Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands des AG-Konzerns [1 ed.] 9783428539970, 9783428139972

Nach § 76 Abs. 1 AktG ist der Vorstand der deutschen Aktiengesellschaft zur Leitung der Gesellschaft verpflichtet. Neben

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Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands des AG-Konzerns [1 ed.]
 9783428539970, 9783428139972

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 63

Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands des AG-Konzerns

Von

Nikolaus Huber

Duncker & Humblot · Berlin

NIKOLAUS HUBER

Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands des AG-Konzerns

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 63

Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands des AG-Konzerns

Von

Nikolaus Huber

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13997-2 (Print) ISBN 978-3-428-53997-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83997-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg im Sommersemester 2012 als Dissertation angenommen. ­Rechtsprechung und Literatur wurden bis Juli 2012 berücksichtigt. An erster Stelle will ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Michael Kort für die Förderung meiner Promotion von Herzen danken. Durch seine wertvollen Hinweise und Anregungen hat er mir die Erstellung der Arbeit in der vorliegenden Form erst ermöglicht. Gleichzeitig hat er mir im Rahmen meiner Tätigkeit als Lehrstuhl-Assistent stets den nötigen Freiraum für diese Arbeit gelassen. Außerdem will ich Frau Professor Dr. Martina Benecke für die zügige Zweitbegutachtung danken. Mein herzlicher Dank gilt weiter meinem Freund und Lehrstuhlkollegen Herrn Robert Lepiarczyk. Als kritischer Diskussionspartner hat er diese Arbeit maßgeblich gefördert und begleitet. Korrektur lasen diese Arbeit meine Mutter Frau Imelda Huber sowie meine Schwester Anna-Gwendolyn, wofür ich beiden herzlich danke. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern Imelda und Wolfgang Huber sowie meiner Frau Maresa Oppel-Huber in tiefer Dankbarkeit für die unendliche Unterstützung auf meinem bisherigen Lebensweg. Augsburg, im Oktober 2012

Nikolaus Huber

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Compliance – Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Compliance – Entstehungsgeschichte und Implementierung in Deutschland . . . 19 C. Compliance – Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 D. Compliance – Einbettung in die Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 E. Compliance – Abgrenzung zu anderen Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Compliance – umfassendes Risikomanagementsystem und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Gegenstand des betriebswirtschaftlichen Risikomanagementsystems . . . . 27 2. Mögliche Rechtsfolgen aus § 91 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Keine Pflicht zu umfassendem Risikomanagement aus § 91 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4. Einfluss des BilMoG auf den Pflichtenumfang von § 91 Abs. 2 AktG . . . 34 5. Konkurrenzverhältnis des Pflichteninhalts von § 91 Abs. 2 AktG zur Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Compliance – internes Kontrollsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Gegenstand des internen Kontrollsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Aktienrechtliche Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Compliance – interne Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Gegenstand der internen Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Aktienrechtliche Vorstandspflicht zur internen Revision . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Herleitung und Reichweite der Pflicht zur internen Revision . . . . . . . 47 b) Allgemeine Voraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Verrechtlichung der internen Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Konkurrenzverhältnis zwischen möglicher Compliance-Pflicht und Pflicht zur internen Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 IV. Compliance – Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Gegenstand des Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

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Inhaltsverzeichnis 2. Aktienrechtliche Vorstandspflicht zum Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Herleitung der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Verrechtlichung des Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Konkurrenzverhältnis zu etwaiger Compliance-Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . 62 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance im unverbundenen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 A. „Offenlassen“ der Frage nach einer Rechtspflicht zur Corporate Compliance . . 64 B. Herleitung von Compliance-Pflichten aus dem DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Charakter der genannten Passagen des DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Rechtsverbindlichkeit des DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften . . . . . . 67 I. Compliance-Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Compliance-Pflicht aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Rechtspflicht an sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Reichweite jener Rechtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Einzelfallunabhängige Mindeststandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Unternehmerisches Organisationsermessen: Auswahlermessen . . . . . . 73 c) Ermessensgrenzen im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) Keine Ermessensreduzierung durch sektorspezifische Spezialregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 e) Compliance-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 D. Umfassende Compliance-Pflichten aus Organisationspflichten im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Herleitung von Compliance-Pflichten aus §§ 130, 9, 30 OWiG . . . . . . . . . . . 81 1. Wirkung von § 130 OWiG im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Unmittelbarer Einfluss auf Pflichten im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Mittelbare Auswirkungen auf das Innenverhältnis durch Schadensabwendungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 II. Herleitung von umfassenden Compliance-Pflichten aus Rechtsanalogien . . 89 1. Mögliche Ansätze für die Herleitung umfassender Compliance-Pflichten aus Rechtsanalogien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Inhaltsverzeichnis

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung auf die Leitungspflichten des Mutter-Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 A. Ablehnung einer umfassenden Konzernleitungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Begriffliche Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Annahme einer umfassenden Konzernleitungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Kritik an der Annahme einer umfassenden Konzernleitungspflicht . . . . . . . . 96 1. Keine umfassende Konzernleitungspflicht bei faktischer Konzernierung . . 96 2. Keine umfassende Konzernleitungspflicht bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Pflicht zur Konzernleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Vorfrage jeder konzernbezogenen Leitungspflicht: Möglichkeiten des Mutter-Vorstands zur Information über die Tochter-Gesellschaft . . . . . . . . . 103 1. Informationsmöglichkeiten des Mutter-Vorstands zur Erfüllung der eigenen Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1, Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Informationsmöglichkeiten der Konzern-Mutter gegenüber der TochterGesellschaft nach § 294 Abs. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Informationsanspruch der Konzern-Mutter als Aktionärin der Tochter, § 131 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Informationsanspruch des Mutter-Vorstands gegenüber der TochterGesellschaft zur Erfüllung der eigenen Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5. Informationsmöglichkeiten durch konzernrechtliche Einflussnahme im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6. Informationsmöglichkeiten durch konzernrechtliche Einflussnahme im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 7. Umfassender Auskunftsanspruch der Konzern-Mutter im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Konzernrechtliche Erwägungen zum umfassenden Auskunftsanspruch im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Allgemeiner Rechtsgedanke aus §§ 294 Abs. 3 HGB, 320 Abs. 3 HGB, 145 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Auskunftsanspruch zur Erfüllung eigener Rechtspflichten, §§ 294 Abs. 3 HGB, 10a Abs. 13 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Konzerndimensionale Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 e) Informationsanspruch der Konzern-Mutter aufgrund Sonderrechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8. Informationserlangung durch personelle Verflechtung im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Doppelmandate Vorstand-Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Vorstands-Doppelmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

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Inhaltsverzeichnis II. Einschränkung der Pflicht zur Konzernleitung durch die Reichweite verfügbarer Informationen über die Tochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Einschränkung der Pflicht zur Konzernleitung im faktischen Konzern . . . 121 2. Einschränkung der Pflicht zur Konzernleitung im Vertragskonzern . . . . . 122 III. Reichweite der allgemeinen Pflicht zur Konzernleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

§ 5 Konkretisierung der konzernbezogenen Leitungspflichten des Mutter-Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 A. Grundlage: Konkretisierung der Leitungspflichten des Vorstands der unverbundenen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Bedeutung von Leitung in der unverbundenen Aktiengesellschaft . . . . . . . . 126 II. Typologische Abgrenzung der Führungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Unternehmenskoordinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4. Besetzung von Führungspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene – Konkretisierung der Pflicht zur Konzernleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Reichweite der Pflicht zur Konzernplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Reichweite der Pflicht zur Konzernplanung bei faktischer Konzernierung 134 2. Reichweite der Pflicht zur Konzernplanung im Vertragskonzern . . . . . . . 135 II. Konzernkoordinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Pflicht zur zentralistischen Konzernführung bei Beherrschungsvertrag . . 138 2. Umfang der Pflicht zur Konzernkoordinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Konzernkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Gegenstand der Konzernkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Rechtspflicht zur allgemeinen Konzernkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Begründung der Rechtspflicht zur allgemeinen Konzernkontrolle bei faktischer Konzernierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4. Begründung der Rechtspflicht zur allgemeinen Konzernkontrolle bei Konzernierung durch Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Unverbundene AG: Sicherung von Bestand und dauerhafter Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Modifikation des Unternehmensinteresses durch das Konzerninteresse 147 c) Modifikation des Unternehmensinteresses durch Gefahren für die Konzern-Mutter aus §§ 302 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Inhaltsverzeichnis

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5. Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle durch § 91 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6. Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle durch konzerndimensionale Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Zustimmungsvorbehalt in der Konzern-Mutter mit Konzernbezug nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Zustimmungsvorbehalt bei der Tochter im Fall faktischer Konzernierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 d) Konzerndimensionaler Zustimmungsvorbehalt des Mutter-Vorstands für Handlungen des Tochter-Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7. Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle durch Anleihen aus der Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Voraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Errungenschaften im Konzernkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Konzernrisikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Interne Konzernrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Gegenstand der internen Konzernrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Verrechtlichung der internen Konzernrevision . . . . . . . . . . . . . . . . 165 d) Konzerncontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Gegenstand des Konzerncontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Verrechtlichung des Konzerncontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 IV. Besetzung der Führungspositionen im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 V. Pflicht zur Implementierung eines konzernweiten Informations- und Kontrollsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 A. Pflicht zur Compliance-Organisation in der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . 178 B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance – allgemeine Mindeststandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Begrenzung konzernweiter Compliance-Pflichten durch die Beschränktheit konzernbezogener Informationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II. Rechtfertigung der allgemeinen Pflicht zur Konzern-Compliance . . . . . . . . 181 III. Konzernweite Compliance-Pflichten bzgl. Konzernkoordinierung und -kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Organisationsermessen hinsichtlich der Koordinierung der KonzernCompliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Klärung der Compliance-Zuständigkeiten und Compliance-Überwachung 185

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Inhaltsverzeichnis 3. Konzernweiter Compliance-Informationsfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4. Weitere Mindeststandards der konzernweiten Compliance-Koordinierung und -Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 5. Auswirkungen von § 91 Abs. 2 AktG und des BilMoG . . . . . . . . . . . . . . . 193 6. Verhältnis der Konzern-Compliance zur internen Konzernrevision, Konzerncontrolling und Konzernrisikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 IV. Konzernweite Compliance-Pflichten bzgl. Führungsposten-Besetzung . . . . 197 C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall . . . . . . . . . . . 198 I. Weitergehende Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands bei ComplianceVerstößen in der Tochter-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Pflicht zum Hinwirken auf die Implementierung einer ComplianceOrganisation durch die Tochter-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten je nach Ausmaß einheitlicher Leitung oder Bedeutung der Konzernierung . . . . . . . . . . . . . . 203 IV. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten durch Ausstrahlung von Konzernorganisationspflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. § 130 Abs. 1 OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Konzernübergreifende Bußgeldpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Rechtliche Bewertung der Bußgeldpraxis im Außenverhältnis . . . . . . 207 c) Folgen für das Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Einschränkende Auslegung der Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Ermessen hinsichtlich dezentraler Konzernleitung . . . . . . . . . . . . 211 cc) Ermessensreduzierung durch mittelbare Auswirkungen der Bußgeldpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Umfassende Compliance-Pflichten durch Gesamtanalogie zu Einzelvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

§ 7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Abkürzungsverzeichnis a. a. O. am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Abl. EU Abs. Absatz a. E. am Ende a. F. alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AG AG Amtsgericht AktG Aktiengesetz Alt. Alternative Anm. Anmerkung Aufl. Auflage BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLG BB Betriebsberater (Zeitschrift) BegrRegE Begründung des Regierungsentwurfs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) BFuP BGB Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I BGBl. I BGH Bundesgerichtshof BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BilReG Bilanzrechtsreformgesetz BT-Drucks. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht bzw. beziehungsweise CCZ Corporate Compliance Zeitschrift COSO Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission Der Betrieb (Zeitschrift) DB DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex ders. derselbe dies. dieselbe/dieselben DIRK Deutscher Investor Relations Kreis Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) DuD etc. et cetera, lateinisch für „und so weiter“ Gericht der Europäischen Union EuG EuGH Europäischer Gerichtshof EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Evtl. eventuell Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWiR folgende (Singular) f. ff. folgende (Plural)

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Abkürzungsverzeichnis

GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbHG GmbH-Gesetz GmbHR GmbH-Rundschau (Zeitschrift) HGB Handelsgesetzbuch Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz IDW Institut der Wirtschaftsprüfer IDW EPS Institut der Wirtschaftsprüfer – Prüfungsstandard-Entwurf IDW PS Institut der Wirtschaftsprüfer – Prüfungsstandard i. e. S. im engeren Sinn IIC International Review of Intellectual Property and Competition Law (Zeitschrift) IR Interne Revision (Zeitschrift) im Sinne von i. S. v. i. V. m. in Verbindung mit KG Kammergericht (Oberlandesgericht Berlin) KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich KWG Gesetz über das Kreditwesen LG Landgericht littera, lateinisch für „Buchstabe“ lit. MaIR Mindestanforderungen an die Interne Revision MaRisk Mindestanforderungen an das Risikomanagement m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht o.g. oben genannt OLG Oberlandesgericht OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz PharmR Pharma Recht (Zeitschrift) RegBegr. Regierungsbegründung Rn. Randnummer Seite bzw. Satz S. SOA Sarbanes-Oxley Act StGB Strafgesetzbuch TransPuG Transparenz- und Publizitätsgesetz TUG Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetz u. a. unter anderem, und andere UMAG Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts USSG United States Sentencing Guidelines VAG Versicherungsaufsichtsgesetz Var. Variante VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis vgl. vergleiche VorstAG Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung WM Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht) WpDVerOV Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisations­ anforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen WPg Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WpHG Wertpapierhandelsgesetz WuW Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) z. B. zum Beispiel ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft zfbf Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift Führung + Organisation zfo ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIS Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (abrufbar unter www.zis-online.de, letzter Abruf 31.07.2012) ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZweR

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§ 1 Einleitung In der deutschen Aktiengesellschaft ist der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG zur Leitung der Gesellschaft verpflichtet. In Wissenschaft und Praxis wird anhaltend darüber diskutiert, in welchem Ausmaß die Verwaltungsorgane von Kapitalgesellschaften bei deren Leitung organisatorische Vorkehrungen zur Haftungsvermeidung1 treffen müssen.2 Zutage getretene Unternehmensskandale3 wie auch die jüngsten internationalen Wirtschaftskrisen verstärken für den Vorstand das Bedürfnis, im eigenen Unternehmen die richtigen Compliance-Maßnahmen zu ergreifen.4 Hinzu tritt, dass das ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH vom 21.4.19975 die Verfolgung von Regressansprüchen nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG gegen den Vorstand durch die Gesellschaft forciert.6 Jenseits der Grenzen der eigenen Gesellschaft stellt sich im Fall einer Konzernverbindung aus der Sicht des Mutter-Vorstands die Frage, ob und inwieweit er auch in Tochter-Gesellschaften für Compliance sorgen muss. Ziel der Untersuchung ist es, vor dem Hintergrund möglicher Regressansprüche nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG Existenz und Reichweite einer konzernweiten Compliance-Pflicht des MutterVorstands gegenüber der eigenen Gesellschaft abzustecken. Ansprüche von Tochter-Gesellschaften oder deren Organen gegen den Mutter-Vorstand stehen hin 1 Die Gesamtheit jener Maßnahmen bezeichnet man als Compliance. Näheres zur Begriffsbestimmung von Compliance unter § 2 A. 2 Vgl. nur die Nachweise in Fn. 282. 3 Siehe z. B. zum ERGO-Sex-Skandal unter http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/x-ddamoffenbar-sex-skandal-bei-der-ergo-versicherung-laut-zeitungsbericht-rauschende-party-mitprostituierten-in-budapest-sprecherin-bestaetigt-incentive-1.1099260 (letzter Abruf 31.7.2012); zum Datenschutz-Skandal bei der Deutschen Bahn unter http://www.welt.de/wirtschaft/article 3455243/Deutsche-Bahn-liess-Journalisten-Mails-ueberpruefen.html (letzter Abruf 31.7.2012); zum Siemens-Skandal vgl. die Abschlusserklärung seitens der Siemens-AG vom 15.12.2008 zu den Erkenntnissen des gesamten Bestechungs-Skandals anlässlich des Abschlusses der Verfahren in München und den USA abrufbar unter http://www.siemens.com/press/pool/de/ events/2008–12-PK/summary-d.pdf (letzter Abruf 31.7.2012); zum Korruptions-Skandal bei der MAN siehe unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,623029,0.html (letzter Abruf 31.7.2012). 4 Inzwischen verfügen 44 % aller deutschen Großunternehmen über ein Compliance-Programm. Knapp die Hälfte der deutschen Großunternehmen ohne Compliance-Programm beabsichtigt, innerhalb der nächsten zwei Jahre ein solches einzuführen. Näher hierzu PricewaterhouseCoopers, Compliance und Unternehmenskultur, 2010, S. 17, Studie abrufbar unter http://www. pwc.de/de/risiko-management/studie-untersucht-den-zusammenhang-zwischen-complianceund-unternehmenskultur-in-grossunternehmen.jhtml (letzter Abruf 31.7.2012). 5 ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880 ff. 6 Kindler, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 367 f.

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§ 1 Einleitung

gegen nicht im Mittelpunkt der Untersuchung. Die Bearbeitung konzentriert sich auf Konzernverbindungen, an denen deutsche Aktiengesellschaften beteiligt sind. Fälle der Eingliederung nach §§ 18 Abs. 1 S. 2 Alt. 2, 319 ff. AktG werden nicht gesondert erörtert. Durch die Verweisung in § 323 Abs. 1 S. 2 AktG auf die §§ 308 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, 309 und 310 AktG sind die für Fälle der Konzernierung durch Beherrschungsvertrag gewonnenen Erkenntnisse auf Fälle der Eingliederung entsprechend übertragbar. Als Vorfrage der Existenz einer Vorstandspflicht zur Compliance wird im ersten Teil erörtert, in welchem Verhältnis Compliance zu anderen Instrumenten der Unternehmensleitung steht, soweit diese ihrerseits den Charakter einer Vorstandspflicht tragen. Im Fall ursprünglich betriebswirtschaftlich geprägter Instrumente der Unternehmensleitung ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen sie als Gegenstand aktienrechtlicher Vorstandspflichten angesehen werden können. Erst danach werden Existenz und Reichweite der aktienrechtlichen Vorstandspflicht zur Compliance in der unverbundenen Aktiengesellschaft erörtert. Eine Aussage zur Vorstandspflicht zur Compliance mit Konzernbezug setzt die Bestimmung der allgemeinen Auswirkungen einer Konzernierung auf die Leitungspflichten des Mutter-Vorstands voraus. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Wechselwirkungen zwischen den Informationsmöglichkeiten bei faktischer oder vertraglicher Konzernierung und konzernbezogenen Leitungspflichten bestehen. Zur Konkretisierung konzernbezogener Leitungspflichten des Mutter-Vorstands wird sodann auf die aus der Betriebswirtschaft bekannte typologische Abgrenzung der unternehmerischen Führungsfunktionen zurückgegriffen. Hierbei müssen wiederum die Voraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Errungenschaften beachtet werden. Schließlich werden die so gewonnenen Erkenntnisse zur Beantwortung der Frage nach konzernweiten Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands gegenüber der eigenen Gesellschaft herangezogen.

§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung Bevor auf die Reichweite möglicher Compliance-Pflichten einzugehen ist, sollen zunächst Bedeutung, Herkunft und Funktionen der Compliance definiert werden. Außerdem ist der Frage nachzugehen, ob eine etwaige Compliance-Pflicht neben den anderen Instrumenten der Unternehmensleitung überhaupt einen eigenen Anwendungsraum hat.

A. Compliance – Begriffsbestimmung Im deutschen Recht existiert keine einheitliche, branchenunabhängige und verbindliche Definition des Begriffs der Compliance.7 Zwar findet sich in Ziff. 4.1.3 DCGK 8 seit 20079 die Formulierung „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance)“. Diese Definition erfüllt auf den ersten Blick die Anforderungen an eine Legaldefinition10. Jedoch bleibt die verbindliche Legaldefinition von Rechtsbegriffen ausschließlich staatlichen Gesetzen vorbehalten.11 Der DCGK ist demgegenüber – trotz der nach § 161 AktG bestehenden Erklärungspflicht – unverbindliches „soft law“12 und kein Gesetz.13 Der Begriff der Compliance stammt ursprünglich aus der anglo-amerikanischen Bankenbranche und ist dort aus der Wendung „to comply with“ entstanden, welche wörtlich mit „einhalten“14 zu übersetzen ist. Sinngemäß übersetzt bedeutet Com 7

Kinman, in: Menzies (Hrsg.), SO und Corporate Compliance, 2006, S. 2. Der DCGK ist abrufbar unter www.corporate-governance-code.de (letzter Abruf 31.7. 2012). Er ist ausweislich der Absätze 1 und 13 Satz 2 seiner Präambel (Ziff. 1 DCGK) primär an deutsche börsennotierte Gesellschaften adressiert. 9 DCGK in der Fassung vom 14.7.2007. 10 Hierzu allgemein Möllers, Juristische Arbeitstechnik und wissenschaftliches Arbeiten, 6. Aufl. 2012, Rn. 398. 11 Musielak, Grundkurs BGB, 12. Aufl. 2011, Rn. 5 Fn. 4. 12 Fischer zu Cramburg, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, DCGK Rn. 3; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 161 Rn. 3; Semler, in: MünchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 161 Rn. 29; Schnabel/Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 6 Rn. 49; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 72; v. Werder, DB 2002, 801. 13 OLG München, Urteil vom 6.8.2008 – 7 U 5628/7 – BB 2009, 232, 233; Semler, in: ­MünchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 161 Rn. 29; Seibt, AG 2002, 249, 250. 14 Langenscheidt, Euro-Wörterbuch, 2011, S. 88. 8

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

pliance zunächst nur „Einhaltung, Befolgung, Übereinstimmung, Einhaltung bestimmter Gebote“.15 „Corporate“16-Compliance ergänzt den allgemeinen Compliance-Begriff um eine auf Unternehmen bezogene Ausrichtung.17 Verschiedene Definitionsansätze erachten die Compliance als auf einzelne Rechtsgebiete oder Branchen beschränkte Materie. Teilweise wird Compliance als Gesamtheit der Präventivmaßnahmen in Unternehmen verstanden, welche sicherstellen, dass die Gesetze, Regeln und Usancen im Wertpapiergeschäft eingehalten, insbesondere Interessenkonflikte vermieden und Insiderinformationen nicht unlauter verwendet werden.18 Mehrere in der juristischen Diskussion vorherrschende Definitionsansätze sehen die Compliance nicht als auf einzelne Rechtszweige beschränktes Phänomen an, sondern verstehen Compliance als auf alle Unternehmen und alle dort denkbaren Arten von Rechtsverstößen anwendbares Instrument.19 Uwe H. Schneider schildert Compliance als „die Gesamtheit aller Maßnahmen, um das rechtmäßige Verhalten aller Unternehmen, ihrer Organmitglieder, ihrer nahen Angehörigen und der Mitarbeiter im Blick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote zu gewährleisten“.20 Ein weiterer Ansatz definiert die „Gesamtheit aller Maßnahmen“ näher, in dem er postuliert, die Compliance verpflichte in zweifacher Hinsicht: Einerseits werde dem jeweiligen Adressaten mit der Legalitätspflicht21 abverlangt, sich selbst norm- wie auch regelgerecht zu verhalten. Andererseits fordere die Compliance – als Organisationspflicht22 – aber auch die Implementierung 15

Langenscheidt, Euro-Wörterbuch, 2011, S. 88. „Corporate“ als Adjektiv ist im hiesigen Kontext zu übersetzen als „Unternehmens …“ oder „unternehmensweit“, vgl. Langenscheidt, Euro-Wörterbuch, S. 97. 17 Kinman, in: Menzies (Hrsg.), SO und Corporate Compliance, 2006, S. 2. 18 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 1. 19 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47; Hölters, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, 2011, § 93 Rn. 91; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 65; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 35; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 168 f.; Hauschka, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 51, 54; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983 f.; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 721 ff.; Campos Nave/Zeller, BB 2012, 131; Forst, DuD 2010, 160 f.; Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963; Schaefer/Baumann, NJW 2011, 3601; Schweizer, ZUM 2012, 2 f. 20 Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645, 646. 21 Hierzu Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 4, 29; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47; Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 21; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 301 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983; Lutter, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1998, 1999, S. 87, 90; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 721; Hauschka, AG 2004, 461, 465 f. 22 Spindler beschreibt in Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 1 f. Organisationspflichten als Produkt aus öffentlich-rechtlichen, zivil- und strafrechtlichen Regulierungsansätzen mit dem Ziel einer Unternehmensstruktur, welche die jeweils auferlegten Pflichten angemessen umsetzt. 16

B. Entstehungsgeschichte und Implementierung in Deutschland

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von Verantwortlichkeitsstrukturen im Unternehmen mit dem Ziel norm- und regelgerechten Verhaltens des gesamten Unternehmens.23 Der Begriff der Compliance geht demnach in seiner Bedeutung über eine bloße Wiederholung der allgemeinen Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten24 hinaus und stellt weitergehende organisatorische Anforderungen an die Pflichtadressaten. Außerdem ist diesem Definitionsansatz zu entnehmen, dass über gesetzliche Normen hinaus auch andere Regeln Bezugspunkt der Compliance sein können, so zum Beispiel unternehmensinterne Verhaltenspflichten, regulatorische Standards oder Handelsbräuche.25 Im Folgenden wird Compliance als branchenunabhängige Befolgung aller jeweils einschlägigen Gesetze und Regeln durch alle Mitarbeiter eines Unternehmens verstanden. Das kann gerade in größeren Unternehmen als Corporate Compliance zusätzliche organisatorische Maßnahmen erfordern.26 Neu an dem Instrument der Compliance ist – über die altbekannte Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten hinaus – die Forschung nach der Reichweite einer weitergehenden Verantwortung von Unternehmen für eine Organisation der Gestalt, dass das Risiko von Rechts- oder Regelverstößen im eigenen Unternehmen weitestgehend minimiert wird.

B. Compliance – Entstehungsgeschichte und Implementierung in Deutschland In den USA wird die Compliance schon seit Zeiten des kalten Krieges praktiziert. Dort wurden Compliance-Programme eingesetzt, um der eigenen Industrie trotz der sich schnell verändernden und scharf sanktionierten US-Exportkontrollgesetzgebung den legalen Handel mit den damaligen Ostblockstaaten zu ermöglichen.27 Die Anwendung von Compliance-Programmen diente zunächst dazu, das auf das eigene Unternehmen anwendbare Exportkontrollrecht zu ermitteln und dann das Exportverhalten des eigenen Unternehmens am geltenden Recht zu orientieren. Letztendlich sollte das eigene Unternehmen so vor Verstößen gegen die US-Exportkontrollgesetze und daraus resultierenden finanziellen Sanktionen geschützt werden. 23 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9a; Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 110; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/ v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 628; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn.  35 ff.; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 301 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983 f.; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 721 f.; Campos Nave/Zeller, BB 2012, 131; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061. 24 Uwe H. Schneider bezeichnet dies in ZIP 2003, 645, 646 als „Binsenweisheit“. 25 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 1; Kinman, in: Menzies (Hrsg.), SO und Corporate Compliance, 2006, S. 2; Kort, NZG 2008, 81, 82. 26 Zur Diskussion um eine insoweit bestehende Vorstandspflicht siehe unter § 3. 27 Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 39.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Die weitere Entwicklung der Compliance in den USA wurde durch die Einführung des achten Kapitels der USSG28 im Jahr 1991 gefördert, das die Strafzumessung bei juristischen Personen regelt29. Unter C 2.5 findet sich im achten Kapitel der USSG eine Auflistung verschiedener Tatbestände, deren Verwirklichung die zuzumessende Strafe erhöhen oder mildern kann. In Kapitel 8 C 2.5 (f) USSG ist geregelt, dass sich ein bestehendes und funktionierendes Compliance-Programm30 strafmildernd auswirkt. Im Raum stehende Geldstrafen gegen juristische Personen können also seit 199131 im Geltungsbereich der USSG durch den Nachweis eines funktionierenden Compliance-Programms gemildert werden. Dies steigerte die Bedeutung der Compliance für von den USSG betroffene Unternehmen in juristischer wie auch wirtschaftlicher Hinsicht. Vergleichbar mit dem Zweck von Compliance-Programmen während des kalten Krieges in Hinblick auf die US-Exportkontrollgesetze verfolgen Unternehmen mit der Einhaltung von Kapitel 8 C 2.5 (f) USSG ebenfalls zumindest auch das Ziel, sich selbst vor finanziellen Einbußen als Rechtsfolge von Gesetzesverstößen zu schützen. Anfangs waren Compliance-bezogene Anstrengungen hauptsächlich in der USBankenbranche und dort in den klassischen Risikofeldern der Kreditinstitute zu beobachten.32 Die folgende Ausdehnung der Compliance-Diskussion auf das gesamte Aktienrecht erreichte in den USA einen Höhepunkt durch die Rechtssache Caremark International Inc.33, worin im Wege eines obiter dictum die Klarstellung erfolgte, dass die Implementierung eines Informations- und Überwachungssystems in Unternehmen auch über den Bankensektor hinaus in zivilrechtlich haftungsrelevanter Weise geboten sein könne.34 Neben den Compliance-Regeln in Kapitel 8 der USSG leistete auch die Einführung des SOA35 im Jahr 2002 einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung der Com 28 Mahnhold sieht in NZA 2008, 737, 741 in den USSG verbindliche Richtlinien, welche die Strafzumessung der Bundesgerichte festlegen; ähnlich Bürkle, BB 2005, 565. Die USSG sind abrufbar unter http://www.ussc.gov/Guidelines/index.cfm (letzter Abruf 31.7.2012). 29 Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 40. 30 Eine detaillierte Regelung der inhaltlichen Anforderungen an jenes Compliance-Programm findet sich in Kapitel 8 B 2.1 USSG. 31 Seit der Entscheidung United States v. Booker, 543 U. S. 220 vom 12.1.2005 geht der U. S. Supreme Court nicht mehr davon aus, die USSG müssen im Rahmen der Strafzumessung durch die Gerichte zwingend als Zumessungskriterium herangezogen werden. Gleichwohl steht es den Gerichten frei, die USSG im Rahmen der Strafzumessung weiterhin zu berücksichtigen, was in der Praxis nach wie vor viele Gerichte tun. Die Relevanz von Kapitel 8 C 2.5 (f) USSG für betroffene Unternehmen ist durch jene Entscheidung des U. S. Supreme Court folglich nicht beeinträchtigt. Hierzu näher Klümper/Vollebregt, PharmR 2009, 313, 316. 32 Buff, Compliance, 2000, S. 3, 10 f. 33 Entscheidung des Court of Chancery of Delaware, New Castle County vom 25.9.1996, Az.: 698 A. 2d 959 (Del. Ch. 1996). 34 Fleischer, AG 2003, 291, 297. 35 Abrufbar unter http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c107:H. R.3763.ENR: (letzter Abruf 31.7.2012).

B. Entstehungsgeschichte und Implementierung in Deutschland

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pliance innerhalb wie außerhalb der USA. Der SOA trat am 30.7.2002 in Kraft und bietet seither ergänzende Vorschriften zum Securities and Exchange Act von 1934 als Reaktion des US-Gesetzgebers auf exzessives unternehmerisches Verhalten in den späten neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.36 Bei den Regelungen des SOA handelt es sich um zwingendes Recht, Verstöße hiergegen können erhebliche strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.37 Im SOA finden sich in verschiedenen Passagen Compliance-Regelungen, so zum Beispiel die Sec. 30238 und 40439 SOA. Die Geltung des SOA erstreckt sich über US-amerikanische börsennotierte Unternehmen hinaus auf alle – auch ausländischen – Unternehmen mit US-Börsennotierung40, was die internationale Verbreitung der Thematik der Compliance über die US-Grenzen hinaus zusätzlich vorantrieb.41 Die Implementierung der Compliance in das deutsche Rechtssystem, beginnend Mitte der 1990er Jahre, vollzog sich – entsprechend der Compliance in den USA – zunächst im Banken- und Wertpapierdienstleistungssektor42 wie auch im Bereich des Kartellbußgeldrechts.43 So führte die Deutsche Bank AG als erstes deutsches Kreditinstitut im April 1992 auf freiwilliger Basis ein Compliance-System ein.44 Im Banken-, Wertpapierdienstleistungs- und Versicherungssektor finden sich inzwischen mehrere gesetzliche Regelungen mit inhaltlichem Bezug zum Thema Compliance, namentlich §§ 25a KWG, 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 5 WpHG i. V. m. §§ 12 Abs. 3 und 4 WpDVerOV oder 64a VAG. Die Ausweitung der deutschen Compliance-Diskussion auf das gesamte Wirtschaftsrecht ohne Fokussierung einzelner Unternehmensbranchen zeichnete sich zunächst in einer verstärkten wissenschaftlichen Diskussion der Materie ab. Vereinzelt finden sich inzwischen in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung Bezugnahmen auf die Thematik der Compliance.45 In Ziff. 4.1.3 36

Carl, in: Spahlinger/Wegen/Carl (Hrsg.), Internationales Gesellschaftsrecht, 2005, Rn. 1623 f. Carl, in: Spahlinger/Wegen/Carl (Hrsg.), Internationales Gesellschaftsrecht, 2005, Rn. 1624. 38 Sec. 302 SOA verpflichtet den Vorstand zur Einrichtung von Offenlegungskontrollen und -verfahren betreffend die Rechnungslegung. Der Vorstand muss hierüber eine rechtlich relevante Erklärung (Certification) abgeben, was im Falle vorsätzlich falscher Angaben zu hohen Geldbußen oder Freiheitsstrafen führen kann. Näher hierzu Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., BB 2004, 2399, 2340. 39 Sec. 404 SOA verpflichtet den Vorstand im Rahmen der jährlich einzureichenden Berichte zur Abgabe eines Berichts über die Funktionsfähigkeit des internen Finanzkontrollsystems (internal control report), was im Einzelnen Organisations-, Prüfungs-, Berichts- und Bestätigungspflichten beinhaltet. Näher hierzu Gruson/Kubicek, AG 2003, 393, 396 ff. 40 Hierzu Hütten/Stromann, BB 2003, 2223. 41 Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1, 2 f. 42 Fleischer, AG 2003, 291, 299; Pampel, BB 2007, 1636. 43 Fleischer, NZG 2004, 1129, 1131. 44 Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, 2003, S. 19. 45 Nach BGH, Urteil vom 15.10.1996 – VI ZR 319/95 – DStR 1996, 2029 ff. muss der Geschäftsführer bei (zulässiger) vertikaler Delegation eigener Aufgaben als Ausfluss seiner Organisationsgewalt sicherstellen, dass die übertragenen Aufgaben tatsächlich erfüllt werden, was 37

22

§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

DCGK spiegelt seit dem Jahr 2007 auch der Kodex-Geber eine branchenunabhängige Compliance-Pflicht als geltendes Recht wider.46 Aber auch in der deutschen Unternehmenspraxis hat die Anwendung von Compliance-Programmen zugenommen. Eine Ursache hierfür liegt in der stetig wachsenden Zahl von nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Ge- und Verboten. Insofern liegt für deutsche Unternehmen mittlerweile eine erste Herausforderung im Auffinden des jeweils anwendbaren Rechts.47 Ein weiterer Grund für die Einführung von Compliance-Programmen durch deutsche Unternehmen besteht darin, dass international tätige Unternehmen die Anwendung einheitlicher und für alle Handelspartner gültiger Standards als Grundlage ihrer Handelsbeziehungen bevorzugen. Manche ziehen es vor, die Anforderungen der strengsten Rechtsordnung – so zum Beispiel die der US-Rechtsordnung mit den dortigen Compliance-Regelungen – als gemeinsamen Maßstab heranzuziehen.48

C. Compliance – Funktionen Wie bereits unter § 2 B. angedeutet, verfolgen Unternehmen mit der Anwendung von Compliance-Programmen zumindest auch das Ziel der Schaffung einer vorbeugenden Unternehmensorganisation, die Schadens49- und Haftungsrisiken für das Unternehmen als solches, aber auch Risiken der persönlichen Haftung seiner Leitungsorgane verringert.50 Eine Ursache für dieses Bedürfnis liegt in der zunehmenden Kriminalisierung des deutschen Wirtschaftsrechts, die etwa anhand der erhöhten Zahl von Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Aufsichtspflicht-

auch ohne besondere Anhaltspunkte eine Pflicht zur Überwachung der zur Erledigung der Aufgaben berufenen Personen beinhaltet. Nach BGH, Urteil vom 17.7.2009 – V StR 394/8 – AG 2009, 740 f. besteht – jetzt unter Verwendung des Begriffs Compliance – eine strafrechtliche Garantenstellung des Compliance-Officers nach § 13 Abs. 1 StGB. Zur strafrechtlichen „Geschäftsherrenhaftung“ kürzlich konkretisierend und einschränkend (keine Garantenstellung für nur bei Gelegenheit der betrieblichen Tätigkeit begangene Straftaten von Mitarbeitern) BGH, Urteil vom 20.10.2011 – 4 StR 71/11 – NStZ 2012, 142 ff. Nach BayObLG, Beschluss vom 10.8.2001 – 3 ObOWi 51/2001 – NJW 2002, 766 f. muss ein Unternehmer, der seiner Überwachungspflicht nach § 130 Abs. 1 OWiG nicht selbst nachkommen kann, ein dementsprechendes innerbetriebliches Kontrollsystem errichten. Nach OLG Jena, vom 12.8.2009 – 7 U 244/7 – AG 2010, 376, 377, besteht eine Pflicht des GmbH-Geschäftsführers zur Errichtung eines Kontrollsystems zur Unterbindung von Scheinrechnungen. 46 Hierzu schon oben unter § 2 A. 47 Ähnlich Hauschka, ZRP 2006, 258, 259. 48 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 623. 49 Insoweit tut sich eine Schnittstelle zwischen Compliance und allgemeiner Risikovorsorge im Unternehmen auf; hierzu Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 2; Kort, in: Stelmach/Schmidt (Hrsg.), Krakauer-Augsburger Rechtsstudien 2011, S. 189, 200 f.; v. Hehn/Hartung, DB 2006, 1909, 1910; zur Abgrenzung von Compliance und Risikomanagement siehe unter § 2 E.I. 50 Hauschka, NJW 2004, 257, 261.

D. Einbettung in die Corporate Governance

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verletzungen zutage tritt.51 Aber auch der verstärkte Zwang der Durchsetzung zivilrechtlicher Regressansprüche gegen Organmitglieder seitens der Gesellschaft trägt hierzu bei.52 Das haftungsorientierte Interesse von Unternehmen an Corporate Compliance macht deutlich, dass die Corporate Compliance in erster Linie das Unternehmen selbst wie auch dessen Organmitglieder vor rechtlichen Sanktionen gleich welcher Art schützen soll. Gleichwohl kann und soll die Corporate Compliance aber auch einen Beitrag zur Verbesserung des Ansehens eines Unternehmens bei (potentiellen) Kunden, Wettbewerbern, Anteilseignern, Mitarbeitern etc.53 leisten. Ein wirksames Compliance-Programm erzielt positive Reputationen, sofern es nach außen propagiert wird, beispielsweise über den Internet-Auftritt eines Unternehmens. So wird das Vertrauen potentieller Stakeholder gewonnen, das Ansehen des Unternehmens steigt.54 Nach außen kommunizierte Corporate Compliance schafft neben dem Einspar-Potential durch die präventive Vermeidung finanzieller Sanktionen auch finanzielle Vorteile durch ihre positiven Auswirkungen auf das Image des Unternehmens. Diesen exemplarisch erläuterten Funktionen der Corporate Compliance ist gemein, dass sie keinen Allgemeinwohlbezug erkennen lassen. Vielmehr liegt die allgemeine gesellschaftsrechtliche Funktion der Corporate Compliance ohne Fokussierung auf einzelne Branchen ausschließlich im Interesse des jeweiligen Unternehmens und der Leitungsorgane dessen.55

D. Compliance – Einbettung in die Corporate Governance Der Begriff Corporate Governance stammt wie der Terminus Corporate Compliance aus der anglo-amerikanischen Rechts- und Wirtschaftssprache und lässt sich nur schwer wörtlich übersetzen.56 Corporate Governance verkörpert den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung 51 Hierzu für die unverbundene Aktiengesellschaft unter § 3 D. I. sowie im Konzernkontext unter § 6 C.IV.1. 52 Vgl. BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 882 f., wonach dem Aufsichtsrat bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder kein autonomer Ermessensspielraum zusteht; ähnlich Hauschka, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 51, 55. 53 Kinman fasst in Menzies (Hrsg.), SO und Corporate Compliance, 2006, S. 2 diese Personengruppe unter dem Begriff „Stakeholder“ zusammen, welche er dort als „Personen oder Gruppen aus dem gesamten sozioökonomischen Unternehmensumfeld, die (berechtigte) Ansprüche und Anforderungen an das Unternehmen richten“ definiert. 54 Buff, Compliance, 2000, S. 37. 55 Casper, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 199, 208; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 986 f. 56 Hauschka schlägt in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, Rn. 1 als Übersetzung den Begriff „Unternehmensverfassung“ vor.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

eines Unternehmens.57 Die Corporate Governance-Diskussion um effiziente und transparente Formen der Unternehmensführung gewinnt stetig an Bedeutung, was neben Aufsehen erregenden Fällen von Miss-Management auch an den jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrisen liegt.58 Unterschiede zwischen Corporate Compliance und Corporate Governance treten vor allem auf, wenn man die divergierenden Ansatzpunkte beider Gebiete betrachtet: Corporate Governance spiegelt die Sichtweise der Regulierer wider und sieht die zu nachlässige Regulierung als Wettbewerbsnachteil an. Dies versucht Corporate Governance durch allgemeine Regeln oder Verhaltensstandards zu egalisieren. Corporate Compliance hingegen setzt im Einzelnen Unternehmen an und soll dort Verhaltensmuster bereitstellen, die rechts- und regelkonformes Verhalten im Unternehmen fördern. 59 Das Bedürfnis nach Corporate Compliance ist zumindest auch auf die teilweise als überreguliert empfundene gesetzliche Situation für Unternehmen zurückzuführen, die eine erhöhte Gefahr von Regelverstößen durch Organe oder Mitarbeiter birgt. Neben der Binnenordnung von Unternehmen befasst sich Corporate Governance inzwischen auch mit Fragen der Einbindung des Unternehmens in sein äußeres Umfeld. Daher kann von einer internen und einer externen Governance-Perspektive gesprochen werden.60 Aber auch die Thematik der Corporate Compliance lässt sich aus einer externen wie auch einer internen Perspektive betrachten: So dient Corporate Compliance durch die Minimierung von finanziellen Haftungsrisiken dem Unternehmen intern; aber auch extern propagierte Corporate Compliance hat aufgrund positiver Reputationseffekte bei Stakeholdern fördernden Einfluss auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Wie Corporate Compliance verfolgt auch Corporate Governance Ziele, die im Interesse des Unternehmens liegen. Während Corporate Compliance hierbei auf die Einhaltung von Gesetzen und Regeln durch Unternehmen sowie auf die Implementierung von hierfür förderlichen Systemen gerichtet ist, bezweckt Corporate Governance ein ganzheitlicheres System, das die nachhaltige wirtschaftliche Prosperität von Unternehmen als Ziel hat61. Vergleicht man die oben vorgeschlagene Definition von Corporate Governance als rechtlicher und faktischer Ordnungsrah-

57 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 1; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 4. 58 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 5; Göppert, Business Judgment Rule und Aufsichtsrat, 2010, S. 19. 59 Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 2 ff.; a. A. Kort, NZG 2008, 81. 60 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 4. 61 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 15.

D. Einbettung in die Corporate Governance

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men für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens mit der von Corporate Compliance, so treten Überschneidungen beider Thematiken zutage: Die von der Corporate Compliance bezweckte Einhaltung von Gesetzen und Regeln durch ein Unternehmen ist der wesentliche Bestandteil des rechtlichen Ordnungsrahmens. Die hierfür geeigneten Compliance-Systeme als Teile des faktischen Ordnungsrahmens sind für die Leitung, vor allem aber für die Überwachung eines Unternehmens von Bedeutung.62 In dieselbe Richtung lassen sich auch die Ausführungen des DCGK seit der Fassung vom 14.7.2007 zum Thema Compliance deuten: Ausweislich Ziff. 1 (Prä­ ambel) Abs. 1 DCGK hat der DCGK gesetzliche Regelungen sowie unverbind­ liche Standards der Corporate Governance zum Gegenstand. Da der DCGK seit der Fassung vom 14.7.2007 an drei verschiedenen Stellen63 die Thematik der Compliance aufgreift, lässt sich auch hieraus ableiten, dass Compliance zumindest teilweise der Corporate Governance zuzuordnen ist. Auch der ehemalige Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Gerhard Cromme, bezeichnete in seinen Ausführungen anlässlich der 6. Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex am 6.7.2007 in Berlin „Compliance als Teil guter Corporate Governance“.64 Corporate Governance nutzt zur Einflussnahme auf das Verhalten von Führungskräften neben gesetzlichen Regelungen65 auch rechtlich unverbindliche Handlungsempfehlungen, wie sie im DCGK enthalten sind66. Corporate Governance ist nicht vollständig verrechtlicht, viele Regeln guter Corporate Governance sind auf die freiwillige Befolgung durch deren Adressaten gerichtet. Die Verwandtschaft zwischen Corporate Compliance und Corporate Governance sowie deren ähnliche Entstehungsgeschichte zeigen, dass Corporate Compliance – ähnlich wie Corporate Governance – nur teilweise verrechtlicht ist und im Übrigen Handlungsstandards für Führungskräfte bietet, deren Befolgung nicht zwingend ist.67

62

Näher zum Verhältnis von Compliance und Corporate Governance Kort, NZG 2008, 81 f. Vgl. Ziff. 3.4 Abs. 2, 4.1.3 sowie 5.3.2 S. 1 DCGK. 64 Cromme, 6. Konferenz DCGK, 2007, S. 6, abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/Rede_Cromme_deu_6.pdf (letzter Abruf 31.7.2012). 65 So z. B. die Änderungen der Regeln über die Vorstandsvergütung im Zuge des VorstAG (2009), BGBl. I 2009, 2509 ff. 66 Einzig durch die Verpflichtung zur Entsprechenserklärung nach § 161 AktG kommt der DCGK mit zwingendem Recht in Berührung. Näher zum DCGK unter § 3 B. 67 Kort, NZG 2008, 81, 82. 63

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

E. Compliance – Abgrenzung zu anderen Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen Die Compliance weist als Instrument der Unternehmensleitung an verschiedenen Stellen Berührungspunkte mit anderen, überwiegend von der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis entwickelten Instrumenten der Unternehmensleitung auf. In Theorie und Praxis werden hinsichtlich der einzelnen Instrumente teilweise divergierende Begriffe gebraucht.68 Nicht zuletzt aufgrund von Missverständnissen und Abgrenzungsproblemen sind die jeweiligen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Instrumenten nicht abschließend geklärt. Zusätzlich wird eine trennscharfe Abgrenzung im juristischen Sinn dadurch erschwert, dass diese Instrumente ursprünglich von der Betriebswirtschaft entwickelt worden sind und dort ein wirtschaftswissenschaftlicher Idealzustand angestrebt wird, der sich mit den Mitteln des Rechts oft nicht durchsetzen lässt. Daher ist zu klären, in welchem Verhältnis Corporate Compliance in juristischer Hinsicht zu den genannten, von der Betriebswirtschaft entwickelten Instrumenten steht. Hierbei ist auch zu analysieren, welche der Instrumente andere Ziele verfolgen, als dies bei Corporate Compliance der Fall ist. Wie bereits erwähnt, sind die zur Compliance abzugrenzenden Instrumente der Unternehmensleitung überwiegend der Betriebswirtschaft entliehen und können in den meisten Fällen mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen nicht ohne weiteres für die Bestimmung des Kreises aktienrechtlicher Vorstandspflichten übernommen werden. Gleichwohl wird einzelnen dieser betriebswirtschaftlichen Instrumente in der juristischen Diskussion zunehmend die Qualität von Vorstandspflichten beigemessen.69 Diese Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse bringt aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen von Betriebswirtschaftswissenschaft und Rechtswissenschaft70 jedoch Schwierigkeiten mit sich, die im Folgenden aufgezeigt werden sollen.

I. Compliance – umfassendes Risikomanagementsystem und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG An erster Stelle steht die Abgrenzung der Corporate Compliance von den Instrumenten „Risikomanagementsystem“ sowie „Früherkennungssystem“ im Sinne von § 91 Abs. 2 AktG. 68 Vgl. nur Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 168; Lück, DB 1998, 8, 9; Pollanz, DB 1999, 393, 394. 69 Vgl. hierzu im Einzelnen unter § 3 D. 70 Die Betriebswirtschaft fokussiert bei der Definition von Regeln zur Unternehmensführung in erster Linie die Effizienzsteigerung der Unternehmung. Aus juristischer Sicht steht hingegen die Erfüllung des haftungsrelevanten Sorgfaltsmaßstabes von § 93 Abs. 1 S. 1 AktG im Vordergrund, vgl. hierzu Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 192.

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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1. Gegenstand des betriebswirtschaftlichen Risikomanagementsystems Der Begriff des Risikomanagement stammt aus der Betriebswirtschaft. Dort wird hierunter die „Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur Risikoerkennung und zum Umgang mit den Risiken unternehmerischer Betätigung“ verstanden.71 Sinn und Zweck des Risikomanagement ist die Vermeidung unerwünschter Abweichungen von Zielerreichungen.72 Als Kehrseite sind hiermit aber auch Chancen der Wertsteigerung des Unternehmens verbunden.73 Unter Risiko versteht man aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Gefahr negativer Abweichungen der Unternehmensentwicklung von geplanten Größen.74 Nicht abschließend geklärt ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur, welche Elemente den Ablauf des Risikomanagementprozesses in zeitlicher Hinsicht ausmachen75 und, welches die inhaltlichen Bausteine eines Risikomanagementsystems76 sind. Eine differenzierende Ansicht in der betriebswirtschaftlichen Literatur sieht die Vorstandspflicht nach § 91 Abs. 2 AktG unter Berücksichtung von Wortlaut und Gesetzesbegründung der Norm77 als dahingehend eingeschränkt an, dass Maßnahmen der Risikobewältigung durch den Vorstand – im Gegensatz zu der soeben geschilderten weiten Auffassung – nicht dem Risikomanagement angehörten. Begrifflich differenzieren manche deswegen zwischen erstgenanntem Risiko­management im weiteren Sinn und dem Risikomanagement nach § 91 Abs. 2 AktG im engeren Sinn.78

71

IDW, PS 340 Ziff. 4, WPg 1999, 658. Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 449. 73 Pampel/Glage, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 5 Rn. 9. 74 Bitz, BFuP 2000, 231, 235; ähnlich IDW, PS 340 Ziff. 3, WPg 1999, 658. 75 Vgl. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 657 ff., wonach einem Risikomanagementsystem die Sequenzen Identifikation der Risiken, Risikoanalyse, Risikosteuerung, Risikoüberwachung sowie Risikokommunikation angehörten. Ballwieser hingegen fordert in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 449 für ein Risikomanagementsystem die Schritte Risikoidentifikation, Risikoanalyse und -messung, Risikobewertung, Risikobewältigung sowie Überprüfung der Risikobewältigung ex post. 76 Kajüter differenziert in Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 112 innerhalb des Risikomanagementsystems drei Subsysteme, nämlich Risikofrüherkennungs-, Risikobewältigungs- und Internes Überwachungssystem. Nach Theisen, BB 2003, 1426, 1427 ist das Risikomanagement Bestandteil der bereits bestehenden unternehmerischen Überwachungseinrichtungen, nämlich von interner Revision, Controlling sowie betrieblichem Rechnungswesen. Weiter ins Detail gegen die Anforderungen von Lück, DB 1998, 8, 14, der in Form einer Checkliste einen „Minimalkatalog als Grundlage für detaillierte Checklisten“ aufstellt. 77 § 91 Abs. 2 AktG wurde zum 1. Mai 1998 durch KonTraG (1998), BGBl. I 1998, 786 ff. eingefügt. 78 Emmerich, zfbf 1999, 1075, 1078 f.; IDW, PS 340 Ziff. 5, WPg 1999, 658. 72

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Im juristischen Sprachgebrauch hat sich der Begriff des Risikomanagement mittlerweile etabliert,79 wenngleich ausdrückliche gesetzliche Verwendungen jenes Terminus erst seit den Einfügungen mit Inkrafttreten des BilMoG80 außerhalb der Reglungen über aktienrechtliche Vorstandspflichten anzutreffen sind.81 In Ziff. 4.1.4 DCGK findet sich in Form der Widerspiegelung geltenden Rechts82 die Vorstandspflicht, „für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen“ zu sorgen. Trotz der missverständlichen Verwendung des Terminus Risikomanagement meint der DCGK an dieser Stelle jedoch nicht ein soeben beschriebenes umfassendes Risikomanagementsystem nach betriebswirtschaftlichem Vorbild. Vielmehr soll – so allgemein wie möglich gehalten – die Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG in dem ihr nach herrschender Meinung zukommenden Umfang83 verdeutlicht sein.84 2. Mögliche Rechtsfolgen aus § 91 Abs. 2 AktG Seit dem Jahr 199885 findet sich in § 91 Abs. 2 AktG die Formulierung, dass der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. In der Wirtschaftswissenschaft sowie in Kreisen der Prüfungspraxis wird hierunter vermehrt eine Vorstandspflicht zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems im Sinne eines bestimmten oben erwähnten86 betriebswirtschaftlichen Modells verstanden.87 Die Rechtspre-

79 Baums sieht in ZGR 2011, 218, 219 f. den Begriff Risiko inzwischen als Zentralbegriff u. a. des Aktienrechts an. 80 Einzige Ausnahme hierzu ist § 289 Abs. 2 Nr. 2a HGB, der schon seit seiner Einfügung im Rahmen des BilReG im Dezember 2004 existiert, vgl. BGBl. I 2004, 3166 ff. Ausweislich des letzten Halbsatzes der dortigen Nr. 2 bezieht sich die Verwendung der Begriffe „Risikomanagementziele und -methoden“ in Nr. 2a jedoch nur auf den Spezialfall der Verwendung von Finanzinstrumenten durch die Gesellschaft und ist daher im hiesigen Kontext für die Frage nach aktienrechtlichen Vorstandspflichten nicht fruchtbar zu machen, näher hierzu Kort, ZGR 2010, 440, 444. 81 Näheres hierzu unter § 2 E.I.4. 82 Zu rechtlicher Einordnung und Darstellungstechnik des DCGK vgl. unten § 3 B. 83 Vgl. hierzu unten § 2 E.I.3. 84 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 29; Kort, in: Großkomm AktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 75; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 638. 85 KonTraG (1998), BGBl. I 1998, 786 ff., vgl. Fn. 77. Einzelheiten zur Entstehung von § 91 Abs. 2 AktG schildert Seibert, in: Festschrift für Gerold Bezzenberger, S. 427 ff. 86 Vgl. hierzu Fn. 75. 87 Oltmanns, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 91 AktG Rn. 6, 8; Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 98 ff., 100; Brebeck/Herrmann, WPg 1997, 381, 381 ff.; Eggemann/Konradt, BB 2000, 503, 503 f.; Kromschröder/Lück, DB 1998, 1573, 1573 ff.; Lück, DB 1998, 8, 8 f.; ders., DB 1998, 1925, 1930; Pollanz, DB 1999, 393, 395;

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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chung88 und auch die in der rechtswissenschaftlichen Literatur weit überwiegende Ansicht versteht hierunter getreu dem Wortlaut von § 91 Abs. 2 AktG die Pflicht zur Implementierung eines Risikofrüherkennungs- und Überwachungssystems hinsichtlich bestandsgefährdender Entwicklungen.89 Bei § 91 Abs. 2 AktG handelt es sich um eine Konkretisierung der bereits vor der Einführung von § 91 Abs. 2 AktG vorhandenen allgemeinen Leitungsaufgabe des Vorstands, die keine neuen, weitergehenden Anforderungen an das Vorstandshandeln stellt.90 Demnach ist der Vorstand auf einer ersten Stufe verpflichtet, bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, was manche mit dem Begriff Früherkennungssystem bezeichnen. Auf der zweiten Stufe muss der Vorstand hierzu geeignete Maßnahmen ergreifen, insbesondere ein Überwachungssystem errichten und betreiben.91 Die herrschende Ansicht geht davon aus, dass dieses Überwachungssystem lediglich die zeitnahe Übermittlung der von interner Revision92 und Controlling93 gewonnenen Erkenntnisse an den Vorstand zum Gegenstand hat.94 Andere Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 848; ders./Zimmermann, AG 2002, 657, 659 ff.; ders., NZG 2004, 57, 59; a. A. hingegen ders., NZG 2008, 574, 575; Vogler/Gundert, DB 1998, 2377 ff. 88 Offenbar a. A. LG München I, Urteil vom 5.4.2007 – 5 HK O 25964/6 – AG 2007, 417 ff., Ziff. 53 ff. der Gründe, wonach § 91 Abs. 2 AktG auch die Organisationsanforderung der Einrichtung eines – offenbar nicht auf Maßnahmen der Früherkennung beschränkten – Risikomanagementsystems sowie die Pflicht der Dokumentation desselben aufstelle; vgl. die zu Recht kritische Anmerkung von Theusinger/Liese, NZG 2008, 289 ff. 89 OLG Celle, Urteil vom 28.5.2008 – 9 U 184/7 – WM 2008, 1745, 1746; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 16; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 9; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 799 f.; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 55; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 14; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 16, 27; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 57; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 73; Huth, Vorstandspflicht zur Risikoüberwachung, 2007, S.  83 ff.; Schaaf, Risikomanagement und Compliance in Versicherungsunternehmen, 2010, S. 41 ff.; Bunting, ZIP 2012, 357, 358; Bürkle, BB 5, 565, 567; Huth, BB 2007, 2167; Hommelhoff/Mattheus, BB 2007, 2787, 2787; Liese, BB 2008 Special 5 zu Heft 25, S. 17, 19; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1681 ff.; Weber-Rey, AG 2008, 345. 90 Begr.RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15; statt vieler Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2007, § 8 Rn. 43. 91 LG Berlin, Urteil vom 3.7.2002 – 2 O 358/1 – AG 2002, 682, 683; Arnold, in: MarschBarner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 16; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 30; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn.  6 ff.; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 55; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 6 ff., 13 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 13; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 15; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 6; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 162. 92 Hierzu näher unter § 2 E.III. 93 Hierzu näher unter § 2 E.IV. 94 So Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 36; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 8; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 799; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn.  50 f.; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 13.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

fordern, das Überwachungssystem müsse selbst die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen gewährleisten.95 3. Keine Pflicht zu umfassendem Risikomanagement aus § 91 Abs. 2 AktG Die Bedeutung dieser Diskussion für das Verhältnis von Risikomanagement und Compliance liegt darin, dass – je nachdem, welcher Ansicht man den Vorzug gewährt – eine mehr oder minder große Schnittmenge zwischen Risikomanagement und Compliance besteht. In einem von Vertretern der Wirtschaftswissenschaften geforderten umfassenden Risikomanagementsystem wären dogmatisch auch Compliance-Maßnahmen zu verorten, nämlich die Aufdeckung, Beseitigung und Vermeidung unternehmensinterner Verstöße gegen Gesetze oder interne Regeln.96 Die von Corporate Compliance erfassten Compliance-Risiken würden mithin bereits durch das nach § 91 Abs. 2 AktG verbindliche betriebswirtschaftliche Risikomanagement abgedeckt. Damit würde sich eine Diskussion über gesonderte Compliance-Pflichten außerhalb von § 91 Abs. 2 AktG als obsolet erweisen. Die Pflicht zur Corporate Compliance wäre dann als Ausschnitt der Pflicht zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems nach § 91 Abs. 2 AktG einzuordnen.97 Demgegenüber setzt das nach herrschender Meinung von § 91 Abs. 2 AktG geforderte Früherkennungs- und Überwachungssystem98 nur bei den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Entwicklungen an, was nicht mit den von Corporate Compliance verfolgten Zielen deckungsgleich ist.99 Folge man der herrschenden Ansicht, so verbliebe neben der Vorstandspflicht zur Risikovorsorge nach 95 So unter Hinweis auf das gesetzgeberische Ziel effektiver Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 25 f.; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 13 f. 96 So auch Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 800; Amling/Bischof, IR 1999, 44, 56 f.; Theisen, BB 2003, 1426, 1427. 97 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, wie Corporate Compliance und umfassendes Risikomanagement im Unternehmen organisatorisch am sinnvollsten umzusetzen sind. Vgl. hierzu Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 50 ff. sowie WeberRey, AG 2008, 345, 348, wonach Compliance kein Bestandteil der Organisationseinheit Risiko­ management sei, da die Überwachung des Risikomanagement durch Compliance deren Unabhängigkeit von erstgenanntem erfordere; im Ergebnis ebenso Kort, NZG 2008, 81 f.; ebenso unter Bezugnahme auf das im Risikomanagement verortete Risikocontrolling für den Finanzdienstleistungssektor Dreher, VersR 2008, 998, 1004; a. A. Eisele/Faust, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 95 ff.; Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 1 ff.; Spindler, WM 2008, 905, 907. 98 Vgl. Fn. 89. 99 Zum Konkurrenzverhältnis zwischen Compliance und dem Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG siehe unter § 2 E. I.5.

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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§ 91 Abs. 2 AktG noch ausreichend Raum für die Co-Existenz der Vorstandspflicht zur Corporate Compliance. Die vorwiegend in der Betriebswirtschaftlehre und Prüfungspraxis vorherrschende weite Ansicht geht wie bereits geschildert davon aus, dass § 91 Abs. 2 AktG zur Errichtung und Unterhaltung eines umfassenden Risikomanagementsystems verpflichte. Sie stützt sich in erster Linie auf den Wortlaut von § 91 Abs. 2 AktG und die einschlägige Begründung zum Gesetzesentwurf des KonTraG100. So könne mit „Überwachungssystem“ in § 91 Abs. 2 AktG nur ein umfassendes Risikomanagementsystem hinsichtlich aller risikoträchtigen Entwicklungen gemeint sein. Nur so könne man das mit § 91 Abs. 2 AktG ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgte Ziel, nämlich die Beseitigung von Gefahrlagen durch Früherkennung, erreichen.101 In Ermangelung konkreter aktienrechtlicher Vorgaben für die inhaltlichen Anforderungen an dieses Risikomanagementsystem müsse hierfür auf betriebswirtschaftliches Know-how zurückgegriffen werden.102 Aus Kreisen der Prüfungspraxis wird weiter angeführt, die im Fall amtlicher Börsennotierung bestehende Prüfungspflicht nach § 317 Abs. 4 HGB103 ließe einen Rückschluss auf die Reichweite der Pflicht nach § 91 Abs. 2 AktG zu. Zur inhaltlichen Konkretisierung jener Pflicht hin zu der umfassenden Pflicht der weiten Ansicht wird auf den IDW PS 340 des Instituts der Wirtschaftsprüfer104 zurückgegriffen.105 Die ganz herrschende Ansicht fasst die aus § 91 Abs. 2 AktG hervorgehende Pflicht zu Recht als in dem oben beschriebenen Maß begrenzt auf: Schon der Wortlaut von § 91 Abs. 2 AktG lässt darauf schließen, dass die Einrichtung eines Überwachungssystems eine von mehreren geeigneten Maßnahmen ist, um dem Ziel der Vorschrift – der Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen – gerecht zu werden. Von weitergehenden Pflichten, die über die Früherkennung solcher Entwicklungen hinaus Schritte zur Risikobewältigung beinhalten, ist in § 91 Abs. 2 AktG nicht die Rede.106 Zudem handelt es sich bei dem 100 Begr.RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 11 f. (allgemeine Begründung), S. 15 (Begründung zu § 91 Abs. 2 AktG). 101 Oltmanns, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 91 AktG Rn. 6, 8; Lück, DB 1998, 8 f. 102 Sinngemäß Brebeck/Herrmann, WPg 1997, 381, 383; Lück, DB 1998, 8, 9. 103 Die Neufassung von § 317 HGB war ebenfalls Bestandteil des KonTraG, vgl. RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 7, 26 f. 104 IDW, PS 340, WPg 1999, 658 ff. 105 Brebeck/Hermann, WPg 1997, 381, 387 ff.; Eggemann/Konradt, BB 2000, 503, 506; Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 848. 106 Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 799; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 162; Baums, ZGR 2011, 218, 274; allerdings ist auch in der juristischen Literatur nicht abschließend geklärt, ob die inhaltliche Einschränkung von § 91 Abs. 2 AktG auf die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zielführend ist. Dies zweifelt Huth, Risikoüberwachung, 2007, S. 77 ff. an und fordert einen risikoorientierten Ansatz, wonach auf der Ebene der Früherkennung sämt­ liche Risiken unabhängig von deren Risikoklasse zu erfassen seien, da sich Bestandsgefährdun-

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Wortlaut von § 91 Abs. 2 AktG um die gekürzte Fassung einer ursprünglich für eine Verortung in § 93 Abs. 1 AktG geplanten Regelung. In der ursprünglichen Fassung – genauer im damals geplanten § 93 Abs. 1 S. 3 AktG107 – waren als Bezugspunkte des Überwachungssystems ausdrücklich nur die Maßnahmen der Früherkennung vorgesehen.108 Dass sich allein durch die sprachlich verkürzte Fassung von § 91 Abs. 2 AktG etwas am zugrundeliegenden gesetzgeberischen Willen geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich. Außerdem ist das von § 91 Abs. 2 AktG geforderte Überwachungssystem nach dessen Wortlaut auch für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften Gegenstand einer Rechtspflicht. Verstünde man hierunter die Pflicht zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems im betriebswirtschaftlichen Sinne, so würde dies für kleinere nicht börsennotierte Aktiengesellschaften einen überdimensionierten und nicht gebotenen Aufwand bedeuten.109 Überdies beinhaltet die Oktroyierung eines bestimmten betriebswirtschaftlichen Systems einen Eingriff in die nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete unternehmerische Organisationsfreiheit, der ohne gesonderte Rechtfertigung nicht hinzunehmen ist.110 Gegen die Herleitung der Pflicht zur Errichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems aus der im Fall börsennotierter Aktiengesellschaften nach § 317 Abs. 4 HGB bestehenden Prüfungspflicht sprechen an erster Stelle die insoweit relevanten Aussagen der jeweiligen Gesetzesbegründungen zu § 91 Abs. 2 AktG sowie 317 Abs. 4 HGB. Die Gesetzesbegründung zu § 317 Abs. 4 HGB nimmt auf die in § 91 Abs. 2 AktG aufgestellten Anforderungen Bezug. Eine willentliche Ausdehnung des Pflichtenkreises von § 91 Abs. 2 AktG ist dort nicht ersichtlich. Einzig die Formulierung „Die Regelungen des § 91 Abs. 2 Aktiengesetz und des Absatzes 4 dienen dazu, möglichst frühzeitig Risiken und Fehlentwicklungen zu erkennen…“ könnte aufgrund des verwendeten Begriffs „Risiken“ darauf schließen lassen, dass unabhängig von einer Bestandsgefährdung alle Risiken gemeint seien. Allerdings folgt im nächsten und letzten Absatz der Begründung zu § 317 Abs. 4 HGB die klarstellende Aussage, Prüfungsgegenstand sei lediglich, ob die erforderlichen Maßnahmen zweckmäßig ausgeführt würden und das Überwachungssystem bestehe.111 Korrespondierend führt die Begründung zu § 91 Abs. 2 AktG an, Prüfungsgegenstand bei § 317 Abs. 4 HGB sei, ob

gen nicht vorab bestimmten Risikoklassen zuordnen ließen. Ähnlich wird auch von betriebswirtschaftlicher Seite argumentiert, vgl. nur Brebeck/Herrmann, WPg 1997, 381, 384 ff.; Lück, DB 1998, 1925, 1925. 107 So der ursprüngliche RefE KonTraG, abgedruckt in ZIP 1996, 2129. 108 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 34; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 8; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 50 f; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 13. 109 Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 50. 110 Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 62; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 23. 111 Vgl. RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 27.

