hier existieren unterschiedliche Mechanismen, die einem Bieter die Ausbeutung der Aktionäre ermöglichen. Die unausgewogene Kräfteverteilung zwischen dem Bieter als dominantem Vertragspartner einerseits und den durch das Gefangenendilemma bedrohten und durch das Koordinationsproblem geschwächten Aktionären andererseits muss durch entsprechende übernahmespezifische Rechtsregeln ausgeglichen werden, damit sich der Bieter nicht auf Kosten der außenstehenden Aktionäre bereichern kann. Dem Bieter muss ein Missbrauch seiner dominierenden Stellung untersagt und er muss zur fairen Behandlung der Aktionäre verpflichtet werden. Wenn der Bieter nun Anteile der Zielgesellschaft erwirbt und dabei die Veräußerer über sein bevorstehendes Übernahmeangebot absichtlich im Unklaren lässt, könnte eine gezielte Ausbeutung dieser Verkäufer vorliegen. Weil der Bieter sie nicht informiert hat, schlossen sie ein ungünstigeres Geschäft ab als sie es bei Kenntnis von den Übernahmeplänen getan hätten. Der Anleger fühlt sich von dem das Geschehen dominierenden Bieter übervorteilt. Die Aktionäre könnten es als unfair empfinden, wenn der Bieter seine Pläne zurückhalten darf, zum unverändert gebliebenen Marktpreis Anteile aufkaufen kann und somit quasi auf Kosten der Aktionäre den Kontrollerwerb im Übernahmeangebot für sich vergünstigt. Eine Teilhabe an der Kontrollprämie könnte allen Aktionären zustehen. Eine solche Ausbeutung der unwissenden Aktionäre kann nur verhindert werden, indem der 874 Angedeutet wird das Erfordernis einer unterschiedlichen Wertungsweise von Insiderrecht und Übernahmerecht auch von Assmann, AG 1994, 237, 253.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Bieter zur sofortigen Veröffentlichung seiner Pläne gezwungen wird. Eine Gleichbehandlung der Aktionäre könnte nur durch deren sofortige und damit gleiche Information sicher gestellt sein. Um ein faires Übernahmeverfahren sicherzustellen, könnte es dem Bieter untersagt sein, den Wissensvorsprung über sein bevorstehendes Übernahmeverbot zu verheimlichen. Das Erfordernis der Gleichbehandlung der vor Absichtsveröffentlichung veräußernden Aktionäre lässt sich jedoch nicht anhand der dominierenden Stellung des Bieters im Übernahmeverfahren rechtfertigen. Bevor der Bieter sich nicht als solcher zu erkennen gegeben hat, nimmt dieser nämlich gerade noch keine dominierende Stellung im Übernahmeverfahren ein. Bevor er mit seiner Übernahmeabsicht nicht herausgekommen ist, können sich die mit Übernahmeangeboten verbundenen Gefahren für die Aktionäre nicht entfalten. Es liegt keine ungleiche Kräfteverteilung zwischen Bieter und Aktionäre vor, die von den Übernahmeregeln zu korrigieren wäre. Zu diesem Zeitpunkt stehen sich Bieter und Aktionär als gleichrangige Verhandlungspartner gegenüber, die für sich den best möglichen Vertragsabschluss erzielen wollen. Die jeweiligen Aktionäre veräußern ihre Anteile an den Bieter freiwillig auf der Grundlage einer rationalen, unbeeinflussten Deinvestitionsentscheidung. Als Teilnehmer am Kapitalmarkt müssen sich die Aktionäre der Tatsache bewusst sein, dass ihre Anlage ökonomischen Risiken und Chancen ausgesetzt ist. Zum Beispiel können unternehmenspolitische Entscheidungen stets die Börsenkurse beeinflussen. Das gibt dem Anleger dennoch kein Recht auf voll umfänglichen Einblick in die Unternehmenspolitik. Plant eine Gesellschaft zum Beispiel eine gewinnversprechende Investition oder erlebt ein Pharmaunternehmen einen Forschungserfolg, werden die Börsenkurse mit Veröffentlichung dieser Information ansteigen. Beispielsweise aus Wettbewerbsgründen werden diese sensiblen Tatsachen nicht sofort der Öffentlichkeit mitgeteilt. Der einzelne Aktionär kann keine vollständige Offenlegung der für das Unternehmen relevanten Tatsachen erwarten. Hat der Aktionär in den Beispielsfällen am Vortag seine Anteile an diesem Unternehmen verkauft und somit die Gewinnmitnahme verpasst, so realisiert sich hierdurch nur sein persönliches Risiko der Anlage am Kapitalmarkt. Er trifft die Deinvestitiosentscheidung freiwillig, weil ihm der Verkauf günstig erscheint. Dasselbe muss dann für die Information über die Angebotsabsicht des Bieters gelten. Wenn die Aktionäre ihre Anteile an einen Bieter verkaufen, der seine Übernahmeabsicht vorläufig noch geheim hält, dann liegt keine unfaire Behandlung im Übernahmeverfahren vor, sondern es realisiert sich nur das natürliche Risiko eines Aktionärs, nicht über sämtliche Entwicklungen am Kapitalmarkt informiert zu sein.

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(b) Schaffung von Investitionsanreizen am Kapitalmarkt Allerdings ist unzweifelhaft, dass die Attraktivität der Anlageformen am Kapitalmarkt erhöht werden könnte, wenn einer Vielzahl der Aktionäre die Prämienmitnahme im Falle von Übernahmeangeboten ermöglicht werden könnte. Übernahmeversuche werden sich im Zuge der Globalisierung der internationalen Märkte und deren zunehmenden Verschmelzung mehren. Sie werden als Mittel der Kontrolltransaktion immer größere Bedeutung erlangen. Finden Übernahmeangebote am Kapitalmarkt in Deutschland aber mit einer verstärkten Regelmäßigkeit statt, so könnte die Attraktivität dieses Marktes für Kapitalanleger deutlich erhöht werden, wenn mit jedem Übernahmeangebot die Chance zur Prämienmitnahme eröffnet werden würde. Würde also eine strikte Gleichbehandlungspflicht aller Zielgesellschaftsaktionäre bei Übernahmeangeboten normiert, so könnte ein Motivationsund Antriebsfaktor zur Geldanlage am Kapitalmarkt geschaffen werden. An dieser Überlegung zeigt sich, dass im Übernahmerecht unterschiedliche Wertungen im Vergleich zum Insiderrecht zulässig sein können875. Selbst wenn der Bieter insiderrechtlich unbeschränkt zu Ankäufen von Wertpapieren der Zielgesellschaft unter Geheimhaltung seiner Übernahmeabsicht berechtigt wäre, könnte sich aus (übernahme-)rechtspolitischen Überlegungen ein anderes Ergebnis für das Übernahmerecht rechtfertigen lassen. Das Phänomen der Übernahmeangebote ist ein im deutschen Recht relativ unbekanntes Vorkommnis. Es kann durch den Gesetzgeber die Chance genutzt werden, mit der Ausgestaltung der Abwicklung derselben rechtspolitische Ziele umzusetzen. Die Stärkung des Kapitalmarktes Deutschland ist eines der vorrangigen. Allerdings ist zu beachten, dass auch die Bieter als Initiatoren von Übernahmeversuchen Teilnehmer am Kapitalmarkt sind und gerade gegensätzliche Interessen wie die Kapitalanleger verfolgen. Je mehr Anreize für Kapitalanleger geschaffen werden, desto stärker werden im Gegenzug die potentiellen Bieter belastet und demotiviert. Es ist aber Aufgabe der Übernahmeregeln, einen fairen Interessenausgleich aller Beteiligter an Übernahmeverfahren herzustellen, ohne Unternehmensübernahmen zu fördern, jedoch auch ohne diese zu behindern. Angesichts dieser Überlegungen ist das britische dem deutschen Lösungsmodell vorzuziehen. Zwar ist in Großbritannien die genannte Ungleichbehandlung prinzipiell nicht untersagt, jedoch sind dieser insofern Grenzen gesetzt, als die genannten, eng gesetzten Meldepflichten den Bieter zu einer 875 So wird gerade die Ungleichbehandlung der Aktionäre bei öffentlichen Angeboten Problemstellung als Problem des Übernahmerechts und nicht des Insiderrechts eingeordnet, Hopt, ZGR 2002, 697, 702.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

frühzeitigen Veröffentlichung seiner Absichten veranlassen werden. In welchem Maße die Ungleichbehandlung toleriert wird, kann dabei leicht mit Hilfe der Höhe der Meldeschwellen oder der zeitlichen Frist für die erforderliche Meldung gesteuert werden876. Das deutsche Lösungsmodell ist dagegen zu strikt, wenn es eine unverzügliche Veröffentlichungspflicht des Bieters fordert und diesen jeglicher Disposition im Bezug auf die Bekanntgabe seiner Absichten beraubt. Im Ergebnis kann die in § 10 I S. 1 normierte unverzügliche Veröffentlichungspflicht der Angebotsabsicht durch den Bieter nicht dadurch gerechtfertig werden, dass sie im Interesse der Gleichbehandlung der Aktionäre zwingend erforderlich ist. Stattdessen könnte mit Hilfe eng gesetzter Meldeschwellen als milderes Mittel ein interessengerechteres Ergebnis erzielt werden. cc) Beseitigung der Gefahr des heimlichen Beteiligungsaufbaus als Rechtfertigungsgrund Die unverzügliche Veröffentlichungspflicht der Angebotsabsicht und die damit verbundene Beschränkung der Bieterrechte könnte sich dadurch rechtfertigen lassen, dass sie einem Anschleichen des Bieters an die Zielgesellschaft vorbeugen will877. Muss der Bieter seine Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots unverzüglich veröffentlichen, ist ihm ein heimlicher Beteiligungsaufbau nicht mehr möglich. Jedoch ist die Normierung der unverzüglichen Veröffentlichungspflicht hierfür ein unverhältnismäßig hartes Mittel. Der Bieter wird in seiner Dispositionsfreiheit vollkommen eingeschränkt. Wie es vom britischen Recht vorgeführt wird, kann dem heimlichen Aufbau einer erheblichen Beteiligung erfolgreich durch erhöhte Meldepflichten über die Veränderung der Beteiligungsquote begegnet werden. Diese Meldepflichten erfüllen eine Warnfunktion für die Zielgesellschaft und deren Aktionäre. Sie machen offensichtlich, dass ein Anleger versucht ist, eine einflussreiche Stellung zu erwerben. Angesichts dieser Signale, die durch die Meldepflicht an die Öffentlichkeit am Kapitalmarkt ausgesandt werden, ist dem Bieter ein heimliches Anschleichen an die Zielgesellschaft faktisch nicht möglich. Um der besonderen Spielart des massierten Beteiligungsaufbaus, den so genannten dawn raids878, erfolgreich zu begegnen, sieht das britische Recht zeitliche Kauflimitierungen vor, die den Kapitalmarktteilnehmern den Anteilsaufbau in einem Unternehmen nur in langsamen Schritten erlauben. 876 877 878

Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243, 263. Siehe oben S. 209. Siehe oben S. 210.

C. Gleichbehandlungspflichten

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Die beiden Instrumente der Meldepflichten und der zeitlichen Kauflimitierungen erlauben dem Bieter die Disposition seines Kaufverhaltens in einem bestimmten, beschränkten Umfang. Sie sind daher das mildere Mittel, um einen heimlichen Beteiligungsaufbau zu unterbinden. Eine weitergehende Beschränkung der Bieterrechte, wie in § 10 I S. 1 vorgesehen, ist unter diesem Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt. dd) Beseitigung von Informationsmissbrauch und Intransparenz als Rechtfertigungsgrund Im Vorfeld von Übernahmeverfahren besteht zum einen das erhöhte Risiko von Insiderhandlungen durch informierte Dritte879. Zum anderer erhöht sich die Gefahr der Entstehung von Spekulationen und Übernahmegerüchten, je länger der Bieter seine Absichten geheim hält, aber bereits entsprechende Vorbereitungshandlungen unternimmt. § 10 I S. 1 will gegen die Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes einen präventiven Schutz bieten, indem von vornherein eine Verheimlichung der marktrelevanten Tatsache eines bevorstehenden Übernahmeangebots untersagt ist. So begründet auch der deutsche Gesetzgeber die Vorschrift des § 10 I damit, dass die Öffentlichkeit frühzeitig über marktrelevante Daten informiert werden soll, um damit das Ausnutzen von Spezialwissen zu verhindern880. Durch Normierung einer sofortigen Veröffentlichungspflicht wird dieser Form des Missbrauchs radikal der Boden entzogen. Weder Dritte noch der Bieter selbst sollen die Möglichkeit haben, von ihrem Spezialwissen auf Kosten der Anleger zu profitieren. Ebenso verlangt auch der aktuelle Entwurf der Übernahmerichtlinie, den Bieter zu einer möglichst frühen Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht zu verpflichten, um der Gefahr des Insiderhandels wirksam vorzubeugen881. Zugleich wird der Entstehung von Gerüchten und Spekulationen frühestmöglich vorgebeugt, indem die unverzügliche Veröffentlichung der Pläne des Bieters gefordert wird. Das alternative Lösungsmodell des City Codes könnte in seiner Wirksamkeit hinter der deutschen Regel, welche die Anforderungen des europäischen Gesetzgebers korrekt umsetzt, zurückbleiben. Der Bieter hat eine Vorankündigung seines Angebots zu machen, sobald sich der informierte Personenkreis über eine beschränkte Personenzahl hinaus ausdehnt882. Auch 879

Siehe oben S. 211. Begründung, Besonderer Teil § 10, BT-DrS. 14/7034, S. 39; Assmann, ZGR 2002, 697, 710, Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, 2004, § 10 WpÜG, Rn. 1. 881 Vgl. zwölfter Erwägungsgrund und RL Art. 6 I S. 1. 882 Rule 2.2 (e). 880

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5. Teil: Die Bieterpflichten

vor dieser Ausdehnung ist ein Insiderhandel aber theoretisch möglich. Die Festlegung des Zeitpunktes, wann es zu einer die Veröffentlichungspflicht auslösenden Ausdehnung des Personenkreises gekommen ist, unterliegt zwangsläufig einer gewissen Willkür. Der übernahmespezifische Schutz vor Insiderhandlungen setzt im britischen Recht zu einem späteren Zeitpunkt ein, als es vom deutschen Recht vorgesehen ist. Ebenso verhält es sich mit dem Schutz vor Gerüchten und Spekulationen. Der Bieter ist erst dann zu einer Vorankündigung verpflichtet, wenn Schwankungen der Börsenkurse der Zielgesellschaft bereits zu verzeichnen sind883. Eine Verunsicherung des Marktes hat dann bereits statt gefunden. Die Schutzwirkung der Vorankündigung ist repressiv. Die deutsche Regel soll dagegen einen präventiven Schutz vor Insiderhandlungen und Verunsicherung des Kapitalmarktes durch Normierung einer unverzüglichen Veröffentlichungspflicht leisten. Präventivschutz könnte speziell bei Übernahmeverfahren das effektivere Mittel sein als ein repressiver Schutzmechanismus. Gerade im Vorfeld von Übernahmeverfahren ist die Gefahr des Insiderhandels besonders hoch und die Entstehung von Spekulationen und Übernahmegerüchten bei Verheimlichung der Übernahmeabsicht durch den Bieter besonders wahrscheinlich. Um diesen typischen Gefahren auf wirkungsvollste Weise begegnen zu können, könnte die Normierung einer unverzüglichen Veröffentlichungspflicht zum Schutz des Kapitalmarktes das einzige geeignete Mittel sein. Die Beschränkung der Bieterrechte könnte sich dadurch rechtfertigten lassen. Diese Rechtfertigung könnte aber nur dann bestehen, wenn es der Regelung des § 10 I S. 1 in der Praxis tatsächlich gelingt, die gewünschte Zielsetzung des präventiven Funktionenschutzes umzusetzen. ee) Zusammenfassung Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die unverzügliche Veröffentlichungspflicht, die der deutsche Gesetzgeber in § 10 I S. 1 festschreibt und die zudem vom europäischen Gesetzgeber gewünscht wird, den Bieter erheblich in seinen Rechten beschränkt. Gerechtfertigt werden kann dieser erhöhte Eingriff weder durch das Erfordernis der strikten Gleichbehandlung aller Aktionäre bei Übernahmeverfahren, noch durch das Bedürfnis, einen heimliche Beteiligungsaufbau des Bieters im Vorfeld des Übernahmeverfahrens zu unterbinden. Für beide Gefahrenpotentiale existieren mildere Mittel zur Bekämpfung. Allerdings könnte das Schutzinteresse des Kapitalmarktes vor Informationsmissbrauch und vor erhöhter Intransparenz in der Phase, in welcher 883

Rule 2.2 (d).

C. Gleichbehandlungspflichten

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der Bieter seine Übernahmeabsicht verheimlicht, das präventive Schutzinstrument der unverzüglichen Veröffentlichungsfrist rechtfertigen. Fraglich ist aber, ob § 10 I S. 1 in der Praxis tatsächlich den angestrebten Präventivschutz leisten kann. b) Durchsetzungsprobleme bei § 10 I S. 1 angesichts seiner subjektiven Ausrichtung am Tatbestandsmerkmal der Bieterentscheidung aa) Das ursprüngliche Konzept des deutschen Gesetzgebers Nach dem Konzept des WpÜG soll der Bieter unverzüglich seine Entscheidung zur Angebotsabgabe veröffentlichen, um die übernahmespezifischen Gefahren, die bei Geheimhaltung dieser Absicht entstehen, zu beseitigen. Beim Entwurf des § 10 I legte der Gesetzgeber das natürliche Verständnis zugrunde, dass zunächst der Bieter in einem ersten Schritt seine Entscheidung zur Angebotsabgabe fällt und in einem zweiten Schritt die Vorbereitungshandlungen (Kalkulation der Angebotskonditionen, Sicherstellung der Finanzierung, Erstellung der Angebotsunterlage etc.) unternimmt, für welche er Berater, Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Finanzdienstleister etc. hinzuziehen wird. Dass der Gesetzgeber beim Entwurf dieser Vorschrift diesen zeitlichen Ablauf bei Übernahmeverfahren zugrunde legt, geht schon aus der Gesetzesbegründung hervor. Der Gesetzgeber glaubt, mit Anordnung einer unverzüglichen Absichtsveröffentlichung die frühest mögliche Information der Öffentlichkeit sicher zu stellen884. Er ordnet folglich die Entscheidungsfindung zeitlich in das frühste Anfangsstadium eines Übernahmeverfahrens ein. Gemäß des vom Gesetzgeber angenommenen zeitlichen Verfahrensablaufes trifft der Bieter zuerst die Entscheidung zur Angebotsabgabe, daraufhin folgen diverse Vorkehrungen für dessen Realisierung. Da vor allem die aus der Entscheidungsfindung resultierenden Folgehandlungen Risiken für den Kapitalmarkt bergen – etwa weil sich der Kreis der informierten Personen in einem bedenklichen Ausmaß erweitert – ordnete der Gesetzgeber bereits die öffentliche Bekanntgabe des ersten Schrittes, also der Entscheidungsfindung, an. Auf diese Weise will er sämtliche Gefahren, die angesichts einer Verheimlichung dieser Absicht drohen könnten, bannen. Einen zweiten Beleg für dieses Verständnis des Gesetzgebers vom zeitlichen Ablauf eines Übernahmeverfahrens liefert die Tatsache, dass gem. § 10 I S. 1 lediglich die Veröffentlichung über das „Ob“ eines Übernahmeangebots vorzunehmen ist, jedoch noch keinerlei Angaben über dessen In884

Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 39.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

halt gefordert werden. Um eine frühest mögliche Information des Marktes sicher zu stellen, ist allein die Angebotsabsicht mitzuteilen und die betroffenen Wertpapiere sind zu benennen885. Der deutsche Gesetzgeber glaubt, mit der Anordnung einer unverzüglichen Mitteilung dieses ersten Verfahrensschritts, nämlich der Entscheidungsfindung, sämtliche Gefahren eliminieren und ein geordnetes und faires Übernahmeverfahren sicherstellen zu können. Insbesondere will er der Verunsicherung des Kapitalmarktes auf Grund von Intransparenz und Insiderhandel vorbeugen. bb) Verzögerungsanreize des Bieters bei Entscheidungsveröffentlichung Der Bieter hat aus zweierlei Gründen kein Interesse an einer vorschnellen Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht: Der erste, praktische Gesichtspunkt wurde bereits ausführlich erörtert. Zur Vorbereitung des Übernahmeangebots will ein ökonomisch denkender Bieter möglichst viele Anteile der Zielgesellschaft zum Marktpreis zu erwerben, um einen Sockelbestand als Ausgangsposition für ein Übernahmeangebot zu schaffen886, bevor er mit seiner Übernahmeabsicht herauskommt und ein Ansteigen der Wertpapierkurse der Zielgesellschaft in Kauf nehmen muss. Das zweite Motiv des Bieters zur Verzögerung seiner Absichtsveröffentlichung hat eine rechtliche Ursache. Das WpÜG weist der Veröffentlichung der Entscheidungsfindung nämlich verfahrenseröffnende Funktion zu, das heißt, dass der Bieter damit in den straffen Zeitplan für Übernahmeverfahren eintritt887. Für die Erfüllung diverser Pflichten im Übernahmeverfahren werden dem Bieter darin strenge Fristen gesetzt. Zuerst muss der Bieter nach Veröffentlichung der Angebotsabsicht gem. § 14 I S. 1 binnen vier Wochen eine Angebotsunterlage erstellen. Da er hier die Konditionen des Angebots zu nennen hat, muss er ein passendes Finanzierungskonzept ausarbeiten888. Im Fall eines Tauschangebots muss die Angebotsunterlage zudem verkaufs885

Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 39; Hirte, KKWpÜG, 2003, § 10 Rn. 23. 886 Siehe S. 207 f. 887 Thoma, NZG 2002, 105, 107. Thoma/Stöcker, Baums, WpÜG, 2004, § 10 Rn. 13 f. Zum Zeitplan für Übernahmeverfahren siehe S. 138 ff. Gem. § 14 I S. 1 hat der Bieter die Angebotsunterlage innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung der Entscheidung dem Bundesaufsichtsamt zu übermitteln. Nach Prüfung der BAFin ist die Angebotsunterlage unverzüglich zu veröffentlichen. Mit Veröffentlichung der Angebotsunterlage beginnt die Annahmefrist, die mindestens vier und höchstens zehn Wochen betragen darf (§ 16 I S. 1). Nach Ablauf der ersten Annahmefrist kann gem. § 16 II eine weitere Annahmefrist von zwei Wochen laufen. Danach ist das Übernahmeverfahren abgeschlossen. 888 Oechsler, NZG 2001, 817, 820.

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prospektgesetzlichen Standards entsprechen, was eine zeitintensive Arbeit erfordert889. Des Weiteren muss der Bieter gem. § 13 I vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage, das heißt ebenfalls innerhalb von vier Wochen seit Absichtsveröffentlichung, die Finanzierung des Angebots sicher stellen und eventuell eine schriftliche Finanzierungsbestätigung eines unabhängigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens einholen890. Insbesondere letzteres könnte innerhalb der kurzen vierwöchigen Frist schwierig sein, da der Wertpapierdienstleister selbst ein Haftungsrisiko eingeht und demzufolge eine ausführliche Risikoanalyse des Vorhabens durchführen wird891. Die im WpÜG vorgesehene vierwöchige Frist gem. § 14 I S. 1 ist daher sehr kurz bemessen892. Im Fall der Übernahme Vodafone/Mannesmann lag zwischen der Bekanntgabe der Absicht von Vodafone am 19.11.1999 und der Veröffentlichung des Umtauschangebotsdokuments am 23.12.1999 ca. ein Zeitraum von fünf Wochen893. In dieser Zeit wurden Detailanalysen der Marktsituation und des Unternehmenswertes der Zielgesellschaft erstellt, die Unternehmensstrukturierung im Falle des Erfolgs war zu überdenken, die Finanzierung wurde sichergestellt und die notwendigen Verhandlungen hierfür mussten geführt werden. Nach dem Konzept des WpÜG ist es dem Bieter nicht mehr gestattet, bestimmte Vorbereitungshandlungen vorzunehmen, nachdem er seine Absicht gefasst hat, ein Übernahmeangebot abzugeben. Stattdessen muss er schon die frühste Entscheidung über das „Ob“ der Abgabe eines Übernahmeangebots veröffentlichen894 und lädt sich damit anspruchsvolle Folgepflichten zur Erfüllung innerhalb strenger Fristen auf. Für den Bieter macht es deshalb Sinn, die Entscheidungsfindung bzw. deren Veröffentlichung so lange hinauszuzögern, bis eine Erfüllung der diversen für Übernahmeverfahren vorgesehenen Pflichten in zeitlicher Hinsicht realisierbar erscheint895.

889

Krause, NJW 2002, 705, 707. Dazu schon oben S. 159. 891 Oechsler, NZG 2001, 817, 820. 892 Oechsler, NZG 2001, 817, 820; Thoma, NZG 2002, 105, 107; Liebscher ZIP 2001, 853, 861 bezeichnet den Zeitrahmen als ehrgeizig, aber in der Regel machbar. 893 Siehe Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820. 894 Oechsler, NZG 2001, 817, 820; Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820. 895 Oechsler meint sogar, die Praxis werde durch § 10 I S. 1 zu einer gesetzeswidrigen Zurückhaltung mit der Veröffentlichung der Angebotsabsicht gezwungen. So argumentierten auch schon Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820, 821, allerdings noch im Hinblick auf die zweiwöchige Frist des § 11 I DiskE-WpÜG. 890

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5. Teil: Die Bieterpflichten

cc) Verzögerungsmöglichkeiten des Bieters auf Grund des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Entscheidung (1) Enge Auslegung des Merkmals der „Entscheidung“ Die Literatur hat vielerorts bereits das Dilemma des Bieters erkannt, der vorschnell seine Entscheidung zur Angebotsabgabe veröffentlichen soll und sich folglich den strengen Anforderungen des übernahmerechtlichen Zeitplans zu unterwerfen hat. Wie er dennoch im Einklang mit § 10 I S. 1 eine Verzögerung der Veröffentlichung erreichen kann, wird dem Bieter verschiedentlich aufgezeigt. Beispielsweise wird dem Bieter geraten „mit der Konzipierung und Dokumentation von Angeboten rechtzeitig zu beginnen und den Zeitpunkt von Vorstands- und Aufsichtsratsentscheidung mit dem Stand der Vorbereitungsarbeiten abzustimmen“896. Oder es wird betont, dass nach der gegenwärtigen Rechtslage, die dem Bieter nach Veröffentlichung der Angebotsabsicht keine Rücknahmemöglichkeit mehr offen lässt, nur dann von einer „definitiven Entscheidung“ zur Angebotsabgabe im Sinne des § 10 I S. 1 ausgegangen werden kann, wenn die Finanzierung des Angebots gem. § 13 I sicher gestellt ist897. Um den Bedürfnissen der Praxis gerecht zu werden, soll der Bieter jedenfalls als „Herr des Verfahrens“ gelten, der den konkreten Zeitpunkt der Entscheidung autonom festlegen kann898. Wie dehnbar das Tatbestandsmerkmal der Entscheidung in § 10 I S. 1 ist, macht letztlich folgender Ratschlag deutlich: „Da die inhaltlichen Anforderungen an die Angebotsunterlage hoch und die Haftungsrisiken beachtlich sind, ist der Bieter gut beraten, frühzeitig mit der Erstellung zu beginnen. Dies gilt umso mehr, als auch die in der Unterlage darzustellende Finanzierung des Angebots sicher gestellt sein muss. (. . .) Die Arbeit an den Angebotsunterlagen kann auch schon vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Angebots aufgenommen werden. Da diese Entscheidung jedoch unverzüglich, nachdem sie getroffen wurde, zu veröffentlichen ist, wird der Bieter dann darauf achten müssen, dass mit dem Beginn der Erstellung [der Angebotsunterlage] diese Entscheidung noch nicht – auch nicht implizit – getroffen sein darf“899. Der Begriff der Entscheidung im Sinne des § 10 I S. 1 wird pervertiert und bis 896

Krause, NJW 2002, 705, 707. Geibel, WpÜG, 2002, § 10 Rn. 10; Thoma/Stöcker, Baums, WpÜG, 2004, § 10 Rn. 78 f. 898 Assmann in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 10 Rn. 20; Riehmer in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 10 Rn. 23; ähnlich auch Wackerbarth in MKWpÜG, 2004, § 10 Rn. 24, der einen „nach außen getretenen Entschluss“ des Bieters fordert. 899 Hamann, ZIP 2001, 2249, 2250. 897

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zur völligen Konturlosigkeit aufgeweicht. Weil die vierwöchige Frist zwischen Absichtsfassung und Pflicht zur Abgabe der Angebotsunterlage vielfach als zu kurz empfunden wird, werden Möglichkeiten gesucht, den Bieter von diesem Zeitdruck zu befreien. Das WpÜG passt sich mit seinem Konzept nicht den Bedürfnissen der Praxis an. Deshalb werden Wege gesucht, wie sich die Praxis dem Recht anpassen kann. Für § 10 I S. 1 bedeutet dies, die Voraussetzungen für die Entscheidungsfindung möglichst streng zu verstehen, um den Zeitpunkt derselben möglichst weit hinauszögern zu können. (2) Leugnen der Entscheidungsfindung Auch lässt sich eine Verzögerung der Veröffentlichung der Entscheidungsfindung leicht erreichen, indem der Bieter schlicht nicht zugibt, bereits im Stillen die Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots gefasst zu haben. Zwar würde er mit diesem Verhalten gegen das Gebot der unverzüglichen Veröffentlichung der Angebotsabsicht verstoßen900, fraglich ist allerdings, ob dieses gesetzeswidrige Handeln in der Praxis nachweisbar und sanktionierbar wäre. Das Tatbestandsmerkmal der Entscheidung trägt notwendigerweise ein subjektives Element in sich. Es kommt auf die Willensbildung des Bieters an. Das bedeutet zwar nicht, dass der Bieter tun und lassen kann, was er will, ohne seine Übernahmeabsicht zu veröffentlichen und dabei schlicht behaupten, er hätte sie noch nicht endgültig gefällt. Bestimmte Verhaltensweisen werden die offensichtliche Vermutung nahe legen, dass der Bieter in Wahrheit schon einen festen Entschluss gefasst hat. Wenn der Eindruck entsteht, der Bieter zögere künstlich die Veröffentlichung seiner Entscheidung hinaus, um sich eventuell für ihn nachteiligen Pflichten zu entziehen, dann kann die BAFin im Wege der Missstandsaufsicht gem. § 4 I einschreiten901. Noch ist in diesem Bereich aber vieles ungewiss. Eine verlässliche Handhabe der Missstandsaufsicht im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Angebotsabsicht existiert nicht. Beispielsweise wurde empfohlen, der zeitliche Abstand zwischen den Entscheidungen der einzelnen Verwaltungsorgane der Bietergesellschaft – insbesondere zwischen Vorstand und Aufsichtsrat – solle nicht „zu weit“ ausgedehnt werden, weil ansonsten der Vorwurf entstehen könnte, der Bieter versuche ein künstliche Ausdehnung des Entscheidungsprozesses, um sich einen größeren Spielraum für eventuelle Vorbereitungshandlungen zu schaffen902. Wo die genaue Grenze zu ziehen ist, bleibt aber unklar. 900

Damit handelt er ordnungswidrig im Sinne des § 60 I Nr. 1 a und kann mit Geldbuße bis zu einer Million Euro belegt werden, zu den Sanktionen des WpÜG vgl. oben. 901 Vgl. oben S. 79.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Weiterhin wurde ein Missbrauchsvorwurf der BAFin für begründet gehalten, wenn der Bieter einen Paketkauf tätigt und daraufhin die Veröffentlichung seiner Übernahmeabsicht verzögert, weil er verhindern will, dass sich der Übernahmepreis gem. § 4 WpÜG-AVO an diesem kostspieligen Vorerwerb ausrichten könnte903. Hat der Bieter aber inhaltliche Gründe, seine Entscheidung zur Angebotsabgabe nicht zu treffen – beispielsweise wenn er diese Entscheidung von der Sicherstellung der Finanzierung abhängig gemacht hat904 – so ist der Missbrauchsvorwurf nicht haltbar905. Dieses Beispiel zeigt, dass ein Eingreifen der BAFin erheblich erschwert ist und dem Bieter, wie zuvor beschrieben, zahlreiche Möglichkeiten offen stehen, die fehlende Endgültigkeit seiner Entscheidung vorzugeben. Diese Gründe entziehen sich zumeist jeglicher objektiven Kontrolle. Es folgt daraus, dass der Bieter an einer Leugnung seiner Angebotsabsicht kaum gehindert werden kann, die BAFin nur in Fällen offensichtlicher Verheimlichung eingreifen und eine Veröffentlichung anordnen kann und somit kein verlässliches System gegeben ist, welches eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit von der Angebotsabsicht gewährleistet. (3) Bewertung Kernproblem des Konzeptes von § 10 I S. 1 ist, dass der tatsächliche Zeitpunkt, zu dem der Bieter seine Entscheidung gefasst hat, weder überprüf- noch beweisbar ist. Folglich ist die Entscheidungsfindung und somit die Information der Öffentlichkeit nicht in verlässlichem Maße erzwingbar, weil sie allein vom Bieter selbst beeinflussbar ist. Dieser hat seinerseits an erhebliches Interesse an der Verzögerung der Absichtsveröffentlichung. Um diese zu erreichen, kann er entweder vorgeben, er hätte die Entscheidung noch nicht getroffen, obwohl er dies in Wahrheit getan hat und bereits heimlich Vorbereitungshandlungen wie Beratungsgespräche, weitere Wertpapierkäufe der Zielgesellschaft, Verhandlungen mit Aktionären etc. unternimmt906. Oder aber der Bieter kann seine Entscheidung von diversen Faktoren abhängig machen. Solange diese Bedingungen nicht eintreten, kann 902 Liebscher, ZIP 2001, 853, 860; Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1749 bemerken, der Bieter habe einen „gewissen Gestaltungsspielraum, den er ausnutzen kann, um die endgültige Entscheidung über die Durchführung der Übernahme mit den Vorbereitungsarbeiten wie etwa der Erstellung der Angebotsunterlage zu koordinieren.“ 903 Zur Konditionenbildung siehe sogleich S. 272 ff. 904 Zu diesem vom Wortlaut des § 10 I S. 1 gedeckten Vorgehen siehe oben S. 238. 905 Dieses Fallbeispiel bildet Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 10 Rn. 15.

