Die Funktion des Mythos bei Pindar
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Köhnken · Die Funktion des Mythos bei Pindar

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Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte

Herausgegeben von Heinrich Dörrie und Paul Moraux

Band 12

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1971 Brought to you by | UZH Hauptbibliothek / Zentralbibliothek Zuerich (UZH Hauptbibliothek / Zentralbibliothek Zuerich) Authenticated | 172.16.1.226 Download Date | 1/3/12 3:18 PM

Die Funktion des Mythos bei Pindar Interpretationen zu sechs Pindargedichten von Adolf Köhnken

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Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

ISBN 3 11 002374 l © 1971 by Walter de Gtuytci & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. GuttenUg, Verlagsbuchhandlung — Geotg Reimet — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13 (Printed in Germany) Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Walter de Gruyter, Berlin 30

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M E I N E M L E H R E R HARTMUT ERBSE

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VORWORT Die vorliegende Pindar-Arbeit wurde im Sommersemester 1970 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck habe ich sie nur in wenigen Einzelheiten geändert und ergänzt. Pindar-Literatur, die später als August 1970 erschienen ist, habe ich nicht mehr berücksichtigen können. Ich widme dieses Buch meinem Lehrer Hartmut Erbse, der die Arbeit angeregt und sie in allen Stadien ihres Entstehens mit Rat und Kritik begleitet und unermüdlich gefördert hat. Mein Dank gilt außerdem meinem Freund Tilman Krischer, dem ich die meisten der Interpretationen in diesem Buch vorgetragen oder gezeigt habe und dessen kritische Hinweise und Ratschläge eine große Hilfe für mich gewesen sind. Schließlich danke ich den Herausgebern der .Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte' für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe, Herrn Professor Wenzel und dem Verlag De Gruyter für ihre Hilfsbereitschaft und die Geduld und Sorgfalt bei der Drucklegung, sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre finanzielle Unterstützung. Bonn, den 17. 1. 1971

Adolf Köhnken

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INHALTSVERZEICHNIS Einleitung Das achte Nemeische Lied (N. 8) I. Vorbemerkung

l

19

(die historisch-biographischen Deutungen und Bundys Gegenposition)

II. Der Mythos vom Ende des Aias

24

(Aufbau und Art der Darstellung — das ,Neid'-Motiv)

III. Die Funktion des ,Neid'-Motivs im Rahmen des Liedes. . 34 (die Worte der Neider und das Lied des Dichters)

Das siebente Nemeische Lied (N. 7) I. Vorbemerkung

37

(zur Rechtfertigungsthese)

II. Der erste Mythos (,Odysseus-Aias') 42 III. Der Zusammenhang des ersten mit dem zweiten Mythos (.Neoptolemos') 60 (die beiden Fahrtschilderungen — die Aiakiden — Tendenz und Verhältnis der beiden Mythen zueinander; Vergleich mit Pae. 6)

IV. Die Funktion der beiden Mythen im Rahmen des Gedichtes 73 (die Schlußverse des Neoptolemosmythos — die beiden Teile des Gedichtes — Thearion und Sogenes)

Das vierte Isthmische Lied (I. 4) I. Vorbemerkung

87

(zur Selbständigkeit der Gedichte 1.3 und 1.4)

II. Der Aufbau des Liedes I. 4

94

(Familien- und Sieger-Teil des Gedichtes und die Stellung des Aiasmythos — der Unglücksfall in der Familiengeschichte)

III. Der Mythos vom Selbstmord des Aias

104

(Besonderheiten der Darstellung — die Überleitung in den Mythos — das ,Nacht'-,Licht'-Motiv)

IV. Der Siegerteil des Gedichtes und der zweite (Herakles-) Mythos

114

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Inhaltsverzeichnis

Das zwölfte Pythische Lied (P. 12) I. Vorbemerkung

117

(moderne Ansichten zu P. 12) II. Der Perseusmythos

120

III. Hauptmythos (.Perseus') und Rahmenmythos (.Athenes Erfindung') 138 (die Funktion der Flötenmusik und der Zusammenhang von Flötenmelodie und Perseustat — Flötenmusik und ,Nomos Polykephalos' — Wesen und Aufgabe der Flöte)

IV. Der Epilog im Rahmen des Liedes Das zehnte Pythische Lied (P. 10) I. Vorbemerkung

147

154

(zur modernen Beurteilung des Liedes)

II. Der Aufbau des Liedes und die Probleme für die Interpretation 155 (die beiden zentralen Gedichtpartien und die Rolle Apolls)

III. Die Perseus-Hyperboreererzählung

158

(Apoll und das Dasein der Seligen — der .Besuch* des Perseus — Hyperboreerseligkeit und Siegesglück)

Das vierte Nemeische Lied (N. 4) I. Vorbemerkung

188

(zum Stand der Forschung)

II. Das Prooimion III. Der mythische Gedichtmittelteil

191 195

(der Telamonmythos — der Aiakidenkatalog im Gedichtzentrum — der Peleusmythos — der Peleusmythos und die allgemeinen Bemerkungen des Dichters im Gedichtmittelteil)

IV. Die Rahmenteile des Liedes

214

(die parallele Anlage von Anfang- und Schhißteil — die Bedeutung der Schlußverse)

Ergebnisse

220

Literaturverzeichnis

233

Indices

239

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Einleitung Gibt es in Pindars Gedichten funktionslose mythische Darstellungen, .Digressionen', die mit den brigen Teilen des Gedichtes, in dem sie stehen, nur locker oder gar nicht zusammenh ngen ? Benutzt Pindar seine Lieder gelegentlich als Sprachrohr f r .pers nliche Absichten' (Stellungnahmen gegen Kritiker und Neider seiner Kunst oder politische Erkl rungen), die sich .unvermittelt' Geltung verschaffen und keinerlei Beziehung zu den sonstigen Themen des betreffenden Gedichtes auf weisen? Sind Pindars Lieder ,Zeitdokumente', die wir nur dann richtig verstehen, wenn wir ihre .zeitgeschichtlichen Hintergr nde' kennen oder erschlossen haben1 ? Wieweit h lt Pindar sich an die erkl rte Absicht seiner Siegeslieder, die siegreichen Adressaten und ihre Leistungen zu verherrlichen und ihnen einen festen Platz im Ged chtnis der Menschen zu sichern2? Alle diese Fragen sind Teilaspekte eines zentralen Problems, um das es in dieser Untersuchung in erster Linie gehen soll: Welchen Grad und welche Form von Einheit hat ein pindarisches Epinikion ? Im Hinblick darauf werden in der vorliegenden Arbeit sechs Pindaroden interpretiert (N. 8; N. 7; I. 4; P. 12; P. 10 und N. 4), die auf Grund von .mythischen Exkursen' oder sonstigen .funktionslosen Abschweifungen' oder .unvermittelten' pers nlichen und politischen Stellungnahmen des Dichters von der Forschung alle als mehr oder weniger unorganische Kunstwerke angesehen werden. Das Problem der Einheit, das mit der Frage nach der Funktion des fast regelm ig in Pindars Siegesliedern erscheinenden mythischen Elements eng verkn pft ist, ist seit der Begr ndung der modernen Pindarforschung durch A. Boeckh zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer wieder diskutiert worden und hat vor allem in unserem Jahr1

Vgl. z. B. FARNELL, Critical Commentary to the Works of Pi., 1932, Preface V: Ein wesentlicher Grund f r die Schwierigkeiten, die Pi.'s Lieder dem Verst ndnis bereiten, sei "our frequent ignorance of the circumstances in which a particular poem is being composed". 2 Vgl. z. B. nur das Prooimion des siebenten nemeischen Gedichtes, V. 11—16 εΐ δε τύχ-η τι$ ερδων, μελίφρον' αΐτίαν | βοαϊσι Μοισδν ένέβαλε . . . | ... | Ipyois δε KCtXois Ισοτττρον ϊσαμεν ένΐ συν τρόπω, | εΐ Μναμοσύνας εκατι . . . | εύρηται άττοινα μόχθων κλυταίξ έττέων αοιδούς: das Lied gilt danach den Leistungen des siegreichen Athleten. Das aber w re nach der communis opinio, der zufolge N. 7 der .pers nlichen Absicht* des Dichters dient, sich f r Pae. 6 zu .rechtfertigen', nur ein Vorwand; s. u. S. 37ff. l

K hnken, Pindar

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Einleitung

hundert eine durch die verschiedensten Einheitstheorien bestimmte verwickelte Geschichte3. Bis in die neueste Zeit läßt sich eine zweifache, einerseits künstlerische, andererseits historische Betrachtungsweise verfolgen. Man hat immer angenommen, daß Pindar in seinen Epinikien für historische Personen und historische Siege nie in erster Linie künstlerische Ziele im Auge gehabt habe, sondern über die konkreten Angaben zu den Adressaten und den sportlichen Ereignissen hinaus auch in seinen allgemeinen Reflexionen und durch die Mythen in andeutender Form auf historische Zusammenhänge und Situationen habe hinweisen wollen. Im 19. Jahrhundert suchte man deshalb durchweg zugleich nach dem ,Geschichtlichen', vorwiegend nach den aus Pindars Andeutungen zu rekonstruierenden Lebensumständen der Adressaten, und nach einem »Grundgedanken', der das Ganze künstlerisch zusammenhalten, also Träger der Gedichteinheit sein sollte. Nachdem dann Drachmann (189l)4 den entscheidenden Schlag gegen die oft allgemein moralischdidaktischen5 oder aber aus Teilparaphrasen des Gedichtinhalts6 bestehenden .Grundgedanken' geführt hatte, trat eine Zeitlang, vor allem in Wilamowitz' Untersuchungen7, das Problem der Einheit ganz hinter einer rein biographisch-historisch orientierten Interpretationsweise zurück: Pindars Gedichte galten als Konglomerate von Einzelszenen8. Erst mit Schadewaldt (1928)9 kommt die Frage der Einheit wieder ins Spiel. Wie sehr sich aber Schade waldts Einheitsvorstellung von derjenigen Boeckhs (und seiner Nachfolger) unterscheidet, zeigt eine Gegenüberstellung. Boeckh (1830)10 ging von drei Einheitsfaktoren aus: der „objektiven Einheit" (das „Geschichtliche": Persönlichkeit und Umstände 8

Vgl. D. C. YOUNG, Pindaric Criticism, The Minnesota Review 4, 1964, 584—641, für eine kritische Darstellung der Pindarforschung seit Boeckh. 4 A. B. DRACHMANN, Moderne Pindarfortolkning (de recentiorum interpretatione Pindarica), 1891: s. seine Zusammenfassung S. 313—326; vgl. zu Drachmanns Buch YOUNG, Pindaric Criticism 602 f. 5 .Grundgedanke' vieler Lieder ist nach BOECKH und DISSEN z. B. die „hortatio ad modestiam" (s. z. B. DISSEN-SCHNEIDEWIN, 1847, Einleitung zu P. 10, S. 346f. und zu P. 12, S. 371). * Vgl. z. B. R. RAUCHENSTEIN, Zur Einleitung in Pi.'s Siegeslieder, 1843, 128—151; besonders 147 f. zum .Grundgedanken' von P. 1. 7 Vgl. besonders: Hieron und Pi., SBBerlin 1901, 1273ff.; Pi.'s siebentes nemeisches Gedicht, SBBerlin 1908, 328ff.; Pi. auf die Söhne Lampons, SBBerlin 1909, 806ff., und vor allem: Pindaros, 1922. 8 Vgl. WILAMOWITZ, Pi. 458f.: Pi. „zeichnet ein Bild, meist von wenigen Figuren, auf diese fällt das hellste Licht; ob wir den Gang der Handlung sonst rationell verfolgen können, kümmert ihn nicht. Das werden dann Szenen, die einmal recht geschaut unvergeßlich im Gedächtnis haften." 9 Der Aufbau des pindarischen Epinikion, 1928. 10 Kl. Sehr. 7, 379ff. (= Rez. von DISSENS Pi.-Ausgabe 1830).

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Einleitung

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des Siegers)11, dem ,,subjektiven Zweck" (d. i. der „Grundgedanke", welchen der gestaltende Dichter seinem Lied zugrunde gelegt habe: entweder nur die allgemeine Absicht, „den Sieger überhaupt wegen des Sieges zu besingen" oder aber ein besonderer Zweck: „Trost, Ermahnung, Warnung oder was immer sonst")12 und schließlich von der „formalen Einheit"13. Daraus werden bei Schadewaldt drei „Zwecke" oder „Gesichtspunkte"14 : der „stilistisch-formale" (die „dem Geist des Dichters eingeprägten Denkformen"), der „objektiv-historische" (das „Programm")15 und der „subjektiv-persönliche" (die „persönliche Absicht" des Dichters, der bisweilen „unvermittelt" ausspreche, „was ihn bewegt")16. Schadewaldt verändert zunächst die Reihenfolge der Faktoren: an erster Stelle nennt er den „stilistisch-formalen Gesichtspunkt", der ihm in seiner Untersuchung besonders wichtig ist. Dann aber fällt bei der Gegenüberstellung auf, daß Schadewaldt, obwohl er ausdrücklich an Boeckhs Einheitsvorstellungen anknüpft, viel weniger von der »Einheit' als von .Zwecken' oder »Gesichtspunkten' spricht. Sobald und soweit aber diese ,Zwecke' (»persönliche Absicht' und .Programm') divergieren, wird die künstlerische Einheit fragwürdig. Für Boeckh und die Pindarforscher des 19. Jahrhunderts17 vor Drachmann (1891) war die „poetische Einheit"18 der Gedichte Pindars vor allen sonstigen .Einheiten' Voraussetzung der Interpretation (deshalb konnte es insbesondere auch keine mythischen ,Digressionen' geben). Die für jedes Gedicht rekonstruierten .geschichtlichen' Umstände hatten, ebenso wie die verschiedenen vermuteten .Grundgedanken' ihren einheitlichen 11

Ebd. 384, vgl. 388. Ebd. 386. — Gegen die Trennung .objektiv—subjektiv' wendet VAN GRONINGEN, La composition littoraire, I9602, 336 zu Recht ein: «ces termes nocessitent une reinterpretation continuelle et, ce qui pis est, ne correspondent a aucune real^. Une victoire olympique en elle-meme ne signifie rien dans le domaine litteraire; eile ne devient interessante que du moment qu'un auteur s'en occupe. Est-elle encore objective , ce moment-lä . . . ?»; vgl, auch YOUNG, Pindaric Criticism 586: "Boeckh understandably avoided his own theory, for no one, not even BOECKH himself, has ever comprehended it . . .". 13 BOECKH, a. O. 384. 14 Aufbau 5. 15 Ebd. 39: ,,die Forderungen des Herkommens und des Auftraggebers". 16 SCHADEWALDT, Aufbau 6. 17 Außer BoECKH-DissEN in BOECKH, Pindari opera 2, 2, 1821, z. B. DISSEN, Ausg. 1830 und (mit SCHNEIDEWIN) 1843—47; G. HERMANN, Rez. zu BISSENS Pi., Opuscula 1827—39, Bd. 6, 1835, l—69; R. RAUCHENSTEIN, Zur Einleitung in Pi.'s Siegeslieder, 1843, besonders 128—151 („Über die Composition"); F. MEZGER, Pi.'s Siegeslieder, 1880, vgl. z. B. VIII und 33ff.; A. CROISET, La poesie de Pi. et les lois du lyrisme grec, 1880, vgl. z. B. 316 und 328ff. — Vgl. den Überblick bei VAN GRONINGEN, La composition littoraire, I9602, 331 ff. 18 HERMANN, Opuscula 6, 24. 12

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4

Einleitung

Bezugspunkt gewöhnlich in der Person des gefeierten Gedichtadressaten19. Schadewaldts Arbeit spiegelt dagegen die seit Drachmanns Zurückweisung der Theorie vom »Grundgedanken'20, besonders durch die biographisch-historischen Interpretationen von Wilamowitz, eingetretene Spaltung der Gedichtinhalte in .offizielle' (den Auftraggebern geltende) und .persönliche' (von privaten oder politischen Sonderinteressen des Dichters bestimmte) Teile. Erst bei Schade waldt, der die seit Drachmann vernachlässigte Frage nach der Einheit erneut stellt, tritt diese Spaltung deutlich hervor, und es zeigt sich, wie unbefriedigend sie im Grunde ist. Für Wilamowitz hatte das Problem der Einheit ebensowenig eine Rolle gespielt wie die Frage nach der Funktion von Pindars Mythen: für ihn waren die Epinikien, viel mehr als für Boeckh, bloße „Momentbilder aus bestimmter Zeit und Umgebung"21, aus denen der Interpret Aufschluß über die Persönlichkeit und das Leben Pindars gewinnen müsse. Das Wesentliche sah er deshalb in den historischen und persönlichen Angaben, die er überall in den Gedichten zu finden glaubte22. Anhand dieser Angaben meinte er, auch die nicht sicher datierten Gedichte historisch einordnen und , Pindars Leben im Spiegel seiner Lieder' schreiben zu können23. Die künstlerische Einheit 19

Vgl. BOECKH 2, 2, 1821, 6: „illud et difficillimum et praecipuum interpretis munus iudicamus, ut poetae consilium rerumque et hominum, qui Pindaro talia scribendi occasionem praebuerant, condicio, quantum fieri potest in luce ponatur: in quo si semel atque iterum ad coniecturam confugimus . . . neque interpres culpandus est, . . ., neque poeta ratione, non caeco impetu in carminibus pangendis versatus, rebusque et personis, temporibus, fini maxima quaeque accommodans absonarum et inanium digressionum crimine onerandus"; vgl. dens., Enzyklopädie, 1886, 114: „Wer . . . die Individualität Pindar's und den Gattungscharakter seiner Lyrik kennt, ist ausser Zweifel, dass die Digressionen einen besonderen Sinn haben müssen und also historisch zu erklären sind. Sie haben ihre Bedeutung in einer unausgesprochenen Beziehung auf die Person, welche der Dichter besingt; hat man diese historische Beziehung erkannt, so schliesst sich das Gedicht zu einer vollkommenen Einheit zusammen und gewinnt Farbe und Kraft." 20 Vgl. z. B. DissEN-ScHNEiDEWiN, 1847, XXI (.Grundgedanke* und Mythos) mit DRACHMANN, Fortolkning 313ff., besonders 324f. (325: „haec est disputationis summa, ut fabulam epinicii ab omni unius sententiae imperio prorsus liberam et immunem fuisse contendarn"). 21 WILAMOWITZ, Pi. 7 (mit Bezug auf BOECKH); vgl. ebd. 456f.: ,,So ist an dieser Gelegenheitsdichtung überaus Vieles, das durch den Moment bedingt und auf ihn berechnet war, uns nur unvollkommen verständlich und zumeist ganz gleichgiltig, . . ." 22 Vgl. a. O. 11: „mir (stand) die Aufgabe vor der Seele, diese Person (sc. Pi.) aus den vielen, zumeist datierten Werken als ein Ganzes herauszuarbeiten"; vgl. z. B. ebd. 410 zu N. 8: „Das Persönliche ist für uns das Wichtigste an dem schönen Liede . . .": Pi.'s Person ist für WILAMOWITZ wichtiger als die Gedichte selbst. — Vgl. auch YOUNGS Urteil über WILAMOWITZ, Pindaric Criticism 600f., vgl. 606ff. mit Anm. 107. 23 Pi. 114—445 (von P. 10 aus dem Jahre 498 bis zu P. 8 von 446); vgl. 12—61 zu „Pi.'s Heimat" und 88—114: „Lehrzeit in Athen" (von der wir nichts wissen).

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Einleitung

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der einzelnen Ode stand nicht zur Diskussion (Wilamowitz spricht von unverbundenen „Szenen")24, und die Mythen, für die nach Wilamowitz weder eine innere Konsistenz noch ein Zusammenhang mit den Siegerteilen des betreffenden Liedes gefordert ist, wurden selten anders als quellenkritisch beleuchtet25. Schadewaldts Versuch aber, die .Einheit' wieder ins Spiel zu bringen, ohne von Wilamowitz' historischer Konstruktion abzuweichen26, läßt nur zu deutlich erkennen, wie problematisch Pindars Gedichte als Kunstwerke durch die historisch-biographische Erklärangsweise geworden sind. Ein Gedicht, in welchem man .unvermittelte' (d. h. mit den übrigen Gedichtthemen nicht zusammenhängende) .persönliche Erklärungen' und einen oder mehrere beziehungslose .mythische Exkurse' feststellen muß, kann eigentlich kaum noch eine .poetische Einheit' haben. Die mit Schadewaldt einsetzende Suche nach immer neuen ,Einheits'begriffen, unter die man die metrisch-formal so streng gebauten und inhaltlich, wie es scheint, oft so ,,disparaten" Gedichte Pindars subsumieren kann, führt deshalb auch zu wenig befriedigenden Resultaten und zeigt eigentlich nur das Dilemma der Pindarforschung. Die .Einheit' soll entweder das einzelne Gedicht ..transzendieren" oder aber in einer vagen ästhetischen oder ethischen Grundstimmung oder Idee bestehen oder schließlich sich in einem vom konkreten Gedichtinhalt unabhängigen .Symbol1 oder .Leitbild' dokumentieren. Können wir das Problem aber wirklich dadurch lösen, daß wir z. B. mit Schadewaldt sagen, »Einheit' brauche nicht ,Einheitlichkeit' zu bedeuten27, und die .Einheit' pindarischer Lieder sei in ihrem „ethisch-religiösen Gehalt" zu suchen, dessen „Träger" bald die .gnomischen' Passagen, bald das Prooimion, bald der Mythos sein könne28 ? Müssen wir wirklich weniger das Gedicht als Ganzes als vielmehr seine einzelnen „For84 46

Pi. 468f.

Vgl. z. B. Pi. 174 über „Pi.'s Mythenbehandlung": „Er hat sich keine feste Form davon gebildet, wie die Dinge verlaufen sein sollen, bindet sich auch nicht jedesmal an eine ihm etwa von einer poetischen Vorlage gegebene Form; er kennt Verschiedenes, wählt was ihm gerade paßt, beleuchtet es dementsprechend, mischt wohl auch die verschiedenen Überlieferungen, die er im Gedächtnis hat, unbekümmert darum, ob sich alles bei genauem Nachrechnen gut verträgt. Daher kann unser Wunsch, die Vorlagen rein zurückzugewinnen, auch nach vorsichtiger Prüfung nur unvollkommen befriedigt werden." — Nach der Bedeutung der mythischen Variationen für das Gedichtverständnis fragt WILAMOWITZ nicht (vgl. auch Pi. 456). M Vgl. Aufbau 6: „Die Schärfe dieses . . . Widerspruches (sc. zwischen .Programm' und .persönlicher Absicht') . . . wegzuinterpretieren, hieße sich der besten gegebenen Möglichkeit berauben, die dichterische, ethische, historische Lage Pi.'s konkret zu zu erfassen." — Vgl. YOUNGS Urteil über SCHADEWALDT, Pindaric Criticism 610f. 2? SCHADEWALDT, Aufbau 5. 28 Ebd. 79f.

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6

Einleitung

men" (Prooimion, Siegerteil, Mythos, Gnomik)29 betrachten? —Sollen wir mit H. Fränkel glauben, „zwischen den Elementen des Gedichts" sei „keine spezielle Gedankeneinheit gefordert": Pindars Kunst wolle „nicht etwas geben, was allein und für sich stünde", sondern sie zeige „jeweils einen Ausschnitt aus dem einheitlichen Reich werthafter Wirklichkeit"30 ? Müssen wir uns wirklich damit begnügen, die ,Einheit' der Gedichte „überwiegend außerhalb jedes Gedichtes"31 zu suchen, und so den Gedanken an die Einheit des einzelnen Liedes aufgeben ? Ist die von Schadewaldt und Fränkel zur Begründung dieses Ergebnisses übereinstimmend vorgetragene Behauptung, für ein vorklassisches Werk sei auch noch gar keine andere Form von .Einheit' (d. h. also: keine Einheit) zu erwarten32, wirklich zutreffend? Oder können wir uns mit Norwood u. a.33 auf eine rein »ästhetische' Einheit beschränken, die sich in einem Bild, einem Symbol oder einer Vorstellung ausdrückt, durch deren wiederholtes Auftreten innerhalb des Gedichtes sich für den Dichter die ,logisch' oft überhaupt nicht zusammenhängenden Gedichtelemente34 zu einem Ganzen zusammenschlössen ? Im Grunde scheint in dieser Suche nach Einheitsbegriffen ein Unbehagen über die nur historisch-biographische Forschung, die die Gedichte als Konglomerate von Einzelszenen betrachtete35, zum Ausdruck zu kommen. Man akzeptierte zwar grundsätzlich Wilamowitz' 29

Oder mit BOWRA, Pi. 354 (vgl. 322) die vier durch die .Tradition' vorgegebenen .Elemente', die Pi. zu kombinieren .gezwungen' gewesen sei: "gods, myths, maxims, and personal comments." 80 FRÄNKEL, Wege und Formen2, 1960, 368f.; vgl. dens., Dichtung und Philosophie2, 1962, 654: „Von dem einfarbig goldnen Licht des Wertes her, das sich gleichmäßig über alle seine Lieder ergießt, erhält seine Dichtung im großen und ganzen ihre Einheit"; vgl. 557—567, besonders 558: „der konkrete Inhalt der längeren Lieder (ist) hoffnungslos disparat. . . Wenn eine Perspektive vorhanden ist, die den Gedichten Geschlossenheit verleiht, so muß sie das einzelne Gedicht transzendieren " — FRÄNKELS These wird z. B. von LESKY, Griechische Literaturgeschichte, 19632, 227, akzeptiert. — Vgl. dagegen YOUNGS Urteil, Pindaric Criticism 611—613. » FRÄNKEL, W. u. F.2 369. 32 SCHADEWALDT, Aufbau 5: „daß sie (die .Einheit') .Einheitlichkeit' sei, liegt nicht in dem Begriff und ist auch nicht für eine griechische Kunstart zu erwarten, die vor der Tragödie war"; ähnlich FRÄNKEL, W. u. F.2 369. 88 NORWOOD, Pi. 1945: vgl. z. B. 35: "To feel and see with Pi. is infinitely more important than to think with him"; s. ebd. Lectures V—VII zum „Symbolism"; vgl. dazu und zu anderen .symbolistischen', .ästhetischen' oder .ethischen' Einheitsvorstellungen besonders YOUNG, Pindaric Criticism 615—619; vgl. z. B. THUMMER, Forschungsbericht ,Pi.' l, AAHG 11, 1958, 69—71; Forschungsbericht ,Pi.' 2, AAHG 19, 1966, 297f. (zu BERNARD Pi.'s Denken in Bildern, 1963); BOWRA, Pi. 1964, 322. 84 Vgl. z. B. NORWOOD 35; vgl. 8. 85 Vgl. WILAMOWITZ, Pi. 458 f.

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Einleitung

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historische Betrachtungsweise und im großen und ganzen auch sein Bild von Pindars Persönlichkeit und Entwicklung36, glaubte aber trotzdem nicht auf jede Form von Einheit verzichten zu können. Wie unbefriedigend aber ,Einheits'Vorstellungen sind, welche die inhaltliche und kompositioneile Uneinheitlichkeit der einzelnen Gedichte voraussetzen, wird aus einem Protest van Groningens37 besonders deutlich: Pindar «n'a pas produit un fatras d'idees, d'images, de remits, de louanges, de prieres, que sais-je encore, tous beaux peut-etre, mais sans rapports röciproques. II est absurde de croire qu'il suffirait de prendre un 61oge par ci, un mythe par lä, un raisonnement ou conseil ailleurs, d'y ajouter, pour ne rien oublier, un epanchement personnel, et de forcer tout ceci dans un cadre me'trique determine^ pour composer un ensemble qui put etre qualifi6 d'ode pindarique».

Van Groningen untersucht dann acht Epinikien auf ihre «unite" compositionelle» und kommt zu dem Ergebnis, es gebe bei Pindar verschiedene Grade von Einheit, Gedichte von großer .Einheitlichkeit* (z. B. P. 6 und, auf eine ,komplexe' Weise, N. 1038), Lieder mit .unbedeutenden Abschweifungen' (z. B. P. 10)39 und solche, bei denen die Vereinigung der verschiedenen Motive nicht gelungen sei (z. B. O. 3 oder P. II)40. Er findet für dieses Resultat die Erklärung, das Gelingen oder Mißlingen einer organischen Komposition41 sei von der «activite" creatrice du poete» abhängig und weniger das Ergebnis des bewußt gestaltenden Geistes als der zufälligen seelischen Verfassung des Künstlers42. Diese Theorie von der Einheit als «rosultat du hasard» scheint weder besonders gut zu Van Groningens eigener oben zitierter kritischer Ausgangsposition noch zu dem von ihm selber beobachteten sorgfältigen Aufbau z. B. der zehnten nemeischen Ode43 zu passen, und sie 86

NORWOOD z. B. gibt, nachdem er S. 9 WILAMOWITZ' .biographisches' Vorgehen als „grave error" bezeichnet hat, einen Überblick über Pi.'s Leben, der von WILAMOWITZ deutlich beeinflußt ist (ebd. 9—21). 37 La composition litteraire, I9602, 340. 38 VAN GRONINGEN, a. O. 344 f. und 366—375 (vgl. 374 f. «L'ode nous apprend que l'unitd n'est pas nocessairement uniforme; eile peut se prösenter comme une convergence de motifs naturellement et ^troitement apparentös en consequence du fait que le poete les a vöcus ensemble» : « composite»). 39 a. . 345—350 (350 «a part des hearts insignifiants, il se manifeste dans celle-ci une unite remarquable»). 40 a. O. 351 f. und 358—366. 41 Sie kann ebensogut auf dem Zusammenwirken mehrerer miteinander verflochtener Motive (z. B. N. 10) wie auf der Unterordnung der Gedichtteile unter ein zentrales Thema (z. B. P. 6) beruhen: vgl. VAN GRONINGEN 374f. u. ö. 42 a. O. 386: «L'unito des odes solidement construites est done plutot le rosultat du hasard, disons: de l'otat d'äme du poete, que d'une intention consciente et volontaire . . . » 43

a. O. 366—375.

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Einleitung

widerspricht der seit Schadewaldt systematisch untersuchten bewu ten Aufbautechnik Pindars. Die berlegte Form- und Variationskunst des Dichters l t sich nicht mit der Vorstellung von der »unbewu t schaffenden K nstlerseele' vereinigen. Van Groningens Schlu folgerung hat auch wenig Anklang gefunden44. Bowra, der wie Van Groningen die unterschiedliche Einheit von Pindars Kompositionen hervorhebt46, dem Dichter aber, trotz aller „echoes of politics" und „personal comments" und trotz der ,Fesseln der Tradition'46, im Unterschied zu Van Groningen47 doch grunds tzlich den Willen zur einheitlichen Gestaltung zugesteht48, findet deshalb f r die problematische Einheit der Epinikien eine andere Formulierung. Sie ist so gewunden, da aus ihr allein schon das Dilemma der modernen Pindar-Forschung hervorgeht49: "The unity of a poem by Pindar is not to be explained by analogies from music or the visual arts, and must in the first place be sought in the occasion which it celebrates and from which Pindar selects what he thinks to be most relevant. . . He remains faithful to the four traditional elements of gods, myths, maxims, and personal comments, but he does not keep them in separate compartments and indeed takes much trouble to interweave them with one another into a single developing pattern . . . Even when Pindar strikes what seems to us a jarring note of personal animosity or arrogance, or breaks a flowing paragraph with some disturbing divagation, he does so partly to draw attention to something else . . . Such an art cannot be reduced to rules, but it is undeniably governed by a powerful conviction of what a song ought to be. Pindar obeys his genius in the swift, sinuous movements of his mind and his unpremeditated response to the challenge of each theme and all that it means to him, but behind this he has a firm conception of a work of art which allows a rich variety of effects, but none the less keeps bounds for what is proper . . .".

