Die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe und der Bundesgesetzgeber [1 ed.] 9783428460588, 9783428060580

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Die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe und der Bundesgesetzgeber [1 ed.]
 9783428460588, 9783428060580

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WINFRIED BOECKEN

Die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe und der Bundesgesetzgeber

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 80

Die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe und der Bundesgesetzgeber

Von

Dr. Winfried Boecken

DUNCKER & HUMBLOT I

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Boecken, Winfried: Die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe und der Bundesgesetzgeber / von Winfried Boecken. - Berlin: Duncker und Humblot, 1986. (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd.80) ISBN 3-428-06058-X

NE:GT

Alle Rechte vorbehalten & Humblot GmbH, Berlin U Gedruckt 1986 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany

© 1986 Duncker

ISBN 3-428-06058-X

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn und wurde im Wintersemester 1984/85 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn als Dissertation vorgelegt. Während der Dauer des Promotionsverfahrens erschienene neue Literatur sowie Gerichtsentscheidungen sind im wesentlichen bis Januar 1986 berücksichtigt worden. Besonderen Dank möchte ich meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Bernd Baron von Maydell aussprechen, auf dessen Anregung die Anfertigung dieser Arbeit zurückging und der mich mit seiner hervorragenden Sachkenntnis kritisch und unterstützend durch die mit einer solchen Arbeit verbundenen Höhen und Tiefen begleitet hat. Darüber hinaus danke ich meinen Kollegen und Freunden in Bonn, allen voran Herrn Max-Jürgen Seibert, die mir in vielen Streitgesprächen wertvolle Anregungen gegeben haben. Für die Förderung der Drucklegung durch die Gewährung eines Druckkostenzuschusses danke ich dem Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Schließlich gilt mein Dank aber vor allem Frau pr. disco pol. Charlotte Boecken sowie meinen Eltern und Brüdern, bei denen ich jederzeit den notwendigen Rückhalt fand. Florenz/San Domenico, im Januar 1986

Winfried Boecken

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

................................. . .............. . .........

27

Teil A

Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe

31

Erstes Kapitel Die historische Entwicklung

31

I. Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der Selbständigen im Überblick..

31

1. Die "kapitalistischen" Selbständigen ..............................

31

2. Der Mittelstand .................... . .. . ......... . .... . ......... a) Die Handwerker ............................................. b) Die Landwirte .......................... . ................... c) Die Gewerbetreibenden ............. . .............. . ......... d) Die Freiberufler .............................................

32 32 33 33 33

II. Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe im Besonderen ...................................................

34

1. Der Begriff "freier Beruf" und die Berufsgruppen ...................

34

2. Unterschiedliche öffentlich-rechtliche Sicherung ............... . .... a) Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ...... . . b) Berufsständische Pflichtversicherung ...........................

35 35 37

3. Gründe für die Errichtung der berufsständischen Versorgungswerke . . .. a) Die Altersvorsorge der Freiberufler bis zum Ersten Weltkrieg. . . . . .. b) Die veränderte Situation nach dem Ersten Weltkrieg .............. (1) Vermögensverlust ........................................ (2) Konkurrenzkampf ........................................ (3) Minderbewertung der geistigen Arbeit ........... . ......... . . (4) Steigende Lebenserwartung ................................

40 40 41 41 42 42 43

10

Inhaltsverzeichnis c) Interesse an solidarischer Alterssicherung ....................... (1) Teilnahme an der gesetzlichen Rentenversicherung ............ (2) Errichtung von berufsständischen Versorgungswerken ......... (3) Gruppenversicherung ..................................... d) Entscheidung für die berufsständische Versorgung nach dem Zweiten Weltkrieg .................................................. e) Entscheidung für die berufsständische Versorgung heute ..........

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Zweites Kapitel Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen I. Die verwaltungsrechtliche Organisation der berufsständischen Versorgungswerke ........................................................... 1. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts

................... a) Körperschaften des öffentlichen Rechts ......................... (1) Begriff .................................................. (2) Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte Niedersachsens als Körperschaft des öffentlichen Rechts ........................... b) Anstalten des öffentlichen Rechts ............ . ................. (1) Begriff .................................................. (2) Die Bayerische Ärzteversorgung als Anstalt des öffentlichen Rechts ..................................................

52 52 53 53 53 54 55 55 57

2. Die teilrechtsfähigen Verwaltungseinheiten ...... . ................. a) Begriff ..................................................... b) Die Notarversorgungskasse Koblenz als teilrechtsfähige Verwaltungseinheit .....................................................

60 60

3. Die nichtrechtsfähigen Anstalten .. . ...................... . .... . .. a) Begriff ..................................................... b) Das Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg als nichtrechtsfähige Anstalt ...............................................

61 61

11. Die berufsständische Versorgung als Selbstverwaltung .................

63

lli. Die gesetzlichen Grundlagen der berufsständischen Versorgung ..........

65

1. Das Erfordernis formellgesetzlicher Grundlagen für die Durchführung

der berufsständischen Versorgung

60

62

................................

65

2. Landes- und bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen der berufsständischen Versorgung .........................................

67

3. Die bundesgesetzlichen Grundlagen im einzelnen ................... a) Die Regelung des § 67 III Nr. 2 BNotO .......................... b) Die Regelung des § 113 III Nr. 2 und 8 BNotO .................... c) Die Regelung des § 16611 S. 2 und 3 StBG .................... . .. d) Die Regelung des § 32 I Nr. 6 SLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

68 69 70 70 72

Inhaltsverzeichnis

11

Drittes Kapitel Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen der berufsständischen Versorgungswerke

73

I. Der Kreis der versicherten Personen .................................

73

1. Überblick .....................................................

73

2. Pflichtmitgliedschaft . . ................. . .............. . .... . ... a) Grundsatz .................................................. b) Ausnahmen und Befreiungen bei Inkrafttreten der Satzungen ...... (1) Altersgrenze ............................................. (2) Anderweitige Versorgung .................................. c) Ausnahmen und Befreiungen nach Inkrafttreten der Satzungen ..... (1) Altersgrenze ............................................. (2) Berufsunfähigkeit ........................................ (3) Anderweitige Versorgung .................................. (4) Mitgliedschaft in der knappschaftlichen Rentenversicherung .... (5) Nichtausübung des Berufs ................................. d) Wegfall des Ausnahme-/Befreiungstatbestandes .................. e) Verzicht auf Befreiung .......................................

75 75 75 75 76 76 77 78 78 79 80 80 80

3. Freiwillige Versicherung und Höherversicherung .................... a) Freiwillige Versicherung ...................... . ............... b) Höherversicherung ..........................................

81 81 82

II. Der Leistungsbereich ..............................................

83

1. Überblick über die Leistungsarten ................................

83

a) Einteilung der Leistungen nach den Versicherungsfällen Alter, Berufsunfähigkeit und Tod ......................................... b) Anspruchs- und Ermessensleistungen ........................... c) Renten- und Kapitalleistungen ................ . ...............

83 84 85

2. Versicherungsfall Alter ............. . ........... . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Altersrente· ................................................. (1) Voraussetzungen ................................ . ........ (2) Entstehung des Anspruchs und Antrag ....................... (3) Anrechnung anderer Leistungen ............................ (4) Berechnung der Altersrente ................................ b) Kinderzuschuß .............................................. (1) Voraussetzungen ................................ . ........ (2) Entstehung des Anspruchs und Antrag ....................... (3) Anrechnung anderer Leistungen ............................ (4) Berechnung und Höhe des Kinderzuschusses .......... . . . . . . ..

85 86 86 88 88 89 89 89 90 91 91

12

Inhaltsverzeichnis 3. Versicherungsfall Berufsunfähigkeit

....................... . ......

91

a) Berufsunfähigkeitsrente ........................ . ............. (1) Voraussetzungen ......................................... (2) Verfahren zur Feststellung der Berufsunfähigkeit ............. (3) Entstehung des Anspruchs und Antrag .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (4) Wegfall des Anspruchs ..................... . .............. (5) Anrechnung anderer Leistungen ........... . .... . .... . .... . . (6) Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente ..................... b) Kinderzuschuß .............................................. c) Rehabilitationsleistungen ........ . .............. . ............. (1) Voraussetzungen .................................. . ...... (2) Form der Rehabilitationsleistungen ...... . .... . ............. (3) Antrag und Verfahren .....................................

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4. Versicherungsfall Tod ...........................................

98

a) Witwen- bzw. Witwerrente .................................... (1) Voraussetzungen ......................................... (2) Anspruchsentstehung, -ende und Antrag ..................... (3) Berechnung der Witwen-/Witwerrente ........... . ........... (4) Anrechnung anderer Leistungen ............................ b) Geschiedenenrente ......................... . ................. (1) Voraussetzungen ......................................... (2) Anspruchsentstehung, -ende und Antrag ..................... (3) Berechnung der Geschiedenenrente ......................... (4) Anrechnung anderer Leistungen ............................ (5) Versorgungsausgleich ..................................... (a) Der Versorgungsausgleich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungs ausgleich (VAHRG) . (b) Das VAHRG und seine Bedeutung für die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen ....... (aa) Die nach dem VAHRG möglichen Ausgleichsformen .... (bb) Bedeutung für die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen ....................................... (c) Versorgungsausgleichsregelungen der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen ................................. c) Kapitalabfindung bei Wiederheirat ..... . ......... . .... . ........ d) Waisenrente ................................................ (1) Voraussetzungen ........................... . ............. (2) Anspruchsentstehung, -ende und Antrag ..................... (3) Anrechnung anderer Leistungen ............................ (4) Berechnung der Vollwaisen- bzw. Halbwaisenrenten ........... e) Sterbegeld .................................................. f) Einmal- oder Rückgewährbetrag bei Tod des Mitgliedes ........... g) Freiwillige Unterhaltsleistungen bei Tod des Mitgliedes ...........

99 99 100 101 102 102 103 103 103 104 105 105 106 106 108 110 113 114 114 115 115 115 116 116 117

Inhaltsverzeichnis IH. Die Finanzierung

13 118

1. Beitragserhebung

................ . ............................. a) Mitgliedsbeiträge ............................................ (1) Beiträge für pflichtversicherte Selbständige .................. (2) Beiträge für pflichtversicherte Angestellte ........ . ........... (3) Beiträge während besonderer Zeiten ........................ (a) Zeiten des Bezuges von Leistungen nach dem AFG ......... (b) Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld ................ (c) Zeiten einer Wehr- oder Zivildienstleistung ............... (4) Beiträge für freiwillige Mitglieder ............... . ........... (5) Beiträge für die Höherversicherung ......................... b) Beiträge Dritter ............................................. (1) Beiträge des Arbeitgebers .................................. (2) Beiträge sonstiger Dritter ..................................

118 118 119 120 121 121 123 123 125 126 127 127 128

2. Finanzierungsverfahren ................ . .... . .... . .... . .... . .... a) Umlageverfahren ................ . ........................... b) Anwartschaftsdeckungsverfahren .............................. c) "Offenes Deckungsplanverfahren" .............................

129 129 131 134

IV. Die Berechnung und Anpassung der Leistungen (Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten) ...................................................... 136 1. Leistungsberechnung ................ . .............. . ........... a) Berechnung der Altersrenten .................................. (1) Rentenberechnung durch Multiplikation eines von den individuell erworbenen Steigerungszahlen abhängigen Vomhundertsatzes mit einer allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage (Methode 1) ..... (2) Rentenberechnung durch Multiplikation der eingezahlten Beiträge mit einem versicherungs-mathematisch bestimmten Faktor (Methode 2) .................................................

(3) Rentenberechnung durch Multiplikation eines generell festgelegten Vomhundertsatzes mit den eingezahlten Beiträgen (Methode 3) (4) Rentenberechnung unter Zugrundelegung eines generell festgelegten Betrages (Methode 4) .................................. b) Berechnung der Berufsunfähigkeitsrenten ....................... (1) Methode 1 ................................... . . . ......... (2) Methode 2 ............................................... (3) Methode 3 .......... . ...... . .............. . .............. (4) Methode 4 ............................................... 2. Leistungsanpassung ..................... . .............. . ....... a) Anpassung der Anwartschaften ................................ b) Anpassung der Bestandsrenten ................................ c) Exkurs: Bedeutung der Anpassung von Anwartschaften und Renten im Versorgungs ausgleich .....................................

137 137 137 139 140 141 142 142 143 144 145 145 146 150 152

14

Inhaltsverzeichnis (1) Notwendigkeit der Umrechnung von Versorgungen gemäß § 1587 a III BGB ................................................. 152 (2) Voraussetzung einer Umrechnung gemäß § 1587 a III BGB ...... 153 (3) Mögliche Alternativen für berufsständische Versorgungen im Rahmen der Umrechnung von § 1587 a III BGB ................... 157

V. Mobilitätsregelungen .............................. . ............... 159 1. Überblick über die Mobilitätsregelungen ........................... 159

2. Freiwillige Fortsetzung der bis zum Ausscheiden bestehenden Pflichtmitgliedschaft .................................................... 162 3. Beitragsfreie Aufrechterhaltung der bis zum Ausscheiden erworbenen Anwartschaften ................................................ 163 4. Erstattung eines Teils der bis zum Ausscheiden entrichteten Beiträge ... 164 5. Überleitung der bis zum Ausscheiden aus einer Versorgungseinrichtung entrichteten Beiträge ........................................... 166 6. Nachversicherung von Beamten und beamtenähnlichen Personen ....... 169

Viertes Kapitel Die Einordnung der Pflichtaltersversorgung innerhalb des gesamten Alterssicherungssystems der Bundesrepublik Deutschland 1. Einordnung unter dem Gesichtspunkt des erfaßten Personenkreises

173 173

11. Einordnung unter dem Gesichtspunkt der Funktion ......... . . . ........ 175 1. Differenzierung zwischen Basis- und Zusatzversorgung .............. 175

2. Einordnung der berufsständischen Versorgung ...................... a) Gesamtbild ................................................. b) Die Versorgungswerke der jeweiligen Berufsstände ............... (1) Ärzte-, Zahnärzte- und Tierärzteversorgungen ................ (2) Apothekerversorgungen ................................... (3) Architektenversorgungen .................................. (4) Rechtsanwalts-, Notar- und Steuerberater-/-bevollmächtigtenversorgungen ............................................ (5) Gemeinsame Ausgleichskasse im Seelotswesen der Reviere ......

177 177 178 178 180 180 181 182

ill. Einordnung nach der Rechtsgrundlage ....... . ......... . ......... . ... 183 IV. Einordnung unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung

................ 183

Inhaltsverzeichnis

15

Tell B

Die Stellung des Bundesgesetzgebers im Hinblick auf die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe

185

Erstes Kapitel Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

185

I. Sozialrechtliche Regelungen ............. . .......................... 186 1. Die Regelung des § 7 11 AVG ..................................... 186

a) Überblick .................................................. 186 b) Voraussetzungen des § 7 11 AVG im einzelnen .................... 188 (1) Formelle Voraussetzungen ................................. 188 (2) Materielle Voraussetzungen .................... . ........... (a) Anforderungen des § 7 11 Hs. 1 AVG ...................... (aa) Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ......................... (bb) Versicherungspflicht durch oder aufgrund eines Gesetzes in einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung .............................. (cc) Öffentlich-rechtliche Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ...................................... (dd) Berufsgruppe .................................... (b) Anforderungen des § 7 11 Hs. 2 AVG ...................... (aa) Anforderungen im Hinblick auf angestellte Mitglieder .. (bb) Entrichtung einkommensbezogener Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze ......... (cc) Erbringung von Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene aufgrund der entrichteten Beiträge und deren Anpassung ........... (dd) Berücksichtigung der finanziellen Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung .................

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c) Wirkungen der Befreiung ..................................... 199 (1) Eintritt und Wegfall der Versicherungsfreiheit ................ 199 (a) Beginn der Versicherungsfreiheit ........................ 199 (b) Wegfall der Versicherungsfreiheit ....................... 199 (2) Geltungsbereich der Befreiung ............................. (a) Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses ....... . ......... (b) Wechsel des Versicherungszweiges ....................... (c) Besondere Zeiten

200 200 201 203

16

Inhaltsverzeichnis (3) Bedeutung der Befreiung im Beitragsrecht ................... 204 (a) Für den gemäß § 7 II AVG befreiten Berufsstandsangehörigen . 204 (b) Für den Arbeitgeber ................................... 206 2. Die Regelung des § 124 VIa und VIb AVG .......................... a) Die Nachversicherung von Mitgliedern öffentlich-rechtlicher Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen bis zum 31. 12. 1972 ..... b) Die Voraussetzungen der Nachversicherung gemäß § 124 VIa und VIb AVG ....................................................... (1) Berechtigter Personenkreis ................................ (2) Antragstellung ........................................... (a) Zuständigkeit für die Antragstellung ..................... (b) Antragsberechtigte .................................... (c) Antragsfrist .......................... . ............... (3) Zeitlicher Anwendungsbereich ............................. (4) Nachversicherungsregelungen in den Satzungen ...... . ........ c) Wirkungen der Antragstellung ................................. (1) Beitragsentrichtung an Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung .................................................... (2) Befreiungswirkung .......................................

206 207 208 208 208 208 210 210 211 212 213 213 213

3. Die Regelungen der §§ 39 I S. 2 Nr. 4 und 46 I S. 4 AVG (§§ 1262 I S. 2 Nr.4 und 1269 I S. 4 RVO) ............................................ 214 a) Die Regelung des § 39 I S. 2 Nr. 4 AVG (§ 1262 I S. 2 Nr. 4 RVO) ..... 214 b) Die Regelung des § 46 I S. 4 AVG (§ 1269 I S. 4 RVO) .............. 215 4. Die Regelung des § 166b AFG .................................... a) Allgemeines ....................... . ............ . . . ......... b) Die Regelung des § 166b I AFG ................................ (1) Voraussetzungen ......................................... (2) Wirkungen ..................................... . .... . ... c) Die Regelung des § 166b Ia AFG ............................... (1) Voraussetzungen .............. . ............ . ............. (2) Wirkungen .............................................. d) Übergangsregelungen .......................... . .............

216 216 217 217 218 219 219 219 220

5. Die Regelung des § 180 VIII S. 2 Nr. 3 RVO ......................... 220 a) Die Neuregelung der Krankenversicherung der Rentner ........... 220 b) Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen als vergleichbare Einnahmen ........................................ 222 6. Die Regelung des § 14 b ArbPISchG ............................... 223 7. Die Regelung des § 78 Zivildienstgesetz (ZDG) ...................... 226 8. Die Regelung des § 9a Eignungsübungsgesetz (EÜG) ................. 226 a) Die Entstehung des § 9a EÜG ..................... . ........... 226 b) Die Voraussetzungen des § 9a EÜG ............................ 228

Inhaltsverzeichnis 9. Die Regelung des § 9 Entwicklungshelfergesetz (EhfG)

17 228

10. Die Regelung des § 10 II BeamtVG ................................ 230 a) Die Bedeutung des § 10 II BeamtVG ............................ 230 b) Vergleich mit § 55 BeamtVG .................................. 231 11. Steuerrechtliche Regelungen 1. Die Regelung des § 5 I Nr. 8 KStG

................................ a) Die Entstehung der Vorschrift ................................. b) Die Voraussetzungen des § 5 I Nr. 8 KStG ....................... (1) Satz 1 der Regelung .................. . ......... . .... . ..... (2) Satz 2 der Regelung .......................................

233 233 235 235 237

2. Die Regelung des § 3 Nr. 11 GewStG .............................. 237 3. Die Regelung des § 3 I Nr. 11 VermStG ............................ 238 III. Gesamtbetrachtung ......... . .............. . .............. . ....... 239 1. Allgemeines ................................................... 239

2. Einordnung der berufsständischen Alterssicherung im Verhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung ................................... a) Gleichstellende Regelungen ................................... b) Differenzierende Regelungen ........... . ......... . .... . ....... (1) §§ 10 II/55 BeamtVG ...................................... (2) Verstoß von § 55 BeamtvG gegen Art. 3 I GG .................

240 240 241 241 242

3. Einordnung der Bestimmungen nach ihrer Regelungswirkung ......... 245 a) Mittelbare Regelungswirkung .................................. b) Unmittelbare Regelungswirkung ............................... (1) § 166b I S. 2 AFG ........................................ (2) Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Bestimmung des § 166b I S. 2 AFG ........................................

245 246 246 246

Zweites Kapitel Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes 1. Überblick über denkbare Kompetenzgrundlagen

249 249

1. Allgemeine Abgrenzung zwischen Bundes- und Landeskompetenzen . . .. 249

2. Denkbare Kompetenzgrundlagen .. . ......... . .. . ................. 249 11. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus Art. 74 Nr. 12 GG "Sozialversicherung" .................................................... 253 1. Begriff der Sozialversicherung LS. v. Art. 74 Nr. 12 GG .............. 253 a) Enge Auslegung ............................................. 253 2 Boecken

18

Inhaltsverzeichnis b) Weite Auslegung .................................... . ....... 258 c) Vermittelnde Auslegung ...................................... 259 2. Einordnung der berufsständischen Pflichtversicherungseinrichtungen als Sozialversicherung ............................................. a) Öffentlich-rechtliche Organisation ............................. b) Risikoausgleich zur Deckung eines gemeinsamen Bedarfs .......... c) Sozialer Ausgleich ........................................... d) Versicherungspflicht ......................................... e) Ergebnis ........................................... . .......

263 263 264 265 267 267

f) Bestätigung in verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung ........... 268 3. Ablehnung der Argumente gegen eine Einordnung der berufsständischen Pflichtversicherungseinrichtungen unter den Begriff der Sozialversicherung i. S. v. Art. 74 Nr. 12 GG ..................................... a) Das Argument der engen Auslegung des Begriffs Sozialversicherung ....................................................... b) Das Argument der Zielpluralität der Einrichtungen ............... c) Das Argument der Erforderlichkeit einer Anlehnung an klassische Sozialversicherungsträger .................................... d) Das Argument der fehlenden sozialen Schutzbedürftigkeit .........

273 275 279 282 285

Drittes Kapitel Die Eingriffsmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers in die gegenwärtige Struktur der Pflichtaltersversorgung 1. Überblick über potentielle Eingriffe

289

................................. 289

1. Auflösung der Einrichtungen und Einbeziehung der Mitglieder in die ge-

setzliche Rentenversicherung ..................................... 289

2. Einbeziehung der Versorgungswerke in einen Finanzausgleich

290

3. Zusammenschluß der Versorgungswerke auf Bundesebene (Landesebene) ........................................................ 290 4. Streichung der Vorschrift des § 7 II AVG ........................... 291 5. Versicherungspflicht aller Berufsstandsangehörigen in der gesetzlichen Rentenversicherung ............................................ 293 11. Aktualität der denkbaren Eingriffe .................................. 293 1. Sozialpolitische Vorschläge bezüglich der Entwicklung der Alterssiche-

rung ......................................................... a) Sozialenquete-Kommlssion ................................... b) Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen .......................................... c) Transfer-Enquete-Kommission ................................ d) Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats ...........

293 294 294 295 296

Inhaltsverzeichnis

19

e) Gutachten des Sozialbeirats ............................. . ..... 298 f) Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme ............ 299 2. Bewertung .................................................... a) Wesentliche Tendenzen hinsichtlich der Entwicklung der Alterssicherung ....................................................... (1) Aufrechterhaltung des gegliederten Alterssicherungssystems .... (2) Einbeziehung nicht gesicherter Selbständiger in die allgemeine Rentenversicherungspflicht ................................ (3) Harmonisierung der verschiedenen Alterssicherungssysteme .... , b) Bedeutung für die politische Aktualität der denkbaren Eingriffe .....

301 301 302 302 303 304

ill. Im Besonderen: Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Streichung von § 7 II AVG ......................................... 307 1. Rechtmäßigkeit hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Versicherungs-

und Versorgungseinrichtungen ................................... a) Grundrechte als Rechtmäßigkeitsmaßstab nur bei Grundrechtsfähigkeit der Einrichtungen ....................................... (1) Unterschiedliche Auffassungen zur Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts ...................... (2) Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung als Beurteilungsgrundlage .................................................... (a) Die Grundsätze der Rechtsprechung ..................... (b) Bedeutung für die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen .............................. (aa) Unabhängigkeit vom Staat ................ . ........ (bb) Grundrechtsverwirklichung für Mitglieder .. . .. . ..... (c) Grundrechtsschutz wegen Interessenvertretung ............ b) Einer Streichung von § 7 II AVG könnte der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete allgemeine Vertrauensschutz entgegenstehen ........ (1) Vertrauensschutz für juristische Personen des öffentlichen Rechts .................................................. (2) Kein Vertrauen in gegenwärtige organisatorische Ausgestaltung .................................................... (a) Keine verfassungsrechtliche Sicherung der organisatorischen Ausgestaltung von Sozialversicherungsträgern ............. (b) Streichung von § 7 II AVG als Maßnahme der organisatorischen Ausgestaltung ................................... (c) Keine verfassungsrechtlich begründete "mittelbare Garantie der effektiven Funktion" der Einrichtungen als Hindernis für eine Streichung von § 7 II AVG .......................... c) Einer Streichung von § 7 II AVG könnte das Sozialstaatsprinzip entgegenstehen ................................................

308 308 308 312 312 313 313 316 318 325 325 326 327 328 329 333

2. Rechtmäßigkeit hinsichtlich der in den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen versicherten Berufsstandsmitglieder ........................................................ 333 a) Einer Streichung von § 7 II AVG könnte Art. 14 GG entgegenstehen .. 333 2'

20

Inhaltsverzeichnis (1) Durch Art. 14 I S. 1 GG geschützte Rechtspositionen der Berufsstandsmitglieder ......................................... (a) Das subjektiv-öffentliche Recht als Eigentum i. S. v. Art. 14 GG ............................................... (b) Bedeutung für die Versichertenrenten und -anwartschaften der Berufsstandsmitglieder ............................. (2) Eingriff in Rentenansprüche und -anwartschaften durch die Streichung von § 7 II AVG ..................................... (a) Auswirkungen einer Aufhebung von § 7 II AVG ............ (b) Grundrechtsrelevanter Eingriff ......................... (aa) Überprüfbarkeit allgemeiner Gesetze ................ (bb) Eingriff bei reflexiven Maßnahmen .................. (3) Aufhebung von § 7 II AVG als Ausdruck der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 I S. 2 GG ........................ (a) Grundsätze zur Gestaltungsbefugnis von Rentenansprüchen und -anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung ................................................ (b) Bedeutung dieser Grundsätze für die Gestaltungsbefugnis durch eine Streichung von § 7 II AVG hinsichtlich der Rentenansprüche und -anwartschaften der Berufsstandsmitglieder .. (aa) Erforderlichkeit eines Gemeinwohlzwecks ............ (bb) Verhältnismäßigkeit der Streichung von § 7 II AVG .... (cc) Berücksichtigung des Vertrauens schutzes ............ (aaa) Grundlage in Art. 14 I GG .................... (bbb) Vertrauen der Berufsstandsmitglieder in den Fortbestand von § 7 II AVG ...................... (ccc) Abwägung mit dem Ziel der Aufhebung von § 7 II AVG ...................................... (ddd) Notwendigkeit von Übergangsregelungen ....... (eee) Für Übergangsregelungen zu berücksichtigende Gesichtspunkte ............................. (fff) Denkbare Übergangsregelungen ............... (4) Ergebnis

334 334 337 339 339 342 342 344 346 346 350 352 353 356 356 357 358 359 361 362 363

b) Einer Streichung von § 7 II AVG könnte der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete allgemeine Vertrauensschutz entgegenstehen ........ 363 c) Einer Streichung von § 7 II AVG könnte Art. 3 I GG entgegenstehen . 364 (1) Zulässigkeit von Stichtagsregelungen ........................ 364 (2) Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit ...................... 365 3. Rechtmäßigkeit hinsichtlich der in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Berufsstandsmitglieder ......................... 366 a) Einer Streichung von § 7 II AVG könnte Art. 14 GG entgegenstehen .. 366 b) Einer Streichung von § 7 II AVG könnte der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete allgemeine Vertrauensschutz entgegenstehen ..... 367 (1) Grundlagen des allgemeinen Vertrauensschutzes .............. 367

Inhaltsverzeichnis

21

(2) Bedeutung für die Aufhebung von § 7 11 AVG ..... . .... . ...... 368 (a) Eingriff in Rechtsposition .................... . ......... 368 (b) Vertrauen in den Bestand von § 7 11 AVG ................. 369 (c) Abwägung mit der Bedeutung der Aufhebung von § 7 11 AVG für das Wohl der Allgemeinheit ......................... 369

Anhang: Die zur Zeit bestehenden Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen ..................................................... 373 Literaturverzeichnis ..................................... . ............ 389

Abkürzungsverzeichnis AFG AmtsBl. AnVNG AöR ArbPlSchG AR-Blattei AVG AVR BABl. BAfA BAnz. Bay. BS Bay.VBl. Bay. VerfGH = Bay. VersG BB BBG BeamtR BeamtVG BetrAV BewG BfA BFH BGBl. BGB BGH BGHZ BKK BNotO BRAK BRAK-Mitt. BRAO BR-Drs. BSG BSGE BSHG BStBl. BT-Drs. BVerfG

Arbeitsförderungsgesetz Amtsblatt Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetz Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrechts-Blattei Angestelltenversicherungsgesetz Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes Bundesarbeitsblatt Bundesanstalt für Arbeit Bundesanzeiger Bayerische Bereinigte Sammlung Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerisches Gesetz über das öffentliche Versicherungswesen Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Beamtenrecht des Bundes und der Länder Beamtenversorgungsgesetz Betriebliche Altersversorgung Bewertungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Betriebskrankenkasse Bundesnotarordnung Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltskammermitteilungen Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundessozialgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht

Abkürzungsverzeichnis BVerfGE BVerwG BVerwGE

DAB DAngVers DB Die ErsK DieRV DNotZ DÖD DÖV DOK DRV DStZ DT DVBl. DVZ EheG EheRG EhfG EuGRZ EÜG ESVGH FamRZ GAL GewO GewStG GG GGK GK-SGB GNVR GVBl. HÄG Hdb.d.RV Hdb.d.SV Hdwb.d.VW = HGB HwVG HzS IHKG JBl. JuS JZ KStG KSVG Lb.

23

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung det Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutsches Architektenblatt Die Angestelltenversicherung Der Betrieb Die Ersatzkasse Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten Deutsche Notarzeitschrift Der öffentliche Dienst Die öffentliche Verwaltung Die Ortskrankenkasse Deutsche Rentenversicherung Deutsche Steuer-Zeitung Deutsches Tierärzteblatt Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Versicherungszeitschrift Ehegesetz Ehereformgesetz Entwicklungshelfergesetz Europäische Grundrechte-Zeitschrift Eignungsübungsgesetz Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz Grundgesetz-Kommentar Gemeinschaftskommentar Sozialgesetzbuch Gesetz über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte Gesetz- und Verordnungsblatt Hamburgisches Ärztegesetz Handbuch der Rentenversicherung Handbuch der Sozialversicherung Handwörterbuch des Versicherungswesens Handelsgesetzbuch Handwerkerversicherungsgesetz Handbuch zum Sozialrecht Industrie- und Handelskammergesetz Justizblatt Juristische Schulung Juristenzeitung Körperschaftssteuergesetz Künstlersozialversicherungsgesetz Lehrbuch

24 LdR LFZG MBl.NW MuSchG MuSchUrlG NJW NVwZ NZA PostVerwG RAG Rdn. RGBl. RKG RNotO RRG RStBl. RVÄndG RV-BEVO RVO SchfG SchfVO SdDSGV SdDSRU SGb. SGB SGG SLG 5MBl.NW SoldG SozR StAnz. StBG SVK UmstG USG UWG VAHRG VBL VermStG VersR VerwR VSSR VVDStRL VVG VW

WeimRV

Abkürzungsverzeichnis Lexikon des Rechts Lohnfortzahlungsgesetz Ministerialblatt N ordrhein-Westfalen Mutterschutzgesetz Mutterschaftsurlaubsgesetz Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Postverwaltungsgesetz Rentenanpassungsgesetz Randnummer Reichsgesetzblatt Reichsknappschaftsgesetz Reichsnotarordnung Rentenreformgesetz Reichssteuerblatt Rentenversicherungsänderungsgesetz Rentenversicherungs-Bei tragsentrichtungsverordnung Reichsversicherungsordnung Gesetz über das Schornsteinfegerwesen Verordnung über das Schornsteinfegerwesen Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Gesetz über das Seelotsenwesen Sammlung des Bereinigten Ministerialblattes für das Land Nordrhein-Westfalen Soldatengesetz Sozialrecht, Rechtsprechung und Schrifttum, bearbeitet von den Richtern des Bundessozialgerichts Staatsanzeiger Steuerberatungsgesetz Sachverständigenkommission Umstellungsgesetz Unterhaltssicherungsgesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Vermögenssteuergesetz Versicherungsrecht Verwaltungsrecht Vierteljahresschrift für Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswirtschaft Weimarer Reichsverfassung

Abkürzungsverzeichnis WissR WPflG WzS ZBR ZDG ZfS ZGVW ZRP ZSR

Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung Wehrpflichtgesetz Wege zur Sozialversicherung Zeitschrift für Beamtenrecht Zivildienstgesetz Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Sozialreform

25

Einleitung Die zukünftige Entwicklung der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland wird seit Beginn dieses Jahrzehnts verstärkt unter dem Gesichtspunkt einer Harmonisierung der verschiedenen Sicherungssysteme angesichts der für die einzelnen Systeme in unterschiedlichem Maße bestehenden" und in Zukunft zu erwartenden Belastungen diskutiert (von Bedeutung ist insoweit insbesondere das im November 1983 vorgelegte Gutachten der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme). In diesem Zusammenhang sind auch die berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen der verkammerten freien Berufe (Ärzt~, Zahnärzte, Apotheker, Architekten, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Seelotsen) in das Blickfeld des sozialpolitischen und sozialrechtswissenschaftlichen Interesses gerückt. Dieses Alterssicherungssystem hat sich im wesentlichen erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt und ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl voneinander unabhängiger Einrichtungen (zur Zeit 49) der verschiedenen Berufsgruppen, wobei die Erfassungsdichte der einzelnen Berufsstände innerhalb des Bundesgebietes unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Während die Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte heute lückenlos von berufsständischen Versorgungswerken erfaßt werden, sind andere Berufsgruppen wie z.B. die Rechtsanwaltschaft bis heute nur partiell in solchen Alterssicherungseinrichtungen zusammengeschlossen. Bei den berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen handelt es sich um öffentlich-rechtlich organisierte Pflichtaltersversorgungen, die unter Anknüpfung an den jeweiligen Berufsstand sowohl die selbständigen als auch die angestellten Berufsstandsmitglieder in die Alterssicherung einbeziehen, wobei die erforderlichen Mittel allein durch die dem Versicherungszwang unterliegenden Mitglieder aufgebracht werden. Rechtliche Grundlagen dieser berufsständischen Pflichtaltersversorgung sind (bis auf wenige Ausnahmen) zum einen landesgesetzliche Regelungen, die entweder die jeweiligen Berufskammern zur Errichtung von Versorgungswerken als unselbständige Kammereinrichtungen ermächtigen oder aber unmittelbar Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen als selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts schaffen, zum anderen die auf der Grundlage der landesgesetzlichen Ermächtigungen erlassenen Satzungen der Versorgungswerke.

28

Einleitung

Basieren demzufolge die berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen idR auf Landesrecht, so hat doch andererseits dieses Alterssicherungssystem auch eine bundesgesetzliche Berücksichtigung in einer Vielzahl von Einzelvorschriften gefunden, die zwar nicht die Organisation und Durchführung der berufsständischen Alterssicherung als solche regeln, denen jedoch mittelbar ein maßgebender Einfluß auf die Ausgestaltung dieser Alterssicherung zukommt. Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf die Vorschrift des § 7 II AVG, welche die Befreiung angestellter Berufsstandsangehöriger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur unter der Voraussetzung zuläßt, daß die jeweilige Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung bestimmte "Qualitätsmerkmale" erfüllt. In diesem Spannungsverhältnis zwischen landesrechtlich begründeter Pflichtaltersversorgung einerseits und darüber hinaus bestehender (wenn auch nur mittelbarer) bundesgesetzlicher Einflußnahme andererseits liegt der Ansatzpunkt für die vorliegende Untersuchung. Hierbei wird entsprechend der bereits im Titel zum Ausdruck kommenden Zweiteilung im ersten Teil (A) neben der historischen Entwicklung dieses Alterssicherungssystems, seiner verwaltungsrechtlichen Organisation sowie der Einordnung in das Gesamtsystem der bundesrepublikanischen Alterssicherung das Hauptaugenmerk auf die für die Aufgabe der Alterssicherung wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen der berufsständischen Versorgungswerke gerichtet. Trotz der Vielzahl der Satzungen mit ihren unterschiedlichen Regelungen im Detail läßt sich eine Übereinstimmung in den wesentlichen Grundstrukturen feststellen. Im zweiten Teil (B) der Untersuchung wird sodann die Stellung des Bundesgesetzgebers im Hinblick auf die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe erörtert, wobei unter Anknüpfung an die bereits eingangs erwähnte Diskussion über eine Harmonisierung der verschiedenen Alterssicherungssysteme drei Bereiche von wesentlicher Bedeutung sind. Zum einen handelt es sich hierbei um eine Bestandsaufnahme der die berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen bis heute berücksichtigenden bundesgesetzlichen Regelungen sowie daraus zu ziehender Schlußfolgerungen für die Bewertung dieses Alterssicherungssystems durch den Bundesgesetzgeber. Desweiteren ist hier auf die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes einzugehen, da eine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den gesamten Bereich der Alterssicherung am ehesten gewährleisten kann, daß die zukünftige Entwicklung der verschiedenen Alterssicherungssysteme im Sinne einer Harmonisierung aufeinander abgestimmt wird.

Einleitung

29

Schließlich ist zu untersuchen, welche Eingriffsmöglichkeiten dem Bundesgesetzgeber in die gegenwärtige Struktur der Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe zur Verfügung stehen. In diesem Rahmen wird nach Erörterung der denkbaren Eingriffe und ihrer derzeitigen sozialpolitischen Aktualität speziell die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Streichung der Befreiungsregelung des § 7 II AVG für angestellte Berufsstandsmitglieder geprüft. Dieser Regelung kommt als Koordinierungsvorschrift zwischen berufs ständischer Pflichtversorgung einerseits und gesetzlicher Rentenversicherung andererseits unter dem Aspekt der Abstimmung dieser Systeme aufeinander eine hervorragende Stellung zu. Insoweit werden - unter Differenzierung zwischen den Einrichtungen selbst und ihren Mitgliedern - Rechtsfragen angesprochen, die auch für andere denkbare Eingriffe von Bedeutung sind. So wird Stellung bezogen zur Frage der Grundrechtsfähigkeit der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sowie ihrer verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Im Hinblick auf die Mitglieder dieser Einrichtungen stehen die Erörterung des eigentumsrechtlichen Schutzes der Versichertenrenten sowie die diesbezüglich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber im Vordergrund der Untersuchung. Es wäre im Sinne des Verfassers dieser Arbeit, wenn die erarbeiteten Ergebnisse die rechtswissenschaftliche Beschäftigung mit den aufgeworfenen Rechtsfragen vertiefen und zu weiterer, wenn auch kontroverser, Diskussion anregen könnten.

TEILA

Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe Erstes Kapitel

Die historische Entwicklung I. Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der Selbständigen im Überblick

Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der Selbständigen hat in den letzten 100 Jahren - ausgehend von dem Zeitpunkt der Einführung der gesetzlichen Invaliditäts- und Alterssicherung der Arbeiter im Jahre 1889, wodurch zum ersten Mal für eine bestimmte gesellschaftliche Schicht eine gesetzlich begründete Zwangsaltersvorsorge eingeführt wurde - eine je nach der Gruppe der Selbständigen unterschiedliche Entwicklung genommen. In einer groben Zweiteilung lassen sich die Selbständigen einerseits in den sogenannten selbständigen Mittelstand und andererseits die "kapitalistischen" Selbständigen aufteilen!. 1. Die "kapitalistischen" Selbständigen

Für die letztere Gruppe, die sich unter den Selbständigen dadurch auszeichnet, daß statt einer selbständigen Mitarbeit im Betrieb das Zurverfügungstellen von Kapital charakteristisches Merkmal ist 2, ist im Laufe des vorgenannten Zeitraums von gesetzgeberischer Seite kein wesentlicher Einfluß auf die Form der Altersvorsorge genommen worden, sieht man einmal davon ab, daß auch für diesen Personenkreis seit der Rentenreform im Jahre 1972 3 unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Pflichtversicherung kraft Antrags (§ 2 I Nr. 11 AVG) sowie zur freiwilligen Versicherung gemäß § 10 I AVG besteht. Diese sozialpolitische Nichtberücksichtigung hängt mit der trotz gesellschaftlicher Veränderungen weitgehend 1 2

3

Wannagat, Lb., Bd. I, S. 361. Wannagat, Lb., Bd. I, S. 361. Rentenrefonngesetz vom 16. 10. 1972, BGBl. 1972 I S. 1965.

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

32

gleich gebliebenen Möglichkeit und Fähigkeit zur eigenen Altersvorsorge zusammen 4 . 2. Der Mittelstand

Hinsichtlich der oben genannten Gruppe des selbständigen Mittelstandes, der in die Bereiche Handwerk, Landwirtschaft, Gewerbe und freie Berufe aufgeteilt werden kann 5 , hat sich indessen für große Teile die Altersvorsorge von einer rein individuellen zu einer "gesellschaftsbezogenen"6 hin entwikkelt, wobei hier all eine die von staatlicher Seite vorgenommenen Einwirkungen im Wege öffentlich-rechtlicher Zwangsvorsorge einer Betrachtung unterzogen werden.

a) Die Handwerker Für die Gruppe der Handwerker wurde mit dem Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk 7 für den Fall der Berufsunfähigkeit und des Alters sowie zugunsten der Hinterbliebenen eine Pflichtversicherung eingeführt, und zwar zunächst durch Einbeziehung in die Rentenversicherung der AngestelltenB. Mit dem Handwerkerversicherungsgesetz vom 8.9.1960 9 wurde dann die Rentenversicherung der Handwerker von der Angestellten- in die Arbeiterrentenversicherung überführt, wobei die Pflichtversicherung auf 216 Monate begrenzt wurde. Letzteres gilt allerdings nicht für die Bezirksschomsteinfegermeister, deren Altersversorgung durch das Gesetz über das Schomsteinfegerwesen 1o mit Wirkung vom 1.1.1970 dahingehend umgestaltet wurde, daß diese während der gesamten Zeit ihrer Bestellung in der Arbeiterrentenversicherung pflichtversichert sind (siehe § 1 I und Ia HwVG). Daneben ist jeder Bezirksschornsteinfegermeister noch gemäß § 35 SchfG Mitglied in der Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschomsteinfegermeister, die eine Zusatzversorgung gewährtI 1•

Vgl. Wannagat, Lb., Bd. I, S. 361. Wannagat, Lb., Bd. I, S. 361. 6 Krekeler, Theorie und Praxis einer kollektiven Alterssicherung der Ärzte, S. 24. 7 Vom 21. 12. 1938, RGBL 1938 I S. 1900. B Allerdings wurde dem einzelnen Handwerker die Möglichkeit eingeräumt, sich durch Abschluß einer Individual-Lebensversicherung von dem Versicherungszwang zu befreien, siehe die §§ 3ff. des Gesetzes. 9 BGBL 1960 I S. 737. 10 Vom 15. 9. 1969, BGBL 1969 I S. 1634. 11 Siehe dazu noch unter B, 2. Kap. II, 2f. 4

5

1. Kap.: Die historische Entwicklung

33

b) Die Landwirte Die zweite Gruppe des selbständigen Mittelstandes, die der Landwirte, hat durch das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL)12 eine öffentlich-rechtliche Sicherung in Bezug auf die Altersvorsorge erfahren, wobei mit dieser obligatorischen Sicherungsform für Landwirte keine umfassende Alterssicherung gewährleistet werden sollte. Vielmehr war lediglich beabsichtigt, einen Zuschuß zu den bei Landwirten in der Regel vorausgesetzten Alterssicherungsmitteln von Nahrung und Wohnung zu erbringen 13. c) Die Gewerbetreibenden

Für den Bereich des Gewerbes als dritte Gruppe des selbständigen Mittelstandes ist vornehmlich für solche Personen eine obligatorische Alterssicherung eingeführt worden, die insoweit als arbeitnehmerähnlich angesehen werden können, als sie genau wie die Angestellten und Arbeiter ohne sachliche Produktionsmittel allein auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft angewiesen sind l4 . Als gewerbliche Selbständige sind deshalb in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter gemäß § 1227 I Nr. 3 RVO bestimmte Hausgewerbetreibende (Zigarrenherstellung/-bearbeitung; Textilbranche ) nahezu von Anfang an (1891-1895) einbezogen worden. Erst durch die Neufassung der RVO im Jahre 1923 wurden die Hausgewerbetreibenden generell versicherungspflichtig l5 . Von jenen selbständigen mittleren und kleinen Gewerbetreibenden, die über sachliche Produktionsmittel verfügen, wurden allein kleinere Küstenschiffer und Küstenfischer durch Gesetz vom 20.8.1940 der Versicherungspflicht unterstellt (siehe § 1227 I Nr. 4 RVO). d) Die Freiberufler

Schließlich ist als vierte Gruppe des selbständigen Mittelstandes die der sogenannten "freien Berufe" in Bezug auf die Entwicklung der öffentlichrechtlichen Alterssicherung zu betrachten. Da diese Gruppe im Rahmen der vorliegenden Arbeit von speziellem Interesse ist, soll hierzu im folgenden unter 11 eine ausführliche Darstellung erfolgen. Vom 20.4. 1957, BGBL 1957 I S. 1063. Wannagat, Lb., Bd. I, S. 381; Quante, Entwicklung und Stand der Deutschen Sozialgesetzgebung, in: Sozialpolitik und Sozialreform, S. 115ft. (S. 138f.). 14 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 365. 15 Compter, DRV 1978, S. 264ff. (265). 12

13

3 Boecken

34

Teil A: Die Grundlagen der Pflicht altersversorgung

11. Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe im Besonderen 1. Der Begriff "freier Beruf" und die Berufsgruppen

Die Bezeichnung "freier Beruf", die nicht als Rechts- sondern als soziologischer Begriff zu verstehen ist1 6 - d. h. es wird damit eine bestimmte Gruppe innerhalb der Gesellschaft erfaßt, hingegen lassen sich in Verbindung mit dem Begriff keine speziellen normativen Wirkungen ableiten 17 hat sich aus der liberalistischen Auffassung des 18. und 19. Jahrhunderts heraus entwickelt, wonach es für ein Gemeinwesen das beste sei, wenn die Selbständigen ohne Einflußnahme des Staates ihre Tätigkeit ausüben könnten. Diese Auffassung von "Freiheit von Zwängen" wirkte sich gerade bei den Angehörigen der Berufe aus, die überwiegend durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft Leistungen höherer Art erbrachten und zugleich der Verwirklichung ideeller Werte dienten l8 . Charakteristisch für die Abgrenzung der "freien Berufe" als gesellschaftliche Gruppe von anderen Selbständigen sind die Merkmale des Erbringens von Leistungen oder Lieferungen ideeller Art, und zwar persönlich, wobei diese Leistungen oder Lieferungen in wirtschaftlicher Selbständigkeit erbracht werden 19. Das letztere Merkmal der wirtschaftlichen Selbständigkeit bedeutet jedoch nicht, daß ein angestellter Angehöriger eines freien Berufes (z. B. der Arzt in einem Krankenhaus) keinen freien Beruf mehr ausübt. Insoweit ist für die Frage der Ausübung eines "freien Berufes" nicht auf den einzelnen Berufsträger abzustellen, vielmehr ist für diese Frage entscheidend, ob hinsichtlich des gesamten Berufsstandes dieser Beruf üblicherweise selbständig ausgeübt wird 2o . Diese Sichtweise ist auch schon deswegen naheliegend, weil die meisten Angehörigen der freien Berufe die ersten Erfahrungen als Angestellte sammeln 21 . Mit dem Merkmal der Erbringung von ideellen Leistungen oder Lieferungen soll die freiberufliche Tätigkeit gegen materielle Lieferungen und enerBVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (364). Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe, S. 29; BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (364); a.A. Fleischmann, Die freien Berufe im Rechtsstaat, S. 105. 18 BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (364/365). 19 Deneke, Klassifizierung der freien Berufe, S. 24; siehe auch Fleischmann (Fn. 17), S. nOf., der neben einem soziologischen Begriff des "freien Berufes" noch einen steuer- und berufsrechtlichen (materialen) Begriff unterscheidet, die jedoch hier unter dem Aspekt der Alterssicherungsentwicklung der Selbständigen als gesellschaftlicher Entwicklung irrelevant sind, dazu eingehend Hahn (Fn. 17), S. 24ff. 20 Deneke (Fn. 19), S. 27f.; siehe auch BT-Drs. 8/3139, S. 6. 21 Deneke (Fn. 19), S. 27. 16 17

1. Kap.: Die historische Entwicklung

35

getische Leistungen abgegrenzt werden 22 . Schließlich dient das Merkmal der persönlichen Leistung zum einen als Abgrenzungskriterium gegenüber selbständiger gewerblicher Tätigkeit, da die Leistung des Freiberuflers nicht als Ergebnis der Leistung einer anderen Person oder von Produktionsoder Transportmitteln angeboten wird 23 , zum anderen als Abgrenzung gegenüber der Ausübung eines Amtes oder der Tätigkeit als weisungsabhängiger Arbeitnehmer24 . Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung des "freien Berufes" lassen sich die heute bestehenden beruflichen Tätigkeitsfelder der Freiberufler in fünf Schwerpunktbereiche aufgliedern: freie heilkundliche Berufe (z. B. Ärzte, Apotheker, Hebammen), freie rechts- und wirtschaftsberatende Berufe (z. B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare), freie technische und naturwissenschaftliche Berufe (z. B. Architekten, Sachverständige, Lotsen), freie pädagogische, psychologische und übersetzende Berufe (z. B. Pädagogen, Dolmetscher, Psychologen) sowie freie publizistische und künstlerische Berufe

(z. B. Schriftsteller, Journalisten, Musiker)25.

2. Unterschiedliche öffentlich-rechtliche Sicherung

Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung hat für die verschiedenen Berufsgruppen der in dem Katalog genannten freien Berufe eine unterschiedliche Entwicklung genommen.

a) Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung In der gesetzlichen Rentenversicherung wurden schon sehr früh, wie bei: den Gewerbetreibenden 26 , die sogenannten arbeitnehmerähnlichen Personen pflichtversichert, bei denen also von den Möglichkeiten der sozialen Sicherung her eine den Arbeitnehmern vergleichbare Situation vorlag 27 und die deshalb in gleichem Maße für schutz bedürftig gehalten wurden. Deneke (Fn. 19), S. 24. Deneke (Fn. 19), S. 25. 24 Deneke (Fn. 19), S. 27. 25 Fürstenberg, Die Alterssicherung der freien Berufe, S. 10; Hahn (Fn. 17), S. 29; BT-Drs. 8/3139, S. 6, hier findet sich eine Aufzählung der Berufsgruppen im einzelnen. 26 Siehe oben unter I 2 cl. 27 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 365. 22 23

3'

36

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

So sind heute gemäß § 2 I Nr. 3 AVG selbständige Lehrer, Erzieher und Musiker in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten pflichtversichert. Im Gegensatz zu den selbständigen Lehrern und Erziehern, die schon im Jahre 1922 erfaßt wurden 28 , wurden die Musiker erst durch Verordnung vom 8.10.1929 29 in die obligatorische Angestelltenversicherung ein bezogen 30. Ebenso wie die Musiker wurden auch Hebammen mit Niederlassungserlaubnis durch die Verordnung vom 8.10.1929 31 der Angestelltenversicherungspflicht unterstellt (siehe § 2 I Nr. 5 AVG). Seit 1938 sind nach der Vorschrift des § 2 I Nr. 4 AVG selbständige Artisten in der Angestelltenversicherung pflichtversichert. Darüber hinaus wurde durch die sogenannte Vereinfachungsverordnung vom 17.3.1945 32 die Versicherungspflicht der in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege selbständig tätigen Personen, die in ihrem Betrieb keine Angestellten beschäftigen, neu geregelt (heute § 2 I Nr. 6 AVG). Die in der Kranken- und Wochenpflege tätigen Personen waren zuvor schon durch Verordnung vom 14.3.1932 33 in die Angestelltenversicherung einbezogen worden 34 . Als weitere in der Angestelltenversicherung pflichtversicherte Gruppe der Freiberufler sind die Seelotsen der Reviere iSd des Gesetzes über das Seelotsenwesen35 zu nennen (siehe § 2 I Nr. 6a AVG)36. Diese Personengruppe wurde durch Art. 1 § 2 Nr. 1 ades 3. RV ÄndG37 zum 1.1.1970 versicherungspflichtig, um ihr eine der einem Kapitän auf großer Fahrt entsprechende Altersversorgung zu gewährleisten38 . Zuvor oblag die Altersversorgung der Seelotsen den Lotsenbrüderschaften als Selbstverwaltungsaufgabe, die zu diesem Zweck Pensions- und Umlagekassen eingerichtet hatten 39 . Die Pflichtalterssicherung erfolgte mithin ausschließlich auf berufsständischer Ebene 40 . Mit der Neuregelung durch das 3. RVÄndG erfolgt die Alterssicherung der Seelotsen nunmehr jedoch nicht allein durch die gesetzliche Angestelltenversicherung, vielmehr führen die Lotsenbrüderschaften auf berufsDurch Gesetz vom 10. 11. 1922, RGBl. 1922 I S. 849. RGBl. 1929 I S. 151. 30 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 368. 31 RGBl. 1929 I S. 151. 32 RGBl. 1945 I S. 41. 33 RGBl. 1938 I S. 142. 34 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 370. 35 Vom 13. 10. 1954, BGBl. 1954 II S. 1035. 36 Zur Alterssicherung dieser Personengruppe siehe ausführlich Hahn (Fn. 17), S. 126ff. 37 Vom 28. 7. 1969, BGBl. 1969 I S. 956. 38 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 746c. 39 Schenke, BABl. 1969, S. 482ff. (483). 40 Hahn (Fn. 17), S. 132. 28

29

1. Kap.: Die historische Entwicklung

37

ständischer Ebene mit der von ihnen errrichteten "Gemeinsamen Ausgleichskasse" eine Zusatzversorgung durch 41 . Mit dem Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (KSVG)42 ist die gesetzliche Rentenversicherungspflicht erneut auf Angehörige der freien Berufe, gemäß der Vorschrift des § 1 KSVG auf selbständige Künstler und Publizisten, ausgedehnt worden. Auslöser für die gesetzgeberische Einbeziehung dieser Personengruppe in die gesetzliche Rentenversicherung war die durch den Künstlerbericht der Bundesregierung vom 13.1.1975 43 zutage getretene völlig unzureichende Vorsorge für das Alter 44 . Als Ursache für die mangelnde Vorsorge wurde in dem Bericht die fehlende Votsorgebereitschaft der Künstler hervorgehoben 45, woran sich trotz der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung bzw. Pflichtversicherung kraft Antrags in der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1972 nichts geändert hatte. Diese mangelnde Vorsorgebereitschaft resultiert neben anderen Faktoren hauptsächlich aus der unzureichenden wirtschaftlichen Lage der selbständigen Künstler und Publizisten 46 . Die damit vorläufig letzte Ausdehnung der gesetzlichen Rentenversicherung auf Selbständige ist insoweit gegenüber früheren Erweiterungen auf Selbständige mit einer Besonderheit verbunden, als nach dem KSVG die Künstler und Publizisten trotz ihrer Selbständigkeit entsprechend den Arbeitnehmern nur die Hälfte des Beitrages zu entrichten haben 47 . Die andere Hälfte wird durch eine Künstlersozialabgabe sowie einen Bundeszuschuß finanziert 48 . b) Berufsständische Pflichtversicherung

Sind somit nur wenige der den freien Berufen zugerechneten Berufsgruppen durch eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihr Alter geschützt, so hat sich für andere Berufsgruppen der Freiberufler, und zwar die verkammerten freien Berufe, ein öffentlich-rechtliches Pflichtversicherungssystem auf berufsständischer Ebene entwickelt, die sogenannten berufsständischen Versorgungswerke.

41 42 43 44

Hahn (Fn. 17), S. 136. Vom 27. 7. 1981, BGBL 1981 I S. 705. BT-Drs.7/3071. Bunge, JZ 1981, S. 119ff. (119). 45 BT-Drs. 7/3071 S. 61/62. 46 Mess, Die ErsK 1980, S. 377 ff. (377). 47 Bisher teilten sich nur die Hausgewerbetreibenden mit ihren Auftraggebern die Beitragslast, alle anderen Selbständigen haben ihre Beiträge allein zu tragen, siehe Compter, DRV 1978, S. 264ff. (267). 48 Bunge, JZ 1981, S. 119ff. (120).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Bei diesen Versorgungswerken handelt es sich um entweder von den Berufskammern selbst kraft gesetzlicher Ermächtigung oder in Anlehnung an diese durch Gesetz errichtete berufsständische Selbsthilfeeinrichtungen auf der Grundlage der Zwangsmitgliedschaft49 . Heute bestehen öffentlichrechtlich organisierte Versorgungswerke für folgende freie Berufe (oder Berufsgruppen): Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Architekten, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Seelotsen. Die Tatsache, daß solche Versorgungswerke gerade bei den verkammerten freien Berufen entstanden sind, ist darin begründet, daß die damit gegebene öffentlich-rechtliche Organisation des Berufes es geradezu ermöglicht hat, eigenständige Altersversorgungswerke einzurichten50 . Denn die mit dem Kammerwesen 51 hauptsächlich verbundene gesetzliche Regelung des Berufszugangs sowie die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern ("geschlossene" freie Berufe gegenüber den "offenen")52 schafft schon organisatorisch weit bessere Möglichkeiten der Erfassung der Berufsangehörigen als dies zum Beispiel bei den Schriftstellern oder Künstlern möglich wäre 53 . Als erstes öffentlich-rechtlich organisiertes berufsständisches Versorgungswerk wurde im Jahre 1923 die Bayerische Ärzteversorgung für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte errichtet54 . Ihr folgte im Jahre 1925 die Bayerische Apothekerversorgung 55 . Blieben diese Versorgungswerke zwischen den beiden Weltkriegen die einzigen öffentlich-rechtlichen Altersversorgungseinrichtungen auf berufsständischer Ebene für die Freiberufler56 , so änderte sich diese Situation nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend. Seit diesem Zeitpunkt sind nämlich für alle oben genannten verkammerten freien Berufe berufsständische Versorgungswerke auf Landes- bzw. Kammerbezirksebene errichtet worden 57 . So sind die Berufsgruppen der Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte innerhalb des Bundesgebietes heute lückenlos in berufsständischen VersorgungswerZu den gesetzlichen Grundlagen siehe unter A, 2. Kap., III. Deneke, Zur Alters- und Hinterbliebenenvorsorge in den freien Berufen, in: Der Mensch im sozio-ökonomischen Prozeß, S. 325ff. (331). 51 Zu den Aufgaben der Kammern allgemein: Brohm, Selbstverwaltung in Wirtschafts- und berufsständischen Kammern, in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, S. 777ff. (781ff.). 52 Deneke (Fn. 50), S. 325ff. (332). 53 Deneke (Fn. 50), S. 325ff. (332); Hahn (Fn. 17), S. 40; Ruland, NJW 1982, S. 1847ff. (1848). 54 Schmitt-Lermann, Hundert Jahre Bayerische Versicherungskammer, S. 37, ausführlich zur Bayerischen Ärzteversorgung siehe S. 375 ff. 55 Hahn (Fn. 17), S. 107. 56 Abgesehen von der Notarkasse München, siehe dazu im 2. Kap., III 3 b. 57 Siehe die Übersicht im Anhang. 49

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1. Kap.: Die historische Entwicklung

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ken zu eigenständigen Versichertengemeinschaften zusammengeschlossen 58. Anders ist die Situation hingegen z. B. noch für die Berufsgruppe der Rechtsanwälte, für die zunächst über lange Zeit nur im Saarland ein Versorgungswerk bestand 59 • Seit 1983 ist jedoch mit der Errichtung des Niedersächsischen Versorgungswerkes der Rechtsanwälte 60 eine Entwicklung eingeleitet worden, die mittlerweile in weiteren Bundesländern zur Gründung von Versorgungswerken für Rechtsanwälte geführt hat 61 . 5B Kirchhoff, in: Festschrift zur 150-Jahr-Feier des Rechtsanwaltsvereins Hannover e.V., S. 167ff. (169). 59 Siehe Rechtsanwaltsordnung des Saarlandes vom 2. 5. 1955 in Saarl. AmtsBl. 1955, S. 641. 60 Siehe das Gesetz über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte vom 14. 3. 1982 in Nds. GVBl. 1982 S. 65; die Satzung ist am 30. 11. 1983 in Kraft getreten (s. § 43 der Satzung), die Beitragspflicht hat mit Wirkung zum 1. 1. 1984 begonnen; zum Versorgungswerk siehe Heinemann, BRAK-Mitt. 1982, S. 94ff sowie Kirchhoff (Fn. 58), S. 167 ff. 61 Versorgungswerke für Rechtsanwälte bestehen inzwischen in Bayern (1984), Baden-Württemberg (1985), Nordrhein-Westfalen (1985), Rheinland-Pfalz (1985) und Schieswig-Hoistein (1985); zu den jeweiligen Rechtsgrundlagen siehe im Anhang. Neben diesen, den gesamten Berufsstand innerhalb des jeweiligen Tätigkeitsbereiches umfassenden öffentlich-rechtlich organisierten Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen gibt es noch besondere öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtungen für Kassen(zahn)ärzte, die wegen der nur partiellen Erfassung von Berufsstandsangehörigen (nicht einbezogen sind niedergelassene Nicht-Kassen(zahn)ärzte sowie angestellte (Zahn)Ärzte) nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. Träger dieser Versorgungseinrichtungen sind die kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, welche die Versorgung im Wege der "Erweiterten Honorarverteilung" betreiben. Das bedeutet, daß die Versorgungsleistungen an ehemalige Kassenärzte bzw. Hinterbliebene aus der Gesamtvergütung abgezweigt werden, die von den Krankenkassen an die kassenärztlichen Vereinigungen zur Verteilung unter die Kassenärzte entrichtet wird (siehe Hahn [Fn. 17], S. 103; zur rechtlichen Zulässigkeit dieser Versorgungs einrichtungen s. Klass, Die Honorarverteilung durch kassenärztliche Vereinigungen, S. 45ff.; Hahn [Fn. 17], S. 101ff). Derzeit bestehen besondere Versorgungseinrichtungen für Kassen(zahn)ärzte in Hamburg: Erweiterte Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (zwischen dieser Versorgungseinrichtung und dem zum 1. 1. 1971 gegründeten Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg wurde eine Vereinbarung hinsichtlich der" Überleitung" ihrer Mitglieder auf das umfassendere Versorgungswerk der Ärztekammer getroffen, siehe dazu Behrendt, Hamb. ArzteBl. 1981, S. 234ff. (234)); Hessen: Erweiterte Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (die Versorgungseinrichtung besteht neben dem Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen (gegründet 1968), in dessen Präambel zur Satzung festgelegt ist, daß die Erweiterte Honorarverteilung durch das Versorgungswerk nicht gefährdet werden darf; zur Verfassungsmäßigkeit dieses Versorgungswerks, insbesondere auch unter dem Aspekt des Bestehens der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, siehe Bettermann, Rechtsgutachten); Schleswig-Holstein: Erweiterte Honorarverteilung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (die Versorgungseinrichtung besteht auch nach Errichtung des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein fort (gegründet 1967), schriftliche Auskunft der Kassenzahnärztlichen Vereinigung SchleswigHolstein an den Verfasser vom 4. 9. 1984). Ebenfalls nicht Gegenstand dieser Arbeit ist die Pensionsanstalt für die Rechtsanwälte Bayerns, die zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine öffentlich-rechtlich organisierte Versorgungseinrichtung eines verkammerten freien Berufes ist, jedoch im Gegensatz zu den hier zu behandelnden Einrichtungen nur eine freiwillige Mit-

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung 3. Gründe für die Errichtung der berrufsständischen Versorgungswerke

a) Die Altersvorsorge der Freiberufler bis zum Ersten Weltkrieg Während die durch die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert hervorgerufenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen für die lohnabhängige Industriearbeiterschaft eine Selbstvorsorge für die Risiken Krankheit, Alter und Tod unmöglich machte 62 , was dann - vorgezeichnet durch die kaiserliche Botschaft von 1881 - zur Absicherung der wichtigsten Risiken durch Errichtung der gesetzlichen Krankenversicherung (1883)63, Unfallversicherung (1884)64 sowie Invaliditäts- und Alterssicherung (1889)65 führte, konnten und wollten demgegenüber die Freiberufler trotz der eingetretenen Veränderungen ihre Altersvorsorge in eigener Verantwortung betreiben66 . Bis zum Ersten Weltkrieg war die Altersversorgung der freien Berufe kein Problem 67 . Die Ursachen dafür lagen in den zu dieser Zeit bestehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen der freien Berufe, welche zu einer besseren sozialen Lage als derjenigen der Arbeiter führten 68 : zum einen kamen die Freiberufler aus dem Besitzbürgerturn, was in der Regel Sicherheit durch Grundbesitz, Rendite aus Häusern sowie anderen Kapitalanlagen bedeutete69 ; die Zahl der Berufsangehörigen war verhältnismäßig klein, so daß der Konkurrenzkampf untereinander nicht gravierend war 70 ; schließlich trugen eine günstige Wirtschaftsentwicklung für die freien Berufe sowie die Stabilität des Geldwertes mit dazu bei, daß als Vorsorge für das Alter Vermögen angesammelt oder eine Privatversicherung abgeschlossen werden konnte 71 , die Alterssicherung mithin durch individuelle Vermögensbildung möglich war 72 . gliedschaft kennt (siehe dazu ausführlich Ostler / Geigel, 175 Jahre Pensionsanstalt für die Rechtsanwälte Bayerns). Außerhalb der Betrachtung bleibt auch die Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister (eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, siehe § 34 II SchfG), da die Bezirksschornsteinfegermeister ein Gewerbe ausüben (siehe § 3 II SchfG). 62 Fürstenberg (Fn. 25), S. 15f. 63 RGBl. 1883 S. 73. 64 RGBl. 1884 S. 69. 65 RGBl. 1889 S. 97. 66 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 389; Krekeler (Fn. 6), S. 26f.; Wolf, Alterssicherung der Selbständigen, S. 7f. 67 Deneke, Die freien Berufe, S. 303. 68 Tsiknakis, Die Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenvorsorge der freien Berufe nach dem deutschen, österreichischen und schweizerischen Recht, S. 15. 69 Fürstenberg (Fn. 25), S. 30; Achinger, Zur Neuordnung der sozialen Hilfe, S. 47. 70 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 389.

1. Kap.: Die historische Entwicklung

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b) Die veränderte Situation nach dem Ersten Weltkrieg Diese trotz der gesellschaftlichen Umwälzungen für die freien Berufe erhalten gebliebene Möglichkeit der selbstverantwortlichen Altersvorsorge änderte sich grundlegend durch die Folgen der beiden Weltkriege sowie veränderter beruflicher und soziologischer Bedingungen. (1) Vermögensverlust Insbesondere durch die auf den Ersten Weltkrieg folgende Inflation, deren Ursachen in der Kreditfinanzierung des Reiches während des Krieges sowie der Finanzierung der Reparationen lagen und die erst 1923 durch die Rentenmark stabilisiert werden konnte 73 , gingen die Angehörigen der freien Berufe als Sparer und privat Lebensversicherte ihres Vermögens und damit der aufgebauten Altersvorsorge zum ersten Mal verlustig 74 . Eine solche Vermögensvernichtung traf die Freiberufler ein zweites Mal durch die infolge Preisstopps und Rationierung während des Zweiten Weltkrieges nach dessen Beendigung entstandene Inflation, die erst mit der Währungsreform 1948 überwunden wurde 75 • Durch das im Zuge der Währungsreform erlassene Umstellungsgesetz (UmstG)76 wurden zwar gemäß § 23 UmstG die Leistungen der Sozialversicherung im Verhältnis 1: 1, hingegen die Ansprüche aus Versicherungen außerhalb der Sozialversicherung und damit unter anderem auch der privaten Lebensversicherung gemäß der Vorschrift des § 24 I UmstG nur im Verhältnis 1: 10 umgestellt. Ebenso wurden auch die Altgeldguthaben, das waren gemäß § 1 I 1 UmstG alle Reichsmarkguthaben bei Geldinstituten im Währungsgebiet, gemäß § 2 I UmstG nur im Verhältnis 1: 10 umgestellt. Das bedeutete aber gerade für die durch Sparen und Inanspruchnahme der privaten Lebensversicherung für ihr Alter vorsorgenden freien Berufe den Verlust der mit den Vermögensrücklagen erwarteten Kaufkraft 77 .

Hahn (Fn. 17), S. 38. Schäfer, DVZ 1958, S. 269ff. (270). 73 Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 12, S. 579. 74 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 389; Krekeler (Fn. 6), S. 27; Schardt, Die Krankheits-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung der freien Berufe im Vergleich zu der der anderen Selbständigen sowie der Arbeitnehmer im privaten und öffentlichen Dienst, S.l1. 75 Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 12, S. 579. 76 Vom 21. 6. 1948, Amtsblatt der Militärregierung des Britischen Kontrollgebietes Nr. 25, S. 862. 77 Guderjahn, Die Frage des sozialen Versicherungsschutzes für selbständig Erwerbstätige vom Entstehen der deutschen Sozialversicherung bis zur Gegenwart, S.165. 71

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Nicht nur die beiden Inflationen betrafen das Besitzbürgerturn und damit die Freiberufler, sondern auch eine veränderte Situation des Grundstücksmarktes als Kapitalanlage 78 , so daß die für diese Bevölkerungsgruppe herkömmliche individuelle Altersvorsorge durch Grundbesitz, Kapitalanlage und private Lebensversicherung nicht mehr zu gewährleisten war79 . Hatte somit das Vermögen als maßgebende Grundlage der Altersversorgung für die freien Berufe seine Bedeutung verloren, so war damit für diesen Personenkreis, wie schon für die Arbeitnehmer vor dem Ersten Weltkrieg, die Arbeitskraft und das daraus resultierende Einkommen in der Regel zur alleinigen Grundlage der wirtschaftlichen Sicherheit geworden 8o - zugleich auch abhängig von den Lebensrisiken Krankheit, Unfall und Alter8!.

(2) Konkurrenzkampf

Neben diesen einschneidenden wirtschaftlichen Veränderungen waren jedoch für das nach dem Ersten Weltkrieg auftauchende Problem der Altersversorgung der freien Berufe noch andere Faktoren von Bedeutung. So verschärfte sich der Konkurrenzkampf innerhalb der freien Berufe82 , wobei nunmehr auch viele Freiberufler aus dem emanzipierten Kleinbürgertum und der Arbeiterschaft kamen, denen von vornherein jeglicher finanzieller Rückhalt - wie bei den aus dem Besitzbürgerturn kommenden Berufsstandsangehörigen ursprünglich gegeben - fehlte 83 . (3) Minderbewertung der geistigen Arbeit

Des weiteren änderte sich die "Wohlstandsstruktur"84 der freien Berufe durch eine Minderbewertung der geistigen Arbeit, was die Möglichkeit zum Aufbau von Vermögensrückhalt zur Ausnahme machte 85 . Entstanden war diese "Minderbewertung" aus der infolge der immer stärker steigenden Arbeitnehmerquote resultierenden Polarisierung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern 86 , was im Zuge der Industrialisierung zu 78 Achinger (Fn. 69), S. 47. 79 Schäfer, DVZ 1958, S. 269ff. (270).

80 Fürstenberg (Fn. 25), S. 16; Krekeler (Fn. 6), S. 29; v. Hippel, Eike, Grundfragen der sozialen Sicherheit, S. 8. 81 Fürstenberg (Fn. 25), S. 16. 82 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 389. 83 Fürstenberg (Fn. 25), S. 30. 84 Deneke (Fn. 67), S. 305. 85 Deneke (Fn. 67), S. 305; Schäfer, DVZ 1958, S. 269ff. (270). 86 Hahn (Fn. 17), S. 39.

1. Kap.: Die historische Entwicklung

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einem steigenden durchschnittlichen Einkommen der Bevölkerung führte, demgegenüber jedoch die kleineren Selbständigen relativ zurückblieben87 • (4) Steigende Lebenserwartung Schließlich ergab sich als zusätzliches Problem für den Aufbau der Altersversorgung (nicht nur für die Freiberufler) die steigende Lebenserwartung, was eine höhere Sparleistung in der Schaffensperiode für den Zeitraum des Alters erforderlich machte 88 , jedoch von den Selbständigen nicht hinreichend berücksichtigt wurde 89 .

c) Interesse an solidarischer Alterssicherung

Aus dieser Situation heraus entstand bei den freien Berufen, zu deren Mentalität es seit jeher gehört hatte, die Altersversorgung eigenverantwortlich durch individuelle Eigentumsbildung zu betreiben 90 , das Verlangen nach der Sozialversicherung für die Arbeitnehmer vergleichbaren solidarischen Sicherungsformen mit Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenschutz 91 . Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in den Fünfziger und Anfang der Sechziger Jahre - gerade auch unter dem Eindruck der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1957 - im wesentlichen drei verschiedene Möglichkeiten der kollektiven Altersvorsorge diskutiert 92 ; - die Einbeziehung der Freiberufler in die bestehende gesetzliche Rentenversicherung, sei es durch Ausdehnung der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten oder durch die Errichtung besonderer Sozialversicherungssysteme und -träger 93 , die Errichtung autonomer Versicherungseinrichtungen in Anlehnung an die Kammern, der Abschluß von Gruppenabkommen mit vorhandenen Unternehmen der privaten Lebensversicherung.

B7 BB B9

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Wolf (Fn. 66), S. 10. Wolf (Fn. 66), S. 8. Krekeler (Fn. 6), S. 30f. Ruland, NJW 1982, S. 1847ff. (1847); Krekeler (Fn. 6), S. 27. Hahn (Fn. 17), S. 40; siehe auch Wolf (Fn. 66), S. 7/8. Schäfer, DVZ 1959, S. 254ff. (256); Deneke (Fn. 67), S. 307. Wannagat, Sozialer Fortschritt 1955, S. 110ff. (110); Wolf (Fn. 66), S. 12/13.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

(1) Teilnahme an der gesetzlichen Rentenversicherung Die durch die Rentenreform im Jahre 1957 veränderte gesetzliche Rentenversicherung übte aus verschiedenen Gründen auf die nicht erfaßten Selbständigen und Freiberufler eine große Anziehungskraft aus. Zum einen waren die Renten der Sozialversicherung nach dem Krieg wertbeständig geblieben, während gerade die Freiberufler durch den Währungsschnitt große Vermögensverluste und damit auch den Verlust der aufgebauten Altersvorsorge hinnehmen mußten. Des weiteren war mit der Rentenreform die dynamische Rente eingeführt worden. Schließlich leistete der Bund an die gesetzliche Rentenversicherung neben der bestehenden Staatsgarantie einen Zuschuß, der ja nicht zuletzt auch von den Selbständigen (Freiberuflern) über Steuern mit aufgebracht wurde, ohne daß diese jedoch in den Genuß dieser Leistung kommen konnten 94 . So ergab eine Untersuchung des Bundesarbeitsministeriums aus dem Jahre 1958, daß es 56% der Selbständigen in Handel, Gewerbe und den freien Berufen befürworteten, sich in der gesetzlichen Rentenversicherung allein für das Alter absichern zu können, und immerhin noch weitere 20% dieser Gruppe für eine Sockelrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eintraten95 . Wenn diese Untersuchung auch mangels näherer Aufschlüsselung keine genauen Anhaltspunkte hinsichtlich der Bedürfnissituation der Gruppe der hier interessierenden Freiberufler wiedergab, so zeichnete sie doch insoweit auch in bezug auf diese Personengruppe der Selbständigen ein richtiges Bild, als nämlich einige freie Berufe für die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung eintraten. Am deutlichsten geschah dies durch die Anwaltschaft mit einem Gesetzentwurf über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung der rechts- und wirtschaftsberatenden freien Berufe (VGfrB) aus dem Jahre 1959, der von einer Kommission der BRAK und des Deutschen Anwaltsvereins ausgearbeitet worden war (nachdem zwei Gesetzentwürfe aus den Jahren 1952 und 1956 gescheitert waren)96. Nach diesem Gesetzentwurf sollten für die Berufsgruppen der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer, Steuerberater und Helfer in Steuersachen jeweils getrennte Bundesversicherungsanstalten nach dem Vorbild der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichtet werden (§ 17 E). Die Berufsangehörigen unterlagen der Versicherungspflicht (§ 1 E), in § 4 E war für die Berechnung der Renten eine der Angestelltenversicherung entsprechende Rentenformel 94 Wolf (Fn.66), S.8/9; Adler, DVZ 1959, S.256ff. (256); Fischer, DVZ 1959, S. 260ff. (260); Krekeler (Fn. 6), S. 120; Bothe, DVZ 1959, S. 262ff. (263). 95 Noelle u.a., BABl. 1960, S. 481ff. (485f.). 96 Siehe dazu Anwaltsblatt 1959, Sonderheft 1, S. 2ff.