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sich der Bieter wahrheitsgemäß darauf berufen, die Entscheidung noch nicht endgültig gefällt zu haben. Eine Information der Öffentlichkeit kann mit übernahmerechtlichen Mitteln nicht erzwungen werden. De facto steht die Veröffentlichung der Angebotsabsicht damit im Belieben des Bieters. dd) Schutzlücken infolge des Konzepts des § 10 I S. 1 Im Ergebnis kann das ursprünglich vom deutschen Gesetzgeber intendierte Konzept907 nicht in die Praxis umgesetzt werden. Für die angestrebte Gefahrenbeseitigung bei Übernahmeverfahren hat dies dramatische Auswirkungen: Der zeitliche Eintritt der Veröffentlichungspflicht der Angebotsabsicht zum Schutz des Kapitalmarktes ist von der subjektiven Entscheidungsfindung des Bieters abhängig. Zögert der Bieter seine Entscheidungsfindung bzw. deren Veröffentlichung hinaus, findet keine Information der Marktteilnehmer statt. Werden die Marktteilnehmer über das Bestehen einer Angebotsabsicht nicht informiert, bleiben sie in dieser Phase völlig schutzlos. Für die Beantwortung der zu Beginn dieses Abschnitts aufgeworfenen Frage, ergibt sich ein eindeutiges Ergebnis: Es wurde gefragt, ob eine verstärkte Beschränkung der Bieterrechte durch § 10 I S. 1 gerechtfertigt werden könnte, weil diese den effektiveren Schutz des Kapitalmarktes auf Grund ihrer präventiven Wirksamkeit gewährleistet. Angesichts der erfolgten Analyse, muss die präventive Schutzwirkung des § 10 I S. 1 verneint werden. Nicht nur ist das deutsche Lösungsmodell aber nicht wirkungsvoller als die britische Alternative. Stattdessen wird die Schutzintention des § 10 I S. 1 vollständig verfehlt. Wenn der Bieter seine Entscheidungsfindung und deren Veröffentlichung verzögert, besteht in dieser Phase die erhöhte Gefahr des Insiderhandels durch informierte Dritte und der Verunsicherung des Kapitalmarktes auf Grund anhaltender Gerüchte und Spekulationen. Das deutsche Übernahmerecht hat dieser Entwicklung nichts entgegen zu setzten. Es versagt bei der 906

Freilich kann im Fall auffälliger Vorbereitungen für ein Übernahmeangebot die BAFin einschreiten und eine missbräuchliche Verzögerung der Entscheidungsveröffentlichung rügen. Dies wird aber nur in eindeutig gelagerten Fällen möglich sein, wie zum Beispiel, wenn der Bieter zur Vorbereitung eines Übernahmeangebots einen Paketkauf tätigt und die Entscheidungsveröffentlichung nur deshalb hinauszögert, um den außenstehenden Aktionären nicht ebenfalls den Paketpreis gewähren zu müssen, siehe Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 10 Rn. 15; zu den Konditionen des Angebots unter Berücksichtigung von Vorerwerben siehe im nächsten Abschnitt. 907 Oben S. 235 ff.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Beseitigung einer gerade übernahmespezifischen Gefahr. Diese Schutzlücken zeigen sich auch im Zusammenhang mit den übrigen eingangs vorgestellten Gefahren, welche durch Ankäufe des Bieters unter Verheimlichung seiner Angebotsabsicht auftreten können. Beispielsweise könnte der Bieter vorgeben, er mache seine definitive Entscheidung zur Angebotsabgabe davon abhängig, dass er mittels Vorerwerben eine bestimmte Sockelbeteiligung an der Zielgesellschaft erreicht. Oder er behauptet schlicht, er befände sich noch in der Überlegungsphase, ob er ein Angebot abgeben will, während er Wertpapiere der Zielgesellschaft am Markt ankauft908. Ein Anschleichen an die Zielgesellschaft unter diesen Umständen könnte ihm jedenfalls nicht durch Regelungen des WpÜG erschwert werden. Die Aktionäre der Zielgesellschaft sind dem Bieter insofern schutzlos ausgeliefert. Dieselbe Schutzlücke besteht im Zusammenhang mit den erwähnten dawn raids. Der Bieter könnte zum Beispiel behaupten, er tätigte den gefährlichen Blitzerwerb nur, um sich eine Sperrminorität zu sichern. Wenn er ausreichend Zeit verstreichen lässt bis er ein Übernahmeangebot abgibt, kann ihm nur schwerlich ein Zusammenhang unterstellt werden und der Aufsichtsbehörde sind die Hände gebunden909. Es fehlen im deutschen Recht wirkungsvolle Instrumente zur Verhinderung der dawn-raid-Strategie. c) Ergebnis Kritisiert wurde eingangs, dass das ursprünglich intendierte Konzept des § 10 I S. 1 den Bieter in erheblichem Maße in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit beschränken will. Es kann letztlich dahin stehen, ob dieser Eingriff anhand von Argumenten eines theoretischen, präventiven Schutzes vor Marktverunsicherung gerechtfertigt werden könnte, da sich das Konzept des § 10 I S. 1 nicht in die Praxis umsetzen lässt und sich folglich als funktionsunfähig erwiesen hat. Der Schutz der Kapitalmarktteilnehmer sollte sich danach auf deren frühzeitigen Information durch Veröffentlichung der Absichten des Bieters gründen. Auslöser der Veröffentlichungspflicht des Bieters ist aber dessen subjektive Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots. Auf den Auslöser, also die Entscheidungsfindung, kann der Bieter in nicht kontrollierbarer Weise Einfluss nehmen. Das heißt, der Bieter kann weitestgehend bestimmen, wann sich die Schutzwirkung der Veröffentlichung entfaltet. Da die frühzeitige Veröffentlichung für den Bieter aber nachteilig ist, wird er 908

Liebscher, ZIP 2001, 853, 861, erklärt es ausdrücklich für zulässig „während der Phase der Vorbereitung der Übernahmeentscheidung, also quasi gelegentlich der Planung der Übernahme, Aktien der Zielgesellschaft über die Börse zu erwerben.“ 909 Zu einer möglichen Kontrolle der Entscheidungsfindung siehe oben S. 239.

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diese hinauszögern. Die Kapitalmarktteilnehmer bleiben nach dem deutschen Übernahmerecht in dieser Phase vollkommen schutzlos. Das deutsche Übernahmerecht benötigt ein System, welches den effektiven Schutz vor Gefahren gewährleistet, die mit Ankäufen des Bieters vor Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht verbunden sind. 4. Korrekturbedarf des WpÜG – Anregungen durch das britische Modell a) Geeignetheit der deutschen kaptialmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten und der Insiderregeln zur Beseitigung der Schutzlücken Das Konzept des WpÜG, welches die unverzügliche Veröffentlichung der Entscheidung der Angebotsabsicht vorsieht, kann die Gefahren nicht beseitigen, die sich bei Ankäufen des Bieters von Wertpapieren der Zielgesellschaft vor Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht stellen. Bevor Verbesserungsvorschläge für das deutsche Übernahmerecht gemacht werden können, ist zu bedenken, ob im deutschen Recht bereits Instrumente existieren, die das offene Schutzbedürfnis ausfüllen könnten. aa) § 21 WpHG Gem. § 21 I WpHG muss jeder Anteilseigner, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 5, 10, 25, 50 oder 75% der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft erreicht, über- oder unterschreitet, diese Tatsache sowie die Höhe seines aktuellen Stimmrechtsanteils der Gesellschaft und dem Bundesaufsichtsamt mitteilen. Als börsennotierte Gesellschaften im Sinne des § 21 I WpHG gelten solche, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt910 zugelassen sind und die ihren Sitz im Inland haben911. In Deutschland fallen hierunter der amtliche Handel und der geregelte Markt912. Der Erwerb von Anteilen in Gesellschaften, 910 § 2 V WpHG „Organisierter Markt ist ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig statt findet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist“. 911 § 21 II WpHG. 912 Sudmeyer, BB 2002, 685; geändert wurde der Anwendungsbereich des WpHG durch Art. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BGBl. 2001 I, 3822 ff, um den Anwendungsbereich von WpÜG und WpHG anzupassen. Nach der alten Rechtslage galten als börsennotierte Gesellschaften gem. § 21 II WpHG nur inländi-

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die als Zielgesellschaft im Sinne des WpÜG in Frage kommen913, unterliegt infolgedessen grundsätzlich der Meldepflicht gem. § 21 WpHG. Für Übernahmeangebote sind diese Transparenzvorschriften insofern von Bedeutung, als sie eine Warnfunktion bezüglich eines bevorstehenden Übernahmeangebots ausüben können914. Meldungen über den Erwerb einer nach § 21 I WpHG relevanten Beteiligung signalisieren dem Markt, dass ein Kapitalmarktbeteiligter den Aufbau einer maßgeblichen Beteiligung versucht und eventuell anstrebt, die Kontrolle im Zielunternehmen zu übernehmen. Im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten ist die Verhinderung eines „unlauteren Anschleichens“ an eine Zielgesellschaft zwar kein ausdrücklich erklärtes Ziel des Gesetzes915. Es gehört aber zu den legitimen und von § 21 WpHG auch angestrebten Zielen, die Aktionäre über solche Mitaktionäre in Kenntnis zu setzen, die eine maßgebliche Beteiligung auf- oder ausbauen wollen916. Vereinzelt wird behauptet, dass § 21 I WpHG geeignet sei, „dem heimlichen Erwerb einer Sockelbeteiligung enge Grenzen zu setzen“917. Da bereits bei Erreichen einer 5%-Beteiligung die Meldepflicht ausgelöst wird, solle ein Anschleichen unmöglich gemacht sein. Allerdings ist die folgende Meldeschwelle erst bei 25% der Stimmrechtsanteile angesiedelt. Ein Anleger könnte also ungestört eine 10%-Beteiligung erwerben und im Folgenden erst einmal die durch Veröffentlichung dieser Tatsache entstehende Unruhen am Kapitalmarkt abwarten. Schleichend wäre es ihm dann möglich, im Stillen weitere 15% der Anteile zu erwerben918. Muss er erst wieder bei Erreichen der 25%-Schwelle eine Mitteilung machen, hat er den gefährlichen heimlichen Beteiligungsaufbau bereits vollzogen, ohne dass die Warnfunktion der Meldepflichten eingesetzt hätte. Hat der Bieter die Schwelle von 25% erst erreicht, ist er je nach Zusammensetzung des Aktionärskreises der Kontrollübergang bereits vollzogen oder sehr leicht zu vollenden. Einem Anschleichen des Bieters wird durch die großzügige Setzung der Meldeschwellen im WpHG nicht entgegengewirkt919. sche Gesellschaften, deren Aktien zum amtlichen Handel zugelassen waren. Siehe zu den Änderungen des WpHG auch Witt, AG 2001, 233. 913 Nämlich Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien, die ihren Sitz im Inland haben und deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Der Begriff des organisierten Marktes in § 2 VII ist zwar wortgemäß nicht deckungsgleich mit § 2 V WpHG, faktisch sind aber jeweils der Amtliche Handel und Geregelte Markt angesprochen. 914 Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 69 f., 83 f. 915 Happ, JZ 1994, 240, 245. 916 Schneider in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 21 Rn. 3. 917 Liebscher, ZIP 2001, 853, 861. 918 Witt, Übernahme, 1998, S. 247 spricht insofern von einer „beklagenswerten Lücke, die zwischen der Beteiligungsschwelle von 10 und 25% klafft“.

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Vergleicht man insbesondere das britische und das deutsche System der Meldepflichten, wird offensichtlich, dass die in § 21 WpHG vorgesehenen Meldeschwellen viel zu grobmaschig sind, um diese Aufgabe zufriedenstellend zu lösen. § 21 WpHG kann höchstens eine zusätzliche, untergeordnete Hilfestellung bieten. bb) § 15 WpHG (1) Veröffentlichungspflicht der Angebotsabsicht gem. § 15 I WpHG In der Neufassung des § 15 I WpHG wird die Ad-hoc-Publizität deutlich ausgeweitet920. Es wird nicht länger zwischen ad-hoc-publizitätspflichtiger Tatsache gem. § 15 I WpHG a. F. und Insidertatsache gem. § 13 I WpHG a. F. unterschieden. Stattdessen führt § 13 I WpHG n. F. den Begriff der Insiderinformation ein und § 15 WpHG n. F. verpflichtet einen Emittenten von Finanzinstrumenten grundsätzlich zur Veröffentlichung einer jeden Insiderinformation, wenn sie ihn nur unmittelbar betrifft. Der Umfang mitteilungspflichtiger Informationen wurde somit erheblich erweitert921. Auch für Übernahmeverfahren ist diese Veränderung von Bedeutung. Nach alter Rechtslage musste ein Emittent nur solche Tatsachen veröffentlichen, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten und nicht öffentlich bekannt waren, wenn sie wegen der Auswirkung auf die Vermögens- und Finanzlage des Emittenten geeignet waren, den Börsenpreis der Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Ein Bieter konnte geltend machen, dass seine Übernahmeabsicht deshalb keine ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache war, weil diese Information allein geeignet war, die Kurse der Wertpapiere der Zielgesellschaft zu beeinflussen, nicht aber seine eigenen Kurse922. Dass das Übernahmeangebot auch auf die Kurse der Bietergesellschaft zurückschlagen könnte, war nicht in jedem Fall erkennbar923. Die alte Publizitäts919 So bereits Witt, Übernahme, 1998, S. 247; Schneider/Burgard, DB 2001, 963 bezeichnen die Meldepflicht des § 21 WpHG als „mehr Loch als Käse.“ Kritisch auch Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 83 f. 920 Vgl. zur Änderung des WpHG durch das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes bereits oben FN 868. 921 Siehe zu den Änderungen im Rahmen der Ad-hoc-Publizität Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216; Ziemons, NZG 2004, 537; Kuthe, ZIP 2004, 883; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642. 922 Siehe Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 10 Rn. 10; Hopt ZHR 166 (2002), 333, 346; Hirte, KK-WpÜG, 2003, § 10 Rn. 102; Schander/Lucas, DB 1997, 2109, 21111; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 Rn. 27. 923 Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 10 Rn. 10.

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pflicht wurde gerade nicht dadurch ausgelöst, dass die Veröffentlichung einer Tatsache den Börsenpreis der Wertpapiere eines anderen Emittenten beeinflussen könnte924. Dies hat sich jetzt grundlegend geändert. Eine Insiderinformation ist gem. § 13 I WpHG n. F. eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere zu beeinflussen. Ein direkter Bezug dieser Umstände auf die Vermögens- oder Finanzlage des nach § 15 WpHG publizitätspflichtigen Emittenten oder die Möglichkeit der Kursbeeinflussung seiner Papiere wird nicht mehr verlangt. Es genügt, dass Kursbeeinflussungspotential für irgendwelche Wertpapiere am Markt besteht925. Einziges Tatbestandsmerkmal der Veröffentlichungspflicht gem. § 15 I WpHG n. F., das einen Bezug der Tatsache zum Mitteilungspflichtigen herstellt, ist dessen unmittelbare Betroffenheit von der Insiderinformation926. Diese ist gem. § 15 I S. 2 dann gegeben, wenn sich die Information auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind927. Dass dieses Verständnis des neuen § 15 WpHG zutreffend ist, zeigt auch ein Blick auf die Marktmissbrauchsrichtlinie, auf die die Gesetzesänderung zurückgeht928. In Erwägungsgrund 16 RL 2003/6/EG wird eine Insiderinformation als nicht öffentlich bekannte, präzise Information bezeichnet, die einen oder mehrere Emittenten direkt oder indirekt betrifft. Informationen die geeignet wären, die Kursentwicklung und Kursbildung auf einem geregelten Markt als solche erheblich zu beeinflussen, können als Informationen betrachtet werden, die einen oder mehrere Emittenten indirekt betreffen. Damit ist für einen Emittenten nicht nur als Insiderinformation zu qualifizieren, was Einfluss auf den Kurs seiner Papiere haben könnte, sondern jegliche Information, die die Kursentwicklung im Allgemeinen betreffen könnte929. 924 Kümpel/Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 15 Rn. 81; Schander/Lucas, DB 1997, 2109, 2111. 925 Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2217; a. A. noch Brandi/Süßmann, die nach wie vor nur dann eine Publizitätspflicht des Bieters gem. § 15 I WpHG n. F. bejahen, wenn der Umstand Kursrelevanz für die Bieterpapiere besitzt. 926 Auch nach der Gesetzesbegründung grenzt allein das Unmittelbarkeitskriterium die vom Emittenten zu veröffentlichende Insiderinformationen ein, siehe BTDrs. 15/3174, S. 35. 927 Ziemons, NZG 2004, 537, 541 hält diese Definition für unglücklich, da die Nähe zum Wortlaut des § 15 WpHG a. F. suggeriert, es habe sich nichts geändert. 928 Die Gesetzesbegründung des AnSVG beruft sich ausdrücklich auf diese Richtlinienformulierung, siehe BT-Drs. 15/3174, S. 33.

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Für Übernahmeangebote bedeutet dies also, dass der Bieter seine Übernahmeabsicht gem. § 15 I WpHG n. F: veröffentlichen müsste, wenn diese eine Information wäre, die ihn unmittelbar betrifft, d.h. in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten ist. Die Absicht entsteht gerade originär beim Bieter, es ist sein Plan, ein Übernahmeangebot abzugeben, das gesamte Vorhaben wird erst von ihm ins Leben gerufen und er ist der Auslöser des gesamten Verfahrens. Aus diesem Grund tritt diese Tatsache typischerweise in seinem Tätigkeitsbereich ein, die Übernahmeabsicht betrifft den Bieter unmittelbar. Als weitere Voraussetzung muss eine Insiderinformation im Sinne des § 13 I WpHG n. F. konkret sein. Die Richtlinie verwendet den Ausdruck präzise Information930. Informationen sind dann präzise, wenn damit Umstände bzw. Ereignisse gemeint sind, die bereits existieren bzw. eingetreten sind oder bei denen man vernünftiger Weise davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden. Konkret ist die Information, wenn sie den Schluss auf eine mögliche Auswirkung dieser Umstände bzw. Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten zulässt. Die Übernahmeabsicht eines Bieters stellt also dann eine konkrete Information im Sinn des § 13 I WpHG dar, wenn diese Absicht beim Bieter konkrete Gestalt annimmt, er beispielsweise mit der Planung begonnen hat. Eine genaue Fassung des Zeitpunkts ist auch in diesem Bereich schwierig. Klar ist aber, dass hier ein frühere Zeitpunkt gemeint sein muss, als gem. § 10 I WpÜG, der eine Entscheidung des Bieters verlangt931. Sobald jedenfalls die Information über die Absichten des Bieters geeignet wäre, die Kurse der Zielgesellschaftspapiere zu beeinflussen, ist sie als Insiderinformation zu qualifizieren. Folglich unterliegt der Bieter ab diesem Zeitpunkt auch grundsätzlich der Veröffentlichungspflicht gem. § 15 I S. 1 WpHG n. F. Im Gegensatz zur alten Rechtslage müsste ein Bieter also grundsätzlich seine Angebotsabsicht, sobald sie hinreichend konkret ist, gem. § 15 I WpHG veröffentlichen.

929 A.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 651, die noch immer davon ausgehen, dass die Kurse der Wertpapiere des Bieters betroffen sein müssen, um dessen Veröffentlichungspflicht gem. § 15 I WpHG n. F. auszulösen. 930 RL 2003/6/EG, Erwägungsgrund 16 und Art. 1 I. 931 Zum Konkurrenzverhältnis beider Vorschriften nach augenblicklicher Rechtslage siehe sogleich unter (2).

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5. Teil: Die Bieterpflichten

(2) Defizite des § 15 WpHG Fraglich ist aber, ob die neue Veröffentlichungspflicht gem. § 15 I WpHG geeignet ist, die von der unzureichenden übernahmerechtlichen Veröffentlichungspflicht gem. § 10 I WpÜG hinterlassenen Lücken zu schließen. Das Verhältnis beider Vorschriften will § 10 VI WpÜG klären, indem er § 15 WpHG für die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots für unanwendbar erklärt. Dies ist allerdings so zu verstehen, dass § 10 WpÜG den § 15 WpHG nur in dem Umfang verdrängt, in dem die Veröffentlichung nach § 10 WpÜG tatsächlich erfolgt ist932. Eine grundsätzliche Sperrwirkung des § 10 WpÜG würde in eklatantem Widerspruch zu den Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie stehen933. § 15 WpHG ist also ausschließlich im Anwendungsbereich des § 10 WpÜG verdrängt, um im Interesse der Verfahrenseffizienz den Markt nicht mit zwei parallelen, inhaltsgleichen Meldungen zu überfrachten934. § 15 WpHG übernimmt jedoch schon nach heutiger Rechtslage die Aufgabe, etwaige Regelungslücken gem. § 10 WpÜG zu schließen935 Da aber die mangelnde Funktionsfähigkeit des § 10 WpÜG bereits festgestellt wurde, drängt sich die Frage auf, ob bei einer Streichung des § 10 WpÜG nicht § 15 WpHG das Informationsbedürfnis des Marktes vollständig erfüllen könnte: Problematisch in diesem Zusammenhang ist die Befreiungsregel des § 15 III WpHG. Danach ist der Emittent so lange von der Veröffentlichungspflicht befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und er die Vertraulichkeit der Information gewährleisten kann. Tauchen etwa konkrete Gerüchte über das bevorstehende Angebot auf, so ist davon auszugehen, dass die Vertraulichkeit nicht länger gewährleistet ist936. Gem. §§ 6 und 7 WpAIV937 werden die berechtigten Interessen und die Gewährleistung der Vertraulichkeit zudem noch konkretisiert: Gem. § 7 WpAIV hat der Bieter Vorkehrungen zu treffen, dass nur die zur Vorbereitung des 932 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 Rn. 27; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 651; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 10 Rn. 89. 933 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 651; Hopt, ZGR 2002, 333, 345; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 Rn. 27. 934 So bereits die Gesetzesbegrüdung BT-Drs. 14/7034, S. 40 f.; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 Rn. 27; Hirte in KK-WpÜG, 2003, § 10 Rn. 99. 935 Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 10 Rn. 27; ebenso nach neuer Rechtslage Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652. 936 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652. 937 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige- und Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen, Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV), in Kraft seit 18.12.2004.

C. Gleichbehandlungspflichten

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Übernahmeangebots notwendigen Personen von der Absicht erfahren, zum anderen müssen Maßnahmen ergriffen werden, die eine unmittelbare Veröffentlichung der Übernahmeabsicht gestatten, falls die Vertraulichkeit doch nicht gewährleistet werden konnte938. Die Gesetzesbegründung verlangt zudem, dass der Emittent sicherstellt, dass jede Person die Zugang zur Insiderinformation hat, ihre rechtlichen Pflichten kennt und sich der Sanktionen bewusst ist. Für einen Bieter im Übernahmeverfahren bedeutet dies, dass § 15 III WpHG zur Anwendung kommen kann, da seine berechtigten Interessen eine längere Geheimhaltung seiner Übernahmeabsicht erfordern. Sogar die Gesetzesbegründung nennt laufenden Verhandlungen des Emittenten bei einer Unternehmensübernahme oder damit verbunden Umstände als Rechtfertigungsgrund, die Veröffentlichungspflicht aufzuschieben939. Ein Bieter kann also seine Übernahmeabsicht so lange für sich behalten, wie eine Irreführung der Öffentlichkeit nicht zu befürchten ist und die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleistet ist. Besonders kritisch zu beurteilen ist, dass diese Befreiung seit der Gesetzesänderung dem Emittenten selbst und nicht länger der BAFin obliegt. Die Gesetzesbegründung will dem Emittenten mehr Eigenverantwortung bei der Entscheidung über die Veröffentlichung sensibler Insiderinformationen übertragen940. Angesichts der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und den eröffneten Beurteilungsspielräumen wird mit dieser Regelung aber eine erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit geschaffen941. Hinzu kommt, dass der deutsche Gesetzgeber von der in der Marktmissbrauchsrichtlinie in Art. 6 II S. 2 vorgesehene Möglichkeit absah, eine unverzügliche Unterrichtungspflicht des Emittenten an die BAFin über seine getroffene Befreiungsentscheidung zu statuieren. Stattdessen ist in § 15 III S. 4 lediglich eine nachträgliche Kontrolle vorgesehen, sobald der Emittent meint, der Befreiungstatbestand sei aufgehoben. Ein weiteres Defizit des § 15 WpHG im Bezug auf die Gewährleistung der Veröffentlichung der Angebotsabsicht ist, dass ein Bieter nicht notwendigerweise auch Emittent im Sinne des § 15 WpHG sein muss942. Von dieser Vorschrift werden nur Emittenten solcher Finanzinstrumente erfasst, die zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen 938

Art. 3 II Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie, EG ABl. Nr. L 339/71 und § 7 WpAIV. 939 BT-Drs. 15/3174, S. 35; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652. 940 BT-Drs. 15/3174, S. 35. 941 Ziemons, NZG 537, 543. 942 Hirte, KK-WpÜG, 2003, § 10 Rn. 101.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

sind943. Hierzu zählen allein der Amtliche Handel und der Geregelte Markt. Der Bieter muss aber nicht notwendigerweise Wertpapiere emittieren oder diese könnten allein im Freiverkehr oder an einer ausländischen Börse gehandelt werden. In diesen Fällen würde der Bieter gerade nicht der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität des WpHG unterliegen. b) Übernahmerechtliche Vorveröffentlichungspflicht § 15 WpHG erfüllt zwar nach geltendem Recht auch für das Übernahmerecht eine wichtige Funktion, weist aber auch einige Defizite auf. Er knüpft nicht an das problematische Merkmal der Entscheidung des Bieters wie § 10 WpÜG an, sondern er verlangt grundsätzlich eine Veröffentlichung der Angebotsabsicht, sobald diese so konkret ist, dass ihre Veröffentlichung zu Kursschwankungen führen würde. Gleichzeitig wird in § 15 III WpHG eine Befreiungsregel normiert. Für Übernahmeangebote bedeutet dies, dass ein Bieter, der in den Anwendungsbereich des WpHG fällt, seiner Veröffentlichungspflicht nach § 15 I WpHG nur nachkommen muss, wenn er meint, die Vertraulichkeit sei nicht länger gewährleistet und die Öffentlichkeit könnte irre geführt werden. Letztere Merkmale werden anhand objektiver Faktoren in § 7 WpAIV konkretisiert. Im Prinzip kommt dieses Ergebnis der britischen Lösung, die sogenannte pre-bid-announcements vorsieht944, sehr nahe. Der Bieter wird hiernach zur Veröffentlichung seiner aktuellen Pläne nur dann verpflichtet, wenn objektive Gefährdungstatbestände gegeben sind, welche typischerweise die Sicherheit des Kapitalmarktes beeinträchtigen. Dazu zählen beispielsweise Schwankungen der Börsenkurse der Zielgesellschaft auf Grund von Gerüchten und Spekulationen. Unbeachtlich ist, ob der Bieter die Schwankungen zu vertreten hat. Es kommt allein darauf an, ob diese auftreten. Ein pre-bidannouncement ist auch nötig, wenn der Kreis der informierten Personen ein bedenklich weites Ausmaß annimmt, konkret wenn nicht nur diejenigen vom Angebot Kenntnis haben, die in den betroffenen Gesellschaften unbedingt informiert sein müssen und derer unmittelbaren Berater945. Eine ähnliche Rechtsfolge erreichen § 15 I in Verbindung mit Abs. III WpHG und § 7 WpAIV. Gerade § 7 WpAIV versucht, den Begriff der nicht mehr gewährleisteten Vertraulichkeit an objektive Faktoren zu knüpfen. 943 Ein organisierter Markt ist ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig statt findet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist (§ 2 V WpHG). Der Freiverkehr fällt nicht hierunter. Siehe Assmann, in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 2 Rn. 96. 944 Siehe S. 219. 945 Rule 2.2 (e).