Im Grunde resigniert Bowra hier vor dem Widerspruch zwischen dem Eindruck eines „single developing pattern", den Pindars Formkunst hervorruft und den „jarring notes of personal animosity or arrogance" und den „disturbing divagations", die er in vielen Gedichten (besonders aber N. 7 und P. 2)60 festzustellen glaubt. Seine Ausf hrun44

Vgl. THUMMER, Forschungsbericht ,Pi.' 2, AAHG 19, 1966, 292. BOWRA, Pi., 1964, 317—354 ("Unity and Variety in Structure"). 46 Vgl. BOWRA, Pi. 322: "Tradition insisted that he should include four elements", sc. 'gods, myths, maxims, personal remarks'; 323: "the four disparate elements demanded by tradition and not always easy to bring together" (vgl. DRACHMANN, Fortolkning 323f. zum .traditionellen' Mythos). 47 La composition litteraire 386: «rien n'indique qu'il (sc. Pi.) se soit roellement soucio de Γυηίΐέ, ni qu'il ait consciemment aspiro la roaliser». 48 Vgl. z. B. a. O. 324, wo er aus P. l, 81 f. (πολλών πείρατα συντανΟσαις) schlie t: "this proves that he was guided by some conception of unity"; vgl. 323: "regard for a dominating shape"; vgl. 320. 49 BOWRA, Pi. 363 f. 60 BOWRA, Pi. 333—335 (zu N. 7) und 335f. (zu P. 2). 46

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rangen schwanken best ndig zwischen ,Zwar' und ,Aber' hin und her, und er landet schlie lich bei dem wenig befriedigenden Gedanken, Pindar selber habe sicher eine klare Vorstellung davon gehabt, was ein Gedicht sein m sse („a... conviction of what a song ought to be"). „Personal comments"51 und „disturbing divagations" sind also die beiden Klippen, an denen die k nstlerische Einheit von Pindars Liedern h ufig zu scheitern scheint. Handelt es sich um wirkliche oder nur um scheinbare Klippen? Die Realit t der ersten ist schon vor Bowra (1964) von Bundy (1962) zum ersten Mal grunds tzlich in Frage gestellt worden62. Er lenkt die Aufmerksamkeit, viel mehr als Schadewaldt es getan hatte, auf die ,chorlyrischen Konventionen' und untersucht am Beispiel von 0. 11 und I. l Pindars .literarische Technik'. Dabei stellt er die These auf: „there is no passage in Pindar and Bakkhulides that is not in its primary intent enkomiastic — that is, designed to enhance the glory of a particular patron"63. Diese These, nach der die Annahme von „personal comments" und ,politischen Stellungnahmen' Pindars auf dem Mi verst ndnis ,chorlyrischer Konventionen' beruht, geht von dem merkw rdigen Sachverhalt aus, da „gerade die am wenigsten verstandenen Stellen aus der Dichtung Pindars als verborgene Hinweise auf politische oder soziale Situationen gedeutet und dann in einer petitio principii das ganze Gedicht auf der Basis dieser unbeweisbaren Beziehung zu einer konkreten Situation erkl rt wird"54. Bundys prinzipielle Kritik an der bisherigen vorwiegend historisch-biographischen Pindar-Forschung hat in neuester Zeit weitgehend Zustimmung bei Thummer (1968/69)66 und Young (1968)6β gefunden. Nach ihren Untersuchungen scheinen die an den Sieger und seinen Sieg ankn pfenden Fragen, d. h. die mit dem Genos des Epinikion gegebene Thematik, doch mehr im Zentrum pindarischer Reflexion zu stehen als die communis opinio es wahrhaben will. Dieses Ergebnis aber wird eigentlich schon durch Schadewaldts Pindarbuch vorbereitet: fast alle der in Pindars Dichtung wesentlichen Motive, die Schadewaldt zusammenstellt, beziehen sich auf die Stellung des Dichters zu Sieg und Sieger57; nur das .Neidmotiv' scheint eine Ausnahme 61

Vgl. auch BOWRA, Pi. 329: "The importance of the personal element accounts for much that is hard to follow in Pi.'s methods of construction . . . at times Pi. gives to them (sc. the personal apologies) considerable space and thereby raises for himself awkward problems of composition, ..." 62 E. L. BUNDY, Studia Pindarica l und 2,1962; vgl. dazu YOUNG, Pindaric Criticism 621 f. 58 M Stud. Pind. 1, 3. THUMMER, Forschungsbericht ,Pi.' 2, 1966, AAHG 19, 296. 55 Pi. Die isthmischen Gedichte, Bd. l, 1968 und 2, 1969. 66 Three Odes of Pi. (P. 11; P. 3; O. 7), Mnemosyne Suppl. 9, 1968. 67 s. SCHADEWALDT, Aufbau, Register S. 83f. s. v. ,χρέος-Motiv', .Chans', ,δέξαιMotiv', .Freundschaft', .Koros-Motiv', .Lied', .Liedanpreisungsmotiv', ,φιλία', .Sieg und Lied', .Verpflichtungsgedanke', ,Xeinos-Motiv'.

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Einleitung

zu bilden58. Das auffallende Hervortreten der Enkomienthematik aber pa t nicht recht zu der Annahme, Pindar habe »personal preoccupations'59 einen besonders gro en Spielraum einger umt und ein besonderes Interesse an isolierten .zeitgeschichtlichen' Betrachtungen gehabt. Wieweit aber ist die enkomiastische Tendenz auch in den vorliegenden sechs Pindaroden wirksam, von denen vor allem N. 7, N. 4 und N. 8 eine gro e Rolle f r die biographisch-historische Forschung spielen ? Ist es wirklich richtig, in jedem Enkomion alle Teile entweder als offene oder verkappte Lobesformeln oder als schm ckende Digressionen aufzufassen, wie Thummer es im Anschlu an Bundy versucht hat? Wie steht es berhaupt mit der zweiten Klippe f r die ,Einheit', dem Vorwurf der .irrelevanten Digression', den schon die alexandrinischen Erkl rer vor allem gegen Pindars Mythen erhoben60, den Boeckh und seine Nachfolger f r unberechtigt hielten61 (und durch Spekulationen ber angebliche Lebensumst nde des Adressaten zu widerlegen suchten) und der seit Drachmann und Wilamowitz wieder ein fester Bestandteil der Pindarerkl rung ist ? Die mythischen Partien werden, obwohl sie auf Grund ihrer hervorragenden Stellung in den meisten Siegesliedern z. B. von Drachmann62 und Perrotta63 zum eigentlichen und allein wesentlichen Teil der Epinikien erkl rt wurden, bei Bundy64 und Thummer65 ebenso unzureichend ber cksichtigt wie schon bei Schadewaldt, dem Fr nkel vorgeworfen hat, er habe einen ,wei en Fleck' freigelassen, wo der Mythos seinen Platz h tte bekommen m ssen66. Andererseits l t wiederum Illig in seinen Untersuchungen zur Technik mythischer Erz hlungen bei Pindar67, welche die bei Schadewaldt bestehende L cke ausf llen sollen, die nicht mythischen Teile fast ganz au er Betracht. Kann man aber die Mythen wirklich so sehr als selbst ndige, mit den brigen Teilen ihrer Gedichte nur 5

» s. dazu u. S. 222f. und S. 207 Anm. 79. Vgl. NORWOOD, Pi. 178, zu N. 4; BOWRA, Pi. 329. 60 Vgl. z. B. Schol. P. 10, 46b (Bd. 2, S. 245 Dr.) zum Hyperboreermythos: άλόγφ παρεκβάσει χρησάμενος: vgl. Index XX, Bd. 3, S. 390 Dr. s. v. παρέκβαση und παρεκβαίνω. 61 Vgl. z. B. BOECKH 2, 2, 6 und DISSEN-SCHNEIDEWIN, 1843, XX. 62 Vgl. Fortolkning 324. 83 Pi., 1958, 30: «Pi. e il poeta del mito» (im Anschlu an Romagnoli). 64 Die von ihm interpretierten Oden (O. 11 und I. 1) enthalten keine Mythen, und er l t das Problem des Mythos in seiner Kritik an der bisherigen Pi.-Forschung au er Betracht. 65 Er h lt „Prooimion und Mythos" f r „prim r dekorative Elemente" (Isthm. l, 12; vgl. 107 ff.). 68 FR NKEL, W. u. F.2 355: ,,So bleibt hier ein leerer wei er Fleck im Gesamtbild, der nur die Aufschrift .Mythos' tr gt, aber keine Farbe hat und keine Funktion." 67 L. ILLIG, Zur Form der pindarischen Erz hlung, 1932. 59

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locker verknüpfte, .schmückende' Erzählungen behandeln oder tragen die z. T. sehr eigenwillig gestalteten mythischen Darstellungen doch mehr zur Einheit der Lieder Pindars bei als man gewöhnlich annimmt68 ? Schadewaldt69 und Bundy70 richteten die Aufmerksamkeit vor allem auf die kunstvolle Variation chorlyrischer Konventionen und Motive in den n ich t-mythischen Gedichtteilen; Illig wies auf die sorgfältige und bewußte Technik Pindars bei der Anlage und Durchführung vieler mythischer Erzählungen hin71: D. C. Young aber hat in neuester Zeit die Einsichten, welche sich aus der Untersuchung der Epinikienteile ergaben, auf die Gesamtinterpretation dreier berühmter und für manche , Willkür' und ,Abschweifung' berüchtigter Pindaroden übertragen: er hat für die Gedichte P. 11, P. 3 und 0. 7 eine überraschend klare und einheitliche Konzeption und Gedankenführung nachgewiesen72. Dabei stellte sich erneut, vor allem am Beispiel von P. 11, die Fragwürdigkeit der historisch-biographischen Interpretationsmethode (aber auch der allzusehr simplifizierenden oder nur ästhetisierenden Pindardeutungen) heraus73. Trotzdem hält auch Young für einige Gedichte Bemerkungen Pindars ,in eigener Sache' für er68

Vgl. schon K. FEHR, Die Mythen bei PL, Diss. Zürich 1936, 154: „Aus der Untersuchung ergibt sich klar und deutlich, daß bei Pi. die Mythen nirgends einzig um ihrer selbst willen dastehen, d. h. stoffliches Interesse und Erzählungsfreude waren bei ihm nicht wie bei Bakch. die Hauptbeweggründe ihrer Verwendung in den Epinikien". —· FEHR geht jedoch von der Voraussetzung aus, „daß ein Dichter .vorlogischer', archaischer Zeit überhaupt nicht logisch faßbar sein kann" (7) und schließt damit die Möglichkeit, Pi.'s Lieder als organische Einheiten verstehen zu können, von vornherein aus. Seine Arbeit gilt im wesentlichen „einer systematischen Ordnung der Mythenstoffe" (14), die sich bei Pi. finden. 69 Vgl. auch H. GUNDERT, Pi. und sein Dichterberuf, 1935. 70 Vgl. auch THUMMER, Isthm. l, 1968. 71 Er hebt zu Recht bei der Aufgabenstellung hervor (a. O. 5): „Ehe nicht, unter Berücksichtigung der technischen und inneren Voraussetzungen der mythischen Erzählung im Epinikion überhaupt, in Einzelinterpretationen geprüft ist, warum Pi. gerade so erzählt, wie er erzählt, . . . ist jeder Versuch der ästhetischen Würdigung und ebenso der Begriff der .poetischen Freiheit' oder .Willkür' fernzuhalten." 72 Three Odes of Pi., 1968: vgl. sein Ergebnis S. 106: "each poem (sc. P. 11; P. 3; O. 7) proves to be a unified, meaningful work of literary art"; s. seine Folgerungen für die Pi.-Erklärung S. 106—116. 73 s. besonders YOUNGS Widerlegung der allgemein akzeptierten Annahme einer .persönlichen Bemerkung' Pi.'s in P. 11, 50ff.: S. 6—22; vgl. im allgemeinen S. 106: "This result (sc. der Nachweis der künstlerischen Einheit für die drei untersuchten Lieder) questions the validity of the critical methods used by many influential scholars, who have found the Pindaric ode as literature incoherent, unimportant, or both. Equally apparent, however, is the woeful inadequacy of another common critical method, which seeks to grasp the meaning and art of the ode in some monotone, such as a homogeneous and all-embracing thought, symbol, or latent topical reference. The complex nature of Pi.'s poetry . . . demands a complex kind of criticism . . ."

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Einleitung

wiesen74: dazu zählt er vor allem N. 7, das in der vorliegenden Arbeit im Zusammenhang interpretiert und auf seine künstlerische Einheit hin untersucht werden soll. Muß man bei Pindar prinzipiell mit der Vernachlässigung der Komposition und der Epinikienthematik zugunsten von ganz privaten Zwecken rechnen ? Wieweit aber heute die Ansichten über Pindars Dichtung auseinandergehen, je nachdem, ob man mehr an eine »historische' oder eine »künstlerische' Zielsetzung des Dichters glaubt, zeigt vielleicht am besten eine Schlußfolgerung Youngs, konfrontiert mit einem Zitat aus einer anderen kürzlich erschienenen Pindararbeit. Die beiden Ansichten unterscheiden sich so kraß voneinander, daß man fast daran zweifeln könnte, ob sie sich überhaupt auf denselben Autor beziehen: (1) E. Wüst charakterisiert das Wesen pindarischer Dichtung in ihrer Dissertation mit dem programmatischen Titel „Pindar als geschichtsschreibender Dichter"75 folgendermaßen: „Vergangenes als Mythos und Zeitgeschichte als zu Mythisierendes bilden, aufs Grundsätzliche gesehen, den lückenlosen historischen Stoff von Pindars Dichtung." Von dieser Position aus interpretiert sie die zwölf „vorsizilischen" Oden76 sowie den sechsten Paian und das zehnte olympische Gedicht. (2) Dagegen stellt Young für die von ihm untersuchten Oden fest77: ". . . in the poems studied here, private situations and events, with the obvious, important exception of those somehow relevant to the encomiastic poem, have apparently been stripped of their private reference, presented as exoteric generalities, and subordinated to the literary aims of the poem. It would indeed be of great interest to discover the historical and private circumstances of each poem. But the evidence suggests that, for comprehension of the poems, such information is seldom necessary as a critical tool, usually impossible and probably superfluous as a critical goal"78.

Während die eine Interpretin meint, Pindar sei es um „Geschichtsschreibung" im Sinne einer ,,deutenden Darstellung der konkreten Ereignisse in der Welt" zu tun gewesen79 und er müsse ,,als Geschichtsschreiber ernst genommen" werden80, so hat, nach der Ansicht des anderen, Pindars Ziel gerade darin bestanden, den Ereignissen alles Konkrete, nur auf die besondere Situation Bezogene, zu nehmen, ihnen eine allgemeine Aussagekraft zu geben und sie vor allem ganz den literarisch-künstlerischen Zwecken des jeweiligen Gedichtes unterzuord7

* a. O. 25 Anm. 1. Diss. Tübingen 1967, Einleitung 8. 76 P. 10; P. 6; P. 12; O. 14; P. 7; N. 2; N. 7; N. 5; I. 6; I. 8; I. 6; O. 11: die Datierung besonders der drei nemeischen Gedichte ist jedoch ganz unsicher. 77 a. O. 106 f. 78 vgl. a. O. 26: "The study of P. 11 implies . . . that Pindaric criticism should have less to do with personalities and politics, more to do with poetics." 79 WÜST 6. 80 Ebd. 6. 78

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nen. W hrend E. W st glaubt, Pindar als Quelle historischer Information verwenden zu k nnen, ist f r Young Pindar ein K nstler, dem die konkreten historischen Ereignisse nur zum Anla f r bewu t allgemeine und berzeitliche Aussagen dienen. Das Problem ist also, ob Pindar in seinen Gedichten Informationen ber zeitgeschichtliche oder als historisch angesehene mythische Geschehnisse geben wollte, oder ob seine Lieder von den Zuf lligkeiten der historischen Situation losgel st und aus sich heraus verst ndlich sein sollen. Zwei Aufgaben stellte Boeckh81 dem Interpreten: „poetae consilium" und „rerumque et hominum, qui Pindaro talia scribendi occasionem praebuerant, condicio" deutlich zu machen. Die Frage ist, ob die zweite Aufgabe, die Aufdeckung der historischen Umst nde, unter denen die Gedichte entstanden sind oder sein k nnten, auch dann das Ziel der Interpretation sein kann und darf, wenn Pindar keine ausdr cklichen Hinweise gibt. Enthalten die Epinikien tats chlich weniger Informationen als zu ihrem Verst ndnis notwendig sind (und andererseits funktionslose, aus dem Rahmen fallende, Betrachtungen des Dichters, die f r das Gedichtverst ndnis g nzlich berfl ssig sind) ? Pindar selber hebt immer wieder als Zweck seiner Lieder hervor, da sie dem Ruhm der in ihnen gefeierten Adressaten und Sieger zeitlose G ltigkeit verleihen sollen82. Alle rein pers nlichen Bemerkungen' und f r sich stehenden .politischen Stellungnahmen' des Dichters st nden also au erhalb dieser erkl rten Absicht. Gibt Pindar in den Gedichten, die hier interpretiert werden sollen, derartigen themafremden Belangen wirklich so sehr nach wie man auf Grund von durchweg recht allgemeinen Aussagen gew hnlich annimmt? Wie weit und in welcher Hinsicht darf man berhaupt in Pindars allgemeinen Betrachtungen das Konkrete und Besondere suchen? Die folgenden Interpretationen von sechs Pindargedichten gehen jedesmal vom Mythos aus. Welche Bedeutung haben Pindars Mythen im Rahmen ihrer Gedichte? Kann man sie wirklich als „vorwiegend dekorative Bestandteile des Epinikion" (Thummer)83 einstufen, 81

BOECKH 2, 2, 6. Vgl. z. B. 0.10, 91—96 (καΐ όταν καλά Ιρξαις άοιδας άτερ. | Άγησίδαμ' (Adressat), είς Άίδα στσθμόν | άνήρ ΐκηται, κενεά ττνεύσαις εττορε μόχθφ βραχύ τι τερπνόν, τίν δ* άδυεττής τε λύρα) γλυκύς τ' αυλός άναττάσσει χάριν | τρέφονπ δ' ευρύ κλέος | κόραι Πιερίδες Διός); Ο. 11, 4—6 (εΐ δε συν TTOVOJ τις εο ττράσσοι, μελιγάρυες Ομνοι | υστέρων άρχά λόγων \ τέλλεται. . .); Ρ. 1, 92ff. (ότπθόμβροτον αύχημα δόξας | οίον άποιχομένων ανδρών δίαιταν μανύει | καΐ λογίοις καΐ άοιδοίς); Ρ. 3, 110—115 (114f. ά δ' άρετά κλειναϊς άοιδαϊς| χρονία τελέθει; vgl. YOUNG, Three Odes 58); N. 4, 6—8; N. 6, 26—34; N. 7, llff.; I. l, 41—52 und 68; I. 4, 37—44; I. 5, 21—28; I. 7, 16—19; I. 8, 56a—62; Pi. ging es offenbar vielmehr um den .Nachruhm' als um .Gegenwart' und .Zeitgeschichte'. 88 Isthm. l, Kap. 8, 107 ff. 82

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die nur der „Heraushebung der Stimmung über das Alltägliche ins Heroische" (O. Schroeder)84 oder der repräsentativen Darstellung der Wertewelt, in die der frische Sieg aufgenommen wird' (Fränkel)85 dienen sollen ? Oder müssen wir in ihnen gelegentlich »allegorische' Darstellungen zeitgeschichtlicher Verhältnisse sehen86? Oder sollen wir ihnen in der Regel recht allgemeine ,lehrhafte Zwecke' zuschreiben87 ? Oder sind Pindars Mythen doch noch enger mit den nicht-mythischen Teilen ihrer Gedichte verknüpft und für die Gesamtkomposition wesentlicher als es nach all diesen Urteilen scheinen könnte ? Wie sehr man im allgemeinen vom ,Eigenleben' der pindarischen Mythen überzeugt ist und wie wenig man mit einer tiefer gehenden Verankerung der Mythen in ihren Liedern rechnet, zeigt sich darin, daß die mythischen Partien mit Vorliebe ohne Rücksicht auf das Gedichtganze untersucht werden: vom konstruktiv-erzählerischen (Illig), vom inhaltlichen (Fehr), vom quellenkritischen (Wilamowitz)88 und vom motivgeschichtlichen Standpunkt89 aus. Versuche, problematische Pindargedichte von einer genauen Interpretation ihrer Mythen her zu erklären und von den Nuancen der mythischen Darstellung aus, ohne Rückgriff auf erschlossene .historische' und .persönliche' Hintergründe, dem Verständnis der Gedichtkomposition näherzukommen, gibt es dagegen kaum90, obgleich die Mythen wohl das Eigenartigste und vielleicht am wenigsten Konventionelle in Pindars Dichtung sind91 und gerade deshalb den meisten Epinikien ihr besonderes Gepräge geben. Wenn also Pindar in diesen Liedern auf eine inhaltliche und kompositionelle Einheit Wert gelegt hat, dann müßte vor allem die Art der Gestaltung des Mythos dafür aufschlußreich sein. 84

Pyth. — Komm. 95 (zu P. 10,31—48): „Der eigentliche Sinn des Mythos im Epinikion ist doch Heraushebung der Stimmung über das Alltägliche ins Heroische überhaupt . . .". *5 Vgl. W. u. F.2 368. 89 Vgl. z. B. FINLEY, Pi. and Aeschylus, 1955, 155 zu N. 8 (Sieg des Odysseus über Aias: Pi. "evidently means the more general change whereby Athens was soon to overpower or had already overpowered Aegina"). 87 Vgl. BOWRA, Pi. 290 und 292: "Pi. intended his myths to have an instructional purpose"; vgl. 293f.: "(Pi.'s) myths may contain warnings, especially against that presumption which is the ultimate rebellion against the gods ..." (vgl. schon DissEN-ScHNEiDEWiN, 1847, XXII zu P. 10: „pietatis et modestiae admonitio"). 88 Vgl. z.B. M. VAN DER KOLF, Quaeritur quomodo Pi. fabulas tractaverit, 1923; WÜST 1967; vgl. z. B. auch J. KAISER, Peleus und Thetis, Diss. München 1912 (zu den Peleusgedichten). 89 Vgl. zuletzt M. GRANT, Folktale and Hero-Tale Motifs, 1967. 90 Vgl. aber VAN GRONINGEN, La composition litteraire2, besonders zu N. 10, S. 366 bis 376; vgl. auch YOUNG, Three Odes. 91 Nicht zu Unrecht bezeichnet z. B. PERROTTA Pi. als ,den Dichter des Mythos' (Pi. 30). ·—· Der Mythos ist andererseits der systematisierenden, rein formalistischen Betrachtungsweise BUNDYS und THUMMERS am wenigsten zugänglich.

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Um sichere Kriterien für die Besonderheiten der einzelnen mythischen Erzählungen zu gewinnen, bin ich von Mythen ausgegangen, die Pindar in mehrfacher Variation in verschiedenen Gedichten behandelt (Aias/Odysseus; Neoptolemos; Perseus; Peleus; Telamon/ Herakles) und habe die Frage gestellt, worin die einzelnen Darstellungen desselben mythischen Stoffes voneinander abweichen. Lassen die Abweichungen jeweils besondere, von Pindar hervorgehobene Aspekte erkennen ? Ergeben sie Anhaltspunkte dafür, daß der Mythos auf die Gegebenheiten des einzelnen Liedes zugeschnitten und nach ihnen umgeformt wird? Unter den sechs hier interpretierten Epinikien befinden sich alle drei Gedichte, die den Mythos vom Ende des Aias enthalten (N. 8; N. 7; I. 4), sowie die beiden Lieder, in denen Pindar Episoden aus der Perseussage behandelt (P. 12; P. 10). Von den beiden Oden, welche die Auseinandersetzung des Peleus mit Hippolyte und Akastos darstellen (N. 4 und 5)92, soll dagegen hier nur die eine, für die Stichhaltigkeit der biographischen Pindardeutung und das Problem der künstlerischen Einheit besonders aufschlußreiche (N. 4) im einzelnen untersucht werden. Vier der ausgewählten Gedichte (N. 8; N. 7; N. 4; P. 10) erscheinen in der Forschung als sehr unorganische Kompositionen mit unklaren politischen oder persönlichen Anspielungen oder funktionslosen Digressionen. Jedesmal aber stützen sich die Urteile ganz oder teilweise auf die mythischen Gedichtpartien. — Das fünfte Lied (P. 12) enthält, nach der communis opinio, einen seltsam nichtssagenden ,Nachtrag' (V. 28—32) und ebenfalls einen gerade in seinem zentralen Teil als bloße Dekoration gewerteten Mythos. Beim sechsten Gedicht (I. 4) geht es vor allem um den ersten (AiasHomer-) Mythos, in welchem die andeutende Erzähl weise Pindars besonders frappierend ist und den man häufig durch Rückgriffe auf die traditionelle Fassung der Aias-Geschichte hat ergänzen und erklären wollen. Welche Funktion aber hat die ganz spezielle Variante der Sage vom Selbstmord des Aias, die Pindar hier bringt, im Rahmen des Liedes ? Ist es berechtigt, Pindars mythische Darstellung nach anderen Quellen zu vervollständigen, oder verfälscht man damit die Absichten des Dichters ? Wieweit sind Pindars Auslassungen und Umdeutungen durch die Eigenart der Liedkomposition bedingt ? Fünf der sechs Lieder (N. 8; N. 7; P. 12; P. 10; N. 4) sollen also nach allgemeiner Ansicht Partien enthalten, die aus dem Rahmen des jeweiligen Gedichtes herausfallen und die gedankliche Einheit zu stören oder auszuschließen scheinen. Dabei handelt es sich in N. 8 vor allem 92

Zu vergleichen sind außerdem, die .Peleusgedichte' I. 8 und N. 3.

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Einleitung

um das ,Neid'-Motiv und den mit ihm verknüpften Aias-Mythos, in N. 4 um eine Auseinandersetzung mit irgendwelchen ,Neidern' und .Feinden', welche in der Mitte des Liedes (innerhalb der zentralen mythischen Partie) plötzlich den Zusammenhang zu unterbrechen scheint, in N. 7 um die Art der Behandlung des Neoptolemos-Mythos, in P. 10 um die lange Schilderung des glückseligen Hyperboreerlebens im Zentrum des Gedichtes und in P. 12 um die von Anstrengung, göttlicher Hilfe und Schicksalsnotwendigkeit handelnden Schlußverse, denen die Interpreten jede innere Verbindung mit den übrigen Gedichtteilen abgesprochen haben. In drei dieser Fälle hat man versucht, die Schwierigkeiten, welche die genannten Passagen dem Verständnis entgegenstellen, durch von außen an die Gedichte herangetragene biographische oder historische Hypothesen zu losen: in N. 4 und 8 wendet sich der Dichter, nach der Meinung der meisten Interpreten, gegen aiginetische Kritiker und Neider seiner Dichtkunst93, andere Erklärer lassen ihn in N. 8 für das aufrechte und tapfere Aigina gegen das neidische und hinterhältige Athen zu Felde ziehen; in N. 7 wurde die lange ganz allgemein akzeptierte These, der Dichter rechtfertige' sich vor den Aigineten für eine frühere abschätzige Darstellung ihres Lokalheros Neoptolemos (im sechsten Paian für die Delpher), erst in neuester Zeit (durch Bundy94 und Thummer95) angezweifelt, ohne daß jedoch die in diesem Fall entscheidende Frage nach der Funktion der beiden Mythen des Gedichtes (Odysseus/Aias und Neoptolemos) wirklich gestellt und beantwortet wurde. — In allen drei Fällen nimmt man gewöhnlich an, daß die »persönliche Apologie' oder die politische Stellungnahme für Pindar wichtiger waren als das eigentliche Thema seines Liedes (die Ehrung des siegreichen Adressaten und seiner Familie). Dieser Glaube an die zeitgeschichtliche Tendenz als herausragendes Merkmal der Dichtung Pindars hat dazu geführt, daß man auch in Gedichten, in denen keine so auffällige Unterbrechung des Zusammenhanges festzustellen war, einen zeitgeschichtlichen Zweck gesucht und gefunden hat. Das sechste der hier untersuchten Epinikien, I. 4, ist dafür ein Beispiel: man hat es als „Rehabilitation einer alten Familie", die bei Plataiai auf der falschen (persischen) Seite gekämpft habe, aufgefaßt96. Nach der Meinung der meisten Interpreten hat Pindar persönlichen oder politischen Nebenabsichten zuliebe oft plötzliche und ,unvermit88

Vgl. im allgemeinen für die communis opinio über Pi.'s angebliche Neider z. B. LESKY, Gr. Literaturgeschichte2 222. 94 95 Stud. Find, l, 4 mit Anm. 14; vgl. 29 mit Anm. 70. Isthm. l, 94—98. 96 WILAMOWITZ, Pi. 335, vgl. 337 und 341; vgl. dens., Euripides Herakles 1895 (1959), Bd. 2, 82 Anm. 156 („kompromittierte Perserfreunde"); vgl. LESKY, Gr. Literaturgeschichte2, 1963, 219.

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Einleitung

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telte Sprünge'97 aus dem Zusammenhang in Kauf genommen, ja, es ergibt sich überhaupt fast der Eindruck, das ,unvermittelte Springen' zu gedichtfremden Themen sei ein besonderes Charakteristikum pindarischer Darstellung. Durchweg wird die .Sprunghaftigkeit' Pindars betont98 und als Zusammenhanglosigkeit verstanden. Als Zeuge dafür wird Pindar selbst angeführt99, der sich in Übergangs- und Abbruchsformeln von .Abwegen' zum Thema zurückruft100 oder sein Lied mit dem Flug der Biene vergleicht, die von Blüte zu Blüte .stürmt'101. Man scheint dieses künstlerische (,Abbruchs'-) Motiv für ein persönliches Bekenntnis des Dichters zu Regellosigkeit und Launenhaftigkeit zu halten und nimmt deshalb auch ohne große Überraschung die im Rahmen des Gedichtes scheinbar ganz irrelevante Hyperboreer-.Digression' im Zentrum von P. 10 und den ,funktionslosen' Epilog in P. 12 zur Kenntnis. Stehen die .Einzelteile' in Pindars Gedichten wirklich manchmal so schroff und zusammenhanglos nebeneinander ? Drei der sechs hier zur Diskussion stehenden Epinikien enthalten je zwei ausgeführte Mythen (N. 7: ,Aias' und .Neoptolemos'; I. 4: ,Aias' und .Herakles'; und N. 4: ,Telamon/Herakles' und .Peleus'), und es ergibt sich die Frage, ob Pindar diese beiden Mythen jeweils in eine Beziehung zueinander gesetzt hat oder ob sie voneinander unabhängig sind. Zur Beurteilung der Nuancen in den einzelnen Darstellungen sollen dabei, neben den ParaUelen für die Aias- und die PeleusGeschichte bei Pindar, auch noch die Gedichte Pae. 6 und I. 6 mit den Parallel Versionen für die Neoptolemoserzählung in N. 7 und den Telamon/Herakles-Mythos in N. 4 zum Vergleich herangezogen werden. Bei zwei weiteren in dieser Arbeit behandelten Oden (P. 12 und P. 10) bestehen die mythischen Partien aus einem ,Rahmen-' und einem ,Hauptmythos' (P. 12:,Athene' — .Perseus'; P. 10:,Perseus' — »Hyperboreer'), und auch hier ist die inhaltliche Verknüpfung der Teile problematisch. In P. 12 scheint Athenes Interesse für die Klage der Gorgonenschwestern und die von ihr aus der Klage entwickelte Flötenmusik (Rahmenhandlung) keine innere Beziehung zum mythischen Zentrum, der Auseinandersetzung des Perseus mit der Gorgo Medusa und seiner Rache an Polydektes, aufzuweisen. Was hat Athene mit Perseus, die Flötenmusik mit der Perseustat zu tun ? — In P. 10 andererseits legt Pindar den Besuch des Perseus bei den Hyperboreern mit 97

s. z. B. WILAMOWITZ, Pi. 407, zu N. 8, 19ff. Vgl. z. B. FRÄNKEL, Rez. SCHADEWALDT: W. u. F.2 350. 89 FRÄNKEL, a.O.: ,,Pi. selbst spricht vom Stürmen und Springen seiner Dichtung . . . Das Sprunghafte darf also nicht weginterpretiert werden ..." 100 z. B. P. 11, 38ff. (Übergang vom Mythos zum Siegerteil). 101 P. 10, 53 f.: das Motiv besagt jedoch nicht, daß die zuvor oder danach behandelten Themen irrelevant und die Folge der Liedteile .unvermittelt' oder planlos sind. 98

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Köhnken, Pindar

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Einleitung

einem kurzen Hinweis auf seine Taten als Rahmen um eine ausführliche Beschreibung des Hyperboreerdaseins, worin Perseus nicht vorkommt. Welche Funktion hat der ,Perseusbesuch', und wozu dient der Tatenbericht ? Ging es Pindar in diesem Gedicht mehr um Perseus oder mehr um die Hyperboreer ? Nur in einem der sechs Lieder schließlich (N. 8) begnügt Pindar sich mit einem ausgeführten Mythos, der dafür relativ lang und besonders dramatisch ist. N. 8 enthält Pindars leidenschaftlichste Anklage gegen den ,Neid', der den Aias um die ihm zustehenden Waffen Achills brachte und ihn zum Selbstmord veranlaßte und der andererseits dem Odysseus einen unverdienten, .morschen' Ruhm verschaffte. Man hat den Mythos außerhalb seines Kontextes beurteilt und darin eine bewegte Klage des Dichters über seine oder Aiginas Neider gesehen. In beiden Fällen hätte Pindar seine Aufgabe, den siegreichen Aigineten Deinias und seinen Vates Megas zu ehren (V. 13—16 und 42fl), ganz außer acht gelassen. Gibt es aber wirklich keine Möglichkeit, die mythische Darstellung im Rahmen des Gedichtes zu verstehen? Muß man sie für sich isoliert betrachten und bewerten ? Im folgenden soll jedes der sechs Lieder in zusammenhängender Interpretation behandelt werden. Die Reihenfolge richtet sich nach den Stoffen der vorwiegend behandelten Mythen (Aias/Odysseus; Perseus ; Peleus) und innerhalb der stofflich zusammengehörigen Gruppen nach der Ausführlichkeit der mythischen Darstellung (also N. 8 vor N. 7 und I. 4; P. 12 vor P. 10 und am Schluß N. 4). Wilamowitz102 beobachtet am Beispiel des Mythos von den Töchtern des Kadmos in O. 2 und P. 3, daß „Pindar die vertrauten Geschichten je nach Bedarf wendet, ganz wie die christlichen Prediger die alttestamentlichen". Wie aber kann man den „Bedarf" im Einzelfall anders feststellen als durch die genaue Interpretation der besonderen mythischen Version im Kontext ihres Liedes? Die Hauptfrage heißt also nicht, wieviele und welche verschiedenen Quellen Pindar z. B. in seinen Peleus- oder Perseusgedichten benutzt und kontaminiert hat und welcher Sagenzug jeweils welcher Quelle entnommen oder vielleicht auch neu erfunden wurde, sondern weshalb Pindar im einzelnen Gedicht bestimmte Motive z. B. der Peleusgeschichte hervorhebt und andere ausläßt oder in den Hintergrund schiebt und wieweit die verschiedenen Nuancen zum Verständnis des einzelnen Gedichtes beitragen. 102

Pi. 246.