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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das Überwachungssystem seine Aufgabe erfüllen könne.112 Demnach geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich der Prüfungsauftrag des § 317 Abs. 4 HGB nach der Reichweite der Vorstandspflicht von § 91 Abs. 2 AktG richtet und nicht umgekehrt. Wollte er an dieser Stelle eine andere Regelung treffen, so hätte er dies im Zuge der umfangreichen Änderungen im Aktien- und Handelsrecht durch das BilMoG113 klarstellen können.114 Insgesamt bieten die einschlägigen Gesetzgebungsunterlagen keinen Anlass, von der Prüfungspflicht nach § 317 Abs. 4 HGB auf eine Pflicht zum umfassenden Risikomanagement nach § 91 Abs. 2 AktG rückzuschließen.115 Außerdem wäre ein solcher Rückschluss – wenn überhaupt – nur für börsennotierte Aktiengesellschaften denkbar. Die mit § 91 Abs. 2 AktG konkretisierte Vorstandspflicht gilt indes für alle Aktiengesellschaften, unabhängig von deren Börsennotierung. Folglich ist § 317 Abs. 4 HGB schon von seinem gegenüber § 91 Abs. 2 AktG eingeschränkten Anwendungsbereich her nicht geeignet, den Inhalt von § 91 Abs. 2 AktG zu definieren. Die pauschale Forderung nach einem umfassenden Risikomanagementsystem mit der Begründung über § 91 Abs. 2 AktG ist nicht haltbar. Wie oben gezeigt, will § 91 Abs. 2 AktG keine neuen Vorstandspflichten aufstellen, sondern lediglich bereits vorhandene Leitungs- und Sorgfaltspflichten konkretisieren. Folglich steht dem Vorstand – wie generell bei der Ausübung der Leitung – auch bei Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung der von § 91 Abs. 2 AktG geforderten Maßnahmen ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu, vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.116 Die Konkretisierung durch § 91 Abs. 2 AktG modifiziert die sonstigen an den Vorstand adressierten Organisations- und Sorgfaltspflichten nach allgemeiner Meinung nicht. Die allgemeinen Vorstandspflichten bestehen also unabhängig von einem funktionierenden System nach § 91 Abs. 2 AktG fort.117 So beinhaltet dieser allgemeine Pflichtenkanon nach einhelliger Ansicht auch die Pflicht, das eigene Unternehmen so zu organisieren, dass dem Geschäftsleiter jederzeit die Übersicht über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Gesellschaft möglich ist.118 Schon an diesem Beispiel wird deutlich, dass sich die Vorstandspflichten in Sachen Risikovorsorge keineswegs in der Erfüllung der Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG erschöpfen. Wie der 112

RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15. Dazu sogleich unter § 2 E. I.4. 114 Kort, ZGR 2010, 440, 451 f. 115 Im Ergebnis ebenso Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 18; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 29; IDW, PS 340 Ziff. 6, WPg 1999, 658, 658. 116 RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 11 und insbes. S. 15, wonach die konkrete inhaltliche Ausgestaltung des Systems von Einzelfallfaktoren wie z. B. Größe, Branche, Struktur usw. abhinge; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 36; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2007, § 19 Rn. 7; ders., in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 17. 117 RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15; statt aller Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2007, § 19 Rn. 6. 118 So für die GmbH bereits BGH, Urteil vom 20.2.1995 – II ZR 9/94 – GmbHR 1995, 299, 300. 113

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Vorstand indes die ihm – jenseits von § 91 Abs. 2 AktG – zukommende Pflicht zur allgemeinen Risikovorsorge im Unternehmen ausgestaltet, liegt nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG in seinem unternehmerischen Ermessen.119 Dennoch kann es in Hinblick auf die Enthaftung des Vorstands nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG je nach den Umständen des Einzelfalls sinnvoll sein, ein umfassendes Risikomanagementsystem nach betriebswirtschaftlichem Vorbild zu betreiben. 4. Einfluss des BilMoG auf den Pflichtenumfang von § 91 Abs. 2 AktG Klärungsbedürftig ist, ob die soeben definierte Reichweite der Pflicht nach § 91 Abs. 2 AktG durch das Inkrafttreten der aktien- und handelsrechtlichen Neuerungen im Zuge des BilMoG120 beeinflusst wurde. Schon in sprachlicher Hinsicht muss dem nachgegangen werden, da im Zuge des BilMoG in den §§ 107 Abs. 3 S. 2, 171 Abs. 1 S. 2 AktG sowie in § 289 Abs. 5 HGB der Begriff des Risikomanagementsystems eingeführt wurde. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber hiermit ein umfassendes Risikomanagementsystem nach betriebswirtschaftlichem Vorbild121 meint. So wird vertreten, dass zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der zugrundeliegenden Richtlinien122 eine Änderung der Lesart von § 91 Abs. 2 AktG vonnöten sei. An der oben beschriebenen Pflicht zur Implementierung eines umfassenden internen Kontrollsystems und eines Risikomanagementsystems führe angesichts jener gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben kein Weg vorbei.123 119

Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 9. BilMoG (2009), BGBl. I 2009, 1102 ff. Ausweislich der Gesetzesbegründung RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 1 sollen im Zuge des BilMoG auch die sog. Abschlussprüferrichtlinie (Rl. 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richt­ linie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157 S. 87 ff.) sowie die sog. Abänderungsrichtlinie (Rl. 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG, ABl. EU Nr. L 224 S. 1 ff.) in nationales Recht umgesetzt werden. 121 Vgl. hierzu oben unter § 2 E. I.1. 122 Vgl. Fn. 120. 123 Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 45 f., Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 296 f.; Spindler, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 985, 992, ders. WM 2008, 905, 906 f.; unentschieden hingegen Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 75; ebenso Hemeling, ZHR 175 (2011), 268, 371 f.; ebenso Theusinger/ Liese, NZG 2008, 289 ff.; a. A. Pampel/Glage, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 5 Rn. 14; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 164 ff.; Geiser, Leitungspflichten des Vorstands, 2010, S. 136; Bunting, ZIP 2012, 357, 358; ebenso Niemeier, WPg 2006, 173, 183, der in der Einfügung von § 91 Abs. 2 AktG im Rahmen des KonTraG eine „vorwegnehmende Übererfüllung unverändert liberaleren EU-Rechts“ sieht; ähnlich Lanfermann/Röhricht, BB 2009, 887, 889. 120

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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Richtig ist, dass beide Richtlinien den Begriff Risikomanagementsystem verwenden, wie er jetzt auch in den angesprochenen nationalen Normen zu finden ist. Jedoch stellt keine der Richtlinien die Reichweite jenes Risikomanagementsystems verbindlich fest. Auch eine Definition des Begriffs Risikomanagementsystem sucht man vergeblich. Weiter wird dieser Begriff nirgends in Zusammenhang mit Leitungspflichten des Vorstands als Geschäftsführungsorgan erwähnt: Der § 107 Abs. 3 S. 2 AktG zugrundeliegende Art. 41 Abs. 2 b) der Abschlussprüferrichtlinie sagt aus, dass die Überwachungspflicht des Prüfungsausschusses hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Risikomanagementsystems ausdrücklich unabhängig von der Verantwortung der Mitglieder u. a. des Leitungsorgans besteht.124 Schon die Richtlinie unterscheidet also in Bezug auf das Risikomanagement Pflichten des Leitungsorgans von solchen des Kontrollorgans und fokussiert diejenigen des Kontrollorgans, was gegen die Annahme einer Vorstandspflicht zur Implementierung eines Risikomanagementsystems in Umsetzung der Richtlinie spricht.125 Zudem besteht die in Art. 41 Abs. 2 b) der Richtlinie angesprochene Aufgabe des Prüfungsausschusses nur darin, die Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit der dort genannten Instrumente zu überwachen. Mit anderen Worten soll der Prüfungsausschuss überwachen, ob die vom Geschäftsführungsorgan eingesetzten Instrumente einwandfrei funktionieren oder verbesserungswürdig sind. Diese Überwachungspflichten folgen gerade aus dem Umstand, dass das Geschäftsführungsorgan nicht dazu verpflichtet ist, unter anderem ein umfassendes Risikomanagementsystem zu betreiben. Vielmehr muss er die genannten Systeme nach den Umständen des Einzelfalls im eigenen Ermessen effizient und angemessen ausgestalten. Sich ständig ändernde innere und äußere Rahmenbedingungen erfordern die Überwachung jener Systeme durch den Prüfungsausschuss auf Verbesserungsmöglichkeiten hin. Diese Überwachungspflicht hängt nicht von dem Umstand ab, ob das vom Geschäftsführungsorgan betriebene Risikomanagementsystem umfassend ist oder nicht. Demnach kann nicht die Rede davon sein, die von Art. 41 Abs. 2 b) der Abschlussprüferrichtlinie126 vorgesehenen Überwachungspflichten des Prüfungsausschusses seien sinnlos, wenn nicht eine Vorstandspflicht zur Errichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems existiere.127 Der § 171 Abs. 1 S. 2 AktG zugrundeliegende Art. 41 Abs. 4 der Abschlussprüferrichtlinie erwähnt den Begriff des Risikomanagementsystems nicht. Vielmehr geht es dort um eine Berichtspflicht gegenüber dem Prüfungsausschuss, insbesondere in Bezug auf Schwächen bei der internen Kontrolle des Rechnungslegungs-

124

Rl. 2006/43/EG (Fn. 120), ABl. EU Nr. L 157 S. 103. Kort, ZGR 2010, 440, 465; wohl auch Lanfermann/Maul, DB 2006, 1505, 1508; WeberRey, AG 2008, 345, 350. 126 Rl. 2006/43/EG (Fn. 120). 127 So aber Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 46; wohl ebenso Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 296 f.; im Sinne der hier vertretenen Auffassung hingegen Preußner, NZG 2008, 574, 575. 125

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

prozesses.128 Der gesamte Art. 41 der Abschlussprüferrichtlinie ist ausweislich dessen Abs. 1 auf Unternehmen von öffentlichem Interesse zugeschnitten. Nach der mit einer Öffnungsklausel zugunsten des nationalen Gesetzgebers versehenen Definition dieses Terminus in Art. 2 Nr. 13 der Abschlussprüferrichtlinie fallen hierunter bestimmte börsennotierte Unternehmen, Kreditinstitute sowie Versicherer.129 Das legt nahe, dass die Richtlinie sich vornehmlich an solche Aktiengesellschaften richtet, die auf einem systemrelevanten Sektor tätig sind. Der Anwendungsbereich von § 91 Abs. 2 AktG – der für alle Aktiengesellschaften ungeachtet deren Größe und Tätigkeitsfeld Geltung beansprucht – unterscheidet sich indes von demjenigen des Art. 41 der Abschlussprüferrichtlinie. Deswegen sind die Regelungen in Art. 41 der Abschlussprüferrichtlinie aufgrund deren spezielleren Anwendungsbereichs von vorn herein ungeeignet, den Inhalt der Vorstandspflicht nach § 91 Abs. 2 AktG zu ändern. Außerdem ist zu beachten, dass die gesamte Abschlussprüferrichtlinie ausweislich ihres nicht bindenden Erwägungsgrunds 5 unter anderem „eine Harmonisierung der Anforderungen an die Abschlussprüfung“ als Ziel verfolgt.130 Da die Richtlinie sich auch im Übrigen weder in den weiteren Erwägungsgründen, noch im Text der Richtlinie selbst mit Leitungspflichten befasst, ginge es an ihrem vorgenannten Ziel vorbei, hieraus Verschärfungen von aktienrechtlichen Vorstandspflichten herzuleiten. Der § 289 Abs. 5 HGB zugrundeliegende Art. 46 Abs. 1 c) der Jahresabschlussrichtlinie 78/660/EWG131 in der Fassung der Abänderungsrichtlinie 2006/46/EG sieht vor, dass kapitalmarktorientierte Gesellschaften im Rahmen der im Lagebericht enthaltenen Erklärung zur Unternehmensführung auch „eine Beschreibung der wichtigsten Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems der Gesellschaft in Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess“ veranlassen müssen.132 Auch der Anwendungsbereich von Art. 46 Abs. 1 c) der Jahresabschlussrichtlinie 78/660/EWG in der Fassung der Abänderungsrichtlinie 2006/46/ EG ist – ähnlich wie der soeben vorgestellte Anwendungsbereich von Art. 41 der Abschlussprüferrichtlinie – verglichen mit demjenigen von § 91 Abs. 2 AktG beschränkt.133 Entsprechend den oben angestellten Überlegungen eignet sich auch Art. 46 Abs. 1 c) der Jahresabschlussrichtlinie 78/660/EWG in der Fassung der Abänderungsrichtlinie 2006/46/EG nicht dazu, den Inhalt der Vorstandspflicht nach § 91 Abs. 2 AktG zu ändern. Auch wird hier nicht kommuniziert, was sich inhaltlich hinter dem Begriff Risikomanagementsystem verbirgt, zumal die Be 128

Siehe Fn. 126. Rl. 2006/43/EG (Fn. 120), ABl. EU Nr. L 157 S. 92. 130 Rl. 2006/43/EG (Fn. 120), ABl. EU Nr. L 157 S. 87. 131 Vierte Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EU Nr. L 222, S. 11 ff. 132 Rl. 2006/46/EG (vgl. Fn. 120), ABl. EU Nr. L 224 S. 4. 133 Wie erwähnt, ist Art. 46 Abs. 1 c) der Jahresabschlussrichtlinie 78/660/EWG in der Fassung der Abänderungsrichtlinie 2006/46/EG nur auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften anwendbar; so auch Bischof/Selch, WPg 2008, 1021, 1023 f. 129

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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schreibungspflicht das Risikomanagementsystem nur in Hinblick auf den Bereich des Rechnungslegungsprozesses erfasst. Neben den europarechtlichen Vorgaben spricht aber auch deren nationale Umsetzung unter Berücksichtigung der relevanten Gesetzgebungsmaterialien gegen die oben dargestellte Auffassung der Erweiterung des Pflichteninhalts von § 91 Abs. 2 AktG durch das BilMoG: Der im Zuge des BilMoG neu eingeführte § 107 Abs. 3 S. 2 AktG gibt dem Aufsichtsrat das Recht, erlegt ihm aber nicht die Pflicht134 auf, „einen Prüfungsausschuss“ zu „bestellen, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagement­ systems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung, hier insbesondere der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen, befasst“. Die entsprechende Gesetzesbegründung zeigt ausdrücklich, dass sich der Gesetzgeber zum einen der Aus­ legungsproblematik um die Reichweite der Pflicht nach § 91 Abs. 2 AktG bewusst ist. Auch hat er durchaus die möglichen Auswirkungen der Einführung von § 107 Abs. 3 S. 2 AktG auf die Reichweite der Pflicht nach § 91 Abs. 2 AktG erkannt. So wird im Regierungsentwurf ausgeführt, dass § 107 Abs. 3 S. 2 AktG keine Verpflichtung zur Einrichtung eines umfassenden internen Risikomanagementsystems enthält und es dem Vorstand vorbehalten bleibt, über das „Ob“ und „Wie“ eines umfassenden internen Risikomanagementsystems zu entscheiden.135 § 171 Abs. 1 S. 2 AktG sieht in der Fassung des BilMoG vor, dass im Fall der Prüfungspflicht von Jahresabschluss oder Konzernabschluss durch einen Abschlussprüfer136 dieser an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilnehmen muss, in welchen die Prüfung des jeweiligen Abschlusses durch den Aufsichtsrat Gegenstand ist. Weiter muss der Abschlussprüfer dort über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung, insbesondere wesentliche Schwächen des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems bezogen auf den Rechnungslegungsprozess, Bericht erstatten. Die entsprechende Gesetzesbegründung gibt zu erkennen, dass die Einführung des Begriffs Risikomanagement nicht auf den europarechtlichen Vorgaben von Art. 41 Abs. 4 der Abschlussprüferrichtlinie basiert. Gleichwohl sollte auch das Risikomanagement in § 171 Abs. 1 S. 2 AktG aufgeführt sein, da es zusammen mit den Instrumenten internes Kontrollsystem sowie interne Revision die 134 Unterlässt der Aufsichtsrat die Bestellung, ist er ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 107 Abs. 3 S. 2 AktG selbst Adressat der dort genannten Aufgaben des Prüfungsausschusses, vgl. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 102. 135 RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 102; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 34; Weber-Rey, AG 2008, 345, 350. 136 Konzernabschlüsse unterliegen stets der Prüfungspflicht durch den Abschlussprüfer, vgl. § 316 Abs. 2 S. 1 HGB. Jahresabschlüsse müssen nach § 316 Abs. 1 S. 1 HGB dann durch einen Abschlussprüfer geprüft werden, wenn die Gesellschaft nicht klein im Sinne von § 267 Abs. 1 HGB ist.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

interne Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses verkörpere.137 Hiermit trifft der Gesetzgeber zwei Aussagen von Relevanz für die hiesige Fragestellung: Zum einen macht er – den europarechtlichen Vorgaben entsprechend – deutlich, dass § 171 Abs. 1 S. 2 AktG nur den abgegrenzten Bereich der internen Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses regelt. Selbst wenn sich aus den Umständen Anhaltspunkte für die Reichweite des Terminus Risikomanagement herleiten ließen, so könnten diese nur für den hier betroffenen Bereich der Rechnungslegung Geltung beanspruchen. Den Inhalt von § 91 Abs. 2 AktG können solche Erwägungen allerdings nicht beeinflussen, da § 91 Abs. 2 AktG keinerlei inhaltlichen Bezug zur Rechnungslegung aufweist.138 Zum anderen stellt der Gesetzgeber die Instrumente Risikomanagement, internes Kontrollsystem und interne Revision nebeneinander. Vergleicht man hiermit die verschiedenen in der betriebswirtschaftlichen Literatur vertretenen Ansätze zum Verhältnis dieser Instrumente,139 so ist auffällig, dass sich keiner der dortigen Vorschläge mit der Auffassung des Gesetzgebers deckt. Demnach kann der Gesetzgeber mit der Verwendung des Terminus Risikomanagement gar nicht ein umfassendes Risikomanagement nach betriebswirtschaftlichem Vorbild meinen. Für im Sinne von § 264d HGB kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften sieht § 289 Abs. 5 HGB die Pflicht vor, im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems in Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu beschreiben.140 Auch hier erfolgt die Verwendung des Terminus Risikomanagementsystem auf das begrenzte Feld der Rechnungslegung beschränkt. Und selbst für dieses Feld stellt die entsprechende Gesetzesbegründung klar, dass mit der Einführung von § 289 Abs. 5 HGB keine Pflicht zur Einrichtung eines internen Risikomanagementsystems geschaffen werden soll.141 137

RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 104. So auch Kort, ZGR 2010, 440, 456 f.; Weber-Rey, AG 2008, 345, 350. 139 Nach Theisen, BB 2003, 1426, 1427 ist das Risikomanagement Bestandteil der bereits bestehenden unternehmerischen Überwachungseinrichtungen, nämlich von interner Revision, Controlling sowie betrieblichem Rechnungswesen. Kleindiek geht in Hommelhoff/Hopt/ v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 800 davon aus, dass das Risikomanagement „Bestandteil des vom Vorstand einzurichtenden Systems unternehmensinterner Überwachung und Steuerung („internes Kontrollsystem“)“ sei. Lück, DB 1998, 8, hingegen meint, das umfassende Risikomanagement beinhalte das interne Überwachungssystem, das Controlling sowie das Frühwarnsystem. 140 Auch im Konzernkontext ist eine § 289 Abs. 5 HGB entsprechende Regelung getroffen: Falls ein Konzernlagebericht zu erstellen ist (vgl. hierzu §§ 290 ff. HGB), so muss dieser nach dem – ebenfalls im Zuge des BilMoG eingefügten – § 315 Abs. 2 Nr. 5 HGB die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems in Hinblick auf den Konzernrechnungslegungsprozess darstellen, sofern eines der in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen oder das Mutterunternehmen kapitalmarktorientiert im Sinn des § 264d HGB ist. 141 RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 76; so auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 34; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 164 ff. 138

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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Neben Wortlaut und entsprechenden Unterlagen der Richtlinien sowie Wortlaut und Gesetzgebungsmaterialien der diskutierten nationalen Normen spricht noch ein weiterer Aspekt gegen die oben dargestellte Ansicht, die bisher herrschende Lesart von § 91 Abs. 2 AktG sei infolge des BilMoG nicht mehr haltbar: Wenn der Gesetzgeber hinsichtlich des Pflichtumfangs von § 91 Abs. 2 AktG einen Klarstellungsbedarf gesehen hätte, so hätte er im Zuge des BilMoG § 91 Abs. 2 AktG oder die entsprechenden handelsrechtlichen Normen betreffend die Abschlussprüfung, nämlich die §§ 317 Abs. 4 und 321 Abs. 4 HGB (welche allesamt den Terminus „Überwachungssystem“ verwenden), anpassen können, denn mit der Umsetzung der Abschlussprüferrichtlinie im Rahmen des BilMoG waren ohnehin Normen des Rechts der Abschlussprüfung zu ändern.142 Diesen Schritt hat der Gesetzgeber aber gerade nicht unternommen. Die aktien- sowie handelsrechtlichen Neuerungen im Zuge des BilMoG beeinflussen nach alledem die Reichweite der Vorstandspflicht nach § 91 Abs. 2 AktG nicht. Gegenstand dieser Pflicht ist und bleibt auf der ersten Stufe die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen. Auf der zweiten Stufe sind jene Maßnahmen zu überwachen. Die konkrete Ausgestaltung jenes Systems hängt von Umständen des Einzelfalls ab und liegt überdies im Leitungsermessen des Vorstands.143 5. Konkurrenzverhältnis des Pflichteninhalts von § 91 Abs. 2 AktG zur Compliance Andere Instrumente der Unternehmensleitung können mit einer etwa bestehenden Compliance-Pflicht „konkurrieren“, wenn ihnen der Rang einer aktienrecht­ lichen Vorstandspflicht zukommt. Dies trifft nach den vorhergehenden Ausführungen auf ein umfassendes Risiko­ managementsystem nach betriebswirtschaftlichem Vorbild mangels einer entsprechenden Vorstandspflicht nicht zu. Da allerdings nach § 91 Abs. 2 AktG ein Früherkennungs- und Überwachungssystem in dem skizzierten Umfang zu implementieren ist, stellt sich insoweit Konkurrenzfrage zur Compliance. Wenn der Gegenstand von Corporate Compliance bereits durch den Pflichtinhalt von § 91 Abs. 2 AktG abgedeckt wird, ist eine weitere Diskussion über neben der Pflicht nach § 91 Abs. 2 AktG bestehende Compliance-Pflichten obsolet. Gemein ist den Instrumenten von § 91 Abs. 2 AktG und der Corporate Com­ pliance, dass beide die präventive Kontrolle im Unternehmen zum Gegenstand haben, um den Eintritt von für das Unternehmen negativen Tatsachen zu vermeiden. 142 Kort, ZGR 2010, 440, 447 f.; vgl. insoweit auch die Kritik von Weber-Rey, AG 2008, 345, 350 am RefE BilMoG. 143 Statt vieler Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 6 ff.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Das System nach § 91 Abs. 2 AktG soll bestandsgefährdende Entwicklungen möglichst früh aufdecken, so dass dem Vorstand noch ausreichend Zeit zur Ergreifung von Präventionsmaßnahmen verbleibt. Ähnliches bezweckt auch das System der Corporate Compliance, wenn hierunter eine vorbeugende Unternehmensorganisation zur Prävention vor Haftungsrisiken für das Unternehmen oder seine Organe verstanden wird.144 Unterschiede treten zutage, wenn man die für das Unternehmen negativen Tatsachen, die es zu vermeiden gilt, näher betrachtet: Womöglich lassen sich manche schwerwiegenden Compliance-relevanten Gesetzes- oder Regelverstöße auch unter § 91 Abs. 2 AktG subsumieren und als den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen bezeichnen;145 jedoch wirken sowohl das System nach § 91 Abs. 2 AktG als auch das der Corporate Compliance jeweils in unterschiedlicher Weise: Das Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG erfasst nicht nur bestandsgefährdende Entwicklungen infolge von Rechts- oder Regelverstößen, sondern ist unabhängig vom Kontext dieser Entwicklungen oder dem Fehlverhalten Einzelner dazu gedacht, die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Unternehmen zu sichern.146 Die Corporate Compliance wiederum greift hauptsächlich unterhalb der hohen Hürde der Bestandsgefährdung147 ein, differenziert aber auf der Ebene der Erfassung von Compliance-relevanten Tatbeständen – im Gegensatz zu dem System nach § 91 Abs. 2 AktG148 – nicht nach der Gefahr für den Bestand der Gesellschaft durch mögliche Rechts- oder Regelverstöße. Im Gegensatz zum Pflichteninhalt von § 91 Abs. 2 AktG fallen wirtschaftliche Entwicklungen mit bestandsgefährdendem Charakter ohne gleichzeitiges Vorliegen eines Compliance-relevanten Verstoßes nicht in den Anwendungsbereich der Corporate Compliance. Während das System nach § 91 Abs. 2 AktG in seiner von der herrschenden Meinung zurecht herausgearbeiteten Reichweite nur die Erfassung bestands­ gefährdender Entwicklungen zum Gegenstand hat, erfasst die Corporate Com­ pliance darüber hinaus solchen Entwicklungen vorgelagerte, aber auch nachfol-

144

So oben unter § 2 C. So jedenfalls die Begründung zu § 91 Abs. 2 AktG in der Fassung des RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15; zu jener denkbaren Überschneidung auch Mertens/Cahn, in: ­KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 34. 146 So zählt die Begründung des RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15 beispielhaft neben Gesetzesverstößen auch risikobehaftete Geschäfte und Unrichtigkeiten der Rechnungslegung mit wesentlichen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns auf. 147 So oben unter § 2 C. 148 So die herrschende Meinung. Nach anderer Ansicht seien in dem System nach § 91 Abs. 2 AktG alle Entwicklungen – unabhängig von einer Bestandsgefährdung – zumindest zu er­ fassen, vgl. insoweit oben Fn. 101. 145

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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gende Prozesse.149 So will die Corporate Compliance Strukturen schaffen, die Rechts- oder Regelverstöße verhindern, bevor diese in die Realität treten. Ein Mitarbeiter, der über Existenz und Inhalt relevanter Vorschriften sowie über die Durchführung entsprechender unangemeldeter Kontrollen seines Verhaltens Bescheid weiß, verhält sich im Idealfall ohne weiteren äußeren Einfluss rechtstreu. Eine im Sinne von § 91 Abs. 2 AktG bestandsgefährdende Entwicklung kann hierdurch schon präventiv verhindert werden. Zugleich ist – im Gegensatz zum Pflichteninhalt von § 91 Abs. 2 AktG – auch die adäquate Reaktion seitens des Vorstands auf festgestellte Verstöße Teil der Corporate Compliance. Dies kann über die korrekte Ahndung des Verstoßes hinaus auch die Frage berühren, inwieweit die bislang vorgenommenen Compliance-Maßnahmen angesichts bekannter Verstöße ausreichen, oder ob die gesellschaftsinterne Compliance ausgebaut werden muss. Jenseits der Gruppe solcher Rechts- oder Regelverstöße, die zugleich bestandsgefährdende Entwicklungen sind, überschneiden sich beide Instrumente nicht. Die mit Corporate Compliance verfolgten Ziele werden nicht durch das nach herrschender Ansicht in § 91 Abs. 2 AktG vorgesehene Früherkennungs- und Überwachungssystem erreicht. Damit verbleibt für die Thematik der Compliance neben dem System nach § 91 Abs. 2 AktG ein eigener Anwendungsraum.150

II. Compliance – internes Kontrollsystem Die Konkurrenzfrage stellt sich aus Sicht der Compliance auch gegenüber dem betriebswirtschaftlichen Instrument des internen Kontrollsystems. 1. Gegenstand des internen Kontrollsystems Ursprünglich entstand das Instrument des internen Kontrollsystems in den USA – dort unter der Bezeichnung Internal Control – als Reaktion auf große Betrugsskandale der dortigen Wirtschaftspraxis. Nach US-amerikanischem Verständnis verbirgt sich hinter dem Begriff Internal Control die Gesamtheit aller Über­wachungsaktivitäten im Unternehmen.151 Weder in der wirtschaftswissenschaftlichen noch in der juristischen Diskussion ist abschließend geklärt, was der exakte Inhalt des internen Kontrollsystems ist. Außerdem ist offen, in welchem

149

Pietzke, CCZ 2010, 45, 53. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 34; so auch Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, der zwar zwischen Compliance und Risikomanagement eine Verwandtschaftsbeziehung sieht, Compliance aber dennoch nicht als Bestandteil im Sinne einer Teilmenge des Risikomanagement einstuft; hierzu auch ders., NZG 2008, 81 f. 151 Hierzu näher Horvath, Controlling, 12. Aufl. 2011, S. 697. 150

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Verhältnis das interne Kontrollsystem zu anderen Instrumenten der Unternehmensführung steht.152 So vertritt Lück, das US-amerikanische System der Internal Control sei nicht als internes Kontroll-, sondern als internes Überwachungssystem zu bezeichnen. Denn nur in einem internen Überwachungssystem könnten neben organisatorischen Sicherungsmaßnahmen und Kontrollen auch interne Prüfungsmaßnahmen wie die interne Revision verortet werden.153 Lück geht demnach davon aus, das interne Kontrollsystem stehe neben dem System der internen Revision.154 Ein anderer Ansatz sieht hingegen das Risikomanagementsystem und die interne Revision als Subsysteme des internen Kontrollsystems an.155 Dreher hingegen sieht in dem internen Kontrollsystem die Summe aus dem Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG einerseits und Risiko-, Compliance- und Revisionsberichterstattung andererseits.156 Im Aktiengesetz taucht der Begriff des internen Kontrollsystems seit den Einfügungen im Zuge des BilMoG in den §§ 107 Abs. 3 S. 2 und 171 Abs. 1 S. 2 AktG auf.157 Inhaltliche Angaben zum Begriff des internen Kontrollsystems sucht man in beiden Normen vergeblich. Dasselbe gilt auch für die entsprechenden Passagen der Gesetzesbegründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG158 sowie für die zugrundeliegende Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG.159 Angaben zum Be 152 In diesem Sinne auch Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2011, 2101; in dem Urteil des OLG Jena vom 12.8.2009 – 7 U 244/7 – AG 2010, 376, 377, ist die Rede von der Pflicht des GmbH-Geschäftsführers zur Errichtung eines Kontrollsystems. Aus dem Zusammenhang wird allerdings deutlich, dass hiermit nicht ein internes Kontrollsystem nach betriebswirtschaftlichem Vorbild, sondern ein solches zur Unterbindung von Scheinrechnungen gemeint ist. In dem zugrundeliegenden Fall ging es um Verstöße gegen die Buchführungspflichten nach §§ 238 ff. HGB. Zur Verhinderung oder Aufdeckung solcher BuchführungsVerstöße nahm das OLG Jena eine Pflicht des Klägers zur Errichtung eines entsprechenden Kontrollsystems an. 153 Lück, DB 1998, 8, 9; ähnlich Bitz, Risikomanagement, 2000, S. 16 ff.; Pampel/Glage sehen in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 5 Rn. 19 ebenfalls das interne Überwachungssystem als Oberbegriff an, dem das prozessabhängige interne Kontrollsystem sowie das prozessunabhängige System der internen Revision angehörten. 154 So auch das Verständnis von Bitz, BFuP 2000, 231, 237 f. 155 Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 800; ebenso IDW, PS 261 Ziff. 20, 24, WPg 2006, 1433, 1437 f.; in diesem Sinne wohl auch Theisen, BB 2003, 1426, 1428, wonach das Risikomanagement ein integraler Bestandteil und eine Funktion des internen (und externen) Kontroll- und Überwachungssystems ist. 156 Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 167 f. 157 Zum Inhalt von § 171 Abs. 2 AktG oben unter § 2 E. I.4. 158 Vgl. hierzu die Begründung zu § 107 AktG in der Fassung des RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 102 f. 159 In Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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griff des internen Kontrollsystems macht die Begründung zur Neufassung von § 289 Abs. 5 HGB, wonach das interne Kontrollsystem die Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen zur Sicherung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Rechnungslegung, zur Sicherung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung sowie zur Sicherung der Einhaltung der maßgeblichen rechtlichen Vorschriften beinhaltet.160 Diese Ausführungen sind jedoch nur auf das interne Kontrollsystem im Kontext von § 289 Abs. 5 HGB zugeschnitten, das sich ausweislich des Wortlauts von § 289 Abs. 5 HGB auf den Bereich der Rechnungslegung beschränkt.161 Ob diese Ausführungen unter den gegebenen Umständen für die Erörterung des Gegenstands eines allgemeinen unternehmensweiten internen Kontrollsystems fruchtbar gemacht werden können, ist fraglich. Außerhalb des Aktienrechts ist der Begriff des internen Kontrollsystems in den branchenspezifischen Regelungen der §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 KWG sowie 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 VAG enthalten. Dem Wortlaut von § 25a Abs. 1 KWG lässt sich zunächst entnehmen, dass unter anderem das interne Kontrollsystem nach dortigem Verständnis neben der internen Revision als Subsystem des Risikomanagementsystems fungiert; weiter umfasst das interne Kontrollsystem insbesondere nach § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. a) KWG aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen mit klarer Abgrenzung der Verantwortungsbereiche und nach § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. b) KWG Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken.162 In vergleichbarer Weise sieht auch § 64a Abs. 1 VAG das interne Kontrollsystem als Subsystem des Risikomanagementsystems an, wenngleich § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 VAG jenem System mit der Bezeichnung „internes Steuerungs- und Kontrollsystem“ offenbar auch Steuerungsaufgaben beimisst. Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates (sog. Abschlussprüferrichtlinie), ABl.EU Nr. L 157 v. 9.6.2006 taucht auf S. 90 der allgemein gehaltene Hinweis auf, dass Prüfungsausschüsse und ein wirksames internes Kontrollsystem dazu beitragen, finanzielle und betriebliche Risiken sowie das Risiko von Vorschriftenverstößen auf ein Mindestmaß zu begrenzen und die Qualität der Rechnungslegung zu verbessern. Auch der Wortlaut von Art. 41 Abs. 2 b) der Abschlussprüferrichtlinie selbst (ABl.EU Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 103) konkretisiert den Begriff des internen Kontrollsystems nicht näher. 160 Vgl. hierzu die Begründung zu § 289 HGB in der Fassung des RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 77. 161 Der Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2007, 2129, 2131 f., fordert indes eine Ausdehnung des internen Kontrollsystems über die Rechnungslegung hinaus auf alle erfolgskritischen Bereiche im Unternehmen; nur so könnten die Ziele des internen Kontrollsystems, namentlich Abwendung von Schäden, Risikovermeidung sowie Sicherung des Erfolgs und Bestehens des Unternehmens, erreicht werden. 162 Weitergehende Anforderungen an das interne Kontrollsystem nach § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. b) KWG sind den Rundschreiben der BaFin in der Fassung von AT 4.3 der MaRisk (abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_235/nn_721290/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Service/Rundschreiben/2010/rs__1011__ba__marisk.html?__nnn=true – letzter Abruf 31.7. 2012) zu entnehmen.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Weiter gehen die inhaltlichen Anforderungen des IDW PS 261 an das interne Kontrollsystem, wonach sich ein internes Kontrollsystem aus Regelungen zur Steuerung der Unternehmensaktivitäten (internes Steuerungssystem) sowie aus Regelungen zur Überwachung der Einhaltung dieser Regelungen (internes Überwachungssystem) zusammensetzt.163 Demnach soll ein internes Kontrollsystem neben der schon durch die Benennung des Begriffs angedeuteten Kontrollfunktion auch so funktionieren, dass es auf die operative Geschäftstätigkeit lenkenden Einfluss nimmt. Die inhaltlichen Unterschiede der dargestellten Ansätze zeigen, dass Begriff und Inhalt des internen Kontrollsystems im deutschen Aktienrecht momentan schwer zu fassen sind. Auch ist weder in der betriebswirtschaftlichen noch in der rechtlichen Diskussion erkennbar, in welchem Verhältnis das interne Kontrollsystem zu anderen Instrumenten der Unternehmensleitung steht. Die branchenspezifischen Spezialvorschriften der §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 KWG sowie 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 VAG sind erkennbar für die Kontrolle brancheninterner Sonderrisiken entworfen und eignen sich daher nicht als Definitionsgrundlage für das allgemeine Aktienrecht.164 Diese Umstände sind im Folgenden zu berücksichtigen, wenn der Frage nach einer aktienrechtlichen Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems nachgegangen wird. 2. Aktienrechtliche Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems Eine aktienrechtliche Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems geht zunächst nicht aus § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 KWG oder § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 VAG hervor. Dort ist zwar jeweils von einer Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems die Rede, allerdings handelt es sich um spezielle Vorschriften aus dem Bereich des Bankenaufsichts- und Versicherungsaufsichtsrechts, die einer auf das gesamte Aktienrecht ausdehnenden Auslegung nicht zu-

163 So IDW, PS 261 Ziff. 20, WPg 2006, 1433, 1437. Das jenem Prüfungsstandard zugrundeliegende Verständnis des internen Kontrollsystems ist an eine Studie des Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (COSO) mit dem Titel „Internal Control – Integrated Framework“ aus dem Jahr 1992 angelehnt. Jene Studie erfolgte zur Verhinderung von kriminellen Verhaltensweisen im Rahmen der Finanzberichterstattung. Hiermit war im Sinne einer best practice (so Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2011, 2101, 2102) die Erstellung eines standardisierten und übertragbaren Konzeptes zur Ausgestaltung des Systems der Internal Control bezweckt, näheres hierzu bei Eichler/Bungartz, IR 2004, 108 ff. Der aktuelle Integrated Framework ist abrufbar unter www.coso.org/documents/VolumeII-Guidance. pdf (letzter Abruf 31.7.2012). 164 In anderem Zusammenhang, jedoch mit ähnlicher Argumentation Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 75.

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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gänglich sind.165 Diese sektorspezifischen Vorschriften sind darauf zugeschnitten, den im Banken- oder Versicherungssektor auftretenden speziellen Risiken durch detaillierte Organisationspflichten zum Schutz Dritter entgegenzuwirken und eignen sich nicht für eine Erstreckung auf alle Aktiengesellschaften ohne Rücksicht auf deren Größe oder Unternehmensgegenstand.166 Aus §§ 76 Abs. 1, 91 Abs. 2 oder 93 Abs. 1 S. 1 AktG lässt sich ebenfalls keine derart weitreichende Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems herleiten.167 Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist zwar aufgrund der Leitungspflicht nach § 76 Abs. 1 AktG und der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG unter anderem dazu verpflichtet, sein Unternehmen zu kontrollieren.168 Über die Reichweite jener Pflicht zur Kontrolle im Unternehmen machen die genannten Vorschriften jedoch keinerlei Angaben. Vielmehr muss bei deren Auslegung stets das im Wortlaut von § 76 Abs. 1 AktG verankerte Leitungsermessen des Vorstands169 berücksichtigt werden. Dieses gewährt ihm das Recht, Entscheidungen unter Berücksichtigung geltender Regeln und dauerhafter Rentabilität des Unternehmens nach eigenem unternehmerischem Ermessen zu fällen.170 Hierunter fällt auch die Entscheidung über die Organisation des eigenen Unternehmens. Daher kann der Vorstand auch im Rahmen der Kontrolle des eigenen Unternehmens selbst entscheiden, auf welchem Weg diese Unternehmenskontrolle171 erfolgen soll. Selbstverständlich kann er sich auch hierbei eines bestimmten betriebswirtschaftlich etablierten Systems wie zum Beispiel eines internen Kontrollsystems bedienen. Eine Verpflichtung hierzu geht indes aus den Leitungspflichten der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG nicht hervor.172 Solche Erwägungen haben auch den Kodex-Geber dazu angehalten, in Ziff. 4.1.4 DCGK nur die Pflicht zu angemessenem Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen darzustellen; auf weitergehende Anforderungen wurde verzichtet, um unzulässige Eingriffe in die Organisationshoheit des Vorstands zu vermeiden.173

165

Hierzu näher Dreher, ZGR 2010, 496, 531 ff.; Weber-Rey, AG 2008, 345, 352 f. Mit entsprechender Argumentation ist auch die Herleitung umfassender CompliancePflichten aus Rechtsanalogien zu verschiedenen Spezialvorschriften abzulehnen. Näher hierzu unter § 3 D.II.2. 167 A. A. offenbar Schoberth/Servatius/Thees, BB 2006, 2571, 2574 f. 168 Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 15. 169 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 12. 170 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 59; Kort, in: ­GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 41 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 9; Wiesner, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 19 Rn. 18; näher hierzu unter § 3 C.II.2.b). 171 Näheres zur Unternehmenskontrolle unter § 5 A.II.3. 172 A. A. hinsichtlich der börsennotierten Aktiengesellschaft aber Klöpper, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 44 ff. 173 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 639. 166

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Die Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems lässt sich ferner nicht aus § 91 Abs. 2 AktG ableiten, denn § 91 Abs. 2 AktG normiert nach herrschender Ansicht keine Pflicht zur Implementierung eines umfassenden Risiko­ managementsystems.174 Außerdem ist nicht geklärt, in welchem Verhältnis das interne Kontrollsystem zum umfassenden Risikomanagementsystem steht.175 Nur wenn man die Pflicht zum umfassenden Risikomanagement bejaht und das interne Kontrollsystem gleichzeitig als Subsystem des umfassenden Risikomanagementsystems auffasst, ließe sich eine solche Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG bejahen. Auch die Begründung zu § 289 Abs. 5 HGB spricht gegen eine aktienrechtliche Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems: Dort findet sich die Klarstellung, dass durch die Neufassung von § 289 Abs. 5 HGB im Zuge des BilMoG weder die Einrichtung noch die inhaltliche Ausgestaltung des internen Kontrollsystems vorgeschrieben wird.176 Einer solchen Klarstellung hätte es nicht bedurft, wenn diese Pflicht bereits auf anderer Rechtsgrundlage bestünde. Mangels Existenz der aktienrechtlichen Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems besteht keine Konkurrenzproblematik im Verhältnis zu einer etwaigen Compliance-Pflicht.

III. Compliance – interne Revision Auch ist nicht abschließend geklärt, wie sich das Verhältnis von Compliance zur internen Revision gestaltet. 1. Gegenstand der internen Revision Ähnlich wie das Leitungsinstrument des internen Kontrollsystems stammt auch das Instrument der internen Revision aus der Betriebswirtschaft. Ursprünglich verstand man hierunter eine betriebswirtschaftlich begründete, delegierte Führungsfunktion.177 In wirtschaftswissenschaftlicher Lehre und Praxis wird interne Revision inzwischen wie folgt definiert: „Die interne Revision erbringt unabhängige und objektive Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen, welche darauf ausgerichtet sind, Mehrwerte zu schaffen und die Geschäftsprozesse zu verbessern. Sie unterstützt die Organisation bei der Erreichung ihrer Ziele, indem sie mit einem systematischen und zielgerichteten Ansatz die Effektivität des Risikomanagements, der Kontrollen und der Führungs- und Überwachungsprozesse bewertet und diese 174

Siehe oben unter § 2 E. I.3. Hierzu oben unter § 2 E.II.1. 176 Vgl. hierzu die Begründung zu § 289 HGB in der Fassung des RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 76. 177 Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 5. 175

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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verbessern hilft.“178 Die interne Revision soll demnach als prozessunabhängige179 Funktion innerhalb eines Unternehmens zum einen Abläufe und Strukturen180, zum anderen aber auch die Qualität, mit der die jeweiligen Aufgaben innerhalb des Unternehmens beachtet und erfüllt werden, prüfen und beurteilen.181 Auf diesem Weg soll dem Unternehmen durch das Erkennen und die Korrektur etwaiger Fehlentwicklungen die Realisierung seines vollen ertragsmäßigen Potentials ermöglicht werden.182 Nach Amling/Bantleon ist die interne Revision ein zentrales Element zur Umsetzung der internen Überwachungsfunktion im Unternehmen.183 2. Aktienrechtliche Vorstandspflicht zur internen Revision a) Herleitung und Reichweite der Pflicht zur internen Revision Im Aktiengesetz finden sich mit Ausnahme spezialgesetzlicher Regelungen im Bankenaufsichtsrecht184 und des im Zuge des BilMoG neu eingefügten § 107 Abs. 3 S. 2 AktG keine Anhaltspunkte für eine Vorstandspflicht zur internen Revision. Mit § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. a) KWG oder den Detailregelungen der MaRisk lässt sich keine aktienrechtliche Pflicht zur Vorhaltung einer internen Revision begründen.185 Die Tatsache, dass im Wortlaut von § 107 Abs. 3 S. 2 AktG der Begriff interne Revision Erwähnung findet, deutet zwar auf das Bestehen einer solchen Vorstandspflicht hin, kann diese Pflicht allerdings nicht selbst begründen. Bei der Auslegung von § 107 Abs. 3 S. 2 AktG muss vielmehr in systematischer Hinsicht berücksichtigt werden, dass diese Vorschrift die innere Ordnung des Aufsichts-

178

So die gemeinsame Übersetzung der seitens des US-amerikanischen Institute of Internal Auditors (IIA) entwickelten amerikanischen Definition des Begriffs interne Revision durch das DIIR (Deutsches Institut für Interne Revision e. V.), das IIRÖ (Österreichisches Institut für Interne Revision) und das SVIR (Schweizerischer Verband für Interne Revision). Vgl. hierzu Lück, in: Lück (Hrsg.), Anforderungen an die Interne Revision, 2009, S. 20 sowie Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 25 f. 179 Nach betriebswirtschaftlichem Verständnis beinhaltet Überwachung neben der prozess­ unabhängigen internen Revision auch prozessbegleitende Kontrollen, vgl. Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaft, 24. Aufl. 2010, S. 161 f. 180 Peemöller, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 7. 181 Lück, in: Lück (Hrsg.), Anforderungen an die Interne Revision, 2009, S. 19. 182 Bubendorfer/Krumm, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 49; Peemöller, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 3. 183 Amling/Bantleon, DStR 2008, 1300, 1301. 184 Vgl. § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. a) KWG sowie BT 2 der MaRisk in der Fassung des Rundschreibens Nr. 15/2009 der BaFin vom 14. August 2009. 185 Die Argumentation zur Ablehnung einer aktienrechtlichen Pflicht zur Implementierung eines internen Kontrollsystems aus § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. a) KWG ist auch zur Ablehnung der Pflicht zur internen Revision heranzuziehen, hierzu oben unter § 2 E.II.2.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

rats normiert und daher keinen Regelungsgehalt betreffs Vorstandspflichten gleich welcher Art hat. Eine aktienrechtliche Vorstandspflicht zur Einrichtung einer internen Revision lässt sich auch nicht mit dem Wortlaut der Begründung zum Regierungsentwurf des BilMoG rechtfertigen.186 Zwar sind dort an mehreren Stellen Hinweise auf ein mögliches internes Revisionssystem vorhanden, dessen Überwachung der Aufsichtsrat gemäß den Voraussetzungen von § 107 Abs. 3 S. 2 AktG auf einen fakultativen Prüfungsausschuss übertragen könnte. Allerdings sind diese Erwähnungen der internen Revision meist mit dem Adverb „gegebenenfalls“ versehen,187 was verdeutlicht, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle gerade nicht die Aussage einer aktienrechtlichen Verpflichtung zur internen Revision treffen wollte. Hintergrund der Verwendung des Adverbs „gegebenenfalls“ in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 107 Abs. 3 S. 2 AktG könnte die gleichlautende Formulierung in Art. 41 Abs. 2 lit. b) der Abschlussprüferrichtlinie188 sein, deren Umsetzung das BilMoG bezweckt. Womöglich wurde es im Rahmen der Arbeiten am Regierungsentwurf zum BilMoG versäumt, die Begründung zu § 107 Abs. 3 S. 2 AktG (im Gegensatz zum Wortlaut von § 107 Abs. 3 S. 2 AktG selbst) insoweit an die im deutschen Aktienrecht bestehende Verpflichtung zur internen Revision anzu­passen.189 Die Vorstandspflicht zur internen Revision besteht schon aufgrund des allgemeinen Leitungsauftrags nach § 76 Abs. 1 AktG. Diese Leitungspflicht ist nach ganz herrschender Ansicht durch die Heranziehung der ursprünglich in der betriebswirtschaftlichen Diskussion entwickelten unternehmerischen Führungsfunktionen190 zu konkretisieren.191 Neben anderen Führungsfunktionen fällt hierunter 186

So aber Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 168. Begründung zu § 107 AktG in der Fassung des RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S.  102 f. 188 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richt­linie 84/253/EWG des Rates (sog. Abschlussprüferrichtlinie), ABl.EU Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 17. 189 Als Indiz für die gesetzgeberische Annahme des Bestehens einer Pflicht zur internen Revision ist der Umstand zu werten, dass in der Begründung des Referentenentwurfs zu § 107 Abs. 3 S. 2 AktG (abrufbar unter http://www.der-betrieb.de/pdf/081107_bilmog_refe.pdf – letzter Abruf 31.7.2012) auf S. 211 noch die Rede von einem Ermessensspielraum des Vorstands bezüglich der Einrichtung einer internen Revision ist, diese Formulierung jedoch in der Begründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 auf S. 103 nicht mehr zu finden ist. 190 Ausführlich zur Verrechtlichung der ursprünglich betriebswirtschaftlichen Führungsfunktionen unter § 5 A.II. 191 OLG Schleswig, Beschluss vom 27.8.2009 – 2 W 160/5 – AG 2009, 374, 375; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 10; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 7; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36; Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 7; Oltmanns, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 76 AktG Rn. 5; Schmidt-Husson, 187

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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auch die der Unternehmenskontrolle192. Die Wahrnehmung der Funktion der Unternehmenskontrolle erfordert nach herrschender Ansicht den systematischen Einsatz geeigneter Kontrollmechanismen; hierunter fällt auch die Einrichtung einer internen Revision.193 In dieselbe Richtung deutet auch die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 91 Abs. 2 AktG im Rahmen des KonTraG: Wie unter § 2 E. I. bereits angesprochen, verpflichtet § 91 Abs. 2 AktG den Vorstand einer Aktiengesellschaft unter anderem zur Einrichtung eines Überwachungssystems, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Weitergehende Anforderungen an die Ausgestaltung jenes Überwachungssystems sind in § 91 Abs. 2 AktG jedoch nicht geregelt. Aus der Begründung zum Regierungsentwurf des KonTraG geht indes an zwei Stellen hervor, dass eine aktienrechtliche Vorstandspflicht zur internen Revision besteht. In der allgemeinen Begründung zum Regierungsentwurf des KonTraG wird zunächst die geltende Rechtslage in Bezug auf das aktienrechtliche Kontrollsystem beschrieben. Hiernach beinhaltet die unternehmensinterne Kontrolle unter anderem die interne Revision.194 Zudem stellt die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 91 Abs. 2 AktG klar, dass die bestehende Vorstandspflicht zur internen Revision durch die Einführung von § 91 Abs. 2 AktG verdeutlicht werden solle.195 Auch in der juristischen Diskussion mehren sich die Stimmen, die die interne Rein: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn. 17; Seibt, in: Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 9; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 273; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 16; Henze, BB 2000, 209,210; Reuter, DB 1999, 2250, 2250. 192 Zur Unternehmenskontrolle näher unter § 5 A.II.3. Nach betriebswirtschaftlichem Verständnis bedeutet Kontrolle den Vergleich zweier Größen sowie die Analyse auftretender Abweichungen, vgl. Fallgatter, in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung, 4. Aufl. 2004, S. 668, 668. 193 Wohl ebenso BGH, Beschluss vom 24.3.1981 – KRB 4/80 – wistra 1982, 34; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 15; Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 450 f.; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 41; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 84; Kajüter, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 112 f.; Krieger, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 12; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 83; Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 8 f.; im Konzernkontext differenzierend nach Faktoren des Einzelfalls, wie z. B. der Größe des Unternehmens Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 234; Wiesner, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 5; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 167 f.; Amling/Bantleon, DStR 2008, 1300, 1301; wohl auch Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der SchmalenbachGesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2007, 2129, 2132; wohl im Sinne eines Wahlrechts des Vorstands Baums, ZGR 2011, 218, 274; Götz, AG 1995, 337, 338; ders., ZGR 1998, 524, 537; wohl auch Theisen, BB 2003, 1426, 1427. 194 RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 11. 195 RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

vision als Teil des nach § 91 Abs. 2 AktG geforderten Risikofrüherkennungssystems auffassen.196 Hinsichtlich der Frage nach der Reichweite der Pflicht zur internen Revision wird zu Recht überwiegend vertreten, dass der Vorstand hierfür sein unternehmerisches Leitungsermessen voll ausschöpfen kann und in organisatorischer Hinsicht keinerlei Vorgaben unterliegt.197 Weder aus den Begründungen zu KonTraG und BilMoG noch aus dem Aktiengesetz selbst lassen sich Rückschlüsse auf organisatorische Vorgaben bezüglich der Ausgestaltung der internen Revision ziehen. Der Vorstand kann z. B. selbst entscheiden, ob er zur Erfüllung der Aufgaben der internen Revision eine gesonderte Stabsabteilung errichtet, oder ob er jene Aufgaben selbst wahrnimmt.198 Er ist nicht aktienrechtlich verpflichtet, hierfür ein betriebswirtschaftlich wünschenswertes System zu implementieren. Dies folgt aus der Vorstandspflicht zur eigenverantwortlichen Leitung der Aktiengesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG. Hiernach verfügt der Vorstand im Rahmen der Befolgung der gesetzlichen und allgemeinen satzungsmäßigen Verpflichtungen bei der Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten unternehmerischen Handelns über einen Ermessensspielraum.199 196 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 384; ders., in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 28; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2007, § 19 Rn. 18; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 74; Lück, DB 1998, 1925, 1929; Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 521; Fleischer, CCZ 2008, 1, 4; Lanfermann/Röhricht, BB 2009, 887, 889. Kort vertritt in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 51, § 91 Abs. 2 AktG fordere die unternehmensinterne Kontrolle, ob das System von Innenrevision und Controlling in dem Sinne funktioniere, dass Erkenntnisse zeitnah dem Vorstand bekannt würden (so auch Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 8, Wiesner, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 6 sowie Hefermehl/Spindler in der Altauflage MünchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 91 Rn. 24). Aber auch diese Formulierung lässt den Schluss auf das Bestehen einer aktienrechtlichen Vorstandspflicht zur internen Revision zu, da anderenfalls eine diesbezügliche Kontrollpflicht ins Leere ginge. A. A. offenbar Pampel/Glage, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 5 Rn. 32, wonach sich obiges Überwachungssystem aus Internem Kontrollsystem und Interner Revision zusammensetze. Wieder anders Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 167, für den sich das interne Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG aus interner Revision, Controlling und Compliance zusammensetze. 197 Kajüter, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 112; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 168; Amling/Bantleon, DStR 2008, 1300, 1301. 198 Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 168. 199 Vgl. nur die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 882, wonach dem Vorstand ein weiter Handlungsspielraum zustehen müsse, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit nicht denkbar sei. Neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken gehöre hierzu auch die Gefahr von Fehleinschätzungen, der jeder Geschäftsleiter – unabhängig von der angewendeten Sorgfalt – ausgesetzt sei. Zustimmend Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 59; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 81 ff.; ders., in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 93 Abs. 1 Satz 2 und 4 nF Rn. 48 ff.; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 12; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 41; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 9 ff.; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 29; Wiesner, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 19 Rn. 18.

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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Die freiwillige Implementierung eines betriebswirtschaftlich anerkannten Systems der internen Revision kann die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale „angemessene Information“ sowie „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“ der Business Judgment Rule200 nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bewirken.201 Somit kann sich – jenseits der oben dargestellten gesetzlichen Anforderungen an die interne Revision – die Einführung eines standardisierten Systems der internen Revision202 für eine etwaige persönliche Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft aus § 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 AktG positiv auswirken.203 b) Allgemeine Voraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse Wie schon angedeutet ist fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen ein betriebswirtschaftliches Instrument wie das der internen Revision zum Gegenstand einer nicht ausdrücklich gesetzlich normierten Rechtspflicht werden kann. Dass in Rechtstheorie und -praxis die Heranziehung betriebswirtschaftlicher Instrumente als Hilfsmittel zur Beantwortung juristischer Fragestellungen nicht fremd ist, lässt sich im Gesellschaftsrecht an verschiedenen Stellen beobachten.204 Jedoch wird 200

Vgl. hierzu Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4a; Göppert, Business Judgment Rule und Aufsichtsrat, 2010, S. 118 ff. 201 Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der SchmalenbachGesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2006, 2189, 2195. 202 Ausführlich hierzu Horvath, Controlling, 12. Aufl. 2011, S. 696 ff.; Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 29 ff.; zur internen Konzernrevision aus betriebswirtschaftlicher Sicht z. B. Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 242 ff.; hierzu auch Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 234 ff.; Eichler/Bungartz, IR 2004, 108, 110 ff; IDW, PS 321, WPg 2002, 686 ff. 203 Hierzu Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 29. 204 So werden zur Schätzung des Unternehmenswerts nach herrschender Ansicht auch in juristischer Hinsicht die Grundsätze der ursprünglich in der BWL beheimateten Ertragswert­ methode angewendet, vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 16.12.1991 – II ZR 58/91 – NJW 1992, 892, 895 oder Habermeier, in: Staudinger, BGB §§ 705–740 (Gesellschaftsrecht), Neubearbeitung 2003, § 738 Rn. 18. Auch zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bedient sich die herrschende Meinung in der Literatur anerkannter betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse, vgl. nur Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 88; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 83; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 14 Rn 85; Wiesner, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 7; ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 50; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 190 ff. Der DCGK beschreibt in Ziff. 3.8 die Pflicht des Vorstands und Aufsichtsrats, die in der Betriebswirtschaftslehre breit diskutierten (hierzu näher Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 456) Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung (GoU) zu beachten. Weiter geht der Kodex in Ziff. 4.1.4 vom Bestehen der Vorstandspflicht zur Vornahme eines angemessenen Risikomanagement sowie Risikocontrolling im Unternehmen aus – beide Instrumente stammen aus der Betriebswirtschaft (zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der Vorschriften des DCGK vgl. schon oben unter § 3 B.II.). Den

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

auch darauf hingewiesen, das Recht dürfe sich nicht unreflektiert an betriebswirtschaftliche Gegebenheiten anpassen, da die Betriebswirtschaftslehre für die Rechtswissenschaften nur eine unterstützende Rolle spiele.205 Die Entstehung und Entwicklung allgemeiner betriebswirtschaftlicher Leitungsstandards ist überwiegend von dem Streben nach einer in wirtschaftlicher Hinsicht optimalen Unternehmensleitung bestimmt. Demgegenüber müssen Leitungspflichten im Rechtssinn im Einzelfall die Frage beantworten können, ob ein bestimmtes Verhalten noch den Sorgfaltsanforderungen von § 93 Abs. 1 S. 1 AktG genügt.206 Diese unterschiedlichen Ziele können zu verschiedenen Beurteilungen desselben unternehmerischen Verhaltens führen, je nachdem, ob aus juristischer oder betriebswirtschaftlicher Sicht. Im Zuge der Konkretisierung von Leitungspflichten hat die juristische Sichtweise im Konkurrenzfall Vorrang vor betriebswirtschaftlichen Erwägungen.207 In der juristischen Diskussion ist – zusammengefasst – die Ansicht herrschend, dass die Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse und Standards zwar nicht von vorn herein ausgeschlossen ist, aber nicht unreflektiert erfolgen darf. Sie muss unter Beachtung von rechtlichen Gegebenheiten sowie unter Anpassung an rechtliche Gegebenheiten erfolgen.208 Im Einzelnen müssen folgende Kriterien erfüllt sein: Erkenntnisse müssen in der Betriebswirtschaftslehre zum einen als gesichert gelten und sich bereits praktisch bewährt haben, um zu einer „Verrechtlichung“ zu taugen.209 Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für den Rechtsanwendeutlichsten Beleg für die Konkretisierung aktienrechtlicher Vorstandspflichten durch Anleihen aus der BWL liefert die Einfügung von § 91 Abs. 2 AktG im Zuge des KonTraG, hierzu näher oben unter § 2 E. I.2. Generell für eine stärkere Verknüpfung von Recht und betriebswirtschaftlicher Erforderlichkeit Hemeling, ZHR 175 (2011), 268, 386 f. 205 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 50; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 76; Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 105 sowie 107; hauptsächlich wird diese Problematik diskutiert, wenn es im Rahmen Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG darum geht, ob der Vorstand die nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Hier wird teilweise erwogen, eine Verletzung der Sorgfaltspflicht auch dann zu bejahen, wenn der Vorstand ein nach der Betriebswirtschaftslehre notwendiges Verhalten nicht an den Tag gelegt hat, vgl. Semler, ZGR 1983, 1, 13; jedoch relativierend ders., ZGR 1983, 1, 30. 206 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 192. 207 Bezogen auf das Beteiligungs-Controlling Götz, ZGR 1998, 524, 537; Hommelhoff/ Schwab, zfbf 1996 Sonderheft 36, S. 149, 169 m. w. N. 208 So Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 36; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 88; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 90 Rn. 4a; Wiesner, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 7; ähnlich Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 38; Hommelhoff/Schwab, zfbf 1996 Sonderheft 36, S. 149, 168, 171 f.; offenbar a. A. Lutter, AG 1991, 249, 251, wonach „Unternehmensplanung – und zwar Unternehmensplanung nach den Regeln und anerkannten Grundsätzen der hierfür fachzuständigen Betriebswirtschaftslehre – Rechtspflicht des Vorstands ist“. 209 So die wohl h. M., vgl. Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 88; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 83; Peltzer, in: Semler/Peltzer (Hrsg.), Arbeitshandbuch Vorstand, 2005, § 9 Rn. 164; in dieselbe Richtung Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 14 Rn 85; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 195 f.

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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der im Fall einer Verrechtlichung ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet. Betriebswirtschaftliche Standards oder Erkenntnisse, die entweder in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht nicht ausreichend etabliert oder aber umstritten sind, eignen sich von vorn herein nicht für eine Verrechtlichung. Weiter müssen im Rahmen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkennt­ nisse – unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls – zwei zusätzliche Aspekte berücksichtigt werden: Angesichts der bereits angesprochenen unterschied­ lichen Ansätze von Betriebswirtschaftslehre und Rechtsanwendung darf nicht unbesehen angenommen werden, ein aus betriebswirtschaftlicher Warte betrachtet erforderliches und ausreichendes Verhalten erfülle diese Eigenschaften auch in juristischer Hinsicht. Jeder einzelne Sachverhalt muss unter diesem Aspekt bezüglich denkbarer Abweichungen zwischen betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Beurteilung in die eine oder andere Richtung beleuchtet werden.210 Außerdem können betriebswirtschaftliche Erkenntnisse nur dann im Wege einer Verrechtlichung juristisch nutzbar gemacht werden, wenn sie in ihrer Umsetzung als Rechtspflichten nicht gegen geltendes Recht verstoßen;211 denn betriebswirtschaftliche Erkenntnisse sollen der Ausfüllung und nicht der Aushöhlung geltenden Rechts dienen. c) Verrechtlichung der internen Revision Die unter § 2 E.III.2.a) hergeleitete Vorstandspflicht zur Implementierung der – ursprünglich betriebswirtschaftlichen – internen Revision muss die Grundbedingungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse erfüllen. Auf der ersten Stufe muss die interne Revision als Instrument der Unternehmensführung in der betriebswirtschaftlichen Diskussion als gesichert gelten und sich bereits praktisch bewährt haben. Mittlerweile ist ein weltweit einheitliches Verständnis der internen Revision vorhanden.212 Außerdem zeigt die Zahl und Kontinuität der Veröffentlichungen zur internen Revision sowohl auf juristischer als auch auf betriebswirtschaftlicher Seite, dass es sich bei der internen Revision nicht um eine kurzfristige Mode-Erscheinung handelt.213 Vielmehr sieht man gerade in größeren Unternehmen die interne Revision schon seit Längerem als unverzichtbares Instrument zur Unternehmensüberwachung an und praktiziert diese entsprechend.214 So führte Claussen bereits im Jahr 1998 aus, jede Aktiengesellschaft sei mit einer internen Revision ausgestattet.215 210 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 50; Hommelhoff/ Schwab, zfbf 1996 Sonderheft 36, S. 149, 169 f. 211 Ähnlich Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 194. 212 Vgl. hierzu oben Fn. 178. 213 Vgl. hierzu nur die Nennungen unter Fn. 191 sowie Fn. 193. 214 Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 4; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 211; Lück/Henke, BFuP 2004, 1, 6 f. 215 Claussen, DB 1998, 177, 181.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

Auch auf der zweiten Stufe erfüllt die interne Revision die allgemeinen Voraussetzungen zur Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse: Die Vorstandspflicht zur Implementierung der internen Revision würde dann gegen geltendes Aktienrecht verstoßen, wenn hiermit eine unzulässige Beschneidung des Leitungsermessens nach § 76 Abs. 1 AktG verbunden wäre. Die überwiegende Ansicht in der juristischen Diskussion nimmt an, dass der Vorstand bei der Ausgestaltung der internen Revision sein Leitungsermessen frei ausschöpfen kann. Ob er die Aufgaben der internen Revision einer eigenen Stabsstelle oder Abteilung in der Gesellschaft zuweist, ob er sie ausgliedert (Outsourcing) oder ob er sie eigenständig wahrnimmt, kann und muss der Vorstand selbst entscheiden.216 Nach diesem Verständnis konkretisiert die Pflicht zur internen Revision die allgemeine Pflicht zur Unternehmenskontrolle, ohne dass damit in unzulässiger Weise in das Leitungsermessen des Vorstands eingegriffen würde. Entscheidend ist, dass in der Gesellschaft die Funktionen der internen Revision erfüllt werden. Die interne Revision war ursprünglich eine rein betriebswirtschaftliche Funktion. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass – in den dargestellten Grenzen – inzwischen zu Recht vom Bestehen einer aktienrechtlichen Vorstandspflicht zur internen Revision als Konkretisierung der allgemeinen Pflicht zur Unternehmenskontrolle ausgegangen wird. 3. Konkurrenzverhältnis zwischen möglicher Compliance-Pflicht und Pflicht zur internen Revision Aufgrund der bestehenden Vorstandspflicht zur internen Revision ist zu klären, ob eine mögliche Compliance-Pflicht des Vorstands neben der Pflicht zur internen Revision einen eigenen Geltungsbereich hat. Die interne Revision führt zumindest auch Aufgaben aus, die Gegenstand von Corporate Compliance sind. Corporate Compliance bezweckt unter anderem die Einhaltung von Gesetzen und internen Regeln.217 Das zu diesem Zweck einzuführende vorbeugende System beinhaltet auch stichprobenartige prozessunabhängige Überwachungsmaßnahmen auf rechts- oder regelwidriges Verhalten im Unternehmen hin.218 Genau solche Kontrollen der Einhaltung geltender Normen sind auch Gegenstand der internen Revision.219 Corporate 216

So oben unter § 2 E.III.2.a). Vgl. oben § 2 A. 218 Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 5, 34; Lampert, BB 2002, 2237, 2240; Hauschka, NJW 2004, 257, 260; hierzu näher unter § 3 D. I.2. 219 So auch schon BGH, Beschluss vom 25.6.1985 – KRB 2/85 – NStZ 1986, 34; Knoll/Nolden, in: Wieland/Steinmeyer/Grüninger (Hrsg.), Handbuch Compliance-Management, 2010, S.  537 ff.; Lühn, in: Wagenhofer (Hrsg.), Controlling und Corporate Governance-Anforderungen, 2009, S. 245; Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 9. 217

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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Compliance und interne Revision weisen also eine gemeinsame Schnittmenge auf.220 Die Tätigkeit der internen Revision geht indes über die oben erwähnten Überwachungsmaßnahmen in Hinblick auf die Einhaltung von Gesetzen und internen Regeln221 hinaus. Die klassische Prüfungstätigkeit der internen Revision umfasst neben dem Compliance Auditing auch das Financial Auditing und das Operational Auditing.222 Ziel des Financial Auditing ist es, das Finanz- und Rechnungswesen des Unternehmens auf seine Zuverlässigkeit und Ordnungsmäßigkeit hin zu untersuchen.223 Das Operational Auditing befasst sich mit der systematischen Beurteilung betrieblicher Abläufe hinsichtlich deren Wirtschaftlichkeit.224 Diese weiteren Überwachungsgegenstände und Zielrichtungen der internen Revision zeigen, dass mit der internen Revision neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit unternehmerischen Verhaltens überwacht, bewertet und verbessert werden soll.225 Neben jener klassischen Prüfungstätigkeit der internen Revision hat sich in letzter Zeit aber – einem Wandel des Verständnisses von interner Revision folgend – auch die auf entdeckte Missstände aufbauende Beratung der Unternehmensleitung als zusätzlicher Gegenstand interner Revision etabliert.226 Neben diesen Aufgabenfeldern ist auch die Überprüfung der Effektivität aller unternehmensinternen Überwachungsprozesse Gegenstand der internen Revision. Demzufolge beinhaltet die interne Revision auch die Überprüfung der Wirksamkeit der Corporate Compliance.227 Auch Corporate Compliance erschöpft sich nicht in der unternehmensinternen Kontrolle rechts- und regelkonformen Verhaltens. Vielmehr sind in dem Gesamtkonzept der Corporate Compliance neben der Überprüfung des Mitarbeiterverhaltens weitere Elemente enthalten, die die Corporate Compliance als eigene Säule in der Organisation der Aktiengesellschaft rechtfertigen: So beinhaltet die Cor 220 BGH, Urteil vom 17.7.2009 – V StR 394/8 – AG 2009, 740, 741; Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 50 ff.; Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 29; Lühn, in: Wagenhofer (Hrsg.), Controlling und Corporate Governance-Anforderungen, 2009, S. 245; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 176; Amling/Bantleon, DStR 2008, 1300, 1301. 221 Solche Maßnahmen werden in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur mit dem Begriff „Compliance Auditing“ bezeichnet, vgl. nur Amling/Bantleon, DStR 2008, 1300, 1301 f. 222 So Amling/Bantleon, DStR 2008, 1300, 1301; a. A. Keller/Weber, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 197, wonach sich die interne Revision aus Financial-, Operational- und Management Auditing sowie Internal Consulting zusammensetze. 223 Horvath, Controlling, 12. Aufl. 2011, S. 701; Keller/Weber, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 197. 224 Hofmann, Unternehmensüberwachung, 2. Aufl. 1993, S. 144. 225 Ähnlich Lück/Henke, BFuP 2004, 1, 2 f. 226 Peemöller, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 3. 227 Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 55; Lühn, in: Wagenhofer (Hrsg.), Controlling und Corporate Governance-Anforderungen, 2009, S. 245.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

porate Compliance neben der revisionseigenen retrospektiven Analyse von Sachverhalten auch präventive Aspekte wie das Commitment228 der Unternehmensleitung oder Mitarbeiter-Schulungen hinsichtlich der jeweils einzuhaltenden Gesetze und Regeln229. Anders als die interne Revision verfolgt die Corporate Compliance ausschließlich die Ziele der Vermeidung von Haftungsansprüchen, anderen rechtlichen Konsequenzen, aber auch von Reputationsschäden für das Unternehmen, seine Organe sowie seine Beschäftigten.230 Die Instrumente der Corporate Compliance und der internen Revision überschneiden sich zwar teilweise, gehen allerdings – jeweils auf unterschiedlichem Weg und mit verschiedener Zielsetzung – weit über diese gemeinsame Schnittmenge hinaus. Weder die Corporate Compliance noch die interne Revision erfüllen die Aufgaben des jeweils anderen Instruments. Die Existenz der Vorstandspflicht zur internen Revision macht also die Diskussion um eine daneben bestehende Vorstandspflicht zur Corporate Compliance nicht obsolet.231 Für den Fall einer bestehenden Pflicht zur Corporate Compliance232 bedeutet dies, dass der Vorstand womöglich „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sich also kostensparender Synergieeffekte bedienen könnte, soweit sich Aufgaben und Vorgehensweise beider Instrumente überschneiden.233 Nach den oben angestellten Überlegungen nutzen beide Instrumente prozessunabhängige stichprobenartige Kontrollen. Der Vorstand könnte im Rahmen seiner unternehmerischen Leitungs 228 Hauschka definiert in Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 51, 59 den Begriff Commitment – auch Mission Statement genannt – als allgemeine Verpflichtung und Bindung der Unternehmensleitung, sich einer Sache verpflichtet zu fühlen und bestimmte Dinge im Unternehmen nicht mehr dulden zu wollen. 229 Lampert, BB 2002, 2237, 2241. 230 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 1; Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 24. 231 Im allgemeinen Aktienrecht deuten einzelne Ausführungen vielmehr auf den umgekehrten Fall hin, nämlich dass die interne Revision ein Bestandteil einer Compliance-Organisation sei. So Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 29. 232 Hierzu unter § 3. 233 Anders ist die Situation in der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche zu beurteilen: In BT 1.1.1 Tz. 4 MaComp (Rundschreiben WA 4/2010 der BaFin vom 7.6.2010, Geschäftszeichen WA 31 – Wp 2002–2009/10, abrufbar unter www.bafin.de – letzter Abruf 31.7.2012) findet sich der Hinweis, dass die Compliance-Funktion generell nicht an die der internen Revision angebunden sein darf; hierzu auch Kort, in: Stelmach/Schmidt (Hrsg.), Krakauer-Augsburger Rechtsstudien 2011, S. 193 f.; allgemein Engelhart, ZIP 2010, 1832, 1836; zu Rechtsgrundlage und Rechtsnatur der MaComp vgl. Lösler, WM 2010, 1917, 1917 f. Allgemein zu Beweggründen und Zielsetzung der MaComp Birnbaum/Kütemeier, WM 2011, 293 ff. Weiter ist nach Gebauer/Niermann, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 36 Rn. 62 aus einer Gesamtschau von § 25a KWG sowie aus dem Umstand, dass Compliance Bestandteil des internen Kontrollsystems nach § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 KWG sei, der Schluss zu ziehen, dass Compliance nicht mit der internen Revision verbunden sein dürfe. Immerhin sieht der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht in Richtlinie 8 unter Ziff. 45 von „Compliance and the compliance function in banks“ (abrufbar unter www.bis.org/publ/bcbs113. pdf – letzter Abruf 31.7.2012) vor, im Rahmen der internen Revision festgestellte ComplianceVerstöße seien an die interne Revision weiterzuleiten.

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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macht diese Kontrollen so ausgestalten, dass hierbei neben Compliance-relevanten Daten der Rechts- oder Regelbefolgung im Unternehmen auch für die interne Revision relevante Daten – so zum Beispiel Finanz- oder Management-Daten – erhoben werden. In einem zweiten Schritt müsste der Vorstand gegebenenfalls sicherstellen, dass Compliance und interne Revision schnell und reibungslos auf die Kontrollergebnisse zugreifen können. Damit wären die jeweiligen Kontrollergebnisse für beide Instrumente nutzbar. Nimmt ein Vorstandsmitglied die Leitung in Bezug auf beide Aufgaben in eigener Person wahr234, kann sich dieser zweite Schritt erübrigen. Trotzdem müssen beide Instrumente jenseits des gemeinsamen Zugriffs auf die Kontrollergebnisse ihre weiteren Aufgaben getrennt von einander wahrnehmen.235 Anderenfalls wäre die effektive Einhaltung der verschiedenen Zweckrichtungen beider Instrumente und die Unabhängigkeit der jeweiligen Kontrollergebnisse gefährdet. Wenn eine enge organisatorische Anbindung von Compliance und interner Revision oder gar Personenidentität der jeweils Verantwortlichen besteht, müssen Vorkehrungen – zum Beispiel in Form von aus dem Kapitalmarktrecht bekannten Chinese Walls236 – getroffen werden, um Interessenkonflikten vorzubeugen.237 In völliger Unabhängigkeit von der Corporate Compliance muss hingegen die Prüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit der Funktion der Corporate Compliance selbst durch die interne Revision erfolgen. Interne Revision heißt nach obigen Ausführungen prozessunabhängige Kontrolle. Wenn nun das System der Corporate Compliance selbst der zu prüfende unternehmerische Prozess ist, verbietet sich insoweit schon nach dem Verständnis der internen Revision als nicht am Prozess beteiligtes Prüfungsverfahren ein wechselseitiger Informationsaustausch. Dies durch geeignete Vorkehrungen238 zu gewährleisten, ist Vorstandsaufgabe.

234 Während nach der unter § 2 E.III.1. vorgestellten betriebswirtschaftlichen Definition der internen Revision erkennbar eine funktionale Trennung von interner Revision und Vorstandstätigkeit vorgesehen ist, sind im deutschen Aktienrecht nach den Ausführungen unter § 2 E. III.2.a) keine solchen Vorgaben für eine Trennung beider Tätigkeiten erkennbar. Hierzu Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, 161, 168. 235 So sieht Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 64 die Trennung der Tätigkeit der internen Revision von der Funktion des Compliance-Beauftragten als zwingendes Erfordernis an. 236 Hierzu z. B. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 136 f. 237 Kort, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 407, 414 f. 238 Vgl. Fn. 236.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

IV. Compliance – Controlling Controlling ist ein weiteres Instrument der Unternehmensleitung, welches womöglich mit Compliance in Konkurrenz tritt. 1. Gegenstand des Controlling Der Begriff des Controlling bedeutet in wörtlicher Übersetzung in etwa Beherrschen, Steuern, Lenken.239 Eine weiterführende Beschreibung jenes Begriffs aus der Betriebswirtschaft besagt, dass das Controlling „…durch die Koordination von Planung, Kontrolle sowie Informationsversorgung die Führungsfähigkeit von Organisationen zu verbessern hilft.“240 Charakteristisch für Controlling ist zudem, dass es eine der Unternehmensleitung dienende Funktion ohne eigene Entscheidungsgewalt einnimmt.241 Während sich das traditionelle betriebliche Rechnungswesen an unternehmensexterne Informationsempfänger richtet und retrospektiven Charakter trägt, ist das Controlling eine Fortentwicklung dessen mit Blick in die Zukunft. Außerdem richtet es sich an den Vorstand als unternehmensinternen Informationsempfänger.242 So soll das Controlling die Unternehmensführung dadurch unterstützen, dass es durch sachgerechte Aufbereitung von betriebswirtschaftlichen Daten eine zukunftsorientierte Steuerung und Überwachung des Unternehmensgeschehens ermöglicht.243 Das Controlling offenbart durch einen andauernden Soll/Ist-Vergleich und eine daran anknüpfende Untersuchung etwa­ iger Planabweichungen der Unternehmensleitung frühzeitig, welche Fehlentwicklungen im Unternehmen von statten gehen.244 Ähnlich wie die interne Revision ist auch die Funktion Controlling in funktioneller Hinsicht ein Unternehmenselement, welches den Vorstand bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen soll.245 Im Gegensatz zur internen Revision246 wird das Controlling prozessbegleitend aktiv.247 Mit anderen Worten dient das Controlling dazu, dem Vorstand einer Aktien 239

Langenscheidt – Routledge, Fachwörterbuch, 4. Aufl. 2011, S. 185. Horvath, Controlling, 12. Aufl. 2011, S. 67 f. 241 Dieter Schneider, DB 1991, 765, 765. 242 Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 246 f.; ders., AG 1991, 262, 263. 243 Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 181. 244 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 41. 245 Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 448; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 241. 246 Hierzu oben unter § 2 E.III.1. 247 Hofmann, Unternehmensüberwachung, 2. Aufl. 1993, S. 256; trotz der unterschiedlichen Aufgabenbereiche von Controlling und interner Revision sind Überschneidungen der Tätigkeiten denkbar. Insofern sollten beiden Instrumenten die Arbeitsergebnisse des jeweils anderen Instruments – soweit dort relevant – zur Verfügung stehen, was die Effizienz beider Systeme steigert, vgl. hierzu auch Hofmann, Unternehmensüberwachung, 2. Aufl. 1993, S. 258. Zu den Grenzen der Zusammenarbeit beider Instrumente Reißig-Thust/Weber, Controlling & Compliance, 2011, S. 31. 240

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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gesellschaft diejenigen betriebswirtschaftlichen Informationen über den aktuellen Zustand des Unternehmens selektiv aufzubereiten und bereitzustellen, welche er zur effektiven Unternehmensleitung und zur Egalisierung etwaiger Fehlentwicklungen benötigt.248 2. Aktienrechtliche Vorstandspflicht zum Controlling a) Herleitung der Pflicht Obwohl das Controlling in der Unternehmenspraxis längst verbreitet ist,249 ist nach wie vor fraglich, ob eine gleich lautende Vorstandspflicht besteht. So findet der Begriff des Controlling im Aktiengesetz250 keinerlei Erwähnung, gleichwohl wird in der juristischen wie auch betriebswirtschaftlichen Literatur vermehrt eine solche Vorstandspflicht vertreten.251 Teilweise geht man wegen § 91 Abs. 2 AktG von der reflexartigen Existenz einer Vorstandspflicht zum Controlling aus, denn die wohl herrschende Meinung sieht den Vorstand nach § 91 Abs. 2 AktG als dazu verpflichtet an, zu kontrollieren, ob unter anderem die durch Controlling errungenen Erkenntnisse zeitnah dem Vorstand mitgeteilt würden.252 Wenn es nach § 91 Abs. 2 AktG eine Pflicht zur Überwachung der zeitnahen Übermittlung von mittels Controlling erlangten Informationen gibt, dann muss auch eine Pflicht zur Vornahme des Controlling selbst 248 Gleichwohl ist der Begriff Controlling im Detail nicht abschließend fassbar. Dies liegt auch an der vielfältigen Verwendung des Begriffs als Zusatz für die verschiedensten Steuerungsbereiche im Unternehmen als so genanntes „Bindestrich-Controlling“ (z. B. PersonalControlling, Logistik-Controlling, usw.), vgl. hierzu Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaft, 24. Aufl. 2010, S. 180. 249 Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251. 250 Einzig in Ziff. 4.1.4 DCGK findet sich in Form der unverbindlichen Wiedergabe geltenden Rechts die Formulierung: „Der Vorstand sorgt für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen.“ Allerdings meint der DCGK mit dem Ausdruck Risikocontrolling nichts anderes als das in § 91 Abs. 2 AktG vorgesehene Überwachungssystem. So Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 641, 638; eingehend hierzu Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 162 ff., insbes. 167; vgl. im Zusammenhang mit dem Terminus Risikomanagement auch schon oben unter § 2 E. I.1. 251 H. M., vgl. Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 452; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 41; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 84, 107; für den Holdingverbund Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn.  93 ff.; Götz, AG 1995, 337, 338; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251 f. 252 Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, 2. Aufl. 2003, § 91 Rn. 24; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 8; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 51; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 13; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 18; Wiesner, in: M ­ ünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 6; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1681 ff.; weitere Nachweise hierzu oben bei Fn. 94.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

existieren. Anderenfalls ginge die Pflicht zur Kontrolle, ob die durch das Controlling errungenen Erkenntnisse zeitnah dem Vorstand mitgeteilt würden, ins Leere. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass § 91 Abs. 2 AktG mit seiner Fokussierung auf bestandsgefährdende Entwicklungen nur in den Grenzen dieses Anwendungsbereichs eine Pflicht zum Controlling normieren kann. Dieses Risikocontrolling253 hinsichtlich bestandsgefährdender Entwicklungen ist aber nur ein Ausschnitt aus der Materie des Controlling nach betriebswirtschaftlichem Verständnis. Über das Risiko-Controlling hinaus lässt sich also aus § 91 Abs. 2 AktG keine Pflicht zum allgemeinen Controlling herleiten. Zur Begründung der aktienrechtlichen Pflicht zum Controlling könnte man weiter auf die vorangestellte allgemeine Gesetzesbegründung des KonTraG verweisen. Dort findet sich der einleitende Hinweis, im Rahmen des vielschichtigen Kontrollsystems des deutschen Aktienrechts sei zunächst die Errichtung einer unternehmensinternen Kontrolle (interne Revision, Controlling) entscheidend.254 Näher liegend ist die Herleitung der Vorstandspflicht zur Vornahme des Controlling als Ausprägung der Leitungs- und Sorgfaltspflichten des Vorstands nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG: Die Unternehmensleitung durch den Vorstand umfasst nach einhelliger Ansicht neben anderen unternehmerischen Führungsfunktionen auch die Unternehmensplanung und -kontrolle.255 Die Erfüllung beider Führungsfunktionen setzt voraus, dass der Vorstand über alle relevanten Informationen hinsichtlich seines Unternehmens verfügt.256 Zur institutionellen Ermittlung, Filterung und Aufbereitung dieser Informationen hat sich der Vorstand neben der internen Revision257 auch des Controlling zu bedienen.258 253

Vgl. Fn. 250. So die allgemeine Begründung des RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 11. 255 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 18; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 16; Arnold, in: Marsch-Barner/ Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 15; Götz, AG 1995, 337, 338; näheres zu den unternehmerischen Führungsfunktionen als Gegenstand von Rechtspflichten unter § 5 A.II. 256 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 223; allgemeiner Semler, ZGR 2004, 631, 667, wonach jedes Vorstandsverhalten eine ordnungsgemäße Sachverhaltsermittlung voraussetze. Näheres zur Informationsversorgung als Grundlage für Leitung unter § 4  B. I. 257 Hierzu oben unter § 2 E.III.2. 258 So auch Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 84; in dieselbe Richtung Wettich, Vorstandsorganisation, 2009, S. 59; ähnlich Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251; einen ähnlichen, aber dennoch anderen Standpunkt vertritt Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 452, wonach sich aus den Vorschriften der §§ 76 Abs. 1, 91 Abs. 1 und 2 und 93 Abs. 1 S. 1 AktG Sorgfaltspflichten destillieren ließen, die als Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung zu bezeichnen seien. Teil jener GoU sei wiederum die Entwicklung und Vorhaltung eines funktionsfähigen Controlling. Zur Frage der allgemeinen Verrechtlichung jener GoU näher und m. w. N. Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 36; Hommelhoff/ 254

E. Abgrenzung zu Führungsinstrumenten im unverbundenen Unternehmen

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Wie bei der Reichweite der Pflicht zur internen Revision259 muss auch hinsichtlich der Reichweite der Pflicht zum Controlling gelten, dass der Vorstand bei der Frage der Ausgestaltung der Controlling-Funktion sein unternehmerisches Leitungsermessen voll ausschöpfen kann. Dementsprechend kann der Vorstand anhand der Umstände des Einzelfalls entscheiden, ob er beispielsweise eine Controlling-Abteilung nach betriebswirtschaftlichem Vorbild errichtet, oder ob er selbst in der Lage ist, die Controlling-Funktion sachgerecht auszuführen, was gerade in kleineren, nicht börsennotierten Gesellschaften finanzielle Vorteile bringen kann.260 b) Verrechtlichung des Controlling Wie die interne Revision ist das Controlling im Aktiengesetz nicht ausdrücklich mit dem Charakter einer Rechtspflicht vorgesehen und stammt ursprünglich aus der Betriebswirtschaft. Daher müssen auch für die Verrechtlichung des Controlling die allgemeinen Grundvoraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Errungenschaften erfüllt sein.261 Erstens ist das Controlling nur dann zur Verrechtlichung geeignet, wenn es in der Betriebswirtschaft als gesichert angesehen wird und dort bereits hinreichend praktisch etabliert ist. Beides ist nach allgemeiner Ansicht der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis der Fall.262 Zweitens darf das Controlling nicht in Widerspruch zu geltendem Recht stehen. In der unverbundenen Gesellschaft muss – ähnlich wie auch bei der Verrechtlichung der internen Revision – darauf geachtet werden, dass die Auferlegung der Pflicht zum Controlling das unternehmerische Leitungsermessen des Vorstands aus § 76 Abs. 1 AktG nicht unzulässig beschneidet.263 Eine derartige Gefahr besteht nur, wenn man mit der Annahme der Pflicht zum Controlling ein bestimmtes Handeln des Vorstands verbindet. Solche konkreten inhaltlichen Anforderungen Schwab, zfbf 1996 Sonderheft 36, S. 149, 171 ff. m. w. N.; schon hier deutet sich an, dass sich das Controlling nicht abschließend der einen oder anderen unternehmerischen Führungsfunktion zuordnen lässt. Dazu näher unter § 5 B.III.7.d)aa). 259 Siehe oben unter § 2 E.III.2. Die dortige Argumentation ist hier entsprechend verwertbar. 260 Ebenso aus betriebswirtschaftlicher Sicht Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 183; a. A. Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 84, der wohl unabhängig von den Umständen des Einzelfalls von der Pflicht zur Errichtung und Unterhaltung einer Controlling-Abteilung ausgeht. In gegensätzlicher Richtung anderer Ansicht ist Gernoth, DStR 2001, 299, 300, wonach Controlling an sich nur betrieben werden müsse, wenn die Komplexität des Unternehmens oder des Geschäftsfeldes diese Anforderung stellten. 261 Zur Herleitung jener Voraussetzungen oben unter § 2 E.III.2.b). 262 Hofmann, Unternehmensüberwachung, 2. Aufl. 1993, S. 53; Horvath, Controlling, 12. Aufl. 2011, aus dem Vorwort zur 1. Auflage (1979), S. VI; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251. 263 Wohl ebenso Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 204.

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§ 2 Compliance – Einführung und Abgrenzung

stellt die Pflicht zum Controlling aber gerade nicht auf: Der Vorstand soll selbst entscheiden, in welcher Form er die Pflicht zum Controlling – in Abhängigkeit von branchen- oder unternehmensspezifischen Faktoren – in der eigenen Gesellschaft selbst oder durch Beauftragte erfüllt.264 In diesem Ausmaß ist die Pflicht zum Controlling nichts anderes als die inhaltliche Ausfüllung der Leitungs- und Sorgfaltspflichten des Vorstands nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG und wahrt sein Leitungsermessen. Sieht man den Vorstand im Rahmen des Controlling nicht als verpflichtet an, ein bestimmtes betriebswirtschaftliches Controlling-System vorzuhalten, so erfüllt das Controlling alle Voraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse. 3. Konkurrenzverhältnis zu etwaiger Compliance-Pflicht Der Vorstand der Aktiengesellschaft ist nach oben gewonnenem Befund verpflichtet, in seiner Gesellschaft für Controlling zu sorgen. Eine Pflicht zur Compliance kann ihn daneben nur treffen, wenn sich diese inhaltlich vom Gegenstand des Controlling unterscheidet. Das Controlling dient dem Vorstand als Informationsquelle in Bezug auf relevante betriebswirtschaftliche Unternehmensdaten zur Leitung und Überwachung des Unternehmens. Solche Daten können auch aus Sicht der Corporate Com­ pliance relevant werden, nämlich dann, wenn betriebswirtschaftliche Fehlentwicklungen im Unternehmen auf rechts- oder regelwidriges Verhalten von Mitarbeitern der Gesellschaft zurückzuführen sind. Auch insoweit sind – ähnlich wie schon in Bezug auf das Konkurrenzverhältnis der Compliance zur internen Revision erörtert – Synergie-Vorteile erzielbar, wenn die jeweilige Compliance-Stelle die durch das Controlling erhobenen Daten ebenfalls nutzen kann.265 Über diesen gemeinsamen Schnittpunkt hinaus unterscheiden sich Aufgaben und Tätigkeiten der Corporate Compliance von denen des Controlling. So ist die Gewinnung und Auswertung betriebswirtschaftlicher Unternehmens-Daten nur einer von mehreren Daten-Kanälen zur Gewinnung Compliance-relevanter Daten. Daneben arbeitet Corporate Compliance auch auf der Basis von durch Whistleblowing oder unternehmensinterne Ermittlungen gewonnenen Informationen. Betriebswirtschaftliche Unternehmens-Daten können zwar Compliance-relevant sein, der Focus von Corporate Compliance richtet sich jedoch darüber hinaus auch auf andere Daten im Unternehmen.