C. Gleichbehandlungspflichten

251

Dennoch sollte mit Streichung von § 10 WpÜG die Frage der Absichtsveröffentlichung des Bieters bei Übernahmeverfahren nicht § 15 WpHG überlassen bleiben. Sinnvoll ist es, eine übernahmespezifische Vorschrift zu schaffen, die dem § 15 WpHG vorgeht und ihn als speziellere Norm verdrängt. Das grundsätzliche Konzept des § 15 WpHG muss in die übernahmerechtliche Vorveröffentlichungspflicht übertragen werden, damit auch durch diese Spezialnorm die Anforderungen der Marktmissbrauchsrichtlinie gewahrt bleiben. Die Vorschrift muss aber verstärkt auf die übernahmespezifischen Erfordernisse zugeschnitten sein: Erstens muss diese Veröffentlichungspflicht an alle potentiellen Bieter adressiert sein, § 15 WpHG verfügt nur über einen beschränkten Anwendungsbereich946. Zweitens müsste ein Kontrollmechanismus eingeführt werden, dass beispielsweise ein Bieter die BAFin über seine Pläne unterrichtet und es nicht allein der subjektiven Einschätzung des Bieters überlassen bleibt, ob die Vertraulichkeit gewährleistet und eine Irreführung nicht zu befürchten ist. Im Prinzip würde damit der Vorschlag von Art. 6 II 2 Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt, der vom deutschen Gesetzgeber im Bereich des § 15 WpHG abgelehnt wurde, um den Prüfungsaufwand der BAFin zu reduzieren947. Da Übernahmeangebote aber ein besonders sensibler Bereich sind, wäre es vertretbar, hier eine zusätzlich Prüfpflicht der BAFin im Voraus zu statuieren. Letztlich müsste die übernahmerechtliche Vorveröffentlichungspflicht genau umgekehrt wie § 15 WpHG formuliert werden. Grundsätzlich ist der Bieter zu keiner Vorveröffentlichung verpflichtet. In Ausnahmefällen, nämlich wenn sich Gerüchte verbreiten und die Kurs schwanken oder wenn zu viele Personen informiert sind, wird eine Vorveröffentlichung notwendig. c) Übernahmerechtliche Veröffentlichungspflicht Das WpÜG muss eine übernahmerechtliche Veröffentlichungspflicht der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots normieren. Diese Veröffentlichung ist der Auftakt eines jeden Übernahmeverfahrens und damit eine zentrale Bieterpflicht. Wie im WpÜG schon bisher vorgesehen, muss diese Veröffentlichung verfahrenseröffnende Funktion haben. § 10 WpÜG ist nicht ersatzlos zu streichen. Abgesehen werden soll lediglich von dem Erfordernis einer unverzüglichen Veröffentlichungspflicht, weil dieses Konzept – wie gesehen – nicht funktionsfähig ist. Stattdessen sollte den Bedürfnissen der Praxis genüge getan werden, indem normiert wird, was bereits unter gegenwärtiger Rechtslage der Praxis entspricht. Der Bieter soll seine 946 947

Siehe S. 248. BT-Drs. 15/3174, S. 35.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Übernahmeabsicht dann veröffentlichen, wenn er sich zur ordnungsgemäßen Durchführung des Übernahmeangebots sicher in der Lage sieht. Erlaubt werden ihm bestimmte Vorbereitungshandlungen, wie der Beginn der Erstellung der Angebotsunterlage oder der Verhandlungen zur Sicherstellung der Finanzierung. Dies widerspricht nicht den Anforderungen der Richtlinie, die in Art. 6 I den Mitgliedstaaten aufgibt, sicherzustellen, dass die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots unverzüglich bekannt gemacht wird. Wie aufgezeigt, ist den Anforderungen der Richtlinie nicht Genüge getan, wenn schlicht die Pflicht zur unverzüglichen Entscheidungsveröffentlichung normiert wird. Die Zielsetzung der Richtlinie, eine verlässliche und frühzeitige Information des Marktes zu gewährleisten948, wird damit gerade nicht erreicht. Effektiver ist daher, das hier aufgezeigte Gesamtpaket an Normen ins deutsche Recht zu übernehmen und den Bieter durch Meldepflichten über seinen Beteiligungsaufbau und Vorveröffentlichungspflichten zu motivieren, möglichst schnell mit seiner Entscheidung zur Angebotsabgabe an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Mitgliedstaaten sind vom europäischen Gesetzgeber aufgerufen, dem Bieter eine frühe Mitteilung über seine Absichten abzuverlangen. Die Übernahmerichtlinie überlässt es dabei den Mitgliedstaaten, wie sie dieses Gebot in wirksamer Weise in ihr nationales Recht umsetzen. Zwar hat das WpÜG nahezu Wortlaut getreu die Anweisung der Richtlinie übernommen. Dennoch kann das gewünschte Ergebnis einer frühzeitigen Information nicht erreicht werden. Eine Verbesserung des deutschen Lösungsmodells und einer in diesem Zuge erfolgenden Umformulierung des § 10 I S. 1 können daher keine europarechtlichen Bedenken entgegengehalten werden. d) Geheimhaltungspflicht Während noch § 10 I des Diskussionsentwurfes eine Geheimhaltungspflicht im Übernahmeverfahren vorsah, wurde diese im WpÜG nicht aufgenommen949. Diese war als absolute Geheimhaltungspflicht konzipiert und 948

Siehe zwölfter Erwägungsgrund der Richtlinie. § 10 Disk-E WpÜG: Geheimhaltungspflicht vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebot „Der Bieter und die mit ihm gemeinsam handelnden Personen sind vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots nach § 11 unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen zur Geheimhaltung ihrer Maßnahmen zur Vorbereitung eines Übernahmeangebots verpflichtet. Vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots nach § 11 III kann der Bieter seine Absichten in Bezug auf die Zielgesellschaft mit dieser erörtern sowie mit Aktionären der Zielgesellschaft über den Erwerb von Ak949

C. Gleichbehandlungspflichten

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nicht, wie beispielsweise die britische Regel, mit Rücksicht auf die mit dem Insiderhandel verbundenen Gefahren formuliert950. Nicht gewährleistet war unter § 10 I DiskE-WpÜG daher, dass der Bieter trotz Geheimhaltungsverpflichtung vertrauliche Informationen an Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Banken weiterzugeben oder Übernahmeverhandlungen führen dürfe, was letztlich auch der Grund für die Nichtaufnahme der Geheimhaltungspflicht in das WpÜG war951. Festgelegt werden müsste daher bei der Normierung einer Geheimhaltungspflicht im deutschen Recht – wie es der City Code vorführt –, dass die Weitergabe vertraulicher Informationen dann gestattet ist, wenn dies für die Durchführung des Übernahmeangebots unbedingt notwendig ist und wenn deren Empfänger auf seine Pflicht zur Geheimhaltung hingewiesen werden. Im deutschen Recht existieren bislang zwar insiderrechtliche Geheimhaltungspflichten952. Auch können Vorstand, Aufsichtsrat oder Berater, die über Informationen über ein bevorstehendes Übernahmeangebot verfügen, aus Dienst- oder Gesellschaftsvertragsrecht zur Geheimhaltung verpflichtet werden953. Diese können jedoch nicht umfassend abdecken, was eine übernahmespezifische Regelung typischerweise beinhalten würde. So erkannte die Begründung des Diskussionsentwurfs zur dort noch normierten Geheimhaltungspflicht zutreffend, dass die Insidervorschriften der §§ 14, 38 WpHG in Inhalt und Reichweite nicht deckungsgleich mit einem übernahmespezifischen Geheimhaltungsgebot sein könnten954. Die Insiderregeln gewährleisten nämlich lediglich die Geheimhaltung preissensitiver Informationen. Bei Übernahmeverfahren ist das zwar auch notwendig, für sich allein aber nicht ausreichend955. Eine solche übernahmerechtliche Geheimhaltungspflicht ist für sich allein sicherlich nicht geeignet, den genannten Gefahren in effektivem Maß entgegenzuwirken. Da die Geheimhaltung von preissensiblen Informationen tien der Zielgesellschaft verhandeln. Die Zielgesellschaft und ihre Aktionäre sind unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen zur Geheimhaltung der ihnen bekannt gewordenen Absichten des Bieters verpflichtet.“ 950 Siehe zur Geheimhaltungspflicht nach dem City Code Rule 2.1, dazu oben S. 221; Hopt, ZGR 2002, 333, 337. 951 Zur Kritik siehe Hopt, ZGR 2002, 333, 336; ders. in FS Koppensteiner, 2001, S. 61, 76. 952 § 14 I Nr. 2 und 3 WpHG. 953 Hopt, ZGR 2002, 333, 337; zur aktienrechtlichen Geheimhaltungspflicht des Vorstands siehe Hopt, Großkommentar zum AktG, 1999, § 93 Rn. 187 ff. 954 Begründung Diskussionsentwurf, Besonderer Teil, S. 96; zur mangelnden Deckungsgleichheit siehe auch Hopt, ZGR 2002, 333, 337. 955 Dies belegt auch schon die Formulierung von Rule 2.1, welche sowohl von der Geheimhaltung von „price sensitve information“ als auch von „confidential information“ spricht.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

insbesondere in der Vorbereitungsphase von Übernahmeangeboten aber dringend erforderlich und diese Geheimhaltung also ein spezielles Anliegen des Übernahmerechts ist, sollte dieses Gebot im Übernahmerecht auch festgeschrieben sein. Allein der Verweis auf das verwandte Insiderrecht, das aber gerade nicht die übernahmespezifischen Bedürfnisse zufrieden stellen kann, ist nicht ausreichend. e) Verschärfung der Meldepflichten Es muss sichergestellt werden, dass sich der Bieter nicht heimlich an die Zielgesellschaft anschleichen und unbemerkt eine einflussreiche Beteiligungsposition aufbauen kann. Dieses Bedürfnis ist aber nicht nur im Zusammenhang mit bevorstehenden Übernahmeangeboten gegeben. Auch ohne diese Intention kann der Bieter am Auf- oder Ausbau einer beträchtlichen Beteiligung interessiert sein. Die betroffene Gesellschaft und ihre Aktionäre haben ein Interesse, von diesem Vorgehen frühzeitig in Kenntnis gesetzt zu werden. Der richtige Ort zu Ansiedelung eines Instruments, welches vor dem Aufbau erheblicher Beteiligungspositionen warnen soll, ist daher nicht das WpÜG, sondern vielmehr das WpHG. Mit § 21 WpHG besteht bereits eine Meldepflicht, die eine Warnfunktion erfüllen soll. Im Hinblick auf Übernahmeverfahren im Besonderen und dem Bedürfnis der Transparenz der Beteiligungsverhältnisse am Kapitalmarkt im Allgemeinen956, ist jedoch die Normierung engerer Schwellenabstände vorzuschlagen. Teilweise wurde für die Auslösung der Mitteilungspflichten die Statuierung von 5%-Schritten empfohlen957. Vereinzelt wurde auch eine noch strengere Mitteilungspflicht bei Über- bzw. Unterschreiten der Beteiligungsquote um einen vollen Prozentpunkt vorgeschlagen958. Zu beachten ist bei der Festlegung der Meldeschwellen, dass den Meldepflichten mit ihrer Warnfunktion nicht nur die Aufgabe zukommt, das Anschleichen des Bieters zu verhindern, sondern dass sie auch einer Verstärkung der Gleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten dienen sollen. Je ausgefeilter das Warnsystem dabei ausgestaltet ist, desto frühzeitiger erhalten die Zielgesellschaftsaktionäre von einem bevorstehenden Übernahmeangebot Kenntnis und desto weniger ist es dem Bieter möglich, eine maßgebliche Beteiligung zu einem gemäßigten Marktpreis auf956

Siehe hierzu Burgard, AG 1992, 41; Schneider/Burgard, DB 1996, 1761. Witt, Übernahme, 1998, S. 248; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 180; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 138 FN 12, Schneider in Assmann/Schneider, WpHG, 2003, § 21 Rn. 15; Schneider/Burgard, DB 1996, 1761, 1763; Starke, Beteiligungstransparenz, 2002, S. 84. 958 Burgard, AG 1992, 41, 52; Munscheck, RIW 1995, 998, 1002. 957

C. Gleichbehandlungspflichten

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zubauen. Das Meldesystem bringt also das Bedürfnis des Bieters nach einem günstigen Beteiligungsaufbau im Vorfeld und das Interesse aller Aktionäre an einer Teilhabe an der Kontrollprämie zum Ausgleich. Steuerungsmechanismen im Bereich des Meldesystems sind dabei einerseits die gesetzten Schwellen, die eine Mitteilung auslösen und andererseits die Frist, innerhalb welcher die Mitteilung erforderlich ist959. Besonders enge Meldeschwellen und eine besonders kurze Frist sorgen für eine sehr frühzeitige Information der Aktionäre und beschweren den Bieter. Je lockerer diese beiden Faktoren ausgestaltet sind, desto mehr wird den Bieterinteressen Rechnung getragen. Es ist eine rechtspolitische Frage des deutschen Kapitalmarktrechtes welche Wertung es mit der Ausformung der Meldepflichten im Detail treffen will. Die Meldepflichten sorgen nicht nur für verstärkte Transparenz am Kapitalmarkt auf Grund der Information über die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse. Die damit verbundene Warnung für die Kapitalmarktteilnehmer wirkt gleichzeitig als Motivation für den Bieter, möglichst frühzeitig mit seiner Angebotsabsicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Je länger er abwartet und versucht, am Markt Zielgesellschaftspapiere zu erwerben, desto stärker wird die Erwartungshaltung und Spekulation der Anleger steigen. Diese werden verstärkt in die Papiere der Zielgesellschaft investieren, was einen Kursanstieg derselben zur Folge hat. Je weiter der Kurs ansteigt, desto attraktiver muss der Bieter sein späteres Übernahmeangebot ausgestalten. Da er an dieser Entwicklung nicht interessiert ist, wird er freiwillig eine möglichst frühzeitige Veröffentlichung seiner Angebotsabsicht vornehmen ohne im Vorfeld eine erhebliche Beteiligung durch Marktkäufe aufzubauen. Auf diese Weise ist eine frühzeitige Information des Kapitalmarktes sicher gestellt. Die Gefahr des Insiderhandels und der Verunsicherung des Kapitalmarktes auf Grund erhöhter Intransparenz ist beseitigt. Was das deutsche WpÜG im Wege einer gesetzlichen Anordnung nicht erreichen kann, gelingt mittels eines verbesserten Systems der Meldepflichten. Dadurch würde auch den Anforderungen des europäischen Gesetzgebers Rechnung getragen, da ein System in Kraft gesetzt würde, welches eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit sicher stellt, auch wenn dies nicht ausdrücklich normiert ist.

959

259 f.

Siehe Davies in Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, 1991, S. 243,

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5. Teil: Die Bieterpflichten

f) Verlangsamung Nicht vergessen werden darf, dass auch im deutschen Recht die Anwendung der dawn-raid-Strategie denkbar ist. Effektiv verhindert werden kann diese nur, wenn der Beteiligungsaufbau zwangsweise verlangsamt wird. Es muss also eine Maximalquote von Anteilen festgesetzt werden, die höchstens innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erworben werden darf. Diese Vorschrift dient dem Flankenschutz der Warnfunktion der Meldepflichten. Dem Markt muss Zeit gegeben werden, auf die erzwungen Meldungen zu reagieren und gegebenenfalls den Preis anzuheben. Auch diese Vorschrift ist richtigerweise im WpHG anzusiedeln. 5. Ergebnis Das Gefahrenbündel, welches die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkt und die Anleger bedroht, wenn der Bieter seine Übernahmeabsicht verheimlicht und weiterhin Wertpapiere der Zielgesellschaft am Kapitalmarkt erwirbt, kann nicht mit Hilfe des § 10 I S. 1 beseitigt werden. Stattdessen muss ein in sich abgestimmtes Paket aus unterschiedlichen kapitalmarktund übernahmerechtlichen Verhaltenspflichten entworfen werden. Im Übernahmerecht muss eine spezifische Geheimhaltungspflicht der Beteiligten normiert werden. Zentrale Norm bleibt die Veröffentlichungspflicht des Bieters bezüglich seiner Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots. Diese wird jedoch nicht unverzüglich gefordert, sondern sobald er die ordnungsgemäße Durchführung eines Übernahmeangebots für gesichert hält. Zudem ist eine Vorveröffentlichungspflicht ins WpÜG aufzunehmen, wonach der Bieter über den Stand seiner Pläne Auskunft geben muss, wenn bestimmte Gefährdungstatbestände erfüllt sind. Das Insiderrecht ist geeignet, den Informationsmissbrauch auch im Zusammenhang mit Übernahmeverfahren zurückzudrängen. Flankenschutz müssen diese übernahmespezifischen Regeln zudem durch allgemeine kapitalmarktrechtliche Meldepflichten erhalten, deren Schwellen und Fristen im Vergleich zu § 21 WpHG deutlich zu verschärfen sind. Letztlich müssen Vorschriften geschaffen werden, die den massierten Beteiligungserwerb in sehr kurzer Zeit unterbinden.

C. Gleichbehandlungspflichten

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II. Teilangebote 1. Gefahren a) Ungleichbehandlung der Aktionäre Gibt der Bieter ein Teilangebot ab, so begrenzt er von vornherein die Anzahl der Anteile, die er zu kaufen bereit ist. Er limitiert sein Angebot auf einen bestimmten Prozentsatz von Stimmrechten, wie er ihn beispielsweise zur Sicherung einer Hauptversammlungsmehrheit von 50% oder 75% benötigt960. Rechtstechnisch verwirklicht er dieses Vorhaben, indem er sein Übernahmeangebot unter der Bedingung abgibt, dass er nur eine maximale Anzahl von Wertpapieren im Übernahmeangebot erwerben will. Das Angebot ist also durch das Erreichen einer bestimmten maximalen Beteiligungsschwelle bedingt. Diese Höchstgrenze des Erwerbs ermöglicht dem Bieter, das Übernahmeverfahren so kostengünstig wie möglich zu gestalten und ist außerdem eine sichere Kalkulationsgrundlage für die Finanzierung. Teilangebote könnten jedoch die Gleichbehandlung der Aktionäre gefährden. Wird ein Übernahmeangebot abgegeben, so wird den Angebotsadressaten regelmäßig die Chance zur Mitnahme einer Kontrollprämie eröffnet. Um Erfolgsaussichten zu begründen, muss das Übernahmeangebot den aktuellen Börsenkurs nämlich denknotwendig überbieten. Für die Aktionäre eröffnet sich die Chance, ihre Anteile zu diesem Prämienpreis zu veräußern. Begrenzt ein Bieter, der mit Übernahmeabsicht ein Angebot abgibt, aber die Anzahl der Anteile, die er zu erwerben gewillt ist, so wird nur dem Teil der Aktionäre die Gewinnmitnahme ermöglicht, dessen Annahmeerklärungen vom Bieter berücksichtigt wurden. Das Angebot ist nämlich nur auf einen beschränkten Teil der Anteile gerichtet. Für die darüber hinausgehende Anzahl von Wertpapieren besteht das Übernahmeangebot nicht. Dies hat zur Folge, dass einem Teil der Aktionäre der Ausstieg aus der Zielgesellschaft und die Mitnahme der Kontrollprämie ermöglicht wird, ein anderer Teil jedoch zwingend in der Position eines Minderheitsaktionärs im Zielunternehmen zurückbleibt. Die Anteile dieser Minderheitsaktionäre werden nach erfolgtem Kontrollübergang vom Markt regelmäßig niedriger bewertet als noch vor dem Kontrollwechsel961. Mit der Durchführung eines Teilangebots ist dann zwangsläufig ein Vermögensverlust für einen Teil der 960

Siehe Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1751. Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435, 437; Houben, WM 2000, 1873; Fleischer, NZG 2002, 545, 546 m. w. N.; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 725; a. A. Letzel, BKR 2002, 293, 297. 961

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Aktionäre verbunden. Dieses Ergebnis widerspricht aber dem Grundsatz der Gleichbehandlung, welcher den Schutz der Anleger, ihres Vertrauens in den Kapitalmarkt und letztlich dessen Funktionsfähigkeit gewährleisten soll. b) Erhöhter Verkaufsdruck je nach Ausgestaltung des Teilangebots Teilangebote können zudem eine besondere Ausgestaltung erfahren, die geeignet ist, den Verkaufsdruck der Aktionäre und das für sie existente Gefangenendilemma zusätzlich zu vergrößern962. Ein Beispiel hierfür bietet die so genannte first-come-first-served-Taktik963. Danach kündigt der Bieter an, die Zuteilung der Verkaufsgelegenheit nach dem Prioritätsprinzip vorzunehmen. Die Chance zum Ausstieg ist nur solange eröffnet bis der Bieter seine Wunschquote erreicht hat. Die Angebotsadressaten müssen befürchten, dass ihre Mitaktionäre schneller als sie selbst das Übernahmeangebot annehmen. Folglich entsteht ein Wettlauf um die Verkäuferposition. Die Aktionäre stehen unter erhöhtem Entscheidungs- und Zeitdruck964. Eine weitere Spielart des Bieters für eine die Aktionäre unter Druck setzende Ausgestaltung seines Übernahmeangebots, ist die Staffelung der Konditionen in so genannten two-tiered-offers oder front-end-loaded-offers965. Zunächst unterbreitet der Bieter ein lukratives Übernahmeangebot – in der Regel in Form eines Barangebots –, welches er auf den Kontrollerwerb begrenzt966. Er kündigt dabei bereits an, in einem zweiten Schritt die verbleibenden Aktionäre zu einem weniger günstigen Preis und in der Regel in Form eines Tauschangebots auszukaufen. Erneut steht jeder Aktionär unter dem Druck, seinen Mitaktionären zuvor zu kommen, um den höheren Verkaufspreis zu erzielen. Es kommt zu einem „Windhundrennen“967, bei dem jeder einzelne Aktionär noch das geringste allen Übels für sich erreichen will, nämlich den höheren Staffelpreis zu erzielen.

962

Siehe dazu allgemein vorne S. 38. Hahn, ZBB, 1990, 10, 17; Witt, Übernahme, 1998, S. 87; Ramsay [1992] JBL 369, 385 f. 964 Ramsay [1992] JBL 369, 385 f.; Krause, WM 1996, 845, 848. 965 Hahn ZBB 1990, 10, 17; Herkenroth, Konzernierungsprozesse, 1994, S. 141 ff.; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 38; Krause, WM 1996, 845, 846 f.; Sandberger, DZWir 1993, 319, 322; Kuhr, Minderheitenschutz, 1992, S. 31; Prentice (1988–89) 39 Case Western Reserve Law Review 389. 966 Je nach Einzelfall wird diese Höchstgrenze unterschiedlich bemessen sein, Herkenroth, Konzernierungsprozesse, 1994, S. 141 geht von einer Schwelle zwischen 20–50% der Anteile aus. 967 Vogel in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 32 Rn. 2. 963

C. Gleichbehandlungspflichten

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2. Lösungsmöglichkeiten a) Repartierungspflichten bei Erwerbsangeboten Wenn ein Bieter sein Teilangebot in der Form ausgestaltet, dass diejenigen Aktionäre eine Zuteilung erhalten die zuerst die Angebotsannahme erklären, entsteht ein erhöhter Entscheidungsdruck. Je schneller sich der einzelne Aktionär zur Annahme des Teilangebots entscheidet, desto größer sind seine Chancen, zum Zuge zu kommen. Um diesen Verkaufsdruck auszuschalten, ist die Zuteilung des Bieters nach dem Prioritätsprinzip zu untersagen968. Stattdessen muss eine Repartierungspflicht eingeführt werden. Eine solche ist sowohl gem. § 19 als auch gem. Rule 36.7 City Code vorgesehen. Wenn danach die Anzahl oder der Anteil der Wertpapiere, die der Bieter erwerben kann, höher ist als die Anzahl oder der Anteil der Wertpapiere, die der Bieter zu erwerben sich verpflichtet hat, dann sind die Annahmeerklärungen grundsätzlich verhältnismäßig zu berücksichtigen. Die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung verhilft so nicht zu größeren Erfolgschancen hinsichtlich der Zuteilung. Alle Anleger, die während der Annahmefrist das Angebot angenommen haben, werden zu gleichen Teilen berücksichtigt. Mit Hilfe der Repartierungspflicht werden die Aktionäre von dem Druck befreit, möglichst schnell eine Entscheidung über die Annahme des Übernahmeangebots zu treffen, um ihren Mitaktionären zuvor zu kommen und in den Genuss der Zuteilung zu gelangen. Wenn die Aktionäre sicher sein können, dass der Zeitpunkt, zu dem sie ihre Entscheidung treffen, keinen Einfluss auf die Chance der Zuteilung hat, sind sie zumindest vom Zeitdruck hinsichtlich der Entscheidungsfindung befreit. Teilangebote setzen den Aktionär nicht unter mehr oder weniger Verkaufsdruck wie auch ein Vollangebot969. b) Verbot von Teilangeboten im Rahmen von Übernahmeangeboten Die Repartierungspflicht ist aber allein im Fall bloßer Erwerbsangebote geeignet, den Schutz der Aktionäre in ausreichendem Maße sicher zu stellen970. Hier strebt der Bieter nämlich gerade keinen Kontrollwechsel an 968 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 48; Krause, WM 1996, 845, 848; Ogowewo [1996] JBL 463, 476. 969 Bebchuck (1985) 98 HarvL Rev 1693, 1736 f.; Sandberger, DZWir 1993, 319, 321. 970 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 19 Rn. 1.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

und ein Wertverlust der Anteile der verbleibenden Aktionäre ist nicht zu befürchten. Das Teilangebot im Rahmen von Erwerbsangeboten eröffnet den Anlegern lediglich die Chance auf einen Zugewinn, nämlich durch Veräußerung eines Teils ihrer Wertpapiere Gewinne zu erzielen. Für den restlichen Teil ergibt sich keine Veränderung. Wird jedoch ein Übernahmeangebot abgegeben, so beabsichtigt der Bieter den Erwerb der Kontrolle im Zielunternehmen. Von nun an existiert für die Aktionäre die Bedrohung, bei Gelingen des Übernahmeangebots in eine Minderheitenposition zu geraten und einen Wertverlust ihrer Anteile zu erleiden971. Ihnen droht auf Grund des Übernahmeangebots eine Verschlechterung ihrer Vermögensposition. Zum Schutze der Interessen der Zielgesellschaftsaktionäre könnte es daher geboten sein, Teilangebote nur im Rahmen der Erwerbsangebote zuzulassen. Bei freiwilligen Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten könnte dagegen allein ein Verbot von Teilangeboten das Schutzbedürfnis der Beteiligten sicherstellen. Das WpÜG entscheidet sich gem. § 32 für diesen Weg. c) Die britische Lösung Auf den ersten Blick scheint das britische Übernahmerecht eine weniger stringente Lösung zu verfolgen972. Während frühere Fassungen des City Codes sich noch deutlich gegen Teilangebote aussprachen973, soll heute ein Kompromiss gesucht werden zwischen der Sichtweise, dass Teilangebote unerwünscht sind, zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen und daher restlos unterbunden werden müssen und der Ansicht, dass Teilangebote vollständig erlaubt sein sollten, da sie erwünschte Transaktionen erleichtern und die unternehmerische Handlungsfreiheit des Bieters garantiert werden kann974. Gemäß Rule 36.1 City Code ist zunächst das Einverständnis des Panels für jegliche Art von Teilangebot erforderlich. Ausdrücklich erwähnt wird, 971 Dazu Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435, 437; Houben, WM 2000, 1873; Fleischer, NZG 2002, 545, 546 m. w. N.; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 725. 972 Siehe zu Teilangeboten im britischen Recht Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 794 ff.; Stedman, Takeovers, 1993, S. 71 f.; Schlitt in MK-WpÜG, 2004, § 32 Rn. 7; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 54, 73. 973 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 2-2022; Johnston, The City Take-over Code, 1980, S. 254; Krause, WM 1996, 843, 848, FN 41. 974 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 2-2022: „The present rules of the City Code represents something of a compromise between the view that partial offers are an evil, an abomination to be stamped out and grossly unfair, and the view that partial offers should be allowed entirely and the freedom of action for the offeror should be guaranteed“.

C. Gleichbehandlungspflichten

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dass in Fällen, in denen das Teilangebot für einen geringeren Teil als 30% der Aktien abgegeben wird, das Einverständnis normalerweise erteilt wird975. Diese Wertung entspricht dem Verständnis im deutschen Recht, wonach Teilangebote im Rahmen bloßer Erwerbsangebote zulässig sind, da hier nicht dieselben Gefahrenlagen wie bei Übernahmeangeboten bestehen976. Sollte der Bieter jedoch mit seinem Teilangebot einen Anteilserwerb zwischen 30% und 50% anstreben, wird die Einverständniserklärung des Panels sehr viel schwieriger zu erlangen sein. Die Regeln des City Codes sind nämlich gerade darauf angelegt, die Bildung von Aktienpaketen in der Größenordnung zwischen 30%- 50% der Anteile zu verhindern977. Zusätzlich soll ein Teilangebot, welches auf die Erlangung von mehr als 30% der Stimmrechtsanteile abzielt, der Zustimmung der außenstehenden Aktionäre bedürfen, die 50% der vom Bieter unabhängigen Stimmrechte halten978. Das heißt, dass die außenstehende Mehrheit das Teilangebot befürworten muss. Dies hat zur Folge, dass zumeist mehr Aktionäre aktiv ihre Zustimmung zum Teilangebot erklären müssen, als letztlich das Angebot annehmen könnten979. In der Praxis ist die Erteilung einer solchen Zustimmung in den wenigsten Fällen zu erwarten. Derartige Teilangebote kommen daher in Großbritannien sehr selten vor. In den letzten Jahren konnte nur etwa ein auf Kontrollerwerb gerichtetes Teilangebot pro Jahr abgegeben werden980. Haben aber der Bieter oder eine mit ihm gemeinsam handelnde Person entweder in ausgewählter Weise oder in erheblichem Umfang innerhalb der vorhergehenden zwölf Monate oder zu einem Zeitpunkt als die Abgabe eines Teilangebot schon ernsthaft in Betracht gezogen wurde, Anteile der Zielgesellschaft erworben, so wird der Panel sein Einverständnis grundsätzlich verweigern981. 975 Rule 36.1 „The Panel’s consent is required for any partial offer. In the case of an offer which could not result in the offeror holding shares carrying 30 per cent or more of the voting rights of a company, consent will normally be granted“. 976 Die Anleger sind weniger gefährdet, wenn mittels eines Teilangebots nicht der Kontrollerwerb angestrebt wird, Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 2-2022. 977 Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 2-2022. 978 Rule 36.5. 979 Angenommen der Bieter hält bereits 20% der Stimmrechte und gibt nun ein Teilangebot auf weitere 10% der Stimmrechte ab, um den Kontrollwechsel auf diese Weise zu erreichen, dann müsste eine Anzahl von Aktionären, die 40% der Stimmrechte hält, dem Teilangebot zustimmen und dies obwohl sie wissen, dass nur 10% der Stimmrechte vom Bieter erworben werden. Anschauliches Beispiel hierzu auch bei Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, Rn. 2-2023. 980 Frazer in Coffee u. a., Knights, 1988, S. 436, 441. 981 Rule 36.2.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Teilangebote werden folglich vom britischen City Code zwar nicht direkt untersagt, aber mit solch erheblichen rechtlichen Hindernissen versehen, dass sie in der Praxis faktisch nicht vorkommen982. De facto unterscheidet sich also die britische Lösung kaum von der des WpÜG. 3. Diskussion a) Gründe für die Zulassung von Teilangeboten aa) Ermöglichung wünschenswerter Transaktionen Königsargument der Befürworter der Zulassung von Teilangeboten auch im Rahmen von Übernahmeangeboten ist, dass eine zwingende Vollangebotspflicht Unternehmensübernahmen grundsätzlich verteuere und diese finanziell schlechter zu kalkulieren seien983. Insbesondere die Vertreter des Modells eines Marktes für Unternehmenskontrolle, welche Übernahmeangebote als grundsätzlich effizienzsteigernd bewerten, befürworten in konsequenter Fortführung ihrer Thesen die Zulassung von Teilangeboten984. Angenommen der Bieter verfügt über ein Konzept, wie die Ressourcen der Zielgesellschaft einer effektiveren Nutzung zugeführt werden könnten. Möglicherweise ist dem Bieter aber die Finanzierung des vollständigen Anteilserwerbs der Zielgesellschaft nicht möglich und er hat daher ein Interesse, durch einen möglichst geringen Kapitalaufwand – nämlich allein durch den Erwerb einer kontrollierenden Mehrheitsbeteiligung – auf die Geschicke der Zielgesellschaft positiven Einfluss zu nehmen985. Trotz des verminderten Kapitaleinsatzes wäre er in der Lage, die gesamten Vermögenswerte der Zielgesellschaft zu kontrollieren und diese insgesamt einer Effizienzsteigerung zuzuführen. Zwingt der Gesetzgeber den Bieter aber grundsätzlich zur Abgabe eines Vollangebots und damit zur Finanzierung des Gesamtwertes der Zielgesellschaft, so könnten ein für den Bieter unüberwindbares Hindernis geschaffen werden mit dem Ergebnis, dass gesamtwirtschaftlich erwünschte Übernahmen verhindert werden würden. Es wurde aber gerade als Ziel des WpÜG definiert, einen neutralen Rechtsrahmen zu schaffen, ohne Übernahmeangebote zu fördern oder zu verhindern. Es soll allein ein fairer Interessenausgleich der Beteiligten ge982

So auch Ogowewo [1996] JBL 463, 478. Hahn, ZBB 1990, 10, 18; Sandberger, DZWir 1993, 319, 321. 984 Manne (1965) 73 JPolEcon, 110, 116 f.; Easterbrook/Fischel (1982) 91 YaleLJ 698, 705, 715; siehe zur Diskussion dieses Modells oben S. 30 ff. und der rechtspolitischen Folgerung S. 27. 985 Ausreichend wäre der effektive Kontrollerwerb, siehe oben S. 27. 983