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Das achte nemeische Lied /. Vorbemerkung F r Pindars achtes nemeisches Lied auf einen Doppellaufsieg des Aigineten Deinias (V. 16) gibt es in der Forschung drei verschiedene Grundauffassungen, von denen nur die dritte, von nur einem Interpreten vertretene, nicht mit einem konkreten pers nlichen oder politischen, vom aktuellen sportlichen Anla unabh ngigen, Anliegen des Dichters rechnet. Alle drei Auffassungen beziehen sich, ganz oder teilweise, auf den in der Mitte des Liedes stehenden, verh ltnism ig ausf hrlichen Mythos vom Ende des Aias (23—34), der den ,Neid der Schlechteren auf die Besseren' illustriert (V. 21 f.). Jede der drei Auffassungen aber versteht das Neidmotiv und den Mythos anders: Entweder (1) betrachtet man das Lied als ein Gebet f r die bedrohte Freiheit der Insel Aigina, oder (2) man glaubt, N. 8 sei (zugleich) ,eine pers nliche Erkl rung' Pindars gegen Angriffe auf seine literarische Stellung; ein Erkl rer nimmt schlie lich an (3), Pindar richte sich gegen Neider und Feinde des von ihm gefeierten Siegers Deinias. Die Ansicht, Aiginas gef hrdete Lage sei der Hintergrund von N. 8 (1), st tzt sich, noch mehr als auf die zentrale mythische Partie mit dem Neidmotiv, vor allem auf Verse aus der Eingangs- (und Schlu -)partie des Gedichtes, w hrend die Annahme, Pindar wehre sich gegen Angriffe auf seine pers nliche Stellung (2), in erster Linie vom Mythos und den ihn einleitenden und auf ihn folgenden Versen ausgeht. Die Vermutung schlie lich (3), Pindar beziehe sich auf Feinde des Siegers Deinias, betrifft nur die mythische Neid-Passage im Gedichtzentrum. (1) Bei der Ansicht, N. 8 beziehe sich auf eine f r Aigina gef hrliche politische Situation, lassen sich die folgenden Hauptpositionen und -argumente unterscheiden (sie st tzen sich immer nur auf einzelne Verspartien im Gedicht): (a) Aus den Versen 8—14, in denen von der freiwilligen Unterordnung der Heroen aus den Aigina benachbarten Gegenden, der Herrscher in Athen und Sparta, unter den Aiakiden Aiakos die Rede ist1, sch e t Wilamowitz2: 1

Die V. 8—14 lauten: Πολλά νιν (sc. Αίακόν) πολλοί λιτάνευον Ιδεΐν | άβοατί γαρ ηρώων αωτοι περιναιεταόντων | ήθελον κείνου γε πείθεσθ' άναξίαις έκόντεζ, | οϊ τε κρανααίς εν ΆΟάναισιν αρμοζον στρατόν, | οι τ' ανά Σπάρταν Πελοπηϊάδαι. | ίκέτας Αίακοΰ σεμνών γονάτων πολιός θ" υπέρ φίλας | αστών θ' υπέρ τώνδ" άπτομαι . . . 2 Pi. 407. 2·

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Das achte nemeische Lied diese Scheidung der Hellenen in zwei Lager und die Bitte f r Aiginas Wohlergehen (ist) durch die Not der Zeit hervorgerufen, . . ., in der Athen es niederdr ckt, Sparta ihm nicht zu Hilfe kommt." (b) Aus denselben Versen folgert Farnell3: "It is not clear, whether the island-state had already lost her high position as a leading maritime power; but the grave concern that he (sc. Pindar) expresses for her (sc. Aigina) in 11. 13, 14 indicates the approach of peril, while 11. 8—11, . . ., may be interpreted as an appeal to the powers of Greece to deal considerately with her (sc. Aigina)." (c) Im Schlu vers des Gedichtes (51 ην γε μάν έτπκώμιος ύμνος | δη ττάλαι καΐ ττρίν γενέσθαι τάν Αδράστου τάν τε Καδμείων ?ριν) glaubt Finley4 "the shadow or actuality of war" zu entdecken und meint8: "This hint of coming war at the end confirms the vision at the start of Aegina's once-acknowledged place and dignity and the sense of present change in the bitter and intensely felt account of Ajax's death." (d) Bowra* schlie lich schreibt zur zentralen Liedpartie Vers 21—34, in der Pindar den Selbstmord des gro en Aias auf L gen und Neid des Odysseus und der anderen Griechen zur ckf hrt 7 : "It is hard to avoid the conclusion that at this time the Aeginetans felt that their true worth was not valued as it should be by the rest of Greece but that they were the victims of calumny and misrepresentation . . . (Pindar's) myth and the comments on it suggest that he is both indignant and frightened for Aegina and fears that it may suffer something like the doom of Ajax." — An anderer Stelle meint Bowra8: ". . . the defence of Ajax and the attack on calumny (21ff.) suggest that Aegina is being attacked in words if not in fact. . . The war between Athens and Aegina may not yet have broken out, but cannot be far off."

Die beiden zuletzt genannten Erkl rer versuchen also, im Interesse einer einheitlichen Interpretation des Gedichtes auch den Mythos auf die angenommene historische Situation zu beziehen. — Drei der vier angef hrten Interpreten ziehen f r die zeitliche Einordnung von N. 8 den Schlu , das Gedicht m sse in der Zeit zwischen 460 und 456 v. Chr., wahrscheinlich 459 v. Chr.9, kurz vor oder w hrend der vierj hrigen Belagerung Aiginas durch Athen10, entstanden sein11. 3

Komm. 303. * Pi. and Aeschylus 156. a. O. 39. · Pi. 298f. 7 Die auf Neid und Verleumdung bez glichen Rahmenverse des Mythos lauten: V. 21—23: όψον δε λόγοι φθονεροϊσιν, | άπτεται δ" έσλών αεί, χειρόνεσσι δ' ουκ ερίζει. | κείνος καΐ Τελαμώνος δάψεν υΐόν, . . . 32—34: έχθρα δ' δρα πάρφασις ην καΐ ττάλαι, | αίμύλων μύθων όμόφοιτος, δολοφραδής, κακοποιόν όνειδος · | & το μεν λαμπρόν βιαται, των δ' άφαντων κΰδος άντείνει σαθρόν. 8 a. Ο. 412. 8 Vgl. FARNELL, Komm. 303; BOWRA, Pi. 412. — WILAMOWITZ, Pi. 410f. gibt einer Zeit zwischen 456 (Kapitulation Aiginas) und 445 (Koroneia) den Vorzug vor 460/59 v. Chr., weil „w hrend der Blockade . .. die Feier schwer denkbar" sei (vgl. a. O. 407). 10 Vgl. Thuc. l, 106, 2ff. und l, 108, 4. 11 MEZGER 325f., und ihm folgend BURY, Komm. 145, und CASPAR 42, hatten die Situation von 491 v. Chr. als historischen Hintergrund f r N. 8 angenommen: s. dazu FARNELL, Komm. 303. 5

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Vorbemerkung

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Gegen die zitierten Interpretationen ergeben sich aus dem Pindartext die folgenden Einw nde: Zu (a) und (b): Die »freiwillige Unterordnung' in den Versen 9—12 (άβοατί. . . έκόντες Vers 9 und 10: durch die Stellung ganz am Anfang und ganz am Ende des Satzes hervorgehoben) ist ein auch sonst begegnendes Enkomienmotiv12. Die Verse besagen nur, da in .alter Zeit' selbst die f hrenden Helden der m chtigsten griechischen Nachbarst mme Aiginas bereit waren, sich der Herrschaft des Aiakos (κείνου γε . . . άναξίαις) unterzuordnen: f r ,die m chtigsten Griechenst mme' setzt Pindar die beiden Hauptm chte seiner Zeit: Athen und Sparta13. Von der pers nlichen Bedeutung des Aiakos in heroischer Zeit (9 ηρώων άωτοι) auf Grund seiner besonderen Qualit ten (8 χειρί καϊ βουλαϊς άριστος) ist hier zur Ehre Aiginas und der Aigineten die Rede, nicht aber von einer Vorrangstellung der .Seemacht Aigina'. Pindar spricht auch nicht von einer „Scheidung der Hellenen in zwei" (feindliche) „Lager", geschweige denn von einer Unterdr ckung Aiginas durch Athen und einer unterlassenen Hilfeleistung Spartas. — Bei Vers 13f. ist fraglich, ob Pindar den Aiakos tats chlich .besorgt' um Aiginas „Wohlergehen" in einer kritischen Situation bittet, und nicht vielmehr allgemein darum, der .durch Kraft und Klugheit hervorragende' Heros Aiakos (8 χειρϊ καϊ βουλαϊς άριστος) m ge weiterhin unter seinen Nachkommen und in seiner Stadt f r t chtige Leute und gefeierte K mpfer sorgen, die der Dichter im Lied preisen kann, wie die Adressaten des Gedichtes, Deinias und Megas: ,Mit meinem Lied f r Deinias und Megas ber hre ich bittend die Knie des Aiakos' (V. 13—16 ϊκέτας AiotKo . . . γονάτων . . .| . . . άπτομαι φέρων | . . . | Δείνιος . . . καϊ πατρός Μέγα Νεμεαΐον άγαλμα): vgl. Pindars Wunsch Vers 38f. (εγώ . . . άστοϊς άδών . . . | αϊ νέων άίνητά) und die Vers 46 f. ausgesprochene Absicht, der Vaterstadt des Siegers (Aigina) und seiner Familie das Lied um der Siege willen darzubringen (47 εκατι ποδών εύωνύνων). In diesen Zusammenhang wird auch Vers 13 f. geh ren (ίκέτας . . . πολιός θ' υπέρ φίλας | αστών Θ' Οπερ τώνδε). Die enge syntaktische Verkn pfung der an Aiakos gerichteten Bitte ,f r Aigina und die Aigineten' mit dem Siegeslied f r Deinias und Megas l t eigentlich kaum zu, die Bitte auf etwas zu beziehen, das nicht unmittelbar mit den Siegen der beiden Aigineten in Verbindung steht: .Als Bittflehender f r die mir befreundete Stadt und diese St dter hier umfasse ich, mein Lied auf die nemeischen Siege von Deinias und Megas darbringend, 12

Vgl. z. B. PL Criti. 112d 4f. (Mythos von Urathen): των μεν αυτών πολιτών φύλακες, των δε άλλων Ελλήνων ηγεμόνες εχόντων, . . . 13 Vgl. BOWRA, Pi. 412: ". . . the joint mention of Athenians and Spartans (11—12) (suggests), that this was a time when their powers were equally balanced."

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Das achte nemeische Lied

die Knie ihres Heros Aiakos', sagt Pindar: Inhalt der Bitte kann nach der vorhergehenden Darstellung von Leistungskraft (V. 8) und Macht (V. 7—12) des aiginetischen Heros Aiakos wohl nur sein, da dieser das Lied g nstig aufnehmen und weiter f r Erfolg und Leistungskraft seiner Stadt und ihrer Bewohner sorgen m ge. Eine genaue Parallele ist O. 5, 17ff.: .Retter Zeus, als dein Bittflehender komme ich, mein Lied nach lydischen Fl tenmelodien singend (Σωτήρ . . . Ζεϋ, . . . I . . . , l Ικέτας σέθεν Ιρχομαι Λνδίοις άπύαη> εν αύλοΐς: vgl. Ν. 8, 13 ff. ίκέτας Αίακοΰ σεμνών γονάτων . . . | ... ατττομαι φέρων \ Λνδίαν μίτραν . . .), um f r die Stadt um k a m p f t chtige M nner und f r den Sieger um ein gl ckliches Alter zu bitten' (αίτήσων ττόλιν εύανορίαις τάνδε κλυταϊς | δαιδάλλειν, σε τ", Όλυμπιόνικε, . . . | ... φέρει ν γήρας εοθυμον . . .)14: auch hier sind Hikesie und Lied mit der Bitte f r die (Leistungskraft der) Stadt und der Hervorhebung des Siegers verkn pft.

Die F rbitte an Aiakos in N. 8 gilt demnach ganz allgemein dem Gl ck des Siegers und dem Wohlergehen seiner Stadt: sie ist nicht Ausdruck der Besorgnis Pindars ber eine im Gedicht selbst kaum erkennbare f r Aigina bedrohliche politische Lage. Die „Bitte um Aiginas Wohlergehen" braucht also nicht „durch die Not der Zeit hervorgerufen" zu sein. Zu (c): Der von Finley politisch-historisch gedeutete Vers 51 ist wohl nur eine periphrastische Zeitbestimmung16. Zu (c) und (d): Die Annahme, ,Aias' stehe f r ,Aigina' (und ,Odysseus' f r ,Athen')16 und der Mythos vom Ende des Aias sei ein Hinweis auf das vermutliche Schicksal des von Athen bedrohten Aigina, hat keine Anhaltspunkte im Text und st t auf gro e Schwierigkeiten: wieso sollte z. B. Aigina ,unberedt' sein wie Aias (V. 24 άγλωσσος), wie lie en sich ,L ge' und .Trug' des Odysseus (V. 25 ψεύδος; 32 πάρφασις) auf die Gegner Aiginas beziehen, und wieso sollte Pindar berhaupt so kleinm tig oder so taktlos sein, da er f r das der These zufolge doch erst bedrohte Aigina schon das festliegende schlimme Schicksal des Aias voraussetzen k nnte? — Bevor man Ereignisse, die ganz au erhalb des Gedichtes liegen, zu seiner Erkl rung benutzt, m te zun chst untersucht werden, ob nicht der Mythos im Gedicht selbst 14

Vgl. z. B. die Bitte am Schlu von O. 8 (87f.): όστήμαντον άγων βίοτον| αυτούς τ' άέξοι καΐ πόλιν (sc. Zeus). 15 s. u. S. 35 mit Anm. 63. 16 Vgl. FINLEY, a. O. 150: ". . . the silent Ajax is contrasted in moral stature to the wordy and negotiating Odysseus. Being directed toward the contemporary world, the comparison evidently extends to oligarchy and democracy" (vgl. a. O. 155). — Im Grunde argumentiert so schon MEZGER 324ff., vgl. besonders 3281, und nach ihm BURY (Komm. 145ff.) und CASPAR (S. 42), die allerdings N. 8 auf eine andere historische Situation beziehen (491 v. Chr.); gegen die Gleichsetzung des Odysseus mit Athen WILAMOWITZ. Pi. 409 Anm. 1.

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Vorbemerkung

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eine Funktion hat, die alle von au en herangetragenen historisierenden Deutungsversuche berfl ssig macht. (2) Zur Erkl rung des Mythos und der ihm vorangehenden und auf ihn folgenden Bemerkungen leiten andere Interpreten jedoch, im Unterschied zu Bowra17 (und Finley18), aus Vers 19—21 eine pers nliche Absicht Pindars ab, sich gegen Angriffe auf seine literarische Stellung zu wehren: (a) Wilamowitz (Pindaros 407) schlie t aus den Begriffen .Gefahr' und ,Neid', die Pindar in den fraglichen Versen vor Beginn des Mythos hervorhebt (ΐσταμαι δη ποσσί κούφοις, άμπνέων τε ιτρίν τι φάμεν | πολλά γαρ πολλά λέλεκται, νεαρά δ' έξευρόντα δόμεν βασάνφ | εξ ?λεγχον, άπας κίνδυνος· όψον δε λόγοι φβονεροϊσιν, | . . .): „ G a n z u n v e r m i t t e l t springt 19 der Dichter zu einer pers nlichen Erkl rung ber, die den Hauptteil des Gedichtes einnimmt und nur zur Vergleichung den Aiakiden Aias heranzieht. . ."20; (b) Zu einer hnlichen Auffassung gelangt Farnell (Komm. 304): "The exordium of the ode is solemn and religious as if composed for a service in the Aiakeion; but after this Pindar is mainly concerned about himself and the embarassment caused him by hostile critics and rivals in Aigina; and the mythological digression is motived, not by anything in the world of politics but by his own literary position which is exposed to envy and misjudgement."

Sollten diese Erkl rungen zutreffen, dann fiele das Gedicht in zwei ganz verschiedenartige Teile auseinander: (1) Bitte um Aiginas Wohl (Beginn des Gedichtes) und (2) Abwehr von Angriffen pers nlicher Gegner {Hauptteil des Liedes), und man m te fragen, wie diese beiden disparaten Teile miteinander und mit der offiziellen (von den genannten Interpreten aber offenbar als ganz nebens chlich angesehenen) Aufgabe, die Siege der Aigineten Deinias und Megas zu feiern, in Einklang zu bringen sind. (3) Eine ganz andere Deutung versucht schlie lich, in einer kurzen Bemerkung zu N. 8, 19ff., E. L. Bundy21: "In N. 8, 19—22, thought of the criticism (φθόνος) which his (sc. Pindar's) praise may evoke a m o n g the enemies of Deinis 2 2 induces him to pause (lines 19—22), even to illustrate the dangers of praising a man among his peers (lines 23—34), before he can confidently return to his task (sc. to praise)23." 17

Dessen Betrachtungsweise des Mythos im Grunde diejenige DISSENS und MEZGERS ist: vgl. MEZGER 325. 18 FINLEY, 154f., wechselt seine Position: ". . . (Pi.) seeks something new, though aware of inevitable criticism" (These 2); "Yet once embarked on the story of Ajax, he evidently conceives envy and ill will as not directed against himself but against Aigina ..." (These 1). 19 Von mir gesperrt. 20 Vgl. SCHADEWALDT, Aufbau 52: ,,. . . der ganze .Mythos' (wird) dem Pers nlichen dienstbar"; vgl. auch ILLIG 13: „Pi. wehrt in N. 8 offenbar die Kritik ab, die sich gegen seine Erfindungen erhoben hat" (mit Verweis auf WILAMOWITZ, Pi. 409). 21 Studia Pindarica 2, 40. 22 Von mir gesperrt. 23 Vgl. BUNDY, a. a. O. Anm. 16.

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Das achte nemeische Lied

Hier wird nicht mehr Aigina oder Pindar als Objekt des .Neides' angenommen, sondern Deinias, der durch das Lied gefeierte Sieger. Diese Deutung hat den Vorteil, da sie ohne erschlossene zeitgeschichtliche Anl sse auskommt. Kann man aber den Mythos vom Ende des Aias wirklich als eine Illustration der .Gefahren des R hmens' interpretieren24 ? F r die Erkl rung von N. 8 ergeben sich demnach die folgenden Fragen: (1) Ist es m glich, das Gedicht ohne den R ckgriff auf vermutete historische Hintergr nde aus sich selbst heraus zu erkl ren ? (2) Welche Funktion hat der Mythos innerhalb des Gedichtes ? Ist die Annahme einer .unvermittelten pers nlichen Erkl rung Pindars' richtig? Welche Bedeutung hat das Motiv von der ,Gefahr' (V. 19f.), und welche Rolle spielt der ,Neid' (φθόνος) im Mythos und im Rahmen des gesamten Gedichtes ? //. Der Mythos vom Ende des Aias Das achte nemeische Lied, welches neben dem aktuellen Sieger Deinias auch dessen (nicht mehr lebenden) Vater Megas feiert (V. 16; vgl. 44ff.), gliedert sich in drei Teile. Im ersten (V. l—18) erkl rt Pindar die Leistung des Deinias aus der Aiakidentradition: aus der Liebesverbindung (vgl. V. 1: .Aphrodite') des Zeus mit Aigina (V. 6f.) ging Aiakos, der gewaltige Stammheros der Aiginetenhervor (V. 7—12). Ihm bringt Pindar sein Lied auf den Sieg des Deinias dar (V. 13—16), denn der g ttliche Ursprung ist Ursache und Gew hr f r dauernden Erfolg: f r diesen Sieg ebenso wie f r die Leistungen der Aigineten berhaupt (17f.; 17συν θεφ yap τοι φυτευθείζ δλβο$ άνθρώποισι τταρμονώτεροζ ...). — Der zweite, zentrale, Teil des Liedes (V. 19—34; Neuansatz V. 19 ίσταμαι δη ττοσσι κούφοι;, άμττνέων τε ττρίν τι φάμεν ...) hat das besonders umstrittene ,Neidmotiv' zum Thema. Pindar illustriert die Wirkung des ,Neides' am Beispiel des Aias, der dem Odysseus unterliegt. — Im Schlu teil des Gedichtes schlie lich (V. 35—51; Neuansatz V. 35 mit einem Anruf an Zeus, den Patron der nemeischen Spiele, Gatten der Aigina und Vater des Aiakos: vgl. 6ff.) geht es um die eigentliche Ehrung des Adressaten: um das angemessene Lob f r gro e Taten im allgemeinen (V. 37ff.) und die Bedeutung des vorliegenden r hmenden Liedes f r Megas und seine Familie im besonderen (V. 44 ff.). Der Mittelteil des Liedes, der hier vor allem behandelt werden soll, enth lt in den Versen 21 — 34 Pindars ausf hrlichste Darstellung vom 24

s. dazu u. S. 31.

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Der Mythos vom Ende des Aias

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Streit des Aias und des Odysseus um die Waffen Achills und vom Tod des Aias. Die Erz hlung ist scharf antithetisch aufgebaut. Auf der einen Seite stehen die »T chtigen' (έσλοί), auf der anderen die .Schlechteren' (χείρονες: Vers 22), hier der ,nicht redegewandte, aber tapfere Mann' (24 άγλωσσος μεν, ήτορ δ' όλκιμος), dort die schillernde L ge' (25 αίόλον ψεύδος)25, hier Odysseus, dort Aias (26f. Όδυσσή ... Αίας: chiastisch zum Vorhergehenden), einerseits ,das Strahlende' (34 το λαμπρόν), andererseits ,die Unscheinbaren' (34 ot άφαντοι). Auf einen allgemeinen Satz folgt zun chst zweimal jeweils das konkrete Beispiel: Pindar geht aus vom Neid, der .immer die Edlen (T chtigen) packt, aber nicht mit Schlechteren streitet' (22) und f hrt als besonderen Fall eines Opfers des .Neides' den Aias an (23). — Daran schlie t sich erneut eine Aussage in allgemeiner Form, die jedoch schon deutlich auf die besondere Situation Bezug nimmt (24f.: ,ein wenig beredter, aber t chtiger Mann wird in einem sch ndlichen Streit vergessen' : d. h. ,in einem Streit, wo es auf Worte ankommt — impliziert in άγλωσσος Vers 24 —, ger t die wahre T chtigkeit —Vers 24 ήτορ 6' όλκιμος — eines Mannes, der sich nicht auszudr cken wei — άγλωσσος —, in Vergessenheit'), und es folgt, mit γαρ angeschlossen (26), schlie lich das konkrete Beispiel ganz direkt (26f.: ,denn in heimlicher Abstimmung ehrten den Odysseus die Danaer, Aias aber, der goldenen Waffen beraubt, beging Selbstmord'). Erst in diesem Kernsatz seiner Darstellung bringt Pindar die Namen der beiden Kontrahenten: Vers 23 hatte er f r ,Aias' noch die Umschreibung ,Telamons Sohn' gebraucht. Von diesen beiden ersten Abschnitten seines Mythos (22 f. und 24—27), in denen jedesmal auf eine formal allgemeine Behauptung das spezielle Beispiel (Aias) folgt, ist der zweite sehr viel konkreter als der erste: fast unmerklich vollzieht sich hier der bergang von der allgemeinen Aussage in die paradigmatische Erz hlung. In beiden F llen schlie t Pindar zwar mit dem Selbstmord des Aias: 25

WILAMOWITZ' Konjektur φεϋδις statt ψευδός in V. 25 (SBBerlin 1901, 1314; vgl. Pi. 407 Anm. 1; von Snell im App. seiner Ausg., 1964, erw hnt) l t den f r Pi. typischen Wechsel von .konkret' und .abstrakt' unber cksichtigt, und wird durch V. 34 Γίάρφασις . . . το μεν λαμπρόν βιαται (gegen ber masc. των δ' άφαντων κϋδος άντείνει) widerlegt: WILAMOWITZ m te konsequenterweise auch an dieser Stelle τον λαμπρόν (sc. Aias) schreiben (was aber schon metrisch nicht m glich ist). Au erdem aber ist das anonym-s chliche ψευδός als variatio gegen ber dem pers nlich-ehrlichen άγλωσσος—όλκιμος viel wirkungsvoller als WILAMOWITZ' ψεϋδις. Die Konjektur ist also sicher falsch und d rfte auch im App. der Ausgaben nicht erscheinen (vgl. auch SCHROEDER, ed. mai., Appendix 1923, 523, zu N. 8. 25).

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Das achte nemische Liedi

(1) κείνος (sc. ό φθόνος) και Τελαμώνος δάψεν υίόν φασγάνω άμφικυλίσαις(23); (2) χρυσέων δ' Αίας στερηθείς οπλών φόνω πάλαισεν (27), doch w hrend bei der ersten Angabe eine abstrakte Gr e, der ,Neid' (φθόνος), als Ursache f r Aias' Tod genannt wird und alles weitere (der Grund und die Art des Todes) noch offen bleibt, konstatiert der zweite Satz ganz n chtern, da Aias Selbstmord beging, weil er der Waffen (Achills) beraubt worden war. Derselbe Sachverhalt wird von zwei Seiten, vom ,Neid' und von Aias aus, gesehen. Zuerst ist der ,Neid' (φθόνος) Subjekt: der weiter wirkende eigentliche und letzte Grund f r die Vernichtung des Aias, der Neid der anderen, der sich gegen den berragenden Einzelnen richtet und ihn der ihm zustehenden Ehre beraubt, — und die daraus resultierende Entt uschung des Einzelnen, die ihn ,zernagt' (23 δάψεν) und sich in sein Schwert st rzen l t. — Der Neid hat hier also zwei Aspekte: er bezeichnet den ,Neid' der anderen und umfa t zugleich auch die R e a k t i o n , die bittere Entt uschung dessen, der eigentlich zun chst nur das O b j e k t des .Neides' war. An der zweiten Stelle (Vers 27) gibt Pindar fast sachlich-realistisch das traditionelle Ergebnis der Abstimmung um die Waffen bekannt: ,Aias wurde der goldenen Waffen beraubt und ging den Ringkampf mit dem Tode ein'. Doch auch diese Aussage ist nur scheinbar sachlich: die Formulierung ,der Waffen beraubt' (27 στερηθείς οπλών) zeigt Pindars pers nliches Engagement: die Waffen h tten Aias zugesprochen werden m ssen, sie standen ihm zu. Die beiden denselben Sachverhalt wiedergebenden S tze (Vers 23 und 27) stehen jedoch nicht nur im Verh ltnis »abstrakt—konkret' zueinander, sie erg nzen sich auch gegenseitig; in einem Punkt ist Satz (1) genauer als (2): ,der Neid wickelte den Aias um sein Schwert' (23 φασγάνω άμφικυλίσαις) gibt die notwendige Erl uterung zu ,Aias rang mit dem Tode' (27 Αίας ... φόνω πάλαισεν). Beide S tze zusammengenommen erst ergeben die vollst ndige Aussage: ,Aias nahm sich das Leben, indem er sich in sein Schwert st rzte'. Nur in diesem Gedicht spricht Pindar zweimal vom Tode des Aias; in den beiden anderen Darstellungen desselben Mythos (N. 7, 20—32, und I. 4, 31—39) ist der Selbstmord jeweils nur einmal erw hnt26. Pindar legt in N. 8 also besonderes Gewicht auf das durch ,Neid' (φθόνος) verursachte bittere Ergebnis des .h lichen Streites' um Achills Waffen (25 λυγρόν νεϊκος). 28

s. u. S. 59f. und 104ff.

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Der Mythos vom Ende des Aias

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Auffallend ist in diesem Lied die starke Anteilnahme Pindars, die im au ergew hnlich h ufigen Gebrauch wertender Adjektive und Substantive27, an einer Stelle zu einer tosenden Kaskade gesteigert (32—34: s. u.), zum Ausdruck kommt28. Der Streit um die Waffen wird als .elender Streit' (25 λνγρόν νεϊκος) bezeichnet, das Vorgehen des Odysseus als .schillernde L ge' (25 αΐόλον ψεύδος), die Abstimmung als eine .heimliche 29 Stimmabgabe' (26 κρνφιαι ψδφοι), die Danaer .ehrten' nicht etwa den Odysseus mit der Abstimmung zu seinen Gunsten, sondern sie .dienten' ihm (26 θεράπευσαν)30; die Waffen, um die Aias gebracht wird, bezeichnet Pindar als .h chste Ehre' (25 μέγιστον γέρας), und sie erhalten das Attribut .golden' (27 χρνσέων ... στερηθείς οπλών), wodurch ihr Wert hervorgehoben und die Gr e des Verlustes ausgemalt wird31. — In den Versen 32 f. schlie lich l t Pindar seinem Zorn ber L ge und Bosheit ,einst und jetzt' freien Lauf (32 και πάλαι: vgl. 23 και Τελαμώνος δάψεν υίόν: durch das και wird die allgemeine Bedeutung und G ltigkeit des besonderen Falles betont): »geh ssige L genrede gab es also auch in alter Zeit, die Begleiterin verschlagener Worte, listensinnend, eine bel bewirkende Schande' (έχθρα δ 1 άρα πάρφασις ην και πάλαι, | αίμύλων μύθων όμόφοιτος, δολοφραδής, κακοποιόν όνειδος). Auch hier steigert Pindar die an sich schon negativen Substantive noch durch abwertende Adjektive. Ver chtlich wird zum Schlu der durch so unlautere Mittel erkaufte Ruhm .verrottet' genannt (34 κϋδος ... σαθρόν). Der leidenschaftliche Ausbruch, das Wortget se, mit dem Pindar die Verschlagenheit verurteilt, die bunte F lle der Attribute, entsprechen der Ank ndigung Vers 15, er bringe ,ein t nendes Sieges (kr nz )27

Auch dies im Unterschied zu den beiden anderen Versionen: s.u. S. 59 f; 62 f. und 104 f.; 108 f. SB Zur pointierten Hervorhebung durch wertende Adjektive vgl. z. B. N. 4, 62—64: s. u. S. 199 mit Anm. 38. 29 κρνφιαι ψδφοι bedeutet wohl nur, da die Abstimmung und ihr Ergebnis das Licht des Tages zu scheuen hatten, heimliche, unfaire Machenschaften im Spiel waren: vgl. besonders die Reden der .neidischen Nachbarn' O. 1. 47 (Ivvrrre κρυφά τΐξ αΰτίκα φ&ονερων γειτόνων vgl. P. l, 84); vgl. das Auftreten eines κρύφιος Aoyos im Odysseus-Palamedes-Fragment: Fr. 260, 2 (vgl. auch die Gegenberstellung Fr. 203 εν φάει, κρυφά δε). Gl ck und Ruhm anderer ruft Neid hervor, der sich versteckt gegen den Beneideten u ert. Dieser heimliche Neid auf den Ruhm des Aias ist, zusammen mit der L ge des Odysseus, die Ursache f r das ungerechtfertigte Abstimmungsergebnis. 30 Hier negativ .(unterw rfig) dienen', vgl. bei Pi. I. 8, 7 μη ... κάδεα θεράπευε (,la deine Sorgen nicht Herr ber dich sein'); im positiven Sinn P. 3, 109 δαίμον(α) . . . Οεραπεύων. — N. 8, 26 werden die bei der Abstimmung sich in die H nde arbeitenden Personen auch formal pointiert nebeneinanderger ckt: Όδνσσή Δαναοί θεράπευσαν. 31 Vgl. dagegen das schmucklose δττλων ·χολωθείς Ν. 7, 25.

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Das achte nemeische Lied

lied, mit rauschenden lydischen Melodien reich geschm ckt' (Λυδία μίτρα καναχηδά πεποικιλμένα)32. Mit dem das mythische Paradeigma abschlie enden und verallgemeinernden Satz ber die tr gende Verdrehung der Tatsachen, die ,auch in alter Zeit' wahre Gr e herabgesetzt und falschen Ruhm emporgehoben habe (32—34), schafft Pindar sich den bergang zum Wunsch Vers 35: ,M ge ich nie so sein, Vater Zeus' (εΐη μη ποτέ μοι τοιούτον ήθος, Ζεΰ πάτερ), ein Wunsch, welcher der Verschlagenheit des Odysseus (25 αίόλος; vgl. 33 αίμύλος) den einfachen und geraden »Lebensweg' entgegensetzt (35f. κελεΟΘοις | άπλόαις ζωας Ιφαπτοίμαν) und, statt des .morschen Ruhmes' von Leuten wie Odysseus (34 κύδος σαθρόν), einen lauteren Ruhm als das erstrebenswerte Ziel hinstellt (36 θανών ως παισΐ κλέος \ μη το δύσφαμον προσάψω). Diesen Ruf der Ehrlichkeit hofft Pindar zu erreichen, indem er Lob und Tadel je nach Verdienst austeilt (39 αΐνέων αΐνητά, μομφάν δ* έπισπείρων άλιτροϊς, hervorgehoben durch die Priamel 37f.)33, so wie er im vorliegenden Mythos den Odysseus verurteilt und den .tapferen Aias' (24 ήτορ ... όλκιμος) ger hmt hatte und wie er andererseits die Adressaten des Gedichtes (Deinias und seinen Vater Megas) um ihrer Siege willen (47f. εκατι ποδών ευωνύμων \ δίς δη δυοΐν)34 ,nach Verdienst' lobt (48 χαίρω δε πρόσφορον \ εν μεν Ιργω κόμπον ίείς). 82

Zur Verschmelzung von ,Lied' und .(Sieges-)Kranz' oder ,-Band' bei Pi. vgl. z. B· O. 6, 86f. (Pi. von sich:) άνδράσιν αίχματαϊσι πλέκων\ (Kranzvorstellung) ποικίλον νμνον; Fr. 179 υφαίνω . . . ποίκιλαν ανδημα (,ein buntes Kranzlied'); N. 4, 44 εξύφαινε (vgl. das vorige Beispiel), γλυκεία . . . φόρμιγξ, | Λυδία: συν αρμονία (vgl. N. 8, 15 Λυδία μίτρα) μέλος; s. Schol. Pi. N. 8, 24a, S. 142 Dr., und vgl. die Diskussion bei FARNELL, Komm, zu N. 8, 15, S. 305f. (Seine Kritik an Pi., a. O. 306, ist allerdings ganz unberechtigt). — BOWRAS Interpretation von N. 8, 15 (Pi. 17: "A Lydian coif embroidered with ringing bells," vgl. schon WILAMOWITZ, Pi. 406 mit Anm. l, der einen „Schmuck" mit .klappernden' „Anh ngseln" annimmt: die „bells" sind ebenso wie die „Anh ngsel" Erfindungen der Interpreten) wird durch die obengenannten Parallelen zur ,Lied-Kranz'-Vorstellung bei Pi. widerlegt, die BOWRA (ebenso wie WILAMOWITZ) au er acht l t (zu καναχηδά vgl. P. 10, 39: FARNELL, a. O. 305). Hier handelt es sich nicht um eine reale Kopfbedeckung, sondern Pi. stellt sein Lied als kostbaren Siegesschmuck dar (von einem „gr lichen Kakozelon", WILAMOWITZ, a. O., Anm. l, kann wohl nicht die Rede sein). 33 Zur Stilfigur der Priamel bei Pi. und ihrer Funktion s. jetzt E. L. BUNDY, Stud. Find, l, 1962, bes. 4—10. 34 Vgl. 13—16: Ικέτας Αίακοΰ σεμνών γονάτων πολιός θ' υπέρ φίλας | αστών 6' υπέρ τώνδ' άπτομαι φέρων | . . . μίτραν . . . | Δείνιος δισσών σταδίων καΐ πατρός Μέγα Νεμεαΐον άγαλμα: das zweite Glied des Anfangsthemas αστών . . . Οπερ τώνδ (ε) klingt am Schlu der Priamel 37 f. wieder an: εγώ δ' άστοϊς άδών . . .; das erste Glied πολιός . . . υπέρ φίλας wird 46 wieder aufgegriffen: σεϋ δε (sc. Μέγα) πάτρα Χαριάδαις τε (der Phyle des Siegers: Schol. z. St.) ... | ύπερεΐσαι λίθον Μοισαϊον...