264

Oben Fn. 260. In diese Richtung gehen auch die Erwägungen von Reißig-Thust/Weber, Controlling & Compliance, 2011, S. 9 f. 265

F. Zusammenfassung

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Während der Auftrag des Controlling mit der Aufbereitung und Übermittlung von Daten an den Vorstand endet, versucht die Corporate Compliance Mittel und Wege zu finden, um erkannte oder auch nur theoretisch mögliche Gesetzes- oder Regelverstöße in der Gesellschaft präventiv zu verhindern. Aber auch Fragen der adäquaten Ahndung von Compliance-Verstößen sind Teil der Corporate Compliance. Umgekehrt befasst sich das Controlling neben der prozessabhängigen Erhebung von – möglicherweise Compliance-relevanten – betriebswirtschaftlichen Unternehmensdaten auch mit koordinatorischen Aufgaben, um so den Vorstand bei der effizienten Leitung der Gesellschaft zu unterstützen. Die mögliche Vorstandspflicht zur Corporate Compliance und die bestehende Vorstandspflicht zum Controlling gehen in verschiedene Richtungen über die aufgezeigte Schnittmenge hinaus. Die Corporate Compliance wird also von dem Controlling nicht „konsumiert“.

F. Zusammenfassung Corporate Compliance bedeutet branchenunabhängige Befolgung aller jeweils einschlägigen Gesetze und Regeln durch alle Mitarbeiter eines Unternehmens. Corporate Compliance erfasst neben der Wahrung geltenden Rechts durch den Vorstand auch die Schaffung einer Organisationsstruktur, die rechts- und regelkonformes Verhalten nachgeordneter Mitarbeiter fördert. Corporate Compliance nützt der Gesellschaft, indem finanzielle Haftungsschäden minimiert werden. Aber auch von positiven Reputationseffekten effektiver Compliance profitiert die Gesellschaft. Corporate Compliance berührt zwar andere Instrumente der Unternehmensleitung, die ihrerseits nur teilweise verrechtlicht sind. Namentlich das Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG, die interne Revision und das Controlling sind Gegenstand aktienrechtlicher Vorstandspflichten. Jedoch wird Corporate Compliance von keinem der genannten Instrumente inhaltlich vollständig abgedeckt. Daher kann Corporate Compliance gesonderter Gegenstand einer aktienrechtlichen Vorstandspflicht sein.

§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance im unverbundenen Unternehmen Vorstehend war stets die Rede von einer „etwaigen aktienrechtlichen Vorstandspflicht zur Corporate Compliance“. Im Folgenden soll erörtert werden, ob eine branchenunabhängige Vorstandspflicht zur Corporate Compliance in Aktiengesell­ schaften besteht, und – falls dem so ist – wie weit jene Compliance-Pflicht reicht. Diese Untersuchung bezweckt Aussagen über Pflichten des Mutter-Vorstands zur Corporate Compliance. Allerdings ist das deutsche Aktienkonzernrecht dadurch gekennzeichnet, dass es nur aus Teil-Regelungen besteht. Ein umfassendes, eigenständiges Aktienkonzernrecht gibt es nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Versuch unternommen, das Konzernrecht der Aktiengesellschaften in das Aktiengesetz zu integrieren.266 Aus diesem Grund sind einige konzernrechtliche Fragen durch die Auslegung von Vorschriften zu beantworten, die ihrem Wortlaut nach nur für die unverbundene Gesellschaft gelten. Auch vor der Beantwortung der Frage nach einer Vorstandspflicht zur Corporate Compliance im Konzern muss daher geklärt sein, ob und inwieweit eine solche Pflicht in der unverbundenen Aktiengesellschaft existiert. Das Bestehen und die Reichweite einer branchenunabhängigen aktienrechtlichen Vorstandspflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation sind nach wie vor nicht abschließend geklärt.267 Eine aktienrechtliche Regelung zu dieser Thematik existiert nicht. In der juristischen Diskussion haben sich mehrere vertretbare Ansätze für und gegen eine aktienrechtliche Vorstandspflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation etabliert.

A. „Offenlassen“ der Frage nach einer Rechtspflicht zur Corporate Compliance Vereinzelt wird vertreten, die Frage nach einer aktienrechtlichen Vorstandspflicht zur Corporate Compliance könne oder müsse unbeantwortet bleiben.268 Zwar verdient das Argument, aus Sicht des Vorstands sei die Einhaltung von Nor 266 Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, Vorbemerkungen zum Dritten Buch – Verbundene Unternehmen, S. 373 ff. 267 Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1104. 268 Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S. 292; Liese, BB 2008 Special 5 zu Heft 25, S. 17, 22, für den sich bereits aus den von § 91 Abs. 2 AktG und § 130 OWiG normierten Pflichten hinreichende Or-

B. Herleitung von Compliance-Pflichten aus dem DCGK 

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men und anderen Regeln in der eigenen Gesellschaft ein Gebot der Vernunft, der Sache nach Zustimmung. Jedoch hat die Begriffsbestimmung von Corporate Compliance ergeben, dass Corporate Compliance über das eigene rechtsund regeltreue Verhalten des Vorstands hinaus auch die Schaffung einer effizienten Organisationsstruktur umfasst, die Gesetzes- und Regelverstöße im gesamten Unternehmen minimiert. Die Existenz einer solchen Organisationspflicht lässt sich also nicht unter Verweis auf die aktienrechtliche Legalitätspflicht269 nach § 76 Abs. 1 AktG verneinen. Gerade vor dem Hintergrund einer etwaigen Innenhaftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG für die Versäumung von Compliance-Maßnahmen muss geklärt sein, ob und evtl. inwieweit er zur Durchführung solcher Maßnahmen in der eigenen Gesellschaft verpflichtet ist.270

B. Herleitung von Compliance-Pflichten aus dem DCGK Mittlerweile berührt der DCGK an drei verschiedenen Stellen die Thematik der Corporate Compliance. Neben der bereits vorgestellten Ziff. 4.1.3 DCGK271 greifen auch die Ziffern 3.4 Abs. 2 und 5.3.2 S. 1 DCGK das Phänomen Corporate Compliance auf. Die Reichweite etwaiger Compliance-Pflichten lässt sich durch die genannten Passagen des DCGK aber nicht näher bestimmen, denn die KodexKommission hat sich bewusst dafür entschieden, auch im Bereich der Compliance der Transparenz den Vorzug vor größtmöglicher Detaillierung zu gewähren. Gleichzeitig soll dem Vorstand damit zur Wahrung seines unternehmerischen Ermessens ein hohes Maß an Flexibilität zugestanden sein.272 Für die Frage, ob sich aus einzelnen Ziffern des DCGK generell aktienrechtliche Pflichten herleiten lassen, ist zum einen relevant, ob die jeweilige Passage des DCGK eine Empfehlung oder Anregung ausspricht oder ob sie geltendes Gesetzesrecht widerspiegelt. Zum anderen muss die bereits angesprochene Frage nach der Rechtsverbindlichkeit des DCGK berücksichtigt werden.

ganisationspflichten herleiten lassen, die aber nicht mit dem Begriff Compliance zu bezeichnen seien; anders Rodewald/Unger, BB 2006, 113, 117, wonach die zunehmende Haftungsdichte für Organe von Kapitalgesellschaften Anlass genug sein sollte, von sich aus im eigenen Unternehmen eine Compliance-Organisation zu implementieren; dies., BB 2007, 1629, 1629. 269 Dazu sogleich unter § 3. B. 270 So auch Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 112; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 67 f. 271 Dazu oben unter § 2 A. 272 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 617.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

I. Charakter der genannten Passagen des DCGK Absatz 11 der Präambel (Ziff. 1 DCGK) des DCGK stellt klar, dass der DCGK je nach Formulierung unterscheidet zwischen für die Adressaten angesichts von Abweichungsmöglichkeiten unverbindlichen „soll“- bzw. „kann“-Vorschriften und Vorschriften ohne solche Formulierungen, die geltendes und von den Unternehmen zu beachtendes Gesetzesrecht wiedergeben. Eine Herleitung von Compliance-Pflichten aus dem DCGK ist insofern nur bei solchen Kodex-Passagen denkbar, die ihrerseits der Thematik der Corporate Compliance verbindlichen Charakter verleihen. Ziff. 4.1.3 DCGK weist keine solchen eine Unverbindlichkeit charakterisierenden Formulierungen wie „soll“ oder „kann“ auf und gibt – gemessen an den Regeln von Absatz 11 der Präambel des DCGK – geltendes Gesetzesrecht wieder. Dasselbe gilt auch für die Formulierung in Ziff. 3.4 Abs. 2 DCGK. Beide Ziffern befassen sich mit der Thematik der Compliance. Insofern könnte man aus den Ziffern 4.1.3 und 3.4 Abs. 2 DCGK womöglich Compliance-Pflichten herleiten, falls der DCGK die hierfür erforderliche Rechtsqualität aufweist. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Formulierung in Ziff. 5.3.2 S. 1 DCGK („Der Aufsichtsrat soll … einrichten …“) nach der Regel von Ziff. 1 Abs. 11 DCGK um eine letztlich unverbindliche Empfehlung, die keinen rechtsverbindlichen Charakter hat und folglich für die Frage nach einer CompliancePflicht irrelevant ist.

II. Rechtsverbindlichkeit des DCGK Kodex-Passagen, die wie die Ziffern 4.1.3 oder 3.4 Abs. 2 DCGK nicht einer die rechtliche Unverbindlichkeit der Passage kennzeichnenden Formulierungen wie „soll“, „sollte“ oder „kann“ versehen sind, könnten nur dann Rechtspflichten gleich welcher Art begründen, wenn der DCGK seinerseits den Charakter staatlich legitimierten Rechts hätte. Voraussetzung hierfür wäre, dass es sich bei dem DCGK um ein in einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Verfahren entstandenes Gesetz handelt.273 Der DCGK ist allerdings weder von einem parlamentarischen Gesetzgeber erlassen worden noch von der Bundesregierung auf Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung; vielmehr war mit der Schöpfung des DCGK eine Kommission von Privatpersonen durch das Bundesministerium der Justiz betraut worden, wobei sich diese Kommission keinerlei inhaltlicher Vorgaben des Bundesministeriums ausgesetzt sah.274 Aus diesen Gründen handelt es sich im Fall des DCGK um ein privates, demokratisch nicht legitimiertes

273

Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 42. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 51.

274

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften

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Regelwerk.275 Der DCGK selbst kann keine Rechtspflichten gleich welcher Art schaffen.276 In dieselbe Richtung lassen sich wohl auch die Ausführungen des ehemaligen Kommissionsvorsitzenden Gerhard Cromme im Vorwort des DCGK in der Fassung vom 26.2.2002 deuten, der klarstellt, dass der DCGK nicht den Anspruch erhebt, geltendes Recht „umfassend und in allen relevanten Facetten darzustellen“.277 Kodex-Bestimmungen, die wie Ziff. 4.1.3 DCGK keine die rechtliche Unverbindlichkeit der Bestimmung kennzeichnenden Formulierungen wie „soll“, „sollte“ oder „kann“ aufweisen, schaffen keine neuen, bis dato noch nicht existierenden Pflichten, sondern wollen nach Absatz 11 der Präambel des DCGK die lex lata widerspiegeln. Die Frage einer aktienrechtlichen Organisationspflicht zur Corporate Compliance ist damit nicht etwa seit der Aufnahme des Begriffs Compliance vor allem in Ziff. 4.1.3 DCGK geklärt.278 Dem Umstand, dass der DCGK in Ziff. 4.1.3 die Compliance als Vorstandspflicht nach geltendem Aktienrecht erachtet, ist allenfalls eine dahingehende Indizwirkung beizumessen. Da der DCGK in rechtstechnischer Hinsicht nicht in der Lage ist, eine Organisationspflicht zur Corporate Compliance zu normieren, sondern eine solche als geltendes Recht hinstellt, ist im Folgenden zu erforschen, ob sich jene Organisationspflicht womöglich aus der aktienrechtlichen Pflichtenlage herleiten lässt.

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften Im Aktiengesetz sind für die Frage nach dem Bestehen und der Reichweite einer Vorstandspflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation mehrere Normen diskussionswürdig. So könnte man eine solche Pflicht aus dem bereits vorgestellten § 91 Abs. 2 AktG herleiten, aber auch mit § 76 Abs. 1 oder mit § 93 Abs. 1 S. 1 AktG könnte sich eine Vorstandspflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation begründen lassen.

275 Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 72; Fischer zu Cramburg, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, DCGK Rn. 3; Semler, in: Münch KommAktG, 2. Aufl. 2003, § 161 Rn. 29; Schnabel/Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 6 Rn. 49; Seibt, AG 2002, 249, 250. 276 Gleichwohl haben Kodexempfehlungen best practice-Charakter. Sie zeigen aus Sicht der Corporate Governance wünschenswertes unternehmerisches Verhalten auf. Nach umstrittener h. M. beeinflusst die (Nicht-)Einhaltung der Kodex-Empfehlungen jedoch die Haftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG weder in die eine, noch in die andere Richtung. Näher hierzu und m. w. N. Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn.  32 ff. 277 Cromme, Ausführungen DCGK, 2002, abrufbar unter http://www.corporate-governancecode.de/ger/news/rede-cromme-20020226.html (letzter Abruf 31.7.2012). 278 So aber Bürkle, BB 2007, 1797, 1798.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

I. Compliance-Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG Die Begründung einer Vorstandspflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation aus § 91 Abs. 2 AktG fußt auf dem bereits angesprochenen Ansatz, wonach § 91 Abs. 2 AktG über die Pflicht zur Errichtung eines internen Überwachungssystems zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen hinaus auch die Pflicht zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems vorschreibe.279 In einem solchen umfassenden Risikomanagementsystem wäre die Thematik Corporate Compliance enthalten, da Compliance-Risiken – nämlich Risiken unternehmensinterner Gesetzes- oder Regelverstöße – auch Gegenstand eines solchen umfassenden betriebswirtschaftlichen Risikomanagementsystems sind. Wie bereits erörtert ist die Herleitung einer Pflicht zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems aus § 91 Abs. 2 AktG mit der Wortlautgrenze und dem aus der entsprechenden Gesetzesbegründung hervorgehenden Telos von § 91 Abs. 2 AktG nicht mehr vereinbar und mit der ganz herrschenden Meinung abzulehnen. Folgerichtig existiert keine Vorstandspflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation aus § 91 Abs. 2 AktG.280

II. Compliance-Pflicht aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG 1. Rechtspflicht an sich Die herrschende Ansicht in der juristischen Diskussion um eine Vorstandspflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation geht davon aus, dass eine solche Pflicht bereits aus der aktienrechtlichen Pflichtenlage heraus existiert.281 279

Siehe oben § 2 E. I.3. Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 65 f.; ähnlich Müller, Kartellrechts­ compliance, 2012, S. 78 f.; Koch, WM 2009, 1013, 1014; a. A. offenbar Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 168 f.; ähnlich Berg, AG 2007, 271, 274 f., Campos Nave/Bonenberger, BB 2008, 734, 735 und Spindler, WM 2008, 905, 906 f.; zu den Unterschieden zwischen Compliance-System und Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG schon oben unter § 2 E. I.1. 281 Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 18 (für die börsennotierte AG); Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 95 ff.; teilweise auch in diesem Sinne Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 43, 45; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47, § 93 Rn. 52; Habersack, in: Emmerich/ Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 87; Jens Hüffer/Uwe H. Schneider, ZIP 2010, 55; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9a; Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 62 Rn. 3; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 65 ff.; Krieger, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn.  5 f.; Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 113; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 34; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 624; Spindler, in: ­MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 17; ders., in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, 280

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften

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Ob zur Herleitung dieser Pflicht allein auf § 76 Abs. 1 AktG abzustellen ist282, ob § 93 Abs. 1 S. 1 AktG allein die richtige Rechtsgrundlage bildet283, oder ob sich diese Rechtsfolge aus dem Zusammenspiel beider Vorschriften ableitet284, ist unter den Vertretern der herrschenden Meinung nicht geklärt, spielt jedoch letztlich allenfalls eine dogmatische Rolle.285 § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet den Vorstand im Rahmen der Leitung und Geschäftsführung generell zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Dies gilt auch in Bezug auf die aus § 76 Abs. 1 AktG abzuleitende Verpflichtung zur Einhaltung gel§ 91 Rn. 35; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 73 f.; Casper, in: liber amicorum für Winter, 2011, S. 77, 85 ff.; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, 161, 168 ff.; Grundmeier, Compliance, 2011, S. 30; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 303 f.; Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 202 f.; Kindler, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 367; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983 f.; ders., in: Festschrift für Roth, 2011, S. 407, 409; Kremer, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 701 f.; wohl auch Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 726 ff.; ders., in: liber amicorum für Winter, 2011, S. 701, 702 f.; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1105 f.; Bauckhage-Hoffer/Katko, WM 2012, 486 f.; Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1, 3 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 2 f.; Forst, DuD 2010, 160, 161 ff.; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 392 f.; Götz, ZGR 1998, 524, 526 ff.; Koch, WM 2009, 1013 ff.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 118 ff.; Meier-Greve, BB 2009, 2555 f.; Pietzke, CCZ 2010, 45, 49 ff.; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 f.; Schürrle/Olbers, CCZ 2010, 102; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 f.; Vetter, DB 2007, 1963, 1964; Wiederholt/Walter, BB 2011, 968 f.; a. A. Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2010, 1509, 1510; Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 22 f, wonach eine Organisationspflicht zur Compliance erst dann entstehe, wenn „konkrete Verdachtsmomente, bereits vorliegende Erfahrungen mit Rechtsverstößen oder wiederkehrende Problemsituationen mit hohem Gefahrenpotenzial“ existierten; so auch Müller, in: Semler/Peltzer (Hrsg.), Arbeitshandbuch Vorstand, 2005, § 8 Rn. 90; Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 f.; Hauschka, ZIP 2004, 877, 878; wohl auch Schaefer/Baumann, NJW 2011, 3601 f. 282 So u. a. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 8; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 29; 283 So Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 95 ff.; andeutungsweise in dieselbe Richtung Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 45; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47, § 93 Rn. 52; Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 62 Rn. 3; Krieger, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 5 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 34; Spindler, in: ­MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 35; Ringleb, „ab einer entsprechenden Risikolage des Unternehmens“ in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 624; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 73 f.; Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1, 3 f.; Vetter, DB 2007, 1963, 1964. 284 So Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 113. 285 Die Sorgfaltsanforderungen von § 93 Abs. 1 S. 1 AktG ergänzen die Regelungen über die Leitungspflichten des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG in systematischer Hinsicht. Zwar stellt § 93 Abs. 1 S. 1 AktG auf die Geschäftsführung des Vorstands ab, während § 76 Abs. 1 AktG auf die Leitung der Gesellschaft abstellt. Da aber nach ganz überwiegender Ansicht (vgl. hierzu unter § 5 A. I.) Leitung einen Ausschnitt aus der Geschäftsführung markiert, lässt sich der Begriff der Leitung ohne weiteres unter Heranziehung der Aussagen beider Vorschriften definieren.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

tender Normen (Legalitätspflicht).286 Die aktienrechtliche Legalitätspflicht trifft den Vorstand als Ausschnitt aus der Aufgabe der Leitung der Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG.287 Sie normiert im Innenverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft eine interne Pflichtenbindung, deren Reichweite durch Aktiengesetz, Satzung und Geschäftsordnung ausgestaltet wird. Im Außenverhältnis zwischen der Gesellschaft und anderen Rechtssubjekten schafft die Legalitätspflicht eine externe Pflichtenbindung, die es dem Vorstand abverlangt, für die Einhaltung sämtlicher geltender Rechtsvorschriften durch die Gesellschaft zu sorgen.288 Darüber hinaus können Verstöße gegen die Legalitätspflicht im Außenverhältnis als externe Pflichtenbindung unter den Voraussetzungen von § 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 AktG auch im Innenverhältnis Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand nach sich ziehen.289 Generell geht man von einem Gleichlauf der Vorstandspflichten im Innen- und Außenverhältnis aus.290 Die Legalitätspflicht verlangt dem Vorstand über eigenes rechtstreues Verhalten hinaus auch ab, die Rechtstreue des Verhaltens von Mitarbeitern auf nachgeordneten Unternehmensebenen zu kontrollieren.291 Der sorgfältig handelnde Vorstand einer Aktiengesellschaft muss hierfür eine entsprechende Organisationsstruktur mit dem Ziel gesetzes- und satzungskonformen Verhaltens in der gesamten Gesellschaft implementieren,292 denn Teil der vom 286 Landwehrmann, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 93 Rn. 14; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 71; Raiser/Veil, Recht der Ka­ pitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 14 Rn. 14; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 64; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 213 f.; Ihrig, WM 2004, 2098, 2103. 287 Hierzu Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 4, 29; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47; Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 21; Habersack, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 429 ff.; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 301 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983; Lutter, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1998, 1999, S. 87, 90; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 721; Hauschka, AG 2004, 461, 465 f.; Hemeling, ZHR 175 (2011), 268, 370. 288 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 5 ff.; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 129; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 205. 289 Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 98; Mertens/Cahn, in: ­KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 77. 290 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 34; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 24; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 93 Abs. 1 Satz 2 n. f. Rn. 22; Landwehrmann, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 93 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 77. Zu möglichen Ausnahmen hiervon auf der Ebene der unverbundenen Gesellschaft unter § 3 D. I.2. sowie auf Konzernebene unter § 6 C.IV.1.c)aa). 291 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14 ff.; ders., CCZ 2008, 1, 2; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 98 ff.; Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 21; Habersack, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 429, 431 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403. 292 OLG Köln, Urteil vom 31.8.2000 – 18 U 42/0 – NZG 2001, 135, 136; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983 f.; Bürkle, BB 2005, 565, 567; Liese, BB Special 5 (zu BB 2008, Heft 25), S. 17 f.

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften

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Vorstand geschuldeten Leitungssorgfalt ist – korrespondierend mit der Legalitätspflicht – die Überwachung der gesetzmäßigen Ausführung delegierter Aufgaben durch nachgeordnete Unternehmensangehörige.293 Hält man sich zugleich die teils gravierenden (Haftungs-)Folgen für die Gesellschaft im Falle von Normverstößen und die stetig anschwellende Flut einzuhaltender Vorschriften294 vor Augen, so führt an einer vorbeugenden Compliance-Organisation in der Aktiengesellschaft kein Weg vorbei.295 Der Vorstand kann sich im Haftungsfall hinsichtlich der Frage nach dem „Ob“ der Implementierung und Aufrechterhaltung einer ComplianceOrganisation nicht auf die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen, da ihm insoweit kein Ermessensspielraum zusteht.296 Mit der Verpflichtung zur Vorhaltung einer Compliance-Organisation ist indes keinerlei Aussage über die Ausgestaltung jener Compliance-Organisation verbunden. Insbesondere sagt die Verpflichtung zur Compliance-Organisation nichts darüber aus, ob der Vorstand jene Aufgabe selbst wahrnimmt, oder diese auf nachgeordnete Instanzen in der Gesellschaft überträgt.297 2. Reichweite jener Rechtspflicht Außerhalb einzelner Branchen, in denen die Reichweite von CompliancePflichten teilweise ausdrücklich normiert ist298, finden sich im allgemeinen Aktienrecht keinerlei Anhaltspunkte in Bezug auf die Frage nach der Reichweite von Compliance-Pflichten. a) Einzelfallunabhängige Mindeststandards Geht man mit der oben geschilderten herrschenden Ansicht von der Existenz einer Pflicht zur Etablierung einer Compliance-Organisation in der Aktiengesellschaft aus, so muss geklärt werden, ob sich allgemeingültige Mindestanforderungen an jede Compliance-Organisation herleiten lassen, die der Vorstand jenseits eines unternehmerischen Ermessensspielraums zu erfüllen hat. Zur Beantwortung 293 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4; Fleischer, BB 2008, 1070, 1072; Forst, DuD 2010, 160, 161; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 395 f.; Koch, WM 2009, 1013, 1014. 294 So Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 720; ebenso Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645, 646. 295 Ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 45; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 35; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 60; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 73 f.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 181 f. 296 So auch Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 990 f.; Bürkle, BB 2005, 565, 569. Näher zum Verhältnis von Compliance zu der Business Judgment Rule des § 93 Abs 1 S. 2 AktG sogleich unter § 3 C.II.2. 297 Dazu im Folgenden unter § 3 C.II.2. 298 Hierzu unter § 3 D.II.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

dieser Frage ist es hilfreich, die Reichweite des unternehmerischen Leitungsermessens abzustecken. Nach allgemeiner Ansicht bedeutet die in § 76 Abs. 1 AktG normierte Leitung der Gesellschaft „unter eigener Verantwortung“, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft unternehmerische Entscheidungen unter den Voraussetzungen der Business Judgment Rule299 (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) nach eigenem Ermessen triff.300 Unternehmerische Entscheidungen sind Vorstandsentscheidungen, die in die Zukunft gerichtet sind, von Prognosen abhängen und deswegen einen nicht justiziablen Einschätzungsspielraum beinhalten.301 Dieser Ermessensspielraum steht dem Vorstand allerdings nicht schon im Rahmen des „Ob“ der Gewinnung und Auswertung von für unternehmerische Entscheidungen benötigten Informationen zu. Bei dem „ob“ der Sammlung und Auswertung von für unternehmerische Entscheidungen erforderlichen Informationen handelt es sich vielmehr um eine Rechtspflicht des Vorstandes,302 die den in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG normierten Sorgfaltspflichten entspringt.303 Dieser allgemeine Grundsatz zur Reichweite unternehmerischen Leitungsermessens findet auch auf dem Feld der Compliance Anwendung. Die Pflicht zur Implementierung eines Compliance-Systems verlangt dem Vorstand eine Entscheidung für eine bestimmte Organisation ab, die auf die konkreten Umstände in seiner Gesellschaft zugeschnitten ist. Berücksichtigt man die Fülle der vorhandenen Vorschläge zur Ausgestaltung von Compliance-Systemen, wird deutlich, dass es keine einzelfallunabhängig für alle Gesellschaften geeignete Organisationsform von Compliance gibt. Der Vorstand muss unter vielen verschiedenen Möglichkeiten der Compliance-Organisation eine unternehmerische Entscheidung zugunsten einer solchen treffen, die er ex ante betrachtet als für die eigene Gesellschaft geeignet erachtet. Die Entscheidung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Compliance-Organisation ist demnach eine unternehmerische Entscheidung, mit der Folge der Anwendbarkeit von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.304 Diese unternehmerische Entscheidung erfordert indes nach den oben angestellten Überlegungen, und zwar als Rechtspflicht ohne Ermessensspielraum, die Sammlung und Auswertung der 299

Hierzu jüngst kritisch Druey, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 58 ff. So schon vor der Einführung von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 881 f.; BGH, Urteil vom 21.12.2005 – NJW 2006, 522, 523; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 12; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 41; Göppert, Business Judgment Rule und Aufsichtsrat, 2010, S. 106 ff. 301 Begr.RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 302 Sinngemäß BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 881 f.; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 84 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 32 ff.; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 67. 303 A. A. insoweit Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 113, der zwar zum selben Ergebnis kommt, zur Begründung allerdings von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgeht. Aus seiner Sicht ließe sich im Einzelfall betreffs kleinerer Unternehmen eine abweichende Beurteilung begründen. 304 Näheres hierzu sogleich unter § 3 C.II.2.b). 300

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften

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als Entscheidungsgrundlage notwendigen Informationen. Der Vorstand ist also im Sinne eines Mindeststandards verpflichtet, sich umfassend über die ComplianceSituation in der eigenen Gesellschaft zu informieren und diese zu bewerten.305 Teilweise wird auch erwogen, stichprobenartige Kontrollen, wie sie nach der Rechtsprechung zu § 130 Abs. 1 OWiG Gegenstand einer Rechtspflicht sind, durch eine Verallgemeinerung dieser Rechtsprechung zu einem Mindeststandard der gesellschaftsinternen Compliance zu machen.306 b) Unternehmerisches Organisationsermessen: Auswahlermessen Bei der Ausgestaltung der konkreten Compliance-Organisation in der Gesellschaft steht dem Vorstand ein breiter unternehmerischer Ermessensspielraum zu.307 Der Vorstand darf und muss also eigenverantwortlich entscheiden, wie die Compliance-Organisation in „seiner“ Aktiengesellschaft konkret auszugestalten ist. In der juristischen Diskussion finden sich verschiedenste Vorschläge für die organisatorische Umsetzung von Compliance. Hierbei ist zwischen Compliance-Zuständigkeit und Compliance-Instrumenten zu unterscheiden. Die Compliance-Zuständigkeit 305 Ähnlich, wenn auch mit anderer Begründung Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 8 („Standortbestimmung“); Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 81; Hauschka, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, 51, 57; ders., NJW 2004, 257, 260; Itzen, BB-Special zu Heft 25.2008, 12, 14; Lampert, BB 2002, 2237, 2239; Meier-Greve, BB 2009, 2555, 2556; Schaupensteiner, NZABeilage 2011, 8, 10. 306 So z. B. Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1, 5 f; hierzu näher unter § 3 D. I.2. 307 Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 18 (für die börsennotierte AG); Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47, § 93 Rn. 52; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9b; Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 62 Rn. 3; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 65 ff.; Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 113; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 34; Ringleb, in: Ringleb/ Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 624; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 17; ders., in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 35; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 73 f.; Casper, in: liber amicorum für Winter, 2011, S. 77, 85 ff.; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, 161, 168 ff.; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 303 f.; Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 202 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S.  983 f.; ders., in: Festschrift für Roth, 2011, S. 407, 409; wohl auch Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 726 ff.; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1105 f.; Bauckhage-Hoffer/Katko, WM 2012, 486 f.; Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1, 3 f.; Bicker, AG 2012, 542, 544; Fleischer, CCZ 2008, 1, 2 f.; Forst, DuD 2010, 160, 161 ff.; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 392 f.; Götz, ZGR 1998, 524, 526 ff.; Hemeling, CCZ 2010, 21, 22 f.; Jens Hüffer/Uwe H. Schneider, ZIP 2010, 55; Koch, WM 2009, 1013 ff.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 118 ff.; Meier-Greve, BB 2009, 2555 f.; Pietzke, CCZ 2010, 45, 49 ff.; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 f.; Schürrle/Olbers, CCZ 2010, 102; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 f.; Vetter, DB 2007, 1963, 1964; Wiederholt/Walter, BB 2011, 968 f.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

betreffend besteht z. B. die Möglichkeit, einen internen oder externen Beauftragten zur Durchführung von Compliance einzusetzen.308 Weiter bietet es sich vor allem in größeren, börsennotierten Aktiengesellschaften an, Compliance-Aufgaben auf eine interne Compliance-Abteilung oder ein Compliance-Office zu übertragen.309 Als Compliance-Instrumente können beispielsweise Compliance-Hotlines und/oder -Helplines die Durchführung effektiven Whistleblowings unterstützen,310 mit Hilfe von Compliance-Richtlinien, -Handbüchern, -Programmen oder -Schulungen kann den Mitarbeitern norm- und regelgerechtes Verhalten vermittelt werden.311 Grundparameter, die in die Ermessensentscheidung über die konkrete Compliance-Ausgestaltung der jeweiligen Aktiengesellschaft einfließen sollten, sind beispielsweise die Größe des Unternehmens, der Unternehmensgegenstand, branchenbezogene Besonderheiten und einzuhaltende Vorschriften, der jeweilige Grad der Internationalisierung sowie frühere Missstände und Unregelmäßigkeiten.312 Im Fall börsennotierter Aktiengesellschaften werden tendenziell größere Erwartungen an die Compliance-Anstrengungen des Vorstands gestellt; so solle in solchen Aktiengesellschaften der Vorstand eine Ressortzuständigkeit313 für Compliance festlegen314 und einen Compliance-Officer berufen315. Weitergehend sehen manche 308 Hierzu Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 18; Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8; Moosmayer, Compliance, 2. Aufl. 2012, S. 38 ff.; Hauschka, NJW 2004, 257, 259; Lösler, WM 2008, 1098 ff. (je nach den Umständen des Einzelfalles wird jener Beauftragte auch als Compliance-Manager, Compliance-Officer oder Ombudsmann bezeichnet). 309 Hierzu Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011 § 109 Rn. 107; strenger, nämlich im Sinne einer gleichlautenden Rechtspflicht „bei nicht ganz kleinen Verhältnissen“ Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9b; ähnlich Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2174; zur umstrittenen Folgefrage der Unabhängigkeit des Compliance Officers Meier-Greve, CCZ 2010, 216 ff. 310 Siehe hierzu Unger, in: Umnuß (Hrsg.), Corporate Compliance Checklisten, 2. Aufl. 2012, 5. Kap. Rn. 109 ff. sowie Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645, 650. 311 Hierzu für Wertpapierdienstleister Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, 2003, S. 71 f. sowie Lampert, BB 2002, 2237, 2239 ff. 312 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 44; Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 114; ähnlich Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2010, 1509, 1511 f.; Bürkle, BB 2007, 1797, 1797 f.; Kort, NZG 2008, 81, 83. 313 Nach ganz herrschender Ansicht entbindet die Bildung eines Compliance-Ressorts den Gesamtvorstand nicht von seiner als Leitungsaufgabe zu qualifizierenden Compliance-Verantwortung, vgl. statt vieler Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 40; ders., CCZ 2008, 1, 3; Lösler, WM 2007, 676, 679. Zu den Grenzen zulässiger Delegation näher unter § 6 B.III.2. 314 Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 114. 315 Theisen, Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2007, S. 87 f.; Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 23 ff; Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2010, 1509, 1515.

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften

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einen Verstoß gegen § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als naheliegend an, wenn der Vorstand einer großen, börsennotierten Gesellschaft auf die Einführung eines umfassenden Compliance-Programms316 verzichtet.317 Aber auch der Kosten-Nutzen-Faktor sollte die Ermessensentscheidung über die Auswahl eines konkreten Compliance-Systems maßgeblich beeinflussen; vergleichsweise günstige Maßnahmen mit großem Nutzen und gleichzeitig geringen Kosten, so zum Beispiel eine effektive Informations- und Kommunikationsorganisation318, sollten aus Sicht des Vorstandes am ehesten als für das eigene Compliance-System verbindlich anzusehen sein.319 Umgekehrt steht die Intensität der gesellschaftsinternen Compliance auch unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit,320 denn grundsätzlich ist der Vorstand der Aktiengesellschaft verpflichtet, sein Auswahlermessen bei der Leitung der Gesellschaft am Unternehmensinteresse321 zu orientieren.322 Dies gilt auch für das Auswahlermessen im Rahmen der Gestaltung der konkreten Compliance-Organisation. Folglich fallen manche rechtlich möglichen Compliance-Maßnahmen aus der Bandbreite ermessenskonformer Compliance-Gestaltungen heraus, wenn sie dem Unternehmensinteresse zuwiderlaufen. Ein flächendeckendes, engmaschiges Kontrollnetz mit umfassenden Whistleblowing-Anforderungen an die eigenen Mitarbeiter wäre wohl denkbar am besten geeignet, Compliance-relevante Verstöße frühzeitig zu erkennen. So ließe sich ein potentieller Image- oder Vermögensschaden für die eigene Gesellschaft möglichst gering halten oder er entstünde gar nicht erst. Zugleich hätte eine solche Praxis jedoch auch negative Auswirkungen auf die Gesellschaft, denn eine Folge dieser hohen Kontrolldichte könnte im Verlust des Vertrauens der hiervon betroffenen Mitarbeiter in die Unternehmensleitung liegen, was schließlich das

316 Vorschläge zur inhaltlichen Ausgestaltung solcher Compliance-Programme bei Kremer/ Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 12 ff. oder Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn.  7 ff. 317 Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 91 Rn. 66; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. 318 Hierzu Rodewald/Unger, BB 2006, 113 f.; dies., BB 2007, 1629 f.; zu der Frage, ob insoweit eine aktienrechtliche Systemeinrichtungspflicht besteht, siehe Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S.  244 ff. 319 Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 82. Die Verpflichtung zur effektiven Informations- und Kommunikationsorganisation lässt sich allerdings ebenso unter das „altbekannte“ Pflichtenprogramm des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG subsumieren, ohne dass hierfür spezielle Compliance-Pflichten zu bemühen wären. Vgl. hierzu statt vieler Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 58. 320 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 45; ders., AG 2003, 291, 300; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, 161, 172; aus kartellrechtlichem Blickwinkel ders., ZWeR 2004, 75, 95. 321 Hierzu näher unter § 5 B.III.4.a). 322 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 13 ff.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

gesamte Betriebsklima negativ beeinflussen würde.323 Durch entsprechend aufwendige Maßnahmen könnte man wohl annähernd alle denkbaren Norm- oder Regelverstöße verhindern, jedoch ist – unter Berücksichtigung der angesprochenen Kosten-Nutzen-Relation – Compliance um jeden Preis nicht geschuldet.324 Andererseits muss auch beachtet werden, in welchem Verhältnis die Kosten der jeweiligen Compliance-Maßnahme zu finanziellen Sanktionen als mögliche Folge einer Verletzung Compliance-relevanter Normen stehen. Erweist sich eine ComplianceMaßnahme nämlich als wirkungsvoll, so würden deren Kosten durch eine Ersparnis finanzieller Sanktionen gegenüber der Gesellschaft egalisiert,325 was schließlich der Gesellschaft zugute kommt. Eine Verletzung von Sorgfaltspflichten durch den Vorstand kann – trotz eingetretenem Norm- oder Regelverstoß in der Gesellschaft – im Rahmen der Haftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG durch die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausgeschlossen sein. Dieser Fall tritt dann ein, wenn die unternehmerischen Entscheidungen des Vorstandes im Rahmen der Ausgestaltung des Compliance-Systems die Voraussetzungen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllen.326 Eine weitergehende Klassifizierung von Compliance-Risikogruppen im Sinne einer best practice327, innerhalb derer dieselben Compliance-Anforderungen und damit ein ähnlicher Ermessensmaßstab gelten könnten, ist vereinzelt ausdrücklich erwünscht.328 Für die Frage der Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG hel 323

Vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11.3.1986 – KBR 7/85 – WuW 1986, 744, 746; LAG Hessen, Beschluss vom 18.1.2007 – 5 TaBV 31/6 – CCZ 2008, 73, 75; Rogall, in: KarlsruherKommOWiG, 3. Aufl. 2006, § 130 Rn. 49. 324 Ähnlich in kartellrechtlichem Kontext schon BGH, Beschluss vom 11.3.1986 – KBR 7/85 – WuW 1986, 744, 747, wonach keine Notwendigkeit zu solchen betrieblichen Aufsichtsmaßnahmen bestehe, die alle vorsätzlichen Verstöße gegen betriebliche Pflichten verhindern. Zustimmend Fleischer, CCZ 2008, 1, 3. 325 Ähnlich Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 81 f.; zu den möglichen Auswirkungen einer vorhandenen und effizienten Compliance-Organisation auf die nationale und europäische Kartellbußgeldpraxis näher Müller, Kartellrechtscompliance, S.  167 ff. 326 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 99; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 45; ders., AG 2003, 291, 300; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 65 ff.; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 82; Bürkle, BB 2005, 565, 569 f.; Dreher, ZWeR 2004, 75, 93. 327 Der Begriff best practice stammt aus der US-amerikanischen Betriebswirtschaft und bedeutet in wörtlicher Übersetzung „bestes Verfahren“. Gemeint ist damit ein anerkanntes Erfolgsrezept zum Umgang mit einer bestimmten unternehmerischen Situation. Näher hierzu Hauschka, ZRP 2006, 258 f. 328 Hauschka, ZRP 2006, 258, 261 fordert ein Forum zur Präsentation und fachöffentlichen Diskussion von Praxisfragen zum Thema Compliance. Hierdurch könne eine abgestufte best practice für die Wirtschaft ermittelt werden, wodurch sich womöglich auch die gerichtliche Entscheidungspraxis beeinflussen ließe. Kritisch gegenüber dem best practice-Ansatz hin­ gegen ders., in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; zurück­ haltend auch Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 628.

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften

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fen solche Überlegungen jedoch zur Zeit nicht weiter. Hierfür wäre erforderlich, dass sich in Literatur und Praxis tatsächlich eine solche nach Risikoklassen abgestufte best practice entwickelt. Angesichts der Vielzahl der sich widersprechenden Vorschläge zu den Anforderungen an Compliance-Systeme in bestimmten unternehmerischen Sachverhalten ist dies nicht der Fall. Ob eine solche Systematisierung in Anbetracht der zahlreichen denkbaren Varianten unternehmerischer Einzelfälle überhaupt möglich ist, muss bezweifelt werden.329 Zudem müßte sich die Rechtsprechung eine derartige Klassifizierung zueigen machen. Ob und inwieweit dies in Zukunft geschieht, ist offen. Insofern darf sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft nicht dazu verleiten lassen, anstelle einer einzelfallorientierten Entscheidung auf Grundlage angemessener Informationen unreflektiert die Compliance-Maßnahmen der „seiner“ Gesellschaft entsprechenden Risikoklasse zu implementieren. Dann bestünde nämlich die Gefahr, andere weniger offensichtliche Compliance-Risiken zu übersehen, was eine Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zur Folge haben könnte. Ähnlich muss auch mit der Frage umgegangen werden, ob der Vorstand zur Erfüllung seiner Compliance-Pflichten alles Erforderliche getan hat, wenn die Compliance-Anstrengungen seiner Gesellschaft die Anforderungen des IDW PS 980330 erfüllen. Solche Prüfungsstandards sind zunächst an die Prüfungspraxis als im Verhältnis zur Gesellschaft unabhängige Dritte adressiert. Außerdem sind diese Prüfungsstandards keine Rechtsnormen, da der IDW als privatrechtlicher eingetragener Verein nicht zur Rechtssetzung befugt ist. Vielmehr sind sie mit einer Literaturmeinung gleichzusetzen, weswegen im Fall ihrer Befolgung durch den Vorstand nicht per se auf dessen Enthaftung geschlossen werden kann.331 Gleichwohl schadet es nicht, die Vorgaben des IDW PS 980 in die Ermessenserwägungen hinsichtlich der Ausgestaltung des eigenen Compliance-Systems einfließen zu lassen. Der Vorstand darf allerdings nicht blind auf die Funktionalität des Systems vertrauen, das nach IDW PS 980 auf die Risikoklasse seiner Gesellschaft zugeschnitten ist. Vielmehr muss er hinterfragen, ob die Umstände des Einzelfalls eine Anpassung dieses Systems an die Gegebenheiten innerhalb der eigenen Gesellschaft erfordern.332 329 In eine ähnliche Richtung geht die Kritik von Rieder/Jerg, CCZ 2010, 201, 206 gegen den sogleich zu thematisierenden IDW, PS 980. 330 Der Prüfungsstandard 980 des IDW vom 11.3.2011, WPg Supplement 2/2011, S. 78 ff., befasst sich aus der Sicht der Prüfungspraxis mit der ordnungsgemäßen Prüfung von Compliance Management Systemen, indem er die Überprüfung von Konzeption, Angemessenheit und Wirksamkeit jenes Systems standardisiert. Näher hierzu Moosmayer, Compliance, 2. Aufl. 2012, S. 90 f.; Eisolt, BB 2010, 1843 ff.; Görtz, CCZ 2010, 127 ff.; ders., BB 2012, 178 ff.; Willems/Schreiner, CCZ 2010, 214 ff.; Wolf, DStR 2011, 997 ff.; hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung des IDW, PS 980 unentschlossen Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9a. 331 Böttcher, NZG 2011, 1054, 1156 f.; Gelhausen/Wermelt, CCZ 2010, 208, 209; Rieder/ Jerg, CCZ 2010, 201, 207. 332 Ähnlich Rieder/Jerg, CCZ 2010, 201, 206.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

c) Ermessensgrenzen im Einzelfall Die Frage der organisatorischen Ausgestaltung der gesellschaftsinternen Compliance unterliegt nach den oben erfolgten Ausführungen grundsätzlich dem Auswahlermessen des Vorstands. Daneben sind auch Situationen denkbar, in denen der Vorstand in seinem Auswahlermessen eingeschränkt und womöglich gar einer Verpflichtung zur Vornahme bestimmter Handlungen ausgesetzt ist.333 Diskutiert wird über eine Ermessensreduzierung zunächst dann, wenn in der Gesellschaft Compliance-relevante Rechts- oder Regelverstöße eingetreten sind oder Umstände bekannt sind, die auf eine konkrete Gefahr solcher Verstöße schließen lassen.334 Dass der Vorstand im Fall bereits eingetretener Verstöße oder der konkreten Gefahr solcher Verstöße einschreiten muss, um diese zu unterbinden, folgt schon aus der ihm obliegenden Legalitätspflicht. Neben eigenem rechtmäßigem Verhalten schuldet er hiernach auch die Sorge für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft als solcher, wovon auch das Mitarbeiterverhalten erfasst ist.335 Wie er indes konkret reagiert, kann er nach eigenem Ermessen entscheiden, wenn mehrere gleich effektive Möglichkeiten der Unterbindung oder Ahndung jener Verstöße vorhanden sind.336 Hierfür sind wiederum die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Ein weiteres Feld, auf dem aus rechtlicher Sicht konkrete Vorgaben an die Compliance-Anstrengungen des Vorstands erwogen werden, ist die Überwachung des Mitarbeiter-Verhaltens. Die Pflicht zur unternehmerischen Sorgfalt nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG umfasst neben der sorgfältigen Auswahl, Einweisung und Information nachgeordneter Mitarbeiter auch deren Überwachung.337 In der Recht 333 Einschränkungen des Leitungsermessens können hingegen auch nicht hinsichtlich der Ausgestaltung der Compliance-Organisation durch konkrete Satzungsregelungen vorgenommen werden. Der Vorstand genießt innerhalb der durch den Unternehmensgegenstand und allgemeine Festlegungen der Satzung gezogenen Grenzen ein satzungsfestes Leitungsermessen. So OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. 7.2006 – 8 W 271/6, 8 W 272/6 – AG 2006, 727, 728; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 24. 334 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 55 ff.; Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 33; Mertens/Cahn, in: ­KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 36; Spindler, in: ­MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 36; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1106; Bergmoser/ Theusinger/Gushurst, BB Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1, 5 f.; Bürkle, BB 2005, 565, 569 f.; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 399 f.; bei festgestellten Fällen von Korruption in Großunternehmen und Konzernen fordern Hauschka/Greeve, BB 2007, 165, 172 eine Compliance-Organisation, die „die Mitarbeiter über neuere Entwicklungen und Gefahren informiert, regelmäßig Schulungen abhält und sich mit entsprechenden Themen an regulären Fortbildungsveranstaltungen im Unternehmen beteiligt“. 335 So schon oben unter § 3 C.II.1. 336 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 56; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2178 f. 337 BGH, Urteil vom 7.11.1994 – II ZR 270/93 – DStR 1994, 1902, 1904; ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 101; ders., AG 2003, 291, 293 ff.; ­Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2205.

C. Herleitung von Compliance-Pflichten aus aktienrechtlichen Vorschriften

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sprechung zu § 130 Abs. 1 OWiG finden sich einige sehr detaillierte Vorgaben zur notwendigen Häufigkeit stichprobenartiger Kontrollen des Mitarbeiter-Verhaltens.338 Auch in Compliance-Systemen sind solche stichprobenartigen Kontrollen unter der Bezeichnung Compliance Auditing vorzufinden.339 Ob und in welchem Maß sich die Rechtsprechung zu § 130 Abs. 1 OWiG auch auf die CompliancePflichten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft auswirkt, ist gesondert zu erörtern.340 d) Keine Ermessensreduzierung durch sektorspezifische Spezialregelungen Teilweise werden in der Compliance-Diskussion Überlegungen dahingehend angestellt, ob einzelne Spezialregelungen als Auslegungshilfen für die §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG herangezogen werden könnten, um das oben angesprochene „Wie“ der Erfüllung von Compliance-Pflichten im Sinne einer Rechtspflicht näher einzugrenzen. Namentlich die Vorschriften der §§ 25a KWG, 33 WpHG und 64a VAG sind hier in der Diskussion. Solchen Überlegungen ist indes schon in systematischer Hinsicht entgegenzuhalten, dass hiermit spezialgesetzliche Einzelnormen genutzt würden, um einen allgemeinen Rechtsgedanken zu formen. Ein solcher Rückschluss vom Speziellen auf das Allgemeine ist allerdings methodisch nicht zulässig,341 denn die genannten Regeln tragen allesamt der erhöhten Risikoexposition des Finanzmarkt- und Versicherungssektors Rechnung.342 Eine verallgemeinernde Anwendung der spezialgesetzlichen Compliance-Vorgaben auf alle Aktiengesellschaften unabhängig von deren Branchenzugehörigkeit und Risikosituation würde die meisten Gesellschaften mit übertriebenen und unangemessenen Anforderungen überziehen.343 Außerdem hätte sich der Gesetzgeber – würde er den Organisationspflichten nach § 25a KWG die Bedeutung eines allgemeingültigen Rechtsgedankens beimessen – den Verweis des § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG auf § 25a KWG sparen können, da § 25a KWG als allgemeine Norm auch ohne ausdrückli 338 BGH, Beschluss vom 24.3.1981 – KRB 4/80 – wistra 1982, 34; BGH, Beschluss vom 11.3.1986 – KRB 7/85 – WuW 1986, 744 ff.; BayObLG Beschluss vom 10.8.2001 – 3 ObOWi 51/2001 – NJW 2002, 766, 767; OLG Stuttgart, Beschluss vom 7.9.1976 – 3 Ss 526/76 – NJW 1977, 1410. 339 Hierzu Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 47 ff. oder Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 34. 340 Dazu unter § 3 D. I. 341 Coing/Honsell, Staudinger-Eckpfeiler, Neubearbeitung 2008, S. 31, machen diese systematische Regel mit dem Merksatz „singularia non sunt extenda“ (Ausnahmevorschriften sind eng auszulegen) im Rahmen der Darstellung der Interpretationskanones deutlich. So auch Weber-Rey, AG 2008, 345, 358. 342 Wohl auch Fleischer, CCZ 2008, 1, 5; Forst, DuD 2010, 160, 163 ff.; Koch, WM 2009, 1013, 1020. 343 Ähnlich Spindler, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 985, 998.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

che Verweisung auf das Wertpapierhandelsrecht anwendbar wäre. Die Verweisung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG auf § 25a KWG zeigt, dass es sich bei der Vorschrift des § 25a KGW auch aus Sicht des Gesetzgebers um eine spezialgesetzliche Einzelnorm handelt, die in systematischer Hinsicht nicht geeignet ist, der Auslegung allgemeiner aktienrechtlicher Vorschriften wie der §§ 76 Abs. 1 und 93 Abs. 1 S. 1 AktG zu dienen.344 Überdies handelt es sich bei den genannten Vorschriften um solche, die Regelungen im Außenverhältnis der Gesellschaft zu Dritten treffen. Ob solche Regelungen an sich geeignet sind, die Vorstandspflichten im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft zu konkretisieren, ist gesondert zu untersuchen.345 e) Compliance-Dokumentation Auch das bestmögliche Compliance-System kann nicht vor vorsätzlichen Gesetzes- oder Regel-Verstößen einzelner Mitarbeiter schützen. Dies zu gewährleisten, ist der Vorstand weder imstande noch verpflichtet.346 Eine Enthaftung im Fall einer Inanspruchnahme durch die eigene Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG wird dem Vorstand jedoch nur gelingen, wenn er nachweisen kann, dass seine Ermessensentscheidungen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Compliance-Organisation die Vorgaben von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllen. Hierfür ist es im eigenen Interesse dringend erforderlich, zum einen die den jeweiligen Ermessensentscheidungen zugrundeliegenden Informationen und zum anderen die die Entscheidungen jeweils tragenden Erwägungen sorgfältig zu dokumentieren.347

344

Als Argument für die Gewinnung eines allgemeinen Rechtsgedankens aus der Spezialnorm des § 25a KWG ließe sich auf den ersten Blick das Urteil des VG Frankfurt a. M. vom 8.7.2004 – 1 E 7363/3, AG 2005, 264 ff. anführen. Dort zieht das VG Frankfurt a. M. im Rahmen der Auslegung von § 91 Abs. 2 AktG – auf den ersten Blick völlig systemwidrig – § 25a Abs. 1 KWG heran. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich jener Sachverhalt auf dem Gebiet des ebenfalls staatlich beaufsichtigten Versicherungsrechts zu einer Zeit abgespielt hatte, zu welcher die Regelung des § 64a VAG noch nicht existierte. Demzufolge ist die dieser Entscheidung zugrundeliegende Auslegung von § 91 Abs. 2 AktG nicht verallgemeinerungsfähig. Näher hierzu Dreher, ZGR 2010, 496, 531 ff. 345 Hierzu unter § 3 D.II. 346 So schon BGH, Beschluss vom 11.3.1986 – KRB 7/84 – WuW 1986, 744, 747. 347 So auch Hölters, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, 2011, § 93 Rn. 108; Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 34; Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 397 f.; Hauschka, AG 2004, 461, 464 ff.; Kiethe, GmbHR 2007, 393, 399 f.; allgemein Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 448; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121.

D. Compliance-Pflichten aus Organisationspflichten im Außenverhältnis 

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D. Umfassende Compliance-Pflichten aus Organisationspflichten im Außenverhältnis Die bislang erörterten möglichen Rechtsgrundlagen der Vorstandspflicht zur Corporate Compliance sind allesamt im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Vorstand anzusiedeln. Allerdings ist es denkbar, dass eine im Außenverhältnis der Gesellschaft zu Dritten bestehende Rechtspflicht zu Implementierung und Betrieb einer über das oben beschriebene Maß348 hinausgehenden Compliance-Organisation auch auf das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstand durchschlägt. Wenn eine solche Pflicht im Außenverhältnis bestünde, müsste der Vorstand womöglich auch im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft dieser Pflicht nachkommen. Gegenüber der eigenen Gesellschaft wäre er als Adressat der Legalitätspflicht349 nämlich dann auch für die Erfüllung jener Rechtspflicht zur umfassenden Compliance verantwortlich. Eine solche Compliance-Pflicht im Außenverhältnis ließe sich dogmatisch in den Bereich der unternehmerischen Organisationspflichten350 einordnen. Heute werden Organisationspflichten vor allem in verschiedenen Bereichen des Öffent­ lichen Rechts – sei es durch Gesetzgebung351 oder Rechtsanwendung352 – als staatliches Instrument des Eingriffs in die gesellschaftsinterne Organisation eingesetzt, um so die Erreichung von Zielen im öffentlichen Interesse zu fördern.353 354

I. Herleitung von Compliance-Pflichten aus §§ 130, 9, 30 OWiG Ein denkbarer Ansatz zur Herleitung einer Vorstandspflicht zur Implementierung einer umfassenden Compliance-Organisation baut auf §§ 130, 9, 30 OWiG auf.355 348

Vgl. insoweit soeben unter § 3 C.II.2. Hierzu schon oben unter § 3 B.II.1. 350 Umfassend zu Organisationspflichten im Unternehmen Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, passim. 351 Vgl. exemplarisch die §§ 25a KWG und 33 WpHG, wo weitreichende Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der unternehmerischen Organisation gestellt werden. 352 Zur Haftung für unternehmerische Pflichtverletzungen bei der Organisation der unternehmensinternen Aufsicht z. B. BGH, Beschluss vom 24.3.1981 – KRB 4/80 – wistra 1982, 34; BGH, Beschluss vom 25.6.1985 – KRB 2/85 – NStZ 1986, 34; BayObLG, Beschluss vom 10.8.2001 – 3 ObOWi 51/2001 – NJW 2002, 766 f.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.4.2006 – VI-2 Kart 5/5 OWi, VI-2 Kart 6/5 OWi – WuW 2007, 265 ff. 353 Spindler, WM 2008, 905, 906. 354 Kritische Gedanken zur Problematik staatlicher Einflussnahme auf die Unternehmensorganisation durch Rechtsprechung von Verwaltungs- und Strafgerichten äußert Dreher, AG 2006, 213 ff. 355 Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, 2003, S. 127 ff.; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 94 ff.; Bürkle, BB 5, 565, 568; Dreher, ZWeR 2004, 75, 93; Fleischer, AG 2003, 291, 299; Hauschka, ZIP 2004, 877, 878. 349

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

1. Wirkung von § 130 OWiG im Außenverhältnis Nach § 130 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Unternehmens Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die zur Verhinderung von Verletzungen inhabereigener, mit Strafe oder Bußgeld bedrohter Pflichten im Unternehmen erforderlich sind. § 9 OWiG erweitert den Anwendungsbereich von § 130 Abs. 1 OWiG auf von vertretungsberechtigten Organen juristischer Personen unterlassene Aufsichtsmaßnahmen. Für den Fall, dass es sich bei besagtem Unternehmen um eine Aktiengesellschaft als juristische Person nach § 1 Abs. 1 S. 1 AktG handelt, gilt § 130 Abs. 1 OWiG wegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG demnach für deren Vorstand als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft, § 78 Abs. 1 S. 1 AktG. § 30 OWiG ermöglicht unter den dortigen Voraussetzungen den Sanktionsdurchgriff auf das Gesellschaftsvermögen der juristischen Person.356 Die Haftung für Aufsichtspflichtverletzungen nach § 130 Abs. 1 OWiG fußt auf der allgemeinen Überlegung, dass ein Unternehmen keine haftungsrechtlichen Vorteile daraus ziehen darf, dass Pflichten des Unternehmens von anderen Personen wahrgenommen und verletzt werden. Im Fall der Delegation von betriebsbezogenen Aufgaben an nachgeordnetes Personal tritt – entsprechend der deliktsrechtlichen Haftung des Prinzipals für rechtswidriges Handeln des Verrichtungsgehilfens nach § 831 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB – nach § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG ein Haftungsdurchgriff auf das Unternehmen ein. Somit wird die durch arbeitsteiliges Handeln entstehende Strafbarkeitslücke geschlossen.357 Letztlich besteht hier eine Art Garantenstellung des Unternehmens, wie sie aus der strafrechtlichen Dogmatik unechter Unterlassungsdelikte bekannt ist, für die Erfüllung solcher Pflichten, deren Adressat das Unternehmen ist.358 Die von § 130 Abs. 1 OWiG normierten Pflichten zur Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen beinhalten nach einhelliger Lesart auch Organisationspflichten.359 Diese Organisationspflichten können sich nach einer Ansicht im Fall einer erhöhten Gefahrenlage derart verdichten, dass den Vorstand der Aktiengesellschaft die Pflicht trifft, eine auf Risikokontrollen und Schadensprävention gerichtete Compliance 356

Näher zum Zusammenwirken der genannten Vorschriften des OWiG Grützner/Leisch, DB 2012, 787 f. sowie Többens, NStZ 1999, 1 ff. 357 BGH, Urteil vom 13.4.1994 – II ZR 13/93 – NJW 1994, 1801, 1803. 358 So Rogall, in: KarlsruherKommOWiG, 3. Aufl. 2006, § 130 Rn. 2; ebenso Rengier, in: KarlsruherKommOWiG, 3. Aufl. 2006, § 8 Rn. 47 ff.; strittig ist, ob neben den betriebsbezogenen Pflichten auch allgemeine Pflichten im Zusammenhang mit der Betriebsführung unter den Anwendungsbereich von § 130 Abs. 1 OWiG fallen (so die h. M.). Hierzu näher und m. w. N. Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 100 ff. 359 BGH, Beschluss vom 24.3.1981 – KRB 4/80 – wistra 1982, 34; BGH, Beschluss vom 25.6.1985 – KRB 2/85 – NStZ 1986, 34; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.4.2006 – VI-2 Kart 5/5 OWi, VI-2 Kart 6/5 OWi – WuW 2007, 265 ff.; Bayer, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 85, 89; Rogall, in: KarlsruherKommOWiG, 3. Aufl. 2006, § 130 Rn. 40, 53; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 105; Fleischer, AG 2003, 291, 294; Wirtz, WuW 2001, 342, 343.

D. Compliance-Pflichten aus Organisationspflichten im Außenverhältnis 

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Organisation zu implementieren.360 Hierbei wird allerdings nur selten trennscharf zwischen der Vorstandspflicht im Außenverhältnis nach §§ 130 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG und derjenigen im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft unterschieden. Zwar bewirkt die durch § 130 Abs. 1 OWiG normierte Aufsichtspflicht eine weitreichende Verantwortung der Aktiengesellschaft und deren Vorstands im Außenverhältnis, denn nahezu alle öffentlich-rechtlichen Pflichten, denen eine Aktiengesellschaft ausgesetzt ist, sind mit Bußgeldern bewehrt. Als Beispiele hierfür sollen die Materien des Kartellrechts, des Wirtschaftsverwaltungs- wie auch des Umweltrechts genügen.361 Dennoch könnte sich eine umfassende Compliance-Pflicht mit der Begründung über § 130 Abs. 1 OWiG nur auf die von § 130 Abs. 1 OWiG erfassten öffentlichrechtlichen Pflichten beziehen. Corporate Compliance hingegen beschränkt sich nicht auf öffentlich-rechtliche Pflichten, sondern fokussiert auch privatrechtliche Regelungen, so zum Beispiel die Einhaltung unternehmensinterner Verhaltenskodizes, brancheninterner Standards oder vertraglicher Vereinbarungen.362 Auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts bleibt die Reichweite der Organisationspflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG hinter dem zurück, was unter der umfassenden Pflicht zur Corporate Compliance zu verstehen ist.363 Letztere zielt auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht nur auf die Vermeidung solcher Verstöße ab, die mit Bußgeld oder Strafe bedroht sind. Vielmehr soll durch Corporate Compliance langfristig die Einhaltung aller für die jeweilige Aktiengesellschaft einschlägiger öffentlich-rechtlicher Pflichten – unabhängig von deren Straf- oder Bußgeldbewehrung – gewährleistet werden.364 Der gewichtigste Anlass für die aktuelle Diskussion um die Herleitung von umfassenden Compliance-Pflichten aus § 130 Abs. 1 OWiG liegt in der Anwendung jener Norm durch Behörden und Gerichte in jüngerer Vergangenheit.365 360 Bayer, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 85, 89; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 94; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 70; Koch, WM 2009, 1013, 1015 f. 361 Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 94. 362 Vgl. hierzu oben § 2 A. 363 Vgl. verschiedene Vorschläge für die Ausgestaltung umfassender Compliance-Systeme z. B. bei Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 12 ff. oder bei Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 7 ff. 364 Insoweit übereinstimmend Liese, BB Special 5 (zu BB 2008, Heft 25), S. 17. 365 So zum Beispiel der u. a. auf § 130 Abs. 1 OWiG gestützte Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I gegen die Siemens-AG in Höhe von 395 Millionen Euro als Reaktion auf den Bestechungs-Skandal innerhalb des Siemens-Konzerns, abrufbar unter http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2008–12-PK/MucStaats.pdf (letzter Abruf 31.7.2012). Siehe auch den Fallbericht des Bundeskartellamts vom 9.2.2009 zum Bußgeldverfahren in der Tondachziegelbranche, Az. B1 – 200/6, wonach gegen die Etex Holding GmbH ein Bußgeld in zweistelliger Millionenhöhe wegen Aufsichtspflichtverletzung erlassen wurde, abrufbar unter www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Kartell/Kartell09/Fallberichte/B1-200-06Fallbeschreibung.pdf?navid=38 (letzter Abruf 31.7.2012).

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

Mehrfach wurden Kapitalgesellschaften mit hohen Bußgeldern belegt, weil die Unternehmensleitung oder ihr nachgeordnete Instanzen gegen straf- oder bußgeldbewehrte Vorschriften verstoßen hatten und keine oder nur unzureichende Aufsichtsmaßnahmen zur Verhinderung solcher Verstöße ergriffen wurden. Für betroffene Gesellschaften und deren Vorstände ist bedeutend, ob in solchen Fällen im Innenverhältnis Regressansprüche der Gesellschaft gegen deren Vorstände nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bestehen. 2. Unmittelbarer Einfluss auf Pflichten im Innenverhältnis Es besteht kein Automatismus dahingehend, dass der Pflichteninhalt von § 130 Abs. 1 OWiG eine über die Compliance-Pflicht aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG hinausgehende, umfassende Vorstandspflicht im Innenverhältnis bewirkt. Entscheidend hierfür ist die Beantwortung der Frage, wie sich eine Aufsichtspflichtverletzung des Vorstands nach § 130 Abs. 1 OWiG auf dessen Pflichtenlage im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft auswirkt. Grundsätzlich besteht ein Gleichlauf der Vorstandspflichten im Außen- und Innenverhältnis. Hat der Vorstand eine im Außenverhältnis bestehende Rechtspflicht verletzt, hat er auch im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft im Sinne von § 93 Abs. 2 S. 1 AktG eine Pflichtverletzung begangen.366 Weiter steht im Grundsatz fest, dass die Einhaltung geltenden Rechts als Legalitätspflicht nicht dem Leitungsermessen des Vorstands unterliegt,367 denn zur Einhaltung geltenden Rechts gibt es keine vertretbare Handlungsalternative. Folglich wäre dem 366 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 34; ders., ­ roßkommAktG, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 24; Hopt/Roth, in: G 4. Aufl. 2006, § 93 Abs. 1 Satz 2 n. f. Rn. 22; Landwehrmann, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 93 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 77; isoliert von dieser materiellrechtlichen Beurteilung ist die prozessuale Bewertung im Regress-Prozess gegen den Vorstand vorzunehmen. Denn hinsichtlich im rechtskräftigen Urteil oder Bußgeldbescheid gegen die Gesellschaft festgestellter Tatsachen besteht im RegressProzess keine Bindungswirkung. Über solche Tatsachen ist dann erneut Beweis zu erheben. Prozessual betrachtet hat der Vorstand demnach die Möglichkeit, im Regress-Prozess entlastende Tatsachen vorzubringen. Näher hierzu Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 48 ff. m. w. N. 367 Begr.RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 sowie BR-Drucks. 3/5, S. 19; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 67; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 53; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 713, 726; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4f; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 12; Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 26; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 990 f.; Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2006, 2189, 2190 f.; Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Paefgen, AG 2004, 245, 251 f.; teilweise a. A. mit unterschiedlichen Erwägungen z. B. Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345 oder Hellgardt, WM 2006, 1514, 1519.

D. Compliance-Pflichten aus Organisationspflichten im Außenverhältnis 

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Vorstand der „sichere Hafen“ durch den Ausschluss einer Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG stets verwehrt, wenn er – z. B. durch Bußgeldbescheid festgestellt – gegen die Organisationspflichten aus §§ 130 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verstoßen hat. Voraussetzung für die Erfüllbarkeit der Legalitätspflicht muss aus Sicht des Vorstands indes sein, dass die geltenden Vorschriften das vom Vorstand geforderte Verhalten ex ante klar und deutlich regeln. Der Vorstand muss erkennen können, was der Inhalt der ihm abverlangten Legalität ist. Hieran scheitert die pauschale Übertragung von im Außenverhältnis bestehenden Aufsichtspflichten im Sinne von § 130 Abs. 1 OWiG auf das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstand: Zum einen nennt § 130 Abs. 1 S. 2 OWiG als erforderliche Aufsichtsmaßnahmen lediglich in Form von Beispielen die Bestellung, sorgfältige Auswahl sowie Überwachung von Aufsichtspersonen. Weitere einzelfallunabhängige Organisationspflichten, die detaillierte Vorgaben machen und auf eine Pflicht zur umfassenden Compliance-Organisation hindeuten würden, sucht man bei § 130 OWiG vergebens. In der kartellrechtlichen Lehre sind zwar Ansätze für eine Systematisierung der Aufsichtspflichten erkennbar. So unterscheidet man dort die Bereiche Auswahl und Instruktion von Mitarbeitern, präventive Kontrolle sowie repressive Sanktionierung, wobei die Anforderungen in den genannten Bereichen jeweils dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen.368 Weiter ins Detail gehende Voraussetzungen für die Organisation des Unternehmens stellt die Rechtsprechung indes nur einzelfallbezogen auf.369 Darüber hinaus liefert die Kasuistik zu § 130 Abs. 1 OWiG keine klaren, einzelfallunabhängigen Regeln zur Erfüllung der Aufsichtspflicht im Außenverhältnis. Dementsprechend ist für den Vorstand einer Aktiengesellschaft ex ante nicht ersichtlich, welche Maßnahmen mit Sicherheit die Anforderungen von § 130 Abs. 1 OWiG erfüllen. Auch müssen Details der Organisation des eigenen Unternehmens dem Leitungsermessen des Vorstands überlassen bleiben. Nur so ist er in der Lage, flexibel und einzelfallbezogen Entscheidungen zum Wohl der Gesellschaft zu treffen.370 Anderenfalls wäre ein erfolgreiches Wirtschaften kaum denkbar.371 Angesichts 368 Ähnlich Hugger/Simon, in: Wieland/Steinmeyer/Grüninger (Hrsg.), Handbuch Com­ pliance-Management, 2010, S. 501 ff.; Rogall, in: KarlsruherKommOWiG, 3. Aufl. 2006, § 130 Rn. 40; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 105; Müller, Kartellrechtscompliance, 2012, S. 132 und 136 ff., der im kartellrechtlichen Kontext gesellschaftsformunabhängig für eine allgemeine Compliance-Organisationspflicht nach § 130 OWiG wirbt; Dreher, ZweR 2004, 75, 94 m. w. N.; Wirtz, WuW 2001, 342, 343. 369 Hierzu am Ende des Abschnitts. 370 Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 96; ders. Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 448 ff. 371 So schon BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 882; dem folgend Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 59; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 81 ff.; ders., in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 93 Abs. 1 Satz 2 und 4

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

der Unschärfe der Aufsichtsanforderungen von § 130 Abs. 1 OWiG sähe sich der Vorstand im Innenverhältnis genötigt, die Gesellschaft mit einem weitreichenden und womöglich übertriebenen Compliance-System zu überziehen. Auf diesem Weg würden zwar die Haftungsrisiken nach §§ 130 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sinken, was sich unmittelbar auf die Innenhaftung der Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG auswirken würde. Gleichzeitig führte ein solches System allerdings eine hohe Kostenlast für die Gesellschaft und könnte sich auf deren wirtschaftlichen Erfolg nachteilig auswirken.372 Einer der Leitgedanken hinter der Business Judgment Rule und der damit unter anderem bezweckten Gewährleistung der wirtschaftlichen Prosperität von Gesellschaften besteht indes darin, dass sich das Vorstandsmitglied unter den Voraussetzungen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG trotz fehlerhafter Entscheidungen enthaften können muss. Nur unter dieser Bedingung wird es ein Vorstandsmitglied wagen, bewusst risikoträchtige Entscheidungen zu treffen, welche aber gleichzeitig Chancen beinhalten und für den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft von großer Bedeutung sind.373 Ließe man es zu, dass staatliche Behörden und Gerichte auch mit Wirkung für die gesellschaftsrechtliche Beurteilung ex post im Detail festlegen könnten, welche organisatorischen Maßnahmen durch den Vorstand im Einzelfall geschuldet gewesen wären, läge hierin ein möglicherweise unzulässiger Eingriff in die nach Art. 12 und 14 GG verfassungsrechtlich geschützte unternehmerische Organisationshoheit der Aktiengesellschaft.374 Der elegantere und vorzugswürdige Weg besteht darin, im Rahmen des Schadensersatzanspruchs gegen das Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bei behördlich festgestellten Aufsichtspflichtverletzungen eine einschränkende Auslegung der Legalitätspflicht im Innenverhältnis vorzunehmen und somit das Telos der Business Judgment Rule nicht zu torpedieren.375 Demzufolge ist nicht jeder nF Rn. 48 ff.; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 12; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 41; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 9 ff.; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 29; Wiesner, in: ­MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 19 Rn. 18. 372 Eines der gewichtigsten Argumente vieler deutscher Großunternehmen gegen die Einführung eines Compliance-Programms in naher Zukunft liegt in der damit verbundenen zu hohen Kostenlast. So PricewaterhouseCoopers, Compliance und Unternehmenskultur, 2010, S. 17. Studie abrufbar unter http://www.pwc.de/de/risiko-management/studie-untersucht-denzusammenhang-zwischen-compliance-und-unternehmenskultur-in-grossunternehmen.jhtml (letzter Abruf 31.7.2012). 373 BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 882. 374 Ähnlich Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 96 f.; allgemeiner Fleischer, AG 2003, 291, 300; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 398 f.; nach Hemeling, ZHR 175 (2011), 268, 385 sind nur solche Eingriffe in die unternehmerische Handlungsfreiheit zu rechtfertigen, deren gesetzliche Grundlage mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu vereinbaren ist; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 141. 375 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 45; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 97; Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 29.

D. Compliance-Pflichten aus Organisationspflichten im Außenverhältnis 

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im Außenverhältnis nach §§ 130 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG festgestellte Verstoß gegen unternehmerische Organisationspflichten per se mit einem solchen des Vorstands im Innenverhältnis gleichzusetzen.376 Vielmehr erstreckt sich die Legalitätspflicht des Vorstands im Innenverhältnis nur auf die Bereitstellung einer wie auch immer gearteten Compliance-Organisation. Jenseits dieser allgemeinen Anforderung kann der Vorstand hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung dieser Organisation sein Leitungsermessen uneingeschränkt ausüben und sich insoweit nach den Voraussetzungen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG enthaften.377 Der regelmäßige Gleichlauf der Vorstandspflichten im Außen- und Innenverhältnis muss hier – wie auch in einigen anderen Sonderfällen378 – ausnahmsweise durchbrochen werden. Umgekehrt kann sich eine angemessene Compliance-Organisation über die Enthaftung des Vorstands nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Innenverhältnis hinaus auch auf die Haftung der Gesellschaft im Außenverhältnis nach § 130 Abs. 1 OWiG haftungsmildernd oder -ausschließend auswirken.379 Nur in den Bereichen, in denen die Rechtsprechung zu § 130 OWiG bereits konkrete Vorgaben erarbeitet hat, können diese die Reichweite der Legalitätspflicht im Innenverhältnis ausdehnen. Vor allem die Pflicht zur Vornahme unangekündigter Stichproben-Kontrollen des Mitarbeiter-Verhaltens auf Rechts- oder Regelverstöße hin darf mittlerweile als existent betrachtet werden. Das OLG Stuttgart stellte schon im Jahr 1976 klar, dass die Überwachungspflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG zumindest stichprobenartige Kontrollen erfordern.380 Auch der BGH nahm im Jahr 1981 zu dieser Frage Stellung und befand, dass jene stichprobenartigen überraschenden Kontrollen auch durch die interne Revision durchgeführt werden können.381 Auch das BayObLG forderte in Unternehmen, die Außenwirtschaftsbeziehungen unterhalten, mindestens monatliche stichprobenartige Kontrollen, durch welche mindestens ein Drittel der genehmigungspflichtigen Importe stichprobenartig erfasst wird.382 Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Aufsichtspflicht nach § 130 Abs. 1 OWiG die Vornahme unangekündigter Stichproben-Kontrollen umfasst. In diesem Maß findet ein von der herrschenden Mei 376 I. Erg. wohl ebenso Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9a; a. A. wohl Grützner/Leisch, DB 2012, 787, 790 f. 377 Ähnlich Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 996. 378 Auch in anderen Ausnahmefällen wird eine Durchbrechung des Gleichlaufs der Vorstandspflichten im Außen- und Innenverhältnis vertreten: So für Fälle nicht eindeutiger Rechtslage Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29; Landwehrmann, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 93 Rn. 12; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 75; Habersack, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 429, 436 f.; Fleischer, ZIP 2005, 141, 149; Zimmermann, WM 2008, 433, 435. Für Verstoßfälle, in denen die relevanten Normen Prognoseentscheidungen vorsehen, Roth, Unternehme­ risches Ermessen und Haftung, 2001, S. 103 ff. 379 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 627 f. 380 OLG Stuttgart, Beschluss vom 7.9.1976 – 3 Ss 526/76 – NJW 1977, 1410. 381 BGH, Beschluss vom 24.3.1981 – KRB 4/80 – wistra 1982, 34. 382 BayObLG Beschluss vom 10.8.2001 – 3 ObOWi 51/2001 – NJW 2002, 766, 767.