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schaffen werden. Das Verbot von Teilangeboten könnten aber den Bieter unverhältnismäßig stark beschränken und damit ein erhebliches Hindernis für Übernahmeangebote verkörpern. Dagegen ist aber einzuwenden, dass ein erzwungener Mehrerwerb von Anteilen im Rahmen eines Vollangebots für den Bieter dann rein vorteilhaft sein müsste, wenn er planen würde, den Anteilswert durch neue Strategien der Unternehmensführung zu erhöhen. Er geht in diesen Fällen nämlich davon aus, den Vermögenswert der Zielgesellschaft zu steigern und damit gleichzeitig eine Wertsteigerung der einzelnen Anteile zu erzielen. Wenn er aber ohnehin eine Wertsteigerung aller Anteile beabsichtigt, dann dürfte er von einem erzwungenen Mehrerwerb dieser Anteile nicht abgeschreckt werden. Eine Realisierung solcher Vorhaben ist deshalb nicht ausgeschlossen, weil die Fremdfinanzierung solcher Vorhaben am Kapitalmarkt ermöglicht wird, wenn die Absicht zur Verbesserung der Vermögenslage der Zielgesellschaft und die Möglichkeiten deren Umsetzung glaubhaft nachgewiesen werden können986. Der Bieter wird mit Hilfe dieser Fremdfinanzierung in die Lage versetzt, auch ein kostspieligeres Vollangebot durchzuführen. Der durch ein Vollangebot hervorgerufene Zwang, den vollen Unternehmenswert für die Unternehmensübernahme zu bezahlen, würde für diese Bieter deshalb nicht demotivierend wirken. Nur für spekulative Übernahmeangebote oder für solche, die auf eine Zerschlagung oder Ausbeutung des Unternehmens und seiner Aktionäre abzielen, gilt, dass der Bieter ein Interesse daran hat, die Kosten der Übernahme so gering wie möglich zu halten, um den späteren Gewinn zu maximieren987. Ein Teilangebot ist für derartig motivierte Bieter daher ein willkommenes Mittel, die Kosten für die Kontrollübernahme zu minimieren988, um damit größtmögliche Erträge bei der späteren Ausbeutung zu erzielen. Das Verbot von Teilangeboten stellt daher nicht nur kein erhebliches Hindernis für Übernahmevorhaben dar, sondern entfaltet vielmehr eine positive Selektionswirkung989. Durch das Verbot von Teilangeboten können solche Übernahmevorhaben aussortiert werden, die allein auf die Ausbeutung der Zielgesellschaft gerichtet sind. Der Übernahmeanreiz der Kostenexternalisierung wird eliminiert. Der Unternehmenskontrollmarkt wird durch die Vollangebotspflicht zu einem „Markt für Unternehmen“ transformiert, dessen allokative Funktionsfähigkeit deshalb verbessert wird990. Das Verbot 986

Krause, WM 1996, 845, 893, 898. Mit Beispielen veranschaulicht bei Clark, Corporate Law (1986), S. 494 ff. 988 Ramsay [1992] JBL 369, 383. 989 Siehe bereits oben zur Verbesserung der allokativen Effizienz des Kapitalmarktes durch Gleichbehandlung der Aktionäre, S. 49 ff. 990 Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 22 f. 987

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5. Teil: Die Bieterpflichten

der Teilangebote kann mit dem Argument der Verhinderung wünschenswerter Transaktionen also nicht überzeugend angegriffen werden. bb) Aufrechterhaltung von Börsennotierungen Im Speziellen wird kritisiert, dass der Zwang zum Vollangebot zu einer solch starken Reduzierung des Freefloats führen könnte, dass ein Delisting, das heißt ein Rückzug der betroffenen Gesellschaft von der Börse unausweichlich werde991. Die Möglichkeit der Börsennotierung sei für finanziell schwächere Bieter damit in Gefahr. Jedoch sind Teilangebote im Rahmen bloßer Erwerbsangebote gem. § 19 ausdrücklich zugelassen. Es wird damit zumindest ermöglicht, eine beachtliche Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft öffentlich zu erwerben, ohne dabei die Aufrechterhaltung der Börsennotierung zu riskieren992. Den Bieterinteressen wird bis zu einem gewissen Grad Rechnung getragen. Zudem könnte der Zwang zum Vollangebot für den Bieter gerade einen Anreiz darstellen, den Verbleib im Zielunternehmen für die Aktionäre attraktiv zu gestalten. Dienen könnte hierzu eine detaillierte Information über die zukünftigen Pläne der Unternehmensführung, die Zusage des Erhalts von Arbeitsplätzen etc. Wenn das Vertrauen in die Seriosität des Bieters gestärkt und die Sorge vor Ausbeutung minimiert werden kann, entscheidet sich womöglich mancher Aktionär ganz oder mit einem Teil seiner Stimmrechtsanteile zum Verbleib in der Zielgesellschaft. cc) Adäquater Schutz des verbleibenden Teils durch deutsches Konzernrecht Gerade innerhalb der deutschen Rechtsordnung könnte die für Anleger bestehende Gefahr von Teilangeboten in Zweifel gezogen werden, da das deutsche Konzernrecht für den Teil, der keine Zuteilung für das Teilangebot erhielt, einen ausreichenden Schutzmechanismus zur Verfügung stellen könnte. Zum einen ist mittlerweile aber einhellige Meinung, dass der Minderheitenschutz im bestehenden Konzern im deutschen Recht nicht in zufriedenstellendem Maße gewährleistet ist993. Das Konzernrecht kann eine Verschlechterung der vermögensrechtlichen Position der Aktionäre, die nach erfolgreichem Übernahmeangebote in die Rolle des Minderheitsaktionärs in der Ziel991

Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1751. So Land selbst zu seiner geäußerten Kritik, DB 2001, 1707, 1711. 993 Siehe Mühle, Das WpÜG, 2002, S. 408 f.; Houben, WM 2000, 1873, 1875 f.; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S. 75; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 248, 278 ff. 992

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gesellschaft gedrängt wurden, nicht in zufrieden stellendem Maße verhindern. Allein aus diesem Grund ist eine Zulassung von Teilangeboten unter Berufung auf den deutschen Konzernschutz nicht gerechtfertigt. Zum anderen – und dies ist der entscheidendere Gesichtspunkt – kann aus systematischen Erwägungen heraus der Konzernbestandsschutz nicht den Konzerneingangsschutz ersetzen. Letzterer trägt verstärkt dem Schutzbedürfnis des Aktionärs in seiner Eigenschaft als Kapitalanleger Rechnung. Das Interesse des Investoraktionärs zielt in erster Linie auf die Wahrung der Grundlagen seiner Investitionsentscheidung und auf die Sicherung der Freiheit, diese Entscheidung bei Veränderung der Grundlagen neu treffen zu können, ohne vermögensmäßige Verluste hinnehmen zu müssen994. Entsteht die Kontrollposition beim Bieter nach erfolgreichem Übernahmeangebot aber neu, so verändert sich die gewählte Investitionsbeziehung grundlegend. Werden Teilangebote zugelassen, ist eine autonome Anlegerentscheidung nicht garantiert. Das Konzernrecht ist als verbandsrechtlicher Schutzmechanismus vollständig ungeeignet, diese Bedrohung zu beseitigen. Bleibt hier aber eine Schutzlücke zurück, so ist die institutionelle Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes bedroht995. Der Konzernbestandsschutz kann den Konzerneingangsschutz nicht ersetzen, vielmehr wirken beide kumulativ zum Schutze der Anleger996. b) Gründe für das Verbot von Teilangeboten aa) Positive Selektionswirkung Bereits dargestellt wurde, dass ein Verbot von Teilangeboten eine positive Selektionswirkung entfaltet, weil nur solche Übernahmeangebote motiviert werden, die auf eine Effizienzsteigerung bei der Zielgesellschaft gerichtet sind997.

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Siehe dazu auch sogleich S. 266. Zustimmend Hopt, ZHR 191 (1997), 368, 388. 996 Fleischer, NZG 2002, 545, 548; Wackerbart, WM 2001, 1741, 1745; Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 387; diskutiert wird diese Frage insbesondere im Zusammenhang mit dem Pflichtangebot und dessen Entbehrlichkeit angesichts des existierenden Konzernbestandsschutzes siehe Hommehoff/Witt in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002 vor §§ 35 bis 39 Rn. 30 ff.; Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜGKommentar, § 35 Rn. 3; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 560. 997 Siehe S. 262. 995

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5. Teil: Die Bieterpflichten

bb) Schutz der Autonomie des Kapitalanlegers Ist es dem Bieter gestattet, nur ein Teilangebot abzugeben, so verändert sich für diejenigen Aktionäre, die das Angebot nicht annehmen konnten, ohne ihr Zutun die Grundlage ihrer Investitionsentscheidung. Die Zielgesellschaftsaktionäre haben sich aber gezielt für eine Geldanlage in dem betreffenden Unternehmen entschieden. Hierzu können sie mannigfaltige Gründe veranlasst haben, wie zum Beispiel die Hoffnung auf eine profitable Investition, die Unterstützung der jeweiligen Unternehmenspolitik oder die Tätigung einer Geldanlage in einer gerade nicht konzernierten Gesellschaft. Mit der Durchführung eines Teilangebots verändern sich plötzlich diese Voraussetzungen und der Kapitalanleger wird einer autonomen Investitionsentscheidung beraubt. Der Aktionär versteht sich als Kapitalanleger und Unternehmensfinanzierer. Sein Interesse ist auf Wahrung der Grundlagen seiner Investitionsentscheidung und auf Sicherung der Chance gerichtet, diese Entscheidung bei Veränderung ihrer Voraussetzung ohne finanzielle Einbußen neue zu treffen998. Mit einem Kontrollwechsel in der Gesellschaft ist eine grundlegende Veränderung der Unternehmenspolitik und damit der Geschäftsgrundlage des Investments verbunden999. Es verändern sich die Ertragsaussichten und das Risiko des Investors. Er hat daher ein natürliches Bedürfnis nach einer autonomen Anlageentscheidung, ob er seine Kapitalanlage unter der neuen Unternehmensführung im übernommen Zielunternehmen beibehalten oder diese verlassen und sein Kapital einer alternativen Anlageform zuführen soll, deren Risiken und Chancen er frei abwägen kann. Er hat ein gesteigertes Interesse am Erhalt der Freiheit, sich von seinem Investment zu lösen1000 und darf daher nicht unter der neuen Führung im alten Unternehmen eingeschlossen werden. Die Möglichkeit, den Ausstieg über die Börse zu suchen, löst den Konflikt dabei nicht in zufriedenstellendem Maße1001. Börsenkurse müssen nicht den angemessenen Preis für die Anteile wiedergeben. Sie unterliegen Schwankungen auf Grund einer Vielzahl von Einflussfaktoren oder ihre Märkte könnten keine ausreichende Tiefe aufweisen. Zudem ist ein Ausstieg über die Börse deshalb nicht zufriedenstellend, weil die Risiken des Veräußerers uneingeschränkt auf den Erwerber übergehen1002. 998

Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558. Liebscher, ZIP 2001, 853, 866. 1000 Liebscher, ZIP 2001, 853, 866; Hommelhoff/Witt in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, vor §§ 35 bis 39 RN 31; Harbarth ZIP 2002, 321, 323; Ekkenga/Hofschroer, DStR 724, 768, 774; a. A. Letzel, BKR 2002, 293, 296. 1001 Diesen Einwand bringt Kallmeyer, ZGR 161 (1997) 435, 440. 999

C. Gleichbehandlungspflichten

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Ein Übernahmeangebot, welches nicht allen Aktionären den Ausstieg aus der Zielgesellschaft ermöglicht, stellt folglich eine erhebliche Bedrohung ihrer Interessen als Kapitalanleger dar. Die Vollangebotspflicht dagegen, sichert dem Aktionär die Freiheit, über die Grundlagen seiner Investitionsbeziehungen frei und ohne finanzielle Einbußen entscheiden zu können1003. Dies ist geeignet, die Investitionswilligkeit von Anlegern in den Kapitalmarkt zu fördern und kann somit dessen institutionelle Funktionsfähigkeit stärken. cc) Vollumfängliche Partizipation an der Kontrollprämie Zuletzt ist die Vollangebotspflicht geeignet, dem Aktionär eine Partizipation an der Kontrollprämie mit all seinen Anteilen zu ermöglichen. Das Übernahmeangebot muss, um sich Erfolg versprechen zu können, denknotwendig den aktuellen Börsenpreis überbieten, um den Zielgesellschaftsaktionären einen Anreiz für die Annahme desselben zu bieten. Jeder Aktionär hat an dieser Stelle die Möglichkeit, mit all seinen Anteilen zum Angebotspreis die Zielgesellschaft zu verlassen. Diese mit Übernahmeangeboten verbundene Chance stärkt die Motivation der Anleger zur Geldanlage am Kapitalmarkt und trägt deshalb ebenfalls zur Verbesserung dessen institutioneller Funktionsfähigkeit bei. dd) Gleichbehandlung der Aktionäre Die Vollangebotspflicht stellt zudem die Gleichbehandlung der Aktionäre sicher und stärkt damit deren Vertrauen in den Kapitalmarkt. Sind Teilangebote gestattet und bleibt es beispielsweise bei der bloßen Repartierungspflicht, so werden die Aktionäre zwar insofern gleich behandelt, als allen in gleichem Maße der Vermögensverlust auf Grund des Teilangebotes droht. Allerdings verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die gleiche Behandlung der Angebotsadressaten, sondern auch dieselbe im Verhältnis zu den Aktionären, die beispielsweise außerhalb des Übernahmeverfahrens oder vor Angebotsveröffentlichung ihre Anteile veräußern1004. Diese haben gerade die Chance mit all ihren Anteilen aus der Zielgesellschaft auszusteigen und keinen Wertverlust ihrer Papiere als Minderheitsaktionäre hinneh1002

Mühle, Das WpÜG, 2001, S. 435 f. Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558; Krause, WM 1996, 845, 893, 897; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung, 1991, S. 242. 1004 Die Richtigkeit dieser Annahme lässt sich zum Beispiel anhand der Regelung belegen, die die Konditionenbildung beim Übernahmeangebot zwingend an die Preise knüpft, die für Vorerwerbe gezahlt wurden, §§ 31 IV i. V. m. § 4 WpÜGAVO, siehe dazu im nächsten Abschnitt S. 272 f. 1003

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5. Teil: Die Bieterpflichten

men zu müssen. Diese Freiheit soll den Angebotsadressaten im Vergleich zu den vorzeitig veräußernden Aktionären aber nicht genommen werden. Eine Ungleichbehandlung dieser beiden Aktionärsgruppen in Folge eines Übernahmeangebots ist nicht akzeptabel. Die Angebotsadressaten sollen nicht gerade deshalb benachteiligt sein, weil sie sich zum Zeitpunkt des Übernahmeangebots eben noch in der Zielgesellschaft befinden. Durch die Abgabe eines Übernahmeangebots darf den Anlegern gerade kein spezifischer Nachteil erwachsen. Typische mit Übernahmeangeboten verbundene Risiken sind durch die Übernahmeregeln für die Zielgesellschaftsaktionäre zu eliminieren. c) Diskussion der britischen Lösung Die britische Lösung, welche die Zulässigkeit eines Teilangebots von der Zustimmung des Panels und der Aktionäre, die mehr als 50% der außenstehenden Stimmrechte halten, abhängig macht, vermag hierbei als Lösung nicht zu überzeugen. Zugegeben werden kann diesem Weg, dass versucht wird, nur qualitativ sehr hochwertigen Übernahmeangeboten mittels Zulassung des Teilangebots zum Erfolg zu verhelfen. Nur solche Übernahmevorhaben, die von der außenstehenden Mehrheit ausdrücklich und aktiv als wünschenswert befürwortet werden, können als Teilangebote zum Erfolg führen. Hat der Bieter selbst keine oder nur eine sehr geringe Beteiligung am Zielunternehmen und begrenzt er sein Teilangebot auf einen Beteiligung von weniger als 50%, so werden mehr Anleger das Teilangebot aktiv befürworten müssen, als es letztlich annehmen könnten. Dies wird nur der Fall sein, wenn eine außerordentliche große Befürwortung des Übernahmeangebots unter den außenstehenden Aktionären bestehen würde. Jedoch begegnet die Wertung Bedenken, dass die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre darüber entscheiden soll, ob auf die absolute Gleichbehandlung der Angebotsadressaten im Vergleich zu den vor Veröffentlichung des Angebots verkaufenden Anlegern verzichtet werden kann. Stimmt die Mehrheit diesem Teilangebot nämlich zu, so sind die verbleibenden Aktionäre gehindert, aus der Zielgesellschaft mit all ihren Anteilen auszusteigen. Sie könnten der Garantie einer autonomen Anlageentscheidung durch die Mehrheit der Gesellschafter beraubt werden. Auch kann diese Regelung die Durchführung von erwünschten Übernahmeangeboten nicht erheblich erleichtern. Ist das Übernahmevorhaben qualitativ nämlich tatsächlich so hochwertig, wie von der Mehrheit der außenstehenden Aktionäre angenommen wird, so müsste der Bieter in der Lage sein, eine adäquate Fremdfinanzierung zu finden. Eine besondere Erleichterung für den Bieter ist aus dieser Lösung nicht ersichtlich.

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d) Europarechtliche Vorgaben Die Übernahmerichtlinie verpflichtet gem. Art. 5 I die Mitgliedstaaten, im Fall des Kontrollerwerbs einer natürlichen oder juristischen Person in einer Zielgesellschaft dafür Sorge zu tragen, dass diese zum Schutz der Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft zur Abgabe eines Angebots verpflichtet sind. Dieses Angebot hat an alle Wertpapierinhaber für alle ihre Wertpapiere zu einem angemessenen Preis zu erfolgen. Pflichtangebote sind damit grundsätzlich als Vollangebote abzugeben. In Art. 5 Abs. 2 heißt es weiter: „Die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots gemäß Abs. 1 besteht nicht mehr, wenn die Kontrolle nach einem freiwilligen Angebots erlangt worden ist, das im Einklang mit dieser Richtlinie allen Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere unterbreitet worden ist.“ Die Richtlinie erkennt damit das Zusammenspiel der Regeln von Pflicht- und freiwilligen Übernahmeangeboten. Letzteres ist ein Mittel zum Kontrollerwerb, ersteres wird gerade durch diesen ausgelöst. Beides sind öffentliche Kaufangebote zum Erwerb von Aktien. Würde man das Zusammenspiel derer Regeln nicht anerkennen, wäre der Bieter zu einem doppelten Angebot verpflichtet. Deshalb befreit der europäische Gesetzgeber von dem Pflichtangebot, wenn das freiwillige Übernahmeangebot bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllt. Das Pflichtangebot stellt Regeln auf, die den Schutz vor typischen Gefahren infolge eines Kontrollerwerbs gewährleisten. Dieser Schutz ist entbehrlich, wenn der Kontrollerwerb – im Wege des freiwilligen Übernahmeangebots – bereits in einer Form statt gefunden hätte, welche diese Gefahren beseitigt1005. Der europäische Gesetzgeber ist der Meinung, dass freiwillige Übernahmeangebote dann die notwendige Schutzqualität für die Interessen der Beteiligten erbringen, wenn sie als Vollangebote ausgestaltet sind. Dann ist deren Befreiungswirkung im Bezug auf Pflichtangebote gerechtfertigt. Die Mindestgarantie für alle Anleger geht dahin, dass sie im Fall des Kontrollwechsels in ihrer Gesellschaft berechtigt sein müssen, mit allen ihren Wertpapieren aus dieser zu einem angemessenen Preis auszuscheiden. Diesem Gebot des europäischen Gesetzgebers kann nur nachgekommen werden, wenn sowohl Pflicht- als auch Übernahmeangebote grundsätzlich als Vollan1005 Dies bedeutet aber nicht notwendiger Weise, dass die Verhaltensanforderungen an den Bieter bei Pflicht- und freiwilligem Übernahmeangebot grundsätzlich identisch sein müssen, um die Befreiungswirkung zu rechtfertigen. Diesem Glauben scheint allerdings der deutsche Gesetzgeber zu unterliegen, siehe Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 30. Vielmehr müssen die Regeln des freiwilligen Übernahmeangebots geeignet sein, die für diese Situation typischen Gefahren auszuschalten. Die Gefahrenlagen sind aber gerade nicht mit denen des Pflichtangebots identisch. Siehe dazu näher unten S. 282.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

gebote auszugestalten sind. Das Verbot des WpÜG von Teilangeboten gem. § 32 steht damit im Einklang mit der europäischen Übernahmerichtlinie. e) Zusammenfassung Würden Teilangebote im Rahmen von Übernahmeangeboten zugelassen, so würde ein grundlegend neues Spekulationsrisiko für die Kapitalanleger geschaffen. Jedes Teilangebot führte zu dem Ergebnis, dass die Aktionäre einen Teil ihrer Anteile zu einem attraktiven Preis veräußern könnten, mit einem weiteren – eventuell bedeutenderen Teil – jedoch im Zielunternehmen zurückbleiben und eine ungewollte Investitionsbeziehung aufrechterhalten müssten. Sie würden unwillkürlich in die Rolle des Minderheitsaktionärs in der Zielgesellschaft gedrängt und wären den Risiken ausgesetzt, die die neue Unternehmensführung mit sich bringt. Im Ergebnis würde die Investition am Kapitalmarkt so mit dem unausweichlichen Risikofaktor behaftet, dass ein Bieter ein Teilangebot für diese Gesellschaft abgibt. Die Aktionäre hätten keine Möglichkeit, sich dieser Situation zu erwehren, sondern müssten die damit verbundenen Nachteile akzeptieren. Die den Übernahme(teil)angeboten eigentümliche Gefahren würden unabänderlicher Bestandteil des allgemeinen Spekulationsrisikos der Anleger am Kapitalmarkt. Bei jedem Aktienkauf würden sie das zusätzliche Risiko auf sich nehmen, dass die Aktie Ziel eines Übernahme(teil)angebotes werden könnte und somit ein teilweiser Kursverlust und die Zementierung in einer Minderheitenposition zu erdulden wäre. Das bedeutet, dass das Phänomen der Unternehmensübernahmen für Aktionäre eine abschreckende Wirkung bezüglich ihrer Investition am Kapitalmarkt entfalten würde. Gerade dieses Ergebnis soll durch entsprechende Übernahmeregeln aber verhindert werden. Deshalb ist die Zulassung von Teilangeboten bei Übernahmeverfahren abzulehnen. Sie würde den ausdrücklichen Zielen des Übernahmerechts widersprechen, die Anleger, ihre Investitionsfreude und ihr Vertrauen in die Seriosität des Kapitalmarktes zu schützen und damit dessen Funktionsfähigkeit zu erhalten oder zu verbessern. 4. Unstimmigkeiten im WpÜG a) Ausnahmetatbestände § 32 lässt vom Grundsatz der Vollangebote keine Ausnahmen zu. Vermehrt wurde daher gefordert, vom Bieter bereits unmittelbar oder im Wege der Zurechnung gem. § 30 gehaltene Aktien von der Vollangebotsverpflich-

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tung auszunehmen. Zusätzlich wären die für das Pflichtangebot geltenden Ausnahmetatbestände gem. § 35 II 3 auf das freiwillige Übernahmeangebot zu erstrecken1006. Das Vollangebot muss sich danach nicht auf eigene Aktien der Zielgesellschaft, solche, die einem abhängigen oder im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen der Zielgesellschaft gehören und solche, die einem Dritten gehören, jedoch für Rechnung der Zielgesellschaft, eines abhängigen oder eines im Mehrheitsbesitz stehende Unternehmens der Zielgesellschaft gehalten werden, erstrecken. In diesen Fällen entfällt die typische Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre, die die Pflicht zum Vollangebot nötig macht1007. Es wäre wünschenswert, wenn das WpÜG dies ausdrücklich regeln würde. b) Beschränkung der Vollangebotspflicht auf Aktien Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 ist das Teilangebot nur im Hinblick auf Aktien unzulässig. Damit sollen andere Wertpapiere im Sinne des § 2 II Nr. 2 gerade nicht einbezogen sein, die den Erwerb von Aktien, mit diesen vergleichbaren Wertpapieren oder Zertifikaten, die Aktien vertreten, zum Gegenstand haben1008. Im Fall einer Übernahme verlieren die Inhaber dieser Wertpapiere kein Stimm- bzw. Mitgliedschaftsrecht, was für die Gründungsväter des WpÜG offensichtlich der Grund war, deren Schutzbedürftigkeit abzulehnen1009. Das WpÜG macht die Schutzbedürftigkeit der Anleger der Zielgesellschaft an deren Mitgliedschaftsrechten fest, nicht aber an deren monetären Vermögen1010. Jedoch sind diese Wertpapierinhaber durch die Gewinnabhängigkeit ihrer Wertpapiere ebenfalls direkt vom Kontrollwechsel betroffen1011. Sowohl der Wert von Gewinnschuldverschreibung und Genussscheinen, als auch von Wandel- und Optionsanleihen hängt von der Höhe der Gewinne bzw. vom Wert der stimmberechtigten Aktien ab1012. Deren Inhaber haben daher dasselbe Interesse wie auch die Aktionäre selbst, im Fall eines Kontrollwechsels, der den Wert der Aktien negativ beeinflusst, ihre Anteile zu einem angemessenen Preis veräußern zu können. 1006

Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 32 Rn. 4 ff, Hasselbach, KKWpÜG; 2003, § 32 Rn. 8; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1223 FN 19; Ekkenga in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 32 Rn. 12. 1007 Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 32 Rn. 5 ff. 1008 Vgl. Ekkenga in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 32 Rn. 10. 1009 Diese Schlussfolgerung lässt sich ziehen, da die Mitgliedsrechte der Vorzugsaktionäre in der Begründung zu § 22 WpÜG-RefE als Grund dafür genannt werden, dass sich Übernahmeangebote auch auf Vorzugsaktien erstrecken müssen. 1010 Zur Kritik ausführlich Houben, WM 2000, 1873, 1879. 1011 Houben, WM 2000, 1873, 1874. 1012 Ausführlich dazu Houben, WM 2000, 1873, 1874 f.

272

5. Teil: Die Bieterpflichten

Zudem sind Wertpapiere, die ein Bezugsrecht auf stimmberechtigte Aktien verbriefen – wie zum Beispiel Wandel- oder Optionsanleihen – auch schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Aktionäre in die Vollangebotspflicht mit einzubeziehen. Mit Wandelung bzw. Ausübung des Optionsrechts gehören ihre Inhaber zur Gruppe der Aktionäre. Entscheidend darf dabei nicht sein, ob sie dieses Recht noch während der Annahmefrist des Angebots ausüben – damit also als Aktionär noch Adressat des Vollangebots werden könnten1013 – oder ob sie ihr Recht nach Kontrollübernahme ausüben1014. Potentielle zukünftige Aktionäre sind gegenüber den tatsächlichen Aktionären gleich zu behandeln. Daher ist die Vollangebotspflicht auf die Inhaber solcher Wertpapiere auszudehnen, die ein Bezugsrecht auf Aktien verbriefen1015.

III. Bestimmung der Konditionen des Übernahmeangebots 1. Gefahr – Die Ungleichbehandlung der Angebotsadressaten Der Bieter bestimmt beim Übernahmeangebot einseitig dessen Konditionen. Es ist ein typisches Merkmal von Übernahmeangeboten, dass eine Verhandlung darüber mit den Angebotsadressaten angesichts ihrer Vielzahl und fehlenden Koordinationsfähigkeit nicht statt finden kann. Die Angebotsadressaten werden mit dem endgültigen, vom Bieter einseitig kalkulierten Übernahmeangebot konfrontiert. Für die Aktionäre stellt sich diese Situation problematisch dar: Erstens ist der einzelne Aktionär kaum in der Lage, die Angemessenheit der vom Bieter offerierten Gegenleistung zu beurteilen. Einzige Größe, die den Aktionären als Maßstab dient, ist der aktuelle Börsenkurs. Wird dieser im Übernahmeangebot überboten, spricht dies nicht automatisch für dessen Angemessenheit. Der Börsenpreis muss nicht notwendigerweise den wahren Wert des einzelnen Anteils als Bruchteil des Unternehmenswertes wiedergeben1016. Schon gar nicht informiert der Börsenkurs über den Wert der Kontrolle im Zielunternehmen. Es besteht insofern ein Informationsgefälle zu Lasten der Aktionäre, die nicht über dieselben Möglichkeit zur Bestimmung der Angemessenheit verfügen wie der Bieter1017. 1013

Zustimmend Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 32 Rn. 13 f. Die gegenwärtige Rechtslage führt aber noch zu diesem unbefriedigenden Ergebnis, siehe Vogel in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 32 Rn. 9; Hasselbach, KK-WpÜG, 2003, § 32 Rn. 6. 1015 So auch Schlitt in MK-WpÜG, 2004, § 32 Rn 26, 32. 1016 Zur These der Kapitalmarktineffizienz, das heißt zur Unfähigkeit desselben, den wahren Wert der Aktie als Unternehmensanteil widerzuspiegeln siehe oben, S. 24, Fn. 24. 1014

C. Gleichbehandlungspflichten

273

Sollten die Aktionäre aber zum Ergebnis gelangen, dass sie den Übernahmeangebotspreis für nicht angemessen halten, stehen sie vor einem zweiten Problem. Sie befinden sich als Angebotsadressaten im Gefangenendilemma1018. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass die Aktionäre das Verhalten ihrer Mitaktionäre nicht abschätzen können und daher gezwungen sind, von der für sie ungünstigsten Konstellation auszugehen und dann versuchen, das für sie noch günstigste Ergebnis zu erzielen. Bei Übernahmeangeboten bedeutet dies, dass der Aktionär von einer Angebotsannahme der Mitaktionäre und damit einem Kontrollerwerb des Bieters ausgehen wird. Bevor er sich in der Position des Minderheitsaktionärs wiederfindet, wird er daraufhin selbst das ihm ungünstig erscheinende Übernahmeangebot annehmen. Er entscheidet sich für das geringste Übel. Die Angebotsadressaten eines Übernahmeangebots befinden sich somit typischer Weise in einer geschwächten Verhandlungsposition gegenüber dem Bieter. Sie sind nicht in der Lage, ihr Verhalten zu koordinieren oder sich eine einheitliche Meinung über die Angemessenheit des Angebotspreises zu bilden. Dem Bieter steht kein einheitlich informierter Verhandlungspartner gegenüber. Der einen fairen Preis bestimmende Marktmechanismus versagt in dieser Situation. Der Bieter könnte daher versucht sein, diese schwache Verhandlungsposition der Gesamtheit der Aktionäre auszunutzen und einen verhältnismäßig ungünstigen Preis anzubieten. Angesichts der durch das Gefangenendilemma bestimmten Reaktionsweise der Aktionäre könnte er dennoch mit einem Erfolg des Übernahmevorhabens rechnen. Auf diese Weise könnte der Bieter die Ungleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft bewirken. Während im vorangegangenen Teil1019 insbesondere die Schlechterstellung der Aktionäre, die vor Angebotsabsicht ihre Anteile veräußern, im Vergleich zu den Angebotsadressaten problematisiert wurde, geht es hier um die Ungleichbehandlung in entgegengesetzter Richtung. Diejenigen Aktionäre, die sich zum Zeitpunkt der Abgabe des Übernahmeangebots noch in der Zielgesellschaft befinden und im Zuge des Übernahmeangebots ihre Anteile an den Bieter veräußern, dürfen nicht schlechter gestellt sein als diejenigen, die außerhalb des Übernahmeverfahrens die Zielgesellschaft verlassen. Die Angebotsadressaten befinden sich typischer Weise in einer geschwächten Verhandlungsposition, die der Bieter nicht soll ausnützen dürfen. Dieses Ergebnis soll im Interesse eines funktionsfähigen Kapitalmarktes gerade vermieden werden. 1017 1018 1019

Siehe oben, S. 41. Siehe oben, S. 38. S. 207 ff.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Wäre der Bieter in der Ausgestaltung der Konditionen des Übernahmeangebots frei, könnte er leicht eine Benachteiligung der Angebotsadressaten verursachen, wenn er einen Übernahmeangebotspreis festsetzt, der den Preis, den die vorzeitig verkaufenden Aktionäre erhielten, unterschreitet oder die im Übernahmeangebot offerierten sonstigen Konditionen ungünstiger sind, weil beispielsweise kein Bar- sondern ein bloßes Tauschangebot offeriert wird. Dieser Fall ist besonders wahrscheinlich, wenn der Bieter im Vorfeld des Übernahmeangebots ein größeres Kontrollpaket eines Mehrheitsaktionärs erwirbt, ohne jedoch die ein Pflichtangebot auslösende Schwelle zu überschreiten. Für diesen Paketerwerb wird er regelmäßig eine sogenannte Kontrollprämie zahlen, die den Mehrwert dieses Pakets honoriert, nämlich den vermittelten Anteil an Einfluss durch die Gesamtheit der Aktien des Pakets. Er konnte durch diesen Paketerwerb seine Machtposition in der Zielgesellschaft weiter ausbauen und wird mittels eines Übernahmeangebots versuchen, endgültig die Kontrolle zu erwerben. Sein Angebotspreis wird hinter dem Paketpreis zurückbleiben, da er die bezahlte Kontrollprämie gerade nicht den übrigen Aktionären gleichfalls offerieren will. Diese Vorgehensweise bedeutet jedoch eine klare Benachteiligung der Angebotsadressaten. Nicht nur im Verhältnis zu den vor Veröffentlichung der Angebotsabsicht veräußernden Aktionären könnte der Bieter aber versucht sein, die Angebotsadressaten schlechter zu behandeln. Auch während und nach dem laufenden Annahmeverfahren besteht für den Bieter ein Anreiz, zusätzlich private Transaktionen in Wertpapieren der Zielgesellschaft außerhalb des Angebotsverfahrens zu tätigen. Beispielsweise könnte er das eben beschriebene Kontrollpaket auch zeitlich während des bereits laufenden Übernahmeverfahrens erwerben und dem Paketinhaber eine Prämie im Vergleich zum Übernahmeangebotspreis gewähren, um die Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots insgesamt zu erhöhen. Gewährt der Bieter während oder nach Ablauf des Angebotsverfahrens im Wege privater Transaktionen bessere Konditionen, um unter Einsparung von Kosten dem Übernahmeangebot bessere Erfolgschancen zu verschaffen, liegt eine unerwünschte Benachteiligung der Angebotsadressaten vor.