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Der Mythos vom Ende des Aias

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Da Aias eigentlich die Ehre h tte zukommen m ssen, die dem Odysseus zugeschoben wurde, beweist Pindar im Schlu teil der mythischen Darstellung (28—32), wo er auf den ungleich starken Einsatz von Aias und Odysseus bei den K mpfen um Troja eingeht und die wahre Leistung des Aias aufzeigt: der Hinweis auf die K mpfe erl utert das Ehrenpr dikat ,Held mit dem tapferen Herzen' (ήτορ ... όλκιμος), mit dem Pindar in Vers 24 den Aias charakterisiert hatte. — In der Darstellung insgesamt liegt das Gewicht allerdings weit mehr auf dem Tadel (an Odysseus) als auf dem Lob des Aias, doch treten berhaupt die beiden Protagonisten hinter den Eigenschaften, die sie verk rpern, zur ck. Der Mythos in N. 8 gliedert sich also im ganzen in drei Abschnitte, von denen die beiden ersten im Aufbau sehr hnlich sind. Jeweils folgt auf eine allgemeine Aussage Aias als mythischer Beleg: (1) Vers 21—23 geht aus vom ,Neid' (φθόνο?), der ,immer die T chtigen angreift', und bringt Aias als Beispiel; (2) Vers 24—27 spricht zun chst formal allgemein von ,einem unberedten, aber tapferen Mann, der beim Wortstreit zu kurz kommt' und nennt dann wieder Aias. Der zweite Abschnitt ist jedoch der konkreten mythischen Situation schon viel n her als der erste. Nach der die wahren Verh ltnisse verschleiernden »Streitsituation' sucht dann der dritte Abschnitt, die Darstellung der wirklichen .Kampfsituation', schlie lich zu zeigen, warum die Entscheidung gegen Aias ungerecht war: Odysseus' und Aias' Verdienste bei den K mpfen um Troja werden gegeneinander abgewogen. In diesem Abschnitt ist Pindars Bericht, wenn man ihn f r sich betrachtet, merkw rdig unscharf. Pindar sagt nicht ausdr cklich, Aias sei dem Odysseus als K mpfer weit berlegen gewesen, sondern er bezeichnet die Wunden, die sie den Feinden beibrachten, als .ungleich' (28f. ανόμοια γε δφοισιν εν θερμω χροί | ελκεα ρήξαν πελεμιζόμενοι | ΟΤΓ' άλεξιμβρότω λόγχα)36; da damit gemeint ist, ,Aias schlug den Feinden viel mehr und schlimmere Wunden', wird nur durch die vorangehende, im Zentrum der mythischen Erz hlung stehende Stellungnahme gegen Odysseus und f r Aias deutlich (s. o. Abschnitt (2): Verse 24—27). Erst in der Beziehung auf den Kontext bekommt die Passage ihren pr zisen Sinn. Der dritte Abschnitt des Mythos in N. 8 stellt die K mpfe um den Leichnam Achills besonders heraus (30—32 τα μεν άμφ' Άχιλεΐ νεοκτόνω, ] άλλων τε μόχθων εν ττολυφθόροΐζ | άμέραις). Pindar scheint 85

Abwandlung eines Homerverses wie B 543f. (im Schiffskatalog: Vorstellung der Abanten als) αίχμηταΐ μεμαωτες όρεκτήσιν μελίτ|σιν| θώρηκας φήξειν δηίων άμφΐ στήθεσσιν: Statt όρεκτησιν μελίησιν sagt Pi. ΰττ' άλεξιμβρότω λόγχσ., statt θώρηκας ρήξειν steht bei Pi. ϋλκεα ρήξαν, statt δηίων άμφί στήθεσσιν hei t es bei Pi. δάοισιν ίν θερμω χροί.

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Das achte nemeische Lied

durch die Betonung dieses Einsatzes f r Achill auf die Tradition zur ckzugreifen, nach der Thetis die Waffen ihres Sohnes wohl in erster Linie f r den ausgesetzt hatte, der sich um den toten Helden die gr ten Verdienste erworben hatte36. Pindar beginnt das mythische Paradeigma in N. 8 mit dem Satz, ,ein Festessen sind Worte f r Neider' (21 όψον δε λόγοι φθονεροΐσιν)37, und er schlie t es ab mit der Feststellung: ,Falsche Darstellung gab es also auch schon in alter Zeit, die Begleiterin verschlagener L genworte ...' (32f. ττάρφασις ην καΐ ττάλαι, | αίμύλων μύθων όμόφοιτο$ ...). Von dem aus den ,Neidern' in Vers 21 (φθονεροΐσιν) als Subjekt f r das Folgende zu entnehmenden ,Neid' (φθόνος)38 hatte Pindar ausgesagt: ,er packt immer die T chtigen, ..., er zerfleischte Telamons Sohn' Aias (22f. άπτεται δ' Ισλών αεί, ..., | ... Τελαμωνο$ δάψεν υίόν ...), von der Wirkung der .geh ssigen Verzerrung der Wahrheit' (έχθρα ... πάρφασι$) sagt der Dichter zum Schlu des Mythos: ,sie vergewaltigt das Strahlende' (wie hier den Aias: 34a το μεν λαμττρόν βιαται)39. Die Passage am Ende erkl rt den Satz zu Beginn: φθόνος und ττάρφασίζ geh ren zusammen; wie die Verben deutlich machen, setzt Pindar die beiden Begriffe praktisch gleich. Zur ττάρφασι$ wiederum treten ausdr cklich noch einmal die μύθοι (33 αίμύλων μύθων δμόφοιτο$), und dem entspricht die Verbindung von λόγοι und φθονεροί im Eingangssatz (21 δψον ... λόγοι φθονεροΐσιν): die ,Worte' (λόγοι) von Vers 21 sind mit den .verschlagenen Worten' (αίμύλοι μύθοι) von Vers 33 zu identifizieren. Der Neid der φθονεροί (21) zeigt sich in der ,geh ssigen Darstellung wider besseres Wissen' (32 έχθρα ... πάρφασις), durch die sie den wahren Helden um den verdienten Ruhm bringen. Der Satz δψον δε λόγοι φθονεροΐσιν (21) bedeutet also: .Neider erg tzen sich an mi g nstigen Worten': ,sie n hren sich durch geh ssiges Verkleinern der Verdienste des Beneideten'. 36

Vgl. λ 546 (έΌηκε δε ττότνια μήτηρ, sc. τα τεύχεα) und AMEIS/HENTZE ζ. St.; vgl. Il.parv.fr.il, S. 129 f. ALLEN (Beurteilung der Leistungen von Aias und Odysseus im Hinblick auf ihren Einsatz bei der Rettung der Leiche Achills; vgl. Proklosexz. (Aithiopis) 190 (63) (S. 54 KULLMANN)). 87 Zur bisherigen Interpretation dieses Satzes in der Forschung s. u. S. 31. 38 Schol. z. St. (S. 144, Z. 5ff. Dr.): άττό των φθονούντων έττΐ τον φθόνον μετήγαγε τον λόγον . . . 39 Andererseits (34 b) των δ' άφαντων (wie hier des Odysseus) KU5os άντείνει σαθρόν (sc. ή ττάρφασίξ), entsprechend V. 25 μέγιστον 5* αΐόλφ ψεύδει γέρας άντέταται (BURY, Komm, zu V. 25 und 34, macht auf die Beziehung άντέταται—άντείνει aufmerksam): auch hier mu man beide Aussagen zusammennehmen, um das vollst ndige Bild zu erhalten: das .h chste Ehrengeschenk' (μέγιστον γέρας), das dem Odysseus zugesprochen wird, ist nur Ausdruck eines .morschen Ruhms' (κϋδος σαβρόν).

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Der Mythos vom Ende des Aias

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Die bliche Auffassung der Stelle, wie sie sich neuerdings z. B. bei Bowra40 findet, " . . . (envy) when it hears noble doings praised 41 , attacks them . . . 'Words sharpen the appetite of envy...' ",ist also unrichtig. Ebensowenig stimmt z. B. Bundy's Interpretation der Verse42 ". . . thought of the criticism (φθόνος) which his praise may evoke among the enemies of Deinis induces him to pause (lines 19—22), even to illustrate the dangers of praising a man among his peers (lines 23—34), . . .43". — Beide Erkl rungsversuche widersprechen der im folgenden (Verse 22ff.) als Paradeigma f r die Wirkung von φθόνος und ττάρφασις angef hrten Aias-Odysseus-Geschichte, worin die edlen Taten (des Aias) eben gerade n i c h t gepriesen werden. Es w re nicht sehr sinnvoll, die Gefahren des Lobes dadurch zu illustrieren, da man schildert, wie neidisches L gen (des Odysseus), also das Gegenteil des Lobes, zum Tode eines tapferen Mannes (des Aias) f hrten. Der Mythos in N. 8 ist aber kein Beispiel f r die Gefahr der Lobrede. Der Neid wird hier nicht durch lobende Worte hervorgerufen44, sondern er v e r h i n d e r t eben die lobende Anerkennung gro er Taten45. Unter den .Worten' (λόγοι) in Vers 21 sind folglich nicht die Worte des Dichters zu verstehen, die etwa „f r die Mi gunst ein gefundenes Fressen"46 w ren, sondern der Ausdruck bedeutet hier .neidische Worte', n mlich die der φθονεροί selbst, und der Satz hei t: .Neider erg tzen sich an i h r e n eigenen (mi g nstigen) Reden wie an einem Festessen'47. Das gleiche Bild gebraucht Pindar P. 2, 55f.: είδον . . . ψογερόν Άρχίλοχον βαρυλόγοις έχθεσιν | πιαινόμενον: wie Archilochos ,νοη seinen mi g nstigen Ha worten fett wird', so sind N. 8, 21 ,die eigenen neidischen Worte f r die Neider ein fettes Mahl'.

Der Zusammenhang ab Vers 19 bis Vers 39 ist dann der folgende: ,Ich hole tief Luft, bevor ich etwas u ere, denn Vieles ist (schon) auf viele Weise gesagt, und ein neues Lied (20 νεαρά δ* έξευρόντα) zur Probe auf den Pr fstein zu legen, ist immer gef hrlich (onras κίνδυνος)'

40

PL, 1964, 187.

41

Von mir gesperrt. 42 Stud. Pind. 2, 1962, 40. 48 Vgl. z. B. schon WILAMOWITZ und FARNELL: s. u. Anm. 46. 44 Anders O. 8, 53ff.: vgl. BUNDY, Stud. Pind. l, 16. 45 Deshalb auch sonst die mahnenden Selbstaufforderungen des Dichters: ,μή φθονεί. . .', vgl. I. l, 43; I. 5, 24: s. u. S. 32 Anm. 55; vgl. auch O. 11, 7 άφθόνητος αίνος .ein Lob ohne φθόνος', .ein Lob, das durch Mi gunst nicht beeintr chtigt ist': vgl. SCHADEWALDT 20 Anm. l und s. BUNDY Stud. Pind. l, 15, im Gegensatz z. B. zu WILAMOWITZ, Pi. 217 mit Anm. 2. 48 WILAMOWITZ, Pi. 407; vgl. 409: „Vorher (sc. V. 20f.) . . . hat er (sc. Pi.) gesagt, er wolle nichts Neues bringen, weil die Mi gunst sich darauf st rzen w rde ..." FARNELL, Komm. z. St., S. 306, vgl. 304, wendet sich zwar gegen WILAMOWITZ' Mi verst ndnis, Pi. wolle nichts Neues bringen, setzt aber ebenfalls νεαρά (20) mit Xoyoi (21) gleich, versteht also unter λόγοι (21) ,Pi.'s Worte'. 47 Vgl. die zweite H lfte der Scholienparaphrase z. St., S. 144, Z. 2—4 Dr.: τουτέστιν ούχ έτέρφ χρώνται ττροσοψήμοΓΠ l φθονεροί ή τοις εΐξ διαβολήν λόγοις; vgl. auch FINLEYS bersetzung, Pi. and Aeschylus 154: "Talk is the envious man's sweet food ..."

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Das achte nemeische Lied Soweit das einleitende εύρησιεπής-Motiv48, verbunden mit dem Motiv des .Z gerns'49 angesichts der Schwierigkeit der Aufgabe. Jedes n e u e Lied (νεαρά . . . έξευρόντα bedeutet nichts weiter)50 ist eine .Gefahr'51 oder ein .Wagnis' (τόλμα)52; dieses .Wagnis' oder diese .Gefahr' auf sich zu nehmen .erfordert Mut' (θαρσεϊν)63, weil es jedesmal wieder schwierig ist, das rechte Ma (vgl. Vers 4 καιρού μη πλαναθέντα)64 und die der Gr e der Leistung angemessenen Worte (vgl. Vers 48 χαίρω δε πρόσφορον \ εν μεν Ιργω κόμπον ίείς)65 zu finden. Wie soll sich der Dichter gegen ber seinem Gegenstand verhalten ? Pindar beschreibt zun chst die Gegenposition, die allzu h ufige ungerechtfertigte Herabsetzung der gro en Leistung, ihre Motive und ihre Folgen, — und stellt ihr dann seine eigene Haltung gegen ber:

,N ei der n sind (mi g nstige) Worte eine k stliche Speise. Die schlimmen Folgen neidischer Minderung gro er Taten aber werden klar am Beispiel des Vorgehens von Odysseus gegen Aias' (21 b—34). .Mi g nstige Rede also (die den tapferen Krieger, ebenso wie den t chtigen Wettk mpfer, um den verdienten Lohn bringen kann) soll und darf nicht meine Sache sein66, sondern ich m chte echte Leistung loben und tadeln immer nur da, wo es sich um wirkliche Vergehen (wie das des Odysseus) handelt' (35—39). 48

O. 9, 80ff.: εΐην ενρησιεπής άναγεΐο-θαι [ πρόσφορο εν Μοισαν δίφρω- τόλμα δε (vgl. 109 Θαρσέων) καΐ άμφιλαφής δύναμις | Ισποιτο: der Gedanke ist der gleiche wie in N. 8: an die Stelle des z gernden .tiefen Luftholens' tritt in O. 9 der Wunsch. 49 Vgl. die vorige Anm. und BUNDY, Stud. Find, l, f r „rhetorical pauses" (S. 8) und „hesitatory priamels" (S. 10): vgl. auch BUNDY a. O. 30f. mit Anm. 75. 50 s. o. Anm. 48 und vgl. z. B. O. 3, 4 (νεοσίγαλον εύρόντι τρόπον); Ο. 9, 47—49 δνθεα δ' ύμνων | νεωτέρων). 51 Vgl. als Kontrast P. 2, 65—67 (. . . βουλαΐ δε πρεσβύτεροι | άκίνδυνον έμοί έπο? (σε) ποτΐ πάντα λόγον | επαινεί ν παρέχοντι): Hieron besitzt au er Leistungskraft und Tatenruhm soviel Weisheit, da man ihn ohne Bedenken loben kann und das Risiko, das sonst jedes neue Gedicht enth lt, in diesem Sonderfall wegf llt (auch in P. 2 fehlen als Gegenbild und Hintergrund zu Pi.'s Lied die ψογεροί und φθονεροί, die lieber tadeln als loben, nicht: s. V. 52—56 und 89ff.). 52 O. 9, 82 (s. o. Anm. 48); O. 13, 11 f. (τόλμα τέ μοι | ευθεία γλώσσαν όρνύει λέγειν). 53 Ο. 9, 109 (δρθιον ώρυσαι Θαρσέων: vgl. o. Anm. 48); zum Motiv der .K hnheit' vgl. SCHADEWALDT, Aufbau 55; TUGENDHAT, Hermes 88, 1960, 394f. 54 Vgl. z. B. O. 13, 48 Ιπεται δ' εν έκάστω | (vgl. N. 8, 4 προς 2ργον Ικαστον) μέτρον νοήσαι δε καιρός άριστος; Ρ. 1, 81 καιρόν εΐ φθέγξαιο . . . | ... μείων ίπεται μώμος ανθρώπων: die .Gefahr' besteht im κομπεϊν παρά καιρόν (Ρ. 10, 4), vgl. Ο. 9, 38 το καυχασθαι παρά καιρόν | μανίαισιν ύποκρέκει. 66 Gegensatz zum κόμπος πρόσφορος ist das κομπεϊν παρά καιρόν (Ρ. 10, 4): vgl. die vorige Anm.; wenn das Lied der Gr e der Leistung nicht entspricht, hinter ihr zur ckbleibt, ist φθόνος im Spiel: vgl. I. l, 43 (άγάνορα κόμπο v | μη φθονεραΐσι . . . γνώμαις); I. 5, 24 (μη φθονεί κόμπον τον έοικότ' άοιδφ | κιρνάμεν); Ο. 11, 7 (άφθόνητος . . . αίνος); vgl. zu diesem Thema (.Neid, der so oft den t chtigen Krieger oder Wettk mpfer um die verdiente Anerkennung bringt, sei fern von mir') SCHADEWALDT, Aufbau 20 Anm. l (zu I. l, 47). 66 Die Gegen berstellung .Neider' (φθονεροί) einerseits, Pi. andererseits, findet sich auch O. l, 25 (36)—53 (Pelopsgeschichte): vgl. V. 47 (εννεπε κρυφςί τις αϋτίκα

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Der Mythos vom Ende des Aias

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Das Prinzip neidloser Lobrede auf die gro e Leistung, kontrastiert mit der neidischen Mi gunst, von der man sich fernhalten mu , spricht auch Bakchylides sehr deutlich aus: ,Um der Wahrheit willen mu man l o b e n , den Neid mit beiden H nden von sich sto end, wenn jemand etwas T chtiges vollbringt' (ep. 5, 187—190 [χρή] δ' άλαθείας χάριν | αινεϊν, φθόνον άμφ[οτέραισιν] | χερσίν άπωσάμενον, | εϊ τις ευ πράσσοι βροτών: vgl. z. B. auch Pindar, O. 11, 4-8).

Durch die bei Beachtung der Verse 32—34 (πάρφασι$ ... αίμύλων μύθων όμόφοιτος) deutliche Beziehung der ,Worte' (λόγοι) auf die ,Neider' (φθονεροί) in Vers 21 erkl rt sich auch die syntaktische Schwierigkeit, da man aus den ,Neidern' (φθονεροί) als Subjekt f r die folgenden S tze (22f.) den ,Neid' (φθόνο$) abstrahieren mu 57. Die Interpretation zeigt, da genau genommen aus λόγοι φθονεροϊσιν zusammen ein Begriff wie φθονερά πάρφασις als Subjekt der folgenden Verben (άτττεται ... ουκ ερίζει58 ... δάψεν) zu denken ist. Hierzu l t sich das Aiakidengedicht des Bakchylides, das manche Ber hrungspunkte mit N. 8 aufweist, vergleichen: ,Wen nicht der frechredende Neid bezwingt, der soll den geschickten Mann (sc. den Trainer Menandros) loben' (ep. 13, 199f. εϊ μη τίνα ·&ερσι[ε]πής \ φθόνος βιάται, \ αΐνείτω σοφόν άνδρα). Bakchylides' Ausdruck, θερσιεπής φθόνος βιαται ist praktisch eine Kombination der beiden Pindarpassagen N. 8, 21 f. und 34: ,der N e i d ... packt.. . und zerfleischt' (φθόνος . . . άπτεται . . . δάψεν) und .L genrede . . . b e z w i n g t . . .' (πάρφασίς . . . l rai). Bakchylides' Aussage, nach der ,Neid' und .freche Rede* zusammengeh ren und die lobenden Worte verhindern k nnen, st tzt die hier gegebene Interpretation der Verse N. 8, 21 f . : 'Neider n hren sich von mi g nstigen Worten',

Erst die Verbindung r umlich weit voneinander getrennter Aussagen am Anfang und am Ende des Mythos von N. 8 (Verse 21—23 und Verse 32—34) ergibt also eine klare Vorstellung von dem, was Pindar sagen will. Die Neidrede mit ihren schlimmen Folgen, die der Dichter am Beispiel des Aias aufzeigt, ist der dunkle Hintergrund, vor dem

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φθονερών γειτόνων, | . . . ότι) mit V. 52f. (έμοί δ' άπορα . . . είπεϊν . . . | άκέρδεια λέλογχε θαμινά κακαγόρους). Dort stellt Pi. jedoch einer mythischen Darstellung, deren Entstehen er auf Neid zur ckf hrt, seine eigene Version desselben M y t h o s gegen ber, w hrend er in N. 8 prinzipiell der Neidrede mit ihren Folgen seine neidlose Lobrede entgegensetzt. Vgl. FARNELL, Komm. z. St., S. 306; "... the supplying the noun φθόνος from the adjective φθονεροϊσι is a strange freedom of style . . ."; vgl. jedoch N. 7, 38—40 (von Neoptolemos) Μολοσσία δ' έμβασίλενεν ολίγον | χρόνον άτάρ γένος αίεΐ φέρει | τοντό οί γέρας, wo τοοτο . . . γέρας die aus έμβασίλευεν zu entnehmende .W rde eines K nigs' meint; s. auch u. S. 194f. zu N. 4, 3 und vgl. K HNER-GERTH l, 34f. Der Satz ist chiastisch gebaut: άπτεται (1) . . . έσλών (2), χειρόνεσσιν (2) . . . ουκ ερίζει (1). Die Aussage ist umkehrbar: ερίζει έσλοϊς, χειρόνων οΰχ άπτεται (sc. ό φθόνος). 3 K hnkcn, Pindar

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Das achte nemeische Lied

sich das Preislied, das Pindar als seine Aufgabe ansieht, um so leuchtender abhebt59. ///. Die Funktion des ,Neid'-Motivs im Rahmen des Liedes Diese Interpretation wird best tigt durch eine Beobachtung von Wilamowitz60, der die zum Teil w rtliche bereinstimmung des Schlu wortes von N. 8 (50f. ην γε μάν έτπκώμιος ΰμνο$ | δη πάλαι) mit dem Beginn des Schlu abschnittes im Mythos (32 έχθρα δ'άρα ττάρφασίζ ην καΐ ττάλαι) gesehen und auf den vom Dichter sicher beabsichtigten Gegensatz der beiden Verspartien hingewiesen hat, ohne jedoch die Schlu folgerung f r das Verst ndnis des Gedichtes zu ziehen61: ,Meine Sache', sagt Pindar, ,ist der εττικώμιο$ ύμνος, nicht die έχθρα ττάρφασις. Ich will die Leistung preisen und sie nicht, wie Odysseus und die Neider im allgemeinen, herabsetzen. Von mir darf der t chtige K mpfer ein Lob ohne neidische Vorbehalte erwarten' (vgl. O. 11, 7 άφθόνητοζ aTvos). Man k nnte den zweiten Teil von N. 8 also folgenderma en paraphrasieren: ,Wie die Odysseus-Aias-Geschichte zeigt, hat mi g nstige Rede eine lange Tradition (32 έχθρα δ'άρα ττάρφασι$ ην καΐ πάλαι): von mir jedoch sei jede Mi gunst fern. Statt der verschlungenen Pfade der L ge (33 αϊ μύλοι μΟθοι) w nsche ich mir den geraden Weg (35 f. κελεύθοίζ | άττλόαις ζωας έφατττοίμαν) und m chte alles Lobenswerte ohne Neid loben (39 αίνέων αίνητά). Wahre Leistung aber (40 άρετά) w chst durch das Lied gerecht lobender Dichter bis in den Himmel (40—42 αυξεται δ* άρετά χλωραΐ$ έέρσαι$ ώ$ δτε δένδρεον άσσει, | (εν) σοφοΐ$ ανδρών άερθεϊσ' εν δίκαιοι? τε ιτρός ύγρόν | αιθέρα)62. Des (toten) Megas und seines Sohnes Siege verdienen ein r hmendes Lied, und ich freue mich, wenn ich es mit angemessenen 69

Zum Gebrauch von .dunklen Folien' bei Pi. vgl. BUNDY, Stud. Find. 2, 47 ff. (zu I. l, 32—40: .dunkle Vergangenheit* als Kontrast zur .hellen Gegenwart' des Sieges); vgl. dens. a. O. 2, 40 Anm. 16 zu N. 8: V. 23—34 sei Folie f r V. 35—37: "... ('some people prefer φθόνος; Ι prefer praise') . . ." (BUNDYS Erkl rung der φθόνος-Partie V. 19—34, Stud. Find. 2, 40, ist jedoch im brigen unrichtig: s. o. S. 31). 60 s. seine Paraphrase, Pi. 408: ,,. . . Einen Festzug, wie wir ihn hier veranstalten, hat es auch schon immer gegeben (wie die ble πάρφασις), schon vor der Stiftung der Nemeen". 81 Er nimmt vielmehr eine Anspielung auf die angeblich dem Gedicht zugrunde liegende schwierige politische Lage an: „Es ist also auch jetzt in schwerer Zeit berechtigt, einen Komos zu halten" (Pi. 409, vgl. 406f.). 62 Vgl. z. B. N. 3, 29 (Ιττεται δε Xoy&j δίκας άωτος, ,έσλάν αΐνεΐν'); Ρ. 9, 95f. (αίνεϊν καΐ τον έχθρόν | ιταντί θυμφ συν τε δίκα καλά ρέζοντα); Ν. 7, 63 (κλέος ετήτυμον αΐνέσω· ττοτίφορος δ' όγαθοΐσι μισθός οΰτος). — Die berlieferte Textfassung in V. 40 (αυξεται δ' άρετά ... ως δτε δένδρεον φσσει) ist, gegen SNELL, Ausg. 1964

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Die Funktion des ,,Neid"-Motivs im Rahmen des Liedes

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Worten darbringen kann (42—50): auch das r hmende Lied hat eine lange Tradition (50f.): ein Siegespreislied (έπικώμιος ΰμνος) gab es sogar (51 καί) schon, bevor berhaupt die nemeischen Spiele eingerichtet wurden' (ην γε μάν έπικώμιος ύμνος | δη πάλαι και ττρίν γενέσθαι τάν Αδράστου τάν τε Καδμείων Ιριν)63. Das ^angemessene Lob' (48 f. κόμπος πρόσφορος) f r die aiginetischen Sieger schlie lich ordnet sich dem Anfangsthema Vers 17 unter: ,Gottgepflanzter Ruhm ist n mlich wahrhaftig bei Menschen von gr erer Dauer' (συν Θεώ γαρ τοι φυτευθείς όλβος άνθρώποισι παρμονώτερος) 64 : Die Aigineten Deinias und Megas stehen in der Aiakidentradition, die g ttliche Herkunft der Aigineten erkl rt ihren Erfolg und b rgt f r die Berechtigung des Lobes und die Dauer des Gl cks. Aiakos ging aus der Verbindung von Zeus und Aigina hervor (7 Ιβλαστεν υιός Οίνώνας βασιλεύς, vorbereitet durch das Prooimion 1—5 Άφροδίτας άμβρόσιαι φιλοτατες ... άρείονες Ιρωτες: daran anschlie end 6f. οίοι καί Διός ΑΙγίνας τε λέκτρον ποιμένες άμφεπόλησαν | Κυπρίας δώρων66: die Liebesverbindung zwischen Zeus und Aigina stand unter gl cklichen Vorzeichen), Aiakos' .Gl ck' (όλβος), das seines Geschlechtes und das der Aigineten ist also ,mit Gott gepflanzt' (17 συν θεφ φυτευΘείς) und folglich (17 γαρ) bei den Menschen letzten Endes von gr erer Dauer (17 άνθρώποισι παρμονώτερος)66 als der ,Ruhm' von .Unscheinbaren' (34), der auf das Zusammenwirken von ,Neid' (φθόνος) und ,L ge' (25 ψευδός; 32 πάρφασις) zur ckzuf hren ist. Neid und L ge (vgl. auch WILAMOWITZ, Pi. 408 Anm. l und SCHROEDER, ed. mai. Appendix 1923, 523), wohl zu halten: vgl. FARNELL, Komm. z. St., S. 307f., und s., au er den bei ihm und SCHROEDER, ed. mai. 1900, App. zu V. 40—41, genannten Parallelen, noch Bakch. 13, 206f. o ... χρόνος το καλώς [έ]ργμένον (~ άρετάν) αΐέν ά[έξει]: eine aktive Fassung des pindarischen Satzes. — Das Komma hinter άρετά (Ν. 8, 40) ist zu streichen, da χλωραΐ έέρσαι auch Pi.'s Lieder meint: vgl. SCHROEDER, ed. mai. 1900, App. z. St., mit Parallelen. — F r φσσει (Ν. 8, 40 ως δτε δένδρεον φσσει) von einer langsameren .Aufw rtsbewegung' vgl. au er Σ 506 (FARNELL) auch κ 99 καπνόν δ' οίον όρώμεν άττό χθονος άίσσοντα (ohne Angabe der Richtung oder des Ziels). — WILAMOWITZ' Ansicht (Pi. 408 Anm. 1), „. . . vermehrt wird die άρετά . . . durch die Dichter nicht", wird schon durch V. 41 άερθεϊσ(α) widerlegt. Metrum: TURYN, App. z. St.; MAAS, Metre, S. 41. 63 Vgl. die Schol. z. St., S. 148, Z. 22 ff. Dr. e4 Noch hervorgehoben durch das V. 18 folgende mythische Beispiel: δσττερ (sc. θεός: vgl. P. 2, 15f.) καί Κινύραν Ιβρισε πλούτω. KUMPEL, Lex. Find., bezieht δσπερ s. v. Κινύρας mit den Schol. (S. 142, Z. 24f. Dr.) auf όλβος (V. 17), s. v. πλούτος dagegen richtig auf θεός. 65 V. l geht aus von Άφροδίτας άμβρόσιαι φιλοτατες im allgemeinen, V. 7 kehrt mit dem besonderen Beispiel der Verbindung von Zeus und Aigina zu ihnen zur ck: ποιμένες . . . Κυπρίας δώρων. ee Vgl. P. 7, 20f. (άνδρΐ τταρμονίμα | . . . ευδαιμονία); άνθρώποισι (N. 8, 17) steht jedoch wohl από κοινού, so da man auch verbinden kann όλβος συν 0εω άνθρώποισι φυτευθείς.

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Das achte nemeische Lied

k nnen zwar den Sieg des ,Unscheinbaren' (άφαντος) ber den , Strahlenden' (λαμπρός) zur Folge haben (34 το λαμπρόν βιαται) und den Tod des letzteren bedeuten, wie im Falle des Aias, doch der so errungene Ruhm ist ,morsch', wie der des Odysseus (34 κϋδος ... σαθρόν: durch die Stellung am Ende von Satz, Strophe und Mythos und vor dem Neuansatz Vers 35 είη μη ποτέ μοι τοιούτον ήθος, Ζεΰ πάτερ, mit dem Pindar seine Gegenposition markiert, ganz besonders stark betont): auf die Dauer mu sich zeigen, da ein solcher ,Ruhm' nur auf ,L ge' (ψευδός) gegr ndet ist. Im ganzen stellt sich der Aufbau des achten nemeischen Liedes demnach folgenderma en dar: Der erste Teil (1—18) gilt der Aiakidentradition (Zeus — Aigina: Aiakos), in welcher der aktuelle Sieg steht: Pindar bringt sein Lied f r Deinias und Megas dem Heros Aiakos dar (13ff.), weil (17 γαρ) der gegenw rtige Erfolg in der g ttlichen Herkunft der Aigineten seine Wurzel hat (17 συν θεώ φυτευθείς όλβος). — Im Mittelteil des Liedes (19—34) malt Pindar dann am Beispiel des Mythos von Aias und Odysseus ein d steres Bild von den Folgen des Neides, der jede gro e Leistung bedroht und eher den Schlechteren beg nstigt, als dem wirklich T chtigen den verdienten Lohn zuzuerkennen. — Den Neidern und dem falschen Ruhm setzt Pindar schlie lich im Finale des Gedichtes (35—51) sein eigenes neidlos r hmendes Lied und den wahren Ruhm der Familie des Megas entgegen. Sein Lied soll der echten Leistung die verdiente Ehre verschaffen (vgl. im allgemeinen 40—42a: im besonderen 44ff.).