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

nung angenommener Gleichlauf der Aufsichtspflichten im Außenverhältnis und der Vorstandspflichten im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft statt, so dass der Vorstand seiner Gesellschaft gegenüber zur Vornahme unangekündigter Stichproben – neuerdings auch als Compliance Auditing383 bezeichnet – verpflichtet ist.384 Darüber hinausgehende Einzelheiten – so zum Beispiel die Frequenz oder organisatorische Anbindung der Stichproben-Kontrollen an andere Instrumente der Unternehmensleitung – darf und muss der Vorstand hingegen nach eigenem unternehmerischen Ermessen festlegen,385 da die Kasuistik zu § 130 Abs. 1 OWiG insoweit keine klaren Regelungen trifft. 3. Mittelbare Auswirkungen auf das Innenverhältnis durch Schadensabwendungspflicht Wie noch näher zu erörtern sein wird, muss der Vorstand bei der Leitung der Gesellschaft im Innenverhältnis das Unternehmensinteresse wahren, was auch die Abwendung wirtschaftlicher Schäden von der Gesellschaft umfasst.386 Solche wirtschaftlichen Schäden bringen auch nach § 130 Abs. 1 OWiG verhängte Bußgelder gegen die Gesellschaft mit sich. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Vorstand die nach § 130 Abs. 1 OWiG geahndete Aufsichtspflichtverletzung auch im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft anzulasten ist. Der denkbar effektivste Weg zur Vermeidung solcher Bußgelder ist die Schaffung eines entsprechenden Compliance-Systems, welches bußgeldrelevante Verstöße präventiv unterbindet. Hierzu ist der Vorstand schon nach Maßgabe der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet.387 Daher wirkt sich die Bußgeldpraxis im Außenverhältnis mittelbar auf die Compliance-Pflichten des Vorstands im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft aus. Die inhaltliche Ausgestaltung der Compliance-Anstrengungen liegt indes grundsätzlich unabhängig von deren ordnungswidrigkeitsrechtlicher Beurteilung im Leitungsermessen des Vorstands, wenn nicht die Umstände des Einzelfalls eine Ermessensreduzierung bewirken.388

383

Siehe oben Fn. 339. Im Ergebnis ebenso Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 54; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 628a; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 81; Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1, 5; Dreher, ZweR 2004, 75, 99 f.; im Konzern-Kontext Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; Hauschka/Greeve, BB 2007, 165, 167; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 132 f.; a. A. Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 67; Spindler, in: ­MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 38. 385 Ähnlich Grützner/Leisch, DB 2012, 787, 792; allgemeiner Reichert, ZIS 2011, 113, 118. 386 Hierzu näher unter § 5 B.III.4.a). 387 Vgl. oben unter § 3 C.II.1. 388 Hierzu oben unter § 3 C.II.2.c). 384

D. Compliance-Pflichten aus Organisationspflichten im Außenverhältnis 

89

II. Herleitung von umfassenden Compliance-Pflichten aus Rechtsanalogien In der Compliance-Diskussion ist nach wie vor umstritten, ob sich konkrete umfassende Compliance-Pflichten aus Rechtsanalogien herleiten lassen. Auffällig ist dabei, dass die Befürworter solcher Analogien überwiegend auf Vorschriften aus dem Bereich des öffentlichen Rechts wie auch des Strafrechts zurückgreifen, die sich mit Organisationspflichten der Geschäftsleitung im Außenverhältnis befassen. Also muss bei der Frage nach der Zulässigkeit dieser Analogien – entsprechend der Frage nach Compliance-Pflichten aus § 130 Abs. 1 OWiG – auch beachtet werden, ob sich solche Organisationspflichten im Außenverhältnis auch zu einer umfassenden Compliance-Pflicht im Innenverhältnis verdichten lassen. 1. Mögliche Ansätze für die Herleitung umfassender Compliance-Pflichten aus Rechtsanalogien U. H. Schneider leitet das Bestehen von weitreichenden Compliance-Pflichten im Wege einer Gesamtanalogie überwiegend aus öffentlich-rechtlichen und strafrechtlichen Vorschriften, namentlich aus § 130 OWiG, § 52a Abs. 2 BImSchG, § 53 KrW-/AbfG, Art. 11 der EG-Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche389 und § 14 Abs. 2 GWG her. Laut U. H. Schneider ist der hinter den genannten Einzelvorschriften stehende Rechtsgedanke verallgemeinerungsfähig und somit tauglicher Gegenstand einer Rechtsanalogie.390 Aus den genannten gesetzlichen Bestimmungen leitet U. H. Schneider auch konkrete inhaltliche Anforderungen an eine ordnungsgemäße ComplianceOrganisation ab, die über die Reichweite der Compliance-Pflichten nach herrschender Ansicht391 weit hinausgehen. So sei der Vorstand jeder Aktiengesellschaft beispielsweise verpflichtet, ein doppeltes Pflichtenheft zu führen, welches in ein Grund- und ein Einzelpflichtenheft zu unterteilen sei.392 Theoretisch denkbar wäre daneben die Herleitung von umfassenden, inhaltlich klar definierten Compliance-Pflichten aus einer Analogie zu den bank-, wertpapierdienstleistungs- und versicherungsaufsichtsrechtlichen Spezialnormen der §§ 25a Abs. 1 KWG, 33 Abs. 1 WpHG und 64a Abs. 1 VAG.393 Der Inhalt von 389 Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.12.2001 zur Änderung der Richtlinie 91/308/EWG zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche, ABl.EG 2002 Nr. L 344, S. 76. 390 So Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645, 648 f. 391 Hierzu oben unter § 3 C.II.2. 392 So Uwe H. Schneider, in ZIP 2003, 645, 649 f., insbesondere auch zu den inhaltlichen Einzelheiten betreffs Grund- und Einzelpflichtenhefts. 393 Zu § 25a Abs. 1 KWG vgl. Preußner, NZG 2004, 57, 59 sowie ders., NZG 2004, 303, 305, wonach § 25a Abs. 1 KWG eine „Schrittmacherrolle“ in Hinblick auf die Auslegung der §§ 91 Abs. 2 und 93 Abs. 1 AktG in Hinblick auf die dortigen Pflichten zum Risikomanagement zu-

90

§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

§ 25a Abs. 1 KWG (der wegen § 33 Abs. 1 WpHG auch für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen gilt) und § 64a Abs. 1 VAG erstreckt sich auf Organisationspflichten, die vornehmlich die Ausgestaltung des internen Risikomanagements regeln und daher nach obigen Feststellungen zum Zusammenhang zwischen Corporate Compliance und Risikomanagement394 auch konkrete Compliance-Pflichten inhaltlich definieren könnten. Sowohl die von U. H. Schneider vertretene Gesamtanalogie als auch die denkbare Analogie zu den §§ 25a KWG, 33 WpHG und 64a VAG würden demnach die Reichweite von aktienrechtlichen Vorstandspflichten zur Corporate Compliance gegenüber dem unter § 3 D.II.2. skizzierten Ausmaß erheblich ausdehnen. 2. Stellungnahme Beide soeben dargestellten Analogien müssten, um sich als rechtlich tragfähig erweisen zu können, die dogmatischen Voraussetzungen einer zulässigen Rechtsanalogie – nämlich zum einen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und zum anderen die Vergleichbarkeit der Interessenlagen und Normzwecke395 – erfüllen. Wie unter § 3 D.II.2.b) erörtert, genießt der Vorstand der Aktiengesellschaft bei der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Compliance-Organisation ein breites unternehmerisches Ermessen. Diese rechtliche Wertung fußt auch auf dem Umstand, dass eine zwingende aktienrechtliche Regelung zu Fragen der Ausgestaltung der konkreten Compliance-Organisation fehlt. Geht man davon aus, dass dieser Umstand eine planwidrige Regelungslücke bedeutet, so wäre die erste Anforderung für eine Analogiebildung erfüllt. Zugleich müssten aber die im Rahmen einer Analogie herangezogenen Normen mit der aktienrechtlichen Vorstandspflicht zur Corporate Compliance vergleichbar sein, was deren Interessenlage und Normzweck betrifft. Die den beiden vorgestellten Analogien zugrundeliegenden Normen entstammen allerdings überwiegend speziell branchenspezifischen Regelungskomplexen396, oder gelten zwar branchenübergreifend, weisen aber – im Gegensatz zur Thematik der Corporate Compliance – nur zu bestimmten Verhaltenspflichten oder Gesetzesverstößen einen speziellen Bezug auf397. Zwar berühren die für diese Analogien heranzuziehenden Rechtsnormen allesamt die Thematik Corporate Compliance. So befassen sich alle genannten Normen mit einzelnen Organisationsanforderungen, die zur komme. Ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 41. Siehe hierzu auch oben unter § 3 C.II.2.d). 394 Vgl. hierzu oben bei § 2 E. I.1. 395 Coing/Honsell, in: Staudinger-Eckpfeiler, Neubearbeitung 2008, S. 33 f. 396 Vgl. nur die §§ 25a Abs. 1 KWG, 33 Abs. 1 WpHG und 64a Abs. 1 VAG. 397 Zum Anwendungsbereich von § 130 Abs. 1 OWiG siehe oben unter § 3 D. I.1.

E. Zusammenfassung

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Einhaltung rechtlicher Pflichten seitens der Gesellschaft bestehen. Der in der Corporate Compliance verankerte umfassende und branchenübergreifende Ansatz, der alle Arten von Gesetzes- oder Regelverstößen umfasst, ist jedoch bei keiner der angeführten Spezialnormen auszumachen. All diesen in Hinblick auf eine Analogiebildung angeführten Normen ist weiter gemein, dass sie das dem Vorstand eigene Leitungsermessen hinsichtlich der Leitung seiner Gesellschaft einschränken. Die Rechtfertigung der hiermit verbundenen Eingriffe in die verfassungsrechtlich geschützte unternehmerische Organisationshoheit398 ist wohl in höherrangigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit zu finden. Jene höherrangigen Interessen bestehen allerdings nur fallgruppenbezogen, so zum Beispiel im systemrelevanten Finanzmarktsektor oder im Fall umweltrechtlich relevanter Aktivitäten einer Gesellschaft. Auch dieser Umstand spricht gegen die Vergleichbarkeit der jeweiligen Interessenlagen. Zudem besticht der Ansatz der herrschenden Ansicht, wonach der Vorstand bei der Ausgestaltung des konkreten Compliance-Systems ein breites Auswahlermessen genießt399, in mehrfacher Hinsicht: Jeder einzelnen Gesellschaft wird die Etablierung eines Compliance-Systems ermöglicht, das dem jeweiligen unternehmerischen Einzelfall am besten gerecht wird. Zugleich wäre es fragwürdig und unverhältnismäßig, einer kleinen (ggf. nicht börsennotierten) Aktiengesellschaft mit einer völlig anderen Risikostruktur unreflektiert dieselben Compliance-Anstrengungen abzuverlangen, wie sie beispielsweise nach den §§ 25a KWG, 33 WpHG für Finanzinstitute gelten.400

E. Zusammenfassung Die allgemeine Vorstandspflicht zur Corporate Compliance folgt aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG. Neben eigenem rechtstreuem Verhalten schuldet der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG auch die Kontrolle des Verhaltens nachgeordneter Mitarbeiter auf dessen Rechts- und Regelkonformität hin. Die Erfüllung der Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG erfordert hierzu die Errichtung einer ent­ sprechenden Organisationsstruktur, namentlich einer Compliance-Organisation. Hinsichtlich des „Ob“ der Errichtung einer Compliance-Organisation besteht kein Ermessensspielraum des Vorstands. Auch die umfassende Information und Bewertung der Compliance-Situation in der eigenen Gesellschaft trägt den Charakter einer Rechtspflicht ohne Ermessensspielraum. Die konkrete Ausgestaltung der Compliance-Organisation in der Gesellschaft unterliegt grundsätzlich dem am Einzelfall zu orientierenden Leitungsermessen 398

Hierzu schon oben unter § 3 D. I.2. Vgl. oben § 3 C.II.2.b). 400 Ähnlich Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9a; ders., in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 303 f.; Kindler, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 367, 371 f.; Müller, Kartellrechts­ compliance, 2012, S. 54 f.; Bürkle, BB 2005, 565, 568; Fleischer, AG 2003, 291, 299; sinn­ gemäß Hauschka, ZIP 2004, 877, 878. 399

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§ 3 Rechtsgrundlage und Reichweite der Vorstandspflicht zur Compliance

des Vorstands. Tendenziell strengere inhaltliche Anforderungen an die Compliance-Organisation gelten für große börsennotierte Gesellschaften. Bereits erfolgte Compliance-Verstöße oder die naheliegende Gefahr solcher Verstöße können zu einer Einschränkung des Compliance-Ermessens führen. Im Interesse der eigenen Enthaftung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sollte der Vorstand die für die Ausübung seines Ermessens maßgeblichen Erwägungen sorgfältig dokumentieren. Aus dem Kreis der Organisationsanforderungen nach § 130 Abs. 1 OWiG lässt sich auf das Innenverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft nur die Pflicht zur Vornahme regelmäßiger Stichproben (Compliance Audits) übertragen. Diese Pflicht besteht ohne Ermessensspielraum ungeachtet der Umstände des Ein­ zelfalls.

§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung auf die Leitungspflichten des Mutter-Vorstands In der unverbundenen Aktiengesellschaft hat der Vorstand nach dem Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG der eigenen Gesellschaft gegenüber die Pflicht und damit denknotwendig auch das Recht, die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Diese Leitung der Gesellschaft bildet nach herrschender Meinung einen herausgehobenen Ausschnitt aus der Geschäftsführung401 und umfasst die Führung der Unternehmenspolitik. Letztere ist vor allem durch eigenständige Entscheidungen in Bereichen wie unternehmensinterne Zielkonzeption, Organisation oder Geschäftspolitik charakterisiert.402 Wie bereits unter § 3 D.II.2.b) klargestellt, trifft der Vorstand alle Entscheidungen, die sich auf die Leitung der Gesellschaft im Sinne von § 76 Abs. 1 AktG beziehen, im Rahmen der Einhaltung geltenden Rechts grundsätzlich nach eigenem Ermessen. Fragt man nach der Existenz und Intensität einer Vorstandspflicht zur Konzernleitung, so ist zu berücksichtigen, dass verschiedene Rechtssubjekte mögliche Gläubiger eines Anspruchs auf Konzernleitung durch den Mutter-Vorstand sein können. Die hiesigen Ausführungen beschränken sich indes allein auf Existenz und Reichweite einer solchen Pflicht des Mutter-Vorstands gegenüber der eigenen Gesellschaft.403

A. Ablehnung einer umfassenden Konzernleitungspflicht Einige Vertreter im Schrifttum gehen davon aus, dass der Mutter-Vorstand gegenüber der eigenen Gesellschaft zur umfassenden Konzernleitung verpflichtet ist.404 Unterhalb der hohen Anforderungen jener umfassenden Konzernleitungs 401

Vgl. hierzu § 77 Abs. 1 AktG. Statt vieler Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 4. 403 Daneben wird diskutiert, ob der Mutter-Vorstand unter bestimmten Voraussetzungen auch der Tochter-Gesellschaft gegenüber zur Konzernleitung verpflichtet ist, vgl. nur Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 309 Rn. 35; ähnlich Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 309 Rn. 10; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 309 Rn. 3; Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 16; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 51; Emmerich, in: Gedächtnisschrift für Sonnenschein, 2003, 651, 653 f. 404 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, passim; in ähnlichem Sinne schon Lutter, in: Festschrift für Westermann, 1974, 347, 357; ebenso ders., in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 293, 297; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 947; Semler, Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, 1980, S. 107 ff.; ders., Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 402

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

pflicht existiert ein breites Spektrum von Ansätzen, die die Leitungspflichten des Mutter-Vorstandes im Konzern ebenfalls als erweitert erachten, in ihren Anforderungen aber hinter denen der umfassenden Konzernleitungspflicht zurückbleiben.405 Der Ausgangspunkt dieser – trotz mittlerweile mehr als 30-jähriger Diskussion – nach wie vor nicht abschließend geklärten Frage liegt darin, dass im Aktiengesetz keine speziellen Regelungen für konzernbezogene Pflichten des Vorstands der herrschenden Gesellschaft aufzufinden sind. Gleichwohl besteht aber – bedingt durch die verschiedenen Haftungsfolgen und Schutzvorschriften in den §§ 302 ff. sowie 308 ff. AktG, aber auch durch Fälle des konzernweiten Haftungsdurchgriffs406 – in der unternehmerischen Praxis wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion ein großes Interesse an klaren und eindeutigen Regeln, die den Umfang der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands im Konzern festlegen.

I. Begriffliche Klarstellung Der Begriff der umfassenden Konzernleitungspflicht soll hier so verstanden sein, wie er in dem gleichnamigen Werk Hommelhoffs407 etabliert wurde und so die breit angelegte Diskussion um die Leitungspflichten des Mutter-Vorstands im Konzern anregte.408 Hommelhoff meint mit der Verwendung dieses Terminus die Verpflichtung des Mutter-Vorstandes im Konzern, die eigene Einflussnahme auf das Tochterunternehmen bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen auszudehnen und jene Leitungsmacht auch tatsächlich auszuüben.409 Andere Autoren wiederum meinen mit der Verwendung des Begriffs Konzernleitungspflicht ohne Voranstellung des Adjektivs „umfassende“ die allgemeinen konzernrechtlich modifizierten Leitungspflichten des Mutter-Vorstandes im Konzern, ohne sich die Lehre Hommelhoffs von der umfassenden Konzernleitungspflicht zueigen machen zu wollen. Daneben finden sich in der juristischen Fachliteratur auch verschiedentlich Begriffe410 wie Pflicht zur Konzernoberleitung411 oder allgemeine Konzernleitungs1996, Rn. 257 ff., bei Rn. 271 hingegen mit abweichender Tendenz; mit letztgenannter Tendenz inzwischen auch ders., in ZGR 2004, 631, 656 f.; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, 95 ff.; Kropff, ZGR 1984, 112, 116; partiell zuletzt Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 293, 297. 405 Hierzu gesondert unter § 4 B.III. 406 Hierzu gesondert unter § 6 C.IV.1.a). 407 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, passim; insoweit begrifflich anders Semler, Leitung und Überwachung, 2. Auflage 1996, Rn. 275 ff., der jene Problematik unter der Überschrift „Verpflichtung zur Konzernführung“ ansiedelt. 408 Vgl. hierzu unter § 4. A.IV.1.c)bb). 409 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, passim und insbes. S. 43 ff. 410 Zu den im Schrifttum anzutreffenden unterschiedlichen Formulierungen vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 91 Fn. 371. 411 So Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 65; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 91.

A. Ablehnung einer umfassenden Konzernleitungspflicht

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verantwortung412. Insoweit handelt es sich ebenfalls um nichts anderes als die unter § 4 B.III. näher zu beleuchtende Diskussion über die Reichweite der durch Konzernierung modifizierten Leitungspflichten des Mutter-Vorstandes.

II. Annahme einer umfassenden Konzernleitungspflicht Eine Ansicht in der Literatur geht unabhängig von der Art der Konzernierung vom Bestehen einer umfassenden Konzernleitungspflicht des Vorstandes der Konzern-Mutter gegenüber der eigenen Gesellschaft aus, welche in ihrer Intensität der aus § 76 Abs. 1 AktG folgenden Leitungspflicht des Vorstandes einer Einzelgesellschaft gleichkommt.413 Eine weitreichende Forderung jener Ansicht besteht darin, dass bloße Herrschaftsmacht im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG zur Konzernleitung intensiviert werden müsse.414 Einfluss ermöglichende Beteiligungen müssten demnach vom Mutter-Vorstand zur Konzernbildung und Konzernführung genutzt werden.415 Eine bestehende Möglichkeit der Ausübung beherrschenden Einflusses416 nach § 17 Abs. 1 AktG müsse jedenfalls in den Grenzen des Rechts zu einer Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung in Sinne von § 18 Abs. 1 AktG ausgebaut werden.417 Zur Rechtfertigung ziehen die Anhänger dieser Ansicht vor allem die Auslegung von § 76 Abs. 1 AktG heran: § 76 Abs. 1 AktG verpflichte den Mutter-Vorstand, alle in seiner Gesellschaft vorhandenen Mittel – so auch etwaige im Gesellschaftsvermögen gehaltenen Beteiligungen an anderen Gesellschaften – zur Förderung des Gesellschaftszwecks einzusetzen. Gleichsam als Mittel zum Zweck für die Erfüllung der Pflicht zur Gesellschaftsleitung gehe daher auch die Pflicht zur Leitung des gesamten Konzerns aus § 76 Abs. 1 AktG hervor.418 412

Hierzu Lösler, in Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, 2003, S. 278 ff. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, passim; in ähnlichem Sinne schon Lutter, in: Festschrift für Westermann, 1974, 347, 357; ebenso ders., in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 293, 297; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 947; Semler, Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, 1980, S. 107 ff.; ders., Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 257 ff., bei Rn. 271 hingegen mit abweichender Tendenz; mit letztgenannter Tendenz inzwischen auch ders. in ZGR 2004, 631, 656 f.; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, 95 ff.; Kropff, ZGR 1984, 112, 116. 414 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 77. 415 So Semler, Leitung und Überwachung, 2. Auflage 1996, Rn. 275 ff., der allerdings in der dortigen Fn. 410 die Ansicht Hommelhoffs von der umfassenden Konzernleitungspflicht als zu weit gefasst bezeichnet: „Es gibt keine Verpflichtung, Konzernleitungsmacht in jeder nur denkbaren Weise auszuüben.“ 416 Zum Begriff des „beherrschenden Einflusses“ eingehend Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, 1978, S. 34 ff. 417 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 72, 77. 418 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 44 f. 413

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

Im bereits bestehenden Konzern geht dieser Leitungsauftrag nach Hommelhoff so weit, dass der Vorstand der Konzern-Mutter „das gesamte Konzerngeschehen bis in alle Einzelheiten der Tochteraktivitäten hinein durch seine Vorgaben leiten, die Durchführung seiner Entscheidungen kontrollieren und gegebenenfalls lenkend eingreifen“ muss.419 Einzig durch Satzungsänderung oder Entherrschungsvertrag könne die Hauptversammlung der Konzern-Mutter (mit satzungsändernder Mehrheit) jene umfassende Konzernleitungspflicht auf die bloße Pflicht zur Beteiligungsverwaltung reduzieren, was eine völlig autonome Leitung der Beteiligungsgesellschaft durch deren eigenen Vorstand ermöglichen würde.420

III. Kritik an der Annahme einer umfassenden Konzernleitungspflicht Dieser umfassenden Konzernleitungspflicht nach dem oben dargestellten Modell Hommelhoffs steht die herrschende Meinung in der Literatur aus verschiedenen Gründen zu Recht überwiegend ablehnend gegenüber. 1. Keine umfassende Konzernleitungspflicht bei faktischer Konzernierung Wenn Hommelhoff davon ausgeht, schlichte Abhängigkeitsbeziehungen müssten zu einem zentralen Konzern im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 1 AktG ausgebaut werden, so ist dem entgegenzuhalten, dass schon der Wortlaut der §§ 17 und 18 AktG, insbesondere die Formulierung von § 18 Abs. 1 S. 3 AktG, schlichte Abhängigkeitsbeziehungen im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG als rechtlich zulässig erachtet.421 In § 18 Abs. 1 S. 3 AktG wird die Vermutung, dass ein abhängiges und ein herrschendes Unternehmen einen Konzern im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 1 AktG bilden, als widerlegliche Vermutung ausgestaltet. Hierdurch stellt der Gesetzgeber klar, dass auch schlichte Abhängigkeitsbeziehungen nach § 17 Abs. 1 AktG Bestand haben können und nicht zwangsläufig zum Tatbestand des Konzerns im Sinne von 419 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 419; in diese Richtung wohl ansatzweise auch Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 155, wonach unabhängig von der Art der Konzernierung der Vorstand der herrschenden Aktiengesellschaft in Bezug auf die Konzernleitung die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen müsse; relativierend hingegen ders., in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 24, wo er der herrschenden Meinung insoweit beipflichtet, als diese eine stark dezentralisierte (und gerade nicht alle Möglichkeiten ausschöpfende) Konzernleitung ausreichen lässt. 420 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 43 ff., 104 f. 421 Bayer, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 18 Rn. 21; Koppensteiner, in: KölnKomm AktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Mertens, in: KölnKommAktG, 2. Aufl. 1996, Band 2, § 76 Rn. 55; ebenso Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 27 ff.

A. Ablehnung einer umfassenden Konzernleitungspflicht

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§ 18 Abs. 1 S. 1 AktG verdichtet werden müssen. Wäre der Gesetzgeber an dieser Stelle von Bestehen einer umfassenden Konzernleitungspflicht im Sinne Hommelhoffs ausgegangen, so hätte er entweder in § 18 Abs. 1 S. 3 AktG auf die Normierung einer widerleglichen Vermutung verzichtet oder jene Konzernleitungspflicht bereits in den allgemeinen Vorschriften der §§ 15 ff. AktG – jedenfalls aber in § 308 respektive § 311 AktG – fixiert. Auch der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 18 AktG 1965 lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Theorie Hommelhoffs entnehmen. Vielmehr findet sich dort die empirische Beobachtung, dass „herrschende Unternehmen ihren Einfluss in aller Regel zur Konzernbildung ausnutzen.“422 Dies lässt jedoch keinen Rückschluss auf die Annahme einer gleichlautenden Rechtspflicht zu. Auch unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs der allgemeinen konzernrechtlichen Tatbestandsvorschriften der §§ 15 ff. AktG, insbesondere der §§ 17 und 18 AktG, mit den in §§ 311 ff. AktG geregelten Rechtsfolgen faktischer Konzernierung ist dieser These zu widersprechen: In den §§ 308 ff. AktG wird hinsichtlich Leitungsmacht und Verantwortlichkeit zwischen den Fällen des Bestehens eines Beherrschungsvertrags im Sinne der §§ 291 ff. AktG und denen des Fehlens eines solchen Vertrags unterschieden. Die §§ 308 bis 310 AktG regeln die Fälle des Beherrschungsvertrags, die §§ 311 bis 318 AktG diejenigen des Fehlens eines Beherrschungsvertrags. Tatbestandliche Voraussetzung für die Rechtsfolgen der §§ 311 bis 318 AktG ist ausweislich des Wortlauts von § 311 Abs. 1 AktG gerade nicht die in § 18 Abs. 1 AktG definierte Konzernierung durch Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung, sondern die ausufernde Ausübung herrschender Einflussnahme, die definitionsgemäß dem Abhängigkeitstatbestand von § 17 Abs. 1 AktG zuzuordnen ist.423 Würde aber der Gesetzgeber im Sinne der Theorie Hommelhoffs von der Pflicht zur Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten zur Intensivierung der Konzernverbindung ausgehen, so dürfte er in den §§ 311 ff. AktG dem Rechtsanwender als mögliche Rechtsfolgen für die Fälle bloßer Abhängigkeit nur zwei Alternativen anbieten, nämlich entweder die Auflösung der Unternehmensverbindung oder deren Intensivierung, zum Beispiel durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags. Tatsächlich aber sind die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG als Schranken der Einflussnahme sowie verstärkte Berichts- und Prüfungspflichten ausgestaltet und verfolgen den Zweck, im Fall einer Abhängigkeitsbeziehung die abhängige Gesellschaft vor Schädigungen durch das herrschende Unternehmen zu schützen.424 422

Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 18 S. 33. I. Erg. auch Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 17 Rn. 5 sowie Vorb. § 311 Rn. 11. 424 Vgl. Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 311, S. 407; Kort folgert in: Großkomm AktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 139 für faktische Konzerne allein aus der Existenz des Ausgleichssystems der §§ 311 ff. AktG, dass – jedenfalls ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – der Mutter-Vorstand zur Leitung der Tochter anstelle des Tochter-Vorstands weder berechtigt noch verpflichtet sei. 423

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

Sie sollen also die Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen in den Fällen von Abhängigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 AktG auf ein zulässiges Maß beschränken. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass der Gesetzgeber schlichte Abhängigkeit und faktische Konzernierung im Rahmen der Einschränkungen durch die §§ 311 ff. AktG als gesetzlich möglich und nicht als rechtswidrigen Zustand erachtet. Dasselbe Argumentationsmuster lässt sich auch auf verschiedene andere konzernrechtliche Rechtsfolge-Normen des AktG anwenden, die tatbestandlich ebenfalls an das Vorliegen einer Abhängigkeitsbeziehung nach § 17 Abs. 1 AktG anknüpfen.425 Auch insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, der Tatbestand der schlichten Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG sei ein rechtswidriger Zustand.426 Ein weiteres Argument gegen das Bestehen einer umfassenden Konzernleitungspflicht als Leitungsauftrag an den Vorstand der Konzern-Mutter im bestehenden faktischen Konzern liegt im systematischen Verhältnis der Vorschriften der §§ 311 ff. AktG zu § 76 Abs. 1 AktG: Nach ganz herrschender Meinung wird der Leitungsauftrag an den Vorstand der abhängigen Gesellschaft aus § 76 Abs. 1 AktG durch die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG – anders als im Fall des Bestehens eines Beherrschungsvertrags nach § 308 Abs. 1 und 2 AktG – weder aufgehoben noch beschränkt.427 Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft leitet also die eigene Gesellschaft grundsätzlich unabhängig von Weisungen der herrschenden Gesellschaft nach den oben erläuterten Grundsätzen von § 76 Abs. 1 AktG,428 die Befolgung von Weisungen der herrschenden Gesellschaft liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es besteht keine Folgepflicht des Tochter-Vorstands in Bezug auf Weisungen des Mutter-Vorstands.429 Im Fall einer nachteiligen Weisung darf der Vorstand der abhängigen Gesellschaft diese Weisung nach dem Wortlaut von § 311 Abs. 1 AktG a. E. sogar nur dann befolgen, wenn durch den Nachteils-

425

Vgl. hierzu die Nennungen bei Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 17 Rn. 5 sowie bei Kraft, in: WP-Handbuch, 13. Aufl. 2006, Band 1, S. 2193 f.; Windbichler, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 17 Rn. 4 ff. 426 So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 29. 427 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94 – AG 1995, 512, 514; KG Berlin, Beschluss vom 3.12.2002 – 1 W 363/2 – NZG 2003, 441, 446; Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 317; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 104; Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbHKonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 77; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 311 Rn. 48; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 311 Rn. 139; Müller, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, Vor § 311 Rn. 6; Vetter, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 311 Rn. 1, 108, 129; Gessler, in: Festschrift für Westermann, 1974, S. 145, 155. 428 Siehe oben unter § 3 C.II.2.b). 429 Sinngemäß Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 532; Semler ZGR 2004, 631, 653.

A. Ablehnung einer umfassenden Konzernleitungspflicht

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ausgleich sichergestellt ist, dass der eigenen Gesellschaft durch die Befolgung der Weisung kein Nachteil im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG entsteht.430 Aus dem Blickwinkel der herrschenden Gesellschaft heißt das aber, dass im Fall der faktischen Konzernierung erweiterte Leitungspflichten der Muttervorstände nach der gesetzlichen Systematik nur insoweit bestehen können, als die Gegenkräfte aus dem Recht der abhängigen Gesellschaft die Ausübung von Leitungsmacht überhaupt zulassen.431 Da der Tochter-Vorstand im faktischen Konzern unverändert selbst Adressat der Leitungspflichten aus § 76 Abs. 1 AktG bleibt, können diese Pflichten nicht – wie von Hommelhoff postuliert – vollständig auf den Vorstand der Konzern-Mutter übertragen sein. Aus dem Leitungsauftrag an den Vorstand der Konzern-Mutter nach § 76 Abs. 1 AktG lässt sich daher nicht auf die Existenz einer umfassenden Konzernleitungspflicht schließen.432 Einzig durch faktische Einflussnahme kann der Mutter-Vorstand auf die Leitung der TochterGesellschaft Einfluss nehmen. Ob und inwieweit die Ausübung faktischen Einflusses erfolgreich ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob sich der Tochter-Vorstand den Wünschen des Mutter-Vorstands beugt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung lässt sich gegen die umfassende Konzernleitungspflicht weiter anführen, dass die intensive und zentrale Konzernleitung konzentrationsfördernde Auswirkungen auf die beteiligten Gesellschaften hätte.433 In der Praxis hängt allerdings der unternehmerische Erfolg der einzelnen konzernierten Gesellschaften oft von deren dezentraler Leitungsstruktur ab.434 Durch dezentrale Leitungsstrukturen wird zum einen in den einzelnen Konzerngesellschaften das Verantwortungsbewußtsein für die eigene Leistung erhöht435, zum anderen ermöglicht die so erzeugte Organisationsflexibilität eine ständige Anpassung an sich ändernde äußere Einflüsse mit dem Ziel effizienter Leitungsstrukturen.436

430 Im Rahmen jenes Nachteils-Vorteils-Ausgleichs ist § 311 AktG nach h. M. lex specialis gegenüber § 76 Abs. 1 AktG, so Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 311 Rn. 48; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 311 Rn. 160. Zur Schadensersatzpflicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft im Fall der Befolgung einer nachteiligen Weisung vgl. schon OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94 – AG 1995, 512 ff. m. w. N. 431 Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 11; Hüffer, AktG § 76 Rn. 17; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 72; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 65; Müller, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, Vor § 311 Rn. 6. 432 Hommelhoff vertritt in: Konzernleitungspflicht, 1982, S. 395 ff. die These, der von ihm zuvor propagierte umfassende Leitungsauftrag an den Mutter-Vorstand könne im faktischen Konzern durch einen Leitungsstruktur-Beschluss der Hauptversammlung der herrschenden Gesellschaft eingeschränkt werden. 433 Fleischer, DB 2005, 759, 760 f. 434 Hierzu näher unter § 5 B.II.1. 435 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 44 f.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 79 f. 436 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 44 f.; Fleischer, DB 2005, 759, 761.

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

2. Keine umfassende Konzernleitungspflicht bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung Auch im Vertragskonzern, auf den die §§ 308 bis 310 AktG Anwendung finden, ist die Annahme einer umfassenden Konzernleitungspflicht nicht zu rechtfertigen: Im Fall des Bestehens eines Beherrschungsvertrags ist der Vorstand der Konzern-Mutter nach § 308 Abs. 1 AktG berechtigt, dem Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft hinsichtlich deren Leitung Weisungen zu erteilen. Korrespondierend damit ist der Vorstand der abhängigen Gesellschaft – im Gegensatz zum Fall faktischer Konzernierung (§ 311 Abs. 1 AktG) – nach § 308 Abs. 2 S. 1 AktG verpflichtet, diesen Weisungen Folge zu leisten. § 308 Abs. 1 AktG erweitert nach herrschender Meinung die nach § 76 Abs. 1 AktG in Hinblick auf die eigene Gesellschaft bestehende Leitungsbefugnis um die Befugnis zum Eingriff in die Leitung der abhängigen Gesellschaft durch die Erteilung von Weisungen.437 Man kann dies unter dem Begriff der Konzernleitungsbefugnis zusammenfassen.438 Allerdings lässt die im Vertragskonzern vorhandene Befugnis zur Konzernleitung nicht automatisch den Rückschluss auf das Bestehen einer korrespondierenden Pflicht zur umfassenden Konzernleitung zu.439 Schon nach seinem Wortlaut gewährt § 308 Abs. 1 AktG dem Vorstand der Konzern-Mutter eindeutig nur das Recht zur Erteilung von Weisungen, von einer gleichlautenden Pflicht ist nicht die Rede.440 Auch die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 308 AktG 1965 spricht einzig von einem Recht und nicht von einer Pflicht des Mutter-Vorstands zur Erteilung von Weisungen.441 Weiter wird argumentiert, auch die nach herrschender Meinung zulässige Pauschalermächtigung zur Erteilung von Weisungen im Beherrschungsvertrag442 spräche dafür, dass der Mutter-Vorstand im Vertragskonzern nicht verpflichtet sei, von seinem Weisungsrecht intensiv Gebrauch zu machen. Vielmehr

437

Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 66; in diesem Sinne auch Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531 f. 438 So Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 142. 439 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 309 Rn. 52, der allerdings ausdrücklich nur von einer etwaigen Konzernleitungspflicht des Mutter-Vorstands gegenüber der beherrschten Gesellschaft spricht; ebenso Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 308 Rn. 60; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 13; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 795. 440 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 84; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 49. 441 Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 308, S. 403. 442 Hommelhoff geht in Konzernleitungspflicht, 1982, S. 315 davon aus, dass als integraler Bestandteil des Konzernkonzepts die konkreten Einschränkungen des Weisungsrechts im Beherrschungsvertrag festzulegen sind. Die h. M. hingegen (vgl. insoweit statt vieler Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 291 Rn. 63) verneint vor allem unter Hinweis auf den Wortlaut von § 291 AktG eine solche Pflicht zur Einschränkung des Weisungsrechts des Vorstands.

A. Ablehnung einer umfassenden Konzernleitungspflicht

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sei durch die Erteilung einer solchen Pauschalermächtigung dem Mutter-Vorstand zugebilligt, dass er nicht jede mögliche Weisung erteilen müsse.443 Vor dem Hintergrund von Systematik und Telos der §§ 308 ff. AktG muss indes die Frage gestellt werden, ob diese Vorschriften überhaupt dazu geeignet sind, die Leitungspflichten des Mutter-Vorstands seiner eigenen Gesellschaft gegenüber zu konkretisieren. §§ 308 bis 310 AktG regeln die Leitungsmacht sowie die korrespondierende Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Aktiengesellschaft.444 Verletzen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens445 bei der Wahrnehmung dieser Leitungsmacht Sorgfaltspflichten nach § 309 Abs. 1 AktG, so haften sie nach § 309 Abs. 2 AktG gegenüber der abhängigen Gesellschaft auf Schadensersatz. Diese Haftung resultiert daraus, dass im Rahmen erteilter Weisungen die Organzuständigkeit des Leitungsorgans der Tochter-Gesellschaft durch die Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens verdrängt ist.446 Demzufolge regeln die §§ 308 ff. AktG die rechtliche Stellung des herrschenden Unternehmens gegenüber der von ihm beherrschten Aktiengesellschaft. Der oben dargestellten herrschenden Meinung kann daher nur insoweit zugestimmt werden, als die durch den Beherrschungsvertrag begründeten Rechte und Pflichten des herrschenden Unternehmens gegenüber der beherrschten Aktiengesellschaft in Rede stehen. Für die Frage einer umfassenden Konzernleitungspflicht des Vorstands der Konzern-Mutter gegenüber der eigenen Gesellschaft bei vertraglicher Konzernierung sind die §§ 308 ff. AktG nach obigen Ausführungen ohne Aussagekraft. Hierfür ist vielmehr auf die Vorschriften abzustellen, welche die Leitungspflichten des Vorstands gegenüber seiner Gesellschaft regeln, nämlich die Vorschriften über die Verfassung der Aktiengesellschaft im Vierten Abschnitt des AktG, §§ 76 ff. AktG. Dort findet sich keine gesetzliche Regelung hinsichtlich der Leitungspflichten des Vorstands gegenüber seiner Gesellschaft in der Situation einer (vertraglichen) Konzernierung. Daher ist durch Auslegung von § 76 Abs. 1 AktG zu ermitteln, welche konkreten Verpflichtungen den Vorstand der Konzern-Mutter gegenüber seiner eigenen Gesellschaft im Fall des Bestehens eines Beherrschungsvertrags treffen.447 Nach der Intention von § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand die Gesellschaft in eigener Verantwortung, wobei ihm ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu-

443 Sinngemäß Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 13; Windbichler, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 825, 829. 444 Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, Vorbemerkungen zu §§ 308 ff., S. 402. 445 Vgl. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG. 446 Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 308 Rn. 2. 447 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 83 f.

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

gestanden ist.448 In dem weiten Entscheidungsbereich, den der Vorstand nach unternehmerischem Ermessen frei gestalten kann, ist in der unverbundenen Aktiengesellschaft nach ganz herrschender Meinung als ungeschriebene Leitungsaufgabe des Vorstands auch die Organisation der Gesellschaft – mithin die Festlegung der Unternehmensstruktur – anzusiedeln.449 Es ist also dem Ermessen des Vorstands450 überlassen, wie zentralistisch oder dezentral er die Hierarchiestrukturen des Unternehmens ausgestaltet, ob er selbst die Durchführung eigener Leitungsentscheidungen vornimmt oder dies durch Delegation auf nachgeordnete Unternehmensebenen überträgt.451 Vor diesem Hintergrund wäre es unschlüssig, an den Vorstand der Konzern-Mutter im Fall eines Beherrschungsvertrags hinsichtlich der ihm vertraglich unterstellten Leitung der Tochter-Gesellschaft strengere Anforderungen zu stellen, als diese für die Leitung der eigenen Gesellschaft gelten. Dieses Ergebnis lässt sich auch durch einen Seitenblick auf die hypothetische Rechtslage ohne Unternehmensverbindung begründen: In der unverbundenen Gesellschaft wären für deren Vorstand im Rahmen der Leitung der Gesellschaft die soeben erwähnten Ermessensgrundsätze anwendbar. Durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags unterstellt der Tochter-Vorstand diese Leitung – und damit auch sein Leitungsermessen – dem Vorstand der Konzern-Mutter. Auch bei der Leitung der Tochter-Gesellschaft kann der MutterVorstand deshalb auf das mit der Leitungsmacht übertragene Leitungsermessen zurückgreifen. Demnach verbietet es sich, mit der Annahme einer umfassenden Konzernleitungspflicht an die Leitung der Tochter-Gesellschaft durch den MutterVorstand strengere Anforderungen zu stellen, als diese ohne Eingehung der Unternehmensverbindung bei der Leitung der Tochter-Gesellschaft durch den TochterVorstand gelten würden. Aus diesen Gründen ist der herrschenden Meinung im Ergebnis beizupflichten, wonach hinsichtlich der Intensität der Konzernleitung ein unternehmerischer Ermessensspielraum des Vorstands der Konzern-Mutter besteht.452 Der Vorstand kann nach eigenem Ermessen über die Leitungsstruktur des Konzerns entscheiden, was dem Konzern Flexibilität und damit Anpassungsfähigkeit an sich ständig wandelnde wirtschaftliche Faktoren ermöglicht.453 Die von Hommelhoff postulierte umfassende Konzernleitungspflicht steht hierzu in Widerspruch, da sie in Hinblick auf die Intensität der Konzernleitung dem Mutter-Vorstand kein Leitungsermessen zugesteht.

448

Hierzu näher oben unter § 3 C.II.2.b). Statt vieler Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36 i. V. m. 51. 450 Zu den Grenzen des Vorstandsermessens vgl. oben unter § 3 C.II.2.c). 451 Zu den Grenzen der Delegationsmöglichkeit von Vorstandsaufgaben näher unter § 6 B.III.2. 452 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 88; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 49. 453 So unter § 4 A.III.1. 449

B. Pflicht zur Konzernleitung

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B. Pflicht zur Konzernleitung Fraglich bleibt mangels einer gesetzlichen Regelung454, welche Auswirkungen eine vertragliche oder faktische Konzernierung auf die Leitungspflichten der Vorstände der Konzern-Mutter gegenüber der eigenen Gesellschaft hat. Bei der Bestimmung der Reichweite der Pflicht zur Konzernleitung muss berücksichtigt werden, dass Leitungspflichten überhaupt nur insoweit erfüllbar sind, als die für die Leitung notwendigen Informationen über das Objekt der Leitung zur Verfügung stehen.455

I. Vorfrage jeder konzernbezogenen Leitungspflicht: Möglichkeiten des Mutter-Vorstands zur Information über die Tochter-Gesellschaft Die Erlangung leitungsrelevanter Informationen ist für Leitung unerlässlich. Diesen Befund spiegelt auch der Umstand wider, dass die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG das Bestehen angemessener Information als eine Voraussetzung der unwiderlegbaren Vermutung objektiv pflichtkonformen Verhaltens normiert. Der Mutter-Vorstand kann der Pflicht zur Konzernleitung nur dann und insoweit nachkommen, als er rechtlich in der Lage ist, die hierfür notwendigen Informationen aus der Tochter-Gesellschaft sowie über die Tochter-Gesellschaft zu erlangen. Nur in dem Maß, in dem er über diese Informationen verfügt, kann er überhaupt Adressat einer Pflicht zur Konzernleitung sein. Daher ist zunächst zu klären, wie diejenigen Informationen sind, welche dem Mutter-Vorstand nach geltendem Recht über die Tochter-Gesellschaft als Leitungsobjekt zur Verfügung stehen.

454 In der Begründung des Regierungsentwurfs zum AktG 1965, Vorbemerkung zum Dritten Buch – Verbundene Unternehmen, Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, S. 375 wird dieser Umstand damit erklärt, dass eine Regelung von Leitungsmacht und Verantwortlichkeit des Mutter-Vorstands im Konzern im Rahmen der Vorschriften der §§ 76 ff. AktG „die Einheitlichkeit der für die Einzelgesellschaft geltenden Verfassungsgrundsätze durchbrechen und ihre Klarheit und Übersichtlichkeit gefährden“ würde. 455 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 58; Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 188; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Auflage 1996, Rn. 290; Menke, NZG 2004, 697, 699; hierzu für die unverbundene Gesellschaft schon unter § 3  C.II.2.a).

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

1. Informationsmöglichkeiten des Mutter-Vorstands zur Erfüllung der eigenen Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1, Abs. 3 AktG § 90 AktG soll dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft die effektive Ausübung seiner Überwachungsaufgaben (vgl. § 111 AktG) ermöglichen, indem die Norm ihm die Erlangung der hierfür erforderlichen Informationen durch entsprechende Ansprüche gegenüber dem Vorstand einräumt.456 § 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG regelt das Informationsrecht des Aufsichtsrats für den Fall einer bestehenden vertraglichen oder faktischen Konzernverbindung der Gesellschaft zu anderen Gesellschaften. Nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG sind hiervon auch geschäftliche Vorgänge innerhalb eines verbundenen Unternehmens betroffen, sofern diese die Lage der eigenen Gesellschaft erheblich beeinflussen können. Die Annahme, § 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG sei für den Mutter-Vorstand zur Erfüllung der geschilderten Pflichten gegenüber seinem Aufsichtsrat Rechtsgrundlage für einen umfassenden Informationsanspruch, geht indes fehl, denn der Wortlaut von § 90 AktG sieht keinen dem Informationsrecht des Aufsichtsrats entsprechenden Informationsanspruch des Mutter-Vorstands gegenüber der Tochter-Gesellschaft vor. An anderer Stelle – namentlich in § 294 Abs. 3 HGB457 – hat der Gesetzgeber hingegen entsprechende Informationsrechte des Mutter-Vorstands gegenüber der Tochter-Gesellschaft zur Erfüllung seiner Rechnungslegungspflichten kreiert. Hieran wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Normierung von Informationspflichten gegenüber dem Vorstand auch die Frage der Beschaffung entsprechender Informationen von Fall zu Fall indi­viduell beurteilt. Das folgt auch aus der Gesetzesbegründung zu § 90 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach der Vorstand verpflichtet sei, sich die zur Erfüllung der dortigen Pflicht erforderlichen Informationen aus der Tochter-Gesellschaft – soweit rechtlich zulässig und faktisch möglich – selbst zu beschaffen.458 Dies heißt im Umkehrschluss, dass über das rechtlich und faktisch Mögliche hinaus gerade keine umfassende Informationsmöglichkeit des Mutter-Vorstands gegenüber der Tochter-Gesellschaft besteht.459

456

Statt aller Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 90 Rn. 1. Hierzu noch gesondert unter § 4 B. I.2. 458 Begr.RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14. 459 Ähnlich Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 90 Rn. 7a; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 90 Rn. 72; Schwark, Corporate Governance, ZHR Beiheft 71, 2002, S. 75, 88 f.; Singhof, ZGR 2001, 146, 155. 457

B. Pflicht zur Konzernleitung

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2. Informationsmöglichkeiten der Konzern-Mutter gegenüber der Tochter-Gesellschaft nach § 294 Abs. 3 HGB § 294 Abs. 3 HGB gewährt der Konzern-Mutter verschiedene Ansprüche zur Erlangung von für die Konzernrechnungslegung460 relevanten Informationen aus der Tochter-Gesellschaft. So muss die Tochter-Gesellschaft nach § 294 Abs. 3 S. 1 HGB der Konzern-Mutter ihre Jahresabschlüsse, Lageberichte, Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte,461 für den Fall einer erfolgten Abschlussprüfung den Prüfungsbericht sowie für den Fall einer Pflicht zum Zwischenabschluss einen auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellten Zwischenbericht unverzüglich einreichen.462 Darüber hinaus kann die Konzern-Mutter von der Tochter-Gesellschaft alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche für die Aufstellung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht vonnöten sind.463 In Bezug auf die Leitung der abhängigen Gesellschaft sind die gemäß § 294 Abs. 3 HGB erlangbaren Informationen aus Sicht des Mutter-Vorstands indes nicht ausreichend. Das liegt zum einen daran, dass die Abschlüsse, Berichte, Aufklärungen und Nachweise, welche bei der Konzern-Mutter durch die Tochter-Gesellschaft nach § 294 Abs. 3 HGB einzureichen sind, aus dem Blickwinkel bestimmter Stichtage464 vorwiegend über vergangene, in der Tochter-Gesellschaft bereits eingetretene Tatsachen mit Bezug zur Konzernrechnungslegung berichten. Demgegenüber ist die dem Vorstand nach dem Leitungsauftrag von § 76 Abs. 1 AktG obliegende Konzernleitung vor allem in die Zukunft gerichtet und besteht in hohem Maß aus Prognoseentscheidungen. Solche setzen die Versorgung mit zukunftsorientierten Informationen voraus, die über das Informationsrecht nach § 294 Abs. 3 HGB nicht erlangbar sind.465 Gegen die Ermög­lichung solcher früh 460

Unter den Voraussetzungen der §§ 290 ff. HGB trifft den Vorstand der Konzern-Mutter die Pflicht, einen Konzernabschluss sowie einen Konzernlagebericht (§ 315 HGB) zu erstellen. Diese dienen unter anderem als Instrumente der Informationsversorgung von Aufsichtsrat und Gesellschaftern der Konzern-Mutter einerseits, aber auch zur Information anderer Interessenten, vgl. nur die Aufzählung von Busse von Colbe, in: Karsten Schmidt (Hrsg.), ­MünchKommHGB, 2. Aufl. 2008, Band 4, §§ 290 ff. HGB, Vorbemerkungen Rn. 27. 461 Nach dem so genannten Tannenbaumprinzip trifft die Pflicht zum Konzernabschluss – unter den Voraussetzungen der §§ 290 ff. HGB – jede Mutter-Gesellschaft unabhängig von ihrer eigenen Stellung als Tochter einer übergeordneten Mutter-Gesellschaft; so Busse von Colbe, in: Karsten Schmidt (Hrsg.), MünchKommHGB, 2. Aufl. 2008, Zweiter Unterabschnitt, Konzernabschluss und Konzernlagebericht Vorbemerkungen, Rn. 22; Förschle/Deubert, in: Ellrott/ Förschle u. a. (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, 8. Aufl. 2012, HGB § 294 Rn. 21. 462 Umfassend zur Konzernrechnungslegung der Holding Scheffler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 12 Rn. 160 ff. 463 Zur Erfüllung etwaiger börsenrechtlicher oder sonstiger unterjähriger Publizitätspflichten von Mutter-Gesellschaften geht man überwiegend von der analogen Anwendbarkeit von § 294 Abs. 3 HGB aus, vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 422; unter dem Aspekt der kapitalmarktrechtlichen Pflichten zur Aufstellung von Zwischenberichten – insbesondere seit dem TUG 2007 – näher Rothweiler, Informationsfluss, 2008, S. 20 ff. 464 Vgl. hierzu § 299 Abs. 2 HGB. 465 So Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 188.

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

zeitiger Reaktionen durch die nach § 294 Abs. 3 HGB erlangbaren Informationen spricht weiter die Periodizität der Konzernrechnungslegung von einem Geschäftsjahr.466 Die Ansprüche nach § 294 Abs. 3 HGB zielen – mit Ausnahme von Zwischenabschlusspflichten der Tochter-Gesellschaft – auf die jährliche Information der Konzern-Mutter über die wirtschaftliche Situation der Tochter-Gesellschaft. Fehlentwicklungen im Konzern frühzeitig erkennen und korrigieren zu können, setzt demgegenüber voraus, dass die entsprechenden Informationen dem MutterVorstand zeitnah und nicht – im schlimmsten Fall – erst ein Jahr später zur Verfügung stehen.467 Zudem sind Jahresabschlüsse nach § 325 HGB zur Information der Gesellschafter publik zu machen und damit nach § 325 Abs. 1 S. 1 HGB über den Bundesanzeiger für jedermann einsehbar. Dieser Umstand legt es nahe, dass in den von § 294 Abs. 3 S. 1 HGB erfassten Informationsträgern keine sensiblen Daten enthalten sein werden, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, für die Konzernleitung aber erforderlich sind.468 3. Informationsanspruch der Konzern-Mutter als Aktionärin der Tochter, § 131 Abs. 1 S. 1 AktG Hält die Konzern-Mutter Anteile an der Tochter-Gesellschaft, so ist sie – wie jeder andere Aktionär – Begünstigter des Auskunftsanspruchs aus § 131 Abs. 1 S. 1 AktG469. Der Wortlaut von § 131 Abs. 1 S. 1 AktG begrenzt das Auskunftsrecht in zeitlicher Hinsicht auf die Hauptversammlung, die als ordentliche Hauptversammlung regelmäßig einmal jährlich eintägig stattfindet.470 Schon das hieraus resultierende lange Intervall zwischen den einzelnen Zeitpunkten der Auskunftserteilung macht deutlich, dass die nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG verfügbaren Informationen über die Tochter-Gesellschaft für den Mutter-Vorstand zur Gewährleistung effektiver Konzernleitung nicht ausreichend sind. Hinzu kommt, dass die nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG für Aktionäre erlangbaren Informationen inhaltlich gar nicht geeignet sind, dem Mutter-Vorstand eine effektive Konzernleitung zu ermöglichen. § 131 AktG dient der Information der Aktionäre als Kapitalanleger über

466 So für den Konzernabschluss die Regelung des § 299 Abs. 1 HGB. Hieran sollen sich die für den Konzernabschluss relevanten Abschlüsse der Tochter-Gesellschaften orientieren, § 299 Abs. 2 S. 1 HGB. 467 Ähnlich Busse von Colbe, in: Karsten Schmidt (Hrsg.), MünchKommHGB, 2. Aufl. 2008, Zweiter Unterabschnitt, Konzernabschluss und Konzernlagebericht Vorbemerkungen, Rn. 40. 468 Sinngemäß Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 139; Hommelhoff, ZIP 1983, 383, 384. 469 Eingehend hierzu Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 34 Rn. 30 ff. 470 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 32 Rn. 9, § 34 Rn. 6. Im entsprechenden Auskunftsanspruch des GmbH-Gesellschafters nach § 51a Abs. 1 GmbHG ist keine solche zeitliche Einschränkung enthalten.

B. Pflicht zur Konzernleitung

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die mittel- bis langfristige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft471 sowie als Entscheidungsgrundlage für die Ausübung der Stimmrechte in der Hauptversammlung472. Demgegenüber erfordert Konzernleitung einen fortwährenden, kurzfristigen und am Einzelfall orientierten Zugriff auf Detaildaten, so zum Beispiel auf mittels interner Konzernrevision473 oder Konzerncontrolling474 gewonnene Unternehmenskennzahlen, was der Informationsanspruch nach § 131 Abs. 1 S. 1 gerade nicht ermöglicht.475 Zudem werden – ähnlich wie die oben beschriebenen Informationsträger des § 294 Abs. 3 S. 1 HGB wegen § 325 Abs. 1 S. 1 HGB veröffentlicht werden – Hauptversammlungen zumindest in börsennotierten Gesellschaften aus Reputationsgründen häufig öffentlich durchgeführt.476 Daher liegt es auch in Hinblick auf § 131 AktG nahe, dass sensible, jedoch aus Sicht der Konzern-Mutter leitungsrelevante Daten nicht im Kreis der Hauptversammlung veröffentlicht werden. Das Auskunftsrecht der Konzern-Mutter als Aktionärin der Tochter-Gesellschaft nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG ist in Hinblick auf die Erlangung der für effektive Konzernleitung erforderlichen Informationen nicht ausreichend. 4. Informationsanspruch des Mutter-Vorstands gegenüber der Tochter-Gesellschaft zur Erfüllung der eigenen Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 1 S. 2 AktG Ein weiteres Auskunftsrecht des Mutter-Vorstands gegenüber der Tochter-Gesellschaft lässt sich womöglich mittelbar aus § 131 Abs. 1 S. 2 AktG herleiten. Danach muss der Vorstand einer Aktiengesellschaft den Aktionären der eigenen Gesellschaft unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG auf Verlangen Auskunft über die rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen erteilen. Als Voraussetzung für die Erfüllung dieser Pflicht muss der Mutter-Vorstand denknotwendig über die entsprechenden Informationen in Zusammenhang mit der Tochter-Gesellschaft verfügen. Aus diesem Grund könnte man die Existenz eines allgemeinen Informationsanspruchs des Mutter-Vorstands gegen die Tochter-Gesellschaft erwägen.477 Dem ist mit der ganz herrschenden Meinung nicht zu folgen:

471 Letztlich soll der Aktionär über sein im Anteil an der Gesellschaft verkörpertes Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) informiert werden. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.9.1999 – 1 BvR 636/95 – AG 2000, 74, 74; Decher, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2001, § 131 Rn. 5. 472 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 1; Kubis, in: MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 131 Rn. 1. 473 Hierzu näher unter § 5 B.III.7.c). 474 Hierzu näheres unter § 5 B.III.7.d). 475 Im Ergebnis ebenso Decher, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2001, § 131 Rn. 11. 476 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 33 Rn. 14 ff. 477 So Rothweiler, Informationsfluss, 2008, S. 32 f.

108

§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

So stellt schon § 131 Abs. 3 S. 1 AktG selbst klar, dass das Auskunftsrecht der Aktionäre gewissen inhaltlichen und sonstigen Grenzen unterliegt. Zwar bejaht man in diesen Grenzen von § 131 Abs. 3 S. 1 AktG eine allgemeine Informationsbeschaffungspflicht des Vorstands auch in der Konzerndimension von § 131 Abs. 1 S. 2 AktG.478 Allerdings ist diese Pflicht beschränkt durch die rechtlichen Möglichkeiten des Mutter-Vorstands zur Beschaffung der relevanten Informationen aus der Tochter-Gesellschaft.479 Die rechtlichen Möglichkeiten des Mutter-Vorstands zur Beschaffung von Informationen aus der Tochter-Gesellschaft unterscheiden sich, je nachdem ob ein Fall vertraglicher oder faktischer Konzernierung vorliegt. Während der Mutter-Vorstand im Fall vertraglicher Konzernierung die Herausgabe der benötigten Informationen der Tochter-Gesellschaft im Rahmen des rechtlich Zulässigen480 durch die Erteilung von Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG grundsätzlich vollziehen kann, muss er sich im Fall faktischer Konzernierung in erster Linie481 auf sein eigenes Auskunftsrecht als Gesellschafter in der Hauptversammlung der faktisch beherrschten Gesellschaft beschränken. Demzufolge kann der Mutter-Vorstand die benötigten Informationen nur dann rechtzeitig vor dem Zeitpunkt der eigenen Hauptversammlung erlangen, wenn bei bereits feststehender Tagesordnung der Hauptversammlung der Konzern-Mutter eine Hauptversammlung der Tochter-Gesellschaft erfolgt und die vom Mutter-Vorstand als Vertreter der Konzern-Mutter dort begehrten Informationen die Voraussetzungen von § 131 AktG erfüllen. Dass der Informationsbeschaffung des Mutter-Vorstands über die Hauptversammlung der Tochter-Gesellschaft schon aus Gründen der zeitlichen Abstimmung der Hauptversammlungen im Einzelfall Grenzen gesetzt sein können, ist evident. Selbst wenn man aber dem Mutter-Vorstand entgegen der herrschenden Meinung einen allgemeinen Informationsanspruch zur Erfüllung der Pflicht aus § 131 AktG zugestehen würde, wäre ein solcher Anspruch nicht geeignet, den Mutter-Vorstand in ausreichendem Maß mit für die Konzernleitung relevanten Daten zu versorgen. Ordentliche Hauptversammlungen finden regelmäßig im JahresTurnus statt.482 Nur im Vorfeld der jeweiligen eigenen Hauptversammlung könnte 478

Unter Bezugnahme auf den – insoweit ähnlichen – § 51a Abs. 1 GmbHG Grunewald, ZHR 146 (1982), 211, 221, sowie 234 f.; Kort, ZGR 1987, 46, 71. 479 Allgemein Drinhausen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, 2011, § 131 Rn. 37; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 9; Kubis, in: MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 131 Rn. 83; Semler, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 41; Siems, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 131 Rn. 62; Spindler, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 131 Rn. 55. 480 Zu etwaigen rechtlichen Grenzen der Informationsweitergabe siehe unter § 4 B. I.5. 481 Wie weit im Einzelfall die Möglichkeiten der faktischen Einflussnahme des Mutter-Vorstands auf die Tochter-Gesellschaft zur Informationserlangung reichen, lässt sich rechtlich nicht nachvollziehen. Der Trend in der Praxis geht allerdings nach Windbichler, in: Festschrift für Peltzer, 2001, 629, 633 dahin, dass die Auskunftsverweigerung durch verbundene Unternehmen praktisch die Ausnahme sei. 482 Hierzu schon oben Fn. 470.

B. Pflicht zur Konzernleitung

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der Mutter-Vorstand von seinem Informationsanspruch Gebrauch machen; und dies nur dann, wenn er sich durch entsprechende Inhalte der eigenen Tagesordnung hierzu veranlasst sehen dürfte. Effektive (Konzern-)Leitung kann auf der Basis solch unvollständiger und in großem zeitlichem Abstand gewonnener Informationen nicht gewährleistet werden. Wie schon im Rahmen der Behandlung des eigenen Auskunftsanspruchs der Konzern-Mutter nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG erörtert, sind die für Aktionäre relevanten Informationen inhaltlich gar nicht geeignet, dem Mutter-Vorstand effektive Konzernleitung zu ermöglichen. Insoweit gelten die oben angestellten Überlegungen entsprechend.483 Nicht zuletzt deswegen scheidet der hiesige Auskunfts­anspruch als Informationsquelle für konzernweit leitungsrelevante Informationen aus. 5. Informationsmöglichkeiten durch konzernrechtliche Einflussnahme im Vertragskonzern Im Vertragskonzern kann der Vorstand der Konzern-Mutter nach § 308 Abs. 1 AktG durch die Erteilung von Weisungen in die Leitung und damit in den gesamten Bereich der Geschäftsführung und Vertretung der Tochter-Gesellschaft484 eingreifen. In den Grenzen von § 308 Abs. 2 S. 2 AktG a. E. muss die Tochter-Gesellschaft diesen Weisungen Folge leisten, § 308 Abs. 2 S. 1 AktG. Falls der Vorstand der Konzern-Mutter Informationen aus der Tochter-Gesellschaft benötige, könne er nach einer Ansicht die Herausgabe dieser Informationen durch die Erteilung entsprechender Weisungen durchsetzen.485 Nach anderer Ansicht sei die umfassende Information des Mutter-Vorstands über die Tochter-Gesellschaft notwendige Voraussetzung für die Erteilung von Weisungen gleich welcher Art. Daher bestehe schon zur Ermöglichung der Ausübung des Weisungsrechts selbst ein umfassender Auskunftsanspruch. Der Vorteil dieser Ansicht liege darin, dass die Erlangung leitungsrelevanter Informationen aus der Tochter-Gesellschaft sowie über die Tochter-Gesellschaft nicht auf dem umständlichen Weg der Erteilung einzelner Weisungen durchgesetzt werden müsse.486 Nach wieder anderer Ansicht biete

483

Vgl. soeben unter § 4 B. I.4. Statt aller Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 308 Rn. 38. 485 Wohl auch Veil, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 308 Rn. 20; Uwe H. Schneider/Burgard, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 579, 598; Körber NZG 2002 263, 265; Lutter, ZIP 1997, 613, 616. 486 Decher, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2001, § 131 Rn. 347; Emmerich, in: Emmerich/ Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 308 Rn. 39; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 34; Koppensteiner, in: Köln KommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 308 Rn. 29; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 151; Langenbucher, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 308 Rn. 21. 484

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

schon der Beherrschungsvertrag selbst die Anspruchsgrundlage des umfassenden Auskunftsanspruchs.487 Unabhängig davon, welcher der geschilderten Ansichten man folgt, hat der Mutter-Vorstand bei vertraglicher Konzernierung im Ergebnis nach allen Ansichten ausreichende rechtliche Möglichkeiten, um die für effektive Konzernleitung erforderlichen Informationen zu erlangen. Die umfassende Informations­versorgung des Mutter-Vorstands über die Tochter-Gesellschaft zu Leitungszwecken ist nach herrschender Ansicht im Vertragskonzern unbegrenzt möglich, soweit nicht die Existenz der Tochter-Gesellschaft durch die Informationsweitergabe gefährdet wird488. Die herrschende Meinung wendet die Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im Verhältnis des Tochter-Vorstands zur Konzern-Mutter nicht an.489 Das Fehlen des Geheimschutzes nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG wird im Vertragskonzern dadurch ausgeglichen, dass die Konzern-Mutter die Tochter-Gesellschaft wegen §§ 300 ff. AktG hinsichtlich möglicher Risiken der Konzernierung umfassend entlasten muss.490 Auch die mögliche mittelbare Einschränkung des konzernweiten Informationsflusses durch die in § 131 Abs. 4 AktG normierte Nachauskunftspflicht der übrigen Aktionäre der Tochter-Gesellschaft greift nach herrschender Ansicht weder im Vertragskonzern491 noch bei faktischer Konzernierung492, soweit die betreffenden Informationen leitungsbezogen sind.493 487

Buchner, ZfA 1981, 493, 497 f.; Kort, ZGR 1987, 46, 71 f.; ähnlich Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 150, der – falls im Beherrschungsvertrag keine derartige Regelung enthalten ist – das Auskunftsrecht der Konzern-Mutter durch ergänzende Auslegung des Beherrschungsvertrags herleitet (hierzu näher unter § 4 B. I.7.e). 488 Hierzu statt vieler Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 308 Rn. 115 ff.; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 308 Rn. 19; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 308 Rn. 50 ff. 489 Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 214; Lutter, Information und Ver­ traulichkeit, 3. Aufl. 2006, Rn. 178. 490 So auch Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 34; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 111 f. 491 So für Fälle vertraglicher Konzernierung LG München I, Beschluss vom 4.9.1997 – 5 HKO 14614/96 – AG 1999, 138, 139; Decher, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2001, § 131 Rn. 347; Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 308 Rn. 39; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 34; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 38; Kubis, in: MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 131 Rn. 141; Semler, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 18; Uwe H. Schneider, in: Festschrift für Lutter, 2000, S. 1193, 1201; Götz, ZGR 1998, 524, 527. 492 Für Fälle faktischer Konzernierung LG Düsseldorf, Beschluss vom 25.3.1992 – 34 AktE 6/91 – AG 1992, 461, 462; Decher, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2001, § 131 Rn. 348; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 35; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 38; Kubis, in: MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 131 Rn. 142; Semler, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 37 Rn. 18; in Fällen einfacher Abhängigkeit ist die Anwendbarkeit des Nachauskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 AktG umstritten, vgl. Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 35 m. w. N. 493 Neben den diskutierten aktienrechtlichen Grenzen können dem konzernweiten Transfer Compliance-relevanter personenbezogener Daten i. S. v. § 3 Abs. 1 BDSG auch aus dem Datenschutzrecht Grenzen entgegenstehen. Insbesondere ist nicht höchstrichterlich geklärt, ob

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6. Informationsmöglichkeiten durch konzernrechtliche Einflussnahme im faktischen Konzern Demgegenüber fehlen dem Mutter-Vorstand im Fall faktischer Konzernierung solche rechtlichen Möglichkeiten, denn Folge faktischer Konzernierung ist gerade kein Zugewinn an rechtlicher Leitungsmacht der Konzern-Mutter gegenüber der beherrschten Gesellschaft. Eine mit dem Weisungsrecht des § 308 Abs. 1 AktG vergleichbare rechtliche Eingriffsmöglichkeit in die Leitung der beherrschten Gesellschaft bieten die §§ 311 ff. AktG nicht,494 so dass der Mutter-Vorstand im Fall faktischer Konzernierung die für effektive Konzernleitung notwendigen Informationen aktienrechtlich nicht beanspruchen kann. Ist dem Mutter-Vorstand auch außerhalb des geschriebenen Rechts keine Informationsquelle auf der Basis fak­ tischer Einflussnahme eröffnet, kann er im faktischen Konzern nicht zur Konzernleitung verpflichtet sein. Notwendige Voraussetzung von Leitung ist – wie oben festgestellt –, dass dem Leitenden die hierfür erforderlichen Informationen über das zu leitende Objekt zur Verfügung stehen. 7. Umfassender Auskunftsanspruch der Konzern-Mutter im faktischen Konzern Vor diesem Hintergrund wurde und wird verschiedentlich – mittels unterschiedlicher Begründungsansätze495 – versucht, im faktischen Konzern einen allgemeinen Auskunftsanspruch des Mutter-Vorstands gegen die Tochter-Gesellschaft herzuleiten. Dem steht die herrschende Meinung zurecht überwiegend ablehnend gegenüber.496

im Fall faktischer Konzernierung Konzernbetriebsvereinbarungen geeignet sind, den TochterVorstand jenseits der Regeln faktischer Konzernierung zur Herausgabe von Compliance-relevanten personenbezogenen Daten zu zwingen. Hierzu näher und m. w. N. Bauckhage-Hoffer/ Katko, WM 2012, 486 ff. Allgemeiner zum Zusammenhang von Compliance und Datenschutz Forst, DuD 2010, 160 ff. 494 So das Verständnis der ganz herrschenden Meinung, vgl. oben § 4 A.III.1. Die §§ 311 ff. AktG setzen vielmehr der Ausübung faktischer Leitungsmacht durch die Konzern-Mutter Grenzen und dulden diese damit konkludent. 495 Eine ausführliche Schilderung des Streitstandes findet sich bei Löbbe, Unternehmens­ kontrolle im Konzern, 2003, S. 154 ff. sowie bei Rothweiler, Informationsfluss, 2008, S. 46 ff. 496 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 422; Fleischer, in: Spindler/ Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 90 Rn. 30; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 90 Rn. 7a; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 90 Rn. 72; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 90 Rn. 43; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl. 2006, Rn. 179 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 420 ff.; wohl a. A. Fonk, in: Semler/Peltzer (Hrsg.), Arbeitshandbuch Vorstand, 2005, § 7 Rn. 130; ebenso Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 90 Rn. 32; ebenso Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 155 ff.; ebenso Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 300.

112

§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

a) Konzernrechtliche Erwägungen zum umfassenden Auskunftsanspruch im faktischen Konzern Unabhängig von den Details der einzelnen, zur Begründung eines umfassenden Auskunftsanspruchs vertretenen Ansätze stehen einem solchen umfassenden Auskunftsanspruch im faktischen Konzern grundsätzliche Erwägungen entgegen: Trotz gesetzgeberischer Anerkennung der rechtlichen Möglichkeit faktischer Konzernierung in den §§ 311 ff. AktG nimmt nach ganz herrschender Meinung die Tochter-Gesellschaft die eigene Leitungsmacht im Sinne von § 76 Abs. 1 AktG weiterhin souverän wahr. Die Konzern-Mutter erlangt somit durch faktische Konzernierung keinen Zuwachs an rechtlicher Leitungsmacht.497 Mit den §§ 311 ff. AktG will der Gesetzgeber die abhängige Gesellschaft als Reaktion auf die faktischen Einflussnahme-Möglichkeiten der Konzern-Mutter vor schädigenden Beeinträchtigungen durch diese schützen498 und die Tochter-Gesellschaft mit der faktisch herrschenden Gesellschaft auf eine Stufe stellen.499 Dieser Schutz der abhängigen Gesellschaft hat auch zur Folge, dass vertrauliche, für die Tochter leitungsrelevante Informationen nicht ohne deren Zustimmung der Konzern-Mutter übermittelt werden dürfen.500 Weiter kann die Argumentation, wonach im faktischen Konzern keine umfassende Konzernleitungspflicht besteht, auch gegen den umfassenden Auskunftsanspruch im faktischen Konzern angeführt werden: Der Mutter-Vorstand erlangt durch faktische Konzernierung nicht das Recht, in die Leitung der Tochter-Gesellschaft einzugreifen. Wenn er nicht das Recht zur Leitung der Tochter-Gesellschaft erlangt, so ist auch nicht einsehbar, warum dem Mutter-Vorstand dennoch ein Rechtsanspruch auf leitungsrelevante Informationen gegenüber der TochterGesellschaft zustehen soll. Hiervon zu trennen ist die Ebene des Faktischen, denn herrschende Gesellschaften nehmen regelmäßig die ihnen zustehenden faktischen Einflussnahme-Möglichkeiten sowohl in Bezug auf Eingriffe in die Leitung der Tochter-Gesellschaft, also auch zur Erlangung von hierfür erforderlichen Informationen erfolgreich wahr.501 Sollte dies auf Widerstand des Tochter-Vorstands stoßen, so vollzieht sich häufig die Überwindung eines solchen Widerstands auf faktischem Weg, zum Bei-

497

Hierzu oben unter § 4 A.III.2. Vgl. hierzu nur Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 311, S. 407. 499 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 422; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 43; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl. 2006, Rn. 179. 500 So auch Rothweiler, Informationsfluss, 2008, S. 60. 501 Näher zu faktischen Durchsetzungsmöglichkeiten im Rahmen des konzerninternen Informationsflusses Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S. 154 ff. 498

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spiel durch die Neubesetzung des Tochter-Vorstands nach § 84 Abs. 3 AktG.502 Außerdem besteht oft die Möglichkeit des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags mit der Folge des durchsetzbaren Weisungsrechts nach § 308 Abs. 1 AktG.503 b) Allgemeiner Rechtsgedanke aus §§ 294 Abs. 3 HGB, 320 Abs. 3 HGB, 145 AktG Ein umfassender Auskunftsanspruch lässt sich nicht durch eine Analogie zu §§ 294 Abs. 3, 320 Abs. 3 HGB sowie 145 AktG504 herleiten, denn der Regelungsgehalt von § 294 Abs. 3 HGB ist – ähnlich wie der von § 320 Abs. 3 HGB – auf den Bereich der Rechnungslegung beschränkt.505 Insofern sind die oben angestellten Erwägungen zu den inhaltlich unterschiedlichen Informationen betreffend die überwiegend retrospektive Rechungslegung einerseits und die prognoseorientierte Konzernleitung andererseits506 auch hier fruchtbar zu machen. Die von den §§ 294 Abs. 3 und 320 Abs. 3 HGB angesprochenen Informationen sind inhaltlich nicht geeignet, die Leitungstätigkeit des Vorstands zu fördern. Zudem regeln §§ 320 Abs. 3 HGB und 145 Abs. 3, Abs. 2 AktG Informationsansprüche, die allerdings nicht der Konzern-Mutter oder deren Vorstand, sondern externen Prüfungsbeauftragten, nämlich dem Konzernabschlussprüfer (§ 320 Abs. 3 HGB) und dem Sonderprüfer (§ 145 Abs. 3, Abs. 2 AktG), zustehen.507 Auch das spricht gegen eine Verallgemeinerung der Auskunftsmöglichkeiten nach §§ 294 Abs. 3, 320 Abs. 3 HGB, 145 AktG im Wege der Analogiebildung. Im Fall des Informationsrechts nach § 145 Abs. 3, Abs. 2 AktG gilt zudem, dass der (konzernbezogene) Prüfungsauftrag des Sonderprüfers inhaltlich beschränkt sein muss.508 Daher ist eine für die Konzernleitung notwenige lückenlose und zeitnahe Information über die Tochter-Gesellschaft nach § 145 AktG ausgeschlossen.

502

Hierzu näher Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 191. Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 10; Singhof, ZGR 2001, 146, 158. 504 Vgl. insoweit die Ansicht von Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 300 ff., wonach sich aus den genannten Vorschriften als allgemeiner Grundsatz herleiten ließe, dass das abhängige Unternehmen der Konzern-Mutter die leitungsrelevanten Informationen zur Verfügung stellen müsse. 505 Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 189. 506 Vgl. oben unter § 4 B. I.2. 507 So auch Rothweiler, Informationsfluss, 2008, S. 54 f. 508 H. M., vgl. OLG München, Urteil vom 28.11.2007 – 7 U 4498/7 – AG 2008, 172, 174; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 142 Rn. 2. 503

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c) Auskunftsanspruch zur Erfüllung eigener Rechtspflichten, §§ 294 Abs. 3 HGB, 10a Abs. 13 KWG Auch die vereinzelt vertretene Analogie zu §§ 294 Abs. 3 HGB, 10a Abs. 13 KWG509 vermag im faktischen AG-Konzern keinen umfassenden branchenunabhängigen Auskunftsanspruch der Konzern-Mutter gegenüber der Tochter-Gesellschaft zu rechtfertigen.510 Zwar regeln die genannten Vorschriften einen Auskunftsanspruch des herrschenden Unternehmens gegenüber der beherrschten Tochter-Gesellschaft. Hiervon ist generell auch die faktisch beherrschte Tochter-Gesellschaft betroffen.511 Die im Rahmen dieser Analogie bemühten §§ 294 Abs. 3 HGB sowie 10a Abs. 13 KWG eröffnen dem Mutter-Vorstand jedoch nur insoweit Auskunftsrechte gegenüber der Tochter-Gesellschaft, als er die betreffenden Informationen über die Tochter-Gesellschaft benötigt, um eigene Rechtspflichten gegenüber Dritten erfüllen zu können. Eine Analogie zu §§ 294 Abs. 3 HGB, 10a Abs. 13 KWG kann daher allenfalls so weit reichen, als in Hinblick auf die betreffenden Informationen eigenen Rechtspflichten der Konzern-Mutter gegenüber Dritten bestehen. Hierunter fällt nicht die umfassende Informationsversorgung der Konzern-Mutter über die Verhältnisse bei der Tochter-Gesellschaft, wie sie zu Leitungszwecken erforderlich ist. d) Konzerndimensionale Treuepflichten Ebenso wenig lässt sich aus konzerndimensionalen Treuepflichten der beherrschten Gesellschaft512 ein umfassendes Auskunftsrecht der Konzern-Mutter im faktischen Konzern herleiten. Nach herrschender Meinung sind gesellschaftsrechtliche Treuepflichten im faktischen Konzern nur dann heranziehbar, wenn und soweit nicht eine Rechtsfrage betroffen ist, die den spezielleren §§ 311 ff. AktG unterfällt.513 Der hier in Frage stehende umfassende Auskunftsanspruch der Kon 509

So unter Bezugnahme auf § 10a Abs. 9 KWG in der Fassung vom 28.9.1994, BGBl. I 1994, 2735, 2740 Uwe H. Schneider, in: Festschrift für Brandner, S. 565, 572 f.; ähnlich ders./ Burgard, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 579, 598 f.; allgemeiner Kropff, DB 1967, 2204, 2205. 510 So jedoch Uwe H. Schneider/Burgard, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 579, 598 f. 511 Zu der schwierigen Frage kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten der faktisch beherrschten Tochter gegenüber der Mutter zur Erfüllung gesetzlicher Publizitätspflichten letzterer vgl. Rothweiler, Informationsfluss, 2008, S. 164 ff. 512 Grundlegend und m. w. N. zu gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 587 ff.; in ständiger Rspr. des BGH ist auch die faktisch beherrschte Gesellschaft ihren Gesellschaftern gegenüber grundsätzlich zur Wahrung der Treue verpflichtet, vgl. nur BGH, Urteil vom 30.9.1991 – II ZR 208/90 – AG 1992, 87, 88. 513 Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 89; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 53a Rn. 20; Koppensteiner, in: ­KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 311 Rn. 167 f.; Müller, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 311 Rn.  66 f.; Bachmann, NZG 2001, 961, 971; a. A. Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 241.