1. Kap.: Die historische Entwicklung

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vorgesehen. Des weiteren sollten die laufenden Renten in gleicher Höhe wie die der Angestelltenversicherung angepaßt werden (§ 9 E). Gemäß der Vorschrift des § 16 I E war eine Bundesgarantie vorgesehen, darüber hinaus sollte der Bund durch einen Zuschuß die Uraltlast (die Berufsangehörigen, die bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres oder bis zur Erwerbsunfähigkeit in dem jeweiligen Beruf zugelassen waren) übernehmen (§ 24 IV E). Begründet wurde dieser Entwurf von der Anwaltschaft mit dem Interesse an einer Sicherung gegen wirtschaftliche und politische Veränderungen großen Ausmaßes, der Erlangung einer dynamisierten Rente sowie der Gewährung eines Staatszuschusses durch den Bund für die freien Berufe97 . Diesem Entwurf der Anwaltschaft, der auch von den Berufsgruppen der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als beispielhaft angesehen wurde 98 , schloß sich der Bundesverband der Zahnärzte durch einen eigenen Gesetzentwurf an, der ebenfalls die Einbeziehung aller Zahnärzte in entsprechender Form in die Sozialversicherung vorsah 99 . (2) Errichtung von berufs ständischen Versorgungswerken

Demgegenüber setzten sich andere Teile der Freiberufler, insbesondere die Ärzteschaft, für die Errichtung autonomer, d.h. vom Staat unabhängiger, Pflichtversicherungseinrichtungen auf berufsständischer Ebene einlOO. So beauftragte der Ärztetag 1949 die Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern, bei der Bundesregierung die Ausarbeitung eines Gesetzes nach dem Vorbild des Bayerischen Ärzteversorgungsgesetzes zu beantragen lOl . Nicht als "Vertragspartner" sollte der Staat an der kollektiven Altersvorsorge der freien Berufe beteiligt sein, sondern vielmehr nur als "Vertragshelfer" , indem er den Berufsständen durch ein Rahmengesetz die organisatorischen Möglichkeiten zur Schaffung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zur Verfügung stellte l02 . Über eine solche Organisationshilfe hinaus wurden in Anbetracht des für die gesetzliche Rentenversicherung bestehenden Staatszuschusses und der Staatsgarantie diese auch für die zu schaffenden berufsständischen Versorgungswerke aus Gründen der Gleichbehandlung gefordert. Jedoch sollte keine Kopplung mit der Organisationshilfe stattfinden, vielmehr sollte hier zur Wahrung der Unabhängigkeit jeder einzelne Berufsstand für sich entscheiden, ob er zusätzlich Anwaltsblatt 1959, Sonderheft 1, S. 16/17. Grösser in Rheinischer Merkur Nr. 22 vom 29.5.1959, S. 11. 99 Adler, DVZ 1959, S. 256ff. (259); Guderjahn (Fn. 77), S. 224. 100 Hess, DVZ 1954, S. 26 "Aussprache"; Guderjahn (Fn. 77), S. 182. 101 Guderjahn (Fn. 77), S. 187. 102 Deneke (Fn. 67), S. 313; Krekeler (Fn. 6), S. 43/44. 97 98

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

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zur Organisationshilfe die angebotene Staatsgarantie in Anspruch nehmen wollte l03 . (3) Gruppenversicherung

Insbesondere aus Kreisen der Privatversicherungswirtschaft wurden gegen diese Form der kollektiven Alterssicherung vehement Bedenken vorgetragen. Zur Begründung wies man in der Regel darauf hin, daß das Streben der freien Berufe nach kollektiven Zwangsversorgungseinrichtungen, verbunden mit staatlicher Sicherheit, Staatszuschüssen und einer Staatsgarantie, mit der Verwirklichung einer freiheitlichen Marktwirtschaft im sozialen Rechtsstaat unvereinbar seil 04 und auch nicht dem Wesen des freien Berufes entspreche l05 . Gegen eine Beteiligung an der gesetzlichen Rentenversicherung wurde ins Feld geführt, daß diese eine erhöhte Abhängigkeit der Berufsangehörigen von Masseneinflüssen und damit eine Freiheitsbeschränkung zur Folge haben würde l06 . Hinsichtlich der berufs ständischen Versicherungseinrichtungen wurde es als problematisch angesehen, ob diese das "Gesetz der großen Zahl" würden einhalten können sowie auf die Gefahr hingewiesen, von "Versicherungsamateuren" geleitet zu werden l07 . Außerdem wurde bestritten, daß es sich bei der Vorsorge für das Alter um eine zum Aufgabenbereich der Kammern zu rechnende Problematik handeln würdelOS. Stattdessen wurde für eine Altersvorsorge in Form von Gruppenabkommen mit der privaten Lebensversicherungswirtschaft plädiert, was den Vorteil haben sollte, daß dadurch bereits vorhandene Versicherungseinrichtungen den freien Berufen dienstbar gemacht werden könnten l09 . So wurden in der Lebensversicherungswirtschaft verschiedene Pläne ausgearbeitet, die eine Alterssicherung der freien Berufe durch Gruppenzwangsversicherung vorsahen llO (z.B. C-D-G-K-Plan von 1954, Plan der Allianz-Lebensversicherungs AG)111.

Deneke (Fn. 67), S. 315. Adler, DVZ 1959, S. 256ff. (256). 105 Schäfer, DVZ 1958, S. 269ff. (270). 106 Schäfer, DVZ 1958, S. 269ff. (270). 107 Schäfer, DVZ 1959, S. 254ff. (255). 108 Grösser in Rheinischer Merkur Nr. 22 vom 29. 5. 1959, S. 11. 109 Schäfer, DVZ 1959, S. 254ff. (255). 110 Bothe, DVZ 1959, S. 262 ff. (266); Adler, DVZ 1959, S. 256ff. (259); Fischer, DVZ 1959, S. 260ff. (262). 111 Dazu ausführlich Krekeler (Fn. 6), S. 114ff. 103 104

1. Kap.: Die historische Entwicklung

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d) Entscheidung für die berufsständische Versorgung

nach dem Zweiten Weltkrieg

Trotz dieser ausführlich geführten Auseinandersetzung über den "richtigen Weg" einer kollektiven Altersvorsorge für die Angehörigen der verkammerten freien Berufe kam es nicht zu einer einheitlichen Lösung dieser Frage in dem Sinne, daß man sich nun von Seiten der Freiberufler für eine der dargestellten Möglichkeiten grundsätzlich entschied. Gegenüber den Angeboten der Lebensversicherungsgesellschaften bestanden insbesondere psychologische Hemmnisse, die aus den Erfahrungen, welche die Freiberufler infolge der vergangenen Krisen als Versicherungsnehmer gemacht hatten, herrührten 112 . So gelang es den Lebensversicherungen nicht, Träger für obligatorische Versorgungswerke der freien Berufe zu werden, vielmehr spielten diese nur im Rahmen von Zusatzversicherungen eine Rolle 1l3 . Auf der anderen Seite kam es auch nicht zu einer bundesgesetzlichen Lösung dieses Problems (wie bei den Landwirten und Handwerkern), sei es im Wege einer Ausdehnung der bestehenden Sozialversicherung oder einer Rahmengesetzgebung zur Errichtung berufsständischer Versorgungswerke. Dafür war im wesentlichen maßgebend, daß innerhalb der CDU/CSU als damaligem Hauptträger politischer Macht eine liberale Ideologie bestimmend war, was einer Einbeziehung der nicht erfaßten Selbständigen in den sozialen Versicherungsschutz entgegenstand. Hinzu kamen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern in bezug auf eine Regelung für die freien Berufe. Schließlich trug auch die Zerstrittenheit zwischen den einzelnen Selbständigengruppen 1l4 über den richtigen Weg der Altersvorsorge nicht zu einer generellen Lösung ll5 bei. So entstanden, beginnend in den Fünfziger Jahren, neue, zumeist den Kammern eingegliederte, öffentlich-rechtlich organisierte berufsständische Versorgungswerke. Betrachtet man diese Entwicklung, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer vermehrten Gründung von berufsständischen Versorgungseinrichtungen geführt hat, so spielte, wie oben dargestellt, die Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung insbesondere nach der Rentenreform 1957 in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Läßt sich auch nicht für alle Gruppen der Freiberufler sagen, daß sie eine Einbeziehung von Gesetzes wegen in die gesetzliche Rentenversicherung 112 113 114 115

Fürstenberg (Fn. 25), S. 55. Guderjahn (Fn. 77), S. 229. "Streit lähmt Entschlußkraft", siehe Schäfer, DVZ 1958, S. 269 ff. (270). Guderjahn (Fn. 77), S. 250f.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

befürwortet hätten, so trifft für einen Teil auf jeden Fall zu, daß die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung von einer "verachteten Pflicht" vor dem Ersten Weltkrieg spätestens zu dieser Zeit (nach den Erfahrungen der vergangenen Krisen) zu einem "begehrten Recht" wurde 1l6 . Insbesondere die mit der dynamischen Rente entstandene Attraktivität der gesetzlichen Rentenversicherung ließ die vormals bestehenden Bedenken gegen eine Einbeziehung zurücktreten 1l7 . Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wurde sogar die Ansicht vertreten, daß die Rentenversicherungspflicht auf alle Erwerbstätigen, mithin auch die Freiberufler, ausgedehnt werden müßte, da diese Pflicht wegen des Staats zuschusses eigentlich mehr ein "Recht" sei, welches bisher nur einem. bestimmten Teil der Bevölkerung zugute komme 1l8 . Generell hatte sich jedoch, und das kann für alle im Rahmen dieser Arbeit angesprochenen Gruppen der Freiberufler gesagt werden, unter dem Eindruck der Währungskatastrophen und allgemeinen Kriegsfolgen bei den Angehörigen der freien Berufe in bezltg auf die Alterssicherung eine Entwicklung vollzogen, die sie in dem Wunsch nach einer soliden Alterssicherung (und zwar mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung) von der individuellen Vorsorge zu einer solidarischen Pflichtvorsorge hinführte. Mithin erwies sich die Erfahrung der Unzulänglichkeit einer individuellen Vorsorge als letztlich treibende Kraft zur Errichtung der berufsständischen Versorgungswerke, zumal auch seit der Rentenreform 1957 die Möglichkeit der freiwilligen Selbstversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit der Teilnahme an einer kollektiven Sicherungseinrichtung mit staatlicher Beteiligung weggefallen war. Gerade hier war jedoch auch seit dem Ersten Weltkrieg eine Steigerung der freiwillig Versicherten festgestellt worden 119 , und zwar auch unter den Angehörigen der freien Berufe. e) Entscheidung für die berufsständische Versorgung heute

Die Errichtung berufsständischer Versorgungseinrichtungen aus dem Wunsch der Freiberufler nach solidarischer Altersvorsorge heraus fand jedoch auch in dem Moment nicht ihren Abschluß, als es mit der Rentenreform im Jahre 1972 den Freiberuflern ermöglicht wurde, sich in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern.

116 117 118 119

Wolf (Fn. 66), S. 9. Ruland, NJW 1982, S. 1847 ff. (1847). Schreiber, ZSR 1956, S. 263. Fürstenberg (Fn. 25), S. 16.

1. Kap.: Die historische Entwicklung

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Die sogenannte "Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung" durch das Rentenreformgesetz 120 brachte für die Freiberufler zwei Möglichkeiten der Teilnahme: zum einen die Pflichtversicherung kraft Antrags gemäß der Vorschrift des § 2 I Nr. 11 AVG, wonach jeder Selbständige innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die Versicherung beantragen kann, zum anderen die freiwillige Versicherung gemäß § 10 AVG. Trotz der damit seit 1972 für die nicht versicherten Angehörigen der freien Berufe bestehenden Alternative zwischen dem Beitritt zur gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und einer auf den jeweiligen Berufsstand beschränkten berufsständischen Sicherung andererseits wurden und werden weiterhin öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen errichtetl 21 bzw. bisher nicht gesicherte Freiberufler an bereits in anderen Bundesländern bestehende Einrichtungen des betreffenden Berufsstandes angeschlossen 122. Die Gründe für diesen Tatbestand sind nicht mehr allein nur darin zu sehen, daß auch die Freiberufler nach einer solidarischen Alterssicherung verlangen, diese Möglichkeit würde ja gerade auch in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen 123 . Vielmehr ist ein entscheidender Aspekt für die Wahl der berufs ständischen Pflichtversorgung hinzugekommen: die im Hinblick auf die heutige Situation und die ungewisse zukünftige Entwicklung Vom 16. 10. 1972, BGBl. 1972 I S. 1965. Siehe die jüngsten Neugründungen von Versorgungswerken für Rechtsanwälte, dazu Nachweise oben, Fn. 60 und 61 sowie im Anhang. Gerade im Bereich der Rechtsanwaltschaft ist die Frage der Errichtung von berufsständischen Versorgungswerken im gesamten Bundesgebiet von großer Aktualität, nicht zuletzt auch hervorgerufen durch die Empfehlung des Vorstandes des Deutschen Anwaltsvereins vom 11. 5. 1983, die Bestrebungen zur Errichtung von Versorgungswerken zu unterstützen (siehe Anwaltsblatt 1983, S.256f.). Die Berliner Rechtsanwaltschaft hat in einer zwischen dem 15. und 30. 5. 1984 durchgeführten Urabstimmung über die Einführung eines Versorgungswerkes (dazu ausführlich Berliner Anwaltsblatt 1984, S. 107ff.) die Errichtung eines solchen abgelehnt, siehe das Ergebnis der Abstimmung in Berliner Anwaltsblatt 1984, S. 188. Ebenfalls gegen die Errichtung eines Versorgungswerkes hat sich die Bremer Rechtsanwaltschaft ausgesprochen, siehe Simon, Anwaltsblatt 1985, S. 456ff. (456). 122 Siehe z.B. das Gesetz zum Abkommen zwischen dem Land Niedersachsen und der Freien und Hansestadt Hamburg über die Altersversorgung der Hamburgischen Apotheker vom 21. 12. 1983 sowie das Abkommen vom 7.11. 1983, in Kraft getreten zum 1. 1. 1984 in Hamb. GVBl. 1983 S. 347 = Nds. GVBl. 1984 S. 23; zuletzt sind die Bremer Architekten durch Anschlußsatzung an das Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen angeschlossen worden (beschlossen durch die Vertreterversammlung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 8.3.1984 und die Mitgliederversammlung der Architektenkammer Bremen vom 23.5.1984, siehe DAB 1984, H. 7 - 8, Beilage NW, S. 221). 123 Allerdings ist nicht zu übersehen, daß insbesondere innerhalb der Rechtsanwaltschaft die Bestrebungen zur Errichtung von Versorgungswerken unter dem Gesichtspunkt befürwortet werden, wegen der mit der rapide steigenden Zahl von Berufsanfängern verschlechterten Einkommensaussichten auf jeden Fall eine angemessene Altersversorgung sicherzustellen, siehe Becker, Berliner Anwaltsblatt 1984, S. 108ff. (110f.). 120 121

4 Boecken

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

der gesetzlichen Rentenversicherung erwachsene Sorge der noch nicht solidarisch gesicherten Freiberufler, im Falle einer Erweiterung der gesetzlichen Rentenversicherung in diese einbezogen zu werden. Tendenzen einer generellen Einbeziehung der Selbständigen und damit auch der Freiberufler in die gesetzliche Rentenversicherung sind unter zwei Gesichtspunkten laut geworden: zum einen wurde und wird die Einbeziehung der noch nicht in irgendeiner Form gesetzlich gesicherten Selbständigen deshalb befürwortet, um auch diesem bisher nicht pflichtversicherten Personenkreis, von dem auch heute noch viele bei wirtschaftlichen Rückschlägen im Alter oftmals ungesichert dastehen, eine Alterssicherung zu verschaffen 124 , zum anderen wird eine Einbeziehung der Freiberufler in die gesetzliche Rentenversicherung unter dem Aspekt erwogen, durch eine Ausweitung des Versicherungszwangs die auf die gesetzliche Rentenversicherung zukommenden Probleme im Sinne eines Lastenausgleichs und einer größeren Gerechtigkeit auf einen umfassenderen Personenkreis zu verteilen 125 • Gerade die auf die gesetzliche Rentenversicherung zukommenden Probleme (insbesondere die durch den in Zukunft steigenden Alterslastquotienten für die gesetzliche Rentenversicherung entstehenden finanziellen Schwierigkeiten 126 : im Falle der Beibehaltung des heutigen Leistungsniveaus unter Zugrundelegung der Heirats- und Geburtenhäufigkeit des Jahres 1977 müßten im Jahre 2035 über 35% des Bruttoeinkommens als Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung geleistet werden 127 ) fördern unter den Freiberuflern die Bildung berufs ständischer Versorgungswerke, davon ausgehend, daß die Einbeziehung schon bestehender Solidargemeinschaften in die gesetzliche Rentenversicherung durch Auflösung derselben sozialpolitisch und verfassungsrechtlich weitaus problematischer sein würde als die Ausdehnung der Pflichtversicherung auf noch nicht "organisierte" Freiberufler128 . Denn gerade im Verhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung erweist sich zur Zeit die Pflichtversicherung in einem berufsständischen Versorgungswerk als attraktiver, da die versicherten Risiken unter anderem 124 Sozialbeirat, Langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 69, Ziff. 178; Ehrenberg / Fuchs, Sozialstaat und Freiheit, S. 59; Theile, DVBl. 1971, S. 390ff.; Becker, Berliner Anwaltsblatt 1984, S. 108ff. 125 Ruland, SGb. 1981, S. 391ff. (394); ders., NJW 1982, S. 1847ff. (1848); Grohmann, DRV 1981, S. 265ff. (287); Heinemann, BRAK-Mitt. 1982, S. 94ff. (95); Plagemann, VW 1982, S. 170ff. (175/176); siehe auch Ruf, Alterssicherung, S. 67. 126 Dazu besonders Schmähl, DAngVers 1983, S. 53ff., mit Lösungsvorschlägen. 127 Schmähl, DAngVers 1983, S. 53ff. (58/59); Sozialbeirat (Fn. 124), Bd. 1, S. 10, Ziff. 17; Grohmann, DRV 1981, S.265ff. (271f.); ders., in: Sozialbeirat (Fn.124), Bd. 2, S. 1ff. (25). 128 Ruland, NJW 1982, S. 1847ff. (1848); Kirchhoff (Fn. 57), S. 167ff. (171).

1. Kap.: Die historische Entwicklung

51

wegen der homogeneren Gruppenstruktur geringer sind und damit das Verhältnis Beiträge/Leistungen weitaus besser ist1 29 . Darüber hinaus spielt für diese Entwicklung eine Rolle, daß die gesetzliche Rentenversicherung als große Solidargemeinschaft nicht in der Weise auf die besondere Risikostruktur der Freiberufler eingehen kann, wie dies einem berufsständischen Versorgungswerk möglich ist, zum Beispiel bei der Frage des Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit1 3o • Zwar hatte anfangs nach der "Öffnung" der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1972 zumindest ein kleiner Teil der Selbständigen von der neu geschaffenen Möglichkeit der Teilnahme an der gesetzlichen Rentenversicherung Gebrauch gemacht1 31 (unter anderem wegen der Anrechnung und günstigen Bewertung beitragsloser Zeiten bei einer Pflichtversicherung kraft Antrags, bei der freiwilligen Versicherung wegen der entgegenkommenden Regelung über die Beitragsgestaltung sowie, auf beide Versicherungsarten bezogen, die damit verbundene Rentendynamik und die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen 132 ), jedoch wurden diese für die Freiberufler attraktiven und für den Beitritt zur gesetzlichen Rentenversicherung maßgeblichen Vorzüge bereits durch das 20. RAG133 und 21. RAG134 in zum Teil erheblicher Weise zum Nachteil geändert1 35 . Zusammenfassend läßt sich sagen, daß, um in dem oben gebrauchten Bild zu bleiben, die Teilnahme an der gesetzlichen Rentenversicherung für die Freiberufler von der ehemals verachteten Pflicht über ein zwischenzeitlich (zumindest teilweise) begehrtes Recht zu einer heute "befürchteten" Pflicht geworden ist. Gerade die Diskussion um eine nicht gewollte Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung ist ein mithin, neben dem auch weiterhin bestehenden Bedürfnis nach solidarischer Alterssicherung, tragender Gesichtspunkt für die andauernde Tendenz zur Errichtung von berufsständischen Versorgungswerken geworden.

Heinemann, BRAK-Mitt. 1982, S. 94ff. (95); Kirchhoff (Fn. 57), S. 167ff. (174). Ruland, NJW 1982, S. 1847 ff. (1848/1852). 131 v. Maydell, SdDSGV Bd. XVII, S. 24ff. (33); siehe speziell für Rechtsanwälte Heinemann, BRAK-Mitt. 1982, S. 94ff. (95). 132 Siehe im einzelnen Philipp, BB 1977, S. 166lff. (1662/1663). 133 BGBL 1977 I S. 1040. 134 BGBL 1978 I S. 1089. 135 Philipp, BB 1977, S.166lff.; v. Maydell, SdDSGV Bd. XVII, S.24ff. (33); v. Maydell, DAngVers 1978, S. 345ff.; zur Zulässigkeit der Begrenzung der Bewertung von Ausbildungsausfallzeiten bei Renten und Rentenanwartschaften durch das 20. RAG siehe BVerfGE Bd. 58, S. 81ff.; zur Verfassungsmäßigkeit des 20. RAG siehe auch Koppers, Die Rechtsprobleme bei der Altersvorsorge selbständig Erwerbstätiger in der gesetzlichen Rentenversicherung, S. 110ff. 129

130

4"

Zweites Kapitel

Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen I. Die verwaltungsrechtliche Organisation der berufsständischen Versorgungswerke

Ordnet man die bestehenden Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen unter verwaltungsrechtlichen Organisationsgesichtspunkten ein, so lassen sich - bezogen auf das Kriterium der Rechtsfähigkeit, das heißt, selbst Zuordnungssubjekt von Rechtsnormen und damit Träger von Rechten und Pflichten sein zu können 1 - drei Organisationsformen unterscheiden: - rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts, - teilrechtsfähige Verwaltungseinheiten und - nichtrechtsfähige Anstalten. Als rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts sind die berufsständischen Versorgungswerke rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten im Bereich der sogenannten mittelbaren Staatsverwaltung, das heißt, der Staat nimmt die Verwaltung nicht unmittelbar durch eigene Behörden wahr (unmittelbare Staatsverwaltung), sondern durch ausgegliederte selbständige Verwaltungsträger2 . Demgegenüber sind die nichtrechtsfähigen Versorgungswerke als unselbständige Kammereinrichtungen 3 nicht als solche, sondern nur als Teil der Kammern, die selbst wiederum als juristische Personen in der Form der Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind4, der mittelbaren Staatsverwaltung zuzurechnen. Im Verhältnis zu den Kammern selbst sind sie, unter Fortführung dieser Begrifflichkeit, als unmittelbare Körperschaftsverwaltung anzusehen 5. Das Versorgungswerk als teilrechtsfähige Verwaltungseinheit schließlich ist insoweit. als es Träger von Rechten und Pflichten sein kann, selbständiMaurer, Allg. VerwR, § 21, Rdn. 4; Wolff / Bachof, VerwR I, § 32 III b. Maurer, Allg. VerwR, § 21, Rdn. 12; Rudolf, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 5611 1. 3 Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkamrnerten freien Berufe, S.57. 4 Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 69. 5 Hahn (Fn. 3), S. 58. 1

2.

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

53

ger Verwaltungsträger 6 und demgemäß in diesem Rahmen selbst als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung einzuordnen. 1. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts

Soweit die berufsständischen Versorgungswerke als juristische Personen des öffentlichen Rechts organisiert sind, lassen sie sich von der Struktur her in Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts unterscheiden.

a) Körperschaften des öffentlichen Rechts (1) Begriff Sechs der insgesamt zur Zeit bestehenden 49 berufsständischen Versicherungs- und Versorgungswerke 7 sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert, und zwar das Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Saarland sowie die Versorgungswerke der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt es sich um rechtsfähige, durch staatlichen Hoheitsakt geschaffene, mitgliedschaftlieh verfaßte Organisationen, die öffentliche Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln unter staatlicher Aufsicht wahrnehmen 8 . Je nach dem Bindungsgrund der Mitglieder wird zwischen Gebiets-, Real-, Personal- oder Verbandskörperschaften unterschieden 9 . Bei den Personalkörperschaften ist insbesondere die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Beruf Mitgliedschaftsvoraussetzung 1o . Bestimmendes Kriterium für die Körperschaft des öffentlichen Rechts sind die Mitglieder als interne Träger dieser Organisationseinheit l l , wobei die Mitgliedschaft zwangsweise oder freiwillig herbeigeführt werden kann 12 , gerade der korporative Zusammenschluß soll eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung ermöglichen 13 • Aus diesem Grunde muß den Mitgliedern als Träger selbst oder einem von diesen gewählten RepräsentationsMaurer, Allg. VerwR, § 21, Rdn. 10. Siehe die Aufzählung im Anhang. 8 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 37; Rudolf, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 5611 2 a. 9 Rudolf, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 5611 2 a. 10 Wolff / Bachof, VerwR 11, § 84 III d 3. 11 Siehe Wolff / Bachof, VerwR 11, § 71 III b l. 12 Rudolf, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 5611 2 a. 13 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 40. 6 7

54

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

organ der bestimmende Einfluß in bezug auf die Körperschaft betreffende Entscheidungen eingeräumt sein l 4, was sich darin äußert, andere Organe wählen und objektives Recht setzen zu können 15 . Die laufende Verwaltung wird von Organen wahrgenommen, die wiederum von den Mitgliedern oder deren Repräsentationsorgan gewählt werden 16 . Rechtsgrundlage der Körperschaft ist ein Gesetz oder sonstiger staatlicher Hoheitsaktl 7, wobei es dem Gesetzgeber obliegt, die wesentlichen Grundzüge der Körperschaft zu bestimmen 18 . Schließlich unterliegt die Körperschaft der Staatsaufsicht, welche zumeist in der Form der Rechtmäßigkeitskontrolle einen Ausgleich für die diesen Organisationseinheiten überlassene eigenverantwortliche Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben darstellt 19 . (2) Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte Niedersachsens

als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Anhand der oben genannten Kriterien soll die körperschaftliche Struktur des Niedersächsischen Versorgungswerkes der Rechtsanwälte als Beispiel dargestellt werden. Formellgesetzliche Grundlage dieses Versorgungswerkes ist das Gesetz über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte (GNVR)20, das insbesondere Regelungen über die Mitgliedschaft, Organe, Pflichten und Leistungen enthält. Gemäß § 1 I S. 1 GNVR handelt es sich bei dem Versorgungswerk um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der in Absatz 11 festgelegten Aufgabe, den Mitgliedern und deren Hinterbliebenen eine Versorgung nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Satzung zu gewähren. Nach der Vorschrift des § 2 I S. 1 GNVR sind Mitglieder des Versorgungswerkes die Rechtsanwälte, die den Rechtsanwaltskammern Braunschweig, Celle und Oldenburg angehören. Damit handelt es sich bei dem Versorgungswerk um eine Personalkörperschaft, unabdingbare Voraussetzung für die Pflichtmitgliedschaft ist die Zugehörigkeit zu den entsprechenden Rechtsanwaltskammern und damit die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes. Die körperschaftliche Struktur des Versorgungswerkes ergibt sich entscheidend aus den Regelungen über die Organe der Einrichtung. Maurer, Alig. VerwR, § 23, Rdn. 40; Wolff / Bachof, VerwR 11, § 71 III b 1. Wolff / Bachof, VerwR 11, § 75 I d 1. 16 Maurer, Alig. VerwR, § 23, Rdn. 40. 17 Zu den denkbaren Hoheitsakten siehe Wolff / Bachof, VerwR 11, § 8411 c 2. 18 Maurer, Alig. VerwR, § 23, Rdn. 38. 19 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 45. 20 Vom 14. 3. 1982, Nds. GVBl. 1982 S. 65. 14

15

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

55

Als Organe sind in § 3 GNVR die Vertreterversammlung sowie der Verwaltungsausschuß vorgesehen. Die Vertreterversammlung besteht, wie in § 4 I GNVR geregelt, aus 30 Mitgliedern des Versorgungswerkes, wobei diese von allen Mitgliedern der Einrichtung durch Briefwahl auf fünf Jahre gewählt werden. Zu den Aufgaben der Vertreterversammlung gehören gemäß § 4 II GNVR der Erlaß und die Änderung der Satzung, die Wahl und Abberufung des Verwaltungsausschusses, die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entlastung des Verwaltungsausschusses, die Festsetzung der Versorgun~sabgabe sowie die Bemessung der Versorgungsleistungen. Damit ist den Mitgliedern als Träger des Niedersächsischen Versorgungswerkes über ein von ihnen gewähltes Repräsentationsorgan der maßgebende Einfluß auf die Körperschaft betreffende Angelegenheiten eingeräumt, insbesondere sind sie durch die Berechtigung zum Erlaß der Satzung in der Lage, objektives Recht zu setzen. Dieser Einfluß setzt sich hinsichtlich der laufenden Geschäfte, die gemäß § 5 III GNVR vom Verwaltungsausschuß wahrgenommen werden, mittelbar fort, da der Verwaltungsausschuß wiederum von der Vertreterversammlung gewählt und abberufen wird (§ 4 II Nr.2 GNVR). Somit ist entsprechend dem körperschaftlichen Gedanken gewährleistet, daß der Wille der Mitglieder durch von diesen unmittelbar und mittelbar bestellte Organe zum Ausdruck kommt. Schließlich unterliegt das Versorgungswerk gemäß § 12 I GNVR als selbständige verwaltungsrechtliche Organisationseinheit der Rechtsaufsicht des Ministers der Justiz. b) Anstalten des öffentlichen Rechts

Insgesamt sechs der heute bestehenden Versorgungseinrichtungen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert. Dies sind im einzelnen die Bayerische Ärzteversorgung, die Bayerische Apothekerversorgung, die Bayerische Architektenversorgung, die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung, die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte sowie die Notarkasse München, welche in § 113 BNotO eine ausdrückliche Regelung gefunden hat. (1) Begriff Unter einer Anstalt des öffentlichen Rechts versteht man eine selbständige, nicht verbandsmäßig organisierte Verwaltungseinheit, die auf der Grundlage der Zusammenfassung sächlicher und persönlicher Mittel zur dauerhaften Verfolgung einer bestimmten öffentlich-rechtlichen Aufgabe, insbesondere zur Erbringung von Leistungen, errichtet wird 21 .

56

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Die rechtsfähige Anstalt muß, ebenso wie die Körperschaft des öffentlichen Rechts, durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes errichtet werden 22 . Kraft der ihr verliehenen Rechtsfähigkeit ist sie als juristische Person selbst Trägerin von Rechten und Pflichten und haftet auch für ihre Verbindlichkeiten 23 . Gleich der Körperschaft des öffentlichen Rechts dient die Anstalt zur Verfolgung eines bestimmten öffentlich-rechtlichen Zweckes bzw. Wahrnehmung einer Aufgabe, die ansonsten dem die Anstalt errichtenden Hoheitsträger obliegen würde 24 . Wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen der Anstalt und der Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die nicht verbandsmäßige Struktur der rechtsfähigen Anstalt, das heißt, diejenigen, denen die Zweckverfolgung zugute kommen soll, stehen nicht in einem Mitgliedschafts-, sondern nur in einem Benutzungsverhältnis zur Anstalt 25 . Das bedeutet, daß die Benutzer nicht Träger der Organisation sind, sie haben im Grundsatz keine Mitwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Verfolgung des Anstaltszweckes durch Bestellung der Organe, das Handeln der letzteren wird ihnen auch nicht rechtlich zugerechnet26 . Die Benutzer sind im Verhältnis zur Anstalt außenstehende Dritte 27 . Ebensowenig wie die Benutzer Mitglieder der Anstalt sind, ist dies der Anstaltsträger, also dasjenige Verwaltungssubjekt, welches die Anstalt errichtet, den Aufgabenbereich der Anstalt bestimmt und die Anstaltsorgane bestellt 28 • Vielmehr handelt es sich bei diesem um einen externen Träger, welcher die Anstalt als von ihm selbständige Organisationseinheit errichtet 29 • Damit fehlt der Anstalt mangels interner Trägerschaft ein sogenanntes Primär- oder Mitgliederorgan, das die Vertreter anderer Organe wählt und auch objektives Recht zu beschließen vermag, jedoch können der externe Träger einer Anstalt oder andere Interessengruppen in einem sogenannten Sekundär- (Repräsentativ-)Organ mit Weisungsbefugnis vertreten sein 3o • Auch den Benutzern können vom Gesetzgeber Mitbestimmungs- und Mitspracherechte eingeräumt werden 3 !. 21 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 46/47; BuH, AHg. VerwR, S. 100; Wolff / Bachof, VerwR II, § 98 I a. 22 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 51. 23 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 49. 24 BuH, Allg. VerwR, S. 100. 25 Rudolf, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 56 II 2 b; Wolff / Bachof, VerwR II, § 98 leI; Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 52. 26 Wolff / Bachof, VerwR II, § 98 leI; Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 52. 27 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 52. 28 Rudolf, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 56 II b. 29 Wolff / Bachof, VerwR II, § 71 IIIb 2; BuH, Allg. VerwR, S. 100. 30 Wolff / Bachof, VerwR II, § 71 IIIb 2 u. § 75 Id 2. 3! Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 52.

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

57

Die Verwaltung der Anstalt kann durch eigene Organe oder im Wege der Organleihe erfolgen, letzteres bedeutet, daß der Anstaltsträger seine Behörde und sein Personal mit der Verwaltung beauftragt3 2 • (2) Die Bayerische Ärzteversorgung als Anstalt des öffentlichen Rechts Im folgenden soll beispielhaft auf die Anstaltsstruktur der Bayerischen Ärzteversorgung eingegangen werden 33 . Formellgesetzliche Rechtsgrundlage der Bayerischen Ärzteversorgung ist das Gesetz über das öffentliche Versicherungswesen (BayVersG)34. Gemäß Art. 1 I Nr. 8 BayVersG besteht bei der Bayerischen Versicherungskammer die Bayerische Ärzteversorgung. Nach Absatz III dieser Vorschrift handelt es sich bei der in Absatz I als Anstalt bezeichneten Ärzteversorgung um eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Damit ist sie Trägerin eigener Rechte und Pflichten, hat ein eigenes Vermögen und haftet auch selbst für etwaige Verbindlichkeiten35 . Träger der Bayerischen Ärzteversorgung ist das Land Bayern, denn dieses hat das Versorgungswerk errichtet36 . Art. 46 BayVersG bestimmt als Aufgabe der Ärzteversorgung, ihren Mitgliedern und deren Hinterbliebenen Versorgung nach Maßgabe der Satzung zu gewähren. Diese Aufgabe dient auch allgemeinen öffentlichen Interessen, da die Ärzte durch das Wissen um eine gesicherte Altersversorgung nicht gezwungen sind, ihre Berufstätigkeit altersmäßig über ein für die Allgemeinheit erträgliches Maß hinaus fortzusetzen 37 . Nach der Vorschrift des Art. 47 I BayVersG sind Mitglieder der Ärzteversorgung alle bestallten, nicht dauernd berufsunfähigen Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte sowie Medizinalassistenten und Veterinärpraktikanten, die Deutsche iSd Art. 116 des Grundgesetzes und im Freistaat Bayern beruflich tätig sind. Auch wenn im Rahmen der Aufgabenbeschreibung und" der Regelung der Versicherungspflicht vom Gesetz der Ausdruck "Mitglieder" verwandt wird, so kann daraus nicht auf eine verbandsrechtliche Struktur geschlossen werden 38 , vielmehr ist davon auszugehen, daß dieser Begriff hier nicht in einem verwaltungsrechtlich-technischen Sinn gebraucht wird 39 . Rudolf, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 56 II 2 b. Siehe dazu und zur Struktur der übrigen Anstalten ausführlich Hahn (Fn. 3), S. 59ff. 34 Vom 7.12.1933, Bay. BS I S. 242ff. 35 Schmitt-Lermann, Hundert Jahre Bayerische Versicherungskammer, S. 64. 36 Hahn (Fn. 3), S. 65. 37 BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (369). 3B Hahn (Fn. 3), S. 155. 39 Vgl. Schmitt-Lermann (Fn. 35), S. 64ff., zur Verwendung des Begriffs "Körperschaft des öffentlichen Rechts" im BayVersG. 32 33

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

58

Gemäß § 2 I der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung sind ihre Organe der Landesausschuß, der Verwaltungsausschuß sowie die Bayerische Versicherungskammer. Der Bayerischen Versicherungskammer, bei der es sich um eine dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar unterstellte Zentralbehörde handelt4o , obliegt nach Art. 2 I BayVersG die Verwaltung sowie die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Ärzteversorgung41 . Darüber hinaus erläßt und ändert der Präsident der Versicherungskammer gemäß Art. 9 11, Art. 5 I Nr. 1 BayVersG nach Anhörung des Landesausschusses und mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde (gemäß Art. 8 I das Bayerische Staatsministerium des Innern) die Satzung. Demgemäß ist die Bayerische Versicherungskammer also einmal Behörde des Landes Bayern, zum anderen geliehenes Organ der Bayerischen Ärzteversorgung mit den oben beschriebenen Aufgaben 42 , so daß ihr eine DoppelsteIlung zukommt 43 • Weiteres Organ der Bayerischen Ärzteversorgung ist der Landesausschuß, welcher gemäß Art. 4 I BayVersG der Versicherungskammer bei der Verwaltung der Anstalt zur Seite steht. In § 611 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung sind die Aufgaben des Landesausschusses im einzelnen geregelt, unter anderem auch die Beschlußfassung über Änderungen der Satzung. In Zusammenhang mit den bereits erwähnten Regelungen des Art. 5 I Nr. 1 und 9 11 BayVersG geht diese Kompetenz trotz der weiten Fassung aber nicht über ein Mitwirkungsrecht bei Satzungsänderungen hinaus 44 . Nach Art. 4 11 iVm Art. 48 BayVersG werden die Mitglieder des Landesausschusses durch das Staatsministerium des Innern aus dem Kreis der Anstaltsmitglieder nach Anhören der beteiligten Kreise berufen, wobei gemäß Art. 4 11 S.2 BayVersG das Nähere die Satzung bestimmt. Insoweit regelt § 5 I der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung, daß die Mitglieder des Landesausschusses von den berufsständischen Kammern aus dem Kreis der Mitglieder der Bayerischen Ärzteversorgung vorgeschlagen werden. Als drittes Organ ist in § 8 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung der Verwaltungsausschuß vorgesehen. Gemäß Absatz 11 dieser Vorschrift werden die Mitglieder dieses Gremiums vom Landesausschuß aus dessen Mitte gewählt. Zu den Aufgaben des Verwaltungsausschusses, der gemäß § 9 I der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung ein dem Landesausschuß nachgeordnetes Beschlußorgan ist, gehört im wesentlichen eine vorberatende Tätigkeit hinsichtlich der Aufgaben des Landesausschusses.

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41 42

43 44

Schmitt-Lermann (Fn. 35), S. 59; Bay. VerfGH Bd. 16, S. 32ff. (39). Siehe auch § 2 11 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung. Hahn (Fn. 3), S. 60. Bay. VerfGH Bd. 16, S. 32ff. (39); BVerfGE Bd. 63, S. Hf. (11). Bay. VerfGH Bd. 16, S. 32ff. (38f.).

2. Kap.: Die Organisations struktur und die gesetzlichen Grundlagen

59

Aus der vorstehend beschriebenen Organstruktur ergibt sich die Anstaltlichkeit der Bayerischen Ärzteversorgung 45, wenn auch körperschaftliche Elemente insoweit vorhanden sind, als die Mitglieder des Landes- und Verwaltungsausschusses aus dem Kreis der Mitglieder der Bayerischen Ärzteversorgung kommen 46 . Danach ist festzustellen, daß die Bayerische Ärzteversorgung kein Trägerschaftsorgan, bestehend aus den Versorgungsberechtigten als solchen, hat, welches andere Organe zu seiner Vertretung wählen und die Mitglieder betreffendes autonomes Satzungsrecht setzen könnte, wie es für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts unabdingbare Voraussetzung ist. Hinsichtlich der personellen Besetzung der Versicherungskammer besteht überhaupt kein Einfluß der Anstaltsmitglieder. Die höheren Beamten werden regelmäßig vom Staatsminister des Innern von der allgemeinen inneren Verwaltung in die Versicherungskammer versetzt 47 . Bis zur Stufe des Inspektors werden die Beamten vom Präsidenten der Versicherungskammer ernannt, die Angestellten werden ausnahmslos von diesem eingestellt 48 . Auch hinsichtlich der Besetzung des Landesausschusses ist der Einfluß der versorgungsberechtigten Mitglieder begrenzt. Zwar besteht der Landesausschuß, wie oben dargestellt, aus Mitgliedern der Versorgungsanstalt, jedoch steht das Vorschlagsrecht den berufsständischen Kammern und damit auch Nichtmitgliedern zu, die endgültige Mitgliedschaft in diesem Organ ist so dann von der Berufung durch den Bayerischen Staatsminister des Innern abhängig. Der Verwaltungsausschuß schließlich hat keine unmittelbarere Beziehung zu den Mitgliedern, da er ja aus der Mitte des Landesausschusses gewählt wird. Eine Vergleichbarkeit dieser Organstruktur mit von Mitgliedern autonom ohne äußeren Einfluß gewählten Organen ist nicht mehr gegeben. Zwar wird den Mitgliedern der Bayerischen Ärzteversorgung eine Mitwirkungsbefugnis eingeräumt, diese realisiert sich jedoch lediglich in einem Sekundärorgan, ohne daß dadurch die anstaltliche Struktur rechtlich in Frage gestellt ist 49 .

45 So auch BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (362); Bay. VerfGH Bd. 4, S. 219ff. (239) sowie Bd. 16, S. 32ff. (38). 46 SchmiU-Lermann (Fn. 35), S. 67 f. 47 SchmiU-Lermann (Fn. 35), S. 59. 48 SchmiU-Lermann (Fn. 35), S. 60. 49 Siehe auch BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (362~, das ohne näheres Eingehen auf diese Frage von der Anstaltlichkeit der Bayerischen Arzteversorgung ausgeht.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung 2. Die teilrechtsfähigen Verwaltungseinheiten

Als teilrechtsfähige Verwaltungseinheit ist bis heute nur ein Versorgungswerk organisiert, und zwar die Notarversorgungskasse Koblenz.

a) Begriff Mit dem Begriff der teilrechtsfähigen Verwaltungseinheit wird eine öffentlich-rechtlich begründete Organisation bezeichnet, die, ohne den Status von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu haben, zur Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben gebildet ist und nur in bezug auf einzelne Rechtssätze Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann 50 • Im Gegensatz zur Vollrechtsfähigkeit, worunter die Übertragung eines Gesamtkomplexes von Rechten und Pflichten zu verstehen ist, entsteht die Teilrechtsfähigkeit durch Einzelzuweisungen von Rechten und Pflichten51 . Die beschränkte rechtliche Selbständigkeit kann zum Beispiel nur in vermögensmäßiger Hinsicht und das auch nur gegenüber Dritten gegeben sein52 , so daß dann von einem sogenannten Sondervermögen gesprochen werden kann 53 .

b) Die Notarversorgungskasse Koblenz als teilrechtsfähige Verwaltungseinheit Die Notarversorgungskasse Koblenz ist eine teilrechtsfähige Verwaltungseinheit in der Form des Sondervermögens. Formellgesetzliche Rechtsgrundlage dieser Verwaltungseinheit ist § 1 I des Gesetzes über die Errichtung der Notarversorgungskasse Koblenz (GNVK)54. Nach dieser Vorschrift wird die Notarversorgungskasse als nicht rechtsfähiges Sondervermögen der Notarkammer Koblenz mit der Aufgabe der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Notare in diesem Bezirk errichtet. Träger der Versorgungskasse ist die Notarkammer Koblenz 55 • Gemäß § 1 II GNVK hat eine getrennte Vermögensverwaltung zu erfolgen, danach ist das Sondervermögen von dem übrigen Vermögen der Notarkammer Koblenz, ihren Rechten und Verbindlichkeiten getrennt zu halten. Die 50 Maurer, WissR Bd. 10 (1977), S. 193 ff. (201); Maurer, Allg. VerwR, § 21, Rdn. 10; Wolff / Bachof, VerwR I, § 32 III b 2. 51 Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, S. 5; Bachof, AöR Bd. 83 (1958), S. 208 ff. (264). 52 Maurer, Allg. VerwR, § 21, Rdn. 10, bezogen auf die Deutsche Bundespost; siehe auch Wolff / Bachof, VerwR I, § 32 III b 2. 53 Wittern, Grundriß des Verwaltungsrechts, S. 73. 54 Vom 14. 6. 1962, Rh.-Pf. GVBl. 1962 S. 53. 55 Hahn (Fn. 3), S. 66.

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

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Vorschrift des § 1 III GNVK bestimmt, daß für Verbindlichkeiten der Notarversorgungskasse nur das Sondervermögen haftet, dieses haftet jedoch nicht für sonstige Verbindlichkeiten der Notarkammer. Nach § 8 I GNVK kann die Notarversorgungskasse im Rechtsverkehr unter ihrem Namen handeln, klagen und verklagt werden. Damit ergibt sich aus der in § 1 III GNVK angeordneten selbständigen Haftung des Sondervermögens nach außen und der in § 8 I GNVK geregelten Fähigkeit, gegenüber Dritten im eigenen Namen rechtsgeschäftlich handeln sowie Prozeß-Partei sein zu können, die für die Teilrechtsfähigkeit bestimmende Einzelzuweisung von Rechten und Pflichten 56 • 3. Die nichtrechtsfähigen Anstalten

Die übrigen Versorgungswerke und damit der Großteil sind als nichtrechtsfähige Anstalten, die auch als öffentliche Einrichtungen bezeichnet werden 57 , organisiert. Diese sind von den Kammern kraft gesetzlicher Ermächtigung gebildet worden 58 . a) Begriff

Die sogenannten unselbständigen Anstalten besitzen im Gegensatz zur rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts keine Rechtsfähigkeit 59 . Vielmehr sind sie rechtlich Teil eines anderen Verwaltungsträgers 60 ohne eigene Rechte und Pflichten6 1, stellen mithin nur "interne Ausgliederungen innerhalb ihres Muttergemeinwesens" dar 62 . Im Außenverhältnis steht ihnen im Unterschied zu den unter 2. beschriebenen teilrechtsfähigen Sondervermögen auch kein eigenständiges Vermögen zu, jedoch ist ihnen im Innenverhältnis gegenüber dem jeweiligen Verwaltungsträger ein Sondervermögen mit eigenem Wirtschaftsplan und eigener Buchführung zugeordnet 63 •

56 So Wolff / Bachof, VerwR I, § 32 III b 2, hinsichtlich der vergleichbaren Regelungen der §§ 3, 4 PostVerwG für die Deutsche Bundespost. 57 Wolff / Bachof, VerwR II, § 98 II b 3. 58 Hahn (Fn. 3), S. 56. 59 BVerwGE Bd. 32, S. 299ff. (302). 60 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 48. 61 Wolff / Bachof, VerwR II, § 98 II b 3. 62 Weber, W., Die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, S.17. 63 Wolff / Bachof, VerwR II, § 98 II b 3.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

b) Das Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg als nichtrechtsfähige Anstalt Als Beispiel für eine solche unselbständige Anstalt soll auf das Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg eingegangen werden. Formellgesetzliche Grundlage dieser Einrichtung ist das Hamburgische Ärztegesetz (HÄG)64, welches das Ärztekammergesetz vom 28.7.1949 65 abgelöst hat. Darüber hinaus finden sich nähere Regelungen in der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Satzung des Versorgungswerkes 66 . Gemäß § 1 I der Satzung ist das Versorgungswerk eine Einrichtung der Ärztekammer Hamburg mit der in Absatz II dieser Vorschrift festgelegten Aufgabe, den Mitgliedern der Ärztekammer und ihren Hinterbliebenen Versorgungsleistungen zu gewähren. In § 28 I der Satzung ist die verwaltungsund kassenmäßige Trennung des Vermögens der Einrichtung von dem sonstigen Vermögen der Ärztekammer vorgesehen, das Vermögen des Versorgungswerkes darf nur in bezug auf dessen Belange verwandt werden (§ 28 II der Satzung). Für jedes Geschäftsjahr ist ein Finanzplan aufzustellen sowie für den Schluß eines Geschäftsjahres ein Rechnungsabschluß (§ 28 IV, V der Satzung). In diesem Zusammenhang ist noch auf § 19 IV HÄG hinzuweisen, danach haftet die Ärztekammer für Ansprüche gegen das Versorgungswerk unbeschränkt. Die Vertretung der Ärztekammer in Angelegenheiten des Versorgungswerkes obliegt gemäß § 27 III HÄG dem Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses. Aus den vorstehend genannten Regelungen ergibt sich, daß das Versorgungswerk ein unselbständiger Teil der Ärztekammer Hamburg als Verwaltungsträger ist. Gerade die das Vermögen des Versorgungswerkes betreffenden Regelungen bringen zum Ausdruck, daß zwar im Innenverhältnis zur Ärztekammer eine gewisse Selbständigkeit besteht, im Außenverhältnis jedoch rechtlich eine Einheit anzunehmen ist, wie besonders durch die in § 19 IV HÄG angeordnete unbeschränkte Haftung der Ärztekammer deutlich wird. Auch die Regelung des § 27 III HÄG, wonach die Ärztekammer in Angelegenheiten des Versorgungswerkes von dem Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses vertreten wird, ist nur auf der Grundlage der rechtlichen Unselbständigkeit verständlich.

64 65

66

Vom 22. 5. 1978, Hamb. GVBl. 1978 S. 152. Sammlung des bereinigten Hamb. Landesrechts I 2122-C. Hamb. ÄrzteBl. 1980, S. 104 (Stand 1979).

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

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11. Die berufsständische Versorgung als Selbstverwaltung

Sowohl als unselbständige Einrichtungen der jeweiligen Berufskammern als auch als selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts sind die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen dem Bereich der berufsständischen Selbstverwaltung zuzurechnen. Unter Selbstverwaltung im Rechtssinne als Gegensatz zur unmittelbar staatlichen Verwaltung ist die selbständige, fachweisungsfreie Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener, eigener öffentlicher Angelegenheiten durch juristische Personen des öffentlichen Rechts in eigenem Namen zu verstehen 67 • Danach setzt der Begriff der Selbstverwaltung zunächst voraus, daß der jeweiligen juristischen Person als Träger der Selbstverwaltung öffentliche Angelegenheiten als eigene zugewiesen sind 6B , worunter solche Angelegenheiten verstanden werden, zu deren Durchführung der Verwaltungsträger errichet worden ist bzw. die als weitere Aufgaben gesetzlich hinzugefügt worden sind 69 . Die Aufgabe der Pflichtversorgung der Berufsstandsangehörigen, bei der es sich um eine "legitime öffentliche Aufgabe" handelt7 0, stellt eine Angelegenheit dar, die den einzelnen Berufskammern in den Kammergesetzen ausdrücklich zugewiesen ist bzw. - bezogen auf die als selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts errichteten Versorgungswerke - um deren Durchführung willen gerade die Verwaltungsträger durch gesetzliche Regelung errichtet worden sind. Weiterhin erfordert der Begriff der Selbstverwaltung auf der Grundlage der eingangs genannten Definition als wesentliches Kriterium das Vorhandensein von Eigenverantwortlichkeit im Sinne einer fachweisungsfreien Wahrnehmung der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben 71 . Denn Selbstverwaltung bedeutet Selbstverantwortung und impliziert damit den Ausschluß einer fachlichen Beaufsichtigung durch übergeordnete Verwaltungsträger dahingehend, daß die von dem Selbstverwaltungsträger getroffenen Maßnahmen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden, sondern lediglich zwecks Gewährleistung der von Art. 20 III GG geforderten Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einer Rechtsaufsicht unterliegen 72 . 67 Salzwedel, VVDStRL Bd.22 (1965), S. 206ff. (216); Wolff / Bachof, VerwR H, § 84 IVb. 68 Wolff / Bachof, VerwR H, § 84 IV b l. 69 Wolff / Bachof, VerwR H, § 84 IV b l. 70 So das BVerfG ausdrücklich zur Pflichtversicherung in der Bayerischen Ärzteversorgung, BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (363). 71 Wolff / Bachof, VerwR H, § 84 IV b 2. 72 Wolff / Bachof, VerwR H, § 84 IV b 5.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Diese Voraussetzung ist bei der berufsständischen Pflichtversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen gegeben, da insoweit von staatlicher Seite sowohl hinsichtlich der unselbständigen Einrichtungen der Berufskammern als auch der selbständigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur eine Rechtsaufsicht durch die jeweils zuständigen Landesminister bzw. -senatoren ausgeübt wird 73 . Wenn auch der Selbstverwaltungsgedanke im Sinne der eigenverantwortlichen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in erster Linie mit den Körperschaften des öffentlichen Rechts verbunden ist74, da die hier durch die verbandsmäßige Struktur vorhandene Beteiligung der Mitglieder ihren eigentlichen Sinn erst durch die Möglichkeit eigenverantwortlichen HandeIns erfährt 75, ist damit jedoch nicht ausgeschlossen, daß auch die nicht verbandsmäßig strukturierten Anstalten des öffentlichen Rechts, die ja keine Mitglieder sondern lediglich Benutzer haben 76 , Selbstverwaltungsträger sein können 77 . Hierfür ist allerdings Voraussetzung, daß das Vertretungsorgan der Anstalt im Sinne eines Repräsentativorgans (nicht als Vertretungsorgan nach außen) zwar nicht von den Betroffenen gewählt wird, jedoch so zusammengesetzt ist, daß sich darin die verschiedenen Interessen der dahinter stehenden Solidargemeinschaft widerspiegeln 78 . Diesem Erfordernis ist bei den anstaltlieh strukturierten Versicherungsund Versorgungseinrichtungen Rechnung getragen, wie sich am Beispiel der bereits oben dargestellten 79 Organisations struktur der Bayerischen Ärzte73 Hahn (Fn. 3), S.25lf.; ausführlich zur allgemeinen Körperschaftsaufsicht in diesem Zusammenhang ders., S.243ff.; Schmitt-Lermann (Fn.35), S. 82f. zu den Anstalten der Bayerischen Versicherungskammer. Von dieser allgemeinen Körperschaftsaufsicht, der die Funktion zukommt, unterstaatliche Träger öffentlicher Verwaltung einer Staatsaufsicht zu unterwerfen, um ihre Eingliederung in den Staat und ihre Unterordnung unter die Staatsgewalt gemäß dem bestehenden Recht sicherzustellen (Wolff / Bachof, VerwR II, § 77 II b 3), ist die Versicherungsaufsicht (ausführlich dazu Hahn [Fn. 3], S. 252 ff.) zu unterscheiden, die eine gewerbe- und wirtschaftspolizeiliche Zielsetzung hat. Bei dieser Aufsicht, die auch die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen erfaßt (Hahn [Fn. 3], S. 264), handelt es sich um eine Fachaufsicht (Hahn [Fn. 3], S. 266ff.). Siehe beispielhaft § 12 des Gesetzes über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte vom 14. 3. 1982 (GVBl. 1982 S. 65): (1) Das Versorgungswerk untersteht der Rechtsaufsicht des Ministers der Justiz.

(2) .. . (3) .. .

(4) Die Versicherungsaufsicht bleibt unberührt. 74 Zum Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts siehe oben unter 11 a (1). 75 Wolff / Bachof, VerwR II, § 84 IV b 3. 76 Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 52; zum Begriff der Anstalt siehe oben unter I 1 b (1). 77 Salzwedel, VVDStRL Bd.22 (165), S.206ff. (212); Wolff / Bachof, VerwR II, § 84 IV b 3. 78 Salzwedel, VVDStRL Bd. 22 (1965), S. 206ff. (212). 79 Siehe oben I 1 b (2).

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

65

versorgung aufzeigen läßt. Der hier die Versicherten der Bayerischen Ärzteversorgung repräsentierende Landesausschuß wird als Organ dieser Einrichtung zwar nicht von den Versicherten selbst gewählt, jedoch werden die Mitglieder dieses Organs gemäß Art. 4 II iVm Art. 48 BayVersG durch das Staatsministerium des Innern aus dem Kreis der Mitglieder dieser Anstalt berufen, so daß davon ausgegangen werden kann, daß in diesem Organ die Interessen der hinter der Anstalt stehenden Solidargemeinschaft zum Ausdruck kommen BO . Schließlich setzt die Bejahung von Selbstverwaltung nicht nur das Recht zu verwaltender, sondern vielmehr auch zu rechtsetzender Tätigkeit voraus, diese rechnet neben der Selbstregierung als Selbstgesetzgebung zur Selbstverwaltung eines VerwaltungsträgersBI. Auch diesem Erfordernis genügen die berufsständischen Kammern als Träger der unselbständigen Einrichtungen bzw. die rechtlich selbständigen Versorgungswerke, da sie (das heißt die zuständigen Organe) durch die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen zum Erlaß von Satzungen ermächtigt sind, in denen die wesentlichen Fragen der Organisation, Mitgliedschaft, Leistungen USW. B2 geregelt sind B3 . ßI. Die gesetzlichen Grundlagen der berufsständischen Versorgung 1. Das Erfordernis formellgesetzlicher Grundlagen für die Durchführung der berufsständischen Versorgung

Die dem Bereich der berufsständischen Selbstverwaltung zuzurechnenden öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs'einrichtungen arbeiten auf der Grundlage von Satzungen, welche im einzelnen die notwendigen organisatorischen sowie die Versicherungsverhältnisse bestimmenden Regelungen treffen. Unter Satzungen sind Rechtsnormen zu verstehen, die von dem Staat eingegliederten juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen der 80 Zur Entwicklung und Funktion der Landesausschüsse bei den Anstalten der Bayerischen Versicherungskammer siehe ausführlich Schmitt-Lermann (Fn.35), S. 73ff.; siehe auch Art. 5 I des Gesetzes über die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung vom 20. 12. 1983 (GVBl. 1983 S. 1099), wonach der dem Landesausschuß von der Aufgabenstellung her vergleichbare Verwaltungsrat aus Mitgliedern der Rechtsanwaltsversorgung zusammengesetzt ist, die aufgrund von Vorschlägen der Rechtsanwaltskammern nach Anhörung des Staatsministeriums der Justiz durch das Staatsministerium des Innern berufen werden. 81 Wolff / Bachof, VerwR 11, § 84 IV b 4. 82 Näher zum Inhalt der Satzungen im 3. Kap. 83 Siehe z.B. § 15 III des Hamburgischen Ärztegesetzes vom 22.5.1978 (GVBl. 1978 S. 152), danach kann die Ärztekammer aufgrund einer besonderen Satzung ein Versorgungswerk für Kammerangehörige und deren Hinterbliebene schaffen.

5 Boecken

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

ihnen verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für bestimmte Personen erlassen werden B4 . Die Befugnis zur autonomen materiellen Rechtssetzung durch Satzung steht den juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht als solchen zu, sondern beruht auf staatlicher Delegation B5 . Die Delegation von Rechtsetzungsmacht erfolgt durch Rechtssatz, und zwar in der Regel durch förmliches Gesetz B6 . Zwar bedürfen die Satzungen als "abgeleitete Rechtsquellen"B7 keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigung wie Rechtsverordnungen aufgrund von Art. 80 I S. 2 GG, da im Rahmen der Verleihung von Satzungsautonomie nicht wie im Falle der Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen die dem Gesetzgeber zustehende Normsetzungsbefugnis an eine Stelle der Exekutive übertragen wird. Vielmehr wird ein selbständiger Verwaltungsträger ermächtigt, durch demokratisch gebildete Organe für einen bestimmten Kreis von Personen seine eigenen Angelegenheiten zu regeln BB . Jedoch unterliegen auch die im Rahmen der Selbstverwaltung als Satzung erlassenen Rechtsnormen insoweit dem Gesetzesvorbehalt, als der formelle Gesetzgeber die wesentlichen, insbesondere grundrechts beschränkenden Regelungen selbst zu treffen hat B9 . Dies folgt aus dem Rechtsstaats- sowie dem Demokratieprinzip, wonach zum einen die öffentliche Gewalt in allen ihren Äußerungen durch klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung zu binden ist, um Machtmißbrauch zu verhüten und die Freiheit des einzelnen zu wahren, zum anderen jede Ordnung eines Lebensbereichs durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volk bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden können muß 90 . Von diesen Grundsätzen ausgehend bedürfen auch die Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen formellgesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen, da mit den Bestimmungen über die Pflichtversicherung und die damit verbundene Beitragsverpflichtung in (zumindest) durch Art. 2 I GG geschützte Grundrechtsbereiche der davon betroffenen Personen eingegriffen wird 91 . BVerfGE Bd. 33, S. 125ff. (156). Maurer, Allg. VerwR, § 4, Rdn. 16; Ossenbühl, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 7 VI 2 a. 86 Wolff / Bachof, VerwR I, § 25 IX a 2. 87 Wolff / Bachof, VerwR I, § 25 IX a 2. 88 BVerfGE Bd. 33, S. 125ff. (157); Maurer, Allg. VerwR, § 4, Rdn. 16; Ossenbühl, in: Erichsen / Martens, Allg. VerwR, § 7 VI 2. 89 BVerfGE Bd. 33, S. 125ff. (158f.); Maurer, Allg. Vei'WR, § 4, Rdn. 17; siehe auch Wolff / Bachof, VerwR I, § 25 IX a, danach bedarf es zu Eingriffen in Freiheit und Eigentum, zur Verlagerung der der Körperschaft obliegenden Leistungen auf ihre Mitglieder und zur Auferlegung vermögensrechtlicher Leistungen einer besonderen Ermächtigung. 90 BVerfGE Bd. 33, S. 125ff. (158). 91 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Pflichtaltersversorgung von Angehörigen freier Berufe, welche in den Fünfziger Jahren insbesondere unter Hinweis 84 85

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

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2. Landes-und bundesgesetzliehe Ermächtigungsgrundlagen der berufsständischen Versorgung

Dementsprechend beruhen die Satzungen der Versorgungswerke auf im einzelnen unterschiedlich umfangreich ausgestalteten formellgesetzlichen Grundlagen, die meistenteils von den verschiedenen Landesgesetzgebern, in wenigen Ausnahmefällen aber auch durch den Bundesgesetzgeber geschaffen worden sind. Bei letzteren handelt es sich um die Regelungen der §§ 67 III Nr. 2 BNot0 92 , 1131II Nr. 2 und 8 BNotO, 166 II Nr. 2 und 3 StBG93 und 32 I Nr. 6 SLG94. Bei den als selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts organisierten Versorgungswerken sind die Ermächtigungsgrundlagen in den jeweiligen Errichtungsgesetzen enthalten 95 , für die als unselbständige Einrichtungen der Berufskammern gebildeten Pflichtversorgungen finden sich die Ermächtigungsgrundlagen in den einzelnen Kammergesetzen 96 . Insoweit bedürfen die Kammern zur Errichtung einer berufs ständischen Pflichtversorgung ausdrücklicher formellgesetzlicher Ermächtigungen in den Kammergesetzen, da der Bereich der Pflichtaltersversorgung nicht zum Wesen der berufsständischen Selbstverwaltung als solcher rechnet und damit den Kammern eine diesbezügliche Kompetenz nicht schon aufgrund von in den Kammergesetzen teilweise enthaltenen Generalklauseln 97 darauf in Zweifel gezogen wurde, daß eine solche Zwangsversicherung nicht mit der für einen freien Beruf charakteristischen eigenverantwortlichen Daseinsvorsorge zu vereinbaren sei (siehe insoweit nur Weber, W., Die verfassungsrechtliche Problematik der Zwangsversorgungseinrichtungen der freien Berufe, Ipsen, Rechtsfragen berufsständischer Zwangsversorgung und Scheuner, Berufsständische Versorgungseinrichtungen und Grundgesetz, jeweils in: Aktuelle Probleme der Versicherungswirtschaft), steht heute außer Frage, nachdem das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen einen Verstoß gegen Art. 2, 9 und 12 GG ausgeschlossen hat (siehe BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (360ff.) u. Bd. 12, S. 319ff. (323ff.); ebenso Hahn [Fn. 3], S. 215ff.; Klass, Honorarverteilung durch kassen ärztliche Vereinigungen, S.71ff.; a.A. Schachner, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Pflichtaltersversorgung freier Berufe, S. 75ff.). In der gegenwärtigen Diskussion über die Einführung von Versorgungswerken für Rechtsanwälte (siehe dazu bereits im 1. Kap., II 3 e, insbesondere Fn. 121) wird von Gegnern dieser Entwicklung allerdings auch heute wieder auf das "elementare Freiheitsrecht" der eigenverantwortlichen Altersvorsorge verwiesen, dessen Beseitigung durch eine berufsständische Pflichtversorgung nicht zu rechtfertigen sei (so Philipp, VW 1983, S. 471ff. (471)). 92 Vom 25. 2. 1961, BGBl. 1961 I S. 98. 93 Vom 16. 8. 1961, BGBl. 1961 I S. 1301. 94 Vom 13. 10. 1954, BGBl. 1954 II S. 1035. 95 Siehe nur das Gesetz über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte vom 14. 3. 1982 (GVBl. 1982 S. 65). 96 Z.B. § 15 III Hamburgisches Ärztegesetz (GVBl. 1978 S. 152); § 4 II Hessisches Heilberufsgesetz i. d. F. vom 27. 7. 1977 (GVBl. 1977 S. 336). 97 Z.B. & 76 I StBG. 5'

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

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zusteht, welche ihnen aufgeben, die beruflichen Belange der Berufsstandsmitglieder zu wahren 98 . Die Ermächtigungsgrundlagen, welche den Kammern die Kompetenz zur Errichtung einer berufsständischen Pflichtversorgung zuweisen, stellen diese Aufgabe regelmäßig in das Belieben der jeweiligen Berufskammer99 , nur in einem Ausnahmefall wird die Verpflichtung auferlegt, eine Versorgungseinrichtung zu schaffen 1oo . Bezüglich des Umfangs der verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen bestehen zum Teil große Unterschiede. Während zum Beispiel § 4 II S. 1 des Hessischen Heilberufsgesetzes 101 lediglich bestimmt, daß die Kammern durch Satzung Versorgungs einrichtungen für Kammerangehörige und deren Familienmitglieder schaffen können 102 , enthält das Hamburgische Ärztegesetz 103 in den §§ 15 III, 16-19, 25 und 28 III detaillierte Bestimmungen über den Leistungsbereich, die Mitgliedschaft, die Höhe der Beiträge und Renten sowie Zuständigkeits- und verfahrensrechtliche Fragen. 3. Die bundesgesetzlichen Grundlagen im einzelnen

Bei näherer Betrachtung der bereits genannten bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen 104 fällt auf, daß mit Ausnahme des § 32 I Nr. 6 SLG, auf dessen Grundlage von den Lotsenbrüderschaften Versorgungseinrichtungen gebildet wurden, die Möglichkeit zur Errichtung von Versorgungswerken entweder von entsprechenden Regelungen durch die Länder abhängig ist (§ 67 III BNotO) und diese damit die eigentliche Rechtsgrundlage schaffen, oder, wie in den Fällen von § 113 BNotO (zuvor § 84 III RNot0)105 und § 166 II StBG, mit diesen Vorschriften lediglich "Aufrechterhaltungsnormen" geschaffen worden sind, wodurch die schon vorher auf Landesebene bestehenden Versorgungswerke auch im Rahmen einer nunmehr bundeseinheitlichen (reichseinheitlichen) Regelung anerkannt wurden. Zur Erläuterung des vorstehenden sei kurz auf die bundesgesetzlichen Regelungen eingegangen.

Hahn (Fn. 3), S. 152f. Siehe z.B. § 15 III Hamburgisches Ärztegesetz (GVBl. 1978 S. 152). 100 So § 32 I Nr. 6 SLG (BGBL 1954 II S. 1035). 101 GVBl. 1977 S. 336. 102 Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Ermächtigungsgrundlage siehe Hess. VGH Urt. vom 25.6.1974 - V OE 22/72 -; Bettermann, Rechtsgutachten, S. 6ff. 103 GVBl. 1978 S. 152. 104 Siehe unter 2. 105 RGBL 1937 I S. 191. 98

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2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

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a) Die Regelung des § 67 III Nr. 2 BNotO Gemäß der Bestimmung des § 67 III Nr. 2 BNotO kann die Notarkammer nach näherer Regelung durch die Landesgesetzgebung Versorgungseinrichtungen unterhalten. Aus der Vorschrift selbst folgt, daß darin keine unmittelbare Ermächtigung der Notarkammern zur Unterhaltung von Versorgungseinrichtungen gesehen werden kann, vielmehr ist dieses den Notarkammern nur nach näherer Regelung durch die Landesgesetzgebung möglich. Zweck dieser Vorschrift ist es, der Landesgesetzgebung eine eindeutige bundesrechtliche Grundlage für den Fall zu geben, daß eine Notarkammer mit der Unterhaltung von Versorgungseinrichtungen betraut werden soll. Damit sollten Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Landes ausgeräumt werden, die deswegen entstehen könnten, weil die Aufgaben der Notarkammern bundesrechtlich geregelt werden 106 . In der BNotO selbst wurde von einer Ermächtigung der Notarkammern zur Unterhaltung von Versorgungseinrichtungen deshalb abgesehen, weil eine solche gesetzliche Regelung, die mindestens im Grundsätzlichen die Rechte und Pflichten der Mitglieder festzulegen gehabt hätte, über den Rahmen der Notarordnung hinausgegangen wäre 107 . Bis heute existieren, abgesehen von der in § 113 BNotO geregelten Notarkasse 108 , zwei Versorgungseinrichtungen für Notare im Sinne von § 67 III Nr.2 BNotO: zum einen die durch Gesetz vom 14.6.1962 109 gegründete Notarversorgungskasse Koblenz, zum anderen die bereits durch § 2 III des Gesetzes über die Einrichtung einer Notarkammer in Saarbrücken vom 19.4.1948 110 errichtete Versorgungseinrichtung der Saarländischen Notarkammer. Diese Versorgungseinrichtung wurde durch Art. 12 I Nr. 13 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Notarrechts vom 16.2.1961 111 durch Anordnung der fortbestehenden Wirksamkeit der oben genannten Vorschrift des § 2 III aufrechterhalten 112 . Nicht zur berufsständischen Versorgung ist die Altersversorgung für die im Bezirk des früheren OLG Darmstadt bestellten Notare zu rechnen, vielmehr handelt es sich hier um eine Versorgung durch die Hessische Staatskasse 113 • 106 Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf der BNotO, BT-Drs. 3/ 2128 S. 6/7. 107 Arndt, BNotO, § 67 I. lOB Dazu unter b. 109 Rh.-Pf. GVBl. 1962 S. 53. 110 Saarl. AmtsBl. 1948 S. 540. 111 BGBl. 1961 I S. 77. 112 Arndt, BNotO, § 67 11, Anm. 6. 113 Arndt, BNotO, § 67 11, Anm. 6.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

b) Die Regelung des § 113 III NT. 2 und 8 BNotO Nach der Vorschrift des § 113 III Nr. 2 und 8 BNotO sind die Aufgaben der Notarkasse München unter anderem zum einen die Versorgung der ausgeschiedenen Notare im Alter und bei Amtsunfähigkeit sowie die Versorgung ihrer Hinterbliebenen (Nr. 2), und zum anderen die Versorgung der Notarassessoren bei Dienstunfähigkeit und ihrer Hinterbliebenen nach Maßgabe der Satzung (Nr. 8). Die Regelung des § 113 BNotO hat, ebenso wie § 84 III RNotO l1 4, lediglich die schon vorher in Bayern bestehende Einrichtung der Notarkasse bestätigt, die bis 1939 als "Bayerische Notariatskasse Anstalt des öffentlichen Rechts" bezeichnet wurde 1l5 . Hervorgegangen ist die Notarkasseaus einer nach dem Ersten Weltkrieg zur Aufrechterhaltung der Besoldung der Notariatsgehilfen gebildeten Zuschußkasse, an welche die Notare Beiträge zu erbringen hatten 1l6 . Schon bald nach ihrer Gründung erhielt diese Kasse den Namen "Bayerische Notariatskasse"117. Auf diese wurde dann mit Inkrafttreten der RNot0 1l8 am 1. 7.1937 der Aufgabenbereich des "Pensionsvereins für die bayerischen Notare und Hinterbliebenen" übertragen. Letzterer war aus der Verschmelzung des 1867 von den Notariatskammern rechts des Rheins gegründeten "Pensionsvereins für die Witwen und Waisen der Notare" sowie des 1901 errichteten "Pensionsvereins für die bayerischen Notare" entstanden 1l9 . Die Notarkasse nimmt unter den in dieser Arbeit behandelten Versorgungseinrichtungen insoweit eine Sonderstellung ein, als sie über die Versorgung der in § 113111 Nr. 2 und 8 BNotO genannten Personen hinaus Trägerin besonderer, im früheren bayerischen Notariatsrecht entwickelter Verwaltungsaufgaben ist1 2o • Dies sollte auch nicht durch die BNotO geändert werden, da sich die Wahrnehmung von an sich den Notarkammern obliegenden Aufgaben durch die Notarkasse bewährt hatte 121 • c) Die Regelung des § 166 II S. 2 und 3 StBG

Die Bestimmung des § 16611 StBG enthält in Satz. 2 die Regelung, daß das Versorgungswerk der Kammer der Steuerberater und Helfer in Steuer114 115 116 117 118 119 120 121

RGBl. 1937 I S. 191. Seybold, DNotZ 1963, S. 8ff. (22). Arndt, BNotO, § 113 II, Anm. 1. Seybold / Hornig, Komm. BNotO, § 113 Rdn. 1. RGBl. 1937 I S. 191. Seybold, DNotZ 1963, S. 8ff. (21/22); Arndt, BNotO, § 113 II, Anm. 1. Seybold / Hornig, Komm. BNotO, § 113 Rdn. 4. Arndt, BNotO, § 113 1.

2. Kap.: Die Organisationsstruktur und die gesetzlichen Grundlagen

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sachen für das Saarland aufrechterhalten bleibt. Weiterhin wird in Satz 3 dieser Vorschrift die Regierung des Saarlandes ermächtigt, durch Rechtsverordnung die erforderlichen Vorschriften über die Beibehaltung des Versorgungswerkes (in der Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts), über die Mitgliedschaft der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten sowie über die Satzung und die Dienstaufsicht zu erlassen. Diese Vorschrift stimmt wortgleich mit der vorherigen Regelung in § 120 11 S. 2 und 3 StBG vom 16.8.19611 22 überein. Mit diesem Gesetz war zum ersten Mal eine bundeseinheitliche Regelung hinsichtlich der Berufsordnung der Steuerberater und -helfer geschaffen worden, die sich aufgrund der bis dahin bestehenden zahlreichen unterschiedlichen Länderregelungen als notwendig erwiesen hatte l23 . So wurde mit Erlaß dieses Gesetzes gemäß § 120 I Nr. 8 StBG auch das Gesetz Nr. 551 über die Errichtung der Kammern der Steuerberater und Helfer in Steuersachen für das Saarland sowie deren Ehren- und Berufsgerichtsbarkeit vom 20.12.1956 124 aufgehoben, welches in § 4 III die Rechtsgrundlage für das damals schon bestehende Versorgungswerk der Kammer der Steuerberater und Helfer in Steuersachen für das Saarland enthielt. Mit der Regelung des § 120 11 S. 2 und 3 StBG sollte nun das Bestehenbleiben dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung gewährleistet werden l25 . Von der in § 12011 S. 3 StBG enthaltenen Ermächtigung hat das Saarland durch Verordnung vom 19.12.1961 126 Gebrauch gemacht. Gemäß § 1 11 dieser Verordnung wurde das bisherige Versorgungswerk der Kammer der Steuerberater und Helfer in Steuersachen für das Saarland mit allen Rechten und Verbindlichkeiten in das gemäß § 1 I als Körperschaft des öffentlichen Rechts neu errichtete Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollrnächtigten überführt. Neben dieser (heute) in § 166 11 S. 2 und 3 StBG geregelten speziellen Grundlage für das saarländische Versorgungswerk besteht nach dem Steuerberatungsgesetz für die Kammern keine Möglichkeit zur Errichtung von Versorgungswerken, lediglich die Unterhaltung von Fürsorgeeinrichtungen ist den Kammern nach der Vorschrift des § 7611 Nr. 6 StBG erlaubt.

125

BGBl. 1961 I S. 130l. Bühring, Komm. z. StBG, Vorwort, S. V. Saarl. AmtsBl. 1956 S. 166l. Siehe den schriftlichen Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 3/2859

126

Saarl. AmtsBl. 1961 S. 648.

122 123

124

S.10.

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

72

d) Die Regelung des § 32 I Nr. 6 SLG

Gemäß der Vorschrift des § 32 I Nr. 6 des Gesetzes über das Seelotsenwesen vom 13.10.1954 (SLG)127 obliegt es der Lotsenbrüderschaft insbesondere, Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten, und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen. Zunächst oblag nach Verabschiedung des Gesetzes über das Seelotsenwesen die gemäß § 32 I Nr. 6 SLG herbeizuführende "ausreichende Versorgung" der Seelotsen allein den Lotsenbrüderschaften, die diese Aufgabe mit Hilfe von Pensions- und Umlagekassen durchführten 128 . Da dieses Versorgungsverfahren jedoch nicht in der Lage war, eine "ausreichende Versorgung" der Seelotsen auf die Dauer sicherzustellen 129 , kam es schließlich zum 1.1.1970 zur Einbeziehung der Seelotsen in die gesetzliche Rentenversicherung der Angestellten (§ 2 I Nr. 6a AVG)130. Damit wurde jedoch die in § 32 I Nr. 6 SLG nOl1llierte Rechtsgrundlage nicht überflüssig, vielmehr erfolgte auf dieser Basis neben der nunmehr bestehenden gesetzlichen Altersversorgung weiterhin eine berufsständische Pflichtversorgung. Zwecks Ergänzung und zur Vermeidung von Versorgungslücken gründeten die Lotsenbrüderschaften die sogenannte "Gemeinsame Ausgleichskasse im Seelotswesen der Reviere" 131.

127 128 129

130 131

BGBl. 1954 II S. 1035. Schenke, BABl. 1969, S. 482ff. (483); ausführlich Hahn (Fn. 3), S. 132ff. Schenke, BABl. 1969, S. 482 ff. (483); Hahn (Fn. 3), S. 135. Siehe schon im 1. Kap. II 2 a. Dazu sehr ausführlich Hahn (Fn. 3), S. 138ff.

Drittes Kapitel

Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen der berufsständischen Versorgungswerke Im folgenden sollen die Satzungsbestimmungen näher dargelegt werden, welche unter Anknüpfung an die Betrachtung der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen als Alterssicherungssystem von wesentlicher Bedeutung sind.

Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich fünf Regelungsbereiche unterscheiden, die Bestimmungen über die Pflicht- bzw. freiwillige Mitgliedschaft!, die Leistungsarten und -voraussetzungen2 , die Finanzierung der Leistungen 3 , die Berechnung und Anpassung von Leistungen 4 sowie die Aufnahme und das Ausscheiden von Berufsstandsangehörigen in eine bzw. aus einer Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung bei schon teilweise aufgebauter Versorgung 5 enthalten. Im Rahmen dieser Darstellung wird angesichts der Vielzahl der Satzungen mit ihren unterschiedlichen Regelungen im Detail, wodurch sich jedoch an der Übereinstimmung in den wesentlichen Grundstrukturen nichts ändert, in der Weise vorgegangen, daß im Wege einer generalisierenden Betrachtung diese übereinstimmenden Grundstrukturen unter beispielhafter Bezugnahme auf entsprechende Satzungsregelungen aufgezeigt werden, wobei allerdings im Einzelfall auch auf hiervon abweichende Bestimmungen hingewiesen wird.