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Das siebente nemeische Lied /. Vorbemerkung Pindars siebentes nemeisches Gedicht auf den Fünfkampfsieger Sogenes aus Aigina ist fast immer mit dem Blick auf den sechsten Paian für die Delpher interpretiert worden1; von den beiden in N. 7 vorkommenden Mythen (,0dysseus — Aias': Verse 20—32; .Neoptolemos': Verse 33—47) wird infolgedessen der ausführlichere zweite mit Vorrang behandelt. Er gilt als ,Palinodie' Pindars für die Neoptolemosgeschichte des sechsten Paians (Verse 100 ff.), über deren „negativen Charakter" sich die Aigineten beschwert hätten2. Von dieser bis in die neueste Zeit3 allgemein akzeptierten apologetischen Tendenz des Neoptolemosmythos aus wird N. 7 überhaupt als ,Rechtfertigungslied' für Pae. 6 erklärt4. Auf welche Argumente aber stützt sich diese Annahme ? 1

s. z. B., nach WILAMOWITZ, SBBerlin 1908, 328ff. und Pi. 159ff.; SCHADEWALDT 34f.; GUNDERT 79ff., neuerdings S. L. RADT, Pi.'s zweiter und sechster Paian, 1958, 85—88 („Verhältnis zu N. 7"); E. TUGENDHAT, Zum Rechtfertigungsproblem in Pi.'s 7. nemeischen Gedicht, Hermes 88, 1960, 385—409 (mit Literatur); BOWRA, Pi., 1964, 72—74; G. F. GIANOTTI, La Nemea settima di Pindaro, RivFil 94, 1966, 385—406 (s. schon seine Ausgangsposition S. 385: „ ode presenta una vera e propria autodifesa del poeta"); E. WÜST, Pi. als geschichtsschreibender Dichter, Diss. Tübingen 1967, 137—165 (folgt in der Hauptsache TUGENDHAT) ; CH. SEGAL, Pi.'s Seventh Nemean, TAPhA 98, 1967, 431—480, besonders 446—449 und 474ff. (er schließt sich TUGENDHAT an); vgl. auch D. C. YOUNG, Three Odes of Pi., 1968, 25 Anm. 1 ("the received interpretation of Ne. 7 ... rests on sounder ground than the usual view of Py. 11"; vgl. aber seine skeptischere Stellungnahme in „Pindaric Criticism": Minnesota Review 4, 1964, 610f. mit Anm. 126). 2 Aristarch in den Schol. zu Pi. N. 7, 48: 70, S. 126 Dr.; vgl. 94a, S. 129 Dr., und s. RADT 85 mit Anm. 4. — Die Ansicht Aristarchs wird nach der Auffindung des größten Teils von Pae. 6 (veröffentlicht POxy 5, 1908, 841; vgl. PSI 2, 1913, 147) gewöhnlich als unbezweifelbar richtig angesehen (s. z. B. RADT a. O.) und ohne Prüfung auf ihre selbständige Beweiskraft zur Voraussetzung für die Interpretation von N. 7 gemacht (s. vorige Anm.; vgl. aber u. Anm. 3 und 7): vgl. für die communis opinio z. B. TUGENDHAT, a. O. 385: „In Pi.'s Paian wurde (der) Tod des Neoptolemos als Strafe Apollons . . . gedeutet. Das ist dem Dichter dann in Aigina, wo man Neoptolemos als Aiakide verehrte, verübelt worden . . ." 3 Dagegen jetzt E. THUMMER, Isthm.-Komm. l, 1968, 94—98; vgl. auch W. SLATER, CQ 19, 1969, 91—94; und schon E. L. BUNDYS Protest gegen die .apologetische Tendenz' von N. 7: Stud. Pind. l, 1962, 4 und 29 mit Anm. 70. 4 TUGENDHAT, a. O.: „und so ergreift er in seinem nächsten Aiginetengedicht die Gelegenheit, sich gegen die Vorwürfe zu rechtfertigen".

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Das siebente nemeische Lied

Wenn man ihr folgt, w re N. 7 f r sich genommen gar nicht zu verstehen. Anla und u eres Kriterium f r die Abh ngigkeit von Pae. 6 sind Scholiennotizen zu verschiedenen auf Neoptolemos bez glichen Versen in N. 7, die davon sprechen, da die Aigineten Pindar f r seine Darstellung des Neoptolemos .getadelt' h tten und er sich deshalb .verteidige'5. Diese Nachrichten d rfen jedoch nur dann als selbst ndiges Beweismittel gelten, wenn wahrscheinlich gemacht werden kann, da die Verfasser der Scholien6 ihre Gr nde f r die Annahme einer .Rechtfertigung' nicht nur aus den Gedichten (Pae. 6, N. 7) selbst bezogen haben, wenn sie also unabh ngige andere Informationen besa en. Gerade diese Voraussetzung aber ist wohl nicht gegeben. H. Fr nkel, der selber die .Rechtfertigung' f r die richtige Erkl rung h lt, hat gezeigt7, da sie nur eine unter mehreren Scholienhypothesen bei der Interpretation schwieriger Passagen in N. 7 ist: sie beruht, wie die anderen Erkl rungsversuche der Scholien8, offenbar auf einer Kombination, deren Quelle nur die Gedichte selber sind. Damit aber mu die Frage, ob Pindar N. 7 in apologetischer Tendenz geschrieben hat, allein auf Grund der beiden vorliegenden Gedichte entschieden werden. Die aus N. 7 selber und aus dem Vergleich von N. 7 mit Pae. 6 gewonnenen Argumente aber kann man innere Kriterien f r die »Rechtfertigung' nennen. Die Interpreten rechnen hier mit impliziten und expliziten R ckgriffen Pindars: (1) Als implizite Bezugnahme wird schon die Tatsache gewertet, da Pindar den in Pae. 6 behandelten Neoptolemosmythos in N. 7 noch einmal erz hle: die Neugestaltung mit z. T. w rtlichen Ankl ngen weise auf die „pers nliche Absicht"9. Dazu komme10, da der Dich5

μέμφεσθαι (μέμψι$) und άπολογεΐσθαι (απολογία) sind die Stichworte: s. au er den o. Anm. 2 zitierten Schol. (zu N. 7, 48 und 64) noch Schol. 100 a (zu V. 68), S. 130 Dr.; 123a (zu V. 84), S. 134 Dr.; und 150a (zu V. 102ff.), S. 136f. Dr. 6 Wahrend zu V. 48 (Schol. 70) Aristarch f r den .Tadel der Aigineten' zitiert wird und Aristodem f r eine abweichende Meinung, vertritt zu V. 102 ff. (Schol. 160 a) Aristodem die These vom Aiginetentadel und Kallistratos eine davon verschiedene Ansicht. — Zu V. 38 f. (Schol. 66 a) werden dagegen sowohl Aristarch wie Aristodem f r gan? andere .Neoptolemos-Theorien' zitiert: s. FR NKEL (n chste Anm.) und vgl. f r Versuche, die Scholienangaben zu vereinheitlichen, RADT 85 mit Anm. 4. 7 H. FR NKEL, Schrullen in den Pindarscholien, Hermes 89, 1961, 385ff.; vgl. auch E. L. BUNDY, Stud. Find, l, 1962, 4 mit Anm. 14: "The authors of the scholia had only the odes to help them, as is suggested by the phrasing of the scholium on line 102, ό μεν Καλλίστρατος . . . ό δε Άριστόδημοί κτλ. . . ." 8 Zu den verschiedenen „Neoptolemos-Theorien" der Schol. s. FR NKEL, a. O. 8 SCHADEWALDT 53: ,,. . . der Neoptolemosmythos gibt die Geschichte des Helden zun chst in bewu ter bereinstimmung mit dem Paian: N. 7, 35 f. ~ Paian 6, 104ff.; N. 7, 37 ~ Paian 6, 109ff. . . . Wir wissen, z. B. aus den verschiedenen Ver-

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Vorbemerkung

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ter in N. 7 an die Stelle der „eindeutig negativen Behandlung des Neoptolemos im Paian"11 eine Darstellung setze, die „dem Neoptolemos zum Ruhme" gereiche12. Da diese so angelegt sei, da sie im u eren Ablauf der Ereignisse der Darstellung des Paians folge, sich dem Inhalt nach aber in jeder Einzelheit grunds tzlich von ihr unterscheide13, k nne man als berschrift ber den Epinikien-Mythos von N. 7 setzen: ,,,Neoptolemos' ehrenvoller Tod, durch Apollon ruhmvoll erh ht, erz hlt an Hand der vom Paian vorgegebenen Geschehnisse'"14. Pindar habe sich in N. 7 den Tod des Neoptolemos zum Thema gew hlt und erz hle ihn mit Ber cksichtigung der Geschehensfolge im Paian, „weil Pindars Eifer zu r hmen gerade bei diesem Paian in Frage gestellt worden war"15. Gegen die verschiedenen Teilargumente dieser Interpretation lassen sich von vornherein folgende Einw nde erheben: (a) Die wiederholte Behandlung desselben mythischen Stoffes, auch mit w rtlichen Ankl ngen, ist bei Pindar kein Einzelfall16 und ist deshalb f r sich genommen kein Indiz f r eine .Rechtfertigung'. (b) Die Ausdeutung mythischer Gegebenheiten richtet sich nach den Gedichtadressaten (Pae. 6: Delpher; N. 7: Aigineten) und dem jeweiligen Beweisziel17 und kann in verschiedenen Gedichten unterschiedlich sein: f r die Darstellung eines mythischen Helden einmal mit ,positiver', einmal mit .negativer' Tendenz gibt es eine Parallele sionen der Peleus-Thetis-Geschichte . . ., wie wohlbedacht Pi. sonst Wiederholungen meidet. . .". — Im Unterschied zu SCHADEWALDT nimmt dann TUGENDHAT (s. u.) eine nur u erliche Angleichung des Epinikienmythos an den Geschehensablauf im Pae. an. 10 Die Argumente im folgenden nach TUGENDHAT 389 ff.; vgl. auch E. W ST 137— 165 (zu N. 7), die sich in der Rechtfertigungsfrage im wesentlichen TUGENDHAT anschlie t. 11 TUGENDHAT 387. 12 TUGENDHAT 390. 13 TUGENDHAT 3891, 391, u. . 14 TUGENDHAT 390. 15 TUGENDHAT 399. 16 SCHADEWALDT 53 (s. o. Anm. 9) f hrt f r die „bewu te bereinstimmung mit dem Paian" nur zwei w rtliche Ankl nge auf (N. 7, 35f. und 37), von denen der erste, besonders deutliche (TUGENDHAT 389), R ckgriff auf eine homerische Wendung, also traditioneller Bestandteil der Sage ist (s. u. S. 69 und vgl. auch P. l, 54 von Philoktet: ός Πριάμοιο πάλιν πέρσεν, τελεύτασέν τε πόνους Ααναοϊς). —Vgl. im brigen f r sehr viel auffallendere Ankl nge zwischen Parallelmythen bei Pi., au er dem .Selbstmord des Aias' N. 7, 25—27; N. 8, 23 und 27; I. 4, 35f., die beiden Versionen des .Herakliskos' N. l und Pae. 20 und z. B. .Amphiaraos' Tod' O. 6, 14; N. 10, 8f.; N. 9, 24f. 17 s. u. S. 71 f.

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Das siebente nemeische Lied

in der Bellerophonsage O. 13 (für einen Sieger aus Korinth) und I. 7 (für einen thebanischen Sieger), wo Pindar, ähnlich wie in den beiden Versionen von Neoptolemos' Tod, der Überlieferung von Bellerophons Ende durch Auslassungen oder Zusätze18 ein jeweils anderes Gesicht gibt19. Die unterschiedliche Tendenz der mythischen Darstellungen in N. 7 und Pae. 6 ist also noch kein Beweis für eine .Rechtfertigung'20. (c) Tugendhats Behauptung, Pindar richte sich im äußeren Aufbau des Mythos in N. 7 nach dem Ablauf der Ereignisse in Pae. 6, halte ich für unrichtig. Die Neoptolemosdarstellung in Pae. 6 setzt früher ein als diejenige in N. 7 (Neoptolemos wird nach dem Tod und der Bestattung Achills aus Skyros nach Troja geholt: V. 98—103) und beschäftigt sich viel ausführlicher mit den Ereignissen um Troja: die Gliederung ist, entsprechend dem anderen Beweisziel, durchaus verschieden von derjenigen in N. 7 (Pae. 6, V. ? ?—91: 1. Teil: .Auseinandersetzung Apoll—Achill um Troja, Tod Achills' — 92—98a: Mittelteil: ,Zeus und das Schicksal Trojas' — 98b—120: 2. Teil: .Zerstörung Trojas durch Neoptolemos, Apoll-Neoptolemos: Tod des Neoptolemos'). Neoptolemos steht in Pae. 6 in einem ganz anderen Rahmen als in N. 7, wo die Erzählung mit seiner Ankunft in Delphi einsetzt (33f.) und nach einem Rückblick auf die Vorgeschichte (35 bis 40 a) zu ihr und den weiteren Ereignissen in Delphi zurückkehrt (40 b bis 47)21. — Von einer äußeren Angleichung im Aufbau kann wohl keine Rede sein22. (d) Neoptolemos' Tod ist — im Gegensatz zu Tugendhats Behauptung — auch in N. 7 durchaus nicht „ehrenvoll"23, sondern zeigt, zusammen mit der, a u s f ü h r l i c h e r als in Pae. 6 dargestellten, Irrfahrt die unglückliche Seite seines Schicksals24. — Außerdem aber ist der Neoptolemosmythos nicht der einzige Mythos in N. 7, und Pindars 18

Und darin bestehen die eigentlichen Unterschiede zwischen Pae. 6 und N. 7; die mythischen Fakten ändert Pi. kaum. ie s. u. S. 72 f. 20 Vgl. z. B. auch die je nach Beweisziel verschiedenen Nuancen in den hier behandelten drei Versionen der Odysseus-Aias-Sage. 21 s. u. S. 67. 22 TUGENDHATS Aufstellungen, S. 389, sind irreführend: bei Licht besehen ergeben sich Übereinstimmungen nur in der Erwähnung der Hauptpunkte: Zerstörung Trojas, Irrfahrt nach Molossien, Tod in Delphi. Ohne diese allgemeinen konstitutiven Elemente wäre die Neoptolemossage wohl nicht mehr als solche zu erkennen: vgl. z. B. die notwendigen gemeinsamen Elemente in den drei Versionen des Odysseus-Aias-Mythos: .Stärke des Aias', .List des Odysseus', .Selbstmord des Aias'. 23 s. u. S. 71 mit Anm. 158. 24 s. u. S. 63 und S. 71.

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Vorbemerkung

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Thema ist au er dem ,Tod des Neoptolemos' auch der ,Tod des Aias', eine Tatsache, die nicht f r die Rechtfertigungsthese spricht und kaum ber cksichtigt wird25. (2) Als einzige explizite Bezugnahme Pindars auf seine Behandlung des Neoptolemosthemas in Pae. 6 gilt nach der Untersuchung Tugendhats nur noch N. 7, V. 102—104 (το 5' έμόν ου ποτέ φάσει κέαρ | άτρόποισι Νεοπτόλεμο ν έλκύσαι | επεσι)26. Vielleicht ist jedoch auch dieser Satz ohne R ckgriff auf Pae. 6 allein im Rahmen von N. 7 verst ndlich27. Innerhalb dieser Vorbemerkungen ist schlie lich noch auf zwei Argumente gegen die Rechtfertigungsthese hinzuweisen: (1) Der zweite Teil von Pae. 6 (123ff.) ist ein gl nzendes Loblied auf Aigina und die Leistungen des Aiakos und der Aiakiden, und man sieht nicht recht, wie die Aigineten sich ber den Neoptolemosmythos des Paians oder eine Einzelheit in ihm28 so h tten aufregen k nnen, wenn sie und ihre Helden im selben Gedicht, das noch dazu f r Delphi bestimmt war, derartig anerkennend geschildert wurden29. berdies w rdigt Pindar auch im ersten Teil des Liedes Kraft und Leistung des Neoptolemos (102—104 Νεοπτόλεμον | ενρνβίαν άγοντες, | 6$ διέπερσεν Ιλίου πόλιν), parallel zu der seines Vaters Achill30. (2) Es gibt in N. 7 keine Stelle, die man mit einem Tadel der Aigineten in Verbindung bringen k nnte; stattdessen steht der μέμψίξ25

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s. u. S. 83. s. TUGENDHAT 399 und vgl. 404: „An einer einzigen Stelle jedoch — und zwar am Schlu (sc. 102ff.), . . . — kommt der Dichter unmittelbar auf seine Haltung im Paian zu sprechen . . ."; vgl. z. B. auch GIANOTTI, RivFil 94, 1966, 405: «Questi . . . versi (sc. 102— 104) . . . non possono lasciarci dubbi sulla notizia . . . dallo Scoliasta e sulla realt degli critiche degli Egineti . . .». s. u. S. 80f. Schol. 94 a (zu V. 64) : (οί Αίγινήτοα) ήτιώντο τον Πίνδαρο ν, ότι γράφων Δελφοϊς τον Παιάνα Ιφη ,άμφιττόλοισι μαρνάμενον μυριαν ττερί τιμαν' άττολωλέναι (Pae. 6,

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FARNELL, I 313, II 408, nahm deshalb an, das .Aiginalob' im Pae. sei ein sp terer Zusatz Pi.'s zur Vers hnung der Aigineten. Diese Hypothese wird zu Recht von RADT, S. 88 mit Anm. l, nach GRIFFITH, abgelehnt. FARNELLS Argument aber widerlegt RADT, a. a. O., nicht, wenn er behauptet, es „setzt die Mentalit t eines modernen Menschen voraus — f r die Aigineten war die Beleidigung ihres Heroen durch kein noch so schmeichelhaftes Lob ihrer Heimat gutzumachen". Gegen diesen Satz ist vielleicht ein argumentum ad hominem am Platz: ,wie h tte Pi. dann jemals hoffen k nnen, mit einer so verdeckten Entschuldigung, wie sie N. 7 angeblich ist, bei den Aigineten Geh r zu finden' ? — Man mu sich au erdem vor Augen halten, da die „Beleidigung des Heroen" darin bestehen soll, da Pi. im Pae. den Neoptolemos durch Apoll f r die Ermordung des Priamos bestraft werden l t, eine Darstellung, f r die TUGENDHAT (397 mit Anm. 2) wahrscheinlich macht, da nichts in ihr erst Pi.'s Erfindung ist. 80 s. u. S. 71 f.

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Das siebente nemeische Lied

Topos in N. 7 im Zusammenhang mit den Molossern (64ff.: ,Kein Mann aus dem Land jenseits des ionischen Meeres wird mich tadeln')31, deren Reich das Herrschaftsgebiet des Neoptolemos und seines Geschlechtes war (38—40a). Sie ruft Pindar in erster Linie zu Zeugen daf r an, da er Neoptolemos in rechter Weise gew rdigt habe, denn ihnen mu der Ruhm ihres Ahnherrn n her am Herzen liegen als den Aigineten, in deren Heroenkette Neoptolemos nur ein Nebenglied ist32. Die Scholien haben anscheinend aus dem Faktum, da N. 7 f r Aigina geschrieben ist, auf einen ,Aiginetentadel' f r den Neoptolemosmythos in Pae. 6 geschlossen33. Die folgende Untersuchung geht aus von einer Interpretation des ersten (,Odysseus—Aias'-)Mythos in N. 7, behandelt dann die Beziehungen zwischen dem ersten und dem zweiten (.Neoptolemos'-) Mythos und versucht schlie lich Stellung und Funktion der beiden Mythen im Rahmen des Gesamtgedichtes zu bestimmen. II. Der erste Mythos (,0dysseus—Aias') Von den beiden in N. 7 unmittelbar aufeinanderfolgenden Mythen (20—32: Odysseus/Aias; 33—47: Neoptolemos) ist in unserem Zusammenhang zun chst der erste wichtig. In N. 7 sind nicht, wie in N. 8, die neidischen L gen des Odysseus Ankn pfungspunkt f r den Mythos, sondern das Spannungsverh ltnis zwischen Odysseus' ,Ruhm' (21 λόγος 'Οδυσσέας) und seinem tats ch81

s. u. S. 79f. und S. 81; vgl. BUNDY, Stud. Find. 2, 40, zum Topos. SCHADEWALDT 69 erkl rt diesen Sachverhalt folgenderma en: „Die Aigineten werden durch das Beispiel der Molosser widerlegt. Was f r die Molosser recht ist, sollte f r die Aigineten billig sein; zumal die Molosser mehr Anspruch auf den reinen Namen des Begr nders ihrer Dynastie haben als die Aigineten, mit denen Neoptolemos nicht so unmittelbar verbunden ist". — Sollte man nicht lieber auf die Hilfskonstruktion einer so merkw rdigen „Widerlegung" verzichten? Molosser und Aigineten k nnen mit Pi.'s Pr sentation des Neoptolemosmythos in N. 7 zufrieden sein. 33 Die Gedankenfolge im Schol. 94a (zu V. 64) ist seltsam: zun chst (S. 128, Z. 26 bis S. 129, Z. l Dr.) wird festgestellt, da mit Άχαιόξ άνήρ (Ν. 7, 64) ,ein Molosser' gemeint sei; dann hei t es (S. 129, Z. Ib—5:) ου μέμψοιτο αν ouv με Άχαιόξ άνήρ (also .Molosser') επί τω δοκείν μικρολόγον τταρεστακένσι τον Νεοπτόλεμο ν, ότι είπον αυτόν περί κρεών μεμαχήσθαι καΐ δια τοΰτο άπολωλέναι. καθόλου γαρ απολογεϊσθαι βούλεται περί του Νεοπτόλεμου θανάτου προς τους Αιγινήτας ( ? ) : Wieso treten an die Stelle der (tadelnden) Molosser pl tzlich die Aigineten als Adressaten der .Entschuldigung' ? — Vgl. im brigen zur „irrelevance" der Scholienbemerkung und der .Rechtfertigung' Oberhaupt: BUNDY, Stud. Find, l, 4: "... N. 7, a straightforward enkomion, has been canonized by those who follow one guess reported by the scholia as the poet's personal apology for offensive references to Neoptolemos in ... Pae. 6 ..." 32

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Der erste Mythos

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liehen .Leiden' (21 πάθα). Dabei ist, anders als in N. 8, 22ff. und I. 4, 34ff., wo Pindar den Blick sogleich auch auf Aias lenkt, zun chst nur von Odysseus die Rede: Homers ,s e' Dichtung habe daf r gesorgt, da ber Odysseus mehr geredet werde, als seiner (unbedeutenden) Leistung eigentlich zukomme (20f. εγώ δε πλέον' ελττομαι | λόγον Όδυσσέο$ ή πάθαν δια τον άδυεττη γενέσθ' "Ομηρον). Bevor ich auf Einzelfragen der Interpretation dieses und der folgenden Verse eingehe, m chte ich eine erste Einordnung des Mythos in den Zusammenhang des Gedichtes vorausschicken34. Pindar beginnt mit einer Adresse an die G ttin der Geburt (Vers l Eleithyia) und das mit ihr gegebene verschiedene Lebensschicksal eines jeden Menschen35 und stellt darauf den durch Geburt und Schicksal36 zur Leistung bestimmten37 jugendlichen Sieger (Sogenes), seinen Vater (Thearion) und seine Stadt (Aigina: πόλις Αίακιδαν)38 vor (l—10). Daran anschlie end erl utert er ausf hrlich die f r den Sieger notwendige Sicherung seiner Leistung durch das Lied („SiegLied-Motiv")39: ,Nur das Lied kann die Leistung vor dem Vergessen bewahren' (11—16). F r diesen Satz aber f hrt Pindar zun chst den Ruhm des Odysseus als Beispiel an und leitet damit den OdysseusAias-Mythos (20—32) ein40: ,Der Tod ist f r jeden das unvermeidliche Ende' (19f.): ,Die Erinnerung an die Leistungen des Toten aber 84

Vgl. SCHADEWALDT 39ff., besonders 45—47, der vor allem die Verkn pfung des „Sieg-Lied-Motivs" V. llff. mit dem Mythos erl utert. 36 Die Wortstellung im ersten, verh ltnism ig langen, Satz (V. l—4) ist auffallend. Ganz am Anfang steht die Gottheit Eleithyia, ganz am Ende ihre Schwester Heb a: Eleithyia und Heba sind die beiden Pole, zwischen denen der noch sehr junge Sieger Sogenes steht. Die Form des Satzes (mit der ausdr cklichen Anrede γενέτειρα τέκνων f r Eleithyia in der Mitte, V. 2) deutet die gro e Jugend des Siegers an: vgl. auch V. 91 f. (άταλόν άμφέττων Θυμόν) und 99 (Gebet f r ήβς. λιπαρφ τε γήραϊ). 36 V. 1 ΈλείΘυια (Geburt), ττάρεδρε Μοιραν (Schicksal): vgl. O. 6, 42: τα μεν (sc. der Euadna bei der Geburt ihres Sohnes, des Sehers lamos) ό χρυσοκόμα$ | ττραΟμητίν τ' ' Ελείθυιαν τταρέστασέν τε Μο1ρα$. 37 V. 6f. ist zu verbinden: ΟΛ/V δε τΙν| (sc. 'Ελειθυία, τταρέδρω Μοιρδν) . . . άρετςί κριβείξ) (s. RUMPEL, Lex. Find. s. v. κρίνων: „virtuti destinatus"): vgl. z.B. N. 5, 40 Γίότμος δε (~ Μοϊραι Ν. 7, 1) κρίνει συγγενής (vgl. 'ΕλείΘυια Ν. 7, 1) Ιργων περί | -πάντων. —WILAMOWITZ' Paraphrase (SBBerlin 1908, 329: ,,Mit deiner Hilfe hat auch Sogenes ... im F nf k mpfe gesiegt") trifft nicht ganz zu: Pi. f hrt nicht den Sieg auf ein Eingreifen der Eleithyia zur ck, sondern die Leistungskraft des Sogenes, von der sein Sieg Zeugnis ablegt, auf das Schicksalslos, das ihm mit seiner Geburt zuteil wurde. 38 s. den die Analogie zwischen dem Sieger und seiner Stadt hervorhebenden Chiasmus V. 8f.: εύδοξος (1) άείδεται (2) — φιλόμολπον (2) δορικτύττων (1). — Die Umschreibung ττόλις δορικτύττων Αίακιδδν f r Aigina bereitet die Aiakidenmythen vor: s. u. S. 75f. 39 Beispiele bei SCHADEWALDT 36 Anm. 2. 40 „Sieg-Lied-Motiv . . . Basis f r den Mythos": SCHADEWALDT 47.

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Das siebente nemeische Lied

kann nur das Lied wachhalten' (vgl. 11—16): ,Ich glaube sogar (εγώ δε betont), da Homers Lied dem (toten) Odysseus einen Nachruhm verschafft hat, der seiner Leistung nicht entspricht' (20f.). — Die Abh ngigkeit des Ruhms von den beiden Komponenten ,Tat' und ,Lied' liegt der allgemeinen Betrachtung in den Versen 11—16 ebenso zugrunde wie dem Odysseus-Paradeigma: in den Versen 14—16 hatte Pindar erkl rt :, Gro e Taten bleiben im Ged chtnis (15 M ναμοσύνα), wenn sie zur Vergeltung der aufgewandten M hen (16 οατοινα μόχθων) in Liedern gefeiert werden' (16 κλυταϊς έττέων άοιδαϊς); Vers 20f. sagt er:, Man redet von Odysseus (λόγος 'Οδυσσέας: vgl. 15 Μναμοσύνα), weil seine Leiden (ττάθα ~ 16 μόχθοι) durch Homers Dichtung herrlich dargestellt worden sind' (άδνεπής "Ομηρος ^> κλντάίς έπέων άοιδαϊς). Der dem Odysseus-Paradeigma unmittelbar vorausgehende Gedanke von der Gemeinsamkeit des Todes (19f.) ist die Folie f r den Ruhm des Odysseus: ihm ist es gelungen, durch Homer die Erinnerung an seine Leistung auch ber seinen Tod hinaus lebendig zu erhalten. Er ist σοφός im Sinne der Verse 17f., denn er hat ,klug' f r seinen Nachruhm gesorgt41, und er erf llt die in den Versen 15 f. genannte Bedingung f r ein Weiterleben im Ged chtnis der Menschen (εί ... | εΰρηται άττοινα μόχθων κλυταΐς έττέων άοιδαϊς). Der Haken ist nach Pindar nur, da Odysseus' Leistung zu gering war, sein Ruhm folglich zu gro ist (20 f. πλέον (α) ... | λόγον Όδυσσέος ή πάθαν ... γενέσθαι). Die Thematik ,Taten—Tod—Nachruhm' aber bildet nicht nur den Ausgangspunkt, sondern auch den Schlu des Odysseus-Aias-Mythos (30—32): ,F r alle gemeinsam kommt die Woge des Todes, und sie st rzt sich auf den Ber hmten und den Ruhmlosen42: Ehre aber wird denen zuteil, welchen ein Gott den Ruhm m chtig steigert, wenn sie tot sind'. — Auch hier ist, wie zu Beginn des Mythos (19—21), die Allgemeinheit des Todes Folie f r den Ruhm einzelner43: die Aussage gilt jetzt jedoch nicht mehr nur f r Odysseus, sondern in viel h herem Ma e f r Aias, dessen gewaltige Kraft und Bedeutung Pindar in den Versen 26—30 hervorhebt, und schlie lich auch schon f r Neoptolemos, dessen Leistung und Nachruhm der Dichter im folgenden zweiten Mythos von N. 7 (V. 33—47) w rdigt. Die beiden Variationen zum gleichen Thema zu Beginn und am Ende des Odysseus-Aias-Paradeigmas rahmen also diesen ersten My41

Zur Erkl rung von V. 17f. (σοφοί δε μέλλοντα τριταΐον άνεμον[ εμαθον οΰδ' υπό κέρδει βλάβεν) s. die Schol. ζ. St. 25 a, S. 120 Dr., und vgl. FR NKEL, W. u. F. 360; s. auch u. S. 84—86. 42 Zu αδόκητος—δοκέων (31) s. u. S. 66 mit Anm. 141 und 142. 43 Vgl. SCHADEWALDT 44: „In dem Satze: aber unterschiedslos kommt die Woge des Hades, . . ., erkennen wir also die .Folie' zu dem positiven Gedanken: Ehre aber geschieht den Streitern, ..."

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Der erste Mythos

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thos in N. 7 ein und setzen ihn gegen das Vorhergehende und das Folgende ab. Dabei wird die zweite Fassung des Gedankens gegen ber der ersten durch die andere Stellung im Aufbau des Gedichtes modifiziert: (1) V. 19—21: .(Alle m ssen sterben:) Odysseus aber erreichte durch Homer gr eren Nachruhm als seinem Leiden entspricht' (λόγος Όδυσσέος πλέων έγένετο ή ττάθα δια τον άδυεττή "Ομηρον); (2) V. 30—32: .(Alle m ssen sterben:) Ehre aber wird denen zuteil, welchen ein Gott nach ihrem Tode den Ruhm m chtig steigert' (τιμά δε γίνεται | ων Θεό$ άβρόν αϋξει λόγον τεβνακότων).

Der zweite Satz ist nicht nur die allgemeine Fassung gegen ber dem besonderen Fall des Odysseus, der Gedanke verschiebt sich vielmehr au erdem in drei Einzelheiten: (1) An die Stelle des g ttlichen Dichters Homer44 tritt ,ein Gott' (32 θεός ... αοξει λόγον); d. h. die g ttliche Macht, von der ein Dichter immer inspiriert sein mu , wenn sein Lied wirken soll45, wird ihm hier als eigentlicher B rge f r den »Nachruhm' (λόγος) bergeordnet. Die nderung erkl rt sich einmal im Hinblick auf die unmittelbar folgende Neoptolemosgeschichte, in der dann aus dem unbestimmten ,Gott' (32 θεό$) der Gott von Delphi wird (vgl. 40 φχετο δε ττρός θεόν: sc. Neoptolemos zu Apoll nach Delphi); zum anderen aber bedeutet die Auswechslung des ,Dichters Homer' (21 άδυεττής "Ομηρος) gegen ,einen Gott' (32 θεός) auch eine Steigerung, mit welcher Pindar die gr ere Berechtigung des Ruhmes andeutet: im Falle des Aias und des Neoptolemos sind, anders als bei Odysseus, Leistung, Lied und Nachruhm miteinander im Einklang. (2) Zur .r hmenden Nachrede' (21 λόγος Όδυσσέος ~ 32 λόγος τεθνακότων) f gt Pindar die durch sie gew hrleistete ,Ehre' hinzu (31 f. τιμά όέ γίνεται \ ων θεός ... αΰξει λόγον τεθνοκότων). Diese Erg nzung ist zun chst einmal durch die R cksicht auf Aias begr ndet: seine durch den Selbstmord (26f.) beeintr chtigte ,Ehre' wird durch seinen .Nachruhm' wiederhergestellt: Ein Vergleich mit I. 4, 31—42 verdeutlicht diese Beziehung: .Aias machte seiner Laufbahn durch Selbstmord ein vorzeitiges Ende: Homer aber sorgte f r seine Ehre unter den Menschen und stellte seine Leistung wieder gerade' (55f.: "Ομηρος τοι τετίμακεν, sc. Αίαντα, δι' ανθρώπων ... αϋτοϋ | πασαν όρθώσαΐζ άρετάν . . .). — In beiden Gedichten ist gemeint, da die Nachwelt der Gr e des Aias ein ehrenvolles Ansehen bewahrt, nur wird in N. 7 Aias' Ehre mit in die allgemeine Schlu bemerkung (31f.) einbezogen und nicht mehr ausdr cklich bezeichnet. 44

F r Homers .g ttliche Dichtkunst' vgl. I. 4, 38 f. κατά ράβδο v . . ./ θεσπέσιων επέων. 45 Vgl. z. B. Fr. 141 θεόζ ό πάντα τευχών βροτοϊς καΐ χάριν άοιδα φυτεύει; vgl. TUGENDHAT 402: ,,. . . ein Gott (und d. h. zugleich der Dichter) . . ."