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zern-Mutter zu Zwecken der Konzernleitung betrifft die Reichweite der Konzernleitungsmacht der Konzern-Mutter im faktischen Konzern, deren Grenzen in den §§ 311 ff. AktG geregelt sind. Für die Anwendung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten verbleibt demnach mit der herrschenden Meinung kein eigener An­ wendungsraum. Selbst wenn man konzerndimensionale Treuepflichten der Tochter-Gesellschaft gegenüber der Konzern-Mutter als deren Gesellschafterin für gegeben hielte, so reicht der Inhalt jener Treuepflichten gar nicht so weit, wie Schneider/Bungert annehmen. Diese messen den konzernbezogenen Treuepflichten zwar zunächst – insoweit in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BGH514 – folgenden Inhalt bei: Inhalt konzernbezogener Treuepflichten sei, dass die abhängige Gesellschaft auf das Interesse des herrschenden Unternehmens an einer sachgemäßen Wahrnehmung deren Mitgliedschaftsrechte Rücksicht nehme. Unter der Wahrnehmung der eigenen Mitgliedschaftsrechte durch die Konzern-Mutter verstehen Schneider/Bungert auch die Wahrnehmung von deren Konzernleitungsmacht, was erfordere, dass die Tochter-Gesellschaft der Konzern-Mutter alle hierfür erforderlichen Informationen verfügbar mache.515 Die Konzern-Mutter erlangt jedoch im Fall faktischer Konzernierung gerade keine rechtlich begründete Konzernleitungsmacht gegenüber der Tochter-Gesellschaft.516 Deswegen hat sie auch keinen auf Treuepflicht-Erwägungen zu stützenden korrespondierenden Rechtsanspruch auf umfassende Informationserteilung. Jene umfassende Informationserteilung zum Zweck der Konzernleitung hat mit dem hier beschriebenen Ausschnitt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten, nämlich der Rücksichtnahme der Tochter-Gesellschaft auf die sachgemäße Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte durch die Aktionäre, nichts mehr zu tun. e) Informationsanspruch der Konzern-Mutter aufgrund Sonderrechtsverhältnisses Auch der in jüngerer Vergangenheit von Löbbe vorgestellte Ansatz, der sich auf ein Sonderrechtsverhältnis zwischen den konzernierten Gesellschaften stützt,517 eignet sich nicht zur Begründung eines umfassenden Informations- oder Auskunftsanspruchs der Konzern-Mutter gegenüber der von ihr faktisch beherrschten Tochter. Dass sich aus den §§ 311 ff. AktG eine Sonderrechtsbeziehung mit organisationsrechtlichem Charakter zwischen den beteiligten Gesellschaften herleiten lässt,

514

Vgl. BGH, Urteil vom 19.9.1994 – II ZR 298/92 – AG 1994, 559, 560. Uwe H. Schneider/Burgard, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 579, 598. 516 So schon oben § 4 A.III.1. 517 Vgl. Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 155 ff. 515

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darf wohl mittlerweile als herrschende Ansicht bezeichnet werden.518 Richtig ist auch, dass Sonderrechtsbeziehungen im Allgemeinen unter Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben Rechtsgrundlagen für Auskunftsansprüche bieten können.519 Im Einzelnen ist für die Herleitung eines Auskunftsanspruchs über den Grundsatz von Treu und Glauben Voraussetzung, dass der Berechtigte aufgrund des Wesens des betreffenden Rechtsverhältnisses in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete zudem in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen.520 Das Sonderrechtsverhältnis der §§ 311 ff. AktG umfasst indes gar nicht die Einräumung einer – für die Rechtfertigung eines Auskunftsanspruchs erforderlichen – besonderen Rechtsposition der Konzern-Mutter gegenüber der Tochter-Gesellschaft. Vielmehr steht im Vordergrund der §§ 311 ff. AktG der Schutz der abhängigen Gesellschaft vor Schädigungen durch die herrschende Gesellschaft.521 Gleichsam als Kehrseite der in den §§ 311 ff. AktG enthaltenen Regeln zum Schutz der abhängigen Gesellschaft ist darin auch – in dem dort festgelegten Maß – die gesetzliche Billigung faktischer Einflussnahme der Konzern-Mutter auf die Tochter-Gesellschaft zu sehen.522 Dies bedeutet allerdings für die Konzern-Mutter nicht die Einräumung rechtlicher Leitungsmacht gegenüber der Tochter-Gesellschaft. Insofern ist schon die erste Voraussetzunge eines Auskunftsanspruchs, nämlich die entschuldbare Unkenntnis über Bestehen und Umfang des eigenen Rechts, aus Sicht der Konzern-Mutter nicht erfüllt, da faktische Konzernierung der KonzernMutter nach dem Konzept der §§ 311 ff. AktG gar kein solches Recht einräumt. Ob der Tochter-Vorstand als Vertreter der dann zur Auskunft verpflichteten Tochter-Gesellschaft auf zweiter Stufe überhaupt in der Lage wäre, die betreffenden Auskünfte zu erteilen, kann mangels Vorliegens der Voraussetzungen auf erster Stufe dahinstehen. Inhalt dieser Auskünfte wäre nämlich die umfassende und 518

Vgl. nur Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 21; Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 2; Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 190; grundlegend und m. w. N. zum Konzernrecht als Organisationsrecht Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 491 ff.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 155 ff.; wohl auch Rothweiler, Informationsfluss, 2008, S. 58; unter Verwendung des Begriffs „informationelle Sonderverbindung“ auch Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S. 143. 519 BGH, Urteil vom 28.10.1953 – II ZR 149/52 – NJW 1952, 70, 71; Krüger, in: Münch KommBGB, Band 2, 5. Aufl. 2007, § 260 Rn. 12. 520 BGH, Urteil vom 28.10.1953 – II ZR 149/52 – NJW 1952, 70, 71. 521 So bereits Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 311, S. 407. 522 Sog. Privilegierungsfunktion (gegenüber den allgemeinen Kapitalerhaltungs- und Haftungsvorschriften), vgl. nur BGH, Urteil vom 1.12.2008 – II ZR 102/7 – NJW 2009, 850, 852; mit kritischen Andeutungen Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 32; Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 2; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vor § 311 Rn. 5; Müller, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, Vor § 311 Rn. 2; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 692.

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lückenlose Informationsversorgung der Konzern-Mutter über die Tochter-Gesellschaft zu Leitungszwecken. Der Weitergabe solcher Informationen an die Konzern-Mutter können bei faktischer Konzernierung Geheimhaltungsinteressen oder Verschwiegenheitspflichten seitens der Tochter-Gesellschaft entgegenstehen.523 8. Informationserlangung durch personelle Verflechtung im faktischen Konzern Als letzte Möglichkeit des Mutter-Vorstands im faktischen Konzern zur Erlangung der für effektive Konzernleitung benötigten umfassenden Information über die Tochter-Gesellschaft soll im Folgenden die Frage erörtert werden, ob und inwieweit der Mutter-Vorstand diese Informationen durch personelle Verflechtungen erlangen kann. Die faktische Einflussnahme auf die Tochter-Gesellschaft durch die Einrichtung und Ausübung von Doppelmandaten, vor allem von VorstandsDoppelmandaten, ist in der Praxis weit verbreitet und spielt dort – gerade als Instrument der Versorgung der Konzern-Mutter mit relevanten Daten aus der Tochter-Gesellschaft – eine wichtige Rolle.524 a) Doppelmandate Vorstand-Aufsichtsrat Hält die Konzern-Mutter in der faktisch beherrschten Tochter-Gesellschaft die Mehrheit der Anteile, hat sie nach § 101 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AktG die Möglichkeit, die Posten der durch die Hauptversammlung wählbaren Aufsichtsratsmitglieder in der Tochter-Gesellschaft durch Vorstandsmitglieder der Konzern-Mutter zu besetzen.525 § 105 Abs. 1 AktG ist auf diese Konstellation nicht anwendbar, sondern regelt die Funktionstrennung innerhalb ein und derselben Gesellschaft.526 Vereinzelt wird vertreten, der Mutter-Vorstand müsse im Tochter-Aufsichtsrat vertreten sein, um seinem konzernweiten Kontrollauftrag gerecht werden zu können.527 Die Etablierung solcher Doppelmandate versetzt den Mutter-Vorstand jedoch nicht in die Lage, die für effektive Konzernleitung erforderlichen Informationen zu erlangen, denn der Tochter-Aufsichtsrat befasst sich im Rahmen seines Überwachungsauf 523 Hierzu weiterführend Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 35 m. w. N. 524 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 95; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 178 ff. 525 Allgemein anerkannt, vgl. nur Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 190; Marsch-Barner, in: Semler/v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2009, § 12 Rn. 131; Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 18; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 524. Hiermit deckt sich auch die Formulierung in Ziff. 5.5.2 DCGK. 526 Statt aller Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 105 Rn. 1. 527 So Martens, ZHR 159 (1995), 567, 570 f.

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trags nach § 111 Abs. 1 AktG ausschließlich mit der Geschäftsführung des Tochter-Vorstands. Eine Kontrolle aller Entwicklungen in der Tochter-Gesellschaft kann deren Aufsichtsrat weder in zeitlicher noch in personeller Hinsicht leisten.528 Daher sind die im Tochter-Aufsichtsrat vorhandenen Informationen aus Sicht des Mutter-Vorstands gar nicht für effektive Konzernleitung nutzbar. Zudem ist das Mitglied des Mutter-Vorstands, sofern es in seinem Amt als Tochter-Aufsichtsratsmitglied tätig wird, zur Wahrung der Interessen der Tochter-Gesellschaft verpflichtet, was einer Informationsweitergabe an den Mutter-Vorstand im Weg stehen kann.529 b) Vorstands-Doppelmandate Günstiger könnte sich die Informationsversorgung des Mutter-Vorstands hinsichtlich faktisch beherrschter Tochter-Gesellschaften gestalten, wenn VorstandsDoppelmandate, also die Besetzung von Vorstandspositionen in der TochterGesellschaft durch Vorstandsmitglieder der Mutter-Gesellschaft, bestehen. Die Etablierung von Vorstands-Doppelmandaten ist nach ganz überwiegender Ansicht zulässig530 und führt nicht per se zu einer qualifizierten Nachteilszufügung.531 Nach § 88 Abs. 1 S. 2 AktG müssen allerdings beide Aufsichtsrats-Gremien ihre Einwilligung erteilen.532 Erlangt der Doppelmandatsträger in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Tochter-Gesellschaft relevante Informationen über diese, ist er gegenüber seinen Vorstandskollegen in der Konzern-Mutter zur Weitergabe dieser Informationen verpflichtet.533 528

Ähnlich Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 186; weiteres zum Verhältnis von Vorstandskontrolle und Aufsichtsratsüberwachung unter § 5 A.II.3. 529 Näheres zu Interessenkonflikten bei Aufsichtsrats-Doppelmandaten Kort, in: Großkomm AktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 191 f. sowie Marsch-Barner, in: Semler/v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2009, § 12 Rn. 130 ff. 530 BGH, Urteil vom 9.3.2009 – II ZR 170/7 – AG 2009, 500, 501; Fleischer, in: Spindler/ Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 106; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 152; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 21, § 311 Rn. 22; Kort, in: ­GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 180; Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 18. 531 OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.1.1999 – 16 U 193/97 – AG 2000, 567, 569; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 311 Rn. 22; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Anh. § 318 Rn. 98; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 180 f.; Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1019; Lindermann, AG 1987, 225, 234. 532 Auch die Formulierung von Ziff. 4.3.1 DCGK, wonach Vorstandsmitglieder „während ihrer Tätigkeit für das Unternehmen einem umfassenden Wettbewerbsverbot“ unterliegen, steht hiermit in Einklang. Denn durch die Verwendung des Terminus „Unternehmen“ bezieht sich das Wettbewerbsverbot ausweislich Abs. 12 der Präambel des DCGK nur auf anderweitige Tätigkeiten außerhalb des Konzerns. 533 Nur durch die Weitergabe solcher Informationen können innerhalb eines mehrgliedrigen Vorstands die einzelnen Mitglieder der aus dem Grundsatz der Gesamtverantwortung folgenden gegenseitige Kontrollpflicht nachkommen. Siehe Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 77 Rn. 15;

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Die rechtliche Möglichkeit zur Weitergabe dieser Informationen ist, aus der Warte des Tochter-Vorstandsmitglieds betrachtet, allerdings begrenzt: Grundsätzlich ist jedes Vorstandsmitglied der eigenen Gesellschaft gegenüber als Ausfluss der organschaftlichen Treuepflicht nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet.534 Diese Treuepflicht dient dem Schutz des Gesellschaftsinteresses.535 Gleichwohl geht man davon aus, dass Tochter-Vorstandsmitglieder bei faktischer Konzernierung in gewissen Grenzen Informationen aus der eigenen Gesellschaft zu Zwecken der Konzernleitung an den Mutter-Vorstand weitergeben dürfen. Als Begründung hierfür wird die rechtliche Anerkennung faktischer Konzernierung durch den Gesetzgeber angeführt. Ohne die Weitergabe konzernleitungsrelevanter Informationen sei die Leitung eines (faktischen) Konzerns nicht möglich.536 Zudem wird darauf verwiesen, dass der mit der Verschwiegenheitspflicht bezweckte Schutz des Gesellschaftsinteresses trotz Weitergabe leitungsbezogener Informationen erfüllt werde, sofern etwaige Nachteile der Maßnahme537 nach § 311 AktG quantifizierbar seien und ausgeglichen würden.538 Für den Fall, dass die Informationsweitergabe aus Sicht der Tochter-Gesellschaft Nachteile im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG mit sich bringt, ist diese also nur zulässig, wenn die Nachteile quantifizierbar sind und ausgeglichen werden. Liegt eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, darf der Doppelmandatsträger zum Schutz des Gesellschaftsinteresses der Tochter-Gesellschaft die betreffenden Informationen nicht an die Vorstandskollegen in der Konzern-Mutter weitergeben. Außer den Voraussetzungen des § 311 AktG kann der Informationsweitergabe durch den Doppelmandatsträger ein weiterer Aspekt im Weg stehen: Die Informationsweitergabe seitens der Tochter-Gesellschaft an den MutterVorstand kann sensible und damit für die Prosperität der Tochter-Gesellschaft wichtige Daten betreffen. Die Vorstandsentscheidung der Weitergabe solcher Daten hat für die Gesellschaft bedeutende Auswirkungen und unterliegt deswegen Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 77 Rn. 35, 40; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 77 Rn. 25; Martens, in: Festschrift für Fleck, 1988, 191, 200. 534 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 160 ff.; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 187; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 6; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 96. 535 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 169; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 190; Körber, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 10 Rn. 1. 536 Menke, NZG 2004, 697, 699; Mertens, AG 1997, 541, 543. 537 Auch die Informationsweitergabe ist eine Maßnahme i. S. v. § 311 Abs. 1 AktG, vgl. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 311 Rn. 24. 538 In diese Richtung wohl Krieger, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 6 Rn.  23 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl. 2006, Rn. 178; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 300 ff., insbesondere Rn. 302; Lutter, ZIP 1997, 613, 617; Menke, NZG 2004, 697, 699; die §§ 311 ff. AktG sind nach h. M. bereits dann anwendbar, wenn über das Doppelmandat hinaus keine faktische Einflussnahme von außen auf die Tochter vorliegt, vgl. Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 311 Rn. 29 m. w. N.

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der Gesamtverantwortung des Tochter-Vorstands.539 Falls der gesamte TochterVorstand per Beschluss die Weitergabe spezifischer Informationen an die Konzern-Mutter unterbunden hat, muss sich auch der Doppelmandatsträger an diesen Beschluss halten und den Vorstands-Kollegen in der Konzern-Mutter die betreffenden Informationen vorenthalten.540 Zwar befindet sich der Doppelmandatsträger dann in einem Interessenkonflikt, da er – wie er sich auch entscheidet – nur den Interessen einer der betroffenen Gesellschaften entsprechen kann. Nach herrschender Ansicht muss er generell den Interessen der Gesellschaft den Vorzug gewähren, für die er im Einzelfall tätig ist.541 Für den Fall der Informationserlangung als Vorstandsmitglied der Tochter-Gesellschaft heißt dies, dass der Doppelmandatsträger diese Informationen gegebenenfalls im Interesse der Tochter-Gesellschaft vor der Konzern-Mutter geheimhalten muss, denn die Erfüllung einer Pflicht des Doppelmandatsträgers gegenüber der einen Gesellschaft (im hiesigen Fall gegenüber der Konzern-Mutter) rechtfertigt nicht die Pflichtverletzung im Verhältnis zur anderen Gesellschaft (hier im Verhältnis zur Tochter-Gesellschaft).542 Die Besetzung von Vorstands-Doppelmandaten kann demnach aus der Sicht des Mutter-Vorstands die Etablierung eines tauglichen Informationskanals für konzernleitungsrelevante Daten aus der Tochter-Gesellschaft sein. Allerdings ist die faktisch beherrschte Tochter keinesfalls verpflichtet, sondern nur berechtigt, diese Informationen zu erteilen.543 Umgekehrt besteht kein Rechtsanspruch des MutterVorstands auf Informationserteilung. Vielmehr ist bei faktischer Konzernierung die Erlangung relevanter Informationen aus der Tochter-Gesellschaft im Einzelfall

539

Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 146 f.; Singhof, ZGR 2001, 146, 160 f. 540 Siehe Fn. 539. 541 So BGH, Urteil vom 21.12.1979 – II ZR 244/78 – NJW 1980, 1629, 1630, für den verwandten Fall des Interessenkonflikts als Aufsichtsratsvorsitzender einerseits und persönlich haftender Gesellschafter andererseits; ähnlich unter Bezugnahme auf die Holding Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 524. 542 BGH, Urteil vom 21.12.1979 – II ZR 244/78 – NJW 1980, 1629, 1630; Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 100; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 128; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 182; Lindermann, AG 1987, 225, 228, 230, 234; zu der Frage, ob bei faktischer Konzernierung aufgrund des Verbots der Weitergabe von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Hindernisse für den Informationsfluss von der beherrschten zur herrschenden Gesellschaft bestehen, siehe Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 434 ff. sowie Singhof, ZGR 2001, 146, 161 ff., jeweils m. w. N. 543 So die herrschende Ansicht, vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 424; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 36; Windbichler, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 825, 841 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl. 2006, Rn. 178; Götz, ZGR 1998, 524, 527; a. A. Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn.  300 ff.

B. Pflicht zur Konzernleitung

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davon abhängig, ob und in welcher Form544 der Informationsfluss bei einer Doppelmandatierung tatsächlich funktioniert.

II. Einschränkung der Pflicht zur Konzernleitung durch die Reichweite verfügbarer Informationen über die Tochter Eine grundlegende Voraussetzung von Leitung ist Information über das zu leitende Objekt.545 Daher können Leitungspflichten nur dann und insoweit bestehen, als diesbezüglich rechtlich abgesicherte Informationskanäle vorhanden sind. 1. Einschränkung der Pflicht zur Konzernleitung im faktischen Konzern Im Fall faktischer Konzernierung besteht kein Rechtsanspruch des Mutter-Vorstands gegen die Tochter-Gesellschaft auf umfassende Informationserteilung.546 Konzernleitung setzt aber die Erlangung und Verwertung der hierfür notwendigen leitungsbezogenen Informationen durch den Mutter-Vorstand voraus.547 In der Praxis wird die Informationsversorgung des Mutter-Vorstands regelmäßig durch faktische Einflussnahme auf den Tochter-Vorstand gewährleistet. Rechtlich ist der Mutter-Vorstand allerdings nur dazu verpflichtet, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um die Erlangung entsprechender Informationen zu bemühen.548 Im Einzelfall kann hierunter auch die Androhung der Abberufung oder die tatsächliche Abberufung des Tochter-Vorstandsmitglieds unter den Voraussetzungen von § 84 Abs. 3 AktG fallen.549 Nur wenn dem Mutter-Vorstand diese Informationen tatsächlich zur Verfügung stehen, kann er auf der Basis dieser Informationen die Leitung der Tochter-Gesellschaft durch faktische Einflussnahme steuern, wenn der Tochter-Vorstand sich der faktischen Einflussnahme beugt550 und – für 544 Vergleichbar mit dem Fall der echten Doppelmandatierung ist auch derjenige, dass zwar keine Personenidentität besteht, die Mandatsträger der Tochter-Gesellschaft allerdings denen der Konzern-Mutter in sonstiger Weise nahestehen. Auch auf diesem Weg kann die KonzernMutter die Informationspolitik der Tochter-Gesellschaft zu ihren Gunsten beeinflussen. Näher hierzu Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 101 sowie Gessler, in: Festschrift für Westermann, 1974, S. 145, 155. 545 Vgl. Fn. 455. 546 Hierzu unter § 4 B. I.7. 547 Hierzu allgemein unter § 4 B. 548 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 36. 549 So – allerdings wohl für den Fall einer faktisch beherrschten GmbH – Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 90 Rn. 31; Götz, ZGR 1998, 524, 531 f. 550 § 311 AktG beinhaltet nach ganz herrschender Ansicht ein Weisungsfolgerecht, nicht aber eine solche Pflicht des Tochter-Vorstands. Hierzu näher Koppensteiner, in: K ­ ölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 311 Rn. 140 m. w. N.

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

den Fall nachteiliger Einflussnahme – diese Nachteile nach § 311 AktG ausgeglichen werden. Eine Pflicht zur Konzernleitung besteht bei faktischer Konzernierung daher nur, wenn es dem Vorstand nach den Verhältnissen des Einzelfalls möglich ist, beherrschenden faktischen Einfluss auf den Tochter-Vorstand auszuüben und sich die Tochter-Gesellschaft diesem Einfluss tatsächlich beugt. Die auf diesem Weg erlangten Informationen über die Tochter-Gesellschaft sind Voraussetzung für spätere Eingriffe in die Leitung der Tochter-Gesellschaft durch faktische Einflussnahme. 2. Einschränkung der Pflicht zur Konzernleitung im Vertragskonzern Im Fall der Konzernierung durch Beherrschungsvertrag besteht durch das nach § 308 Abs. 1 AktG rechtlich bindende Weisungsrecht des Mutter-Vorstands gegenüber der Tochter-Gesellschaft die für Leitung notwendige rechtlich abgesicherte Informationsmöglichkeit.551 Der Mutter-Vorstand hat einen Rechtsanspruch auf Erlangung der für die Konzernleitung benötigten Informationen. Daher unterliegt im Vertragskonzern die Pflicht zur Konzernleitung unter Beachtung von § 308 Abs. 2 S. 2 AktG a. E. keinen Einschränkungen in Hinblick auf die zur Konzernleitung benötigten Informationen des Mutter-Vorstands über die TochterGesellschaft.

III. Reichweite der allgemeinen Pflicht zur Konzernleitung 1. Streitstand Während man sich weitgehend einig ist, dass eine umfassende Konzernleitungspflicht nicht dem geltenden Recht entspricht,552 ist nach wie vor offen, wie weit die Pflicht zur Konzernleitung reicht. Eine liberale Auffassung geht davon aus, dass die rechtliche Strukturierung der beherrschten Tochter-Gesellschaft – gleichsam als Frage des Ausmaßes der Konzernleitung – im Sinne von § 76 Abs. 1 AktG dem Ermessen der Vorstandsmitglieder der Konzern-Mutter überlassen sein müsse.553 Damit könnte sich zum Beispiel 551

Vgl. hierzu § 4 B. I.5. Hierzu unter § 4 A.III. 553 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17a; so auch Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 140, der jene Pflicht zur Beteiligungsverwaltung als „Konzernkoordinierungspflicht“ bezeichnet; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 65; Windbichler, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 825, 829; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S.  76 f.; Reuter, DB 1999, 2250, 2251. 552

B. Pflicht zur Konzernleitung

123

der Vorstand der Konzern-Mutter im Fall Einfluss ermöglichender Beteiligungen auf deren bloße Verwaltung als Vermögensgegenstände beschränken. Zwischen der Auffassung, die eine umfassende Konzernleitungspflicht befürwortet554 und der Ansicht, die die rechtliche Strukturierung der beherrschten Tochter-Gesellschaft völlig dem Ermessen des Mutter-Vorstands überlässt, zeichnen sich als herrschende Meinung555 mehrere Ansätze ab. Diese vermittelnden Ansätze postulieren gleichermaßen im Sinne der Ansicht Hommelhoffs, der Vorstand der Konzern-Mutter müsse Einfluss ermöglichende Beteiligungen in Ermangelung anderweitiger Satzungsbestimmungen über deren bloße Verwaltung als Gesellschaftsvermögen hinaus unternehmerisch nutzen.556 Jedoch stellen die Vertreter dieser Ansätze aber die Entscheidung über das Ausmaß der auszuübenden Leitungsmacht – im Gegensatz zu Hommelhoff – in das Leitungsermessen557 des Mutter-Vorstands. Nach diesen Ansichten ist auch eine dezentrale Konzernführung unter weitgehender Wahrung der unternehmerischen Selbständigkeit der TochterGesellschaft rechtlich zulässig.558 Im Einzelnen ist dabei strittig, ob das Ermessen des Mutter-Vorstands hinsichtlich der Intensität der auszuübenden Leitungsmacht eingeschränkt ist.559 So dif 554

Hierzu oben unter § 4 A.II. So Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, Band 4, § 69 Rn. 24. 556 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 85; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 18; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17; für den Fall der Beteiligungsverwaltung Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, Band 4, § 69 Rn. 24; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 45; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 45 ff.; Götz, ZGR 1998, 524, 526. 557 Umstritten ist, inwieweit das Leitungsermessen des Vorstands durch Satzungsvorgaben (z. B. dergestalt, Beteiligungen in einer bestimmten Art und Weise unternehmerisch zu nutzen) einschränkbar ist. Zu dem hier vorherrschenden Spannungsverhältnis zwischen Satzungsautonomie und Leitungsautonomie jüngst Priester, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 777 ff. m. w. N. 558 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 85; Hopt, in: Großkomm AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, Band 4, § 69 Rn. 24; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Auflage 1996, Rn. 271. 559 Einschränkungen des Leitungsermessens sind nach herrschender Ansicht sowohl im Vertragskonzern, als auch bei faktischer Konzernierung denkbar, wenn der Mutter-Vorstand durch Einflussnahme auf die Tochter-Gesellschaft einen für diese unerwartet unzulässigen, nachteiligen Zustand ausgelöst hat. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann der Mutter-Vorstand dann ohne Ermessensspielraum auch der Tochter-Gesellschaft gegenüber verpflichtet sein, korrigierend einzugreifen. Für den Vertragskonzern siehe Altmeppen, in: ­MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 309 Rn. 57; Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbHKonzernR, 6. Aufl. 2010, § 309 Rn. 35; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 309 Rn. 3; Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 16; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 51; für den faktischen Konzern siehe Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 404. 555

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§ 4 Allgemeine Auswirkungen einer Konzernierung 

ferenzieren manche hinsichtlich der Anforderungen an die Leitungspflichten des Vorstands der Konzern-Mutter danach, ob es sich um einen Fall vertraglicher oder faktischer Konzernierung handelt. Im Fall der Konzernierung durch Beherrschungsvertrag müsse der Mutter-Vorstand generell alle vorhandenen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Leitung der Tochter-Gesellschaft durch die Erteilung entsprechender Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG ausschöpfen. Im Fall faktischer Konzernierung fehle eine entsprechende Durchsetzungsmöglichkeit des Mutter-Vorstands, weswegen dort keine umfassende Konzernleitungspflicht existiere.560 2. Stellungnahme Die Pflicht zur Konzernleitung beinhaltet nach richtiger Ansicht, dass Einfluss ermöglichende Beteiligungen – wenn keine anderweitigen Satzungsbestimmungen vorhanden sind – nicht nur verwaltet werden dürfen, sondern darüber hinaus unternehmerisch genutzt werden müssen.561 Rechtfertigen lässt sich diese Ansicht unabhängig von der Art der Konzernierung damit, dass der Mutter-Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG der eigenen Gesellschaft gegenüber zur Wahrung des Unternehmensinteresses und namentlich zur Gewährleistung der dauerhaften Rentabilität der Gesellschaft verpflichtet ist.562 Wenn sich über die bloße Verwaltung einer Beteiligung hinaus durch deren unternehmerische Nutzung finanzielle Vorteile für die Konzern-Mutter erzielen lassen, ist der Mutter-Vorstand im Rahmen seiner rechtlichen und faktischen Möglichkeiten zur unternehmerischen Nutzung entsprechender Beteiligungen verpflichtet.563 Die bloße Verwaltung von Einfluss ermöglichenden Beteiligungen als Gesellschaftsvermögen wahrt das Unternehmensinteresse nur dann, wenn dem MutterVorstand durch die Satzung der eigenen Gesellschaft hierzu eine ausdrückliche Berechtigung eingeräumt ist. Wie der Mutter-Vorstand die unternehmerische Nutzung Einfluss ermöglichender Beteiligungen im Detail ausgestaltet, liegt in sei 560

Die hier aufgeworfene Frage geht über die Reichweite der allgemeinen Pflicht zur Konzernleitung hinaus und ist im Kontext der Reichweite der Pflicht zur Konzernkoordinierung als Ausschnitt aus der Pflicht zur Konzernleitung beheimatet. Daher soll hierauf erst unter § 5.B.II. näher eingegangen werden. 561 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 85; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 7, 18; Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 87; wohl auch Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 49; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 45; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 45 ff.; Götz, ZGR 1998, 524, 526; Kropff, ZGR 1984, 112, 115 f. 562 Hierzu näheres unter § 5 B.III.4.a). 563 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 7; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 45; Götz, ZGR 1998, 524, 527.

C. Zusammenfassung

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nem Leitungsermessen nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG.564 Weiterreichende inhaltliche Vorgaben an die Konzernleitung durch den Mutter-Vorstand sind aus den unter § 4 A.III. genannten Gründen unzulässig. Im Fall faktischer Konzernierung steht schon die Pflicht zur unternehmerischen Nutzung von Einfluss ermöglichenden Beteiligungen unter dem Vorbehalt, dass der Mutter-Vorstand die hierfür notwendigen Informationen durch faktische Einflussnahme tatsächlich erlangt.565 Zwar darf man den Mutter-Vorstand als verpflichtet ansehen, die ihm zustehenden Möglichkeiten faktischer Einflussnahme zur Informationsbeschaffung voll auszuschöpfen. Jedoch hängt die Durchsetzung der Ziele des Mutter-Vorstands gegenüber der Tochter-Gesellschaft davon ab, dass sich der Tochter-Vorstand der faktischen Einflussnahme beugt und die erforder­ lichen Informationen erteilt.566

C. Zusammenfassung Die Pflicht zur Konzernleitung hat allgemein zum Inhalt, dass der Mutter-Vorstand Einfluss ermöglichende Beteiligungen im Rahmen seiner rechtlichen und faktischen Möglichkeiten unternehmerisch nutzen muss. Fragen des „Wie“ der unternehmerischen Nutzung unterliegen jedoch dem konzernweiten unternehmerischen Leitungsermessen des Mutter-Vorstands. Konzernleitung basiert auf umfassender leitungsbezogener Information über die beherrschte Gesellschaft. Im Fall faktischer Konzernierung besteht die Pflicht zur Konzernleitung daher nur insoweit, als durch faktische Einflussnahme tatsächlich die für die Oberleitung erforderlichen Informationen aus der Tochter-Gesellschaft erlangt werden. Eine umfassende Konzernleitungspflicht existiert nicht. Weder im Rahmen der Konzernbildung noch bei der Konzernleitung ist der Vorstand verpflichtet, die vorhandenen Möglichkeiten zur Intensivierung der Konzernverbindung vollumfänglich auszunutzen. Auf Seiten der herrschenden Gesellschaft steht dem das Recht und die Pflicht des Vorstands zur eigenverantwortlichen Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG entgegen. Dasselbe gilt für die abhängige Gesellschaft im Fall faktischer Konzernierung.

564 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 85; Hopt, in: Großkomm AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17; Koppen­steiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, Band 4, § 69 Rn. 24; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Auflage 1996, Rn. 271. 565 Hierzu schon unter § 4 B.II.2. 566 Vgl. Fn. 564.

§ 5 Konkretisierung der konzernbezogenen Leitungspflichten des Mutter-Vorstands Die unter § 4 B.III. skizzierte Reichweite der Pflicht zur Konzernleitung beschränkt sich auf die allgemein gehaltene Verpflichtung zur unternehmerischen Nutzung Einfluss ermöglichender Beteiligungen. Unternimmt man den Versuch, aus der Reichweite konzernbezogener Leitungspflichten des Mutter-Vorstands Rückschlüsse auf konzernweite Compliance-Pflichten zu ziehen, muss jene allgemeine Aussage näher konkretisiert werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass – wie aufgezeigt – eine exakte und allgemeingültige Definition der Pflicht zur Konzernleitung nicht möglich ist.567

A. Grundlage: Konkretisierung der Leitungspflichten des Vorstands der unverbundenen Aktiengesellschaft I. Bedeutung von Leitung in der unverbundenen Aktiengesellschaft In Zusammenhang mit der Frage nach der Reichweite von Leitungspflichten des Vorstands einer unverbundenen Aktiengesellschaft muss zuerst geklärt werden, was Leitung bedeutet. Dieser Begriff findet sich unter anderem in § 76 Abs. 1 AktG – der zentralen Norm für die Frage nach Leitungspflichten des Vorstands einer unverbundenen Aktiengesellschaft. Allerdings finden sich weder dort noch in der betreffenden Gesetzesbegründung des AktG 1965 Ausführungen, die den Begriff der Leitung näher erläutern.568 In der Literatur wird Leitung im Sinne von § 76 Abs. 1 AktG als die Führungsfunktion des Vorstands im Sinne eines herausgehobenen Teils der Geschäftsführung definiert.569 Leitung im Sinne von § 76 Abs. 1 AktG umfasst neben den ausdrücklich normierten Leitungsaufgaben570 nach einhelliger Meinung auch ungeschriebene Leitungsaufgaben, die mangels gesetzlicher Regelungen unter Nutzung von Erkenntnissen über die

567 Vielmehr ist man sich darüber einig, dass sich der Leitungsbegriff lediglich typologisch umschreiben lässt, vgl. hierzu Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 1 Rn. 15; Henze, BB 2000, 209, 210. 568 Vgl. Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 76, S. 97. 569 Statt vieler Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 7. 570 Vgl. hierzu die Nennungen bei Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 35.

A. Grundlage

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Führungsfunktionen aus der benachbarten Betriebswirtschaftslehre571 zu definieren sind.572

II. Typologische Abgrenzung der Führungsfunktionen In Anlehnung an die betriebswirtschaftliche Lehre werden im Rahmen der typologischen Abgrenzung die Führungsfunktionen der Unternehmensplanung, der Unternehmenskoordinierung, der Unternehmenskontrolle sowie der Besetzung nachgeordneter Führungspositionen unterschieden.573 Bei diesen Führungsfunktionen sind solche Maßnahmen nicht als Leitungsmaßnahmen zu qualifizieren, die für die Gesellschaft von untergeordneter Bedeutung oder dem laufenden Tagesgeschäft zuzuordnen sind. Daneben können auch Maßnahmen außerhalb der Führungsfunktionen Leitungscharakter haben, wenn sie eine entsprechende Bedeutung für die Entwicklung der Gesellschaft aufweisen.574 Ähnlich wie die ursprünglich betriebswirtschaftlich geprägten Instrumente der Unternehmensleitung selbst575 kann auch die ursprünglich in der Betriebswirtschaft beheimatete typologische Abgrenzung der unternehmerischen Führungsfunktionen nicht ohne weiteres verrechtlicht werden. Vielmehr ist zu klären, ob die allgemeinen Anforderungen an die Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Errungenschaften576 auch im Fall der typologischen Abgrenzung der unternehmerischen Führungsfunktionen gewahrt sind. 571 Hierzu statt vieler Grundei, in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung, 4. Aufl. 2004, S. 1441, 1442 f. oder Schreyögg, in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung, 4. Aufl. 2004, S. 1520, 1524 ff.; ähnlich Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaft, 24. Aufl. 2010, S. 47 ff. 572 Statt vieler Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 9. 573 OLG Schleswig, Beschluss vom 27.8.2009 – 2 W 160/5 – AG 2009, 374, 375; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 10; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 7; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36; Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 7; Oltmanns, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 76 AktG Rn. 5; Seibt, in: Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 9; Schmidt-Husson, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn. 17; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 16; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 273; Henze, BB 2000, 209,210; Reuter, DB 1999, 2250; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 19 sowie ders., ZIP 2003, 1, 5 hingegen unterscheidet die Begriffe „Planungs- und Steuerungsverantwortung, Organisationsverantwortung, Finanzverantwortung und Informations­verantwortung“. 574 Zu dem insoweit neben der typologischen Abgrenzung der Führungsfunktionen diskutierten Ansatz näher Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 8; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 38; im Ergebnis ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 5; Fleischer, NZG 2003, 449, 450; ders., ZIP 2003, 1, 6; Henze, BB 2000, 209, 210. 575 Hierzu allgemein oben unter § 2 E.III.2.b). 576 Hierzu unter § 2 E.III.2.b).

128

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Die typologische Abgrenzung der Führungsfunktionen hat sich sowohl in der betriebswirtschaftlichen Lehre wie auch in der Praxis etabliert. Über die Grenzen der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis hinaus577 wird die Abgrenzung der Führungsfunktionen mittlerweile auch in der juristischen Rechtsprechung und Lehre nach allgemeiner Ansicht zur Konkretisierung der Leitungspflichten des Vorstands herangezogen578. Jedoch muss die typologische Abgrenzung die Grenzen des Aktienrechts wahren. Namentlich das Leitungsermessen des Vorstands nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG muss bei der typologischen Abgrenzung der Führungsfunktionen gewahrt bleiben. Wie zu zeigen sein wird, enthalten die unternehmerischen Führungsfunktionen zwar einzelne Zielvorgaben für den Vorstand der Aktiengesellschaft. Bei richtiger Anwendung jener typologischen Abgrenzung kann der Vorstand sein unternehmerisches Ermessen zur Erreichung dieser Ziele dennoch voll ausschöpfen. Dies erreicht man, indem man bei der Verrechtlichung der unternehmerischen Führungsfunktionen im Einzelfall hinterfragt, ob mit Rücksicht auf das Leitungsermessen des Vorstands ein konkreter Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht abweichend von dessen betriebswirtschaftlicher Beurteilung zu behandeln ist.579 1. Unternehmensplanung Mit dem Begriff Unternehmensplanung meint man alle im Unternehmen notwendigen Entscheidungen, um den Ist-Zustand des Unternehmens während und am Ende des Planungszeitraums an den Soll-Zustand anzugleichen.580 Hierfür ist zum einen erforderlich, dass der Vorstand zu Beginn des Planungszeitraums die unternehmerischen Ziele für seine Gesellschaft definiert.581 Zum anderen muss er in Hinblick auf die stetige Verfolgung der erwünschten Ziele mittel- und lang-

577 Vgl. Grundei, in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung, 4. Aufl. 2004, S. 1441, 1442 f.; Schreyögg, in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung, 4. Aufl. 2004, S. 1520, 1524 ff.; Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaft, 24. Aufl. 2010, S. 47 ff. 578 Vgl. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 7; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36; Lücke, in: Lücke/Schaub (Hrsg.), Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 7; Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 9; SchmidtHusson, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn. 17; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 273; Henze, BB 2000, 209, 210; Reuter, DB 1999, 2250. 579 So schon unter § 2 E.III.2.b). 580 Sinngemäß Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 16; Götz, AG 1995, 337, 338 f.; Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 108 f. 581 Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36; Henze, BB 2000, 209, 210; Lutter, AG 1991, 249, 251.

A. Grundlage

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fristig die Unternehmenspolitik festlegen.582 Darunter fällt nach der Ansicht einiger zumindest583 auch die Pflicht zur Erstellung einer Planungsrechnung für das jeweils folgende Geschäftsjahr sowie eine auf mehrere Jahre ausgelegte (Grob-) Planung.584 Durch die Neufassung von § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG im Zuge des KonTraG kann man inzwischen unmittelbar aus dem AktG auf die Existenz der Pflicht zur Unternehmensplanung schließen.585 2. Unternehmenskoordinierung Unternehmenskoordinierung steht für die Fixierung von Grundsätzen der Aufgabenverteilung auf die weiteren Führungsebenen.586 Durch die effektive Aufgabenverteilung soll gewährleistet werden, dass die Einzelleistungen der mit Führungsaufgaben betrauten Teilbereiche im Unternehmen durch die Leitung des Vorstands optimal zum Nutzen des Gesamtunternehmens gebündelt werden.587 Hierbei muss der Vorstand auch entscheiden, ob die Organisationsstruktur der Gesellschaft funktional, divisional oder einer Mischform beider Varianten folgend ausgestaltet sein soll.588 Im Fall der Entscheidung für eine divisionale Unterneh 582 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 18; Kort, in: Großkomm AktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 17; Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 109 f. 583 Im Detail ist die Reichweite der Pflicht zur Unternehmensplanung aus juristischer Sicht umstritten, hierzu Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 38 Fn. 98. 584 Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 21 Rn. 3; Witt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 304. 585 So auch der gesetzgeberische Wille, wonach der Neufassung von § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG neben deren klarstellender Wirkung auch der Zweck zukomme, die Pflichtaufgabe des Vorstands zur Unternehmensplanung zu umreißen, vgl. Begr.RegE zu § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 586 Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 17; Witt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 305. 587 Semler, ZGR 1983, 1, 15. 588 In der Betriebswirtschaftslehre unterscheidet man (nicht abschließend) zwischen zwei Aufbauvarianten der Unternehmensorganisation, nämlich zwischen der traditionellen funktionalen Organisation und der divisionalen (Sparten-)Organisation. Erstere lässt sich grob durch eine zentrale Unternehmensstruktur, die in einem Entscheidungsmonopol der Unternehmensleitung gipfelt, charakterisieren; ihre Geschäftsverteilung ist gemäß den unternehmerischen Funktionen strukturiert. Zweitere hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass sie dezentra­lisierte Entscheidungen in den einzelnen Sparten zulässt und so eine Delegation von Verantwortung ermöglicht, hierbei aber trotzdem übergreifende Unternehmensziele berücksichtigt; hierin wird – bedingt durch die weitgehend strukturelle Unabhängigkeit der einzelnen Sparten – als wesentlicher Vorteil gegenüber der funktionalen Organisation die Möglichkeit schneller und individueller Reaktionen auf Marktveränderungen gesehen. Vgl. hierzu Gälweiler, zfo 1971, 55, 57; allgemein Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 154 f.; Vetter, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 18 Rn. 14 f.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

mensorganisation muss der Vorstand darauf achten, dass bedingt durch die weitreichende Autonomie der einzelnen Unternehmenssparten jene den Wettbewerb untereinander nicht über die Interessen des Gesamtunternehmens stellen.589 Die Koordinierung der Abläufe in der Gesellschaft durch die Unternehmensleitung gewährleistet unter anderem die Stabilität der Betriebsprozesse, deren reibungsloser Ablauf letztlich den Bestand des ganzen Unternehmens fördert.590 3. Unternehmenskontrolle Der Führungsfunktion der Unternehmenskontrolle591 liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich trotz perfekter Planung sowie Koordinierung Fehler mit Schädigungspotential in unternehmensinterne Abläufe einschleichen können, Anpassungen an sich ändernde technische oder wirtschaftliche Gegebenheiten erforderlich werden können, etc.592 Solche Einflüsse will man mit Hilfe der Unternehmenskontrolle frühzeitig wahrnehmen, um schnell richtig reagieren zu können.593 Die Rechtspflicht zur Unternehmenskontrolle umfasst nach herrschender Meinung in der juristischen Literatur die prozessbegleitende sowie retrospektive Kontrolle von Ausführung und Erfolg delegierter Aufgaben;594 zudem ist die Geschäfts- und Ergebnisentwicklung zum Zweck der systematischen Ermittlung, Analyse und Korrektur von Abweichungen stetig zu überwachen und an den planerischen Vorgaben zu messen.595 Hierzu bedient sich der Vorstand der Leitungsinstrumente der internen Revision596 sowie des Controlling597. Andeutungsweise einen Niederschlag im Aktiengesetz hat die Pflicht zur Unternehmenskontrolle mit der Einfügung von 589

Picot, Organisation, 6. Aufl. 2012, S. 321 ff. Gutenberg, Unternehmensführung, 1962, S. 68. 591 In der Betriebswirtschaft wird Überwachung als Oberbegriff zu Kontrolle als prozessabhängige Überwachung sowie Prüfung als prozessunabhängige Überwachung verstanden; so Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 797; ebenso Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 84; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 202; im juristischen Sprachgebrauch ist man sich dieser Unterscheidung offenbar nicht bewusst und verwendet den Begriff der Unternehmenskontrolle synonym zum betriebswirtschaftlichen Oberbegriff der Überwachung. Wenn also im Folgenden von (­Konzern-)Kontrolle die Rede ist, so ist damit der betriebswirtschaftliche Oberbegriff der Überwachung gemeint. 592 Gutenberg, Unternehmensführung, 1962, S. 72. 593 Sinngemäß Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 15. 594 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 18; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 16; Arnold, in: Marsch-Barner/ Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 15. 595 Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, 6. Aufl. 2003, S. 98. 596 Hierzu oben unter § 2 E.III.2. 597 Hierzu oben unter § 2 E.IV.2. 590

A. Grundlage

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§ 91 Abs. 2 AktG erfahren, wonach der Vorstand ein Überwachungssystem zur Früherkennung von bestandsgefährdenden Entwicklungen implementieren muss.598 Allgemein anerkannt ist, dass die Führungsfunktion der Unternehmenskontrolle durch den Vorstand der Gesellschaft wahrzunehmen ist.599 Die Unternehmenskontrolle durch den Vorstand geht über den Bezugspunkt von Aufsichtsratsüberwachung – nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung des Vorstands – hinaus und umfasst die Kontrolle aller Entwicklungen im gesamten Unternehmen als Teilbereich der Unternehmensleitung.600 Außerdem umfasst die Vorstandskontrolle auch die Vornahme konkreter Leitungsmaßnahmen als Reaktion auf im Rahmen der Kontrolle erkannte Fehlentwicklungen. Dem Aufsichtsrat steht bei der Ausführung seines Überwachungsauftrags ein solches Recht nicht zu.601 Er ist darauf beschränkt, den Vorstand auf von ihm erkannte Mißstände beratend hinzuweisen.602 Zudem wäre der Aufsichtsrat wegen der Begrenzung der ihm zustehenden sachlichen und personellen Mittel organisatorisch gar nicht in der Lage, die engmaschige und zeitintensive Unternehmenskontrolle durchzuführen.603 In diese Richtung scheint auch das gesetzgeberische Verständnis von Intensität und Umfang der Aufsichtsratsüberwachung zu gehen, wenn § 110 Abs. 3 AktG nur zwei Aufsichtsrats-Sitzungen im Kalenderhalbjahr als erforderlich ansieht und § 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG die Obergrenze der gleichzeitig ausgeübten Aufsichtsrats-Mandate bei zehn Mandaten festlegt. 4. Besetzung von Führungspositionen Neben der Besetzung von Führungspositionen604 zählen auch Motivation und Weiterentwicklung der Führungskräfte zu den nicht delegierbaren Leitungspflichten des Vorstands.605 Dieser Führungskräfteentwicklung wird zunehmende Bedeu 598

Dazu bereits unter § 2 E. I. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 77 Rn. 25; Martens, in: Festschrift für Fleck, 1988, 191, 199; Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 5; ders., Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 18; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1112. 600 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 69. 601 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 189. 602 BGH, Urteil vom 25.3.1991 – II ZR 188/89 – AG 1991, 312, 313; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl. 2006, Rn. 20; ders./Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 94 ff.; Pentz, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 16 Rn. 38. 603 Martens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 191, 199; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1112. 604 So schon Gutenberg, Unternehmensführung, 1962, S. 74 f. 605 Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 20; Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 96 ff.; Witt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 305. 599

132

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

tung für den langfristigen Erfolg des Unternehmens beigemessen.606 Nach Semler handelt es sich bei der Besetzung von Führungspositionen um die wichtigste Aufgabe des Vorstands, da ohne hervorragende Mitarbeiter in Führungspositionen keine erfolgreiche Unternehmensführung vorstellbar sei.607

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene – Konkretisierung der Pflicht zur Konzernleitung Die herrschende Meinung in der juristischen Literatur geht davon aus, dass sich die soeben unter § 5 A.II. gewonnenen Erkenntnisse auf die Konzernebene übertragen lassen. Auch auf der Konzernebene lässt sich der Leitungsauftrag des MutterVorstands durch die Verrechtlichung der typologischen Abgrenzung der unternehmerischen Führungsfunktionen konkretisieren.608 Jedoch muss die typologische Abgrenzung auch auf der Konzernebene die Anforderungen an die Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse609 erfüllen. In ähnlicher Weise wie bei der unverbundenen Gesellschaft haben sich auch im Konzern in der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis unternehmerische Führungsfunktionen etabliert.610 Hinzu kommt, dass auf betriebswirtschaftlicher Seite – anders als auf juristischer Seite – die Unterscheidung zwischen Konzern und Einzelgesellschaft in den Hintergrund rückt; dort steht vielmehr die Betrachtung des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit im Fokus.611 Insofern unterscheiden sich die gesellschaftsbezogenen und konzernbezogenen Führungsfunktionen von betriebswirtschaftlicher Seite her nicht. Damit kann auf oben dargelegte Ausführungen zur unverbundenen Gesellschaft612 zurückgegriffen werden. Aber auch in der juristischen Literatur geht die ganz herrschende Meinung inzwischen von der Übertragbarkeit der typologischen Abgrenzung der unternehmerischen Führungsfunktionen auf den Konzern aus.613

606

Hierzu Wettich, Vorstandsorganisation, 2009, S. 61. Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 20. 608 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 18; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 273; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 202 f.; mit Blick auf den Holding-Vorstand Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 101; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531; ähnlich Scheffler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 469, 473 f.; Götz, ZGR 1998, 524, 530 ff. 609 Dazu allgemein oben unter § 2 E.III.2.b). 610 Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 83 f.; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 202 f. 611 Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 1. 612 Vgl. oben unter § 5 A.II. 613 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 18; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531; Scheffler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 469, 473 f. 607

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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Dabei ist – wie bei der unverbundenen Gesellschaft – zu beachten, dass die Verrechtlichung der unternehmerischen Führungsfunktionen nur soweit reichen kann, als sie die Grenzen geltenden Rechts wahrt. Auch im Konzern ist daher einzelfallbezogen sicherzustellen, dass die Konkretisierung des Leitungsauftrags des Mutter-Vorstands keine unzulässigen Eingriffe in sein unternehmerisches Leitungsermessen bewirkt. Darüber hinaus ist die Annahme konzernübergreifender Vorstandspflichten stets nur soweit berechtigt, als der Mutter-Vorstand zur Befolgung dieser Pflichten aktienrechtlich überhaupt in der Lage ist. Im Folgenden ist die Reichweite der konzernbezogenen Führungsfunktionen im Rechtssinne – namentlich der Konzernplanung, Konzernkoordinierung, Konzernkontrolle sowie der konzernweiten Besetzung von Führungsfunktionen – nach dieser Maßgabe zu ermitteln.

I. Reichweite der Pflicht zur Konzernplanung Dass Konzernplanung inzwischen zum Kanon der konzernbezogenen Leitungspflichten des Mutter-Vorstands gehört, entspricht der herrschenden Auffassung.614 Die Konzernplanung wird auch in Ziff. 4.1.2 DCGK615 als geltendes Recht widergespiegelt. Bei der Frage, wie sich die in der unverbundenen Aktiengesellschaft aus § 76 Abs. 1 AktG folgende Vorstandspflicht zur Unternehmensplanung im Falle einer Konzernierung bestimmt, geht es vor allem um folgenden Aspekt: In der unverbundenen Gesellschaft erstellt der Vorstand in seiner Gesellschaft in Erfüllung der Führungsfunktion „Unternehmensplanung“ Zielvorgaben und definiert die Grundsätze der Unternehmenspolitik.616 Je nachdem, als wie weit reichend die Pflicht zur Konzernplanung erachtet wird, lässt sich vertreten, dass im Fall einer Konzernierung die Pflicht zur Unternehmensplanung konzernweit unter denselben Voraussetzungen wie im unverbundenen Unternehmen zu erfüllen sei.617 Dann müsste der Vorstand der Konzern-Mutter Zielvorgaben sowie Grundsätze der Unternehmenspolitik auch für Tochter-Gesellschaften festlegen. In der betriebswirtschaftlichen Lehre gibt es ausgefeilte Planungsmodelle, die die Konzernplanung als Baustein einer strategischen Konzernführung ansehen und weitreichende Anforderungen an die Formulierung und Kontrolle von unternehmerischen

614 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 19; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 273; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S.  202 f.; Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 101; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531; Scheffler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 469, 473 f; Götz, ZGR 1998, 524, 530 ff. 615 Hierzu noch unten Fn. 631. 616 Vgl. hierzu unter § 5 A.II.1. 617 So für die GmbH Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 52 f.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Zielen für die Tochter-Gesellschaften durch den Mutter-Vorstand stellen.618 Derart weitgehende und detaillierte Anforderungen lassen sich jedoch unter Berücksichtigung des Leitungsermessens des Mutter-Vorstands nicht verrechtlichen.619 Aber auch die jeweilige Art der Konzernierung hat – bedingt durch die jeweils unterschiedlichen rechtlichen Möglichkeiten des Mutter-Vorstands zur Beeinflussung des Verhaltens der Tochter-Gesellschaft – erheblichen Einfluss auf die Reichweite der Pflicht zur Konzernplanung im Einzelfall. Hiernach soll im Folgenden differenziert werden. 1. Reichweite der Pflicht zur Konzernplanung bei faktischer Konzernierung Im Fall faktischer Konzernierung scheitert die Annahme einer Pflicht des Mutter-Vorstands, bei der beherrschten Tochter Zielvorgaben und Unternehmens­ politik zu bestimmten, bereits daran, dass der Vorstand allgemein nur insoweit zur Vornahme bestimmter Handlungen verpflichtet sein kann, als er hierzu überhaupt rechtlich in der Lage ist.620 Faktische Konzernierung bringt aber gerade keine Einbußen an Leitungsmacht des Vorstands der beherrschten Tochter-Gesellschaft im Wege einer Weisungsfolgepflicht mit sich,621 so dass insoweit gar kein Recht – und damit auch keine Pflicht – des Mutter-Vorstands zur Vornahme von Leitungshandlungen im Allgemeinen und zur Fixierung von Zielvorgaben und Unternehmenspolitik bei der faktisch beherrschten Tochter im Besonderen bestehen kann. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 2 AktG haben auf diesen Befund keinerlei Einfluss. Nach diesen Vorschriften ist der Mutter-Vorstand im Rahmen seiner Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat unter anderem verpflichtet, auch die Unternehmensplanung etwaiger faktisch beherrschter Tochter-Gesellschaften in seine Berichte einzubeziehen. Daher könnte man auf den ersten Blick annehmen, über § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 2 AktG ließe sich eine weitreichende Pflicht zur Konzernplanung herleiten. Jedoch regelt § 90 AktG zum einen nur Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat und keine Leitungspflichten gegenüber der Gesellschaft, zum anderen stellt die entsprechende Gesetzesbegründung klar, dass schon konzernbezogene Berichtspflichten nur insoweit bestehen, als der Vorstand die entsprechenden Informationen im Rahmen des konzernrechtlich Möglichen tatsächlich erlangt.622 Wenn schon im Rah 618 Vgl. Behringer, Konzerncontrolling, 2011, S. 101 ff.; Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 88 ff. 619 Ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 20; wohl ebenso Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 38. 620 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 18. 621 So oben unter § 4 A.III.1. 622 Begr.RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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men von Berichtspflichten die Grenzen des konzernrechtlich Möglichen zu beachten sind, so muss dies erst recht für darüber hinausgehende Leitungspflichten gelten. Die herrschende Meinung geht indes hinsichtlich einer Pflicht zur Konzernleitung davon aus, dass Einfluss ermöglichende Beteiligungen mangels anderweitiger Satzungsbestimmungen unternehmerisch zu nutzen sind, wobei das „Wie“ der unternehmerischen Nutzung dem Leitungsermessen des Mutter-Vorstands überlassen bleibt.623 Eine über Beteiligungsverwaltung hinausgehende unternehmerische Nutzung liegt vor, wenn die faktisch konzernierte Tochter in ein konzernweites Gesamtkonzept integriert wird.624 Der Mutter-Vorstand hat hierzu im faktischen Konzern zwar keine rechtlichen Möglichkeiten. Er ist aber dazu verpflichtet, durch zulässige faktische Einflussnahme zumindest zu versuchen, die Zielvorgaben der einzelnen am Konzern beteiligten Gesellschaften zu harmonisieren, denn der faktisch beherrschte Tochter-Vorstand hat nach § 311 Abs. 1 AktG das Recht, für seine Gesellschaft nicht nachteilige Weisungen seitens des MutterVorstands zu befolgen,625 so auch Weisungen hinsichtlich der Unternehmensplanung der Tochter-Gesellschaft. Dasselbe gilt für nachteilige Weisungen, wenn die Nachteile gemäß den Voraussetzungen von § 311 Abs. 1 a. E., Abs. 2 AktG ausgeglichen werden. Dieses strategische Konzernmanagement bezweckt neben der Sicherung des Bestands und der dauerhaften Rentabilität der Konzern-Mutter auch die Sicherung des Bestands und der dauerhaften Rentabilität des gesamten Konzerns.626 Hiervon profitieren auch die Tochter-Gesellschaften. Insofern wird sich der Tochter-Vorstand häufig im Rahmen der Konzernplanung der faktischen Einflussnahme des Mutter-Vorstands beugen. 2. Reichweite der Pflicht zur Konzernplanung im Vertragskonzern Bei vertraglicher Konzernierung nimmt im Rahmen der Weisungserteilung die Konzern-Mutter die Leitung der beherrschten Tochter anstelle von deren Vorstand wahr. Gleichwohl besteht keine Pflicht des Vorstands der Obergesellschaft zur Erteilung bestimmter Weisungen. Vielmehr darf sich der Mutter-Vorstand nach der Wertung von § 76 Abs. 1 AktG bei seinem Handeln auf ein breites unternehmerisches Ermessen stützen.627 Übertragen auf die Frage nach der besonderen Pflicht zur Konzernplanung heißt das, dass der Vorstand der Konzern-Mutter im Vertragskonzern dem Vorstand der Tochter-Gesellschaft zwar Weisungen bezüglich 623

So oben unter § 4 A.III.2. Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 19; Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 53. 625 Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 311 Rn. 140 m. w. N. 626 Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 90. 627 So oben unter § 4 A.III.2. 624

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

der Unternehmensplanung bei der Tochter-Gesellschaft erteilen kann, hierzu aber nicht verpflichtet ist.628 Trotzdem wirkt sich eine Konzernierung aus Sicht des Mutter-Vorstands auf dessen Verpflichtung zur Unternehmensplanung so aus, dass sich sein Pflichtenrahmen erweitert: Die für den Vorstand der unverbundenen Aktiengesellschaft aus §§ 76, 93 AktG allgemein bestehende aktienrechtliche Sorgfaltspflicht629 ist nach herrschender Ansicht bei verbundenen Unternehmen aus Sicht des Mutter-Vorstands gegenüber der eigenen Gesellschaft um eine konzernweite Komponente erweitert.630 Der Mutter-Vorstand muss im Rahmen der Unternehmensplanung auch die Richtlinien der Konzernpolitik festlegen und die Gesamtstrategie des Konzerns entwickeln.631 Damit ist allerdings nicht die Unternehmensplanung innerhalb der Tochter-Gesellschaft gemeint. Die Aufgabe des Mutter-Vorstands besteht vielmehr darin, die Planungen der einzelnen am Konzern beteiligten Gesellschaften abzugleichen und so zu harmonisieren, dass als Ergebnis ein schlüssiges Gesamt 628 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 437; grundsätzlich auch Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 19 f.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 87 f.; a. A. Lutter, AG 1991, 249, 255; mit weiter­ gehenden Anforderungen für die GmbH Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 52 f.; bezüglich der GmbH allgemein Semler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, 551, 577. 629 So schon BGH, Urteil vom 27.9.1956 – II ZR 144/55 – NJW 1956, 1753, 1754; vgl. hierzu statt aller Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7. 630 Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 796; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 49; Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 16; Götz, ZGR 1998, 524, 530; Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, AG 2005, 57, 58; für die Holding Semler, ZGR 2004, 631, 658, der in der Konzernplanung das unternehmerisch wichtigste Steuerungsinstrument des Holdingvorstands sieht; auch Begr.RegE Trans PuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14 nimmt dies zum Anlass, die Einbeziehung der Tochter-Gesellschaft in die Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat in § 90 Abs. 1 S. 2 AktG ausdrücklich zu normieren: Denn die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung, die Rentabilität, der Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens ließen sich nicht sinnvoll und zuverlässig beurteilen, wenn die konzernangehörigen Unternehmen nicht auch in die Regelberichterstattung gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 AktG aufgenommen würden. 631 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 19; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531; zurückhaltender Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 324 ff. sowie für die Holding ders., ZGR 2004, 631, 658, wonach sich der Konzernvorstand regelmäßig die Konzernplanung als Konzernführungsfunktion zueigen mache. Insoweit stellt der DCGK in Ziff. 4.1.2 DCGK, wonach der Vorstand die strategische Ausrichtung des Unternehmens entwickele, geltendes Recht dar; in Verbindung mit Abs. 12 der Präambel, welcher für den Fall der Verwendung der Formulierung „Unternehmen“ in einzelnen Bestimmungen des Kodex die konzernweite Anwendung der jeweiligen Bestimmung festlegt, erklärt auch der Kodex die Pflicht zur Unternehmensplanung zur konzernweiten Vorstandsaufgabe; zum rechtlich unverbindlichen Charakter der Kodex-Bestimmungen vgl. allerdings bereits oben unter § 3 B.II.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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konzept vorliegt, das dem Konzerninteresse632 dient.633 In der Praxis legt der Tochter-Vorstand dem Mutter-Vorstand regelmäßig die selbst erstellte Unternehmensplanung für die Tochter-Gesellschaft vor. Die Konzernplanung entsteht dann in einem Diskussionsprozess als Ergebnis der Planungen der einzelnen Konzerngesellschaften.634 Sollte sich die Angleichung der Unternehmensplanung der Tochter an das konzernweite Gesamtkonzept nicht anders bewerkstelligen lassen, kann der Mutter-Vorstand in Ausübung des ihm zustehenden unternehmerischen Ermessens im Fall vertraglicher Konzernierung die Unternehmensplanung der Tochter durch die Erteilung von Weisungen nach § 308 Abs. 1 S. 1 AktG anpassen. Weiter­ gehende Anforderungen mögen zwar aus der betriebswirtschaftlichen Warte betrachtet wünschenswert sein,635 sind aber rechtlich nicht verbindlich.636

II. Konzernkoordinierung Die Pflicht zur Unternehmenskoordinierung lässt sich in der unverbundenen Aktiengesellschaft grob als die Ergreifung solcher Maßnahmen skizzieren, die die Aufgabenverteilung in der Gesellschaft ordnend festlegen.637 Im Fall einer Konzernierung geht es darüber hinaus um die Schaffung effizienter Konzernstrukturen sowie einer effizienten Konzernorganisation.638 Konzernkoordinierung ist keine einmalige Angelegenheit in der Geburtsstunde eines Konzerns. Vielmehr muss Konzernkoordinierung als fortlaufender Prozess aufgefasst werden, der im Sinne oben beschriebener Effizienzsteigerung den Konzern stetig an die unternehmerische Umwelt anpasst. In der Literatur finden sich hierzu verschiedene Ansätze, die – teils unter Verwendung anderer Termini – unter dem Begriff der Konzern­ koordinierung verschiedene Probleme verorten.

632 Hierzu Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 308 Rn. 106 ff.; zur Bestimmung des Konzerninteresses Semler, in: Festschrift für Stiefel, S. 717, 723. 633 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 19. 634 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 437; sinngemäß Götz, ZGR 1998, 524, 532 f.; zur praktischen Umsetzung eingehend Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 324 ff. 635 Vgl. hierzu Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 88 ff., 144 ff.; ders., in: Festschrift für Goerdeler, S. 471, 472 ff. 636 A. A. insoweit Götz, ZGR 1998, 524, 532 f., der detaillierte Vorgaben im Rahmen der strategischen wie operativen Konzernplanung anführt; für die GmbH vgl. auch die weitergehenden konzernintegrativen Anforderungen bei Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S.  52 f. 637 Vgl. insoweit oben § 5 A.II.2. 638 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 99; Götz, ZGR 1998, 524, 531.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

1. Pflicht zur zentralistischen Konzernführung bei Beherrschungsvertrag Eine Ansicht erörtert unter dem Begriff Konzernkoordinierung oder unter dem Begriff der Konzernorganisation639, ob der Mutter-Vorstand zur Implementierung einer bestimmten Form der Konzernierung – namentlich zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags – verpflichtet ist.640 Auch wird vertreten, im Fall des Vorliegens eines Beherrschungsvertrags bestehe eine echte Konzernleitungspflicht für den Vorstand der Konzern-Mutter.641 Durch die im Rahmen des Abschlusses des Beherrschungsvertrags getroffene Entscheidung der Konzern-Mutter für die zentralistische Führung des Konzerns sei das unternehmerische Leitungsermessen des Vorstands eingeschränkt.642 So müsse der Mutter-Vorstand im Vertragskonzern vorhandene Weisungsmöglichkeiten voll ausschöpfen.643 Argumentiert wird hierbei teilweise644 mit Erwägungen über den Sinn und Zweck des Beherrschungsvertrags aus Sicht der Konzern-Mutter. Für den Vorstand der herrschenden Gesellschaft seien erhöhte Haftungsrisiken sowie etwaige Abfindungsrechte außenstehender Aktionäre nur dann akzeptabel, wenn im Gegenzug die herrschende Gesellschaft die ihr zustehenden Einflussrechte auch tatsächlich wahrnehme. Im Vertragskonzern sei daher vom Bestehen einer echten Konzern­ leitungspflicht auszugehen.645 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Annahme einer Konzernleitungspflicht quasi als Ausgleich der nach dieser Ansicht beschriebenen negativen Folgen eines Beherrschungsvertrags für die Konzern-Mutter nicht zwangsläufig von Vorteil sein muss. Je nach den wirtschaftlichen Faktoren kann im Einzelfall eine weit­ gehend unbeeinflusste Leitung des Tochterunternehmens durch deren Vorstand auch für die Konzern-Mutter vorteilhafter sein als die laufende und intensive Einflussnahme durch die Erteilung von Weisungen. In der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis wurde dieses Phänomen zunächst in der unverbundenen Gesellschaft erkannt. Dort wurde dem Umstand, dass ein weitgehend unbeeinflusstes Wirtschaften der Tochter-Gesellschaft auch für die Konzern-Mutter vorteilhaft sein kann, durch einen Wandel des Verständnisses von Unternehmensorganisation 639 So die Bezeichnung von Götz, ZGR 1998, 524, 531 f.; ders., ZGR 1998, 524, 533 f. hin­ gegen unter der Überschrift „Konzernkoordination“. 640 Vgl. hierzu Götz, ZGR 1998, 524, 531 f. 641 Bayer, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 18 Rn. 19; Götz, ZGR 1998, 524, 526; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 155; Rieger, in: Festschrift für Peltzer, 2001, S. 339, 345 f. 642 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 83. 643 Bayer, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 18 Rn. 19; Götz, ZGR 1998, 524, 526; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 155; Rieger, in: Festschrift für Peltzer, 2001, S. 339, 345 f. 644 Ohne nähere Begründung Bayer, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 18 Rn. 19; Götz, ZGR 1998, 524, 526; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 155. 645 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 83.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

139

hin zu einem divisionalen Unternehmensaufbau Rechnung getragen.646 Im Kontext der Konzernstruktur als Frage der Konzernorganisation unterscheidet die Betriebswirtschaftslehre grob647 zwischen dem Stammhaus648- und dem Holdingkonzern649. Die verschiedenen „Holding-Wellen“ des vergangenen Jahrhunderts650 sind nichts anderes als die konzernweite Fortentwicklung der divisionalen Unternehmens­ organisation.651 Was bei divisionaler Unternehmensorganisation für den Vorstand von der Gesellschaft nachgeordneten Sparten gilt, gilt übertragen auf den Holdingkonzern für die Tochter-Gesellschaften, nämlich die Möglichkeit dezentraler, von Marktnähe gekennzeichneter Entscheidungen. Dies führt zu Flexibilität und zu einfacher Vollziehbarkeit zukünftig notwendiger gesellschaftsinterner Strukturänderungen.652 Die Annahme einer Konzernkoordinierungspflicht, wonach im Fall des Beherrschungsvertrags bestehende Weisungsmöglichkeiten stets voll auszuschöpfen sind, läuft den soeben geschilderten Bedürfnissen und Entwicklungen der Unternehmenspraxis zuwider. Schon aus diesem Grund ist die durchgängige, intensive Ausnutzung des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts nicht als Ausgleich für aus Sicht der Konzern-Mutter mit dem Beherrschungsvertrag einhergehende Nachteile geeignet. Zudem solle nach dieser Ansicht an der Entscheidung über die auszuübende Leitungsintensität nicht auf Dauer festgehalten werden. Vielmehr sei die Entscheidung über die auszuübende Leitungsintensität immer wieder zu überprüfen und an die geänderten Umstände anzupassen.653 Falls sich im Fall des Bestehens eines Beherrschungsvertrags im Rahmen jener Überprüfung allerdings die dezentrale Führung der Tochter für die KonzernMutter als momentan wirtschaftlich vorteilhaft erweisen würde,654 so müsste dieser Ansicht zufolge der Beherrschungsvertrag beendet werden. Statt dessen müsste 646

Details hierzu oben in Fn. 588. Die folgende Unterteilung in Stammhaus- und Holdingkonzern ist keinesfalls abschließend; so existieren in der Praxis die verschiedensten Mischformen, vgl. hierzu Hoffmann, in: Hoffmann (Hrsg.), Konzernhandbuch, 1993, S. 13 ff. 648 Der Stammhauskonzern (auch: „Operative Holding“) als die – historisch betrachtet – klassische Variante der Konzernorganisation ist nach Hoffmann, in: Hoffmann (Hrsg.), Konzernhandbuch, 1993, S. 14 f., dadurch gekennzeichnet, dass die Konzern-Mutter den überwiegenden Anteil der operativen Funktionen im Konzern wahrnimmt, also selbst in unternehmerisch gewichtigem Ausmaß am Markt auftritt. Sie leitet den Konzern regelmäßig in dominanter Weise, was meist eine Entscheidungszentralisation mit sich bringt. 649 Nach Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 59 ff., verzichtet die KonzernMutter (Holding) im Holdingkonzern im Gegensatz zum Fall des Stammhauskonzerns auf ein eigenes unternehmerisches Tätigwerden am Markt. Ihr Aufgabenbereich erstreckt sich auf die Führung des Konzerns sowie darauf, die operativ tätigen Konzerngesellschaften zu halten. 650 Hierzu näher Keller, DB 1991, 1633 ff.; Bernhardt/Witt, ZfB 1995, 1347 f. 651 So Lutter, in: Lutter (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 1 Rn. 4. 652 Lutter, in: Lutter (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 1 Rn. 2. 653 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 84. 654 Dies kann z. B. einzig von einer oder mehreren herausragenden Personalien im Vorstand der Tochter abhängen. 647

140

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

die Konzern-Mutter dann die Möglichkeiten faktischer Einflussnahme auf die Tochter-Gesellschaft nutzen. Die Voraussetzungen der Beendigung von Beherrschungsverträgen nach den §§ 296 ff. AktG zeigen aber, dass dieser Schritt für die beteiligten Gesellschaften mit organisatorischem und zeitlichem Aufwand verbunden wäre. Praxisgerechter und wirtschaftlich sinnvoller ist es demgegenüber, dem Vorstand der Konzern-Mutter auch im Fall des Beherrschungsvertrags die Möglichkeit einzuräumen, die von ihm beherrschte Tochter weitgehend weisungsfrei wirtschaften zu lassen. So kann der Vorstand der Konzern-Mutter schnell und mit vergleichbar geringem Aufwand auf geänderte unternehmerische Umweltfaktoren reagieren, indem er bei Bestehen des Beherrschungsvertrags die Leitung entweder stärker in die Hände des Tochter-Vorstands legt oder sie umgekehrt durch die Erteilung von Weisungen selbst wahrnimmt.655 Den Vorstand der KonzernMutter trifft daher auch bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags keine Konzern­ koordinierungspflicht in der Weise, dass vorhandene Weisungsmöglichkeiten auszuschöpfen sind und der Konzern zentral zu führen ist.656 2. Umfang der Pflicht zur Konzernkoordinierung Die herrschende Ansicht versteht unter der Pflicht zur Konzernkoordinierung zunächst nur die Aufgabe des Mutter-Vorstands gegenüber der eigenen Gesellschaft, im Rahmen von Einwirkungen auf abhängige Gesellschaften zum einen stets den wirtschaftlichen Erfolg des herrschenden Unternehmens im Auge zu behalten und zum anderen darauf zu achten, dass das eigene Verhalten die Gesamtstrategie des Konzerns fördert.657 Diese Vorgaben werden allerdings nur dann relevant, wenn der Mutter-Vorstand tatsächlich durch Weisungen oder in sonstiger Weise in die Leitung der Tochter-Gesellschaft eingreift. Darüber hinaus wird auch postuliert, der Mutter-Vorstand müsse im Rahmen der Konzernkoordinierung ein völlig unkoordiniertes658 oder unkontrolliertes659 Verhalten der Tochter-Gesellschaft unterbinden. Der Mutter-Vorstand dürfe, vermittelt durch das ihm zustehende Leitungsermessen, die Tochter-Gesellschaft im Wege dezentraler Konzernführung überwiegend selbst wirtschaften lassen, sie

655

Für ein Wahlrecht des Mutter-Vorstands zwischen zentraler und dezentraler Führungsstruktur auch Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 29; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531. 656 So auch Windbichler, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 825, 829. 657 Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; Kort, in: ­GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 140. 658 So Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 140. 659 So Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

141

aber nicht völlig sich selbst überlassen.660 Mit anderen Worten liegt das „Wie“ der Konzernkoordinierung im Ermessen des Mutter-Vorstands. Es kann sich auf Kontrollmaßnahmen beschränken. Das wirft die Frage auf, inwieweit diese inhaltlichen Anforderungen an die Konzernkoordinierung noch der Führungsfunktion der Konzernkoordinierung oder schon derjenigen der Konzernkontrolle661 zuzuordnen sind: Im Ergebnis darf der Vorstand der Konzern-Mutter die Tochter-Gesellschaft zwar eigenständig wirtschaften lassen, muss aber dennoch in der Lage sein, im Interesse des wirtschaftlichen Erfolgs der Konzern-Mutter – soweit rechtlich oder faktisch möglich – in die Leitung der beherrschten Tochter einzugreifen.662 Nur durch die Kontrolle der Aktivitäten in der Tochter-Gesellschaft kann der Vorstand der Konzern-Mutter beurteilen, wann ein Eingriff in die Leitung der beherrschten Tochter erforderlich ist. Jede Koordinierungsmaßnahme im bereits bestehenden Konzern wird demnach erst durch Kontrolle – im Wege der Informationsbeschaffung und -auswertung – ermöglicht. Maßnahmen der Konzernkoordinierung sind zudem eine denkbare Reaktion auf im Rahmen der Konzernkontrolle erkannte Auffälligkeiten. Konzernkoordinierung und Konzernkontrolle stehen demnach in einer engen gegenseitigen Verbindung.663 Davon zu unterscheiden ist die Frage, wie der Mutter-Vorstand auf im Rahmen der Konzernkontrolle festgestellte Planabweichungen durch Maßnahmen der Konzern-Koordinierung reagieren muss. So ist es denkbar, dass zum Beispiel äußere Einflüsse oder wichtige Änderungen der Personalsituation eine Veränderung der Konzern-Organisation erfordern oder ermöglichen. Wenn allerdings schon die Entscheidung über die organisatorische Ausgestaltung des Konzerns dem unternehmerischen Leitungsermessen unterliegt, so muss dies auch für deren Änderung gelten. Hierbei ist – je nach Lage des Einzelfalls – aus der Sicht des Mutter-Vorstands eine Ermessensreduzierung denkbar.

660 Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; wohl auch Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 140; ähnlich Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, Band 4, § 69 Rn. 24; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 532. 661 Dazu unter § 5 B.III. 662 Mit dieser Anforderung wird man auch der unternehmerischen Praxis gerecht, die vermehrt dezentral organisierte Holdingkonzern-Strukturen einsetzt, in denen die einzelnen Töchter weitgehend eigenständig wirtschaften können (vgl. oben § 5 B.II.1.). 663 Insofern ist es nicht möglich, die Pflichten zu Konzernkoordinierung und Konzernkontrolle jeweils völlig isoliert zu erörtern. Der Schwerpunkt der Erörterungen, die naturgemäß auch die Pflicht zur Konzernkoordinierung berühren, soll unter § 5 B.III. mit den Ausführungen zur Pflichtenlage hinsichtlich der Konzernkontrolle erfolgen.

142

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

III. Konzernkontrolle Unter den unternehmerischen Führungsfunktionen steht die Unternehmenskontrolle der Compliance besonders nahe. Wie bereits erörtert, soll Corporate Compliance rechts- und regelkonformes Verhalten in Unternehmen fördern. Ein wichtiges Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist die Kontrolle des Verhaltens aller am Unternehmen beteiligter Personen auf seine Rechts- und Regelkonformität hin. Im Konzernkontext markiert die Existenz und Reichweite der Pflicht zur Konzernkontrolle dementsprechend einen bedeutenden Eckpunkt für die Ermittlung der Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands. Im Folgenden ist zu ergründen, inwieweit sich die bei der unverbundenen Aktiengesellschaft bestehende Vorstandspflicht zur Unternehmenskontrolle durch die eine oder andere Art von Konzernierung verändert. 1. Gegenstand der Konzernkontrolle Unternehmenskontrolle in der unverbundenen Aktiengesellschaft umfasst nach herrschender Meinung in der juristischen Fachliteratur die prozessbegleitende sowie retrospektive Kontrolle von Ausführung und Erfolg delegierter Aufgaben durch den Vorstand. Zudem ist die Überwachung der Geschäfts- und Ergebnisentwicklung zum Zweck der systematischen Ermittlung, Analyse und Korrektur von Abweichungen Gegenstand der Unternehmenskontrolle.664 Auch in einer Konzernsituation muss der Mutter-Vorstand die eigene Gesellschaft nach diesen Vorgaben kontrollieren, da er gegenüber der Konzern-Mutter unverändert Adressat der Leitungspflicht aus § 76 Abs. 1 AktG bleibt. Zusätzlich stellt sich die Frage, inwieweit der Mutter-Vorstand Vorgänge bei der Tochter-Gesellschaft zum Gegenstand der eigenen Kontroll-Tätigkeit machen muss. Hierfür ist bedeutend, dass aus Sicht der Konzern-Mutter Konzernierung neben gesteigerten Gewinnchancen auch eine Kumulation von Risiken bedeutet.665 Solche konzernierungsbedingten nachteiligen Entwicklungen von der Mutter-Gesellschaft abzuwenden, ist ein Ziel von Konzernkontrolle. Daneben ist man sich einig, dass effektiver Konzernkontrolle eine vorbereitende Schlüsselfunktion für die sachgerechte Wahrnehmung der Konzernleitung zukommt.666 Leitungsmaßnahmen sind demnach auch als Reaktionen auf im Rahmen der (Konzern-)Kontrolle ermittelte Vorgänge zu verstehen.