I. Der Kreis der versicherten Personen 1. Überblick

Wie in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten, so wird auch in den Satzungen der berufsständischen Versicherungs- und VersorDazu unter I: Der Kreis der versicherten Personen. Dazu unter II: Der Leistungsbereich. 3 Dazu unter III: Die Finanzierung. 4 Dazu unter IV: Die Berechnung und Anpassung der Leistungen (Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten). 5 Dazu unter V: Die Mobilitätsregelungen. 1

2

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

gungseinrichtungen im Rahmen der Mitgliedschaftsregelungen überall zwischen Pflichtmitgliedschaft und freiwilliger Mitgliedschaft unterschieden 6 . Von der nach jeder Satzung bestehenden Pflichtmitgliedschaft gibt es zum einen Ausnahmetatbestände, wobei die davon erfaßten Personen von vornherein nicht Mitglieder der Einrichtung werden, zum anderen die Möglichkeit einer Befreiung auf Antrag 7 . Bei den Ausnahme- und Befreiungsregelungen ist zwischen solchen Bestimmungen zu unterscheiden, denen nur für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzungen, also der Gründung der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, Bedeutung zukommt 8 , und solchen, die nach Inkrafttreten der Satzungen dauernde Geltung haben 9 • Die Ausnahme- bzw. Befreiungsregelungen enthalten keine nach abstrakten Kriterien abgrenzbaren Tatbestände, vielmehr ist ein und derselbe Tatbestand in der einen Satzung als Ausnahme geregelt, in einer anderen gibt er dem betreffenden Mitglied nur die Möglichkeit der Befreiung auf Antrag 10 . So werden z.B. gemäß § 15 I Nr. 1 der Satzung der Apothekerversorgung Bayern Beamte nur auf Antrag von der Pflichtmitgliedschaft befreit l1 , während nach der Vorschrift des § 6 IIIb der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe diese Personengruppe von vornherein von der Mitgliedschaft ausgenommen ist. In einem Großteil der Satzungen wird korrespondierend mit der Befreiung auf Antrag für die hiervon Gebrauch machenden Personen die Möglichkeit des Verzichts geregeltJ 2 . Im Rahmen der freiwilligen Mitgliedschaft ist zwischen der Fortsetzung einer Pflichtversicherung (freiwillige Anschlußversicherung) und der freiwilligen Versicherung ohne vorangegangene Pflichtmitgliedschaft zu unterscheiden l3 . Die weit überwiegende Zahl der Satzungen hat auch Regelungen bezüglich einer Höherversicherung als Sonderform der freiwilligen Versicherung getroffen l4 . 6 z.B. §§ 6, 7 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; §§ 13, 18 Apothekerversorgung Bayern; die Satzungsbestimmungen werden in der Form zitiert, daß neben der Regelung selbst die jeweilige Einrichtung genannt wird, und zwar aus Vereinfachungsgründen ohne genaue Rücksichtnahme auf den richtigen Namen als "Ärzteversorgung ... ", "Apothekerversorgung... " usw. 7 Diese Systematik entspricht den Regelungen der §§ 4, 6 AVG einerseits sowie §§ 7, 8 AVG andererseits. 8 z.B. § 38 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 39 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 9 z. B. § 6 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 6 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 10 So auch Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe, S. 157. 11 Siehe auch § 6 V a Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 12 z.B. § 6 VII Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 13 Nur freiwillige Anschlußyersicherung: z.B. § 18 I Apothekerversorgung Bayern; beide Möglichkeiten: z.B. § 7 Arzteversorgung Westfalen-Lippe. 14 z.B. § 24 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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2. Pflichtmitgliedschaft

a) Grundsatz Für die Bestimmung des Kreises der Pflichtmitglieder wird in den Satzungen durchgehend an die Zugehörigkeit zur Kammer des jeweiligen Berufsstandes angeknüpft und damit die Pflichtmitgliedschaft grundsätzlich für alle Kammerangehörigen vorgeschrieben 15 . Die Pflichtmitgliedschaft entsteht automatisch bei Erfüllung der vorgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen, ohne daß es auf eine Willensäußerung des Betroffenen ankäme 16 • Von der Pflichtmitgliedschaft werden sowohl die selbständigen als auch die angestellten Berufsstandsangehörigen erfaßt, soweit ersichtlich sind nur in einem Versorgungswerk, der Architektenversorgung Saar~and, die Angestellten von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen 17 . In nur wenigen Satzungen ist die Pflichtmitgliedschaft auf deutsche Berufsangehörige mit der Folge beschränkt, daß Ausländer nicht an der berufsständischen Versorgung teilnehmen können 18 •

b) Ausnahmen und Befreiungen bei Inkrafttreten der Satzungen Für den Zeitpunkt des Inkrafttretens enthalten die Satzungen Ausnahmebzw. Befreiungsregelungen unter Anknüpfung an das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze und eines anderweit bestehenden Versorgungstatbestandes. (1) Altersgrenze Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens für die Mitgliedschaft maßgebliche Altersgrenze liegt in der Regel nach der Vollendung des 68. Lebensjahres 19 , über der Altersgrenze liegende Berufsstandsangehörige können nicht mehr Mitglieder der Einrichtungen werden. Die im Vergleich zu der nach Inkrafttreten der Satzungen maßgeblichen Altersgrenze 20 im Zeitpunkt der Gründung der Einrichtungen weitaus höher liegende Altersgrenze für die Mitgliedschaft liegt in der Absicht begründet, auch die Berufsstandsangehörigen, die sich altersmäßig keine eigene Verz.B. § 6 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Hahn (Fn. 10), S. 156. 17 § 1 I Architektenversorgung Saarland. 18 So § 13 Apothekerversorgung Bayern, siehe zu den damit verbundenen Problemen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Binnenwanderung in den EG-Ländem: Dehler, Bayer. ÄrzteBl. 1982, S. 4ff. (13/14). 19 z. B. § 6 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; anders z. B. § 6 I Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen, nur bis Vollendung des 60. Lebensjahres. 20 Dazu unter c (1). 15

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

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sorgung mehr aufbauen können, dennoch in den Versorgungsschutz miteinzubeziehen 21 . Bei dieser Personengruppe handelt es sich um die sogenannte "Altlast" 22, deren Einbeziehung in die Zwangsversicherung auf dem solidarisch geprägten Gedanken beruht, die jüngeren Berufsstandsangehörigen zur Versorgung der älteren Berufskollegen heranzuziehen 23 . (2) Anderweitige Versorgung

Neben der Altersgrenze sehen die Satzungen Befreiungsregelungen für den Fall vor, daß ein Berufsstandsangehöriger im Zeitpunkt der Errichtung der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung einen anderweitigen Versorgungstatbestand nachweisen kann. So heißt es in § 38 11 der Satzung der Architektenversorgung NRW24, daß die Angehörigen der Architektenkammer NRW, die bis zum 31.12.1978 eine den Leistungen des Versorgungswerkes der Architektenkammer entsprechende anderweitige Versorgung nachweisen, auf Antrag ganz oder, bei nur teilweiser Entsprechung, teilzubefreien sind. Als ausreichende anderweitige Versorgungstatbestände werden zumeist private Kapital- und Rentenversicherungen, Haus- und Grundbesitz sowie Wertpapiere in einer bestimmten Größenordnung angesehen 25 . c) Ausnahmen und Befreiungen nach Inkrafttreten der Satzungen

Auch nach dem Inkrafttreten der Satzungen sehen diese im wesentlichen überstimmende Ausnahme- bzw. Befreiungstatbestände vor, deren Vorliegen eine Pflichtmitgliedschaft von vornherein nicht entstehen läßt bzw. das betreffende Mitglied berechtigt, sich befreien zu lassen.

Kirchhoff u. a., Die Alterssicherung des niedergelassenen Arztes, S. 13. Da,m auch Kolb, Berufsständische Versorgung, in: Gutachten der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme, Berichtsband 2, S. 351ff. (364). 23 Rohrbeck, DVZ 1954, S. 4ff. (6); BFH in BStBl. 197211, S. 730ff. (732); Schachner, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Pflichtaltersversorgung freier Berufe, S. 47. Von der "Altlast" zu unterscheiden ist die sogenannte "Uraltlast", hierbei handelt es sich um Personen, bei denen im Zeitpunkt der Errichtung der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung bereits der Versicherungsfall eingetreten ist, siehe dazu Krekeler, Theorie und Praxis einer kollektiven Alterssicherung der Ärzte, S.198ff.; Schachner, a.a.O., S. 30; Fürstenberg, Die Alterssicherung der freien Berufe, S. 76. 24 In Kraft getreten zum 1. 1. 1979, siehe § 41. 25 Siehe im einzelnen z.B. § 38 III a - d Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; vgl. die ähnliche Regelung in § 39 I, II Ärzteversorgung Westfalen..:Lippe. 21

22

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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(1) Altersgrenze In nahezu allen Satzungen sind Kammerangehörige von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen, die im Zeitpunkt des Beginns ihrer Kammerzugehörigkeit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben. Dabei ist diese Ausnahme zum Teil in den die Pflichtmitgliedschaft anordnenden Vorschriften zugleich als Einschränkung mitenthalten 26 , überwiegend hat sie aber in speziellen Ausnahmetatbeständen ihren Ausdruck gefunden 27 . Regelmäßig können nur Kammerangehörige Pflichtmitglieder werden, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben 28 , wobei hier jedoch eine Bandbreite von der Vollendung des 35. Lebensjahres 29 bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres 30 als maßgebliche Altersgrenze vorhanden ist. Soweit ersichtlich ist nur in einer Satzung, der Apothekerversorgung Bayern3 !, eine unterschiedliche Altersgrenze für selbständige (Vollendung des 55. Lebensjahres) und angestellte Kammerangehörige (Vollendung des 45. Lebensjahres) geregelt. Die Altersgrenze hat den Sinn, Berufsstandsangehörige, welche die Altersgrenze erreicht haben, nicht der Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungssystem zu unterwerfen, innerhalb dessen sie sich aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und der Tatsache, daß die Finanzierung der Versorgungsleistungen zumeist in einer bestimmten Form des Deckungsverfahrens erfolgt 32 , keine ausreichende Versorgung mehr aufbauen können. Auf der anderen Seite kommt der Altersgrenze für die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen insoweit eine günstige Bedeutung zu, als dadurch Personen von der Risikogemeinschaft ausgeschlossen werden, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters versicherungsmäßig schlechtere Risiken darstellen als die jüngeren Berufsstandsangehörigen. Denn mit steigendem Alter nehmen Krankheiten und andere Tatbestände, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen, sowie die Todesfälle ZU 33 .

z.B. § 6 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. z.B. § 14 Apothekerversorgung Bayern. 28 z.B. § 611 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 29 z. B. § 2 I a. F. Rechtsanwaltsversorgung Saarland (Saarl. AmtsBl. 1978 S. 1024); nach der neuen Fassung ist jetzt auch die Vollendung des 45. Lebensjahres maßgebend (Saarl. AmtsBl. 1983 S. 834). 30 z.B. § 14 Apothekerversorgung Bayern für Selbständige. 31 Siehe § 14 Apothekerversorgung Bayern. 32 Dazu unter IH. 33 Jahn, Allgemeine Sozialversicherungslehre, S. 68. 26 27

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

(2) Berufsunfähigkeit In nahezu allen Satzungen ist der Kreis der Pflichtmitglieder dadurch eingeschränkt, daß nur solche Kammerangehörige erfaßt werden, die nicht dauernd berufsunfähig sind 34 . (3) Anderweitige Versorgung Von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen bzw. auf ihren Antrag ganz oder teilweise zu befreien sind nach den Satzungen bestimmte Personen, für die aufgrund eines anderweitigen Versorgungstatbestandes Anspruch auf eine ausreichende Altersversorgung gewährleistet ist. Als in ausreichender Weise anderweitig gesichert werden in der Regel Berufsstandsangehörige angesehen, die 1. Beamte, Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit sind 3 5,

2. einer religiösen Gemeinschaft angehören und nachweisen, daß sie durch diese auch im Falle des Ausscheidens entsprechend versorgt sind 36 , 3. aufgrund eines Anstellungs- oder Dienstvertrages Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung haben 37 sowie 4. bereits in einer anderen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung Mitglied sind und ihre dortige Mitgliedschaft aufrechterhalten wollen 38 . Hinsichtlich des zuletzt genannten anderweitigen Versorgungstatbestandes erfolgt die Befreiung von der Mitgliedschaft zumeist nur in Höhe des Betrages, der als Beitrag an die andere Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu leisten ist 39 . Anderes gilt jedoch zum Beispiel gemäß § 15 I Nr. 6 der Satzung der Apothekerversorgung Bayern, wonach die Befreiung ohne Kopplung an die zu der anderen Einrichtung zu leistenden Beiträge erfolgt. Nur in Ausnahmefällen wird auch die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung als zur Befreiung berechtigender anderweitiger Versorgungstatbestand anerkannt 4o . Damit besteht in diesen Fällen für die Z.B. § 13 I Apothekerversorgung Bayern. Z.B. § 15 I Nr. 1 Apothekerversorgung Bayern; § 6 III b Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 36 Z.B. § 15 I Nr. 2 Apothekerversorgung Bayern. 37 Z.B. § 6 Vb Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 38 Z.B. § 6 V a Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 6 V d Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 15 I Nr. 6 Apothekerversorgung Bayern. 39 Z.B. § 6 Va Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 40 Soweit ersichtlich nur: § 6 Vb u. c Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 14 I Nr. 2 Architektenversorgung Bayern; § 12 I Nr. 1 Architektenversorgung Baden-Württemberg. - Andere Satzungen sehen hier lediglich eine Beitragsermäßigung vor, siehe unter UI 1 a); auf jeden Fall kann man nicht, wie Ruland, davon spre34

35

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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betreffenden Berufsstandsmitglieder eine echte Wahlfreiheit zwischen alleiniger berufsständischer Versorgung und ausschließlicher Mitgliedschaft in der. gesetzlichen Rentenversicherung, § 7 II AVG findet hier korrespondierende Befreiungsregelungen in den Satzungen zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung. Bezüglich der im Vorstehenden genannten anderweitigen Versorgungstatbestände kann die Befreiung ganz oder teilweise erfolgen. Eine Teilbefreiung bedeutet, daß der betreffende Berufsstandsangehörige trotz Befreiung noch einen Mindestbeitrag zur Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu leisten hat. Der Umfang der Befreiung ist in den einzelnen Satzungen unterschiedlich geregelt 4 1, auch werden nicht unbedingt innerhalb einer Satzung alle anderweitigen Versorgungstatbestände gleichbehandelt 42 . (4) Mitgliedschaft in der knappschaftlichen Rentenversicherung Ein selten vorkommender Befreiungstatbestand ist die Pflichtversicherung in der knappschaftlichen Rentenversicherung, dem besonders für die Ärzteversorgungen Bedeutung zukommt, da viele Ärzte in knappschaftlichen Krankenhäusem tätig sind. Eine entsprechende Befreiungsregelung enthält zum Beispiel § 6 V c der Satzung der Ärzteversorgung WestfalenLippe. Die Regelung begründet sich weniger aus dem Vorliegen eines anderweitigen Versorgungstatbestandes als vielmehr daraus, daß das Reichsknappschaftsgesetz keine dem § 7 II AVG entsprechende Bestimmung enthält 43 . Wegen der anerkannten analogen Anwendung von § 7 II AVG in der Reichsknappschaftsversicherung 44 ist dieser Befreiungstatbestand allerdings nur in wenigen Satzungen enthalten.

ehen, daß diese Konkurrenzsituation zweier Sicherungssysteme durch wechselseitige Befreiungsmöglichkeiten gelöst würde, siehe JuS 1984, S. 152; auch wenn Ruland später einschränkt, daß eine Befreiung häufig nur teilweise erfolge, ist die vorgenannte Aussage zu generell und vermittelt einen falschen Eindruck. 41 So sind gemäß § 6 III b Ärzteversorgung Westfalen-Lippe die Beamten umfassend von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen, während diese gemäß § 6 V a Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen nur teilweise befreit sind, da trotz Befreiung gemäß § 21 II der Mindestbeitrag zu entrichten ist. 42 So sind im Gegensatz zu den Beamten die gemäß § 6 V d Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen wegen Mitgliedschaft in einem anderen Versorgungswerk befreiten Berufsstandsangehörigen umfassend von der Mitgliedschaft ausgenommen. 43 BVerwG in DVBl. 1983, S. 554ff. (556). 44 Siehe dazu unter B, 1. Kap., I 1 c (2) (b).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

(5) Nichtausübung des Berufs Als weiterer Ausnahme- bzw. Befreiungstatbestand ist in den Satzungen der Fall vorgesehen, daß ein Kammerangehöriger seinen Beruf nicht ausübt 45 • In diesem Zusammenhang sind auch Ausnahmen bzw. Befreiungen zu erwähnen, die von einigen Satzungen bei nur geringfügiger oder kurzer Beschäftigung vorgesehen sind 46 • So werden gemäß der Vorschrift des § 15 I Nr. 3 der Satzung der Apothekerversorgung Bayern Apotheker auf Antrag von der Mitgliedschaft befreit, die nur bis zu einem halben Jahr im Tätigkeitsbereich dieses Versorgungswerkes in Apotheken tätig sind. Hinsichtlich des anderen Befreiungstatbestandes der geringfügigen Beschäftigung oder Tätigkeit verweist § 15 I Nr. 5 dieser Satzung auf die Vorschrift des § 4 I Nr. 5 AVG, so daß als Maßstab für die Geringfügigkeit auf § 8 I SGB IV abzustellen ist. d) Wegfall des Ausnahme-/ Befreiungstatbestandes

Für den Fall, daß die Voraussetzungen für einen Ausnahme- oder Befreiungstatbestand wegfallen, sehen die Satzungen der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen regelmäßig vor, daß Pflichtmitgliedschaft entsteht oder wieder eintritt47 • Nach allen diesen Bestimmungen kann der betreffende Berufsstandsangehörige jedoch nur dann Pflichtmitglied werden, wenn er im Zeitpunkt des Wegfalls des Ausnahme- oder Befreiungstatbestandes noch nicht die für die Pflichtmitgliedschaft maßgebende Altersgrenze überschritten hat 48 . e) Verzicht auf Befreiung

Teilweise räumen die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in ihren Satzungen den Berufsstandsangehörigen, die sich zunächst mit Antrag von der Pflichtmitgliedschaft haben befreien lassen, die Möglichkeit ein, nachträglich auf die Befreiung zu verzichten und damit wieder den Status eines Pflichtmitgliedes zu erlangen49 . Die Pflichtmitgliedschaft entsteht hierbei nicht im Moment der Abgabe der Verzichtserklärung, vielmehr steht 45 Z.B. § 6 III Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 6 Ve Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 46 z.B. § 15 I Nr., 3 u. 5 Apothekerversorgung Bayern. 47 Z.B. § 6 V Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 15 III Apothekerversorgung Bayern. 48 Z. B. § 6 V Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 15 III i. V. m. § 14 Apothekerversorgung Bayern. 49 z.B. § 6 VII Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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die Aufnahme des zunächst befreiten Berufsstandsangehörigen als Pflichtmitglied im Ermessen des nach der jeweiligen Satzung zuständigen Organs, wobei für die Entscheidung nach allen eine Verzichtsregelung enthaltenden Satzungen auf eine vorher durchzuführende ärztliche Untersuchung abgestellt werden kann 50 oder sogar muß51. So bestimmt die Regelung des § 6 VII der Satzung der Architektenversorgung NRW, daß der Entscheidung über den Aufnahmeantrag ein ärztliches Gutachten zugrundegelegt werden kann. Von der Verzichtsmöglichkeit auf eine vormals erteilte Befreiung sind auch hier wiederum diejenigen Berufsstandsangehörigen ausgeschlossen, die im Zeitpunkt der Verzichtserklärung die für die Pflichtmitgliedschaft maßgebende Altersgrenze überschritten haben 52 •

3. Freiwillige Versicherung und Höherversicherung

a) Freiwillige Versicherung Zum Teil sehen die Satzungen eine freiwillige Mitgliedschaft in der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ausschließlich für solche Personen vor, die zuvor als Pflichtversicherte dem Versorgungswerk angehörten und aus irgendeinem Grunde (z.B. Verlegung der beruflichen Tätigkeit außerhalb des Einzugsbereichs der Einrichtung) aus der Pflichtmitgliedschaft ausgeschieden sind 53 . Hier ist also die freiwillige Mitgliedschaft auf den Fall der freiwilligen Anschlußversicherung begrenzt. Ein Großteil der Satzungen gewährt neben der freiwilligen Anschlußversicherung an eine vorangegange Pflichtmitgliedschaft auch solchen Kammerangehörigen die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung, die von Anfang an von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen oder auf ihren Antrag befreit worden sind, setzen demgemäß in diesem Fall für eine freiwillige Versicherung nicht unbedingt eine vorangegangene Pflichtversicherung voraus 54 . Jedoch sind nach dem überwiegenden Teil der Satzungen, welche diese allgemeine Form der freiwilligen Versicherung zulassen, die Berufsstandsangehörigen von der freiwilligen Pflichtversicherung ausge50

z.B. § 6 VII Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen.

51 Z.B. § 6 VI Ärzteversorgung Westfalen-Lippe.

52 Z.B. § 6 VII Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 6 VI Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 53 Z.B. § 18 I Apothekerversorgung Bayern. 54 Z.B. § 7 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; der Frage, welche Art der freiwilligen Versicherung zugelassen ist, kommt im Zusammenhang mit der Befreiungshöchstgrenze im Körperschaftssteuer-, Gewerbesteuer- und Vermögenssteuerrecht Bedeutung zu; siehe dazu unter B, 1. Kap., 11 1 b (2).

6 Boecken

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

82

schlossen, welche die für die Pflichtmitgliedschaft maßgebende Altersgrenze überschritten haben 55 . Für die Aufnahme als freiwilliges Mitglied ist von Seiten des Berufsstandsangehörigen ein Antrag erforderlich, bei dem es sich um eine einseitige Willenserklärung handeW 6. Dieser Antrag ist Voraussetzung für den Erlaß eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes, durch den die Zulassung zur freiwilligen Versicherung von Seiten der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung erfolgt 57. Im Gegensatz zur Pflichtmitgliedschaft kann die freiwillige Mitgliedschaft nach vielen Satzungen sowohl durch die Versorgungseinrichtung als auch durch das Mitglied gekündigt werden 58 . In der Regel ist die Kündigung durch die Versorgungseinrichtung jedoch nur dann zugelassen, wenn das Mitglied mit der Leistung der Beiträge in Rückstand geraten ist 59 .

b) Höherversicherung Fast alle Versorgungseinrichtungen sehen die Möglichkeit der Höherversicherung vor, wobei diese unter verschiedenen Bezeichnungen in den Satzungen geregelt ist wie zum Beispiel "freiwillige Mehrzahlungen"60, "zusätzliche Versorgungsabgabe"61 oder auch "freiwillige Höherversicherung"62. Entsprechend der Regelung des § 11 AVG für die gesetzliche Rentenversicherung der Angestellten setzen auch die Satzungen der berufs ständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen für die Zulässigkeit der Höherversicherung eine Grundsicherung in Form der Pflicht- oder freiwilligen Mitgliedschaft voraus. Die im Rahmen der Höherversicherung entrichteten Beiträge dürfen zusammen mit den Beiträgen aus der Grundsicherung nicht den Betrag überschreiten, der eine Veranlagung der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zur Körperschaftssteuer auslösen würde 63 .

z.B. § 7 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Hahn (Fn. 10), S. 160. 57 Hahn (Fn. 10), S. 160. 58 z. B. § 18 II Apothekerversorgung Bayern: "Austrittserklärung" . 59 z.B. § 18 II S. 2 Apothekerversorgung Bayern. 60 § 21 I Apothekerversorgung Bayern. 6! § 24 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 62 § 24 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 63 z.B. § 24 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 21 II Apothekerversorgung Bayern; siehe ausführlich zu dieser Beitragsgrenze unter B, 1. Kap., II 1 b. 55

56

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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11. Der Leistungsbereich 1. Überblick über die Leistungsarten

Die in den Satzungen der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen vorgesehenen Leistungsarten bestimmen sich von der Aufgabenstellung dieser Einrichtungen her, den Mitgliedern und deren Hinterbliebenen in bestimmten Lebenssituationen eine Versorgung zu verschaffen 64 . So sehen die Satzungen Leistungen für die Versicherungsfälle Alter, Berufsunfähigkeit sowie Tod (Hinterbliebenenversorgung) vor. Über diese an die genannten Versicherungsfälle anknüpfenden Leistungen hinaus gewähren viele Satzungen auch eine Beitragserstattung bzw. -übertragung im Falle des Ausscheidens aus der Versicherungs- und Versorgungseinrichtung als Leistung65 . Da für diese Leistungsart jedoch nicht auf einen der vorgenannten Versicherungsfälle abgestellt wird, erfolgt eine nähere Betrachtung unter dem Gesichtspunkt "Mobilitätsregelungen"66.

a) Einteilung der Leistungen nach den Versicherungsfällen Alter, Berufsunfähigkeit und Tod Bei Eintritt des Versicherungsfalles Alter sehen die Satzungen die Gewährung einer Altersrente sowie überwiegend einen Kinderzuschuß vor, der unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zur Altersrente gezahlt wird 67 . Der Versicherungsfall Berufsunfähigkeit löst einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente aus, auch hier, soweit dies nach den Satzungen für die Altersrente vorgesehen ist, erhöht um einen Kinderzuschuß68. Der überwiegende Teil der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen gewährt in Zusammenhang mit der Berufsunfähigkeit eines Mitgliedes in unterschiedlichem Umfang Rehabilitationsleistungen 69 . Für den Versicherungsfall Tod enthalten die Satzungen unterschiedliche Leistungen zur Hinterbliebenenversorgung. Z.B. § 1 III Apothekerversorgung Bayern. Z.B. § 8 e Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 66 Dazu unter V. 67 Z.B. § 8 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 8 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 27 I Apothekerversorgung Bayern. 68 Z.B. § 8 u. § 16 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 27 I u. § 34 Apothekerversorgung Bayern. 69 Z.B. § 12 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 10 a Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 28 I Nr. 3 Apothekerversorgung Bayern. 64 65

6"

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

84

Durchgängig werden Witwen- bzw. Witwer- sowie Waisenrenten gewährpo Nur etwa ein Drittel der Satzungen sieht eine Geschiedenenrente für frühere Ehegatten des verstorbenen Mitgliedes vor, soweit die Ehe vor dem 1. 7.1977 geschieden worden ist 71 . Seit dem 1. 7.1977 unterliegen auch die Versorgungen aus öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen dem Versorgungsausgleich gemäß den §§ 1587 ff BGB iVm dem Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. 2.1983 72 , so daß das Institut der Geschiedenenrente für nach dem 1. 7.1977 geschiedene Ehen keine Bedeutung mehr hat7 3 . Für den Fall der Wiederheirat erhalten die rentenberechtigten Witwen oder Witwer unter Fortfall der Rente eine Kapitalabfindung 74 . Neben den vorstehend genannten Renten wird von etwa der Hälfte der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen ein Sterbegeld gezahlt7 5 , darüber hinaus sehen einige Satzungen - zum Teil anstelle des Sterbegeldes - die Leistung eines sogenannten Einmal- oder Rückgewährbetrages für den Fall vor, daß das verstorbene Mitglied keine Leistungen aus der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung erhalten hat und auch keine Versorgungsberechtigten hinterläßt7 6 • Schließlich gewähren wenige Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sogenannte Unterhaltsbeiträge an einen genau festgelegten Personenkreis, soweit das verstorbene Mitglied keine versorgungsberechtigten Personen hinterlassen hat 77 •

b) Anspruchs- und Ermessensleistungen Die Leistungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen lassen sich weiterhin in Anspruchs- und Ermessenleistungen oder, wie es teilweise auch aus der Position der Einrichtungen ausgedrückt wird, in Pflicht- und freiwillige Leistungen unterscheiden 7B • Als Anspruchsleistungen sind in den Satzungen durchgängig die Alters-, Berufsunfähigkeits- sowie Hinterbliebenenrenten ausgestaltet 79 • Ebenso z.B. § 13 I Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. z.B. § 12 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 72 BGBL 1983 I S. 105. 73 Dazu näher unter 4 b (5). 74 z. B. § 8 f i. V. m. § 18 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 8 f i. V. m. § 19 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 27 II i.V.m. § 42 I Apothekerversorgung Bayern. 75 z.B. § 18 a Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 76 z. B. § 42 II Apothekerversorgung Bayern. 77 z.B. § 43 Apothekerversorgung Bayern. 78 z.B. §§ 27, 28 Apothekerversorgung Bayern. 70

71

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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besteht auf die Geschiedenenrente als Unterfall der Witwen-/Witwerrente in den meisten Fällen ein Rechtsanspruch. Schließlich gewähren die meisten Satzungen als Anspruchsleistungen die Kapitalabfindung im Falle der Wiederheirat, das Sterbegeld sowie den Einmalbetrag für den Fall, daß das verstorbene Mitglied selbst keine Leistungen erhalten und auch keine Versorgungsberechtigten hinterlassen hat 8o • In das Ermessen der Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen sind hingegen die Rehabilitationsleistungen gestellt, soweit diese von den Satzungen vorgesehen werden 8 !. Gleichfalls um eine Ermessensleistung handelt es sich in den wenigen Fällen, in denen die Satzungen Unterhaltsbeiträge an bestimmte Personen unter der Voraussetzung vorsehen, daß das verstorbene Mitglied keine Versorgungsberechtigten hinterlassen hat 82 • c) Renten- und Kapitalleistungen

Schließlich lassen sich die Leistungen in laufend zahlbare Rentenleistungen auf der einen sowie einmalig zu erbringende Kapitalleistungen auf der anderen Seite unterscheiden. Als einmalige Kapitalleistungen sind insoweit die Kapitalabfindung im Falle der Wiederheirat, das Sterbegeld, der Rehabilitationszuschuß sowie der Einmalbetrag zu nennen. Die übrigen Leistungen, also insbesondere Alters-, Berufsunfähigkeitsund Hinterbliebenenrenten, sind nahezu ausschließlich als Rentenleistungen vorgesehen, nur in ganz wenigen Fällen ist hier in den Satzungen eine Wahlmöglichkeit zwischen Rentenbezug und einmaliger Auszahlung eines Kapitalbetrages gegeben 83 • 2. Versicherungsfall Alter

Bei Eintritt des Versicherungsfalles Alter gewähren die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen einen Anspruch auf Altersrente sowie überwiegend als zusätzliche Leistung zum Altersruhegeld einen Kinderzuschlag. 79 Z.B. § 27 I, II Apothekerversorgung Bayern; § 8 Ärzteversorgung WestfalenLippe. BO § 27 II Apothekerversorgung Bayern. B! z.B. § 10 a Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 12 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 28 I Nr. 3 Apothekerversorgung Bayern. B2 z. B. § 28 I Apothekerversorgung Bayern. 83 So § 17 Ärzteversorgung Berlin; zu den Vor- und Nachteilen einer Kapital- bzw. Rentenversorgung siehe Krekeler (Fn. 23), S. 158ff.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

a) Altersrente (1) Voraussetzungen Der Anspruch auf Altersrente setzt nach dem weitaus überwiegenden Teil der Satzungen lediglich das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze voraus, nur in wenigen Fällen wird darüber hinaus die Erfüllung einer Wartezeit und/oder die Aufgabe der Berufstätigkeit verlangt. Als normale anspruchsauslösende Altersgrenze ist die Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehen 84 . Hierbei wird auch von den meisten Satzungen kein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Mitgliedern gemacht, nur in Ausnahmefällen entsteht für letztere der Anspruch schon mit Erreichen einer früheren Altersgrenze85 . Von der zuvor genannten normalen Altersgrenze wird in einem Teil der Satzungen für solche Personen, die bei Inkrafttreten der Satzungen bereits ein bestimmtes Alter überschritten hatten, nach oben abgewichen, so daß sich die anspruchsauslösende Altersgrenze hinausschiebt86 • Der Grund für diese Abweichung gegenüber den bei Inkrafttreten der Satzungen jüngeren Mitgliedern ist darin zu sehen, daß zwar auf der einen Seite die der Altlast zuzurechnenden älteren Mitglieder trotz der Unmöglichkeit, sich noch eine eigenständige Altersversorgung aufbauen zu können, in die berufsständische Versorgung mit einbezogen werden sollen 87 , auf der anderen Seite aber dennoch ein einigermaßen angemessenes Verhältnis zwischen der Beitragsleistung einerseits und der Rentenleistung andererseits erreicht werden soll. Neben der normalen Altersgrenze kennt ein Großteil der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen auch die flexible Altersgrenze, und zwar sowohl in Form der vorgezogenen als auch in Form der hinausgeschobenen Altersgrenze88 • Zum Teil sehen die Satzungen beide Möglichkeiten vor 89 , teilweise enthalten sie aber auch nur eine der beiden Formen90 • Die früheste Möglichkeit der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes ist überwiegend mit der Vollendung des 62. Lebensjahres, 84 z.B. § 10 I S. 1 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 9 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 85 So gemäß § 15 I Ärzteversorgung Saarland für Frauen bei Vollendung des 62. Lebensjahres. 86 z. B. § 10 I 2 Architektenversorgung Nrdrhein-Westfalen; § 9 I Ärzteversorgung Berlin. 87 Dazu bereits unter I 2 b (1). 88 z.B. § 9 VII u. VIII Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 89 z.B. § 9 VII, VIII Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 10 III, IV Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 90 Nur vorgezogene Altersgrenze: § 31 II Apothekerversorgung Bayern; nur hinausgeschobene Altersgrenze: § 36 II Architektenversorgung Bayern.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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teilweise jedoch auch schon des 60. Lebensjahres gegeben 91 . Das Hinausschieben der Inanspruchnahme des Altersruhegeldes ist in der Regel nur bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres möglich 92 • Wird das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch genommen, so müssen von dem Mitglied wegen der damit verbundenen vorzeitigen Beendigung der Beitragszahlungen einerseits und der längeren Bezugsdauer der Rente andererseits nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnete Abschläge, bezogen auf die Rente, die es bei normaler Altersgrenze erhalten hätte, hingenommen werden 93 . Im umgekehrten Fall, bei der hinausgeschobenen Altersgrenze, erhöht sich die Rente, und zwar unabhängig davon, ob während dieses Zeitraumes weiterhin Beiträge gezahlt werden, wegen der nur verkürzten Bezugsdauer um einen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten Zuschlag94 . Darüber hinaus gewähren einige Satzungen einen Zuschlag - dies gilt im übrigen auch bei Inanspruchnahme des normalen bzw. vorgezogenen Altersruhegeldes - in dem Fall, daß außer dem anspruchsberechtigten Mitglied keine weiteren versorgungsberechtigten Personen vorhanden sind 95 . Neben dem Erreichen der Altersgrenze als nach den meisten Satzungen einzige Voraussetzung für den Anspruch auf Altersrente wird von nur wenigen Satzungen die Erfüllung einer Wartezeit verlangt. Soweit dies der Fall ist, wird regelmäßig eine mindestens fünf jährige Mitgliedschaft und die Zahlung von Beiträgen für 60 Monate vorausgesetzt 96 . In wenigen Ausnahmefällen handelt es sich bei den Altersrenten um bedingte Renten in dem Sinne, daß diese neben dem Erreichen der normalen oder flexiblen Altersgrenze nur unter der weiteren Voraussetzung der Berufsaufgabe bzw. Unterlassung sonstiger Erwerbstätigkeit gewährt werden 97 • So hat zum Beispiel gemäß § 19 Ia der Satzung der Notarversorgung Saarland ein Notar Anspruch auf eine Versorgungsrente, wenn er nach 91 Vollendung des 62. Lebensjahres z.B.: § 9 VII Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; Vollendung des 60. Lebensjahres z.B.: § 16 I Apothekerversorgung Niedersachsen. 92 z.B. § 9 VIII Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 10 IV Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 93 z.B. § 9 VII Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 10 III Architektenversorgung N ordrhein -Westfalen. 94 z.B. § 9 VIII Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 10 IV Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 95 So erhöht sich z.B. gemäß § 15 VII Ärzteversorgung Niedersachsen die festgestellte Altersrente um einen Zuschlag von 20%, wenn nach verbindlicher Erklärung des Mitgliedes bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden sind. 96 z.B. § 16 I S. 6 Apothekerversorgung Niedersachsen. 97 Zu dem Begriff "bedingte Altersrente" siehe Hahn (Fn. 10), S. 180; umfassender wird der Begriff von Krekeler (Fn. 23), S. 157 f., gebraucht: danach ist eine Rente auch dann bedingt, wenn sie von der Erfüllung einer Wartezeit abhängig ist.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Erfüllung der Wartezeit nach Vollendung des 70. Lebensjahres sein Amt freiwillig niedergelegt hat. Die Regelung des § 31 II der Satzung der Apothekerversorgung Bayern schränkt den Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld dahin ein, daß dieses von einem selbständigen Apotheker so lange nicht in Anspruch genommen werden kann, wie die Apotheke unter seiner Verantwortung geleitet wird. Darüber hinaus wird das vorgezogene Altersruhegeld selbständigen oder angestellten Apothekern nur gewährt, wenn eine daneben ausgeübte berufliche Tätigkeit gegen Entgelt im Sinne von § 4 I Nr. 5 AVG versicherungsfrei ist, es sich also um eine geringfügige Tätigkeit handelt. (2) Entstehung des Anspruchs und Antrag In der Regel entsteht der Anspruch auf Altersrente mit dem Ersten des Monats, welcher der Vollendung des für die Altersgrenze maßgebenden Lebensjahres folgt 98 . Zum Teil ist für die Entstehung des Anspruchs aber auch der Monat maßgebend, in dem das Rentenbezugsalter erfüllt wird 99 . Die Entstehung des Anspruchs auf Altersrente ist unabhängig davon, ob bei Erreichen der normalen Altersgrenze - bei der flexiblen Altersgrenze ist dies immer der Fall - ein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt werden mußIOO. Insoweit kommt dem Antrag keine Begründungsfunktion für den Anspruch selbst zu, vielmehr stellt der Antrag nur eine verfahrensmäßige Voraussetzung für den Erhalt der Altersrente dar. Dies kommt zum Beispiel deutlich in § 36 III S. 1 der Satzung der Apothekerversorgung Bayern zum Ausdruck, wenn es dort heißt, daß das Altersruhegeld ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung fällig wird. (3) Anrechnung anderer Leistungen Die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sehen keine Regelungen vor, die eine Anrechnung von Leistungen vorschreiben, welche der Ruhegeldempfänger aus anderen berufsständischen Sicherungseinrichtungen oder sonstigen Altersversorgungssystemen zum Zwecke der Altersversorgung erhält. Darüber hinaus enthalten die Satzungen im Regelfall aber auch keine Bestimmungen, die ein Zusammentreffen der Altersrente mit anderen Leistungen derselben Einrichtung ausschließen (zum Beispiel Altersrente und Witwenrente).

B. § 35 III Apothekerversorgung Bayern. Z.B. § 10 VIII S. 2 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 100 So z.B. § 36 I 1 Apothekerversorgung Bayern.

98 Z. 99

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

Als Ausnahmefall kann hier auf § 20 II der Saarland verwiesen werden, wonach die Altersrente und Hinterbliebenenbezügen bei den überlebenden Ehegatten entfällt. Statt höhere Rente zur Auszahlung.

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Satzung der Ärzteversorgung gleichzeitige Zahlung von verheirateten Mitgliedern an dessen kommt hier nur die

(4) Berechnung der Altersrente

Auf die Altersrentenberechnung wird erst später in Zusammenhang mit der Darstellung der Anpassungsregelungen eingegangen 1ol .

b) Kinderzuschuß (1) Voraussetzungen

Alle einen Kinderzuschuß vorsehenden Satzungen setzen für dessen Gewährung den Anspruch auf eine Altersrente als Grundleistung sowie das Vorhandensein von Kindern, die eine bestimmte Altersgrenze nicht überschritten haben dürfen, voraus. Bei dem Kinderzuschuß handelt es sich nicht um eine selbständige Leistung der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen, vielmehr wird dieser nur akzessorisch zur Altersrente gewährt 102 . Zur näheren Bestimmung der Kinder, die einen Anspruch des Mitgliedes auf einen Kinderzuschuß auslösen, enthalten die Satzungen im wesentlichen übereinstimmende "Kataloge", orientiert an der Regelung des § 39 II AVGI03. So gelten in der Regel als anspruchs auslösend eheliche Kinder (siehe §§ 1591 ff BGB), für ehelich erklärte Kinder (siehe §§ 1723 ff BGB), adoptierte Kinder (siehe §§ 1741 ff BGB), soweit die Annahme als Kind vor Vollendung eines bestimmten Lebensjahres - meist des 55. - erfolgt ist, sowie nichteheliche Kinder eines weiblichen und männlichen Mitgliedes, im letzteren Fall jedoch nur dann, wenn die Vaterschaft oder Unterhaltspflicht des Mitgliedes festgestellt istl o4 . 101 Siehe unter IV 1. 102 Z.B. § 16 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 103 Gemäß § 39 I AVG in der durch Art. 2 Nr. 16 Haushaltsbegleitgesetz 1984

(BGBl. 1983 I S. 1532) erfolgten Änderung erhöhen sich die in dieser Vorschrift genannten Renten nur noch für die Rentenberechtigten um einen Kinderzuschuß, die bereits vor dem 1. 1. 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt haben; seit dem 1. 1. 1984 wird der Kinderzuschuß bei künftigen Versicherungsfällen durch das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz ersetzt; Grund für diese Regelung ist neben der beabsichtigten Entlastung der Rentenversicherung - eine teilweise (durch den Kinderzuschuß) erfolgte Besserstellung von Rentnern gegenüber Kindergeldberechtigten abzubauen (so die Begründung in BT-Drs. 10/335, S. 60). 104 Z.B. § 16 Ii.V.m. § 13 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 17 IIi.V.m. § 15 II Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 34 I Apothekerversorgung Bayern.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Weiterhin ist Voraussetzung für den Kinderzuschuß, daß die Kinder eine bestimmte Altersgrenze nicht überschritten haben. Als Regelaltersgrenze ist in den Satzungen die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegtl 05 .• Darüber hinaus wird der Kinderzuschuß bei Vorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände bis zur Vollendung des 25. 106 bzw. 27. Lebensjahres 107 gewährt. Als Ausnahmetatbestände sind in den Satzungen die Schul- oder Berufsausbildung eines Kindes und die infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen bestehende Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, anerkanntl° B• Auch über diese besondere Altersgrenze hinaus kann ein Kinderzuschuß beansprucht werden, wenn sich die Schul- oder Berufsausbildung durch Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes verzögert hat, allerdings nur für den Zeitraum, in dem vor Vollendung der besonderen Altersgrenze Wehroder Zivildienst geleistet worden istl° 9 . Soweit die Satzungen diese Verlängerung nur im Hinblick auf die Erfüllung der Wehrdienstpflicht vorsehen 110 , müssen diese Regelungen im Falle der Ableistung des Zivildienstes entsprechend angewendet werden. (2) Entstehung des Anspruchs und Antrag Der Anspruch auf Kinderzuschuß entsteht bei Vorliegen der unter (1) dargestellten Voraussetzungen automatisch und wird zusammen mit der Altersrente gewährt, ohne daß es dafür im Regelfall eines besonderen Antrages bedürfte. Dies kommt zum Beispiel in § 16 I der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe zum Ausdruck, wonach sich die Altersrente ohne weiteres um einen Kinderzuschuß erhöht. Eine Ausnahmeregelung stellt insoweit § 17 I der Satzung der Architektenversorgung NRW dar, hier wird die Altersrente nur auf Antrag um einen Kinderzuschuß erhöht. Dem Antrag ist jedoch nur verfahrens rechtliche Bedeutung beizumessen, für die Anspruchsentstehung selbst ist er nicht von Bedeutung.

105 z.B. § 16 II S. 1 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 17 II i. V.m. § 15 I 1 Architektenversorgung N ordrhein-Westfalen. 106 z.B. § 13 I Ärzteversorgung Berlin. 107 z.B. § 16 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. lOB z.B. § 16 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 17 II i. V.m. § 15 I Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 15 II i. V.m. § 13 I Ärzteversorgung Berlin. 109 z.B. § 16 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 15 II i. V.m. § 13 I Ärzteversorgung Berlin. 110 So z.B. § 16 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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(3) Anrechnung anderer Leistungen Zum Teil sehen die Satzungen vor, daß ein Kinderzuschuß dann nicht über die Regelaltersgrenze hinaus gewährt wird, wenn das in Ausbildung befindliche Kind ein Entgelt oder Unterhaltsgelder in bestimmter Höhe bezieht. So wird gemäß § 15 Ir iVm § 13 I der Satzung der Ärzteversorgung Berlin der Kinderzuschuß dann nicht über die Regelaltersgrenze hinaus fortgezahlt, wenn dem Kind aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge, Bruttounterhalts- oder -übergangsgelder von wenigstens 1000,- DM monatlich zustehen. (4) Berechnung und Höhe des Kinderzuschusses Im Regelfall ist der Kinderzuschuß nach einem bestimmten Vomhundertsatz oder Bruchteil der Altersrente bemessen und steht damit in unmittelbarer Abhängigkeit zur Höhe der Altersrente des jeweils berechtigten Mitgliedes. Der Vomhundertsatz bzw. Bruchteil ist überwiegend auf 10% bzw. VIO der zu gewährenden Altersrente festgesetzt ll1 . Zum Teil haben die Satzungen darüber hinaus einen Mindestbetrag bestimmt, so beträgt der Kinderzuschuß gemäß § 34 Ir Apothekerversorgung Bayern mindestens 600,- DM jährlich. 3. Versicherungsfall Berufsunfähigkeit

Der Versicherungsfall Berufsunfähigkeit löst einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente sowie bei einem Großteil der Satzungen Ansprüche auf Kinderzuschuß und/oder Rehabilitationsmaßnahmen aus.

a) Berufsunfähigkeitsrente (1) Voraussetzungen Der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente setzt das Vorliegen von Berufsunfähigkeit, nach einigen Satzungen die Erfüllung einer Wartezeit sowie als "bedingter" Rentenanspruch immer die Aufgabe der Berufstätigkeit voraus. Im übrigen ist ein Anspruch regelmäßig dann ausgeschlossen, wenn der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt wurde. Maßstab für das Vorliegen von Berufsunfähigkeit ist nach allen Satzungen die Unfähigkeit eines Berufsstandsangehörigen, innerhalb des jeweiligen Berufes eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Dabei wird für die Frage der 111 z.B. § 16 III Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 17 III Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 34 II Apothekerversorgung Bayern.

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

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Erwerbsfähigkeit nicht wie in der gesetzlichen Rentenversicherung zwischen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (siehe §§ 23, 24 AVG) graduell unterschieden, vielmehr wird allein auf den völligen Verlust der Fähigkeit zur spezifischen Berufsausübung abgestellt. So setzt § 10 I der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe für den Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente voraus, daß das betreffende Berufsstandsmitglied infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des ärztlichen Berufes unfähig ist. Damit übereinstimmend heißt es in § 11 I der Satzung der Architektenversorgung NRW, daß das Mitglied infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung der Berufsaufgaben eines Architekten im Sinne von § 1 ArchG NRW unfähig sein muß. Demgemäß unterscheidet sich der Begriff der Berufsunfähigkeit in den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von dem der gesetzlichen Rentenversicherung in § 23 AVG zum einen dadurch, daß jener den völligen Verlust der Erwerbsfähigkeit voraussetzt. Zum anderen besteht ein weiterer Unterschied darin, daß als Maßstab für die Berufsunfähigkeit allein der jeweilige Beruf herangezogen wird, während in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Frage der Berufsunfähigkeit Verweisungsberufe mit in die Prüfung einbezogen werden müssen, bei denen es sich auch um berufsfremde Beschäftigungen handeln kann 112 . Im Gegensatz zu dem in § 24 AVG geregelten Erwerbsunfähigkeitsbegriff der gesetzlichen Rentenversicherung ist es für den Begriff der Berufsunfähigkeit in den Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen irrelevant, ob das Berufsstandsmitglied auch in keinem anderen Beruf mehr eine regelmäßige Erwerbstätigkeit ausüben oder nurmehr geringfügige Einkünfte erzielen kann. Die Satzungen kennen zum Teil eine Differenzierung zwischen vorübergehender und dauernder Berufsunfähigkeit ll3 , wobei jedoch inhaltlich ein und derselbe Maßstab für das Vorliegen von Berufsunfähigkeit angelegt wird. Bedeutung kommt dieser Differenzierung regelmäßig für den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung ZU 114 . Nur wenige Satzungen unterscheiden zwischen Berufsunfähigkeit und Frühinvalidität l15 , auch hier werden inhaltlich dieselben Anforderungen gestellt. Ein Fall von Frühinvalidität liegt nur dann vor, wenn die Berufsunfähigkeit vor der Vollendung eines bestimmten - meist des 55. - LebensjahWannagat, Lb., Bd. I, S. 270. m z.B. § 29 I Apothekerversorgung Bayern. 114 Dazu unter (3). 115 z.B. §§ 29, 30 Apothekerversorgung Bayern. 112

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res eintritt 1l6 . Die Satzungen, welche eine solche Differenzierung enthalten, stellen für den Anspruch auf Rente bei Frühinvalidität Sondervoraussetzungen hinsichtlich der Beitragsleistung und/oder Wartezeit auf 1l7 . Schließlich wird noch in einigen Satzungen für das Vorliegen einer anspruchs auslösenden Berufsunfähigkeit außerdem auf einen Zeitfaktor abgestellt, so daß ein Anspruch nur dann entsteht, wenn die Berufsunfähigkeit eine bestimmte Zeitdauer überschreitet (Karenzzeit)1l8. Neben der Voraussetzung der Berufsunfähigkeit wird nur in wenigen öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen für den Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente die Erfüllung einer Wartezeit vorausgesetzt 1l9 . Nach den meisten Satzungen gilt der privatversicherungsrechtliche Grundsatz der Erstprämie, das heißt, mit Zahlung des ersten Beitrages erwirbt das Mitglied bereits die Anwartschaft auf eine Berufsunfähigkeitsrente 12o . Im Gegensatz zur Altersrente handelt es sich bei der Berufsunfähigkeitsrente generell um eine sogenannte "bedingte" Rente l2l , diese wird mithin nur dann gewährt, wenn das Berufsstandsmitglied die Berufsausübung aufgibt. So besteht gemäß § 10 I der Satzung der Ärzteversorgung WestfalenLippe ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente nur unter der Voraussetzung, daß das betreffende Mitglied seine gesamte ärztliche Tätigkeit einstellt 122 .

Darüber hinaus liegt nach den meisten Satzungen eine Aufgabe der Berufsausübung auch nur dann vor, wenn das selbständige Mitglied seine Praxis oder sein Büro nicht durch einen Vertreter fortführen läßt1 23 . Bei einem angestellten Berufsstandsmitglied wird häufig darauf abgestellt, ob während der Berufsunfähigkeit noch Gehaltsfortzahlung durch den Arbeitgeber erfolgt, für diesen Zeitraum ist ein Anspruch auf Rente ausgeschlossen 124 .

z. B. § 30 I Apothekerversorgung Bayern. z.B. § 30 Apothekerversorgung Bayern. 118 z.B. § 16 I Ärzteversorgung Niedersachsen, ein Anspruch besteht danach nur dann, wenn die Berufsunfähigkeit länger als 90 Tage dauert. 119 z.B. § 18 I Notarversorgung Saarland: 5 Jahre Mitgliedschaft; manche Satzungen sehen eine Wartezeit nur für freiwillige Mitglieder vor, z.B. § 26 Apothekerversorgung Nordrhein. 120 z.B. § 10 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 11 I Architektenversorgung N ordrhein-Westfalen. 121 Dazu bereits oben unter 2 a (1). 122 Siehe z.B. auch § 11 I Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 123 z.B. § 10 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 124 z.B. § 16 I Ärzteversorgung Niedersachsen. 116

117

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Allgemein ist jedoch nur eine berufsspezifische Erwerbstätigkeit ausgeschlossen, hingegen ist eine solche in anderen Berufen für den Rentenanspruch bedeutungslos 125 • Schließlich gewähren die meisten öffentlich-rechtlichen Versicherungsund Versorgungseinrichtungen nur unter der Voraussetzung einen Anspruch, daß der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde 126 . Zum Teil wird der Ausschluß auch auf das Vorliegen bestimmter Tatbestände konkretisiert wie zum Beispiel in § 27 VI der Tierärzteversorgung Nordrhein, wonach ein Anspruch entfällt, wenn die Berufsunfähigkeit durch Selbstverstümmelung oder Suchtkrankheiten verursacht worden ist. Eine solche konkrete Regelung enthebt der Problematik, die sich bei der Verwendung des allgemeinen Begriffs Vorsatz stellt, inwieweit nämlich die durch Selbstmordversuch oder Suchtkrankheiten verursachte Berufsunfähigkeit vorsätzlich herbeigeführt worden ist1 27 • (2) Verfahren zur Feststellung der Berufsunfähigkeit Im Regelfall muß die Berufsunfähigkeit von dem Berufsstandsmitglied durch ärztliche Gutachten nachgewiesen werden 126 , wobei viele Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in der Weise verfahren, daß sowohl das Mitglied als auch die Einrichtung jeweils ein Gutachten beizubringen haben und im Falle voneinander abweichender Beurteilungen ein Obergutachten einzuholen ist1 29 . Darüber hinaus sehen alle Satzungen die Möglichkeit einer Nachuntersuchung vor, um das Vorliegen der Berufsunfähigkeit auch noch zu einem späteren Zeitpunkt prüfen zu können 130 . (3) Entstehung des Anspruchs und Antrag Nach allen Satzungen ist für die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente die Stellung eines Antrages erforderlich. Zu unterscheiden ist zwischen der Anspruchsentstehung selbst und dem Zahlungsanspruch, also dem Fälligkeitszeitpunkt, nur für letzteren kommt dem Antrag regelmäßig Bedeutung zu, während der Anspruch unabhängig 125 Ausnahme: § 27 XI Tierärzteversorgung Nordrhein, danach ist während des Bezuges der Berufsunfähigkeitsrente jede Berufstätigkeit untersagt. 126 Z.B. § 37 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 37 I Architektenversorgung N ordrhein-Westfalen. 127 Siehe zu dieser Problematik im Rahmen von § 54 AVG/§ 1277 RVO Verbandskommentar zur RVO, Bd. 11, § 1277, Rdn. 2. 128 Z.B. § 29 111 Apothekerversorgung Bayern. 129 Z.B. § 16 I Ärzteversorgung Niedersachsen. 130 Z.B. § 10111 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 11 IV Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen.

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von einem Antrag bei Vorliegen der unter (1) dargestellten Voraussetzungen entsteht. So heißt es zum Beispiel in § 10 II der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, daß die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente drei Monate nach Einstellung der ärztlichen Tätigkeit beginnt, vorausgesetzt, der Antrag ist innerhalb dieser Zeit bei der Einrichtung eingegangen. Der Anspruch selbst entsteht schon mit Vorliegen der Voraussetzungen, so daß eine rückwirkende Zahlung ab dem Zeitpunkt der Einstellung der Berufstätigkeit erfolgt. Die Satzungen, welche zwischen vorübergehender und dauernder Berufsunfähigkeit unterscheiden 13 1, sehen oftmals einen unterschiedlichen Zeitpunkt der Anspruchsentstehung vor. So entsteht gemäß § 35 I der Satzung der Apothekerversorgung Bayern der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente mit Eintritt der Berufsunfähigkeit und Einstellung der beruflichen Tätigkeit, während bei vorübergehender Berufsunfähigkeit der Anspruch erst mit Ablauf von sechs Monaten entsteht (§ 35 II). (4) Wegfall des Anspruchs Im wesentlichen enthalten die Satzungen vier Tatbestände, bei deren Vorliegen der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente endet. Im einzelnen handelt es sich hierbei um den Fortfall der Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit, den Tod des Berechtigten, das Erreichen der Altersgrenze und die dadurch ausgelöste Umwandlung in einen Anspruch auf Altersrente sowie den Fall, daß sich das Mitglied einer angeordneten Nachuntersuchung entzieht 132 . (5) Anrechnung anderer Leistungen Ebenso wie bei der Altersrente kennen die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen auch in bezug auf die Berufsunfähigkeitsrente keine Regelungen, die eine Anrechnung von Leistungen anderer Versorgungs systeme aus Anlaß der Berufsunfähigkeit vorsehen würden. Nur ausnahmsweise enthalten manche Satzungen Anrechnungsvorschriften für den Fall, daß eine Berufsunfähigkeitsrente mit einer anderen Leistung derselben Versorgungseinrichtung zusammentrifft. So schließt § 20 II der Satzung der Ärzteversorgung Saarland bei verheirateten Mitgliedern die gleichzeitige Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente und Hinterbliebenenrente an den überlebenden Ehegatten aus. In diesem Fall kommt nur die höhere Rente zur Auszahlung.

131 132

Z.B. § 29 I Apothekerversorgung Bayern. Z.B. § 10 IV Ärzteversorgung Westfalen-Lippe.

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(6) Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente Insoweit erfolgt die Darstellung in Zusammenhang mit der Berechnung der Altersrente 133 .

b) Kinderzuschuß Die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, welche zusätzlich zur Altersrente einen Kinderzuschuß gewähren, sehen diese Leistung auch in Zusammenhang mit der Berufsunfähigkeitsrente vor 134 • Hierbei entsteht der Anspruch für das wegen Berufsunfähigkeit rentenberechtigte Mitglied unter denselben Voraussetzungen wie bei dem Kinderzuschuß zur Altersrente, so daß insoweit auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann 135 • Hinsichtlich der Berechnung und Höhe besteht ebenfalls kein Unterschied gegenüber dem Kinderzuschuß zur Altersrente, in Ausnahmefällen wird jedoch für den Kinderzuschuß zur Berufsunfähigkeitsrente ein höherer Vomhundertsatz derselben als bei der Altersrente zugrundegelegt1 36 • c) Rehabilitationsleistungen

Der überwiegende Teil der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sieht Leistungen in Zusammenhang mit Rehabilitationsmaßnahmen vor, bei denen es sich um subsidiäre Ermessensleistungen handelt, die in der Regel in Form von Zuschüssen erbracht werden. Der Begriff der Rehabilitationsmaßnahmen wird in den meisten Satzungen nicht näher erläutert. Soweit dies dennoch der Fall ist, werden nach einigen Satzungen allein medizinisch notwendige Heilbehandlungen als Rehabilitationsmaßnahmen anerkannt1 37 , nach anderen erstrecken sich diese auf Heilbehandlung und Berufsförderung 13B .

Siehe unter IV 1. Z.B. § 16 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 17 I Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 135 Siehe unter 2 b. 136 SO Z. B. § 22 III Ärzteversorgung Niedersachsen: Kinderzuschuß zur Altersrente beträgt 5% derselben, Kinderzuschuß zur Berufsunfähigkeitsrente beträgt 10% derselben. 137 Z.B. § 12 III Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 138 Z.B. § 10 XI, XII Ärzteversorgung Nordrhein. 133 134

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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(1) Voraussetzungen Voraussetzung für die Erbringung von Rehabilitationsleistungen ist nach allen Satzungen zunächst die Notwendigkeit sowie Erfolgsaussicht von Rehabilitationsmaßnahmen. Für die Frage der Notwendigkeit wird im Regelfall darauf abgestellt, daß die Berufsfähigkeit eines Berufsstandsmitgliedes infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet, gemindert oder aufgehoben ist1 39 • Damit wird für die Frage der Notwendigkeit von Rehabilitationsmaßnahmen an den Begriff der Berufsunfähigkeit angeknüpft, wobei die Einrichtungen überwiegend schon bei einer Gefährdung der Berufsfähigkeit und nicht erst bei bereits eingetretener Berufsunfähigkeit Rehabilitationsleistungen gewähren 140. Neben der Notwendigkeit von Rehabilitationsmaßnahmen ist weiterhin zu prüfen, ob eine Erfolgsaussicht dahingehend besteht, daß die Berufsfähigkeit der Berufsstandsmitglieder durch die beabsichtigten Rehabilitationsmaßnahmen voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann 141 . Über die Notwendigkeit sowie Erfolgsaussichten der Rehabilitationsmaßnahmen hinaus setzen die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen regelmäßig voraus, daß das betroffene Mitglied bereits eine Anwartschaft auf Berufsunfähigkeitsrente erlangt hat oder aber schon Berufsunfähigkeitsrente bezieht 142 . Schließlich ist für die Erlangung von Rehabilitationsleistungen nach allen Satzungen Voraussetzung, daß nicht ein Dritter zur Erbringung von Leistungen für die Durchführung einer Rehabilitation kraft Gesetzes oder Satzung verpflichtet ist. Insoweit nämlich eine solche Verpflichtung besteht, schließen die berufsständischen Sicherungseinrichtungen jede Rehabilitationsleistung aus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob von dritter Seite auch tatsächlich Leistungen erbracht werden 143 . Als möglicherweise zur Erbringung von Rehabilitationsleistungen verpflichtete Dritte werden regelmäßig die Träger der Sozialversicherung, insbesondere eine Berufsgenossenschaft oder die Bundesanstalt für Arbeit, sowie die Kriegsopferversorgung genannt. Darüber hinaus wird eine Rehaz.B. § 16a I Ärzteversorgung Niedersachsen. Anders z.B. § 10a I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, wonach Rehabilitationsleistungen nur bei bereits festgestellter Berufsunfähigkeit zur Wiederherstellung gewährt werden können. 141 z.B. § 16a I Ärzteversorgung Niedersachsen. 142 z.B. § 16a I Ärzteversorgung Niedersachsen; § ISa I Ärzteversorgung Berlin. 143 z.B. § 16a III Ärzteversorgung Niedersachsen; § 10a II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 139

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7 Boecken

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bilitationsleistung aber auch dann ausgeschlossen, wenn ein Berufsstandsmitglied als Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst Anspruch auf Beihilfe oder Tuberkulosehilfe hat1 44 . (2) Form der Rehabilitationsleistungen Wie schon einleitend erwähnt, gewähren die meisten öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen Rehabilitationsleistungen nur in Form von Geldzuschüssen l45 . Nur in wenigen Fällen werden die Rehabilitationsmaßnahmen gemäß dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Sachleistungsprinzip von den Einrichtungen selbst oder von durch diese beauftragten Dritten durchgeführt 146 . Damit gilt im Rahmen der Rehabilitationsleistungen für die berufsständischen Sicherungseinrichtungen vornehmlich das privatversicherungsrechtliche Kostenerstattungsprinzip. (3) Antrag und Verfahren Die ausnahmslos als Ermessensleistungen ausgestalteten Rehabilitationsleistungen werden von den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen nur auf Antrag gewährt. Dabei hat der Antragsteller Notwendigkeit und Erfolgsaussicht der Rehabilitationsmaßnahmen durch ärztliches Gutachten nachzuweisen, darüber hinaus die notwendigen Kosten l47 . Über die Gewährung der Rehabilitationsleistung entscheidet sodann das nach der jeweiligen Satzung zuständige Organ. 4. Versicherungsfall Tod

Die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sehen bei Eintritt des Versicherungsfalles Tod verschiedenartige Leistungen vor. Neben den in erster Linie gewährten Witwen- bzw. Witwer- sowie Waisenrenten werden von einem Teil der Einrichtungen auch Renten an den geschiedenen Ehepartner erbracht. An die Stelle der im Falle einer Wiederheirat der hinterbliebenen Ehegatten entfallenden Rente tritt regelmäßig eine Kapitalabfindung in satzungsmäßig festgelegter Höhe. Z.B. § 10a II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Z.B. § 10a I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 146 So z.B. § 12 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; beide Möglichkeiten alternativ sieht z.B. die Bayerische Apothekerversorgung vor, vgl. § 5 der Richtlinien für Rehabilitationsmaßnahmen vom 11. 4.1973, Anhang F der Satzung. 147 Z.B. § 16a II, III Ärzteversorgung Niedersachsen. 144 145

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Darüber hinaus wird von den Einrichtungen - wenn auch nicht von allen - ein Sterbegeld sowie zum Teil anstelle, zum Teil aber auch kumulativ zum Sterbegeld ein Einmalbetrag für den Fall, daß weder das verstorbene Mitglied noch seine Hinterbliebenen Ansprüche geltend machen konnten, gezahlt. Im letzteren Fall erbringen wenige Einrichtungen auch Leistungen in Form von freiwilligen Unterhaltsbeiträgen an Angehörige des verstorbenen Mitgliedes.

a) Witwen- bzw. Witwerrente (1) Voraussetzungen Primäre Voraussetzung für den Anspruch des hinterbliebenen Ehegatten auf Witwen- oder Witwerrente ist der Tod des versorgungsberechtigten Berufsstandsmitgliedes. Daneben machen alle Satzungen das Nichtvorliegen bestimmter Ausschlußgründe zur Verhinderung von Mißbräuchen zur Leistungsvoraussetzung, nur in Ausnahmefällen muß von dem verstorbenen Mitglied zusätzlich eine Wartezeit erfüllt worden sein. Für die Gewährung von Witwen- und Witwerrenten stellen die Satzungen der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen keine unterschiedlichen Voraussetzungen auf 148 • Bei den Ausschlußgründen, die einen Mißbrauch der Hinterbliebenenrente verhindern sollen, lassen sich im wesentlichen folgende vier Fallgruppen unterscheiden, die von den einzelnen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in unterschiedlichem Umfang als Hinderungstatbestände berücksichtigt werden: die Ehe ist nach der Vollendung eines bestimmten Lebensalters des verstorbenen Mitgliedes geschlossen worden und hat bis zu dessen Tod eine festgelegte Dauer nicht erreichtI 49 ; 148

Dies gilt nunmehr auch für die gesetzliche Rentenversicherung, nachdem zum

1. 1. 1986 das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerken-

nung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 11.7. 1985 (BGBl. 1985 I S. 1450) in Kraft getreten ist; zu der Diskussion über die Reform der Hinterbliebenenrenten, insbesondere die damit eingeführte Anrechnung von Erwerbseinkommen und bestimmten Einkommensersatzleistungen siehe v. Maydell, DRV 1984, S. 662ff. (m. w.N., S. 662, Fn. 4 und 5); ders., DAngVers 1984, S. 101ff.; Kolb, DRV 1984, S. 635ff.; Hauck / Bokeloh, DRV 1984, S. 650ff.; Schmidt, Die Rentenversicherung 1984, S. 205ff. sowie Ruland, NJW 1986, S. 20ff. (mit ausführlichen Literaturnachweisen in Fn. 2). - Zur Bewertung des Anrechnungsmodells durch die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungswerke siehe Arbeit und Sozialpolitik 1984, S. 269; verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anrechnungsregelung im Hinblick auf berufsständische Versorgungswerke äußert v. Maydell in Arztrecht 1985, S. 263ff. (266ff.). 149 Z.B. § 12 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: danach ist ein Anspruch ausgeschlossen, wenn die Ehe nach Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen wurde und nicht mindestens 3 Jahre gedauert hat. 7*

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die sogenannte Nachheirat, das heißt, die Ehe ist erst während des Bezuges von Berufsunfähigkeits- oder Altersrente geschlossen worden, wobei auch hier nach manchen Satzungen bei Vorliegen einer bestimmten Ehedauer bis zum Eintritt des Todes bzw., wenn aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist1 5o , dennoch ein Anspruch bestehen kann 151 ; die sogenannte Versorgungsehe, das heißt, die Ehe ist erst kurz vor dem Tod des Mitgliedes geschlossen worden, wobei eine Rente dennoch gewährt wird, wenn keinerlei Anhaltspunkte für die Vermutung vorliegen, daß die Ehe allein aus dem Zweck geschlossen wurde, dem hinterbliebenen Ehepartner eine Versorgung zu verschaffen I52 ; - der hinterbliebene Ehegatte hat den Tod des Mitgliedes vorsätzlich herbeigeführt 153 . Nur wenige Satzungen verlangen die Erfüllung einer Wartezeit 154, im Regelfall entsteht die Antwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung schon mit Zahlung des ersten Beitrages (Erstprämie)155. (2) Anspruchsentstehung, -ende und Antrag

Soweit ersichtlich, bedarf es nur in wenigen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen eines speziellen Antrages, um das Verfahren zur Gewährung von Hinterbliebenenrenten einzuleiten 156 . Der Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente entsteht zum Teil ab dem Folgemonat nach dem Tode des Berufsstandsmitgliedes 157 , teilweise aber auch schon am folgenden Tag158 . Nach allen Satzungen endet der Anspruch außer im Falle des Todes des überlebenden Ehegatten mit dessen Wiederverheiratung l59 , an die Stelle der Rente tritt dann regelmäßig eine Kapitalabfindung 160 .

z.B. § 16 III Zahnärzteversorgung Hamburg. z.B. § 38 II Apothekerversorgung Bayern. 152 z.B. § 16 IV Ärzteversorgung Saarland (vgl. auch § 19 I Nr. 1 BeamtVG). 153 z. B. § 37 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (vgl. auch § 54 I AVG). 154 So § 4 I Rechtsanwaltsversorgung Saarland, danach sind 5 Jahre Mitgliedschaft erforderlich. 155 Siehe z. B. § 11 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: "Anwartschaft auf Berufsunfähigkeitsrente" . 156 Siehe z.B. § 12 V Zahnärzteversorgung Hamburg. 157 z.B. § 13 II Ärzteversorgung Hamburg. 158 z.B. § 41 I Apothekerversorgung Bayern. 159 z.B. § 18 11 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 19 I Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 160 Dazu unter c. 150 151

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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(3) Berechnung der Witwen-/Witwerrente Die Witwen- bzw. Witwerrente wird durchgängig nach einem bestimmten Vomhundertsatz bzw. Bruchteil der Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente berechnet, welche das verstorbene Mitglied bezogen hat oder auf welche es im Zeitpunkt des Todes Anspruch gehabt hätte. Im letzteren Fall wird von den Satzungen zum Teil die zu erwartende Berufsunfähigkeitsrente, zum Teil aber auch die zu erwartende Altersrente als Berechnungsgrundlage herangezogen. Als Beispiel kann hier auf die Regelung des § 15 I der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe verwiesen werden, wonach gemäß Buchstabe a) dieser Bestimmung die Berechnung der Witwen- bzw. Witwerrente nach der von dem verstorbenen Mitglied bezogenen Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente erfolgt. Bezog das Mitglied keine dieser Renten, so ist die Rente für den hinterbliebenen Ehegatten gemäß Buchstabe b) aufgrund von § 10 VI zu berechnen, der die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente regelt. Die Höhe des Vomhundertsatzes bewegt sich innerhalb einer Bandbreite von 50% bis 70% der nach den jeweiligen Satzungen maßgebenden Rente l61 , überwiegend beträgt die Witwen- bzw. Witwerrente jedoch 60% der zugrundegelegten Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente l62 . Einige wenige Satzungen sehen die Leistung von Mindestbeträgen vor, so gewährt zum Beispiel die Apothekerversorgung Bayern mindestens 1500,- DM jährlich gemäß § 40 I der Satzung. Die Renten unterliegen bei einem Großteil der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen dann in genau festgelegtem Umfang einer Kürzung, wenn zwischen dem verstorbenen Mitglied und dem hinterbliebenen Ehegatten ein sehr großer Altersunterschied bestand, wobei die Kürzung in einigen Fällen jedoch unterbleibt oder nur eingeschränkt erfolgt, wenn die Ehe eine gewisse Dauer erreicht hat oder aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind 163. Eine weitere Kürzung der Rente für den hinterbliebenen Ehegatten kann sich daraus ergeben, daß die Hinterbliebenenrenten zusammen (Witwen-/ Witwer- und Waisenrenten) eine in vielen Satzungen festgelegte Höchstgrenze nicht übersteigen dürfen. Diese orientiert sich zumeist an der von dem verstorbenen Mitglied bezogenen oder im Zeitpunkt des Todes zu erwartenden Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente l6 4, wird von manchen Satzungen aber auch bis zu 150% der jeweils maßgebenden Rente festge161 z.B. 50%: § 16 VI Zahnärzteversorgung Berlin; 70%: § 17 IV Ärzteversorgung Hamburg. 162 So z.B. § 15 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 163 z. B. § 24 III Zahnärzteversorgung Hessen. 164 z.B. § 16 IX Ärzteversorgung Saarland.

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setzt1 65 . Soweit die Hinterbliebenenbezüge die festgesetzte Höchstgrenze überschreiten, sind sie anteilig zu kürzen l66 . (4) Anrechnung anderer Leistungen Ebenso wie bei der Alters- und Berufsunfähigkeitsrente rechnen die berufsständischen Sicherungseinrichtungen auch bei den Witwen- oder Witwerrenten keine Leistungen an, die von anderen Stellen aus Anlaß des Versicherungsfalles geleistet werden. Vereinzelt sehen die Einrichtungen jedoch Regelungen für das Zusammentreffen von Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten einerseits sowie Hinterbliebenenrenten andererseits vor l67 . So entfällt gemäß § 20 II der Satzung der Ärzteversorgung Saarland die gleichzeitige Zahlung von Alters- bzw. Berufsunfähigkeitsrente und Hinterbliebenenrente an einen überlebenden Ehegatten, stattdessen wird nur die höhere der beiden Renten ausgezahlt.

b) Geschiedenenrente Knapp die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen gewährt im Todesfall des versorgungsberechtigten Berufsstandsmitgliedes eine Rente an dessen früheren Ehegatten, soweit die Ehe vor dem 1. 7.1977 geschieden worden ist1 68 . Seit diesem Zeitpunkt unterliegen auch die Rentenanwartschaften aus öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen dem Versorgungsausgleich gemäß den §§ 1587 ff. BGB i.V.m. dem Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungs ausgleich (VAHRG)l69, so daß für die anschließend erfolgenden Scheidungen das Institut der Geschiedenenrente bedeutungslos geworden ist1 70 . Regelmäßig gewähren die Satzungen bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch auf die Geschiedenenrente, nur in Ausnahmefällen handelt es sich um eine Ermessensleistung l71 .

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Z.B. § 21 VIII Apothekerversorgung Hessen (150%). Z.B. § 21 VIII Apothekerversorgung Hessen. z. B. § 20 II Ärzteversorgung Saarland; § 20 Ärzteversorgung Trier. Zur Zulässigkeit der Streichung einer solchen Regelung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes siehe das Urteil des BVerwG vom 7.12.1976 in Buchholz 430.4, Kammerrecht/Berufsständisches Versorgungsrecht, Nr. 8. 169 Vom 21. 2. 1983, BGBl. 1983 I S. 105. 170 Siehe zum Versorgungsausgleich unter (5). 171 z.B. § 20 II Zahnärzteversorgung Rheinland-Pfalz.

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(1) Voraussetzungen Für einen Anspruch auf Geschiedenenrente muß die Ehe mit dem verstorbenen Berufsstandsmitglied vor dem 1. 7.1977 geschieden worden sein 172 . Zum Teil stellen einige Satzungen dem Tatbestand der Scheidung (siehe §§ 1564 ff. BGB) in Übereinstimmung mit § 42 AVG die Tatbestände der Nichtigerklärung (§§ 16 ff. EheG) sowie der Aufhebung (§§ 28 ff. EheG) einer Ehe vor dem 1. 7.1977 gleich l73 . Neben der Scheidung oder, soweit gleichgestellt, auch Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe wird in den entsprechenden Satzungsbestimmungen weiterhin vorausgesetzt, daß das verstorbene Berufsstandsmitglied gegenüber dem früheren Ehegatten verpflichtet war, nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten l74 . Ob eine Verpflichtung zum Unterhalt nach dem Ehegesetz bestand, ist insoweit nach den §§ 58, 59, 60 und 63 EheG vom 20.2.1946 175 zu beurteilen, die zwar durch das 1. EheRG vom 14.6.1976 176 aufgehoben worden sind, jedoch für die vor dem 1. 7.1977 geschiedenen Ehen weitergelten. Eine Unterhaltspflicht aus sonstigen Gründen konnte sich für das verstorbene Mitglied zum Beispiel aus zwischen diesem und dem früheren Ehegatten abgeschlossenen Unterhaltsverträgen für die Zeit nach der Scheidung ergeben. Nur in Ausnahmefällen wird noch die weitere Voraussetzung aufgestellt, daß der frühere Ehegatte schuldlos oder aus überwiegendem Verschulden des verstorbenen Mitgliedes geschieden worden ist l77 . (2) Anspruchsentstehung, -ende und Antrag Insoweit enthalten die Satzungen keine besonderen Regelungen gegenüber der Witwen- bzw. Witwerrente, so daß auf die dazu gemachten Ausführungen verwiesen werden kann l78 . (3) Berechnung der Geschiedenenrente Auch hierzu finden sich regelmäßig keine besonderen Bestimmungen in den Satzungen, so daß sich die Berechnung und Höhe der Geschiedenenz.B. § 18 II Ärzteversorgung Niedersachsen. z.B. § 11 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 174 z.B. § 12 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 12 II Ärzteversorgung Berlin. 175 Gesetz Nr. 16 in Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland (KRABl.) S. 77 = BGBL III 404-l. 176 BGBL 1976 I S. 142l. 177 So z.B. § 20 II Zahnärzteversorgung Rheinland-Pfalz. 178 Siehe oben unter a (2). 172 173

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rente nicht von den für die Witwen- bzw. Witwerrente dargestellten Grundsätzen unterscheiden 179 • Als Ausnahmefall ist hier, soweit ersichtlich, nur die Regelung des § 41 III S. 2 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung zu nennen, wonach die Höhe des Anspruchs auf den Betrag des Unterhaltsanspruchs beschränkt ist, welchen der frühere Ehegatte zu Lebzeiten des Mitgliedes gegen dieses hatte. Eine Besonderheit hinsichtlich der Höhe ergibt sich nach allen Satzungen immer dann, wenn aus mehreren Ehen unterhaltsberechtigte Ehegatten vorhanden sind. Da die auf den Ehepartner bezogene Hinterbliebenenrente nur einmal entweder als Witwen- bzw. Witwer- oder Geschiedenenrente gezahlt wird, erfolgt in diesen Fällen nämlich eine Auf teilung der Hinterbliebenenrente unter den Berechtigten, wobei diese Auf teilung in den Satzungen unterschiedlich vorgenommen wird: nach einigen Satzungen erfolgt eine Aufteilung zu gleichen Teilen 180 , nach dem überwiegenden Teil der einschlägigen Regelungen erfolgt die Aufteilung jedoch unter den Berechtigten im Verhältnis der Anzahl der Ehejahre 181 • Für den Fall, daß einer der Berechtigten wegfallen sollte, wird zum Teil ausdrücklich bestimmt, daß hierdurch die Ansprüche der anderen der Höhe nach nicht berührt werden 182 , in Ausnahmefällen ist hingegen eine Anwachsung bei den anderen Berechtigten vorgesehen 183 . (4) Anrechnung anderer Leistungen Nur in einem Ausnahmefall werden auf die Geschiedenenrenten Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder sonstige Hinterbliebenenleistungen, die sich von dem Verstorbenen herleiten, angerechnet1 84 . Hinsichtlich neben der Geschiedenenrente bestehender weiterer Ansprüche gegen dieselbe Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung sind keine Anrechnungsvorschriften ersichtlich.