C. Gleichbehandlungspflichten

275

2. Lösung a) Vorgaben zur Höhe der Gegenleistung aa) Mindestpreis Ein Übernahmegesetzgeber könnte den beschriebenen Gefahren begegnen, indem er eine Mindestpreisregel statuiert. Eine solche ist sowohl im deutschen als auch im britischen Recht vorgesehen. Rule 6.1 (a) des City Codes bestimmt, dass, wenn der Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen innerhalb von drei Monaten vor Beginn der Angebotsfrist Wertpapiere der Zielgesellschaften erworben haben, der Preis des Übernahmeangebots an die verbleibenden Aktionäre nicht geringer sein darf1020. Die Konditionen des Übernahmeangebots dürfen also die Bedingungen nicht unterschreiten, die bei Vorerwerben innerhalb eines bestimmten Referenzzeitraums gewährt wurden. Verlängert wird der für die Preisbestimmung maßgebliche Referenzzeitraum von drei auf zwölf Monate gem. Rule 11.1 (a), falls der Bieter innerhalb dieser zwölf Monate vor Beginn des Angebotsverfahrens Aktien der Zielgesellschaft im Wege eines Barangebots erworben haben sollte und diese mindestens 10% der Stimmrechte ausmachen1021. Auch dann darf sein Angebotspreis den höchsten vom Bieter hier gewährten Preis nicht unterschreiten. Zusätzlich wird dem Panel ein Ermessensspielraum eingeräumt, den relevanten Zeitraum zu verlängern, um den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung zu gewährleisten1022. Ebenso existiert im WpÜG eine Mindestpreisregel. Als allgemeine Norm verlangt § 31 I, dass den Aktionären eine „angemessene“ Gegenleistung zu bieten ist. Die rechtsverbindliche Festlegung von Eckpunkten zur Bestimmung der Angemessenheit wurde in die §§ 3–7 WpÜG-AVO übertragen, um kurzfristige Modifikationen und eine zeitnahe Berücksichtigung praktischer Erfahrungen zu ermöglichen1023. Das WpÜG verfolgt mit der Mindestpreisregel im Gegensatz zum City Code ein zweifaches Ziel1024. Zum einen soll die Angemessenheit der Angebotskonditionen absolut gewährleistet werden, worauf der City Code ver1020 Für Pflichtangebote gilt der strengere Referenzzeitraum von 12 Monaten, Rule 9.5 (a), wobei auch hier Abweichungen vom Panel gestattet werden können, Rule 9.5 (b). 1021 Gleichzeitig löst dies auch eine Barangebotspflicht des Bieters aus, siehe dazu sogleich S. 280. 1022 Rule 6.1 (b) und 11.2. 1023 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 55.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

zichtet. Zum anderen soll die Gleichbehandlung der Angebotsadressaten relativ im Verhältnis zu den Zielgesellschaftsaktionären, die vor Angebotsveröffentlichung ihre Anteile an den Bieter veräußerten, sichergestellt werden. Um dem ersten Punkt Rechnung zu tragen, muss der Bieter bei der Bestimmung des Angebotspreises gem. § 31 I 2 den durchschnittlichen Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft zugrunde legen (Börsenregel1025). Es kommt dabei auf den gewichteten, durchschnittlichen, inländischen Börsenkurs dieser Aktien während der letzten drei Monate vor Veröffentlichung der Angebotsabsicht an (§ 5 I WpÜG-AVO). Im Vergleich zum Diskussionsentwurf wurde der Referenzzeitraum von sechs auf drei Monate reduziert, was angesichts eines volatilen Börsenumfelds weitgehende begrüßt wurde1026. Nur wenn an weniger als einem Drittel der Börsentage in dieser Zeitspanne ein Börsenkurs festgestellt wurde und mehrere nacheinander festgestellte Börsenkurse um mehr als 5% voneinander abweichen, kann dieser Börsenkurs keinen Richtwert mehr bieten. Die Mindestpreisschwelle hängt dann vom Wert des Unternehmens ab, der anhand der Bewertung der Zielgesellschaft zu ermitteln ist (§ 5 IV WpÜG-AVO). Sind die Aktien lediglich an einem organisieren Markt in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes zugelassen, ist der durchschnittliche Börsenkurs des Marktes mit den höchsten Umsätzen der Aktien der Zielgesellschaft maßgeblich (§ 6 I WpÜG-AVO). Um das zweite Ziel, die Gleichbehandlung der Aktionäre zu erreichen, verlangt die Mindestpreisregel eine Anpassung der Angebotskonditionen an die Vorerwerbe der Zielgesellschaftspapiere durch den Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochtergesellschaften (Gleichpreisregel1027). Als Referenzzeitraum für Vorerwerbe legt § 4 WpÜG-AVO drei Monate vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage gem. § 14 II 1 fest. Die Übernahmerichtlinie enthält für freiwillige Übernahmeangebote keine Vorgaben bezüglich des Angebotspreises1028. RL Art. 5 IV definiert aber den angemessenen Pflichtangebotspreis als den höchsten vom Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnden Personen innerhalb der letzten sechs 1024 Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 412; Haarmann in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 31 Rn. 2; Habersack, ZIP 2003, 1123; Oechsler in Ehricke u. a., WpÜG, 2003, § 31 Rn. 7. 1025 Houben, WM 2000, 1873, 1880; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 3, 88. 1026 Land, DB 2001, 1707, 1710 FN 48; Theater, NZG 2001, 545, 547. 1027 Houben, WM 2000, 1873, 1880; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 3, 80. 1028 Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2195; Mülbert NZG 2004, 633, 640; Krause, BB 2004, 113, 116.

C. Gleichbehandlungspflichten

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bis zwölf Monate vor dem Angebot für dieselben Wertpapiere bezahlten Preis. Bei der Bestimmung der Angemessenheit des Angebotspreises für freiwillige Übernahmeangebote sind die Mitgliedstaaten aber nach wie vor völlig frei. bb) Nachbesserungspflichten (1) Parallelerwerbe Um zu gewährleisten, dass die zum Erfolg des Übernahmeverfahrens beitragenden Aktionäre gleich behandelt werden, statuieren die deutschen und britischen Regelungswerke Nachbesserungspflichten im Bezug auf die Angebotskonditionen, falls der Bieter während des laufenden Angebotsverfahrens außerhalb des öffentlichen Übernahmeangebots im Wege privater Transaktionen Wertpapiere der Zielgesellschaft zu einem höhere Preis erwirbt als er ihn im Übernahmeangebot offeriert hat. Es soll verhindert werden, dass der Bieter deshalb, weil er während des laufenden Angebotsverfahrens absieht, dass die eingegangenen Annahmeerklärungen nicht für seinen vollständigen Kontrollerwerb ausreichen könnten, den fehlenden Stimmrechtsanteil zu einem lukrativeren Preis am Markt erwirbt, ohne dass die Angebotsadressaten von dieser Aufstockung profitieren könnten. Deshalb bestimmt § 31 IV, dass sich die Gegenleistung des Übernahmeangebots automatisch erhöht, wenn der Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen während der Angebotsfrist Aktien der Zielgesellschaft zu einem höheren Preis als dem Angebotspreis erwerben. Die erhöhte Gegenleistung wird damit Kraft Gesetzes Bestandteil des Kauf- bzw. Tauschvertrags1029. Eine Angebotsänderung wird nicht verlangt. Die Aktionäre erwerben unmittelbar einen Anspruch auf die erhöhte Gegenleistung. Vorbildfunktion für die deutschen Regeln hatte erneut der britische City Code1030. Rule 6.2 (a) verpflichtet den Bieter zur Erhöhung seines Übernahmeangebots, wenn er oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen während der Annahmefrist Wertpapierkäufe der Zielgesellschaft zu einem den Angebotspreis übersteigenden Preis erwerben. Rechtstechnisch hat er diese obligatorische Erhöhung des Angebotspreises in Form einer Angebotsänderung zu vollziehen. Gem. Rule 6.2 (b) ist er unmittelbar nach diesem Erwerbsvorgang verpflichtet, die Angebotsänderung bekannt zu geben. 1029

Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 52 f.; Haarmann in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 31 Rn. 138; Oechsler, NZG 2001, 817, 826; Kremer/Oesterhaus, KK-WpÜG, 2003, § 31 Rn. 74. 1030 Oechsler, NZG 2001, 817, 826.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Einer Ungleichbehandlung der Angebotsadressaten beugt außerdem Rule 16 vor. Es ist dem Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnden Personen untersagt, entweder während der Annahmefrist oder wenn das Angebot bereits ernsthaft in Erwägung gezogen wird, mit einigen Aktionären besondere Vereinbarungen zu vorteilhafteren Bedingungen zu treffen, welche den übrigen Aktionären vorenthalten bleiben. (2) Nacherwerbe Auch Aktienkäufe des Bieters nach Ablauf der Annahmefrist können die Ungleichbehandlung von Aktionären bewirken. Deshalb lösen sogenannte Nacherwerbe zu besseren Konditionen im deutschen Recht ebenfalls eine Pflicht zur Nachbesserung des ursprünglichen Angebots aus. Der zeitliche Anwendungsbereich von § 31 V schließt sich unmittelbar an denjenigen von § 31 IV an. Der Bieter, die mit ihm gemeinsam handelnden Personen und deren Tochtergesellschaften müssen den Akzeptanten des Übernahmeangebots eine Nachzahlung leisten, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Annahmefrist außerhalb der Börse Aktien der Zielgesellschaft zu einer wertmäßig höheren als im Angebot gewährten Gegenleistung erwerben. Damit sollen Umgehungstatbestände durch eine zeitliche Verlagerung des Erwerbs von Anteilen an der Zielgesellschaft vermieden werden1031. Zwar weicht die Beschränkung der Nachbesserungspflicht auf außerbörslichen Erwerb die Gleichbehandlungspflicht der Aktionäre auf, jedoch wird dies vom Gesetzgeber ausdrücklich hingenommen, um eine übermäßige Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Bieters zu vermeiden1032. Auch das britische Recht unterbindet eine mögliche Ungleichbehandlung der Aktionäre mittels Nacherwerb des Bieters. Hält der Bieter zusammen mit ihm gemeinsam handelnden Personen mehr als 50% der Stimmrechte der Zielgesellschaft1033, so ist es ihm und den mit ihm gemeinsam handelnden Personen untersagt, innerhalb von sechs Monaten nach Schließung des vorangegangenen öffentlichen Übernahmeangebots Aktien der Zielgesellschaft zu besseren Bedingungen zu erwerben als sie im Übernahmeangebot offeriert wurden1034.

1031

Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 56. Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 55. 1033 Ein freiwilliges Übernahmeangebot kann nach dem City Code nur dann erfolgreich sein, wenn der Bieter einen Anteilsbestand von mehr als 50% erreicht, vgl. Rule 10 in Verbindung mit Rule 31.6, siehe S. 176. 1034 Rule 35.3 „Delay of 6 months before acquisition above the offer value“; Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4152, Rn. 4-6043 A. 1032

C. Gleichbehandlungspflichten

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b) Vorgaben zur Art der Gegenleistung aa) Zulässigkeit von Tauschangeboten Nicht nur die Höhe der Gegenleistung wird gesetzlich festgelegt, sondern auch deren Form. Der Bieter muss gem. § 31 II als Gegenleistung entweder eine Geldleistung in Euro oder in liquiden Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, vorsehen. Die Papiere müssen zum Handel an einer Börse im europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sein. Somit ist gewährleistet, dass für diese Papiere ein Mindestanlegerschutz gemäß europäischen Standards sicher gestellt ist1035. Zudem soll den Aktionären durch das Tauschangebot kein Währungsrisiko aufgezwungen werden1036. Beim Tauschangebot muss es sich nicht um Aktien der Bietergesellschaft handeln. In Frage kommen auch Papiere von Tochtergesellschaften oder aus dem Handelsbestand des Bieters1037. Neben diesen verpflichtenden Angebotsformen ist der Bieter frei, zusätzliche Gegenleistungen anzubieten1038. In Betracht kämen beispielsweise Geldleistungen in ausländischer Währung, Anleihen staatlicher oder privater Schuldner etc.1039. Da die gesellschaftsrechtliche Position der Aktionäre im Hinblick auf die Stimmrechte durch ein Übernahmeangebot unverändert bleiben soll, sind den Eigentümern stimmberechtigter Aktien im Gegenzug ebenfalls stimmberechtigte Papiere anzubieten1040. Die Bewertung der als Gegenleistung angebotenen Aktien erfolgt auf gleichem Weg wie die Bestimmung der Angemessenheit des Angebotspreises für die Zielgesellschaftsaktien in den Fällen, in denen der durchschnittliche Börsenkurs nicht aussagekräftig ist, § 7 in Verbindung mit §§ 5, 6 1035 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 55; Kremer/ Oesterhaus, KK-WpÜG, 2003, § 31 Rn. 28; kritisch Bouchon/von Breitenbach, ZIP 2004, 58. 1036 Dies kritisieren noch Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 964. Mit der Einschränkung, dass im Rahmen des Tauschangebots nur Wertpapiere angeboten werden dürfen, die an einer Börse im Europäischen Wirtschaftsraum gehandelt werden, wird das Währungsrisiko nahezu eliminiert. Gem. § 2 VIII umfasst der Europäische Wirtschaftsraum die Staaten der Europäischen Gemeinschaften sowie die Staaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Die EU Staaten haben die Währungsunion vollzogen. Als Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, die die Währungsunion nicht vollzogen haben, verbleiben allein Island, Liechtenstein und Norwegen. 1037 Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 9. 1038 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 55. 1039 Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 21; Kremer/Oesterhaus, KK-WpÜG, 2003, § 31 Rn. 33. 1040 § 31 II 2, Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 55.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

WpÜG-AVO. Das heißt, dass die in §§ 5, 6 WpÜG-AVO enthaltenen Berechnungsgrundlagen auch für die Berechnung angewandt werden, welchen Wert die als Gegenleistung angebotenen Wertpapiere des Bieters haben. Für die Wertermittlung gelten so einheitliche Maßstäbe1041. Das britische Recht normiert keine vergleichbaren Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen Tauschangebote zulässig sind. Aus Rule 11 kann lediglich geschlossen werden, dass Tauschangebote grundsätzlich gestattet sind. Nur in bestimmten Fällen, wird ein Barangebot gefordert. bb) Verpflichtung zum Barangebot Wenn den Aktionären, die innerhalb eines bestimmten Referenzzeitraums vor Veröffentlichung der Angebotsabsicht oder aber während der Angebotsphase ihre Anteile veräußerten, ein Barangebot gemacht wird, so sollen auch die Angebotsadressaten die Möglichkeit erhalten, ihre Aktien gegen Barzahlung zu veräußern. Der gesetzliche Zwang zur Abgabe eines Barangebots oder zumindest zur Eröffnung einer entsprechenden Alternative, ist erneut Ausdruck des Prinzips der Gleichbehandlung der Aktionäre1042. Alle Aktionäre, ob sie ihre Anteile vor Veröffentlichung der Angebotsabsicht, im Laufe des Angebotsverfahrens mittels privater Transaktionen oder durch Annahme des Übernahmeangebots veräußern, sollen gleich behandelt werden. Ein Barangebot ist für die Angebotsadressaten vorteilhaft, weil sie in der Entscheidung über die Reinvestition des Kapitals völlig frei sind. Beim Tauschangebot wird ihnen die Wiederanlage des Kapitals in Wertpapieren einer bestimmten anderen Gesellschaft vorgegeben. Für den Bieter ist die Verpflichtung zum Barangebot nachteilig, da er einen ausreichenden Bestand an Barmitteln zur Verfügung stellen muss, anstatt schlicht auf seinen Handelsbestand an Wertpapieren, eigene Aktien oder solche von Tochterunternehmen zurückgreifen zu können. Es muss daher gesetzlich sichergestellt werden, dass auch die Adressaten des Übernahmeangebots das vorteilhaftere Barangebot erhalten. Rule 11.1 (a) schreibt ein Barangebot vor, falls während der Annahmefrist oder in den letzen 12 Monaten vor Beginn des Angebotsverfahrens Aktien durch Barzahlung erworben wurden, die dem Bieter mindestens 10% 1041

Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 80; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 108 f.; Haarmann in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 31 Rn. 63 f. 1042 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 55; Kremer/ Oesterhaus, KK-WpÜG, 2003, § 31 Rn. 35; vergleichbar für das britische Recht Weinberg/Blank, On Takeovers and Mergers, 1999, S. 4076 ff., Rn. 4-4027 f.

C. Gleichbehandlungspflichten

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der Stimmrechte in der Zielgesellschaft sichern. Zusätzlich wird dem Panel ein Ermessensspielraum eingeräumt, um ein Barangebot anzuordnen1043. Vergleichbar ordnet das WpÜG ein Barangebot an, falls gem. § 31 III Nr. 1 in den drei Monaten vor der Veröffentlichung der Angebotsabsicht mindestens 5% oder gem. § 31 III Nr. 2 nach Veröffentlichung und vor Ablauf der Annahmefrist mindestens 1% der Aktien oder Stimmrechte an der Zielgesellschaft gegen Zahlung einer Geldleistung erworben wurden. Zwar ist der Referenzzeitraum des WpÜG kürzer als im City Code, dafür ist die Mindestschwelle von Barkäufen bei 5% niedriger angesetzt1044. Durch den Grenzwert von 1% wird eine Bagatellschwelle eingeführt. Bleiben die Barkäufe des Bieters unter dieser zurück, ist eine Ungleichbehandlung insoweit zu akzeptieren, um dem Bieter nicht unbillige Härten zuzumuten1045. 3. Diskussion a) Strikte Gleichbehandlungspflicht im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote aa) Mindestpreisregel beim Pflichtangebot Sowohl das WpÜG als auch der City Code befürworten die Gleichbehandlung der Aktionäre im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote. Daraus ziehen beide Regelungssysteme die Schlussfolgerung, eine Mindestpreisregel festsetzen zu müssen, wobei der offerierte Preis des Übernahmeangebots den in Vorerwerben während eines bestimmten Referenzzeitraums gewährten Preis nicht unterschreiten darf. Im Rahmen von Pflichtangeboten erschließt sich leicht der Sinn dieser Regelung. Hier hat der Bieter die Kontrolle über die Zielgesellschaft erworben. Er wird zur Abgabe eines Übernahmeangebots gezwungen, um den verbleibenden Aktionären die Möglichkeit zum Ausstieg aus der neu kontrollierten Gesellschaft zu geben. Er hat keinerlei Motivation den außenstehenden Aktionären in seinem Pflichtangebot einen attraktiven Preis zu bieten, schließlich hat er sein Ziel der Kontrollübernahme bereits erreicht. Für ihn gilt es nun Kosten zu sparen. Regelmäßig sinkt mit Erreichen der Kontrolle über die Zielgesellschaft auch der Börsenkurs ihrer Wertpapiere1046, da der besondere Mehrwert einer jeden Aktie, nämlich dem Käufer zum 1043 1044 1045 1046

Rule 11.1 (b). So auch Diregger/Winner, WM 2002, 1583, 1586. Haarmann in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 31 Rn. 109. Hierzu Houben, WM 2000, 1873, 1874.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

endgültigen Kontrollerwerb zu verhelfen, nicht mehr besteht oder weil die Aktien beherrschter Unternehmen deutlich schlechter bewertet werden als die Aktien von Gesellschaften mit gestreutem Aktienbesitz1047. Die außenstehenden Aktionäre haben also keine Möglichkeit mehr, an dieser zuvor gezahlten Prämie zu partizipieren, da der Bieter sein Ziel erreicht hat. Daher müssen die Normen des Pflichtangebots eine Mindestpreisregel enthalten, um die Gleichbehandlung der Aktionäre zu erzwingen1048. Wird ein freiwilliges Übernahmeangebot abgegeben, befinden sich die Aktionäre jedoch in einer nicht vergleichbaren Lage. Es drängt sich die Frage auf, ob bzw. aus welchen Gründen hier dieselbe Mindestpreisregel wie bei Pflichtangeboten befürwortet werden könnte. bb) Überreglementierung bei freiwilligen Angeboten Die deutsche Gesetzesbegründung rechtfertigt die Preisregel im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote mit Hilfe der Befreiungswirkung derselben vom Pflichtangebot1049. Wer die Kontrolle in einem Zielunternehmen mittels Abgabe eines freiwilligen Übernahmeangebots erzielt, ist von der Abgabe eines Pflichtangebots befreit. Diese Wirkung sei angeblich nur gerechtfertigt, wenn das freiwillige Angebot bereits den Anforderungen unterliegt, die für das Pflichtangebot gelten, da ansonsten die hierfür entworfenen Schutzmechanismen unterlaufen werden könnten. Ausdrücklich wird hier auf die Mindestpreisregel abgehoben1050. Diese Argumentation ist nicht überzeugend1051. Auch die Übernahmerichtlinie vertritt hier einen gegenteiligen Standpunkt1052. Das Erfordernis der Abgabe eines Pflichtangebots besteht gem. Art. 5 II nicht, wenn die Kontrolle nach einem freiwilligen Übernahmeangebot erlangt wurde, das im Einklang mit der Richtlinie allen Wertpapierinhabern für all ihre Wertpapier gemacht worden ist. Die Richtlinie wertet also, dass die Befreiungswirkung des freiwilligen Übernahmeangebots gerechtfertigt ist, wenn dieses als Vollangebot ausgestaltet war. Er verlangt ausdrücklich keine Preisregel für das freiwillige Übernahmeangebot1053, um die Befreiungswirkung zu rechtfertigen. 1047

Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 965. Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 30. 1049 § 35 III. 1050 Begründung WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 30. 1051 Kritisch auch Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 31 Rn. 7 f.; Mülbert, NZG 2004, 633, 640; ders., ZIP 2001, 1221, 1223; Houben, WM 2000, 1873, 1881; Krause, NZG 2000, 905, 908; ders., NJW 2002, 705, 710. 1052 Siehe Mülbert, NZG 2004, 633, 640. 1048

C. Gleichbehandlungspflichten

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Dieser Wertung ist zuzustimmen. Die Regeln zum freiwilligen Übernahmeangebot und zum Pflichtangebot sind auf grundverschiedene Situationen anwendbar. Jede dieser Situationen unterliegt einem besonderen Gefahrenpotential, auf welches die hierfür geltenden Regeln zu reagieren haben. Die Regelungskomplexe hängen nur insoweit zusammen als mittels eines freiwilligen Übernahmeangebots die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erreicht werden kann. Der Kontrollerwerb ist Tatbestandsmerkmal für ein Pflichtangebot. Daraus muss aber nicht zwingend gefolgert werden, dass ein Pflichtangebot nur dann entbehrlich ist, wenn das freiwillige Angebot denselben Regeln unterworfen wurde. Die durch die Befreiungswirkung bedingte Parallelisierung von Pflichtangebot und freiwilligem Übernahmeangebot wird kritisiert, weil letzteres damit zu Unrecht auf eine besondere Ausprägung des Pflichtangebots reduziert wird1054. Wenn nämlich das freiwillige Angebot in einer Weise durchgeführt wurde, die den Schutz der Anleger gewährleistet und ein faires Verfahren widerspiegelt, dann sind die Schutzinteressen der außenstehenden Aktionäre befriedigt und das Bedürfnis nach einem Pflichtangebot ist nicht gegeben. Damit ist aber nicht gesagt, dass für die Sicherstellung eines fairen Übernahmeverfahrens im Rahmen freiwilliger Angebote eine Mindestpreisregel zwingend erforderlich ist. Was die Ausgestaltung der Angebotskonditionen betrifft, sind die Adressaten des Pflichtangebots und diejenigen eines freiwilligen Übernahmeangebots in einer gänzlich unterschiedlichen Lage. Bei einem freiwilligen Übernahmeangebot steht auf der einen Seite der Bieter, der die Anteile der Aktionäre erwerben will, um durch ihre Summe die Kontrolle zu erlangen und daher motiviert ist, einen attraktiven Preis zu bieten. Auf der anderen Seite stehen die Aktionäre, die für ihre Anteile als persönlichen Beitrag zur Kontrollerlangung einen möglichst hohen Preis erzielen möchten1055. Im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote könnte es folglich dem Markt überlassen bleiben, den korrekten Übernahmepreis zu ermitteln. Der Bieter strebt die Kontrollübernahme an. Die Aktionäre verfügen über die hierfür nötigen Anteile. Ein Kaufvertrag wird dann zustande kommen, wenn den Aktionären der vom Bieter gebotene Preis angemessen erscheint. Da sich die Adressaten eines freiwilligen Übernahmeangebots nicht in derselben Zwangslage befinden, wie sie für die Minderheitsaktionäre eines Unternehmens nach erfolgtem Kontrollübergang an den neuen Mehrheitsaktionär besteht, könnte im Gegensatz zum Pflichtangebot beim freiwilligen Übernah1053 Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2195, allerdings noch zum RL-Vorschlag vom 2.10.2002. 1054 Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1223; kritisch auch Krause, BB 2004, 113, 116. 1055 Vgl. Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1223.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

meangebot die ökonomische Rechtfertigung der Preisregel fehlen1056. Vielmehr wäre eine unzulässige Beschränkung der Privatautonomie der Parteien zu kritisieren und dem WpÜG könnte eine Überreglementierung vorzuwerfen sein. Im Folgenden sind deshalb die typischen Gefahrenlagen bei freiwilligen Übernahmeangeboten zu untersuchen und danach ist zu entscheiden, ob eine Mindestpreisregel zum Schutze der außenstehenden Aktionäre auch bei freiwilligen Angeboten erforderlich ist. cc) Geschwächte Verhandlungsposition der Adressaten eines freiwilligen Übernahmeangebots Die geschwächte Verhandlungsposition der Aktionäre bei einem freiwilligen Übernahmeangebot wird durch das Informationsgefälle zu Lasten der Aktionäre und durch das Gefangenendilemma begründet. Ersteres könnte beseitigt werden, indem der Bieter in der Angebotsunterlage zur Abgabe sämtlicher relevanter Informationen gezwungen wird, welche die Aktionäre zur Beurteilung der Angemessenheit des Übernahmeangebots benötigen1057. Die zweite und wesentlichere Komponente, das für Übernahmeangebotadressaten typischerweise bestehende Gefangenendilemma, wurde oben bereits skizziert1058. Dieses ist geeignet, den einen fairen Preis gestaltenden Marktmechanismus außer Kraft zu setzen, weil es der Vielzahl von Minderheitsaktionären nicht möglich ist, sich zu solidarisieren und mit dem Bieter günstigere Konditionen auszuhandeln. Jedoch wurde an früherer Stelle in dieser Arbeit ein Regelungsmechanismus vorgestellt, der geeignet ist, das Gefangenendilemma zufriedenstellend zu beseitigen1059. Mit Hilfe von obligatorischen Mindesterwerbsschwellen, wonach der Bieter die vollständige Durchführung seines freiwilligen Übernahmeangebots auf den Erwerb der effektiven Kontrolle bedingen muss, wird das Gefangenendilemma aufgelöst. Zur Bestimmung der effektiven Kontrollschwelle werden ihm bestimmte Faktoren zwingend vorgegeben. Nach Ablauf der ersten Annahmefrist hat der Bieter dann entweder den effektiven Kontrollerwerb verfehlt oder erreicht. Im ersten Fall darf er die eingegangenen Annahmeerklärungen akzeptieren und seine Beteiligung erhöht sich entsprechend. Der Bieter bleibt aber hinter dem Kontrollerwerb zurück1060. Die Situation der Zielgesellschaftsaktionäre bleibt unverändert. 1056 Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1223; ders., NZG 2004, 633, 640 f.; Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 31 Rn. 6. 1057 Zur Angebotsunterlage siehe S. 111 ff. 1058 Siehe S. 38 ff. 1059 Siehe dazu oben S. 183 ff.

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Im zweiten Fall wird das Übernahmeverfahren fortgesetzt, indem die weitere Annahmefrist gem. § 16 II einsetzt. Nach deren Ablauf ist das Annahmeverfahren beendet und der Bieter vollzieht den Erwerb der entsprechenden Anteile. Unter diesem System wird das Risiko der Aktionäre eliminiert, ungewollt in die Rolle eines Minderheitsaktionärs zu geraten. Halten sie das Angebot für angemessen und wollen sie ihre Anteile zu diesen Konditionen veräußern, so nehmen sie das Übernahmeangebot an und realisieren in jedem Fall den Gewinn, unabhängig vom Erfolg des Übernahmeangebot im Gesamten. Halten sie das Angebot aber für unangemessen, können sie dieser Einschätzung gefahrlos Ausdruck geben, indem sie das Angebot nicht annehmen. Mit Ablauf der ersten Annahmefrist beantwortet sich für sie die Frage, ob dem Bieter der Kontrollerwerb gelingt. Ist dies nicht der Fall, ist das von ihnen bevorzugte Ergebnis eingetreten. Ist der effektive Kontrollerwerb des Bieter aber gelungen, können sie nun im Laufe der weiteren Annahmefrist das Übernahmeangebot doch noch annehmen, um nicht in die Position des Minderheitsaktionärs zu geraten. Für die hier erörterte Frage ergibt sich folgender Schluss: Bei freiwilligen Übernahmeangeboten konnte ein Regelungsmechanismus entwickelt werden, der das Gefangenendilemma beseitigt. Die Störung des Marktmechanismus ist aufgehoben. Die Adressaten eines freiwilligen Übernahmeangebots befinden sich nicht länger in einer geschwächten Verhandlungsposition. Auf dieser Grundlage kann eine Mindestpreisregel als Schutzinstrument für die Zielgesellschaftsaktionäre bei freiwilligen Übernahmeangeboten nicht länger gerechtfertigt werden. dd) Beurteilung der Angemessenheit des Angebotspreises zur freien Disposition der Aktionäre (1) Problemstellung Infolge der Beseitigung des Gefangenendilemmas und des Informationsgefälles ist der Marktmechanismus intakt. Eine Mindestpreisregel könnte entbehrlich sein und die Beurteilung der Angemessenheit des Übernahmeangebots zur freien Disposition der Gesamtheit der Aktionäre stehen1061. Dann würde es den Aktionären in ihrer Gesamtheit, als dem Bieter gegenüber stehender Vertragspartei, offen stehen, auch eine niedrigere als vom Bieter in der Vergangenheit gezahlte Gegenleistung zu akzeptieren. Sie wären ein gleichrangiger Verhandlungspartner, würden nicht vom Bieter unter 1060 Zurückbleiben muss er grundsätzlich auch hinter der 30%igen Beteiligungsschwelle, da er sonst die Pflichtangebotsregeln umgehen könnte, siehe oben S. 186 f. 1061 Dies befürwortet Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 31 Rn. 12.