664

Vgl. hierzu bereits oben unter § 5 A.II.3. Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217. 666 Für die GmbH Liebscher, in: MünchKommGmbHG, 2010, Anhang § 13, Rn. 1097 m. w. N. 665

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

143

2. Rechtspflicht zur allgemeinen Konzernkontrolle In der unverbundenen Aktiengesellschaft lässt sich die Vorstandspflicht zur Kontrolle der eigenen Gesellschaft als Ausschnitt des Leitungsauftrags nach § 76 Abs. 1 AktG festmachen. Neben der Kontrolle von Ausführung und Erfolg delegierter Aufgaben muss der Vorstand dabei auch die Geschäftsentwicklung überwachen.667 Diese Vorstandspflicht besteht unabhängig vom Vorliegen einer Konzernierung, da eine Konzernierung die bestehende Pflichtenlage innerhalb der Konzern-Mutter nicht beschneidet, sondern allenfalls zusätzliche Vorstandspflichten mit sich bringt. Im Fall einer Konzernierung versteht man unter dem Begriff der Konzernkontrolle, dass der Vorstand der Mutter-Gesellschaft auch die Entwicklungen in der beherrschten Gesellschaft überwachend zu begleiten hat.668 Zudem müsse er eine allgemeine Konzernkontrolle ausüben.669 Vereinzelt wird erwogen, jene allgemeine Konzernkontrolle sei schon mit der Überwachung der Tochter-Gesellschaft durch deren Aufsichtsrat nach § 111 AktG gewährleistet, wenn Mitglieder des Mutter-Vorstands im Wege der Doppelmandatierung auch als Mitglieder des Tochter-Aufsichtsrats fungieren.670 Dem ist entgegenzuhalten, dass der Aufsichtsrat – wie bereits gezeigt – von seinen institutionellen Voraussetzungen her gar nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsauftrag so auszuführen, dass das Resultat mit dem der Unternehmenskontrolle durch den Vorstand zu vergleichen ist. Zudem ist alleiniger Bezugspunkt der Aufsichtsratsüberwachung die Geschäftsführung des Vorstands, § 111 Abs. 1 AktG. Auch kann der Doppelmandatsträger durch gegenläufige Interessen von Mutter und Tochter in Hinblick auf kontroll-relevante Daten an einer Weitergabe dieser Daten an die Konzern-Mutter gehindert sein.671 Allein die Ausübung eines Aufsichtsrats-Mandats in der Tochter-Gesellschaft durch den Mutter-Vorstand reicht nicht für die Erfüllung seines allgemeinen konzernweiten Kontrollauftrags aus.672 Damit muss der Vorstand der Konzern-Mutter über die Kontrolle der Entwicklungen in der eigenen Gesellschaft hinaus auch diejenigen in der beherrschten Tochter überwachen und kontrollieren. Diese Vorstandspflicht einer Kontrolltätigkeit über die Grenzen der eigenen Gesellschaft hinaus ist allerdings nicht ohne 667

Hierzu oben unter § 3 C.II.1. So statt vieler Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 52 oder Götz, ZGR 1998, 524, 534 ff. 669 Für die GmbH kürzlich OLG Jena, Urteil vom 12.8.2009 – 7 U 244/7, AG 2010, 376, 377; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 72; für die GmbH ders., in: Rowedder/Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, 4. Aufl. 2002, Anh. nach § 52 Rn. 85; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 24; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531. 670 Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 72. 671 Dazu oben unter § 4 B. I.8.a). 672 So auch Götz, ZGR 1998, 524, 535. 668

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

weiteres dem Leitungsauftrag des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG zu entnehmen, sondern bedarf einer rechtlichen Begründung, wobei wiederum zwischen faktischer und vertraglicher Konzernierung zu unterscheiden ist. 3. Begründung der Rechtspflicht zur allgemeinen Konzernkontrolle bei faktischer Konzernierung Dass es aus Sicht des Mutter-Vorstands unzulässig wäre, die Tochter-Gesellschaft völlig unkontrolliert zu lassen, resultiert im Fall einer Beteiligung der Mutter an der Tochter bereits daraus, dass es sich bei den Anteilen an der Tochter-Gesellschaft um Vermögenswerte der Mutter-Gesellschaft handelt. Das Vermögen der eigenen Gesellschaft muss der Mutter-Vorstand schon nach Maßgabe der aus § 76 Abs. 1 AktG entspringenden Vermögensverwaltungsfunktion ausreichend betreuen.673 Um die Werthaltigkeit jener zu betreuenden Beteiligungen einschätzen zu können, muss der Mutter-Vorstand die Vorgänge in der Tochter-Gesellschaft kontrollieren. Nach herrschender Ansicht steht dem Mutter-Vorstand bei Frage nach dem „Ob“ der Ausübung von Konzernkontrolle kein Ermessensspielraum zur Verfügung.674 Die Reichweite der Kontrollpflichten hängt indes von der Lage des Einzelfalls ab: Der Mutter-Vorstand kann wiederum seiner Gesellschaft gegenüber nicht zu einem Verhalten verpflichtet sein, das im Verhältnis zur Tochter-Gesellschaft seine rechtlichen Möglichkeiten überschreitet.675 Daher können Kontrollpflichten des Mutter-Vorstands in der faktisch beherrschten Tochter-Gesellschaft nur so weit reichen, wie der Mutter-Vorstand diese Kontrolle gegenüber der Tochter-Gesellschaft durchzusetzen vermag. Als Ausschnitt der Leitungstätigkeit des Vorstands kann auch Kontrolle nur dann funktionieren, wenn dem Vorstand die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen.676 Insoweit hängt die Pflicht zur Konzernkontrolle von der Reichweite der durch faktische Einflussnahme erlangbaren Informationen über die Tochter-Gesellschaft ab.677 Mangels einer

673

So statt aller Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17a; jüngst Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1182 f. 674 Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 87; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 21, 24; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 72; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 24; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 531. 675 So schon oben unter § 4 A.III.1. 676 Bergmann/Bungert, Strategische Unternehmensführung, 2011, S. 251; aus juristischer Sicht Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 32. 677 Dazu oben unter § 4 B. I.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

145

rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeit gegenüber der Tochter-Gesellschaft im faktischen Konzern kann nicht vom Bestehen einer Pflicht zur umfassenden Konzern­ kontrolle ausgegangen werden. Der Mutter-Vorstand muss allerdings vorhandene Einflussmöglichkeiten auf die Tochter-Gesellschaft – soweit möglich – wahrnehmen, um so die kontroll-relevanten Informationen über diese zu erlangen. Dies kann im Einzelfall so weit gehen, dass der Mutter-Vorstand verpflichtet ist, ein nicht auskunftsbereites TochterVorstandsmitglied gemäß § 84 Abs. 3 AktG austauschen zu lassen.678 Die Pflicht zur Wahrnehmung vorhandener Einflussmöglichkeiten ist umso intensiver, je bedeutender die Beteiligung an der Tochter-Gesellschaft für die Konzern-Mutter ist. Wenn beispielsweise nahezu das gesamte Vermögen der Konzern-Mutter in einer einzigen Mehrheitsbeteiligung gebunden ist, müssen strengere Anforderungen gelten als bei kleineren Beteiligungen.679 Die Intensität der Kontrollpflichten des Mutter-Vorstands hängt indes nicht von dem Maß der tatsächlich ausgeübten faktischen Leitungsmacht ab.680 Wie schon ausgeführt hat der Mutter-Vorstand nach herrschender Meinung im Rahmen der Pflicht zur Konzernleitung mangels anderweitiger Satzungsbestimmungen die Pflicht, Einfluss ermöglichende Beteiligungen an anderen Gesellschaften über deren bloße Verwaltung als Vermögensgegenstand hinaus unternehmerisch zu nutzen.681 Wie er diese Nutzung ausgestaltet, unterliegt nach § 76 Abs. 1 AktG seinem Leitungsermessen. Für die ordnungsgemäße Ausübung des Leitungsermessens muss er über die konkreten Verhältnisse der Tochter-Gesellschaft stets zeitnah informiert sein. Mit anderen Worten muss der Mutter-Vorstand die faktisch konzernierte Tochter-Gesellschaft – unabhängig von der Intensität der tatsächlich ausgeübten faktischen Einflussnahme – umfassend kontrollieren, wenn und soweit die ihm zustehenden Möglichkeiten faktischer Einflussnahme dies zulassen. 4. Begründung der Rechtspflicht zur allgemeinen Konzernkontrolle bei Konzernierung durch Beherrschungsvertrag Die Argumentation, wonach Beteiligungsbesitz als Gesellschaftsvermögen betreut und kontrolliert werden muss, kann nicht für den denkbaren Fall einer beherrschungsvertraglichen Konzernierung ohne Beteiligungsbesitz herangezogen werden. Ob auch in einem solchen Fall eine Kontrollpflicht des Mutter-Vorstands 678

Hierzu näher Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 191. Ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27; ders., DB 2005, 759, 763; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 93. 680 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 24; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 89 ff; Götz, ZGR 1998, 524, 535; Martens, ZHR 159 (1995), 567, 569 f.; a. A. Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 7; Reuter, DB 1999, 2250, 2251. 681 So oben unter § 4 B.III.2. 679

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

besteht, die es ihm verbietet, die Tochter-Gesellschaft völlig unbeaufsichtigt wirtschaften zu lassen, muss daher gesondert untersucht werden. Freilich stellt sich die Frage nach dem Ursprung dieser Pflicht in der Praxis selten, da herrschende Gesellschaften in aller Regel von sich aus die durch den Beherrschungsvertrag eingeräumten Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Leitung der Tochter im Interesse eigener Gewinnmaximierung wahrnehmen.682 Wie erörtert, ist der Mutter-Vorstand hierzu allerdings nicht verpflichtet.683 a) Unverbundene AG: Sicherung von Bestand und dauerhafter Rentabilität Der Vorstand der Aktiengesellschaft hat nach § 76 Abs. 1 AktG die Befugnis und die Pflicht zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft.684 Die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft hat zur Voraussetzung, dass dem Vorstand ein weiter Ermessensspielraum zusteht, in dessen Grenzen er das Unternehmen weisungsunabhängig leiten darf und muss.685 Eine Grenze dieses Ermessensspielraums im Rahmen der Leitung der Gesellschaft ist die allgemein anerkannte Pflicht zur Wahrung des Unternehmensinteresses.686 Dies lässt sich allerdings nicht dem Wortlaut von § 76 Abs. 1 AktG entnehmen. Auch aus der Formulierung von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, worin nach einer Ansicht die Bindung des Vorstands an das „Wohl der Gesellschaft687“ zum Ausdruck kommt,688 kann nicht abgeleitet werden, dass das unternehmerische Ermessen durch die Pflicht zur Wahrung des Unternehmensinteresse begrenzt ist. Die ein-

682 Dieser Fakt mag die Ursache dafür darstellen, dass zwar übereinstimmend vertreten wird, die Konzern-Mutter dürfe die Tochter im Vertragskonzern nicht völlig unbeachtet wirtschaften lassen, indes jedoch nur vereinzelt Aussagen über die Herleitung jener Pflicht aufzufinden sind, vgl. nur Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 140; mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt Scheffler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 469, 473 ff. 683 Siehe § 5 B.II.1. 684 Statt aller Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 15. 685 BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 882. 686 So stellte schon BGH, Urteil vom 5.6.1975 – II ZR 156/73 – NJW 1975, 1412, 1413 auf das Unternehmensinteresse ab; vgl. auch Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 15; Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 12; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 14 Rn. 14. Übereinstimmend hiermit auch die Wiedergabe geltenden Rechts (vgl. hierzu die Präambel des DCGK) in Ziff. 4.1.1 DCGK. 687 Laut Begr.RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 ist von dem Begriff „Wohl der Gesellschaft“ in der Konzernsituation auch das der Tochter-Gesellschaften und des Gesamt­ konzerns erfasst. 688 So Oetker, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 279.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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zelnen Voraussetzungen der Business Judgment Rule689 stellen nämlich keine Vorstandspflichten auf, sondern begründen im Fall ihres Vorliegens die unwiderlegbare Vermutung objektiv pflichtkonformen Verhaltens.690 Die Pflicht zur Wahrung des Unternehmensinteresses als Grenze des unternehmerischen Leitungsermessens besteht vielmehr darin, dass der Vorstand der unverbundenen Aktiengesellschaft deren Leitung – unabhängig vom Portfolio und einer etwaigen Rangfolge der hierbei berücksichtigungsfähigen Interessen691 – zuförderst am Bestand des Unternehmens und damit an seiner dauerhaften Rentabilität692 zu orientieren hat.693 Erst wenn diese Grundvoraussetzungen der Existenz der Gesellschaft gesichert sind, besteht für den Vorstand überhaupt ein Ermessensspielraum. Diesen Zusammenhang kann man auch der klarstellenden694 Einfügung von § 91 Abs. 2 AktG im Zuge des KonTraG695 entnehmen, wonach der Vorstand ein Überwachungssystem zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen einzurichten hat. Auch § 91 Abs. 2 AktG dient dem Zweck der langfristigen Existenzsicherung und Prosperität der Gesellschaft696 und entzieht die Frage des „Ob“ der Implementierung eines Überwachungssystem zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen dem Ermessensspielraum des Vorstands.697 b) Modifikation des Unternehmensinteresses durch das Konzerninteresse Bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung stellt sich die Frage, ob und wie die vom Mutter-Vorstand im Rahmen der Leitung der Konzern-Mutter und des Gesamtkonzerns zu berücksichtigenden Interessen zu modifizieren sind. In der juristischen Literatur hat sich im Rahmen der Diskussion um die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Weisungen seitens der Konzern-Mutter nach § 308 Abs. 1 AktG – in Anlehnung an den bezüglich der unverbundenen Gesellschaft gebrauchten Begriff

689

Hierzu Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4a; Göppert, Business Judgment Rule und Aufsichtsrat, 2010, S. 118 ff. 690 So Begr.RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11; vgl. auch Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4c. 691 Zum Meinungsstand statt aller Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 12. Vgl. auch die rechtlich unverbindliche Aufzählung in Ziff. 4.1.1 DCGK. 692 Vgl. insoweit auch die Erwähnung in § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AktG. 693 So OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94 – AG 1995, 512, 514; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 15; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 74; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 14 Rn. 14 m. w. N.; aus Sicht des Aufsichtsrats v. Werder/Wieczorek, DB 2007, 297, 297. 694 Dazu oben unter § 2 E. I.2. 695 KonTraG (1998), BGBl. I 1998, 786 ff. 696 Sinngemäß die allgemeine Begründung des RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 11. 697 So auch Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 12; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 74.

148

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

des Unternehmensinteresses – der Begriff des Konzerninteresses etabliert.698 Dabei ist umstritten, inwieweit sich die für den Mutter-Vorstand maßgeblichen Interessen durch beherrschungsvertragliche Konzernierung verändern.699 Eine Pflicht, dass der Mutter-Vorstand die Tochter-Gesellschaft trotz bestehenden Beherrschungsvertrags nicht völlig sich selbst überlassen darf, geht allerdings weder aus § 308 Abs. 1 AktG, noch aus der Diskussion über die Reichweite des Konzerninteresses hervor, da § 308 Abs. 1 AktG nur die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit von Weisungen im Verhältnis zur beherrschten Tochter, nicht aber eine Vorstandspflicht zur Erteilung solcher Weisungen im Verhältnis zur herrschenden Gesellschaft festlegt.700 c) Modifikation des Unternehmensinteresses durch Gefahren für die Konzern-Mutter aus §§ 302 ff. AktG Jedoch muss der Vorstand der Konzern-Mutter – ähnlich wie der Vorstand einer unverbundenen Gesellschaft – auch bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung zuförderst sicherstellen, dass der Bestand701 und die dauerhafte Rentabilität der eigenen Gesellschaft gewährleistet sind. Angesichts der im Vertragskonzern geltenden Schutzvorschriften zugunsten der beherrschten Gesellschaft, der Gläubiger sowie außenstehender Aktionäre und deren möglicher Auswirkungen auf die Konzern-Mutter bedeutet das auch, dass sich der Mutter-Vorstand im Wege der Konzernkontrolle mit den Möglichkeiten oder Erfordernissen von Eingriffen in die Leitung der abhängigen Gesellschaft zumindest auseinanderzusetzen hat.

698

Der Begriff des Konzerninteresses taucht in der juristischen Fachliteratur vor allem zur Umschreibung der Voraussetzungen solcher rechtmäßiger Weisungen nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG auf, die für die beherrschte Tochter Nachteile mit sich bringen. Einzelne für die Tochter nachteilige Weisungen sind nach diesem Konzept der h. M. zulässig, wenn sie dem Interesse der wirtschaftlichen Einheit „Konzern“ dienen und infolgedessen durch die Anwendung des Ausgleichssystems der §§ 300 ff. AktG egalisiert werden. Als spezifisches Verbundsinteresse kann das Konzerninteresse über die einzelnen Unternehmensinteressen der verbundenen Gesellschaften hinausgehen. Im Rahmen von unternehmerischen Leitungsentscheidungen im Ermessen des Vorstands der Konzern-Mutter (also jenseits der Sicherung von Bestand und dauer­ hafter Rentabilität der eigenen Gesellschaft) muss letzterer jenes Konzerninteresse in seine Ermessenserwägungen einfließen lassen, vgl. hierzu Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 142 m. w. N. Allgemeiner hierzu Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktienund GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 308 Rn. 46 ff oder Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 308 Rn. 101 ff. 699 Vgl. hierzu die Nennungen bei Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 308 Rn. 103 oder bei Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 308 Rn. 16 sowie die sehr ausführliche dogmatische Aufarbeitung bei Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 355 ff. 700 Vgl. hierzu nur Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 308, S. 403 f. 701 Zu den umstrittenen Folgefragen hinsichtlich der Zulässigkeit solcher Weisungen, welche die beherrschte Tochter in ihrer Existenz gefährden vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 308 Rn. 115 ff.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

149

Hinsichtlich der Pflicht zur Wahrung des Unternehmensinteresses – namentlich zur Sicherung von Bestand und dauerhafter Rentabilität der eigenen herrschenden Gesellschaft – gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend, denn unabhängig von der Frage des Ausgleichs von im Konzern aufeinandertreffenden Interessen702 bleibt der Vorstand der herrschenden Gesellschaft auch Adressat des aus § 76 Abs. 1 AktG hinsichtlich der eigenen Gesellschaft resultierenden Leitungsauftrags. Entsprechend oben dargelegten Ausführungen703 besteht dann auch im Fall beherrschungsvertraglicher Konzernierung kein Ermessensspielraum des Mutter-Vorstands hinsichtlich der Sicherung von Bestand und dauerhafter Rentabilität der Konzern-Mutter. Bestand und dauerhafte Rentabilität der Konzern-Mutter können auch dadurch gefährdet werden, dass sich finanzielle Missstände bei der Tochter-Gesellschaft angesichts der Schutzvorschriften zugunsten der beherrschten Gesellschaft, der Gläubiger sowie außenstehender Aktionäre nach §§ 302 ff. AktG auf die finanzielle Situation der Mutter auswirken. Namentlich die unabdingbare Verpflichtung der Konzern-Mutter zur Übernahme etwaiger Jahresfehlbeträge der Tochter nach § 302 AktG bewirkt eine Beeinflussung der finanziellen Lage der Konzern-Mutter durch die der Tochter. Hierbei fällt besonders ins Gewicht, dass nach einhelliger Ansicht die Rechtsfolgen von § 302 AktG unabhängig davon eintreten, ob Jahresfehlbeträge kausal auf Weisungen der Konzern-Mutter beruhen, oder ob sie durch das Handeln der Tochter-Gesellschaft entstanden sind.704 Da somit im Extremfall 702

Vgl. Fn. 698. Siehe oben unter § 5 B.III.4.a). 704 Siehe hierzu schon BGH, Urteil vom 11.11.1991 – II ZR 287/90 – AG 1992, 83, 84, wo zur Begründung angeführt wird, dass das Weisungsrecht nach § 308 AktG es dem Vorstand der Konzern-Mutter ermögliche, auch für die Tochter nachteilige Weisungen zu erteilen. Die hiermit verbundene Rechtsmacht der Konzern-Mutter rechtfertige die unwiderlegliche Vermutung, dass die Konzern-Mutter tatsächlich von jener Rechtsmacht Gebrauch gemacht habe. Aus diesem Grund müsse die Konzern-Mutter das volle Unternehmensrisiko der abhängigen Tochter tragen. I. Erg. auch Kropff, Begründung RegE zum AktG 1965, § 302, S. 391; Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 302 Rn. 18; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 302 Rn. 11; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 302 Rn. 18. Ob jene geringen Kausalitätsanforderungen auch auf die Verpflichtung der Konzern-Mutter zum Ausgleich für den Verlust des mitgliedschaftlichen Dividendenrechts gegenüber außenstehenden Aktionären nach § 304 AktG anwendbar sind, ist zweifelhaft. Die Rechtsprechung und die wohl herrschende Meinung gehen im Rahmen der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 304 Abs. 2 AktG von dem Zeitpunkt der Genehmigung des Beherrschungsvertrags durch die Hauptversammlung des beherrschten Unternehmens nach § 293 Abs. 1 S. 1 AktG als Stichtag für hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs berücksichtigungsfähige Entwicklungen aus, vgl. BGH, Beschluss vom 3.4.1998 – II ZB 5/97 – AG 1998, 286, 287; BGH, Beschluss vom 21.5.2007 – II ZR 266/4 – AG 2007, 627, 629; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 304 Rn. 10, 19; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 304 Rn. 47; Veil, in: Spindler/ Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 304 Rn. 51. Nur solche späteren Entwicklungen, die „in der Wurzel“ bereits zum Zeitpunkt des Stichtags feststellbar waren, können demnach bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs berücksichtigt werden; str., vgl. nur Paulsen, in: Münch KommAktG, 3. Aufl. 2010, § 304 Rn. 151 ff. Die Konsequenz dieser Ansicht für die hiesige 703

150

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Jahresfehlbeträge der Tochter-Gesellschaft für die Konzern-Mutter unabhängig von deren Verursachungsbeitrag bestandsgefährdende Auswirkungen haben können, muss der Vorstand der Konzern-Mutter die Geschehnisse innerhalb der Tochter-Gesellschaft stets im Auge haben, um gegebenenfalls koordinierend eingreifen zu können. Damit fordert die herrschende Ansicht zu Recht, der Vorstand der Konzern-Mutter dürfe auch bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung nicht zulassen, dass die Tochter-Gesellschaft völlig unkontrolliert wirtschaftet. 5. Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle durch § 91 Abs. 2 AktG Dass die soeben dargestellten allgemeinen Anforderungen an die Erfüllung der Pflicht zur Konzernkontrolle weder aus Sicht der Wissenschaft noch aus Sicht der Unternehmenspraxis ausreichend sind, um Rechtssicherheit zu schaffen, lässt sich aus der sowohl auf juristischer als auch auf betriebswirtschaftlicher Seite geführten Diskussion um konkretere Anforderungen an die Pflicht zur Konzernkontrolle ableiten.705 Auch diese Diskussion lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass das Aktiengesetz über die schon erwähnten Anforderungen an die Leitung der unverbundenen Gesellschaft hinaus insoweit fast keine konkreten Aussagen enthält. Indes ist mit der Einfügung von § 91 Abs. 2 AktG im Zuge des KonTraG706 ein gesetzgeberischer Schritt unternommen worden, der auch für die Konkretisierung der Anforderungen an die Pflicht zur Konzernkontrolle eine gewisse Rolle spielt. Der Begründung des RegE KonTraG lässt sich entnehmen, dass die von § 91 Abs. 2 AktG aufgestellten Anforderungen aus der Sicht der Konzern-Mut-

Fragestellung wäre, dass z. B. spätere, nicht vorhersehbare und nicht verbundbezogene Entwicklungen in der Tochter-Gesellschaft keinen Einfluss auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs hätten. Infolgedessen eignet sich die Verlustausgleichspflicht nach § 304 AktG nicht, um die Pflicht des Mutter-Vorstands zu begründen, vertraglich beherrschte Tochter-Gesellschaften nicht unkoordiniert wirtschaften zu lassen. 705 Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 453; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 6; Kleindiek, in: Hommelhoff/ Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 801; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 91 Rn. 40, 43; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 10; Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 98; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 62; ders., in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 41 f.; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 295 ff.; Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 55 f.; Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217, 222 ff.; Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 847; Schindler/Rabenhorst, BB 1998, 1886, 1892; Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, AG 2005, 57, 58. 706 Vgl. hierzu schon oben unter § 2 E. I.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

151

ter in einem konzernweiten Kontext zu verstehen sind.707 Setzt man den Wortlaut von § 91 Abs. 2 AktG in jenen konzernweiten Kontext, so gilt zunächst Folgendes: Der Vorstand der Konzern-Mutter muss unter anderem in der herrschenden Gesellschaft ein konzernweit agierendes Früherkennungs- und Überwachungssystem errichten und betreiben. Dieses System muss so ausgerichtet sein, dass der Vorstand der Konzern-Mutter in die Lage versetzt wird, solche Entwicklungen708 in den Konzerngesellschaften rechtzeitig zu erkennen, die den Bestand der KonzernMutter gefährden. Hierbei hat der Gesetzgeber bewusst auf detaillierte Vorgaben zur inhaltlichen und technischen Ausgestaltung dieses Systems verzichtet, da die notwendigen Anforderungen an ein solches System von Fall zu Fall individuell beurteilt werden müssen.709 Die herrschende Meinung geht in diesem Zusammenhang davon aus, der Konzernbezug von § 91 Abs. 2 AktG erschöpfe sich darin, dass das Früherkennungsund Überwachungssystem der Konzern-Mutter auch solche bestandsgefährdenden Entwicklungen erfassen müsse, die in der Tochter-Gesellschaft vonstattengehen.710 Damit ist gemeint, dass die Konzern-Mutter den Fokus ihres Früherkennungssystems zwar auch auf die Vorgänge innerhalb der Tochter-Gesellschaft richtet, hiermit aber nicht das eigene Früherkennungssystem der Tochter ersetzt. Demgegenüber wird vereinzelt gefordert, das Früherkennungssystem der Konzern-Mutter müsse an sich konzernweit angelegt sein und innerhalb der Tochter-Gesellschaft Früherkennungs- und Überwachungsmaßnahmen durchführen.711

707 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; so auch für die Holding Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 799 ff.; ähnlich Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 98; für die GmbH Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 55 f.; zurückhaltender Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27. 708 Als Beispiele für solche Entwicklungen führt die Begründung des RegE KonTraG, ­BT-Drucks. 13/9712 auf S. 15 risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten der Rechnungs­ legung sowie Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften an. 709 Als für die konkrete Ausgestaltung des Systems maßgebliche Faktoren werden in Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15 beispielhaft Größe, Branche, Struktur und Kapitalmarktzugang der Gesellschaft genannt. 710 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 10; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 62; für den faktischen Konzern ebenso Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27; Windbichler, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 825, 829; Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 2000, Beilage 11 zu Heft 37, Rn. 15; wohl auch Fleischer, DB 2005, 759, 764; Theisen, BB 2003, 1426, 1428. 711 Im Ergebnis so Ballwieser, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 447, 453; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 801; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 295 ff.; Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217, 222 ff.; Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 847; Schindler/Rabenhorst, BB 1998, 1886, 1892.

152

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Der letztgenannten Ansicht ist entgegenzuhalten, dass ein solches konzernübergreifendes Früherkennungssystem rechtlich nicht vorgeschrieben ist.712 In Fortführung der bereits oben abgelehnten Ansicht, die von der Existenz einer Pflicht zum umfassenden Risikomanagement aus § 91 Abs. 2 AktG ausgeht,713 mag die Forderung nach einem konzernübergreifenden Früherkennungssystem zwar folgerichtig sein, ist aber de jure verfehlt: Die herrschende Meinung lehnt das Bestehen einer Pflicht des Mutter-Vorstands zur umfassenden Konzernleitung ab.714 Ein Grund für die Ablehnung des Bestehens einer umfassenden Konzernleitungspflicht liegt in dem unternehmerischen Leitungsermessen des Mutter-Vorstands.715 Dieses Leitungsermessen findet seine Grenzen in der Verantwortung für die Verfolgung des Unternehmensinteresses, also der Sicherung von Bestand und dauerhafter Rentabilität der Gesellschaft.716 Die Sicherung von Bestand und dauerhafter Rentabilität der Konzern-Mutter steht und fällt aber nicht mit der Errichtung eines konzernweiten Früherkennungs- und Überwachungssystems, welches auch in Tochter-Gesellschaften selbst Früherkennungs- und Überwachungsmaßnahmen durchführt. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Vorstand der Konzern-Mutter risikorelevante Informationen aus dem Umfeld der Tochter-Gesellschaft in dem Früherkennungssystem der eigenen Gesellschaft verarbeitet. Das steht mit der oben beschriebenen herrschenden Meinung hinsichtlich der Reichweite der Pflicht zur Konzernkoordinierung in Einklang. Die herrschende Meinung fordert – auch in Hinblick auf eine somit ermöglichte Realisierung wirtschaftlicher Vorteile –, der MutterVorstand dürfe im unternehmerischen Ermessen entscheiden, wie intensiv er im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten in die Leitung der Tochter-Gesellschaft eingreife, solange er diese nicht völlig unbeaufsichtigt läßt.717 Entsprechendes muss aus den dort genannten Gründen auch für die konzernweite Anwendung von § 91 Abs. 2 AktG gelten. Gegen die Ansicht, dass das Früherkennungs- und Überwachungssystem der Konzern-Mutter in der Tochter-Gesellschaft nach § 91 Abs. 2 AktG eigene Früherkennungs- und Überwachungsmaßnahmen durchführen muss, sprechen aus Sicht des Mutter-Vorstands weiter die Grenzen seiner rechtlichen Möglichkeiten im Fall faktischer Konzernierung. Schon mehrfach wurde betont, dass rechtliche Pflichten des Mutter-Vorstands immer dort enden, wo sein rechtliches Dürfen endet.718 Faktische Konzernierung erweitert nach dem System der §§ 311 ff. AktG die Lei-

712 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 91 Rn. 6; Spindler, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 985, 994 f. 713 Dazu oben unter § 2 E. I.3. 714 So aber die Rechtfertigung der Pflicht zur Implementierung eines konzernübergreifenden Früherkennungssystems von Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2062 f. sowie von Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217, 225 ff., 227. 715 Vgl. hierzu oben unter § 4 A.III. 716 Zum Unternehmensinteresse oben unter § 5 B.III.4.a). 717 So oben unter § 5 B.II.2. 718 So zuletzt oben unter § 5 B.III.3.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

153

tungsbefugnis des Mutter-Vorstands nicht.719 Daher besteht bei faktischer Konzernierung kein Recht und damit erst recht keine Pflicht des Mutter-Vorstands, notfalls gegen den Willen des Tochter-Vorstands ein konzernübergreifendes Früherkennungs- und Überwachungssystem der Konzern-Mutter einzurichten und zu betreiben, welches auch in der Tochter-Gesellschaft eigene Früherkennungs- und Überwachungsmaßnahmen durchführt. Die hiermit verbundenen Eingriffe in die Leitungskompetenz des Tochter-Vorstands wären unzulässig. Jedoch ist es dem Tochter-Vorstand gestattet, seine Gesellschaft freiwillig in ein konzernweites Früherkennungs- und Überwachungssystem zu integrieren. Gegen die Ansicht, dass das Früherkennungs- und Überwachungssystem der Konzern-Mutter in der Tochter-Gesellschaft nach § 91 Abs. 2 AktG eigene Früherkennungs- und Überwachungsmaßnahmen durchführen muss, lässt sich auch argumentieren, dass das dieser Ansicht zugrunde liegende Verständnis des Konzerns als Einheit juristisch nicht haltbar ist. Zwar mag es aus betriebswirtschaftlicher Warte sinnvoll sein,720 den Konzern als wirtschaftliche Einheit zu betrachten und ein konzernübergreifendes System der Risikofrüherkennung und -überwachung zu propagieren. In rechtlicher Hinsicht muss hingegen berücksichtigt werden, dass konzernierte Aktiengesellschaften trotz Konzernierung jeweils selbständige juristische Personen sind, an die § 91 Abs. 2 AktG jeweils die geschilderten Anforderungen stellt. Daher kann der Konzern als solcher gar nicht das in § 91 Abs. 2 AktG normierte Tatbestandsmerkmal der Gefährdung in seinem Bestand erfüllen, sondern nur die konzernbeteiligten Gesellschaften als selbständige juristische Personen.721 § 91 Abs. 2 AktG verpflichtet den Vorstand der Konzern-Mutter also dazu, innerhalb der eigenen Gesellschaft ein Früherkennungs- und Überwachungssystem zu etablieren und zu unterhalten, das auch unter § 91 Abs. 2 AktG fallende Risiken aus dem Umfeld der Tochter-Gesellschaft erfasst und berücksichtigt. Ob er darüber hinaus ein umfassendes konzernweites Risikomanagementsystem nach betriebswirtschaftlichem Vorbild errichtet,722 bleibt seinem unternehmerischen Ermessen überlassen und hängt je nach Art der Konzernierung von seinen rechtlichen und oder faktischen Einflussmöglichkeiten auf die beherrschte Gesellschaft ab. Daher können auch in Bezug auf den Inhalt eines Überwachungssystems an den Vorstand der Konzern-Mutter unabhängig vom Einzelfall keine konkreten Anforderungen gestellt werden.

719

Vgl. oben unter § 4 A.III.1. Vgl. Scheffler, in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung, 4. Aufl. 2004, S. 680, 680 f. 721 Im Ergebnis ebenso Windbichler, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 825, 838. 722 Vgl. z. B. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 657 ff., wonach einem Risikomanagementsystem die Sequenzen Identifikation der Risiken, Risiko­ analyse, Risikosteuerung, Risikoüberwachung sowie Risikokommunikation angehören. 720

154

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Hingegen steht fest, was ein solches System leisten muss: Es muss gewährleisten und prüfen, dass der Vorstand der Konzern-Mutter zeitnah die relevanten Informationen aus dem Umfeld der eigenen Gesellschaft sowie aus dem der Tochter-Gesellschaft erlangt, um den Bestand der Konzern-Mutter gefährdende Entwicklungen rasch erkennen zu können. Im Vertragskonzern kann der Mutter-Vorstand durch die Erteilung entsprechender Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG sicherstellen, dass ihm die für das eigene Früherkennungs- und Überwachungssystem notwendigen Informationen über die Tochter-Gesellschaft tatsächlich zeitnah zur Verfügung stehen.723 Im faktischen Konzern fehlt aus der Sicht des Mutter-Vorstands eine vergleichbare, rechtlich abgesicherte Handhabe zur Informationserlangung.724 Daher kann auch die Pflicht zur Gewährleistung und Prüfung der zeitnahen Erlangung von Informationen über die faktisch beherrschten Tochter-Gesellschaft nur soweit reichen, wie der Mutter-Vorstand unter Ausnutzung der im Einzelfall verfügbaren Möglichkeiten faktischer Einflussnahme diese Informationen erlangen kann. Allerdings ist er verpflichtet, sich, soweit zulässig, um die Erlangung jener Informationen zu bemühen.725 Mit anderen Worten muss der Mutter-Vorstand die vorhandenen Möglichkeiten faktischer Einflussnahme im Rahmen des rechtlich Zulässigen ausschöpfen, um die zur konzernweiten Erfüllung oben beschriebener Pflicht nach § 91 Abs. 2 AktG notwendigen Informationen zu erlangen. In dem praktisch seltenen Fall, dass sich ein Tochter-Vorstandsmitglied strikt weigert, die erforderlichen Informationen zu erteilen, kann der Mutter-Vorstand sich entweder um die Auswechslung des Tochter-Vorstandsmitglieds nach § 84 Abs. 3 AktG726 oder um den Abschluss eines Beherrschungsvertrags mit der Tochter-Gesellschaft727 bemühen oder aber als ultima ratio versuchen, die entsprechende Beteiligung zu veräußern. Eine Konkretisierung der Vorstandspflicht zur Konzernkontrolle lässt sich aus § 91 Abs. 2 AktG somit nur mittelbar herleiten, da die Einfügung von § 91 Abs. 2 AktG in Bezug auf die aus § 76 Abs. 1 AktG hervorgehenden Leitungspflichten klarstellenden Charakter hat und keine neue, bis dato noch nicht existente Vorstandspflicht schafft.728

723

Vgl. hierzu oben unter § 4 B. I.5. Hierzu oben unter § 4 B. I.6.–8. 725 Obige Ausführungen zur Begrenzung der Pflicht zur Konzernleitung durch die Reichweite verfügbarer Informationen aus der faktisch beherrschten Tochter-Gesellschaft gelten hier entsprechend, vgl. oben § 4 B.III.2. 726 So für den Fall einer faktisch beherrschten GmbH Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 90 Rn. 31. 727 So Singhof, ZGR 2001, 146, 158. 728 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 724

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

155

6. Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle durch konzerndimensionale Zustimmungsvorbehalte Im Rahmen der Diskussion um die Reichweite einer Pflicht zur Konzernkon­ trolle spielt auch eine Rolle, ob und inwieweit Zustimmungsvorbehalte als Instrument der präventiven Konzernkontrolle fungieren können. Im Kontext der hier relevanten Vorstandspflicht zur Konzernkontrolle ist es denkbar, dass die Kontrollpflichten des Mutter-Vorstands auch eine Pflicht zur Schaffung konzerndimensionaler Zustimmungsvorbehalte umfassen. a) Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG Eine ausdrückliche Regelung für einen Zustimmungsvorbehalt trifft § 111 Abs. 4 S. 2 AktG. Ähnlich wie § 76 AktG verzichtet auch § 111 AktG (mit Ausnahme des dortigen Abs. 2 S. 3) darauf, Regelungen für den Fall einer Konzernierung zu treffen. Nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG müssen729 Satzung oder Aufsichtsrat bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften (des Vorstands) nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgen dürfen. Sinn und Zweck des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG bestehen darin, dass neben der retrospektiven Kontrolle durch den Aufsichtsrat auch die Effizienz präventiver Kontrolle in Hinblick auf bestimmte, ihrer Art nach bedeutsame Geschäfte730 gesteigert wird.731 Das wird auch mit der Umschreibung der Aufgabe des Aufsichtsrats in Ziff. 5.1.1 DCGK angedeutet.732 Die Festlegung des Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG hat indes ausschließlich733 durch die Satzung oder den Aufsichtsrat der eigenen Gesellschaft zu erfolgen. Eine Pflicht des Vorstands zur Festlegung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ist somit ausgeschlossen.

729 Vgl. die Abänderung des „kann“ zum „muss“ in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG im Zuge des ­TransPuG (2002), BGBl. I 2002, 2681 ff. 730 So auch Habersack, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 106; Hambloch/ Gesinn/Gesinn, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, 2011, § 111 Rn. 72; Spindler, in: Spindler/ Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 111 Rn. 69. 731 Götz, NZG 2002, 599, 602. 732 Gleichzeitig beinhaltet jener Zustimmungsvorbehalt allerdings auch eine rechtlich abgesicherte Möglichkeit des Aufsichtsrats, in bestimmten Fällen auf Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands unmittelbar Einfluss zu nehmen; hierzu näher Göppert, Business Judgment Rule und Aufsichtsrat, 2010, S. 71 ff. 733 So Kropff, in: Semler/v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2009, § 8 Rn. 22.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

b) Zustimmungsvorbehalt in der Konzern-Mutter mit Konzernbezug nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG Im Fall einer Konzernierung können bestimmte konzernbezogene Geschäftsführungsmaßnahmen des Mutter-Vorstands, die sich als Lenkungsmaßnahmen vorrangig auf die Tochter-Gesellschaft auswirken, nach oben genannten Kriterien grundlegende Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Konzern-Mutter haben. Daher muss es der Satzung oder dem Aufsichtsrat der Konzern-Mutter schon angesichts des Wortlauts von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG möglich sein, bestimmte gewichtige Lenkungsmaßnahmen des Mutter-Vorstands, die in die Leitung beherrschter Gesellschaften eingreifen, dem Zustimmungsvorbehalt des Mutter-Aufsichtsrats zu unterwerfen.734 Die unmittelbaren Rechtsfolgen eines bei der Mutter-Gesellschaft bestehenden Zustimmungsvorbehalts beschränken sich allerdings nach allgemeiner Ansicht immer auf die Ebene der Konzern-Mutter.735 Daher kann der Tochter-Vorstand nicht durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschluss der Konzern-Mutter direkt dazu angehalten werden, bestimmte Geschäfte nur nach Zustimmung des Mutter-Aufsichtsrats vorzunehmen.736 Entsprechend den oben erfolgten Ausführungen in Hinblick auf die unverbundene Gesellschaft737 besteht daher auch bei einer Konzernierung keine Möglichkeit der Begründung einer Vorstandspflicht zur Schaffung eines solchen Zustimmungsvorbehalts aus § 111 Abs. 4 S. 2 AktG. c) Zustimmungsvorbehalt bei der Tochter im Fall faktischer Konzernierung In faktischen Konzernen findet man häufig eine personelle Verflechtung vor, bei der Vorstandsmitglieder der Konzern-Mutter zugleich Aufsichtsratsmandate in der Tochter-Gesellschaft wahrnehmen.738 Vor diesem Hintergrund könnte 734

Praktische Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang häufig aus dem Umstand, dass vorhandene Zustimmungsvorbehalte in der Konzern-Mutter meist keine ausdrück­lichen Regelungen in Bezug auf Lenkungsmaßnahmen seitens des Mutter-Vorstands innerhalb der Tochter-Gesellschaft beinhalten. In solchen Fällen ist nach herrschender Ansicht durch Auslegung des jeweiligen Zustimmungsvorbehalts zu ermitteln, ob hiervon auch Maßnahmen des Mutter-Vorstands innerhalb der Tochter-Gesellschaft erfasst sein sollen; vgl. hierzu Haber­ sack, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 119; Hopt/Roth, in: ­GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 111 Rn. 656; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 111 Rn. 21; Mertens, in: ­KölnKommAktG, 2. Aufl. 1996, Band 2, § 111 Rn. 77; Kropff, in: Semler/v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2009, § 8 Rn. 92. 735 Vgl. statt aller Kropff, in: Semler/v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2009, § 8 Rn. 100. 736 So auch Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 150; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, 6. Aufl. 2003, Rn. 565. 737 Vgl. soeben unter § 5 B.III.6.a). 738 Hierzu schon oben unter § 4 B. I.8.a).

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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man auf die Idee kommen, von solchen Tochter-Aufsichtsräten bei der Tochter-Gesellschaft die Errichtung einfacher Zustimmungsvorbehalte im Sinne von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zu fordern und das Zustimmungsverhalten dieser Aufsichtsräte im Tochter-Aufsichtsrat wiederum von der (informellen) Zustimmung des Mutter-Vorstands abhängig zu machen. So könnte effektive Konzernkontrolle gewährleistet werden.739 Dem stehen allerdings schon Sinn und Zweck von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG entgegen: Zum einen soll durch Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG die Effizienz der präventiven Kontrolle durch den Aufsichtsrat der betreffenden Gesellschaft gesteigert werden.740 Zum anderen soll dem Aufsichtsrat über den Zustimmungsvorbehalt ein Recht auf Teilhabe an grundlegenden und wesentlichen Fragen der Geschäftsführung innerhalb der eigenen Gesellschaft zugesichert werden.741 Schon hieraus geht hervor, dass der Aufsichtsrat bei der Erfüllung seines Überwachungsauftrags die Grenzen der eigenen Gesellschaft einhalten muss, mit anderen Worten also zur Wahrung nur der Interessen derjenigen Gesellschaft verpflichtet ist, für die er als Aufsichtsrat tätig wird.742 Das Motiv für die oben geschilderte personelle Verflechtung ist demgegenüber vorrangig die Ausübung des Aufsichtsratsmandats innerhalb der Tochter-Gesellschaft zugunsten effektiver Konzernkontrolle durch den Mutter-Vorstand. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste sich das Tochter-Aufsichtsratsmitglied (und Mutter-Vorstandsmitglied in Personalunion) bei der Errichtung und Ausübung von Zustimmungsvorbehalten im Fall sich widersprechender Interessen auf Kosten der Interessen der beherrschten Tochter in erster Linie an den Interessen der Konzern-Mutter orientieren743 und würde gleichzeitig gegen die aus § 111 Abs. 5 AktG resultierende Pflicht zur weisungsfreien Ausübung des Aufsichtsratsamts744 in der Tochter-Gesellschaft verstoßen.745 739

In diese Richtung wohl Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 151; für den Fall der Holding explizit Semler, ZGR 2004, 631, 652, wonach eine Zustimmung im Aufsichtsrat der Tochter-Gesellschaft ohne vorheriges Votum der Vorstandskollegen der herrschenden Gesellschaft nur bei Gefahr im Verzug erfolgen dürfe. 740 Habersack, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 106; Hambloch/Gesinn/ Gesinn, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, 2011, § 111 Rn. 72; Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 111 Rn. 69. 741 Statt vieler Habersack, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 13. 742 So wie im Fall einer Doppelmandatierung (dazu oben unter § 4 B. I.8.) ist auch hier umstritten, wie jenes Unternehmensinteresse aus Sicht der herrschenden Gesellschaft in den verschiedenen denkbaren Konzern-Konstellationen zu definieren ist; vgl. dazu v. Schenk, in: Semler/v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2009, § 7 Rn. 146 ff. sowie Rn.  150 ff. 743 Im Fall faktischer Konzernierung kann der Tochter-Aufsichtsrat und Mutter-Vorstand sein Zustimmungsverhalten in den Grenzen des Nachteilsausgleichs nach § 311 AktG auch so gestalten, dass für die faktisch beherrschte Tochter nachteilige Maßnahmen die Folge sind. Vgl. hierzu näher Kropff, in: Semler/v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2009, § 8 Rn. 105. 744 Hierzu statt aller Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 111 Rn. 79. 745 Zur entsprechenden Problematik eines Interessenskonflikts des Mutter-Vorstands und Tochter-Aufsichtsrats im Fall einer Doppelmandatierung siehe oben unter § 4 B. I.8.a).

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Wie sich gezeigt hat, darf sich das Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht maßgeblich von solchen Interessen leiten lassen, die außerhalb der eigenen Gesellschaft verortet sind. Insofern kann nicht angenommen werden, dass effektive Konzernkontrolle die Vorstandsmitglieder der Konzern-Mutter, die gleichzeitig im Aufsichtsrat der Tochter-Gesellschaft einen Sitz innehaben, verpflichtet, in der Tochter-Gesellschaft für die effektive Konzernkontrolle durch den Mutter-Vorstand nützliche Zustimmungsvorbehalte vorzusehen und hiervon Gebrauch zu machen.746 Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass der Tochter-Aufsichtsrat sich nicht im erforderlichen Maß auf seinen gesetzlichen Kontrollauftrag innerhalb der eigenen Gesellschaft konzentriert. Im Fall faktischer Konzernierung muss er insbesondere den Vorstand der Tochter-Gesellschaft dahingehend kontrollieren, ob dieser die Tochter-Gesellschaft ausreichend vor nachteilhaften Eingriffen der Konzern-Mutter schützt.747 d) Konzerndimensionaler Zustimmungsvorbehalt des Mutter-Vorstands für Handlungen des Tochter-Vorstands Demgegenüber kann im Fall der Konzernierung durch Beherrschungsvertrag der Vorstand der Konzern-Mutter dem Vorstand der Tochter-Gesellschaft aufgeben, bestimmte Geschäfte erst nach vorheriger Zustimmung des Mutter-Vorstands vorzunehmen. Dieses Recht lässt sich a maiore ad minus aus dem Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1 AktG ableiten: Wenn der Mutter-Vorstand hiernach das Recht hat, den Tochter-Vorstand zur Vornahme einzelner Geschäfte verbindlich anzuweisen, so kann er den Tochter-Vorstand auch weitgehend unbeeinflusst wirtschaften lassen und ihn zugleich anweisen748, bestimmte Geschäfte nur nach vorheriger Zustimmung des Mutter-Vorstands vorzunehmen.749 In der Praxis sind Anwendungsfälle und Reichweite solche Zustimmungsvorbehalte bei vertraglicher Konzernierung oft bereits im Beherrschungsvertrag festgelegt.750 746

A. A. offenbar Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 151, wonach der Vorstand der Konzern-Mutter im Fall faktischer Konzernierung in der Tochter-Gesellschaft auf die Schaffung eines Zustimmungsvorbehalts hinzuwirken habe. 747 Götz, ZGR 1998, 524, 539. 748 Umstritten ist, ob die Ausübung eines solchen, beherrschungsvertraglich gewährten Zustimmungsvorbehalts im Einzelfall den Charakter einer Weisung trägt. Dafür z. B. Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 308 Rn. 11 ff. sowie Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 308 Rn. 25; dagegen z. B. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 308 Rn. 10; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 308 Rn. 25. 749 Vgl. Reuter, DB 1999, 2250, 2252. 750 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 28; für den Fall, dass der Mutter-Vorstand dem Tochter-Vorstand eine Weisung zur Vornahme eines aus Sicht des Tochter-Aufsichtsrats zustimmungspflichtigen Geschäfts erteilt, der Tochter-Aufsichtsrat jene Zustimmung aber verweigert, hält § 308 Abs. 3 S. 2 AktG eine Lösung bereit: Demnach kann der Mutter-Vorstand seine Weisung wiederholen, ohne dass es im Wiederho-

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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Im Gegensatz zu den anderen Zustimmungsvorbehalten ist der Vorstand der Konzern-Mutter beim Zustimmungsvorbehalt bei Konzernierung durch Beherrschungsvertrag wegen § 308 Abs. 1 AktG in der Lage, den Vorbehalt rechtlich durchzusetzen. Mithin kann dieser Zustimmungsvorbehalt theoretisch Gegenstand einer Kontrollpflicht des Mutter-Vorstands sein. Daher ist im Folgenden der Frage nachzugehen, ob und inwieweit der Mutter-Vorstand zum Zweck effektiver Konzernkontrolle gegenüber der eigenen Gesellschaft zur Errichtung und Durchsetzung solcher Zustimmungsvorbehalte verpflichtet ist. Götz ist der Ansicht, der Vorstand der herrschenden Aktiengesellschaft müsse im Vertragskonzern einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte erstellen und ein Abstimmungsprocedere festlegen, das den Vorstand der Konzern-Mutter frühzeitig über zustimmungspflichtige Geschäfte in Kenntnis setzt und ihm so die Möglichkeit eines Votums eröffnet.751 Dieses Zustimmungsmodell hat auf den ersten Blick den Vorteil, dass es eine umfassende und effektive752 Methode der Konzernkontrolle bereitzustellen scheint. Auf den zweiten Blick finden sich jedoch Gründe, die gegen die Annahme einer Pflicht des Mutter-Vorstands zur Implementierung und Anwendung jenes Zustimmungsmodells sprechen: So kann sich der Vorteil einer vermeintlich umfassenden Konzernkontrolle schnell ins Gegenteil verkehren, wenn sich Faktoren in nicht vorhersehbarer Weise ändern, die eine rasche Reaktion des Mutter-Vorstands durch eine Veränderung der konzernbezogenen Kontrollmaßnahmen erfordern. Vertraut der Mutter-Vorstand in einer solchen Situation darauf, durch die Errichtung von Zustimmungsvorbehalten in Sachen Konzernkontrolle alles Erforderliche getan zu haben, versäumt er es womöglich, rechtzeitig weitere notwendige Kontrollmaßnahmen einzuleiten, wozu er jedoch durch den Leitungsauftrag nach § 76 Abs. 1 AktG unabhängig von der Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten verpflichtet ist. Zudem engen solch detaillierte Anforderungen an die konzernbezogenen Verhaltenspflichten des Mutter-Vorstands das ihm zustehende weite unternehmerilungsfall auf die Zustimmung des Tochter-Aufsichtsrats ankommt; vielmehr ist für der Wiederholung der Weisung durch den Mutter-Vorstand die Zustimmung des Mutter-Aufsichtsrats erforderlich. 751 Götz, ZGR 1998, 524, 538. Im Fall faktischer Konzernierung lässt Götz insoweit Abstriche an den o.g. Anforderungen zu, als aus dem Recht der abhängigen Gesellschaft Hindernisse bestehen. 752 Die Effektivität von Zustimmungsvorbehalten auf dem Feld der Konzernkontrolle liegt in deren präventivem Charakter. Denn im Fall eines zustimmungspflichtigen Geschäfts ist der Tochter-Vorstand (nur intern) an die Zustimmung seitens des Mutter-Vorstands gebunden. So können im Idealfall konzerndimensionale Missstände bereits vor deren Eintreten erkannt und durch die Versagung der Zustimmung vermieden werden. In einem ähnlich frühen Stadium sieht auch die klarstellende Einfügung von § 91 Abs. 2 AktG im Zuge des KonTraG Maßnahmen zur Erkennung von Missständen vor, vgl. hierzu oben unter § 2 E. I. sowie Begr.RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

sche Ermessen nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG zu sehr ein. Es ist der unternehmerischen Entscheidung des Vorstands überlassen, wie er Konzernkontrolle im Einzelnen gewährleistet, solange seine Anstrengungen den Voraussetzungen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG genügen. Entscheidend für die Ablehnung der Existenz einer Pflicht des Mutter-Vorstands zur Errichtung eines konzerndimensionalen Zustimmungsvorbehalts für Handlungen des Tochter-Vorstands sind dieselben Erwägungen, die auch der allgemeinen Rechtfertigung des unternehmerischen Ermessens nach § 76 Abs. 1 AktG dienen: Detaillierte Anforderungen an das Vorstandshandeln würden dessen Flexibilität und damit die Bandbreite möglicher Vorstandsentscheidungen in einer konkreten Situation einschränken. Eine haftungsfreie Flexibilität ist aber in Hinblick auf die Dynamik des Marktgeschehens Grundlage jeder erfolgreichen unternehmerischen Betätigung.753 Übertragen auf die Konzernkontrolle muss dem Mutter-Vorstand daher ein Entscheidungsspielraum zugestanden werden, ob er Konzernkontrolle vorwiegend durch Zustimmungsvorbehalte oder auf anderem Wege754 gewährleistet. Die oben angestellten Überlegungen zeigen, dass dezentrale Konzernstrukturen die Möglichkeit dezentraler Entscheidungen sowie Flexibilität in den konzernierten Gesellschaften ermöglichen und daher überwiegend positive Auswirkungen auf die Konzernperformance haben.755 Dem stünde eine starre Vorwegbindung des Handelns des Tochter-Vorstands durch einen fixen Katalog von Zustimmungsvorbehalten schon im Beherrschungsvertrag entgegen.756 Zudem bleibt es dem Mutter-Vorstand auch bei Ablehnung einer Pflicht zur Errichtung eines konzerndimensionalen Zustimmungsvorbehalts für Handlungen des Tochter-Vorstands im Vertragskonzern unbenommen, durch Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG nachträglich je nach Erforderlichkeit Zustimmungsvorbehalte einzuführen oder wieder zu beseitigen. Verpflichtet ist er zu alledem jedoch nicht. Im Fall faktischer Konzernierung ist ein solcher konzerndimensionaler Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Mutter-Vorstands nicht denkbar, denn der Mutter-Vorstand hat kein Recht, in die Leitung der faktisch beherrschten Tochter-Gesellschaft einzugreifen. Zu einem solchen Eingriff käme es aber bei einem derartigen Zustimmungsvorbehalt. Vielmehr ist der Tochter-Vorstand alleiniger 753 Allgemein anerkannt, vgl. nur Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 29 sowie ders., in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 35. 754 Welche sonstigen Möglichkeiten der Konzernkontrolle – vor allem aus der Warte der betriebswirtschaftlichen Wissenschaft und Praxis – bestehen, soll unter § 5 B.III.7. näher beleuchtet werden. 755 Vgl. hierzu oben unter § 5 B.II.1. 756 So kann der Tochter-Vorstand – sofern das von ihm angestrebte Geschäft im Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen enthalten ist – jenes erst dann vornehmen, wenn der jeweils vorab zu benachrichtigende Mutter-Vorstand als Kollegial-Organ dem zugestimmt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob sich ein Geschäft der Tochter zum Zeitpunkt seiner geplanten Vornahme aufgrund inzwischen veränderter Umstände tatsächlich noch als so risikoträchtig und bedeutend für den Gesamtkonzern erweist, dass der Zustimmungsvorbehalt seinem eigentlichen Zweck nach gerechtfertigt wäre.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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Adressat des Leitungsauftrags hinsichtlich seiner Gesellschaft nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG. Würde er sich durch eine Vereinbarung mit der Konzern-Mutter vorab verpflichten, bestimmte Leitungsmaßnahmen vom Vorbehalt der Zustimmung des Mutter-Vorstands abhängig zu machen, verstieße er hierdurch gegen das Verbot der Vorwegbindung.757 Dieses Verbot richtet sich dagegen, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft den Leitungsauftrag, den er nach § 76 Abs. 1 AktG eigenverantwortlich758 auszuführen hat, dem Einfluss Dritter unterwirft. Jenseits des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags nach §§ 291 ff. AktG hat der Vorstand der Aktiengesellschaft kein Recht, sein Leitungsverhalten dem Einfluss Dritter zu unterwerfen. 7. Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle durch Anleihen aus der Betriebswirtschaft Bei der Abgrenzung der Führungsinstrumente Risikomanagement, internes Kontrollsystem, interne Revision und Controlling vom Instrument der Compliance hat sich herausgestellt, dass bei der unverbundenen Aktiengesellschaft Vorstandspflichten zur Nutzung der Instrumente der internen Revision sowie des Controlling bestehen.759 Auch für die Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle wird erwogen, inwieweit solche ursprünglich betriebswirtschaftlichen Instrumente geeignet sind, diese Pflicht näher zu definieren.760 Die herrschende Meinung bedient sich zur Gewinnung konkreter Anforderungen ähnlich wie auf der Ebene der unverbundenen Gesellschaft der genannten Leitungsinstrumente, die sich in der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis eta 757

Hierzu näher Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 68; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 11; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 158; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 45; Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 196. 758 In ähnlicher Weise ist auch die Mitwirkung nachgeordneter Mitarbeiter der Gesellschaft an der eigenverantwortlichen Leitung durch die Grenzen zulässiger Delegation eingeschränkt, vgl. hierzu noch unter § 6.B.IV.2. 759 Vgl. hierzu oben unter § 2 E. III. und IV. 760 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 440; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 24 ff; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 94 ff.; Keller, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 4 Rn. 68 ff.; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 798 ff.; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 143; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 24; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 142; Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 102 ff.; Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 93 ff.; für die Holding Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 103; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 197 ff.; Götz ZGR 1998, 524, 537 f.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

bliert und bewährt haben. Im Konzernkontext werden konkret die Instrumente Konzernrisikomanagement, interne Konzernrevision und Konzerncontrolling unterschieden. a) Voraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Errungenschaften im Konzernkontext Bei der Behandlung der Übertragung der ursprünglich betriebswirtschaftlichen Führungsfunktionen auf den Kreis der Leitungspflichten nach § 76 Abs. 1 AktG wurde erörtert, unter welchen Voraussetzungen eine Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse möglich ist. Die dort gewonnenen allgemeinen Erkenntnisse sind auf die Konkretisierung der Pflicht zur Konzernkontrolle durch konzernspezifische Instrumente aus der Betriebswirtschaft übertragbar. Daher gilt auch hier, dass eine Verrechtlichung der genannten betriebswirtschaftlichen Instrumente zwar an sich möglich ist, allerdings nur unter bestimmten rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen erfolgen darf. Auf einer ersten Stufe müssen diese betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse gesichert sein sowie praktisch bewährt sein. Auf einer zweiten Stufe muss geprüft werden, ob die verrechtlichten betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse nicht gegen geltendes Recht verstoßen.761 b) Konzernrisikomanagement In der unverbundenen Aktiengesellschaft gibt es keine Vorstandspflicht aus § 91 Abs. 2 AktG zur umfassenden Risikovorsorge nach einem betriebswirtschaftlich wünschenswerten System, das mit dem Begriff umfassendes Risikomanagementsystem zu umschreiben wäre.762 Übertragen auf den Unternehmensverbund ist ein solches konzernweites System umfassender Risikovorsorge mit der Verwendung des Begriffs Konzernrisikomanagement763 gemeint. Eine derartige konzernbezogene Pflicht zum Risikomanagement lässt sich nach oben getroffenen Feststellungen für den Vorstand der Konzern-Mutter nicht aus dem Wortlaut von § 91 Abs. 2 AktG oder den Gesetzgebungsmaterialien zu § 91 Abs. 2 AktG herleiten.764 Man könnte jedoch auf die Idee kommen, eine solche Pflicht zur Implementierung eines konzernweiten Risikomanagementsystems aus der schon angesprochenen Verrechtlichung des entsprechenden betriebswirtschaftlichen Instruments herzuleiten. Hierfür müsste ein konzernweites Risikomanagementsystem nach betriebswirtschaftlichem Vorbild die oben erörterten Kriterien der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse erfüllen. 761

Im Einzelnen vgl. hierzu oben unter § 2 E.III.2.b). So schon unter § 2 E. I.3. 763 So die Bezeichnung von Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217, 218. 764 Hierzu unter § 5 B.III.5. 762

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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Unabhängig von der auf der ersten Stufe zu klärenden Frage, ob sich ein bestimmtes konzernweites Risikomanagementsystem in der Betriebswirtschaft bereits etabliert und praktisch bewährt hat,765 kann es keine aktienrechtliche Vorstandspflicht zur Implementierung eines konzernweiten Risikomanagements geben, da eine solche Pflicht jedenfalls gegen geltendes Recht verstoßen würde (zweite Stufe).766 Schon die Behandlung der Möglichkeit der Herleitung einer Pflicht zur Etablierung eines konzernweiten Risikomanagementsystems aus § 91 Abs. 2 AktG hat gezeigt, dass einer entsprechenden Vorstandspflicht das Leitungsermessen des Mutter-Vorstands aus § 76 Abs. 1 AktG entgegensteht. Mit diesem Befund deckt sich auch die Widerspiegelung geltenden Rechts in Ziff. 4.1.4 DCGK, wonach der Vorstand unter anderem „für ein angemessenes Risikomanagement“ in Unternehmen767 sorgt. Der Kodex-Geber hat an dieser Stelle bewusst auf detaillierte Vorgaben für den Vorstand verzichtet, um nicht in dessen Organisationshoheit einzugreifen.768 Zugleich deutet die Verwendung des Adjektivs „angemessenes“ darauf hin, dass der Kodex-Geber bei der Intensität von Risikomanagement differenziert und einem umfassenden Risikomanagement bewusst eine Absage erteilt. Außer dem Leitungsermessen des Vorstands der Konzern-Mutter würde die Pflicht zum umfassenden konzernweiten Risikomanagement zumindest im faktischen Konzern auch die Leitungsmacht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft zu Unrecht beschneiden.769 Ein umfassendes Konzernrisikomanagementsystem kann demnach nicht im Wege der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse zum Gegenstand einer Vorstandspflicht werden. c) Interne Konzernrevision In der unverbundenen Aktiengesellschaft wird die Pflicht zur unternehmerischen Führungsfunktion der Unternehmenskontrolle durch die Vorstandspflicht zur internen Revision konkretisiert.770 765

Hieran ist zu zweifeln, da innerhalb der betriebswirtschaftlichen Literatur die Wirkungskreise der einzelnen Instrumente – so auch des Risikomanagements – nicht abschließend festgesetzt sind, vgl. hierzu Theisen, BB 2003, 1426, 1427 f. Gegenstand einer Rechtspflicht können aber nur solche betriebswirtschaftlichen Instrumente sein, die in ihren inhaltlichen Anforderungen an den Rechtsanwender hinreichend konkret sind. 766 Zur Begründung können obige Ausführungen unter § 5 B.III.5. entsprechend herangezogen werden. 767 Nach Abs. 12 der Präambel des DCGK verwendet der DCGK bewusst den Begriff „Unternehmen“, wenn er eine Regelung als über die Gesellschaft hinaus auch auf konzernabhängige Gesellschaften anwendbar erachtet. 768 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 639. Zu praktischen Grundprinzipien eines konzernweiten (betriebswirtschaftlichen) Risikomanagementsystems ders., in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 658 ff. 769 Vgl. die entsprechende Argumentation zur Ablehnung der umfassenden Konzernleitungspflicht im Fall faktischer Konzernierung unter § 4 A.III.1. 770 So oben unter 5 A.II.3.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

aa) Gegenstand der internen Konzernrevision In der betriebswirtschaftlichen Literatur findet sich häufig die Verwendung des Begriffs (interne) Konzernrevision.771 Gemeint ist hiermit dem betriebswirtschaftlichen Verständnis von interner Revision in der unverbundenen Gesellschaft772 entsprechend die prozessunabhängige Überprüfung der Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Abläufe und Geschehnisse im Konzern durch die interne Revision773 der Konzern-Mutter.774 Die Prüfungsleistungen der Konzernrevision basieren auf Prüfungsaufträgen des Mutter-Vorstands.775 Sie können sich auf alle Geschäftsfelder aller beteiligten Konzernunternehmen erstrecken.776 Nach betriebswirtschaftlichem Verständnis lässt der Mutter-Vorstand durch die Konzernrevision auch Geschäftsvorfälle innerhalb faktisch oder vertraglich konzernierter Tochter-Gesellschaften einschließlich der dortigen Leitungstätigkeiten prüfen. Die genaue Ausgestaltung der internen Kon-

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Vgl. nur Deppendorf, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 767 f.; Dörfler/Grundlach/Wagner, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 755; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 804 f.; Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 103; Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 236; ders., in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung, 4. Aufl. 2004, S. 680, 687; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 242; Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 517. 772 Vgl. hierzu oben unter § 2 E.III.1. 773 Keine allgemeingültigen betriebswirtschaftlichen Standards bestehen hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung der internen Revision im Konzern. Teilweise wird eine zentrale Konzernrevision mit dezentralen Revisionseinheiten in den Tochter-Gesellschaften eingesetzt, vgl. hierzu Dörfler/Grundlach/Wagner, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 755. Von anderer Seite wird ein Richtlinien-Modell vorgeschlagen, wonach die zentrale Konzernrevision für die dezentralen Revisionseinheiten Serviceund Steuerungsaufgaben übernimmt, vgl. hierzu Obermayr, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate ­Compliance, 2. Aufl. 2010, § 17 Rn. 103. Generell soll sich die Ausgestaltung der internen Konzernrevision nach Umständen des Einzelfalls, wie z. B. der Größe der beteiligten Unternehmen oder der Art der Konzernierung richten; vgl. hierzu IDW, PS 321 Ziff. 9, WPg 2002, 686, 687. Für Kreditinstitute findet sich hingegen in MaRisk AT 4.5 Ziff. 6 eine eindeutige Regelung des Verhältnisses der Konzernrevision zu den internen Revisionen etwaiger Tochter-Unternehmen: Demnach wird dort die Konzernrevision neben den internen Revisionen gruppenangehöriger Unternehmen lediglich ergänzend tätig und kann die Prüfungsergebnisse der internen Revision der einzelnen Unternehmen mitberücksichtigen. Das heißt, dass im Kredit-Sektor die Konzernrevision nicht die internen Revisionen der gruppenangehörigen Unternehmen ersetzt, die internen Revisionen der gruppenangehörigen Unternehmen dort also trotz Konzernierung existieren müssen (entsprechend zu den MaIR – dem Vorgängerwerk zu den MaRisk – Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 517). 774 Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 234; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 242. 775 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 210. 776 Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 236; wohl ebenso IDW, PS 321 Ziff. 9, WPg 2002, 686, 687.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

165

zernrevision soll hingegen auch nach betriebswirtschaftlicher Vorstellung dem Vorstand der Konzern-Mutter überlassen sein, solange diese ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt.777 bb) Verrechtlichung der internen Konzernrevision Fraglich ist, ob und inwieweit die interne Konzernrevision als betriebswirtschaftliches Instrument den Grundvoraussetzungen der Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse genügt und damit auch im Konzernkontext Gegenstand einer Vorstandspflicht sein kann. Auf erster Stufe gilt die interne Konzernrevision in der Betriebswirtschaft als gesichert und hat sich in dem oben beschriebenen Maß bereits praktisch etabliert. Wie aus den Ausführungen zur internen Revision auf der Ebene der unverbundenen Aktiengesellschaft hervorgeht, handelt es sich bei der internen Revision um ein seit längerem international etabliertes Instrument der Unternehmenskontrolle. Auch auf Konzernebene wird diese bereits vielfach praktiziert.778 Eine etwa bestehende Pflicht zur internen Konzernrevision darf zudem nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Hierfür ist zu klären, ob die Annahmen einer Vorstandspflicht zur Implementierung des Instruments der internen Konzernrevision einen Verstoß gegen das Leitungsermessen des Vorstands der Konzern-Mutter aus § 76 Abs. 1 AktG bedeuten würde. Grundsätzlich steht dem Vorstand der Aktiengesellschaft im Rahmen der Befolgung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Verpflichtungen bei der Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten unternehmerischen Handelns ein Ermessensspielraum zur Verfügung.779 Dem steht das in der betriebswirtschaftlichen Diskussion vorherrschende Verständnis von interner Konzernrevision nicht entgegen, denn dieses trifft gerade keine verbindlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Systems der internen Konzernrevision im Einzelfall. Vielmehr erschöpfen sich die betriebswirtschaftlichen Anforderungen an ein solches System lediglich in der Aufrechterhaltung von dessen Funktionsfähigkeit.780 Die Etablierung einer Vorstandspflicht zur internen Konzernrevision greift 777 Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 805; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 211; ähnlich Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2000 Beilage 11, S. 4 Ziff 46. 778 Zur internen Konzernrevision in der Otto Group siehe Deppendorf, in: Freidank/Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, S. 767 f.; die Konzernrevision im Antikorruptionssystem von Volkswagen schildern Dörfler/Grundlach/Wagner, in: Freidank/ Peemöller (Hrsg.), Corporate Governance und Interne Revision, 2008, auf S. 755. 779 So schon unter § 3 C.II.2.b). 780 Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 805; Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2000 Beilage 11, S. 4 Ziff 46.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

insofern nicht unzulässig in das Leitungsermessen des Mutter-Vorstands ein. Sie konkretisiert die Kontrollaufgabe des Mutter-Vorstands, indem sie klarstellt, dass effektive Konzernkontrolle auch die Auswertung der Informationen aus prozess­ unabhängigen Kontrollen innerhalb von Tochter-Gesellschaften erfordert.781 Der Weg, auf dem der Mutter-Vorstand diese Informationen erlangt, ist indes nicht vorgegeben. Vergleicht man die hiesigen Erkenntnisse mit den Aussagen zur Diskussion um eine Pflicht zur Errichtung eines konzernweiten Früherkennungsund Überwachungssystems,782 so ist – was das zulässige Maß konzernbezogener Leitungspflichten des Mutter-Vorstands betrifft – ein inhaltlicher Gleichlauf der Reichweite der Pflicht zur Errichtung eines konzernweiten Früherkennungs- und Überwachungssystems mit der Reichweite der konzernweiten Pflicht zur internen Revision festzustellen: Die herrschende Meinung geht für die Beantwortung der Frage nach dem konzerndimensionalen Regelungsgehalt von § 91 Abs. 2 AktG davon aus, dass es sich mit dem Leitungsermessen des Mutter-Vorstands nicht vereinbaren lässt, ihm die Errichtung eines System vorzuschreiben, das über die Grenzen der eigenen Gesellschaft hinaus auch innerhalb der beherrschten Tochter aktiv wird. Die Ablehnung der Existenz einer umfassenden Konzernleitungspflicht stellt die Entscheidung über die Intensität der Konzernleitung in das Leitungsermessen des Mutter-Vorstands, solange er das Unternehmensinteresse wahrt. Diese Grenze hält auch die interne Konzernrevision nach betriebswirtschaftlichem Verständnis ein, wenn die konkrete Ausgestaltung des Systems im Einzelfall der Entscheidung des Mutter-Vorstands überlassen wird. Neben dem Leitungsermessen des Vorstands der Konzern-Mutter muss die Annahme einer Pflicht zur internen Konzernrevision allerdings auch die Leitungsmacht der Vorstände konzernabhängiger Gesellschaften wahren. Anderenfalls wäre der Mutter-Vorstand rechtlich schon gar nicht in der Lage, die interne Konzernrevision durchzusetzen, woran die Annahme einer solchen Pflicht scheitern müsste. Bei der Klärung dieser Frage muss wieder zwischen den Fällen vertraglicher und faktischer Konzernierung differenziert werden. Im Vertragskonzern ist der Mutter-Vorstand der abhängigen Gesellschaft gegenüber nach § 308 Abs. 1 AktG weisungsbefugt. Macht er von seinem Weisungsrecht Gebrauch, wird die Leitungsmacht – und damit auch das Leitungsermessen – des Tochter-Vorstands insoweit durch die Weisung ersetzt.783 Bezogen auf die interne Konzernrevision folgt hieraus für den Vertragskonzern, dass der MutterVorstand deren Einrichtung in dem von ihm als erforderlich erachteten Maß durch die Erteilung entsprechender Weisungen durchsetzen kann. Eine Verletzung des 781 Nach RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15, will auch § 91 Abs. 2 AktG keine neue, bis dato nicht existente Pflicht zur internen Konzernrevision aufstellen, sondern klarstellen, dass die Pflicht zur internen Revision im Rahmen des rechtlich Möglichen konzernweit besteht. 782 Hierzu oben unter § 5 B.III.5. 783 Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 308 Rn. 38.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

167

Leitungsermessens des Tochter-Vorstands ist im Vertragskonzern bei Weisungserteilung – unter Einhaltung der Grenzen von § 308 Abs. 2 S. 2 AktG a. E. – ausgeschlossen.784 Die inhaltlichen Mindest-Voraussetzungen konzernweiter interner Revision sind darin zu sehen, dass die Konzernrevision Zugriff auf die Kontroll­ ergebnisse der internen Revision der beherrschten Gesellschaft hat und diese auswertet.785 Verglichen mit dem Aufwand eigener Prüfungstätigkeiten der Konzernrevision innerhalb der Tochter-Gesellschaft ist die Auswertung der durch die interne Revision der Tochter erlangten Kontrollergebnisse für die interne Konzernrevision der Konzern-Mutter der einfachere Weg. Wenn man den Mutter-Vorstand als zur Durchführung der internen Konzernrevision verpflichtet erachtet, so muss er demnach zumindest sicherstellen, dass die Tochter-Gesellschaft die Kontrollergebnisse ihrer eigenen internen Revision der internen Konzernrevision zur Verfügung stellt.786 Abweichend hiervon gestaltet sich die Reichweite der Pflicht zur internen Konzernrevision bei faktischer Konzernierung: Dort erleidet der Tochter-Vorstand nach ganz herrschender Ansicht durch die Konzernierung keinerlei Einbußen seiner Leitungsmacht, entsprechend hat der Mutter-Vorstand keine rechtliche Handhabe zur Durchsetzung seiner Vorstellungen innerhalb einer von ihm faktisch beherrschten Aktiengesellschaft.787 Oben wurde für den Fall vertraglicher Konzernierung festgestellt, dass die Mindestanforderungen an die interne Konzernrevision in der Auswertung der Kontroller-

784 Im Ergebnis insoweit ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 26; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 96; für die Holding allgemein Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 103; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 804 f.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 212; für die Holding allgemein Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 122 ff.; Götz, ZGR 1998, 524, 537 f. 785 Eine solche dezentrale Konzernrevision kann dann vorteilhaft sein, wenn sich die einzelnen Konzerngesellschaften z. B. in ihren Geschäftsmodellen unterscheiden oder in großer räumlicher Entfernung zueinander stehen, vgl. Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S.  235 f. 786 Weitergehend hingegen Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 26; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 212; Götz ZGR 1998, 524, 537 f., wonach im Vertragskonzern (zentrale) Prüfungsleistungen der internen Konzern­ revision innerhalb der Tochter-Gesellschaft erfolgen müssten. 787 OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94 – AG 1995, 512, 514; KG Berlin, Beschluss vom 3.12.2002 – 1 W 363/2 – NZG 2003, 441, 446; Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 317; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 104; Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 77; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 311 Rn. 48; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 311 Rn. 139; Müller, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, Vor § 311 Rn. 6; Vetter, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 311 Rn. 1, 108, 129; Gessler, in: Festschrift für Westermann, 1974, S. 145, 155.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

gebnisse der internen Tochter-Revision bestehen. Während der Mutter-Vorstand im Vertragskonzern die Weitergabe der entsprechenden Informationen seitens der Tochter-Gesellschaft an die Konzernrevision durch die Erteilung von Weisungen rechtlich durchsetzen kann, fehlt ihm im Fall faktischer Konzernierung eine entsprechende rechtlich abgesicherte Möglichkeit.788 Allerdings ist der Mutter-Vorstand verpflichtet, zumindest die vorhandenen Möglichkeiten faktischer Einflussnahme auf den Tochter-Vorstand auszunutzen, sich also um die Erlangung der notwendigen Informationen zu bemühen.789 Welche Möglichkeiten hierbei in Betracht zu ziehen sind, richtet sich wieder nach den Umständen des Einzelfalls. Auch darüber hinausgehende Revisionsmaßnahmen der Konzern-Mutter – so zum Beispiel eigene Prüfungsmaßnahmen der Konzern-Mutter von Vorgängen bei der Tochter-Gesellschaft – kann der Tochter-Vorstand dulden. Verpflichtet ist er hierzu allerdings nicht.790 d) Konzerncontrolling aa) Gegenstand des Konzerncontrolling Womöglich eignet sich eine etwaige Vorstandspflicht zum Konzerncontrolling – wie sie in der juristischen Diskussion um konzernbezogene Vorstandspflichten meist ohne nähere Begründung vertreten wird791 – zur Konkretisierung 788 Zur Erlangung entsprechender Informationen als Voraussetzung der Konzernleitung schon oben unter § 4 B. I.6.–8.  789 Für den Fall, dass „nicht unerhebliche Teile des Vermögens des herrschenden Unternehmens in abhängigen Gesellschaften investiert sind“, fordert Götz, ZGR 1998, 524, 537 ohne Berücksichtigung der Problematik verfügbarer Informationen die Existenz einer internen Konzernrevision. Anderenfalls verstieße der Mutter-Vorstand nach Götz gegen seine Organisationspflichten. 790 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 440; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 26; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 96; ders., CCZ 2008, 1, 4; Götz, ZGR 1998, 524, 537 f.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 212 f. 791 Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 437; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 25; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 95; allgemein Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 107; mit Blick auf den Holding-Vorstand Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 103; Keller, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 4 Rn. 68 ff.; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 787, 798; wohl auch Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 143; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 24; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 142; Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 94; mit ausführlicher Begründung Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S.  203 ff.; Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; wohl auch Götz, ZGR 1998, 524, 537, der für den Fall des nicht vorhandenen Beteiligungs-Controlling dem Mutter-Vorstand den Vorwurf eines Organisationsverschuldens macht.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

169

der Pflicht zur Konzernkontrolle. Auch im Konzern-Zusammenhang gibt es keine ausdrückliche Normierung der Pflicht zum Controlling.792 Bei der unverbundenen Aktiengesellschaft berührt das Controlling neben anderen Führungsfunktionen auch die der Unternehmenskontrolle und ist Vorstandspflicht gemäß §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG.793 Dem Konzerncontrolling misst man demgegenüber von betriebswirtschaftlicher Seite bezogen auf seinen Kontroll-Charakter eine geringere Bedeutung bei. Seine Aufgaben seien hauptsächlich in den Bereichen des konzernweiten Informationsflusses und der konzerndimensionalen Planung zu sehen.794 Gerade bei dezentralen Konzernstrukturen nimmt das Konzerncontrolling zudem eine koordinierende Funktion in Hinblick auf die Harmonisierung der Tätigkeiten der einzelnen beteiligten Gesellschaften ein.795 Hierdurch soll dem Vorstand der Konzern-Mutter die Formulierung und Durchsetzung von konzernweiten Zielen ermöglicht werden, was letztlich dem wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns zugutekommen soll.796 Offen ist in der betriebswirtschaftlichen Lehre und Forschung, wie weit diese Aufgaben des Konzerncontrolling reichen.797 Man betrachtet das Konzerncontrolling als eine Unterstützungsfunktion für das Management der wirtschaftlichen Einheit „Konzern“, die die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Vorstände der abhängigen Gesellschaften nicht berührt. Gleichwohl soll das Konzerncontrolling helfen, die Erreichung der Ziele des Konzerns auch inner-

792 Wie schon im Rahmen der Ausführungen zur Controlling-Pflicht in der unverbundenen Aktiengesellschaft (vgl. oben Fn. 250) verdient es Ziff. 4.1.4 DCGK auch hier, erwähnt zu werden. Durch den Unternehmensbezug von Ziff. 4.1.4 DCGK kommt zum Ausdruck, dass der Kodex hier von der konzernweiten Existenz der Pflicht des Mutter-Vorstands zum Risikocontrolling ausgeht. Damit meint der Kodex allerdings lediglich das auf die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen beschränkte System nach § 91 Abs. 2 AktG und deckt sich insoweit mit der Begründung des RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15, wonach die Pflicht nach § 91 Abs. 2 AktG konzernweit existiere. Eine allgemeine Pflicht zum Konzern­ controlling lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. 793 Vgl. hierzu oben unter § 2 E.IV.2. 794 Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 247; tendenziell wohl auch Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 186 f., der die Aufgaben des Konzerncontrolling in den Bereichen Konzernplanung und Steuerung des Konzerns (incl. Überwachung) verortet; gleichwohl wird das Konzerncontrolling von juristischer Seite ganz überwiegend zum Zweck der Konkretisierung der Konzernkontrolle diskutiert, vgl. nur Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 438; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 25; Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 103. 795 Grundlegend zur Koordinationsfunktion des Controlling Horvath, Controlling, 12. Aufl. 2011, S. 98 ff.; nach Scheffler, AG 1991, 256, 261 ist in dezentral geführten Konzernen ein wirksames Konzerncontrolling unerlässlich. Dieses solle allerdings die notwendigen Unterschiede und Besonderheiten der einzelnen Konzern-Gesellschaften respektieren und gehe in seinen Anforderungen nicht über die des eigenen Controlling jeder beteiligten Gesellschaft hinaus. Vielmehr gehe es darum, konzernweit gültige und einheitliche Definitionen wichtiger Schlüssel- und Steuerungsgrößen zu schaffen. 796 Scheffler, AG 1991, 256, 258. 797 Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 249 m. w. N.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

halb der Tochter-Gesellschaften zu koordinieren und zu kontrollieren.798 Ähnlich wie die Ausgestaltung der internen Konzernrevision als dezentral oder zentral organisiertes Leitungsinstrument je nach der Größe des Unternehmens dem MutterVorstand obliegt, soll dies auch bei der organisatorischen Ausgestaltung des Konzerncontrolling der Fall sein.799 bb) Verrechtlichung des Konzerncontrolling Voraussetzung für die Existenz einer aktienrechtlichen Vorstandspflicht zum – ursprünglich betriebswirtschaftlich begründeten – Konzerncontrolling ist, dass das Konzerncontrolling die allgemeinen Anforderungen an die Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Errungenschaften800 erfüllt. Auf der ersten Stufe gilt, dass das Controlling in der Betriebswirtschaft auch in der konzernweiten Dimension zum einen ein gesicherter Standard der Unternehmensleitung ist und sich zum anderen auch in der unternehmerischen Praxis längst etabliert hat.801 Weiter muss das Instrument Konzerncontrolling auf der zweiten Stufe die Grenzen geltenden Rechts einhalten. Ähnlich wie bei der Verrechtlichung der internen Konzernrevision ist auch hier zu beachten, dass das Konzerncontrolling nur insoweit Gegenstand einer Vorstandspflicht sein kann, als es das Leitungsermessen des Vorstands der Konzern-Mutter wahrt und keine unzulässige Beschneidung der Leitungsmacht des Vorstands einer abhängigen Gesellschaft bewirkt. Das Leitungsermessen des Mutter-Vorstands ist gewahrt, wenn mit der Pflicht zum Konzerncontrolling keine konkreten organisatorischen Vorgaben an ihn verbunden sind. So ist es zum Beispiel in kleinen Aktiengesellschaften denkbar, dass die Funktion des Konzerncontrolling von einem Vorstandsmitglied mit entspre-

798

Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 185. In der betriebswirtschaftlichen Literatur findet sich vereinzelt die Unterscheidung der Begriffe Konzerncontrolling und Beteiligungs-Controlling, vgl. z. B. Theisen, BB 2003, 1426, 1428. Während ersteres auf der Ebene der Konzernleitung eine Service- und Unterstützungsfunktion einnimmt, soll letzteres der Optimierung einer einheitlichen Konzernpolitik dienen und Aufgaben der Überwachung der Leitung abhängiger Gesellschaften wahrnehmen, vgl. Theisen, AG 1991, 262, 265. 799 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 202 m. w. N.; Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 184 f. Im Detail werden auch hier (zur internen Konzernrevision vgl. insoweit Fn. 773) verschiedene Möglichkeiten der Organisation diskutiert, vgl. nur Theisen, AG 1991, 262, 264 ff. oder auch den weitergehenden Ansatz von Scheffler, AG 1991, 256, 259, der ein alle Konzernunternehmen erfassendes Planungs-, Informations- und Abrechnungssystem als das „Rückgrat des Konzerncontrolling“ betrachtet. 800 Dazu allgemein oben unter § 2 E.III.2.b). 801 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 203; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 246 ff.; ders., AG 1991, 262 ff.; vgl. nur Schulte, Lexikon des Controlling, 1996, S.  435 ff. m. w. N.; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

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chenden Kenntnissen in persona erfüllt wird, ohne dass hierfür eine eigene Abteilung im Unternehmen zu errichten wäre. Wie schon im Rahmen der Erörterungen zur Rechtspflicht der Konzernkoordinierung gezeigt, darf der Mutter-Vorstand die Organisationsstrukturen im Konzern nach einzelfallbezogenem Leitungsermessen festlegen.802 Dies trifft auch auf die konkrete Ausgestaltung des Konzerncontrolling zu, so dass der Mutter-Vorstand die Wahl hat zwischen verschiedenen eher zentralen oder dezentralen Gestaltungsvarianten des Konzerncontrolling.803 Problematischer ist die Erfüllung der zweiten rechtlichen Voraussetzung der Verrechtlichung des Konzerncontrolling, nämlich die Wahrung der Leitungsmacht des Vorstands einer abhängigen Gesellschaft. Hierfür muss wieder zwischen den Fällen vertraglicher und faktischer Konzernierung unterschieden werden: Im Vertragskonzern kann der Mutter-Vorstand durch die Erteilung von Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG in die Leitungsmacht des Tochter-Vorstands eingreifen. Daher kann er die Errichtung des Konzerncontrolling über die Grenzen der eigenen Gesellschaft hinaus auch bei der vertraglich beherrschten Tochter-Gesellschaft rechtlich durchsetzen. Ein Verstoß gegen das Leitungsrecht des Tochter-Vorstands ist mit der Pflicht zum Konzerncontrolling im Vertragskonzern nicht verbunden.804 Im faktischen Konzern hingegen bleibt die Leitungsmacht des Tochter-Vorstand grundsätzlich frei von rechtlich vermittelter Einflussnahme aus der Sphäre der herrschenden Gesellschaft. Daher ist zu klären, ob und inwieweit das Konzerncontrolling die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Maßnahmen in der faktisch beherrschten Tochter durchsetzen kann. Neben Kontrollaufgaben misst man dem Konzerncontrolling auch Aufgaben der konzernweiten Planung und Koordinierung bei.805 Die effektive Unterstützung des Mutter-Vorstands bei der Führung des Konzerns erfordert nach betriebswirtschaftlicher Auffassung, dass das Konzerncontrolling rechtsformübergreifend agiert,806 denn die betriebswirtschaftliche Sichtweise nimmt nicht auf die rechtlichen Unterschiede und Grenzen der am Konzern beteiligten Gesellschaften Rücksicht, sondern fasst den Konzern als wirtschaftliche Einheit auf, die der Mutter-Vorstand – unterstützt durch das Konzerncontrolling – im Ganzen leitet.807 Teilweise gehen Vorschläge in der Betriebswirtschaft soweit, dem Konzerncontrolling – als Beteiligungscontrolling – Auf-

802

Hierzu oben unter § 5 B.II.2. Vgl. hierzu die Vorschläge von Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 246 ff.; einem zentralen Konzerncontrolling können in Gestalt der Leitungsmacht des Tochter-Vorstands Gegenkräfte begegnen, was in die Entscheidung hinsichtlich der Ausgestaltung des Konzerncontrolling einfließen sollte. Hierzu näheres im Folgenden. 804 Ebenso Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 206. 805 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 204. 806 Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 249; ders., AG 1991, 262, 264 f. 807 Ähnlich Behringer, Konzerncontrolling, 2011, S. 18 f.; Scheffler, Konzernmanagement, 2. Aufl. 2005, S. 185. 803

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

gaben mit Sachentscheidungskompetenzen808 zu überantworten, deren Erfüllung eigentlich originär Vorstand und Aufsichtsrat der Tochter-Gesellschaft obliegt. Ein solch weitgehendes Beteiligungscontrolling sprengt indes die Grenzen des rechtlich Zulässigen: Das organisatorisch verselbständigte (Konzern-)Controlling, verstanden als Unterstützungs- und Servicefunktion für den Vorstand der KonzernMutter, ist nichts anderes als ein delegierter Ausschnitt der Leitungstätigkeit des Mutter-Vorstands.809 Die Delegation kann aber nur so weit reichen wie die eigene Leitungskompetenz des Vorstands.810 Letztere endet im Fall faktischer Konzernierung an der Grenze der eigenen (Mutter-)Gesellschaft, da keine Rechtsgrundlage für Eingriffe in die Leitungskompetenz einer faktisch abhängigen Aktiengesellschaft existiert.811 Das Beteiligungs-Controlling muss sich demnach im Fall faktischer Konzernierung auf seinen ursprünglichen betriebswirtschaftlichen Auftrag beschränken, der das (Konzern-)Controlling als Unterstützungsfunktion des Mutter-Vorstands zur Aufbereitung und Übermittlung führungsrelevanter Daten ohne eigene Leitungs- oder Entscheidungsmacht ausweist.812 Die durch faktische Einflussnahme seitens des Mutter-Vorstands zu gewährleistende Mitwirkung des Tochter-Vorstands beschränkt sich dann auf die Weitergabe der eigenen Controlling-relevanten Daten an die zuständige Stelle in der Konzern-Mutter. Wiederum ist der Mutter-Vorstand insoweit nur verpflichtet, die ihm im Einzelfall zur Verfügung stehenden Möglichkeiten faktischer Einflussnahme im Rahmen des rechtlich Zulässigen zur Erlangung von Informationen auszunutzen.813 Das tatsächliche Funktionieren des Konzerncontrolling hängt im faktischen Konzern von der Mitwirkung des Tochter-Vorstands ab.814 Darüber hinausgehende betriebswirtschaft 808 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 204 f.; Theisen, Der Konzern, 2. Aufl. 2000, S. 250 ff.; Andreas Schmidt, Controlling 1989, 270, 271; aus rechtlicher Sicht Götz, ZGR 1998, 524, 537, der für den Fall aus Sicht der Konzern-Mutter erheblicher Beteiligungen an Tochter-Gesellschaften ohne Berücksichtigung der Problematik verfügbarer Informationen die Existenz eines Beteiligungs-Controlling fordert. 809 Scheffler, AG 1991, 256, 257. 810 Näheres zu den Grenzen zulässiger Delegation unter § 6 B.III.2. 811 Für den Fall solcher, über die Delegationsbefugnis des Mutter-Vorstands hinausgehender Aufgaben des Konzerncontrolling wirft Theisen, AG 1991, 262, 268 die Frage auf, ob allein hierdurch schon die Anforderungen an den qualifizierten faktischen Konzern (hierzu umfassend Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, Anhang zu § 317 AktG Qualifizierte Nachteilszufügung) erfüllt sind. Vgl. auch Scheffler, AG 1991, 256, 261 mit Handlungsempfehlungen an die Unternehmenspraxis. 812 Wohl in diesem Sinne Altmeppen, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 311 Rn. 440, wonach in der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft keine weitgehende allgemeine Verpflichtung des Tochter-Vorstands zur Mitwirkung am Konzerncontrolling der herrschenden Gesellschaft bestehe. Ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 25; Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 103; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 204 ff.; Reuter, DB 1999, 2250, 2251; wohl ebenso Götz, ZGR 1998, 524, 537. 813 Allgemein zur Reichweite der erlangbaren Informationen bei faktischer Konzernierung siehe unter § 4 B. I.6.–8. 814 Fleischer, CCZ 2008, 1, 4.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

173

lich vorteilhafte Controlling-Maßnahmen lassen sich im faktischen Konzern nur realisieren, wenn der Tochter-Vorstand diese mitträgt.