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Das siebente nemeische Lied

Die Hinzuf gung der .Ehre' (N. 7, 31 τιμά) weist andererseits auch schon voraus auf die ,Ehrenstellung' des Heros Neoptolemos am Tempel Apolls in Delphi (47 θεμισκόττο$)4β. (3) Der bergang von Odysseus zu Aias und Neoptolemos erkl rt schlie lich noch eine weitere nderung in der zweiten Variante des Gedankens gegen ber der ersten: Aus dem .Zuviel' des .Ruhmes' im Verh ltnis zum .Leiden' (20f. πλέονα ... λόγον ... ή πάθαν) wird die Aussage .ein Gott steigert den Nachruhm m chtig' (32 άβρόν αν/ξει Aoyov: άβρόν pr dikativ)47, nicht aber ,zu m chtig'48, denn der Ruhm des Aias wie des Neoptolemos soll im Unterschied zu dem des Odysseus nicht als . berm ig', sondern als ihren Taten .angemessen' erscheinen49. Die den Gedanken der Verse 19—21 wiederaufnehmenden Verse 30—32 sind also nicht nur Abschlu der Odysseus-Aias-Geschichte, sondern zugleich Uberleitungsverse zum Neoptolemosmythos60. F r die Thematik des ersten Mythos in N. 7 ergibt sich durch den Rahmen, in den er gestellt ist, ein klares Bild: das Lied des Dichters (13 ύμνοι, 16 έπέων άοιδαί, 21 άδυεττής "Ομηρο?) sorgt f r den Ruhm der Toten (21 λόγος ' Οδυσσέας, 32 Aoyos τεθνακότων)51. 48

SCHROEDER, Sokrates l, 1913, 533; vgl. SCHADEWALDT 44 Anm. 2, TUGENDHAT 402 Anm. 3. 47 Vgl. SCHADEWALDT 44 : „. . . Streitern. . ., denen nach dem Tode der Gott den Ruhm ppig gedeihen l t". 48 Zu άβρόν .reichlich, aber nicht berm ig' vgl. P. 3, 110 f. εΐ δε μοι ιτλοϋτον θεός άβρόν όρέξαι, | έλπίδ' έχω κλέος εύρέσθαι κεν ύψηλάν πρόσω und s. dagegen P. 3, 105 f. όλβος ουκ ίς μακρόν ανδρών Ιρχεται | σάος, ττολύς εΰτ' αν έπιβρίσαις εττηται. 49 Mi verst ndlich TUGENDHAT 403 mit Anm. 3: „(Die bertreibung) steht als blo es Mehr im Gegensatz zum Wachsenlassen des Gottes und des eigentlichen Dichters": Das w rde bedeuten, da Homer nach Pi.'s Ansicht kein eigentlicher Dichter w re: vgl. dagegen nur I. 4, 37—42, und s. u. S. 63f. 60 Vgl. SCHADEWALDT 44 mit Anm. 2. 51 Zu λόγο$ ,was von jemandem erz hlt wird', sein ,Ruhm', vgl. z. B. O. 2, 22f.: έπεται δε Aoyos (,so sagt man von') εύθρόνοις | Κάδμοιο κούραις, ΙτταΘον αϊ μεγάλα. . .; Ρ. 8, 38—40 (an den Sieger:) αϋξων δε πατρόν Μειδυλιδδν λό-yov φέρεις (.gilt von dir das Wort', ,wird r hmend von dir gesagt'), | τον δνττερ ποτ* Όϊκλέος παις . . . | ... αίνίξατο . . .; Ν. 10, 11 (Argos zeichnet sich durch sch ne Frauen aus:) Ζευς έπ' 'Αλκμήναν Δανάαν τε μόλων τοϋτον κατέφανε λόγον (.beweist, da richtig ist, was r hmend ber die Sch nheit der Argiverinnen erz hlt wird'); I. 5, 26—29 (Preislied als Vergeltung f r M hen;) καΐ γαρ ηρώων αγαθοί ΤΓολεμκΓταΙ | λόγον έκέρδαναν (.sie verdienten sich Ruhm', ,da r hmend von ihnen gesprochen wird'), κλέονται δ' iv τε φορμίγγεσσιν . . .{ μυρίον χρόνον μελέταν δε σοφισταϊς] . . . πρόσβαλον σεβιζόμενοι: sie gewannen sich Ruhm, ihr Ruhm gab den Dichtern Stoff, und das Lied der Dichter erh hte wiederum ihren Ruhm; I. 8, 61 (,Lied' bringt ,Ruhm') . . . έσλόν γε φώτα καΐ φθίμενον ϋμνοις Θεαν διδόμεν | το καΐ νυν φέρει λόγον, . . . — Vgl. au erdem ζ. Β. Ι. 6,12 (δαίμων φυτεύει δόξαν ~ Ν. 7, 32 θεός . . . αϋξει λόγον); Ι. 7, 29 (κλέος αύξων ~ Ν. 7, 32 αοξει λόγον, vgl. Ν. 7, 63 κλέος έτήτνμον αΐνέσω).

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Der erste Mythos

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Tugendhat versteht zu Unrecht unter πλέων λόγος (20f.) die „ bertreibung, die das, was sie r hmt, ungem vergr ert"62. Er l t dabei den Unterschied zwischen der Sch nheit der Dichtkunst Homers (άδυεπής "Ομηρος) und der durch sie bewirkten Verbreitung von Odysseus' Taten, seinem ,Ruhm' (λόγος) au er acht: das Gedicht sorgt f r den ,(Nach-)Ruhm' (λόγος), ist aber nicht mit ihm identisch (21 πλέον (α) . . . | λόγον Όδυσσέος ή ττάθαν . . . γενέσθ(αι] . . . δια τον άδυεπή "Ομηρον; vgl. 32 θεός ανξει λόγον: der , R u h m ' nimmt hier zu, nicht aber das .r hmende Gedicht').

Pindar gibt zwei Beispiele f r die allein g ttlicher Dichtung gegebene Macht, die Erinnerung an Tote und ihre Leistung unter den Menschen lebendig zu erhalten63. Das Beispiel des Aias ist dabei Kontrast und Steigerung gegen ber dem des Odysseus: beider Namen sind in aller Munde (λόγο$ Vers 21 und 32), weil sie durch Homer besungen wurden, doch nur bei Aias ist der Ruhm durch wirkliche Leistung und Tatkraft (vgl. 12 μεγάλαι άλκσί mit 26 δ καρτεράς Αίας)54 gerechtfertigt. Wie aber findet Pindar im ersten Mythos von N. 7 den bergang vom (geringf gigen) ,Leiden' und (allzu gro en) ,Ruhm'65 des Odysseus (20f.) zur echten Leistung und Gr e des Aias, den er Vers 27 Achill an die Seite stellt (Aicc$ ... κράτιστος Άχιλέος άτερ μάχα) ? Wie begr ndet er seine Behauptung, da auf Grund von Homers Dichtung (δια τον άδυεττη ... "Ομηρον) mehr ber Odysseus gesprochen werde als seinem ,Leiden' zukomme (πλέων ... λόγος Όδυσσέος ή ττάθα) ? Die Verse 22—24, in denen die Antwort auf diese Frage liegen mu , sind in der Erkl rung umstritten: 22 έττεί ψεύδεσί l ποτανφ („) μαχανςί | σεμνόν Ιπεστί τι* σοφία δε κλέπτει παράγοισα μύθοις · τυφλόν δ* Ιχει | ήτορ όμιλος ανδρών ό πλείστος . . . Spricht Pindar hier von den .L gen' (22 ψεύδεσι)66 des O d y s s e u s oder von denen H o m e r s ? Geh rt das Pronomen l unmittelbar zu ψεύδεσι (22 ψεύδεσί l ,ihm auf den L gen': ,auf seinen L gen'), oder soll man es zum Pr dikat επεστι ziehen und ψεύδεσι kausal auffassen (.durch L gen . . . liegt auf ihm etwas Erhabenes') ? Ist das ,Erhabene' oder die .W rde' (23 σεμνόν τι) auf 52

TUGENDHAT 403 mit Anm. 3. Vgl. V. 14—17 (. . . Μναμοσύνας Ixcrn . . . | εΟρητσι άποινα μόχθων κλυταΐς έπέων άοιδαΐς) und ζ. Β. Ι. 7, 16—19 (παλαιά γαρ | εΰδει χάρις, άμνάμονες δε βροτοί, [ ό τι μη σοφίας αωτον άκρον | κλυταΐς έπέων όοαΐσιν έξίκηται ζυγέν). 54 Vgl. Ι. 4, 35 ίστε μάν Αϊαντος άλκάν, . . . 55 Pi. ist hier milder als N. 8, 34, wo er Odysseus' Ruhm κϋδος . . . σαθρόν nennt. Ββ Pi. verwendet ψευδός und ψεύδη ausschlie lich in abwertender Bedeutung, ,L ge', .Trug': s. die Belege bei SLATER, Pi.-Lex. s. v.; Gegensatz ist 'Αλάθεια: O. 10, 4; Fr. 205. Man darf also unter ψεύδεσι an unserer Stelle nicht .dichterische Erfindungen', .Dichtung' im neutralen Sinne verstehen, wie z. B. MEZGER, Komm. 366 zu V. 22, und KUMPEL, Pi.-Lex. s. v. ψεύδος am Ende. An der einzigen von KUMPEL f r diese Bedeutung angef hrten Parallelstelle O. l, 30 (δεδαιδαλμένοι ψεύδεσι ποικίλοις έξαπατώντι μύθοι) werden die ψεύδη schon durch das Verbum έξαπαταν ausdr cklich als .L gen' charakterisiert. 53

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Das siebente nemeische Lied Odysseus zu beziehen oder als Eigenschaft homerischer Dichtung anzusehen ? — In Vers 22 fehlt hinter ττοτανςί: dem Metrum zufolge eine Silbe, und man erg nzt heute allgemein mit Hermann τε67: ist diese Erg nzung, durch die die beiden Begriffe ψεύδεσι und ττοτανςί μαχανφ gleichgeordnet werden (,L gen und befl gelte Kunst'), richtig58 ? — Wen meint Pindar schlie lich mit der allgemein gehaltenen Aussage Vers 23 (σοφία 5έ κλέτττει τταραγοισα μύθοι?): bedeutet σοφία hier die .Dichtkunst' Homers59 oder die .Klugheit' des Odysseus oder beides zugleich60 ?

Um den Ausgangspunkt der Mi verst ndnisse n her einzugrenzen, m chte ich auf die letzte Frage zuerst eingehen. Pindar sagt in den Versen 23bff.: ,die Masse der Menschen hat ein blindes Herz: denn wenn sie die Wahrheit h tte sehen k nnen, dann h tte nicht aus Zorn ber die Waffen der starke Aias sich in sein breites Schwert gest rzt'. Hier ist unbestritten, da mit der ,Menge, die die Wahrheit nicht sah' auf Grund des Nachsatzes nur das griechische Heer vor Troja gemeint sein kann, das ber die Vergabe von Achills Waffen an den st rksten Helden zu entscheiden hatte. Die zugrunde liegende Situation ist also die gleiche wie Pindar sie N. 8, 24—27 ausf hrlicher darstellt: Odysseus bringt durch L gen die Griechen dazu, ihm die Waffen Achills zuzusprechen (μέγιστον δ' αΐόλω ψεύδει yipaj άντέταται | 57

Orphica, 1805, 788. — Bedenken gegen diese Erg nzung hatten (au er vielleicht HERMANN selber, der bei HEYNE, Ausg. 1817, mit ER. SCHMID, Ausg. 1616, γε schreibt: vgl. dazu SCHROEDER, ed. mai. 1900, App. zu N. 7, 22) DISSEN bei BOECKH 2, 2, 422: „Hermannus nunc praefert ττοτανφ ye, quod et ipse malim, sensu aptiore", und BURY, Komm. 1890 zu V. 22 (er schreibt ττοτανς* {'μφΐ) μαχανςϊ). 58 Entsprechend den verschiedenen Interpretationsm glichkeiten finden sich in der Forschung folgende Auffassungendes έπεί-Satzes: (1) ,,,quippe mendaciis eius (sc. Homeri) et alatae arti magnificum inest quiddam'": BOECKH 2, 2, 1821, 81; vgl. z. B. GUNDERT, 1935, 50 mit Anm. 237; TUGENDHAT, Hermes 88,1960, 403 Anm. 3; BOWRA, Pi. 1964, 28; GIANOTTI, RivFil 94, 1966, 392. — (2) ,auf Odysseus' L gen und Odysseus' befl gelter Kunst liegt etwas Ehrw rdiges': so anscheinend DES PLACES, Le pronom, 1947, 31; er beruft sich auf FR NKEL, Gnomon 1930, 12 (= W. u. F. 1960, 361), dessen Auffassung jedoch nicht ganz klar ist („auf des Odysseus (geschickten) L gen . . . und der befl gelnden Kunst (sc. wohl Homers ? s. u.) liegt eine W rde, . . ."): nach seiner Paraphrase a. a. O. (W. u. F. 360: „der vereinigte Glanz sinnreicher L gen und k stlicher Dichtung") scheint er ττοτανςί μαχανφ auf Homer zu beziehen: doch s. au er DES PLACES auch GUNDERT, Anm. 237. — (3) ,, ,denn es haftet ihm (dem Odysseus . . .: sc. ot . . . εΊτεστι) etwas Ehrw rdiges an in Folge der Dichtung und der befl gelten Kunst (des Homer)'": MEZGER, Komm. 1880, 366 zu V. 22; vgl. schon RAUCHENSTEIN, Philologus 13, 1858, 428; oder: „....durch den Trug der Dichtkunst (sc. Homers)'": SCHADEWALDT, Aufbau 1928, 46; hnlich WILAMOWITZ, Pi. 1922, 162. 59 Vgl. WILAMOWITZ, Pi. 162: „Die σοφία, also die Dichtkunst, kann auch t uschen"; SCHADEWALDT 46: vgl. Schol. z. St., 33a, S. 121 Dr. 60 MEZGER, Komm. 366 zu V. 22 (nach RAUCHENSTEIN): „σοφία ist zweideutig: mit Bezug auf das Vorhergehende bezeichnet es die Dichtkunst, welche das Volk bezaubert; mit Bezug auf das Folgende die Schlauheit des Odysseus, welcher den Griechen etwas vorgaukelt"; vgl. SCHADEWALDT 46.

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Der erste Mythos

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. . . Όδυσσή Δαναοί θεράπευσαν), Aias aber, der sie verdient h tte, begeht Selbstmord (Aias στερηθείς όπλων φόνω πάλαισεν).

Von diesen Kompositionselementen des Aias-Odysseus-Mythos stellt Pindar jedoch in N. 7 nur die eine Seite u n m i t t e l b a r dar: ,Aias st rzte sich aus Zorn ber die Waffen in sein Schwert' (25—27), die Entscheidung des griechischen Heeres aber und die sie herbeif hrende Trugrede des Odysseus sind offenbar in der vorhergehenden formal allgemeinen Aussage 23f. mitenthalten: σοφία δε κλέπτει παράγοισα μύθοι$ (Odysseus); τυφλόν δ' έχει | ήτορ όμιλο? ανδρών ό πλείστος (die Griechen). Erst mit dem begr ndenden Bedingungssatz 24b—25a wendet Pindar sich dann ganz der mythischen Situation des Waffenstreits vor Troja zu (εί γαρ ην ε, sc. τον των Δαναών ομιλον, τάν άλάθειαν ίδέμεν, ου κεν ... | ... Αίας επαξε δια φρενών ... ξίφο$). Aus diesem Zusammenhang aber geht hervor, da σοφία in Vers 23 auf jeden Fall zun chst einmal die t uschende ,Klugheit' des Odysseus 61 meint: sie .t uscht, indem sie durch L generz hlungen62 von der Wahrheit ablenkt' (κλέπτει παράγοισα μύθο is). Der Satz bedeutet also sachlich das gleiche wie N. 8, 32f., wo Pindar mit folgenden Worten die Quintessenz aus dem Odysseus-Aias-Mythos zieht: .geh ssige Verdrehung der Wahrheit gab es folglich schon in alter Zeit, die Begleiterin verschlagener L genreden, Erfinderin von Lug und Trug. . .' (έχθρα δ' άρα πάρφασις ην καΐ πάλαι, | αίμύλων μύθων όμόφοιτος, δολοφραδής). Diese Aussage ist sch rfer und klarer als diejenige in N. 7, doch scheint mir die bereinstimmung deutlich: dem formal allgemeinen Satz σοφία δε κλέπτει παράγοισα μύθοις (Ν. 7) entspricht die formal allgemeine Feststellung πάρφασις . . . αίμύλων μύθων όμόφοντος83. Beide Aussagen haben ihren besonderen Bezugspunkt im .verschlagenen' Vorgehen des Odysseus gegen Aias.

Die Annahme einer Doppelbeziehung von σοφία Ν. 7, 23 auch auf Homers .Dichtkunst' aber w rde sich bei diesem Sachverhalt nur dann βι σοφία kann synonym mit τέχνα sein: s. O. 7, 50 und 53 (τέχνα durch σοφία wieder aufgenommen): mit dem Wort τέχνα aber spielt Pi. I. 4, 35 auf den durch List errungenen Sieg (des Odysseus) ber Aias an; vgl. f r die σοφία des Odysseus auch Fr. 260, 7 (von Palamedes: κυριώτερος, sc. του 'Οδυσσέως, είς σοφίας λόγον); zu σοφία im Zusammenhang mit dem .geschickten Gebrauch der Worte', der . berredungskunst', vgl. P. 9, 39 (σοφας Πειθούς); vgl. auch Jasons .geschickte Worte' P. 4, 138 (βάλλετο κρηπϊδα σοφών έπέων). — F r negative σοφία s. schlie lich O. 9, 38 (έχθρα σοφία). 62 Das Wort μύθος kommt im ganzen dreimal bei Pi. vor (immer im Plur.), jedesmal in negativer Bedeutung: wie hier (N. 7, 23) die μύθοι mit κλέπτειν und παράγειν zusammengestellt werden, so N. 8, 33 mit πάρφασις und αίμύλος (πάρφασις . . . αίμύλων μύθων όμόφοντος) und O. 1, 29 mit ψεύδη und έξαπαταν (δεδαιδαλμένοι ψεύδεσι ποικίλοις έξαπατώντι μύθοι); vgl. auch W ST 35 (μύθοι seien „tr gerische Worte"). 63 Die Zusammengeh rigkeit der beiden Verspartien wird durch die relative Seltenheit und die negative Sinngebung des Wortes μύθοι bei Pi. (s. vorige Anm.) unterstrichen. — Bei Bakch. dagegen (11, 90; 15, 39) hei t μύθος wie bei Homer nicht mehr als .Wort', ,Rede'. 4

K hnken, Pindax

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Das siebente nemeische Lied

empfehlen, wenn der noch nicht gekl rte Satz 22—23 a dies nahelegen sollte. Als Rahmen f r diesen Satz aber hat sich bisher einerseits die ,Trugrede' des Odysseus in den Versen 241, andererseits der ,Ruhm' des Odysseus, ,das, was von ihm erz hlt wird'64, in den Versen 20 f. ergeben. Die Frage ist also, wie sich in den dazwischen liegenden Versen 22f. der bergang vom ,Ruhm des Odysseus' (Odysseus Objekt) zu den ,L gen des Odysseus' (Odysseus Subjekt) vollzieht. Der Schl ssel f r die Interpretation dieses Satzes aber scheint in der Beziehung von ψεύδεσΐ l zu liegen: ,l gt' Homer oder ,l gt' Odysseus ? Beide werden Vers 21 namentlich genannt (λόγος Όδυσσέος — άδυεττης Όμηρος), zu beiden lie e sich der syntaktische Bezug herstellen. Das Verh ltnis der in den Versen 21 und 22 verwendeten Begriffe l t sich zun chst noch n her bestimmen. Die neben den .L gen' (ψεύδη) in Vers 22 genannte .befl gelte Kunst' (ττοτανά μαχανά) und die .s e Dichtung Homers' (άδυεττής Όμηρος) in Vers 21 werden zusammengeh ren, denn die beiden Adjektive άδυεττής und ττοτανός sind charakteristische Bezeichnungen f r die Dichtung: wie άδυεττής gebraucht Pindar auch ττοτανός (in bertragener Bedeutung65) nur im Zusammenhang mit Dichtung und Lied und nur in a n e r k e n n e n d e m Sinn: beide Adjektive finden sich als Attribute f r Pindars eigene Kunst". Von den in Vers 22 aufeinanderfolgenden Begriffen .L gen' (ψεύδεσι) und .befl gelte Kunst' (ποτανφ μαχανςί) wird also der letztere Homers .vollendete Kunst' bezeichnen*7 und nicht etwa im Hinblick auf die F higkeiten des Odysseus gebraucht sein88. Soll man dann auch die .L gen' auf Homer beziehen ? Das erg nzte τε (ψεύδεσί ot ττοτανφ μαχανφ) legt diese Annahme nahe. Der έττεί-Satz lie e sich dann auf zweierlei Weise verstehen, entweder: .denn auf Homers L gen und Homers befl gelter Kunst liegt etwas Erhabenes'69, oder aber: ,denn auf Odysseus liegt d u r c h Homers L gen und Homers befl gelte Kunst etwas Erhabenes'70. Im zweiten Fall h tte Odysseus als Person durch Homer .etwas Ehrfurchtgebietendes' bekommen (oi, sc. Όδυσσεϊ, σεμνόν έΊτεστί τι) oder, wie Schadewaldt paraphrasiert: „durch den Trug der Dichtkunst verlieh er (sc. Homer) ihm (sc. dem Odysseus) eine nicht zukommende W rde"71. Gegen diese Interpretation sind jedoch die folgenden beiden Einw nde m glich: 64

Verdeutlicht durch den Gegensatz von λόγος Όδυσσέος und ττάθα, sc. Όδυσσέος. Das Wort begegnet, au er an dieser Stelle, noch zweimal (P. 5, 114; P. 8, 34) in bertragener, einmal (N. 3, 80) in eigentlicher Bedeutung. 66 s. f r ττοτανός P. 8, 34 (vom Lied: έμφ ττοτανόν άμφΐ μαχανςί); vgl. auch O. 9, llf. (τττερόεντα δ' ΐει Πυθώνάδ' όϊστόν . . .) und Ι. 5, 63 (τττερόεντα νέον συμττεμψον υμνον). — F r άδυεπής s. Ν. l, 4f. (Pi.'s Lied: άδυεττής ύμνος); vgl. O. 10, 93 (άδυεπής . . . λύρα). 67 Vgl. mit den .Fl geln der Dichtung' die .Ausstrahlungskraft' der (homerischen) Dichtkunst I. 4. 40ff. 68 Vgl. GUNDERT, Anm. 237; f r Bezug auf Odysseus: DES PLACES, s.o. Anm. 58 (2). 69 s. o. Anm. 58 (1). 70 s. o. Anm. 68 (3). 71 SCHADEWALDT 46; vgl. ebd. ,,Es handelt sich . . . um die Person des Odysseus". 65

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Der erste Mythos

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(1) Ist es wahrscheinlich, da .durch L gen (den „Trug der Dichtkunst") eine erhabene W rde (σεμνόν τι) auf Odysseus liegt' ? (2) Ist es glaubhaft, da Pindar der Person des Odysseus .etwas Erhabenes' (und sei es auch nur von Homer verliehen) zubilligen wollte ? Die Belege f r σεμνός bei Pindar weisen in eine andere Richtung. Das Wort wird nur von G ttern72, gottnahen Heroen73 oder gottgesegneten Bereichen und Gegebenheiten7* gebraucht: Odysseus k nnte also zwar vielleicht durch .g ttliche Kunst' (22 ποτανφ μαχανα, d. h. die Dichtkunst Homers) eine besondere W rde (σεμνόν τι) erhalten haben, aber wohl kaum durch die .L gen' oder den „Trug" (ψεύδεσι) dieser Kunst. Die .Person des Odysseus' wird jedoch berhaupt von Pindar zu wenig gesch tzt, als da er ihr mit einem so vornehmen Ausdruck wie σεμνόν etwas .Erhabenes* oder .Eindrucksvolles' zuerkannt h tte75. Es kommt hinzu, da Schadewaldts76 Auffassung (..Es handelt sich zun chst, sc. V. 201, um das Schicksal, dann, sc. V. 22f., um die Person des Odysseus") dem Zusammenhang nicht gerecht wird. Das „Schicksal" (21 ιτάθα) des Odysseus ist f r Pindar nicht sehr wesentlich: es gibt nur den Vergleichsma stab f r das ab, was f r den Dichter nicht nur im Mythos der Verse 20ff., sondern im Gedicht berhaupt, vor allem wichtig ist: die Abh ngigkeit des .Ruhms* (λόγος) vom .Lied' (Ιττη u. .)77. Bei Schadewaldts Paraphrase wird nicht deutlich, wie das den Nebensatz Vers 22 einleitende .denn' (έττεί) zu verstehen ist: man fragt sich, wie der ,Ruhm des Odysseus' (21 λόγος Όδυσσέος) mit seiner „W rde" (22 σεμνόν τι) zusammenh ngen oder durch sie begr ndet sein sollte. Der bergang vom ,s redenden Homer' (21: anerkennende Bemerkung)78 zum „Trug der Dichtkunst Homers" (22) w re berdies ganz unvermittelt79. Odysseus' Ruhm wird jedenfalls als Paradebeispiel f r die Bedeutung des Liedes angef hrt. Von Odysseus' Schicksal aber spricht Pindar weiter nicht, und es ist auch wenig wahrscheinlich, da in Vers 22 seine „Person" oder „W rde" gemeint sein k nnte: im Unterschied zu Aias (Vers 26) und Neoptolemos (Vers 36), die im Nominativ eingef hrt werden und ehrende Attribute oder Bemerkungen erhalten, erscheint der Name .Odysseus' nur im abh ngigen Genitiv (21 λόγος 'Οδυσσέας). Seine Person ist f r Pindar weniger wichtig, und eine ihm „nicht zukommende W rde"80 h tte im vorliegenden Zusammenhang kaum eine Pointe. 72

N. 5, 25 (Thetis); P. 3, 79 (σεμνά θεός), vgl. Dith. 2, 8 (σεμνςί . . . Ματέρι παρ μεγάλο:); Ο. 14, 8 und Fr. 95, 4 (Chariten). 78 Ο. 6, 68 (Herakles: σεμνόν θόλος Άλκαϊδαν); Ν. 8, 13 (ΑΙακοο σεμνών γονόττων . . . άπτομαι). 74 Tempel, Grotte: N. 3, 69 (σεμνόν . . . Πυθίου Θεάριον); Fr. 95, 1 (ώ Πάν, . . . σεμνών άδυτων φύλαξ); Ρ. 9, 30 (Grotte des Chiron: σεμνόν αντρον), vgl. O. 5, 18 (Grotte des Zeus: Ιδαίον . . . σεμνόν δντρον) — Heilige St tten: O. 9, 6 (Olympia: σεμνόν . . . άκρωτήριον "Αλιδος); Ν. 10, 28 (Nemea: σεμνοΐς δαπέδοις εν); Ν. 1, 1 (αμπνευμα σεμνόν 'Αλφεοϋ . . . 'Ορτυγία, δέμνιον Αρτέμιδος) — Sonst von G ttlichem: Ν. l, 72 (νόμος, sc. του Διός); Fr. 30,3 (κλϊμαξ 'Ολύμπου); Ο. 7, 42 (θυσία). 75 Vgl. besonders N. 8, 25ff. 76 Aufbau 46. 77 Vgl. vor allem V. 11—16 und V. 31 f. 78 s. o. S. 50 mit Anm. 66. 19 SCHADEWALDT, Aufbau 46, l t in seiner Paraphrase das Attribut άδυεπής und die Konjunktion Ιπεί unbeachtet. 80 So SCHADEWALDT, a. O., f r σεμνόν τι. 4»

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Das siebente nemeische Lied Das Adjektiv σεμνός, das Pindar zweimal als Attribut f r die Chariten gebraucht81, wird vielmehr in einer Darstellung wie der von N. 7, wo Homers s e Worte (21 άδυεπής "Ομηρος) und seine .befl gelte Kunst* {22 ττοτανά μαχανά) im Vordergrund stehen und der .Dichter* unmittelbar neben den ,Gott* ger ckt wird (21 λόγον . . . πλέονα γενέσθαι δια τον άδυεπή "Ομηρον — 32 Θεός αύξει λόγον) als Eigenschaft eben dieser homerischen Dichtung zu verstehen sein. Die Verbindung ψεύδεσι . . . σεμνόν Ιπεστί τι kann dann nur bedeuten, da ,auf L gen etwas Erhabenes liegt', n mlich die eindrucksvolle Charis der Dichtkunst Homers. Damit aber ergibt sich eine genaue Parallele zu O. l, 28—3282: . ber das, was wahr ist, hinaus mit bunten L gen ausgeschm ckt, t uschen die ( berlieferten)83 M rchen (28b—29 υπέρ τον άλαθή λόγον | δεδαιδαλμένοι ψεύδεσι ποικίλοις έξαπατώντι μΰθοι). ,Die Sch nheit der Kunst aber, die den Menschen alles Bezaubernde schafft, f gt Ehre hinzu und findet dadurch das Mittel, oftmals auch das Unglaubw rdige glaubw rdig sein zu lassen . . .' (30—32 Χάρις δ', άττερ άπαντα τεύχει τα μείλιχα θνατοϊς, | έπιφέροισα τιμάν καΐ άπιστο ν έμήσατο πιστό ν | Ιμμεναι το πολλάκις). Die Ber hrungen mit N. 7 sind sehr eng: ,die anmutige Kunst (Χάρις . . . . όπερ . . . τεύχει τα μείλιχα: vgl. N. 7, 21 άδυεπής Όμηρος und 22 ποτανά μαχανά) bringt es dadurch, da sie L generz hlungen (δεδαιδαλμένοι ψεύδεσι . . . μύθοι ~ N. 7,22 ψεύδεσι und 23 μύθοις) durch etwas Ehrfurchtgebietendes (τιμά~ Ν. 7,23 σεμνόν τι)84 verbr mt (επίφέροισα ~Ν. 7, 23 επεστι) zustande, das an sich Unglaubw rdige (άπιστον, d. i. ψεύδη) glaubw rdig (πιστόν, vgl. N. 7, 23 σεμνόν) scheinen zu lassen'. In O. l wird klar unterschieden zwischen den unter den Menschen verbreiteten .L genm rchen' (28f. δεδαιδαλμένοι ψεύδεσι . . . μΰθοι), die im Mythos des Gedichtes dann ihren konkreten Bezugspunkt in den L generz hlungen .neidischer Nachbarn* ber das Verschwinden des Pelops haben (47ff.), — und der .bezaubernden Kunst' (30 Χάρις . . . όπερ . . . τεύχει τα μείλιχα) andererseits, die diesen M rchen als wirkungsvolle Erg nzung ein beeindruckendes Aussehen gibt85. Pindar betont das komplement re Verh ltnis von ,,L generz hlungen' und .Kunst' durch einen stilistischen Kunstgriff: das Wort μΰθοι steht auffallend zur ckgeschoben als Abschlu des ihm gewidmeten Satzes (28f.) ganz am Ende der Epode A' von O. 1; die Strophe B' aber setzt ein mit Χάρις δε (30). Damit werden die beiden entscheidenden Begriffe unmittelbar miteinander konfrontiert. Die l genhaften M rchen sind der Stoff, den die Dichtkunst mit einer sch nen Form umh llt. Dieser Form aber verdanken die L gen dann ihre Uberzeugungs-

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O. 14, 8 (ουδέ . . . Θεοί σεμναν Χαρίτων ατερ κοιρανέοντι χορούς) und Fr. 95, 4 (σεμναν Χαρίτων μέλημα τερπνόν: von Pan als beliebtem Thema in den Ges ngen der Chariten; vgl. P. 3, 78f. mit Schol. 139a: Pan mit Rhea Liedthema). 82 SCHROEDER, ed. mai. 1900, Apparat zu N. 7, 22, verweist auf O. l, 28—34 als sachliche Parallele. 83 Vgl. V. 28 βροτών φάτις .was sich die Menschen erz hlen'. 84 MEZGER, Komm. 90 zu O. l, 32, verweist f r τιμάν auf N. 7, 22 σεμνόν; vgl. umgekehrt GUNDERT 50 zu N. 7, 22: „σεμνόν τι ~ τιμάν Ο. 1, 31." 85 TUGENDHATS Vergleich, S. 4021, von N. 7, 20f. und 32 mit O. l, 28ff. scheint mir irref hrend: In O. l, 28ff. werde „ebenfalls die Gefahr des dichterischen Wortes in seinem eigentlichen Wesen selbst gesehen .... in der χάρις". — TUGENDHAT l t den Unterschied von μοθοι und Χάρις au er acht: die μΰθοι O. l, 29 sind ebenso-

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kraft und Wirkung (31 f. ε'πκρέροισα τιμάν κσΐ δπιστον έμήσατο ιτιστόν | εμμεναι), f r die ,die Folgezeit der beste Zeuge' ist (33 f. άμέραι δ' έττίλοπτοι | μάρTupES σοφώτατοι)86. Scheint Pindar aber nicht auch in N. 7 in ganz hnlicher Weise zwischen Stoff und Form zu unterscheiden: zwischen den .L genm rchen des Odysseus' und der .Dichtkunst Homers', die jene L gen in sch ne Worte kleidet und ihnen etwas Eindrucksvolles gibt (ψεύδεσί οί ποτανς* . . . μαχανς* σεμνόν επεστί τι)87 ? Wenn man aber τε erg nzt (ψεύδεσί l ποτανα μαχανα) bliebe kaum noch eine andere Wahl, als zu bersetzen ,auf Homers L gen und seiner befl gelten Kunst liegt etwas Erhabenes'. Doch k me dann Odysseus im έπεί-Satz berhaupt nicht mehr vor und wie auf .L gen* (inhaltliche Kategorie) und .befl gelter Kunst' (Kategorie der Form) in gleicher Weise .etwas Erhabenes liegen' kann, w re durchaus unklar. Auch im Verszusammenhang erscheint die Beziehung des Wortes ψεύδη auf Homer nach der Erw hnung des Odysseus und im Rahmen der OdysseusAias-Geschichte wenig plausibel: Fr nkel88 verweist zu Recht auf die .Trugrede' (ψευδός) des Odysseus im parallelen Mythos von N. 8 (V. 25). Diese, Trugrede' mu nach dem oben (S. 48f.) skizzierten Zusammenhang der Verse N. 7, 23b bis 27, ganz unabh ngig von der Interpretation des Satzes 22—23a, auf jeden Fall auch in N. 7 Kompositionselement des Odysseus-Aias-Mythos sein. Sollte dann nicht auch schon ψεύδη in Vers 22 ein Hinweis auf die f r Odysseus bezeichnenden .L genreden' sein, hnlich wie in N. 8 umgekehrt die Trugrede des Odysseus beim Waffenstreit (25 ψευδό;) noch einmal allgemeiner durch πάρφασι$ (32) wiederaufgegriffen wird ? Au erdem aber sind .L gen' H o m e r s auch deshalb unwahrscheinlich, weil Pindar in seiner dritten Darstellung der Aias-Odysseus-Geschichte, in I. 4, die Dichtkunst Homers als f r sich selber vorbildlich hinstellt: .wie Homer durch seine g ttliche Kunst f r die Ehre des Aias gesorgt hat, so m chte auch ich mit einer ebensolchen Liederfackel den Ruhm des Siegers Melissos sichern' (37ff. αλλ' "Ομηρο; τοι τετίμακεν, sc. Αίαντα, δι' ανθρώπων, δ; αυτού | . . . άρετάν κατά jb άβδον εφρασεν | θεσπέσιων έπέων λοιποϊς άθύρειν · | τοϋτο γαρ άθάνατον φωνδεν έρπει, | εϊ τι; ευ είττη τι ... | ... | ττροφρόνων Μοισαν τύχοιμεν, κεΐνον αψαι πνρσόν νμνων \ καΐ Μελίσσω). Auch hier geht es um die gro artige Dars t e l l u n g Homers, w hrend der Inhalt festliegt: Homer stellt die Taten des wenig wie λόγος N. 7, 21 und 32 .Worte des Dichters', und von einer „Gefahr" des Wortes ist nicht die Rede. 86 V. 33f. spricht wohl nicht von einem .Urteil der Nachwelt' (so z. B. BOECKH 2, 2, 107) oder von Pi. als korrigierendem Werkzeug der Zeit (vgl. z. B. RAUCHENSTEIN: MEZGER, Komm. 90 zu V. 35; WILAMOWITZ, Pi. 235; ILLIG 16 Anm. 2; GUNDERT 51; vgl. BOWRA 39), sondern bezeichnet gerade die Folgezeit als .kl gsten, wissenden. Zeugen' f r die V. 30—32 festgestellte b e r z e u g u n g s k r a f t der durch die Kunst geadelten M rchen: .wie sehr man den im ehrfurchtgebietenden Gewand der Kunst auftretenden L gen glaubt, bezeugt am besten ihr Weiterleben in der Folgezeit'. — Pi. sagt ausdr cklich, da bis zu ihm die traditionelle Version der Pelopsgeschichte immer geglaubt worden ist, und erst er sie aus Piet tsgr nden (35) ndere (36 άντία προτέρων φθέγξομαι). 87 επεστι bedeutet nicht ,,, zwest'" (BOECKH 2, 2, 81) oder ,, in seinen L gen . . . liegt etwas Ehrw rdiges" (GUNDERT 50), sondern bezeichnet einen .Zusatz' oder eine .Erg nzung': vgl. au er ε'πιφέροισα O, l, 31 z. B. O. 13, 99 (άλαθής τέ μοι εξορκος επέσσεται . . . βοά κάρυκος) und Ρ. 8, 97 (λαμπρόν φέγγος επεστιν). 88 Gnomon 1930, 12 (= W. u. F. 1960, 361): s. o. Anm. 58 (2).