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Entscheidungsdruck gesetzt und könnten daher frei und unabhängig über die Angemessenheit des Preises entscheiden. Der Preis würde durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Bei Übernahmeangeboten ergibt sich für das an sich funktionsfähigen System des Marktmechanismus jedoch ein Problem auf Grund der Struktur der Anbieter- bzw. Verkäuferseite: Diese setzt sich bei Übernahmeangeboten aus einer Vielzahl von Aktionären zusammen, welche über die Frage der Angemessenheit naturgemäß unterschiedlicher Meinung sein wird. Dies kann daran liegen, dass die Anleger die erteilten Informationen unterschiedlich bewerten oder dass sie verschiedene Anlageintentionen verfolgen. Beispielsweise könnten einige Aktionäre an einer Annahme des Angebots interessiert sein, um schnell einen Gewinn zu realisieren. Andere dagegen könnten die Fortdauer der Anlage in der Zielgesellschaft befürworten, weil sie auf langfristige Zuwächse des Börsenkurses unter der alten Führung hoffen. Sie würden die Annahme des Übernahmeangebots ablehnen. Die Frage ist deshalb, wie auf Seiten der Aktionäre über die Angemessenheit des Übernahmeangebots entschieden werden soll oder konkreter, wer für diese Entscheidungsfindung die Legitimation besitzt. Hierfür ergeben sich unterschiedliche Lösungsansätze mit entsprechenden Konsequenzen. Diese spielen eine entscheidende Rolle bei Beantwortung der Frage, ob eine Mindestpreisregel für freiwillige Übernahmeangebote erforderlich sein könnte. Vorweg genommen werden kann bereits an dieser Stelle, dass jedenfalls eine einheitliche Entscheidung der Aktionäre über die Angemessenheit eines Übernahmeangebots nicht gefordert werden kann. Es ist offensichtlich, dass die einstimmige Entscheidung aller Aktionäre der Zielgesellschaft über die Angemessenheit und damit die Annahme des Übernahmeangebots eine unrealistische und völlig unpraktikable Forderung darstellt1062. Ein einziger Aktionär könnte stets die Entscheidung zur Angebotsannahme blockieren, weil er die Konditionen für unangemessen hält. Übernahmeversuche wären damit faktisch unmöglich gemacht. (2) Individuelle Aktionärsentscheidung (a) Konditionendiktat der Minderheit Die auf den ersten Blick naheliegendste Möglichkeit wäre es, jedem einzelnen Aktionär seine individuelle Entscheidung darüber zu belassen, ob er das Übernahmeangebot zu den offerierten Konditionen als angemessen be1062 Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1702 „Thus it would be unrealistic, in deed paralyzing, to require a unanimous agreement among the shareholders about their value-maximizing course of action.“

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wertet und sich aus seiner subjektiven Situation heraus für eine Annahme desselben entscheidet. Dieses Ergebnis würde nach gegenwärtiger Rechtslage erreicht, wenn die Mindestpreisregel für freiwillige Übernahmeangebote auf Grund der eingangs geschilderten Bedenken schlicht gestrichen würde. Ein Beispiel soll vor Augen führen, dass diese Lösungswege zu nicht interessengerechten Ergebnissen führen kann: Angenommen der Bieter hält bereits 25% der Stimmrechtsanteile der Zielgesellschaft und es gilt für diese Zielgesellschaft, dass die Kontrolle ungefähr mit Überschreitung der 30% Schwelle erworben wird. Von den außenstehenden Aktionären, welche die restlichen 75% der Stimmrechtsanteile an der Zielgesellschaft halten, müsste also nur ein kleiner Teil, der nämlich 5% der gesamten Stimmrechte hält, das Angebot annehmen, um dem Bieter den Kontrollerwerb zu ermöglichen. Wenn also dieser kleine Teil das Angebot als angemessen bewertet und in Folge dessen das Übernahmeangebot annimmt, kann er den Kontrollwechsel auslösen. Die Information über den erfolgreichen Kontrollwechsel würde dann nach Ablauf der ersten Annahmefrist veröffentlicht. Der Großteil der außenstehenden Aktionäre, der das Angebot womöglich für unangemessen hielt, hat daraufhin die Wahl, das Angebot zu denselben – zuvor noch abgelehnten – Konditionen ebenfalls anzunehmen und so die neu kontrollierte Gesellschaft zu verlassen oder aber als Minderheitsaktionär in der Zielgesellschaft zurückzubleiben und erhebliche Einbußen bei der Bewertung seiner Aktien hinnehmen zu müssen. Ein Festhalten an den Anteilen wird zumeist die nachteiligere Variante sein1063. Es bleibt dem rational handelnden Aktionär in dieser Situation folglich nur die Möglichkeit, zu denselben Bedingungen, welche die Minderheit akzeptiert hat und die er zuvor noch als nicht attraktiv genug bewertet hat, aus der Zielgesellschaft auszusteigen. Der Kontrollwechsel wird von einem kleinen Teil der Mitglieder ermöglicht, bringt aber für den außenstehenden großen Teil weitreichende Konsequenzen mit sich, nämlich dass auf Grund der Befürchtung einer nachteiligen Konzernierung der übernommenen Zielgesellschaft eine mindere Bewertung der Anteile am Markt statt findet, die Börsenkurse dieser Papiere also fallen und ein Festhalten an diesen Papieren zu herben Vermögensverlusten führen muss. Der Ausstieg aus der Zielgesellschaft ist dann die einzige, ökonomisch sinnvolle Handlungsalternative. Die Minderheit der außenstehenden Aktionäre entscheidet somit nicht nur über den Kontrollwechsel sondern auch über dessen Konditionen. Die Minderheit drängt der Mehrheit diese Konditionen auf. Hauptgrund dieses unbefriedigenden Ergebnisses ist die marktübliche Reaktion auf einen Kontrollwechsel, nämlich der Kurssturz der Wertpapiere 1063

Schneider/Burgard, DB 2002, 963, 965.

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der betroffenen Gesellschaft. Besonders problematisch daran ist, dass ein Kontrollwechsel bereits mit dem Hinzuerwerb nur weniger Stimmrechtsanteile erreicht werden kann. Diese Marktreaktion kann das Übernahmerecht nicht beseitigen. Stattdessen muss es vielmehr Regeln entwerfen, die unter Berücksichtigung dieser Marktreaktion ein faires Übernahmeverfahren sicher stellen können. (b) Akzeptables Spekulationsrisiko des Kapitalmarktteilnehmers Allerdings ließe sich die Ansicht vertreten, dass dieses den Übernahmeangeboten typischerweise innewohnende Risiko, faktisch zu den von einer Minderheit akzeptierten Konditionen aus der Zielgesellschaft austreten zu müssen, obwohl die individuellen Einschätzung zum gegenteiligen Ergebnis geführt hätte, ein grundsätzliches Spekulationsrisiko der Investoren am Kapitalmarkt ist und als solches als Charakteristikum dieser Anlageform hingenommen werden muss. Der Aktionär begibt sich mit seiner Investition in einen Gesellschafterverband und macht sich damit zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad von Handlungsweisen der Gesellschaft, ihrer Organe oder seiner Mitaktionäre abhängig. Er gibt quasi den Anspruch auf, seine individuellen Bedürfnisse in vollem Umfang durchzusetzen. Übernahmeangebote könnten am deutschen Kapitalmarkt zu einem immer häufiger benutzten Instrument des Kontrollwechsels avancieren. Sie zielen gerade darauf ab, eine entsprechende Zahl von Anteilen aus dem Streubesitz in einer Hand zusammenzuführen, um den Kontrollerwerb zu begründen. Dieses Phänomen könnte zu einem neuen, festen Bestandteil des Kapitalmarktes werden, mit dem naturgemäß neue Chancen und Risiken für dessen Teilenehmer verbunden sind. Jeder Investor wüsste bei Tätigung seiner Kapitalanlage um das Risiko, eventuelle im Wege eines Übernahmeangebots zu einem Verlassen der Zielgesellschaft veranlasst zu werden, auch wenn er subjektiv dessen Konditionen nicht als angemessen bewertet. Bei der Bestimmung der Zielsetzung eines deutschen Übernahmerechts wurde jedoch festgestellt, dass Übernahmeangebote, als neues Vorkommnis am deutschen Kapitalmarkt, zwar als neutral zu bewerten sind, deren Durchführung jedoch keine erhöhte Gefährdung für den Anlegerschutz und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts bedeuten dürfe. Es sollen die wirtschaftlichen Chancen genutzt werden, die Übernahmeangebote mit sich bringen, jedoch sollen gleichzeitig zusätzliche Risiken für die Kapitalmarktteilnehmer möglichst minimiert werden. Diesen Ausgleich hat das Übernahmerecht zu schaffen. Wie gesehen ist es gerade ein übernahmespezifischer Nachteil, dass bei unterbleibendem Eingreifen des Gesetzgebers eine Minderheit der Mehrheit die Konditionen des Übernahmeangebots aufdrängen

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könnte. Jeder Aktionär wäre quasi der Willkür einer noch so kleinen Gruppe seiner Mitaktionäre ausgesetzt. Dies bedeutet ein unverhältnismäßig großes Zusatzrisiko, welches durch Zulassung der Durchführung von Übernahmeangeboten in dieser Form geschaffen würde. Es wäre geeignet, eine Vielzahl potentieller Investoren aus dieser Anlageform zu vertreiben. Die Zulassung einer unbeschränkten, individuellen Anlegerentscheidung über die Angemessenheit des Übernahmepreises ist daher abzulehnen. (3) Entscheidung durch die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre (a) Funktionsweise Während das Konditionendiktat der Minderheit als unverhältnismäßig großes Zusatzrisiko von Übernahmeangeboten für den Kapitalmarktteilnehmer bewertet wird, könnte umgekehrt die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre berechtigt sein, über die Angemessenheit der Konditionen des Übernahmeangebots zu entscheiden1064. Diese Lösung entspräche den Grundsätzen einer demokratischen Entscheidung im Gesellschafterverband, welcher sich der Aktionär mit Tätigung seiner Investition freiwillig unterordnet. Die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre sollte über die Angebotsannahme entscheiden. Die Minderheit müsste sich dieser Entscheidung unterordnen. Dieser Vorschlag ist keinesfalls neu. Entwickelt wurde er in der US-amerikanischen Literatur, um die freie Verkaufsentscheidung der Aktionäre zu ermöglichen und deren Gleichbehandlung zu garantieren1065. Gefolgt wurde diesem Vorschlag auch für das deutsche Recht und insbesondere im Hinblick auf seine Geeignetheit zur Beseitigung des Gefangenendilemmas vielfach befürwortet1066. Die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre hätte kollektiv über Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeangebots zu entscheiden. Würde sie die Durchführung des Angebots befürworten, hätten zweifelnde Aktionäre daraufhin die Möglichkeit, sich dem Ausstieg aus der Zielgesellschaft anzuschließen. Das Koordinationsproblem der Aktionäre wäre insofern beseitigt1067. 1064

Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224. Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1747 ff.; ders. in Coffee u.a, Knights, 1988, S. 371, 381; ders. (1988) 17 Journal of Legal Studies 197, 222. 1066 Zuletzt Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224 f.; Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 968; siehe schon § 40 des Fraktionsentwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen, BT-Drs. 13/8164 v. 2.7.1997; ebenso der nahezu wortlautidentische Gesetzesentwurf von Baums, ZIP 97, 1310, 1313; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S; 43, 215 f.; kritisch aber bereits Hopt in FS Zöllner, 1997, S. 253, 269 f. 1065

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Rechtstechnisch verwirklichen ließe sich der Vorschlag auf mehreren Wegen. Zum einen könnte eine Abstimmung der Aktionäre in einer gesonderten Hauptversammlung herbeigeführt werden1068. Nur wenn dieses Gremium das Übernahmeangebot insgesamt befürwortet, dürfte es zur Durchführung gelangen. Zum zweiten könnten die Aktionäre im Wege eines approving bzw. disapproving tender über den Erfolg des Übernahmeangebots entscheiden. Dabei würden sie auf einem Formular erklären, ob sie insgesamt für oder gegen den Erfolg des Übernahmeangebots stimmen und wie im jeweiligen Fall ihre Annahmeentscheidung aussähe1069. Als dritte Variante könnte das freiwillige Übernahmeangebot des Bieters Kraft Gesetzes unter die Bedingung zu stellen sein, dass die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre das Angebot akzeptiert1070. Ist dies der Fall, müsste der Erfolg des Übernahmeangebots veröffentlicht werden und den bis dahin noch unentschlossenen Aktionären die Möglichkeit gegeben werden, in einer weiteren Annahmefrist das Angebot noch anzunehmen1071. Alle drei der vorgestellten Alternativen stellen sicher, dass die Durchführung des Übernahmeangebots nur zulässig wäre, wenn die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre für den Erfolg des Übernahmeangebots stimmt. Diejenigen Aktionäre, die das Übernahmeangebot für nicht akzeptabel halten, könnten dieser Ablehnung Ausdruck geben, sich jedoch absichern, falls die Mehrheit der außenstehende Aktionäre die Durchführung befürwortet, indem sie in diesem Fall dem Verkauf ihrer Anteile zustimmen. Auf diese Weise könnten sie verhindern, in eine unerwünschte Minderheitenposition in der neu kontrollierten Zielgesellschaft zu geraten. Das Gefangenendilemma wäre beseitigt und zugleich wäre eine Mindestpreisregel entbehrlich.

1067 Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1752 f.; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 43. 1068 Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1757 f.; Mülbert ZIP 2001, 1221, 1224; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 43. 1069 Bebchuck (1985) 98 HarvLRev 1693, 1748 schlägt vor, dass das Annahmeformular bei Übernahmeangeboten den Aktionären folgende drei Fragen eröffnen müsste. 1. Ob sie ihre Anteile im Fall des Erfolgs des Übernahmeangebots veräußern möchten 2. Ob sie im Fall des Scheiterns des Angebots ihre Anteile verkaufen möchten und 3. Ob sie den Erfolg oder das Scheitern des Übernahmeangebots befürworten. 1070 Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224. 1071 Dies ist mit der Funktionsweise der Zaunkönigregel vergleichbar. Diese soll gewährleisten, dass ein Übernahmeangebot nur dann durchgeführt wird, wenn es tatsächlich zum Kontrollerwerb verhilft. Andernfalls müsste es scheitern. Ist der Kontrollwechsel aber sicher, so muss den außenstehenden Aktionären eine weitere Annahmefrist für das Übernahmeangebot eingeräumt werden. Zur Zaunkönigregel im deutschen Recht siehe S. 171 f.

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(b) Konditionendiktat der Mehrheit Nach dieser Lösung würde die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre über die Angemessenheit der Angebotskonditionen entscheiden. Dieses Ergebnis könnte aus Gesichtspunkten des Anleger- und Kapitalmarktschutzes zu befürworten sein. Den Kapitalmarktteilnehmern würde hier nur das Risiko aufgebürdet, dass sie im Zuge eines Übernahmeangebotes die Zielgesellschaft zu Bedingungen zu verlassen hätten, die von der Mehrheit der außenstehenden Aktionäre als akzeptabel bewertet wurden. Zwar kann diese Einschätzung der individuellen Bewertung widersprechen. Jedoch würden jedenfalls die Grundsätze einer demokratischen Entscheidung im Gesellschafterverband gewahrt, welcher sich der einzelne Aktionär an vielerlei Stellen des Aktienrechts unterzuordnen hat. Beispielsweise müssen für die Wirksamkeit von Verschmelzung oder Umwandlung jeweils die Anteilsinhaber in einem Beschluss zustimmen, wobei auch über das Umtauschverhältnis der Anteile oder die Höhe der Abfindung der widersprechenden Anteilsinhaber zu befinden ist1072. Auch hier entscheidet das Gremium der Hauptversammlung über die Vermögensinteressen der Mitglieder. Es würde danach kein nennenswertes, zusätzliches Spekulationsrisiko für die Aktionäre bei Übernahmeangeboten geschaffen. Im Übrigen folgt die Übernahmerichtlinie im Fall von Ausschluss- und Andienungsrechten (RL Art. 15, 16) genau diesem Prinzip, dass allein die Mehrheit legitimiert ist, über die Angemessenheit der Konditionen zu entscheiden1073. Der Ausschluss- bzw. Andienungspreis ist im Fall eines vorausgegangen freiwilligen Übernahmeangebots nämlich nur dann angemessen, wenn der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90% des stimmberechtigten Kapitals entsprechen (RL Art. 15 V, Unterabs. 2). (c) Abwägung Im Folgenden sind die beiden Lösungsmodelle gegeneinander abzuwägen, die jeweils eine den Interessen der Anleger und dem Schutz des Kapitalmarktes dienende Konditionenbildung bei Übernahmeangeboten bezwecken. Zum einen könnte das Übernahmerecht eine Mindestpreisregel auch für freiwillige Übernahmeangebote vorsehen, zum anderen könnte das Übernahmerecht eine Entscheidung der Mehrheit der außenstehenden Aktionäre über die Angemessenheit der Konditionen fordern. 1072 1073

§§ 13 I, 5 I Nr. 3 bzw. §§ 193 I, 194 I Nr. 6 UmwG. Mülbert, NZG 2004, 633, 640.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

Negativ bewertet wurde die Mindestpreisregel im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote, weil sie die Privatautonomie der Parteien missachte und den Bieter unverhältnismäßig stark in seiner Vertragsfreiheit einschränkt. Zwar kann bei der Lösung, die eine Mehrheitsentscheidung fordert, die freie Preisbildung für das Übernahmeangebot zugelassen werden. Allerdings bedeutet der erforderliche Mehrheitsentscheid gleichfalls einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie des Bieters. Diesem wird nämlich die Durchführung seines Vorhabens gänzlich untersagt, wenn nicht die Zustimmung der Mehrheit der außenstehenden Aktionäre vorliegt. Eigentlich erfolgsversprechende Vorhaben müssen dann scheitern. Obwohl beispielsweise ein Teil der Aktionäre, der den zum effektiven Kontrollerwerb fehlenden Aktienbestandteil inne hat, gewillt wäre, das Angebot anzunehmen, wäre dem Bieter die Durchführung des Übernahmeangebots nicht gestattet, weil die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung nicht vorliegt. Das Zustimmungserfordernis besitzt daher einen erheblich größeren Eingriffsgehalt als eine entsprechende Mindestpreisregel. Zudem ist die Durchführung einer gesonderten Hauptversammlung kostspielig und zeitaufwendig1074. Der Entscheid ist grundsätzlich anfechtbar und die Frage nach dem Erfolg des Übernahmeangebots befände sich in einem nachteiligen Schwebezustand1075. Sollte das Übernahmerecht zur Durchsetzung des Mehrheitsentscheids statt der Durchführung einer Hauptversammlung dagegen für ein Übernahmeangebot die obligatorische Bedingung vorschreiben, dass die Mehrheit der außenstehenden Aktionäre das Angebot akzeptieren muss1076, so wäre der Bieter sogar gezwungen, die Mehrheit der außenstehenden Papiere zu erwerben. Angenommen er besitzt bereits 20% der Anteile und würde für den effektiven Kontrollwechsel nur weitere 10% benötigen. Wäre er zur Aufnahme einer entsprechenden Zustimmungsbedingung gezwungen, so müsste er die Mehrheit der außenstehenden Anteile erwerben, in diesem Beispiel also 40% der gesamten Anteile. Auch dies bedeutet für ihn aber eine viel schwerwiegendere Belastung als die Befolgung einer Mindestpreisregel. Zudem ergibt sich aus dem Erfordernis des Mehrheitsentscheids über den Erfolg des Übernahmeangebots auch ein erheblicher Nachteil für die Zielgesellschaftsaktionäre, die das Angebot als angemessen bewerten und 1074 Zu den Problemen in diesem Zusammenhang Baudisch/Götz, AG 2001, 251, 253, 255 allerdings wird hier die Hauptversammlung einberufen, um über die Frage der Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands der Zielgesellschaft zu entscheiden. 1075 Baudisch/Götz, AG 2001, 251, 254; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224. 1076 Zu den rechtstechnischen Alternativen der Druchsetzung eines Mehrheitsentscheids siehe oben S. 289 f.

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bereit sind, ihre Anteile dem Bieter zu verkaufen. Diese unterliegen nämlich bei Ablehnung des Angebots durch die Mehrheit einem faktischen Veräußerungsverbot1077. Wenn das Übernahmeangebot nur im Falle der Zustimmung der Mehrheit ausgeführt werden darf, heißt das, dass die verkaufswillige Minderheit ihrer Chance beraubt ist, dieses Angebot anzunehmen. Ein individueller Investmententscheid ist nicht mehr gewährleistet. Dies bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie des Kapitalanlegers, wenn eine individuelle Anlageentscheidung nicht mehr möglich ist, sondern einem korporativen Gesellschafterentscheid weichen muss1078. Diese Wirkung läuft dann aber gerade dem erklärten Ziel des erzwungenen Mehrheitsentscheids zuwider, dass nämlich der Anleger im Falle eines Übernahmeangebots optimal geschützt und der Kapitalmarkt gestärkt werden soll. Wird den Anlegern die Chance verwehrt, bei einem Übernahmeangebot mögliche Gewinne zu realisieren, könnte das deren Frustration bezüglich Investitionen am Kapitalmarkt zur Folge haben. Dieses Ergebnis sollte durch die Übernahmeregeln aber eher verhindert als hergestellt werden. Aber auch für diejenigen Aktionäre der Zielgesellschaft, die das Übernahmeangebot entgegen der Ansicht der Mehrheit als nicht angemessen beurteilen, ergibt sich durch den erzwungenen Mehrheitsentscheid keine zufriedenstellende Lösung. Wenn die Mehrheit das Angebot befürwortet, hat sich die Minderheit diesem Entschluss zu beugen und ist faktisch gezwungen, die Zielgesellschaft zu diesen Konditionen zu verlassen. Es wurde argumentiert, es sei Teil des typischen Risikos eines Aktionärs als Verbandsmitglied, sich der Mehrheitsentscheidung unterwerfen zu müssen. Dieser Zwang könnte im Übernahmerecht mit Hilfe der alternativen Lösungsmöglichkeit über die Mindestpreisregel aber gerade nicht erforderlich sein. Wird auch für freiwillige Übernahmeangebote eine Mindestpreisregel eingeführt, so erhält jeder Zielgesellschaftsaktionär die Garantie, dass er im Falle eines Übernahmeangebots zumindest zu den Konditionen aus der Zielgesellschaft austreten kann, die erstens einer objektiven Angemessenheitskontrolle unterliegen und zweitens ihm eine Gleichbehandlung mit den Aktionäre garantieren, die vor Abgabe des Übernahmeangebots ihre Anteile an den Bieter veräußerten. Es wird also eine objektive Mindestpreisgarantie bei Übernahmeangeboten aufgestellt, die auch von der Mehrheit nicht unterschritten werden darf. Das Risiko des Anlegers, zu einem Austritt aus der Zielgesellschaft durch ein Übernahmeangebot faktisch gezwungen zu sein, wird preislich nach unten begrenzt. Dies bedeutet eine grundlegende Absicherung des Aktionärs im Falle von Übernahmeangeboten. Jedem ein1077 1078

Zutreffend Reul, Jahrbuch, 1990, S. 11, 29; Witt, Übernahme, 1998, S. 92. Meier/Schatz, WuR 1987, 16, 25.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

zelnen Aktionär wird ein individuelles Recht auf Gleichbehandlung garantiert, welches von der Mehrheit nicht abbedungen werden kann. Dies stärkt seine Position als Kapitalanleger und gewährt ihm Unabhängigkeit von einer verbandsrechtlichen Mehrheitsentscheidung. Eine Kapitalanlage in Aktien wird viel eher getätigt, wenn gesichert ist, dass bei einem auftretenden Übernahmeangebot grundsätzlich ein Mindestpreis für die Veräußerung der Anteile gewährt werden muss, der weder zur Disposition der Minderheit noch der Mehrheit steht. Die Mindestpreisregel ist das geeignete Instrument, das den Übernahmeangeboten innewohnende Preisrisikopotential für Investoren am Kapitalmarkt zu begrenzen und damit den Zielen des Anleger- und Kapitalmarktschutzes Rechnung zu tragen.

ee) Ergebnis Bei einem freiwilligen Übernahmeangebot stehen sich der Bieter auf der einen Seite und die Gesamtheit der Aktionäre auf der anderen Seite als ebenbürtige Vertragspartner gegenüber, weil das Gefangenendilemma mittels besonderer Regelungsmechanismen beseitigt werden kann. Obwohl der Marktmechanismus in dieser Situation nicht gestört ist, ist eine Mindestpreisregel dennoch unverzichtbar. Die freie Disposition über die Angebotskonditionen auf Seiten der Aktionäre führt im Übernahmeverfahren zu nicht interessengerechten Ergebnissen. Abzulehnen ist zum einen eine individuelle Aktionärsentscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots, weil hier im Ergebnis die Minderheit der Mehrheit die Konditionen aufdrängen würde. Dies würde ein inakzeptables Risiko für den Investor am Kapitalmarkt bedeuten. Ungenügend ist aber auch die Lösung, welche die Konditionenbewertung eines Übernahmeangebots der Mehrheit der außenstehenden Aktionäre überlassen will. Erstens bedeutet dies einen massiven Eingriff in die Vertragsfreiheit des Bieters. Zweitens hat diese Lösung im Falle der Ablehnung des Angebots durch die Mehrheit ein faktisches Veräußerungsverbot für die verkaufswillige Minderheit zur Folge. Drittens führt diese Lösung im Falle der Befürwortung des Angebots durch die Mehrheit zu einem unkalkulierbaren Preisrisiko für die Minderheit. Die Ziele des Übernahmerechts, nämlich unter Schaffung eines fairen Interessenausgleichs Übernahmeangebote weder zu fördern, noch zu verhindern und dabei den Schutz der Anleger und des Kapitalmarktes sicher zu stellen, können im Bereich der Konditionenbildung besser erreicht werden, wenn auch für freiwillige Übernahmeangebote eine Mindestpreisregel besteht. Eine solche ist, auch wenn sie von der Übernahmerichtlinie im

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Bereich freiwilliger Übernahmeangebote nicht vorgesehen ist, nicht europarechtswidrig1079. Die Richtlinie normiert nämlich nur Mindestanforderungen. Jeder nationale Gesetzgeber ist berechtigt, diese im nationalen Recht zu verschärfen. Zwar ist mit Einführung einer Mindestpreisregel der Bieter in seiner Vertragsfreiheit beschränkt, dies jedoch in weitaus geringerem Maße als beim Mehrheitsentscheid. Verkaufswillige Aktionäre haben grundsätzlich die Möglichkeit, das Übernahmeangebot anzunehmen. Die das Übernahmeangebot als unangemessen bewertenden Aktionäre haben zumindest die Sicherheit, bei der Durchführung desselben einen Preis zu erhalten, der einer objektiven Angemessenheitskontrolle unterliegt und dem Grundsatz der Gleichbehandlung entspricht. Den Interessen der Kapitalanleger ist mit der Mindestpreisregel im höchst möglichen Umfang Rechnung getragen. Die Ziele des Übernahmerechts bleiben gewahrt. b) Fragen zum Tauschangebot aa) Liquidität der angebotenen Aktien Der Bieter ist gem. § 31 II verpflichtet, als Gegenleistung entweder eine Geldleistung in Euro oder liquide Aktien anzubieten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Bedauerlicherweise wurde vom Gesetzgeber offen gelassen, unter welchen Voraussetzungen von der Liquidität der Aktien ausgegangen werden kann1080. Der verfolgte Schutzzweck ist jedenfalls erkennbar: Den Aktionären, die das Tauschangebot annehmen, soll ein hinreichend tiefer Markt offen stehen, an dem sie die erworbenen Papiere jederzeit verkaufen und in Bargeld verwandeln können1081. Sie sollen nicht dauerhaft in eine für sie unvorteilhafte Anlageform gedrängt werden, sondern unverzüglich die Möglichkeit haben, die erworbenen Aktien am Kapitalmarkt zu veräußern1082. Mit der Zulassung von Tauschangeboten als alleinige Form der Gegenleistung wird 1079

Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2195, a. A. Mülbert, NZG 2004, 633, 640. Kritisch Haarmann in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 31 Rn. 83 f.; Krause, ZGR 2002, 500, 514; Diregger/Winner, WM 2002, 1583, 1586; Kremer/Oesterhaus, KK-WpÜG, 2003, § 31 Rn. 26; Bouchon/von Breitenbuch, ZIP 2004, 58, 60 f. 1081 Krause ZGR 2002, 500, 514; ders., NZG 2000, 905, 909 f.; Hopt, ZGR 2002, 383, 413; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 10; Riehmer/ Schröder, NZG 2000, 820, 822; dies.; BB 2001. Beilage 5 zu Heft 20, S. 11. 1082 Einen „faktischen Squeeze-Out“ befürchten aber Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 964. 1080

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5. Teil: Die Bieterpflichten

für die Aktionäre der zumutbare Aufwand toleriert, dass sie die eingetauschten Wertpapiere veräußern müssen, um ihr Anlagekapital in Bargeld umzuwandeln. Vorteilhaft ist an dieser Regelung, dass solche Übernahmevorhaben erst ermöglicht werden, für welche bei zwingender Barangebotspflicht der internationale Kapitalmarkt nicht leistungsfähig wäre1083. Für die Bestimmung des Merkmals „liquide“ wurde teils auf § 5 IV WpÜG-AVO verwiesen1084. Danach sind Börsenkurse dann nicht für die Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung heranzuziehen, wenn an weniger als einem Drittel der Börsentage Kurse festgestellt wurden und mehrere nacheinander festgestellte Börsenkurse um mehr als 5% voneinander abweichen. In diesem Falle sollen die Aktien auch nicht liquide im Sinne des § 31 II sein. Die mangelnde Liquidität der Vergangenheit lasse darauf schließen, dass eine angemessene Handelsmöglichkeit für die Aktien auch nach Abschluss des Angebotsverfahrens nicht bestehe1085. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 31 II ist es jedoch nicht erforderlich, dass die angebotenen Aktien schon vor Annahme des Angebots bzw. vor Ablauf der Annahmefrist liquide sind1086. Für die Aktionäre entscheidend ist allein die Möglichkeit, nach Durchführung des Angebots die erworbenen Aktien an einem hinreichend tiefen Markt zu veräußern. Für die Beurteilung der Liquidität kommt es also auf den Zeitraum nach Ablauf der Annahmefrist an. Die an § 5 IV WpÜG-AVO angelehnten Kriterien des fehlenden Handels und der hohen Volatilität sind für die Beurteilung der Liquidität also hilfreich, jedoch sind diese nur zukunftsbezogen zu verwenden1087. Ansonsten blieben dem Bieter hilfreiche Finanzierungsmodalitäten ohne ersichtlichen Grund versperrt. Er kann so zum Beispiel neue Aktien der Bietergesellschaft als Gegenleistung anbieten. Mit diesen wird aber erst nach ihrer Entstehung, das heißt nach Eintrag der Kapitalerhöhung im Handelsregister (§ 191 AktG), Handel getrieben werden. Für diese Eintragung muss aber erst die Einlage geleistet werden1088, das heißt die entsprechenden Aktien der Zielgesellschaftsaktionäre müssen übereignet sein1089. Denknotwendig 1083 So Krause, ZGR 2002, 500, 514 am Beispiel von der Übernahme der Mannesmann AG. 1084 Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 11; Krieger, RWS Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 289, 296; Kremer/Oesterhaus, KK-WpÜG, 2003, § 31 Rn. 26. 1085 Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 11. 1086 Hopt, ZGR 2002, 383, 413; Krause, ZGR 2002, 500, 514; Haarmann in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 31 Rn. 86; Kremer/Oesterhaus, KKWpÜG, 2003, § 31 Rn. 27. 1087 Haarmann in Haarmann u. a., Übernahmeangebote, 2002, § 31 Rn. 86. 1088 §§ 188 II 1; 36 II, 36 a, 37 I AktG.