IV. Besetzung der Führungspositionen im Konzern Neben den konzernbezogenen Vorstandspflichten zu Konzernplanung, Konzernkoordinierung und Konzernkontrolle wird auch die Besetzung bedeutender Führungspositionen im Konzern als Pflicht des Mutter-Vorstands erachtet.815 Die Besetzung von Führungspositionen einer Aktiengesellschaft ist – ungeachtet konzernrechtlicher Verbindungen – maßgeblich für ihre wirtschaftliche Prosperität.816 Dies gilt auch für die Besetzung der Führungspositionen einer beherrschten Aktiengesellschaft. Soweit bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung das Verhalten der Führungskräfte der Tochter-Gesellschaft nachteilige Auswirkungen auf die Konzern-Mutter haben kann,817 ist der Mutter-Vorstand – schon um solchen Entwicklungen zuvor zu kommen – verpflichtet, die Besetzung der Führungspositionen in Tochter-Gesellschaften zumindest zu überwachen. So kann er gegebenenfalls frühzeitig lenkend eingreifen und durch Neubesetzungen von Führungspositionen bei der Tochter-Gesellschaft Kurskorrekturen vornehmen. Im faktischen Konzern ist die Besetzung von Führungspositionen über den soeben geschilderten Aspekt hinaus der Garant für die Effektivität faktischer Einflussnahme: Faktische Einflussnahme fußt gerade nicht auf einem rechtlich abgesicherten Fundament, sondern steht und fällt damit, dass sich der Adressat der Einflussnahme mehr oder weniger freiwillig dem Einfluss des Mutter-Vorstands beugt.818 Sind die Führungspositionen bei der Tochter-Gesellschaft mit gegenüber der Konzern-Mutter loyalen Personen besetzt, erleichtert dies die Steuerung der faktisch beherrschten Tochter-Gesellschaft durch die Konzern-Mutter enorm. Die große Bedeutung der Führungsposten-Besetzung in der Tochter-Gesellschaft für faktische Einflussnahme lässt sich auch daran ermessen, dass die Beeinflussung der Personalpolitik einer anderen Gesellschaft als ein maßgebliches Indiz für die tatsächliche Ausübung beherrschender Einflussnahme seitens der Konzern-Mutter und damit für die Existenz eines faktischen Konzerns im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 1 AktG anzusehen ist.819 Nach der oben vertretenen Ansicht ist der 815

Aus Sicht der Holding-Praxis Keller, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 4 Rn. 72 ff.; Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 103; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 86; Götz, ZGR 1998, 524, 531. 816 Wettich, Vorstandsorganisation, 2009, S. 61. 817 Zu den Gefahren nachteiliger Auswirkungen von Tochter-Verhalten auf die Konzern-Mutter im Vertragskonzern siehe oben unter § 5 B.III.4.c). 818 Hierzu oben unter § 4 A.III.1. 819 Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 18 Rn. 14; ähnlich Hirschmann, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, 2011, § 18 Rn. 16.

174

§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Mutter-Vorstand im faktischen Konzern verpflichtet, zur Ermöglichung des für Konzernkontrolle notwendigen Informationsflusses sein Potential an Einflussnahme820 – soweit rechtlich und faktisch möglich – auszuschöpfen. Damit ist der Mutter-Vorstand im Extremfall auch gehalten, auf den Tochter-Aufsichtsrat mit dem Ziel der Auswechslung eines widerstrebenden Tochter-Vorstandsmitglieds faktischen Einfluss zu nehmen.821 Zudem ist die Bedeutung der FührungspostenBesetzung in der Tochter-Gesellschaft für den Mutter-Vorstand zur Durchsetzung der Konzern-Politik im faktischen Konzern weit größer als bei vertraglicher Konzernierung. Im Vertragskonzern hat der Mutter-Vorstand über § 308 Abs. 1 AktG ein direktes Weisungsrecht gegenüber dem Tochter-Vorstand, um ein bestimmtes Verhalten zu erreichen. Im faktischen Konzern hingegen besteht keine derartige Möglichkeit. Daher muss der Mutter-Vorstand im faktischen Konzern – schon zur Erfüllung seiner Pflicht zur Konzernkontrolle822 – das Funktionieren der hierfür notwenigen Informations- und Einflusskanäle durch eine entsprechende Führungspositionen-Politik innerhalb der Tochter-Gesellschaft sicherstellen.823 Ob im Einzelfall Änderungsmaßnahmen der Führungspositionen in Tochter-Gesellschaften veranlasst sind und wie diese erfolgen sollen, unterliegt hingegen gemäß § 76 Abs. 1 AktG dem Leitungsermessen des Mutter-Vorstands. Dass sich der Mutter-Vorstand im Einzelfall auch darauf beschränken kann, die Führungsposten-Besetzung innerhalb einer Tochter-Gesellschaft lediglich zu überwachen, folgt letztlich aus der Anerkennung der Möglichkeit dezentraler Konzernleitung und der Ablehnung einer umfassenden Konzernleitungspflicht: Eine gut florierende Tochter-Gesellschaft profitiert davon, dass ihre Führungskräfte als eingespieltes Team gewinnbringend wirtschaften. In einem solchen Fall besteht aus Sicht des Mutter-Vorstands – die Kooperation des Tochter-Vorstands bei der Kontrolle und Informations-Weitergabe vorausgesetzt – im Regelfall kein Anlass, hieran etwas zu ändern. Sowohl im Vertragskonzern als auch bei faktischer Konzernierung ist hinsichtlich einer Pflicht zur Besetzung von Führungspositionen zu beachten, dass dem Mutter-Vorstand unabhängig von der Art der Konzernierung lediglich Möglichkeiten faktischer Einflussnahme auf die Führungsposten-Besetzung in der Tochter-Gesellschaft zustehen. Auch im Vertragskonzern kann der Mutter-Vorstand den Tochter-Aufsichtsrat nach dem eindeutigen Wortlaut von § 308 Abs. 1 und Abs. 3 820 Regelmäßig wird allenfalls die Anteilseigner-Seite im Aufsichtsrat der Tochter-Gesellschaft über deren Hauptversammlung dem faktischen Einfluss der Konzern-Mutter unterstehen. Sollten darüber hinaus im Tochter-Aufsichtsrat nach Maßgabe von § 96 Abs. 1 AktG i. V. m. den Mitbestimmungsgesetzen weitere Mitglieder vertreten sein, kann dies die faktische Einflussnahme seitens der Konzern-Mutter in Sachen Besetzung von Führungspositionen erschweren. 821 Hierzu näher Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 191. 822 Siehe hierzu oben unter § 5 C.III. 823 So auch schon oben unter § 5 C.III.3. Dort ging es um die Frage, was der Mutter-Vorstand tun muss, um den für die Konzern-Kontrolle notwendigen Informationsfluss im faktischen Konzern aufrecht zu erhalten.

B. Übertragung der Erkenntnisse auf die Konzernebene

175

AktG keine Weisungen erteilen. Der Tochter-Aufsichtsrat ist aber für die Ernennung des Tochter-Vorstands nach § 84 Abs. 1 AktG allein zuständig. Sowohl bei faktischer als auch bei vertraglicher Konzernierung ist damit die Reichweite der Pflicht zur Besetzung von Führungspositionen in der beherrschten Gesellschaft einzelfallabhängig zu beurteilen, selbst wenn die Umstände ein Einschreiten des Mutter-Vorstands erfordern. Sie richtet sich mangels rechtlicher Durchsetzbarkeit danach, ob der Tochter-Aufsichtsrat die Personal-Vorschläge seitens der KonzernMutter bei seiner Entscheidung berücksichtigt oder nicht.824 Der Mutter-Vorstand ist nur verpflichtet, sich unter Ausübung des ihm zustehenden Leitungsermessens um eine sachgerechte Führungskräfte-Politik auch in Bezug auf Tochter-Gesellschaften zu bemühen.

V. Pflicht zur Implementierung eines konzernweiten Informationsund Kontrollsystems Fraglich ist, ob eine Pflicht des Mutter-Vorstands zur Implementierung eines konzernweiten Informations- und Kontrollsystems besteht,825 die in ihren Anforderungen an das Handeln des Mutter-Vorstands über die unter § 5 B.I.–IV. beschriebenen Anforderungen hinausgeht. Hält man sich die im Rahmen der typologischen Abgrenzung der Führungsfunktionen gewonnenen Erkenntnisse vor Augen, so umfasst schon die Vorstandspflicht zur Konzernkontrolle mit den darin enthaltenen Sub-Systemen (konzernbezogenes Risikofrüherkennungs- und Überwachungssystem, interne Konzernrevision sowie Konzerncontrolling) weit reichende und systematisierte Informations- und Kontrollpflichten des Mutter-Vorstands. Die Pflicht zur Errichtung eines konzernweiten Informations- und Kontrollsystems ist aber nichts anderes als die Summe der konzernbezogenen Kontroll- und Informationspflichten der Konzern-Mutter in dem Maß, wie unter § 5 B. beschrieben.826 Aus der 824 Zur besseren Kontrolle des Abstimmungsverhaltens im Tochter-Aufsichtsrat können aus der Sicht des Mutter-Vorstands Aufsichtsrats-Doppelmandate praktisch sinnvoll sein, vgl. hierzu oben unter § 4 B. I.8.; aus Sicht der Praxis gibt es hier selten Hindernisse, da der Tochter-Aufsichtsrat im Fall von nachvollziehbaren Vorschlägen für die personelle Besetzung des Tochter-Vorstands den Wünschen der Konzern-Mutter regelmäßig nachkommt, so Semler, ZGR 2004, 631, 659 f. 825 So wohl Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 26; ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 32; Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 103; Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S. 310 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 290 ff., insbesondere Rn. 300. 826 Vgl. nur die vagen inhaltlichen Anforderungen an das konzernweite Informations- und Kontrollsystem z. B. bei Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 32 oder Sven H. Schneider, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19.

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§ 5 Konkretisierung der Leitungspflichten des Mutter-Vorstands

Bezeichnung der Summe jener Pflichten als „Pflicht zur Implementierung eines konzernweiten Informations- und Kontrollsystems“ gehen daher keine über das unter § 5 B. beschriebene Maß hinausgehenden konzernbezogenen Pflichten des Mutter-Vorstands hervor.

C. Zusammenfassung Die Pflicht zur Konzernleitung lässt sich durch einen Blick auf die Pflichtenlage in der unverbundenen Gesellschaft konkretisieren. Die dort vorzunehmende typologische Abgrenzung der unternehmerischen Führungsfunktionen genügt sämtlichen Anforderungen an die Verrechtlichung betriebswirtschaftlicher Errungenschaften. Dies gilt auch für die Konzernebene. Konkret lassen sich dort die Führungsfunktionen der Konzernplanung, der Konzernkoordinierung, der Konzernkontrolle sowie der konzernbezogenen Führungspostenbesetzung unterscheiden. Konzernplanung verlangt dem Mutter-Vorstand ab, die Zielvorgaben der einzelnen am Konzern beteiligten Gesellschaften nach eigenem Ermessen zu harmonisieren. Indes ist der Mutter-Vorstand nicht verpflichtet, die gesellschaftsinterne Unternehmensplanung der Tochter-Gesellschaft anstelle von deren Vorstand vorzunehmen. Ein Ermessensspielraum besteht auch bei der Erfüllung der Führungsfunktion „Konzernkoordinierung“. Wenn der Mutter-Vorstand Einfluss ermöglichende Beteiligungen über bloße Vermögensverwaltung hinaus unternehmerisch nutzt, kann er über die Intensität des Einflusses auf die beherrschte Gesellschaft nach eigenem Ermessen entscheiden. Auch im Fall der Konzernierung durch Beherrschungsvertrag ist eine dezentrale Konzernleitung möglich. Die Führungsfunktion der Konzernkontrolle verlangt dem Mutter-Vorstand zumindest ab, die Aktivitäten der Tochter-Gesellschaft umfassend zu kontrollieren, denn bei vertraglicher wie bei faktischer Konzernierung können Missstände bei der Tochter-Gesellschaft finanzielle Schäden der Konzern-Mutter verursachen. Der Mutter-Vorstand ist zur Abwehr solcher Schäden der Konzern-Mutter verpflichtet. Die Instrumente konzernweites Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG, interne Konzernrevision und Konzerncontrolling konkretisieren die Pflicht zur Konzernkontrolle. Der Mutter-Vorstand ist nicht verpflichtet, mittels dieser Instrumente der Konzern-Mutter konkrete Prüfungsmaßnahmen bei der Tochter-Gesellschaft vornehmen zu lassen. Er muss aber die über die Tochter-Gesellschaft zur Verfügung stehenden Informationen durch diese Systeme der Konzern-Mutter erfassen und bewerten lassen. Bei faktischer Konzernierung steht diese Pflicht unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Informationserlangung über die Tochter-Gesellschaft durch faktische Einflussnahme. Unabhängig von der Art der Konzernierung muss der Mutter-Vorstand die Führungskräfte-Situation bei der Tochter-Gesellschaft zumindest überwachen.

C. Zusammenfassung

177

Bei faktischer Konzernierung ist die Besetzung der Führungspositionen der Tochter-Gesellschaft mit gegenüber der Konzern-Mutter loyalen Personen Voraussetzung für faktische Einflussnahme. Beugen sich Personen in Führungspositionen bei der Tochter-Gesellschaft nicht der Einflussnahme des Mutter-Vorstands, so muss sich der Mutter-Vorstand im Extremfall im Rahmen seiner Möglichkeiten um die Auswechslung der Führungspositionen bei der Tochter-Gesellschaft bemühen.

§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands A. Pflicht zur Compliance-Organisation in der herrschenden Gesellschaft In der unverbundenen Aktiengesellschaft besteht nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG hinsichtlich der Frage des „Ob“ der Implementierung einer ComplianceOrganisation eine Rechtspflicht des Vorstands. Hinsichtlich des „Wie“, also hinsichtlich der Frage, welche spezielle Art von Compliance-Organisation in der eigenen Gesellschaft zu implementieren und zu unterhalten ist, hat der Vorstand unter Anwendung einzelfallorientierten unternehmerischen Ermessens eine Entscheidungskompetenz.827 An dieser gesellschaftsinternen Compliance-Pflicht ändert sich für den Vorstand der herrschenden Gesellschaft im Fall einer Konzernierung nichts, da durch die Konzernierung die gesellschaftsinternen Leitungspflichten des Mutter-Vorstands gegenüber der eigenen Gesellschaft nicht modifiziert werden.828 Daher gelten – bezogen auf solche Compliance-Pflichten, die ihren Ursprung in der eigenen Gesellschaft haben – die unter § 3 erzielten Ergebnisse auch bei einer Konzernierung. Insofern bleibt der Mutter-Vorstand gegenüber seiner Gesellschaft unabhängig von dem Vorliegen einer Konzernierung in dem unter § 3 dargestellten Maß zur Corporate Compliance verpflichtet.

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance – allgemeine Mindeststandards Nach wie vor nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob und inwieweit der Mutter-Vorstand der Konzern-Mutter gegenüber verpflichtet ist, in einer von ihm beherrschten Tochter-Gesellschaft Compliance-Maßnahmen durch Mitarbeiter der Konzern-Mutter durchführen zu lassen. Das Aktiengesetz beantwortet diese Frage ebensowenig wie die Frage nach Compliance-Pflichten in der unverbundenen Gesellschaft. Der Kodex-Geber spiegelt in Ziff. 4.1.3 DCGK die geltende Rechtslage so wider, dass der Vorstand der Konzern-Mutter auch in abhängigen Gesellschaften auf die Beachtung der Gesetze und unternehmensinternen Richtlinien

827

Vgl. hierzu oben § 3 C.II.2.b). Hüffer, in: liber amicorum für Happ, 2006, S. 93, 96 f.; statt vieler Semler, Leitung und Überwachung, 2. Aufl. 1996, Rn. 270. 828

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

179

hinwirken muss.829 Im Unterschied dazu findet sich in Ziff. 4.1.3 DCGK die Formulierung, der (Mutter-)Vorstand habe für die Einhaltung der Gesetze und unternehmensinternen Richtlinien in der eigenen Gesellschaft zu sorgen. Diese Differenzierung ist für einige ein Indiz dafür, dass konzernbezogene CompliancePflichten des Mutter-Vorstands angesichts der je nach Lage des Einzelfalls eingeschränkten konzernrechtlichen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Leitung der Tochter-Gesellschaft weniger weit reichen als gesellschaftsinterne Compliance-Pflichten.830 Offen bleibt hingegen auch nach Ziff. 4.1.3 DCGK, wie der Vorstand der Konzern-Mutter in Tochter-Gesellschaften seine Compliance-Pflichten erfüllen muss. Im Schrifttum wird überwiegend eine konzernweite Compliance-Verantwortung des Mutter-Vorstands gegenüber der Konzern-Mutter bejaht.831 Hierbei wird unter Hinweis auf das Leitungsermessen des Mutter-Vorstands und die Lage des Einzelfalls eine rechtlich verbindliche, nähere Konkretisierung konzernweiter Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands ausgeschlossen.832 Andere stellen 829

Selbst die Kodex-Bestimmungen, die wie Ziff. 4.1.3 DCGK keine die Unverbindlichkeit der jeweiligen Bestimmung kennzeichnende Formulierung wie „kann“, „sollte“ oder „soll“ enthalten, sind rechtlich nicht verbindlich, da der Kodex kein staatlich legitimiertes Gesetz ist. Bei Bestimmungen wie Ziff. 4.1.3 DCGK handelt es sich um die Widerspiegelung der geltenden aktienrechtlichen Rechtslage aus der Sicht der Kodex-Geber. Hierzu näher oben unter § 3 B.II. 830 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 616; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 996 f. 831 Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 64 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 59 ff.; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27; Gebauer/Niermann, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 36 Rn. 69 f.; Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 8 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: ­KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 38; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 616; Fett/Gebauer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 375, 377 f.; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175 ff.; zurückhaltend Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 306 f.; Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 204 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 996 f.; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 290 ff.; ders., in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 617, 618; Uwe H. Schneider, in: Festschrift für Hadding, 2004, 621, 627; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 724 f.; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1106 f.; Karbaum, Kartellrechtliche Compliance, 2010, S. 254 ff.; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 93 ff.; Bürkle, BB 2007, 1797, 1798; zur Kartellrechts-Compliance im Konzern Dreher, ZweR 2004, 75, 101 ff.; Fleischer, DB 2005, 759, 764; ders., CCZ 2008, 1, 4 ff.; Forst, DuD 2010, 160, 163 ff.; Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 ff.; Koch, WM 2009, 1013 ff.; Kort, NZG 2008, 81, 83 f.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 122; Pietzke, CCZ 2010, 45, 51 f.; Uwe H. Schneider, ZGR 1996, 225, 242 ff.; ders./Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061 ff.; ders., NZG 2009, 1321, 1323 ff.; Spindler, WM 2008, 905, 915 ff.; Veil, WM 2008, 1093, 1096; Verse, ZHR 175 (2011), 401 ff. 832 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 59 ff.; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c f.; Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung,

180

§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

weitergehende Anforderungen an die konzernweiten Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands, indem sie fordern, der Mutter-Vorstand müsse zur Erfüllung seiner konzernweiten Compliance-Pflichten ein konkretes konzernweites Compliance-System implementieren.833 Im AG-Konzern ist der Tochter-Vorstand selbst Adressat der Leitungsaufgabe nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG und damit auch Adressat der Vorstandspflicht zur gesellschaftsinternen Corporate Compliance in dem unter § 3 F.II. beschriebenen Ausmaß. Wenn die allgemeinen Leitungspflichten des MutterVorstands durch den Umstand einer Konzernierung erweitert werden,834 liegt es nahe, dass hiervon auch entsprechende Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands betroffen sind. Denn diese machen einen Ausschnitt der Leitungspflichten nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG aus.835

I. Begrenzung konzernweiter Compliance-Pflichten durch die Beschränktheit konzernbezogener Informationsmöglichkeiten Bei der Konkretisierung konzernweiter Compliance-Pflichten sind die recht­ lichen Grenzen konzernweiter Informationsmöglichkeiten des Mutter-Vorstands836 zu beachten.837 Wie Leitungspflichten im Allgemeinen können Compliance-Pflichten als Ausschnitt der Leitungspflichten im Besonderen nur soweit reichen, als hierfür die jeweils erforderlichen Informationen als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen. Gerade einzelfallorientierte Compliance-Maßnahmen des 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 8 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 616; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1183 ff.; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 306 f.; Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 204 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 996 f.; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 724 f.; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1106 f.; Karbaum, Kartellrechtliche Compliance, 2010, S. 254 ff.; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 93 ff.; Fleischer, DB 2005, 759, 764; ders., CCZ 2008, 1, 4 ff.; Forst, DuD 2010, 160, 163 ff.; Koch, WM 2009, 1013 ff.; Kort, NZG 2008, 81, 83 f.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 122; Pietzke, CCZ 2010, 45, 51 f.; Spindler, WM 2008, 905, 915 ff.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 415 f. 833 Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 64 ff.; für die Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche Gebauer/Niermann, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 36 Rn. 69 f.; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 290 ff.; wohl auch ders., in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 617, 618; Bürkle, BB 2007, 1797, 1798; Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1324, 1326. 834 Hierzu oben unter § 5. 835 Dazu oben unter § 3 C.II. 836 Hierzu oben unter § 4 B. I. 837 Allgemeiner Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c, wonach „geltendes Konzernrecht“ die Grenze konzernweiter Compliance-Organisationspflichten des Mutter-Vorstands markiere.

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

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Mutter-Vorstands in der Tochter-Gesellschaft setzen voraus, dass der Mutter-Vorstand detaillierte Informationen über die Verhältnisse in der Tochter-Gesellschaft erlangt. Im Vertragskonzern ergeben sich insoweit keine größeren Schwierigkeiten, da der Mutter-Vorstand die Erlangung der notwendigen Informationen durch die Erteilung entsprechender Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG gegenüber dem Tochter-Vorstand rechtlich durchsetzen kann.838 Bei faktischer Konzernierung hingegen steht und fällt eine Pflicht zur konzernweiten Compliance damit, dass auf dem Weg faktischer Einflussnahme die für Konzern-Compliance erforderlichen Informationen seitens der Tochter-Gesellschaft tatsächlich an die Konzern-Mutter erteilt werden.839 Zum einen muss also die Möglichkeit faktischer Einflussnahme existieren, zum anderen muss die Einflussnahme selbst erfolgreich sein. Nur soweit dem Mutter-Vorstand die erforderlichen Informationen tatsächlich erteilt werden840, kann er überhaupt zur konzernweiten Compliance verpflichtet sein.

II. Rechtfertigung der allgemeinen Pflicht zur Konzern-Compliance Auch wenn die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands unterschiedlich beurteilt wird, so besteht dennoch im Grundsatz Einig­keit, dass die Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands über die Grenze der eigenen Gesellschaft hinausgehen.841 Das ergibt sich aus den oben gewon 838

Hierzu oben unter § 4 B. I.5. Hierzu oben unter § 4 B. I.6. 840 Allerdings muss der Mutter-Vorstand sich zumindest im Rahmen des rechtlich und faktisch Möglichen um die Erlangung umfassender Informationen über die Tochter-Gesellschaft bemühen, dazu Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 36. 841 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 59 ff.; ders., in: ­Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27; Gebauer/Niermann, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 36 Rn. 69 f.; Hüffer AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c f.; Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Manager­haftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 8 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 38; Fett/Gebauer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 375, 377 f.; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175 ff.; Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 204 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 996 f.; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 290 ff.; Uwe H. Schneider, in: Festschrift für Hadding, 2004, 621, 627; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1106 f.; Karbaum, Kartellrechtliche Com­pliance, 2010, S. 254 ff.; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 93 ff.; Bürkle, BB 2007, 1797, 1798; zur Kartellrechts-Compliance im Konzern Dreher ZweR 2004, 75, 101 ff.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 4 ff.; Forst, DuD 2010, 160, 163 ff.; Hauschka/ Greeve, BB 2007, 165 ff.; Koch, WM 2009, 1013 ff.; Kort, NZG 2008, 81, 83 f.; Kremer/ Klahold, ZGR 2010, 113, 122; Pietzke, CCZ 2010, 45, 51 f.; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061 ff.; ders., NZG 2009, 1321, 1323 ff.; Spindler, WM 2008, 905, 915 ff.; Verse, ZHR 175 (2011), 401 ff. 839

182

§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

nenen Erkenntnissen zu den konzernbezogenen Führungsfunktionen des MutterVorstands. Die Führungsfunktion der Konzernkontrolle verpflichtet den MutterVorstand, im Rahmen der Erfüllung seines Kontrollauftrags auch Gefahren für die Konzern-Mutter aus Tochter-Gesellschaften zu berücksichtigen.842 Hierdurch sollen Schädigungen der Konzern-Mutter durch Fehlentwicklungen in TochterGesellschaften vermieden werden.843 Namentlich finanzielle Einbußen der Mutter-Gesellschaft durch Strafzahlungen oder Imageschäden können durch Fehlverhalten von Mitarbeitern einer Tochter-Gesellschaft veranlasst sein.844 Aber auch Vermögenseinbußen in Tochter-Gesellschaften können sich konzernrechtlich mittelbar auf die Vermögenslage der Konzern-Mutter nachteilig auswirken.845 Um dem mit Konzernkontrolle verfolgten Zweck zu genügen, muss der MutterVorstand organisatorische Vorkehrungen treffen, die in Hinblick auf ein für die Konzern-Mutter gefährliches Mitarbeiter-Verhalten in Tochter-Gesellschaften haftungsvermeidend wirken.

III. Konzernweite Compliance-Pflichten bzgl. Konzernkoordinierung und -kontrolle Die Übertragung der Führungsfunktionen auf Konzernsachverhalte hat bezogen auf die Koordinierungs- und Kontrollpflichten gezeigt, dass Konzernkoordinierung und -kontrolle eng miteinander verbunden sind. Eine exakte Trennung beider Felder stößt schnell an ihre Grenzen. Deswegen sollen im Folgenden beide Pflichten-Komplexe gemeinsam auf mögliche konzernweite Compliance-Pflichten unter­sucht werden.

842

Hierzu oben unter § 5 B.III.3. u. 4. So auch Gebauer, in: DIRK e. V. (Hrsg.), Handbuch Investor Relations, 2004, S, 505, 508; Fleischer, CCZ 2008, 1, 5. 844 Als Beispiel aus der Praxis ist hier der Bestechungs-Skandal innerhalb des Siemens-Konzerns zu nennen, der unter anderem auf nationaler Ebene 2008 zur Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 395 Millionen Euro gegen die Konzern-Mutter, die Siemens-AG, führte (Abschlusserklärung seitens der Siemens-AG vom 15.12.2008 zu den Erkenntnissen des gesamten Bestechungs-Skandals anlässlich des Abschlusses der Verfahren in München und den USA abrufbar unter http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2008-12-PK/summaryd.pdf – letzter Abruf 31.7.2012; Entwurf des betreffenden Bußgeldbescheids der Staatsanwaltschaft München I abrufbar unter http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2008-12-PK/ MucStaats.pdf – letzter Abruf 31.7.2012). Auslöser hierfür waren Fehlverhalten hauptsächlich in Tochter- und Enkelgesellschaften. Vgl. hierzu auch Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 6; Moosmayer Compliance, 2. Aufl. 2012, S. 12 f.; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 290.; im Gegensatz zur rechtlichen Bewertung werden Konzerne in der öffentlichen Wahrnehmung regelmäßig ohne Differenzierung zwischen den einzelnen Gesellschaften als ein Unternehmen aufgefasst, vgl. Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061 oder Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 122. 845 Hierzu näher oben unter § 5 B.III.3. u. 4. 843

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

183

Konzernkoordinierung soll die Aufgabenverteilung im Konzern regeln und eine effektive Konzernorganisation schaffen.846 Die Analyse der Führungsfunktion „Unternehmenskoordinierung“ hat ergeben, dass konzernweite Verpflichtungen nur eingeschränkt bestehen, denn der Mutter-Vorstand darf den Konzern dezentral leiten, sofern er die Tochter-Gesellschaft nicht völlig unkontrolliert wirtschaften lässt.847 Einfluss ermöglichende Beteiligungen müssen zwar mangels anderweitiger Satzungsbestimmungen unternehmerisch genutzt werden, jedoch besteht hinsichtlich des „Wie“ der unternehmerischen Nutzung für den Mutter-Vorstand ein breiter Ermessensspielraum.848 Der Vorstand muss in der eigenen Gesellschaft Ausführung und Erfolg delegierter Aufgaben kontrollieren. Zudem muss er die Geschäfts- und Ergebnisentwicklung zum Zweck der systematischen Ermittlung, Analyse und Korrektur von Abweichungen im Auge haben.849 Unter dem Begriff Konzernkontrolle ist die Frage zu verorten, inwieweit der Mutter-Vorstand die Tochter-Gesellschaft zum Gegenstand der eigenen Kontroll-Tätigkeit machen muss. Die Beantwortung dieser Frage unter § 5 B.III. hat ergeben, dass sich die Kontrollpflichten des Mutter-Vorstands bei faktischer und bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung – aus unterschiedlichen Gründen – auch auf die Tochter-Gesellschaft erstrecken. Konkretisiert werden die konzernweiten Kontrollpflichten des Mutter-Vorstands durch die Konzerndimension von § 91 Abs. 2 AktG850 und durch die Rechtspflichten zu Errichtung und Durchführung der internen Konzernrevision851 und des Konzerncontrolling.852 Im faktischen Konzern muss stets einschränkend beachtet werden, dass konzernweite Kontrollpflichten im Einzelfall nur insoweit bestehen, als die faktische Einflussnahme zur Erlangung kontrollrelevanter Informationen über die Tochter-Gesellschaft erfolgreich ist.853

846

Vgl. unter § 5 B.II. Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; wohl auch Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 140; ähnlich Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Krieger, in: MünchHdbAG, 3. Aufl. 2007, Band 4, § 69 Rn. 24; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 532. 848 So unter § 5 B.II.2. 849 Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 18 Rn. 15; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 18; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 8; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 36; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 76 Rn. 5; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, 6. Aufl. 2003, S. 98; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 16. 850 Zur Reichweite von § 91 Abs. 2 AktG im Konzern oben unter § 5 B.III.5. 851 Hierzu oben unter § 5 B.III.7.c). 852 Hierzu oben unter § 5 B.III.7.d). 853 So oben unter § 4 B.II.1. 847

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

1. Organisationsermessen hinsichtlich der Koordinierung der Konzern-Compliance Hinsichtlich der Compliance-Koordinierung besteht – angelehnt an die allgemeine Konzernkoordinierung854 – ein breiter unternehmerischer Ermessensspielraum des Mutter-Vorstands. Demnach kann er etwa hinsichtlich der zentralen oder dezentralen Ausgestaltung der Konzern-Compliance eine an die Konzernstruktur angepasste Einzelfall-Entscheidung treffen.855 Dies ist gerade dann von Bedeutung, wenn es um die Konzern-Compliance eines Konzerns geht, dessen einzelne Gesellschaften aufgrund unterschiedlicher Tätigkeitsfelder mit jeweils verschiedenen Compliance-Risiken in Berührung kommen. Ein rein zentralistisch organisiertes Compliance-System stößt in einem solchen Fall schnell an seine Grenzen, da in jeder Gesellschaft den spezifischen Compliance-Risiken am besten durch dezentrale individuelle Compliance-Maßnahmen begegnet wird.856 In manchen Fällen bietet es sich an, einzelnen konzernweiten Risiken durch zentrale ComplianceMaßnahmen zu begegnen, während andere Bereiche der gesellschaftsinternen Compliance den einzelnen Gesellschaften überlassen werden können.857 Bei faktischer Konzernierung muss der Mutter-Vorstand bei der ComplianceKoordinierung berücksichtigen, ob er in der Lage ist, die von ihm angestrebte Ausgestaltung der konzernweiten Compliance gegenüber der Tochter-Gesellschaft durch faktische Einflussnahme tatsächlich durchzusetzen. Eine rechtliche Möglichkeit dergestalt, dass er die Tochter-Gesellschaft zur Übernahme der Compliance-Ordnung der Konzern-Mutter zwingen könnte, steht ihm konzernrechtlich nicht zu.858 Neben dem Gewicht der faktischen Einflussnahme durch den Mutter-Vorstand wird für den Tochter-Vorstand hierbei auch eine Rolle spielen, ob und inwieweit die vom Mutter-Vorstand gewollte Compliance-Organisation auf die Bedürfnisse der Tochter-Gesellschaft zugeschnitten ist. Mit der Integration in das ausgefeilte Compliance-System der Konzern-Mutter kann die Toch 854

Zur Reichweite der Pflicht zur Konzernkoordinierung unter § 5 B.II.2. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 60; Karbaum, Kartellrechtliche Compliance, 2010, S. 261; Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; Pietzke, CCZ 2010, 45, 52; a. A. Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326, der die organisatorische Ausgestaltung der Konzern-Compliance ohne nähere Begründung als von der organisatorischen Ausgestaltung des Konzerns abhängig erachtet. 856 Ähnlich Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 205; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 724. Auch auf der Ebene der unverbundenen Gesellschaft ist die Ansicht herrschend, dass es kein „one fits all“- Compliance-System gibt, das ungeachtet der Umstände des Einzelfalls auf alle Gesellschaften anwendbar ist, vgl. hierzu Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 80; Bürkle, BB 2007, 1797, 1798; Fleischer, AG 2003, 291, 299. 857 So Pietzke, CCZ 2010, 45, 52, der als Beispiele für zentrale Compliance-Anstrengungen die Bereiche Kartellrecht, Korruption und Kapitalmarkt nennt. Für dezentrale Maßnahmen eignen sich seiner Ansicht nach Aspekte wie Sicherheit oder Umweltschutz. 858 Zur rechtlichen Stellung der Tochter-Gesellschaft bei faktischer Einflussnahme im Fall faktischer Konzernierung allgemein unter § 4 A.III.1. 855

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

185

ter-Gesellschaft bisweilen davon profitieren, dass jenes System ihren eigenen Compliance-Gefahren begegnet und zugleich von der Konzern-Mutter getragen wird. Jedoch besteht auch die Möglichkeit, dass das System der Konzern-Mutter nicht zu den speziellen Compliance-Anforderungen der Tochter-Gesellschaft passt und der Tochter-Vorstand daher das eigene Compliance-System bevorzugt.859 Der Tochter-Vorstand darf nach § 311 Abs. 1 AktG die Implementierung eines für seine Gesellschaft nachteiligen Compliance-Systems nicht zulassen, es sei denn, diese Nachteile werden durch die Konzern-Mutter nach § 311 AktG ausgeglichen.860 Konkrete Anforderungen an die konzernweite Compliance-Koordinierung können sich – wie auch auf dem Feld der allgemeinen Konzernkoordinierung861 – unter dem Gesichtspunkt der Ermessensreduzierung ergeben. Insbesondere dann, wenn im Rahmen von Compliance-Kontrollen relevante Rechts- oder Regelverstöße zutage getreten sind, ist die Effektivität der bisherigen Compliance-Anstrengungen zu hinterfragen. Gegebenenfalls muss dann nachgebessert werden, wozu noch gesondert Stellung zu beziehen sein wird.862 2. Klärung der Compliance-Zuständigkeiten und Compliance-Überwachung Auf der Ebene der allgemeinen Pflicht zur Konzernkoordinierung hat sich gezeigt, dass Bedingung für eine dezentrale Konzernorganisation die engmaschige Kontrolle der Aktivitäten der Tochter-Gesellschaft durch den Mutter-Vorstand ist.863 Auch eine dezentrale Konzern-Compliance setzt daher voraus, dass der Mutter-Vorstand die Compliance-Anstrengungen der Tochter-Gesellschaft engmaschig kontrolliert.864 Die Compliance-Anstrengungen der Tochter-Gesellschaft sind damit für den Mutter-Vorstand ein Objekt der Pflicht zur Konzernkontrolle.865

859

Ähnlich Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 724. Näher zu der Frage von Vor- oder Nachteilen eines konzernweiten Compliance-Systems für faktisch beherrschte Tochter-Gesellschaften Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 205. 861 Vgl. unter § 5 B.II.2. 862 Näheres dazu unter § 6 C. I. 863 Ähnlich Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 114; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 17; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 140; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, Vorb. § 291 Rn. 71; Martens, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 523, 532 sowie oben unter § 5 B.II.2. 864 Im Ergebnis ebenso Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 394 f.; Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326. 865 Ebenso Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1186 f.; im Ergebnis ähnlich Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065, die eine vernetzte, dezentralisierte Compliance-Organisation als zulässig und im Zweifel geboten erachten. 860

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

Weiter ist zu klären, auf welchem der Weg die Kontrolle der Tochter-Compliance durch den Mutter-Vorstand zu erfolgen hat. Hierfür muss zunächst definiert werden, wer bei der Konzern-Mutter und der Tochter-Gesellschaft für die Konzern-Compliance zuständig ist. Als Ausschnitt der Leitungsaufgabe nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG trifft die Pflicht zur Konzern-Compliance den Mutter-Vorstand als Kollegialorgan. Weitgehend anerkannt ist, dass Leitungsentscheidungen im Wege der horizontalen Delegation auf einzelne Vorstandsmitglieder übertragen werden können.866 Darüber hinaus ist die Vorbereitung und Ausführung solcher Entscheidungen im Wege der vertikalen Delegation in Grenzen auch auf nachgeordnete oder externe Stellen übertragbar.867 Somit ist auch die Erfüllung der Pflicht zur Konzern-Compliance als Teil der Leitungstätigkeit des Mutter-Vorstands in den erwähnten Grenzen delegierbar.868 Um die Mindestanforderung „Kontrolle der Tochter-Compliance“ erfüllen zu können, muss der Mutter-Vorstand demnach zunächst festlegen, wer in der eigenen Gesellschaft in welchem Maß hierfür zuständig ist.869 Praktisch betrachtet steht dem Mutter-Vorstand hierfür eine ganze Reihe von Möglichkeiten der organisatorischen Umsetzung zur Verfügung.870 Die organisatorisch aufwendigste Lösung ist die Ernennung eines eigenen Group Compliance Officers und die Einrichtung eines Group Compliance Office mit hauptamtlich in dieser Funktion beschäftigten Compliance-Fachleuten bei der Konzern-Mutter.871 Von dieser Möglichkeit sollten größere Konzerne oder solche Gebrauch machen, an denen börsennotierte Gesellschaften beteiligt sind,872 wenngleich auch in solchen Fällen keine Rechtspflicht zur Errichtung eines Group Compliance Office besteht. Alternativ lässt sich auf der Ebene der Konzern-Mutter die Compliance-Funktion auch auf ein Compliance-Committee verlagern, das sich aus Vertretern verschiedener unternehmensinterner Stabsfunktionen zusammensetzt.873 Weiter ist es denkbar, den Leiter einer Abteilung innerhalb der Konzern-Mutter – so zum Beispiel den Leiter der Rechtsabteilung oder der internen Revision – mit der Aufgabe der Konzern-Compliance zu betrauen.874 Die letztge 866

Hierzu näher und m. w. N. Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2003, § 76 Rn. 33 f., 156. Hierzu näher und m. w. N. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn.  65 f. 868 Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 986 ff.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 3. 869 Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326; 870 Zu verschiedenen Möglichkeiten und den jeweiligen Vor- und Nachteilen Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn.  20 ff. 871 Hierzu näher Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 69; Gebauer, in: DIRK e. V. (Hrsg.), Handbuch Investor Relations, 2004, S. 505, 541; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 140. 872 Weitergehend Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 94, der den Chief Compliance Officer mit dem Charakter einer Rechtspflicht als ComplianceInstrument ansieht, sofern einheitliche Leitung im Sinne von § 18 AktG ausgeübt wird. 873 Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 125; Pietzke, CCZ 2010, 45, 51. 874 Zum Konfliktpotential der organisatorischen Ausgestaltung der Systeme von KonzernCompliance, interner Konzernrevision, Konzerncontrolling und Rechtsabteilung siehe allerdings unter § 6 B.III.6. 867

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

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nannte Möglichkeit ist mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand für die Konzern-Mutter verbunden, bringt dafür aber zwangsläufig Einbußen in Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Konzern-Compliance mit sich. Insofern empfiehlt es sich allenfalls für kleinere Konzerne, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Wie der Mutter-Vorstand sich insoweit letztlich entscheidet, unterliegt seinem Leitungsermessen.875 Auch bei der Tochter-Gesellschaft muss feststehen, welche Stelle dort als Ansprechpartner für die Konzern-Compliance der Konzern-Mutter fungiert. Diese Stelle bei der Tochter-Gesellschaft versorgt die für Konzern-Compliance verantwortliche Stelle der Konzern-Mutter mit Compliance-relevanten Informationen876 und ist daher notwendiges Element konzernweiter Compliance. In der Regel ist dies die für die gesellschaftsinterne Compliance der Tochter-Gesellschaft verantwortliche Stelle. Auch die Tochter-Gesellschaft ist und bleibt als Aktiengesellschaft nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG zur Durchführung gesellschaftsinterner Compliance verpflichtet877 und muss daher über eine solche für gesellschaftsinterne Compliance verantwortliche Stelle verfügen.878 Denkbar ist es, dass bei der Tochter-Gesellschaft ein dort für die Umsetzung der konzernweiten Compliance verantwortlicher Compliance Officer eingesetzt wird.879 Dieser unterstützt den gegebenenfalls eingesetzten Group Compliance Officer bei der Erfüllung der konzernweiten Compliance-Pflichten. Diese Möglichkeit ist in Betracht zu ziehen, wenn ein konzernweit einheitliches Compliance-System gewollt ist. Im Vertragskonzern kann ein konzernweit einheitliches und zentral gesteuertes ComplianceSystem durch die Erteilung entsprechender Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG rechtlich durchgesetzt werden. Bei faktischer Konzernierung ist der Mutter-Vorstand hingegen darauf angewiesen, dass die Tochter-Gesellschaft seinen Wünschen freiwillig nachkommt. Eine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit existiert hier nicht.880 Die Etablierung der für die Compliance verantwortlichen Stellen innerhalb der eigenen Gesellschaft sowie innerhalb der Tochter-Gesellschaft trägt den Charakter einer Rechtspflicht des Mutter-Vorstands.881 Die organisatorische Ausgestal 875

Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 60; Karbaum, Kartellrechtliche Compliance, 2010, S. 261; Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 120 f.; Pietzke, CCZ 2010, 45, 52; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 416. 876 Fragen des konzerninternen Informationsflusses zu Zwecken der Konzern-Compliance werden folgend unter § 6 B.III.3. erörtert. 877 Vgl. oben unter § 6 B. 878 Zu der Frage einer Handlungspflicht des Mutter-Vorstands für den Fall, dass der TochterVorstand die gesellschaftsinterne Compliance innerhalb der Tochter-Gesellschaft nicht oder nur unzureichend gewährleistet, siehe unter § 6 C.II. 879 Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 69; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065. 880 Zur rechtlichen Stellung der Tochter-Gesellschaft bei faktischer Einflussnahme im Fall faktischer Konzernierung allgemein unter § 4 A.III.1. 881 Ebenso Bicker, AG 2012, 542, 550.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

tung und Vernetzung der für die Compliance verantwortlichen Stellen unterliegt hingegen als Frage der Konzernkoordinierung dem Leitungsermessen des MutterVorstands.882 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage nach einer möglichen Rechtspflicht in Hinblick auf die personellen Besetzung der zuständigen Stellen innerhalb der Tochter-Gesellschaft.883 3. Konzernweiter Compliance-Informationsfluss Schon die Leitung der unverbundenen Aktiengesellschaft setzt voraus, dass dem Vorstand umfassende Informationen über die Gesellschaft zur Verfügung stehen.884 Dasselbe gilt aus Sicht der Konzern-Mutter auch hinsichtlich der Pflicht zur Konzernkontrolle.885 Die inhaltliche Überschneidung der Konzern-Compliance mit der Konzernkontrolle886 bewirkt, dass das Funktionieren der KonzernCompliance ebenso wie das Funktionieren der Konzernkontrolle davon abhängt, dass dem Mutter-Vorstand die für die Durchführung von Konzern-Compliance notwendigen Informationen zur Verfügung stehen.887 Wenn man den Mutter-Vorstand als zur Konzern-Compliance verpflichtet ansieht, muss er zur Erfüllung dieser Pflicht auch verpflichtet sein, sich die hierfür notwendigen Informationen zu beschaffen.888 Der Mutter-Vorstand muss an erster Stelle diejenigen konzernbezogenen Informationen für die Konzern-Compliance nutzen, die er aufgrund des geschriebenen Rechts erlangen kann.889 Das sind die nach § 294 Abs. 3 HGB im Rahmen der Konzernrechnungslegung erlangten Informationen sowie diejenigen Informationen, die der Mutter-Vorstand nach § 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG zur Erfüllung der eigenen Berichtspflichten gegenüber seinem 882

Vgl. unter § 6 B.III.1. Dazu unter § 6 B.IV. 884 Sinngemäß BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95 – DStR 1997, 880, 881 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 58; Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 84 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn.  32 ff.; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 67; Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 188; Semler, Leitung und Überwachung, 2. Auflage 1996, Rn. 290; Menke, NZG 2004, 697, 699. 885 Bergmann/Bungert, Strategische Unternehmensführung, 2011, S. 251; aus juristischer Sicht Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 32. 886 Hierzu schon oben unter § 5 B.III. 887 Zur Konzernkontrolle insoweit oben unter § 5 B.III.3. 888 Im Ergebnis ebenso Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 66; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 61; Gebauer/ Niermann, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 36 Rn. 70; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 127; Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326; ders./Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 416 f. 889 Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 66. 883

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

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Aufsichtsrat über Tochter-Gesellschaften einholen kann. Allerdings sind diese Informationen inhaltlich nicht geeignet, um effiziente Konzern-Compliance zu ermöglichen: Die nach § 294 Abs. 3 HGB konzernrechnungslegungsbezogenen Informationen sind überwiegend vergangenheitsbezogen und werden regelmäßig nur einmal jährlich erteilt.890 Auf die Erlangung der nach § 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG verfügbaren Informationen besteht im Gegensatz zu den Informationen nach § 294 Abs. 3 HGB kein Rechtsanspruch. Außerdem sind von § 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG nur solche Informationen erfasst, die für die Information des Mutter-Aufsichtsrats relevant sind.891 Dessen Informationsbedarf ist in Hinblick auf den Zweck der Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands weniger ausgeprägt als der Informationsbedarf des Mutter-Vorstands zu Leitungszwecken.892 Über die Erlangung der nach §§ 294 Abs. 3 HGB, 90 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG verfügbaren Informationen hinaus setzt die Pflicht zur umfassenden Informationsversorgung der Konzern-Mutter über die Verhältnisse in der Tochter-Gesellschaft voraus, dass der Mutter-Vorstand die ihm zustehenden rechtlichen und faktischen Möglichkeiten in Hinblick auf die Informationsversorgung der Konzern-Mutter voll ausschöpft. Nach oben dargelegten Ausführungen darf sich der Mutter-Vorstand auf eine dezentrale Organisation der Konzern-Compliance beschränken.893 Dann muss er zur Erfüllung seiner auf Konzern-Compliance bezogenen Informationspflichten lückenlose Berichterstattungskanäle (sog. Compliance Reporting) zwischen den zuständigen ComplianceStellen der Tochter-Gesellschaften und der zuständigen Compliance-Stelle der Konzern-Mutter schaffen und aufrechterhalten.894 Nur wenn diese Informationspflichten umfassend erfüllt werden, kann der Mutter-Vorstand auf der Basis dieser Informationen die Compliance-Anstrengungen von Tochter-Gesellschaften ausreichend kontrollieren. Bei vertraglicher Konzernierung kann der Mutter-Vorstand die erforderlichen Berichtswege durch die Erteilung entsprechender Weisungen gemäß § 308 Abs. 1 AktG gegenüber dem Tochter-Vorstand rechtsverbindlich installieren und deren Handhabung vorschreiben. Im Fall faktischer Konzernierung ist der Mutter-Vorstand darauf angewiesen, dass sich der Tochter-Vorstand der faktischen Einfluss-

890

Vgl. oben unter § 4 B. I.2. So oben unter § 4 B. I.1. 892 Zu den unterschiedlichen Reichweiten von Vorstandskontrolle und Aufsichtsratsüber­ wachung im Allgemeinen siehe oben unter § 5 A.II.3. 893 Vgl. soeben unter § 6 B.III.1. 894 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 61; Gebauer/ Niermann, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 36 Rn. 70; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 127; Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326; ders./Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065. 891

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

nahme beugt und den Wünschen des Mutter-Vorstands nachkommt.895 Demnach kann der Mutter-Vorstand im faktischen Konzern nicht den Erfolg der Existenz eines Compliance-Informationssystems schulden. Er muss aber alles rechtlich und faktisch in seiner Macht Stehende versuchen, um dieses Ziel zu erreichen.896 Im Einzelfall muss er versuchen, ein widerstrebendes Tochter-Vorstandsmitglied gemäß den Voraussetzungen von § 84 Abs. 3 AktG auswechseln zu lassen.897 4. Weitere Mindeststandards der konzernweiten Compliance-Koordinierung und -Kontrolle Weitergehende allgemeine Mindeststandards der Pflicht zur Konzern-Compliance lassen sich einzelfallunabhängig aus den Vorstandspflichten zu Konzernkoordinierung und -kontrolle nicht herleiten. Wäre der Mutter-Vorstand seiner Gesellschaft gegenüber zur umfassenden Konzernleitung im Sinne der oben abgelehnten Ansicht Hommelhoffs verpflichtet, so würde diese Pflicht auch die Errichtung und Unterhaltung eines umfassenden konzernweiten Compliance-Systems bedeuten. Nach dieser Ansicht ist Inhalt der Konzernleitungspflicht, dass der Mutter-Vorstand beherrschte Gesellschaften nach den Grundsätzen von § 76 Abs. 1 AktG mit der selben Intensität leiten muss wie die eigene Gesellschaft.898 Demnach müsste er bei der Tochter-Gesellschaft – so wie jeder Vorstand in seiner Gesellschaft899 – eigene Compliance-Maßnahmen durchführen. Da sich eine umfassende Konzernleitungspflicht jedoch weder bei faktischer noch bei beherrschungsvertraglicher Konzernierung begründen lässt,900 können hieraus keine weitergehenden allgemeinen Mindeststandards konzernweiter Compliance abgeleitet werden.901 895 Zur rechtlichen Stellung der Tochter-Gesellschaft bei faktischer Einflussnahme im Fall faktischer Konzernierung allgemein unter § 4 A.III.1. 896 Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 68; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 36; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 294; Fleischer, CCZ 2008, 1, 6, der von einer Bemühenspflicht des Mutter-Vorstands zur Beschaffung aller erforderlicher Compliance-Informationen aus den Tochter-Gesellschaften spricht. 897 Näher Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 191; für den Fall einer faktisch beherrschten GmbH Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 90 Rn. 31; Götz, ZGR 1998, 524, 531 f. 898 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, passim; ähnlich schon Lutter, in: Festschrift für Westermann, 1974, 347, 357; ebenso ders., in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 293, 297; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 947; Semler, Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, 1980, S. 107 ff. 899 Zur Reichweite der Compliance-Pflichten des Vorstands der unverbundenen Aktiengesellschaft oben unter § 3 C.II. 900 Hierzu oben unter § 4 A.III. 901 I. Erg. ebenso Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c; A. A. offenbar Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 ff., 297. Dazu unter § 6 C.IV.

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

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Die unternehmerischen Entscheidungen, die die konkrete Ausgestaltung der Konzern-Compliance902 betreffen, unterliegen nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG im Allgemeinen dem Leitungsermessen des Mutter-Vorstands.903 Welche der in der Compliance-Praxis geläufigen Maßnahmen904 im Einzelfall geeignet und durchführbar sind, kann der Mutter-Vorstand nach eigenem Ermessen entscheiden. Dies gilt auch für Maßnahmen wie die oben erörterte Errichtung von Vorstands-Doppelmandaten905 (was freilich die Mitwirkung des Tochter-Aufsichtsrats voraussetzt) oder für – allerdings nur im Fall der Konzernierung durch Beherrschungsvertrag mögliche – konzerndimensionale Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Mutter-Vorstands906. Solche Maßnahmen können auch für die Konzern-Compliance hilfreich sein, sind jedoch nicht rechtlich zwingend. In die Ermessensentscheidung über die konkrete Ausgestaltung der Konzern-Compliance sind die Erwägungen einzubeziehen, die für den Vorstand einer unverbundenen Aktiengesellschaft bei der Frage der konkreten Ausgestaltung der Compliance in seiner Gesellschaft gelten.907 Darüber hinaus müssen aber auch spezielle, aus dem Umstand der Konzernierung folgende Erwägungen in die Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Ausgestaltung der Konzern-Compliance einfließen: Jedenfalls empfiehlt es sich für den Mutter-Vorstand, das Verhältnis der Größe der Tochter-Gesellschaft zur eigenen Gesellschaft zu berücksichtigen. Je nach Lage des Falls ist die Tochter-Gesellschaft entweder ein kleines Element im Konzern-Gefüge mit geringem Risiko-Potential oder sie macht in Form von Beteiligungsbesitz einen maßgeblichen Anteil des Wertes der Konzern-Mutter aus. Dass sich in letzterem Fall Compliance-Verstöße in der Tochter-Gesellschaft in der Regel stärker auf die Konzern-Mutter auswirken als in ersterem Fall, liegt auf der Hand.908 Dementsprechend empfehlen sich zum Wohl der eigenen Gesellschaft in letzterem Fall intensivere konzernweite Compliance-Maßnahmen. Namentlich dem Vorstand einer Holding-Spitze ist zu empfehlen, das Haupt-Augenmerk seiner Compliance-Aktivitäten auf die operativ tätigen Tochter-Gesellschaften zu

902

So zum Beispiel die Durchführung konzernweiter unangekündigter Stichproben-Kontrollen innerhalb der Tochter-Gesellschaft durch die Konzern-Mutter (sog. Compliance-Audit), hierzu näher Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 47 ff. 903 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 60; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292; Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121; Pietzke, CCZ 2010, 45, 52; nur für den Fall dezentraler Konzernleitung Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326; ders./Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065. 904 Vgl. z. B. die Vorschläge von Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 12 ff. oder von Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 7 ff. 905 Hierzu oben unter § 4 B. I.8.b). 906 Hierzu oben unter § 5 B.III.6.d). 907 Hierzu oben unter § 3 C.II.2.b). 908 Ähnlich Koch, WM 2009, 1013, 1014 f.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

lenken, freilich ohne die Holding selbst zu vernachlässigen. Daneben ist für die Ermessenserwägungen des Mutter-Vorstands bei der Ausgestaltung der konzernweiten Compliance bedeutend, welche spezifischen Compliance-Risiken in den einzelnen Tochter-Gesellschaften bestehen. Solche Risiken können daher herrühren, dass die Tochter-Gesellschaft auf einem besonders risikoträchtigen Geschäftsfeld tätig ist. Zu denken ist an Branchen, in denen der Markt unter wenigen Wettbewerbern aufgeteilt ist, so dass die Gefahr kartellrechtlicher Verstöße besteht.909 Oder aber eine Tochter-Gesellschaft unterhält Vertragsbeziehungen zu Partnern in solchen Ländern, die als korruptionsgefährdet gelten.910 Hier besteht ein erhöhtes Risiko von Korruptionsverstößen durch Mitarbeiter der Tochter-Gesellschaft.911 Aber auch bereits erfolgte Rechts- und Regelverstöße in Tochter-Gesellschaften lassen den Rückschluss auf ein erhöhtes Compliance-Risiko zu.912 Bei den Ermessens­ erwägungen ist weiter zu berücksichtigen, inwieweit die vom Mutter-Vorstand angestrebte Compliance-Maßnahme aus Sicht der Tochter-Gesellschaft finanziell vertretbar ist. Ähnlich wie in der unverbundenen Gesellschaft913 können auch im Konzern nur solche Compliance-Maßnahmen rechtmäßiges Resultat der Ermessensausübung sein, die zumutbar sind. Entscheidungen über die konkrete Ausgestaltung der Konzern-Compliance sind unternehmerische Entscheidungen, daher ist die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG anwendbar.914 Die Enthaftung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG von dem Nachweis des Mutter-Vorstandsmitglieds abhängig, dass sein Verhalten im Rahmen der betreffenden unternehmerischen Entscheidung die Tatbestandsvoraussetzungen der Business Judgment Rule erfüllt hat. Diesen Nachweis wird das Mutter-Vorstandsmitglied für die unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Ausgestaltung der konzernweiten Compliance nur dann führen können, wenn es die der Entscheidung zugrundeliegenden Informationen sowie die die Entscheidung tragenden Ermessenserwägungen stets umfassend dokumentiert hat. Aus diesem Grund ist dem Mutter-Vorstand auch

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Hierzu Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. Vgl. hierzu den seit 1995 jährlich erscheidenden Corruption Perceptions Index der von dem ehemaligen Weltbank-Mitarbeiter Peter Eigen gegründeten nichtstaatlichen Organisation transparency international, abrufbar unter http://www.transparency.org/publications/publications (letzter Abruf 31.7.2012). 911 Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. 912 So für die unverbundene Aktiengesellschaft Fleischer, AG 2003, 291, 299 f.; hierzu näher unter § 6  C. I. 913 Hierzu Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 45; ders., AG 2003, 291, 300; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, 161, 172; ders., ZWeR 2004, 75, 95 aus kartellrechtlichem Blickwinkel. 914 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 109 Rn. 99; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 45; ders., AG 2003, 291, 300; Kort, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 91 Rn. 65 ff.; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 82; Bürkle, BB 2005, 565, 569 f.; ­Dreher, ZWeR 2004, 75, 93. 910

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

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bei Ermessensentscheidungen hinsichtlich der Ausgestaltung der konzernweiten Compliance eine umfassende Dokumentation im eigenen Interesse anzuraten.915 5. Auswirkungen von § 91 Abs. 2 AktG und des BilMoG Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 AktG und die im Zuge des BilMoG erfolgten Änderung von aktien- und handelsrechtlichen Vorschriften bewirken keine einzelfallunabhängigen konzernbezogenen Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands, die über die soeben vorgestellten Mindeststandards konzernweiter Compliance916 hinausgehen. Schon bei der unverbundenen Aktiengesellschaft gilt, dass sich die in § 91 Abs. 2 AktG genannte Vorstandspflicht nur auf Maßnahmen zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen beschränkt.917 Bei der konzernweiten Anwendung von § 91 Abs. 2 AktG sind auch Entwicklungen in Tochter-Gesellschaften Gegenstand der Früherkennungsmaßnahmen, sofern sie sich für die Konzern-Mutter bestandsgefährdend auswirken können. Konzernbezogene Compliance-Pflichten, die über die soeben vorgestellten Mindeststandards konzernweiter Compliance hinausgehen, könnten aus § 91 Abs. 2 AktG nur dann abgeleitet werden, wenn § 91 Abs. 2 AktG den Mutter-Vorstand zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems verpflichten würde. In einem solchen umfassenden Risikomanagementsystem ist die Thematik Corporate Compliance enthalten, da Compliance-Risiken – nämlich Risiken unternehmensinterner Gesetzes- oder Regelverstöße – auch Gegenstand eines solchen umfassenden betriebswirtschaftlichen Risikomanagementsystems sind.918 Ein den gesamten Konzern umspannendes umfassendes Risikomanagementsystem ist indes – wie bereits mehrfach erörtert – nicht geschuldet.919 Auch die Änderungen von aktien- und handelsrechtlichen Vorschriften im Zuge des BilMoG, welches der Umsetzung der Abschlussprüferrichtlinie920 und der Ab 915 Hölters, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, 2011, § 93 Rn. 108; Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 34; Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 397 f.; Hauschka, AG 2004, 461, 464 ff.; Kiethe, GmbHR 2007, 393, 399 f.; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 448; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. 916 Hierzu soeben unter § 6 B.III.1–4. 917 Hierzu näher unter § 2 E. I. 918 Im Ergebnis ebenso Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 120; a. A. Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 ff.; zu dem Zusammenhang zwischen Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG einerseits und Compliance andererseits auf der Ebene der unverbundenen Aktiengesellschaft schon oben unter § 2 E. I.5. 919 So oben unter § 5 B.III.5. und § 5 B.III.7.b). 920 Rl. 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157 S. 87 ff.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

änderungsrichtlinie921 dient, haben nicht zur Folge, dass § 91 Abs. 2 AktG im Wege richtlinienkonformer Auslegung eine Pflicht zur Implementierung eines umfassenden konzernweiten Risikomanagementsystems zu entnehmen ist. Richtig ist, dass beide Richtlinien von „Unternehmen“ als Pflichtadressaten sprechen, worunter manche über die beteiligten Gesellschaften hinaus Konzerne als solche verstehen.922 Allerdings stellt sich die Frage, ob die rechtliche Zusammenfassung der wirtschaftlichen Einheit Konzern mit dem im deutschen Aktienkonzernrecht angesiedelten Trennungsprinzip vereinbar ist.923 Zudem wurde bei der unverbundenen Aktiengesellschaft erörtert, dass die mit dem BilMoG umgesetzten Richtlinien keine Vorgaben zur Errichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems enthalten.924 Dies gilt auch auf der Konzernebene. 6. Verhältnis der Konzern-Compliance zur internen Konzernrevision, Konzerncontrolling und Konzernrisikomanagement Bei der unverbundenen Aktiengesellschaft zeigte sich, dass sich die Compliance trotz Überschneidungen von der internen Revision, dem Controlling und dem Risikomanagement unterscheidet.925 Auch die Konzern-Compliance unterscheidet sich trotz Überschneidungen von der internen Konzern-Revision, dem Konzerncontrolling und dem Konzernrisikomanagement, da die Auswirkungen einer Konzernierung auf die genannten Instrumente ähnlich sind. Konzern-Compliance steht damit neben interner Konzernrevision, Konzerncontrolling und Konzernrisikomanagement. In organisatorischer Hinsicht stellt sich die Frage, wie sich die Konzern-Compliance in das Gefüge der anderen ebenfalls konzerndimensional zwingenden Instrumente einfügen lässt. Die für die unverbundene Aktiengesellschaft hierzu geführte Diskussion926 ist entsprechend anwendbar. Eine Möglichkeit der organisatorischen Ausgestaltung des Verhältnisses der Konzern-Compliance zu den konzernbezogenen Instrumenten der internen Konzern-Revision, des Konzerncontrolling und des Konzernrisikomanagement besteht 921

Rl. 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG, ABl. EU Nr. L 224 S. 1 ff. 922 So Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 297; ähnlich Lanfermann/Röhricht, BB 2009, 887, 889; Lutter, DB 2009, 775, 776. 923 Hierzu noch unter § 6 C. I. 924 So unter § 2 E. I.4. 925 Hierzu oben unter § 2 E. 926 Hierzu Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 50 ff.; aus kapitalmarktrechtlicher Sicht Gebauer, in: DIRK e. V. (Hrsg.), Handbuch Investor Relations, 2004, S. 505, 511; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, 2003, S.  300 f.; Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 174 f.; Kort, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 407, 414 f.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 126; aus kapitalmarktrechtlicher Sicht Spindler, WM 2008, 905, 912.

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

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darin, die Konzern-Compliance isoliert und ohne Berührungspunkte mit den genannten Instrumenten zu betreiben. Eine Rechtspflicht zur organisatorischen Anbindung der Konzern-Compliance an eines der anderen Instrumente der Unternehmensleitung in der Konzern-Mutter besteht – jedenfalls im nicht sondergesetzlich regulierten Aktienkonzern927 – nicht.928 Die Konzern-Compliance isoliert und ohne Berührungspunkte mit den genannten Instrumenten zu betreiben hat den Vorteil, dass Interessenkonflikte zwischen der Konzern-Compliance, der internen Konzern-Revision, dem Konzerncontrolling und dem Konzernrisikomanagement ausgeschlossen sind. Als Nachteil sind hiermit allerdings gegebenenfalls höhere Kosten verbunden als im Fall einer Anbindung der Konzern-Compliance an die interne Konzern-Revision, das Konzerncontrolling oder das Konzernrisikomanagement. Eine andere Möglichkeit der organisatorischen Ausgestaltung des Verhältnisses der Konzern-Compliance zu den konzernbezogenen Instrumenten der internen Konzern-Revision, des Konzerncontrolling und des Konzernrisikomanagement besteht darin, dass die Konzern-Compliance organisatorisch an die interne Konzern-Revision, das Konzerncontrolling oder das Konzernrisikomanagement angebunden wird. Hierunter fällt zum einen die Möglichkeit, dass das jeweilige Instrument, an welches die Konzern-Compliance angebunden ist, die Aufgaben der Konzern-Compliance miterfüllt, ohne dass für die Konzern-Compliance eine gesonderte Abteilung errichtet wird. Zum anderen lässt sich die Konzern-Compliance an eines der anderen Instrumente anbinden, indem der Mutter-Vorstand zwar eine eigenen Konzern-Compliance-Abteilung errichtet, dieser aber – zum Beispiel für Kontrollmaßnahmen im Konzern – den Zugriff auf solche Informationen ermöglicht, die dem anderen Instrument zur Verfügung stehen. Bei der organisatorischen Anbindung der Konzern-Compliance an die interne Konzern-Revision, das Konzerncontrolling oder das Konzernrisikomanagement ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Kontrolle der Rechts- und Regeltreue des Verhaltens der Mitarbeiter der Konzern-Mutter, die mit Aufgaben der internen Konzern-Revision, des Konzerncontrolling oder des Konzernrisikomanagement betraut sind, Gegenstand der Konzern-Compliance ist.929 Wenn eine enge Anbindung der Konzern-Compliance an ein anderes Instrument vorliegt oder gar Personenidentität der jeweils Verantwortlichen besteht, müssen Vorkehrungen – zum Beispiel in Form von aus dem Kapitalmarktrecht bekannten Chinese

927

Anders ist dies im Banken-Konzern zu beurteilen: Nach Spindler, WM 2008, 905, 912, sind die Funktionen Risikomanagement, Compliance und interne Revision voneinander getrennt zu errichten. 928 So für die unverbundene Aktiengesellschaft Kort, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 407, 414. 929 So in Hinblick auf das Verhältnis von Compliance und Risikomanagement Dreher, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 161, 174 f. Im Kapitalmarktrecht ist zudem umgekehrt die Arbeit der Compliance-Abteilung Prüfungsgegenstand der internen Revision, vgl. Spindler, WM 2008, 905, 912.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

Walls930 – getroffen werden, um Interessenkonflikten vorzubeugen.931 Dennoch ist eine enge Anbindung der Konzern-Compliance an die interne Konzernrevision, das Konzerncontrolling, das Konzernrisikomanagement und die Rechtsabteilung im Wege eines gegenseitigen Informationsaustausches aus zwei Gründen sinnvoll: Zum einen lassen sich auf diesem Weg Lücken und redundante Aktivitäten feststellen und beseitigen, die ohne eine Abstimmung zwischen den einzelnen Instrumente bestehen können.932 Solche Lücken und redundante Aktivitäten werden minimiert, wenn unter den einzelnen Instrumenten die Zuständigkeitsbereiche im Einzelfall offen kommuniziert und klar abgegrenzt werden.933 Auch können durch eine enge Anbindung der Konzern-Compliance an die interne Konzernrevision, das Konzerncontrolling, das Konzernrisikomanagement oder die Rechtsabteilung – abhängig vom Einzelfall – kostensenkende Synergie-Effekte erzielt werden. In der Praxis verbreitet ist beispielsweise die Anbindung der Compliance an die Rechtsabteilung934 oder die interne Revision. Im Fall der Anbindung an die Rechtsabteilung kann es sich als Vorteil erweisen, dass die Zielsetzung der Rechtsabteilung – die Einhaltung geltenden Rechts – derjenigen von Compliance weitgehend ähnelt.935 Insofern ist ähnliches Know-how gefragt, was die effiziente Erfüllung beider Aufgaben unter gleichzeitig geringerem Personalaufwand bedeuten kann. Wie Compliance nutzt auch das Instrument der internen Revision stichprobenartige Kontrollen im Unternehmen zur Gewinnung relevanter Daten.936 Im Fall zentraler, konzernweiter Aktivitäten von Konzern-Compliance und interner Konzernrevision setzt dies bei faktischer Konzernierung voraus, dass die Tochter-Gesellschaft die Prüfungshandlungen durch Mitarbeiter der Konzern-Mutter in der eigenen Gesellschaft duldet; verpflichtet ist sie hierzu nicht.937 Beugt sich die Tochter-Gesellschaft dem faktischen Einfluss der Konzern-Mutter zur Durchführung von Prüfungshandlungen in der Tochter-Gesellschaft durch Mitarbeiter der Konzern-Mutter, können diese Stichproben so durchgeführt werden, dass die erzielten Prüfungsergebnisse für die Konzern-Compliance und zugleich für die interne Konzern-Revision, freilich mit jeweils unterschiedlicher Zielsetzung, ver-

930

Hierzu z. B. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, Bd. 2, § 109 Rn. 136 f. 931 Für die unverbundene Aktiengesellschaft Kort, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 407, 414 f. 932 Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 50. 933 Hierfür eignet sich die Einsetzung oben beschriebener Compliance-Committees, dazu näher Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 125; Pietzke, CCZ 2010, 45, 51. 934 Hierzu Früh, CCZ 2010, 121, 125 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 416. 935 Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 126. 936 Zum Gegenstand der internen Revision oben unter § 2 E.III.1.; zu stichprobenartigen Kontrollen (sog. Compliance-Audit) als Compliance-Maßnahmen vgl. unter § 3 D. I.2. 937 Diesbezüglich zur internen Konzernrevision unter § 5 B.III.7.c)bb), zur Konzern-Com­ pliance insoweit unter § 6 B.III.2.