Siehe oben unter a (3). Z.B. § 12 III Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 18 II Ärzteversorgung Niedersachsen. 181 Z.B. § 14 IV Ärzteversorgung Hamburg; § 43 II Ärzteversorgung Bayern; diese Aufteilung der Hinterbliebenenrente ist mit dem Grundgesetz vereinbar, so das Bundesverfassungsgericht zu den vergleichbaren Bestimmungen der §§ 45 IV AVG und 1268 IV RVO, siehe FamRZ 1984, S. 458ff. 182 z.B. § 12 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 183 z. B. § 43 II Ärzteversorgung Bayern. 184 So § 20 II Zahnärzteversorgung Rheinland-Pfalz. 179

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(5) Versorgungsausgleich

(a) Der Versorgungsausgleich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungs ausgleich (VAHRG)185 Wie schon einleitend kurz dargestellt 186 , unterfallen die Rentenanwartschaften in den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen dem seit dem 1. 7.1977 im Falle der Scheidung geltenden Versorgungsausgleich (§§ 1587ff. BGB). Die Feststellung des maßgebenden Wertes der Rentenanwartschaften aus den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen zwecks Ermittlung des Wertunterschiedes zwischen den während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften der Ehegatten richtet sich nach der Bestimmung des § 1587a 11 Nr. 4 BGB187, wobei für die Frage, welcher der in Nr. 4 genannten Bewertungsmaßstäbe eingreift, auf die in den einzelnen Satzungen vorgesehene Berechnungsart der Rente abzustellen ist1 88 . Ergibt sich aufgrund dieser Ermittlung ein auszugleichender Wertunterschied zwischen den Anwartschaften der Ehegatten, so ist ein Versorgungs ausgleich durchzuführen. Soweit das Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtung ausgleichsverpflichtet ist, erfolgte der Ausgleich nach Einführung des Versorgungsausgleichs zunächst - wenn nicht ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich gemäß den §§ 1587 f ff. BGB durchgeführt oder eine andere Form des Ausgleichs durch Parteivereinbarung unter den Voraussetzungen des § 15870 BGB gewählt wurde - dadurch, daß das Mitglied zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten gemäß der Vorschrift des § 1587b III S. 1 BGB in Höhe des geschuldeten Ausgleichs Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Beitragszahlung zu begründen hatte. Dies führte auf der einen Seite zwar dazu, daß die Rentenanwartschaft des Mitgliedes von dem Versorgungsausgleich selbst unberührt blieb, hatte jedoch auf der anderen Seite zur Folge, daß für die Mitglieder je nach Höhe der bis zur Scheidung während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften zum Teil sehr hohe Leistungsverpflichtungen entstanden, welche die Leistungsfähigkeit der Berufsstandsangehörigen oftmals überstiegen 189 . Vom 21. 2. 1983, BGBl. 1983 I S. 105. Siehe oben b. 187 Palandt / Diederichsen, Komm. z. BGB, § 1587 a, Anm. 3 B. 188 Zur Berechnung der Renten siehe unter IV; zur Umrechnung unterschiedlicher Versorgungen gemäß § 1587 a III BGB zum Zwecke der Vergleichbarkeit siehe ausführlich unter IV 2 c. 189 Vgl. v. Maydell, Arztrecht 1983, S. 205ff. (205), der darauf hinweist, daß der Umfang der Verpflichtung gerade aus dem Umstand deutlich wird, daß im Jahre 1982 185

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Die Bestimmung des § 1587b III S. 1 BGB wurde durch Beschluß des BVerfG vom 27.1.1983 190 wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für verfassungswidrig erklärt l91 , da das gesetzgeberische Ziel einer eigenständigen sozialen Sicherung des ausgleichsberechtigten Ehegatten bei den unter diese Regelung fallenden Versorgungen weitgehend auch auf eine den Verpflichteten schonendere Weise hätte erreicht werden können l92 . Nahezu gleichzeitig hat der Gesetzgeber durch das VAHRG193 vorläufige Maßnahmen zur Beseitigung der Beitragszahlungspflicht im Versorgungsausgleich getroffen (siehe Überschrift zu den §§ 1 - 3 VAHRG), die gemäß § 13 I VAHRG mit Wirkung vom 1. 4.1983 in Kraft getreten sind und zunächst bis zum 31.12.1986 gemäß § 13 III VAHRG Geltung haben. Nach der Regelung des § 1 I VAHRG gelten nunmehr für andere als die nach § 1587b I und 11 BGB auszugleichenden Versorgungsanrechte anstelle der bisher in § 1587b III S. 1 BGB festgelegten Beitragszahlungspflicht die in den §§ 1 - 3 VAHRG getroffenen Bestimmungen.

(b) Das VAHRG und seine Bedeutung für die öffentlichrechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen (aa) Die nach dem VAHRG möglichen Ausgleichsformen Gemäß der Bestimmung des § 1 11 S. 1 VAHRG begründet das Familiengericht für den anderen Ehegatten ein Anrecht außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die für ein Anrecht des Verpflichteten maßgebende Regelung dies vorsieht. Satz 2 der Vorschrift ordnet an, daß das Nähere nach den Regelungen über das auszugleichende und das zu begründende Anrecht bestimmt wird. Mit dieser vom Gesetzgeber als Realteilung bezeichneten Ausgleichsform bestehen nunmehr für andere als die in ~ 1587b I und 11 BGB genannten zur Begründung einer monatlichen Anwartschaft von 100,- DM in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Kapitalbetrag von fast 18000,- DM erforderlich war; siehe z.B. den Vorlagebeschluß des OLG Bremen in NJW 1980, S. 702, hiernach sollte der Ausgleichsverpflichtete rund 70000,- DM an die BfA zur Begründung einer Rentenanwartschaft zahlen; BVerfG in FamRZ 1983, S. 342ff.; Urteilsanmerkung Ruland in FamRZ 1983, S. 566f. 190 BVerfG in FamRZ 1983, S. 342ff.; Urteilsanmerkung Ruland in FamRZ 1983, S.566f. 191 Zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmung schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts siehe nur: OLG Bremen in NJW 1980, S. 702; Bogs, H., FamRZ 1978, S. 81ff. (89/90); Vorschläge des Deutschen Familiengerichtstages zur Reform des Versorgungsausgleichs in FamRZ 1982, S. 672ff. 192 BVerfG in FamRZ 1983, S. 342ff. (347f.). 193 Ausführlich dazu Hahne / Glockner, FamRZ 1983, S. 221 ff.; Friederici, NJW 1983, S. 785ff.; Gutdeutsch / Lardschneider, FamRZ 1983, S. 845ff.; Bergner, DRV 1983, S. 215ff.

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Anrechte zwei Möglichkeiten des Versorgungsausgleichs: für den Ausgleichsberechtigten können außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung entweder Anwartschaften bei den Versorgungs trägern des Verpflichteten selbst oder zu dessen Lasten bei einem anderen Versorgungsträger begründet werden 194 . Voraussetzung für diese Ausgleichsform ist allerdings, daß der jeweilige Versorgungsträger eine Regelung geschaffen hat, die eine Realteilung vorsieht. Bezüglich der Durchführung und Ausgestaltung des Versorgungsausgleichs in der Form der Realteilung ist den Leistungsträgern durch Satz 2 des § 1 II VAHRG ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden, indem jene nämlich in ihren jeweiligen Ausgleichsregelungen das Nähere zu bestimmen haben. Dadurch soll erreicht werden, daß das neu begründete Anrecht an den individuellen Vorsorgebedarf des Berechtigten angepaßt werden kann 195. Die hiernach von den Versorgungsträgern für den Fall der Einführung der Realteilung zu erlassenden Rechtsnormen oder (privatrechtlichen) Versorgungsordnungen müssen mit höherrangigem Recht vereinbar sein und die anerkannten Prinzipien des Versorgungs ausgleichs berücksichtigen 196 • Ist ein Ausgleich gemäß § 1 II VAHRG im Wege der Realteilung nicht möglich, weil diese Ausgleichsform von dem entsprechenden Versorgungsträger nicht vorgesehen ist, so gelten - sofern sich das auszugleichende Anrecht gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger richtet nach der Regelung des § 1 III VAHRG die Vorschriften über den Ausgleich von Anrechten aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis sinngemäß. Auf diese von dem Gesetzgeber als Quasi-Splitting bezeichnete Ausgleichsform 197 ist danach das in § 1587b II BGB geregelte Verfahren für beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften entsprechend anzuwenden, wobei mit der in § 1 III VAHRG angeordneten sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über den Ausgleich von Anrechten aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis nicht nur solche des BGB, sondern alle auf das Quasi-Splitting gemäß § 1587b 11 BGB anzuwendenden Regelungen erfaßt sind, also auch solche des BeamtVG und der Rentenversicherungsgesetze 198 . Der Versorgungs ausgleich vollzieht sich in sinngemäßer Anwendung des § 1587b II BGB in der Form, daß das Familiengericht für den Ausgleichsbe194 Hahne / Glockner, FamRZ 1983, S. 221ff. (221); Gutdeutsch / Lardschneider, FamRZ 1983, S. 845ff. (846). 195 Bergner, DRV 1983, S. 215ff. (220); Gutdeutsch / Lardschneider, FamRZ 1983, S. 845ff. (848); OLG Bamberg in FamRZ 1985, S. 942f. 196 Gutdeutsch / Lardschneider, FamRZ 1983, S. 845ff. (847). 197 Kritisch zur Begriffswahl Friederici, NJW 1983, S. 785ff. (789). 19B BT-Drs. 9/2296, S. 12; Bergner, DRV 1983, S. 215ff. (222f.).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

rechtigten zu Lasten des Versorgungs trägers des Verpflichteten Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Der Ausgleichsberechtigte bezieht seine zukünftigen Leistungen unmittelbar von der gesetzlichen Rentenversicherung 199 , der gegen den Versorgungsträger des Ausgleichsverpflichteten ein Erstattungsanspruch zusteht 20o . Dessen Versorgungsbezüge sind in sinngemäßer Anwendung des § 57 BeamtVG um den Monatsbetrag der durch das Familiengericht begründeten Rentenanwartschaften zu kürzen. Für die Anwendung der Ausgleichsform des Quasi-Splittings gemäß § 1 III VAHRG kommt es entscheidend auf die Rechtsform des Versorgungsträgers an, hingegen nicht auf das zwischen dem Versorgungsträger und dem Ausgleichsverpflichteten bestehende Rechtsverhältnis 201 • Kann mangels entsprechender Regelungen weder eine Realteilung nach § 1 II VAHRG durchgeführt werden und liegen auch nicht die gemäß § 1 III VAHRG erforderlichen Voraussetzungen für ein Quasi-Splitting vor, so findet nach § 2 VAHRG ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich unter Anwendung der §§ 1587 f - 1587 k BGB statt. Ausgeschlossen sind allerdings durch Satz 2 von § 2 VAHRG die Vorschriften über die Geltendmachung einer Abfindung künftiger Ausgleichsansprüche gemäß den §§ 15871- 1587 n BGB, um nicht über diesen Weg die durch das VAHRG abgeschaffte Beitragszahlungspflicht wieder einzuführen 202 . Damit hat der Gesetzgeber für die ehemals nach § 1587 b III S. 1 BGB auszugleichenden Anrechte durch die §§ 1 ff. VAHRG anstelle der Beitragszahlungspflicht drei verschiedene Ausgleichsmöglichkeiten eingeführt, die in einem Rangverhältnis der Art stehen, daß bei Vorhandensein entsprechender Regelungen zunächst eine Realteilung stattfindet, sofern solche Bestimmungen nicht geschaffen worden sind ein Quasi-Splitting und schließlich, sollte es an den dafür gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen fehlen, ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich durchzuführen ist 203 . (bb) Bedeutung für die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen Für die hier in Frage stehenden öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen der verkammerten freien Berufe hat die durch Friederici, NJW 1983, S. 785ff. (790). § 1 III VAHRG i.V.m. § 1587b 11 S. 2 BGB, § 83 b 11 S. 2 AVG bzw. § 1304b 11 S. 2 RVO. 201 Friederici, NJW 1983, S. 785ff. (790); Bergner, DRV 1983, S. 215ff. (221). 202 BT-Drs. 9/2296, S. 13; siehe dazu die Kritik von Bergner, DRV 1983, S. 215 ff. (226f.); Hahne / Glockner, FamRZ 1983, S. 221ff. (222). 203 Bergner, DRV 1983, S. 215ff. (229). 199

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3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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das VAHRG erfolgte Beseitigung des Versorgungsausgleichs durch Beitragszahlung folgende Bedeutung: Zunächst einmal können die Einrichtungen durch entsprechende Regelungen in ihren Satzungen die Möglichkeit einer Realteilung im Sinne von § 1 II VAHRG schaffen. Werden solche Bestimmungen nicht getroffen, so wird der Versorgungsausgleich nach § 1 III VAHRG im Wege der sinngemäßen Anwendung des Quasi-Splittings durchgeführt. Denn bei den Versorgungseinrichtungen handelt es sich durchweg um öffentlich-rechtlich organisierte Versorgungsträger204 . Da der Versorgungs ausgleich entweder gemäß § 1 II oder III VAHRG durchgeführt werden kann, wird der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nur für die Fälle relevant, in denen der Ausgleichsbetrag zugunsten des berechtigten Ehegatten den im Falle der Realteilung in den jeweiligen Satzungen festgelegten, im Falle des Quasi-Splittings sich aus § 1587 b V BGB205 i. V.m. § 1304 aIS. 4, 5 RVO bzw. § 83 aIS. 4, 5 AVG ergebenden Höchstbetrag überschreitet (§ 1587 f Nr.2 BGB), um den ausgleichsberechtigten Ehegatten durch den Versorgungsausgleich nicht besser zu stellen als er im günstigsten Fall stehen würde, wenn er während der ganzen Ehedauer versichert gewesen wäre 206 , - die Realteilung oder das Quasi-Splitting unwirtschaftlich sind im Sinne von § 1587 b IV BGB (§ 1587 f Nr. 5 BGB)207 oder - von den Ehegatten gemäß § 15870 BGB eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird (§ 1587 f Nr. 5 BGB). Schließlich kann die Ausgleichsform der Beitragszahlung weiterhin unter den Voraussetzungen des § 1587 0 BGB durch Parteivereinbarung gewählt werden, da mit den §§ 1 - 3 VAHRG nur die Beitragszahlungspflicht des § 1587 b III S. 1 BGB beseitigt werden sollte 208 . Diese Art der Durchführung des Versorgungsausgleichs hat allerdings zur Voraussetzung, daß die jeweiligen Satzungen der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen diese Möglichkeit vorsehen, da auch hier - ebensowenig wie in der gesetzlichen Rentenversicherung (siehe § 15870 I S. 2 BGB) - durch eine solche Vereinbarung allein Anwartschaftsrechte zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht begründet werden können. Zur verwaltungsrechtlichen Organisation siehe 2. Kap., I. Zur sinngemäßen Anwendung siehe BT-Drs. 9/2296, S. 14 zu § 3. 206 Palandt / Diederichsen, Komm. z. BGB, § 1587b, Anm. 6; der schuldrechtliche Versorgungsausgleich erfaßt hier nur den "überschießenden" Restbetrag, der öffentlich-rechtlich nicht mehr ausgleichsfähig ist. 207 Zur sinngemäßen Anwendung siehe BT-Drs. 9/2296, S. 14; Bergner, DRV 1983, S. 215ff. (219). 208 Bergner, DRV 1983, S. 215ff. (219); Friederici, NJW 1983, S. 785ff. (788). 204 205

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

(c) Versorgungsausgleichsregelungen der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen Seit dem Inkrafttreten des VAHRG hat bereits ein großer Teil der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in seinen Satzungen Regelungen getroffen 209 , welche für den Fall der Scheidung eines Mitgliedes die Möglichkeit der Realteilung im Sinne von § 1 II VAHRG eröffnen. Während diese Ausgleichsform in den betreffenden Satzungen mehr oder weniger grundsätzlich geregelt ist, finden sich zur Ausgleichsform des Quasi-Splittings im Sinne von § 1 III VAHRG so gut wie keine Regelungen. Dies erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber es in § 1 II VAHRG den Versorgungsträgern ausdrücklich überlassen hat, die näheren Bestimmungen hinsichtlich der Realteilung zu treffen, während ja auf das Quasi-Splitting die Vorschriften über den Ausgleich von Anrechten aus einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis sinngemäß Anwendung finden. Dies gilt ebenso für die Härtefallregelungen der §§ 4ff. VAHRG: während diese Bestimmungen nach § 10 VAHRG auf das Quasi-Splitting im Sinne von § 1 III VAHRG sinngemäße Anwendung finden, hat der Gesetzgeber hingegen von einer Geltungserstreckung auf die Ausgleichsform der Realteilung nach § 1 II VAHRG abgesehen. Auch hier soll es den Versorgungsträgern überlassen sein, möglicherweise auftretende Härten durch entsprechende Regelungen auszugleichen 210 . Enthalten die Satzungen deshalb im wesentlichen Bestimmungen zur Ausgleichsform der Realteilung, so beschränken sich diese regelmäßig auf die Regelung der Voraussetzungen, unter denen überhaupt nur diese Ausgleichsform durchgeführt wird, die Möglichkeit der Auffüllung einer verkürzten Anwartschaft sowie die Abwendung der Realteilung durch Beitragszahlung 2l1 . Im übrigen wird meistenteils auf entsprechende Durchführungsbestimmungen verwiesen 212 , in denen die mit der Durchführung eines Versorgungs ausgleichs verbundenen Folgen geregelt werden. Die Ausgleichsform der Realteilung ist durchweg für den Fall vorgesehen, in welchem beide Ehepartner Mitglieder desselben Versorgungswerkes sind oder waren 213 • Hier wird dann zu Lasten des Anrechts des ausgleichspflichtigen Ehegatten ein Anrecht für den ausgleichsberechtigten Ehegatten begründet. Darüber hinaus wird der Versorgungsausgleich dann im Wege Z.B. § 46a Apothekerversorgung Bayern. Palandt / Diederichsen, Komm. z. BGB, Anhang III zu 1587b (HRG), § 4, Anm. 2 a) aa. 211 Siehe z. B. § 26 a Apothekerversorgung Westfalen-Lippe (MB!. NW 1984 S. 106). 212 So z.B. § 26a V Apothekerversorgung Westfalen-Lippe (MB!. NW 1984 S. 106). 213 Siehe z.B. § 26a I Apothekerversorgung Westfalen-Lippe (MB!. NW 1984 S. 106); § 33 I a Ärzteversorgung Bremen. 209 210

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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der Realteilung durchgeführt, wenn beide Ehegatten verschiedenen Einrichtungen angehören, zwischen denen ein Überleitungsabkommen besteht 214 . Neben diesen eine Mitgliedschaft beider Ehegatten in derselben Einrichtung bzw. in verschiedenen durch Überleitungsabkommen verbundenen Einrichtungen voraussetzenden Regelungen sehen nur wenige Satzungen einen weitergehenden Anwendungsbereich für die Ausgleichsform der Realteilung vor. Zu nennen sind hier die Bayerische Ärzte-, Apotheker- und Architektenversorgung, die eine Realteilung auch in den Fällen anordnen, in denen - der ausgleichspflichtige Ehegatte Mitglied der jeweiligen Versorgung ist und der ausgleichsberechtigte Ehegatte eine freiberufliche Tätigkeit ausübt (Arzt, Zahnarzt etc.) bzw. der ausgleichspflichtige Ehegatte Mitglied einer Versorgungseinrichtung ohne Realteilung ist, die sich verpflichtet hat, der eine Realteilung vorsehenden Einrichtung die aus dem Versorgungsausgleich herrührenden Versorgungsleistungen zu erstatten und der ausgleichsberechtigte Ehegatte Mitglied dieses Versorgungswerkes ist2 15 . Allein das Versorgungswerk der Saarländischen Notarkammer ordnet in § 28 I der Satzung die Ausgleichsform der Realteilung ohne personelle Einschränkung an. Der Grund für die weitgehende personelle Einschränkung der Realteilung ist darin zu sehen, daß ansonsten berufsfremde Personen eigenständige Anwartschaften in den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen erwerben könnten, was unter Umständen den Charakter des berufsständischen Versorgungswesens als reine Berufsgruppenversorgung verändern würde. Teilweise wird die Realteilung zugunsten von Angestellten, die nicht gemäß § 7 11 AVG von der Angestelltenversicherungspflicht befreit sind und solchen Berufsstandsangehörigen, die keine ausbaufähige Versorgung bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne von § 7 11 AVG besitzen, nur nach Antragstellung durchgeführt 216 . Für diese Personen ist Siehe z.B. § 33 I b Ärzteversorgung Bremen. Siehe § 49a I Ärzteversorgung Bayern; § 46a I Apothekerversorgung Bayern; § 51a I Architektenversorgung Bayern. - Die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung hat unter Hinweis auf die Befristung des VAHRG bis zum 31. 12. 1986 (§ 13 II! VAHRG) von der Einführung besonderer Bestimmungen über die Realteilung abgesehen, um eine endgültige gesetzliche Regelung abzuwarten (siehe Information über das berufsständische Versorgungswerk für Mitglieder der Bayerischen Rechtsanwaltskammern, hrsg. von der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung, S. 38f.). 216 Siehe z.B. § 49a I Ärzteversorgung Bayern. 214

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

die Ausgleichsform des Quasi-Splittings bei schon bestehender Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung möglicherweise vorteilhafter. Regelmäßig sehen die Satzungen für den ausgleichsverpflichteten Ehegatten die Möglichkeit vor, die aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzte Anwartschaft ganz oder teilweise wieder aufzufüllen, solange der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist 217 . Allerdings darf die jährliche Einzahlungshöchstgrenze zusammen mit den anderen Beiträgen nicht überschritten werden 218 • Schließlich findet sich in den Versorgungsausgleichsregelungen der Satzungen überwiegend noch die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich nach einer vom Familiengericht genehmigten Vereinbarung und mit Zustimmung der jeweiligen Versorgungseinrichtung im Wege der Beitragszahlung zugunsten eines ausgleichsberechtigten Mitgliedes durchzuführen219 • Damit besteht unter den vorgenannten Voraussetzungen in diesen Versorgungseinrichtungen - nunmehr allerdings auf freiwilliger Basis - auch nach Inkrafttreten des VAHRG weiterhin die Möglichkeit, durch Zahlung von Beiträgen eine Versorgungs anwartschaft für den ausgleichsberechtigten Ehegatten zu begründen, und zwar in der jeweiligen Versorgungseinrichtung (anders die Beitragszahlungspflicht gemäß § 1587 bIlIS. 1 BGB, wonach ja durch Beitragszahlung Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen waren), was ja für den ausgleichsverpflichteten Ehegatten insoweit von Vorteil ist, als bei dieser Ausgleichsform die erworbenen Anwartschaften ungekürzt erhalten bleiben. Neben diesen in den einschlägigen Satzungsbestimmungen regelmäßig anzutreffenden Regelungen zum Versorgungsausgleich werden ergänzend hierzu Richtlinien erlassen, in denen die konkrete Durchführung des Versorgungsausgleichs geregelt wird. Diese Durchführungsbestimmungen enthalten - wie sich zum Beispiel aus Anlage 1 zur Satzung des Versorgungswerkes der Zahnärztekammer Berlin zwecks Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß § 18 c der Satzung ergibt 220 - im wesentlichen Regelungen über - den Betrag der Rentenkürzung/-erhöhung sowie den Zeitpunkt dieser Maßnahmen 22 1, Siehe z.B. § 33 VI Ärzteversorgung Bremen. So z.B. ausdrücklich § 12 III Ärzteversorgung Berlin (AmtsBI. Berlin 1984 S. 46): Höchstgrenze der jährlichen Einzahlungen ist das 12fache der Beiträge nach den §§ 1387 und 1388 II RVO; zu dieser durch § 5 I Nr. 8 KStG bedingten Höchstgrenze siehe unter B, 1. Kap., II 1. 219 z.B. § 26a III Apothekerversorgung Westfalen-Lippe (MBL NW 1984 S. 106); § 33 V Ärzteversorgung Bremen. 220 AmtsBl. Berlin 1984, S. 291. 221 Siehe Ziff. 1.2 und 1.4.1. 217

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3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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die Minderung der Versorgung bei bereits eingetretenem Rentenbezug des Ausgleichsverpflichteten und bestehender Unterhaltsverpflichtung von diesem gegenüber dem Ausgleichsberechtigten 222 , - die Zahlung freiwilliger Beiträge des Ausgleichsberechtigten 223 , - den Tod des Berechtigten vor Empfang angemessener Leistungen und damit zusammenhängender Rückzahlungsansprüche bei freiwilligen Leistungen des Ausgleichsverpflichteten 22 4, - die Überleitung von Versorgungsabgaben des Ausgleichspflichtigen an eine andere Versorgungseinrichtung 225 sowie - die Bildung und Kürzung der jeweiligen Deckungsrückstellungen für den Ausgleichsberechtigten bzw. -verpflichteten226 •

c) Kapitalabfindung bei Wiederheirat

Wie bereits einleitend erwähnt 227 , erlischt der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf Hinterbliebenenrente mit dessen Wiederverheiratung. An die Stelle der Rente tritt in nahezu allen Satzungen eine Kapitalabfindung, die nur in Ausnahmefällen als Ermessensleistung ausgestaltet ist 228 , im Regelfall handelt es sich um eine Anspruchsleistung, die von den Einrichtungen jedoch nur auf Antrag gewährt wird 229 • Die Höhe der Kapitalabfindung wird von dem überwiegenden Teil der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in Abhängigkeit von dem Lebensalter, in welchem der hinterbliebene Ehegatte wieder heiratet, in der Weise gestaffelt, daß der Abfindungsbetrag mit steigendem Lebensalter sinkt 230 • Am häufigsten findet sich eine Staffelung wie in § 18 11 der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, wonach bei einer Wiederverheiratung vor Vollendung des 35. Lebensjahres 60 der bis dahin bezogenen Monatsrenten, bei einer Wiederverheiratung bis zum vollendeten 45. Lebensjahr 48 der bis dahin bezogenen Monatsrenten und bei einer Wiederverheiratung nach der Vollendung des 45. Lebensjahres 36 der zuletzt bezogenen Monatsrenten als Abfindung gezahlt werden. In weniSiehe Ziff. 1.4.2 und 1.4.3. Siehe Ziff. 2. 224 Siehe Ziff. 4.1, 4.2 und 4.3. 225 Siehe Ziff. 6.1 und 6.2. 226 Siehe Ziff. 8.1 und 8.2. 227 Siehe oben unter a (3). 228 z.B. § 26 XI Apothekerversorgung Westfalen-Lippe. 229 z.B. § 18 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 230 z.B. § 19 II Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 18 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 222

223

B Boecken

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

gen Fällen wird die so gestaffelte Kapitalabfindung nur bis zum Erreichen einer bestimmten Höchstaltersgrenze gezahlt 231 . Einige Satzungen enthalten keine Staffelung im vorstehend beschriebenen Sinn, sondern gewähren unabhängig von dem Wiederverheiratungsalter einen bestimmten Betrag als Abfindung232 . Allerdings ist hier der Anspruch nur dann gegeben, wenn die Wiederverheiratung des hinterbliebenen Ehegatten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach dem Tod des versorgungsberechtigten Mitgliedes erfolgt 233 . Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung (siehe § 68 11 AVG) kennen die berufs ständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen regelmäßig nicht das Wiederaufleben der Witwen-/Witwerrente im Falle der Auflösung der von dem hinterbliebenen Ehegatten geschlossenen neuen Ehe. In Ausnahmefällen ist jedoch ein Wiederaufleben dann vorgesehen, wenn zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung keine Kapitalabfindung geleistet worden ist 234 . d) Waisenrente

Neben der Rente für einen hinterbliebenen Ehegatten sehen die Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen auch Leistungen für hinterbliebene Kinder des versorgungsberechtigten Mitgliedes in Form von Vollwaisen- und Halbwaisenrenten vor. (1) Voraussetzungen

Hinsichtlich der Voraussetzungen kann auf die zur Gewährung des Kinderzuschusses zur Altersrente unter 2 b gemachten Ausführungen verwiesen werden, wobei hier anstelle des Erreichens der Altersgrenze der Tod des versorgungsberechtigten Mitgliedes anspruchs auslösender Versicherungsfall ist. Im übrigen stimmt der Kreis der berechtigten Kinder in den Satzungen im wesentlichen mit den einen Anspruch auf Kinderzuschuß auslösenden Kindern überein 23 5, ebenso gelten für die Dauer der Gewährung von Waisen- und Halbwaisenrenten dieselben Grundsätze und Ausnahmeregelungen wie beim Kinderzuschuß236.

231 z.B. § 24 Ärzteversorgung Koblenz bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.

So auch § 81 I AVG. Siehe z. B. § 42 I Apothekerversorgung Bayern. 234 z.B. § 14 IV Nr. 4 Ärzteversorgung Trier; § 27 XI Apothekerversorgung Nordrhein. 235 z.B. § 13 II und § 16 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 236 Siehe unter 2 b (1). 232 233

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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(2) Anspruchsentstehung, -ende und Antrag Insoweit gelten für den Anspruch auf Waisen- bzw. Halbwaisenrenten dieselben Grundsätze wie für die Renten an hinterbliebene Ehegatten 237 • (3) Anrechnung anderer Leistungen Auch im Rahmen der Waisen- bzw. Halbwaisenrenten wird der Anspruch von einem Teil der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen davon abhängig gemacht, daß das in Ausbildung befindliche Kind nicht ein über eine bestimmte Grenze hinausgehendes Entgelt oder sonstige Unterhaltsgelder bezieht 23s • (4) Berechnung der Vollwaisen- bzw. Halbwaisenrenten Für die Berechnung der Vollwaisen- und Halbwaisenrenten kann auf die zur Rente für den hinterbliebenen Ehegatten gemachten Ausführungen verwiesen werden239 • Die Höhe der Vollwaisenrente bewegt sich innerhalb einer Bandbreite von bis 40%241 der nach der jeweiligen Satzung maßgebenden Mitgliedsrente, überwiegend werden aber 30% von dieser Rente gezahlt 242 . Die Halbwaisenrente wird von ca. der Hälfte der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen in Höhe der Hälfte der Vollwaisenrente gewährt243 , im übrigen beträgt sie zum Teil mehr 244 und zum Teil weniger245 als die Hälfte der Vollwaisenrente. Auch für die Vollwaisen- und Halbwaisenrenten gelten nach einem Großteil der Satzungen die schon bei der Rente für den hinterbliebenen Ehegatten erwähnten Höchstgrenzen, wonach die Hinterbliebenenrenten zusammen einen bestimmten Betrag nicht überschreiten dürfen 246 . 20%240

237 238 239 240 241 242 243 244 245 246

S'

Siehe unter a (2). Siehe dazu die Ausführungen zum Kinderzuschuß oben unter 2 b (3). Siehe unter a (3). z. B. § 23 II Apothekerversorgung Niedersachsen. z. B. § 25 III Ärzteversorgung Koblenz. z.B. § 15 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. z.B. § 23 II Apothekerversorgung Niedersachsen. z.B. § 32 I Architektenversorgung Baden-Württemberg. z.B. § 15 II u. III Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Siehe dazu unter a (3).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung e) Sterbegeld

Etwa die Hälfte der Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen sieht die einmalige Zahlung eines Sterbegeldes vor, zumeist als Pflichtleistung247 , in Ausnahmefällen allerdings auch als Ermessensleistung 248 . Überwiegend ist der Tod des Mitgliedes alleinige Voraussetzung für den Anspruch auf Sterbegeld249 , manche Einrichtungen machen die Leistung darüber hinaus davon abhängig, daß keine versorgungsberechtigten Hinterbliebenen vorhanden sind 250 . Anspruchsberechtigt sind regelmäßig in erster Linie der überlebende Ehegatte, soweit dieser auch nicht mehr lebt die Kinder des verstorbenen Mitgliedes 251 . Sollten keine der vorgenannten Anspruchsberechtigten vorhanden sein, so gewähren die Einrichtungen oftmals demjenigen, der die Bestattung durchgeführt hat, bis zur Höhe der nachgewiesenen Bestattungskosten Ersatz, höchstens jedoch bis zu dem Betrag des normalerweise zu zahlenden Sterbegeldes252 . Die Höhe des Sterbegeldes ist überwiegend in den Satzungen auf einen bestimmten Betrag festgelegt 253 , zum Teil richtet sie sich aber auch nach einem bestimmten Vielfachen der von dem verstorbenen Mitglied bezogenen oder zu erwartenden Rente 254 • Ausnahmsweise ist nach einigen Satzungen ein Anspruch auf Sterbegeld dann nicht gegeben, wenn im Todesfall des versicherten Mitgliedes die Zahlung eines Rückgewährbetrages vorgesehen ist 255 . f) Einmal- oder Rückgewährbetrag bei Tod des Mitgliedes

Ungefähr ein Drittel der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sieht im Todesfall des versicherten Mitgliedes die Gewährung eines Einmal- oder Rückgewährbetrages als Pflichtleistung unter der Voraussetzung vor, daß weder das Mitglied selbst Leistungen aus der Einrichtung in Anspruch genommen noch versorgungsberechtigte Hinterbliebene hinterlassen hat 256 . Zum Teil wird aber auch nur neben dem Tod Z.B. Z.B. 249 Z.B. 250 Z.B. 251 Z.B. 252 z. B. Lippe. 253 Z.B. 254 Z.B. 255 z. B. 256 Z.B. 247 248

§ 18a I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. § 23 S. 2 Tierärzteversorgung Schleswig-Holstein. § 18a I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. § 23 S. 2 Tierärzteversorgung Schleswig-Holstein. § 37 I Apothekerversorgung Bayern. § 37 II Apothekerversorgung Bayern; § 18 a III Ärzteversorgung Westfalen§ 37 I Apothekerversorgung Bayern. § 18a II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. § 42 II Apothekerversorgung Bayern, dazu im folgenden unter f. § 42 II Apothekerversorgung Bayern.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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des versicherten Mitgliedes das Nichtvorhandensein versorgungsberechtigter Hinterbliebener zur Voraussetzung gemacht, die bereits an das Mitglied gewährten Leistungen werden auf den Einmal- oder Rückgewährbetrag angerechnet 257 • Mit der Erbringung dieser Leistung wird von den betreffenden Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen, daß die von dem versicherten Mitglied geleisteten Beiträge den Einrichtungen zugute kommen, ohne daß Leistungen in Anspruch genommen worden sind. Die Berechnung und Höhe des Einmal- oder Rückgewährbetrages ist in den einzelnen Satzungen unterschiedlich ausgestaltet. Überwiegend wird auf einen bestimmten Vomhundertsatz der eingezahlten Beiträge abgestellt 25B , zum Teil wird aber auch die dem verstorbenen Mitglied zu einem bestimmten Zeitpunkt zustehende Jahresrente zum Maßstab genommen 259 • Hinsichtlich der Anspruchsberechtigten für die regelmäßig nur auf Antrag gewährte Leistung enthalten die Satzungen in vielen Fällen einen detaillierten Katalog. So sind zum Beispiel gemäß § 42 II der Apothekerversorgung Bayern nacheinander anspruchsberechtigt der Ehegatte des verstorbenen Mitgliedes, dessen Kinder, die leiblichen Eltern, der von dem Mitglied benannte Empfangsberechtigte260 sowie an letzter Stelle die Erben des Mitgliedes.

g) Freiwillige Unterhalts leistungen bei Tod des Mitgliedes Etwa ein Viertel der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sieht für den Fall, daß das versicherte Mitglied stirbt, ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene zu hinterlassen, die Möglichkeit vor, einmalige oder laufende Unterhaltsleistungen an in den Satzungen näher bezeichnete Personen zu erbringen 261 . Die Leistungen selbst sowie deren Höhe stehen durchweg im Ermessen der jeweiligen Einrichtung, in vielen Fällen sind allerdings Höchstgrenzen festgelegt262. Der Kreis der Personen, an welche bei Erfüllung bestimmterz.B. § 27 IX Ärzteversorgung Baden-Württemberg. z.B. § 42 II Apothekerversorgung Bayern: 50% der Beiträge ohne Zinsen. 259 z.B. § 24 II Ärzteversorgung Koblenz, danach wird ein Betrag in Höhe der Jahresrente gezahlt, auf die am Ende des dem Tode vorhergehenden Jahres Anspruch bestand. 260 Vgl. das privatversicherungsrechtliche Vorbild des "Bezugsberechtigten" in § 166 VVG. 261 z.B. § 43 Apothekerversorgung Bayern; § 23 S. 1 Tierärzteversorgung Schleswig-Holstein. 262 z. B. § 43 I Apothekerversorgung Bayern. 257 258

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

im einzelnen unterschiedlicher - Voraussetzungen entsprechende Leistungen erbracht werden können, ist in den Satzungen unterschiedlich weit gefaßt 263 • ßI. Die Finanzierung

Die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen bestreiten ihre satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen in erster Linie auf der Grundlage der von den Mitgliedern aufgebrachten Beiträge264 . Daneben können die Einrichtungen aber auch aufgrund des Finanzierungssystems des "offenen Deckungsplanverfahrens" als bevorzugtes Finanzierungsverfahren aus Vermögensanlagen resultierende Vermögenserträge für die Leistungsausgaben verwenden 265 • Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung erhalten die berufsständischen Sicherungseinrichtungen keinen Bundeszuschuß266 , ebensowenig besteht eine § 111 AVG entsprechende Bundesgarantie (darüber hinaus werden auch von den Ländern weder Zuschüsse noch Garantien gewährt). 1. Beitragserhebung

a) Mitgliedsbeiträge

Die Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen enthalten durchgehend detaillierte Regelungen hinsichtlich der von den Mitgliedern aufzubringenden Beiträge. Von den Regelungsbereichen her lassen sich Bestimmungen unterscheiden über Beiträge für pflichtversicherte Selbständige, Beiträge für pflichtversicherte Angestellte, Beiträge während besonderer Zeiten (und zwar Zeiten des Bezuges von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit, von Mutterschaftsgeld sowie Zeiten einer Wehr- oder Zivildienstleistung), - Beiträge für freiwillige Mitglieder und - Beiträge im Rahmen der freiwilligen Höherversicherung. 263 Siehe z.B. einerseits § 43 Apothekerversorgung Bayern, danach können Leistungen an den überlebenden Ehegatten, Verwandte, Verschwägerte, Eltern, Geschwister oder Kinder gewährt werden, andererseits § 23 S. 1 Tierärzteversorgung Schleswig-Holstein, hiernach können Leistungen nur an die Eltern des Verstorbenen erbracht werden. 264 Dazu unter l. 265 Dazu unter 2. 266 Siehe §§ 109, 116 AVG; §§ 1382, 1389 RVO.

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(1) Beiträge für pflichtversicherte Selbständige In Übereinstimmung mit der gesetzlichen Rentenversicherung erheben auch die berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in der weit überwiegenden Mehrzahl keine risiko- (zum Beispiel alters-) bezogenen Beiträge, sondern stellen für die Beitragsentrichtung auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen selbständigen Berufsstandsmitgliedes und damit dessen Einkommen ab. Nur in Ausnahmefällen richtet sich die Höhe der zu zahlenden Beiträge nach dem Eintrittsalter des Mitgliedes und kann damit als risikobezogen bezeichnet werden 267 . Die Berechnung der von den Mitgliedern zu zahlenden einkommensbezogenen Beiträge erfolgt im wesentlichen in zwei Formen: teilweise ist als Beitrag ein bestimmter Vomhundertsatz aller Einkünfte aus der jeweiligen berufsspezifischen Tätigkeit zu zahlen 268 , teilweise wird der zu zahlende Pflichtbeitrag aber auch in einem bestimmten Verhältnis zum Höchstbeitrag in der Angestelltenversicherung gemäß § 112 AVG festgelegt2 69 und verändert sich dementsprechend in Abhängigkeit zu Veränderungen des Höchstbeitrages zur Angestelltenversicherung. Im Rahmen der zuletzt genannten Berechnungsform entspricht der Pflichtbeitrag in der Regel dem jeweiligen Höchstbeitrag zur Angestelltenversicherung270 , es gibt jedoch auch Satzungen, die als Pflichtbeitrag den doppelten Satz des Höchstbeitrages zur Angestelltenversicherung erheben 271 . Der Höhe nach sind die Pflicht beiträge entweder durch die festgesetzte Relation zum Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt oder durch Beitragsbemessungsgrenzen und die in § 5 I Nr. 8 KStG bestimmte Grenze für die Körperschaftssteuerbefreiung272 . Einige Einrichtungen gewähren die Möglichkeit, in den ersten Jahren der Niederlassung als selbständiges Berufsstandsmitglied nur ermäßigte Beiträge zu zahlen. So hat zum Beispiel gemäß § 20 IV der Satzung der Architektenversorgung NRW ein Architekt bei Stellung eines entsprechenden Antrages in begründeten Fällen für das Jahr der Niederlassung und die folSiehe z.B. § 21 I Ärzteversorgung Hamburg. z.B. § 20 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: 14% aller Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit. 269 z. B. § 20 I S. 1 Apothekerversorgung Bayern: selbständige Apotheker zahlen als Beitrag den Betrag, der dem jeweiligen Höchstbeitrag zur Pflichtversicherung bei der Angestelltenversicherung entspricht. 270 So § 20 I S. 1 Apothekerversorgung Bayern. 271 z.B. § 17 Nr. 1 Ärzteversorgung Koblenz. 272 So heißt es beispielsweise in § 20 II S. 1 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: "Die Höchstgrenze für die jährliche Versorgungsabgabe ist das 1,3fache der durchschnittlichen Versorgungsabgabe (§ 25) des vorletzten Geschäftsjahres, jedoch nicht höher als das 12fache der Beträge, die höchstens nach § 114 und § 115 des Angestelltenversicherungsgesetzes entrichtet werden können"; zu § 5 I Nr. 8 KStG siehe unter B, 1. Kap., II 1. 267

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

genden zwei Kalenderjahre nur die Hälfte der normalen Versorgungsabgaben zu entrichten. (2) Beiträge für pflichtversicherte Angestellte

Die Beitragsgestaltung hinsichtlich der in den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen pflichtversicherten angestellten Berufsstandsmitglieder ist nach der Vorschrift des § 7 11 AVG ausgerichtet 273 . Diese Vorschrift enthält insoweit für die Satzungen mittelbar eine Vorgabe bezüglich der Beitragsgestaltung, als nur zugunsten einer solchen Versicherungs- und Versorgungseinrichtung angestellte Berufsstandsmitglieder von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Angestelltenversicherung befreit werden, nach deren Satzungen die Angestellten einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze (§ 112 11 AVG) zu entrichten haben. Dementsprechend erheben die Satzungen durchweg von den gemäß § 7 11 AVG befreiten Mitgliedern den Betrag als Beitrag, welchen das angestellte Berufsstandsmitglied im Falle bestehender Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung gemäß § 112 AVG zu leisten hätte. So heißt es zum Beispiel in § 21 I S. 1 der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: "Angestellte Ärzte, die gemäß § 7 11 AVG von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, leisten den jeweils gültigen Beitrag zur Angestelltenversicherung gemäß § 112 I AVG als Versorgungsabgabe"274. Mit dieser oder vergleichbaren Regelungen leisten die berufs ständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen den Anforderungen des § 711 AVG hinsichtlich der Beitragsgestaltung Genüge, da hiernach eine einkommensbezogene Beitragserhebung erfolgt und Pflichtbeiträge nur von dem Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 112 11 AVG) zu zahlen sind. Mit dieser Koppelung des Pflichtbeitrages an den Betrag, der bei zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehender Versicherungspflicht zu zahlen wäre, ergibt sich auch die jeweilige Höchstgrenze des Pflichtbeitrages aus § 112 AVG. Ungefähr zwei Drittel der Einrichtungen unterscheiden im Rahmen der Beitragsgestaltung zwischen solchen Angestellten, die sich zugunsten einer berufs ständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung gemäß § 7 11 AVG haben befreien lassen (hier gilt das oben Gesagte), und solchen, die neben der Pflichtmitgliedschaft in der Berufsstandsversorgung auch die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Angestelltenversicherung aufrechterhalten. In diesem Fall sind die angestellten Mitglieder zwar nicht von der Zu dieser Bestimmung ausführlich unter B, 1. Kap., I 1. Siehe auch § 20 II Apothekerversorgung Bayern; § 21 I Architektenversorgung Nordrhein -Westfalen. 273 274

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Beitragsverpflichtung zu ihrer Versorgungseinrichtung befreit, sie haben jedoch nur einen ermäßigten Beitrag zu zahlen 275 • Die Höhe dieses Beitrages wird von einigen Satzungen auf einen Vomhundertsatz des von dem Mitglied an die Angestelltenversicherung zu zahlenden Beitrages festgelegt 276 , nach anderen wiederum unabhängig davon auf einen Vomhundertsatz des Höchstbeitrages zur Angestelltenversicherung 277 . Soweit die Satzungen keine entsprechenden Regelungen treffen (zum Beispiel die Ärzteversorgung Hamburg), müssen die angestellten Berufsstandsmitglieder in beiden Sicherungssystemen den vollen Pflichtbeitrag zahlen. Für das einzelne Mitglied ergibt sich daraus ein mittelbarer Zwang, sich zugunsten der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung von der gesetzlichen Angestelltenversicherung befreien zu lassen, will es nicht aufgrund doppelter Pflichtmitgliedschaft doppelte Beiträge aufwenden 278 • Nach den Satzungsregelungen sind die Beiträge von den Angestellten in vollem Umfang selbst aufzubringen, eine der Vorschrift des § 112 IV a AVG entsprechende gesetzliche Regelung, welche die Arbeitgeber auch zur Tragung des hälftigen Beitrages im Falle der Mitgliedschaft des Angestellten bei einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung verpflichten würde, gibt es nicht 279 • (3) Beiträge während besonderer Zeiten Der weit überwiegende Teil der Satzungen enthält beitragsrechtliche Sonderregelungen für Zeiten, in denen angestellte Berufsstandsmitglieder Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld nach den Vorschriften des AFG empfangen oder weibliche Mitglieder Mutterschaftsgeld während eines Mutterschaftsurlaubs beziehen. Darüber hinaus sind beitragsrechtliche Sonderregelungen für Zeiten vorgesehen, in denen Berufsstandsmitglieder einen Wehr- oder Zivildienst leisten.

(a) Zeiten des Bezuges von Leistungen nach dem AFG Bezüglich Zeiten, in denen ein gemäß § 7 11 AVG befreites Mitglied Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld nach den Vorschriften des AFG bezieht, findet sich regelmäßig eine der folgenden beiden 275 Damit nimmt die berufsständische Pflichtversorgung in diesem Fall den Charakter einer Zusatzversorgung an, siehe dazu noch im 4. Kap., 11 2 a. 276 Z.B. § 21 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: 30%. 277 Z.B. § 21 II i. V.m. § 23 II Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen: 15%. 278 Siehe auch unter B, 1. Kap., I 1 a. 279 Inwieweit Arbeitgeber dennoch aufgrund tarif- oder einzelvertraglicher Vereinbarungen an der Beitragszahlung beteiligt sind, wird unter b (1) angesprochen.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Regelungen: nach einem Teil der Satzungen ist das betreffende Mitglied verpflichtet, den Beitrag zu zahlen, der ohne eine Befreiung nach § 7 11 AVG an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen wäre 28o , nach anderen Satzungen sind Beiträge in der Höhe zu leisten, in welcher diese von der Bundesanstalt für Arbeit (BAfA) zu tragen sind 281 . In diesem Fall wird also für die Festlegung der Beitragshöhe auf die Vorschrift des § 166 b AFG282 Bezug genommen, wonach die BAfA die Beiträge bis zu der Höhe trägt, in der sie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten hätte 283 . Damit sind, unabhängig von der im Einzelfall bestehenden Regelung, die betreffenden Mitglieder auch während Zeiten des Bezuges von Leistungen der BAfA satzungsmäßig zur Beitragszahlung verpflichtet. Diese Regelungen stehen nicht in Übereinstimmung mit der Vorschrift des § 166b AFG, die für Zeiten des Bezuges der dort genannten Leistungen eine Beitragsübernahme durch die BAfA anordnet und den Leistungsempfänger insoweit, als die BAfA die Beiträge zu der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung trägt, von der Beitragsverpflichtung freistellt (§ 166 bIS. 2 AFG)284. Soweit ersichtlich trägt diesem Widerspruch nur eine Satzung in der Weise Rechnung, daß das Mitglied von der Zahlungsverpflichtung freigestellt wird, sofern die BAfA die Beiträge entrichtet285 . Die damit aufgeworfene Frage, ob die höherrangige Norm des § 166 b AFG mit ihrer Befreiungsregelung die eine Beitragsverpflichtung aufrecht erhaltenden Satzungsbestimmungen verdrängen kann, ist davon abhängig, inwieweit dem Bundesgesetzgeber für unmittelbare Regelungen im Bereich der berufsständischen Altersversorgung - darunter sind insbesondere solche Normen zu verstehen, die das Versicherungsverhältnis zwischen den Mitgliedern und ihren Einrichtungen regeln - die Gesetzgebungskompetenz zusteht 286 •

280 Siehe z. B. § 20 aI Apothekerversorgung Bayern; seit dem 1. 1. 1983 zählen diese Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung als Ausfallzeiten (siehe § 36 I Nr. 3a AVG, allerdings nicht in dem Fall, wo für den Leistungsbezieher Beiträge an eine Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung gezahlt werden), gemäß § 112 a AVG hat die BAfA für die in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten trotzdem Beiträge zu zahlen, für deren Höhe die Lohnersatzleistung der BAfA und der jeweils geltende Beitragssatz maßgebend sind; aufgrund dieser Satzungsregelung ist deshalb zur Ermittlung der Beitragshöhe § 112 a AVG heranzuziehen. 281 z. B. § 28 V Ärzteversorgung Niedersachsen. 282 Dazu ausführlich unter B, 1. Kap., I 4. 283 Mithin ist auch hier wieder die Vorschrift des § 112a AVG maßgebend, siehe Fn.280. 284 Siehe dazu unter B, 1. Kap., I 4 b (2) und III 3 b. 285 So § 27 VI Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 286 Dazu im einzelnen unter B, 1.Kap., III 3 b.

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(b) Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld Die insoweit in der überwiegenden Zahl der Satzungen vorzufindenden Regelungen knüpfen inhaltlich noch an die mit dem Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs 287 geschaffene Rechtslage an, wonach aufgrund der Bestimmung des § 2 I Nr. 13 AVG aF288 für die Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bestand, für die der Bund gemäß Art. 7 11 Mutterschaftsurlaubsgesetz (MuSchUrlG) bis zum 31.12.1981 die Beiträge zahlte. Aus Gründen der Gleichstellung wurde der Bund gleichzeitig durch Art. 7 11 MuSchUrlG (ebenfalls nur bis zum 31.12.1981) verpflichtet, für gemäß § 7 11 AVG befreite Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld die Beiträge zu der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu erstatten. Auf diese frühere Rechtslage abstellend sehen die - nunmehr wegen der zwischenzeitlich aufgehobenen Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Nichtverlängerung der in Art. 7 IV MuSchUrlG enthaltenen Beitragserstattung veralteten - Satzungsbestimmungen vor, daß die Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld entweder einen Beitrag in der vom Bund gewährten Höhe zu leisten haben 289 oder (damit im Ergebnis gleichbedeutend, da Art. 7 IV MuSchUrlG den vom Bund zu tragenden Beitrag auf den Betrag begrenzte, der zur gesetzlichen Rentenversicherung hätte entrichtet werden müssen) den Beitrag zu zahlen haben, der ohne Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten wäre 290 . Obwohl diese Regelungen infolge der veränderten Rechtslage hinfällig geworden sind, haben - soweit ersichtlich - bisher nur wenige Satzungen diesem Umstand Rechriung getragen, so daß derzeit über die Frage, ob auch in Zukunft Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld eine beitragsmäßige Sonderbehandlung erfahren werden, keine generelle Aussage getroffen werden kann 291 . (c) Zeiten einer Wehr- oder Zivildienstleistung

Schließlich enthalten die Satzungen beitragsrechtliche Sonderregelungen für solche Zeiten, in denen Mitglieder einen Wehr- oder Zivildienst leisten, Vom 25. 6. 1979, BGBL 1979 I S. 797. Gestrichen durch Art. 2 Nr.l des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. 12. 1983 (BGBL 1983 I S. 1532). 289 Z.B. § 28 IV Apothekerversorgung Niedersachsen; § 28 VII Ärzteversorgung Niedersachsen. 290 z. B. § 21 aIIArchitektenversorgung N ordrhein-Westfalen. 291 In Einzelfällen sind die Satzungen bereits der neuen Rechtslage angepaßt worden; so sieht z. B. die Apothekerversorgung Bayern in ihrer neuen Satzung L d. F. vom 17. 11. 1983 keine beitragsmäßige Sonderbehandlung dieser Zeiten mehr vor (anders § 20a 11 der Satzung Ld.F. vom 1. 1. 1980). 287 288

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wobei die einzelnen Regelungen vom erfaßten Personenkreis her unterschiedlich ausgestaltet sind. So bezieht zum Beispiel die Bestimmung des § 22 der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe sowohl die angestellten als auch die selbständigen Mitglieder ein und ordnet an, daß während des Pflichtwehrdienstes eine Versorgungsabgabe in Höhe des jeweiligen höchsten Pflichtbeitrages zur Angestelltenversicherung gemäß § 112 I AVG zu leisten ist, höchstens jedoch in der Höhe, in welcher den Mitgliedern während der Dienstzeit von dritter Seite Beiträge zu gewähren sind. Zur Feststellung der Beitragspflicht ist damit im Einzelfall das Arbeitsplatzschutzgesetz (ArbPISchG) heranzuziehen 292 . Die meisten Satzungen enthalten jedoch beitragsmäßige Sonderregelungen für Wehr- oder Zivildienstzeiten nur bezüglich angestellter Berufsstandsmitglieder. Insoweit kann wegen der weitgehenden Übereinstimmung der maßgebenden Regelungen beispielhaft auf die Bestimmungen des § 20 a lI-IV der Satzung der Apothekerversorgung Bayern verwiesen werden 293 , wobei zu berücksichtigen ist, daß diese Bestimmungen noch nicht auf die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der §§ 14a/14b ArbPISchG294, mit der unter anderem die Beitragserstattung für gemäß § 7 11 AVG befreite Personen in § 14 b I ArbPISchG neu geregelt wurde 295 , abgestimmt sind. Ins Gewicht fällt dies aber lediglich im Hinblick auf § 20 allder Satzung, der noch von ein~r Erfassung gemäß § 7 11 AVG befreiter Personen durch § 14 a ArbPISchG ausgeht. Im übrigen sind die Absätze 111 und IV von § 20 ader Satzung so allgemein gehalten, daß ihnen auch unter der neuen Rechtslage Bedeutung zukommt. Für die von der gesetzlichen Rentenversicherung befreiten Angestellten ist deshalb allein auf die Regelung des § 20 a 111 der Satzung abzustellen, danach haben diese Wehr- und Zivildienst leistenden Mitglieder einen Beitrag in Höhe des jeweiligen höchsten Pflichtbeitrages in der Angestelltenversicherung zu zahlen, sofern ihnen nach den Vorschriften des ArbPISchG ein Anspruch auf Erstattung zusteht 296 . Hingegen zahlen solche Mitglieder, die nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind 297 , für diese Zeiten 40% des jeweiligen höchsten Pflichtbeitrages in der AngestelltenverZu § 14 b ArbP1SchG siehe unter B, 1. Kap., I 6. Vgl. z.B. auch § 21a III - V Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 294 Durch Art. 25 Ziff.2/3 Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. 12. 1983 (BGBl. 1983 I S. 1532). 295 Dazu unter B, 1. Kap., I 6. 296 Siehe hierzu § 14 bI ArbP1SchG. 297 Und damit regelmäßig in einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zusatzpflichtversichert sind, da diese i. d. R. keine Befreiung zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung vorsehen, sondern nur einen ermäßigten Pflichtbeitrag einräumen, siehe unter (2). 292 293

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sicherung, wobei die Verpflichtung auch hier unter dem Vorbehalt der Beitragserstattung nach dem ArbPISchG steht 298 . (4) Beiträge für freiwillige Mitglieder Während freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung innerhalb der festgesetzten Mindest- und Höchstgrenzen Beiträge nach ihrer Wahl entrichten können (siehe § 115 I AVG sowie § 2 IV RV-BEVO), finden sich hinsichtlich der Beitragsgestaltung für freiwillige Mitglieder in den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sehr unterschiedliche Regelungen. Einige Satzungen, wie zum Beispiel die Apothekerversorgung Bayern, die eine freiwillige Mitgliedschaft nur in Form der freiwilligen Anschlußversicherung kennt 299 , machen im Rahmen der Beitragserhebung keinen Unterschied zwischen Pflicht- und freiwilliger Mitgliedschaft, so daß für letztere die gleichen Beitragsregelungen wie für die Pflichtmitgliedschaft gelten 300 . Ein Teil der Satzungen enthält jedoch der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Regelungen und stellt es den freiwilligen Mitgliedern innerhalb einer festgesetzten Mindest-und Höchstgrenze frei, welchen Beitrag sie entrichten wollen. So heißt es zum Beispiel in § 13 S. 1 der Versorgungsordnung der Ärzteversorgung Hessen, daß die Höhe des Beitrages für die freiwillige Versorgung von dem Mitglied selbst bestimmt werden kann, allerdings müssen mindestens 10% des Höchstbeitrages für Pflichtmitglieder entrichtet werden, auf der anderen Seite entspricht der Höchstbeitrag der freiwilligen Versorgung dem für die Pflichtmitgliedschaft (§ 13 S. 2 und 3 der Satzung)301. Schließlich gibt es Satzungen, welche für die Beitragsgestaltung bei freiwilligen Mitgliedern danach unterscheiden, ob diese außerhalb oder innerhalb des Tätigkeitsbereichs der Versorgungseinrichtung ihre Berufstätigkeit ausüben oder aber gar nicht berufstätig sind. Als Beispiel kann hier auf § 23 der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe verwiesen werden 302 , nach dessen Absatz I die außerhalb der Ärztekammer tätigen freiwilligen Mitglieder der Versorgungseinrichtung BeiEntweder gemäß § 14a I oder § 14b II ArbPISchG. Zu diesem Begriff siehe unter I 3 a. 300 §§ 20ff. Apothekerversorgung Bayern; siehe z.B. auch § 12 IV Ärzteversorgung Trier, wo für freiwillige Mitglieder ausdrücklich, je nach Status (selbständig oder angestellt), die entsprechenden Regelungen für Pflichtmitglieder für anwendbar erklärt werden. 301 Siehe auch § 20 I Apothekerversorgung Westfalen-Lippe. 302 Siehe die ähnliche Regelung des § 22 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 298 299

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träge wie Pflichtmitglieder zu entrichten haben. Absatz 11 dieser Regelung sieht hingegen für innerhalb des Kammerbezirks tätige Mitglieder nur die Entrichtung von 3/10 der durchschnittlichen Versorgungsabgabe des vorletzten Geschäftsjahres vor, im übrigen bis zur festgelegten Höchstgrenze freie Beiträge. Die Unterscheidung zwischen den räumlichen Tätigkeitsbereichen und der davon abhängigen unterschiedlichen Beitragsverpflichtung erklärt sich daraus, daß Absatz I in erster Linie auf Personen zugeschnitten ist, die als ehemalige Pflichtmitglieder wegen Verzuges aus dem Kammerbereich nicht mehr in die Zuständigkeit der Versorgungseinrichtung fallen, dennoch aber ihre ehemalige Pflichtmitgliedschaft nunmehr als freiwillige Mitgliedschaft fortsetzen. Die Regelung des Absatzes 11 ist hingegen auf innerhalb des Kammerbereichs tätige Personen ausgerichtet, die bereits anderweitig gesichert sind und denen damit die Möglichkeit gegeben werden soll, im Rahmen der berufsständischen Versorgung eine ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechende freiwillige Mitgliedschaft durchzuführen. (5) Beiträge für die Höherversicherung Beiträge für eine freiwillige Höherversorgung können nach allen Satzungen, die eine solche Möglichkeit vorsehen, nur dann entrichtet werden, wenn bereits Beiträge im Rahmen einer Pflicht- oder freiwilligen Versicherung geleistet werden 303 • Insoweit handelt es sich bei der freiwilligen Höherversicherung im berufsständischen Versorgungswesen - ebenso wie in der gesetzlichen Rentenversicherung - um eine unselbständige Form der Versicherung 304 . Während nur von wenigen Satzungen Mindestbeiträge für die zusätzliche Höherversicherung vorgeschrieben werden 305 , sehen alle Satzungen als Höchstbeitragsgrenze für die Pflicht- bzw. freiwilligen Beiträge und die Beiträge für die Höherversicherung zusammen die in § 5 I Nr. 8 KStG geregelte Grenze für die Befreiung der öffentlich-rechtlichen Versicherungsund Versorgungseinrichtungen von der Körperschaftssteuer vor, wobei die Anwendung von Satz 1 oder 2 dieser Vorschrift im Einzelfall davon abhängig ist, welche Form der freiwilligen Mitgliedschaft die jeweilige Satzung zuläßt 306 • Bis zu dieser Höchstbeitragsgrenze kann die Höhe des Beitrages für die zusätzliche Höherversorgung von dem Mitglied in der Regel selbst bestimmt werden 307 . z. B. § 17 Apothekerversorgung Nordrhein. Siehe schon oben unter I 3 b. 305 z.B. § 24 I S. 2 der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: 3/10 der durchschnittlichen Versorgungsabgabe des vorletzten Geschäftsjahres. 306 Ausführlich zu § 5 I Nr. 8 KStG unter B, 1. Kap., II 1. 307 z.B. § 22 Apothekerversorgung Nordrhein. 303 304

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Während die überwiegende Mehrheit der Satzungen hinsichtlich der Bewertung der Beiträge nicht danach differenziert, inwieweit diese aufgrund einer Pflicht- oder freiwilligen Mitgliedschaft einerseits oder im Rahmen der zusätzlichen Höherversorgung andererseits entrichtet worden sind 30B , werden nach einigen Satzungen die im Rahmen der zusätzlichen Höherversorgung geleisteten Beiträge im Unterschied zu den Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen auf versicherungs-mathematischer Grundlage bewertepo9. b) Beiträge Dritter (1) Beiträge des Arbeitgebers Wie bereits dargestellt 3lO , besteht zugunsten der gemäß § 7 II AVG befreiten angestellten Berufsstandsmitglieder keine dem § 112 IV a AVG entsprechende gesetzliche Regelung, welche den Arbeitgeber zur Tragung des hälftigen Beitragsanteils auch nach der Befreiung des Mitgliedes von der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichten würde. Eine Beteiligung des Arbeitgebers an den Beitragsaufwendungen des angestellten Mitgliedes zu seiner Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung kann daher nur kraft einzel- oder tarifvertraglicher Vereinbarungen zustandekommen. Soweit diesbezügliche Regelungen zwischen den Tarifvertragsparteien oder Einzelvertragsparteien getroffen werden 311 , bleibt dennoch das gemäß § 7 II AVG befreite Berufsstandsmitglied gegenüber seiner jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung kraft Satzungsrechts allein zur Beitragszahlung verpflichtet. Diese Verpflichtung wird durch tarif- oder einzelvertragliche Abreden in keiner Weise berührt, vielmehr erwachsen dem Mitglied aus diesen Abreden lediglich zivilrechtliche Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber auf Bezuschussung der Vorsorge auf308 Siehe z.B. § 18 I S. 5 der Ärzteversorgung Koblenz: hier heißt es ausdrücklich, daß freiwillige Zuzahlungen über die Pflichtabgaben hinaus bei der Ennittlung der Anwartschaften wie Pflichtabgaben behandelt werden. 309 Z.B. § 24 IV Ärzteversorgung Westfalen-Lippe: für die im Rahmen der zusätzlichen Höherversorgung geleisteten Beiträge erhält das Mitglied Steigerungszahlen in Abhängigkeit vom Einzahlungsalter, während ansonsten bei der Festsetzung der Steigerungszahlen ein einheitlicher .Wert zugrunde gelegt wird (siehe die Tabelle in den Erläuterungen zur Satzung der Arzteversorgung Westfalen-Lippe, V Nr. 9, S. 10). 310 Siehe unter a (2) und außerdem unter B, 1. Kap., I 1 c (3). 311 Siehe z.B. 1. angestellte Berufsstandsmitglieder im öffentlichen Dienst: Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungs-TV) vom 4.11. 1966 (GMBl. 1966 I S. 627), §§ 15 und 17 Versorgungs-TV; 2. angestellte Berufsstandsmitglieder im kirchlichen Dienst: §§ 13, 15 Versorgungsordnung n.F., Anlage 8 zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR), Stand 1982.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

wendungen. Aus diesem Grunde kann hier nicht von einer "Beitragspflicht" des Arbeitgebers im Sinne einer eigenständigen Verpflichtung gegenüber der jeweiligen berufsständischen Sicherungseinrichtung gesprochen werden. Als Beispiel für eine tarifvertraglich begründete Zuschußpflicht des Arbeitgebers zu den Beitragsaufwendungen eines gemäß § 7 II AVG zugunsten einer berufs ständischen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung befreiten Mitgliedes kann auf die §§ 15 und 17 Versorgungs-TV verwiesen werden 312 . Sowohl nach der Vorschrift des § 12 als auch des § 17 Versorgungs-TV - die Bestimmungen unterscheiden sich allein darin, ob der gemäß § 7 II AVG befreite Angestellte Mitglied der Versorgungs anstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist (§ 15) oder nicht (§ 17) - erhält das angestellte Mitglied einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung im Sinne von § 7 II AVG auf Antrag für die Zeit, für welche ihm Vergütung oder Krankenbezüge zustehen, einen Zuschuß zu den Beiträgen zur Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung. Dieser Zuschuß beträgt die Hälfte des monatlichen Beitrages, darf jedoch nicht den Betrag überschreiten, den der Arbeitgeber bei einer freiwilligen Versicherung des Angestellten gemäß § 13 Versorgungs-TV zu tragen hätte (demnach bis zur Hälfte des Höchstbeitrages nach § 112 AVG). (2) Beiträge sonstiger Dritter Beiträge Dritter aufgrund selbständiger Beitragsverpflichtung gegenüber den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen werden nur in Zusammenhang mit der Beitragsübernahmeregelung des § 166b AFG geleistet3!3. Gemäß der Bestimmung des § 166b AFG trägt die BAfA während des Bezuges von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhalts geld für gemäß § 7 II AVG befreite Leistungsempfänger die Beiträge zu der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung. Mit dieser Regelung wird eine eigene Beitragsverpflichtung der BAfA für die Zeit des Leistungsbezuges begründet314 . Wegen der gleichzeitig angeordneten Freistellung des Leistungsempfängers (§ 166b I S. 2 AFG)315 handelt es sich, nach zivilrechtlichen Grundsätzen beurteilt, um eine gesetzlich angeordnete befreiende Schuldübernahme316 . Siehe Fn. 311. Siehe im einzelnen zu dieser Regelung unter B, 1. Kap., 14. 314 Siehe unter B, 1. Kap., I 4 b (2). 315 Siehe unter B, 1. Kap., I 4 b (2). 316 Ob das Mitglied allerdings wirklich von der Beitragsverpflichtung frei wird, hängt von der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für eine solche Regelung ab, siehe dazu unter B, 1. Kap., III 3 b. 312

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3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Kann somit in diesem Fall tatsächlich von Beiträgen Dritter kraft eigener Verpflichtung gegenüber den berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen gesprochen werden, so hat der Gesetzgeber für Zeiten, in denen selbständige oder angestellte Mitglieder dieser Einrichtungen ihren Wehr- oder Zivildienst ableisten, mit der Regelung des § 14 b ArbPISchG einen grundsätzlich anderen Weg zur Sicherung des Aufbaus der Altersversorgung während dieser Zeiten gewählt 317 . Nach dieser Vorschrift erstattet der Bund nämlich lediglich den auch weiterhin zur Beitragszahlung verpflichteten Mitgliedern die aufgewendeten Beiträge. Eine eigene Beitragsverpflichtung gegenüber den Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen wird hierdurch nicht begründet, so daß es sich in diesem Fall nicht um Beiträge Dritter handelt.

2. Finanziemngsverfahren

Die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen bedienen sich zur Mittelaufbringung bevorzugt des sogenannten "offenen Deckungsplanverfahrens" als Finanzierungssystem318 . Dieses Finanzierungsverfahren nimmt hinsichtlich der Kapitalbildung eine Mittelstellung ein zwischen dem für die gesetzliche Rentenversicherung verwendeten reinen Umlageverfahren und dem für die private Lebensversicherung aufsichtsbehördlich vorgeschriebenen reinen Anwartschaftsdeckungsverfahren 319 . a) Umlageverfahren

Für das in der gesetzlichen Rentenversicherung gebräuchliche reine oder auch einfache Umlageverfahrenist charakteristisch, daß die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (z.B. Jahresfrist) zu erbringenden Leistungen von den Beitragszahlern desselben Zeitraumes aufgebracht werden 320 . Da demgemäß der in einem bestimmten Zeitraum auftretende Bedarf umgehend durch die Beitragszahlungen der Verpflichteten gedeckt wird, findet im Rahmen dieses Finanzierungsverfahrens keine Kapitalbildung statt321 . Zu dieser Regelung im einzelnen unter B, 1. Kap., I 6. Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S. 126f. (127); Epping, Nds.ÄrzteBl. 1982, S. 719ff. (719); Kirchhoff, in: Festschrift zur 150-Jahr-Feier des Rechtsanwaltsvereins Hannover e. V., S. 167 ff. (172). 319 Kirchhoff (Fn. 318), S. 167ff. (172); Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S. 126f. (126). 320 Kressmann, Das versicherungstechnische Äquivalenzprinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD, S. 75f. 321 Kressmann (Fn. 320), S. 75; Fürstenberg (Fn. 23), S. 70; eine, allerdings das Verfahren selbst nicht in Frage stellende Abweichung von diesem reinen Umlageprinzip stellt in der gesetzlichen Rentenversicherung die gesetzlich vorgeschriebene Schwan317 318

9 Boecken

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Das Finanzierungssystem des Umlageverfahrens kann nur auf der Basis der Pflichtmitgliedschaft funktionsgerecht arbeiten, da ein Zugang von neuen Mitgliedern gewährleistet sein muß, von denen die heute arbeitende und Beiträge zahlende Generation im Falle des Erreichens der Altersgrenze wieder unterhalten werden kann 322 • Neben der Möglichkeit, die im Wege des Umlageverfahrens aufzubringenden Beiträge für einen bestimmten Zeitraum nach dem voraussichtlichen Bedarf zu erheben 323 , kann die Umlage auch erst nach Eintritt des Versicherungsfalles erfolgen, in diesem Fall spricht man von einer Ausgabendeckung durch Umlage 324 . Von dem einfachen Umlageverfahren unterscheidet sich das sogenannte Kapitaldeckungsverfahren als qualifiziertes Umlageverfahren dadurch, daß hier die Beitragszahler im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles den Wert aller sich daraus ergebenden künftigen Leistungen kapitalmäßig aufbringen 325 • In diesem Fall ist also für die laufenden Leistungsansprüche sowie die Anwartschaften der Empfänger von Hinterbliebenenversorgung ein Deckungskapital vorhanden, während die Anwartschaften der beitragszahlenden Mitglieder ungedeckt sind 326 • Die wesentlichen Vorteile des reinen Umlageverfahrens als Finanzierungssystem resultieren gerade aus dem Fehlen eines Deckungsstocks. In erster Linie ist hier die Anpassungsfähigkeit bei dynamischen Wirtschaftsentwicklungen, insbesondere Preisniveau- und Produktivitätssteigerungen, zu nennen. Zum Ausgleich inflationärer Geldwertentwicklungen ist es bei einem auf das Beitragsaufkommen abgestimmten Leistungsniveau ausreichend, die Leistungen und die Beiträge entsprechend der Inflationsrate zu erhöhen 327 • Für den Fall von Produktivitäts steigerungen kann eine Leistungsdynamik mit dem Ziel der Teilhabe der Leistungsempfänger am steigenden Lebensstandard durch Anpassung der Leistungen zum Beispiel in Anknüpfung an die Lohnentwicklung (brutto oder netto) erreicht werden. Neben der Anpassungsfähigkeit an dynamische Wirtschaftsentwicklungen ist als weiterer Vorteil des Umlageverfahrens der niedrigere Verwaltungsaufwand mit der Folge geringerer Verwaltungskosten zu nennen 32B . Da kungsreserve (siehe § 110 a AVG) dar; mit dieser Schwankungsreserve sollen Einnahme- und Ausgabeschwankungen ausgeglichen werden, siehe § 82 SGB IV und dazu Meydam in Krause u.a., GK-SGB IV, § 82, Rdn. 3f. 322 Fürstenberg (Fn. 23), S. 70f.; Krekeler (Fn. 23), S. 183. 323 Fürstenberg (Fn. 23), S. 69. 324 Heubeck in Hdwb. d. VW, Bd. 1, Sp. 671; Fürstenberg (Fn. 23), S. 69. 325 Fürstenberg (Fn.23), S. 69f.; Heubeck in Hdwb. d. VW, Bd. 1, Sp. 671; Jahn, Allgemeine Sozialversicherungslehre, S. 63. 326 Krekeler (Fn. 23), S. 182; Kressmann (Fn. 320), S. 75. 327 Fürstenberg (Fn. 23), S. 70. 326 Schröder, Finanzierungssysteme und Versicherungstechnik und deren Anwendung bei berufsständischen Versorgungswerken, S. 1.