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kann eine entsprechende „Liquidität“ dieser Papiere erst nach Abschluss des Übernahmeverfahrens bestehen. So können auch solche Aktien angeboten werden, die erst auf Grund eines vergrößerten Handelsvolumens im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot liquide werden1090. Im Einklang steht diese Interpretation mit der Gesetzesbegründung, wonach die liquiden Aktien spätestens zum Zeitpunkt der Übereignung an die Adressaten des Angebots zum Börsenhandel zugelassen sein müssen1091. bb) Aktien abhängiger Unternehmen als Gegenleistung Es wird kritisiert, dass der Bieter die Möglichkeit hat, als Gegenleistung seines Übernahmeangebots Aktien einer von ihm abhängigen Tochtergesellschaft bzw. eigene Aktien anzubieten, wenn er selbst von einer Konzernmutter abhängig ist. Das Ziel der Übernahmeregeln, den Adressaten eines freiwilligen Übernahmeangebots die Möglichkeit zum Ausstieg aus der Zielgesellschaft zu eröffnen, um diese vor der unliebsamen Rolle des Minderheitsaktionärs zu bewahren, werde durch die Zulässigkeit solcher Tauschangebote pervertiert1092. Die Adressaten des Übernahmeangebots hätten so nur die Wahl zwischen zwei Konzernverhältnissen. Herangezogen werden die Wertungen des § 305 II Nr. 2 AktG. Im Falle einer Abfindung bei Abschluss eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags sind den außenstehenden Aktionären entweder eine Barabfindung oder „konzernfreie“ Aktien zu gewähren1093. Wenn aber die oben genannten Anforderungen erfüllt sind, das heißt, wenn die Angebotsadressaten nach Durchführung des Übernahmeverfahrens jederzeit die Möglichkeit haben, die erworbenen Papiere an einem hinreichend tiefen Markt zu veräußern, dann ist ihrem Schutzbedürfnis genüge getan1094. Es ist gewährleistet, dass sie die vom Bieter erworbenen Papiere jederzeit in Bargeld umwandeln und eine neue Anlageentscheidung treffen können. Um ein faires Übernahmeverfahren sicher zu stellen, muss garantiert sein, dass jeder Anleger bei einem Kontrollwechsel eine erneute Anlageent1089

Siehe Krause, ZGR 2002, 500, 514 f. Stellungnahme DAV, NZG 2001, 420, 428. 1091 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 55. 1092 Diregger/Winner, WM 2002, 1583, 1587. 1093 Diregger/Winner, WM 2002, 1583, 1587; für dieselbe Problematik bei Pflichtangeboten Cahn/Senger, FB 2002, 277, 291. 1094 Ebenso Kremer/Oesterhaus, KK-WpÜG, 2003, § 31 Rn. 24. 1090

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5. Teil: Die Bieterpflichten

scheidung treffen kann. Dies weil sich erstens bei einem Führungswechsel die Investitionsgrundlage verändert und zweitens weil infolge der Kontrollübernahme erfahrungsgemäß der Börsenkurs der Wertpapiere der Zielgesellschaft sinkt. Die Anleger sollen die Möglichkeit haben, diesem Vermögensverlust zu entgehen. Deshalb muss ihnen eine Ausstiegsmöglichkeit eröffnet werden. Beides ist aber gewährleistet, wenn der Bieter hinreichend liquide Aktien offeriert. Diese müssen nicht zwingend „konzernfrei“ sein. Die genannte Ausstiegsmöglichkeit hat nämlich nicht zum Ziel, die Aktionäre grundsätzlich davor zu bewahren, dass sie Anleger in einer abhängigen Gesellschaft werden könnten. Sie hat ihnen nur die Freiheit einer neuen Investitionsmöglichkeit ohne Vermögensverlust einzuräumen. Die Aktionäre haben die Wahl, die Anlage in den eingetauschten Papieren aufrechtzuerhalten oder aber diese schnellst möglich am Markt zu veräußern, um das Kapital einer alternativen Anlageform zuzuführen. Der Verweis auf § 305 II Nr. 2 AktG ändert an dieser Wertung nichts. Die Regeln über die Abfindung im Konzernrecht wollen dem Primärschutz Rechnung tragen und der Rechtsstellung des Aktionärs als Eigentümer dadurch Ausdruck bewahren, indem er in Aktien der anderen Vertragspartei abzufinden ist1095. Der reine Vermögensausgleich greift deshalb zu kurz. Wollen die Aktionäre eine konzernierte Gesellschaft auf Grund der entstehenden Nachteile verlassen, muss ihnen ein passendes Äquivalent für ihre verlorene Position geboten werden. Ihnen ist deshalb die Stellung als Aktionär in einer nicht abhängigen Gesellschaft anzubieten. Allerdings eröffnet § 305 II Nr. 2 AktG gerade die Wahlmöglichkeit, ob ein Barangebot gemacht oder Aktien einer nicht abhängigen Gesellschaft geboten werden1096. Es wird betont, dass die Barabfindung keine Lösung zweiter Klasse sei. Zugegeben wird auch, dass Primärschutz unter Wechsel der Gesellschaft ohnehin problematisch sei1097. Ein angemessener Schutz der außenstehenden Aktionäre werde auch durch die ermöglichte Deinvestition und die daraus erlangte Freiheit zu einer neuen Anlageentscheidung erreicht. Wenn also auch bei Abfindungsansprüchen festgestellt wird, dass ein Barangebot adäquaten Schutz bietet und dass es nicht Pflicht des Abfindungspflichtigen sein kann, „konzernfreie“ Umtauschaktien zu beschaffen, um ausreichenden Primärschutz zu gewährleisten, dann muss diese Wertung erst recht für § 31 II gelten. Wird diese Überlegung zu Ende gedacht, dass den Schutzbedürfnissen der Anleger in potentiell abhängigen oder kontrol1095

Hüffer, Aktiengesetz, 2004,§ 305 Rn. 1. Die ganz herrschende Meinung geht von einer Wahlmöglichkeit des Abfindungspflichtigen, nicht der außenstehenden Aktionäre aus, Hüffer, Aktiengesetz, 2004, § 305 Rn. 15; m. w. N. 1097 Hüffer, Aktiengesetz, 2004, § 305 Rn. 14. 1096

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lierten Gesellschaften genüge getan wird, wenn ihnen nur die Deinvestition ermöglicht wird, dann muss auch ein Tauschangebot mit liquiden, „konzernabhängigen“ Aktien zulässig sein. Diese können umgehend zu Bargeld gemacht werden. Die Deinvestition und Freiheit zur neuen Anlageentscheidung ist gewährleistet. c) Verteilung der Kontrollprämie aa) Deutsche, britische und europäische Regelung Der Bieter mag es für sinnvoll erachten, vor Abgabe seines Übernahmeangebots ein größeres Kontrollpaket mittels privater Transaktion zu erwerben. Ein solches bündelt mehrere Anteile in der Zielgesellschaft und ist je nach Größe geeignet, dem Inhaber die Kontrolle über eine Gesellschaft zu vermitteln oder aber ihm zumindest einen erheblichen Einfluss zu sichern. Für Aktienpakete wird auf Grund dieser besonderen, ihnen inne wohnenden Leistung üblicherweise ein Aufschlag gezahlt1098. Das Paket ist mehr wert als die Summe seiner Teile. Im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten stellt sich die Frage, ob den Adressaten des Übernahmeangebots derselben Preis anzubieten ist wie ihn die Veräußerer eines Kontrollpakets im Vorfeld des Übernahmeversuchs erhalten haben. Diese Frage stellt sich grundsätzlich sowohl für Pflicht- als auch für freiwillige Übernahmeangebote1099, weil in beiden Fällen das Angebot zu einem angemessenen, die Anleger gleich behandelnden Preis zu erfolgen hat. Es muss beantwortet werden, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung im Übernahmerecht fordert, die außenstehenden Aktionäre an der Kontrollprämie in vollem Umfang teilhaben zu lassen. De lege lata wird diese Frage sowohl im deutschen als auch im britischen Recht bejaht1100. Als Mindestpreisschwelle wird nämlich jeweils die höchste vom Bieter gewährte Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb eines bestimmten Referenzzeitraumes fest1098 Lutter, ZGR 153 (1989) 446, 462; Grossfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 1987, S. 125 f.; Baums, ZIP 1989, 1379; Houben, WM 2000, 1873, 1880; Lüttmann, Kontrollwechsel, 1992, S. 33 f. 1099 Die Beiträge zu dieser Frage, die sich nur auf die Preisregel beim Pflichtangebot beziehen, können daher in der folgenden Diskussion mit herangezogen werden. Zwar wird die gewährte Kontrollprämie beim Pflichtangebot höher sein, weil die gesamte Kontrolle und nicht nur ein Grundstock zum leichteren Erwerb derselben veräußert wird. Die Diskussion, wem diese Prämie letztlich zusteht, bleibt aber dieselbe. 1100 So ausdrücklich die Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 27, 80.

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gesetzt1101. Wurde seitens des Bieters innerhalb dieses Referenzzeitraums ein Paketerwerb getätigt, so ist mindestens dieser Preis im Übernahmeangebot allen außenstehenden Aktionäre zu offerieren. Auffällig ist, dass dieser Einklang des WpÜG mit dem britischen City Code erst in letzter Minute konstruiert wurde. So sahen sowohl Diskussions- als auch Referentenentwurf zum WpÜG für die Bemessung der Mindestpreisschwelle noch einen Abschlag von 15% vom gezahlten Höchstpreis vor und werteten damit, dass die für ein Kontrollpaket bezahlte Prämie hauptsächlich dem Paketinhaber gebührt1102. Warum der Regierungsentwurf die Angleichung an die britischen Regeln vollzogen hat, wird nicht begründet. Inzwischen bietet auch die Übernahmerichtlinie eine Definition der Angemessenheit des Preises. Danach ist von den Mitgliedstaaten der höchste Preis für Vorerwerbe während der vergangenen sechs bis zwölf Monate als Mindestpreis festzulegen1103. Freilich wird diese Preisregel allein im Zusammenhang mit Pflichtangeboten festgesetzt. Auf europäischer Ebene ist für freiwillige Angebote gerade keine Preisregel vorgesehen. Für Pflichtangebote muss der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Übernahmerichtlinie bis 2006 in das WpÜG umzusetzen. Gesetzessystematisch wäre es korrekt, die Frage der Angemessenheit des Angebotspreises für Pflicht- und freiwilliges Angebot einheitlich zu beantworten. Dies ist aber nicht zwingend1104. Es könnte Gründe geben, im Bereich der freiwilligen Angebote, in dem keine europarechtlichen Vorgaben bestehen, eine andere Wertung im Bezug auf die Angemessenheit zu treffen: bb) Die Kontrollprämie als Ausdruck einer besonderen ökonomischen Mehrleistung Die Zulassung der Prämienpartizipation aller Aktionäre ist nach Auffassung sowohl des deutschen als auch des britischen Regelungsgebers Ausdruck des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes1105. Der Gleichbehandlungsgrundsatz könnte in dieser Frage jedoch nicht zur Anwendung 1101 Siehe § 31 I i. V. m. § § 4 WpÜG-AVO mit einem Referenzzeitraum von drei Monaten und Rule 6.1 mit einem Referenzzeitraum von ebenfalls drei Monaten bzw. Rule 11.1 City Code mit einem verlängerten Referenzzeitraum von zwölf Monaten. 1102 Vgl. § 16 III DiskE-WpÜG und § 4 S. 1 RefE-WpÜG-AVO und Begründung DiskE-WpÜG, Besonderer Teil, S. 113 f.; kritisch zu der aktuellen Veränderung der DAV in seiner Stellungnahme NZG 2001, 420, 428, Krause in Assmann u. a., WpÜG, 2005, § 31 Rn. 9. 1103 RL Art. 5 IV; dieser Vorschlag wurde bereits von der Wintergruppe unterbreitet, Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, 2002, S. 12, 58 f. 1104 Siehe S. 282.

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kommen. Die Ausdehnung der Kontrollprämie auf die außenstehenden Aktionäre könnte sich stattdessen als „willkürliche Gleichbehandlung von wesentliche Ungleichem1106“ darstellen. So argumentierte die Begründung zum Diskussionsentwurf noch, dass der im Vergleich zum Börsenkurs bezahlte Paketzuschlag Ausdruck einer besonderen ökonomischen Leistung des Veräußerers eines Aktienpakets sei, nämlich der Ermöglichung des Erwerbs der Kontrolle über die Zielgesellschaft1107. Der Paketzuschlag stellt sich als der korrekt gebildete Marktpreis für eine Beteiligung dieser Größenordnung dar1108. Der alternative Erwerbsweg, Aktien an der Börse bis zur gewünschten Beteiligungsquote aufzukaufen, wäre erheblich teurer, da der Markt auf die erhöhte Nachfrage mit Steigerung des Börsenpreises reagieren würde1109. Der Bieter ist deshalb zur Honorierung der besonderen Leistung des Paketinhabers, nämlich die Bündelung der Anteile bereits vollzogen zu haben, bereit. Der Erwerb eines Aktienpaketes ist daher nicht mit dem Erwerb einer Summe von Einzelanteilen vergleichbar. Eine geringere Beteiligung wird vom Markt grundsätzlich geringer bewertet. Der Sinn von Kleinbeteiligungen liegt insbesondere in der Kapitalanlage. Sie können dem Erwerber aber keinen nennenswerten Einfluss in der Zielgesellschaft sichern. Aktionäre, die keine solche ökonomische Mehrleistung erbringen, haben kein Recht auf Teilhabe an der dem Großaktionär gezahlten Prämie1110. Es wird argumentiert, die außenstehenden Aktionäre erhielten ansonsten nicht bloß Schutz vor Vermögensverschlechterung sondern sogar einen Vermögenszuwachs, der auch als unverdienter Profit bezeichnet wird1111. Im Gegensatz zu einem Kleinaktionär, kann der Inhaber des Kontrollpakets dem Bieter eine einflussreiche Stellung in der Zielgesellschaft mit Aussicht 1105 Begründung WpÜG, Besonderer Teil, BT-Drs. 14/7034, S. 79 f.; ebenso Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 31 Rn. 26. 1106 Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 35 Rn. 7, ähnlich auch Houben, WM 2000, 1873, 1880 jeweils im Bezug auf die Teilhabe am Kontrollbonus im Rahmen eines Pflichtangebots. 1107 Begründung DiskE-WpÜG, Besonderer Teil S. 114. 1108 Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 462; Letzel, BKR 2002, 293, 297. Auch im britischen Recht wird dieser Ansatz vertreten, so in Short v Treasury Commissioners [1948] AC 534, 546, per Lord Uthwatt, „. . . the proper value of his holding . . . was greater than the sum of the values that would be attributed to shares comprised in that holding if they were split between various persons. The reason is that he has something to sell – control – which the others separately have not.“ 1109 Letzel, BKR 2002, 293, 297. 1110 Begründung Diskussionsentwurf, Besonderer Teil S. 114; Standpunkte der Börsensachverständigenkommission, 1999, S. 17; Letzel, BKR 2002, 293, 297; Houben, WM 2000, 1873, 1880, 1882. 1111 Theater/Barth, NZG 2001, 545, 547; Houben, WM 2000, 1873, 1880, 1882.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

auf endgültigen Kontrollerwerb bieten. Dass sich eine Gleichbehandlung von Paketinhaber und Kleinanleger verbietet, wird gerade deutlich, wenn man auf die Stellung im Unternehmen abstellt, die der jeweilige Veräußerer dem Bieter vermitteln kann. Die Gewährung einer Kontrollprämie allein an den Paketinhaber verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil dieser eine erhöhte Einflussmöglichkeit im Zielunternehmen zu bieten hat1112. cc) Anteiliges Anrecht aller Aktionäre am Kontrollbonus Der Gleichbehandlungsgrundsatz vermag nicht als Rechtfertigungsgrundlage für die Teilhabe aller Aktionäre an der Kontrollprämie dienen. Möglicherweise lässt sich diese aber anhand von Überlegungen zur Verteilungsgerechtigkeit im Gesellschafterverband begründen. Eine faire Verteilung der Gesellschaftserträge wäre ihrerseits geeignet, die Stellung des Investoraktionärs zu verbessern und im Ergebnis den Kapitalmarkt insgesamt zu stärken. Der Paketzuschlag wird für die Möglichkeit der Kontrolle der gesamten Gesellschaft gewährt. Zwar vermittelt de facto der Paketinhaber die Kontrolle, ihm könnte jedoch nicht der gesamte Profit für diese Kontrollübertragung zustehen. Die Kontrolle könnte nämlich vielmehr von den Aktionären in ihrer Gesamtheit vermittelt werden. Daher wird argumentiert, dass der Paketzuschlag in seiner Eigenschaft als Bonus für die Kontrolle über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft allen Aktionären nach Maßgabe ihrer Beteiligungen zustehen könnte, weil sie ebenso wie der Empfänger des Paketzuschlags ihr Kapital in die Gesellschaft investiert haben1113. Jeder Aktionär vermittelt mit seinem veräußerten Anteil dem Erwerber einen Bruchteil an Kontrolle, daher sollten sie mit diesem Bruchteil auch an der Kontrollprämie beteiligt werden. Die Beachtung dieser Gerechtigkeitserwägung würde den Interessen der Aktionäre dienen und somit den Kapitalmarkt stärken. Wenn Anlegern die Chance eröffnet würde, bei einem auftretenden Übernahmeangebot an der vollen Kontrollprämie eines Paketveräußerers zu partizipieren, könnte eine zusätzliche Gewinnchance am Kapitalmarkt geschaffen werden. Diese wäre geeignet, zu vermehrten Investitionen am Kapitalmarkt zu motivieren.1114 1112 Houben, WM 2000, 1873, 1880; Standpunkte der Börsensachverständigenkommission, 1999, S. 17. 1113 Diskussionsbeitrag von König in Schmitthoff/Goré/Heinsius, Übernahmeangebote im Aktienrecht, 1976, S. 66; Thoma, ZIP 1996, 1725, 1728; Benner-Heinacher, DB 1997, 2521, 2523. 1114 In diese Richtung Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 35 Rn. 7; siehe auch die Allgemeinen Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ÖÜbG 1276 BlgNr. XX. GP, S. 4; Assmann/Bozenhardt in Assmann u. a., Übernahmeangebote,

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dd) Diskussion (1) Kontrollmacht kein isolierter Vermögenswert der Gesellschaft Soeben wurde die These aufgestellt, dass der Paketzuschlag in seiner Eigenschaft als Bonus für die Kontrolle über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft allen Aktionären nach Maßgabe ihrer Beteiligungen zustehe, weil sie ebenso wie der Empfänger des Paketzuschlags ihr Kapital in die Gesellschaft investiert haben. Dahinter steckt das Verständnis, dass der Bieter die Möglichkeit zur Beherrschung des Gesamtvermögens von allen Anteilseignern gemeinschaftlich erwirbt und für diese Möglichkeit allen Aktionären eine Gegenleistung schuldet. Die Kontrolle, für sich genommen, ist aber kein isolierter Vermögenswert der Gesellschaft, dessen Erwerb der Gesamtheit der Gesellschafter zu vergüten ist1115. Stattdessen ist die Kontrolle über einen Gesellschafterverband eine notwendige Voraussetzung für dessen Funktionsfähigkeit. In einem Verband, der sich aus einer Vielzahl von Gesellschaftern zusammensetzt, wird die Unternehmensführung prinzipiell von der Mehrheit übernommen bzw. delegiert. Diese Kontrollmacht ist keine besondere Leistung, die von der Minderheit an die Mehrheit erbracht wird, sondern ein dem System des Verbandes eigener und notwendiger Mechanismus, um dessen Handlungsfähigkeit herzustellen. Die Idee des Verbandes ist, dass sich eine Vielzahl von Anteilseignern zusammenschließt, Kapital für einen gemeinsamen Zweck investiert und dieses einer effizienteren Nutzung zuführt als es dem einzelnen Anleger möglich wäre. Der Kleinanleger ordnet sich hierbei bewusst der Führung durch die Mehrheit unter. Diese Unterordnung ist der Preis, den er für den erhöhten Profit im Verband zahlen muss. Auch die führende Mehrheit will eine Steigerung des Unternehmenswertes erreichen, an dem schließlich die Minderheit teilhat. Nach diesem Verständnis leuchtet es nicht ein, warum die Mehrheit für die Möglichkeit der Unternehmensleitung der Minderheit eine Prämie zahlen sollte. Und es leuchtet ebenso wenig ein, warum bei einem Wechsel des Mehrheitsgesellschafters, eben zum Beispiel durch Paketveräußerung, eine solche Prämie an die Minderheit zu zahlen sein sollte. Gerechtigkeitserwägungen im Verband rechtfertigen die Prämienpartizipation nicht. Ist ein Erwerber motiviert, ein Unternehmen zu übernehmen, weil er der Meinung 1990, S. 50 sehen lediglich rechtsethische Argumente für die Beteiligung eines breiten Aktionärskreises an der Kontrollprämie, vermissen dabei aber eine triftige Begründung. 1115 So aber früher für das britische Recht Boyle (1964) 13 ICLQ 185, 189: „The power to control a corporation should be regarded as a form of corporate property (. . .).“

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5. Teil: Die Bieterpflichten

ist, dessen Ressourcen effizienter zu verwenden, dann kommt diese neue Führungsstrategie der Minderheit zugute. Es lässt sich nicht begründen, warum der Erwerber den Aktionären ein Entgelt dafür leisten sollte, dass er die Verbesserung der Vermögenslage der Zielgesellschaft und damit eine Wertsteigerung ihrer Anteile anstrebt. Der Erwerber zahlt deshalb die Prämie, weil ihm ermöglicht wird, mit relativ geringem Kapitaleinsatz die Führung eines Unternehmens zu übernehmen, in welchem er seine Vorstellungen von Gewinnmaximierung realisieren will1116. Die honorierte Leistung liegt in der Vermittlung der Herrschaft über die im Unternehmen gebundenen Ressourcen, ohne diese vollständig finanzieren zu müssen. Diese Leistung wird allein vom Paketinhaber erbracht. (a) Missbrauch der Kontrollmacht Gestört wird die eben vorgestellte Argumentation jedoch, sobald der Erwerber nicht die Verbesserung der Vermögenslage des Zielunternehmens anstrebt, sondern allein die Maximierung seiner persönlichen Gewinne beabsichtigt1117. Angesprochen sind hier Ausbeutungsversuche der Zielgesellschaft auf Kosten der beherrschten Minderheit. Der Bieter beabsichtigt hier, die Vermögenswerte der Zielgesellschaft, die der Gesamtheit der Gesellschafter zustehen, für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen. Regelmäßig führt dieser Missbrauch zu einer Vermögensverschlechterung der Zielgesellschaft. In diesen Fällen stimmt die obige Überlegung nicht mehr, dass die Zahlung einer Kontrollprämie an die außenstehenden Aktionäre ungerechtfertigt ist, weil der neue Kontrollinhaber eine Ertragssteigerung der gesamten Zielgesellschaft und damit auch jedes einzelnen Anlegers bezweckt und diesen deshalb kein Entgelt schuldig ist. Fraglich ist, ob daraus der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass die Partizipation der außenstehenden Aktionäre an der Kontrollprämie gerechtfertigt wäre, wenn der Kontrollerwerber die Ausbeutung der Minderheit beabsichtigt1118. 1116 So auch Baums ZIP 1989, 1376, 1379, der für die Frage der Partizipation an der Kontrollprämie zwei Fallgruppen bildet. Es sei zwischen Erwerbern zu unterscheiden, die einerseits Synergieeffekte erzielen wollen. Dann sei kein Grund für die Teilhabe der außenstehenden Aktionäre an der Kontrollprämie ersichtlich. Andererseits sei in Fällen, in denen der Mehrheitsaktionär von vornherein plant, zum Nachteil der übernommenen Gesellschaft zu handeln, eine Partizipation zu bejahen. 1117 Der Paketzuschlag wird teils bildlich als „Schmiergeld“ für die Kontrollveräußerung zur Ausbeutung der Minderheit bezeichnet; so Baums in seiner ersten gebildeten Fallgruppe, ZIP 1989, 1376, 1379; Lutter in ZHR 153 (1989), 446, 462; für Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 31 Rn. 29 ist die Verhinderung der Ausbeutung ein wesentliches Argument für die Nichtberücksichtigung eines Paketzuschlags. 1118 Diese Unterscheidung macht jedenfalls Baums, ZIP 1989, 1376, 1379.

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Ein potentieller Missbrauch der Kontrollmacht durch den neuen Kontrollerwerber ändert freilich nichts an der Wertung, dass die Kontrolle über eine Gesellschaft nicht als eine besondere Leistung all ihrer Mitglieder an den einen Mehrheitsgesellschafter verstanden werden kann. Die Kontrollstellung in einem Verband ist schlicht eine Position, die ein oder mehrere Mitglieder gemeinsam denknotwendig innehaben. Der Entgeltgedanke ist für die Begründung der Zulassung der Teilhabe aller an der Kontrollprämie daher nicht geeignet. (b) Kompensation der Nachteile der außenstehenden Aktionäre Denkbar wäre es, die Prämienteilhabe auf einen Kompensationsgedanken zu stützen. Der Bieter könnte den Aktionären zum Ausgleich ihrer Nachteile verpflichtet sein, die sie dadurch erleiden, dass er die ihnen allen anteilig zustehenden Ressourcen im Unternehmen einer missbräuchlichen Verwendung zuführt. Dieser Kompensationsgedanke geht aber fehl. Der Bieter soll nämlich bei Zulassung der Prämienteilhabe gezwungen werden, all denjenigen Aktionären, die das Angebot annehmen, den Paketpreis zu offerieren. Nutznießer dieser Regel sind dann allein die ausscheidenden Aktionäre. Diese müssen vom Bieter aber nicht „entschädigt“ werden, da sie ja gerade das Zielunternehmen verlassen bevor dessen Ausbeutung statt finden kann. Ihrem Schutzbedarf vor Ausbeutung ist genüge getan, wenn ihnen der Ausstieg aus der neu kontrollierten Gesellschaft zu angemessenen Konditionen garantiert ist. Die Angemessenheit der Übernahmekonditionen ist aber bereits gewährleistet, wenn ein objektiver Maßstab zugrunde gelegt wird und die Gleichbehandlung garantiert ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt gerade nicht die Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle außenstehenden Aktionäre. Die Kontrollprämie könnte also nur dann als wahrhaftige Entschädigung verstanden werden, wenn diese unter den zurückbleibenden Minderheitsgesellschaftern aufgeteilt würde. Dann könnte eine echte Kompensation der durch eine mögliche Ausbeutung verursachten Verluste statt finden1119. Die1119 Eine derartige Entschädigung könnte nach gegenwärtiger Rechtslage allein durch den Paketveräußerer erfolgen, wenn dieser wissentlich die außenstehenden Aktionäre der Ausbeutung durch den Paketerwerber ausgesetzt haben sollte. Beispielsweise könnte eine Schadensersatzpflicht des Paketveräußerers gegeben sein, wenn die Voraussetzungen einer schuldhaften Treuepflichtverletzung oder der §§ 117 AktG, 826 BGB vorliegen. Bejaht werden könnte dies gerade in Fällen, in denen der Paketveräußerer bewusst die verbleibende Minderheit schädigt, indem er die Kontrolle in die Hände des Bieters gibt, Baums, ZIP 1989, 1376, 1379; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 451 f.; in der US-amerikanischen Literatur haben sich derartige Fallgruppen herausgebildet, dass der Paketveräußerer dann seine

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ses Ziel verfolgt die Regelung der Prämienteilhabe aber gerade nicht. In deren Genuss kämen allein die ausscheidenden Aktionäre, welche die falschen Adressaten dieser Entschädigung sind. (c) Prämienteilhabe als Mittel des präventiven Konzernschutzes Zwar schlägt der Kompensationsgedanke fehl. Unterstützt werden könnte jedoch die Wertung, dass der Bieter, wenn er schon die missbräuchliche Verwendung der Unternehmensressourcen bezweckt, jedenfalls zu einer erhöhten Entgeltzahlung gezwungen werden soll. Dies nicht, um die ausscheidenden Aktionäre zu entschädigen, sondern vielmehr, um seine gesamtwirtschaftlich unerwünschten Pläne zu sanktionieren. Die Sanktion der erhöhten Zahlungsverpflichtung hat gleichzeitig die Wirkung, dem Bieter den Anreiz für solche Übernahmevorhaben zu nehmen, die auf Ausbeutung des Zielunternehmens gerichtet sind. Erreicht werden könnte durch die Verpflichtung zur Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle außenstehenden Aktionäre deshalb eine Form des präventiven Konzernschutzes1120. Durch die Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle außenstehenden Aktionäre verteuert sich das Übernahmevorhaben ungemein. Selbst wenn der Bieter sich von der Ausbeutung der Zielgesellschaft Gewinne verspricht, könnten diese in keinem lohnenswerten Verhältnis mehr zum Kostenaufwand stehen. Je teurer das Übernahmevorhaben für den Bieter wird, desto weniger lohnt sich noch eine Ausbeutung der übernommenen Zielgesellschaft. Die Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle Aktionäre könnte somit eine positive Selektionswirkung für Übernahmeangebote entfalten und nur solche Vorhaben motivieren, die eine beträchtliche Ertragssteigerung im Zielunternehmen beabsichtigen.

Prämie teilen muss, wenn ein looting, das heißt die Ausbeutung der Zielgesellschaft statt finden soll. So wurde der Entscheidung Perlman v Feldmann, 219 F. 2d 173 (2nd Cir. 1955) der Großaktionär verpflichtet, die Kontrollprämie mit den Kleinaktionären zu teilen. Dieser Bonus stehe allen Aktionären zu, die ihr Kapital in der Gesellschaft angelegt hatten. Der Bonus gehöre der Gesellschaft und müsse deshalb an alle Gesellschafter gleichmäßig verteilt werden. Allerdings konnte der PerlmanEntscheidung ein allgemeiner Rechtssatz nicht entnommen werden, dass die Kontrolle grundsätzlich als Vermögensgegenstand der Gesellschaft zu verstehen ist. Vielmehr war dieser Fall in eine Reihe von „looting“-Fällen einzuordnen. Ein Paketinhaber macht sich danach schadensersatzpflichtig, wenn er seinen Aktienblock an einen Erwerber veräußert, dessen Ausbeutungsabsicht für ihn erkennbar war oder hätte erkennbar sein müssen. Siehe dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 452. 1120 In diese Richtung Wackerbarth in MK-WpÜG, 2004, § 31 Rn. 29.

C. Gleichbehandlungspflichten

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(2) Abwägung Für die Frage nach der Zulassung der Partizipation aller außenstehenden Aktionäre an der Kontrollprämie ergibt sich folgendes Zwischenergebnis. In den Fällen, in denen der Bieter die Verbesserung der Vermögenslage der Zielgesellschaft insgesamt anstrebt, erscheint eine Partizipation nicht gerechtfertigt. Die Kontrolle ist keine besondere Leistung der Minderheit an die Mehrheit, für die ein besonderes Entgelt zu entrichten wäre. Stattdessen ist es schlicht Kennzeichen des Verbands, dass ein oder mehrere Mitglieder die Kontrolle inne haben. Auf diese Weise wird der Verband nur handlungsfähig. In den anderen Fällen aber, in denen der Bieter die Ausbeutung der Zielgesellschaft bezweckt, könnte die Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle Aktionäre ein geeignetes Mittel des präventiven Konzernschutzes und zur positiven Selektion unerwünschter Übernahmeangebote darstellen. Offensichtlich ist aber, dass sich eine unterschiedliche Preisregel für die unterschiedlich motivierten Übernahmeversuche nicht in die Praxis umsetzen lässt. Es müsste dann nämlich zwischen Übernahmevorhaben unterschieden werden, die das Wohl der Zielgesellschaft, also deren Ertragssteigerung insgesamt bezwecken und solchen, die auf die Ausbeutung derselben unter Missbrauch der Kontrollstellung abzielen. Dies ist freilich völlig unpraktikabel. Übernahmeangebote lassen sich generell kaum als gut oder schlecht kategorisieren und eine solche Wertung kann schon gar nicht im Vorfeld getroffen werden. Der Gesetzgeber muss sich folglich für eine allgemeingültige Preisregel entscheiden. (a) Ausreichender Schutz vor Missbrauch durch die Vollangebotspflicht Neben der zwingenden Partizipation aller Aktionäre an der Kontrollprämie existiert ein weiteres Regelungsinstrument, welches die positive Selektion von Übernahmeangebote erreichen und damit präventiven Konzernschutz leisten kann: Übernahmeangebote sind nämlich – wie bereites erörtert1121 – zwingend als Vollangebote auszugestalten. Damit wird der Gefahr vorgebeugt, dass der Bieter sich der Zahlung des „vollen Preises“ für die Kontrolle entziehen könnte. Der Bieter muss so damit rechnen, dass jeder einzelne der vom Übernahmeangebot adressierte Aktionär sein Angebot annimmt und er hierfür einen angemessenen Preis aufwenden muss. Tritt dieser Fall tatsächlich ein, zahlt der Bieter sozusagen den vollen Marktpreis zum Erwerb der Vermögenswerte der Gesellschaft. Unmöglich gemacht 1121

Siehe oben S. 259 ff.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

wird ihm also die Variante, billig die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erwerben, um sich an der Ausbeutung der Minderheit zu bereichern. Die Vollangebotspflicht kann immer dazu führen, dass eine auszubeutende Minderheit nicht mehr vorhanden ist. Im Ergebnis ist die Vollangebotspflicht zu einem angemessenen Preis ein geeignetes Instrument, den Anreiz der Ausbeutung von Zielgesellschaften bei der Abgabe von Übernahmeangeboten zu reduzieren. Das Ziel der positiven Selektion von Übernahmeangeboten wird also bereits durch die Vollangebotspflicht erreicht. Die Forderung der Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle Aktionäre kann diese Wirkung lediglich verstärken. (b) Prämienpartizipation aller Aktionäre als maßgebliches Hindernis für Unternehmensübernahmen Die Preisregel, welche die Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle Aktionäre fordert, hat eine erhebliche Verteuerung aller Übernahmevorhaben zur Folge. Die übernahmerechtliche Kombination aus Vollangebots- und Prämienteilhabepflicht lässt die Kosten eines Übernahmevorhabens explosionsartig steigen, da jedem einzelnen Aktionär die Kontrollprämie zu offerieren ist. Diese wurde aber gerade als Bonus für die Leistung gezahlt, dass die Herrschaft über die Unternehmensressourcen ausgeübt werden kann, ohne den vollen finanziellen Aufwand treiben zu müssen. Dieses Ziel kann nach gegenwärtiger Rechtslage nicht mehr erreicht werden. Dies hat zur Folge, dass ein rational handelnder Bieter keinen Paketzuschlag mehr gewähren wird, um sein Übernahmevorhaben nicht zu einer gänzlich unrentablen Transaktion werden zu lassen1122. Ohne Zahlung eines Aufpreises werden die Paketbesitzer aber nicht willens sein, ihre Anteile zu veräußern1123. Kontrolltransaktionen werden erheblich erschwert. Allerdings könnte sich der deutsche Gesetzgeber auf die britische Rechtslage berufen und den City Code als bewährtes Vorbild für eine funktionsfähige Übernahmeregelung zitieren. Es liegt ohnehin die Vermutung nahe, dass der deutsche Gesetzgeber seine plötzliche Kehrtwende in diesem Bereich auf Grund der unterschiedlichen britischen und europäischen Wertung vollzog. Diese Regelungsgeber beziehen Paketpreise bei der Bemessung der Mindesterwerbsschwelle des nachfolgenden Übernahmeangebots ausdrücklich ein1124. Dennoch verbietet sich eine vorbehaltlose Orientierung an der 1122 Zu den ökonomischen Nachteilen der Gleichbehandlungspreisregel siehe eingehend Houben, WM 2000, 1873, 1882; zustimmend Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 35 Rn. 7; DAV Stellungnahme NZG 2001, 420, 428. 1123 Davies, Gower’s Principles, 1997, S. 792. 1124 Siehe oben S. 260 ff.