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Das siebente nemeische Lied Aias nicht sachlich anders dar als sie waren (vgl. N. 7, 14—16 Ipyois δε καλοΐ$ έσοπτρον ίσαμεν . . . κλυταΐς έττέων άο»δαΐ$). Der Einflu der Dichtung Homers beruht auf der vollkommenen Form (I. 4, 39 θεσπέσια έπη; Ν. 7, 21 άδνεπής Όμηρος; vgl. O. l, 30 Χάρις), die der Leistung des Aias ebenso zugute kam wie dem .Leiden' und den .L gen* des Odysseus. Wenn aber N. 7, 22 mit ψεύδεσί l nicht Homer gemeint ist und mit ττοτανφ μαχανφ nicht Odysseus, dann ist offenbar nicht die richtige Erg nzung f r die eine hinter ττοτανφ: fehlende Silbe. Fr nkels89 Paraphrase des umstrittenen Satzes 22f. macht vielleicht am besten deutlich, wie wenig eigentlich die Erg nzung gerechtfertigt ist: „.Denn auf des Odysseus (geschickten) L gen (vgl. N. 8, 25ff.) und der befl gelnden80 Kunst (sc. Homers ?) liegt eine W rde, die zum Glauben verleitet'". — Wenn Fr nkel unter ποτανφ μαχανφ die Kunst Homers versteht81, ist seine Konstruktion schwerlich m glich. Die beiden durch gleichgeordneten Satzglieder ψεύδεσί l und ττοτανφ μαχανόι k nnen sich wohl kaum auf verschiedene Personen (einmal Odysseus, einmal Homer) beziehen: diese M glichkeit wird durch das hinter ψεύδεσί stehende l vollends ausgeschlossen. Die Satzform ,ihm auf den L gen u n d der befl gelten Kunst' gestattet nicht, das zweite Substantiv (ττοτανςί μαχανφ) einer anderen Person zuzuordnen als das erste (ψεύδεσί l). — Zwei Fragen ergeben sich jedoch aus Fr nkels bersetzung, die f r das Verst ndnis des έπεί-Satzes aufschlu reich sind: (1) Wieso sollte ,auf der Kunst Homers etwas Erhabenes (σεμνόν τι) liegen? Das .Erhabene' scheint doch viel eher eine Eigenschaft der Dichtung (ιτοτσνά μαχανά) zu sein als ein auf ihr liegender .Zusatz'. (2) Scheint nicht die Behauptung .auf den L gen des Odysseus liegt eine W rde' nach einer ausdr cklichen Erkl rung zu verlangen ? Wie kommt es, da sich gerade des Odysseus .L gen' durch .eine gewisse erhabene W rde' auszeichnen ? Die inhaltlichen und syntaktischen Fragen und Schwierigkeiten ergeben sich erst mit der Erg nzung . Sie l sen sich auf, wenn man den Kausalsatz in der berlieferten Form bersetzt (έττεί ψεύδεσί l ττοτανφ μαχανςί σεμνόν εττεστί τι: ,da auf seinen L gen durch befl gelte Kunst etwas Erhabenes liegt') und f r die nach dem Metrum hinter τΓοτανςί fehlende kurze Silbe mit Erasm. Schmid92 83 einsetzt, ποτανςί erh lt durch die Partikel den Nachdruck (.durch eine allerdings wirklich befl gelte Kunst', sc. diejenige Homers) oder auch die Einschr nkung (,nur durch eine so befl gelte Kunst' wie die Homers), die man in diesem Zusammenhang so ungew hnlich eindrucksvoller .L gen' durchaus erwarten k nnte. Der kausale Dativ ττοτανφ μαχανφ gibt die zuvor vermi te n here Erkl rung f r die Aussage ψεύδεσί l ... σεμνόν εττεστί τι: weil des Odysseus L gen mit Homers Dichtung verkn pft sind, liegt auf ihnen etwas Ehrfurchtgebietendes (als Eigenschaft und Zugabe eben dieser g ttlichen Dichtkunst), das sie besonders glaubw rdig erscheinen l t8*.

Die weittragende Kraft der Dichtung (22 ττοτανά μαχανά) ist nach Pindars Meinung also die Ursache daf r (22 έττεί), da Odysseus' ,Lei88

Gnomon 1930. 12 (= W. u. F. 1960, 361).. ττοτανόϊ hei t jedoch .befl gelt': vgl. P. 5, 114; P. 8, 34. 91 s. o. Anm. 58 (2). 92 Ausgabe 1616; vgl. HERMANN bei HEYNE, Bd. 3, l, 1798, 323. 83 F r die Stellung des γε vgl. I, 8, 60 ?δοξ' ήρα καΐ άΟανάτοΐξ | έσλάν γε φώτα (sc. Αχιλλέα) καΐ φθίμενον Ομνοΐξ θεαν διδόμεν. 94 hnlich wie in O. l die .Charis' (30) den .L generz hlungen' (29) eine besondere W rde und Glaubw rdigkeit gibt. 80

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den' (21 ττάθα), das doch eigentlich nur aus .L gengeschichten' bestehe (22 ψεύδη)95, eine so unangemessene Verbreitung gefunden habe. Die Dichtung Homers ist bezaubernd sch n (21 άδυεττή$) und ihr Einflu reicht sehr weit (22 ποτανό$)9β. Der Zusammenhang von Vers 20 bis Vers 27a l t sich demnach folgenderma en wiedergeben: ,... Ich aber glaube, da mehr ber Odysseus gesprochen wird als seinem Leiden zukommt — infolge der s en Dichtung Homers: denn auf Odysseus' L gen liegt durch die wirklich befl gelte Kunst Homers etwas Erhabenes. Klugheit aber (wie die des Odysseus) tr gt97, wenn sie durch L generz hlungen98 vom Weg (der Wahrheit) ablenkt: ein blindes Herz aber hat die gr te (Heer-)Schar99 der Menschen: denn wenn sie (sc. die Heerschar der Griechen vor Troja) die Wahrheit h tte sehen k nnen, dann h tte sich nicht aus Zorn ber die Waffen der starke Aias in sein breites Schwert gest rzt ...'. Von Odysseus aus gesehen verl uft also die gedankliche Entwicklung in folgenden vier Schritten: (1) Odysseus' Ruhm ist durch Homer gr er als sein Leiden (20f.); (2) denn sein Leiden beruht auf L gen, die durch Homers Kunst besonders eindrucksvoll dargeboten werden und Verbreitung gefunden haben (22f.); (3) Klugheit aber, die mit solchen L gen operiert, t uscht die meisten Menschen (23)10°; (4) sie t uschte auch das griechische Heervolk vor Troja und war so die eigentliche Ursache f r den Selbstmord des Aias (24—27).

In den Versen 20—23a behandelt Pindar das Thema ,Odysseus' im Rahmen von Homers Dichtung, um zu zeigen, welche Macht gro 95

Vgl. FR NKEL, Gnomon 1930, 12 (W. u. F. 360f.) und s. u. S. 56—58. Vgl. wieder I. 4, 41 f. (von der Wirkung der Dichtkunst) καΐ ττάγκαρπον επί χθόνα καΐ δια πόντον βέβακεν | |ργμάτων άκτίς καλών άσβεστος αΐεί, vgl. z. Β. Thgn. 237ff.: s. u. S. 183 Anm. 122; vgl. auch N. 6, 48f. (von der Ausdehnung des Ruhmes der Aiakiden) πέταται δ' επί . . . χθόνα καΐ δια θάλασσας τηλόθεν | όνυμ' αυτών . . .; vgl. auch Schol. 29b am Ende, S. 121 Dr., zu N. 7, 22: ττοτανήν δε μηχανήν τα ποιήματα είπε, . . . ή ... ή δια το ούτω μεμηχανήσθαι ώστε κατά πασαν χωράν πέτεσθαι καΐ διϊκνεΐσθαι. 97 κλέπτει ohne Objekt wie O. l, 29 έξαπατώντι μύθοι. 98 Zur Bedeutung des Wortes μύθοι bei Pi. s. o. Anm. 62. 99 Von sechs Belegen f r όμιλος bei Pi. haben f nf eindeutig die Bedeutung ,Heer (-schar)': N. 9, 21 (όμιλος = 18 στρατός ανδρών); I. 7, 35 (προμάχων αν' όμιλον); Pae. 6, 108 (Μυρμιδόνων χαλκοκορυστάν όμιλον έγείρων); Fr. 183 (Δολόπων άγαγε θρασών όμιλο ν); Ρ. 9, 123 (ίππευτδν νομάδων δι' όμιλον). — Allgemeiner nur P. 10, 46 (ανδρών μακάρων όμιλον). ιοο Wenn μϋθοι (23) mit ψεύδη (22) gleichzusetzen ist und mit ψεύδη die L gen des Odysseus gemeint sind, dann kann die Aussage σοφία κλέπτει παράγοισα μνθοις (23) ihren besonderen Bezugspunkt wohl nur in der .Geschicklichkeit' des Odysseus haben, .durch L gen irrezuf hren'. 96

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artige Dichtung selbst bei einem so wenig w rdigen Gegenstand wie den ,L gengeschichten' des Odysseus haben kann (1. und 2. Schritt). In den Versen 2 3 ff. l t Pindar dann Homer beiseite und beleuchtet Wesen und Wirkung der perversen .Klugheit' des Odysseus, zun chst in allgemeiner Form (23), dann mit direkter Bezugnahme auf das Beispiel des Aias (24— 27a) (3. und 4. Schritt). Dabei erg nzen sich, wie oft bei Pindar101, die allgemeine Aussage und das besondere Beispiel und gehen ineinander ber (δμιλος ανδρών ό πλείστος f r οί πλείστοι άνθρωποι ist mit deutlichem Hinweis auf das Heervolk der Griechen bei Homer so formuliert)102.

Wie aber argumentiert Pindar gegen Odysseus, und woher nimmt er die Sicherheit, dessen Taten als ,L gen' abzutun und seinen ,Ruhm' als nicht gerechtfertigt zu bezeichnen ? H. Fr nkel103 weist darauf hin, da Pindar im Zusammenhang mit seinem Urteil ber Odysseus offenbar mehrfach Homer zitiert: (1) Der Begriff πάθα (21) ist eine Anspielung auf die .Leiden' des Odysseus in der Odyssee (ot 4 πόθεν): diese .Leiden' erscheinen im wesentlichen in Erz hlungen des Odysseus, und Pindar konnte „an ihrer Wahrheit zweifeln"; (2) Aias war nach Homers Angaben104 der st rkste Grieche nach Achill (27 κράτιστος Άχιλέοξ άτερ μάχα): die Waffen Achills sollten dem st rksten Krieger zukommen: also mu sie Odysseus dem Aias durch Betrug genommen haben.

Fr nkel glaubt au erdem, da Pindar mit den Begriffen πάθα (21), ψεύδεσι (22), σοφία (nach Fr nkel die ,Dichtkunst'), κλέπτει, (σεμνόν) (23) die Rede des Alkinoos λ 363 ff. „zitiert" und „widerlegt"105. Doch scheint mir Pindar mit vielleicht gr erer Wahrscheinlichkeit vor allem auf eine andere Odysseestelle zur ckzugreifen: v 254f. hei t es von Odysseus, nachdem er von der noch unerkannten Athene geh rt hat, er befinde sich auf Ithaka: ,aber wieder sagte er nicht die Wahrheit' (ουδ' δ γ' άληθέα είπε ... | αίέν ... νόον πολυκερδέα νώμων), und er bindet sogar seiner Schutzg ttin ein L genm rchen auf (V. 256—286). Athene aber gibt sich daraufhin zu erkennen und sagt zu ihm (V. 291 ff.): κερδαλέος κ' εΐη καΐ έπίκλοπος, δ$ σε παρέλθοι | εν πάντεσσι δόλοισι, ... | ... ουκ αρ' έμελλες, ουδ' εν ση περ έών yairj, λήξειν άπατάων \ μνθων τε κλοπίων, οί τοι πεδόθεν φίλοι εισίν. \ αλλ' άγε 101

Vgl. ζ. B. nur Ν. 8, 22f. und 24ff.; I. 4, 34—36. Vgl. o. Anm. 99 und s. z. B. T 651 (bei den Leichenspielen f r Patroklos) Πηλείδης 5έ πολύν καθ' όμιλον Αχαιών [ ώχετο; Δ 209 καθ' δμιλον ανά στρατόν εύρύν Αχαιών; λ 514 (Odysseus ber Neoptolemos) o ποτ' ένΐ πληθυΐ μένεν ανδρών ούδ' εν όμίλω. 103 Gnomon 1930, llf. (W. u. F. 3601). 104 DISSEN bei BOECKH 2, 2, 422 verweist auf B 768f.; ebenso FR NKEL, a. O. los Ygi FR NKEL, a. O.: „Alkinoos zieht. . . ausdr cklich den von Pi. durchschauten Trugschlu von der Sch nheit der Rede auf die Wahrheit der Worte und auf den Wert des Sprechers". 102

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μηκέτι ταΰτα λεγώμεθα, ... | ... συ μεν έσσι βροτών οχ' ptcrros απάντων | βουλγ} και μνθοισιν, εγώ δ 1 εν πασι θεοϊσιν | μήτι τε κλέομαι και κέρδεσιν. Dies ist genau der Odysseus, wie Pindar ihn vor Augen hat: der Mann, der ,immer L gen erz hlt' und dessen Klugheit mit der L ge Hand in Hand geht (298 οχ' άριστος ... βουλή και μύθοισιν)106, der ,selbst in seinem eigenen Land' (294) nicht gleich die Wahrheit sagt (254 ουδ' o y' άληθέα είπε: vgl. Pindar N. 7, 22 ψεύδη und 25 άλάθεια). Diese Beschreibung der Athene zitiert Pindar offenbar mit dem Satz σοφία δε κλέπτει παράγοισα μυθοίζ (23): σοφία nimmt βουλή (ν 298) auf107 und κλέπτει τταράγοισα μύθοις setzt den Vers v 294f. um: ουκ άρ' Εμελλες . . . λήξειν άττατάων μύθων τε κλοπίοτν (vgl. 291 έττίκλο-TTOs). — Die .Trugreden' (294 άπάται) variiert Pindar au erdem durch den Ausdruck .L gengeschichten' (N. 7, 22 ψεύδη).

Schlie lich aber kommt auch in dem M rchen, das Odysseus der Athene erz hlt, das f r seine angeblichen oder wirklichen Abenteuer immer bezeichnende Schl sselwort ,leiden' vor (v 263 εγώ παθόν άλγεα θυμω), auf welches der Einleitungssatz des Odysseusparadeigmas in N. 7 hinweist (21 Όδυσσέο$ ... πάθα). Pindar konnte also aus dieser Homerpassage mit einigem Recht den Schlu ziehen, Odysseus' Beiden' (πάθα) beruhe zum gro en Teil auf von ihm selbst erz hlten .L gengeschichten'. F r Pindars Beweisf hrung in N. 7 und seine Stellung zu Homer ergibt sich daraus das Folgende: Homer hat f r Pindar nicht etwa eigenwillige Retuschen an dem, was er von Odysseus wu te, vorgenommen, und Pindar spricht auch nicht „von dem vereinigten Glanz sinnreicher L gen und k stlicher Dichtung", durch den „die stumpfe Menge" sich „blenden l t"108, sondern die homerische Darstellung zeigt gerade, da f r Odysseus die .Trugreden' charakteristisch sind. Pindar zitiert Homer als Autorit t nicht nur f r die Gr e von Aias' Leistung, sondern auch f r die L gen des Odysseus: in der Odyssee stehe doch deutlich genug, ausgesprochen von einer so unverd chtigen Zeugin wie Athene, worin des Odysseus Leistung eigentlich bestand. — Homer gibt also zwar durch seine Kunst den M rchen des Odysseus etwas Eindrucksvolles, doch bringt er auch klar zum Ausdruck, da Odysseus oft L gengeschichten erz hlt. Der grunds tzliche Unterschied zwischen dem Epos und Pindars Chorlied aber besteht in der 108

Das Wort μϋθοι ist an dieser Stelle, wie bei PL, eindeutig auf die Bedeutung .Trugreden' festgelegt (s. v 294f. μύθων . . . κλοπίων). ίο? vgl. Pi. P. 3, 29f. (von Apollon:) κλέπτει τέ μιν | ου θεό$ ου βροτό$ ipyois ούτε βονλαΐς'. was hier die βουλαί vergeblich versuchen, erreicht die σοφία Ν. 7, 23 und die βουλή des Odysseus v 298: σοφία und βουλή sind hier Synonyma. 108 So FR NKEL, a. O.: doch an der T uschung der .Menge* des Heeres der Griechen vor Troia hatte „k stliche Dichtkunst" eben gerade keinen Anteil.

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Das siebente nemeische Lied

verschiedenen Wertung. Athene meint ihre Charakteristik des Odysseus durchaus anerkennend, Pindar aber deutet sie f r seinen Zweck negativ um. Der Satz ,Klugheit t uscht, indem sie durch L gen verf hrt' (23), der schon durch den Zusammenhang mit dem folgenden Waffenstreit (24ff.) auf Odysseus bezogen werden mu 109, wird also auch auf Grund der Homerparallele als eine nur auf Odysseus, nicht aber auf Homer, gem nzte Aussage gelten k nnen: σοφία ist hier nicht die ,Dichtkunst'. Damit aber wird auch die Verbindung zu σοφοί (Vers 17) klarer, f r das Fr nkel110 nach Schr der111 den Sinn .kluge Leute' klargestellt hat112, σοφοί (17) ebenso wie σοφία (23) haben in N. 7 die allgemeine Bedeutung der .Klugheit'; σοφία bekommt erst durch die besondere Charakterisierung .sie t uscht . . . durch L genm rchen' mit dem Blick auf Odysseus ihre negative Schattierung, hnlich wie v 298 die .planende Klugheit' ( ouArj)113 durch die .listigen (Trug-) Worte' (καΐ μύθοισιν sc. κλοττίοΐξ)114 n her bestimmt wird.

War bis Vers 23 nur von Odysseus, seinem Ruhm und seinen L gen die Rede, so wendet Pindar sich jetzt ber den Schaltsatz 23bf. dem Aias zu. Mit Vers 24 (yap) beginnt der eigentliche mythische Bericht, der zugleich ein konkreter Beleg f r die L gen des Odysseus und ihre Folgen ist: das griechische Heervolk lie sich durch Odysseus verf hren, ihn ber Aias zu stellen und mit den Waffen Achills zu ehren115. Pindar betont an dieser Stelle die Unf higkeit der meisten Menschen, eine geschickte L ge zu durchschauen, zweimal:,die Masse ist blind' (23 f. τνφλόν δ'έχει | ήτορ 6μιλο$ ανδρών ό πλείστο?) und ,sie sieht die Wahrheit nicht' (24f., in der Form des irrationalen Konditionalsatzes εί γαρ ην Ι ε τάν άλάβειαν ίδέμεν ...): er hebt so hervor, wie leicht und gr ndlich die Griechen sich t uschen lie en. Zugleich aber markiert die Aufeinanderfolge von .Blindheit' und ,Sehen' (23f. τυφλόν ήτορ — 25 ίδέμεν) formal den bergang zu einem neuen Thema: auf die ,L gen', die Gegenstand der allgemeinen Bemerkungen der Verse 22—24 waren (22 ψεύδη; 23 σοφία ... κλέπτει παρόγοισα μύθοις), folgt die »Wahrheit' (25 άλάθεια) als Leitmotiv der mythischen Partie 24ff. Die ,L gen' wirken zwar als die im Zusammenhang mitgedachten ,Trugreden des Odysseus beim Waffen109

no s. o. S. 48f. Gnomon 1930, 11 (W. u. F. 360). Sokrates l, 1913, 532; vgl. SCHROEDER, ed. mai. Appendix 1923, 522 zu N. 7, 17. 112 Dagegen nimmt neuerdings THUMMER, Isthm.-Komm. l, 1968, 95 mit Anm. 77 wieder an, σοφοί bedeute hier „die Dichter". Diese Annahme ist jedoch auch noch aus anderen Erw gungen unhaltbar: s. u. S. 84—86. 113 Gleichbedeutend mit μήτι V. 299. 114 Synonym mit κέρδεσιν V. 299: vgl. V. 2961, wo Athene die Parallelit t zwischen sich und Odysseus herstellt: είδότες αμφω | κέρδεα: συ (unter den Menschen) . . . βουλή καΐ μύθοισιν, εγώ (unter den G ttern) . . . μήτι . . . καΐ κέρδεσιν. us Vgl. dazu N. 8, 25: μεγιστον αΐόλςο ψεύδει γέρας άντέταται. 111

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Der erste Mythos

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streit vor Troja' aus dem vorhergehenden in den folgenden Abschnitt (24ff.) hinein, werden aber nicht mehr ausdr cklich erw hnt: ab Vers 24 (yap) wird nur noch von der »Wahrheit1 gesprochen. ,Wenn die Masse der Griechen vor Troja die Wahrheit gesehen h tte (— sie hat sie nicht gesehen, weil die gro e Mehrzahl der Menschen, heute wie damals116, blind ist und sich t uschen l t: 23f. —), dann h tte Aias sich nicht das Leben genommen'. Die ,Wahrheit' aber, die die Griechen bei der Vergabe der Waffen Achills an den st rksten K mpfer nicht gesehen hatten, hebt Pindar in den nun folgenden Versen nachdr cklich hervor (27—30): ,Aias war der gewaltigste Grieche nach Achill' (27 κράτιστος Άχιλέος άτερ: betont im Superlativ wiederholt nach ό καρτεράς Μας 26): er also und nicht Odysseus h tte die Waffen des toten Achill als Ehrengabe erhalten m ssen117. In N. 7 ist vom ,Neid' (φθόνος) nicht die Rede, der in N. 8 (21 ff.) neben den .verschlagenen L genreden' (33 cd μύλοι μϋθοι) soviel Anteil an Abstimmungsniederlage und Selbstmord des Aias hat. Pindar vermeidet in N. 7 alles, was von der hier f r ihn wichtigen Wirkung der .tr genden Rede' (23 σοφία ... κλέπτει παράγοισα μύβοις) ablenken k nnte: die Motive des Odysseus und der Griechen (,Neidl nach N. 8) sind im vorliegenden Gedicht ganz unwesentlich, nur auf den Erfolg der Worte des Odysseus kommt es an. Pindar verzichtet deshalb in seiner Stellungnahme gegen Odysseus, anders als in N. 8, auf wertende Attribute: statt schillernde L ge' (N. 8, 25 α'ιόλον ψευδός) geh ssige Verdrehung' (N. 8, 32 έχθρα πάρφασις), .verschlagene L genreden' (N. 8, 33 αίμνλοι μΰθοι) hei t es jetzt viel sachlicher nur,L gen' (N. 7, 22 ψεύδη), .Klugheit, die irref hrt' (N. 7, 23 σοφία ... τταράγοισα) und .L genreden' (N. 7, 23 μύθοι). Nur die , L gen' des Odysseus und die eigene Blindheit hinderten die Griechen daran, die Wahrheit zu erkennen und Aias die Waffen Achills zuzusprechen (das letztere folgt aus dem Bedingungssatz: ,wenn sie die Wahrheit gesehen h tten, h tte Aias sich nicht das Leben genommen', sc. weil sie ihm dann selbstverst ndlich die Waffen zuerkannt h tten). Den Vorwurf der B swilligkeit, den Pindar in N. 8 auch gegen die Griechen erhebt (26 κρνφίαισι γαρ iv ψάφοις Όδυσσή Δαναοί Θεράπευσαν)118 vermeidet er also in N. 7. Ebensowenig ist von 114

Der Satz V. 23 f. hat die Form einer Gnome und gilt daher ganz allgemein: ,die gro e Masse der Menschen l t sich zu j e d e r Zeit leicht verf hren'. Entsprechend besagt der vorhergehende Satz (22f.): .Geschickte Verf hrer (wie Odysseus) gibt es immer'. Die S tze haben durch ihre zugleich allgemeine und besondere Geltung eine hnliche Funktion wie N. 8, 32 die aus dem Streit Odysseus-Aias gezogene Schlu folgerung έχθρα δ' δρα πάρφασι$ ην και πάλαι: ,einst und heute'. 117 Vgl. N. 8, 27: Aias στερηθείς όπλων: s. o. S. 26. 118 s. o. S. 27 mit Anm. 29 und 30.

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Das siebente nemeische Lied

dem ,Streit' (N. 8, 25 λνγρόν νεΐκος) ausdr cklich die Rede. Nur Aias' .Zorn wegen der Waffen' (N. 7, 25 οπλών χολωθείς)119, die Begr ndung f r den Selbstmord, erinnert noch an den Streit und das Streitobjekt (auch hier aber blo es όπλων statt χρνσέων ... οπλών Ν. 8, 27: der Wert der Waffen ist in N. 7 unwesentlich). — Wieder zeigt sich, da Pindar alles, was f r das zentrale Motiv der .Irref hrung durch t uschende Rede' nicht unbedingt wichtig ist, beiseite l t. Die das Geschehen bestimmenden Faktoren sind einander in einer strengen Dreierkomposition zugeordnet: auf der einen Seite die .t uschenden L gen des Odysseus' (23 κλέπτει ... μύθοι$), in der Mitte das ,(Heer-)Volk', das sich blenden lie (Schaltverse 23f.), und auf der anderen Seite ,der starke Aias' (26 ό καρτεράς Αίας) als das Opfer, dessen berragende Leistung durch die L gen des Odysseus verdunkelt wurde. Durch die von ihm verwendeten Kontrastbegriffe aber stellt Pindar die Relationen klar: einerseits ,L gen' (23 μύθοι, vgl. 22 ψεύδη) und .Blindheit' (23f. τυφλόν ... ήτορ), andererseits .Wahrheit' (25 άλάθεια) und , Sehen' (25 ίδέμεν): vor dem zwielichtigen Ruhm des Scheinhelden Odysseus zeichnet sich die leuchtende Gr e des wahren Helden Aias besonders deutlich ab. Wieder ist an die Parallelgedichte N. 8 und I. 4 zu erinnern, wo Pindar hnliche Hell-Dunkel-Kontraste gebraucht. N. 8 (32—34) hei t es: ,Die Verdrehung der Wahrheit, Begleiterin von L genreden, vergewaltigt das S t r a h l e n d e (wie den Aias), f r die U n s c h e i n b a r e n aber (wie den Odysseus) h lt sie einen verrotteten Ruhm hoch' (ττάρφασι?... | αίμύλων μύθων όμόφοιτο?... | ... το μεν λαμπρόν βιαται, των 5' άφαντων κΰδο? άντείνει σαθρόν). Pindar schlie t hier seine Betrachtungen zum Schicksal des Aias mit der dunklen Seite, gegen die er dann wieder das helle Gegenbild seiner neidlos r hmenden Kunst setzt (N. 8, 35ff.). — I. 4 dagegen folgt, wie in N. 7, mit Bezug auf Aias selbst .Licht' auf .Schatten': Vers 31: .Auch f r t chtige K mpfer v e r d u n k e l t sich bisweilen das Gl ck' (αφάνεια τύχα?) — Das Schicksal brachte auch Aias zu Fall (vgl. 35 Ισφαλε, sc. Τύχα: zum Text s. u. S. 107) — Vers 38: .Homer richtete seine Leistung wieder auf (όρθώσαι? άρετάν) — Verse 41—43: ,Das Licht der Taten des Aias verbreitete sich durch Homers Liederfackel berallhin' (ipyμάτων άκτΐ? καλών . . . κείνο? ττυρσό? Ομνων)120.

///. Der Zusammenhang des ersten mit dem zweiten Mythos (,Neoptolemos') Mit der Erw hnung des Aias leitet Pindar in N. 7 zugleich auf andere Aspekte seiner Darstellung ber. Aias ist zwar als Opfer der L genreden mit dem Odysseusabschnitt verkn pft, erh lt jedoch ein 119

Vgl. λ 544 und 554 von der Seele des Aias: κεχολωμένη εΐνεκα νίκη? und (λήσεο-Θαι . . .) χόλου εΐνεκα τευχέων. 120 vgi f r andere Beispiele der bei Pi. beliebten Hell-Dunkel-Folien BUNDY, Stud. Pind. 2, 47ff.; 50 mit Anm. 40.