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nämlich im Grunde genommen die Finanzierungsmittel nur umverteilt werden müssen, fällt der mit der Anlage eines Deckungsstocks verbundene Verwaltungsaufwand weg. Umgekehrt wirkt sich das Fehlen eines Deckungsstocks insoweit nachteilig aus, als eine Mitfinanzierung der Leistungen durch aus Vermögensanlagen resultierende Zinserträge wegfällt 329 • Dies bedeutet hinsichtlich der Beitragsbelastung einen nicht unerheblichen Nachteil, betrachtet man das anteilige Verhältnis von Beitrag und Zinsen hinsichtlich des angesammelten Kapitals bei dem mit einem Deckungsstock arbeitenden Anwartschaftsdekkungsverfahren 330. Ein weiterer Nachteil des Umlageverfahrens ist in seiner Abhängigkeit von demographischen Entwicklungen unter dem Aspekt des Verhältnisses zwischen der Zahl der Leistungsempfänger und der Beitragszahler zu sehen. Da ja die Leistungen unmittelbar aus den von den Beitragszahlern aufgebrachten Mitteln bestritten werden, wirkt sich eine steigende Zahl von Leistungsempfängern gegenüber einer gleichbleibenden oder sinkenden Zahl von Beitragszahlern (Stichwort: Rentenberg) zum Nachteil der letzteren aus 331 . Unter diesen Umständen müssen bei gleichbleibendem Leistungsangebot die Beiträge zur Finanzierung dieser Leistungen entsprechend heraufgesetzt werden 332 .

b) Anwartschaftsdeckungsverfahren Völlig gegensätzlich zu dem oben beschriebenen reinen Umlageverfahren werden die Finanzierungsmittel durch das der privaten Lebensversicherung aufsichtsbehördlich vorgeschriebene reine Anwartschaftsdeckungsverfahren aufgebracht. Bei diesem Finanzierungssystem wird die Mittelaufbringung vor dem Eintritt des Versicherungsfalles planmäßig in der Anwartschaftszeit betrieben 333 , der einzelne Versicherte sammelt aus Beiträgen sowie Zins und Zinseszins ein Kapital an, aus dem später nach Eintritt des Versicherungsfalles die Leistungen unter Berücksichtigung des Risikoausgleichs erbracht werden 334 . Charakteristisch für dieses Verfahren ist also das Vorhandensein eines Kapital- oder Deckungsstocks, mit dem nicht nur - wie bei dem KapiFürstenberg (Fn. 23), S. 71. Siehe dazu unter b und das dort genannte Beispiel in Fn. 342. 331 Kressmann (Fn. 320), S. 78. 332 Siehe dazu, welche Auswirkungen eine derartige Vorgehensweise im Hinblick auf die aktuellen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung hätte: Schmähl, DAngVers 1983, S. 53ff. (58/59); vgl. im übrigen schon im 1. Kap., II 3 e und die Nachweise in Fn. 127. 333 Krekeler (Fn. 23), S. 179; Fürstenberg (Fn. 23), S. 64. 334 Kressmann (Fn. 320), S. 75. 329 330

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

taldeckungsverfahren - die laufenden Leistungsansprüche, sondern auch die Anwartschaften kapitalmäßig gedeckt sind 335 . Gemäß dem individuellen Äquivalenzprinzip richtet sich die Höhe der Beiträge (Prämien) nach dem individuellen Risiko des einzelnen Versicherten, steht also in Abhängigkeit zu dem Lebensalter bei Eintritt in die Versicherung, zum Gesundheitszustand USW. 336 • Damit besteht auf der Grundlage der individuellen Äquivalenz 337 eine Gleichwertigkeit zwischen den Einzahlungen des einzelnen Versicherten und der jeweils zu erwartenden Leistung. Der in der privaten Lebensversicherung auf der Grundlage des reinen Anwartschaftsdeckungsverfahrens zu zahlende Beitrag ist aufgeteilt in einen Spar- und einen Risikoanteil. Diese Aufspaltung liegt darin begründet, daß es bei der üblichen gemischten Lebensversicherung für die Gegenleistung des Versicherers zwei Möglichkeiten gibt: entweder die vorzeitige Todesfalleistung oder die bei Vertragsende fällig werdende Erlebensfalleistung 338 • Während mit dem Risikoanteil die vorzeitigen Versicherungsfälle finanziert werden 339 , wird der Sparanteil in der Deckungsrückstellung verzinslich angesammelt und liefert bei Vertragsablauf das Erlebensfallkapital (bzw. den Rentenwert). Im Gegensatz zu dem reinen Umlageverfahren unterliegt das Anwartschaftsdeckungsverfahren nicht der Abhängigkeit von demographischen Entwicklungen, da die Anwartschaften und Leistungsansprüche jedes Mitgliedes durch den Deckungsstock gesichert sind, das bedeutet, auch für den Fall, daß es keine neuen Beitragszahlungen geben sollte, sind die Anwartschaften und laufenden Leistungsansprüche kapitalmäßig gedeckt3 4o . Damit sind die Leistungen der Versicherung von dem Zugang neuer Mitglieder unabhängig, wegen der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (individuelle Äquivalenz) bezogen auf die einzelnen Versicherungsverhältnisse kann auf eine Pflichtmitgliedschaft verzichtet werden 341 • Ein weiterer Vorteil des Anwartschaftsdeckungsverfahrens hängt ebenfalls mit der Kapitalakkumulation zusammen, es handelt sich hierbei um die Kressmann (Fn. 320), S. 75; Krekeler (Fn. 23), S. 179. Fürstenberg (Fn. 23), S. 65/68. 337 Siehe dazu und zum Prinzip der Gesamtäquivalenz Ruf, VW 1979, S. 1050ff.; eine Abweichung vom reinen Anwartschaftsdeckungsverfahren im Sinne einer Gesamtäquivalenz liegt vor, wenn unter Abstellen auf den gesamten Versichertenbestand lediglich die Gesamtheit der Prämien alle zukünftigen Leistungen decken sollen und damit nur insoweit eine Gleichwertigkeit besteht (siehe Ruf, VW 1979, S. 1050f.); eine solche Abweichung kann zum Beispiel dadurch erfolgen, daß die Beiträge einkommensbezogen nach der Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten erhoben werden (Fürstenberg [Fn. 23], S. 68). 338 Mohr / Hofmann, in: Die Versicherung, Bd. V, Lebensversicherung (F I), S. 110. 339 Kracke, Lebensversicherungstechnik, S. 75 u. 79. 340 Kressmann (Fn. 320), S. 75/76. 341 Fürstenberg (Fn. 23), S. 65. 335

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3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Nutzbarmachung der Zinswirkung und die daraus folgende Verbilligung des Versicherungsschutzes. Denn neben den Beiträgen tragen hier auch die aus dem Deckungskapital gewonnenen Zinserträge zur Finanzierung der späteren Leistungen bei342 • Als Nachteile dieses Verfahrens sind zunächst der mit der Kapitalanlage verbundene höhere Verwaltungsaufwand und die daraus resultierenden höheren Verwaltungskosten als bei dem Umlageverfahren zu nennen, was insbesondere durch die Zuordnung der Gewinne aus dem Vermögen an die einzelnen Versicherungen bedingt ist3 43 . Darüber hinaus besteht bei einem Verfahren, das mit einem Deckungsstock arbeitet, immer die Gefahr, daß im Fall einer Währungsumstellung die Deckungsmittel ganz oder teilweise verlorengehen, was eine Einschränkung des Versicherungsschutzes zur Folge hätte 344 . Schließlich ist noch zu erwähnen, daß der oben genannte Vorteil der Verbilligung des Versicherungsschutzes durch die Zinswirkung nur dann uneingeschränkt gilt, wenn die Finanzierung im Rahmen eines statischen Wirtschaftssystems erfolgt 345 . Im Falle von dynamischen wirtschaftlichen Entwicklungen, sei es infolge von Produktivitätssteigerungen oder Veränderungen des Geldwertes, die mit einem ständigen Ansteigen von Beiträgen und Leistungen ausgeglichen werden, ist die preiswertere Finanzierung im Rahmen des Anwartschaftsdeckungsverfahrens nur so lange gegeben, wie die Zinsrate über der Dynamisierungsrate liegt. Stimmen beide Faktoren überein, ist das Anwartschaftsdeckungsverfahren genauso teuer wie die Finanzierung im Umlageverfahren 346 , denn hier kommt den Zins erträgen praktisch nur noch die Funktion eines Ausgleichs der Dynamisierungsrate zu. Für den Fall einer anzahlmäßig gleichbleibenden (stationären) Bevölkerung entspricht die Beitragshöhe in dieser Situation dem beim Umlageverfahren zu zahlenden Beitrag347 • Steigt die Dynamisierungsrate hingegen über die Zinsrate hinaus an, so werden die Leistungen im Wege des reinen 342 Krekeler (Fn. 23), S. 194; Fürstenberg (Fn. 23), S. 65. - Dazu folgendes Beispiel von Heubeck in Hdwb. d. VW, Bd.1, Sp.672/673: bei einer Invaliditäts- und Altersversorgung (letztere ab 65) mit gleichbleibenden Leistungen einschließlich Hinterbliebenenversorgung (60% Witwenrente, 20% Waisenrente) werden bei einem Versicherungsbeginn im Alter von 15 Jahren nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren im Beharrungszustand - das ist eine Situation, bei der Bestandsschichtung für Aktive und Rentner, Leistungssystem und damit Beitragsaufkommen und Bedarf sowie die Deckungsmittel unverändert bleiben - bei 3,5%igem Rechnungszins nur rund 1/4 der jeweiligen baren Rentenleistungen durch Beiträge aufgebracht, während rund 3/4 aus dem Zinsertrag der Deckungsmittel bestritten werden. 343 Schröder (Fn. 328), S. 6. 344 Schröder (Fn. 328), S. 6. 345 Krekeler (Fn. 23), S. 195. 346 Krekeler (Fn. 23), S. 195f. 347 Krekeler (Fn. 23), S. 195f.; Schröder (Fn. 328), S. 6.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Umlageverfahrens kostengünstiger finanziert als im Anwartschaftsdekkungsverfahren 348. c) "Offenes Deckungsplanverfahren "

Wie schon eingangs erwähnt, finanzieren die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen die von ihnen gewährten Leistungen in der überwiegenden Mehrzahl im Wege des sogenannten "offenen Deckungsplanverfahrens", das hinsichtlich der Kapitalbildung eine Mittelstellung zwischen dem reinen Umlage- und dem reinen Anwartschaftsdekkungsverfahren einnimm t 349 • Im Gegensatz zu dem "geschlossenen Deckungsplanverfahren" als eine Ausgestaltungsmöglichkeit des Anwartschaftsdeckungsverfahrens, bei dem die Kapitalbildung zur Deckung bereits entstandener Leistungsansprüche und der Anwartschaften der beitragszahlenden Mitglieder umfangmäßig auf einen bestimmten Personenkreis (geschlossene Gruppe, zum Beispiel eine Generation) beschränkt ist3 5o , das heißt, die Beitragsaufwendungen dieses abgegrenzten Personenkreises müssen so bemessen sein, daß alle künftig zu erbringenden Leistungen für diesen Personenkreis abgedeckt sind 35 1, bezieht das "offene Deckungsplanverfahren" für die Abstimmung von Beiträgen und Leistungen über den Bestand der vorhandenen Leistungsempfänger und beitragszahlenden Mitglieder hinaus auch den künftigen Neuzugang mit ein 352 • Die Abstimmung von Leistungen und Beiträgen erfolgt hier nicht, wie bei dem unter b) beschriebenen reinen Anwartschaftsdeckungsverfahren, gemäß dem individuellen Äquivalenzprinzip auf das jeweilige Versicherungsverhältnis bezogen, vielmehr wird hier nur im Sinne einer Gesamtäquivalenz eine Gleichwertigkeit zwischen den Leistungen und den Beiträgen insgesamt hergestellt 353 . Die dauernde Erfüllbarkeit der Leistungen wird also dadurch gewährleistet, daß in einer regelmäßig jährlich aufzustellenden versicherungstechnischen Bilanz die zukünftig anfallenden Leistungen mit dem im gleichen Zeitraum vorhandenen Vermögen und den zu erwartenden Beiträgen zum Ausgleich gebracht werden 354 • Wegen der Einbeziehung des künftigen Neuzugangs in die versicherungstechnische Rechnung sind die künftig zu Krekeler (Fn. 23), S. 196; Schreiber, Zum System sozialer Sicherung, S. 111. Siehe oben Fn. 319. 350 Krekeler (Fn. 23), S. 181; Fürstenberg (Fn. 23), S. 65; Heubeck in Hdwb. d. VW, Sp.672. 351 Krekeler (Fn. 23), S. 181. 352 Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S. 126f. (126); Krekeler (Fn. 23), S. 181; Fürstenberg (Fn. 23), S. 65. 353 Krekeler (Fn. 23), S. 181; Epping, Nds. ÄrzteBl. 1982, S. 719ff. (719). 354 Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S. 126f. (126/127). 348 349

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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erbringenden Leistungen jedoch nur dann gesichert, wenn der voraus berechnete Neuzugang auch in dem erwarteten Maße erfolgt3 55 . Aus diesem Grunde setzt das "offene Deckungsplanverfahren " zwecks Sicherstellung des Neuzugangs eine Pflichtmitgliedschaft voraus 356 . Gegenüber dem reinen Anwartschaftsdeckungsverfahren erfolgt bei dem "offenen Deckungsplanverfahren" nur eine reduzierte Kapitalbildung 357 • Zum Ausgleich dynamischer Entwicklungen wird eine Leistungsdynamik in Anlehnung an das Umlageverfahren durch die unmittelbare Verwendung von Beitragsteilen und eine reduzierte Kapitalbildung erreicht3 58 . Dies ist unter dem Gesichtspunkt wichtig, daß gemäß § 7 II AVG eine Befreiung angestellter Berufsstandsmitglieder von der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung unter anderem nur unter der Voraussetzung erfolgt, daß die zu erbringenden Leistungen auch angepaßt werden 359 . Durch die unmittelbare Verwendung von Beitragsteilen ist es auch möglich, Leistungen für die Berufsstandsmitglieder zu finanzieren, welche diese wegen ihres bereits fortgeschrittenen Alters bei Eintritt in das Versorgungswerk nicht mehr voll oder überhaupt nicht finanzieren konnten (Problem der Alt- und Uraltlast)360. Das "offene Deckungsplanverfahren" zeichnet sich gegenüber dem Umlageverfahren dadurch aus, daß es von demographischen Entwicklungen deshalb weniger abhängig ist, weil diesbezügliche nachteilige Veränderungen (Stichwort Rentenberg) durch eine ausreichende Kapitalbildung aufgefangen werden können 361 . Durch die Bildung eines, wenn auch gegenüber dem reinen Anwartschaftsdeckungsverfahren reduzierten, Kapitalstocks kann im Gegensatz zum Umlageverfahren auch ein Zinsertrag zur Finanzierung der Leistungen nutzbar gemacht werden 362 . Durch die Verwendung des Gesamtäquivalenzprinzips gegenüber dem beim reinen Anwartschaftsdeckungsverfahren üblichen individuellen Äquivalenzprinzip ist der Verwaltungs- und damit Kostenaufwand geringer 363 .

Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S . 126f. (127). Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S . 126f. (127); Epping, Nds. ÄrzteBl. 1982, S. 719ff. (719f.). 357 Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S . 126f. (126). 358 Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S. 126f. (126) ; Epping, Nds. ÄrzteBl. 1982, S. 719ff. (719). 359 Dazu noch unter B, 1. Kap., I 1 b (2) (b) (ce). 360 Siehe zu diesen Begriffen unter 12 b (1). 361 Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S . 126f. (126); Epping, Nds. ÄrzteBl. 1982, S. 719ff. (719). 362 Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S . 126f. (126). 363 Schröder (Fn. 328), S . 9. 355

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Schließlich kann durch die unmittelbare Verwendung von Beitragsteilen für die Leistungsdynamisierung eine höhere Dynamisierungsrate erreicht werden als dies bei dem reinen Anwartschaftsdeckungsverfahren durch Gewinnverteilung der Zinserträge der Fall sein würde 364 • Als Nachteil des "offenen Deckungsplanverfahrens" ist zum einen hervorzuheben, daß sich auch hier wegen des Vorhandenseins eines Kapitalstocks eine Währungsumstellung negativ auf die Leistungsfähigkeit der Versorgungswerke auswirken würde 365 . Zum anderen bedeutet die oben dargestellte Einbeziehung des künftigen Zugangs in die Gesamtäquivalenz von Leistungen und Beiträgen und die daraus folgende unumgängliche Pflichtmitgliedschaft eine Abhängigkeit von einem ausreichenden Versichertennachwuchs. Eine nicht den Erwartungen entsprechende Veränderung in diesem Bereich mit der Folge eines verringerten Zugangs oder des völligen Ausbleibens von Berufsstandsangehörigen würde die Leistungsfähigkeit der auf der Grundlage des "offenen Deckungsplanverfahrens" arbeitenden Einrichtungen nicht unerheblich beeinträchtigen und große Finanzierungsprobleme aufwerfen 366 • IV. Die Berechnung und Anpassung der Leistungen (Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten) Im Rahmen der Leistungsberechnung werden zunächst die wesentlichen Berechnungsmethoden zur Feststellung der Altersrente, wie sie sich in den Satzungen der berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen finden, dargestellt 367 sowie daran anknüpfend die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente368 • Im Anschluß daran soll dann auf die in den Satzungen enthaltenen Anpassungsregelungen eingegangen werden, wobei hier zwischen der Anpassung von Anwartschaften 369 und der Anpassung von laufenden Renten 370 zu unterscheiden ist.

Schließlich wird in einem Exkurs die Bedeutung der Anpassung von Anwartschaften und Renten im Versorgungs ausgleich aufgezeigt 371 . Heubeck, DAB 1982, Beilage NW, S. 126f. (126). Epping, Nds. ÄrzteBl. 1982, S. 719ff. (720). 366 Schröder (Fn. 328), S. 10; hinsichtlich der Folgen siehe das Modell von Schröder, a.a.O., S. 14: danach würde ein völliger Zugangsstop eine Unterdeckung von 15,6% des Leistungsbarwertes bedeuten und hätte darüber hinaus die Wirkung, daß eine Leistungsdynamisierung nicht mehr in genügendem Umfang möglich wäre; vgl. auch Meenzen, Arbeit und Sozialpolitik 1982, S. 383ff. (383). 367 Siehe unter 1 a. 368 Siehe unter 1 b. 369 Siehe unter 2 a. 370 Siehe unter 2 b. 371 Dazu unter 1 c. 364 365

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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1. Leistungsberechnung

a) Berechnung der Altersrenten Zur Berechnung der Altersrenten verwenden die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen im wesentlichen vier verschiedene Methoden 372 (im Einzelfall gibt es Modifikationen, die jedoch an einer grundsätzlichen Zuordnung nichts ändern), wobei die unter (1) beschriebene, von über einem Drittel der Einrichtungen verwendete Berechnungsmethode der in der gesetzlichen Rentenversicherung gebräuchlichen RentenformeP73 am ehesten vergleichbar ist. Den unterschiedlich verwendeten Berechnungsmethoden kommt insbesondere im Versorgungsausgleich gemäß den §§ 1587 ff BGB Bedeutung zu, als nämlich für die Ermittlung des Wertunterschiedes zwischen den von den Ehegatten während der Ehezeit jeweils erworbenen Versorgungsansprüchen nach der Vorschrift des § 1587 a 11 Nr. 4 BGB, welche die Versorgungsleistungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen erfaßt37 4, von der Berechnungsweise der Versorgungsleistung abhängig ist, welcher Wert zugrunde zu legen ist (siehe § 1587 all Nr. 4a - d BGB). (1) Rentenberechnung durch Multiplikation eines von den individuell erworbenen Steigerungszahlen abhängigen Vomhundertsatzes mit einer allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage (Methode 1) Im Rahmen der von den Einrichtungen am häufigsten verwendeten Methode sind für die Berechnung der Renten zwei Faktoren maßgebend, zum einen die allgemeine Rentenbemessungsgrundlage und zum anderen die für jedes Mitglied festzustellende Summe der Steigerungszahlen. Bei der in der Regel jährlich von dem jeweils zuständigen Organ der einzelnen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen festzusetzenden allgemeinen Bemessungsgrundlage handelt es sich zumeist um ein Vielfaches der durchschnittlichen Versorgungsabgabe eines bestimmten Geschäftsjahres, wobei der Multiplikator in Abhängigkeit zu den zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben des kommenden Geschäftsjahres steht375 • Zum Teil erfolgt die Bestimmung der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage auch ohne unmittelbare Anknüpfung an die in einem bestimmten Geschäftsjahr Siehe unter (1) bis (4). Siehe dazu Ruland in LdR, Bd. 1, 11/370, F IV, S. 15 ff. 374 Maier in Münchener Kommentar, § 1587 a, Rdn. 222; Palandt / Diederichsen, Komm. z. BGB, § 1587 a, Anm. 3 B, zu Ziff. 4. 375 Z.B. § 9 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 9 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 372 373

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

durchschnittlich erbrachte Versorgungsabgabe, vielmehr wird jene allein auf der Grundlage eines versicherungs-mathematischen Gutachtens festgesetzt, wobei die Berechnung danach ausgerichtet sein muß, daß die künftigen Einnahmen sowie das Kapital einschließlich Zinsen ausreichen, die künftigen Verpflichtungen zu erfüllen376 . Der zweite eingangs genannte Faktor, die für jedes Mitglied festzustellende Summe der Steigerungszahlen, ergibt sich aus der Addition der für jedes einzelne Versicherungsjahr eines Mitgliedes zu ermittelnden Steigerungszahlen. Diese Steigerungszahl ist das Produkt aus einem von den Einrichtungen in unterschiedlicher Höhe festgelegten Faktor X multipliziert mit dem Verhältnis der von dem einzelnen Mitglied geleisteten Versorgungsabgabe eines Geschäftsjahres zur durchschnittlichen Versorgungsabgabe für das gleiche Geschäftsjahr. Zum überwiegenden Teil wird zur Summe der so errechneten tatsächlich erworbenen Steigerungszahlen pauschal ein bestimmter Wert (in der Regel der achtfache) der in den Versicherungsjahren durchschnittlich erworbenen Steigerungszahl hinzugerechnet, wobei im einzelnen unterschiedlich ausgestaltet ist, welche Versicherungsjahre zur Feststellung der durchschnittlich erworbenen Steigerungszahl herangezogen werden 377 • Mit dieser den Ausfallzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung 378 vergleichbaren pauschalen Hinzurechnung sollen beitragsfreie Zeiten wie Schul- und Studienzeiten berücksichtigt werden 379 . Neben der vorgenannten Erhöhung der Steigerungszahlen sehen einige Satzungen darüber hinaus vor, daß zur Ermittlung der durchschnittlichen Steigerungszahl die ersten Berufsjahre dann unberücksichtigt bleiben, wenn sich diese dadurch erhöht3 8o . Die individuelle Rente ergibt sich nunmehr aus der Summe der Steigerungszahlen als Vomhundertsatz der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage. Im Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung drückt die Höhe der auf diese Art und Weise für den einzelnen Versicherten festgestellten Rente damit nicht die einkommensmäßige Stellung des Versicherten, die er im Vergleich zu den anderen Versicherten während des Erwerbslebens hatte, nunmehr auch bei der Rentenhöhe aus, sondern die Position, welche er beitragsmäßig während der Versicherungszeit innerhalb der Versichertengemeinschaft eingenommen hat. z.B. § 27 I Ärzteversorgung Koblenz. z.B. § 9 IV Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 10 VII Architektenversorgung N ordrhein-Westfalen. 378 Siehe § 36 AVG. 379 Siehe Erläuterungen zur Satzung der Ärzteversorgung Niedersachsen von 1984, S.15. 380 z.B. § 15 IV Ärzteversorgung Niedersachsen; § 9 IV ÄrzteversorgungWestfalenLippe; siehe auch § 32 IV AVG. 376

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3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Zur Verdeutlichung dieser Berechnungsmethode soll beispielhaft die Altersrentenberechnung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe dargestellt werden. Gemäß § 9 IV S. 5 der Satzung ergibt die Gesamtsumme der Steigerungszahlen den Rentenjahresbetrag als Vomhundertsatz der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage. Die allgemeine Rentenbemessungsgrundlage ist nach § 9 11 S. 1 das Produkt aus dem Bemessungsmultipljkator (der nach Maßgabe des Rechnungsabschlusses des vorausgegangenen Geschäftsjahres für das kommende Geschäftsjahr festgelegt wird, § 9 11 S. 2) und der durchschnittlichen Versorgungsabgabe des vorletzten Geschäftsjahres. Die durchschnittliche Versorgungsabgabe berechnet sich gemäß § 25 I aus den im Geschäftsjahr eingegangenen gesamten Versorgungsabgaben geteilt durch die Anzahl der Mitglieder, die Versorgungsabgaben erbracht haben. Die Bestimmung der Steigerungszahl ist in § 9 111 geregelt. Danach erwirbt das Mitglied durch seine Versorgungsabgabe für jedes Geschäftsjahr eine Steigerungszahl. Hierbei handelt es sich um den zweifachen Wert dessen, der sich aus der in dem jeweiligen Geschäftsjahr geleisteten Versorgungsabgabe geteilt durch die durchschnittliche Versorgungsabgabe des gleichen Geschäftsjahres ergibt. Die Summe der tatsächlich erworbenen Steigerungszahlen vermehrt sich gemäß § 9 IV S. 1 um den achtfachen Wert der von dem Mitglied durchschnittlich jährlich erworbenen Steigerungszahl, wobei zur Errechnung des Durchschnitts auch Zeiten berücksichtigt werden, in denen keine Versorgungsabgabe geleistet wurde. Nach Satz 2 von § 9 IV sind hiervon nur Zeiten ausgenommen, in denen die Abgabepflicht wegen Bezuges von Berufsunfähigkeitsrente, einer Wehrdienstleistung im Sinne von § 4 I WPflG oder wegen eines Beschäftigungsverbotes gemäß § 3 11 und § 6 I MuSchG unterbrochen war. Schließlich bleiben die in den ersten drei Geschäftsjahren erworbenen Steigerungszahlen zur Errechnung der durchschnittlichen Steigerungszahl unberücksichtigt, soweit sich diese dadurch erhöht (§ 9 IV S. 3 der Satzung).

(2) Rentenberechnung durch Multiplikation der eingezahlten Beiträge mit einem versicherungsmathematisch bestimmten Faktor (Methode 2) Nahezu ein Drittel der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen verwendet eine Berechnungsmethode, bei der sich die jeweilige Rentenleistung unmittelbar als Produkt aus den geleisteten Beiträgen und einem versicherungs-mathematisch bestimmten, vom Lebensalter bei Eintritt des Mitgliedes in die Einrichtung abhängigen Multiplikator

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

ergibt. Je höher das Lebensalter des Mitgliedes im Zeitpunkt des Beginns der Beitragszahlung ist, desto niedriger ist der Multiplikator. In den diese Berechnungsmethode zugrunde legenden Satzungen finden sich regelmäßig in Anlageform beigefügte Tabellen, aus denen die für bestimmte Beiträge in Abhängigkeit von dem altersmäßigen Beginn der Beitragszahlung zu erwartenden Rentenleistungen abgelesen werden können 381 • Als Beispiel sei hier auf § 29 der Satzung der Apothekerversorgung Nordrhein 382 hingewiesen, wonach sich die Höhe der Leistungen aus den Beiträgen des einzelnen Mitgliedes in Zusammenhang mit der Leistungstabelle errechnet, die Bestandteil der Satzung ist (siehe Anlage). Aus dieser Leistungstabelle ist zu entnehmen, daß bei einem Beginn der Beitragszahlung im Alter von 20 Jahren für einen Monatsbeitrag von 10,DM mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine monatliche Altersrente von 60,42 DM erwartet werden kann (Multiplikator: 6,042), bei einem Beginn der Beitragszahlung im Alter von 40 Jahren 22,67 DM (Multiplikator: 2,267) und bei einem Beginn der Beitragszahlung im Alter von 60 Jahren eine Rentenleistung von nur noch 3,83 DM (Multiplikator: 0,383). Hieraus ergibt sich deutlich, in welcher Abhängigkeit die zu erwartende Rentenleistung neben der Höhe der Beiträge zu dem altersmäßigen Beginn und damit der Länge der Beitragszahlung steht. (3) Rentenberechnung durch Multiplikation eines generell festgelegten Vomhundertsatzes mit den eingezahlten Beiträgen (Methode 3) Nach einer dritten Berechnungsmethode, die von nur wenigen Satzungen der Rentenberechnung zugrundegelegt wird, wird die jährliche Rentenhöhe durch einen bestimmten Vomhundertsatz der bis zum Versicherungsfall geleisteten oder geschuldeten Beiträge festgesetzt. Zum Teil ist die Höhe dieses Vomhundertsatzes nach dem Lebensalter gestaffelt, in welchem die Beiträge entrichtet werden 383 • Als Beispiel für diese Berechnungsmethode sei hier die Regelung des § 33 I der Satzung der Apothekerversorgung Bayern angeführt: gemäß Satz 1 dieser Bestimmung bemißt sich das jährliche Ruhegeld nach Prozentsätzen der bis zum Eintritt des Versorgungsfalles geleisteten oder geschuldeten Beiträge, wobei Satz 2 die Höhe dieses Prozentsatzes von dem Lebensalter 381 Z. B. § 9 i. V.m. § 15 der Ärzteversorgung Hessen; § 28 i. V.m. der Anlage zur Satzung der Apothekerversorgung Westfalen-Lippe. 382 Stand 1980. 383 So z. B. § 33 I Apothekerversorgung Bayern.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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abhängig macht, in welchem die Beiträge entrichtet worden sind. Die entsprechenden Vomhundertsätze sind einer ebenfalls in Absatz I enthaltenen Tabelle zu entnehmen, danach beträgt der Vomhundertsatz für bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres entrichtete Beiträge 25%, für zwischen dem 36. und der Vollendung des 45. Lebensjahres entrichtete Beiträge 20% und für von dem 46. Lebensjahr an entrichtete Beiträge 16%384. (4) Rentenberechnung unter Zugrundelegung eines generell festgelegten Betrages (Methode 4) Schließlich wird nach einer vierten Berechnungsmethode von ca. 1/5 der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen die Rentenhöhe in der Form festgelegt, daß bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen an die Berechtigten eine Rente in einheitlicher Höhe geleistet wird, dieser Betrag ist teilweise als Höchstbetrag ausgestaltet 385 . Die einheitliche Rentenhöhe kann sich zum Beispiel an dem Ruhegehalt einer bestimmten Beamtenbesoldungsgruppe orientieren386 , sie kann aber auch in einem Festbetrag ausgedrückt sein wie in § 11 der Rechtsanwaltsversorgung Saarland, wonach die höchste Altersrente monatlich 900,- DM beträgt387 . Soweit die zur Anspruchsberechtigung aufgestellten Voraussetzungen von dem einzelnen Mitglied nicht erbracht werden, werden entsprechende Abschläge vorgenommen, bei "Übererfüllung" besteht aber zum Teil auch die Möglichkeit, eine über den festgelegten Wert hinausgehende Rentenhöhe zu erhalten. Zur Erläuterung dieser Berechnungsmethode sei auf die Regelung der Ärzteversorgung Hamburg hingewiesen. Gemäß § 17 I der Satzung beträgt die Altersrente bei Inkrafttreten 500,DM monatlich, bei nach dem 31.12.1973 beginnender Mitgliedschaft 673,15 DM, ab 1.1.1974 steigt dieser Betrag für neue Mitglieder im Jahre ihres Eintritts in demselben Verhältnis wie der Höchstbeitrag der Angestelltenversicherung. Zahlt ein Mitglied niedrigere als die seinem Alter entsprechenden Beiträge, so mindert sich gemäß § 17 11 der Satzung die Höhe der Rente nach den Grundsätzen des Geschäftsplanes. Umgekehrt steigt die Höhe der Rente 384 Demgegenüber arbeitet die Bayerische Ärzteversorgung mit einem einheitlichen Vomhundertsatz von 20%, siehe § 351. 385 Siehe z.B. § 11 Rechtsanwaltsversorgung Saarland Ld.F. der Satzung vom 1. 7. 1978 (Saarl. AmtsBl. 1978, S. 1024). 386 So § 13 Ziff. 1 Ärzteversorgung Saarland. 387 Mittlerweile angehoben, siehe die §§ 11 a und 11 b der Satzung L d. F. vom 1. 7. 1978; inzwischen arbeitet auch die Rechtsanwaltsversorgung Saarland auf der Grundlage der Berechnungsmethode 1 (siehe § 13 der Satzung L d. F. vom 15. 10. 1983, Saarl. AmtsBl. 1983, S. 834).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

nach § 17 III über den sich aus § 17 I ergebenden Rentenbetrag hinaus an, soweit ein Mitglied zeitweise oder ständig einen höheren als den altersgemäßen Versorgungsbeitrag geleistet hat. b) Berechnung der Berufsunfähigkeitsrenten Die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrenten soll in Anknüpfung an die unter a) dargestellten unterschiedlichen Berechnungsmethoden der Altersrenten beschrieben werden. (1) Methode 1 Die Satzungen, welche die Altersrente aus der Summe der von einem Mitglied erworbenen Steigerungszahlen als Vomhundertsatz der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage ermitteln388 , errechnen die Berufsunfähigkeitsrente in entsprechender Anwendung dieser Methode unter Hinzurechnung der Steigerungszahlen, welche das Mitglied erworben hätte, wenn es den Durchschnitt der bis zum Versicherungsfall erworbenen Steigerungszahlen bis zur Vollendung des für die Altersrente maßgebenden Alters jährlich weiter erhalten hätte. Im einzelnen enthalten die Satzungen unterschiedliche Regelungen zur Ermittlung der durchschnittlichen Steigerungszahl. Die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente ergibt sich sodann, nicht anders als bei der Altersrente, aus der Summe der ermittelten Steigerungszahlen als Vomhundertsatz der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage. Zur Verdeutlichung der vorbeschriebenen Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente sei als Beispiel auf die Regelungen der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe hingewiesen. Gemäß § 10 VI S. 1 der Satzung errechnet sich der Jahresbetrag der Berufsunfähigkeitsrente in entsprechender Anwendung der Bestimmungen zur Berechnung der Altersrente (§ 9) mit der Maßgabe, daß zu den gemäß § 9 IV anzurechnenden Steigerungszahlen die Steigerungszahlen hinzugerechnet werden, welche der Anspruchsberechtigte erworben hätte, wenn er den Durchschnitt seiner bisher erworbenen Steigerungszahlen bis zur Vollendung des für die Altersrente gültigen Lebensjahres (gemäß § 9 I die Vollendung des 65. Lebensjahres) jährlich weiter erhalten hätte. Nach § 10 VI S. 2 werden zur Ermittlung der durchschnittlich erworbenen Steigerungszahl auch Zeiten berücksichtigt, in denen keine Versorgungsabgabe geleistet worden ist, wobei auch hier wie bei der Altersrente gemäß Satz 3 die Zeiten ausgenommen sind, in denen die Abgabepflicht wegen Bezuges einer 388

Siehe oben a (1).

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Berufsunfähigkeitsrente, einer Wehrdienstleistung gemäß § 4 I WPflG oder eines Beschäftigungsverbotes gemäß § 3 11 und § 6 I MuSchG unterbrochen war. Schließlich bestimmt Satz 4 der Vorschrift des § 10, daß die ersten drei Geschäftsjahre zur Ermittlung der durchschnittlichen Steigerungszahl unberücksichtigt bleiben, wenn sich deren Wert dadurch erhöht, es sei denn, der Versicherungsfall tritt gerade in dieser Zeit ein. (2) Methode 2 Die auf der Grundlage der Berechnungsmethode 2389 arbeitenden Satzungen, wonach sich die Altersrente als Produkt aus den geleisteten Beiträgen und einem versicherungs-mathematisch bestimmten, vom Lebensalter des Mitgliedes bei Beginn der Beitragszahlung abhängigen Multiplikator errechnet, berechnen die Berufsunfähigkeitsrente überwiegend entsprechend der Altersrente. So wird auch hier abhängig vom Lebensalter bei Beginn der Beitragszahlung unter Berücksichtigung der Höhe der gezahlten Beiträge nach der für die Altersrente maßgebenden Tabelle ermittelt, welcher Betrag dem jeweiligen Mitglied als Berufsunfähigkeitsrente zusteht. Beispielsweise verweist § 25 I der Satzung der Zahnärzteversorgung Schleswig-Holstein für die Höhe der Leistungen auf das Beitrags- und Leistungsverzeichnis der Satzung. Hiernach stimmen die monatlichen Rentenanwartschaften auf Berufsunfähigkeits- und Altersrente überein, da für beide Rentenarten dieselben Tabellenwerte zugrundegelegt werden 390 . Zum Teil gewähren die Satzungen jedoch auch nur einen bestimmten Vomhundertsatz der nach den jeweiligen Tabellen ermittelten Altersrente als Berufsunfähigkeitsrente. Soweit die Berufsunfähigkeit erst nach Vollendung eines bestimmten Lebensalters eintritt, steigt dieser Vomhundertsatz für jedes zurückgelegte folgende Jahr um einen festgelegten Betrag an. Zur Verdeutlichung sei auf die Apothekerversorgung Nordrhein 391 hingewiesen, wonach die Berufsunfähigkeitsrente bei Eintritt der Berufsunfähigkeit bis zur Vollendung des 56. Lebensjahres 80% der unter Anwendung für die Altersrente geltenden Leistungstabelle392 und Berücksichtigung sonstiger (hier nicht im einzelnen wichtiger) Voraussetzungen ermittelten Rente beträgt. Tritt die Berufsunfähigkeit nach Vollendung des 56. Lebensjahres Siehe oben a (2). Vgl. auch § 14 IV Zahnärzteversorgung Berlin und die in § 18 enthaltenen Tabellen, danach wird die Berufsunfähigkeitsrente in Höhe der satzungsmäßigen Altersrente gewährt. 391 Siehe Anlage zur Apothekerversorgung Nordrhein, Rückseite der Leistungstabelle gemäß § 29. 392 Siehe oben unter a (2). 389 390

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

ein, erhöht sich die Berufsunfähigkeitsrente für jedes Jahr der Differenz zwischen dem Alter bei Eintritt der Berufsunfähigkeit und der Vollendung des 56. Lebensjahres um 2%. (3) Methode 3 Soweit die jährliche Altersrente durch einen bestimmten Vomhundertsatz der bis zum Versicherungsfall geleisteten oder geschuldeten Beiträge festgesetzt wird, unterscheiden die diese Berechnungsmethode verwendenden Satzungen zwischen Berufsunfähigkeit und Frühinvalidität393 . Der Unterschied liegt allein darin, daß ein Fall der Frühinvalidität gegeben ist, wenn der Versicherungsfall bis zu einem bestimmten Alter eintritt 39 4, während nach diesem Zeitpunkt von Berufsunfähigkeit gesprochen wird. Tritt entsprechend dieser Differenzierung der Versicherungsfall nach der maßgebenden Altersgrenze ein und liegt damit ein Fall von Berufsunfähigkeit vor, so wird die Berufsunfähigkeitsrente ebenso wie die Altersrente als Vomhundertsatz der bis zum Eintritt des Versicherungsfalles geleisteten oder geschuldeten Beiträge bestimmt395 • Eine davon abweichende Berechnung ist jedoch dann vorgesehen, wenn es sich um einen Fall der Frühinvalidität handelt. Hier erfolgt die Berechnung der Rente nach zwei verschiedenen Methoden. Nach einem Teil der Satzungen wird die Höhe der jährlichen Rente aus einem jährlichen Grund- oder Sockelbetrag addiert mit dem für die Altersrente maßgebenden Vomhundertsatz der Beiträge, die bis zum Versicherungsfall geleistet worden sind, ermittelt3 96 • Dabei ist der Grund- oder Sockelbetrag nach dem Lebensalter bei Eintritt des Versicherungsfalles gestaffelt, mit zunehmendem Lebensalter verringert er sich um einen bestimmten Prozentsatz oder Festbetrag. Als Beispiel sei § 33 IV der Satzung der Apothekerversorgung Bayern angeführt. Danach setzt sich das Ruhegeld bei Frühinvalidität aus einem jährlichen, vom Lebensalter bei Eintritt des Versorgungsfalles abhängigen Sockel betrag und aus dem Ruhegeld, das sich gemäß Absatz I, also der Berechnung der Altersrente, berechnet, zusammen. Nach Satz 2 dieser Regelung beträgt der jährliche Sockelbetrag bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres bei selbständigen Apothekern 15000,- DM, bei Apotheken393 Ausgenommen die Architektenversorgung Baden-Württemberg, hier wird jedoch für die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente eine entsprechende zeitliche Differenzierung vorgenommen, siehe § 30 V der Satzung. 394 Z.B. § 30 I Apothekerversorgung Bayern, siehe bereits oben unter 11 3 a (1). 395 Z.B. § 33 I Apothekerversorgung Bayern, der nur von "Ruhegeld" spricht, ohne Differenzierung danach, ob es sich um Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente handelt. 396 So z.B. § 33 IV Apothekerversorgung Bayern; § 34 I Ärzteversorgung Bayern.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

145

mitarbeitern 50% des durchschnittlichen Jahresberufseinkommens der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalles, höchstens 15 000,- DM jährlich. Gemäß dem letzten Satz dieser Regelung verringert sich der Sockelbetrag mit Vollendung des 26. und jeden weiteren Lebensjahres um jährlich 31/3%. Andere Satzungen ermitteln die Renten bei Fühinvalidität durch einen Vomhundertsatz des bisherigen (näher bestimmten) Berufseinkommens des Mitgliedes unter Festlegung von Höchst- und Mindestgrenzen 397 . So beträgt gemäß § 30 V der Satzung der Architektenversorgung Baden-Württemberg im Falle dauernder Berufsunfähigkeit vor Vollendung des 55. Lebensjahres die jährliche Rente mindestens 50% des in den letzten drei Kalenderjahren der Beitragsleistung zugrundeliegenden Einkommens, höchstens jedoch 1400,- DM monatlich. (4) Methode 4

Die mit einem bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einheitlichen Rentenbetrag arbeitenden Satzungen 398 gewähren die Berufsunfähigkeitsrente in gleicher Höhe wie die Altersrente. So erfolgt zum Beispiel gemäß § 17 der Ärzteversorgung Hamburg die Ermittlung der Berufsunfähigkeitsrente ausgehend von dem gemäß Absatz I maßgebenden Rentenbetrag nach den gleichen Grundsätzen wie die Berechnung der Altersrente 399 • Beispielhaft hinzuweisen ist auch auf § 3 III iVm I des Gesetzes über die Notarversorgungskasse Koblenz (NVKG)400, wonach das Ruhegehalt im Versicherungsfall Alter und Berufsunfähigkeit dem jeweils höchsten Ruhegehalt, das einem Landesbeamten der Eingangsgruppe des höheren Dienstes zusteht, entspricht.

2. Leistungsanpassung

Allgemein läßt sich hinsichtlich der Frage der Leistungsanpassung zwischen der Anpassung von Anwartschaften und der Anpassung von bereits laufenden Renten unterscheiden 401 . Mit der Anpassung von Anwartschaften soll erreicht werden, daß die Rentenleistung im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Gewährung eine den gesamtwirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Höhe erreicht, die Anpassung der laufenden Renten will vermeiden, daß 397 398 399 400 401

10

Z.B. § 30 V Architektenversorgung Baden-Württemberg. Siehe oben a (4). Siehe dazu schon unter a (4). Rh.-Pf. GVBl. 1962 S. 53. Siehe v. Maydell, ZGVW 1980, S. 297 ff. (302).

Boecken

146

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

nach erstmaliger Feststellung der Rentenleistung die Veränderung wirtschaftlicher Verhältnisse unberücksichtigt bleibt 402 • Sowohl bei der Anpassung von Anwartschaften als auch von Bestandsrenten stellt sich die Frage nach den Bezugspunkten der Anpassung, das heißt, an welchen Kriterien (zum Beispiel allgemeine Lohnsteigerung, Preisentwicklung) sich die Anpassung orientiert 403 . Darüber hinaus ist für die Anpassung von Anwartschaften und Renten von Bedeutung, wie das Anpassungsverfahren ausgestaltet ist. Hier läßt sich unterscheiden zwischen einer automatischen und einer halbautomatischen Anpassung als regelmäßige Anpassungsverfahren sowie einer fallweisen Anpassung 404 • Während von einer automatischen Anpassung dann gesprochen werden kann, wenn die Leistungen bei Vorliegen bestimmter, normativ festgelegter Voraussetzungen ohne weitere Beschlußfassung regelmäßig angepaßt werden, ist bei einer halbautomatischen Anpassung hingegen die Anpassung selbst neben dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen noch jeweils von einer besonderen Entscheidung (zum Beispiel des Gesetzgebers) abhängig405 . Unter einer fallweisen Anpassung ist ein Verfahren zu verstehen, bei dem ohne vorherige Festlegung näherer Voraussetzungen (also nach welchen Kriterien eine Anpassung vorgenommen werden soll) und/oder zeitlicher Bestimmungen durch jeweils besondere Entscheidung von Fall zu Fall eine Leistungsanpassung erfolgt 406 • a) Anpassung der Anwartschaften

Soweit die Renten aus der Summe der von einem Mitglied erworbenen Steigerungszahlen als Vomhundertsatz einer allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage bemessen werden 407 , wird eine Anpassung der Anwartschaften an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse über eine Veränderung der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage durchgeführt. Die dieses Berechnungsverfahren verwendenden Satzungen enthalten durchweg Regelungen über eine regelmäßige, zumeist jährliche, Veränderung der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage. Allen Regelungen ist gemeinsam, daß Bezugspunkt für eine Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage allein die Frage ist, inwieweit die versicherungs-mathematische Bilanz eine Veränderung dieses Faktors zuläßt 408 . Damit wird hier 402 403 404 405 406

407

v. Maydell, ZGVW 1980, S. 297ff. (302). v. Maydell, ZGVW 1980, S. 297ff. (303). v. Maydell, ZGVW 1980, 297 ff. (304). Scheil, Dynamisierung gesetzlicher Altersrenten, S. 25ff. Vgl. auch Scheil (Fn. 405), S. 25, die von ad-hoc-Anpassungen spricht. Siehe unter 1 a (1).

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

147

also für die Anwartschaftsdynamisierung an eine Überschußerzielung und nicht an gesamtwirtschaftliche Kriterien wie Einkommens- oder Preissteigerungen angeknüpft. Das Anpassungsverfahren kann nach den eingangs genannten Definitionen nur als halbautomatisch bezeichnet werden, da eine Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nur durch besondere Entscheidung des nach der Satzung zuständigen Organs herbeigeführt werden kann 409 . Neben der Veränderung der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage wirkt sich infolge der Ausgestaltung des Rentenberechnungsverfahrens eine erhöhte Beitragszahlung dynamisierend auf die Anwartschaften aus 410 • Zur Verdeutlichung dieses Anpassungsverfahrens soll beispielhaft auf die einschlägigen Bestimmungen der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe hingewiesen werden: gemäß § 9 IV der Satzung ergibt die Gesamtsumme der von einem Mitglied erworbenen Steigerungszahlen den Jahresbetrag der Rente als Vomhundertsatz der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage nach Absatz 11. Hiernach ist die allgemeine Rentenbemessungsgrundlage für die Altersrente das Produkt aus dem Bemessungsmultiplikator und der gemäß § 25 errechneten durchschnittlichen Versorgungsabgabe des vorletzten Geschäftsjahres. Nach Satz 2 des § 9 11 wird der Bemessungsmultiplikator für das kommende Geschäftsjahr aufgrund des Rechnungsabschlusses des vorausgegangenen Geschäftsjahres von der Kammerversammlung auf Vorschlag des Verwaltungs- und Aufsichtsausschusses im laufenden Geschäftsjahr festgesetzt, wobei die Festsetzung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Im Rahmen dieser Festsetzung ist gemäß § 33 IV eine Erhöhung des Bemessungsmultiplikators durchzuführen, wenn die versicherungs-mathematische Bilanz derartige Maßnahmen in nennenswertem Umfang zuläßt. Im Gegensatz zu den mit einer allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage arbeitenden Satzungen verwenden die Einrichtungen, welche die Renten unmittelbar als Produkt aus den geleisteten Beiträgen und einem versicherungs-mathematisch bestimmten Multiplikator errechnen 4l1 , kein halbautomatisches Anpassungsverfahren 412 . Eine Anpassung der Anwartschaften z.B. § 34 V Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 29 V Ärzteversorgung Bremen. Ausnahme: § 28 V Ärzteversorgung Baden-Württemberg, hiernach ist der u.a. für die Rentenberechnung maßgebende Punktwert unter Beachtung der eingetretenen Veränderungen in Abhängigkeit von den Einnahmen und Verpflichtungen zum 1. 7. jeden Jahres zu ermitteln; damit handelt es sich hier um ein automatisches Anpassungsverfahren. 410 Der hiernach mögliche Dynamisierungseffekt ist jedoch durch die Höchstbeitragsgrenzen begrenzt, siehe dazu oben unter III 1 a. m Dazu unter 1 a (2). 412 Ausnahme: § 24 IV Zahnärzteversorgung Berlin, danach werden die Anwartschaften mit einer Beitragssteigerung entsprechend der Entwicklung des Höchstbeitrages zur Angestelltenversicherung alljährlich mindestens an die jeweilige Verände{08

409

10'

148

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

erfolgt durchgängig in Form einer Überschußbeteiligung und ist damit auch hier allein von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Einrichtung bestimmt. Die einschlägigen Satzungsregelungen enthalten jedoch keine näheren Bestimmungen dahingehend, wann eine Anpassung in Form der Überschußbeteiligung durchzuführen ist. Deshalb kann hier, obwohl das Kriterium des Überschusses als Anpassungsvoraussetzung feststeht, nur von einem fallweisen Anpassungsverfahren gesprochen werden. Eine Erhöhung der Rentenanwartschaften ist neben der Überschußbeteiligung durch eine Steigerung der Beitragsleistung möglich. Für dieses Anpassungsverfahren kann als Beispiel die Regelung des § 15 der Satzung der Ärzteversorgung Hessen herangezogen werden: gemäß § 15 II S. 1 ist jährlich eine versicherungs-mathematische Bilanz durch einen Sachverständigen aufzustellen, wobei nach Satz 3 ein sich ergebender Überschuß teilweise der Rückstellung für Überschußbeteiligung zuzuweisen ist. Gemäß Satz 4 dürfen der Rückstellung für Überschußbeteiligung Beträge nur zur Verbesserung der Versorgungsleistungen oder zur Deckung von Verlusten entnommen werden, hierzu bedarf es nach § 15 III eines Beschlusses der Delegiertenversammlung und der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Aus dieser Regelung wird ersichtlich, daß zwar eine Anpassung der Versorgungsleistungen möglich ist, hinsichtlich des Zeitpunktes der Überschußbeteiligung jedoch keine Vorgaben enthalten sind. Ebenfalls nur eine fallweise Anpassung der Anwartschaften kennen die Satzungen, welche die Renten nach einem bestimmten Vomhundertsatz der von dem Mitglied entrichteten Beiträge bemessen 413 . Da allein die Summe der geleisteten Beiträge als Bemessungsgrundlage für die Rentenberechnung maßgebend ist, kann hier - abgesehen von der Möglichkeit, mit Zahlung höherer Beiträge auch eine Steigerung der Anwartschaften zu erreichen - nur dann eine Dynamisierung erreicht werden, wenn der maßgebende Vomhundertsatz für die Rentenberechnung verändert wird. Zwar ergibt sich aus den einschlägigen Satzungen, daß entsprechende Satzungsänderungen möglich sind414 , es finden sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen und in welchen zeitlichen Abständen solche Satzungsänderungen vorzunehmen sind. rung der allgemeinen Bemessungsgrundlage gemäß § 32 II AVG angepaßt, sofern es die Mittel erlauben; die Anpassung erfolgt durch Beschluß der Delegiertenversammlung. m Siehe oben 1 a (3). 414 Siehe z. B. die übereinstimmenden Regelungen in § 45 I Apothekerversorgung Bayern und § 48 I Ärzteversorgung Bayern: "Satzungsänderungen, durch welche die Versorgungsbezüge erhöht oder gemindert werden, gelten auch für die bereits in Bezug von Versorgung stehenden Berechtigten und für die vor der Änderung der Satzung eingetretenen Versorgungsfälle, soweit nichts anderes bestimmt wird."

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

149

Soweit die Versorgungsleistungen in der Weise berechnet werden, daß bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine Rente in satzungsmäßig festgelegter, einheitlicher Höhe geleistet wird 415 , lassen sich hinsichtlich der Anpassung der Anwartschaften keine einheitlichen Grundsätze feststellen. So kennt zum Beispiel die Notarversorgung Koblenz ein automatisches Anpassungsverfahren, indem die einem Notar zustehende Versorgung ohne weitere Beschlußfassung dem jeweils höchsten Ruhegehalt entspricht, daß einem Landesbeamten der Eingangsgruppe des höheren Dienstes zusteht 416 . Damit orientiert sich in diesem Fall die Anpassung der Anwartschaften an der Steigerung der Beamtenruhegehälter. Allerdings gilt auch hier der Vorbehalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (siehe § 7 III NVKG), jedoch in der Form, daß nicht die Anpassung, sondern die Herabsetzung der Leistungen beschlossen werden muß (durch den Pensions ausschuß, siehe § 9 IVb NVKG). Ein umgekehrtes und deshalb nur als halbautomatisch zu bezeichnendes Verfahren verwendet zum Beispiel die Ärzteversorgung Saarland. Hier bemißt sich die Zugangsrente zwar auch in Anknüpfung an ein bestimmtes Beamtenruhegehalt, jedoch muß die sich daraus ergebende Rentenhöhe jährlich durch Beschluß der Delegiertenversammlung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit festgesetzt werden 417 . Reichen die Einnahmen nicht aus, um eine Rente in Anknüpfung an das Beamtenruhegehalt zu gewähren, so ist die Rentenhöhe davon abweichend festzusetzen 418 . Sowohl ein automatisches als auch ein ad-hoc-Verfahren zur Anwartschaftsanpassung findet sich in den einschlägigen Satzungsregelungen der Ärzteversorgung Hamburg. Soweit die Vorschrift des § 21 11 S. 1 der Satzung bestimmt, daß jährliche Beitragserhöhungen in dem Verhältnis stattfinden, wie der Höchstbeitrag zur Angestelltenversicherung gemäß § 112 I AVG steigt und dies nach Satz 2 der Regelung eine allgemeine Anhebung der Rentenanwartschaften nach den Grundsätzen des Geschäftsplans bewirkt, handelt es sich um eine automatische Anwartschaftsanpassung. Bezugspunkt für die Dynamisierung ist die Erhöhung des Höchstbeitrages zur Angestelltenversicherung. Wenn darüber hinaus § 28 VI der Satzung vorsieht, daß der Überschußrückstellung Beträge u. a. zur Verbesserung der Versorgungsleistungen zu entnehmen sind, so kann diesbezüglich nur von einem ad-hoc-Verfahren gesprochen werden, da insoweit die Voraussetzungen einer Anpassung nicht näher festgelegt sind.

415 416 417 418

Siehe oben 1 a (4). Siehe § 3 III NVKG (Rh.-Pf. GVBl. 1962 S. 53). Siehe § 13 I und § 6 I1I, IV Ärzteversorgung Saarland. Siehe § 6 IV Ärzteversorgung Saarland.

150

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung b) Anpassung der Bestandsrenten

Die Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sehen durchweg Regelungen zur Anpassung der Bestandsrenten an wirtschaftliche Veränderungen vor, die unabhängig von dem jeweiligen Rentenberechnungsverfahren im wesentlichen übereinstimmen. Mit diesen Regelungen kommen die Einrichtungen der in § 7 II AVG enthaltenen Vorgabe nach, derzufolge angestellte Berufsstandsmitglieder nur dann von der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der berufsständischen Sicherungseinrichtungen befreit werden, wenn die von diesen vorgesehenen Leistungen auch angepaßt werden, und zwar mit der Einschränkung, daß die finanzielle Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist419 . Die Anpassungsregelungen stehen durchgängig unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, womit sich die Anpassung in concreto in erster Linie danach richtet, ob die versicherungs-mathematische Bilanz eine solche zuläßt. Von einigen Satzungen wird die Frage der Leistungsfähigkeit zum alleinigen Bezugspunkt für eine Anpassung gemacht42o . Soweit über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus an sonstige Bezugspunkte als Maßstab für eine Anpassung angeknüpft wird, ist dies am häufigsten die Entwicklung der Lebenshaltungskosten421 . Daneben kommen als Anknüpfungspunkte aber auch die Veränderung in bezug genommener Beamtenruhegehälter422 oder die Veränderung bestimmter Faktoren in der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht, sei es in der Weise, daß auf die Anhebung der Bestandsrenten in der Angestelltenversicherung423 oder auf die Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage gemäß § 32 II AVG424 abgestellt wird. Betrachtet man das Anpassungsverfahren, so ist festzustellen, daß nahezu alle Satzungen ein halbautomatisches Verfahren in der Form vorsehen, daß bei Vorliegen der satzungsmäßig aufgestellten Voraussetzungen über jede Anpassung das zuständige Organ einen Beschluß zu fassen hat42 5, und zwar zumeist in einem jährlichen Rhythmus. 419 Siehe dazu noch unter B, 1. Kap., I 1 b (2) (b) (dd). 420

z. B. § 33 V Ärzteversorgung Westfalen-Lippe.

421 z. B. § 28 II Apothekerversorgung Bayern; § 10 Ärzteversorgung Hessen; § 25 III

Zahnärzteversorgung Schleswig-Holstein. 422 Z.B. § 13 Ziff. 1 Ärzteversorgung Saarland; § 20 Notarversorgung Saarland. 423 Z.B. § 21 VI ZahnärzteversorgungWestfalen-Lippe. 424 Z.B. § 24 IV Zahnärzteversorgung Berlin. 425 Siehe z.B. § 28 II Apothekerversorgung Bayern; damit sehen die meisten Einrichtungen ein der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechendes Anpassungsverfahren vor (siehe § 49 AVG), bei dem es sich ebenfalls um ein halbautomatisches Ver-

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Nur in Ausnahmefällen wird ein automatisches Anpassungsverfahren verwendet. Als Beispiel für eine automatische Anpassung kann auf die Notarversorgung Saarland verwiesen werden, wonach gemäß § 20 I der Satzung die Versorgung eines Notars dem höchsten Ruhegehalt eines Berechtigten der Besoldungsgruppe A 14 nach dem Bundesbesoldungsgesetz entspricht. Viele Satzungen sehen auch die Möglichkeit einer "Anpassung nach unten" vor, das heißt, unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Versorgungsleistung auch reduziert werden, wobei der zulässige Umfang einer solchen Reduzierung von den einzelnen Satzungen unterschiedlich ausgestaltet ist. So bestimmt § 33 V der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, daß bei der jährlichen Anpassung die erstmals festgesetzte Rentenhöhe nicht unterschritten werden darf, damit also eine Reduzierung nur hinsichtlich vorgenommener Aufbesserungen erfolgen kann, wohingegen gemäß § 28 VII der Satzung der Ärzteversorgung Hamburg die Versorgungsleistungen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch über diese Grenze hinaus herabgesetzt werden können. Zur Verdeutlichung der von der ganz überwiegenden Mehrzahl der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen verwendeten halbautomatischen Anpassungsregelungen unter Abstellen auf den Kaufkraftverlust einerseits sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit andererseits sei auf die Regelung des § 28 II der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung hingewiesen. Gemäß dieser Vorschrift hat nach Satz 1 der Landesausschuß alljährlich unter Berücksichtigung des Preisgefüges der Gesamtwirtschaft sowie der Veränderungen der Lebenshaltungskosten für Versorgungsempfänger die Kaufkraft der Versorgungs leistungen der Bayerischen Apothekerversorgung zu überprüfen. Der Landesausschuß beschließt Ausgleichsmaßnahmen durch Gewährung freiwilliger Leistungen, falls dies im Hinblick sowohl auf den Index der Gesamtwirtschaft angezeigt als auch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bayerischen Apothekerversorgung vertretbar ist (Satz 2). Aus dieser Regelung ergibt sich deutlich der Bezugspunkt steigender Lebenshaltungskosten als Anlaß für eine mögliche Anpassung der Versorgungsleistungen, letztlich richtet sich diese jedoch gemäß Satz 2 nach der fahren handelt (v. Maydell, ZGVW 1980, S. 297ff. (307)); während allerdings für die Anpassung der Bestandsrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 49 AVG bei Vorliegen der Voraussetzungen der Gesetzgeber nicht über das "ob" einer Anpassung, sondern nur noch über deren Höhe entscheiden kann, dieser mithin einer Anpassungspflicht unterliegt (v. Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 239), entscheiden nach den maßgebenden Satzungsregelungen die zuständigen Organe auch über die Frage, ob überhaupt eine Anpassung erfolgen soll (siehe § 28 II Apothekerversorgung Bayern).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Da es sich bei den Ausgleichsleistungen um freiwillige Leistungen handelt, das heißt, auf diese Leistungen besteht für die Versorgungsempfänger kein Rechtsanspruch, können diese bei verschlechterter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Versorgungswerkes wieder in Wegfall gebracht werden. c) Exkurs: Bedeutung der Anpassung von Anwartschaften und Renten im Versorgungsausgleich

(1) Notwendigkeit der Umrechnung von Versorgungen gemäß § 1587 a III BGB Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt 426 , sind auch die Anwartschaften und Renten aus öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen in einen Wertausgleich der von den Ehegatten während der Ehezeit jeweils erworbenen Versorgungen einzubeziehen. Gemäß der Vorschrift des § 1587b III S.3 BGB ist der öffentlich-rechtliche Wert ausgleich im Wege einer einmaligen Verrechnung der für beide Ehegatten auf der Grundlage von § 1587 a II BGB ermittelten Versorgungs anrechte vorzunehmen. Zu diesem Zweck sind die Gesamtwerte der beiderseitigen Versorgungsanrechte zu ermitteln und einander gegenüber zu stellen 427 . Eine solche Gegenüberstellung ist allerdings nur möglich, wenn die jeweiligen in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte im Hinblick auf ihre Qualität vergleichbar sind. Das Problem der Vergleichbarkeit stellt sich darüber hinaus auch dann, wenn nur einer der Ehegatten während der Ehezeit eine Versorgung erworben hat und nunmehr für den berechtigten Ehegatten in einem anderen Versorgungssystem Anwartschaften von vergleichbarer Qualität zu begründen sind 428 . Neben der Frage des Leistungsumfangs sowie der steuerlichen Behandlung ist ein entscheidender Faktor für die Qualität von Versorgungsanrechten der Gesichtspunkt, inwieweit diese an wirtschaftliche Entwicklungen angepaßt werden. Denn der Versorgungswert nichtdynamischer Leistungen ist geringer als derjenige von dynamischen Leistungen 429 • Der Gesetzgeber hat zwar im Rahmen des Versorgungs ausgleichs die Aspekte des Leistungsumfangs sowie der steuerlichen Behandlung von Versorgungsanrechten außer acht gelassen 43o , jedoch den Gesichtspunkt der Siehe unter II 4 b (5). Ellger / Glockner, FamRZ 1984, S. 733ff. (733). 428 Vgl. BGH in NJW 1983, S. 336ff. (337). 429 Maier in Münch. Komm. z. BGB, § 1587 a, Rdn. 339; Ruland / Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, Rdn. 179. 430 Maier, Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung, § 1587 a BGB, Ziff. 7. 426 427

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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wirtschaftlichen Entwicklung berücksichtigt und mit der Regelung des § 1587 a III BGB eine Vorschrift geschaffen, welche Bewertungsregeln für die Umrechnung von nicht vergleichbaren Versorgungen enthält. Nach dieser Bestimmung ist bei Versorgungen, Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung, deren Wert nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert der in § 1587 a II Nr. 1 und 2 BGB genannten Anwartschaften (also solche der Beamtenversorgung und gesetzlichen Rentenversicherung) eine Umrechnung vorzunehmen. Im Rahmen dieser Umrechnung werden alle Anrechte in solche der gesetzlichen Rentenversicherung ausgedrückt 431 , wobei § 1587 a III BGB dem Verfahren nach zwischen der Umrechnung über das Deckungskapital (Nr. 1) und der Umrechnung über den Barwert (Nr. 2) unterscheidet. Während bei der Umrechnung über das Deckungskapital- welche allein Leistungen umfaßt, die aus einem Deckungskapital oder einer vergleichbaren Deckungsrücklage gebildet werden - das Altersruhegeld zugrunde zu legen ist, das sich ergibt, wenn der während der Ehe gebildete Teil des Dekkungskapitals oder der auf diese Zeit entfallende Teil der Deckungsrücklage als Beitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet würde, wird bei Anrechten, für die kein Deckungskapital oder eine vergleichbare Dekkungsrücklage gebildet wird, das Altersruhegeld zugrundegelegt, welches sich ergibt, wenn ein versicherungs-mathematischer Barwert der Teilversorgung für den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ermittelt und als Beitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet würde. Nach dem Vorstehenden sind somit Versorgungsanwartschaften aus öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen im Rahmen der Wert ermittlung zum Zwecke der Durchführung des Versorgungsausgleichs dann einer Umrechnung gemäß § 1587 a III BGB zu unterziehen, soweit ihr Wert nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert von Anwartschaften der Beamtenversorgung oder gesetzlichen Rentenversicherung. Damit kommt den in den jeweiligen Satzungen enthaltenen Anpassungsbestimmungen hinsichtlich der Anwartschaften und Renten für die Feststellung des im Versorgungsausgleich maßgebenden Wertes entscheidende Bedeutung zu. (2) Voraussetzung einer Umrechnung gemäß § 1587 a III BGB Maßgebende Voraussetzung für die Frage, ob eine berufsständische Versorgung gemäß § 1587 a III BGB umgerechnet werden muß, ist das Kriterium, daß der Wert einer solchen Versorgung "nicht in gleicher oder nahezu 431

Ellger / Glockner, FamRZ 1984, S. 733ff. (733).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflicht altersversorgung

gleicher Weise steigt, wie der Wert der in Absatz II Nr. 1 und 2 genannten Anwartschaften" . Damit stellt das Gesetz als Vergleichsmaßstab auf die Wertsteigerung in der Beamtenversorgung und gesetzlichen Rentenversicherung ab, die nach der Legaldefinition in § 1 I S. 2 der Barwert-Verordnung432 als" volldynamische Versorgungen" bezeichnet werden. Hierunter sind nach der Begründung zu § 1 I Barwert-Verordnung solche Versorgungen zu verstehen, bei denen sowohl die Anwartschaften als auch die Leistungen regelmäßig der allgemeinen Einkommensentwicklung angepaßt werden 433 . Demzufolge steigt der Wert einer Versorgung dann "in gleicher oder nahezu gleicher Weise" wie Versorgungs anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung oder Beamtenversorgung, wenn nach den zugrunde liegenden Bestimmungen eine regelmäßige, an der allgemeinen Einkommensentwicklung orientierte Anpassung sowohl der Anwartschaften als auch Leistungen vorgesehen ist 434 . Darüber hinaus wird für die Annahme einer voll dynamischen Versorgung zum Teil weitergehend gefordert, daß eine automatische Kopplung der Leistungsentwicklung mit der Einkommensentwicklung besteht, die in der Versorgungsordnung oder -satzung des Versorgungsträgers festgelegt ist. Eine verläßliche Beurteilung der Dynamikfrage setze nämlich rechtliche Kriterien voraus, die tatsächliche Leistungsentwicklung könne nicht ausschlaggebend sein 435 • Insbesondere nach der Auffassung des BGH ist jedoch ein solches Erfordernis abzulehnen, da mit dieser Anforderung über die Verhältnisse der in § 1587 a III BGB genannten volldynamischen Versorgungen hinausgegangen werde. Denn sowohl im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung als auch der Beamtenversorgung, die vom Gesetzgeber als Vergleichsmaßstab gewählt seien, bestehe kein Recht auf Anpassung der Versorgung in einer bestimmten Höhe, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder auf einer bestimmten Grundlage 436 .

432 Vom 24. 6. 1977 (BGBL 1977 I S. 1014), geändert durch die Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 22.5.1984 (BGBL 1984 I S. 692). 433 BR-Drs. 191/77, S. 12. 434 BGHZ Bd.85, S. 194ff. (198); Palandt I Diederichsen, Anhang II zu § 1587 a, Anm. 2 b) bb); Soergell Zimmermann, § 1587 a, Rdn. 264; Maier in Münch. Komm. z. BGB, § 1587 a, Rdn. 358; Heubeck I Zimmermann, BB 1981, S. 1225 ff. (1226). 435 Heubeck I Zimmermann, BB 1981, S. 1225ff. (1226); Soergell Zimmermann, § 1587 a, Rdn. 264; so wohl auch Palandt I Diederichsen, wonach es nicht ausreicht, wenn es dem Ermessen des Versorgungsträgers überlassen ist, ob, wann und mit welchem Anpassungssatz er angleichen will, siehe Anhang II zu § 1587 a, Anm. 2 b) bb). 436 BGH in FamRZ 1983, S. 998f. (999), unter Hinweis auf BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (203 f.).

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Die hierin zum Ausdruck kommende Auffassung des BGH, nach welcher die Bewertung als volldynamische Versorgung nicht von dem Vorhandensein rechtlicher Regelungen abhängig ist, die eine an der Einkommensentwicklung orientierte Anpassung garantieren, hat das Gericht in seiner Rechtsprechung zur Frage der Umrechnung von Versorgungs anrechten berufsständischer Versorgungswerke mehrfach deutlich gemacht. Zwar geht der BGH in den bisher vorliegenden Entscheidungen 437 zunächst davon aus, daß eine berufs ständische Versorgung nur dann als volldynamisch angesehen werden kann, wenn sowohl die Rentenanwartschaften als auch die laufenden Renten regelmäßig der allgemeinen Einkommensentwicklung angepaßt werden 438 . Dieser Grundsatz wird jedoch dadurch eingeschränkt, daß das Gericht darauf abstellt, ob das Ausmaß der Anpassungen mit demjenigen in einer der vom Gesetz als volldynamisch anerkannten Versorgungen (der gesetzlichen Rentenversicherung oder Beamtenversorgung) vergleichbar ist 439 . So formuliert der BGH in seiner Entscheidung zur Bayerischen Ärzteversorgung: "Um den volldynamischen Charakter zu bejahen, muß genügen, daß der Zuwachs mit demjenigen in einer der beiden vom Gesetz als volldynamisch anerkannten Versorgungen Schritt hält 440 ". Sofern die Anpassungen in der Vergangenheit wesentlich hinter denen der gesetzlichen Rentenversicherung oder Beamtenversorgung zurückgeblieben sind, ist nach der Auffassung des BGH die Volldynamik regelmäßig zu verneinen 441 . Hat hingegen eine nahezu gleiche Steigerung stattgefunden, so ist unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände eine Prognose anzustellen, ob auch künftig ausreichende Anpassungen zu erwarten sind 442 . Damit wird für die Frage der Volldynamik in der Rechtsprechung des BGH trotz des Ausgangspunktes, daß von einer volldynamischen Versorgung nur bei regelmäßiger, an der Einkommensentwicklung orientierter Anpassung sowohl der Anwartschaften als auch der Leistungen ausgegangen werden kann, allein darauf abgestellt, ob auf der Grundlage der in der Vergangenheit erfolgten Anpassungen auch künftig im tatsächlichen Ergebnis eine mit den in § 1587 a 111 BGB genannten volldynamischen Versorgungen vergleichbare Steigerung erwartet werden kann 443 . 437 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. zur Bayerischen Ärzteversorgung; BGH in NJW 1983, S. 1378f. zur Nordrheinischen Ärzteversorgung; BGH in FamRZ 1983, S. 998f. zur Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 438 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (198); BGH in NJW 1983, S. 1378f. (1379). 439 BGH in NJW 1983, S. 1378f. (1379). 440 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (202). 441 BGH in NJW 1983, S. 1378f. (1379). 442 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (202f.); BGH in NJW 1983, S. 1378f. (1379), bestätigt durch BGH in FamRZ 1983, S. 998f. (999). 443 Die darin liegende Abweichung vom einkommensorientierten Ausgangspunkt betonen auch Ellger / Glockner, FamRZ 1984, S. 733ff. (736); siehe bereits das Amts-

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Für die hiernach hinsichtlich der zukünftigen Steigerung von Versorgungsanrechten berufsständischer Versorgungen zu treffende Prognoseentscheidung - wofür die aus der Vergangenheit vorliegenden Daten nicht einfach fortgeschrieben werden können, andererseits aber auch nicht die absolute Gewißheit zu fordern ist, daß künftige Anpassungen mit denen der voll dynamischen Versorgungen Schritt halten werden 444 - hat das Gericht Kriterien entwickelt, bei deren Vorliegen auch künftig von einer im tatsächlichen Ergebnis den volldynamischen Versorgungen vergleichbaren Steigerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit soll ausgegangen werden können. Als für eine solche Prognoseentscheidung bedeutsame Kriterien werden die Gewährleistung der finanziellen Grundlage durch öffentlich-rechtliche Pflichtmitgliedschaft, das Vorhandensein von Anpassungsregelungen sowohl für Anwartschaften als auch Rentenleistungen, - die durch die Versicherungsaufsicht gegebene Gewähr dafür, daß das Beitragsaufkommen und die erzielten Erträge zweckgebunden verwendet werden und damit Überschüsse zu den satzungsmäßig vorgesehenen Leistungsverbesserungen führen, der durch § 7 11 AVG verursachte Anpassungsdruck, da davon ausgegangen werden kann, daß die Einrichtungen auch weiterhin angestellten Berufsstandsangehörigen die Mitgliedschaft ermöglichen wollen sowie die Finanzierung im offenen Deckungsverfahren 445 angesehen 446. Demgemäß muß nach der nunmehr schon als gefestigt zu bezeichnenden Rechtsprechung des BGH eine berufs ständische Versorgung dann als in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigend wie die volldynamischen Versorgungen der gesetzlichen Rentenversicherung und Beamtenversorgung angesehen werden, wenn sich im tatsächlichen Ergebnis in der Vergangenheit eine vergleichbare Anpassungsentwicklung feststellen läßt und auf der Grundlage vorgenannter Kriterien eine vergleichbare Steigerung prognostiziert werden kann 447 . gericht München zur Bayerischen Ärzteversorgung in FamRZ 1980, S. 273f. (273), nach dessen Auffassung für die Frage des Vorliegens einer Volldynamik allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt werden kann, da sonst eine berufsständische Versorgungseinrichtung ihre Mitglieder im Versorgungsausgleich dadurch begünstigen könnte, daß sie zwar volldynamisch anpaßt, aber keine Verpflichtung dazu in ihre Satzung aufnimmt. 444 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (202f.). 445 Siehe dazu unter III 2 c. 446 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (204f.); BGH in NJW 1983, S. 1378f. (1379); BGH in FamRZ 1983, S. 998f. (999); die vorgenannten Entscheidungen ziehen nicht jeweils alle Kriterien kumulativ heran, es ist jedoch davon auszugehen, daß eine bejahende Prognose um so eher getroffen werden kann, je mehr dieser Kriterien vorliegen.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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(3) Mögliche Alternativen für berufsständische Versorgungen im Rahmen der Umrechnung von § 1587 a In BGB Soweit eine berufsständische Versorgung die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfüllt, bei deren Vorliegen von einer volldynamischen Versorgung auszugehen ist 448 , ist diese mit Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. Beamtenversorgung vergleichbar und darf deshalb nicht umgerechnet werden 449 . Steigt hingegen eine berufs ständische Versorgung nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie eine solche in der gesetzlichen Rentenversicherung oder Beamtenversorgung, so muß die Versorgung zwecks Vergleichbarkeit entweder gemäß § 1587 a In Nr. 1 BGB (Umrechnung über das Dekkungskapital) oder § 1587 a In Nr. 2 BGB (Umrechnung über den Barwert) umgerechnet werden 450 . Während die deckungskapitalbezogene Umwertung gemäß Nr. 1 im wesentlichen auf die Versorgungsanrechte aus privater Versicherung bezogen ist 451 , kommt der Umrechnung über den Barwert gemäß Nr. 2 für den Bereich der berufsständischen Versorgung große Bedeutung ZU 452 • Hiernach ist für die Vergleichbarkeit das Altersruhegeld zugrunde zu legen, das sich ergäbe, wenn ein Barwert der Teilversorgung für den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ermittelt und als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet würde453 . Zwecks Ermittlung dieses Barwerts hat die Bundesregierung eine Barwert-Verordnung erlassen 45 4, die ihre gesetzliche Grundlage in der Ermäch447 Als volldynamische Versorgungen wurden bisher - ~oweit ersichtlich - folgende Versorgungswerke in der Rechtsprechung eingeordnet: Arzteversorgung WestfalenLippe, BGH in FamRZ 1983, S. 998f.; Ärzteversorgung Nordrhein, BGH in NJW 1983, S. 1378f.; Ärzteversorgung Niedersachsen, OLG Celle in FamRZ 1983, S. 933ff.; Ärzteversorgung Baden-Württemberg, OLG Karlsruhe in FamRZ 1983, S. 1239ff. sowie FamRZ 1982, S. 716f.; Ärzteversorgung Hamburg, OLG Hamburg in FamRZ 1980, S.1028ff.; Ärzteversorgung Berlin, Amtsgericht Charlottenburg in FamRZ 1982, S. 306ff.; Zahnärzteversorgung Berlin, KG Berlin in FamRZ 1982, S. 714f.; Versorgungswerk der Seelotsen, OLG Karlsruhe in FamRZ 1985, S. 1055ff. (1057). Nur im Leistungsstadium, hingegen nicht im Anwartschaftsstadium volldynamisch ist die Bayerische Ärzteversorgung, siehe dazu BGHZ Bd. 85, S. 194ff.; OLG Zweibrücken in FamRZ 1980, S. 272f.; Amtsgericht München in FamRZ 1980, S. 273f.; OLG Koblenz in FamRZ 1982, S. 76 (LS); OLG Bamberg in FamRZ 1982, S. 74ff. und FamRZ 1985, S. 942f. 448 Dazu oben unter (2). 449 Ellger I Glockner, FamRZ 1984, S. 733ff. (733) sprechen hier von einer Umrechnung im Verhältnis 1:1. 450 Gegen eine Umwertung von Anwartschaften berufs ständischer Versorgungseinrichtungen gemäß § 1587 a III BGB überhaupt Gramm, FamRZ 1981, S. 327ff. 451 Maier in Münch. Komm. z. BGB, § 1587 a, Rdn. 348. 452 Zimmermann, NJW 1984, S. 2323ff. (2323). 453 Siehe dazu allgemein Ellger I Glockner, FamRZ 1984, S. 733ff.; Heubeck I Zimmermann, BB 1981, S. 1225ff.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

tigung des § 1587 a III Nr. 2 BGB findet. Mit dieser Verordnung soll die Feststellung des Barwerts eines Versorgungsanrechts ohne versicherungsmathematische Kenntnisse einheitlich auf tabellarischer Grundlage ermöglicht werden 455 . Die Barwert-Verordnung bewertete in ihrer zunächst geltenden Fassung alle nicht volldynamischen Versorgungsanrechte einheitlich wie statische 456 , das heißt, diese wurden so behandelt, als bliebe der bei Ehezeitende maßgebende Rentenbetrag während der Anwartschaftszeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalles und während der darauffolgenden Rentenbezugszeit gleich 457 . Damit wurde nicht berücksichtigt, daß es neben den volldynamischen Versorgungen einerseits und den rein statischen Versorgungen andererseits verschiedene Formen von teildynamischen Versorgungen gibt, zum Beispiel der Art, daß zwar im Anwartschaftsteil von nur einer statischen, hingegen im Leistungsteil von einer volldynamischen Versorgung gesprochen werden kann 458 , oder aber im Anwartschafts- und Leistungsbereich eine Dynamik vorliegt, die mangels ausreichender Höhe nicht als volldynamisch bezeichnet werden kann459 . Da § 1 III Barwert-Verordnung seit Inkrafttreten dieser Verordnung vorschreibt, daß der Barwert nach Maßgabe der folgenden Vorschriften aus den anliegenden Tabellen zu ermitteln ist, konnte die Barwertberechnung auch nicht durch eine individuelle versicherungs-mathematische Berechnung ersetzt werden, die einer teildynamischen Wertsteigerung Rechnung getragen hätte 46o . Angesichts dieser Undifferenziertheit der ursprünglichen Barwert-Verordnung hat der BGH in einem Verfahren betreffend die Bayerische Ärzteversorgung, die im Anwartschaftsstadium als statisch und im Leistungsstadium als volldynamisch zu beurteilen ist 461 , die Regelung des § 1 III Barwert-Verordnung wegen Verstoßes gegen Art. 3 I GG für verfassungswidrig erklärt und für die Übergangszeit bis zu einer Neuregelung durch den Verordnungsgeber eine individuelle Ermittlung des Barwertes vorgeschrieben, notfalls mit Hilfe eines versicherungs-mathematischen Gutachtens 462 . Siehe oben Fn. 432. Maier in Münch. Komm. z. BGB, § 1587 a, Rdn. 353. 456 Soergel / Zimmermann, § 1587 a, Rdn. 271. 457 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (201). 458 So die Bayerische Ärzteversorgung, siehe BGHZ Bd. 85, S. 194ff.; siehe auch Ellger / Glockner, FamRZ 1984, S. 733 ff., die auf S. 735 einen Überblick über berufsständische Versorgungen geben, bei denen eine Teildynamik im Leistungszeitraum zu berücksichtigen ist. 459 Zu den Formen teildynamischer Versorgungen siehe Heubeck / Zimmermann, BB 1981, S. 1225 ff. (1227). 460 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (210). 461 Siehe oben Fn. 458. 462 BGHZ Bd. 85, S. 194ff. (211); a.A. noch OLG Bamberg in FamRZ 1982, S. 74ff.; zur Verfassungswidrigkeit der Barwert-Verordnung schon vorher siehe nur Heubeck / Zimmermann, BB 1981, S. 1225ff.; Soergel / Zimmermann, § 1587 a, Rdn. 71. 454

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3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Mit der Änderungsverordnung vom 22.5.1984 463 hat der Verordnungsgeber der Entscheidung des BGH Rechnung getragen und zusätzliche Umrechnungsregelungen für Versorgungen getroffen, die nur in der Anwartschaftsoder nur in der Leistungsphase volldynamisch sind, deren Wert also nur in einer dieser beiden Phasen in gleicher Weise steigt wie der Wert einer insgesamt volldynamischen Versorgung464 . Keine besondere Bewertung erfahren nach der neuen Verordnung solche teildynamischen Versorgungen, die zwar in der Anwartschafts- oder in der Leistungsphase oder in bei den Phasen dynamisch sind, die aber nicht die Wertsteigerung einer volldynamischen Versorgung erreichen 465 . Dies wird mit der Begründung gerechtfertigt, daß der Verordnung wegen der bevorstehenden Neuregelung des Versorgungsausgleichs nur der Charakter einer Übergangsregelung zukäme 466 • Damit finden durch die nun geltende Barwert-Verordnung zumindest die berufsständischen Versorgungen im Rahmen der Umrechnung über den Barwert eine differenzierte Berücksichtigung, die entweder im Anwartschafts- oder im Leistungsteil als volldynamisch anzusehen sind, während alle übrigen teildynamischen Versorgungen auch weiterhin wie statische behandelt werden 467 •

v. Mobilitätsregelungen 1. Überblick über die Mobilitätsregelungen

Mit dem Begriff Mobilitätsregelungen werden solche Bestimmungen bezeichnet, die an das Ausscheiden von Berufsstandsmitgliedem aus einer Einrichtung oder ihre Aufnahme in eine solche nach vorheriger anderweitiger Sicherung anknüpfen.