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britischen Regelungspolitik, welche ihrerseits den europäischen Gesetzgeber beeinflusste. Maßgeblich ist, dass die Struktur der Anlegerschaft in Großbritannien und Deutschland nicht ohne weiteres vergleichbar ist1125. So werden die meisten börsennotierten kontinental-europäischen Gesellschaften durch einen Aktionär oder einige verbundene Aktionäre beherrscht1126. Vor allem deutsche Unternehmen befinden sich hauptsächlich im Kontrollbesitz von Großaktionären wie Familienmitgliedern, Banken, Versicherungen etc.1127. Ein Kontrollwechsel vollzieht sich hier in der Regel durch Veräußerung entsprechender Kontrollpakete. Im Gegensatz dazu besteht in anglo-amerikanischen Rechtsräumen keine starke Konzentration des Aktienbesitzes. Für den Kontrollwechsel spielt die Paketveräußerung eine weniger relevante Rolle.1128 Im Hinblick auf diese unterschiedliche Aktionärsstruktur muss eine deutsche Übernahmeregelung den Interessen der Großaktionäre und Gründungsgesellschafter in erhöhtem Maße Rechnung tragen1129. Auch der österreichische Gesetzgeber begründet seine Preisregel für Übernahmeangebote damit, dass die meisten Aktiengesellschaften einen Mehrheitsaktionär haben und im Streubesitz befindliche Publikumsgesellschaften – im Gegensatz zu Großbritannien und den USA – eine Seltenheit sind. Um die Stellung der Mehrheitsaktionäre nicht unverhältnismäßig stark zu beeinträchtigen wird hier bei der Bestimmung des Mindestpreises von Übernahmeangeboten ein 15%iger Abschlag vom Höchstpreis der Vorerwerbe zugelassen1130. Ebenso lässt auch die Schweiz einen Abschlag von sogar 25% vom Höchstpreis zu, wobei der Börsenkurs die Untergrenze des Übernahmepreises bildet. Auch in Deutschland müssen ähnliche Überlegungen angestellt werden. Oftmals werden Aktienpakete, die einen kontrollierenden Einfluss sichern, noch von den Gründern oder entsprechenden Familienmitgliedern gehalten. Aufstrebende Familienbetriebe haben sich als AG organisiert, um das für größere Investitionen notwendige Kapital in Form von Eigenkapital zu er1125

Siehe dazu beispielsweise die Länderberichte in Barca/Becht, Control, 2001, für Deutschland Becht/Böhmer, S. 128 f. und für Großbritannien Goergen/Renneboog, S. 259 f. oder in Button/Bolton, A Practitioner’s Guide to Take-overs and Mergers in the European Union, Stern, S. 521 f. für Großbritannien und Stephan/ Jäckle für Deutschland S. 207 f. 1126 Hansen, AG 1996, Sonderheft 3, R 87 f.; Wymeersch, ZGR 2002, 520, 522; Becht/Mayer in Barca/Becht, Control, 2001, S. 19 jeweils mit einem tabellarischen Vergleich der Stimmrechtskonzentration in Europa und den USA. 1127 Seibert, AG 2002, 417, 418. 1128 Traugott/Schaefer, NZG 2004, 158, 160. 1129 So begründete jedenfalls noch der Diskussionsentwurf den 15%igen Abschlag, Begründung DiskE, Besonderer Teil, S. 114. 1130 Allgemeine Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ÖÜbG, 1276 BlgNr. XX.GP, S. 5; Kalss, NZG 1999, 421, 426.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

langen. Die Mitaktionäre hatten die Rolle der Geldgeber und Kapitalanleger. Die Kontrolle blieb dabei stets in Händen der Gründer, welche die Geschäftspolitik bestimmten. Sie investierten die Arbeit und Initiative, um das Unternehmen wachsen zu lassen. Wenn diese Gründungsgesellschafter oder Großaktionäre ihren Kontrollblock heute veräußern, dann bieten sie nicht nur die Möglichkeit einer Kapitalanlage, sondern vielmehr die Gelegenheit zur gewinnbringenden Betätigung als Unternehmer. Für diese Leistung erwarten sie eine entsprechende Honorierung. Wird grundsätzlich eine Partizipation an der Kontrollprämie gefordert, so führt das im Ergebnis dazu, dass kein Bieter eine solche mehr anbietet, weil er nicht Gefahr laufen will, diese auf alle außenstehenden Aktionäre zu erstrecken. Er bietet einen entsprechend geringeren Aufpreis, den er unter allen Aktionären aufteilt. Das führt zu einer Benachteiligung der Anlegerschicht von Großaktionären, Gründungs- und Familiengesellschafter. Folglich wird eine Paketveräußerung kaum mehr stattfinden, da jeder Paketinhaber eine Prämie für seine Sonderleistung erwartet. Paketverkäufe werden erheblich erschwert1131. Bestehende Beherrschungsstrukturen frieren ein. Es wird ein übernahmefeindliches Umfeld am deutschen Kapitalmarkt geschaffen. In Großbritannien ist diese Gefahr weniger dringlich, da die Beherrschungsstrukturen in Aktiengesellschaft völlig unterschiedlich ausgestaltet sind. Der Aktienbesitz ist hier grundsätzlich weit gestreut1132. Die Regeln des City Codes bezüglich des Paketzuschlags werden deshalb keine sonderlich nachteiligen Auswirkungen auf das Klima für Unternehmensübernahmen haben1133. Es verbietet sich daher für den deutschen Gesetzgeber vorbehaltlos die britischen Wertungen zu adaptieren. Vielmehr ist er aufgefordert, eine den Beherrschungsstrukturen am deutschen Kapitalmarkt entsprechende Übernahmeregelung zu entwerfen. Mit der aktuellen Preisregel 1131 Diese Wirkung steht beispielsweise auch im Widerspruch zu der seit 2002 geltenden Steuerbefreiung bei Paketverkäufen, welche gerade zu einem Aufbrechen der bestehenden Beherrschungsstrukturen beitragen soll, siehe Strenger, DStR 2001, 2225, 2226. 1132 Das britische Recht zielt sogar explizit darauf ab, die Paketbildung in einer Größenordnung von über 30% zu verhindern. 1133 Diesen Unterschied der Beherrschungsstrukturen und seine Auswirkung auf die Verteilung von Paketzuschlägen in Großbritannien und Deutschland betont selbst Davies in Gower’s Principles, 1997, S. 792: „. . . the Rule makes it impossible to for the holder of an existing controlling block of shares to obtain any premium for control upon the sale of the shares . . . In the UK where shareholding is dispersed, this is probably not an important issue, but in countries where family shareholding in even listed companies are of significant size, the Rule might operate as a disincentive to transfer control out of the family. Unable to obtain a premium for control, the existing controllers may simply prefer not to sell.“

C. Gleichbehandlungspflichten

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verfehlt er dieses Ziel. Er schafft ein außerordentliches Hindernis für Übernahmeangebote am deutschen Kapitalmarkt1134. Auch dem europäischen Gesetzgeber sind diese Überlegungen an die Hand zu geben. Ein harmonisiertes Übernahmerecht kann nur geschaffen werden, wenn die unterschiedlichen Kapitalmarktstrukturen der Mitgliedstaaten volle Berücksichtigung finden. (c) Ergebnis Für das deutsche Recht ist deshalb eine Preisregel zu befürworten, welche die Berücksichtigung von Paketzuschlägen zulässt. Dies gilt jedenfalls für die Preisregel bei freiwilligen Übernahmeangeboten. Im Bereich der Pflichtangebote sind dem deutschen Gesetzgeber aufgrund europarechtlicher Vorgaben die Hände gebunden. Ein Auseinanderfallen der Preisregel für freiwillige und Pflichtangebote muss zugunsten der genannten Vorteile hingenommen werden. Weder der Gleichbehandlungsgrundsatz noch Gründe der Verteilungsgerechtigkeit im Gesellschafterverband sprechen für die Zulassung der Prämienteilhabe aller Aktionäre. Auch die Überlegung, der Kapitalmarkt könne durch diese Zulassung gestärkt werden, da vermehrt Investitionen am Kapitalmarkt motiviert werden, geht fehl. Die Prämienteilhabe würde den deutschen Kapitalmarkt erheblich schwächen, da sie ein extrem übernahmefeindliches Umfeld schaffen würde. Sie würde ein maßgebliches Hindernis für Übernahmevorhaben und Pakettransaktionen im Allgemeinen bedeuten. Bestehende Beherrschungsstrukturen würden betoniert und eine Teilnahme des deutschen Kapitalmarktes an den positiven Effekten von nationalen aber auch internationalen Kontrolltransaktionen würde vereitelt. Zwar könnte durch die Ausdehnung der Kontrollprämie auf alle Aktionäre der präventive Schutz vor missbräuchlichen Übernahmeangeboten noch verstärkt werden. Dies jedoch nur um den Preis, dass Übernahmevorhaben insgesamt behindert werden. Ein Schutz vor negativ motivierten Übernahmeversuchen kann stattdessen durch die Statuierung einer grundsätzlichen Vollangebotspflicht an alle außenstehenden Aktionäre zu einem angemessenen Preis erreicht werden. Im Ergebnis muss für das WpÜG derjenigen Preisregel der Vorzug gegeben werden, die die Berücksichtigung von Paketzuschlägen zulässt und somit ein zumindest neutrales Umfeld für Übernahmeversuche am deutschen Kapitalmarkt bereitet. 1134 Zustimmend Rodewald/Siems, ZIP 2002, 926, 928; DAV Stellungnahme, NZG 2001, 420, 428.

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5. Teil: Die Bieterpflichten

ee) Vorschlag einer Preisregel im WpÜG Es wird eine Preisregel befürwortet, welche die Ausdehnung des Paketzuschlags auf alle außenstehenden Aktionäre nicht erforderlich macht. Gewährleistet sein muss lediglich, dass das Übernahmeangebot zu einem angemessenen Preis abgegeben wird. Hierfür müssen verlässliche Beurteilungsmethoden gefunden werden. Befürwortet werden kann das existente Konzept des deutschen Gesetzgebers, einen zweifachen Maßstab anzulegen, nämlich sowohl den durchschnittlichen Börsenkurs bzw. eine entsprechende Unternehmensbewertung als auch Vorerwerbspreise des Bieters als Mindestschwellen festzulegen. Somit wird ein objektives Maß der Angemessenheit und die Gleichbehandlung der Aktionäre sichergestellt. Eine Änderung des WpÜG wird dahingehend vorgeschlagen, dass der volle Preis von Vorerwerben nur dann die Mindestschwelle bestimmen soll, wenn innerhalb eines bestimmten Referenzzeitraums kein Paketkauf voraus ging. Im Falle eines Paketkaufes des Bieters im Vorfeld der Angebotsabgabe, ist für die Festsetzung der Mindestschwelle des Angebotspreises ein Abschlag vom Vorerwerbspreis zuzulassen. Definiert werden muss, unter welchen Voraussetzungen von einem Paketerwerb auszugehen ist und welcher Abschlag folglich zulässig ist. Dabei muss gelten, dass der zulässige Abschlag vom Vorerwerbspreis umso höher sein darf, je größer das erworbene Aktienpaket war. Befürwortet wird ein maximaler Abschlagssatz von 15%. Damit wird zwischen den Interessen der Großaktionäre und denen der Kleinanleger vermittelt. Vom Bieter gezahlte Paketzuschläge in einer Höhe von 15% bleiben bei der Bestimmung des Angebotspreises unberücksichtigt. Wenn eine höhere Kontrollprämie geboten wird, können die außenstehenden Aktionäre von der Differenz profitieren. Durch diese Kompromisslösung kann dem Bedürfnis nach Stärkung des Vertrauens der Kleinanleger in begrenztem Umfang Rechnung getragen werden1135. Des Weiteren wird vorgeschlagen, den Zeitraum zu verlängern, innerhalb dessen der Vorerwerb von Papieren der Zielgesellschaft maßgeblich für die Bestimmung des Angebotspreises sein soll. Das WpÜG sieht hier in § 4 WpÜG-AVO einen Referenzzeitraum von drei Monaten vor Veröffentlichung der Angebotsabgabe vor. Dieser ist sehr kurz bemessen und verkörpert wohl eine Art faulen Kompromiss des Gesetzgebers, der zu einer konsequenten Durchsetzung des 15%igen Abschlages nicht in der Lage war, den Bietern aber dennoch ein Zugeständnis machen wollte. Der kurze Refe1135

So noch die Begründung zum DiskE-WpÜG, S. 114.

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renzzeitraum ermöglicht es den Bietern nämlich, den Kauf von relevanten Aktienpaketen so zu terminieren, dass zwischen Angebotsbeginn und Erwerb des Pakets mehr als drei Monate liegen und die Gleichpreisregel auf diese Weise umgangen wird1136. Konsequenter ist die Lösung, die einen Paketabschlag bei der Bemessung der Mindestpreisschwelle zulässt, dafür aber den maßgeblichen Referenzzeitraum auf zwölf Monate verlängert. Hierfür spricht im Übrigen auch der internationale Vergleich. So sehen Österreich1137, die Schweiz, teilweise auch Großbritannien1138 und die Übernahmerichtlinie1139 einen Referenzzeitraum von zwölf Monaten vor.

1136

Siehe zu diesem Vorgehen Traugott/Schaefer, NZG 2004, 158, 161 f. § 26 I ÖÜbG, wobei diese Preisregel nur für Pflichtangebote gilt; siehe dazu Diregger/Winner, WM 2002, 1583, 1589. 1138 Ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten gilt gem. Rule 11.1 jedenfalls dann, wenn ein Barerwerb von Aktien der Zielgesellschaft stattgefunden hat oder der Panel es unter den gegebenen Umständen für gerechtfertigt hält. Im Fall von Pflichtangeboten gilt für Vorerwerbe grundsätzlich ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten, Rule 9.5. 1139 Freilich nur für Pflichtangebote, RL Art. 5 IV. 1137

6. Teil

Ergebnisse Die Durchführung von Übernahmeangeboten ist für eine Volkswirtschaft sowohl mit Chancen als auch mit Risiken verbunden. Gefährdet wird die allokative und institutionelle Effizienz des Kapitalmarktes und des Unternehmenskontrollmarktes. Zugleich sind die Anleger erhöhten Risiken ausgesetzt. Schließlich können Übernahmeangebote die Existenz wirtschaftlich gesunder Zielgesellschaften bedrohen. Übernahmerechtliche Regelungen haben die Aufgabe, diese Gefährdungen so weit wie möglich zu beseitigen und gleichzeitig die von Übernahmeangeboten ausgehenden positiven Impulse für eine Volkswirtschaft zu erhalten. Diese Ziele können zu einem großen Teil erreicht werden, indem das Verhalten des Bieters in Übernahmeverfahren reglementiert wird. Es muss dabei ein fairer Ausgleich der betroffenen Interessen gefunden werden. Die Bieterpflichten des WpÜG wurden vorliegend einer Zweckmäßigkeitsanalyse unterzogen, ob sie geeignet sind, die bei Übernahmeverfahren auftretenden Gefahren zu beseitigen, ohne den Bieter über das erforderliche Maß hinaus in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit zu beschränken. Zahlreiche Unzulänglichkeiten der deutschen Rechtslage wurden aufgezeigt und entsprechende Anregungen für Änderungen unterbreitet. Im Folgenden werden die bedeutsamsten Verbesserungsvorschläge nochmals zusammengefasst: 1. Eine Berichtigungs- und Aktualisierungspflicht des Bieters für eine fehlerhafte oder fehlerhaft gewordene Angebotsunterlage soll ausdrücklich ins WpÜG aufgenommen werden. 2. Die laufenden Wasserstandsmeldungen des Bieters im Bezug auf die Veränderung seiner Beteiligung und die ihm zugegangenen Annahmeerklärungen während des Übernahmeverfahrens sind überflüssig. 3. Um eine Beseitigung des Gefangenendilemmas der Angebotsadressaten zu erreichen, muss der Bieter verpflichtet werden, die vollständige Durchführung seines Übernahmeangebots auf den Erwerb der effektiven Kontrolle im Zielunternehmen zu bedingen. In der Angebotsunterlage hat er die effektive Kontrollschwelle für den konkreten Fall zu benennen. Für die Berechnung derselben muss er bestimmte, gesetzlich vor-

6. Teil: Ergebnisse

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gegebene Faktoren zugrunde legen. Verfehlt er die effektive Kontrolle nach Ablauf der ersten Annahmefrist, ist das Übernahmeverfahren beendet. Der Bieter darf die bis dahin angebotenen Anteile erwerben, muss jedoch hinter der ein Pflichtangebot auslösenden Schwelle von 30% der Stimmrechte zurückbleiben. Eine weitere Annahmefrist wird nicht gewährt. Erreicht er die effektive Kontrolle, so hat er dieses Ergebnis zu veröffentlichen und den außenstehenden Aktionären wird Gelegenheit gegeben, das Angebot während der weiteren Annahmefrist anzunehmen. 4. In das WpÜG ist eine obligatorische Beratungspflicht des Bieters aufzunehmen. Die BAFin soll berechtigt sein, den Bieter von derselben zu befreien, falls er ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet des Übernahmerechts nachweist. 5. § 10 I WpÜG verfehlt seine Zielsetzung, eine möglichst frühe und umfassende Information des Marktes über mögliche Übernahmeabsichten des Bieters zu erreichen. Es genügt nicht, eine unverzügliche Veröffentlichungspflicht der Entscheidung zu normieren, weil es für einen Bieter zahlreiche Möglichkeiten gibt, sich dieser zu entziehen. Um die gewünschte Zielsetzung zu erreichen, ist folgendes Gesamtpaket von Normen ins deutsche Recht einzuführen: Zunächst sollen der Bieter und informierte Dritte zur strikten Geheimhaltung bezüglich bestehender Übernahmepläne verpflichtet werden. Die Weitergabe vertraulicher Informationen ist nur gestattet, wenn dies für die Durchführung des Übernahmeangebots unbedingt notwendig ist und wenn deren Empfänger auf seine Pflicht zur Geheimhaltung hingewiesen werden. Des Weiteren soll das Übernahmerecht den Bieter zur Absichtsveröffentlichung verpflichten, wenn er sich zur ordnungsgemäßen Durchführung des Übernahmeangebots sicher in der Lage sieht. Diese Veröffentlichung hat dann verfahrenseröffnende Funktion. Zusätzlich muss eine Vorveröffentlichungspflicht eingeführt werden, die einen Katalog objektiver Tatbestandsmerkmale bereithält, bei deren Vorliegen der Bieter zu einer Auskunft über seine Pläne gezwungen ist. Dieser Auskunft darf jedoch noch keine verfahrenseröffnende Funktion zukommen, weil der Bieter nicht gegen seinen Willen in ein Übernahmeverfahren gedrängt werden soll. Im Kern soll dieser Vorveröffentlichungspflicht § 15 I, III WpHG entsprechen, als übernahmerechtliche Spezialnorm diesen aber verdrängen. Zusätzlich ist die Meldepflicht des § 21 WpHG massiv zu verschärfen, wonach das Über- oder Unterschreiten einer bestimmten Beteiligungsschwelle unverzüglich veröffentlicht werden muss. Diese Meldeschwellen müssen bedeutend enger gesetzt werden. Außerdem muss eine Bestimmung in das WpHG aufgenommen werden, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur den Erwerb einer bestimmten Maximal-

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6. Teil: Ergebnisse

quote von Anteilen einer Gesellschaft gestattet. Die Möglichkeit eines massierten Beteiligungsaufbaus in kürzester Zeit ist zu unterbinden. 6. Das Verbot von Teilangeboten bei freiwilligen Übernahmeangeboten wird uneingeschränkt befürwortet. 7. Eine Mindestpreisregel ist auch im Rahmen freiwilliger Übernahmeangebote unverzichtbar. Insbesondere stellt die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung der außenstehenden Aktionäre über die Angemessenheit des Angebotspreises keine brauchbare Alternativlösung dar. 8. Im deutschen Recht ist für die Berechnung der Mindestschwelle des Angebotspreises die Zulassung eines Paketabschlags dringend erforderlich. Allerdings muss der Referenzzeitraum relevanter Vorerwerbe auf zwölf Monate erhöht werden.

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Sachverzeichnis Abwehrmaßnahmen 48, 87, 98, 103, 107, 142, 151, 161 f. acting in concert siehe gemeinsam handelnde Personen Ad-hoc-Publizität siehe WpHG § 15 AGBG 123 Aktie 77, 81, 88, 131, 226, 271 f. – Goldene 103, 108 – Namens 113 – Vorzugs- 770, 103 Aktualisierungspflicht siehe Pflicht Allgemeine Grundsätze 76 Allokation siehe Ressourcenallokation Angebots– -abgabe 52, 62, 69, 77, 91, 110 f., 152, 170, 180, 312 siehe auch Entscheidung zur Angebotsabgabe – -adressat 39 f., 51, 115, 120, 129, 143, 209 f., 258 f., 272 f., 284 f. – -änderung 143 f. – -frist 50, 58, 77, 89, 102, 108, 126, 141 f., 148., 173 f. – -kondition (Preis) 51, 146, 224, 272 ff. – -unterlage 72, 88, 111 ff., 139 f., 177, 194 Anlageentscheidung 39, 112, 120, 195, 266, 293, 299 Anlegerschutz 66, 112, 118, 212, 225, 279, 288 Anschleichen 209 ff., 232, 242 Anteilswert 42, 109, 263 Arbeitnehmer 47 ff., 54, 80, 87, 114, 174 Aufsichtsbehörde 72, 78 f., 85, 89, 101, 106, 111, 135, 158, 183, 200, 239

BAFin siehe Aufsichtsbehörde Barangebot 110, 119, 258, 275, 280 f., 296 Bedingung 51, 132 f.; 157 f., 160 f., 164 f., 168 Beratungspflicht siehe Pflicht Berichtigungspflicht siehe Pflicht BHEG 197 Börsenkurs 30, 69, 89, 153, 160, 194, 207 f., 221, 245, 257, 272 f. Cic 62 ff. City Code 83 ff., 94 ff., 133 f., 223 f. Companies Act 93 ff., 135, 218 Criminal Justice Act 92 f., 219 dawn raid 89, 187, 210 f. Deliktsrecht 67 f. Diskussionsentwurf des WpÜG (DiskE) 142, 162, 193, 197, 252 f. Durchbrechungsregel 104 f. Effizienz – allokativ 37 ff., 43, 53, 137 – Kapitalmarkt- 30, 34, 42 empire-building-Theorie 33 empirische Untersuchung 34 f. Enterprise Act 93 f. Entscheidung zur Angebotsabgabe 77, 81, 140 f., 199 f., 223 f., 235 f. siehe auch Angebotsabgabe Europarecht 100, 227, 252, 269 f., 311

336

Sachverzeichnis

Finanzierung 56, 96 f., 112, 120, 135, 141, 197, 233, 252, 269, 299 f., 313 – freiwilliges Angebot 27, 58, 105, 284 f, 300 – -vorbehalt 159 f. Fristverlängerung 143 f., 173 f. Front-end-loaded offer 258 FSA Financial Service Authority 90 f., 94 f. FSMA 90 f., 94 f. Fusionskontrolle 93 f., 169 Gefangenendilemma 38 f., 49 f., 129 f., 138 f., 171 f., 205 f., 258 f., 273, 284 Geheimhaltungspflicht siehe Pflicht gemeinsam handelnde Personen 74 f., 81, 107, 115, 126, 130, 170, 190, 201, 261, 275 General Principles 87 f. Gesellschafterversammlung 87, 147, 160 f. Gewinnerwartung 88, 119 f. Gleichbehandlung siehe Pflicht Großbritannien 20, 83 f., 96, 101, 134, 141, 166, 182, 231, 261, 309 Individualinteressen 46 Insider – -handel 46, 55, 91 – -handelsrichtlinie 55 – -Recht 70 f., 78, 161 f., 225, 243 Informations– -asymmetrie 41 f. – -gefälle 132, 211 f. – -pflicht siehe Pflicht Investement 45, 91, 266, 293 Invitatio ad offerendum 78, 154 f., 123 Kapitalerhöhung 102, 161 f., 296 Kapitalmarkt 231 f., 288 f. – -effizienz 30, 34

Kollisionsrecht 106 f. Konkurrenzangebot/konkurrierendes Angebot 148 f. Kontrolle – absolute 176, 185 – effektive 28, 72, 170 f., 183 f., 285 – Kontrollwechsel 137, 171, 174 f., 257 Konzern 39, 43 f., 264 f., 306 f., – -bestandsschutz 265 – -eingangsschutz 39, 54, 265 – -recht 54, 99, 102, 265, 298 Koordination (des Anlegerverhaltens) 139, 272 – problem (der Aktionäre) 49 f., 128, 171, 229, 289 Leitsätze 24, 54 f. Liquide Aktie 279, 295 f. Markt – -manipulation/-verzerrung 46, 57, 69, 78, 31, 100 – Unternehmenskontroll- 30, 37 f., 49, 76 Material Adverse Change Klausel 159, 166 f. Meldepflicht siehe Pflicht Minderheitenschutz 27, 54, 66, 98, 264 Mindestannahmefrist 141 Mindesterwerbsschwelle 143, 145 f., 152, 165 f., 202 f., 284, 308 Mindestpreis 100, 213, 275 f. – -regel 76, 97, 107, 110, 281 f. Mitgliedstaat 96 f., 135, 141, 252, 269, 277, 300, 311 Mitteilungspflicht siehe Pflicht Nacherwerbe 278 f. Namensaktie 113, 141 Neutralitätspflicht 107 f., 48, 87, 97, 100 f.

Sachverzeichnis Österreich 29 f., 184, 194, 197, 309, 313 ÖübG 28, 184, 197, 302, 309, 313 Optionsmodell 104 f. Ordnungswidrigkeit 80 f., 205, 214 Paket (Aktien-) 98, 180, 187 f., 206, 261, 274, 299 f. – -kauf/Verkauf 207, 240 – -preis 274 – -zuschlag 301, 303 Panel siehe Takeover Panel Pennington 96 f. Pflichtangebot 27 f., 39, 54, 71 f., 103, 180, 205 f., 269, 281 f. Pflicht – Aktualisierungs- 127 f – Beratungs- 193 f. – Berichtigungs- 126 f. – Geheimhaltungs- 221 f. – Gleichbehandlungs- 51 f., 207 f., 225 f., 267 f., 281 f. – Informations- 49 f., 76, 97, 105, 110 f., 130 f. – Melde- 93, 130 f., 216 f., 254 f. – Mitteilungs- 132, 134, 194, 199, 245, 254 – verfahrensrechtliche 50 f., 138 f. – Veröffentlichungs- 57, 74, 81, 127, 131, 168, 215 f., 245 f., 251 f. – Vorveröffentlichungs- 250 f. Preismechanismus 33, 37, 43 Privatautonomie 52, 99, 158, 284, 292 f. Purple Book 30, 112 Rahmenrichtlinie 100 f., 197 Rechtsverordnung 72, 114 Ressourcenallokation 26, 33, 37f., 43, 53 Richtlinie siehe Übernahmerichtlinie Rücktritt (Vorbehalt) 50, 78, 123, 143, 155 f.

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Rules Governing Substantial Acquisition of Shares 89 f., 219 Sanktion 46, 76, 78 f., 85 f., 94, 97, 123, 194, 200, 249 Schadensersatz 47, 125, 158, 194 Schweiz 196, 309, 317 Selbstregulierung 54 f., 83 f. Sell-Out 108 Spekulation 48, 154, 160, 211 f., 233 f., 288 f. Sperrfrist 199 f., 200 f., 204 f. Squeeze-Out 103, 108, 295 f. Staffelangebot 76 Stimmrecht 26 f., 73 f., 103 f., 127, 130 f., 169 f., 203, 217, 243, 257, 275 f. Strohmanngeschäfte 116 f. Synchronisierung 148 f. Takeover Panel 24, 85 f., 96, 140, 151 f., 199, 204, 260 f., 281 Tauschangebot 26, 102, 110, 117, f., 161, 236, 260, 274, 279 f., 295 f. Teilangebot 26, 45, 58, 65, 88, 97, 123, 186 Transparenz 42, 49, 98, 100, 112, 131 f., 166, 179, 244, 254 Treuepflicht – gesellschafterliche 63 f. – vormitgliedschaftliche 64 f. two-tiered offer 258 Übernahme – -kodex 24, 56 ff., 184 – -richtlinie 56, 112, 120, 135, 141, 197, 233, 252, 269, 299 f., 313 Unternehmensleitung (Management) 27, 30 f., 47, 54, 87, 92, 107 f., 153, 174, 303 Unternehmenswert 34, 42, 165, 237, 263, 272, 303

338

Sachverzeichnis

Verfahren – Eröffnung – Pflicht siehe verfahrensrechtliche Pflicht Verkaufsprospekt 111, 115 f., 121 Verlängerung des Angebots siehe Fristverlängerung Verlangsamung – des Beteiligungsaufbaus 217 f., 256 f. – des Übernahmeverfahrens 196 f. Veröffentlichungspflicht siehe Pflicht Volkswirtschaft 44 Voraberwerb 207 ff. Vorratsbeschluss 102, 107 f. Vorveröffentlichungspflicht siehe Pflicht Vorzugsaktie 77, 103

Wasserstandsmeldung 130 ff., 192 Widerrufs – -recht 88, 153 – -vorbehalt 50, 78, 155 f. WpHG – § 15 128, 227, 245 ff., 315 – § 21 131 f., 243 f., 254, 315 WpÜG-AVO 73, 113, 117, 129, 240, 275 f., 296 Yellow Book 90 Zaunkönigregel 138, 717 f., 290 Zielgesellschaft 26 f., 165 f., 192 f., 207 f. Zurechnungstatbestand 74 f., 116, 132, 270