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Der Zusammenhang des ersten mit dem zweiten Mythos

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eigenes Gewicht nicht nur durch seine Stellung als Subjekt des Satzes 24b—27a, sondern vor allem auch durch das Attribut ,stark' (26 ό καρτεράς Αίας), das einmal die m chtige Pers nlichkeit dieses Aiakiden und den Unterschied zu der f r Pindar soviel weniger bedeutenden wendigen Klugheit des Odysseus betont und an das sich zum anderen die den ersten Mythos von N. 7 abrundende Gnome von der Gemeinsamkeit des Todes anschlie t (30f., ber den unausgesprochenen Zwischengedanken: ,selbst der gewaltig starke Aias mu te sterben'). Das Attribut ,stark' und das die Reckenhaftigkeit der Erscheinung des Aias weiter hervorhebende .breite Schwert* (27 λενρόν ξίφος)121 gen gen Pindar aber noch nicht: er wiederholt das Wort καρτερόζ im Superlativ als Einleitung zu einem langen, auf die Person des Aias bezogenen Relativsatz: ,... der starke Aias ..., den als st rksten in der Schlacht nach Achill ... die geleitenden Winde des Zephyros nach Troja gebracht hatten' (27—30a: δνκράτιστον Άχιλέος άτερ μάχα | ... πόρευσαν ... Ζεφύροιο πομπαΐ | πρό$ Ίλου πόλιν). Diese Verdoppelung zeigt ganz eindeutig, worauf Pindar den Akzent seiner Darstellung legt. Der Relativsatz 27—30a ist zugleich aber schon in mehrfacher Hinsicht Vorbereitung auf den Neoptolemosmythos: (1) Der Ausdruck κράτιστος ... μάχα zu Beginn des Relativsatzes Vers 27 wird sofort wieder eingeschr nkt durch Άχιλέος άτερ: Aias war der .St rkste in der Schlacht nach Achill'122, und die Erw hnung der Bedeutung Achills weist schon vorauf auf die Leistung seines Sohnes Neoptolemos: In der gleichen Anordnung, allerdings wesentlich ausf hrlicher, schildert Pindar im sechsten Paian zun chst Achills Bedeutung f r den Kampf um Troja und dann den Erfolg des N e o p t o lemos bei der Erst rmung der Stadt. Was Achill nur fast gelungen war (Pae. 6, 89—91: προ πόνων | δε κε μεγάλων Δαρδανίαν | επραθεν, sc. Achilles, εί μη φύλασσεν Απόλλων), gl ckte nach seinem Tode 121 Nur hier bekommt das .Schwert' ein Attribut (λευρόν ξίφος), vgl. dagegen N.8, 23 und I. 4, 36 (beide Male blo es φάσγανον). — Zur Bedeutung von λευρός (homerisches Hapax: η 123 λευρφ ένΐ χωρώ; bei Pi. nur hier) vgl. Schol. η 123 (•πλατύς) und Kali. Ait. II Fr. 43, 65 (στείνεα καΐ λευράς όφρα τάμ[ωσιν ό]δούς) mit PFEIFFERS Anm.: f r das Schwert des Aias pa t nicht ,eben* oder ,glatt' (s. Hsch. s. v.), sondern nur ,breit'. 122 κράτιστος 'Αχιλέος άτερ μάχα hei t vielleicht zugleich ,der St rkste in der Schlacht ohne Achill', »solange der Kampf ohne Achill gef hrt werden mu te': vgl. B 768f. ανδρών . . . μέγ* άριστος · · · Αίας, δφρ' Άχιλεϋς μήνιεν (von FR NKEL, W. u. F. 1960, 361, als Vorbild f r Pi.'s Vers angenommen) — gegen ber P 279 f. Aias, 05 ... περί . . . έργα τέτυκτο] των άλλων Δαναών μετ' άμύμονα Πηλεΐωνα. Pi. scheint diese beiden homerischen Aussagen ber den Rang des Aias zu kombinieren und hat die Doppeldeutigkeit (κράτιοτος Άχιλέος άτερ oder μάχα Άχιλέος άτερ) wohl beabsichtigt.

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Das siebente nemeische Lied

seinem Sohn (Pae. 6, 102—4: Νεοπτόλεμον | ... άγοντες, | 05 διέπερσεν Ιλίου πόλιν). In N. 7 ist Achill durch seine Waffen (25 οπλών) und die Rangfolge im griechischen Heer mit der voraufgehenden OdysseusAias-Geschichte verbunden, durch seinen Anteil an der Zerst rung Trojas123 und das Vater-Sohn-Verh ltnis mit dem folgenden Neoptolemosmythos. (2) Der Relativsatz ist sehr lang. Er beschreibt mit einer innerhalb von Pindars sonst so knappen Darstellung auff lligen Breite124 Zweck und Verlauf der Fahrt der Griechen nach Troja. Pindar nennt zun chst den Zweck: es gilt, ,f r den blonden Menelaos die Gattin zur ckzuholen' (28 ξανθφ Μενέλα δάμαρτα κομίσαι). Auf die beiden unmittelbar zuvor genannten st rksten Helden Achill und Aias, denen zusammen mit Neoptolemos das gr te Verdienst an der Erst rmung von Troja und damit an der R ckgewinnung der Helena zukommt, folgt der ,blonde Menelaos' (ξανθός Μενέλας): die »jugendliche Sch nheit'125 ist das Bemerkenswerte an ihm, als ,Held' z hlt er f r Pindar nicht126. Menelaos wird hier nur deshalb erw hnt, weil ihm zuliebe die Trojafahrt unternommen worden war. — Pindar ist in dieser Darstellung mit Attributen sparsamer als im Mythos von N. 8, doch auch hier sind sie keine blo schm ckenden Epitheta (ξανθός Vers 2 8 ebenso wenig wie 26 καρτεράς und 27 λευρόν). Durch das Mittel des Attributs entsteht im folgenden ein ganz bestimmter Eindruck vom Ablauf der Hinfahrt der Griechen nach Ilion (30 ττρός Ίλου πόλιν). Pindar gebraucht nicht nur die stehende homerische Wendung ,auf schnellen Schiffen' (28f. θοάϊς αν ναυσί)127, sondern er spricht au erdem nachdr cklich von den .geleitenden Winden des s tetig blasenden Zephyr os' (29 εΰθυπνόου 123

Vgl. au er Pae. 6 — wo anscheinend auch ein Orakel Apolls genannt war (vgl· V. 71f.), nach dem Troja nicht ohne Achill und Neoptolemos (deswegen wird er V. 100ff. geholt) eingenommen werden k nne — auch I. 8, 52f. (von Achill) Tpotas | Ivas Ικταμών δορ{. 124 WILAMOWITZ, Aristoteles und Athen 2, 320, spricht deshalb vom pomp sen „Prunk" des pindarischen Satzes. 185 Das Adjektiv ξανθό$ wird bei Pi. im ganzen f nfmal von Personen gebraucht, immer mit Bezug auf (jugendlich-)sch nes Aussehen: au er an dieser Stelle bezeichnet es nur noch einmal einen Menschen (N. 3, 43 den jungen Achill: ξανθός δ' Άχιλεύξ . . . | παις έών δθυρε μεγάλα έργα), dreimal G ttinnen: Athene (Ν. 10, 7; Fr. 34), die Chariten (N. 5, 54). 126 Menelaos wird von Pi. nur hier erw hnt und bekommt das Attribut, das er am h ufigsten bei Homer hat und das zugleich unter den f r ihn blichen Epitheta das am wenigsten .heldenhafte' ist. Wichtig ist er in N. 7 nur als traditioneller Gatte der Helena; anders als die brigen von Pi. genannten Helden ist er ein blo er Statist. 127 s. z. B. A 12 (θοά$ έττΐ νήας Αχαιών); θοό$ von Schiffen bei Pi. noch f nfmal: s. SLATER, Pi.-Lex. s. v.

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Der Zusammenhang des ersten mit dem zweiten Mythos

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Ζεφύροιο ττομπαί)128: es war eine ungew hnlich geschwinde und leichte Fahrt, ohne Umwege und Hindernisse; die Umschreibung Ζεφύροιο πομπαί statt Ζέφυρος betont, wie sehr der Wind den Griechen gewogen war. Das genaue Gegenbild zu dieser gl cklichen Heerfahrt steht im zweiten Mythos von N. 7: die I r r f a h r t des aus dem zerst rten Troja heimkehrenden Neoptolemos: ό δ* αποπλέων | Σκύρου μεν αμαρτε, πλαγχθέντες δ' εΙ$ Έφύραν ΐκοντο (36f.). W hrend die a n f a h r e n den Griechen auf geradem Weg (29 ευθύ — ) ihr Ziel erreichten (29f. πόρευσαν ... Ζεφύροιο πομπαΐ | προς ν!λον πάλιν], verfehlt der heimfahrende 1 2 9 Neoptolemos das seine (37 Σκνρον ... αμαρτε)130 und erreicht auf Irrwegen (37 πλαγχθέντες) fremdes Gebiet (37 Εφύρα: 38 Μολοσσία). — Pindar hat also die gl ckliche Hinfahrt der Griechen im ersten Mythos (27—30a) bewu t so sehr hervorgehoben, um eine helle ,Folie' f r den gl cklosen Nostos des Neoptolemos im zweiten Mythos (36ff.) zu erhalten131. (3) Ganz am Schlu der ersten Fahrtschilderung (Vers 30) steht, au er durch die Endstellung auch durch die L nge des Satzes besonders herausgestellt, das Ziel der Fahrt: Troja, ,die Stadt des Ilos' (προς Ίλου πόλιν). Auch diese Bestimmung wird in der Neoptolemoserz hlung leicht variiert wieder aufgegriffen: .Neoptolemos zerst rte die Stadt des Priamos' 132 (35f. ... Πριάμου πόλιν Νεοπτόλεμος έπεί πράθεν, | τα καΐ Δαναοί πόνησαν). Der Relativsatz Vers 36 ,um die sich auch die Danaer abgem ht hatten' erg nzt die erste Angabe im Relativsatz 27ff. ,(Aias,) den als st rksten in der Schlacht 128 Vgl. den Hinweis auf dieselbe Trojafahrt N. 3, 59 f. (Chiron erzieht Achill) όφρα θαλασσίαΐί ανέμων φτπαΐσι πεμφθεί$ ] υπό Τροίαν . . . άλαλάν . . . προσμένοι). Der Vergleich mit dieser knappen Erw hnung zeigt das ganz andere Gewicht, das die Fahrtschilderung in N. 7 hat. — Zu εύθυττνόου Ζεφύροιο πομπσί vgl. z. B. P. l, 34 (ες ττλόον . . . πομπαΐον . . . ούρον) und O. 6, 103f. (εύθΰν . . . πλόον καμάτων] έκτος έόντα). 129 αποπλέων ,auf der Heimfahrt' kurz f r οϊκαδ' άποπλείων: vgl. I 418 und Bakch. ep. l, 122 (Minos) αποπλέων ώ[ιχε]τ' Ις Κνωσόν . . . 130 αμαρτε zeigt, da Skyros sein (erstes) Ziel war: vgl. Pae. 6, 105ff. ούτε μοτέρ' Ιπειτα κεδνάν] ΙΊδεν (sc. in Skyros, von wo er nach Troja geholt worden war: s. V. 102) ούτε πατρωίαις εν άρού[ραι$] | Ιππους Μυρμιδόνων (sc. in Phthia). Skyros ist die eigentliche Heimat des Neoptolemos, Phthia sein v terliches Erbe: vgl. T 326—333. — Anders als bei Pi. kehrt Neoptolemos nach Nestors Angaben γ 188 f. (vgl. 5 8f.) direkt und unbehelligt mit den Myrmidonen (nach Phthia) zur ck. «i Vgl. den Kontrast .dunkle Vergangenheit — helle Gegenwart' bei Pi.: s. BUNDY, Stud. Find. 2, 48ff. 182 Vgl. zur Variation: N. 7: "Ιλου πόλις (30); Πριάμου πόλΐξ (35) Τρωίαθεν (41); und Pae. 6: Tpotcc (75); Ίλιον (81); Δαρδανία (90); Πέργαμος (96); Ιλίου πόλις (104). Pi. wiederholt sich bei acht Erw hnungen der Stadt Troja nicht ein einziges Mal. — Eine weitere Variante noch I. 5, 36 πόλις Τρωών.

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Das siebente nemeische Lied

nach Achill die Zephyrwinde nach Troja gebracht hatten' (δν κράτιστον Άχιλέος άτερμάχα \ ... πόρευσαν ... Ζεφύροιο ττομπαι | προς "Ιλου ττόλιν). In beiden Relativs tzen geht es um Bedeutung und Einsatz der griechischen Helden (vor allem der Aiakiden) f r die Schlacht um Ilion (36 τα ... ττόνησαν; 27 μάχα). Unmittelbar vergleichbar ist hier die Feststellung, die Pindar I. 5, 35f. von den Aiakiden im allgemeinen trifft: ,Zweimal zerst rten sie Troja in kriegerischer Auseinandersetzung' (συν μάχαις \ 51$ πόλιν Τρωών πράθον έσττόμενοι | Ήρακλήι πρότερον, | sc. Telamon/Peleus, καΐ συν Άτρείδαι$, sc. Achill, Aias, Neoptolemos). — Das ,auch' in N. 7, 35 (τα και Δαναοί ιτόνησαν) scheint Neoptolemos als erst ganz am Ende des Krieges in die K mpfe eingreifenden erfolgreichen (35 ιτόλιν ... ττράθεν) Hinzuk mmling denjenigen Griechen gegen berzustellen, die urspr nglich ausgefahren waren, um Troja zu erobern, und sich zehn Jahre lang vergeblich bem ht hatten (36 πόνησαν), dieses Ziel zu erreichen. Das .vergeblich' ergibt sich aus dem Gegensatz zum .Erfolg' des Neoptolemos im bergeordneten Satz: .Neoptolemos zerst rte die Stadt' (35 ττόλιν Νεοπτόλεμος . . . ττράοεν). — Ganz hnlich findet sich die Gegen berstellung .vergeblich' (Achill) — .erfolgreich' (Neoptolemos) Pae. 6: .Als Lohn f r seinen Einsatz133 h tte Achill Troja zerst rt, wenn Apoll es nicht gesch tzt h tte' (89—91 προ πόνων δε κε μεγάλων [vgl. N. 7, 36 Δαναοί πόνησαν] Δαρδανίαν | επραθεν, sc. Achilles, εΐ μη φύλασσεν Απόλλων) — .Neoptolemos zerst rte Troja' (104 διέπερσεν ' Ιλίου πόλιν, vgl. Ν. 7, 35 Πριάμου πόλιν Νεοπτόλεμος . . . πράθεν).

Die griechischen K m p f e r werden in N. 7 eigentlich nur durch Aias, Achill und Neoptolemos repr sentiert (Odysseus und Menelaos sind f r Pindar keine echten Helden), und im ganzen entsteht der Eindruck, da die wesentliche Arbeit f r die Einnahme von Troja von Angeh rigen des Aiakidengeschlechtes geleistet wurde. Aus diesem Tenor der mythischen Darstellung allein w rde sich schon ergeben, mit welcher Tendenz und f r wen N. 7 geschrieben wurde. Ein Enkomion auf einen Sieger aus Aigina verlangt den Preis eines oder mehrerer Aiakiden134, und Pindars Bemerkungen ber den trojanischen Krieg in N. 7 stehen folglich ganz in ihrem Zeichen. Der Odysseus/Aias- und der Neoptolemosmythos in N. 7 sind also nicht nur durch das gemeinsame Thema ,Taten—Tod—Nachruhm (Xoyo$)' und durch einen ganz allgemeinen Bezug auf Ereignisse rund um den Trojanischen Krieg miteinander verbunden, sondern sie sind bis in die Einzelheiten im Hinblick aufeinander komponiert. Beide 133

Oder eher .infolge seines Einsatzes' (vgl. P 667 προ φόβοιο; vgl. S.EI. 495); vgl. die verschiedenen f r προ πόνων vorgeschlagenen Interpretationen bei RADT, S. 147 z. St. 134 vgl. z. B. I. 8, 55f. (nach einem Preis der Taten Achills:) . . . Άχιλενς, οϋρος Αιακιδαν, \ Αϊγιναν σφετέραν τε ρίζαν πρόφαινεν.

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Der Zusammenhang des ersten mit dem zweiten Mythos

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Mythen zusammengenommen erst ergeben das vollst ndige Bild : einen .Grundri ' des Trojanischen Krieges vom Anla (Raub der Helena) bis zum Tode des Trojazerst rers Neoptolemos. Immer stehen dabei die Aiakiden im Brennpunkt der Erz hlung: Der erste Mythos schildert die Anfahrt auf Troja und den Zweck der Heerfahrt, nennt einige der wichtigsten Figuren des Krieges : Odysseus, Aias, Achill, Menelaos (Helena), erw hnt den Streit um die Waffen nach dem Tode Achills und endet mit dem Tode des Aias. Der zweite Mythos erz hlt die anschlie ende Zerst rung Trojas durch (den nach Achills Tod geholten)135 Neoptolemos, beschreibt die Abfahrt des beutebeladenen136 Neoptolemos aus Troja und seine Irrfahrten und schlie t mit dem Tode des Neoptolemos in Delphi. Dreimal wird in N. 7 Troja erw hnt und die drei Angaben sind Angelpunkte der Gedankenf hrung: ,Zug auf Troja' (30 ττρός "Ιλου πάλιν) ; »Kampf um Troja und dessen Zerst rung' (35 f. Πριάμου πάλιν Νεοτττόλεμος . . . πράθεν, | τα και Δαναοί ττόνησαν) ; ,Abfahrt des Neoptolemos aus Troja und seine Erlebnisse bis zu seinem Tod in Delphi' (40f. φχετο δε προς θεόν | ... Τροΐαθεν). Die beiden Mythen sind hnlich aufgebaut: am Ende des ersten steht der Tod des Aias, am Schlu des zweiten der des Neoptolemos; in beiden F llen ist der Tod gewaltsam, und in beiden F llen kompensiert Pindar das d stere Ende des Helden durch einen Hinweis auf den leuchtenden Nachruhm, der ihm zuteil wurde137. Beide Male hat Pindar die gleiche Darstellungsfigur gew hlt: (1) ,Der starke Aias nahm sich das Leben' (26f. . . . ό καρτεράς Αίας δια φρενών | . . . ξίφος) — ,der doch der st rkste Grieche nach Achill war . . .': d. h. ,wohl war sein Tod ein gro er Verlust f r die Griechen' (27 δνκράτιστον. . .) — ,doch jedem ist es bestimmt zu sterben' (30 f. άλλα κοινόν yap έρχεται | κΰμ* Άίδα) — ,Ehre aber wird denen zuteil, f r deren Nachruhm eine g ttliche Macht sorgt' (31 f. τιμά δε γίνεται | ων θεός άβρόν αΰξει λόγον τεθνακότων) ; (2) .Neoptolemos wurde get tet' (42 νιν, sc. Νεοτττόλεμον, . . . Ιλασεν . . . άνηρ μαχαίρα: gewichtiger Abschlu der Triade B')138 — ,wohl traf sein Tod die Delpher schwer' (43 βάρυνθεν δε περισσά Δελφοί . . . : ganz betont zu Beginn der Triade Γ') — ,doch es war ihm bestimmt zu sterben' (44 άλλα το μόρσιμον IBS Vgl. Pae. 6, lOOff. (nach der Bestattung Achills:) αλός έττΐ κύμα βάντες [ή]λθον άγγελο [ι] όττίσω| Σκυρόθεν Ν[ε]οτττόλεμον| εϋρυβίαν άγοντες, . . . m γ. 41 κτέατ' άγων Τροΐαθεν άκροθινίων. 137 Homer sorgte nicht nur f r den ( bertriebenen) Ruhm des Odysseus, sondern auch f r den Nachruhm des Aias: der Satz V. 31 f. (τιμά δε γίνεται | ων Θεός άβρόν αΰξει λόγον τεθνακότων) weist zur ck auf Aias und voraus auf Neoptolemos (s. o. S. 44—46). F r Aias' Nachruhm durch Homers Dichtung vgl. I. 4, 37 αλλ' "Ομηρος τοι τετίμακεν δι' ανθρώπων (sc. Αΐαντα) . . . IBS y_ 42 stehen . . . άνήρ μαχαίρα: (M rder und Mordwaffe: nach Asklepiades, Schol. Pi. N. 7, 62 b, S. 125 Dr., hie der M rder Machaireus) stark betont ganz am Ende der Epode B'. 5

K hnken, Pindar

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Das siebente nemeische Lied άπέδωκεν). — .Geehrt aber wurde er durch Apoll, der f r immer einen Angeh rigen der m chtigen Aiakiden in seiner N he in Delphi haben wollte und ihn zum Patron der Heroenfestz ge an seinem Heiligtum machte' (44—47 έχρήν δε τιν' ί-νδον δλσει ιταλαιτάτφ | Αίακιδδν κρεόντων το λοιπόν Ιμμεναι | . . ., ήροΐαις δε ττομπαίς | θεμισκόττον οίκεϊν έόντα . . .).

Jedesmal folgt auf die Feststellung des gewaltsamen Todes139 ein scheinbarer Einwand, der dann widerlegt und von einer Bemerkung ber die Ehre nach dem Tode abgel st wird. Doch nicht nur die Schlu figuren sind parallel angelegt, beide Mythen sind auch im ganzen in einer vergleichbaren Form von , Ringkomposition' erz hlt140: Der erste Mythos geht aus von einer allgemeinen Sentenz ber den Tod: ,Reich und arm kommen zum Mal des Todes' (19f.), und kommt schlie lich in leicht abgewandelter Form wieder auf sie zur ck: , (F r alle) gemeinsam kommt die Woge des Todes, sie st rzt sich auf den R hmlosen und auf den Ber hmten' (30 f. άλλα κοινό ν γαρ έρχεται | κΰμ' Άίδα, ττέσε δ' αδόκητο ν εν καΐ δοκέοντα)141,142. 189

Die Todesart ist hnlich: (1) ίπαξε δια φρενών . . . ξίφος (Aias) — (2) ίίλασεν . . . άνήρ μαχαίρα: (Neoptolemos). 140 Zur Entsprechung von V. 19 f. und 30 f. im ersten Mythos vgl. SCHADEWALDT 45 und zur Variation des Gedankens in V. 31 gegen ber V. 19 TUGENDHAT 402 Anm. 1. — Zum zweiten (inneren) λόγος-Ring im ersten Mythos (21 ~ 32) s. o. S- 44—47. 141 SNELL, Ausg. 1964, schreibt nach FENNELLS Konjektur δοκέοντι statt δοκέοντα (.unerwartet auch auf den, der sie erwartet'; vgl. auch BOWRA, Pi. 257), doch ist der berlieferte Text wohl in Ordnung: s. die folgende Anm. — F r die berlieferung in neuerer Zeit z. B. auch D. E. GERBER, AJPh 84, 1963, 182—188 (mit Literatur zur vielbehandelten Frage des Wortlautes und der Bedeutung): er entscheidet sich jedoch zu Unrecht f r die Interpretation "On him who does not expect it and on him who does'" (a. O. 182f.; vgl. 186f.): s. n chste Anm.; seine Auffassung beruht auf der auch von ihm als selbstverst ndlich vorausgesetzten .Rechtfertigungsthese' (vgl. besonders a. O. 1841 und 187f.). 142 F r εν = Is in dieser Stellung vgl. P. 2, 10—12 ξεστόν όταν δίφρον | εν τ' άρματα . . . καταζευγνύτι | σθένος ϊτππον (sc. Hieron): vgl. Schol. z. St., S. 35 Dr. ; THUMMER, Religiosit t 34 Anm. 3; GERBER, a. O. 182 Anm. 3. — F r die Konstruktion mit dem Akk. (έμ-)ττίτΓτειν εν (= is) (έμττίτττειν bei Pi. sonst mit dem Dativ) vgl. Bakch. ep. 10, 24 [ες ΐτππο]ν (ci. Blass) έμττίτνων δμιλον; vgl. auch Hes.Th. 873 (von den Winden aus dem Geschlecht des Typhoeus:) αϊ 5' άλλαι μαψαΟραι έτππνείουσιν θάλασσαν | αϊ δη τοι πίπτονσαι ες ... πόντον \ ιτήμα μέγα θνητοΐσιν κακή θυίουσιν άέλλη · | . . . | ναύτας . . . φθεί ρουσι · κάκου 6' ου γίγνεται αλκή | άνδράσιν ot κείνησι συναντώνται. . .: die Beschreibung Hesiods liegt auf der gleichen Ebene wie das (verk rzte) Gleichnis Pi.'s: wie die Woge des Todes sich auf die Menschen st rzt und sie unter sich begr bt, so st rzen sich die Winde auf die Seeleute und vernichten sie. Eine Abwehr gibt es in beiden F llen nicht. Das berfallartige, Pl tzliche aber liegt beide Male schon im Verbum ττίπτειν. — Zur Bedeutung .gering—vornehm', .ruhmlos—ber hmt', f r das Begriffspaar αδόκητος—δοκέων vgl. Tr. fr. adesp. 482 N2. Ζευς . . . καθελών μεν δοκέοντ', άδόκητον δ' Ιξαείρων, wo der Sinn .angesehen—unscheinbar', .hochstehend—niedrigstehend', durch Parallelen gesichert wird: s. z. B. Hes.Op. 5—7

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Der Zusammenhang des ersten mit dem zweiten Mythos

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Der zweite Mythos beginnt mit der Erw hnung von Ankunft und Grab des Neoptolemos in Delphi: ,Neoptolemos kam nach Delphi; er liegt in Delphi' (33 f. βοαθοών τοι παρά μέγσν όμφαλόν εύρνκόλττου | μόλεν143 χθονόξ * εν ΠυΘίοισι δε δοατέδοΐζ | κείται ... Νεοπτόλεμος) und kehrt am Ende zu Neoptolemos' Tod zur ck: ,Neoptolemos kam nach Delphi; in Delphi wurde er get tet' (40—42 ωχετο δε ττρός θεόν | κτέατ' άγων Τροΐαθεν άκροθινίοον, | ίνα κρεών νιν ύττερ μάχα$ ελασεν άντιτυχόντ' άνήρ μαχαίρα). — W hrend jedoch die Aussage zu Beginn des zweiten Mythos (33f.) f r sich genommen noch gar nicht ganz verst ndlich ist (worauf bezieht sich βοαθοών und wieso kommt Neoptolemos nach Delphi? — was hei t κείται?), erg nzt die Schlu passage alle Einzelheiten, ber die der Leser oder H rer sich zu Beginn noch nicht im klaren sein konnte: (1) Pindar gibt Aufschlu ber βοαθοών (33): Neoptolemos kam nach Delphi, um Apollon Beutest cke aus Troja zu weihen (41 κτέατ' άγων Τροίαθεν άκροθινίων)144; (2) Pindar erl utert κείται (35): Neoptolemos wurde in Delphi get tet und .liegt dort begraben' 146 . Die Geschehnisse, von denen Pindar im sechsten Paian in einem Satz berichtete (Pae. 6, 117 (θεός) άμφιπόλοι; . . . [κ]υριδν ττερί τιμδν | [δηρι]αζόμενον (Νεοπτόλεμον) κτάνεν | [τεμέ]νεϊ φίλω γδς ιτσρ' όμφαλόν), verteilt er in N. 7 auf Anfang und Ende seiner Darstellung: vgl. γ&ς παρ' όμφαλόν εύρύν (iv τεμένεϊ φ(λω) mit Ν. 7, 35f. παρά μέγαν όμφαλόν εύρυκόλπου . . . χθονός (εν Πυθίοις . . . δαπέδοις) und δηριαζόμενον κτάνεν (θεός) mit Ν. 7, 42 f. νιν ... μάχας ελασεν άντιτυχόντ' άνήρ146. Pindar variiert die Form der Darstellung, wie immer, wenn er den gleichen mythischen Stoff mehrfach behandelt147. (bes. V. 6 άρίζηλον μινύθει καΐ δδηλον άέξει, sc. ΖεΟς): s. jetzt auch W ST 143f. zu N. 7, 30f.; vgl. auch THUMMER, Isthm. l, 96 mit Anm. 78 (er bersetzt ,,,den Angesehenen und den, der nicht angesehen ist'"). — Zur Umgestaltung des Gedankens .reich—arm' (V. 19 άφνεός πενιχρός τε) in .vornehm—gering* (V. 31 αδόκητος—δοκέων) vgl. schlie lich Bakch. ep. l, 172—174 ό τ' άφνεός Ιμείρει μεγάλων ό τε μείων \ παυροτέρων. 143 BUNDY, Stud. Find, l, 10 Anm. 29 (vgl. auch THUMMER, Isthm. l, 1968, 96 Anm. 79) schl gt den Imperativ μόλε statt μόλεν vor (THUMMER, a. Ο., μόλε oder 1. Pers. μόλον), doch μόλεν wird durch V. 40 ωχετο gesichert: ωχετο δε προς 6εόν nimmt παρά . . . όμφαλόν . . . μόλεν χθονός wieder auf. Μ4 vgi FARNELL, Komm. z. St., S. 294: ". . . βοαθοών being explained by 1. 41 κτέατ' άγων άκροθινίων"; vgl. zur Bedeutung von βοαθοών die Formel βοαθοήσαι τφ τε ίερω καΐ τα πόλει (DITTENBERGER, Syll3. 555 Α 2f.; C 4f.; D 4) f r .Wohlt ter des Gottes von Delphi' (εύεργέται του θεοο: Syll3. 224); vgl. auch Hyp. Epit. 43: τους ταΐς τιμαϊς των θεών καταλυομέναις βοηθήσαντας; f r βοαθοών .als Helfer' vgl. auch GERBER, AJPh 84, 1963, 187 Anm. 18. us Vgl. die parallele, aber explizite, Formulierung P. 5, 93 κείται θανών. 146 Zu der nach WILAMOWITZ von SCHADEWALDT u. a. oft hervorgehobenen Beobachtung, da Pi. in N. 7 sichtlich zur ckhaltender vom Tod des Neoptolemos berichtet als in Pae. 6, s. u. S. 71—73; vgl. WILAMOWITZ, Pi. 165f.; SCHADEWALDT 53; RADT 87f. (88: ,,. . . t tete ihn ganz zuf llig(!) (άντιτυχόντ' 42) irgendein Mann (und nicht Apollon!) . . ."); TUGENDHAT 389f. Von einem Unterschied „wie Tag und Nacht" 5·

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Das siebente nemeische Lied

In den Schlu versen des Neoptolemosmythos endlich erkl rt Pindar den Sinn von Neoptolemos' Tod in Delphi und die Bedeutung seines Grabes dort (N. 7, 44—47). Das Verh ltnis der ringf rmig angelegten Aussagen des ersten und des zweiten Mythos von N. 7 zueinander ist wieder das des Allgemeinen zum Besonderen: 1. Mythos: .Alle Menschen m ssen sterben' (selbst der starke Aias) — 2. Mythos: .Neoptolemos mu te sterben'. — Dabei besteht jedoch insofern ein Unterschied zwischen Aias und Neoptolemos, als ersterer nach einem Mi erfolg Selbstmord begeht, sein Ende nur ganz allgemein mit einer Gnome ber die Gemeinsamkeit des Todes begr ndet wird und ebenso sein Nachruhm nur in einer generellen Aussage mitenthalten ist; Neoptolemos dagegen wird als erfolgreicher Sieger get t e t , und Art und Ort seines Todes werden durch eine ganz konkrete Schicksalsbestimmung motiviert, die zugleich seinem Nachruhm dient: er vertritt f r immer die .m chtigen Aiakiden' (45) als , Satzungsw chter' (47 θεμισκόπος) in Delphi. — Die verschiedene Ausf hrlichkeit der beiden Erz hlungen, die ganz andere Eindringlichkeit der Motivation von Neoptolemos' Tod (44—47) und die zentrale Stellung des Neoptolemosmythos (Epode B' schlie t mit seiner Ermordung, Vers 42; Strophe Γ' setzt ein mit der Bewertung und Bedeutung seines Todes, Vers 43), zeigen, da der Odysseus/AiasMythos im Vergleich mit dem Neoptolemosmythos gleichsam nur das Vorspiel ist. Der zweite Mythos steigert und erweitert die auch im ersten schon vorhandenen Elemente der Erz hlung: ein ruhmvoller Krieger, ein ungl ckliches Ende, leuchtender Nachruhm. Aufschlu reich f r den Zusammenhang der beiden Mythen miteinander ist endlich noch folgender Sachverhalt: (1) H. Fr nkel148 hat darauf aufmerksam gemacht, da Pindar N. 7, 20f. (εγώ δε πλέον' ελπομαι | Aoyov Όδυσσέος ή πάθαν δια τον άδυεπή γενέσθ' "Ομηρον) anscheinend auf das Odysseeprooimion anspielt: ττολλά δ* 6 γ* εν πόντω πάθεν άλγεα (α 4). — Das Schl sselwort πάθα (~ πόθεν α 4), eingerahmt durch Aoyos 'Οδυσσέας und άδυεπής ... "Ομηρος, macht die Beziehung deutlich; (RADT 88, hnlich TUGENDHAT a. O.) zu reden, ist aber durchaus unangebracht: s. u. Anm. 164. 147 BUNDY, Stud. Find. 2, 69, spricht im Hinblick auf die Variation einzelner Motive von Pi.'s "marvelous creative energy shaping and reshaping the nuances and colors of traditional form." Der Satz gilt ebenso f r Pi.'s Variationskunst in der Komposition von mehrfach behandelten mythischen Stoffen. 148 W. u. F. 1960, 360 (= Rezension SCHADEWALDT 12) zu V. 21 πάθα: „Mit den Leiden meint Pi. offenbar die vielen .Schmerzen', die Odysseus auf dem Meer erduldete (a 4) . . .": vgl. o. S. 56.

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Der Zusammenhang des ersten mit dem zweiten Mythos

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(2) Ebenso hat jedoch die Darstellung der Irrfahrten des Neoptolemos im zweiten Mythos von N. 7 (35—37 ... Πριάμου πάλιν Νεοπτόλεμος έπεί πράθεν149 | ... πλογχθέντε$ δ* είς Έφύραν ΐκοντο) ihr Vorbild im Prooimion der Odyssee (α 2)160: (Odysseus) os μόλα πολλά | πλάγχθη, έπεί Τροίης ... πτολίεθρον επερσεν151. Die Ankl nge sind hier eigentlich noch auffallender als im ersten Mythos: beide Male ein, in Form und Inhalt nahezu w rtlich bereinstimmender, έπεί-Satz (Τροίη$ ... πτολίεθρον επερσεν