463 BGBl. 1984 I S. 692; siehe dazu Zimmermann, NJW 1984, S. 2323ff.; Ellger / Glockner, FamRZ 1984, S. 733ff. 464 Siehe die Begründung in BR-Drs. 145/84, S. 15. 465 Siehe Zimmermann, NJW 1984, S. 2323ff. (2323), der deshalb hinsichtlich der überarbeiteten Barwert-Verordnung von einem " Stückwerk " spricht. 466 BR-Drs. 145/84, S. 15 unter Hinweis auf die Befristung des VAHRG bis zum 31. 12. 1986 (§ 13111 VAHRG); dazu bereits unter 11 4 b (5) (b); kritisch zu dieser Begründung Zimmermann, NJW 1984, S. 2323ff. (2324). . 467 Kritisch dazu Ellger / Glockner, FamRZ 1984, S.733ff. (735f.), die deshalb insoweit davon ausgehen, daß es nach wie vor dem Familiengericht überlassen bleibt, durch eine angemessene Bewertung dem Gleichheitsgrundsatz zu entsprechen und trotz der Neuregelung die von § 1 III der Barwert-Verordnung gebotene einheitliche Anwendung dieser Verordnung auf statische und teildynamische (ausgenommen die teilweise volldynamischen) Versorgungen für verfassungswidrig halten; siehe auch die Kritik von Zimmermann, NJW 1984, S. 2323ff. (2325f.) und die dort aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten, die Unzulänglichkeiten der Barwert-Verordnung bis zu einer umfassenden Neuregelung des Versorgungsausgleichs auszugleichen (S. 2336).

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Hinsichtlich des Ausscheidens aus einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung lassen sich Satzungsregelungen unterscheiden, die folgende Möglichkeiten enthalten: die freiwillige Fortsetzung der bis zum Ausscheiden bestehenden Mitgliedschaft 468 , die beitragsfreie Aufrechterhaltung der bis zum Ausscheiden erworbenen Anwartschaften 469, - die Erstattung eines Teils der bis zum Ausscheiden entrichteten Beiträge 470 sowie bei Mitgliedschaft in einer neuen Versorgungs einrichtung die Überleitung der bis zum Ausscheiden entrichteten Beiträge471 • Bezüglich der Aufnahme von Berufsstandsmitgliedern mit vorheriger anderweitiger Sicherung finden sich zum einen Satzungsregelungen, welche spiegelbildlich zum Ausscheiden auch Überleitungsbestimmungen für ein zuvor in einer anderen Versorgungseinrichtung gesichertes Mitglied enthalten 472 , zum anderen Bestimmungen, welche die Nachversicherung von zuvor versicherungsfreien ehemaligen Beamten oder vergleichbaren Personen regeln473 • Der Sinn dieser Regelungen, die in einem Großteil der Satzungen alle nebeneinander enthalten sind, ist insbesondere darin zu sehen, berufliche Entscheidungen der Berufsstandsmitglieder nicht durch nachteilige Folgen für ihre Alterssicherung zu hemmen. Dies läßt sich besonders am Beispiel der Nachversicherung474 von Beamten und ähnlichen Personen bei den berufs ständischen Sicherungseinrichtungen verdeutlichen, die erst durch das Rentenreformgesetz 1972 475 eingeführt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Nachversicherung solcher Berufsstandsmitglieder nur zur gesetzlichen Rentenversicherung möglich, was sich für die Betreffenden bei gleichzeitig bestehender Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung sehr nachteilig auswirken konnte. War zum Beispiel nicht die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung gegeben, konnte das Berufsstandsmitglied zwar eine Beitragserstattung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beantragen. Dies führte jedoch dazu, daß ihm nur die Hälfte der Nachversicherungsbeiträge 468 469

470 471 472

473

474 475

Siehe unter 2. Siehe unter 3. Siehe unter 4. Siehe unter 5. Siehe unter 5. Siehe unter 6. Siehe hierzu unter 6 sowie ausführlich unter B, 1. Kap., I 2. BGBL 1972 I S. 1965.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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erstattet wurden, damit ging ihm die andere Hälfte der Beiträge für die Altersversorgung verloren 476 . Die Bestimmungen, welche das Ausscheiden eines Mitgliedes aus einer Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung regeln, knüpfen an unterschiedliche Beendigungstatbestände an. Hierbei tritt die Beendigung der Mitgliedschaft bei Vorliegen eines relevanten Tatbestandes zum Teil kraft Gesetzes ein, zum Teil wird sie aber auch erst durch eine entsprechende Mitteilung des Berufsstandsmitgliedes herbeigeführt 477 . Die wichtigsten Tatbestände, welche nach den einschlägigen Satzungsregelungen zu einer Beendigung der Mitgliedschaft führen, sind - die Aufgabe der Berufsausübung ohne Eintritt eines Versicherungsfalles 478 , - das Ausscheiden aus der jeweiligen Berufskammer479 , - die Ernennung zum Beamten oder Berufssoldaten, da hiermit eine ausreichende anderweitige Versorgung gegeben ist,480 sowie - aus anderen Rechtsverhältnissen resultierende Versorgungsansprüche, soweit diese in den Satzungen als die Beendigung der Mitgliedschaft rechtfertigende, anderweitige Sicherungen angesehen werden 481 . Für das Verhältnis der auf das Ausscheiden bezogenen Mobilitätsregelungen zueinander ist grundsätzlich davon auszugehen, daß diese alternativ nebeneinander bestehen und von den Berufsstandsmitgliedern wahlweise geltend gemacht werden können 482 . Allerdings besteht die Möglichkeit der Überleitung immer nur dann, wenn das Ausscheiden durch Fortzug und Verlegung der Berufstätigkeit in einen anderen Kammerbereich bedingt ist, insoweit ist diese Mobilitätsregelung auf einen bestimmten Beendigungstatbestand zugeschnitten. Teilweise sind jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Überleitung andere Möglichkeiten ausgeschlossen, so zum Beispiel gemäß § 21 Nr. 2 der Satzung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen, wonach bei Fortzug aus dem Bereich der Rechtsanwaltskammer Niedersachsen die bis dahin entrichteten Beiträge auf die Versorgungseinrichtung des neuen Kammerbereichs übertragen werden und hiervon allein das Recht zur freiwilligen Siehe hierzu auch unter B, 1. Kap., I 2 a. Siehe z. B. § 17 I, II Apothekerversorgung Bayern. 478 z.B. § 17 I Nr. 3 Apothekerversorgung Bayern. 479 z.B. § 6 IV Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 10 I Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen. 480 z.B. § 12 b LV.m. § 9 alb Ärzteversorgung Niedersachsen; § 17 I Nr. 7 LV.m. § 15 I Nr. 1 Apothekerversorgung Bayern. 481 z.B. § 17 I Nr. 7 L V.m. § 15 I Nr. 2 Apothekerversorgung Bayern; § 6 Vb Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 482 z. B. Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, Einleitung zur Satzung, S. 12 unter VII. 476 477

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Mitgliedschaft unberührt bleibt. In diesem Fall besteht also nur die Möglichkeit, die Mitgliedschaft freiwillig fortzusetzen oder aber die Beiträge auf die neue Einrichtung überleiten zu lassen, hingegen entfallen eine Beitragserstattung oder die beitragsfreie Aufrechterhaltung der Anwartschaft. 2. Freiwillige Fortsetzung der bis zum Ausscheiden bestehenden Pflichtmitgliedschaft

Für den Fall, daß ein Pflichtmitglied aus der berufsständischen Sicherungseinrichtung ausscheidet, sehen die Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen durchweg die Möglichkeit vor, die Mitgliedschaft - in der Regel nunmehr freiwillig - fortzusetzen 483 . Nach einigen wenigen Satzungsregelungen behält der ausscheidende Berufsstandsangehörige bei Vorliegen der Voraussetzungen auch weiterhin den Status eines Pflichtmitgliedes484 . Voraussetzungen für die Fortsetzung der Mitgliedschaft sind das Vorliegen eines Beendigungstatbestandes sowie ein entsprechender Antrag von Seiten des Mitgliedes 485 • Zum Teil sprechen die Satzungen statt VOn einem Antrag auch Von einer "entsprechenden Willenserklärung"486, in bei den Fällen ist hiermit die Mitwirkungshandlung des Mitgliedes auf Erlaß des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes gemeint, der für die Zulassung zur freiwilligen Mitgliedschaft erforderlich ist 487 . Die Antragstellung muß nach den meisten Regelungen innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen, diese ist unterschiedlich auf einen Zeitraum von einem bis zu höchstens sechs Monaten seit Beendigung der Mitgliedschaft festgelegt 488 . Während somit die Mitgliedschaft regelmäßig nur bei Vorliegen einer fristgemäß Von Seiten des Mitgliedes abgegebenen Erklärung fortgesetzt wird, sieht - soweit ersichtlich - lediglich eine Satzung ein umgekehrtes Verfahren in der Form vor, daß die Mitgliedschaft bei Eingreifen bestimmter Beendigungstatbestände automatisch als freiwillige fortgeführt wird, es sei denn, das betreffende Mitglied widerspricht bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Pflichtmitgliedschaft der Begründung einer freiwilligen Weiterversicherung 489 . 483 z.B. § 7 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 18 I Apothekerversorgung Bayern; § 7 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 484 So § 15 Apothekerversorgung Nordrhein (Argument § 16). 485 Siehe z.B. § 18 I Apothekerversorgung Bayern. 486 Siehe z.B. § 7 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 7 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 487 Siehe oben unter I 3 a. 488 z.B. § 4 Zahnärzteversorgu~g Schleswig-Holstein (1 Monat); § 7 I Ärzteversorgung Hamburg (3 Monate); § 7 II Arzteversorgung Westfalen-Lippe (6 Monate). 489 Siehe § 2 VI Ärzteversorgung Trier.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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3. Beitragsfreie Aufrechterhaltung der bis zum Ausscheiden erworbenen Anwartschaften

Der überwiegende Teil der Satzungen kennt für den Fall der Beendigung der Mitgliedschaft die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens erworbenen Anwartschaften 490 . Damit entfällt zwar die Mitgliedschaft in der jeweiligen Versorgungseinrichtung 491 , im Unterschied zur Beitragserstattung oder Überleitung von Anwartschaften hat das Berufsstandsmitglied jedoch im Versorgungs fall einen Anspruch auf Leistungen. Voraussetzung für das Entstehen einer beitragsfreien Anwartschaft ist lediglich das Ausscheiden aus der Mitgliedschaft und das Nichtvorliegen einer freiwilligen Fortsetzung, Beitragserstattung oder Überleitung. Der dem ehemaligen Mitglied im Versicherungsfall zustehende Anspruch berechnet sich auf der Grundlage der bis zum Beendigungszeitpunkt erworbenen Anwartschaften, wobei die Satzungen jedoch durchweg hinsichtlich der Berechnung der Leistungen oder des Spektrums der Leistungsgewährung nachteilige Einschränkungen gegenüber dem Anspruch eines Einrichtungsmitgliedes vorsehen. So gewährt zum Beispiel § 27 III der Satzung der Architektenversorgung Baden-Württemberg für den Fall, daß die Mitgliedschaft ohne Eintritt des Versicherungsfalles endet, zwar einen Anspruch auf normales Altersruhegeld, Berufsunfähigkeitsrente sowie Witwen- oder Witwerrente, hingegen entfällt der Anspruch auf das hinausgeschobene Altersruhegeld. Ebenfalls eine leistungsmäßige Einschränkung enthält § 32 der Satzung der Apothekerversorgung Bayern, hiernach entfallen das Ruhegeld wegen Frühinvalidität sowie die Gewährung von Mindestleistungen, auch bei den Hinterbliebenenbezügen werden keine Mindestleistungen gewährt. Keine Beschränkung der Leistungen selbst, vielmehr eine auf die Höhe der Leistungen bezogene Einschränkung enthält zum Beispiel § 9 V der Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Hiernach wird die Altersrente, soweit die Mitgliedschaft entfallen und auch nicht freiwillig aufrechterhalten worden ist, nur aufgrund der tatsächlich erworbenen Steigerungszahlen geleistet 492 . Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Rentenhöhe, da 490 z.B. § 25 III Apothekerversorgung Bayern; § 23 III Architektenversorgung Baden-Württemberg: "beitragsfreie Anwartschaft". 491 Anders nur Zahnärzteversorgung Schleswig-Holstein, § 24 II, wonach bei Ausscheiden aus der Pflichtmitgliedschaft ohne weiteres eine beitragsfreie freiwillige Mitgliedschaft begründet wird. 492 So auch § 10 VII Ärzteversorgung Westfalen-Lippe für die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente und § 15 I c für die Berechnung der Witwen-/Witwerrente.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

sich diese aus der Summe der Steigerungszahlen als Vomhundertsatz der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage ergibt 493 • 4. Erstattung eines Teils der bis zum Ausscheiden entrichteten Beiträge

Bis auf wenige Ausnahmen 494 sehen alle Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen eine Beitragserstattung für den Fall vor, daß ein Mitglied aus der Einrichtung ohne Vorliegen eines Versicherungsfalles ausscheidet. Statt von einer Beitragserstattung wird zum Teil auch von einer Rückvergütung 495 oder einem Rückkauf496 gesprochen, wobei in der Sache allerdings kein Unterschied besteht. Die Beitragserstattung wird von den Satzungen als Leistung gewährt, auf welche ein Rechtsanspruch besteht 497 . Im Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung, wo gemäß § 82 I AVG eine Beitragserstattung nur möglich ist, wenn kein Recht zur freiwilligen Mitgliedschaft besteht, ist nach den entsprechenden Regelungen der berufsständischen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen die Erstattung nicht von dem Nichtbestehen eines Rechts auf freiwillige Versicherung abhängig, sondern scheidet nur dann aus, wenn die Versicherung tatsächlich freiwillig fortgesetzt wird 49B . Ebenso ist eine Erstattung dann ausgeschlossen, wenn die Anwartschaften bei Fortzug in einen anderen Kammerbereich auf die neue Versorgungseinrichtung übergeleitet werden 499 oder wenn die beitragsfreie Aufrechterhaltung der bis zum Ausscheiden erworbenen Anwartschaften erfolgt 50o • Der Anspruch auf Beitragserstattung unterliegt in den einzelnen Satzungen unterschiedlichen Einschränkungen. Nach einigen Satzungsbestimmungen ist er überhaupt ausgeschlossen, wenn das ausscheidende Mitglied ein bestimmtes Lebensjahr vollendet hat. Hier wird als Altersgrenze zumeist an die Vollendung des 50. Lebensjahres angeknüpft 501 . Zur Berechnungsmethode 1 siehe unter IV 1 a (1). Soweit ersichtlich nur Architektenversorgung Baden-Württemberg, Architektenversorgung Saarland und die Gemeinsame Ausgleichskasse der Seelotsen. 495 Z.B. § 19 I e Zahnärzteversorgung Westfalen-Lippe. 496 z. B. § 17 I Ärzteversorgung Trier. 497 Z.B. § 8 e Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 498 So deutlich § 19 I Ärzteversorgung Hamburg. 499 Ausdrücklich z.B. § 30 Ärzteversorgung Koblenz und § 25 III Apothekerversorgung Bayern. 500 z. B. § 25 III i. V. m. § 32 Apothekerversorgung Bayern. 501 z. B. § 17 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; !lnders § 17 I Ärzteversorgung Nordrhein: Vollendung des 45. Lebensjahres; § 17 I Arzteversorgung Trier: Vollendung des 45. Lebensjahres. 493 494

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Hat das ausgeschiedene Mitglied bereits Leistungen bezogen (Berufsunfähigkeitsrente oder Rehabilitationsleistungen), so wird dies von den einzelnen Satzungen unterschiedlich berücksichtigt. In wenigen Fällen führt ein solcher vorheriger Leistungsbezug überhaupt zum Ausschluß der Beitragserstattung502 . Von der weit überwiegenden Zahl der Satzungen wird hingegen entweder die Beitragserstattung auf die nach Beendigung des Leistungsbezuges entrichteten Beiträge beschränkt 503 , oder aber die von der Einrichtung erbrachten Leistungen werden auf den zu erstattenden Betrag in Anrechnung gebracht 504 . Die zuletzt genannte Möglichkeit der Verrechnung ist von den meisten Satzungen auch für den Fall vorgesehen, daß das ausgeschiedene Mitglied mit Beiträgen in Rückstand liegt 505 • Die Höhe des zu erstattenden Betrages ist in der Regel auf 60% der bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Versorgungseinrichtung entrichteten bzw. fällig gewordenen Beiträge festgesetzt 506 , teilweise erfolgt eine Staffelung nach der Mitgliedschaftsdauer507 . Auch wenn die Beitragserstattung nach den einschlägigen Regelungen als Leistung ausgestaltet ist, auf welche für die Mitglieder ein Rechtsanspruch besteht, wird sie jedoch in der Regel nur auf Antrag gewährt 508 • Insoweit kennen einige Satzungen eine sogenannte "Schutzfrist" (siehe auch § 82 I AVG), das heißt, der Antrag auf Beitragserstattung kann erst nach Ablauf einer bestimmten Frist seit dem Ausscheiden gestellt werden 509 • Hiermit soll verhindert werden, daß bei einem nur kurzfristigen Ausscheiden bereits ein Anspruch auf Erstattung geltend gemacht werden kann 510 • Von dieser "Schutzfrist" zu unterscheiden ist die von einem Teil der Satzungen vorgesehene Antragsfrist, wonach eine Beitragserstattung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Ausscheiden geltend gemacht werden kann 511 .

Siehe z.B. § 30 In Tierärzteversorgung Niedersachsen. So z.B. § 17 I Nr. 3 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 504 z. B. § 25 In Apothekerversorgung Bayern. 505 § 25 In Apothekerversorgung Bayern; § 17 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 506 § 17 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 18 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; anders § 82 I AVG: nur die Hälfte der entrichteten Beiträge kommt zur Erstattung. 507 z.B. § 30 In Tierärzteversorgung Niedersachsen. 508 z.B. § 17 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 18 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 509 So z.B. § 32 In Ärzteversorgung Baden-Württemberg: seit Erlöschen der Teilnahme muß ein Jahr verstrichen sein. 510 So Eicher / Haase / Rauschenbach, Komm. z. AVG, § 82, Anm. 9 zu der vergleichbaren Frist in § 82 AVG. 511 z.B. § 25 In Apothekerversorgung Bayern: innerhalb eines Jahres. 502 503

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung 5. Überleitung der bis zum Ausscheiden aus einer Versorgungseinrichtung entrichteten Beiträge

Nahezu alle Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen enthalten Überleitungsregelungen für den Fall, daß ein Berufsstandsmitglied in einen anderen Kammerbereich wechselt und damit in den Zuständigkeitsbereich der dortigen berufsständischen Sicherungseinrichtung fällt, ohne gegenüber der neuen Versorgungseinrichtung von dem Recht auf Befreiung, das die Satzungen wegen Mitgliedschaft in einer anderen Versorgungseinrichtung einräumen 512 , Gebrauch zu machen. Während die Satzungen selbst nur allgemeine Bestimmungen über Voraussetzungen und Folgen einer Überleitung enthalten, finden sich detaillierte Regelungen in den zwischen den einzelnen berufsständischen Einrichtungen abgeschlossenen Überleitungsabkommen (-verträgen)513. Nach den entsprechenden Satzungsregelungen findet eine Überleitung ausscheidender Mitglieder übereinstimmend unter folgenden Voraussetzungen statt: die Mitgliedschaft in der bisherigen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung muß durch Fortzug aus dem Kammerbereich entfallen sowie die berufliche Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich einer anderen Einrichtung aufgenommen werden 514 ; des weiteren muß ein Antrag auf Überleitung gestellt werden 515 ; schließlich kann eine Überleitung nur dann beantragt werden und erfolgen, soweit zwischen der "abgebenden" und "aufnehmenden" Sicherungseinrichtung ein Überleitungsabkommen besteht 516 . Die einzelnen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen haben bis heute untereinander innerhalb desselben Berufsstandes zahlreiche Überleitungsabkommen abgeschlossen 517 , diese jeweils nur zweiseitig bestehenden Vereinbarungen sind ihrer Rechtsnatur nach als öffentlich-rechtliche Verträge einzustufen.

Siehe bereits unter I 2 c (3). Siehe..hierzu das unten dargestellte Beispiel eines Überleitungs abkommens zwischen der Arzteversorgung der Arztekammer Nordrhein und dem Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg vom 14. 1. 1972/16.2. 1972, Hamb. ÄrzteBl. 1972, S. 257. 514 § 25 II Apothekerversorgung Bayern; § 30 Nr. 3 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 515 § 17 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 25 II Apothekerversorgung Bayern; § 30 Nr. 3 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen. 516 z. B. § 30 Nr. 3 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 17 II i. V. m. § 34 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 25 II Apothekerversorgung Bayern. 517 Siehe z.B. die Überleitungsabkommen der Ärzteversorgung Berlin, die mit sämtlichen Versorgungseinrichtungen der Ärzte entsprechende Abkommen vereinbart hat (abgedruckt im AmtsBl. Berlin 1976 S. 626ff.). 512 513

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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Während der Abschluß eines Überleitungs abkommens im Belieben des zuständigen Organs der jeweiligen Einrichtung steht 51B , ist davon auszugehen, daß bei bestehenden Überleitungsabkommen und dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die Durchführung der Überleitung nicht im Ermessen der Einrichtungen liegt. Enthalten die Satzungsregelungen insoweit fast durchweg überhaupt keinen Ermessensspielraum, sondern sind vielmehr als Mußvorschriften konzipiert 519 , so muß jedoch auch in dem Fall eines satzungsmäßig eingeräumten Ermessensspielraums 520 ein auf die entsprechende Satzungsregelung in Verbindung mit dem jeweiligen Überleitungsabkommen gestützter Anspruch auf Überleitung angenommen werden 521 • Insoweit ist mit Hahn 522 davon auszugehen, daß gerade Sinn und Zweck der Überleitung für die Gewährung eines Anspruchs sprechen. Denn damit soll einer örtlichen Bindung der Berufsstandsangehörigen zur Vermeidung von Nachteilen hinsichtlich einer bereits teilweise aufgebauten Altersversorgung entgegengewirkt und dem Gedanken der Freizügigkeit Rechnung getragen werden. Demgegenüber ist kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, einer Versorgungseinrichtung bzw. ihrem zuständigen Organ ein Ermessen hinsichtlich der Frage der Überleitung einzuräumen. Liegen die Voraussetzungen für eine Überleitung vor, so werden die an die bisherige Versorgungseinrichtung entrichteten Beiträge an die nunmehr neu zuständige Einrichtung übertragen 523 • Sollte aufgrund unterschiedlicher Höchstgrenzen für die Beitragsentrichtung nur eine teilweise Übertragung der geleisteten Beiträge möglich sein, so sehen einige Satzungen hinsichtlich des überschießenden Beitragsteiles eine Erstattung vor 524 . Ein Teil der Satzungen enthält aber nicht nur Überleitungsregelungen für den Fall des Ausscheidens eines Mitgliedes, sondern spiegelbildlich auch für die Aufnahme eines Berufsstandsangehörigen, der zuvor in einem anderen Kammerbereich Mitglied der dortigen Versorgungseinrichtung war 525 • In diesen "Aufnahmeregelungen" wird in der Regel neben dem Hinweis auf das Erfordernis eines entsprechenden Überleitungsabkommens bestimmt, daß 518 So heißt es Z.B. in § 25 I der Apothekerversorgung Bayern: "Das Versorgungswerk kann mit anderen berufsständischen Versorgungseinrichtungen Überleitungsabkommen abschließen." 519 Z.B. § 17 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 520 Soweit ersichtlich nur § 22 III der Zahnärzteversorgung Berlin. 521 So auch Hahn (Fn. 10), S. 164; zweifelnd Bogs, W., Sozialer Fortschritt 1968, S. 11 ff. (12). 522 Hahn (Fn. 10), S. 164. 523 Siehe z.B. § 17 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. 524 Z.B. § 28 II Apothekerversorgung Nordrhein. 525 Z.B. § 34 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 30 Nr. 2 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

für die Berechnung der Renten die in der bisherigen Einrichtung entrichteten Beiträge sowie die Dauer der Mitgliedschaft als Grundlage gelten 526 . Wie bereits erwähnt, sind die Überleitungsregelungen als Ausfluß des Gedankens der Freizügigkeit anzusehen. Hierbei ist jedoch nicht zu verkennen, daß die "Effektivität" solcher Bestimmungen solange eingeschränkt ist, wie die verschiedenen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen unterschiedliche Beitrags- und Leistungsniveaus haben und damit eine Überleitung auch die Verschlechterung einer bis zum Überleitungszeitpunkt erworbenen Anwartschaft zur Folge haben kann 527 • Wenn auch die zwischen den einzelnen Einrichtungen vereinbarten Überleitungsabkommen zum Teil unterschiedlich ausgestaltet sind, so soll im folgenden dennoch das zwischen der Ärzteversorgung der Ärztekammer Nordrhein sowie dem Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg vereinbarte Abkommen 528 in seinen wesentlichen Grundzügen, die als typisch angesehen werden können, kurz dargestellt werden. Ziffer 1 dieser Vereinbarung regelt die Voraussetzungen einer Überleitung und enthält neben dem Antragserfordernis die Voraussetzung, daß nur solche Mitglieder übergeleitet werden können, die vor Vollendung des 45. Lebensjahres im Geltungsbereich der jeweils anderen Versorgungseinrichtung tätig werden. Die überzuleitenden Beiträge dürfen bezogen auf das Jahr, für welches sie ursprünglich geleistet wurden, nicht höher sein als der von der übernehmenden Einrichtung in ihrer Satzung vorgesehene Höchstbeitrag für den jeweiligen Zeitraum. Schließlich wird in Ziffer 1 noch bestimmt, daß die übergeleiteten Beiträge für die zu gewährenden Leistungen genauso von Bedeutung sind, als wären sie bei der neuen Einrichtung zu denselben Zeiten entrichtet worden, in denen sie an die alte Einrichtung erbracht worden sind. Gemäß Ziffer 2 ist die Überleitung von solchen Personen ausgeschlossen, die im Zeitpunkt des Überwechselns einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente gestellt haben oder zu diesem Zeitpunkt bereits berufsunfähig sind. Nach Ziffer 3 des Abkommens ist der Antrag auf Überleitung innerhalb von sechs Monaten nach dem Wechsel des Arbeitsplatzes bei einer der beiden vertragsschließenden Einrichtungen zu stellen. Etwas anderes gilt für nicht niedergelassene Ärzte, die zunächst freiwillige Mitglieder ihrer bisherigen Einrichtung bleiben. Sie können den Antrag auch noch drei Monate 526 z. B. § 34 I Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 30 Nr. 2 Architektenversorgung N ordrhein-Westfalen. 527 Bogs, W., schlägt u. a. deshalb den Zusammenschluß der landesrechtlichen Versorgungseinrichtungen auf Bundesebene vor, z.B. der Ärzteversorgungen in Anlehnung an die Bundesärztekammer, siehe Sozialer Fortschritt 1968, S. 11 ff. (12). 528 Vom 14.1. 1972/16. 2. 1972, Hamb. ÄrzteBl. 1972, S. 257.

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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nach Niederlassung in eigener Praxis stellen, wenn sie bis dahin nicht das 45. Lebensjahr vollendet haben. Gemäß Ziffer 4 sind unter Beifügung einer Überleitungsabrechnung, aus der Höhe und Zeitpunkt der Beitragsleistung in jährlichen Teilbeträgen hervorgehen, sämtliche geleisteten Beiträge bis zur Höchstgrenze zu übertragen. Die abgebende Versorgungseinrichtung hat Beitragsrückstände einzutreiben und an die neue Versorgungseinrichtung weiterzuleiten. Ziffer 5 legt den Risikoübergang auf 0.00 Uhr des 3. Kalendertages nach Absendung der Überleitungs abrechnung fest, wobei für die Bestimmung des Absendetages der Stempel des Postamtes maßgebend ist. Schließlich enthält Ziffer 6 neben einer Regelung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens sowie einer Veröffentlichungspflicht für beide Parteien eine Kündigungsmöglichkeit des Abkommens, und zwar mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres durch eingeschriebenen Brief. Bis zu diesem Zeitpunkt beantragte Überleitungen sind durchzuführen. 6. Nachversicherung von Beamten und beamtenähnlichen Personen

Ebenfalls um Mobilitätsregelungen handelt es sich bei den Satzungsbestimmungen, welche in Anknüpfung an § 124 VIa, VIb AVG die Nachversicherung von Berufsstandsangehörigen ermöglichen, die aus einem Beamtenoder beamtenähnlichen Verhältnis unversorgt ausscheiden (siehe § 9 AVG), aufgrund dessen sie bis dahin versicherungsfrei waren 529 • Nahezu alle Satzungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen enthalten mittlerweile Nachversicherungsregelungen530 , nachdem die Möglichkeit, eine Nachversicherung statt bei der gesetzlichen Rentenversicherung auch bei den berufs ständischen Sicherungseinrichtungen durchzuführen, erst mit Aufnahme der Absätze VIa und VIb in § 124 AVG durch Art. 1 § 2 Nr. 34c des Rentenreformgesetzes 1972 531 eingeführt worden ist. Der Regelungsinhalt der Nachversicherungsbestimmungen muß in Zusammenhang mit der Vorschrift des § 124 VIa, VIb AVG gesehen werden, wo zwar die Voraussetzungen geregelt sind, unter denen eine Nachversicherung wahlweise statt bei der gesetzlichen Rentenversicherung auch bei einer berufs ständischen Versorgungseinrichtung durchgeführt werden kann 532, Zu § 124 Vla/VIb AVG siehe unter B, 1. Kap., I 2. Z.B. § 34 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; § 24 Apothekerversorgung Bayern; § 10 XIII Tierärzteversorgung Westfalen-Lippe. 531 BGBl. 1972 I S. 1965. 532 Dazu ausführlich unter B, 1. Kap., I 2 b. 529 530

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

hingegen über die Auswirkungen einer durchgeführten Nachversicherung keine Aussage enthalten ist. Demgemäß beschränkt sich ein Teil der Satzungen darauf, die Auswirkungen einer durchgeführten Nachversicherung zu regeln 533 . Teilweise finden sich jedoch in den Nachversicherungsbestimmungen darüber hinaus auch Ausführungen zu den Voraussetzungen der Durchführung einer Nachversicherung. So bestimmt zum Beispiel § 2511 der Satzung der Ärzteversorgung Berlin in Übereinstimmung mit § 124 VIa AVG, daß bei der Versorgungseinrichtung Ärzte und Medizinalassistenten nachversichert werden können, die entweder unmittelbar vor Ende der N achversicherungszeit Mitglied der Versorgungseinrichtung waren oder innerhalb eines Jahres nach Ende der Nachversicherungszeit die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung erwerben534 • Überwiegend führen die eine Nachversicherungsregelung enthaltenden Satzungen die Nachversicherung nur auf Antrag des betreffenden Berufsstandsmitgliedes durch 535 • Dieser Antrag ist von dem in § 124 VIa AVG genannten, bei dem ehemaligen Dienstherrn (Arbeitgeber) zu stellenden Antrag zwecks Entrichtung der Beiträge an die Versorgungseinrichtung zu unterscheiden 536. Liegen die Voraussetzungen für die Durchführung einer Nachversicherung bei den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtungen vor, so sind diese verpflichtet, die von dem ehemaligen Dienstherrn (Arbeitgeber) des Nachzuversichernden entrichteten Beiträge537 entgegenzunehmen 538 • Enthalten auch nicht alle Satzungsregelungen wegen § 124 VIa und VIb AVG Bestimmungen über die Durchführungsvoraussetzungen, so werden doch jeweils die Auswirkungen der Nachversicherung geregelt. Ebenso wie gemäß § 124 IV S. 1 AVG gelten auch nach den Nachversicherungsregelungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen die Nachversicherungsbeiträge als rechtzeitig entrichSiehe z.B. § 3411 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Weitergehend § 24 Apothekerversorgung Bayern, der eine detaillierte Wiedergabe der sich bereits aus § 124 VIa/VIb AVG ergebenden Voraussetzungen enthält (siehe Absätze 11 - IV). 535 z.B. § 25 I Ärzteversorgung Berlin; § 24 I Apothekerversorgung Bayern. 536 Dazu unter B, 1. Kap., I 2 b (2). 537 Und zwar in Höhe des Betrages, der an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu entrichten wäre, siehe § 124 VIa i. V. m. § 124 I Nr. 1 AVG; danach sind die Beiträge nach den Vorschriften zu entrichten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte maßgebend sind. 538 z.B. § 25 111 S.l Ärzteversorgung Berlin; § 24 V S.l Apothekerversorgung Bayern. 533 534

3. Kap.: Die wesentlichen Regelungsbereiche in den Satzungen

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tete Pflichtbeiträge539 . In diesem Sinn ist auch die Regelung des § 24 V der Satzung der Apothekerversorgung Bayern zu verstehen, wonach die Nachversicherungsbeiträge so zu behandeln sind, als ob sie als Beiträge gemäß § 2011 (Beitragspflicht nach § 711 AVG befreiter Angestellter) rechtzeitig in der Zeit entrichtet worden wären, für welche die Nachversicherung durchgeführt wurde 540 . Mit dieser Fiktion werden die im Wege der Nachversicherung entrichteten Beiträge rechtzeitig entrichteten Pflichtversicherungsbeiträgen gleichgestellt, was zum Beispiel- abhängig von der Ausgestaltung im einzelnen - Bedeutung für die Berechnung der Renten haben kann 541 . Mit der Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge wird jedoch nicht nachträglich ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis geschaffen 542 , es kann vielmehr nur davon gesprochen werden, daß die Auswirkungen der Versicherungsfreiheit nachträglich beseitigt werden 543 . Dies wird von einigen Satzungen gerade dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie eine über § 124 IV S. 1 AVG hinausgehende Fiktion enthalten, derzufolge der Nachversicherte rückwirkend als Pflichtmitglied der Versorgungseinrichtung gilt 544 • Würde die Nachversicherung die rückwirkende Umwandlung der versicherungsfreien Zeit in eine versicherungspflichtige zur Folge haben, so bedürfte es nämlich einer solchen Fiktion nicht (genauso wie die Fiktion der rechtzeitig entrichteten Pflichtbeiträge überflüssig wäre). Für den Fall, daß das nachzuversichernde Berufsstandsmitglied während der Nachversicherungszeit bereits eigene Beiträge zur Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung entrichtet hat, sehen die Satzungen verschiedenartige Regelungen vor. Teilweise hat der Nachzuversichernde ein Wahlrecht: die während der Nachversicherungszeit entrichteten Beiträge werden durch die Nachversiz.B. § 34 II Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. So z. B. auch § 25 III Ärzteversorgung Berlin. 541 So wird gemäß § 33 I Apothekerversorgung Bayern die jährliche Rentenhöhe durch einen bestimmten Vomhundertsatz der bis zum Versicherungsfall geleisteten oder geschuldeten Beiträge festgesetzt, wobei die Höhe dieses Vomhundertsatzes nach dem Lebensalter gestaffelt ist, in welchem die Beiträge entrichtet werden (zur Berechnungsmethode 3 siehe unter IV 1 a (3)). Indem die Beiträge nun so behandelt werden, als ob sie rechtzeitig in der Zeit entrichtet worden wären, für welche die Nachversicherung durchgeführt wurde, wirkt sich diese Fiktion unmittelbar auf den für die Rentenberechnung maßgebenden Vomhundertsatz aus (unter der Bedingung, daß sich während des Zeitraums vom Beginn der Nachversicherungszeit bis zum Zeitpunkt der Nachversicherung der Vomhundertsatz lebensaltersbedingt im Einzelfall verändert). 542 So BSGE Bd. 1, S. 219ff. (222) sowie Bd. 12, S. 179ff. (181) zur Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. 543 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 626b IV. 544 z.B. § 25 IV 5.1 Ärzteversorgung Berlin; § 34 II Ärzteversorgung WestfalenLippe. 539 540

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

cherung nicht berührt, soweit diese Beiträge und die Nachversicherungsbeiträge zusammen für das jeweilige Jahr nicht das Zwölffache der Beiträge nach den §§ 1387, 1388 II RVO überschreiten 545 ; ist dies der Fall, werden die überschießenden Beiträge zurückerstattet. Stattdessen kann der Nachzuversichernde aber auch in vollem Umfang die Rückerstattung der während der Nachversicherungszeit entrichteten Beiträge beantragen 546 . Nach anderen Satzungsregelungen ist ausschließlich die volle Erstattung der während der Nachversicherungszeit entrichteten Beiträge vorgesehen 547 • Schließlich sind noch die Bestimmungen zu erwähnen, nach denen (in Übereinstimmung mit § 124 III S. 1 AVG) die während der Nachversicherungszeit entrichteten Beiträge als solche zur zusätzlichen Höherversorgung gelten 548 . Ebenso wie § 124 IV S. 2 AVG bestimmen auch die Nachversicherungsregelungen der Satzungen durchweg, daß der Eintritt des Versorgungsfalles der Nachversicherung nicht entgegensteht549 . Hierin liegt eine Ausnahme zu dem mit dem Versicherungsgedanken verbundenen Grundsatz der Ungewißheit des Risikoeintritts (Versicherungsfalles).

545 Zu dieser Höchstgrenze siehe die Ausführungen unter B, 1. Kap., 111 zu § 5 I Nr. 8 KStG. 546 z. B. § 25 111 Ärzteversorgung Berlin. 547 So z.B. § 16a 11 Ärzteversorgung Schleswig-Holstein. 548 z.B. § 18 IV Apothekerversorgung Nordrhein. 549 z.B. § 24 VI Apothekerversorgung Bayern; § 3411 Ärzteversorgung WestfalenLippe; § 31 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen.

Viertes Kapitel

Die Einordnung der Pflicht altersversorgung innerhalb des gesamten Alterssicherungssystems der Bundesrepublik Deutschland Die aus dem Bedürfnis der Freiberufler nach einer solidarischen Alterssicherung heraus entstandene berufsständische Versorgung l ist Teil eines in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden komplexen Alterssicherungssystems 2 • Im Rahmen einer "institutionellen" Abgrenzung, die allerdings bereits auch schon eine Differenzierung nach dem jeweils erfaßten Personenkreis zum Ausdruck bringt, lassen sich sechs verschiedene Einzelsysteme der Alterssicherung unterscheiden 3 ; die gesetzliche Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte, die Beamtenversorgung (Richter- und Soldatenversorgung) , die betriebliche Altersversorgung für Arbeiter und Angestellte der Privatwirtschaft, die Zusatzversorgung für Arbeiter und Angestellte von Bund, Ländern, Gemeinden und öffentlichen Körperschaften, die berufsständischen Versorgungswerke sowie - die private Lebensversicherung. I. Einordnung unter dem Gesichtspunkt des erfaßten Personenkreises Die vorgenannten Alterssicherungssysteme lassen sich - abgesehen von der privaten Lebensversicherung, welche keine gruppenspezifisch ausgestaltete Form der Altersvorsorge darstellt, sondern allen Personengruppen die Möglichkeit einer zusätzlichen bedürfnisorientierten Sicherung zur Verfügung stellt4 - nach dem jeweils erfaßten Personenkreis aufteilen, wobei in einer groben Übersicht vier Gruppierungen gebildet werden können 5 ; Siehe dazu ausführlich im 1. Kap., 11 3c. So der Begriff von v. Maydell, SdDSGV Bd. XVII, S. 24 ff. (31). 3 Siehe Sozialbeirat, Langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 74, Ziff. 200. 4 v. Maydell, Harmonisierung der Alterssicherung?, S. 13. 1

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

die Beamten, Richter und Soldaten: diese in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehenden Beschäftigten sind durch die Beamten-, Richter- und Soldatenversorgung für ihr Alter gesichert, die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes: diese Personengruppe wird neben der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder - soweit es sich um Angehörige freier Berufe handelt alternativ bzw. kumulativ dazu in einem berufsständischen Versorgungswerk durch die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erfaßt, die Arbeiter und Angestellten der Privatwirtschaft: die Altersversorgung dieser Personengruppe wird zum einen durch die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder - für die Angehörigen freier Berufe - alternativ bzw. kumulativ dazu in einem berufsständischen Versorgungswerk sichergestellt, zum anderen kommt für diesen Personenkreis eine Aufstockung der Altersvorsorge durch die betriebliche Altersversorgung in Betracht, die Selbständigen: neben der Erfassung dieses Personenkreises durch die allgemeine gesetzliche Rentenversicherung (z.B. die Handwerkerversicherung) sowie eigenständige Sozialversicherungseinrichtungen (z. B. die Altershilfe für Landwirte), wird für einen Großteil der selbständig tätigen Angehörigen freier Berufe die Alterssicherung durch öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sichergestellt6. Aus der vorstehenden Einteilung der unterschiedlichen Alterssicherungssysteme nach Personengruppen wird deutlich, daß hinsichtlich der berufsständischen Versorgungswerke von einem Mischsystem 7 gesprochen werden kann, also eine Alterssicherungsform, die sowohl Selbständige als auch abhängig Beschäftigte erfaßt8 • Zwar sind die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen ursprünglich zum Zwecke der Abdeckung eines aus verschiedenen Gründen auch bei den selbständig tätigen Angehörigen der freien Berufe virulent gewordenen sozialen Schutzbedürfnisses entstanden9 , durch die Einbeziehung auch der angestellten Berufsstandsangehörigen hat sich dieses Alterssicherungssystem allerdings im Sinne einer umfassenden Berufsstandssicherung entwickeltI 0 • Damit stellt sich die berufsständische Pflichtversorgung im Hinblick auf die von ihr erfaßten selbständig tätigen Freiberufler als ein AltersVgl. v. Maydell (Fn. 4), S. llff.; ders., SdDSGV Bd. XVII, S. 24ff. (32f.). Zur Alterssicherung der Selbständigen siehe bereits im 1. Kap., I und II 2. 7 So der Begriff der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme, Gutachten, Berichtsband 1, S. 86. S Dies gilt im übrigen auch für die gesetzliche Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten; zum versicherten Personenkreis siehe im einzelnen im 3. Kap., 1. 9 Zur Entstehungsgeschichte siehe oben 1. Kap., II 3 c. 10 Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme (Fn. 7), S. 86. 5

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4. Kap.: Die Einordnung innerhalb des gesamten Alterssicherungssystems 175

sicherungssystem dar, das durch die Gewährleistung einer Pflichtaltersvorsorge für einen von sonstigen Sicherungsformen zumindest nicht zwangsweise einbezogenen Personenkreis unabhängig - ohne Überschneidung in personeller Hinsicht - neben den anderen genannten Sicherungssystemen steht. Anders ist die Situation hingegen bezüglich der Einbeziehung der angestellten Berufsstandsangehörigen, die grundsätzlich in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten pflichtversichert sind (§ 2 I Nr. 1 AVG). Die damit bestehende Kollision zweier unterschiedlicher Sicherungssysteme im Bereich der Pflichtversicherung ein und desselben Personenkreises wird dadurch gelöst, daß sich die angestellten Berufsstandsmitglieder unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 7 II AVG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen können l l .

11. Einordnung unter dem Gesichtspunkt der Funktion 1. Differenzierung zwischen Basis- und Zusatzversorgung

Gliedert man die verschiedenen Alterssicherungssysteme nach ihrer Funktion, im Alter eine Sicherung zu gewährleisten, so lassen sich unter diesem Aspekt Basis- und Zusatzsicherungssysteme unterscheiden 12 . Während die Basissysteme - die in dem Gutachten der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme als Regelsicherungssysteme bezeichnet werden!3 - eine eigenständige Sicherung bezwecken, sind die Zusatzsysteme auf die Ergänzung oder Aufstockung eines Basissystems ausgerichtetI 4 . Innerhalb der Basissysteme können unter Abstellen auf das Versorgungsniveau Systeme unterschieden werden, welche die Gewährleistung einer Vollsicherung zum Inhalt haben, wobei unter Vollsicherung die Aufrechterhaltung des in der aktiven Lebensphase erreichten Lebensstandards verstanden wird 15 , und solche, denen nur die Gewährleistung einer Grundsicherung (Sockelleistung, "Basis"-sicherung) zukommt1 6 . 11 Lediglich von drei Versorgungswerken wird den angestellten Mitgliedern auch die Möglichkeit eingeräumt, sich von der berufsständischen Versorgung befreien zu lassen; im übrigen sehen die Satzungen bei Aufrechterhaltung der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung lediglich eine Beitragsermäßigung vor, siehe 3. Kap., I 2 c (3) und III 1 a (2); ausführlich zu § 7 11 AVG unter B, 1. Kap., I 1. 12 v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 21; ders., SdDSGV Bd. XVII, S. 24ff. (33f.); ders. (Fn. 4), S. 14. 13 Sachvecständigenkommission Alterssicherungssysteme (Fn. 7), S. 141f.; beide Begriffe werden auch von v. Maydell synonym gebraucht, siehe (Fn. 4), S. 14. 14 v. Maydell, SdDSGV, Bd. XVII, S. 24ff. (33). 15 v. Maydell (Fn.4), S.14; ders., in: Sozialbeirat (Fn.3), Bd.3, S.21; zur altersgemäßen Lebensstandardsicherung siehe die Empfehlungen der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme (Fn. 7), S. 141ff.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Um ein solches Basissicherungssystem im Sinne einer Grundsicherung handelt es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung, da diese allein nicht die volle Absicherung des erreichten Lebensstandards gewährleistet1 7 • Demgegenüber stellt die Beamtenversorgung (Richter- und Soldatenversorgung) von ihrer Grundstruktur und der tatsächlichen Ausgestaltung her eine Vollsicherung im Sinne der Aufrechterhaltung des erreichten Lebensstandards dar 18 . Die Zusatzsicherungssysteme lassen sich danach differenzieren, ob es sich hierbei um eine auf eine bestimmte Basissicherung ausgerichtete Ergänzungssicherung handelt, wobei dann von einem Gesamtversorgungssystem gesprochen werden kann, oder ob die Zusatzsicherung losgelöst von einer bestimmten Basissicherung erfolgt 19 . Auch bei diesem Typus der "nicht integrierten Zusatzsysteme"20 dient die Leistung regelmäßig zur Ergänzung von Basissicherungen, jedoch im Unterschied zur Gesamtversorgung ohne eine Orientierung an bestimmten Bedarfssätzen, wie sie einer Gesamtversorgung vorgegeben sind 21 . Als Zusatzsicherungssysteme sind die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die betriebliche Altersversorgung und die private Lebensversicherung anzusehen. Handelt es sich bei der letzteren um ein nicht integriertes autonomes - Sicherungssystem, das ohne Rücksicht auf die Höhe der Basissicherung seine Leistungen gewährt, was im übrigen auch für die meisten betrieblichen Ruhegelder gilt 22 , so ist die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und in Einzelfällen auch die betriebliche Altersversorgung als Teil einer Gesamtversorgung konzipiert 23 .

16 Sozialbeirat (Fn.3), Bd.l, S. 74, Ziff.201; v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn.3), Bd.3, S. 21; ders. (Fn. 4), S. 14; ders., SdDSGV Bd. XVII, S. 24ff. (34); siehe auch Pentenrieder, Die Alterssicherung sozialer Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Sicherung der Frau, S. 53, wonach sich für die Orientierung des Versorgungsniveaus im Grunde genommen zwei Möglichkeiten anbieten, nämlich entweder die Ausrichtung auf eine Grund- oder Mindestversorgung oder die Ausrichtung auf eine Vollversorgung (ebenso Fürstenberg, Die Alterssicherung der freien Berufe, S. 59). 17 Trotz der mit der Rentenreform 1957 verbundenen Konzeption als Vollsicherung, siehe v. Maydell (Fn. 4), S. 14; ders., in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 2l. 18 v. Maydell (Fn. 4), S. 14; ders., in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 21; die Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme bezeichnet die Beamtenversorgung, da diese mit der Aufrechterhaltung des Lebensstandards quasi die Funktion einer Basis- und Zusatzsicherung insgesamt erfüllt, als "bifunktionales System", siehe (Fn. 7), S. 141ff. 19 Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 1, S. 74, Ziff. 201; v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 21; ders. (Fn. 4), S. 14; ders., SdDSGV Bd. XVII, S. 24ff. (34). 20 v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 2l. 21 v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 21. 22 v. Maydell (Fn. 4), S. 14. 23 v. Maydell (Fn. 4), S. 14; ders., in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 21; Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 1, S. 74, Ziff. 201.

4. Kap.: Die Einordnung innerhalb des gesamten Alterssicherungssystems 177 2. Einordnung der bemfsständischen Versorgung

a) Gesamtbild

Für die Einordnung der hier in Frage stehenden berufs ständischen Versorgungswerke der verkammerten freien Berufe hinsichtlich des Sicherungsumfangs nach den unter 1. aufgezeigten Maßstäben bietet sich - mangels Vorliegens konkreter Zahlen über das Einkommens- und Versorgungsniveau der jeweiligen Berufsstände - eine Orientierung an dem Alterssicherungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung an, und zwar unter dem Aspekt der Beitragserhebung, da die Höhe der Beiträge auch im Rahmen der berufsständischen Versorgung maßgeblichen Einfluß auf den Umfang der später zu erwartenden Leistungen hat 24 . Darüber hinaus finden sich in einigen Satzungen der Versorgungswerke auch Aussagen über den Sicherungsumfang bzw. der Höhe nach festgelegte Leistungen, die einen Rückschluß auf den Sicherungsumfang zulassen. Im Hinblick auf die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtungen kann danach die berufsständische Versorgung ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung grundsätzlich als Basissicherungssystem bezeichnet werden 25 , da von den angestellten Berufsstandsmitgliedern in der Regel der Beitrag erhoben wird, den diese bei zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehender Versicherungspflicht gemäß § 112 AVG an diese zu zahlen hätten (bedingt durch § 7 11 AVG), und die Selbständigen in der Regel ebenfalls einen einkommensbezogenen Beitrag zu leisten haben, der entweder an dem Höchstbeitrag zur Angestelltenversicherung orientiert ist oder als Vomhundertsatz aller Einkünfte aus der jeweiligen berufsspezifischen Tätigkeit festgelegt ist und damit bei entsprechendem Einkommen auch über die Beitragsbemessungsgrenze nach dem Angestelltenversicherungsgesetz hinausgeht 26 . Wegen der in den Satzungen vorzufindenden Beitragsbemessungsgrenzen, die ihre Obergrenze letztlich in § 5 I Nr. 8 KStG zwecks Wahrung der Körperschaftssteuerfreiheit finden 27 , kann von der Konzeption der Versorgung her nur von einer Basissicherung im Sinne einer Grundsicherung gesprochen werden, da in allen Fällen eines über diese Höchstgrenzen hinausgehenden Einkommens der darüberliegende Teil für die späteren Alterssicherungsleistungen unberücksichtigt bleibt und demgemäß eine Lebensstandardsicherung ausgeschlossen ist 28 • 24 Zur Leistungsberechnung im einzelnen siehe im 3. Kap., IV; diesen Bezugspunkt wählt auch Kolb, Berufsständische Versorgung, in: Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme, Berichtsband 2, S. 351ff. (366). 25 Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 1, S. 74, Ziff. 201. 26 So auch Kolb (Fn. 24), S. 351ff. (366); zur Beitragserhebung im einzelnen siehe im 3. Kap., III 1. 27 Siehe im 3. Kap., III 1; zu § 5 I Nr. 8 KStG unter B, 1. Kap., II 1.

12 Boecken

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Dieser Einordnung der berufsständischen Versorgung als Grundsicherung kommt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten insoweit Bedeutung zu, als eine solchermaßen ausgestaltete Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung auf jeden Fall nicht das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzt. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Ärzteversorgung unter diesem Gesichtspunkt ausdrücklich hervorgehoben, daß die damit verbundene Pflichtvorsorge wegen der Höhe des Einkommens vieler Berufsangehöriger nur den Charakter der Garantie einer Mindestversorgung trage und diese in den Stand gesetzt seien, aus eigener Kraft weitere Sicherungen für die Alters- und Familienversorgung zu schaffen 29 • Ein Zusatzsicherungscharakter kommt der berufsständischen Versorgung hingegen für solche Personen zu, die bereits in einem anderen Alterssicherungssystem pflichtversichert sind und im Rahmen der berufsständischen Versorgung lediglich zu einem Mindestbeitrag herangezogen werden. Dies trifft in erster Linie auf die Angestellten zu, die sich nicht haben gemäß § 7 II AVG von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen 3o •

b) Die Versorgungswerke der jeweiligen Berufsstände Betrachtet man die Versorgungseinrichtungen der jeweiligen Berufsstände im einzelnen, so ergeben sich in einigen Fällen Abweichungen von dem zuvor dargestellten Gesamtbild. (1) Ärzte-, Zahnärzte- und Tierärzteversorgungen Während es sich bei den ärztlichen und zahnärztlichen Versorgungswerken um Basissicherungssysteme im Sinne einer Grundsicherung handelt 3 1, kann dies von den tierärztlichen Versorgungswerken nicht generell gesagt werden. 28 Ähnlich Kolb (Fn. 24), S. 351ff. (366), der damit die zunächst gemachte Bewertung als "Vollsicherung" stark einschränkt; vgl. auch Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme (Fn. 7), S. 90: " ... im Grundsatz eine Vollsicherung, häufig wird jedoch lediglich eine volle Grundsicherung geboten ... ". - Allerdings können bei unterhalb der Körperschaftssteuergrenze liegender Beitragsbemessungsgrenze darüber hinausgehende Einkommensteile durch Höherversicherung abgedeckt werden, siehe im 3. Kap., I 3 bund III 1 a (5). 29 BVerfGE Bd. 10, S. 354ff. (369); ob darüber hinausgehend auch eine Vollversorgung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen wäre, kann hier dahingestellt bleiben, bejahend z.B. Bettermann, Rechtsgutachten, S. 47. 30 Siehe dazu im 3. Kap., III 1 a (2). 31 Zu den ärztlichen Versorgungswerken siehe Kirchhoff u. a., Die Alterssicherung des niedergelassenen Arztes, S. 10 und Reusch, a.a.O., S. 29.

4. Kap.: Die Einordnung innerhalb des gesamten Alterssicherungssystems 179

Boten diese Einrichtungen - abgesehen Von den bayerischen und badenwürttembergischen Tierärzten, die ja mit den Ärzten und Zahnärzten in einem Versorgungswerk zusammengeschlossen sind - ihren Mitgliedern unter Berücksichtigung der Tatsache, daß ein Großteil der Berufsstandsmitglieder als unselbständig tätige Fleischbeschauer in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, zunächst nur eine Minimalversorgung auf der Höhe des Sozialhilfeniveaus 32 , so wurde der Versorgungsumfang im Laufe der Siebziger Jahre überwiegend auf das Niveau einer der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Grundsicherung umgestellt3 3. Demzufolge kann heute allein hinsichtlich der Tierärzteversorgungen Nordrhein (bezogen auf die Selbständigen) und Schleswig-Holstein (bezogen auf selbständige und angestellte Berufsstandsmitglieder) noch von einer Zusatzsicherung gesprochen werden, da in diesen Versorgungswerken die Pflichtversicherung auf den Erwerb von 60 Anteilen beschränkt ist, wobei ein Anteil ein jährliches Ruhegeld von 100,- DM bzw. 121,- DM umfaßt3 4 • Die übrigen Versorgungseinrichtungen haben ihren Versorgungsrahmen unter Orientierung an der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne einer Grundsicherung umgestaltet, wie sich aus den heute jeweils geltenden Beitragssätzen ablesen läßt. So zahlen zum Beispiel gemäß § 10 II der Satzung der Tierärzteversorgung Westfalen-Lippe nach dem 30.6.1976 in das Versorgungswerk aufgenommene Mitglieder den Beitrag, der dem monatlichen Höchstbeitrag zur Angestelltenversicherung entspricht, wobei bei niedrigerem Einkommen eine Herabsetzung entsprechend den Sätzen der Angestelltenversicherung beantragt werden kann (§ 10 VII)35.

32 Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe, S. 100. 33 z.B. das Versorgungswerk der Landestierärztekammer Hessen: durch Beschluß der Delegiertenversammlung vom 19.120. 12. 1968 wurde eine Neufassung der Satzung des Versorgungswerkes beschlossen, womit unter anderem die bisherige Versorgung auf den Stand des gesetzlichen Rentenversicherungsrechts gebracht werden sollte, siehe Knuhr im Anschluß an die Satzung des Versorgungswerks, S. 38 (Neudruck 1977). 34 Siehe § 13 III i. V.m. § 18 I Tierärzteversorgung Nordrhein (für nach dem 1. 1. 1985 eintretende Berufsstandsangehörige ist nunmehr generell die Pflichtversicherung auf eine Grundsicherung umgestellt worden, siehe § 14); § 14 III i. V.m. § 14 bI Tierärzteversorgung Schleswig-Holstein. 35 Siehe auch § 15 Tierärzteversorgung Hessen; Beitragsverzeichnis VII Nr. 1 und 3 in Anlage 1 zur Satzung der Tierärzteversorgung Niedersachsen für nach dem 30. 9. 1976 begonnene Pflichtmitgliedschaften; vgl. auch Kolb (Fn. 24), S. 351ff. (366), der - im Hinblick auf die erfolgte Umstellung des Versorgungsumfangs allerdings zu Unrecht - hinsichtlich aller tierärztlichen Versorgungswerke (mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg) bezogen auf die Selbständigen nur von einer Teilsicherung spricht.

12'

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

(2) Apothekerversorgungen Nachdem die Apothekerversorgungen zunächst darauf ausgerichtet waren, den angestellten Apothekern und deren Angehörigen eine Zusatzversorgung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährleisten, wohingegen die selbständigen Apotheker durch die Einkünfte aus ihren Apothekenbesitzrechten als ausreichend gesichert angesehen wurden 36 , sind die heute bestehenden Versorgungseinrichtungen der Apotheker als Basissicherungen im Sinne von Grundsicherungen des gesamten Berufsstandes, also der Selbständigen und Angestellten, konzipiert. In Anlehnung an die gesetzliche Rentenversicherung haben die Mitglieder der Apothekerversorgungen regelmäßig den jeweils geltenden Höchstbeitrag zur Angestelltenversicherung zu entrichten, wobei im Falle eines unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Einkommens letzteres als Berechnungsgrundlage genommen wird 37 . Die Umgestaltung der Versorgungseinrichtungen erwies sich als notwendig, nachdem durch das Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. 6.1958 38 die Bedürfnisprüfung für Neuzulassungen weggefallen war und damit - bedingt durch das Ansteigen der Apothekenneugründungen die Versorgungslage der selbständigen Apotheker nicht mehr gesichert erschien39 • (3) Architektenversorgungen Ebenso wie die Versorgungseinrichtungen der Apotheker sind auch die Versorgungswerke der Architekten auf eine Basissicherung im Sinne einer Grundsicherung ausgerichtet. Während in den Architektenversorgungen Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg die angestellten Mitglieder den Beitrag zu zahlen haben, der bei Nichtbefreiung an die Angestelltenversicherung zu entrichten wäre 4o , müssen die Selbständigen nach der Architektenversorgung Baden-Württemberg den Beitrag leisten, der dem Höchstbeitrag zur Angestelltenversicherung entspricht 4 1, bei den Architektenversorgungen Bayern 36 Hahn (Fn.32), S.106ff.; ausführlich zur Bayerischen Apothekerversorgung Schmitt-Lermann, Hundert Jahre Bayerische Versicherungskammer, S. 411ff. 37 Siehe Z.B. § 19 Apothekerversorgung Nordrhein; § 27 Apothekerversorgung Niedersachsen. 38 BVerfGE Bd. 7, S. 377ff. 39 Hahn (Fn.32), S.107f.; Schmitt-Lermann (Fn.36), S.417f. zur Bayerischen Apothekerversorgung. 40 § 21 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; § 21 Bayerische Architektenversorgung; § 17 Architektenversorgung Baden-Württemberg. 41 § 16 Architektenversorgung Baden-Württemberg.

4. Kap.: Die Einordnung innerhalb des gesamten Alterssicherungssystems 181

und Nordrhein-Westfalen hingegen einen bestimmten Vomhundertsatz des Einkommens, wobei die Höchstgrenzen die Körperschaftssteuerbefreiungsgrenze bzw. 130% des Höchstbeitrages zur Angestelltenversicherung sind 42 • Lediglich das Versorgungswerk der Architektenkammer des Saarlandes, das als Pflichtmitglieder nur selbständig tätige Architekten erfaßt, ist als Zusatzsicherung ausgestaltet, wie sich aus der Höhe der in Abhängigkeit von Beitragsjahren satzungsmäßig festgelegten Leistungen entnehmen läßt 43 . (4) Rechtsanwalts-, Notar- und Steuerberater-/-bevollmächtigtenversorgungen Von den derzeit bestehenden Rechtsanwaltsversorgungen (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) handelte es sich bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes zunächst um eine Zusatzversorgung, die zwischenzeitlich zu einer Basissicherung umgestaltet worden ist 44 . Die Rechtsanwaltsversorgungen Niedersachsen und Bayern, die erst 1983 bzw. 1984 ihre Tätigkeit aufgenommen haben 45 , sind ebenfalls als grundsicherungsorientierte Basissicherungen einzuordnen 46 . So haben in beiden Versorgungswerken die angestellten Berufsstandsangehörigen den Beitrag zu zahlen, der bei Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten wäre47 . Während die selbständigen Rechtsanwälte in der Rechtsanwaltsversorgung Bayern ihre Beiträge ebenfalls in Anlehnung an § 112 AVG bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten haben 48 , haben die selbständigen Mitglieder in der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen ein Wahlrecht zwischen 5/10 und 10/10 des Höchstbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung 49 • 42 §§ 20, 23 Architektenversorgung Nordrhein-Westfalen; §§ 20, 25 Architektenversorgung Bayern. 43 Siehe § 3 V i. V. m. § 4 Architektenversorgung Saarland: die Höchstleistung beträgt ab 1. 1. 1980 nach 43 Beitragsjahren 57l,- DM monatlich. 44 Siehe die Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes i.d.F. vom 15.10.1983 (Saarl. AmtsBl. 1983, S.834), insbesondere § 19 II, wonach der allgemeine monatliche Beitrag (Regelbeitrag) dem jeweils geltenden Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte entspricht; vgl. demgegenüber die Satzung i.d.F. vom 1. 7. 1978 (Saarl. AmtsBl. 1978, S. 1024). 45 Siehe im 1. Kap., II 2 b, Fn. 60 und 61. 46 Dies gilt auch für die erst im Jahre 1985 gegründeten Versorgungswerke der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, s. dazu im 1. Kap., Fn. 61 und im Anhang. 47 § 18 II Rechtsanwaltsversorgung Bayern; § 24 III Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen. 48 Siehe § 18 I Rechtsanwaltsversorgung Bayern. 49 § 24 I und II Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen.

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Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Auch die bestehenden Notarversorgungen sind als Basissicherungen einzuordnen, wie sich zum Beispiel aus § 20 der Satzung des Versorgungswerkes der Saarländischen Notarkammer ergibt, wonach die Höhe der Versorgungsrente eines Notars einem bestimmten Ruhegehalt nach dem Bundesbesoldungsgesetz entspricht50 . Schließlich handelt es sich bei dem Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Saarland um eine Zusatzsicherung51 . Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 4 der Beitrags- und Rentenordnung des Versorgungswerks, wonach die Mitglieder und ihre Hinterbliebenen gegenüber dem Versorgungswerk einen Rechtsanspruch auf Zusatzversorgung haben. Demgemäß werden von den Mitgliedern auch nur verhältnismäßig niedrige Beiträge erhoben 52 , die entsprechend geringe Leistungen zur Folge haben 53 . (5) Gemeinsame Ausgleichskasse im Seelotswesen der Reviere Ebenso wie das Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten ist die Gemeinsame Ausgleichskasse im Seelotswesen der Reviere als Zusatzsicherung einzuordnen 54 . Dies folgt bereits aus § 2 I der Satzung, wonach die Ausgleichskasse die Aufgabe hat, infolge der Einführung der gesetzlichen Angestelltenversicherung im Seelotswesen der Reviere eine Zusatzversorgung durchzuführen. Hierbei handelt es sich um ein Zusatzversorgungssystem im Sinne einer unter 1. beschriebenen Gesamtversorgung, da die Zusatzsicherung auf die für die Seelotsen bestehende Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen ist 55 . Besonders deutlich kommt dies in der Anrechnungsvorschrift des § 14 der Satzung zum Ausdruck, wonach auf die von der Ausgleichskasse gewährten Leistungen bestimmte Renten aus der gesetzlichen Angestelltenversicherung angerechnet werden.

50 Siehe auch § 8 Notarversorgungskasse Koblenz; auch die Versorgung der Notare in der Notarkasse München lehnt sich an die Versorgung der Beamten an, siehe Seybold / Hornig, BNotO, § 113 Rdn.8; vgl. z.B. zur Höhe des Ruhegehaltes § 3 der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse. 51 So auch Kolb, Fn. 24, S. 351ff. (366). 52 Siehe Teil H, § 1 der Beitrags- und Rentenordnung. 53 Siehe Teil H, § 3 I der Beitrags- und Rentenordnung, Stand 10.5.1977, danach beträgt der Höchstbetrag der Altersrente 480,- DM monatlich. 54 So auch Kolb (Fn. 24), S. 351ff. (366). 55 Die Seelotsen wurden durch Art. 1 § 2 Nr. 1 ades 3. RVÄndG vom 28. 7. 1969, BGBl. 1969 I S. 956, in die gesetzliche Rentenversicherung der Angestellten einbezogen, siehe im 1. Kap., II 2 a.

4. Kap.: Die Einordnung innerhalb des gesamten Alterssicherungssystems 183

BI. Einordnung nach der Rechtsgrundlage Im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen der Alterssicherungssysteme lassen sich öffentlich-rechtlich und privatrechtlich organisierte Systeme unterscheiden 56. Während die Zusatzsicherungssysteme (private Lebensversicherung, betriebliche Altersversorgung und Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes) regelmäßig auf privatrechtlichen Rechtsgrundlagen basieren - in Betracht kommen hier vor allem Versicherungsvertrag, Arbeitsvertrag oder tarifliche Regelung 57 - beruht die berufsständische Versorgung der verkammerten freien Berufe ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung auf einer öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage 58 . Rechtsgrundlagen der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen sind die jeweiligen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen (für die Kammern) bzw. die Errichtungsgesetze bei den selbständigen Versorgungswerken sowie die im Rahmen dieser gesetzlichen Grundlagen erlassenen Satzungen59 . IV. Einordnung unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung Für die Finanzierung von Alterssicherungssystemen kommen drei Möglichkeiten in Betracht, die auch kumulativ in einem System zusammentreffen können. So können Alterssicherungssysteme - aus dem Staatshaushalt durch Steuermittel, - von den späteren Leistungsbeziehern selbst durch Beiträge sowie - durch Dritte, zum Beispiel den Arbeitgeber, finanziert werden 60 • Bei der Beamtenversorgung und der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst handelt es sich um Sicherungssysteme, die allein aus Steuermitteln finanziert werden 6l . In der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt die 56 Sozialbeirat (Fn.3), Bd. 1, S. 74, Ziff. 202; v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 2lf. 57 Für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst besteht die Besonderheit, daß diese zwar auf Tarifvertrag beruht, die Versorgungseinrichtungen selbst jedoch öffentlich-rechtlich organisierte Institutionen sind (siehe v. Maydell, in: Sozialbeirat [Fn. 3], Bd. 3, S. 22). 58 v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 2lf. 59 Siehe dazu im einzelnen im 2. Kap., III, die jeweiligen Rechtsgrundlagen sind im Anhang aufgeführt. 60 Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 1, S. 74, Ziff. 203; v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 22; ders. (Fn. 4), S. 15. 61 Zur Frage der Beteiligung der Beamten an den Kosten ihrer Alterssicherung siehe die Empfehlungen der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme (Fn. 7), S. 144 ff.

184

Teil A: Die Grundlagen der Pflichtaltersversorgung

Finanzierung zu einem wesentlichen Teil durch die Versicherten selbst und ihre Arbeitgeber, zum Teil aber über den Staatszuschuß auch aus Steuermitteln 62 . Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung werden die Leistungen durch die Arbeitgeber finanziert, während die private Lebensversicherung allein aus Mitteln des späteren Leistungsberechtigten aufgebaut wird 63 . Die berufsständische Versorgung erweist sich innerhalb dieser Differenzierung als ein System, dessen Leistungen im wesentlichen aus den Beiträgen der Mitglieder finanziert werden, daneben können noch aus den Vermögensanlagen erwirtschaftete Vermögenserträge für die Leistungen verwendet werden 64 • Damit handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Alterssicherungssystem, das im Gegensatz zu den anderen auf öffentlichrechtlichen Rechtsgrundlagen beruhenden Sicherungssystemen weder ganz noch teilweise öffentliche Mittel erhält, sondern die für die Leistungen notwendigen Mittel durch die Versicherten selbst aufbringt 65 .

62 Wobei hier je nach dem Zweig der Rentenversicherung Unterschiede bestehen: so werden in der Knappschaftlichen Rentenversicherung und in der Altershilfe für Landwirte die Leistungen ganz überwiegend durch Staatszuschüsse finanziert, siehe v. Maydell, in: Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 3, S. 22. 63 Sozialbeirat (Fn. 3), Bd. 1, S. 74, Ziff. 203. 64 Siehe ausführlich zur Finanzierung im 3. Kap., III. 65 Beiträge Dritter im Sinne einer eigenen Beitragsverpflichtung sind mit Ausnahme der Regelung des § 166b AFG (dazu im 3. Kap., III 1 b (2) und B, 1. Kap., 14) für die berufsständische Versorgung nicht relevant; insbesondere besteht eine solche Verpflichtung nicht für die Arbeitgeber von angestellten Berufsstandsangehörigen, diese sind höchstens kraft einzel- oder tarifvertraglicher Abrede an den Beitragsaufwendungen des einzelnen Mitgliedes beteiligt (siehe ausführlich im 3. Kap., III 1 b (1)).

TEILB

Die Stellung des Bundesgesetzgebers im Hinblick auf die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe Erstes Kapitel

Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung Mit Einführung der Vorschrift des § 7 II AVG durch des AnVNG im Jahre 1957 1 ist eine Entwicklung eingeleitet worden, die - parallel zu den seit den Fünfziger Jahren verstärkt entstehenden Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen 2 - bis heute in vielfältiger Hinsicht zu einer ausdrücklichen bundesgesetzlichen Berücksichtigung dieser Einrichtungen als selbständiges Alterssicherungssystem geführt hat3. Der Bestimmung des § 7 II AVG kommt in diesem Zusammenhang deshalb grundlegende Bedeutung zu, da mit dieser Befreiungsregelung die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen erstmals unter bestimmten Voraussetzungen als Ersatzinstitute für die sonst in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Berufsstandsangehörigen anerkannt wurden 4 . In der Folgezeit sind weitere Bestimmungen geschaffen worden, zum Teil als notwendige Anschlußregelungen zu § 7 II AVG5, darüber hinaus aber auch unabhängig davon als Konsequenz aus der Tatsache, daß dieses Alterssicherungssystem im Laufe der Zeit für die Angehörigen der freien Berufe eine zunehmend größere Bedeutung gewonnen hat 6 • Neben den landesgesetzlichen Regelungen und den auf diesen basierenden Satzungen als materiell-rechtliche Grundlagen der berufsständischen Pflichtaltersversorgung unterliegt diese damit auch bundesgesetzlichen Bestimmungen, die auf die Ausgestaltung dieses Versorgungssystems Einfluß nehmen. Im folgenden sollen deshalb die maßgebenden bundesgesetzlichen Bestimmungen aufgezeigt werden, wobei zwischen sozialrechtlichen (einI 2

3 4

5 6

BGBL 1957 I S. 88. Siehe dazu unter A, 1. Kap., II. Vgl. Dehler, Bay. ÄrzteBl. 1982, S. 4ff. (12). Dazu ausführlich unter 11. Z.B. § 166b AFG. Und in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird, siehe unter A, 1. Kap., II 3 e.

186

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

schließlich beamtenversorgungsrechtlichen) Regelungen 7 und steuerrechtlichen Regelungen B unterschieden wird. Allen diesen Regelungen ist gemeinsam, daß sie materiell vom Regelungsinhalt her in irgendeiner Form an die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen als Alterssicherungssystem anknüpfen (deshalb "sozialrechtlich"), die Abgrenzung der steuerrechtlichen Bestimmungen beruht allein auf dem formalen Gesichtspunkt, daß diese Regelungen im Steuerrecht verankert sind.

I. Sozialrechtliche Regelungen 1. Die Regelung des § 7 n AVG

a) Überblick

Die Regelung des § 7 II AVG9, wonach unter bestimmten Voraussetzungen Mitglieder berufsständischer Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag befreit werden können, ist als Koordinationsvorschrift zwischen den berufsständischen Sicherungseinrichtungen einerseits und der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits anzusehen. Einer solchen Vorschrift zur Abstimmung der verschiedenen Alterssicherungssysteme bedurfte es deswegen, weil mit Erlaß des AnVNG vom 23.2.1957 10 die Versicherungspflichtgrenze für Angestellte heraufgesetzt und damit ein Teil der angestellten Berufsstandsangehörigen zugleich in einer berufsständischen Sicherungseinrichtung wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert wurde l1 . Wenn auch zunächst in vielen Fällen eine Konkurrenz zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen deshalb ausgeschlossen war, weil die angestellten Berufsstandsangehörigen die in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Pflichtversicherung geltende Jahresarbeitsverdienstgrenze (§§ 5 I AVG aF i. V.m. 4 I Nr. 1 AVG aF) überschritten l2 , so hat die Bestimmung mit Wegfall dieser Pflichtversicherungsgrenze zum 1.1.1968 durch Art. 1 § 2 Nr. 1 des Finanzänderungsgesetzes vom 21.12.1967 13 für alle in einem Angestelltenverhältnis tätigen Berufsstandsangehörigen Bedeutung gewonnen, da seit Siehe unter I. Siehe unter II. 9 Eingefügt durch Art. 1 § 7 II AnVNG vom 23.2. 1957 (BGBI. 1957 I S. 88). 10 Siehe Fn. 9. 11 Elsholz / Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, § 7 AVG, Rdn. 5. 12 BVerwG in DVBI. 1983, S. 554ff. (555). 13 BGBI. 1967 I S. 1259. 7

B

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

187

diesem Zeitpunkt alle Angestellten ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Jahresverdienstes in der Angestelltenversicherung pflichtversichert sind. Ebenso wie in den Regelungen der §§ 6, 7 I und 8 AVG kommt auch in dem Befreiungstatbestand des § 7 II AVG der Grundsatz zum Ausdruck, daß eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nur dann gerechtfertigt ist, wenn eine anderweitige Versorgung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung durch einen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger gewährleistet ist l4 . Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Sicherungseinrichtung der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für gleichwertig erachtetl 5 , weshalb die in § 7 II AVG genannten Sicherungseinrichtungen als Ersatzinstitute zur gesetzlichen Rentenversicherung angesehen werden können l6 . Der Sinn dieser Vorschrift geht dahin, solchen Angestellten, deren Berufsgruppe zu einem großen Teil von versicherungsfreien Selbständigen gebildet wird, die Möglichkeit zu verschaffen, ausschließlich die berufsständische Versorgung in Anspruch zu nehmen l7 . Denn diese Angestellten sind meistens nur am Anfang des Berufslebens überwiegend unselbständig tätig 1a . Nach der Konzeption der Regelung ist es den Berufsstandsangehörigen selbst überlassen, ob sie von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch machen wollen, denn die Befreiung erfolgt nur auf Antrag. Jedoch kann nicht übersehen werden, daß die rechtliche Wahlfreiheit tatsächlich in vielen Fällen dadurch eingeschränkt ist, daß sich nur durch eine Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung eine Doppelbelastung mit Beiträgen zur Altersvorsorge vermeiden läßtl 9 , denn die Versicherungsund Versorgungseinrichtungen sehen ihrerseits nur in wenigen Ausnahmefällen die Möglichkeit einer völligen Befreiung zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung vor20 . Auf der anderen Seite dient die Regelung des § 7 II AVG unter dem Gesichtspunkt der Versicherungskontinuität auch den Interessen der gesetzlichen Rentenversicherung. Für diese sind nämlich auf Dauer angelegte Versicherungsverhältnisse von Bedeutung und dem kommt es entgegen, wenn die meist nur vorübergehend angestellten Berufsangehörigen von Anfang an versicherungsfrei sein können und damit ein Wechsel der Versicherung vermieden wird 21 . 14 15

16 17 18

19 20 21

Zweng / Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 1. BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 3. BSGE Bd. 18, S. 154ff. (155). BSGE Bd. 18, S. 154ff. (157); BVerwG in DVBl. 1983, S. 554ff. (555). BSGE Bd. 20, S. 37 ff. (38/39). Koch / Hartmann, Komm. z. AVG, Bd. IV, § 7, Erl. B I. Siehe dazu unter A, 3. Kap., I 2 c (3) und III 1 a (2). BSGE Bd. 20, S. 37 ff. (39).