B. Pflicht des Mutter-Vorstands zur konzernweiten Compliance

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wertbar sind.938 Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Verhältnisses von Konzern-Compliance zu interner Konzernrevision, Konzerncontrolling, Konzernrisikomanagement und Rechtsabteilung ist von grundlegender Bedeutung, dass zwischen den einzelnen Instrumenten in den Grenzen des rechtlich Zulässigen ein schneller und intensiver Austausch der jeweils erlangten konzernbezogenen Informationen stattfindet.939 So können konzerninterne Planabweichungen und Mißstände schnell und effizient durch das zuständige Instrument behoben werden.

IV. Konzernweite Compliance-Pflichten bzgl. Führungsposten-Besetzung Die Erfüllung der Vorstandspflicht zur Konzern-Compliance erfordert es aus Sicht des Mutter-Vorstands auch, Führungsposten-Entscheidungen in Bezug auf konzernierte Tochter-Gesellschaften zu treffen. Hierunter fällt jedoch nicht die organisatorische Frage, wie die konzernweite Compliance im Sinne der Klärung von Zuständigkeiten ausgestaltet werden soll.940 Vielmehr geht es darum, Führungs­ positionen innerhalb von Tochter-Gesellschaften zum Nutzen der Konzern-Mutter gegebenenfalls neu zu besetzen. Gerade wenn ein faktischer Konzern angestrebt ist, müssen die Führungspositionen in der Tochter-Gesellschaft mit dem MutterVorstand gegenüber loyalen Personen besetzt werden, da hierin ein wesentlicher Faktor für den Erfolg faktischer Einflussnahme liegt.941 Auf diesem Weg kann der Mutter-Vorstand den konzernweiten Compliance-Informationsfluss942 als Grundlage der Konzern-Compliance sicherstellen. Auch kann er durch faktische Einflussnahme seine organisatorischen Vorstellungen verwirklichen, so zum Beispiel ein konzernweit einheitliches Compliance-System errichten.943 Die konkrete Entscheidung, ob die Neubesetzung einer Führungsposition innerhalb der TochterGesellschaft veranlasst ist und, mit welcher Person diese Position zu besetzen ist, liegt im Regelfall im Leitungsermessen des Mutter-Vorstands.944

938 Kannski, CCO und Leiter Revision der Jungheinrich AG hält in der Online-Zeitschrift Compliance 2008, Ausgabe September, S. 3 (abrufbar unter www.compliance-plattform.de/ archiv2008 – letzter Abruf 31.7.2012) die Anbindung der Compliance an die interne Revision unter anderem deswegen für vorteilhaft, da Mitarbeiter auf diesem Weg nicht unterscheiden könnten, ob die jeweilige Prüfungshandlung der Compliance oder der internen Revision zuzuordnen sei. A. A. Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 55, der zur Begründung anführt, die Compliance selbst sei Prüfungsgegenstand der internen Revision. Dem könnte allerdings auch durch die Errichtung oben genannter Chinese Walls begegnet werden. 939 So für das Verhältnis von Compliance und Rechtsabteilung Früh, CCZ 2010, 121, 126. 940 Dazu bereits oben unter § 6 B.III.2. 941 Hierzu oben unter § 5 B.IV. 942 Vgl. soeben unter § 6 B.III.3. 943 Zu dieser Möglichkeit oben unter § 6 B.III.1. 944 Vgl. oben unter § 5 B.IV.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

Allerdings hat der Mutter-Vorstand keine Möglichkeit der rechtlichen Durchsetzung einer bestimmten Personalentscheidung innerhalb der Tochter-Gesellschaft, denn im Fall einer beherrschten Aktiengesellschaft ist allein deren Aufsichtsrat für die (Neu-)Besetzung des Tochter-Vorstands zuständig. Ein Weisungsrecht des Mutter-Vorstands gegenüber dem Tochter-Aufsichtsrat existiert – unabhängig von der Art der Konzernierung – nicht.945 Daher kann der Mutter-Vorstand nur dazu verpflichtet sein, unter Ausübung des ihm zustehenden Leitungsermessens eine sachgerechte Führungskräfte-Politik auch in Bezug auf Tochter-Gesellschaften zu betreiben. Er muss die Führungskräfte-Situation in der Tochter-Gesellschaft unter Berücksichtigung von Compliance-Gesichtspunkten im Auge haben.946

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall Über die unter § 6 B. destillierten einzelfallunabhängigen allgemeinen Mindeststandards der konzernweiten Compliance-Pflicht hinaus ist denkbar, dass der Mutter-Vorstand abhängig von Einzelfall Adressat weitergehender konzernweiter Compliance-Pflichten ist.947 Von haftungsrechtlicher Bedeutung für den Mutter-Vorstand ist vor allem die Frage, ob und wann er über die Kontrolle der Compliance-Anstrengungen der Tochter-Gesellschaft hinaus948 seiner Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist, selbst Compliance-Maßnahmen in Tochter-Gesellschaften vorzunehmen.949 945

So schon oben unter § 5 B.IV. Zu der Frage, ob abhängig von Umständen des Einzelfalls weitergehende Pflichten des Mutter-Vorstand bestehen, siehe sogleich unter § 6 C.II. 947 Hierzu Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 64 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 59 ff.; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 27; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 91 Rn. 38; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 4. Aufl. 2010, Rn. 616; Fett/Gebauer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 375, 377 f.; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175 ff.; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 306 f.; Immenga, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 199, 204 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 996 f.; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289 ff.; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 724 f.; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1103, 1106; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 93 ff.; Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; zur Kartellrechts-Compliance im Konzern Dreher, ZweR 2004, 75, 101 ff.; Fleischer, DB 2005, 759, 764; ders., CCZ 2008, 1, 3 ff.; Koch, WM 2009, 1013 ff.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 122; Pietzke, CCZ 2010, 45, 51 f.; Uwe H. Schneider, ZGR 1996, 225, 242 ff.; ders./Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061 ff.; ders., NZG 2009, 1321 ff.; Spindler, WM 2008, 905, 915 ff.; Veil, WM 2008, 1093, 1096; Verse, ZHR 175 (2011), 401 ff. 948 Dazu bereits unter § 6 B.III.2. 949 So Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f.; ähnlich Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326, der im Fall zentraler Konzernleitung dem Mutter-Vorstand die Pflichten zu Information, Kontrolle und Sanktion in Tochter-Gesellschaften auferlegt. 946

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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Das könnte sich im Einzelfall zu einer Pflicht zur Implementierung eines konzernweit umfassenden Compliance-Systems verdichten.950

I. Weitergehende Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands bei Compliance-Verstößen in der Tochter-Gesellschaft Häufig werden konzernweite Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands, deren Anforderungen über die unter § 6 B. erörterten Mindeststandards konzernweiter Compliance hinausgehen, erwogen, wenn in Tochter-Gesellschaften schwere Compliance-Verstöße bereits eingetreten sind oder die ernst zu nehmende Gefahr solcher Verstöße besteht.951 Allerdings bleibt offen, welche konkreten Maßnahmen der Mutter-Vorstand in einer derartigen Situation bezüglich gefährdeter TochterGesellschaften ergreifen muss, um im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft haftungsfrei zu bleiben. Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider fordern, der Mutter-Vorstand müsse bei Compliance-Verstößen in der Tochter-Gesellschaft eingreifen und vorhandene Rechts- oder Regelverletzungen in Tochter-Gesellschaften beenden.952 Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht jeder Compliance-Verstoß in einer Tochter-Gesellschaft Handlungspflichten des Mutter-Vorstands auslöst: Die Rechtfertigung von Pflichten des Mutter-Vorstands zum konzernweiten Tätigwerden liegt – spezialgesetzliche Sonderregelungen953 ausgenommen – allein darin, Schäden von der Konzern-Mutter abzuwenden, die ihre Ursache im Umfeld der Tochter-Gesellschaft

950 Vgl. z. B. die Vorschläge der inhaltlichen Ausgestaltung umfassender Compliance-Programme von Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 12 ff. oder von Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Com­ pliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 7 ff. 951 Wohl in diese Richtung Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 64 f.; Fleischer, DB 2005, 759, 764; Koch, WM 2009, 1013, 1014; Kremer/ Klahold, ZGR 2010, 113, 121; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065; die nationale wie auch die europäische Bußgeldpraxis ahndet gegenüber der Konzern-Mutter Rechtsverstöße, die innerhalb von Tochter-Gesellschaften begangen wurden. Vgl. hierzu auf nationaler Ebene z. B. die Verfahren gegen die Siemens-AG (vgl. hierzu http://www.siemens.com/ press/pool/de/events/2008-12-PK/MucStaats.pdf – letzter Abruf 31.7.2012) und die Etex Holding GmbH (vgl. hierzu www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Kartell/Kartell09/ Fallberichte/B1-200-06-Fallbeschreibung.pdf?navid=38 – letzter Abruf 31.7.2012) oder auf europäischer Ebene EuGH Urteil vom 10.9.2009 – C-97/8 P – EuZW 2009, 816 ff. Die hier zugrundeliegenden Organisationspflichten verpflichten die Konzern-Mutter jedoch zunächst nur im Außenverhältnis gegenüber der Allgemeinheit, eignen sich also nicht ohne weiteres für die Begründung von Compliance-Pflichten im Innenverhältnis der Konzern-Mutter. Näher hierzu unter § 6 C.IV.1. 952 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065. 953 So z. B. § 25a Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 1a S. 1 KWG, der die Konzern-Mutter auch hinsichtlich der Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen in nachgeordneten Rechtsträgern in die Verantwortung nimmt.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

haben.954 Dementsprechend müssen Compliance-Verstöße in Tochter-Gesellschaften für die Konzern-Mutter ein Schädigungspotential aufweisen. Einfache Compliance-Verstöße in der Tochter-Gesellschaft ohne ein solches Schädigungspotential lösen keine Handlungspflichten des Mutter-Vorstands aus.955 Vielmehr bleibt in einer Tochter-Gesellschaft trotz Konzernierung deren Vorstand Adressat der aus § 76 Abs. 1 AktG folgenden Legalitätspflicht956, schuldet also neben der Rechtmäßigkeit des eigenen Verhaltens auch die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verhaltens nachgeordneter Mitarbeiter.957 Den Mutter-Vorstand auch außerhalb von spezialgesetzlich geregelten Bereichen als Adressat einer konzernweiten Legalitätspflicht anzusehen, würde die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzern-Gesellschaften mißachten. Eine solche Behandlung des Konzerns als rechtliche Einheit widerspräche dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip.958 Daher darf der Mutter-Vorstand – bezogen auf seine Compliance-Anstrengungen in TochterGesellschaften – im Fall von Rechts- oder Regelverstößen in Tochter-Gesellschaften ohne Schädigungspotential für die Konzern-Mutter nach eigenem Ermessen entscheiden, ob er solchen Verstößen mit einer umfassenden Compliance-Organisation begegnet oder ob er andere, weniger aufwendige Maßnahmen ergreift. Übersteigt der finanzielle Aufwand solcher Maßnahmen aus Sicht der KonzernMutter deren finanziellen Nutzen, so ist es wirtschaftlicher, intensivere Compliance-Maßnahmen in der Tochter-Gesellschaft zu unterlassen.959 Neben den Auswirkungen von Compliance-Verstößen bei Tochter-Gesellschaften auf die Konzern-Mutter muss bei der Frage nach der Qualität der Reaktion des Mutter-Vorstands auf diese Verstöße dessen Leitungsermessen angemessen berücksichtigt werden. Ob er sich im Rahmen des rechtlich und faktisch Mög 954 Vgl. die Begründung der allgemeinen Vorstandspflicht zur Konzernkontrolle im faktischen Konzern unter § 5 B.III.3. sowie im Vertragskonzern unter § 5 B.III.4. 955 A. A. Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 65, der die Veräußerung der Beteiligung als ultima ratio ansieht, wenn auf keinem anderen Weg in der betreffenden Tochter Rechtskonformität herstellbar ist. Bürkle beruft sich hierbei allerdings ohne Einschränkungen auf Fett/Gebauer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 375, 385, die diese These zurecht nur für den regulierten Bereich auf der Basis von § 25a Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 1a S. 1 KWG (vgl. Fn. 976) aufstellen. 956 Hierzu oben unter § 2 A. 957 So Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9a; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1181 f.; Goette, ZHR 175 (2011), 387, 393; aus kartellrechtlicher Sicht Karst, WuW 2012, 150, 152; Koch, WM 2009, 1013, 1014 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 411 ff.; a. A. Hopt, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 98; Winter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 1104, 1106; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2063 f. 958 Vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.4.2010 – 2 Ws 147/8 – NZG 2010, 786, 789; statt vieler Heider, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 1 Rn. 46; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 1 Rn. 4; im Ergebnis ebenso Bicker, AG 2012, 542, 550; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 412; zu möglichen Ausnahmen hiervon durch Einflüsse aus dem Außenverhältnis siehe unten § 6 C.IV.; a. A. wohl Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 291 f.; ebenso Grundmeier, Compliance, 2011, S. 117 f. 959 Im Ergebnis ebenso Müller, Kartellrechtscompliance, 2012, S. 116 f.; Koch, WM 2009, 1013, 1014 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 412 f.

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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lichen auf die Beseitigung dieser Verstöße beschränkt, ob er diese zum Anlass nimmt, ein umfassendes konzernweites Compliance-Programm zu errichten, oder ob er sich gar zur Veräußerung der betreffenden Beteiligung entschließt, kann er nach Maßgabe von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG selbst entscheiden.960 Allerdings ist ein Verstoß gegen § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nach Ansicht von Kremer/Klahold naheliegend, wenn sich der Vorstand eines größeren börsennotierten Unternehmens trotz bekannter Compliance-Risiken gegen die Implementierung eines ComplianceProgramms entscheidet.961 Im Extremfall ist auch auf Konzernebene bei Compliance-Verstößen in Tochter-Gesellschaften eine Ermessensreduzierung in Hinblick auf die Errichtung eines umfassenden konzernweiten Compliance-Systems denkbar.962 Eine weitere Grenze der an den Mutter-Vorstand gerichteten konzernweiten Compliance-Anforderungen liegt im Fall faktischer Konzernierung darin, dass die Tochter-Gesellschaft Compliance-Maßnahmen des Mutter-Vorstands dulden kann, aber nicht muss. Dem Mutter-Vorstand steht keine Möglichkeit der rechtlichen Durchsetzung konzernweiter Compliance-Maßnahmen zu. Wie bei der Pflicht zur Konzernkontrolle bei faktischer Konzernierung963 kann der Mutter-Vorstand im Fall faktischer Konzernierung nur dazu verpflichtet sein, sich um die Beseitigung von Rechts- oder Regelverstößen in Tochter-Gesellschaften mit Schädigungs­ potential für die Konzern-Mutter ernsthaft zu bemühen.

II. Pflicht zum Hinwirken auf die Implementierung einer Compliance-Organisation durch die Tochter-Gesellschaft Fraglich ist weiter, wie der Mutter-Vorstand reagieren muss, wenn er feststellt, dass die Tochter-Gesellschaft ihren gesellschaftsinternen Compliance-Pflichten gar nicht oder nur unzureichend nachkommt. Die Pflicht zur internen Ausgestaltung der Tochter-Compliance obliegt sowohl bei beherrschungsvertraglicher als auch bei faktischer Konzernierung grundsätzlich dem Tochter-Vorstand,964 es sei denn, der Mutter-Vorstand hat im Vertrags 960 A. A. offenbar Hauschka/Greeve, in BB 2007, 165, 172, die davon ausgehen, bei bereits erfolgten Korruptionsfällen in Konzernen müssten Mitarbeiter-Information, Schulungen und Fortbildungen zentral erfolgen. 961 Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. 962 Zur Ermessensreduzierung auf der Ebene der unverbundenen Gesellschaft oben unter § 3 C.II.2.c). Andeutungsweise in diese Richtung auch auf Konzernebene Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 65; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. Zur Ermessensreduzierung bei Organisationspflichten im Außenverhältnis siehe unter § 6  C.IV.1.c)cc). 963 Hierzu oben unter § 5 B.III.3. 964 Insoweit gilt derselbe Maßstab wie für die unverbundene Aktiengesellschaft, dazu oben unter § 3 C.II.2.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

konzern bereits Weisungen in Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Compliance in der Tochter-Gesellschaft erteilt. Das soeben erörterte Fehlen einer konzernweiten Legalitätspflicht965 bewirkt, dass der Tochter-Vorstand mit dem Unterlassen gebotener Compliance-Maßnahmen zwar gegen die ihm obliegende Legalitätspflicht verstößt. Jedoch berührt dieser Rechtsverstoß in der Tochter-Gesellschaft die Pflichtenlage des Mutter-Vorstands nicht.966 Nach dem oben Ausgeführten wird der Verstoß der Tochter-Gesellschaft gegen die Pflicht zur Errichtung einer effizienten Compliance-Organisation für die Pflichtenlage des Mutter-Vorstands nur dann relevant, wenn sich das Fehlen oder die Ineffizienz der Tochter-Compliance für die Konzern-Mutter in Hinblick auf deren Bestand und dauerhafte Rentabilität nachteilig auswirken kann.967 Ob und unter welchen Umständen unzureichende Compliance-Vorkehrungen in einer Tochter-Gesellschaft solche gravierenden Auswirkungen für die KonzernMutter haben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Namentlich Faktoren wie die in der Tochter-Gesellschaft verfolgten Tätigkeiten – so zum Beispiel deren Handelsbeziehungen zu Unternehmen in korruptionsgefährdeten Staaten – oder die finanzielle Bedeutung der Beteiligung für die Konzern-Mutter sollten vom Mutter-Vorstand berücksichtigt werden. Außerdem gilt auch hierfür, dass der Mutter-Vorstand trotz der Pflicht, gegenüber der Tochter-Gesellschaft tätig zu werden, nach eigenem Ermessen auswählt, in welcher Weise er konkret auf die TochterGesellschaft Einfluss nimmt.968 Bei faktischer Konzernierung können auch im Fall unzureichender oder fehlender Compliance-Anstrengungen in der Tochter-Gesellschaft die Pflichten des Mutter-Vorstands nicht weiter reichen als seine faktischen Einflussmöglichkeiten.969 Wenn nach den Umständen des Einzelfalls aus Sicht des Mutter-Vorstands die Errichtung eines Compliance-Systems bei der Tochter-Gesellschaft notwendig ist, kann man ihn dennoch nur als verpflichtet ansehen, alle in seiner Macht stehenden zulässigen Möglichkeiten faktischer Einflussnahme auszunutzen. Weiter bestehen die Möglichkeiten der Auswechslung eines widerstrebenden Vorstandsmitglieds nach § 84 Abs. 3 AktG durch den Tochter-Aufsichts 965

Hierzu soeben unter § 6 C. I. Einzig wenn der Mutter-Vorstand die Tochter-Gesellschaft bei vertraglicher Konzernierung durch Weisungen dazu bringt, nicht ausreichende Compliance-Anstrengungen vorzunehmen und infolgedessen Vermögensschäden in der Tochter-Gesellschaft eintreten, könnte diese Frage anders zu beurteilen sein. Zu der insoweit vertretenen Pflicht der Rückgängigmachung rechtswidriger Weisungen im Wege der Naturalrestitution nach §§ 309 Abs. 2 S. 1 AktG, 249 Abs. 1 BGB Emmerich, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 309 Rn. 35; ähnlich Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 309 Rn. 10; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, Band 6, § 309 Rn. 3; Seibt, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 16; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 51; Emmerich, in: Gedächtnisschrift für Sonnenschein, 2003, 651, 653 f. 967 Ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 80; so zuletzt unter § 6 C. I. 968 So zuletzt unter § 6 C. I. 969 So auch Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c. 966

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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rat oder des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags nach §§ 293 ff. AktG.970 Als letzter Ausweg kann es zum Schutz der eigenen Gesellschaft unausweichlich sein, die Anteile an der Tochter-Gesellschaft zu veräußern.971

III. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten je nach Ausmaß einheitlicher Leitung oder Bedeutung der Konzernierung Einige Stimmen in der Literatur fordern in Abhängigkeit von dem Ausmaß der einheitlichen Leitung oder von der Bedeutung der Konzernierung über die oben aufgezeigten Mindeststandards hinausgehende konzernweite Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands.972 So erachten manche die Intensität der konzernweiten Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands als vom Ausmaß der ausgeübten einheitlichen Leitung abhängig: Greife der Mutter-Vorstand tief in das Tagesgeschäft der Tochter-Gesellschaft ein, müsse er auch entsprechend weitgehend für Compliance in der Tochter-Gesellschaft sorgen.973 Dieser Schluss ist nicht zwingend, denn für die Erfüllung der Legalitätspflicht innerhalb der Tochter-Gesellschaft ist unabhängig von der Intensität der ausgeübten Leitungsmacht der Tochter-Vorstand verantwortlich. Führen Compliance-Verstöße oder -Risiken innerhalb der Tochter-Gesellschaft zu einem Schädigungspotential für die Konzern-Mutter, muss der Mutter-Vorstand dem – unabhängig von der Intensität der ausgeübten Leitungsmacht – durch geeignete konzernweite Compliance-Maßnahmen begegnen.974 Betrachtet man den umgekehrten Fall eines geringen Ausmaßes der Ausübung einheitlicher Leitung – so zum Beispiel bei dezentralen Konzernstrukturen975 – wird ebenfalls deutlich, dass kein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der ausgeübten einheitlichen Leitung und den konzernbezogenen Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands existiert: Wäre die Intensität der konzernweiten Compliance-Pflichten des Mutter-Vor 970

Vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-KonzernR, 6. Aufl. 2010, § 311 Rn. 10; Hüffer, in: Festschrift für Schwark, 2009, S. 185, 191; Singhof, ZGR 2001, 146, 158. 971 Seit BGH, Beschluss vom 20.11.2006 – II ZR 226/5 – NZG 2007, 234 ist höchstrichterlich geklärt, dass bei der Veräußerung einer Beteiligung unabhängig von deren finanziellem Gewicht für die Konzern-Mutter keine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz nach Holzmüller-Grundsätzen besteht. 972 Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1183 ff.; Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 65, 95; Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 ff.; Koch, WM 2009, 1013, 1014; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 120 f.; Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326. 973 Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1186 f.; unter Heranziehung von Organisationspflichten im Außenverhältnis Koch, WM 2009, 1013, 1019; Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321, 1326. 974 So schon oben unter § 6 C. I.; ebenso Verse, ZHR 175 (2011), 401, 413. 975 Hierzu schon oben unter § 5.B.II.1.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

stands vom Ausmaß der ausgeübten einheitlichen Leitung abhängig, würde das bei dezentralen Konzernstrukturen bedeuten, dass dort weniger weit reichende konzernweite Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands bestünden. Lässt der Mutter-Vorstand die Tochter-Gesellschaft – wie zum Beispiel bei dezentralen Konzernstrukturen – weitgehend unbeeinflusst und ohne Ausübung einheitlicher Leitung wirtschaften, muss er die Compliance-Situation in der Tochter-Gesellschaft dennoch engmaschig überwachen. Im Gegensatz zum Fall intensiver Ausübung einheitlicher Leitung greift der Mutter-Vorstand im Fall dezentraler Konzernstrukturen nur in geringem Ausmaß in die Leitung der Tochter-Gesellschaft ein, ohne das Verhalten der Tochter-Gesellschaft gestaltend zu beeinflussen. Dementsprechend besteht bei dezentraler Konzernierung eher die Gefahr, dass sich durch rechtsoder regelwidriges Verhalten in der Tochter-Gesellschaft Fehlentwicklungen einschleichen.976 Demgegenüber hat der Mutter-Vorstand bei zentraler Konzernierung mehr Möglichkeiten, solche Fehlentwicklungen durch die richtigen Leitungsentscheidungen in der Tochter-Gesellschaft präventiv zu unterbinden. Daher kann nicht die Rede davon sein, bei einem geringen Ausmaß der Ausübung einheitlicher Leitung seien die konzernweiten Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands weniger stark ausgeprägt als bei intensiv ausgeübter einheitlicher Leitung. Selbiges gilt nach den oben angestellten Erwägungen auch für das Feld der Konzernkontrolle: Auch das Ausmaß der Pflicht zur Konzernkontrolle ist nicht von dem Ausmaß der ausgeübten einheitlichen Leitung abhängig.977 Andere sehen die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands als von der Größe des Konzerns oder von der Bedeutung der Konzernierung für die Konzern-Mutter abhängig an.978 Hierbei wird indes nicht deutlich, unter welchen Voraussetzungen konkrete, über obige Mindeststandards hinausgehende konzernbezogene Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands existieren. Hauschka/Greeve schlagen zur Korruptionsbekämpfung – abgestuft nach Unternehmensgröße und anderen Risikofaktoren – ein Stufenmodell vor, sehen dieses aber als best practice und nicht als Rechtspflicht an. Demnach handelt es sich bei Faktoren wie Größe des Konzerns oder Bedeutung der Konzernierung um aus Sicht des Mutter-Vorstands ermessensleitende Umstände im Rahmen der an § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu orientierenden Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der konzernweiten Compliance. Bei näherer Betrachtung der Bedeutung der Konzernierung für die Konzern-Mutter ist keine klare Grenze ersichtlich, ab 976 Ähnlich Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 89 f., der für den Fall der Abhängigkeit der konzernweiten Kontrollpflichten vom Ausmaß der tatsächlich ausgeübten einheitlichen Leitung die Gefahr sieht, dass der Mutter-Vorstand seine konzernweiten Kontrollpflichten vernachlässigt. 977 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 24; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 89 ff; Götz, ZGR 1998, 524, 535; Martens, ZHR 159 (1995), 567, 569 f.; a. A. Semler, in: Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 7; Reuter, DB 1999, 2250, 2251; hierzu oben unter § 5 B.III.3. 978 Hauschka/Greeve, in BB 2007, 165 ff.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121; Koch, WM 2009, 1013, 1014 f.

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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deren Überschreitung die Errichtung eines umfassenden konzernweiten Compliance-Systems zur einzelfall-unabhängigen Pflicht des Mutter-Vorstands wird. Es empfiehlt sich indes, bei den Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, dass sich in der Praxis inzwischen jedenfalls bei größeren börsennotierten Unternehmen die Implementierung von Compliance-Programmen durchgesetzt hat.979

IV. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten durch Ausstrahlung von Konzernorganisationspflichten? Bislang wurden ausschließlich solche konzernbezogenen Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands erörtert, die ihren Ursprung im Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter haben. Jedoch ist es auch denkbar, dass die Konzern-Mutter im Außenverhältnis zu Dritten Adressat umfassender konzern­ bezogener Organisationspflichten ist. Wenn eine Rechtspflicht zur Implementierung und zum Betrieb einer konzernweit umfassenden Compliance-Organisation im Außenverhältnis bestünde, könnte sich diese Rechtspflicht auch auf das Innenverhältnis zwischen der Konzern-Mutter und deren Vorstand auswirken.980 Denn im Grundsatz ist von einem Gleichlauf der Vorstandspflichten im Außen- und Innenverhältnis auszugehen.981 1. § 130 Abs. 1 OWiG Bei der unverbundenen Gesellschaft hat sich gezeigt, dass die zu § 130 Abs. 1 OWiG vorhandene Kasuistik zwar im Außenverhältnis bestimmte Organisations­ anforderungen an den Vorstand stellt, diese Anforderungen jedoch nur einzelfallbezogen sind und in ihrer Reichweite hinter dem zurückbleiben, was unter „umfassende Compliance-Pflicht“ verstanden wird.982 Außerdem haben obige Untersuchungen zur unverbundenen Gesellschaft gezeigt, dass etwaige aus § 130 Abs. 1 OWiG folgende Organisationsanforderungen im Innenverhältnis unabhängig von den Organisationsanforderungen im Außenverhältnis bestehen.983 979

Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. So Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 ff. mit weit reichenden Anforderungen an den Inhalt der Konzern-Compliance. 981 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 34; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 24; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2006, § 93 Abs. 1 Satz 2 n. f. Rn. 22; Landwehrmann, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 93 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 77. 982 Vorschläge zur inhaltlichen Ausgestaltung umfassender Compliance-Programme bieten Kremer/Klahold, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 21 Rn. 12 ff. oder Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn.  7 ff. 983 Hierzu oben unter § 3 D. I.2. 980

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

a) Konzernübergreifende Bußgeldpraxis Die deutsche wie auch die europäische Bußgeldpraxis namentlich auf den Feldern des Kartellrechts, des Wettbewerbsrechts und der Korruptionsbekämpfung geben Anlass dazu, die Problematik der Auswirkungen von Organisationspflichten im Außenverhältnis auf das Innenverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft auch im Konzernkontext zu würdigen. Aus der Praxis lassen sich Einzelfälle anführen, in denen Bußgeldbescheide an die Konzern-Mutter ergingen, die auf Rechtsverstößen in Tochter-Gesellschaften und teilweise zugleich auf der Versäumung von konzernweiten Aufsichtsmaßnahmen der Konzern-Mutter fußen.984 Die Ahndung der Versäumnis von Aufsichtspflichten der Konzern-Mutter basiert auf der Prämisse, dass die Konzern-Mutter im Außenverhältnis Adressat konzernweiter Aufsichtspflichten sei und diese verletzt habe. Wenn die konzernweiten Aufsichtspflichten des Mutter-Vorstands nach § 130 Abs. 1 OWiG Ausschnitte einer im Außenverhältnis bestehenden umfassenden konzernbezogenen Compliance-Pflicht des Mutter-Vorstands sind, könnte man auch im Innen­ verhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter zumindest auf den Gebieten des Kartellrechts, des Wettbewerbsrechts sowie der Korruptionsbekämpfung eine umfassende konzernbezogene Compliance-Pflicht begründen, sofern der schon erwähnte Gleichlauf der Pflichten im Außen- und Innenverhältnis auch hier zwingend ist.985 Der EuGH rechtfertigt diese Bußgeldpraxis damit, dass Unternehmen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung sei, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform und weiter unabhängig davon, wie viele juristische Personen die die wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung bilden.986 Ein Bußgeld könne – so der EuGH weiter – nur gegen die juristische Person festgesetzt werden, die dem Wettbewerbsrecht zuwider gehandelt habe. Allerdings könne das Verhalten einer Tochter-Gesellschaft der Konzern-Mutter zugerechnet werden, wenn letztere bestimmenden Einfluss auf erstere ausübe.987 Im Fall einer 100-prozentigen Beteiligung an der Tochter-Gesellschaft 984

Zur gesamtschuldnerischen Außenhaftung von Mutter und Tochter nach europäischen Kartellrecht sowie insoweit geltenden Begründungsanforderungen an die Kommission jüngst EuGH, Urteile vom 29.9.2011 – C-520/9 P, C-521/9 P – abrufbar unter http://curia. europa.eu/jcms/jcms/j_6/ (letzter Abruf 31.7.2012); EuGH Urteil vom 10.9.2009 – C-97/8 P – EuZW 2009, 816 ff.; EuG, Urteil vom 3.3.2011 – T-122/7, T-123/7, T-124/7 – BeckRS 2011, 80175; hierzu Dück/Eufinger, CCZ 2012, 131, 132 ff.; Kellerbauer/Weber, EuZW 2011, 666 ff.; Kort, IIC 2012, 121 ff. Auf nationaler Ebene sind beispielhaft die oben erläuterten Verfahren gegen die Siemens-AG (vgl. hierzu http://www.siemens.com/press/pool/de/ events/2008-12-PK/MucStaats.pdf – letzter Abruf 31.7.2012) und die Etex Holding GmbH (vgl. hierzu www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Kartell/Kartell09/Fall-berichte/ B1-200-06-Fallbeschreibung.pdf?navid=38 – letzter Abruf 31.7.2012)zu nennen. 985 So im Ergebnis Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f. 986 Hierzu EuGH Urteil vom 10.9.2009 – C-97/8 P – EuZW 2009, 816, 820 f. 987 EuGH Urteil vom 10.9.2009 – C-97/8 P – EuZW 2009, 816, 821.

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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spreche eine widerlegliche Vermutung für die tatsächliche Ausübung beherrschender Einflussnahme.988 Die nationale Bußgeldpraxis geht in Hinblick auf § 130 Abs. 1 OWiG in jüngerer Zeit den Weg, dass die in § 130 Abs. 1 OWiG geregelte Aufsichtspflicht als konzernweite Kontrollpflicht der Obergesellschaft auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Handelns der Tochter-Gesellschaften zu verstehen sei.989 Auch in der Literatur wird diese Sichtweise vertreten.990 Vereinzelt geht man sogar – entsprechend der Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV seitens des EuGH – von einer Konzerndimensionalität des Unternehmensbegriffs nach § 130 Abs. 1 OWiG aus.991 Jedenfalls wird die Konzern-Mutter hiernach im Außenverhältnis für solche Verstöße in Anspruch genommen, die in der oder durch die Tochter-Gesellschaft begangen wurden. b) Rechtliche Bewertung der Bußgeldpraxis im Außenverhältnis Weder der Rechtsprechung des EuGH noch der nationalen Bußgeldpraxis lässt sich entnehmen, dass der Vorstand der Konzern-Mutter im Außenverhältnis verpflichtet wäre, unabhängig vom Einzelfall auch in Tochter-Gesellschaften ein umfassendes Compliance-System zu betreiben. Ausschlaggebend für die Haftung der Konzern-Mutter sind hiernach vielmehr konkrete Rechtsverstöße in TochterGesellschaften, die die Konzern-Mutter nicht verhindert hat. Der Bußgeld-Bescheid gegen die Siemens-AG vom 15.12.2008 stützt sich maßgeblich darauf, dass die vermehrt aufgetretenen Verdachtsfälle von Korruption eine Verbesserung der Compliance-Organisation der Siemens-AG erfordert hätten, die jedoch nicht in die Tat umgesetzt wurde. So wären eine verstärkt ressort­ übergreifende Überwachung der Compliance-Kontrolle, eine bessere personelle Ausstattung des Chief Compliance Officer und der Group Compliance Officers 988

So schon EuGH Urteil vom 16.11.2000 – C-286/98 P – BeckRS 2004, 76007, Rn. 29; jüngst hat der EuGH die Anforderungen für die Kommission an die Begründung der Nicht-Widerlegung der grundsätzlich vermuteten Einflussnahme durch die Konzern-Mutter erhöht, vgl. EuGH, Urteile vom 29.9.2011 – C-520/9 P, C-521/9 P – abrufbar unter http://curia.europa.eu/ jcms/jcms/j_6/ (letzter Abruf 31.7.2012). 989 Vgl. nur die Verfahren gegen die Siemens-AG (http://www.siemens.com/press/pool/de/ events/2008–12-PK/MucStaats.pdf – letzter Abruf 31.7.2012) oder die Etex Holding GmbH (www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Kartell/Kartell09/Fall-berichte/B1-200-06Fallbeschreibung.pdf?navid=38 – letzter Abruf 31.7.2012). 990 Z. B. nur für den Fall einer 100-prozentigen Beteiligung Tiedemann, NJW 1979, 1849, 1852 f.; für den Fall des Vorliegens eines Beherrschungsvertrags Dreher ZweR 2004, 75, 102 f.; orientiert am Maß möglicher Einflussnahme auf die Organisation der Tochter-Gesellschaft Mansdörfer/Timmerbeil, WM 2004, 362, 368; orientiert am Maß tatsächlicher Wahrnehmung von Aufsichtsmaßnahmen durch die Mutter anstelle der Tochter Wirtz, WuW 2001, 342, 348 f. 991 So Lemke/Mosbacher, OWiG, 2. Aufl. 2005, § 130 Rn. 7; hierzu auch Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1179.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

sowie ein eigenes Weisungsrecht des Chief Compliance Officers ohne Anbindung an die interne Revision nötig gewesen.992 Diese konkreten Compliance-Vorgaben folgen daraus, dass dem Mutter-Vorstand der Siemens-AG bereits mehrfach Verdachtsfälle von Korruption bekannt waren. Auch sind sie erkennbar auf die konkrete Compliance-Struktur der Siemens-AG zugeschnitten. Allgemein lässt sich hieraus ableiten, dass im Außenverhältnis wegen § 130 Abs. 1 OWiG bei konkreten Hinweisen auf Korruptionsfälle im Einzelfall konzernweite Compliance-Pflichten der Konzern-Mutter bestehen, solche Verstöße aufzudecken und abzustellen. In Hinblich auf das Außenverhältnis ist indes fraglich, ob eine Verallgemeinerung der geschilderten Bußgeldpraxis nach § 130 Abs. 1 OWiG mit ordnungswidrigkeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Regeln in Einklang steht. So wird bezweifelt, ob der staatliche Zugriff auf die Konzern-Mutter noch von dem Normzweck von § 130 Abs. 1 OWiG gedeckt ist, da diesem Normzweck schon durch die Heranziehung der primär verantwortlichen Tochter-Gesellschaft als Bußgeldschuldnerin genügt wird.993 Außerdem stellt sich im Außenverhältnis die Frage, ob die Konzern-Mutter die von der geschilderten Bußgeldpraxis aufgestellten Aufsichtsanforderungen in ihren Tochter-Gesellschaften überhaupt erfüllen kann.994 Ohne Beherrschungsvertrag und ohne hinreichende faktische Möglichkeiten der Einflussnahme ist die Konzern-Mutter nämlich rechtlich gar nicht in der Lage, die Binnenorganisation einer Tochter-Gesellschaft gegen deren Willen zu verändern.995 Diese ordnungswidrigkeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Erwägungen sprechen im Außenverhältnis dagegen, dass die geschilderte Bußgeld­ praxis verallgemeinerungsfähig ist. c) Folgen für das Innenverhältnis Letztlich können solche Erwägungen aus dem Außenverhältnis allerdings im hiesigen Kontext dahinstehen, da jedenfalls im Innenverhältnis des Mutter-Vorstands zur Konzern-Mutter – abgesehen von Einzelfällen einer Ermessensredu­ zierung996 – keine über obige Mindeststandards hinausgehenden CompliancePflichten begründbar sind:

992

So der Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I gegen die Siemens-AG, S. 4 f. sowie S. 9 f. (abrufbar unter http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2008-12-PK/ MucStaats.pdf – letzter Abruf 31.7.2012). 993 So etwa Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 127; Karbaum, Kartellrechtliche Compliance, 2010, S. 268; zurückhaltender Bunting, ZIP 2012, 1542, 1546; Koch, AG 2009, 564, 568 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 410. 994 Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 15 Rn. 127. 995 Zur Rechtslage bei faktischer Konzernierung insoweit schon oben unter § 4 A.III.1. 996 Hierzu noch unter § 6 C.IV.1.c)cc).

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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aa) Einschränkende Auslegung der Legalitätspflicht Jeder Vorstand ist im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft unabhängig von einer Konzernierung verpflichtet, bei seiner Leitungstätigkeit die Legalitätspflicht zu wahren, also geltendes Recht einzuhalten.997 Bestünde im Außenverhältnis gegenüber Dritten eine Rechtspflicht der Konzern-Mutter zur Vornahme bestimmter Compliance-Maßnahmen, so wäre die Erfüllung dieser Pflicht zur Vornahme bestimmter Compliance-Maßnahmen als geltendes Recht einzustufen. Damit wäre der Mutter-Vorstand – da er die Legalitätspflicht wahren muss – auch im Innenverhältnis zur Konzern-Mutter zur Erfüllung der Pflicht zur Vornahme bestimmter Compliance-Maßnahmen ohne Ermessensspielraum verpflichtet: Hinsichtlich der Wahrung der Legalitätspflicht hat der Vorstand nämlich keinen Ermessensspielraum, denn zur Einhaltung geltenden Rechts gibt es keine vertretbare Handlungsalternative.998 Das Fehlen eines Ermessensspielraums bei Entscheidungen, die der Wahrung der Pflicht zur Vornahme bestimmter Compliance-Maßnahmen dienen, hätte demnach für den Mutter-Vorstand zur Folge, dass ihm die Möglichkeit der Enthaftung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in einem möglichen Regress-Prozess gegenüber der Konzern-Mutter nicht zustünde.999 Bei der unverbundenen Gesellschaft tritt eine Auffassung für eine einschränkende Auslegung der aktienrechtlichen Legalitätspflicht in Hinblick auf den Pflichteninhalt von § 130 Abs. 1 OWiG ein, weil sich weder aus dem Wortlaut von § 130 Abs. 1 OWiG noch aus der Kasuistik zu § 130 Abs. 1 OWiG einzelfallunabhängig ex ante herleiten lässt, welche Aufsichtsmaßnahmen der Vorstand im Außenverhältnis schuldet.1000 Hieran ändert sich bei einer Konzernierung nichts. Vielmehr ist als weiteres Argument gegen die Erstreckung der Legalitätspflicht 997

Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 4, 29; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 47; Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 21; Habersack, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 429 ff.; Hüffer, in: Festschrift für Roth, 2011, S. 299, 301 f.; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983; Lutter, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1998, 1999, S. 87, 90; Vetter, in: Festschrift für Graf von Westphalen, 2010, S. 719, 721; Hauschka, AG 2004, 461, 465 f. 998 Begr.RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 sowie BR-Drucks. 3/5, S. 19; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 67; ders., in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 53; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 713, 726; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4f; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 12; Wilsing, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 27 Rn. 26; Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 990 f.; Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2006, 2189, 2190 f.; Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Paefgen, AG 2004, 245, 251 f.; teilweise a. A. mit unterschiedlichen Erwägungen z. B. Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345 oder Hellgardt, WM 2006, 1514, 1519. 999 Obige Erwägungen zur aktienrechtlichen Legalitätspflicht des Vorstands einer unverbundenen Aktiengesellschaft sind hier insoweit entsprechend anwendbar, vgl. unter § 3 D. I.2. 1000 So oben unter § 3 D. I.2.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

auf den konzernbezogenen Pflichteninhalt von § 130 Abs. 1 OWiG anzuführen, dass nach den oben angestellten Erwägungen umstritten ist, ob die oben erörterte konzernbezogene Bußgeldpraxis mit ordnungswidrigkeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Regeln in Einklang steht.1001 Bei einer nicht eindeutigen oder umstrittenen Rechtslage geht die herrschende Meinung von einem Ermessensspielraum des Vorstands aus, der es ihm in Bezug auf das Innenverhältnis zur Gesellschaft erlaubt, unter Abwägung von Risiken und Chancen eine für die Gesellschaft günstige Entscheidung in Bezug auf den Umgang mit der unklaren Rechtslage zu treffen.1002 Bislang ist nicht gerichtlich geklärt, inwieweit die nach der oben erörterten konzernbezogenen Bußgeldpraxis im Außenverhältnis bestehenden Aufsichtspflichten auf das Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter übertragbar sind. Auch in der Literatur wird die Frage der Auswirkungen der konzernbezogenen Compliance-Pflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG auf die Pflichtenlage des Mutter-Vorstands gegenüber der Konzern-Mutter im Innenverhältnis kontrovers diskutiert.1003 Angesichts der Rechtsunsicherheit in Hinblick auf diese Frage muss dem Mutter-Vorstand ein Ermessensspielraum eingeräumt werden, wenn es im Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter um die Befolgung von konzernbezogenen Compliance-Pflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG geht. Außerdem folgt aus dem bereits erörterten Prinzip der rechtlichen Trennung der einzelnen am Konzern beteiligten Gesellschaften,1004 dass die einzelnen konzernierten Gesellschaften – und zwar unabhängig von ihrer konzernrechtlichen Stellung – Adressaten der Legalitätspflicht bleiben. Nur unter dem Aspekt der Pflicht zur Abwehr finanzieller Schäden kann der Mutter-Vorstand seiner Gesellschaft gegenüber verpflichtet sein, für die Legalität auch in TochterGesellschaften zu sorgen. Dies setzt indes voraus, dass Legalitätsverstöße in Tochter-Gesellschaften ein entsprechendes Risiko finanzieller Schäden für die Konzern-Mutter bergen.1005 Birgt ein Legalitätsverstoß in einer Tochter-Gesellschaft kein Risiko eines finanziellen Schadens für die Konzern-Mutter, so ist die aus der oben aufgezeigten nationalen wie auch europäischen konzernbezogenen Bußgeldpraxis nach § 130 Abs. 1 OWiG womöglich ableitbare umfassende konzernbezogene Compliance-Pflicht nicht auf das Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter übertragbar. 1001

Vgl. soeben unter § 6 C.IV.1.b). Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29; Landwehrmann, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 93 Rn. 12; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, Band 2/1, § 93 Rn. 75; Fleischer, ZIP 2005, 141, 149; Zimmermann, WM 2008, 433, 435. 1003 Vgl. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1181 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 409 ff.; Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f. 1004 Hierzu OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.4.2010 – 2 Ws 147/8 – NZG 2010, 786, 789; statt vieler Heider, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 1 Rn. 46; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 1 Rn. 4; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 412; vgl. auch oben unter § 6 C. I. 1005 Hierzu oben unter § 6 C. I. 1002

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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bb) Ermessen hinsichtlich dezentraler Konzernleitung Die oben angestellten Überlegungen zur Reichweite konzernbezogener Leitungspflichten des Mutter-Vorstands zeigen, dass dem Mutter-Vorstand in Bezug auf Eingriffe in die Leitung der Tochter-Gesellschaft ein breites unternehmerisches Ermessen zusteht. Die Konzernleitungspflicht besteht darin, dass der Mutter-Vorstand Einfluss ermöglichende Beteiligungen unternehmerisch nutzen muss, im Übrigen aber nach eigenem Ermessen entscheiden darf, wie intensiv er im Rahmen geltenden Rechts in die Leitung der Tochter-Gesellschaft eingreift.1006 So darf der Mutter-Vorstand sich im Wege dezentraler Konzernleitung auf die Kontrolle der abhängigen Gesellschaft beschränken. Dezentrale Konzernleitung kann Vorteile für die Konzern-Mutter realisieren, wenn das Unternehmen der TochterGesellschaft eigenständig floriert. Eine Pflicht des Mutter-Vorstands zur Zentralisierung der Konzernleitung besteht nicht.1007 Die Herleitung umfassender konzernweiter Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands im Innenverhältnis zur Konzern-Mutter aus der oben geschilderten konzernbezogenen Bußgeldpraxis würde den Mutter-Vorstand aber zumindest auf dem Gebiet der Konzern-Compliance zur Zentralisierung des Konzerns verpflichten: Der Mutter-Vorstand erfüllt die nach der konzernbezogenen Bußgeldpraxis an den Mutter-Vorstand gerichteten konzernbezogenen Aufsichtspflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG nur dann, wenn er neben der Sicherstellung einer konzernweit einheitlichen Informationsversorgung auch eigene Konzern-Beauftragten in die Tochter-Gesellschaften schickt, damit diese Beauftragten in den Tochter-Gesellschaften die Einhaltung der konzernweiten Compliance-Vorgaben überwachen.1008 Mit anderen Worten müsste die Konzern-Mutter die mit der umfassenden Compliance-Pflicht nach § 130 Abs. 1 OWiG einhergehenden Compliance-bezogenen Überwachungsaufgaben anstelle der in der Tochter-Gesellschaft eigentlich zuständigen Stelle zentral wahrnehmen. Das steht in Widerspruch zu dem soeben genannten Grundsatz, dass der Mutter-Vorstand nicht verpflichtet ist, die Konzernleitung zu zentralisieren.1009 Bei faktischer Konzernierung sind konzernbezogene Pflichten des Mutter-Vorstands im Innenverhältnis stets durch deren faktische Durchsetzungsmöglichkeiten im Verhältnis zur Tochter-Gesellschaft begrenzt.1010 Die Reichweite konzernbezogener Leitungspflichten ist bei faktischer Konzernierung einzelfallbezogen 1006

Hierzu oben unter § 5. Hierzu oben unter § 5 B.II.1.; a. A. Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f., 297, der diese Thematik sogar zum Anlass nimmt, für die umfassende Konzernleitungspflicht Hommelhoffs (dazu oben § 4 A.II.) zu werben; ebenso Grundmeier, Compliance, 2011, S. 124. 1008 Folgerichtig Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f.; wohl ebenso Grundmeier, Compliance, 2011, S. 124. 1009 Wohl ebenso Dück/Eufinger, CCZ 2012, 131, 134 ff.; ähnlich Karst, WuW 2012, 150, 155 f., der im Bereich der kartellrechtlichen Compliance eigenständige, an die einzelnen Konzern-Gesellschaften angepasste Compliance-Programme effektiver einschätzt als ein konzernweit einheitliches Compliance-Programm. 1010 Ähnlich Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c. 1007

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

unter Berücksichtigung der konkreten Möglichkeiten faktischer Einflussnahme zu beurteilen. Daher kann bei faktischer Konzernierung nicht unabhängig vom Einzelfall eine umfassende konzernweite Compliance-Pflicht bestehen. Auch dieser Umstand spricht gegen die Übertragbarkeit der aus der oben aufgezeigten Bußgeldpraxis zu § 130 Abs. 1 OWiG womöglich ableitbaren umfassenden konzernbezogenen Compliance-Pflicht im Außenverhältnis auf das Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter. cc) Ermessensreduzierung durch mittelbare Auswirkungen der Bußgeldpraxis Neben rechtlichen Erwägungen zur Existenz einer umfassenden konzernbezogenen Compliance-Pflicht im Außenverhältnis und zu deren Übertragbarkeit auf das Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter spielt für die Pflichtenlage des Mutter-Vorstands auch eine Rolle, welche mittelbaren Auswirkungen die nationale und europäische konzernbezogene Bußgeldpraxis auf den Gebieten des Kartellrechts, des Wettbewerbsrechts und der Korruptionsbekämpfung auf die Konzern-Mutter hat. Neben hohen Bußgeldern können auch Einziehung und Verfall (§§ 73 ff. StGB, 29 f. OWiG) die Konzern-Mutter finanziell empfindlich treffen. Ähnlich wie bei der unverbundenen Gesellschaft muss daher auch bei einer Konzernierung hinterfragt werden, ob und wie sich die mit der Bußgeldpraxis einhergehenden finanziellen Gefahren für die Konzern-Mutter auf das Leitungsermessen des Mutter-Vorstands hinsichtlich der Leitung beherrschter Gesellschaften auswirken können. Im Innenverhältnis ist der Vorstand bei der Leitung der Gesellschaft verpflichtet, das Unternehmensinteresse zu wahren. Das umfasst auch die Abwendung wirtschaftlicher Schäden von der Gesellschaft zum Beispiel durch Bußgelder oder andere Sanktionsmaßnahmen.1011 Bei einer Konzernierung kann ein Vermögensschaden, der in einer Tochter-Gesellschaft zu verorten ist, auf die Konzern-Mutter durchschlagen.1012 Bußgelder, Einziehung oder Verfall bedeutet für die Konzern-Mutter außerdem unmittelbare Vermögensschäden, da nach der nationalen und europäischen Bußgeldpraxis die Konzernmutter selbst als Bußgeldschuldnerin für Rechtsverstöße bei Tochter-Gesellschaften herangezogen werden kann. Die Gefahr von Vermögensschäden durch Bußgeldbescheide besteht für die Konzern-Mutter ungeachtet 1011 So OLG Hamm, Urteil vom 10.5.1995 – 8 U 59/94 – AG 1995, 512, 514; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 15; Spindler, in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 74; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 14 Rn. 14 m. w. N.; aus Sicht des Aufsichtsrats v. Werder/Wieczorek, DB 2007, 297, 297. 1012 Vgl. hierzu die jeweiligen Auswirkungen von Schäden innerhalb von Tochter-Gesellschaften auf die Konzern-Mutter bei faktischer und vertraglicher Konzernierung unter § 5 B. III.3. und 4.

C. Weitergehende konzernweite Compliance-Pflichten im Einzelfall

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der oben aufgeworfenen Frage nach den Auswirkungen dieser Praxis auf das Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und Konzern-Mutter. Im Unternehmensinteresse ist der Mutter-Vorstand nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet, durch konzernweite Compliance-Maßnahmen die im Einzelfall notwendigen Vorkehrungen zur Vermeidung solcher Bußgeldbescheide zu treffen. Für den Fall, dass mehrere erfolgsversprechende Handlungsmöglichkeiten zur Abwendung der finanziellen Gefahren durch Bußgeldbescheide vorhanden sind, hat der MutterVorstand ein Auswahlermessen.1013 Ist indes die Vornahme einer bestimmten Vorstandshandlung gegenüber der Tochter-Gesellschaft zur Beseitigung der unmittelbaren Gefahr eines Vermögensschadens für die Konzern-Mutter geboten, liegt schon nach allgemeinen Compliance-Grundsätzen im Innenverhältnis eine Ermessensreduzierung vor.1014 Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Mutter-Vorstand Informationen über die Existenz von schwarzen Kassen in Tochter-Gesellschaften erlangt, aber keine Gegenmaßnahmen einleitet, um Bestechungen Dritter durch die Tochter-Gesellschaften zu unterbinden. Der Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I vom 15.12.2008 gegen die Siemens-AG verdeutlicht drastisch die Folgen entsprechender Versäumnisse auf der Ebene des Mutter-Vorstands.1015 In einem solchen Fall kann sich der Mutter-Vorstand – falls er die gebotene Handlung nicht vornimmt – nicht nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entlasten. Im Fall faktischer Konzernierung gilt das allerdings nur mit der Einschränkung, dass der Mutter-Vorstand mangels rechtlicher Durchsetzungsmöglichkeit faktisch in der Lage sein muss, den gewünschten Erfolg in der Tochter-Gesellschaft herbeizuführen. Insofern kann man ihn nur als verpflichtet ansehen, von allen ihm zustehenden Möglichkeiten faktischer Einflussnahme Gebrauch zu machen.1016 2. Umfassende Compliance-Pflichten durch Gesamtanalogie zu Einzelvorschriften Bei der unverbundenen Gesellschaft wird über die Herleitung umfassender Compliance-Pflichten im Innenverhältnis des Vorstands gegenüber der Gesellschaft diskutiert. Zur Herleitung der umfassenden Compliance-Pflichten greifen bei der unverbundenen Gesellschaft einige auf eine Gesamtanalogie zu spezialge 1013

I. Erg. ebenso Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 9c; Habersack, in: Festschrift für Möschel, 2011, S. 1175, 1181 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 409 ff.; a. A. Lutter, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 289, 292 f. 1014 Hierzu oben unter § 6 C. I. 1015 Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I gegen die Siemens-AG in Höhe von 395 Millionen Euro, abrufbar unter http://www.siemens.com/press/pool/de/events/200812-PK/MucStaats.pdf (letzter Abruf 31.7.2012). 1016 Zum Fehlen rechtlicher Durchsetzungsmöglichkeiten konzernbezogener Maßnahmen aus Sicht der Konzern-Mutter schon unter § 5 B.III.3.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

setzlichen Organisationspflichten im Außenverhältnis aus den bank-, wertpapierdienstleistungs- und versicherungsaufsichtsrechtlichen Spezialnormen der §§ 25a Abs. 1 KWG, 33 Abs. 1 WpHG und 64a Abs. 1 VAG zurück, während die herrschende Meinung eine umfassenden Compliance-Pflicht aus einer Gesamtanalogie zu Einzelvorschriften ablehnt.1017 Auch bei einer Konzernierung wird diskutiert, ob sich aus einer Gesamtanalogie zu Einzelvorschriften umfassende konzernbezogene Compliance-Pflichten herleiten lassen.1018 Aus §§ 25a Abs. 1 i. V. m. Abs. 1a S. 1 KWG lässt sich ableiten, dass die Konzern-Mutter auch für die Einhaltung der von § 25a Abs. 1 KWG aufgestellten Anforderungen in Tochter-Gesellschaften verantwortlich ist. Entsprechendes gilt für § 9 Abs. 2 Nr. 1 GWG, § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WpHG oder § 64a Abs. 2 VAG. Der Inhalt von § 25a Abs. 1 KWG (der wegen § 33 Abs. 1 WpHG auch für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen gilt) und § 64a Abs. 1 VAG erstreckt sich auf Organisationspflichten, die vornehmlich die Ausgestaltung des internen Risikomanagements regeln. Nach den oben angestellten Erwägungen besteht zwischen Corporate Compliance und Risikomanagement ein enger Zusammenhang.1019 Daher könnte die Auslegung von § 25a Abs. 1 i. V. m. Abs. 1a S. 1 KWG, § 9 Abs. 2 Nr. 1 GWG, § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WpHG und § 64a Abs. 2 VAG die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands mittelbar beeinflussen und zur Annahme einer umfassenden konzernbezogenen Com­ pliance-Pflicht führen. Allerdings handelt es sich bei den genannten Vorschriften um spezialgesetzliche Sonderregelungen im Außenverhältnis, die auf der besonderen Risikoexposition des Finanzmarktsektors beruhen und sich daher nicht allgemein ins Aktienrecht übertragen lassen.1020 Auch sprechen gegen die Herleitung einer umfassenden konzernweiten Compliance-Pflicht im Wege einer Gesamtanalogie zu spezialgesetzlichen Einzelvorschriften die oben auf der Ebene der unverbundenen Gesellschaft angeführten Gründe.1021

D. Zusammenfassung Bei einer Konzernierung muss das Compliance-System der Mutter-Gesellschaft auch solche Compliance-Risiken berücksichtigen, die ihren Ursprung innerhalb der Tochter-Gesellschaft haben und sich für die Konzern-Mutter nachteilig auswirken. Anderenfalls drohen der Konzern-Mutter finanzielle Schäden, zu 1017

Hierzu unter § 3 D.II.1. Vgl. nur Dreher, ZWeR 2004, 75, 101 ff.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 4 f.; Forst, DuD 2010, 160, 163 ff.; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2063. 1019 Vgl. hierzu oben bei § 2 E. I.1. 1020 Wohl auch Fleischer, CCZ 2008, 1, 5; Forst, DuD 2010, 160, 163 ff.; Koch, WM 2009, 1013, 1020. 1021 Hierzu unter § 3 D.II.2. 1018

D. Zusammenfassung

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deren Vermeidung der Mutter-Vorstand verpflichtet ist. Zur Vermeidung finanzieller Schäden für die Konzern-Mutter muss der Mutter-Vorstand sowohl in der Konzern-Mutter als auch in der Tochter-Gesellschaft die jeweiligen Zuständigkeiten für die Konzern-Compliance klären. Außerdem ist der Mutter-Vorstand verpflichtet, die Compliance-Anstrengungen der Tochter-Gesellschaft engmaschig zu kontrollieren. Das setzt voraus, dass sich der Mutter-Vorstand umfassende Informationen über die Compliance-Situation in der Tochter-Gesellschaft beschafft. Bei faktischer Konzernierung ist diese Rechtspflicht dahingehend eingeschränkt, dass die faktische Einflussnahme zur Erteilung der benötigten Informationen durch die Tochter-Gesellschaft an die Konzern-Mutter führt. Der Mutter-Vorstand schuldet nicht den Erfolg, sondern ernsthafte Bemühungen im Rahmen seiner rechtlichen und faktischen Möglichkeiten. Ähnlich wie bei der unverbundenen Gesellschaft entscheidet der Mutter-Vorstand auch bei einer Konzernierung nach eigenem Leitungsermessen über die konkrete Ausgestaltung der konzernweiten Compliance-Organisation. Das gilt auch für die organisatorische Einbindung der Konzern-Compliance in den Kreis der anderen Instrumente der Konzernleitung, nämlich der internen Konzernrevision, des Konzerncontrolling und des Konzern­ risikomanagement. Nicht jeder Compliance-Verstoß bei der Tochter-Gesellschaft löst im Einzelfall Compliance-bezogene Handlungspflichten des Mutter-Vorstands aus, denn der Mutter-Vorstand schuldet seiner Gesellschaft nicht die Einhaltung einer konzernweiten Legalitätspflicht. Nur wenn der Verstoß bei der Tochter-Gesellschaft die ernsthafte Gefahr schwerer Schäden für die Konzern-Mutter birgt, muss der Mutter-Vorstand geeignete Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahr von der Konzern-Mutter ergreifen. Stehen ihm hierfür mehrere gleich effektive Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, entscheidet der Mutter-Vorstand darüber nach eigenem Ermessen. Im Fall faktischer Konzernierung muss wieder einschränkend berücksichtigt werden, dass die Pflichten des Mutter-Vorstands mit der Möglichkeit der faktischen Einflussnahme stehen und fallen. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Tochter-Vorstand seinen gesellschaftsinternen Compliance-Pflichten nicht oder nur unzureichend nachkommt. Dies kann die Gefahr großer finanzieller Schäden für die Konzern-Mutter mit sich bringen. Daher muss der Mutter-Vorstand alles in seiner Macht Stehende versuchen, um die Gefahr solcher Schäden durch die Errichtung einer effektiven ComplianceOrganisation in der Tochter-Gesellschaft einzudämmen. Wenn der Mutter-Vorstand im Fall faktischer Konzernierung mit Maßnahmen faktischer Einflussnahme erfolglos bleibt, muss er versuchen, den Tochter-Vorstand nach § 84 Abs. 3 AktG neu besetzen zu lassen. Oder er versucht, auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrags mit der Folge der rechtlichen Durchsetzbarkeit einer Compliance-Organisation in der Tochter-Gesellschaft durch das Weisungsrecht und die entsprechende Folgepflicht nach § 308 AktG hinzuwirken. Falls diese Maßnahmen nicht zielführend sind, muss der Mutter-Vorstand versuchen, zum Schutz der eigenen Gesellschaft die Anteile an der Tochter-Gesellschaft zu veräußern.

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§ 6 Auswirkungen einer Konzernierung auf die Compliance-Pflichten 

Weitergehende konzernbezogene Compliance-Pflichten, die den Mutter-Vorstand zur Vornahme bestimmter Handlungen zwingen würden, lassen sich nicht mit der Übertragung von im Außenverhältnis angenommenen konzernweiten Aufsichts- und Organisationspflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG rechtfertigen, denn für den Mutter-Vorstand ist die Reichweite im Einzelfall bestehender konzernweiter Aufsichts- und Organisationspflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG nicht ex ante erkennbar. Zudem ist der Mutter-Vorstand konzernrechtlich nicht generell für rechtmäßiges Verhalten in der Tochter-Gesellschaft verantwortlich. Die hiermit einhergehende Zentralisierung der konzernweiten Compliance wäre in vielen Fällen wirtschaftlich nachteilig für die betroffenen Gesellschaften. Im Fall faktischer Konzernierung hängt die Durchsetzbarkeit der zentralen Konzern-Compliance zudem davon ab, dass der Tochter-Vorstand diese Maßnahmen mitträgt.

§ 7 Zusammenfassung Corporate Compliance ist die branchenunabhängige Befolgung aller jeweils einschlägigen Gesetze und Regeln durch alle Mitarbeiter eines Unternehmens. Neben der persönlichen Wahrung geltenden Rechts ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft – ohne Ermessensspielraum – nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG zur Schaffung einer Organisationsstruktur verpflichtet, die rechts- und regelkonformes Verhalten nachgeordneter Mitarbeiter zur präventiven Haftungsvermeidung fördert. Die Ausgestaltung einer solchen Compliance-Organisation liegt großteils im Leitungsermessen des Vorstands. Einzig die Durchführung stichprobenartiger Compliance Audits ist durch die Übertragung entsprechender Aufsichtsanforderungen nach § 130 OWiG auf das Innenverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft zwingend. Der Mutter-Vorstand ist im Unternehmensverbund nicht Adressat einer umfassenden Konzernleitungspflicht. Weder bei der Konzernbildung noch bei der Konzernleitung muss der Vorstand vorhandene Möglichkeiten zur Intensivierung der Unternehmensverbindung voll ausschöpfen, denn grundsätzlich ist der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Auch bei einer Konzernierung gilt hinsichtlich der Tochter-Gesellschaft kein strengerer Maßstab. Bei faktischer Konzernierung besteht zudem keine rechtliche Möglichkeit des Mutter-Vorstands zu Eingriffen in die Leitung der Tochter-Gesellschaft durch deren Vorstand. Konzernleitung setzt umfassende leitungsbezogene Information über die beherrschte Gesellschaft voraus. Nur insoweit, als durch faktische Einflussnahme tatsächlich die für die Konzernleitung erforderlichen Informationen aus der Tochter-Gesellschaft erlangt werden, kann im Fall faktischer Konzernierung eine Pflicht zur Konzernleitung bestehen. Der Mutter-Vorstand muss Einfluss ermöglichende Beteiligungen im Rahmen seiner rechtlichen und faktischen Möglichkeiten unternehmerisch nutzen. Die Frage des „Wie“ der unternehmerischen Nutzung unterliegt seinem konzernweiten Leitungsermessen. Hierbei muss der Mutter-Vorstand die verrechtlichten Anforderungen der ursprünglich betriebswirtschaftlichen unternehmerischen Führungsfunktionen von Konzernplanung, Konzernkoordinierung, Konzernkontrolle sowie konzernbezogener Führungspostenbesetzung erfüllen. Während der Mutter-Vorstand auf den Feldern von Konzernplanung und Konzernkoordinierung einen weitgehenden Ermessensspielraum hat, ist er im Rahmen der Konzernkontrolle verpflichtet, die Aktivitäten der Tochter-Gesellschaft umfassend zu kontrollieren, denn in der Tochter-Gesellschaft verursachte Schäden können sich unmittelbar zum Nach-

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§ 7 Zusammenfassung

teil der Konzern-Mutter auswirken. Der Mutter-Vorstand muss hierzu das Früherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG auch auf Risiken in der Tochter-Gesellschaft ausrichten. Dasselbe gilt für die Pflicht zur internen Konzernrevision und die Pflicht zum Konzerncontrolling. Der Mutter-Vorstand ist nicht verpflichtet, die organisatorische Ausgestaltung dieser Systeme nach betriebswirtschaftlichem Vorbild vorzunehmen. Das betrifft auch die Frage eigener Prüfungsleistungen durch die Instrumente der Konzern-Mutter in der Tochter-Gesellschaft. Ob das konzernweite Früherkennungs- und Überwachungssystem, die interne Konzernrevision und das Konzerncontrolling eigene Prüfungsleistungen in Tochter-Gesellschaften erbringen oder nicht, kann der Mutter-Vorstand nach eigenem Ermessen festlegen. Entscheidend ist, dass diese Systeme im Einzelfall ihre jeweilige Funktion erfüllen. Der Mutter-Vorstand muss zumindest dafür sorgen, dass die Instrumente der Konzern-Mutter mit entsprechenden Informationen über die Aktivitäten in der Tochter-Gesellschaft versorgt werden und diese Informationen auswerten. Die Pflicht zur konzernweiten Führungspostenbesetzung erfordert generell, dass der Mutter-Vorstand die Führungsposten-Situation in der TochterGesellschaft überwacht. Diese Pflicht intensiviert sich hin zu einer Bemühenspflicht um den Austausch des Tochter-Vorstands nach den Voraussetzungen von § 84 Abs. 3 AktG, wenn bei faktischer Konzernierung die Maßnahmen faktischer Einflussnahme nicht fruchten. Die Pflicht zur umfassenden und engmaschigen Kontrolle der Tochter-Gesellschaft umfasst auch die Beobachtung von Compliance-Risiken aus der TochterGesellschaft durch die Compliance-Organisation der Konzern-Mutter. Dafür muss der Mutter-Vorstand in der Konzern-Mutter wie auch in der Tochter-Gesellschaft die jeweiligen Compliance-Zuständigkeiten klären. Zudem müssen die Compliance-Anstrengungen der Tochter-Gesellschaft überwacht werden. Dies erfordert, dass die Tochter-Gesellschaft ihre Compliance-Informationen der Konzern-Mutter zeitnah zur Verfügung stellt. Im Fall faktischer Konzernierung setzt das voraus, dass die seitens des Mutter-Vorstands ergriffenen Maßnahmen faktischer Einflussnahme auf den Tochter-Vorstand tatsächlich zur Erteilung der erforderlichen Informationen führen. Der Mutter-Vorstand ist insoweit nur verpflichtet, sich um die Erlangung jener Informationen im Rahmen seiner Möglichkeiten ernsthaft zu bemühen. Die Ausgestaltung der konzernweiten Compliance liegt im Leitungsermessen des Mutter-Vorstands. Das gilt auch für das organisatorische Verhältnis der Konzern-Compliance zu interner Konzernrevision, Konzerncontrolling und Konzernrisikomanagement. Durch eine effiziente Vernetzung dieser Instrumente sind zwar Synergie-Vorteile erzielbar, jedoch müssen vertrauliche Informationen ausreichend vor unzulässiger Weitergabe geschützt werden. Hierfür kann die Errichtung von Chinese Walls hilfreich sein. Ein Automatismus in der Weise, dass ein Compliance-Verstoß in der Tochter-Gesellschaft Handlungspflichten des Mutter-Vorstands auslöst, besteht nicht. Der Mutter-Vorstand ist nicht verpflichtet, für die konzernweite Einhaltung der aus § 76 Abs. 1 AktG folgenden Legalitätspflicht zu sorgen. In der Tochter-Ge-

§ 7 Zusammenfassung

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sellschaft ist dies primär die Aufgabe des Tochter-Vorstands. Nur unter der Voraussetzung, dass ein Compliance-Verstoß in der Tochter-Gesellschaft die Gefahr schwerer Schäden für die Konzern-Mutter bewirkt, ist der Mutter-Vorstand zur Ergreifung geeigneter Abwehrmaßnahmen gegenüber der Tochter-Gesellschaft verpflichtet. Dies gilt auch für den Fall, dass der Tochter-Vorstand seine gesellschaftsinternen Compliance-Pflichten nicht oder nur unzureichend erfüllt. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann auch das die Gefahr schwerer finanzieller Schäden für die Konzern-Mutter bedeuten. Der Mutter-Vorstand muss alles in seiner Macht Stehende versuchen, um die Gefahr solcher Schäden durch die Errichtung einer effektiven Compliance-Organisation in der Tochter-Gesellschaft einzudämmen. Erzielen im Fall faktischer Konzernierung die Maßnahmen faktischer Einflussnahme nicht den gewünschten Erfolg, muss der Mutter-Vorstand versuchen, den Tochter-Vorstand nach § 84 Abs. 3 AktG auswechseln zu lassen, oder aber der Mutter-Vorstand versucht, den Abschluss eines Beherrschungsvertrags mit der Tochter-Gesellschaft zu erwirken. Dann kann er durch das Weisungsrecht und die entsprechende Folgepflicht nach § 308 AktG die Errichtung einer Compliance-Organisation in der Tochter-Gesellschaft rechtlich durchsetzen. Als ultima ratio verbleibt dem Mutter-Vorstand zum Schutz der eigenen Gesellschaft der Versuch, die Beteiligung an der Tochter-Gesellschaft zu veräußern. Auch aus der Pflichtenlage der Konzern-Mutter im Außenverhältnis lassen sich keine über das unter § 6 B. erörterte Maß hinausgehenden konzernbezogenen Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft herleiten. Für den Mutter-Vorstand ist ex ante nicht hinreichend konkret ersichtlich, welche konzernweiten Anstrengungen er im Einzelfall unternehmen muss, um die in der Bußgeldpraxis und -rechtsprechung relevanten konzernweiten Aufsichts- und Organisationspflichten nach § 130 Abs. 1 OWiG zu erfüllen. Die Statuierung einer pauschalen Verantwortung des Mutter-Vorstands für Rechtsverstöße in Tochter-Gesellschaften verstieße zudem gegen das konzernrechtliche Trennungsprinzip. Überdies ist die pauschale Verpflichtung zu einer konzernweit einheitlichen zentralen Compliance meist wirtschaftlich nachteilig für die konzernierten Gesellschaften. Im Fall faktischer Konzernierung ist eine zentrale Konzern-Compliance zudem nur dann durchführbar, wenn der Tochter-Vorstand sich dem freiwillig beugt. Dennoch muss der Mutter-Vorstand die finanziellen Risiken in seinen Ermessenserwägungen hinsichtlich der konzernweiten Compliance berücksichtigen, die durch die Verhängung von Bußgeldern gegen die KonzernMutter wegen bei Tochter-Gesellschaften begangenen kartellrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen oder korruptionsrechtlichen Verstößen bestehen. Auch spezialgesetzliche Vorschriften, die wie §§ 25a Abs. 1 i. V. m. Abs. 1a S. 1 KWG, 9 Abs. 2 Nr. 1 GWG, 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WpHG oder 64a Abs. 2 VAG konzernweite Compliance-Pflichten im Außenverhältnis regeln, lassen keine Rückschlüsse auf Pflichten im Innenverhältnis zwischen Mutter-Vorstand und KonzernMutter in nicht staatlich regulierten Wirtschaftsbereichen zu.

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§ 7 Zusammenfassung

Obgleich eine Pflicht des Mutter-Vorstands zur Errichtung eines konzernweit einheitlichen Compliance-Systems nicht besteht, ist dessen Errichtung vor allem größeren börsennotierten Gesellschaften mit Konzernverbindungen zu TochterGesellschaften anzuraten. Eine gesetzliche Regelung der (konzernweiten) Compliance-Pflichten des Vorstands der Aktiengesellschaft ist nicht zu befürworten.1022 Auch der Gesetzgeber beabsichtigt nicht, über die in Ziff. 4.1.3 DCGK widergespiegelte Rechtslage hinaus verbindliche Detail-Regeln für (konzernweite) Compliance-Pflichten des Vorstands der Aktiengesellschaft zu schaffen. Vor allem zur Wahrung des konzernweit bestehenden Leitungsermessens des Mutter-Vorstands ist dies richtig.

1022 Kort, in: Festschrift für Hopt, 2010, S. 983, 985; Hauschka, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 51, 63.

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Zimmermann, Martin: Kartellrechtliche Bußgelder gegen Aktiengesellschaft und Vorstand: Rückgriffsmöglichkeiten, Schadensumfang und Verjährung, in: WM 2008, 433–442 Zöllner, Wolfgang (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 2, §§ 76–117 AktG und Mitbestimmung im Aufsichtsrat, bearbeitet von Hans-Joachim Mertens, 2. Auflage, Köln u. a. 1996 (zitiert: Mertens, in: KölnKommAktG, 2. Aufl. 1996) – Treuepflichtgesteuertes Aktienkonzernrecht, in: ZHR 162 (1998), 235–248 Zöllner, Wolfgang/Noack, Ulrich (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 6, §§ 15–22 AktG, §§ 291–328 AktG und Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG, SpruchG, bearbeitet von Hans-Georg Koppensteiner, 3. Auflage, Köln u. a. 2004 (zitiert: Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004) – (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 2/1, §§ 76–94 AktG, bearbeitet von Hans-Joachim Mertens, Andreas Cahn, 3. Auflage, Köln u. a. 2010 (zitiert: Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010)

Sachregister Aufsichtspflichten –– im Außenverhältnis  81 ff. –– konzernweite  205 ff. Auskunftsanspruch, umfassender im faktischen Konzern  111 ff. Betriebswirtschaftliche Errungenschaften, Verrechtlichung  51 ff., 162 Business judgment rule 51, 71 ff., 86, 103, 147, 192 Bußgeldpraxis, behördliche wegen Verstößen gegen § 130 Abs. 1 OWiG –– konzernübergreifende  206 f. –– Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis  82 ff., 207 ff. Chinese Walls  57, 218 Compliance –– Abteilung 74 –– Beauftragter 74 –– Dokumentation  80, 192 –– Einbettung in die Corporate Governance  23 ff. –– Leitungsermessen  73 ff., 184 f. –– Office/Officer 74 –– organisatorische Ausgestaltung im Konzern  182 ff. –– Rechtspflicht aus Organisationspflichten im Außenverhältnis  81 ff., 205 ff. –– Rechtspflicht, Auswirkungen von sektorspezifischen Spezialvorschriften 89  ff., 213 f. –– Rechtspflicht, einzelfallunabhängige Mindeststandards  71 ff., 178 ff. –– Rechtspflicht in der Einzelgesellschaft  64 ff. –– Rechtspflicht, konzernweite  178 ff. –– Rechtspflicht, umfassende  81 ff., 198 ff. –– System in der unverbundenen Gesellschaft  75 ff. –– System, konzernweites  187

Controlling –– in der Einzelgesellschaft  58 ff. –– konzernweites  168 ff. –– Rechtspflicht zum  59 ff., 170 ff. DCGK, Compliance-Pflicht  65 f., 178 f. Doppelmandate –– Vorstand-Aufsichtsrat  117 f. –– Vorstands-Doppelmandate  118 ff. Führungsfunktionen –– im Konzern  132 ff. –– in der Einzelgesellschaft  127 ff. Haftungsdurchgriff  82, 94 Holding, als Konzern-Mutter –– Holding- vs. Stammhaus-Konzern  139 –– Holdingwellen 139 Informationsmöglichkeiten des Mutter-Vorstands –– als Einschränkung der Konzernleitungspflicht  103, 121 f. –– aufgrund der Pflicht nach § 131 Abs. 1 S. 2 AktG –– durch konzernrechtliche Einflussnahme im faktischen Konzern  111 –– durch konzernrechtliche Einflussnahme im Vertragskonzern  109 f. –– durch personelle Verflechtung siehe Doppelmandate –– durch umfassenden Auskunftsanspruch im faktischen Konzern siehe Auskunftsanspruch –– nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG  106 f. –– nach § 294 Abs. 3 HGB  105 f. –– zur Erfüllung der Berichtspflicht des Mutter-Vorstands nach § 90 AktG  104 Kontrollsystem, internes –– in der Einzelgesellschaft  41 ff. –– konzernweites 175

Sachregister –– Rechtspflicht zum  44 ff., 175 Konzern –– beherrschungsvertraglicher  100 ff. –– faktischer  96 ff. Konzern-Compliance siehe Compliance Konzernführung, zentralistische / dezentrale  138 ff. Konzerninteresse  147 f. Konzernkontrolle –– Pflicht zur, bei faktischer Konzernierung  144 f. –– Pflicht zur, im Vertragskonzern  145 ff. Konzernkoordinierung137 ff. Konzernleitung –– Konkretisierung der Pflicht zur  132 ff. –– umfassende Pflicht zur  93 ff. Konzernplanung  133 ff. Konzernweites Informations- und Kontrollsystem  175 f. Legalitätspflicht –– einschränkende Auslegung  84 ff., 209 f. –– in der unverbundenen Gesellschaft 18, 65, 70 f., 78, 81, 84 ff., –– konzernweite  200 ff. MAN 15

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Organisationspflichten im Außenverhältnis  82 ff., 105 ff. Revision, interne –– in der Einzelgesellschaft  46 ff. –– konzernweite  163 ff. –– Rechtspflicht zur  47 ff., 165 ff. Risikomanagement –– Abgrenzung zur Compliance  26 ff. –– konzernweites  150 ff., 162 f. –– nach dem BilMoG  34 ff. –– Rechtspflicht zum  30 ff., 162 f. Schadensabwendungspflicht  88, 146 f. Siemens  15, 83, 182, 199, 206 ff. Unternehmensinteresse  75, 88, 124, 146 ff., 212 f. Unternehmensorganisation –– divisionale  129 f. –– funktionale  129 f. US Sentencing Guidelines  20 Verlustausgleich  149 f. Zustimmungsvorbehalte, konzerndimensionale  155 ff.