188

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Mit Inkrafttreten des Mutterschaftsurlaubsgesetzes zum 1. 7.1979 22 ist die seit 1957 geltende Fassung des § 7 II AVG durch Anfügung eines 2. Halbsatzes, der die Befreiung vom Vorliegen bestimmter Beitrags- und Leistungsregelungen der berufsständischen Sicherungseinrichtungen abhängig macht, ergänzt worden. Durch das Aufstellen dieser "Qualitätsanforderungen" wurden die Voraussetzungen für eine Befreiung wesentlich erschwert 23, der Gesetzgeber wollte mit dieser Ergänzung erreichen, daß für die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen die gleichen Grundprinzipien gelten wie für die gesetzliche Rentenversicherung, ohne daß jedoch im Beitragsund Leistungsbereich eine völlige Parallelität bestehen müßte 24 .

b) Voraussetzungen des § 7 II A VG im einzelnen Die von der Regelung des § 7 II AVG aufgestellten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht lassen sich in solche formeller und materieller Natur einteilen 25 • Während das seit Inkrafttreten der Vorschrift bestehende Antragserfordernis als einzige formelle Voraussetzung einzuordnen ist 26 , sind die materiellen Befreiungsvoraussetzungen, die sich ursprünglich allein auf die heute in Halbsatz 1 von § 7 II AVG genannten Erfordernisse beschränkten, mit der Neuregelung im Jahre 1979 27 um die in Halbsatz 2 der Bestimmung aufgestellten Anforderungen ergänzt worden 28 •

(1) Formelle Voraussetzungen Die Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt nach der Bestimmung des § 7 II AVG nur auf Antrag. Das bedeutet im Gegensatz zur Befreiung kraft Gesetzes (siehe die §§ 4, 6 AVG) , daß die Versicherungsfreiheit nicht von selbst beim Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes eintritt, sondern ein Tätigwerden von Seiten des Versicherungspflichtigen in Form der Antragstellung erfolgen muß 29 . Bei der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Befreiung han- . BGBl. 1979 I S. 797. Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. 111, S. 747d; Buschmann, WzS 1979, S. 225ff. (237); Albrecht, DRV 1979, S. 256ff. (258f.). 24 Zipperer, DOK 1979, S. 569ff. (583); Etmer, Komm. z. AVG, § 7, Anm. 3. 25 So bereits die Differenzierung von Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe, S. 85 ff. 26 Dazu unter (1). 27 Siehe oben Fn. 22. 28 Dazu unter (2). 29 Verbandskommentar, Bd. I, § 1230 RVO, Rdn. 2. 22 23

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliehe Berücksichtigung

189

delt es sich demgemäß um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt 30 , der begünstigenden Charakter hat3 1 . Zuständig für die Antragstellung ist nach § 7 IV AVG die BfA. Darüber hinaus kann der Antrag aber auch bei einem unzuständigen Leistungsträger, einer unzuständigen 'Gemeinde oder einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden mit der Folge, daß ein solcher Antrag fristwahrend wirkt (§ 1611 S. 2 SGB I) und gemäß § 1611 S. 1 SGB I unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten ist3 2 • Zwar gilt die Vorschrift des § 16 SGB I, wie aus Absatz I Satz 1 der Regelung zu entnehmen ist, nur für Anträge auf Sozialleistungen (§ 11 SGB 1)33, jedoch ist sie sinngemäß auch auf Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht anzuwenden 34 • Der Antrag auf Befreiung kann jederzeit gestellt werden, ohne daß von der berechtigten Person eine Frist einzuhalten wäre. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 7 11 AVG, der keine gegenteilige Einschränkung enthält, darüber hinaus spricht die Regelung des § 7 111 2. Hs. AVG, wonach die Befreiung vom Eingang des Antrages an wirkt, wenn dieser später als zwei Monate nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses gestellt wird, für ein zeitlich uneingeschränktes Recht zur Antragstellung 35 .

(2) Materielle Voraussetzungen (a) Anforderungen des § 7 II Hs. 1 A VG

Gemäß den in § 7 11 Hs. 1 AVG geregelten Voraussetzungen können sich solche Personen von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen 36 , die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung 37 Mitgliedereiner öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung 38 ihrer Berufsgruppe 39 sind.

Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm. 9. Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 624k. 32 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 624 k; Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 A VG), Anm. 9. 33 Schnapp in Bochumer Kommentar z. SGB-AT, § 16, Rdn. 1. 34 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 624k. 35 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 3. 36 Dazu unter (aa). 37 Dazu unter (bb). 38 Dazu unter (ce). 39 Dazu unter (dd). 30

31

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

(aa) Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Von der Befreiungsmöglichkeit können zunächst einmal die Personen Gebrauch machen, die als Angestellte in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und demgemäß nach § 2 I Nr. 1 AVG in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind. Dies ergibt sich aus § 7 11 i. V. m. 111 AVG, danach wirkt die Befreiung von Beginn des "Beschäftigungsverhältnisses" an, wenn sie innerhalb von zwei Monaten danach beantragt wird. Darüber hinaus sind jedoch auch solche Personen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen von der Pflichtversicherung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, deren Versicherungspflicht sich nicht auf der Grundlage eines Beschäftigungsverhältnisses aus § 2 I Nr. 1 AVG ergibt, sondern die gemäß § 2 I Nr. 11 AVG kraft Antrags zu Pflichtversicherten geworden sind, und zwar zumindest dann, wenn sie erst nach Entstehen der Antragspflichtversicherung in einer berufsständischen Sicherungseinrichtung versicherungspflichtig wurden40 . Insoweit ist die Vorschrift des § 7 11 AVG, auch wenn sich aus Absatz 111 dieser Regelung ergibt, daß der Gesetzgeber nur an eine Befreiungsregelung für die kraft eines Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtigen Personen gedacht hat, auf die - selbständig tätigen - Antragspflichtversicherten im Sinne von § 2 I Nr. 11 AVG erweiternd anzuwenden 41 • Dafür spricht, daß die Antragspflichtversicherung erst durch das RRG vom 16.10.1972 42 eingeführt wurde und mithin der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 7 11 AVG im Jahre 1957 den Fall der Antragspflichtversicherung noch gar nicht mit einbeziehen konnte. Deshalb ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber bei Erkennen der Problematik im Jahre 1972 den Wortlaut des § 7 III AVG entsprechend geändert hätte (statt "Beschäftigungsverhäl tnis" "Pflichtversicherungsverhäl tnis" )43. Denn die Situation eines Antragspflichtversicherten, der zugleich Mitglied einer berufsständischen Sicherungseinrichtung ist, unterscheidet sich durch nichts von der eines in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Berufsgenossen, auch jenen trifft die doppelte Beitragspflicht für die Altersversorgung. Hier greift aber gerade die Zielrichtung des § 7 11 A VG ein, diesen Personen die Möglichkeit einzuräumen, durch Befreiung zugunsten einer als gleichwertig erkannten Sicherungseinrichtung eine Doppelbelastung zu verhindern44 . 40 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 3; bestätigt in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 4 und durch Urteil vom 18. 5. 1983 - 12 RK 73/81 - = SGb 1983, S. 484 (Kurzübersicht). 41 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 3. 42 BGBl. 1972 I S. 1965. 43 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 3. 44 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 3.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

191

Etwas anderes hat jedoch grundsätzlich dann zu gelten, wenn von einem Selbständigen eine Antragspflichtversicherung trotz bestehender Versicherungspflicht in einer berufsständischen Sicherungseinrichtung herbeigeführt wurde 45 . Grundgedanke der Vorschrift des § 7 II AVG ist nämlich, daß die betroffenen Personen nicht gezwungen werden sollen, in zwei verschiedenen Systemen für eine ausreichende Alterssicherung Beiträge erbringen zu müssen. Die Befreiungsregelung ist also nur für die Fälle gedacht, in denen unfreiwillig eine zweifache Versicherungspflicht besteht. Normzweck der Vorschrift ist es nicht, eine in der gesetzlichen Rentenversicherung auf freiwilliger Basis zusätzlich zur berufsständischen Sicherung begründete Antragspflichtversicherung wieder rückgängig machen zu können 46 . Damit wird auch verhindert, die einmal erworbene zusätzliche Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung davon abhängig zu machen, wie günstig dem pflichtversicherten Selbständigen die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung erscheint 47 . Aus diesen Gründen ist eine Befreiung in diesem Fall nach dem Grundsatz des venire contra factum proprium, dem auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Bedeutung zukommt, ausgeschlossen, da insoweit die Antragstellung auf Befreiung von der vormals freiwillig - zusätzlich zur bereits bestehenden berufsständischen Pflichtversicherung - eingegangenen Antragspflichtversicherung als mißbräuchliches Verhalten anzusehen ist 48 . Eine Ausnahme hiervon hat jedoch in dem Fall zu gelten, in dem die Geltendmachung des Befreiungsrechts durch besondere, in den individuellen Verhältnissen begründete Umstände des Versicherten gerechtfertigt ist 49 • Diese Voraussetzung ist dann als gegeben anzusehen, wenn sich nach Begründung der Antragspflichtversicherung unvorhergesehen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten wesentlich geändert haben, so daß nunmehr die Belastung mit doppelten Beiträgen zur 45 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 4; bestätigt durch Urteil vom 18. 5. 1983 - 12 RK 73/81 - = SGb 1983, S. 484 (Kurzübersicht). 46 Siehe BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 4, das auf die bewußte und freiwillige Schaffung einer doppelten Sicherung abstellt. 47 Inwieweit eine wesentliche Änderung des Leistungsgefüges der gesetzlichen Rentenversicherung ein außerordentliches Recht auf Beendigung der Antragspflichtversicherung geben kann, ist von der Frage einer Befreiung gemäß § 7 II AVG zu unterscheiden, siehe BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 4; die zu dieser Problematik erlassenen Vorlagebeschlüsse des BSG (siehe die Nachw. in SozR 2400, § 7 AVG, Nr.4) sind vom BVerfG als unzulässig zurückgewiesen worden, BVerfGE Bd.64, S. 192ff.; siehe aber jetzt in diesem Zusammenhang den Beschluß des BVerfG vom 9.10.1985 in EuGRZ 1985, S. 740ff. 48 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 4; BSG, Urteil vom 18. 5. 1983 -12 RK 73/81 = SGb 1983, S. 484 (Kurzübersicht). 49 BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 4; bestätigt durch BSG, Urteil vom 18. 5. 198312 RK 73/81 - = SGb 1983, S. 484 (Kurzübersicht).

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Alters- und Hinterbliebenenvorsorge unzumutbar erscheint 5o . In diesem Fall kann der Antrag auf Befreiung gemäß § 7 II AVG nicht als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden 51 • (bb) Versicherungspflicht durch oder aufgrund eines Gesetzes in einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung Nach der gesetzlichen Regelung werden nur solche Personen befreit, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung sind. Der Wortlaut "auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung" ist insoweit mißraten, als die zweite Alternative die erste mitumfaßt 52 . Mit der Fassung "auf Grund einer durch Gesetz angeordneten ... Verpflichtung" ist eine unmittelbar durch formelles Gesetz begründete Versicherungspflicht gemeint53 , während es nach der zweiten Alternative "oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung" auch ausreicht, wenn sich die Versicherungspflicht aus einem Gesetz in lediglich materiellem Sinn, also einer Rechtsverordnung oder Satzung, ergibt. Allerdings muß die Rechtsverordnung oder Satzung auf einer Ermächtigungsgrundlage beruhen, bei der es sich um ein Gesetz im formellen Sinn handelt 54 • Denn unter Gesetz im Sinne der Vorschrift des § 7 II AVG ist nur eine Rechtsgrundlage zu verstehen, die sich auch als Gesetz im formellen Sinn darstellt, da ansonsten für die zweite Alternative praktisch keine Anwendungsmöglichkeit bliebe55 . Die Regelung des § 7 II AVG bezieht sich nicht nur auf Bundesgesetze, vielmehr erfaßt die Vorschrift gerade auch die Möglichkeit, daß durch formelle Landesgesetze eine Verpflichtung zur Teilnahme an einer berufsständischen Sicherungseinrichtung begründet wird 56 • Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, denn der Wille der antragstellenden Fraktion des Deutschen Bundestages auf Aufnahme dieser Regelung ging dahin, auch im Hinblick auf durch Landesgesetz begründete Sicherungseinrichtungen die Befreiungsmöglichkeit einzuräumen 57 . BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 4. BSG, Urteil vom 18. 5. 1983 -12 RK 73/81- = SGb 1983, S. 484 (Kurzübersicht). 52 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 747d. 53 Zweng 1 Buschmann 1 Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 2; Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 747d. 54 Zweng 1 Buschmann 1 Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 2; Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 747d. 55 BSGE Bd. 18, S. 154ff. (155f.). 56 Hahn (Fn. 25), S. 88; Doetsch, in: HzS, Bd. 2, Gruppe 5, S. 30, bb 1; Bettermann, Rechtsgutachten, S. 13. 57 Schewe, BB 1957, S. 150ff. (151); Bettermann, Rechtsgutachten, S. 13. 50 51

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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Die Befreiungsmöglichkeit von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist nur bei in der jeweiligen Versorgungseinrichtung bestehendem Versicherungszwang gegeben 58 , weswegen solche Personen nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllen, die, ohne jemals Pflichtmitglied einer berufsständischen Sicherungseinrichtung gewesen zu sein, einer solchen lediglich freiwillig beigetreten sind 59 • Neben der sich direkt aus einem Gesetz (einer Rechtsverordnung oder Satzung) ergebenden Versicherungspflicht kann der Versicherungszwang allerdings auch darin bestehen, daß die betreffenden Personen zum Abschluß eines Versicherungsvertrages verpflichtet werden 6o . Allerdings kennen die zur Zeit bestehenden berufsständischen Sicherungseinrichtungen eine solche Form des Versicherungszwangs nicht 61 • (ce) Öffentlich-rechtliche Versicherungsoder Versorgungseinrichtung Gemäß § 7 II AVG werden nur solche Personen befreit, die Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung sind. Mithin verlangt das Gesetz, daß die berufsständischen Sicherungseinrichtungen eine öffentlich-rechtliche Organisationsstruktur aufweisen 62 • Diese Voraussetzung entspricht dem auch in den §§ 6, 7 I und 8 AVG zum Ausdruck kommenden Gedanken, daß die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nur dann entfallen soll, wenn durch einen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger eine entsprechende Versorgung gewährleistet ist 63 . Ausgeschlossen von einer Befreiungsmöglichkeit sind damit Versicherte, die Mitglieder von privaten Versicherungs- oder auch betrieblichen Sozialeinrichtungen sind 64 . Hinsichtlich der Organisationsstruktur selbst trifft § 7 II AVG keine Aussage, die Sicherungseinrichtung kann also sowohl körperschaftlich als auch anstaltlieh organisiert sein 65 . Zwar spricht das Gesetz in § 7 II AVG von "Mitgliedern einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung" , was darauf hindeuten könnte, daß allein körperschaftlich organisierte Sicherungseinrichtungen gemeint sind 66 . Denn nur hier kann Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm. 16 d. Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm. 16 c. 60 Schewe, BB 1957, S. 150ff. (151). 61 Zur Pflichtversicherung siehe unter A, 3. Kap., I 2. 62 Dazu im einzelnen unter A, 2. Kap., I. 63 Zweng / Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 1. 64 Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm. 16 a. 65 So auch Hahn (Fn.25), S. 86; ä.A. Schewe, BB 1957, S. 150ff. (151); Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm. 16 a. 66 So Schewe, BB 1957, S. 150ff. (151). 58 59

13 Boecken

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

man von "Mitgliedern" sprechen, während es sich bei den mit einer Anstalt in Verbindung stehenden Personen um "Benutzer" handelt 67 . Einer solchen Auslegung widerspricht allerdings die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, die unter dem Einfluß von Vorstellungen der Vertreter der Bayerischen Ärzteversorgung in das AVG eingefügt worden ist 68 . Die Bayerische Ärzteversorgung ist aber als Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert69 . Aus diesem Grunde kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Befreiungsmöglichkeit nicht auch für anstaltlich organisierte Sicherungseinrichtungen Geltung erlangen sollte. (dd) Berufsgruppe Die Befreiungsmöglichkeit steht nur denjenigen Personen offen, die Mitglieder einer Sicherungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind. Deshalb muß die Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung zu einer bestimmten Berufsgruppe in unmittelbarer Verbindung stehen 70 , das heißt, sie muß im Hinblick auf diese eigens geschaffen sein7 !. Die Abgrenzung der Berufsgruppe ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften, auf deren Grundlage die Pflichtmitgliedschaft bei den öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen basiert7 2 • Dabei erfolgt durch diese Vorschriften zum einen eine räumliche Abgrenzung, die auch lediglich regional bezogen sein kann 73 , zum anderen muß eine Abgrenzung im persönlichen Geltungsbereich dahingehend erfolgen, daß gemeinsames Merkmal der Gruppe derselbe Beruf ist 74 . Da dem Begriff "Berufsgruppe" eine engere Bedeutung als dem Begriff "Berufsstand" zukommt 75 , ist § 7 II AVG auch dann als erfüllt anzusehen, wenn die berufsständische Sicherungseinrichtung lediglich auf eine spezielle Ausrichtung eines Berufsstandes bezogen ist, zum Beispiel im Gegensatz zu dem umfassenden Berufsstand der Ärzte auf eine bestimmte Facharztgruppe 76 .

67 68 69 70

7! 72

73 74 75 76

Maurer, Allg. VerwR, § 23, Rdn. 52; siehe dazu auch unter A, 2. Kap., I 1 b. Hahn (Fn. 25), S. 86; Dehler, Bay. ÄrzteBl. 1982, S. 4ff. (8f.). Siehe Art. 1 I und III Bay.VersG und unter A, 2. Kap., I 1 b (2). Schewe, BB 1957, S. 150ff. (151). Zweng / Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 2. Zweng / Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 2. Zweng I Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 2. Zweng I Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 2. Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm. 16 b. Schewe, BB 1957, S. 150ff. (151).

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliehe Berücksichtigung

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(b) Anforderungen des § 7 II Hs. 2 A VG War die Befreiung zugunsten einer berufsständischen Sicherungseinrichtung mit Einführung des § 7 II AVG allein an die Erfüllung der unter (a) dargestellten Voraussetzungen gebunden, so sind mit dem Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25.6.1979 77 weitere Anforderungen aufgestellt worden, welche die Befreiung über die bisher bestehenden Voraussetzungen hinaus auch von einer bestimmten "qualitativen" Ausgestaltung der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen abhängig machen. Gemäß der Neufassung des § 7 II AVG ist danach eine Befreiung nur noch dann möglich, wenn für die angestellten Mitglieder 78 nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze 79 zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden 80 , wobei auch die finanzielle Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist81 . (aa) Anforderungen im Hinblick auf angestellte Mitglieder Die in § 7 11 Hs. 2 AVG zusätzlich aufgestellten Qualitätsanforderungen gelten, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung ergibt, nur für angestellte Mitglieder dieser Einrichtungen82 . Das bedeutet, daß die Satzungen der Versicherungs- und Versorgungswerke lediglich in bezug auf die in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Mitglieder dem 2. Halbsatz entsprechende Regelungen enthalten müssen, hinsichtlich der freiberuflich tätigen Mitglieder können durchaus abweichende Bestimmungen getroffen werden. (bb) Entrichtung einkommensbezogener Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze Eine Befreiung erfolgt gemäß § 7 II Hs. 2 AVG nur, wenn die angestellten Mitglieder nach näherer Maßgabe der Satzung der jeweiligen Sicherungseinrichtung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten haben. Damit wird sowohl hinsichtlich der Art als auch der Höhe der Beitragserbringung eine Regelung getroffen. 77 78 79 80 81 82

13'

BGBl. 1979 I S. 797. Dazu unter (aa). Dazu unter (bb). Dazu unter (ce). Dazu unter (dd). BSG in SozR 2400, § 7 AVG, Nr. 3.

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Mit der Anforderung "einkommensbezogener Beiträge" wird für die berufsständischen Sicherungseinrichtungen auf jeden Fall hinsichtlich der angestellten Mitglieder (sotern jene diesen die Möglichkeit der Befreiung eröffnen wollen) ausgeschlossen, daß die Beiträge - wie in der Privatversicherung üblich - in Form von Risikoprämien erhoben werden 83 . Im Gegensatz zu dem in der Privatversicherung geltenden individuellen Äquivalenzprinzip soll also auch hier, wie in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Grundsatz der Leistungsfähigkeit für die Beitragserhebung maßgebend sein84 . Hinsichtlich der Beitragshöhe wird bestimmt, daß die Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind. Dies ist dahin zu verstehen, daß die Satzungen der berufsständischen Sicherungseinrichtungen eine Beitragserhebung nur von dem Teil des Einkommens vorsehen dürfen, der gemäß der nach § 112 II AVG festgelegten Beitragsbemessungsgrenze auch zur Angestelltenversicherung beitragspflichtig wäre 85 . Der darüber liegende Teil des Einkommens bleibt, wie in der gesetzlichen Rentenversicherung 86 , beitragsfrei. Infolgedessen tritt auch bei den berufsständischen Sicherungseinrichtungen für die Mitglieder, deren Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, die Situation ein, daß von dem überschießenden Teil des Einkommens keine Beiträge zur Pflichtversicherung geleistet werden und dieser Teil deshalb im Rahmen der Pflichtversorgung keine Bedeutung für die späteren Leistungen hat 87 • Allerdings sehen die Satzungen die Möglichkeit vor, über die Pflichtbeiträge hinaus freiwillig zusätzliche Beiträge zu zahlen, so daß auch der überschießende Teil des Einkommens für die Altersversorgung relevant werden kann 88 .

Zur Beitragserhebung ausführlich unter A, 3. Kap., III 1. Zum Äquivalenzprinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung siehe Ruf, VW 1979, S. 1050ff. 85 Für 1985 beträgt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung 64800,- DM jährlich/5400,- DM monatlich (§ 3 SozialversicherungsBezugsgrößenverordnung 1985, BGBL 1984 I S. 1650). 86 Siehe dazu Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 642 g. 87 Für deren Berechnung die entrichteten Beiträge eine wesentliche Rolle spielen, siehe dazu unter A, 3. Kap., IV 1. 88 Obergrenze ist jedoch in jedem Fall der in § 5 I Nr. 8 KStG festgelegte Höchstbeitrag, siehe dazu unter II 1 und A, 3. Kap., III 1 a. 83 84

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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(cc) Erbringung von Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene aufgrund der entrichteten Beiträge und deren Anpassung lVIit dieser Voraussetzung werden für die von den berufsständischen Sicherungseinrichtungen zu gewährenden Leistungen in dreifacher Hinsicht nähere Anforderungen getroffen: - hinsichtlich der Leistungsarten, - hinsichtlich der Leistungsberechnung sowie - hinsichtlich der Anpassung von Leistungen. Die Befreiung von der Versicherungspflicht tritt nur dann ein, wenn die jeweilige Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung Leistungen für den Fall der Invalidität, des Alters sowie für Hinterbliebene vorsieht. Damit werden die Zentralleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zum Maßstab für die Beurteilung einer berufsständischen Sicherungseinrichtung als Ersatzinstitut gemacht. Des weiteren sind die Leistungen aufgrund der entrichteten Beiträge zu erbringen, womit gemeint ist, daß die von den Mitgliedern erbrachten Beiträge und die zu gewährenden Leistungen in einem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zueinander stehen müssen 89 . Die von dem einzelnen Mitglied aufgebrachten Beiträge müssen sich in irgendeiner Form auf die Höhe der Leistungen auswirken. Damit ist kein bestimmter Berechnungsmodus vorgeschrieben (z.B. die Rentenformel der gesetzlichen Rentenversicherung, siehe die §§ 30 ff. AVG), vielmehr können - soweit der Bezug zwischen Beitrag und Leistung gewahrt ist - unterschiedliche Berechnungsmethoden verwendet werden 90 . Schließlich müssen die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen eine Anpassung der Leistungen vorsehen, es muß sich also um dynamische Leistungen handeln 91 . Das Gesetz macht mithin nur die Dynamisierung der Leistungen selbst, nicht hingegen auch der Anwartschaften zur Voraussetzung einer Befreiung. Die Forderung nach Anpassung beinhaltet, daß die Satzungen eine Erhöhung der zu gewährenden Leistungen mit der Zielsetzung vorsehen müssen, die Berechtigten an der allgemeinen Steigerung des Lebensstandards zu beteiligen92 , ohne daß das Gesetz jedoch einen bestimmten Zeitraum festlegt, noch die Form (automatisch, halb automatisch, fallweise 93 ) oder einen Zweng I Buschmann I Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 1. Zur Berechnung der Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten siehe ausführlich unter A, 3. Kap., IV 1. 91 Meenzen, Arbeit und Sozialpolitik 1982, S. 383ff. (385). 92 Zweng I Buschmann I Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 1. 93 Siehe zu diesen Begriffen oben unter A, 3. Kap., IV 2. 89 90

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

bestimmten Richtwert, an welchem sich die Anpassung zu orientieren hätte 94 . Aus dem Erfordernis der Anpassung folgt, daß die berufsständischen Sicherungseinrichtungen die Leistungen in Form von Renten, also periodisch wiederkehrend, zu gewähren haben, da nur in diesem Falle die Dynamisierung von Leistungen Bedeutung haben kann 95 . (dd) Berücksichtigung der finanziellen Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung Im Rahmen der für eine Befreiung gemäß § 7 11 AVG zu prüfenden Voraussetzung, ob nach den jeweiligen Satzungen der berufsständischen Sicherungseinrichtungen Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, ist auch die finanzielle Lage der einzelnen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung zu berücksichtigen. Dieser Zusatz bezieht sich nur auf die Erbringung und Anpassung der Leistungen 96 , nicht hingegen auf die zu gewährenden Leistungen selbst. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die berufsständischen Sicherungseinrichtungen allein aus Beiträgen der Mitglieder sowie Vermögenserträgen finanziert werden und von außenstehenden Dritten keinerlei Mittel erhalten, insbesondere auch keine Bundeszuschüsse97 . Der Gesetzgeber hat also die Erbringung und Anpassung von Leistungen als Voraussetzung für eine Befreiung gemäß § 7 11 AVG unter den "Vorbehalt" der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung gestellt. Da die zu gewährenden Leistungen selbst nicht unter diesem Vorbehalt stehen, kann die Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit hinsichtlich der "Erbringung von Leistungen" nur dahingehend verstanden werden, daß eine bestimmte Leistungshöhe nicht Voraussetzung für eine Befreiung sein kann. Das Gesetz stellt also insoweit für eine Befreiung nur auf den Leistungsgrund, nicht auf die Höhe der Leistung ab 98 .

Zweng / Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 1. Zu § 7 II AVG a. F. war es umstritten, ob eine Befreiung nur zugunsten solcher Einrichtungen erfolgen konnte, die periodisch wiederkehrende Pflichtleistungen erbrachten, siehe Hahn (Fn. 25), S. 87, Fn. 449. 96 BR-Drs. 4/79, S. 30; Etmer, Komm. z. AVG, § 7, Anm. 3; Zipperer, DOK 1979, S. 569ff. (583); a.A.: für Einschränkung nur hinsichtlich der Anpassung der Leistungen: Buschmann, WzS 1979, S. 225ff. (237). 97 BR-Drs. 4/79, S. 30; Etmer, Komm. z. AVG, § 7, Anm. 3; zur Finanzierung siehe ausführlich unter A, 3. Kap., III. 98 Zweng / Buschmann / Scheerer, Hdb. d. RV, § 7 AVG, Anm. 1. 94 95

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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c) Wirkungen der Befreiung

Soweit die Voraussetzungen des § 7 II AVG erfüllt sind und ein entsprechender Antrag auf Befreiung gestellt worden ist, hat die BfA den Antragsteller durch Verwaltungsakt 99 von der an sich zur Rentenversicherung der Angestellten bestehenden Versicherungspflicht zu befreien. Auf die Befreiung besteht von Seiten des Antragstellers bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch (§ 7 II AVG: " ... werden ... befreit ... "), diese steht nicht im Ermessen der BfAI00. (1) Eintritt und Wegfall der Versicherungs freiheit

(a) Beginn der Versicherungsfreiheit Gemäß der Regelung des § 7 III AVG wirkt die Befreiung vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an, wenn sie innerhalb von zwei Monaten danach beantragt wird, ansonsten tritt die Befreiung erst zum Zeitpunkt des Antragseingangs ein. Damit kommt dem Antrag, soweit er innerhalb der Frist von zwei Monaten seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses gestellt wird, eine Rückwirkung ZUlol. Die Befreiung kann jedoch nicht vor dem Zeitpunkt wirksam werden, zu dem die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung beginntl 02 .

(b) Wegfall der Versicherungsfreiheit Die gemäß § 7 II AVG erfolgte Befreiung kann allein dadurch enden, daß der entsprechende Verwaltungs akt aufgehoben wird. Die Aufhebung richtet sich seit Inkrafttreten des SGB X (Erstes und Zweites Kapitel) zum 1.1.1981 103 nach der Vorschrift des § 48 SGB XI04, da es sich bei dem Befreiungsbescheid um einen Verwaltungs akt mit Dauerwirkung handelt 105 . Demzufolge ist ein Befreiungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Siehe oben b (1). Etmer, Komm. z. AVG, § 7, Anm. 2. 101 Koch I Hartmann, Komm. z. AVG, Bd. 4, § 7, Erl. A III 3. 102 Hahn (Fn. 25), S. 90. 103 BGBL 1980 I S. 1469. 104 Bis dahin erfolgte der Widerruf gemäß § 7 V AVG a. F., gestrichen durch Art. II § 6 Nr. 1 SGB X (Fn. 103). 105 Näher zu diesem Begriff siehe Wiesner, in: Schroeder-Printzen, Komm. z. SGB X, § 48, Anm. 2. 99

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung_eintrittl 06 _ Eine solche wesentliche Änderung liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn die ursprüngliche Pflichtmitgliedschaft in einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung in eine freiwillige umgewandelt wird 107 , da dies dem Sinn und Zweck des § 7 II AVG widersprechen würde, den betreffenden Berufsstandsangehörigen den Aufbau einer einheitlichen Altersversorgung zu ermöglichen 108 • Eine einmal erfolgte Befreiung kann hingegen nicht durch Verzicht des Berufsstandsangehörigen in Wegfall gebracht werden. Weder enthält § 7 AVG in seiner geltenden Fassung eine entsprechende Regelung, noch kann die Vorschrift des § 46 I SGB I, die einen Verzicht auf Sozialleistungsansprüche 109 unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt, auf die Befreiung von der Versicherungspflicht entsprechend angewandt werden llo . (2) Geltungsbereich der Befreiung (a) Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses Bleibt der Versicherte im Falle des Wechsels des Beschäftigungsverhältnisses im Zuständigkeitsbereich des Versicherungsträgers, so ist davon auszugehen, daß die Befreiung von der Versicherungspflicht bestehen bleibt 111 . Denn der Befreiungsregelung liegt der Gedanke zugrunde, daß die in Frage kommenden Personen aufgrund einer anderweitig gesicherten Versorgung nicht des Schutzes der gesetzlichen Rentenversicherung bedürfen. Da insoweit an die außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Sicherung angeknüpft wird, kann die Befreiungswirkung nicht von dem Bestand des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses, für welches sie gewährt worden ist, abhängen. Das hat zur Folge, daß mit einem Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses die Versicherungspflicht nicht wieder auflebt und somit kein neuer Antrag auf Befreiung gemäß § 7 II AVG zu stellen ist. 106 Beispiele dazu bei Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, SGB X, § 48, Anm.2_ 107 Dies kann z.B. bei einem Wegzug aus dem regionalen Geltungsbereich einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung relevant werden, siehe unter A, 3_ Kap_, V2. 108 BSGE Bd. 20, S. 37ft 109 Zum Begriff der Sozialleistungen siehe § 11 SGB I. 110 Die bis zum 10_ 6_ 1976 nach § 7 VI AVG a. F. (aufgehoben durch § 16 Nr. 1 des 19. RAG vom 3. 6. 1976, BGBl. 1976 I S. 1373) bestehende Verzichtsmöglichkeit für gemäß § 7 I AVG befreite Personen wurde, nachdem das BVerfG die Beschränkung des Verzichts auf diese Personengruppe für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG in SGb 1975, S.48lff.), vom Gesetzgeber nicht auf die gemäß § 7 II AVG befreiten Personen erweitert, sondern gänzlich gestrichen. 111 Etmer, Komm. z. AVG, § 7, Anm. 4; Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 625.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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(b) Wechsel des Versicherungszweiges Der Befreiungsbescheid der BfA befreit den Antragsteller zwar von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten, und zwar auch für den Fall einer Änderung des Beschäftigungsverhältnisses innerhalb dieses Zweiges 112 , damit ergibt sich jedoch nicht ohne weiteres ein Fortbestehen der Versicherungsfreiheit im Falle eines (angesichts der hier behandelten Berufsstände wohl allein praktisch werdenden) Wechsels des Beschäftigten durch Änderung des Beschäftigungsverhältnisses aus dem Bereich der Angestelltenversicherung in den der knappschaftlichen Rentenversicherung und umgekehrt 113 . Denn ein Befreiungsbescheid wirkt regelmäßig nur für den Bereich des erlassenden Versicherungsträgers, da dieser Verwaltungsakte nur mit Wirkung für den eigenen Zuständigkeitsbereich erlassen kann 114 . Für einen Wechsel aus dem Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung in den der Angestelltenversicherung ist dieses Problem in der Bestimmung des § 1 IV RKG geregelt. Danach unterliegt derjenige, der nach den Vorschriften des RKG auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit worden ist, nicht der Versicherungspflicht in den anderen gesetzlichen Rentenversicherungen. Zwar enthält der dem § 7 AVG vergleichbare § 32 RKG keine dem § 7 11 AVG entsprechende Regelung hinsichtlich einer Befreiung zugunsten berufsständischer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen. Jedoch wird auf die in der knappschaftlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Personen, bei denen die Voraussetzungen gegeben sind, die Bestimmung des § 7 11 AVG wegen der vergleichbaren Interessenlage analog angewandt 115 . Trotz der nur entsprechenden Anwendung von § 7 11 AVG handelt es sich um eine Befreiung nach den Vorschriften des RKG (§ 1 IV RKG: "Wer nach diesem Gesetz ... "), da die analoge Anwendung in Erweiterung der Vorschrift des § 32 RKG im Rahmen des RKG erfolgt. Damit ist die Anwendbarkeit von § 1 IV RKG auf diesen Fall der Befreiung nicht ausgeschlossen. Eine dem § 1 IV RKG entsprechende Regelung ist im AVG nicht getroffen worden. Zwar finden sich in den §§ 87 ff. AVG Vorschriften über die WanSiehe dazu unter (a). Bedeutsam wird diese Frage vor allem für Ärzte, die in Knappschaftskrankenhäusern tätig sind oder werden; ein Wechsel in einen anderen Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung dürfte unter der Voraussetzung der Ausübung einer berufsspezifischen Tätigkeit bei den hier in Frage stehenden freien Berufen ausgeschlossen sein. 114 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 625; BSG in VersR 1966, S. 953. 115 Miesbach / Busl, Komm. z. RKG, § 32, Anm. 10; das Bundesversicherungsamt hat mit Schreiben vom 19. 7. 1968 (II 2 -7210,3 - 388/68) an die Arbeitsgemeinschaften der Knappschaften einer Befreiung in analoger Anwendung von § 7 II AVG zugestimmt, siehe Miesbach / Busl, a.a.O., § 32 Anm. 10; Hahn (Fn. 25), S. 85. 112

113

202

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

derversicherung, diese regeln aber nicht den Fall der Versicherungspflicht/ -freiheit bei einem Wechsel des Versicherungszweiges. Jedoch ist auch in dem Fall der Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 7 Ir AVG entsprechend dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, in der Regel die bei einem Wechsel des Versicherungszweiges auftretenden Schwierigkeiten durch Erlaß von Wanderversicherungsvorschriften auszugleichen 116 , von einer fortgeltenden Wirkung der Befreiung im Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung auszugehen 1l7 . Für diese Auffassung kann auf ein Urteil des BSG zu der Befreiungsvorschrift des Art. 2 § 1 b AnVNG idF des AnVNG vom 23.2.1957 118 verwiesen werden. Hinsichtlich einer aufgrund dieser Vorschrift von der BfA ausgesprochenen Befreiung wegen des Abschlusses eines Lebensversicherungsvertrages mit einem privaten Versicherungsunternehmen für den Versicherten und seine Hinterbliebenen für den Fall des Todes und des Erlebens des 65. Lebensjahres oder eines niedrigeren Lebensjahres hat das BSG entschieden, daß die Befreiung auch bei einem Überwechseln des Angestellten in einen knappschaftlichen Betrieb bestehen bleibt 119 . Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Nichtregelung dieses Problems beruhe auf einem Versehen des Gesetzgebers, er habe damit jedenfalls nicht die Weitergeltung der Versicherungsfreiheit ausschließen wollen 120 . Auch entspreche nur eine solche Lösung der bestehenden Interessenlage, da sichergestellt sein müsse, daß der einmal von der Versicherungspflicht Befreite für die Dauer seines Arbeitslebens die gewählte Art der Sicherung beibehalten könne, und zwar dies um so mehr, als er ansonsten gezwungen wäre, Beiträge sowohl für den Lebensversicherungsvertrag als auch für die gesetzliche Rentenversicherung aufzubringen 121 . Die Erwägungen, die zu einer über den Geltungsbereich der Angestelltenversicherung hinausgehenden Wirkung der aufgrund von Art. 2 § 1 b AnVNG122 erfolgten Befreiung auch im Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung geführt haben, treffen ebenso auf eine gemäß § 7 Ir AVG erteilte Befreiung zu. Insoweit enthalten die beiden vorgenannten Vorschriften vergleichbare Regelungsinhalte, als es nämlich in beiden Fällen um die Befreiung von einer an sich gegebenen Versicherungspflicht geht, BSG in VersR 1966, S. 953f. (954). a.A. Hahn (Fn. 25), S. 90; Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm. 3. 118 BGBl. 1957 I S. 88. 119 BSG in VersR 1966, S. 953f. 120 BSG in VersR 1966, S. 953f. (953). 121 BSG in VersR 1966, S. 953f. (954). 122 i.d.F. vom 23. 2.1957. 116 117

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

203

und zwar jeweils unter dem Gesichtspunkt einer anderweitig bestehenden, als ausreichend anerkannten Sicherung. Wie bei Art. 2 § 1 b AnVNG kann dem Gesetzgeber im Hinblick auf eine gemäß § 7 II AVG erfolgte Befreiung nicht unterstellt werden, daß er durch Nichtregelung der Frage des Versicherungszweigwechsels einen entgegenstehenden Willen zum Ausdruck bringen wollte. Vielmehr ist auch hier davon auszugehen, daß eine entsprechende Regelung infolge der kurzfristigen Aufnahme des Befreiungstatbestandes des § 7 II AVG in das AnVNG123 aus Versehen unterblieben ist. Darüber hinaus ist von Bedeutung, daß angesichts der auf jeden Fall in der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung bestehenbleibenden Versicherungspflicht ein Wiederaufleben der Pflichtmitgliedschaft in einem anderen Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung der Intention des § 7 II AVG widersprechen würde, dem betreffenden Versicherten den Aufbau einer Altersversorgung innerhalb seines Berufsstandes zu ermöglichen, ohne der Versicherungspflicht in einem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung und damit einer zusätzlichen Beitragsbelastung unterworfen zu sein. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, daß eine gemäß § 7 II AVG erfolgte Befreiung auch bei einem Wechsel des Versicherungszweiges von dem Bereich der Angestelltenversicherung in den der knappschaftlichen Rentenversicherung infolge einer Änderung des Beschäftigungsverhältnisses fortwirkt.

(e) Besondere Zeiten Die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt auch in den Zeiten bestehen, in denen befreite Berufsstandsangehörige Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld von der BAfA empfangen, Mutterschaftsgeld beziehen oder einen Wehr- oder Zivildienst leisten 124. Auch hier läßt sich die Fortdauer der Befreiung trotz Beendigung oder vorübergehenden Ruhens des Beschäftigungsverhältnisses wie bei dem Wechsel eines solchen 125 damit begründen, daß der Grund für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der anderweit bestehenden, als gleichwertig anerkannten Pflichtversicherung liegt, die auch während der hier in Rede 123 Dazu Hahn (Fn. 25), S. 84/85, mit Angabe weiterer Sachbereiche, die als Konsequenz aus der Einführung des § 7 II AVG einer gesetzlichen Regelung bedurft hätten, was jedoch zu diesem Zeitpunkt unterblieben ist. 124 So auch Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV, § 1230 RVO (§ 7 AVG), Anm.16f. und 17. 125 Siehe unter (a).

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

stehenden besonderen Zeiten bestehen bleibt. Demzufolge entsteht auch während einer solchen besonderen Zeit kein Sicherungsbedürfnis, das einen Wegfall der Befreiung rechtfertigen könnte 126 . Daran ändert sich auch nichts im Hinblick auf Zeiten einer Wehrdienstoder Zivildienstleistung dadurch, daß während dieser Zeiten unter den Voraussetzungen von § 2 I Nr. 8 bzw. 9 AVG eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Neben dem bereits erwähnten Gesichtspunkt des Fortbestehens der Versicherungspflicht in der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ist insoweit noch von Bedeutung, daß die Befreiung nach § 7 11 A VG zwar aus Anlaß des Pflichtversicherungstatbestandes gemäß § 2 I Nr. 1 AVG ausgesprochen wird, aus der Regelung aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, daß sich die Befreiungswirkung nicht auch gegenüber anderen Pflichtversicherungstatbeständen des § 2 I AVG, von denen die befreiten Berufsstandsangehörigen möglicherweise betroffen sein könnten, durchsetzt1 27 • (3) Bedeutung der Befreiung im Beitragsrecht

(a) Für den gemäß § 7 II AVG befreiten Berufsstandsangehörigen Für den von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreiten Berufsstandsangehörigen entfällt mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Befreiung die nach § 112 IVa AVG bestehende Verpflichtung zur Zahlung des hälftigen Pflichtbeitrages. Unter den Voraussetzungen des § 82 AVG besteht die Möglichkeit der Beitragserstattung in Höhe der Hälfte der gezahlten Pflichtbeiträge (Absatz I). Eine Beitragserstattung hat unter anderem zur Voraussetzung, daß für die gemäß § 7 11 AVG von der Versicherungspflicht befreiten Personen kein 126 Anderenfalls käme den Regelungen des § 166b AFG (siehe unter 4) und § 14b ArbPlSchG (siehe unter 6) kein Sinn zu. 127 Bestätigt wird dies durch die Regelungen des § 7 VI AVG a. F. (eingeführt durch Art. 3 Nr. 2 b des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs, BGBl. 1979 I S. 797, gestrichen durch Art. 2 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984, BGBl. 1983 I S. 1532) und § 7 VII AVG a.F. (eingeführt durch Art. 4 des 5. AFG-Änderungsgesetzes, BGBl. 1979 I S. 1189, gestrichen durch Art. 20 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983, BGBl. 1982 I S. 1857), aufgrund derer ausnahmsweise für Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld bzw. von Leistungen der BAfA die nach § 7 II AVG erfolgte Befreiung zugunsten der in der gesetzlichen Rentenversicherung während solcher Zeiten grundsätzlich bestehenden Pflichtversicherung (gemäß § 2 I Nr. 13 AVG a.F., eingefügt durch Art. 3 NT. 1 des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs, s.o., gestrichen durch Haushaltsbegleitgesetz 1984, Art. 2 Nr. 1, s.o., bzw. § 2 I Nr. 12 AVG a. F., eingeführt durch Art. 2 § 2 Nr. 1 des 20. RAG, BGBl. 1977 I S. 1040, gestrichen durch Art. 20 Nr. 1 b Haushaltsbegleitgesetz 1983, s.o.) unterbrochen werden konnte.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten besteht (siehe § 82 I S. 1 AVG). Die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung richtet sich für diese Personen neben § 10 I AVG nach der Vorschrift des § 10 Ia AVG. Danach kommt eine freiwillige Versicherung nur dann in Frage, wenn mindestens für 60 Kalendermonate Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind. Damit ist also eine Beitragserstattung gemäß § 82 AVG, abgesehen von dem Vorliegen der anderen Voraussetzungen, nur dann möglich, wenn der befreite Versicherte für weniger als 60 Kalendermonate Beiträge entrichtet hat. Die Regelung des § 10 Ia AVG ist auf die nach § 7 II AVG Befreiten auch während der Zeit anzuwenden, in welcher von diesen Personen keine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wird l28 . Zwar wirkt sich eine Befreiung gemäß § 7 II AVG nur in Zeiten an sich gegebener Versicherungspflicht aus, jedoch stellt die Vorschrift des § 10 Ia AVG in ihrem Wortlaut nur auf die Tatsache der Befreiung selbst ab und unterscheidet nicht danach, ob später überhaupt noch an sich eine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung gegeben ist, hinsichtlich derer sich die Befreiung auswirken kann l29 . Diese Auslegung des § 10 Ia AVG ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Regelung. Für die damit beabsichtigte Einschränkung der freiwilligen Versicherungsmöglichkeit für den in § 10 Ia AVG aufgeführten Personenkreis war maßgebend, daß diese Personen vom Gesetzgeber außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung als ausreichend gesichert angesehen wurden, so daß sie nicht auch noch ohne weiteres zur Rentenversicherung versicherungsberechtigt sein sollten 130. Aus dieser Zielsetzung der Bestimmung folgt aber, daß im Rahmen von § 10 Ia AVG nicht zwischen Zeiten an sich gegebener Versicherungspflicht und anderen Zeiten unterschieden werden kann. Denn die aufgrund von § 7 II AVG befreiten Personen können auch in Zeiten, in denen sie keine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben, ihre Mitgliedschaft in der berufsständischen Sicherungseinrichtung aufrechterhalten 131 und so eine bereits begonnene Alterssicherung ausbauen. Der in § 10 Ia AVG zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers würde es daher widersprechen, wenn diese Personen nun allein unter den Voraussetzungen von § 10 I AVG eine zusätzliche Versicherungsberechtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben könnten l32 . 128 129 130 131

BSGE Bd. 41, S. 93ff. (93). BSGE Bd. 41, S. 93ff. (94). BSGE Bd. 41, S. 93 ff. (94). Zumindest als freiwillige Anschlußversicherung, siehe unter A, 3. Kap., I 3 a.

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Damit ist auch im Falle einer solchen Konstellation eine Beitragserstattung nicht ausgeschlossen, da keine Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung besteht.

(b) Für den Arbeitgeber Mit der Befreiung eines Beschäftigten aufgrund von § 7 11 AVG entfällt für den Arbeitgeber die Verpflichtung nach § 112 IVa AVG, die Hälfte der Pflichtbeiträge zu zahlen l33 . Die Bestimmung des § 113 AVG, wonach der Arbeitgeber für bestimmte versicherungsfreie und befreite Versicherte dennoch den Beitragsanteil weiter zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten hat, den er bei bestehender Versicherungspflicht zu tragen hätte, erfaßt nicht den Fall der gemäß § 7 11 AVG erfolgten Befreiung. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung, die aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eingeführt wurde, ist ausgeschlossen 134. Entfällt somit infolge der Befreiung des Beschäftigten für den Arbeitgeber die Zahlung des hälftigen Pflichtbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten, so besteht auf der anderen Seite für den Arbeitgeber auch keine gesetzliche Verpflichtung, nunmehr die Hälfte der an die jeweilige berufsständische Sicherungseinrichtung zu erbringenden Beiträge zu zahlen. Eine Beteiligung des Arbeitgebers an den Beitragsaufwendungen der nach § 7 11 AVG befreiten Angestellten zu ihrer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung kann deshalb nur auf einzel- oder tarifvertraglicher Grundlage beruhen, und zwar in der Form, daß sich der Arbeitgeber an den Aufwendungen durch einen Zuschuß beteiligt 135 . 2. Die Regelung des § 124 VIa und VIb AVG

In Zusammenhang mit der Durchführung der Nachversicherung gemäß § 124 AVG136 hat der Gesetzgeber für Mitglieder berufsständischer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen in den Absätzen VIa und VIb eine Sonderregelung getroffen, die es zuläßt, die Nachversicherungsbeiträge für die entsprechenden Personen statt an die BfA an die jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen zu entrichten. BSGE Bd. 41, S. 93ff. (94/95). Unrichtig Etmer, Komm. z. AVG, § 7, Anm. 4. 134 Elsholz / Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, Nr. 112, Rdn. 15; Etmer, Komm. z. AVG, § 113, Anm. 2. 135 Siehe dazu ausführlich unter A, 3. Kap., III 1 b (1). 136 Die Voraussehungen, wann überhaupt eine Nachversicherung zu erfolgen hat, sind in § 9 AVG geregelt. 132 133

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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Die Absätze VIa und VIb sind mit Wirkung vom 1.1.1973 durch Art. 1 § 2 Nr. 34c des RRG 1972 137 in die Vorschrift des § 124 AVG eingefügt worden, wobei der zeitliche Anwendungsbereich dieser Neuregelung durch § 48 all AnVNG138 auf die Fälle begrenzt worden ist, die nach dem 31.12.1972 aus einer die Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigung ausscheiden.

a) Die Nachversicherung von Mitgliedern öffentlich-rechtlicher Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen bis zum 31.12.1972 Bis zum 31.12.1972 war eine Nachversicherung von Berufsstandsangehörigen, die als Beamte oder in ähnlichen Verhältnissen tätig gewesen waren, trotz ihrer Mitgliedschaft in einer berufsständischen Sicherungseinrichtung nur zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten möglich. Bestand für den Berufsstandsangehörigen die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, so wurde er wegen der in diesem Fall ausgeschlossenen Beitragserstattung praktisch dazu gezwungen, neben der Pflichtversicherung in seiner berufsständischen Einrichtung auch weiterhin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen, um nicht die im Wege der Nachversicherung entrichteten Beiträge zu verlieren l39 . War die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung hingegen nicht gegeben, so konnte der Berufsstandsangehörige zwar eine Beitragserstattung bei der BfA beantragen. Dies war jedoch unter dem Gesichtspunkt nachteilig, daß ihm nur die Hälfte der Beiträge der Nachversicherung erstattet wurde l40 , die Arbeitgeberbeiträge gingen ihm damit für die Altersversorgung verloren. Mit der Neuregelung der Absätze VIa und VIb in § 124 AVG sollte deshalb in Konsequenz der Befreiung nach § 7 11 AVG den Berufsstandsangehörigen die Möglichkeit gegeben werden, auf entsprechenden Antrag hin die Nachversicherung bei der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung durchführen zu lassen l41 . Damit wurden die berufsständischen Sicherungseinrichtungen auch im Bereich der Nachversicherung der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten gleichgestellt l42 .

137 138 139 140 141 142

(845).

BGBL 1972 I S. 1965. Eingefügt gemäß Art. 2 § 2 Nr. 13 des RRG 1972 (Fn. 137). Hahn (Fn. 25), S. 85. Clade, Dt. ÄrzteBl. 1972, S. 2689f. (2689). BR-Drs. 566/71, S. 45. Clade, Dt. ÄrzteBl. 1972, S. 2689f. (2689); ders., Dt. ÄrzteBl. 1973, S.844f.

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

b) Die Voraussetzungen der Nachversicherung gemäß § 124 VIa und VIb AVG (1) Berechtigter Personenkreis Nach der Bestimmung des § 124 VIa AVG gilt diese Sonderregelung nur für Personen, die innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus einer der in § 9 AVG genannten Beschäftigungen aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung ihrer Berufsgruppe werden oder während der versicherungsfreien Beschäftigung bis zum Ausscheiden Mitglieder einer solchen Einrichtung waren. Die Voraussetzungen, welche an die Mitgliedschaft (Pflichtversicherung) und die berufsständischen Sicherungseinrichtungen selbst zu stellen sind, entsprechen der Regelung des § 7 11 Hs. 1 AVG, so daß insoweit auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann 143 • (2) Antragstellung

Die Nachversicherung wird nur auf Antrag des Nachzuversichernden bei einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung durchgeführt. Damit räumt diese Regelung dem Nachzuversichernden ein Wahlrecht dahingehend ein, ob die Nachversicherungsbeiträge von dem Arbeitgeber zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zu seiner Sicherungseinrichtung entrichtet werden sollen 144 . (a) Zuständigkeit tür die Antragstellung Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung geht selbst nicht hervor, ob der Antrag bei dem Rentenversicherungsträger (BfA) oder dem Arbeitgeber oder bei beiden gestellt werden kann 145 . Für die Beantwortung dieser Frage ist auf die Bedeutung des Antrages sowie die Regelung des § 124 VIa AVG insgesamt abzustellen. Von einer Alleinzuständigkeit der BfA wäre dann auszugehen, wenn der Antrag gemäß 124 VIa AVG ebenso wie der Antrag im Sinne von § 7 11 AVG auf die Befreiung von einer Versicherungspflicht (hier für die Nachversicherungszeit) gerichtet wäre. Denn über eine solche Befreiung könnte kompetenzmäßig nur die BfA entscheiden. 143

144 145

Dazu oben unter 1 b (2) (a). BSGE Bd. 43, S. 200ff. (201). BSG in SozR 1500, § 75 SGG, Nr. 39.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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In diesem Sinne könnte die Begründung zum Gesetzentwurf des § 124 VIa AVG zu verstehen sein, wenn es dort heißt, es sei vielfach als ein Mangel empfunden worden, daß Mitglieder berufsständischer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen, die Beamte sind und aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden, ein solches Antragsrecht (gemeint ist § 7 11 AVG) für die nachzuversichernde Zeit nicht hätten l46 . Einer solchen Bedeutung des Antrages im Sinne von § 124 VI a AVG steht jedoch entgegen, daß es sich bei der Nachversicherung um ein Versicherungsverhältnis eigener Art hande1t1 47 . Für die Nachversicherung ist es gerade wesentlich, daß die Beschäftigung, um die es sich handelt, nicht versicherungspflichtig gewesen ist und daß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch nicht rückwirkend hergestellt wird 148 • Deshalb werden durch die Nachversicherung auch nicht die zunächst versicherungsfreien Beschäftigungszeiten in versicherungspflichtige umgewandelt 149 • Wird somit für die nachzuversichernde Zeit gar keine nachträgliche Versicherungspflicht begründet, kann der Antrag auch nicht auf Befreiung von einer Versicherungspflicht für die Nachversicherungszeit gerichtet sein. Deshalb läßt sich unter diesem Gesichtspunkt eine Zuständigkeit der BfA nicht begründen. Die Bedeutung des Antrages ist, auf den Nachzuversichernden bezogen, vielmehr darin zu sehen, daß er diesem die Möglichkeit gibt, die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge statt an die BfA an seine berufs ständische Sicherungseinrichtung zu veranlassen. Für den Arbeitgeber löst der Antrag bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Berechtigung und zugleich Verpflichtung ("hat ... zu zahlen") aus, die Nachversicherungsbeiträge an die jeweilige berufs ständische Sicherungseinrichtung zu zahlen. Gerade aus letzterer auf den Arbeitgeber bezogenen Bedeutung des Antrags sowie der rechtlichen Konstruktion der Regelung des § 124 VIa AVG ist zu schließen, daß der Antrag bei dem Arbeitgeber zu stellen ist. Gemäß § 124 VI AVG hat der Arbeitgeber im Normalfall die Nachversicherungsbeiträge unmittelbar an die BfA zu entrichten. Kraft öffentlichrechtlicher Verpflichtung ist der Arbeitgeber Beitragsschuldner hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge gegenüber der BfA als alleiniger Gläubigerin l50 . Im Falle der AntragsteIlung durch den Versicherten erhält der Arbeitgeber das Recht (und die Pflicht), die Nachversicherungsbeiträge an die jeweilige Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu entrichten. Mit 146 147 148

149 150

BR-Drs. 566/71, S. 45. BSGE Bd. 12, S. 179ff. (181). BSGE Bd. 12, S. 179ff. (181). BSGE Bd. 1, S. 219ff. (222). BSGE Bd. 11, S. 278ff. (279).

14 Boecken

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

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der Zahlung erlischt das Schuldverhältnis gegenüber der BfA, da die Zahlung nach dem Gesetz mit befreiender Wirkung erfolgt1 51 . Diese Befreiungswirkung kann sich im Verhältnis des Arbeitgebers zu den Versicherungsträgern (Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung einerseits, BfA andererseits) nur auf die BfA beziehen, da § 124 VI a AVG keinen Anspruchsübergang von der BfA auf die jeweilige berufsständische Sicherungseinrichtung regelt, sondern nur die Verpflichtung des Arbeitgebers, nach Antragstellung an die Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung zu zahlen. Damit enthält § 124 VIa AVG den Fall einer Erfüllung durch Leistung an Dritte im Sinne von § 362 11 BGB, mit dem Unterschied, daß nicht der Gläubiger (BfA) die Berechtigung des Arbeitgebers herbeiführt, sondern kraft der gesetzlichen Regelung der Versicherte durch Antragstellung. Dem Antrag kommt in Zusammenhang mit der daran anknüpfenden Verpflichtung für den Arbeitgeber kraft Gesetzes quasi eine "Ermächtigungsfunktion" i. S. d. §§ 36211, 185 I BGB zu, woraus sich ergibt, daß die Antragstellung bei dem Arbeitgeber zu erfolgen hat. Denn durch Leistung an Dritte kann nur dann erfüllt werden, wenn dem Schuldner gegenüber von dem dazu Berechtigten eine entsprechende Ermächtigung ausgesprochen worden ist. Liegt aber die Hauptbedeutung des Antrags auf den Arbeitgeber bezogen in dieser "Ermächtigungsfunktion ", so ist dieser als ~chuldner der Nachversicherungsbeiträge im Wege der Antragstellung zu "ermächtigen".

(b) Antragsberechtigte Zur Antragstellung berechtigt ist einmal gemäß § 124 VIa AVG der Nachzuversichernde. Daneben sieht die Regelung des § 124 Vlb S. 2 AVG für den Fall, daß der Nachzuversichernde verstorben ist, ein Antragsrecht der Witwe bzw. des Witwers vor. Für den Fall, daß eine verwitwete Person nicht vorhanden ist, kann der Antrag von allen Waisen gemeinsam gestellt werden, sollten auch solche nicht vorhanden sein, von jedem früheren Ehegatten.

(c) Antrags/rist Der Antrag kann nach § 124 Vlb S. 1 AVG nur innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung gestellt werden. Mit dieser Frist werden die Interessen des nachzuversichernden Berufsstandsmitgliedes in angemessener Weise berücksichtigt, als ihm genügend Zeit zur Verfügung steht, über die für ihn günstigste Art der Versorgung zu entscheiden. 151

Siehe auch BSG in SozR 1500, § 75 SGG, Nr. 39.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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(3) Zeitlicher Anwendungsbereich Gemäß der Vorschrift des § 48a II AnVNG findet die Regelung des § 124 VIa AVG nur in den Fällen Anwendung, in denen der Nachzuversichernde nach dem 31.12.1972 aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden ist. Das BSG hat diese Stichtagsregelung als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG vereinbar angesehen, da es als sachlicher Grund ausreichend sei, daß neu eingeführte Vergünstigungen nicht beliebig weit zurück auf bereits abgeschlossene Sachverhalte erstreckt werden könnten. Denn dann könnten sie oftmals überhaupt nicht eingeführt werden i52 . Mit der Stichtagsregelung werden vor dem 1.1.1973 ausgeschiedene Berufsstandsangehörige von der Wahlmöglichkeit des § 124 VIa AVG ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn die Nachversicherung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 124 VIa, VIb AVG noch nicht durchgeführt worden ist l53 . Anders ist hingegen der Fall zu beurteilen, in dem das Ausscheiden aus einer letzten von mehreren aufeinanderfolgenden versicherungsfreien Beschäftigungen bei verschiedenen Dienstherrn nach dem 31.12.1972 erfolgt. Die Nachversicherung ist dann auch für die versicherungsfreien Beschäftigungen, aus denen der Nachzuversichernde vor dem Stichtag des § 48a II AnVNG ausgeschieden, bei denen allerdings die Durchführung der Nachversicherung gemäß § 125 Ia AVG wegen einer nachfolgenden versicherungsfreien Beschäftigung aufgeschoben worden ist, auf Antrag gemäß § 124 VIa AVG bei einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrich tung durchzuführen 154. Zwar ist der Begriff des Ausscheidens in § 48a II AnVNG ebenso wie in den §§ 9 I, 124 I und VIa AVG rein tatsächlich zu verstehen, so daß auch bei einem Wechsel des Dienstherrn die Voraussetzungen der Nachversicherung gegeben sind 155 . Jedoch ergibt sich aus dem Sinn des in § 125 AVG geregelten Aufschubs der Beitragsentrichtung, daß die Nachversicherungsbeiträge auch für die vor dem 1.1.1973 liegenden versicherungsfreien Beschäftigungen unter den Voraussetzungen des § 124 VIa AVG an die berufsständische Sicherungseinrichtung zu entrichten sind. Ist die Beitragsnachentrichtung aufgeschoben, so tritt zwar der Nachversicherungsfall mit dem Ausscheiden ein. Jedoch sind die Wirkungen aus dem entstandenen Nachversicherungsverhältnis aufschiebend bedingt, so 152 153 154 155

14"

BSGE Bd. 43, S. 200ff. (202). BSGE Bd. 43, S. 200ff. (203). BSG in SozR 5755, Art. 2 § 48a AnVNG, Nr. 2. BSG in SozR 5755, Art. 2 § 48a AnVNG, Nr. 2.

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

daß die Pflicht des Arbeitgebers zur Nachentrichtung von Beiträgen erst mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung, dem Ausscheiden aus der letzten, den Aufschub begründenden Beschäftigung, entsteht1 56 . Da bis zu diesem Zeitpunkt ungewiß ist, ob für die vorherigen versicherungsfreien Beschäftigungen überhaupt eine Nachversicherung durchzuführen ist, ist dieser Fall in seiner Wirkung genau so zu beurteilen, wie wenn es sich bis zu dem Zeitpunkt des letzten Ausscheidens um eine einheitliche versicherungsfreie Beschäftigung bei einem Dienstherrn gehandelt hätte 157 . Aus diesem Grunde ist auch die Stichtagsregelung des § 48a II AnVNG so zu verstehen, daß bei einem nach dem 31.12.1972 erfolgten Ausscheiden aus der letzten von mehreren aufeinander folgenden versicherungsfreien Beschäftigungen die Nachversicherung auf Antrag bei dem berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungswerk auch für die versicherungsfreien Beschäftigungen durchzuführen ist, aus denen der Nachzuversichernde vor dem Stichtag ausgeschieden ist1 5B . Dafür spricht auch der Zweck der Nachversicherung, dem aus einer versicherungsfreien Beschäftigung Ausscheidenden für die Nachversicherungszeit eine soziale Sicherung zu verschaffen i59 . Dieses Ziel könnte dann nicht erreicht werden, wenn die vor dem Stichtag liegenden versicherungsfreien Beschäftigungen weniger als 60 Kalendermonate umfassen würden. Müßte hier die Nachversicherung bei der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt werden, so könnte der Nachzuversichernde insoweit keinen sozialen Schutz für den Verlust der Versorgungsanwartschaft aus der versicherungsfreien Beschäftigung erlangen, da er weder die Wartezeit für eine Rente (Berufsunfähigkeitsrente § 23 III AVG, Erwerbsunfähigkeitsrente § 24 III AVG) erfüllen würde, noch das Recht zur freiwilligen Versicherung hätte (§ 10 Ia AVG)16o. Dieses Ergebnis wird jedoch bei einer einheitlichen Nachversicherung zur berufsständischen Sicherungseinrichtung unter den Voraussetzungen des § 124 VIa, VIb AVG vermieden. (4) Nachversicherungsregelungen in den Satzungen Schließlich kann eine Nachversicherung nur dann bei einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung durchgeführt werden, wenn in der Satzung entsprechende Nachversicherungsregelungen vorgesehen sind 161 . Wäh156 157 158 159 160 161

BSG in SozR 5755, Art. 2 § 48a AnVNG, BSG in SozR 5755, Art. 2 § 48a AnVNG, BSG in SozR 5755, Art. 2 § 48 a AnVNG, BSGE Bd. 12, S. 179 ff. (182). BSG in SozR 5755, Art. 2 § 48a AnVNG, Hahn (Fn. 25), S. 94.

Nr. 2. Nr. 2. Nr. 2. Nr. 2.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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rend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sonderregelung des § 124 VIa, Vlb AVG lediglich bereits die berufsständischen Sicherungseinrichtungen der Ärzteschaft diesbezügliche Bestimmungen in ihre Satzungen aufgenommen hatten 162 , sehen heute nahezu alle Einrichtungen eine Nachversicherungsmöglichkeit vor 163 . c) Wirkungen der Antragstellung

(1) Beitragsentrichtung an Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung Ist gemäß den unter b) dargestellten Voraussetzungen von dem Nachzuversichernden oder im Falle seines Todes den sonstigen Berechtigten ein Antrag im Sinne von § 124 VIa AVG gestellt worden, so hat der Arbeitgeber die Nachversicherungsbeiträge 164 an die jeweilige Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu entrichten. Nach § 124 I S. 1 AVG sind die Beiträge nach den Vorschriften zu entrichten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungs freien Beschäftigung für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte maßgebend sind. Die BfA ist im Falle zu Unrecht erfolgter Zahlung der Nachversicherungsbeiträge verpflichtet, diese unmittelbar an die berufsständische Sicherungseinrichtung zu entrichten 165 . Allerdings kann diese Verpflichtung der BfA nicht mit einem selbständigen Anspruch der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung begründet werden, denn ein solcher besteht mangels Forderungsüberganges nicht1 66 • Die Verpflichtung resultiert vielmehr aus dem Rechtsverhältnis zwischen der BfA und dem Nachzuversichernden, dem aufgrund der Ausübung seines Wahlrechts kraft gesetzlicher Regelung ein Anspruch zusteht, die an die BfA zu Unrecht entrichteten Beiträge direkt an die Sicherungseinrichtung zu zahlen. (2) Befreiungswirkung Die Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge an die Versicherungsoder Versorgungseinrichtung erfolgt mit befreiender Wirkung (§ 124 VIa AVG). Clade, Dt. ÄrzteBl. 1972, S. 2689f. (2690). Zu den Nachversicherungsregelungen im einzelnen siehe ausführlich oben unter A, 3. Kap., V 6. [64 In Höhe des Betrages der Beiträge, der an die BfA zu entrichten wäre, siehe § 124 VIa AVG. [65 BSG in SozR 1500, § 75 SGG, Nr. 39. [66 Siehe oben b (2) (a). [62

[63

214

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Diese Befreiungswirkung bezieht sich zum einen auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und BfA167, mit der Zahlung an die berufsständische Sicherungseinrichtung erlischt erst die der BfA gegenüber bestehende Verpflichtung zur Durchführung der Nachversicherung 168 . Darüber hinaus hat die Befreiungswirkung aber auch Bedeutung im Verhältnis zwischen dem Nachzuversichernden und der BfA, und zwar insoweit, als jener nun von der BfA nicht mehr die Einziehung der Nachversicherungsbeiträge verlangen kann (diese Möglichkeit steht dem Nachzuversichernden vor der Durchführung der Nachversicherung offen)169. 3. Die Regelungen der §§ 39 I S. 2 Nr. 4 und 46 I S. 4 AVG (§§ 1262 I S. 2 Nr. 4 und 1269 I S. 4 RVO)

Mit den Bestimmungen der §§ 39 I S. 2 Nr. 4 und 46 I S. 4 AVG hat der Gesetzgeber Vorschriften geschaffen, die bestimmte, auf dasselbe Ziel gerichtete Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen andererseits untereinander zur Anrechnung bringen. Während § 39 I S. 2 Nr. 4 AVG insoweit eine Regelung hinsichtlich der Gewährung des Kinderzuschusses in der gesetzlichen Rentenversicherung trifft, findet sich in § 46 I S. 4 AVG eine Anrechnungsbestimmung bezüglich der Waisenrente.

a) Die Regelung des § 39 I S. 2 NT. 4 AVG (§ 1262 I S. 2 NT. 4 RVO) Gemäß der Vorschrift des § 39 I S. 1 AVG erhöhen sich die Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit und das Altersruhegeld für jedes Kind um einen Kinderzuschuß 170 . Dies gilt nach § 39 I S. 2 Nr. 4 AVG dann nicht, wenn der Berechtigte aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe ist und Versicherungs- oder Versorgungsleistungen erhält, in denen Beträge enthalten sind, die wegen des Kindes gewährt werden. Die vorgenannte Ausschlußregelung wurde durch Art. 2 § 2 Nr. 14a des 20. RAG171 in das AVG eingefügt. Gesetzgeberischer Grund für die Einführung dieser Bestimmung war die Verhinderung einer ungerechtfertigten 167 BSG in SozR 1500, § 75 SGG, Nr. 39. 168 Wie schon unter b (2) (a) ausgeführt, regelt § 124 VIa AVG keinen Anspruchs-

übergang, so daß die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber der BfA bis zur Zahlung an die jeweilige Einrichtung bestehen bleibt. 169 BSGE Bd. 11, S. 278ff (279). 170 Dazu auch unter A, 3. Kap., III, Fn. 103. 171 Vom 27. 6. 1977, BGBI. 1977 I S. 1040.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

215

Kumulierung von Familienlastenausgleichsleistungen l72 , diese sollten dann nicht mehr gewährt werden, wenn für das Kind bereits andere beitragsunabhängige Leistungen gewährt werden 173 • Damit erhalten Berufsstandsmitglieder, denen Leistungen aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung gewährt werden, die betragsmäßig auch das Vorhandensein eines Kindes berücksichtigen (Kinderzuschuß oder Waisenrente)l74, für den Fall, daß ihnen daneben auch ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht, keinen Kinderzuschuß. Dieser Ausschlußgrund kann jedoch - wie sich mittelbar auch aus der Gesetzesbegründung ergibt 175 - nur dann Platz greifen, wenn die von der jeweiligen Einrichtung im Hinblick auf ein vorhandenes Kind gewährte Leistung beitragsunabhängig erfolgt! 76. Mit der Regelung des § 39 I S. 2 Nr. 4 AVG wird der Kinderzuschuß als beitrags unabhängige Familienlastenausgleichsleistung in beiden Alterssicherungssystemen mit der Folge gleichgestellt, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen der Kinderzuschuß zur Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegfällt. b) Die Regelung des § 46 I S. 4 A VG (§ 1269 I S. 4 RVO) In § 46 I S. 1 AVG ist die Höhe der Waisenrente geregelt. Gemäß S. 3 des § 46 I AVG erhöht sich die Waisenrente einer Halbwaise um den Kinderzuschuß (§ 39 IV AVG) und die Waisenrente einer Vollwaise um 1/10 der für die Berechnung der Versichertenrente maßgebenden allgemeinen Bemessungsgrundlage. Diese Erhöhungsbeträge werden nach Satz 4 der Regelung l77 nur zur Hälfte gewährt, soweit die Waise aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe Waisengeld erhält. Der Bestimmung liegt ebenfalls wie § 39 I S. 2 Nr. 4 AVG die gesetzgeberische Absicht zugrunde, eine ungerechtfertigte Kumulierung von Familienlastenausgleichsleistungen zu verrneiden 178 . Aus diesem Grunde erfolgt hinsichtlich des beitragsunabhängigen Bestandteils der Waisenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Minderung, soweit die Waise aus Niemeyer, BABl. 1977, S. 289 ff. (291). BT-Drs. 8/425, S. 5. 174 Siehe unter A, 3. Kap., II 2 b, 3 bund 4 d. 175 Siehe BT-Drs. 8/425, S. 5. 176 Davon kann in Anbetracht der einkommensbezogenen Beitragserhebung bei den Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen regelmäßig ausgegangen werden, siehe dazu unter A, 3. Kap. , III 1. 177 Eingefügt durch Art. 2 § 2 Nr. 16 a bb des 20. RAG vom 27 . 6. 1977 (BGBl. 1977 I S. 1040). 178 Niemeyer, BABl. 1977, S. 289ff. (291) . 172

173

216

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung Waisengeld erhält. Damit wird durch § 46 I S. 4 AVG ebenfalls eine Gleichstellung zwischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen unter dem Aspekt des Familienlastenausgleichs herbeigeführt, die bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine teilweise Minderung der Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Folge hat.

4. Die Regelung des § 166b AFG

a) Allgemeines Mit Wirkung vom 1. 7.1978 wurde für Bezieher von Leistungen 179 der BAfA durch § 2 I Nr. 12 AVG aF180 für die Zeit des Leistungsbezuges Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung angeordnet. Die BAfA war gemäß § 112 lVi AVG aF181 zur Entrichtung der Beiträge 182 verpflichtet. Auf Entschließung des Deutschen Bundestages vom 7.6.1978 183 wurde die Bundesregierung ersucht, einen Weg zu finden, wie von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreite Leistungsempfänger der BAfA in die Beitragsverpflichtung der BAfA zur Alterssicherung einbezogen werden könnten, wobei auch geprüft werden sollte, welche Bestimmungen für befreite Angestellte, die auch Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hatten, getroffen werden könnten. Dieser Entschließung, die auf eine Gleichstellung der von der Versicherungspflicht befreiten Angestellten mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Angestellten abzielte, wurde mit Einführung des § 166b AFG184 Rechnung getragen l85 . Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld. Eingefügt durch Art. 2 § 2 Nr.1 des 20. RAG vom 27.6.1977 (BGBl. 1977 I S. 1040), gestrichen m. W. v. 1. 1. 1983 durch Art. 20 Nr. 1 b Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. 12. 1982 (BGBl. 1982 I S. 1857). IBI Eingefügt m.W.v. 1. 7.1978 durch Art. 2 § 2 Nr. 35 c des 20. RAG (Fn.180), gestrichen m. W. v. 1. 1. 1983 durch Art. 20 Nr. 18 b Haushaltsbegleitgesetz 1983 (Fn. 180). IB2 Bemessen nach dem der Leistung zugrunde liegenden Bruttoarbeitsentgelt (§ 112 III i AVG a. F., eingefügt m. W. v. 1. 7. 1978 durch Art. 2 § 2 Nr. 35 b des 20. RAG (Fn. 180), gestrichen m. W. v. 1. 1. 1983 durch Art. 20 Nr. 18 a bb Haushaltsbegleitgesetz 1983 (Fn. 180)). IB3 BT-Drs.8/1875. IB4 Eingefügt m. W. v. 1. 7. 1978 durch Art. 1 Nr. 64 des 5. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23.7.1979 (BGBl. 1979 I S. 1189). IB5 BT-Drs. 8/2624, S. 32. 179

IBO

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

217

Zum 1.1.1981 ist § 166b AFG durch die Absätze Ia und III ergänzt worden 186 , um solchen Empfängern von Leistungen nach dem AFG, die neben ihren Beiträgen zur Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung auch regelmäßig freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten, die Möglichkeit zu geben, auch während des Leistungsbezuges nach dem AFG eine anteilige Beitragsentrichtung durch die BAfA sowohl zur Sicherungs einrichtung als auch zur gesetzlichen Rentenversicherung wählen zu können 187 . Nach Wegfall der in § 2 I Nr. 12 AVG aF geregelten Pflichtversicherung für Zeiten des Bezuges von Leistungen nach dem AFG gelten diese nunmehr als Ausfallzeiten 188 , die BAfA ist dennoch gemäß § 112 a AVG189 verpflichtet, für die Zeit des Bezuges der in dieser Vorschrift genannten Leistungen Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen 19o . Damit ist § 166b AFG, der entsprechend an die neue Gesetzeslage angepaßt wurde 19 1, heute als "Korrespondenznorm" zu § 112a AVG im Hinblick auf die Gleichbehandlung gemäß § 7 II AVG befreiter Personen für Zeiten des Bezuges von Leistungen nach dem AFG und der damit verbundenen Beitragsverpflichtung der BAfA anzusehen.

b) Die Regelung des § 166 b I AFG (1) Voraussetzungen Gemäß der seit dem 1.1.1983 geltenden Fassung des § 166b I AFG ist die BAfA unter zwei Voraussetzungen verpflichtet, Beiträge an eine Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu zahlen: - es müssen Leistungen nach dem AFG, und zwar Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld empfangen werden und der Empfänger dieser Leistungen muß gemäß § 7 II AVG von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit sein. Durch Art. 2 § 2 Nr. 23 SGB X vom 18. 8. 1980 (BGB1.1980 I S. 1469). BT-Drs. 8/4022, S. 92; sogenannte "Mischversicherung" , siehe dazu ausführlich GageI, Komm. z. AFG, § 166b Rdn. 8ff. 188 Siehe § 36 I Nr. 3 a AVG, eingefügt m. W. v. 1. 1. 1983 durch Art. 20 Nr. 9 a bb Haushaltsbegleitgesetz 1983 (Fn. 180); ausdrücklich ausgenommen sind die Bezieher, für die die BAfA Beiträge an eine Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung zahlt. 189 Eingefügt m. W. v. 1. 1. 1983 durch Art. 20 Nr. 19 Haushaltsbegleitgesetz 1983 (Fn. 180). 190 Allerdings ist für die Berechnung dieser Beiträge nicht mehr das ausgefallene Bruttoarbeitsentgelt maßgebend (so § 112 III i AVG a. F., siehe Fn. 182), sondern nur noch die Höhe der Lohnersatzleistung i. V. m. dem jeweiligen Beitragssatz (§ 112 a S. 2 AVG). 191 Geändert m. W. v. 1. 1. 1983 durch Art. 28 Nr. 10 Haushaltsbegleitgesetz 1983 (Fn.180). 186 187

218

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Zwar spricht das Gesetz in § 166b I S. 1 AFG nur von "Empfängern" der dort genannten Leistungen und meint damit zunächst einmal Personen, welche die Leistungen auch tatsächlich erhalten haben. Darüber hinaus sind den "Empfängern" aber solche Personen gleich zu erachten, die hinsichtlich der Leistungen anspruchsberechtigt sind, bei denen es aber noch nicht zu einer Auszahlung gekommen istl 92 . Wie sich aus der zweiten Voraussetzung ergibt, entsteht die Beitragsverpflichtung der BAfA nur, wenn der Empfänger der Leistungen Mitglied einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung istl 93 . (2) Wirkungen Liegen die unter (1) genannten Voraussetzungen vor, so trägt die BAfA die Beiträge zu der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung für die Zeiten des Bezuges der in § 166b I AFG genannten Leistungen. Die Beiträge werden dabei nicht an den Leistungsempfänger, sondern unmittelbar an die berufsständische Sicherungseinrichtung gezahlV 94 . Ergibt sich dies zum einen schon aus der Formulierung" ... trägt die Beiträge ... " in Satz 1 der Vorschrift, so folgt dies mittelbar auch aus der in § 166b I S. 2 AFG getroffenen Befreiungsregelung. Hieraus ist zu entnehmen, daß kein Erstattungsverhältnis zwischen dem Leistungsempfänger und der BAfA vorliegt, sondern für die Bundesanstalt eine eigene Beitragsverpflichtung anstelle der des Leistungsempfängers entsteht. Die Beitragsleistung der BAfA ist hinsichtlich der Höhe in zweifacher Weise begrenzt: zum einen ergibt sich eine Höchstgrenze daraus, daß Beiträge nur bis zu der Höhe zu tragen sind, welche die BAfA zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten hätte, wenn der Leistungsempfänger nicht von der Versicherungspflicht befreit worden wäre 195 , zum anderen wird die Beitragsleistung der BAfA dadurch begrenzt, daß diese höchstens Beiträge bis zur Höhe des von dem Leistungsempfänger aufgrund der jeweiligen Satzung geschuldeten Beitrages zu entrichten hat. Diese beiden Höchstgrenzen wirken sich dahingehend aus, daß die BAfA in dem Fall, in dem die aufgrund der Satzung geschuldeten Beiträge niedriger als die gemäß § 112 a AVG maßgebenden Beiträge sind, nur den niedrigeren Krebs, Komm. z. AFG, Bd. II, § 166b, Rdn. 2. Siehe dazu im einzelnen die Ausführungen unter 1 b (2) (a). 194 Krebs, Komm. z. AFG, Bd. II, § 166b, Rdn. 6. 195 Damit sind allein die Beiträge gemäß § 112 a AVG gemeint, siehe Gagel, Komm. z. AFG, § I66b, Rdn. 5. 192 193

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

219

Beitrag an die Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu entrichten hat, dagegen im umgekehrten Fall ihre Beitragsverpflichtung nicht über die an sich zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlenden Beiträge hinausgeht. Der Leistungsempfänger wird insoweit, als die BAfA zur Beitragsentrichtung verpflichtet ist, gemäß § 166b I S. 2 AFG von seiner Verpflichtung frei l96 . Darüber hinausgehende satzungsmäßige Beitragsverpflichtungen hat der Leistungsempfänger hingegen weiter zu erfüllen. c) Die Regelung des § 166 b Ia AFG

(1) Voraussetzungen Die in § 166b Ia AFG geregelte Sonderform der Beitragszahlung durch die BAfA wird nicht - wie in Absatz I der Vorschrift - von Amts wegen durchgeführt, vielmehr hat der Berechtigte einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ohne AntragsteIlung erfolgt die Beitragsentrichtung nur nach § 166b I AFG. Neben dem Antragserfordernis wird die Beitragsentrichtung gemäß Absatz Ia für Empfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld nur dann durchgeführt, wenn diese in dem Jahr, das den letzten sechs Monaten vor Beginn des Leistungsbezuges vorausgeht, freiwillige Beiträge197 zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet haben, deren Gesamtbetrag wenigstens 12 Mindestbeiträgen entspricht l98 . (2) Wirkungen Für die Zeit des Bezuges von Leistungen i. S. d. § 166 b I AFG trägt die BAfA neben Beiträgen zur Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung auch die freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Auch im Rahmen der Beitragsentrichtung gemäß Absatz Ia sind die in Absatz I genannten Höchstgrenzen entsprechend zu beachten l99 , allerdings mit der Maßgabe, daß der Beitragsanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung höchstens in dem Umfang von der BAfA zu tragen ist, in welchem von 196 Zur kompetenzrechtlichen Problematik dieser Befreiungsregelung siehe die Erörterungen unter 111 3 b. 197 Gemäß § 10 und § 11 AVG (freiwillige Versicherung und Höherversicherung), siehe GageI, Komm. z. AFG, § 166b, Rdn. 10. 198 Mindestbeitrag ist der Betrag, der von 1/6 der monatlichen Bezugsgröße zu entrichten ist, siehe § 115 I AVG i. V.m. § 18 SGB IV; siehe das Beispiel hierzu bei GageI, Komm. z. AFG, § 166b, Rdn. 8 und 9. 199 Siehe oben unter (1).

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

dem Leistungsempfänger in dem den letzten sechs Monaten vor Beginn des Leistungsbezuges vorausgehenden Jahr im Durchschnitt Beiträge für die freiwillige Versicherung entrichtet worden sind. Ergeben die Beiträge zusammen einen Betrag, welcher über den hinausgeht, den die BAfA im Falle bestehender Versicherungspflicht an die gesetzliche Rentenversicherung zu entrichten hätte, so hat gemäß § 166b Ia S. 3 AFG eine Kürzung zu erfolgen. Insoweit kann der Leistungsempfänger in seinem Antrag auf anteilige Beitragserbringung näher bestimmen, welcher der beiden Beiträge gekürzt werden so1l200. Erfolgt keine diesbezügliche Bestimmung, so ist nach der gesetzlichen Regelung der Beitrag zur berufsständischen Sicherungseinrichtung bis auf die von der BAfA zu tragende Höchstgrenze zu kürzen. d) Übergangsregelungen

Sowohl in Zusammenhang mit der Einführung von § 166b I AFG als auch von § 166b Ia AFG sind in den Absätzen 11 und III jeweils Übergangsregelungen geschaffen worden, denen allerdings wegen ihrer zeitlichen Befristung heute keine Bedeutung mehr zukommt 201 . 5. Die Regelung des § 180 VIll S. 2 Nr. 3 RVO

Die Bedeutung der Vorschrift des § 180 VIII S. 2 Nr. 3 RV0202 kann nur in Verbindung mit einer kurzen Darstellung der Änderung des Finanzierungssystems der Krankenversicherung der Rentner aufgezeigt werden.

a) Die Neuregelung der Krankenversicherung der Rentner Nach dem bis zum 31.12.1982 geltenden Recht hatten die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung als alleinige Beitragsschuldner für die krankenversicherungspflichtigen Rentner einen pauschalen Gesamtbeitrag an die Krankenversicherungen zu zahlen 203 . Mit der zum 1.1.1983 in Kraft getretenen Neuregelung wurde das Finanzierungssystem der Krankenversicherung der Rentner dahingehend geändert, daß anstelle der bisherigen 200 Zu den im einzelnen bestehenden Dispositionsmöglichkeiten des Leistungsempfängers siehe Gagei, Komm. z. AFG, § 166b, Rdn. 14ff. 201 Mit der Regelung des Absatzes II wurde der Tatsache Rechnung getragen, daß § 166b I AFG rückwirkend in Kraft gesetzt wurde (Fn. 184), mit Absatz III wurde darauf Rücksicht genommen, daß Absatz Ia erst zum 1. 1. 1981 in Kraft getreten ist (Fn. 186). 202 Eingefügt m. W. v. 1. 1. 1983 durch Art. 2 Nr. 2 c RAG 1982 (BGBL 1981 I S. 1205). 203 Töns, DOK 1982, S. 429ff. (432).

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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Pauschalzahlung durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nunmehr der einzelne Rentner selbst einen Krankenversicherungsbeitrag von seiner Rente zu erbringen hat. Allerdings hat der Rentner nicht nur von der Rente, die er aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, Beiträge zu bezahlen, vielmehr werden über die Vorschrift des § 180 V RVO für gemäß § 165 I Nr. 3 RVO pflichtversicherte Rentner 204 neben der Rente (Nr. 1) auch der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge, Nr. 2) sowie Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit (Nr. 3) der Beitragsverpflichtung zur Krankenversicherung unterworfen. Gesetzestechnisch ist die Einbeziehung von der Rente vergleichbaren Einnahmen sowie des Arbeitseinkommens dadurch vollzogen worden, daß bei der Festlegung des Grundlohns als Bemessungsgrundlage der zu zahlenden Beiträge (siehe § 385 RVO) gemäß § 180 V RVO für die in § 165 I Nr. 3 RVO genannten Versicherten 205 neben dem Zahlbetrag der Rente auch Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen zu berücksichtigen sind. Die bei den letzteren Einkunftsarten sind jedoch nur insoweit grundlohnpflichtig, als durch die jeweils vorgenannte Einkommensart der durch die in der gesetzlichen Krankenversicherung infolge der Jahresarbeitsverdienstgrenze geltende Grundlohnhöchstbetrag 206 nicht erreicht wird. Die Heranziehung von Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen neben den Renten zur Beitragsberechnung ist Ausfluß des in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Grundsatzes, die Mitglieder gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der Krankenversicherung zu beteiligen. Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Rentnern sind aber nicht nur die Renten, sondern auch vergleichbare Einnahmen sowie Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit 207 . Welche Versorgungsbezüge i. S. v. § 180 V Nr. 2 RVO als der Rente vergleichbare Einnahmen anzusehen sind, hat der Gesetzgeber in § 180 VIII S. 2 RVO abschließend 208 durch enumerative Aufzählung festgelegt.

204 Im Falle anderer Pflichtversicherungstatbestände bzw. freiwilliger Versicherung siehe § 180 VI und VII RVO. 205 Für andere Versicherte siehe § 180 VI und VII RVO. 206 Siehe § 180 I S. 3 RVO i. V.m. § 165 I Nr. 2 RVO. 207 Laufer / Ott, DAngVers 1982, S. 107ff. (107). 208 Töns, DOK 1982, S. 429ff. (434).

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

b) Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen als vergleichbare Einnahmen Gemäß Ziff. 3 des § 180 VIII S. 2 RVO gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen auch die Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen für Berufsgruppen. Dazu sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers insbesondere die Leistungen öffentlich-rechtlicher Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen der kammerfähigen freien Berufe zu rechnen 209 . Die Renten aus diesen berufs ständischen Sicherungseinrichtungen erfüllen die in Satz 2 des § 180 VIII RVO für die Vergleichbarkeit festgelegte Voraussetzung, wonach nur solche Einnahmen als vergleichbar gelten, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Damit ist gemeint, daß nur die Geldleistungen vergleichbar sind, die auf einer vorausgehenden Leistung (Beiträge) beruhen ("erzielt werden") und einen der in Satz 2 erwähnten Sicherungsfälle voraussetzen 210 . Dies ist bei den Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen der Fall, da sie aus Beiträgen der Mitglieder resultieren 2l1 , die gerade mit der Zielrichtung entrichtet werden, bei Eintritt einer der genannten Sicherungsfälle Leistungen zu erhalten. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Katalog des § 180 VIII S. 2 RVO, daß der Gesetzgeber für die Vergleichbarkeit anderer Versorgungsbezüge eingrenzend darauf abgestellt hat, daß die Alterseinkommen ebenso wie die Rente auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückgeführt werden können müssen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Vergleichbarkeit der Versorgungsbezüge aus berufsständischen Sicherungseinrichtungen mit den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zu bejahen, da die Beitragsverpflichtung mit der Aussicht auf spätere Leistungsberechtigung in der Regel an die Ausübung einer Berufstätigkeit innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe anknüpft 212 . Während der Beitragssatz für die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 385 II RVO 11,8% beträgt 213 , gilt für die Renten aus berufsständischen Sicherungseinrichtungen nach § 385 IIa RVO als Beitragssatz die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes der zuständigen KranBT-Drs. 9/458, S. 35. Töns, DOK 1982, S. 429ff. (434). 211 Zur Beitragserhebung siehe unter A, 3. Kap., !II l. 212 Im Bereich der freiwilligen Versicherung gibt es Ausnahmen, die jedoch an dieser systematischen Einordnung nichts ändern. 213 Wobei die Rentner gemäß § 83 eI AVG einen Zuschuß erhalten, der sich nach der Regelung in Absatz II dieser Vorschrift in Zukunft von anfangs 11,8%, womit die Neuregelung für die Rentner zunächst belastungsneutral bleibt, bis auf 6,8% ab 1. 7. 1985 vermindert. 209 210

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

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kenkasse bzw. bei Krankenkassen, die einem Landesverband angehören, die Hälfte des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen im Landesverband. Mit dieser Regelung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß auch Arbeitnehmer nur den halben Beitragssatz zur Krankenversicherung zu entrichten haben 214 . Die Einbeziehung von Versorgungsbezügen aus berufsständischen Sicherungseinrichtungen unter den Voraussetzungen des § 180 VIII S.2 Nr.3 RVO in die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung bedeutet eine Gleichstellung der Leistungen der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung, wobei für den Gesetzgeber die Gesichtspunkte des Entstehungsgrundes der Leistungen (vorherige Beitragserbringung), der Zweckbestimmung der Beiträge (im Hinblick auf bestimmte Sicherungsfälle) sowie die Anknüpfung der Leistungen an eine frühere Erwerbstätigkeit für die Gleichstellung maßgebend waren 215 . 6. Die Regelung des § 14 b ArbPISchG

Gemäß der Regelung des § 2 I Nr. 8 AVG besteht für Wehrdienstleistende i. S. v. § 4 I WPflG für die Dauer der Wehrdienstleistung Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten, wenn sie zuletzt nach § 2 I AVG versichert oder vor der Wehrdienstleistung in keinem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert waren. Die Beiträge für die hiernach pflichtversicherten Personen trägt aufgrund von § 112 IV d AVG der Bund 216 • Von der Versicherungspflicht gemäß § 2 I Nr. 8 AVG mit der Folge der Beitragszahlung des Bundes für die Dauer der Wehrdienstleistung werden solche Berufsstandsmitglieder nicht erfaßt, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern in einer öffentlich-rechtlichen Versicherungsoder Versorgungseinrichtung pflichtversichert sind.

BT-Drs. 9/458, S. 33; zweifelnd Töns, DOK 1982, S. 429ff. (438). Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Einbeziehung der Versorgungsbezüge aus berufsständischen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen in die Beitragsverpflichtung zur gesetzlichen Krankenversicherung siehe insbesondere Fritzsche, DB 1981, S. 141lff. (1412), wonach es gegen Art. 3 I GG verstößt, daß zwar die Renten aus berufsständischen Sicherungseinrichtungen der Beitragspflicht unterworfen werden, hingegen nicht die aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages gewährten Leistungen; demgegenüber bejaht Kierstein in BKK 1982, S. 2ff. (6) eine den Anforderungen von Art. 3 I GG Rechnung tragende sachgerechte Differenzierung. 216 Nach § 112 V S. 1 AVG sind die Beiträge, deren Höhe sich gemäß § 112 III d A VG berechnet, in einem Gesamtbetrag zu entrichten, siehe dazu die Rentenversicherungs-Pauschalbeitragsverordnung vom 19. 3. 1974, BGBL 1974 I S. 757. 214 215

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Für gemäß § 7 II AVG befreite Angestellte folgt dies daraus, daß die Befreiung auch gegenüber dem Pflichtversicherungstatbestand des § 2 I Nr. 8 A VG bestehen bleibt2 17 . Für Berufsstandsangehörige, die vor der Wehrdienstleistung freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren, ergibt sich aus § 2 I Nr. 8 AVG, daß diese Personen für die Dauer des Wehrdienstes nicht der Versicherungspflicht unterliegen. Schließlich sind auch die selbständigen Einrichtungsmitglieder, die vor der Wehrdienstleistung in keinem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert waren, nicht gemäß § 2 I Nr. 8 A VG versicherungspflichtig. Zwar müßte für solche Personen vom Wortlaut der Regelung her eine Versicherungspflicht für die Dauer des Wehrdienstes bejaht werden. Eine solche Rechtsfolge ist jedoch von Sinn und Zweck der Bestimmung her abzulehnen. Wie sich aus der Begründung zur Einführung des § 2 I Nr. 8 A VG218 ergibt, dachte man bei der Einbeziehung von Wehrdienstleistenden nach der 2. Alternative dieser Regelung hauptsächlich an die Erfassung von Schülern und Studenten219 . Damit sollten insbesondere die Wehrpflichtigen rentenversicherungspflichtig werden, die wegen der Einberufung eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr aufgenommen haben 220 . Maßgebender Zweck für die Einführung der 2. Alternative von § 2 I Nr. 8 AVG war es also, den nicht schon nach der 1. Alternative versicherungspflichtigen Wehrdienstleistenden einen Rentenversicherungsschutz zu verschaffen. Von daher ist es mit Sinn und Zweck der Regelung nicht vereinbar, auch solche Personen über die 2. Alternative in die Versicherungspflicht einzubeziehen, die in einer der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Sicherungs einrichtung versichert sind 221 . Für die nach dem Vorstehenden nicht von der Versicherungspflicht gemäß § 2 I Nr. 8 AVG erfaßten Berufsstandsangehörigen ist unter dem Aspekt der Gleichstellung mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Personen die Bestimmung des § 14 b ArbPlSchG222 von Bedeutung, Siehe oben unter 1 c (2) (c). Durch Art. 1 II Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften vom 25. 4. 1961, BGBl. 1961 I S. 465. 219 BT-Drs. 3/2424, S. 3. 220 Meier, BABl. 1961, S. 316ff. (318). 221 Bestätigung findet diese Auffassung in der Regelung des § 14 bIS. 1 ArbPlSchG a.F. (eingefügt durch Art. 2 Nr.3 des 5. Gesetzes zur Änderung des USG vom 16. 7. 1979, BGBl. 1979 I S. 1013, neugefaßt siehe Fn. 222), die gerade für selbständige Mitglieder öffentlich-rechtlicher Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen eine Erstattung durch den Bund ausdrücklich vorsah. 222 Neugefaßt durch Art. 25 Ziff. 3 Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. 12. 1983 (BGBl. 1983 I S. 1532). 217

218

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

225

die in Zusammenhang mit § 14a ArbPISchG223 Regelungen für die Altersund Hinterbliebenenversorgung während des Wehrdienstes trifft 224 . Gemäß § 14 b I AVG werden einem Wehrpflichtigen, der am Tage vor Beginn des Wehrdienstverhältnisses 225 aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung seiner Berufsgruppe ist und von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist oder vor der Wehrdienstleistung in einem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichert war, die Beiträge auf Antrag in der Höhe erstattet, in welcher sie aufgrund der Satzung während der Zeit des Wehrdienstes zu entrichten sind. Allerdings darf der Betrag nicht überschritten werden, den der Bund bei zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehender Versicherungspflicht zu entrichten hätte. Damit werden also in § 14 b I ArbPISchG die gemäß § 7 II AVG befreiten Berufsstandsangehörigen sowie diejenigen, die vor der Wehrdienstleistung in einem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichert waren, den nach § 2 I Nr. 8 AVG Pflichtversicherten gleichgestellt, und zwar in der Form, daß der Bund ihnen die aufzuwendenden Beiträge erstattet. Von § 14 bI AVG nicht erfaßt werden hingegen die selbständigen Berufsstandsangehörigen, die vor der Wehrdienstleistung in keinem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert waren, obwohl gerade § 14 bI ArbPISchG aF auch diese Personen ausdrücklich in die Beitragserstattung miteinbezog 226 . Da diese Personen aber, wie oben dargelegt, während einer Wehrdienstleistung ebenfalls nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind und aus der Begründung zur Neufassung von § 14 b ArbPISchG auch kein Anhaltspunkt zu entnehmen ist, daß der vorherige Rechtszustand geändert werden sollte 227 , kann aus der nunmehr zu engen Fassung von § 14 bI ArbPISchG nicht gefolgert werden, daß die hier in Rede stehenden Berufsstandsangehörigen von der Beitragserstattung ausgeschlossen werden sollten. Vielmehr steht diesen ein Beitragserstattungsanspruch gemäß § 14 b II S. 1 ArbPISchG zu. Als "sonstige Alters- und Hinterbliebenenversorgung" im Sinne dieser Regelung ist auch eine öffentlich-rechtliche Versicherungsoder Versorgungseinrichtung anzusehen. Damit sind auch diese Personen den nach § 2 I Nr. 8 AVG Pflichtversicherten gleichgestellt. 223 Zuletzt geändert durch Art. 25 Ziff. 2 Haushaltsbegleitgesetz 1984 (siehe Fn.222). 224 Zu den Vorgängerregelungen der §§ 14a und 14b ArbPlSchG siehe Sahmer, ArbPlSchG, Vorbem. zu § 14a. 225 Zu diesem Zeitpunkt siehe Sahmer, ArbPlSchG, § 14 b, Anm. 6. 226 Siehe Fn. 221. 227 Siehe BT-Drs. 10/691, S. 3lf.

15 Boecken

226

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Darüber hinaus enthält § 14 b ArbPISchG in den Absätzen II und III Beitragserstattungsregelungen bezüglich zusätzlich durchgeführter Altersund Hinterbliebenenversorgungen, so daß auch insoweit eine Gleichstellung mit den unter § 14a ArbPISchG fallenden, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Personen hergestellt wird 228 . 7. Die Regelung des § 78 Zivildienstgesetz (ZDG)

Ebenso wie Wehrdienstleistende sind Zivildienstleistende während des Zivildienstes in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten pflichtversichert (§ 2 I Nr. 9 AVG), wenn sie zuletzt nach § 2 I AVG versichert oder in keinem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtoder freiwillig versichert waren, sofern die Einberufung zum Zivildienst für länger als drei Tage erfolgt. Von diesem Pflichtversicherungstatbestand werden wiederum weder die gemäß § 7 II AVG befreiten angestellten noch die selbständigen Pflichtmitglieder berufsständischer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen erfaßt 229 • Insoweit erlangt die Vorschrift des § 78 I Nr. 1 ZDG Bedeutung, wonach für anerkannte Kriegsdienstverweigerer das ArbPISchG entsprechende Anwendung findet, so daß auch diesen Personen für die Dauer des Zivildienstes die Beiträge für ihre Alters- und Hinterbliebenenversorgung erstattet werden. 8. Die Regelung des § 9 a Eignungsübungsgesetz (EÜG)

a) Die Entstehung des § 9a EÜG Das EÜG vom 20.1.1956 230 ist vor dem Hintergrund des § 60 I SoldG zu sehen. 228 Für in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherte Berufsstandsmitglieder, die sich nicht gemäß § 7 II AVG haben befreien lassen und in einer öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung pflichtversichert sind (das ist der Regelfall, da die Einrichtungen bis auf wenige Ausnahmen keine Befreiung zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung erteilen, siehe unter A, 3. Kap., 12 c (3); jedoch erheben sie in diesen Fällen überwiegend nur einen ermäßigten Beitrag, so daß die Pflichtversicherung den Charakter einer Zusatzversicherung bekommt, siehe unter A, 3. Kap., 111 1 a (2) und 4. Kap., II 2 a) findet die Regelung des § 14a I - III ArbPISchG Anwendung, da unter der in § 14a 111 ArbPISchG genannten "überbetrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung" auch die Versicherung in einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu verstehen ist (siehe § 1 Nr. 3 der Verordnung zum Arbeitsplatzschutzgesetz vom 20. 10. 1980, BGBl. 1980 I S. 2006); damit sind die für die insoweit bestehende Zusatzsicherung zu zahlenden Beiträge bei Erfüllung der Voraussetzungen der Absätze 1111 des § 14a ArbPISchG ebenfalls vom Bund zu tragen. 229 Siehe dazu oben unter 6. 230 BGBl. 1956 I S. 13.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

227

Nach dieser Vorschrift kann ein Soldat oder ein Beamter der früheren Wehrmacht oder ein Bewerber, der sich die für einen höheren Dienstgrad erforderliche militärische Eignung durch Lebens- und Berufserfahrung außerhalb der früheren Wehrmacht oder Bundeswehr erworben hat, aufgrund freiwilliger Verpflichtung zu einer Eignungsübung von vier Monaten einberufen werden. Diese Vorschrift wurde ursprünglich in das Soldatengesetz aufgenommen, um den bei Gründung der Bundeswehr bestehenden Fachkräftemangel durch von außen kommende Bewerber auszugleichen. Da sich der Fachkräftemangel aber auch später fortsetzte und nicht aus den eigenen Reihen der Bundeswehr zu decken war, wurde die Bestimmung beibehalten 231 . Um den aus dem Zivilleben kommenden Bewerbern den Entschluß zur Ableistung einer Eignungsübung zu erleichtern, wurden mit dem EÜG Schutzvorschriften für Arbeitnehmer, Handelsvertreter, Richter und Beamte geschaffen. In diesem Zusammenhang sind auch Regelungen betreffend die Alters- und Hinterbliebenenvorsorge in das EÜG aufgenommen worden, zunächst allerdings in § 9 EÜG nur für Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung232 . Gemäß dieser Bestimmung hat der Bund für nach der Eignungsübung ausscheidende Teilnehmer, die vor Beginn der Übung zuletzt nach § 2 IAVG pflichtversichert waren, auf Antrag Beiträge für Zeiten der Teilnahme an einer Eignungsübung nachzuentrichten. Hierbei handelt es sich, da das Gesetz nur von einer bis zum Beginn der Eignungsübung bestehenden Versicherungspflicht ausgeht 233 , um einen Fall der Nachversicherung für den besonderen Personenkreis der Teilnehmer an Eignungsübungen 234 . Die gemäß § 7 11 AVG zugunsten einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung befreiten Personen werden nicht von § 9 I EÜG erfaßt, da für diese vor Beginn der Eignungsübung keine Pflichtversicherung gemäß § 2 I AVG besteht. Mit der Einfügung des § 9a EÜG235 sind diese Personen mit den zuletzt vor Beginn der Eignungsübung in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten gleichgestellt worden 236 . Kreutzer in AR-Blattei, D Wehrdienst III, III Eignungsübungsgesetz, AI. Darüber hinaus sind in den §§ 5 und 6 der Verordnung zum EÜG vom 15. 2. 1956, BGBl. 1956 I S. 71, Regelungen hinsichtlich einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sowie einer betrieblichen oder überbetrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung getroffen worden. 233 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 654g. 234 Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 626e. 235 Durch Art. 1 Nr. 2 des 3. Gesetzes zur Änderung des EÜG vom 10. 8. 1966 (BGBl. 1966 I S. 481). 236 Siehe die Begründung in BT-Drs. 5/419, S. 3; allerdings enthält § 9a EÜG keinen Fall der Nachversicherung, vielmehr hat der Gesetzgeber - davon ausgehend, daß die nach § 7 II AVG befreiten Personen auch während der Eignungsübung zur 231

232

15'

228

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

b) Die Voraussetzungen des § 9a EÜG In materieller Hinsicht verlangt § 9 a EÜG zunächst die Teilnahme an einer Eignungsübung. Darüber hinaus muß der Teilnehmer bis zum Beginn der Eignungsübung aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe gewesen sein und sich zuvor gemäß § 7 II AVG von der Versicherungspflicht befreit lassen haben. Schließlich kommt § 9 a EÜG nur dann zur Anwendung, wenn das Berufsstandsmitglied nach der Teilnahme an der Eignungsübung nicht in den Streitkräften verbleibt. Formell ist für die Beitragserstattung durch den Bund die Stellung eines Antrages erforderlich, was gemäß § 9a II EÜG binnen eines Jahres nach Beendigung der Übung erfolgt sein muß. Die Beiträge werden dem nach § 9a I EÜG berechtigten Mitglied der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung für die Zeit der Teilnahme an der Eignungsübung in der Höhe erstattet, in der sie zuletzt vor der Eignungsübung gemäß der jeweiligen Satzung als Pflichtbeiträge zu zahlen waren.

9. Die Regelung des § 9 Entwicklungshelfergesetz (EhfG)

Angesichts der wachsenden Zahl von Personen, welche im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe in Entwicklungsländern tätig sind, ergab sich das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung der Rechtsverhältnisse dieser Personen 237 . Mit dem EhfG vom 18.6.1969 238 hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die insbesondere auch die arbeits- und sozialrechtliche Situation der Entwicklungshelfer berücksichtigen (§§ 6 ff. EhfG). Denn Ziel des Gesetzes war es unter anderem gerade, die soziale Sicherung der Entwicklungshilfe Leistenden im Ergebnis so zu gestalten, wie sie bei Tätigkeiten im Inland bestehen würde 239 . In Zusammenhang mit den die soziale Sicherung der Entwicklungshelfer regelnden Bestimmungen erlangt das EhfG auch im Hinblick auf die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung Bedeutung, und zwar speziell durch die Vorschrift des § 9 EhfG. Zahlung der Beiträge verpflichtet bleiben - eine Beitragserstattung durch den Bund geregelt. 237 Figge, Die ErsK 1970, S. 94ff. (94). 238 BGBl. 1969 I S. 549. 239 BT-Drs. 5/2696, S. 8.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

229

Nach dieser Bestimmung gewährt der Bund gemäß Absatz I einem arbeitsunfähigen Entwicklungshelfer unter den dort genannten Voraussetzungen im Anschluß an die Leistungen nach § 8 I EhfG, wonach der Träger des Entwicklungsdienstes einem an der Dienstleistung verhinderten Entwicklungshelfer längstens bis zum Ende der sechsten Woche die vertraglichen Unterhaltsleistungen weiterzugewähren hat, ein Tagegeld in Höhe des Übergangsgeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung 24o . Nach Absatz Il des § 9 EhfG wird Tagegeld wegen derselben Krankheit oder desselben Unfalles längstens für 78 Wochen gewährt, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Während die Bestimmung des § 8 EhfG mit den Lohn-(Gehalts-)fortzahlungsregelungen der §§ 616 BGB, 63 HGB, 133 c GewO und 1 LFZG vergleichbar ist, entspricht die Vorschrift des § 9 I EhfG inhaltlich dem § 183 Il RVO, der die Zahlung von Krankengeld im Falle der Arbeitsunfähigkeit vorsieht. Schon vor Ablauf der 78 Wochen endet der Anspruch auf Tagegeld mit dem Tage, von dem an dem Entwicklungshelfer eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 9 lIla EhfG) oder eine entsprechende Leistung aus einer Versicherungsoder Versorgungseinrichtung im Sinne des § 7 II AVG zugebilligt wird (§ 9 IIIc EhfG). Von der Zweckbestimmung her ist § 9 III EhfG dem § 183 III RV0241 nachgebildet, mit der Regelung sollen Doppelleistungen vermieden werden 242 . Ursprünglich hatten Renten aus Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen für den Tagegeldanspruch keine Bedeutung, erst im Jahre 1976 ist § 9 III EhfG dahingehend geändert worden 243 , daß nunmehr auch die Leistungen aus berufsständischen Sicherungseinrichtungen Berücksichtigung finden. Mithin wurde durch die Bestimmung des § 9 IIIc EhfG für Personen, die Mitglieder berufsständischer Sicherungseinrichtungen sind, im Hinblick auf die Beendigung des Tagegeldanspruchs eine belastende Gleichstellung mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Entwicklungshelfern herbeigeführt 244 . Siehe § 568 RVO. Der allerdings nicht Renten aus Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen erfaßt. 242 BT-Drs. 5/2696, S. 12. 243 Durch Art. 1 Nr. 7 c des Gesetzes zur Änderung des EhfG vom 29. 6. 1976 (BGBl. 1976 I S. 1701). 244 Darüber hinaus enthält § 9 IV S. 3 EhfG eine entsprechende Regelung für den Fall, daß ein Entwicklungshelfer während des Tagegeldbezuges Leistungen wegen Berufsunfähigkeit erhält; dieser Regelung kommt aber im Hinblick auf die hier behandelten Einrichtungen deshalb keine Bedeutung zu, da diese Einrichtungen nicht zwischen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit unterscheiden, siehe dazu unter A, 3. Kap., II3a(I). 240 241

230

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers 10. Die Regelung des § 10 11 BeamtVG

a) Die Bedeutung des § 10 II BeamtVG

Gemäß der Vorschrift des § 4 III BeamtVG wird das Ruhegehalt eines Beamten auf der Grundlage der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berechnet, die Höhe des Ruhegehalts ist in § 14 BeamtVG geregelt. Als ruhegehaltsfähige Zeiten sollen nach § 10 I BeamtVG auch dort näher bestimmte Zeiten berücksichtigt werden, die ein Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im öffentlichen Dienst als Arbeiter oder Angestellter im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses zurückgelegt hat, sofern die während dieser Zeiten ausgeübte Tätigkeit zu seiner Ernennung führte (Vordienstzeiten). Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, daß die im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ausgeübte Tätigkeit, die zur Berufung in das Beamtenverhältnis geführt hat, in der Regel Leistungen umfaßt, die dem Beamtendienst gleichzuachten sind oder jedenfalls nahekommen und dazu geführt haben, daß der Betroffene für den Beamtendienst Erfahrungen gesammelt hat 245 . Die nach § 10 I BeamtVG anzurechnenden Zeiten sind voll ruhegehaltsfähig 246 und bewirken damit eine Erhöhung des Ruhegehalts. Eine Einschränkung hinsichtlich der vollen Anrechenbarkeit enthält § 10 II BeamtVG. Danach darf für Zeiten im Sinne des § 10 I BeamtVG nur eine Halbanrechnung erfolgen, wenn der öffentlich-rechtliche Dienstherr aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses Zuschüsse zu einer Lebensversicherung oder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung geleistet hat 247 . Die Halbanrechnung wird jedoch nach dem letzten Halbsatz dieser Regelung erst dann relevant, wenn tatsächlich Leistungen gewährt werden oder gewährt worden sind 248 . Bei der Bestimmung des § 10 II BeamtVG handelt es sich um die Nachfolgeregelung des früheren § 115 11 BBG, der jedoch eine Einschränkung hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten nur für den Fall vorsah, daß der Dienstherr Zuschüsse zu Lebensversicherungen gezahlt hatte. Erst mit Einführung des BeamtVG vom 24.8.1976 249 sind den Zuschüssen zu Lebensversicherungen solche zu berufsständischen Versicherungs- und 245 246 247

gen.

BVerwG, Urteil vom 15. 6. 1971 in Buchholz 232, § 115 BBG Nr. 34. Stegmüller / Schmalhofer / Bauer, BeamtVG, Erl. zu § 10, Rdn. 1. Siehe dazu die unter A, 3. Kap., Fn. 311 genannten tarifvertraglichen Regelun-

248 Bis zu diesem Zeitpunkt werden Vordienstzeiten voll berücksichtigt, siehe Stegmüller u. a., BeamtVG, Erl. zu § 10, Rdn. 24. 249 BGBl. 1976 I S. 2485.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

231

Versorgungseinrichtungen gleichgestellt worden 250 . Erfaßte die Regelung zunächst nur Personen, deren Beamtenverhältnis nach dem 31.12.1965 begründet worden ist, so werden nunmehr seit dem 1.1.1982 alle Versorgungsempfänger unabhängig vom Zeitpunkt der Begründung des Beamtenverhältnisses erfaßt 251 . Der Sinn des § 10 II BeamtVG geht dahin, eine Doppelversorgung zu vermeiden oder zumindest einzuschränken 252 . Einerseits hat der Dienstherr nämlich Zuschüsse zu den Beiträgen für die Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung während der privatrechtlichen Tätigkeit gezahlt, andererseits werden dieselben Zeiten als Vordienstzeiten versorgungsrechtlich berücksichtigt .. Damit würden ohne eine Einschränkung dieselben Arbeitszeiten im Hinblick auf die Alterssicherung zweifach abgedeckt, zum einen rentensteigernd in der Versorgungseinrichtung und zum anderen als ruhegehaltsfähige Vordienstzeiten in der Beamtenversorgung. Der hierin für diese Zeiten liegenden "doppelten Versorgung" - die auch eine Besserstellung gegenüber dem "Nur-Beamten" darstellen würde - will die Vorschrift des § 10 II BeamtVG entgegenwirken.

b) Vergleich mit § 55 BeamtVG Mit der Regelung des § 10 II BeamtVG hat der Gesetzgeber für die Personen, die neben der Beamtenversorgung eine Rente aus einer Versicherungsoder Versorgungseinrichtung erhalten, zur Vermeidung einer Doppelversorgung einen anderen Weg gewählt als bei den Personen, deren Gesamtversorgung sich aus Versorgungsbezügen und Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen oder aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes zusammensetzt. Im zuletzt genannten Fall werden aufgrund der Ruhensregelung253 des § 55 I BeamtVG254 die Versorgungsbezüge unter Anrechnung der Renten nur bis zu einer bestimmten, in Absatz II näher bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Während also die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst unberührt bleiben, erfahren die Versorgungsbezüge des Berechtigten eine Kürzung bis zu den in Absatz II genannten Höchstbeträgen. Siehe § 10 III BeamtVG a. F. Die Stichtagsregelung ist durch Art. 2 § 1 Nr. 5 c des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. 12. 1981 (BGBl. 1981 I S. 1523) aufgehoben worden. 252 Cecior in Schütz, BeamtR 2, § 10 BeamtVG, Rdn. 3. 253 Zum Begriff des Ruhens von Versorgungsbezügen siehe Stegmüller u. a., BeamtVG, Erl. zu § 53, Rdn. 1. 254 Der durch Art. 2 § 1 Nr. 7 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. 12. 1981 (BGBl. 1981 I S. 1523) auch auf Personen ausgedehnt worden ist, die vor dem 1. 1. 1966 in den Beamtendienst eingestellt worden sind; zum Teil wird diese Ausdehnung für verfassungswidrig gehalten, siehe Fn. 314. 250 251

232

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Der Bestimmung des § 55 BeamtVG liegt die Erwägung zugrunde, daß die Gesamtversorgung nicht die Versorgung eines Versorgungsberechtigten übersteigen soll, der während seines gesamten Berufslebens im Beamtenverhältnis gestanden hat. Ein solches Ergebnis würde nämlich zu dem Mißstand führen, daß es von Vorteil wäre, zunächst eine Zeit lang im Angestelltenverhältnis zu arbeiten und erst dann die Verbeamtung anzustreben, um auf diese Weise eine höhere Versorgung zu erreichen als der "NurBeamte"255. Zu einer solchen Besserstellung des Versorgungsberechtigten mit einer Gesamtversorgung gegenüber dem "Nur-Beamten" kann es deswegen kommen, weil die beiden Versorgungssysteme - Rentenversicherung einerseits, Beamtenversorgung andererseits - strukturell verschieden und nicht nahtlos aufeinander abgestimmt sind. Bei einer Person, die in ihrem Berufsleben sowohl als Arbeitnehmer als auch im Beamtenverhältnis tätig war, können insbesondere die Faktoren in den Sicherungssystemen, die eine Abweichung von der rein linearen Relation zwischen Lebensarbeitszeit und Versorgungsniveau beinhalten - in der Rentenversicherung vornehmlich die Ausfallund Ersatzzeiten, in der Beamtenversorgung maßgeblich die degressiv gestaffelte Pensionsskala des § 14 BeamtVG - eine Gesamtversorgung bewirken, die höher liegt als die Versorgung eines "Nur-Beamten"256. Vergleicht man diese gesetzliche Lösung des Aufeinandertreffens von verschiedenen Versorgungen mit der des § 10 II BeamtVG, so ist die zuletzt genannte Regelung weniger einschneidend als die des § 55 BeamtVG. Während nämlich nach der Anrechnungsvorschrift des § 55 BeamtVG die Gesamtversorgung nicht über die in Absatz II dieser Vorschrift bestimmten Höchstgrenzen hinaus gehen kann, ist dies durch die Regelung des § 10 II BeamtVG beim Zusammentreffen einer Beamtenversorgung mit einer Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung nicht ausgeschlossen. Abgesehen davon erfaßt § 55 BeamtVG Renten ohne Rücksicht darauf, ob sie auf einer Beschäftigung oder Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes beruhen257 , während § 10 II BeamtVG naturgemäß wegen seiner Anknüpfung an die Vordienstzeiten überhaupt nur solche Versorgungsberechtigten betrifft, die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst waren. Damit sind Versorgungsempfänger, deren Gesamtversorgung sich aus Versorgungsbezügen sowie Renten aus einer berufsständischen VersicheFürst / Loschelder, ZBR 1983, S. 1 ff. (3). Fürst / Loschelder, ZBR 1983, S. 1 ff. (2); zu den Ursachen der Doppelversorgung siehe auch Brockhaus in Schütz, BeamtR 2, § 55 BeamtVG, Rdn. 1; darüber hinaus wird auch hier bei Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst das Problem des § 10 II BeamtVG relevant (dazu oben unter a). 257 Brockhaus in Schütz, BeamtR 2, § 55 BeamtVG, Rdn. 3. 255 256

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

233

rungs- oder Versorgungseinrichtung zusammensetzt in einer günstigeren Position als die von der Anrechnungsvorschrift des § 55 BeamtVG erfaßten Personen, so daß insoweit von einer unterschiedlichen Behandlung der Renten aus berufsständischen Sicherungseinrichtungen und solchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen des Problems der Gesamtversorgung gesprochen werden muß258. ß. Steuerrechtliche Regelungen 1. Die Regelung des § 5 I Nr. 8 KStG

a) Die Entstehung der Vorschrift Gemäß § 1 I Nr. 6 KStG sind Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtig. Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nach der Bestimmung des § 4 V S. 1 KStG solche Betriebe nicht, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe). Diese Betriebe sind deshalb von vornherein von der Körperschaftssteuer ausgenommen, da die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben nicht der Besteuerung unterliegen kann 259 . Andererseits sollen Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie sich privatwirtschaftlich betätigen, schon aus Gründen der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung unterliegen 26o . Der Betrieb einer juristischen Person des öffentlichen Rechts dient nur dann der Ausübung öffentlicher Gewalt und ist demgemäß als Hoheitsbetrieb im Sinne von § 4 V KStG anzusehen, wenn von diesem Betrieb Aufgaben erfüllt werden, die dem Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind 261 . Dies ist dann nicht anzunehmen, wenn sich eine Körperschaft mittels ihrer Einrichtungen in den wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit entfaltet, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet 262 . Von dieser Abgrenzung her werden die öffentlich-rechtlichen Träger der Sozialversicherung in der Rechtsprechung des BFH unter bestimmten Vor258 Zur Berechtigung dieser Differenzierung und der damit unter diesem Gesichtspunkt aufgeworfenen Frage der Vereinbarkeit von § 55 BeamtVG mit Art. 3 II GG siehe unter III 2 b. 259 Dötsch u.a., Körperschaftssteuer, S. 22. 260 Dötsch u. a., Körperschaftssteuer, S. 22. 261 BFH in BStBl. 1976 II S. 793 ff. (794); Felix / Streck, Komm. z. KStG, § 4, Anm.21. 262 BFH in BStEl. 1970 II S. 519ff. (520); Kläschen, KStG 1977, Handkomm., § 4, Rdn.19.

234

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

aussetzungen als Hoheitsbetriebe im Sinne von § 4 V KStG angesehen 263 , da die Sozialversicherung im herkömmlichen Sinne dadurch gekennzeichnet sei, daß neben dem Sicherungs gedanken der Sozialausgleich unter Einbeziehung der von den Arbeitgebern zu leistenden Beiträge wesentliche Bedeutung habe. Aus diesem Grunde seien Beiträge und Leistungen nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt, der Gedanke komme unter anderem aber auch in den Bundeszuschüssen, der Bundesgarantie und den Regelungen über Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten zum Ausdruck. Eine Aufgabe dieser Art sei aber den Körperschaften des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten 264 . Demgegenüber werden die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen nicht als Hoheitsbetriebe eingeordnet und unterliegen demzufolge gemäß § 1 I Nr. 6 KStG grundsätzlich der Steuerpflicht 265 . Eine hoheitliche Tätigkeit dieser Einrichtungen wird vom BFH deshalb verneint, weil diese im Gegensatz zu den Trägern der herkömmlichen Sozialversicherung durch ihre Begrenzung auf eine bestimmte Berufsgruppe Ähnlichkeiten mit privaten Versicherungsunternehmungen aufweisen würden. Hinzu komme, daß solche Einrichtungen nur partiell bestünden, so daß andere Berufsgruppen entsprechende Risiken mit Hilfe der Privatversicherung absichern müßten. Schließlich sei - jedenfalls für den vom BFH konkret entschiedenen Fall - bedeutsam, daß die Leistungen dem wesentlichen Grundgedanken nach nicht nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt, sondern unter anderem von den vom Mitglied aufgebrachten Beiträgen und der Mitgliedsdauer abhängig seien 266 . Inwieweit diese Rechtsauffassung tatsächlich haltbar ist 267 , kann hier dahingestellt bleiben, da mit der Bestimmung des § 5 I Nr. 8 KStG268 eine 263 BFH in BStBl. 1976 II S. 355 ff. (356f.); so auch Abschnitt 5, Absatz 16 der Körperschaftssteuerrichtlinien 1981 (BStBl. 1982 I S. 71); vorher schon Veranlagungsrichtlinien für 1934 in RStBl. 1935, S. 377ff. (407); ebenso Greif / Schuhmann, Komm. z. KStG, § 5, Anm. 97. 264 BFH in BStBl. 1976 II S. 355ff. (357). 265 BFH in BStBl. 1976 II S. 355 ff. (357). 266 BFH in BStBl. 1976 II S. 355ff. (357). 267 Aus der Beschränkung auf eine bestimmte Berufsgruppe und der Tatsache, daß nicht alle Angehörigen freier Berufe von Pflichteinrichtungen erfaßt werden, kann wohl nichts für eine materielle Wesensverschiedenheit von den Trägern der herkömmlichen Sozialversicherung hergeleitet werden, die angesichts der Art ihrer Aufgabendurchführung als Hoheitsbetriebe angesehen werden; im übrigen sind auch die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung über die Rentenformel von der Dauer der Beitragszahlung und der Höhe der Beiträge - wenn auch indirekt - abhängig. Der BFH hat selbst in einer anderen Entscheidung, die sich mit der Frage befaßte, ob Beiträge zu einer Versorgungseinrichtung ebenso wie zur Sozialversicherung als Sonderausgaben im Sinne des EStG anzusehen sind, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Versorgungseinrichtungen der freien Berufe wegen des sozialen Ausgleichs und überhaupt wegen ihrer gesamten Zweckbestimmung den gesetzlichen

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

235

Regelung geschaffen worden ist, durch welche die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen bis zu einer bestimmten Jahresbeitragshöchstgrenze von der Körperschaftssteuerpflicht befreit und somit den Sozialversicherungsträgern gleichgestellt worden sind 269 . Diese Befreiungsregelung geht zurück auf § 4 I Nr. 10 KStG aF27o, dessen Einführung damit begründet wurde, daß die Pflichtversicherungseinrichtungen weitgehend den Aufgaben der nicht der Körperschaftssteuer unterliegenden Sozialversicherungsträger entsprächen 271 .

b) Die Voraussetzungen des § 5 I Nr. 8 KStG (1) Satz 1 der Regelung Gemäß der Regelung des § 5 I Nr. 8 S. 1 KStG sind die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen, deren Angehörige aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder dieser Einrichtungen sind, von der Körperschaftssteuer befreit, wenn nach der Satzung keine höheren jährlichen Beiträge zugelassen sind als das Zwölffache der Beiträge, die nach den §§ 1387 und 1388 RVO höchstens entrichtet werden können 272 . Der Gedanke der Gleichstellung der berufs ständischen Sicherungseinrichtungen mit den Sozialversicherungsträgern kommt gerade in der Begrenzung des Jahresbeitrages auf das Zwölffache dessen zum Ausdruck, was nach den §§ 1387 und 1388 RVO höchstens (monatlich) zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden kann 273 . Darüber hinaus kommt dieser Begrenzung aber auch die Funktion zu, einen Wettbewerb mit steuerpflichtigen Unternehmen der Versicherungswirtschaft zu vermeiden274 . Die Bestimmungen der §§ 1387 und 1388 RVO enthalten in ihrer heute geltenden Fassung Regelungen hinsichtlich der niedrigsten monatlichen Beitragsberechnungsgrundlage für Pflichtversicherte, die ihre Beiträge zur Sozialversicherungen weitgehend gleichgestellt werden können, siehe BFH in BStBl. 1972 II S. 730 ff. (732). 268 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 b des Gesetzes zur Änderung des KStG und anderer Gesetze vom 15. 8. 1969, BGBL 1969 I S. 1182. 269 Was der BFH im übrigen als Bestätigung seiner Rechtsauffassung anführt, BStBl. 1976 II S. 355 ff. (357). 270 Eingefügt durch Art. 2 Nr. 1 Steueränderungsgesetz vom 14. 5. 1965, BGBL 1965 I S. 377. 271 BT-Drs. 4/3189, S. 10. 272 Für die nähere Bestimmung der unter § 5 I Nr. 8 S. 1 KStG fallenden öffentlichrechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen kann auf die Ausführungen zu § 7 II AVG unter I 1 b (2) (a) verwiesen werden. 273 Kläschen, KStG 1977, Handkomm., § 5, Rdn. 58. 274 Kläschen, KStG 1977, Handkomm., § 5, Rdn. 58; siehe auch BT-Drs. 5/3882, S.2.

236

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

gesetzlichen Rentenversicherung selbst zu entrichten haben (§ 1387 I RVO) und für freiwillig und höher Versicherte (§ 1388 I RVO). Der Verweis in § 5 I Nr. 8 KStG auf die §§ 1387 und 1388 RVO ist dahin zu verstehen, daß sich die für die Körperschaftssteuerbefreiung maßgebende Höchstgrenze aus der Summe der Beiträge ergibt, die höchstens im Rahmen einer Pflichtversicherung bzw. freiwilligen Versicherung einerseits und einer daneben bestehenden Höherversicherung andererseits zusammen zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden können. Denn gemäß § 1234 RVO können neben Beiträgen, die aufgrund einer Versicherungspflicht oder einer Berechtigung zur freiwilligen Versicherung geleistet werden, zusätzliche Beiträge zum Zwecke der Höherversicherung entrichtet werden. Bis zum 31.12.1976 zahlten die von den §§ 1387 und 1388 RVO erfaßten Personen ihre Beiträge nach dem sogenannten Beitragsklassenverfahren, demzufolge hatten diese Versicherten ihre Beiträge nach Beitragsklassen zu entrichten, die sich auf gestaffelte Einkommensstufen bezogen 275 . Die Beitragsklassen wurden durch Rechtsverordnungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt und enthielten die von den Versicherten nach dem jeweiligen Einkommen gestaffelt zu zahlenden Monatsbeiträge 276 , so daß sich die für die Körperschaftssteuerbefreiung maßgebenden Höchstbeiträge letztlich aus den Rechtsverordnungen durch Abstellen auf die jeweils höchsten Beitragsklassen ergaben. Durch Art. 1 § 1 Nr. 28 des RRG 1972 277 wurde die Regelung des § 1387 RVO um den auch heute noch geltenden Absatz III ergänzt, wodurch der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt wurde, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Anpassung an die Entwicklung der Buchungsverfahren an Stelle der Beitragsberechnung nach Beitragsklassen eine stufenlose Berechnung zuzulassen oder vorzuschreiben 278 . Von dieser Ermächtigung hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch die Rentenversicherungs-Beitragsentrichtungsverordnung (RV-BEVO)279 Gebrauch gemacht, die mit Wirkung zum 1.1.1977 in Kraft getreten ist 280 . Seit diesem Zeitpunkt ist das Beitragsklassenverfahren für die von den §§ 1387 und 1388 RVO erfaßten Personen abgeschafft, vielmehr 275 Dazu ausführlich Brackmann, Hdb. d. SV, Bd. III, S. 642 q. 276 Siehe § 1387 I RVO i.d. F. des Finanzänderungsgesetzes vom 21. 12. 1967 (BGBl.

1967 I S. 1259); gemäß § 1388 RVO i.d.F. des Finanzänderungsgesetzes waren für die Weiterversicherung - später freiwillige Versicherung - und die Höherversicherung Beitragsklassen mit gleichen Monatsbeiträgen wie für die Pflichtversicherten zu bilden. 277 BGBl. 1972 I S. 1965. 278 Entsprechende Ermächtigungsgrundlagen für die freiwillige Versicherung und die Höherversicherung enthalten die §§ 1407 I und 1408 I RVO. 279 Vom 21. 6. 1976, BGBl. 1976 I S. 1667. 280 Siehe § 13 RV-BEVO.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

237

richtet sich die Beitragsleistung jetzt nach der RV-BEVO, die in § 2 hinsichtlich der zu entrichtenden Beiträge bestimmte monatliche Höchstgrenzen festlegt. Für Personen im Sinne von § 1387 RVO ist danach der monatliche Höchstbeitrag gemäß § 2 I i.V.m. III RV-BEVO der sich bei Anwendung des Beitragssatzes (§ 1385 I RVO) auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 1385 11 RVO) ergebende Betrag, mithin das Produkt aus der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Beitragssatz. Dieser Betrag ist gemäß § 2 IV RV-BEVO auch die monatliche Höchstbeitragsgrenze für die freiwillige Versicherung und die Höherversicherung. Damit ist der für die Körperschaftssteuerbefreiung maßgebende Jahreshöchstbeitrag zu den öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen das Zwölffache des mit zwei vervielfachten Produktes aus der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 1385 11 RVO) und dem Beitragssatz (§ 1385 I RVO). (2) Satz 2 der Regelung Von der Bestimmung des § 5 I Nr. 8 S. 1 KStG werden grundsätzlich alle berufsständischen Pflichtversicherungseinrichtungen erfaßt, unabhängig davon, welche Formen der freiwilligen Mitgliedschaft neben der Pflichtmitgliedschaft in den Satzungen vorgesehen sind. Dies ergibt sich im Umkehrschluß aus Satz 2 der Vorschrift, wonach für solche Einrichtungen, deren Satzungen nur die an eine vorangegangene Pflichtmitgliedschaft unmittelbar anschließende freiwillige Mitgliedschaft 281 vorsehen, eine Befreiung von der Körperschaftssteuer auch dann gegeben ist, wenn der nach der Satzung vorgesehene Jahreshöchstbeitrag nicht das Fünfzehnfache der nach den §§ 1387 und 1388 RVO höchstmöglich zu entrichtenden Beiträge übersteigt. Die Besserstellung von diesen Einrichtungen erklärt sich daraus, daß hier die Gefahr eines Wettbewerbs mit steuerpflichtigen Privatversicherungsunternehmen geringer ist als bei den von Satz 1 erfaßten Einrichtungen. 2. Die Regelung des § 3 Nr. 11 GewStG

Die Vorschrift des § 3 Nr. 11 GewStG wurde gleichzeitig mit der Körperschaftssteuerbefreiung der berufs ständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen eingeführt 282 . Sogenannte freiwillige Anschlußversicherung. Durch Art. 3 Nr. 2 Steueränderungsgesetz vom 14. 5. 1965 (BGBl. 1965 I S. 377), ergänzt durch Art. 3 Nr. 2 b des Gesetzes zur Änderung des KStG und anderer Gesetze vom 15. 8. 1969 (BGBl. 1969 I S. 1182). 281

282

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Aufgrund dieser inhaltlich und nahezu wörtlich mit der körperschaftssteuerrechtlichen Regelung übereinstimmenden Bestimmung sind die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen unter denselben Voraussetzungen wie in § 5 I Nr. 8 KStG bis zu einer bestimmten Jahresbeitragshöchstgrenze von der Gewerbesteuer befreit. Die Vorschrift basiert auch hier - wie im Körperschaftssteuerrecht - auf der gesetzgeberischen Absicht, die berufsständischen Sicherungseinrichtungen den nicht der Gewerbesteuerpflicht unterliegenden Sozialversicherungsträgem wegen der sich weitgehend entsprechenden Aufgabenstellung gleichzustellen283 . Denn ebenso wie im Körperschaftssteuerrecht unterliegen auch im Gewerbesteuerrecht Hoheitsbetriebe nicht der Gewerbesteuer28 4, zu denen auch hier die Sozialversicherungsträger gerechnet werden 285 . Wegen des mit § 5 I Nr. 8 KStG übereinstimmenden Inhalts wird hinsichtlich der Voraussetzungen für die Befreiung von der Gewerbesteuer auf die dortigen Ausführungen verwiesen 286 .

3. Die Regelung des § 3 I Nr. 11 VermStG

Die mit § 5 I Nr. 8 KStG wörtlich und inhaltlich übereinstimmende Vorschrift befreit die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen unter denselben Voraussetzungen bis zu einer bestimmten Jahresbeitragshöchstgrenze von der Vermögenssteuerpflicht. Bevor § 3 I Nr. 11 VermStG in seiner heutigen, den Regelungen der §§ 5 I Nr. 8 KStG und 3 Nr. 11 GewStG entsprechenden Fassung 287 Geltung erlangte, waren die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen aufgrund der Vorgängerregelung des § 3a Nr. 3 VermStG aF ohne jede Beschränkung von der Vermögenssteuer freigestellt 288 . 283 Siehe BT-Drs. 4/3189, S. 11, wo auf die Begründung zur Einführung der Körperschaftssteuerbefreiung verwiesen wird (BT-Drs. 4/3189, S. 10). 284 Lenski / Steinberg, Komm. z. GewStG, § 2, Anm.141; § 2 II S.1 Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Ld.F. vom 26.1. 1979 (BGBl. 1979 I S. 114). 285 Vgl. Abschnitt 20, Absatz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1978 (BStBl. 1979 I, Sondernummer 4/79), wo zur Beschreibung der Hoheitsbetriebe auf Abschnitt 5, Absätze 13 - 21 der Körperschaftssteuer-Richtlinien (BStBl. 1982 I S. 71) verwiesen wird, insoweit ist hinsichtlich der Sozialversicherungsträger Abschnitt 5, Absatz 16 maßgebend; siehe auch Lenski / Steinberg, Komm. z. GewStG, § 3, Anm. 49. 286 Siehe oben unter 1 b. 287 Eingefügt durch Art. 1 § 3 Vermögenssteuerreformgesetz vom 17.4. 1974 (BGBl. 1974 I S. 949). 288 Eingefügt durch Art. 11 Nr.3 des Steueränderungsgesetzes vom 13. 7. 1961 (BGBl. 1961 I S. 981) als Ausnahmeregelung zu der durch dieses Gesetz grundsätzlich eingeführten Vermögenssteuerpflicht von Gewerbebetrieben juristischer Personen des öffentlichen Rechts; aus Gründen einer vermögenssteuerlichen Wettbewerbsgleichheit mit privaten Unternehmungen (BT-Drs. 3/2706, S. 9) erfolgte dann die Einschränkung im Sinne des heutigen § 3 I Nr. 11 VermStG.

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

239

Auch im Bereich des Vermögenssteuerrechts bedeutet die Befreiungsregelung des § 3 I Nr. 11 VermStG eine Gleichstellung der Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen mit den nicht der Vermögenssteuer unterliegenden Sozialversicherungsträgern. Denn gemäß § 1 I Nr. 2g VermStG sind Gewerbebetriebe im Sinne des Gewerbesteuergesetzes von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unbeschränkt vermögenssteuerpflichtig, so daß infolge der Bezugnahme auf das Gewerbesteuergesetz für die Vermögenssteuerpflicht juristischer Personen des öffentlichen Rechts die Grundsätze des Gewerbesteuerrechts grundsätzlich maßgebend sind 289 . Mithin sind die Sozialversicherungsträger auch im Vermögenssteuerrecht unter den gleichen Voraussetzungen wie im Gewerbe- und Körperschaftssteuerrecht nicht steuerpflichtig. Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Befreiung der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen wird wegen der inhaltlichen Übereinstimmung auf die Ausführungen zu § 5 I Nr. 8 KStG verwiesen 29o •

llI. Gesamtbetrachtung 1. Allgemeines

Aus den vorstehend 291 dargestellten Regelungen wird deutlich, daß das Alterssicherungssystem der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen trotz seiner landesrechtlichen Grundlagen in verschiedenen Bereichen eine ausdrückliche bundesgesetzliche Berücksichtigung gefunden hat, wobei diese Bestimmungen ihrem unmittelbaren Regelungsgegenstand nach entweder auf die Einrichtungen selbst (z.B. § 5 I Nr. 8 KStG) bzw. die von diesen gewährten Leistungen (z.B. § 180 VIII S. 2 Nr. 3 RVO) oder auf deren Mitglieder bezogen sind (z.B. § 7 II AVG). Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dieser Regelungen treten zwei Gesichtspunkte in den Vordergrund: - zum einen handelt es sich hierbei um den Aspekt, wie das Alterssicherungssystem der berufsständischen Sicherungseinrichtungen im Verhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung durch den Gesetzgeber eingeordnet wird, zum anderen wird in Zusammenhang mit der bundesgesetzlichen Berücksichtigung der Gesichtspunkt bedeutsam, welche Regelungswirkung 289 Gürsching I Stenger, Komm. Z. BewG und VermStG, Bd. III, § 1, Anm.110; siehe auch Abschnitt 105, Absatz"2 der Vermögenssteuer-Richtlinien 1983 (BStBl. 1983 I S. 124). 290 Siehe oben unter 1 b. 291 Unter I und 11.

240

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

diesen Normen in bezug auf die durch Landesgesetz und den darauf beruhenden Satzungen ausgestaltete berufsständische Pflichtversorgung, und zwar insbesondere hinsichtlich der Versicherungsverhältnisse, zukommt. 2. Einordnung der berufsständischen Alterssicherung im Verhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung

Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich die aufgezeigten Regelungen danach unterscheiden, ob sie - bezogen auf ihren jeweiligen Regelungsinhalt - die berufsständische Pflichtversorgung als der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbares Alterssicherungssystem erachten oder gegenteilig eine Differenzierung zum Ausdruck bringen.

a) Gleichstellende Regelungen Mit Ausnahme der Bestimmung des § 10 11 BeamtVG (die in Zusammenhang mit § 55 BeamtVG gesehen werden muß)292 handelt es sich bei den aufgezeigten Regelungen um solche, die, bezogen auf den jeweils geregelten Spezialbereich, eine Gleichstellung der berufsständischen Pflichtversorgung mit der gesetzlichen Rentenversicherung zum Inhalt haben 293 . Für die in den Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen versicherten Mitglieder kommt dieser Gleichstellung ein ambivalenter Charakter zu. Einerseits erfolgt sie unter dem Gesichtspunkt, daß den in einer solchen Einrichtung versicherten Personen gegenüber den Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung keine Nachteile erwachsen dürfen. Zu nennen sind hier zum Beispiel die Nachversicherungsregelung des § 124 VIa und VIb AVG294 oder § 166b AFG, der für Zeiten des Bezuges von Leistungen Dazu oben unter I 10 und im folgenden unter b. Zu der Gleichstellung im einzelnen siehe bei den jeweiligen Normen unter I und II. Hinzuweisen ist hier auch auf die erst nach Abschluß dieser Arbeit durch Art. 7 des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (BGBL 1985 I S. 1450) eingeführte Vorschrift des § 18a III Nr. 7 SGB IV, wonach als auf die Witwen- bzw. Witwerrenten der gesetzlichen Rentenversicherung (s. § 41 i. V. m. § 58 AVG) anzurechnendes Erwerbsersatzeinkommen auch Renten der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen bestimmter Berufsgruppen wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Alters zu berücksichtigen sind; die damit im Rahmen der Anrechnung erfolgende Gleichstellung mit Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird im Gesetzesentwurf gerade mit der Gleichwertigkeit der Versorgungssysteme begründet, siehe BT-Drs. 10/2677, S. 25. Zur Bedeutung der Hinterbliebenenrentenreform in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung für die berufsständischen Versorgungswerke siehe v. Maydell, Arztrecht 1985, S.263ff.; siehe im übrigen zur Hinterbliebenenrentenreform die Nachweise unter A, 3. Kap., Fn. 148. 294 Siehe dazu oben unter 12. 292 293

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

241

der BAfA eine Beitragsübernahme durch diese vorsieht 295 . Damit handelt es sich insoweit um eine Gleichstellung zugunsten der Mitglieder berufsständischer Sicherungseinrichtungen. Andererseits wirkt sich der Gleichstellungsaspekt aber auch dahingehend aus, eine Besserstellung von Mitgliedern solcher Einrichtungen gegenüber den Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu verhindern, so daß insoweit von einem " belastenden " Charakter gesprochen werden kann. Hinzuweisen ist hier zum Beispiel auf die im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner zur Grundlohnbestimmung wesentliche Vorschrift des § 180 VIII S. 2 Nr. 3 RV0296 oder die für den Tagegeldanspruch eines Entwicklungshelfers bedeutsame Regelung des § 9 EhfG297. Eine die einzelnen Berufsstandsmitglieder belastende Gleichstellung wird auch durch solche Regelungen herbeigeführt, die bestimmte funktionsgleiche Leistungen der verschiedenen Systeme untereinander zur Anrechnung bringen und einen Leistungsausschluß bzw. eine Leistungsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Folge haben (§§ 39 I S. 2 Nr. 4 und 46 I S. 4 AVG). Bedeutung erlangen hier auch die Steuerbefreiungsregelungen298 , die zwar einerseits wegen der Steuerbefreiung einen die Einrichtungen selbst und damit auch die Mitglieder begünstigenden Charakter haben, denen andererseits jedoch durch die in Anlehnung an die gesetzliche Rentenversicherung vorgeschriebenen Beitragshöchstgrenzen299 und der damit verbundenen Begrenzung des möglichen Umfangs der Altersversorgung für die Mitglieder auch ein belastender Charakter zukommt.

b) Differenzierende Regelungen (1) §§ 10 II/55 BeamtVG

Als einzige differenzierende Regelung in dem Sinne, daß in der Vorschrift eine unterschiedliche gesetzgeberische Einschätzung der berufsständischen Pflichtversorgung gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausdruck kommt, ist von den oben dargestellten Bestimmungen § 10 II BeamtVG zu nennen. Im Gegensatz zu § 55 BeamtVG, der beim Zusammentreffen von Beamtenversorgung und Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum Dazu im einzelnen unter I 4. Dazu im einzelnen unter 15. 297 Dazu oben unter I 9. Desgleichen ist hier auch die im Rahmen der Hinterbliebenenrentenreform eingeführte Regelung des § 18a III Nr. 7 SGB IV zu erwähnen, s. Fn.293. 298 Siehe oben unter II. 299 Dazu im einzelnen oben unter II 1. 295

296

16 Boecken

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Ruhen der Versorgungsbezüge oberhalb einer festgelegten Grenze (§ 55 II BeamtVG) führt, sieht § 10 11 BeamtVG beim Zusammentreffen von Beamtenversorgung und Rente aus einer berufs ständischen Sicherungseinrichtung lediglich eine nur eingeschränkte Berücksichtigung der Vordienstzeiten des Versorgungsempfängers vor 300 . (2) Verstoß von § 55 BeamtVG gegen Art. 3 I GG

Mit dieser Feststellung wird die Frage aufgeworfen, ob es sich nicht beim Zusammentreffen von Beamtenversorgung und Renten aus den berufsständischen Sicherungseinrichtungen um einen dem in § 55 BeamtVG geregelten Sachverhalt vergleichbaren Fall handelt, so daß die unterschiedliche Behandlung von Renten dieser beiden Sicherungssysteme im Rahmen der Gesamtversorgung als Verstoß gegen Art. 3 I GG anzusehen ist. Besonders deutlich wird diese Fragestellung an folgendem Beispiel: Ein Arzt hat in seinem Berufsleben teilweise als Arbeitnehmer bei einem privaten Arbeitgeber, teilweise als Beamter gearbeitet. War er während seiner Beschäftigung als Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert, so treffen (soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind) bei Eintritt in den Ruhestand Beamtenversorgung und Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusammen, so daß die Bestimmung des § 55 BeamtVG eingreift. Hat sich der Arzt hingegen während seiner Angestelltentätigkeit aufgrund von § 7 11 AVG befreien lassen, so treffen bei Eintritt in den Ruhestand Beamtenversorgung und Rente aus einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zusammen, die Anrechnungsvorschrift des § 55 BeamtVG kommt nicht zur Anwendung (ebenso greift noch nicht einmal die "mildere" Bestimmung des § 10 11 BeamtVG ein, da die Tätigkeit bei einem privaten Arbeitgeber erfolgte). Aus Art. 3 I GG ergibt sich für den Gesetzgeber die Verpflichtung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln301 . Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt erst dann vor, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt, wenn also die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß302. Solange sich hingegen für eine gesetzliche Differenzierung ein sachlicher Grund finden läßt, kann kein Verstoß gegen das Willkürverbot bejaht werden, wenn auch eine andere Regelung eventuell zweckmäßiger gewesen wäre 303 . 300 301 302 303

Siehe im einzelnen oben unter 110 a. BVerfGE Bd. 3, S. 58ff (135). BVerfGE Bd. 49, S. 192 ff. (209). BVerfGE Bd. 27, S. 364ff. (371).

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

243

In Zusammenhang mit der vorliegenden Fragestellung bedeuten diese Grundsätze, daß ein Verstoß gegen Art. 3 I GG dann gegeben ist, wenn - die mit § 55 BeamtVG verbundene Zielsetzung genauso beim Zusammentreffen von Versorgung und einer Rente aus einer berufs ständischen Sicherungseinrichtung relevant wird und - es keine sachlich einleuchtenden Gründe gibt, welche die derzeit bestehende Differenzierung rechtfertigen könnten. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführpo4, ist § 55 BeamtVG mit dem Ziel geschaffen worden, daß die aus Versorgung und Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Gesamtversorgung nicht die Versorgung eines "Nur-Beamten" übersteigen soll, der sein ganzes Arbeitsleben im Beamtenverhältnis zurückgelegt hat 305 . Genau diese Situation kann sich aber auch in den Fällen ergeben, in denen neben der Beamtenversorgung eine Rente aus einer. berufsständischen Sicherungseinrichtung bezogen wird, da auch diese beiden Alterssicherungssysteme strukturell nicht so aufeinander abgestimmt sind, daß eine Besserstellung des "gemischt-versorgten" gegenüber dem nur eine Beamtenversorgung beziehenden Ruheständler ausgeschlossen wäre. Damit tauchen auch hier dieselben Probleme auf - die als Mißstand empfundene Benachteiligung des "Nur-Beamten"306 - zu deren B~seitigung der Gesetzgeber beim Zusammentreffen von Beamtenversorgung und Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung § 55 BeamtVG geschaffen hat. Ist deshalb davon auszugehen, daß die mit § 55 BeamtVG verbundene Zielsetzung beim Zusammentreffen von Versorgung und Rente aus einer Versicherungs- oder Versorgungs einrichtung ebenso relevant wird, so bedarf es für die dennoch gegenwärtig bestehende Differenzierung eines vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonstwie sachlich einleuchtenden Grundes. Ein solcher Grund kann nicht in der Funktion der Leistungen (Renten) selbst gesehen werden, da die Renten aus Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen ebenso wie die aus der gesetzlichen Rentenversicherung gleichermaßen darauf ausgerichtet sind, den Mitgliedern eine Versorgung im Alter (oder bei Invalidität) zu verschaffen 307 . Ein sachlicher Grund kann sich auch nicht daraus ergeben, daß es sich um Renten aus einem von der gesetzlichen Rentenversicherung verschiedenen Alterssicherungssystem handelt. Zwar bestehen diese beiden AlterssicheSiehe unter I 10 b. Stegmüller u.a., BeamtVG, Erl. zu § 55, Rdn. 1; OVG NW in DÖD 1982, S. 42ff. (43); Fürst / Loschelder, ZBR 1983, S. 1ff. (3). 306 Fürst / Loschelder, ZBR 1983, S. 1ff. (3). 307 Siehe unter A, 3. Kap., II 1. 304 305

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

rungssysteme völlig unabhängig nebeneinander (abgesehen von der personalen Identität im Bereich der Angestellten), die in wesentlichen Bereichen vorhandene strukturelle Vergleichbarkeit legt es jedoch gerade nahe, darin kein geeignetes Differenzierungskriterium zu sehen. Denn ebenso wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich bei den Versicherungsund Versorgungseinrichtungen um öffentlich-rechtlich organisierte solidarische Altersversorgungen, die von ihren pflichtversicherten Mitgliedern 308 einkommens bezogene Beiträge309 erheben und Leistungen gewähren, die im Regelfalle auch an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden 310 . Schließlich kann eine unterschiedliche Behandlung auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, daß die Leistungen der Versicherungsund Versorgungseinrichtungen von den Versicherten - als Selbständige ganz, als Angestellte mindestens zur Hälfte - selbst aufgebracht werden 311 . Denn dann dürfte im Rahmen von § 55 BeamtVG von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch nur der Teil berücksichtigt werden, der von den betreffendeo Personen nicht selbst durch Beiträge aufgebracht wird, was jedoch nicht der Fall ist. Aus der Nichtberücksichtigung dieses Umstandes in § 55 BeamtVG ergibt sich, daß dieser Aspekt im Rahmen der geltenden Anrechnungsvorschrift keine Rolle spielt, so daß darauf auch nicht als sachliches Differenzierungskriterium rekurriert werden kann. Gegenteiliges läßt sich auch nicht aus § 55 IV BeamtVG entnehmen (danach bleiben im Rahmen von § 55 I und 11 BeamtVG auf freiwilligeroder Höherversicherung beruhende Rentenanteile außer Betracht), da ausweislich der Gesetzesbegründung eine Anrechnung nur insoweit erfolgen sollte, als die Überhöhung einer Versorgung aus dem Arbeitsleben des Versorgungsempfängers erwächst312 , also in der Weise mit dem Arbeitsleben in Zusammenhang steht, als sie auf dadurch begründeten Pflichtversorgungen beruht313 . Denn freiwillige Versorgungen kann auch ein " Nur-Beamter " zusätzlich aufbauen und damit seine Versorgung erhöhen. Deshalb ist § 55 IV BeamtVG kein Ausdruck dessen, daß selbst aufgebrachte Versorgungen nicht einbezogen werden sollten. Da neben den vorstehenden Gesichtspunkten auch keine anderen erkennbar sind, die eine unterschiedliche Behandlung des Zusammentreffens von Zur Pflichtversicherung unter A, 3. Kap., I 2. Zur Beitragserhebung siehe unter A, 3. Kap., III l. 310 Dazu unter A, 3. Kap., IV 2 b; zur Einordnung der berufsständischen Pflichtaltersversorgung als Sozialversicherung i. S. v. Art. 74 Nr. 12 GG siehe ausführlich im 2. Kap., II. 311 Zur Beitragsaufbringung siehe unter A, 3. Kap., III l. 312 BT-Drs. 4/2174, S. 24. 313 Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse zu den Aufwendungen beigetragen hat, auf denen die in § 55 IV BeamtVG bezeichneten Rententeile beruhen. 308

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1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliehe Berücksichtigung

245

einer Beamtenversorgung mit einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und einer Rente aus einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung andererseits rechtfertigen könnten, verstößt die Regelung des § 55 BeamtVG auf jeden Fall insoweit 314 in seiner geltenden Fassung gegen Art. 3 I GG315. Damit bedarf es einer gesetzgeberischen Neuregelung unter dem Gesichtspunkt, daß die entsprechenden Renten beim Zusammentreffen mit einer Beamtenversorgung gleich behandelt werden müssen 316 . 3. Einordnung der Bestimmungen nach ihrer Regelungswirkung

Betrachtet man die bundesgesetzlichen Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Regelungswirkung insbesondere im Hinblick auf die Versicherungsverhältnisse innerhalb der berufsständischen Pflichtversorgung, so muß insoweit zwischen mittelbarer und unmittelbarer Regelungswirkung unterschieden werden.

a) Mittelbare Regelungswirkung Regelmäßig kommt den bundesgesetzlichen Regelungen bezüglich der Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse nur eine mittelbare Wirkung 314 Inwieweit die Regelung aus anderen Gründen verfassungswidrig ist, insbesondere wegen der Kürzungsgrenze in Absatz II (so Fürst / Losehelder, ZBR 1983, S. 1ff. (4ff.», der Anrechnung von Rententeilen, die auf eigenen Beiträgen beruhen (so Kümmel, ZBR 1982, S. 232ff. (237, Fn. 7); a.A. OVG NW in DÖD 1982, S. 42ff. (43» oder der Änderung durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz (BGBL 1981 I S. 1523) (so Fürst / Losehelder, ZBR 1983, S. 1ff. (l1ff.); Schnupp, DÖD 1982, S. 217, 244, 269ff. (258 und 269ff); a.A. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschluß vom 19. 5.1982 in NVwZ 1982, S. 429 und vom 22.6.1982 in NVwZ 1982, S. 553f.; zwischenzeitlich hat das BVerfG allerdings eine Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des § 55 BeamtVG zur Entscheidung angenommen (siehe Anmerkung der Schriftleitung zum Beschluß des VGH Kassel in NVwZ 1983, S. 748); siehe auch den Vorlagebeschluß des VG Köln vom 8.12.1983 in NVwZ 1984, S. 535; vgl. im übrigen OVG Hamburg in DÖV 1984, S. 350 und die dort aufgeführten Nachweise) bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner weiteren Erörterung, da es hier allein um die Fragestellung geht, ob die derzeit im Bereich der Beamtenversorgung festzustellende Differenzierung zwischen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und berufsständischen Sicherungseinrichtungen gerechtfertigt ist. 315 Für eine Gleichbehandlung hat sich auch die Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme ausgesprochen, die es im Falle der Beibehaltung von § 7 II AVG für erforderlich hält, daß Renten der berufsständischen Versorgungswerke beim Zusammentreffen mit Leistungen der Beamtenversorgung wie Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung behandelt werden (siehe Berichtsband 1, S. 160). 316 Laut schriftlicher Mitteilung des Bundesministers des Innern an den Verfasser vom 18. 8. 1983 ist zwar die Frage einer Einbeziehung von Renten aus öffentlichrechtlichen Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen in die Regelung des § 55 BeamtVG mit den Ländern auf Referatsebene erörtert worden, jedoch sind Entscheidungen im Sinne eines Gesetzesvorschlages nicht getroffen worden.

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

in dem Sinne zu, daß die Normen nicht selbst regelnd in die Rechtsbeziehungen zwischen den Einrichtungen und ihren Mitgliedern eingreifen. Beispielhaft kann hier auf die Vorschrift des § 7 II AVG verwiesen werden, die unmittelbar nur die Voraussetzungen für eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung regelt. Da die Einrichtungen jedoch ein Interesse an der Befreiung der angestellten Berufsstandsangehörigen haben und demzufolge ihre Satzungen nach den in § 7 II AVG aufgestellten Voraussetzungen 317 ausrichten, hat diese Regelung mittelbar auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse. Insoweit werden diese nicht nur durch die auf landesgesetzlicher Grundlage beruhenden Satzungen geregelt, vielmehr unterliegen sie mittelbar quasi als Reflexwirkung - auch dem Einfluß bundesgesetzlicher Bestimmungen.

b) Unmittelbare Regelungswirkung (1) § 166b I S. 2 AFG In einem Fall hat der Bundesgesetzgeber hingegen eine Bestimmung getroffen, welcher bezüglich der Versicherungsverhältnisse eine unmittelbar regelnde Wirkung zukommt. Hierbei handelt es sich um die Beitragsübernahmeregelung des § 166b I AFG318, wonach das Mitglied insoweit, als die Beiträge von der BAfA übernommen werden, von der Beitragsverpflichtung zur jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung befreit wird 319 • Damit wird in diesem Fall unmittelbar kraft bundesgesetzlicher Regelung auf die Beitragsverpflichtung zur Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung Einfluß genommen, ohne daß noch entsprechende Satzungsregelungen getroffen werden müßten 320 . (2) Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Bestimmung des § 166b I S. 2 AFG Voraussetzung für die Zulässigkeit (und Regelungswirksamkeit) einer solchen bundesgesetzlichen Regelung mit unmittelbarer Wirkung auf die AusDazu im einzelnen oben unter 11. Siehe dazu oben unter I 4. 319 Siehe § 166b I S. 2 AFG; der in Art. 7 IV S. 2 MuSchUrlG (BGBL 1979 I S. 797) ebenfalls enthaltenen Befreiungsregelung kommt wegen der Befristung dieser Vorschrift bis zum 31. 12. 1981 heute keine Bedeutung mehr zu. 320 Wie bereits unter A, 3. Kap., III 1 a (3) (a) ausgeführt, besteht demgegenüber nach den einschlägigen Satzungsregelungen auch während Zeiten des Bezuges von Leistungen der BAfA eine Beitragsverpflichtung der betreffenden Mitglieder. 317 31B

1. Kap.: Die bisherige bundesgesetzliche Berücksichtigung

247

gestaltung der Versicherungsverhältnisse ist jedoch, daß dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Während sich die Kompetenz des Bundesgesetzgebers bei den Normen, denen lediglich eine mittelbare Wirkung zukommt, aus der Zuständigkeit für die jeweils geregelte Spezialmaterie ergibt (z. B. für die Befreiung von Angestellten gemäß § 7 II AVG aus Art. 74 Nr.12 GG "Sozialversicherung"), kann dies für die Regelung des § 166b I S. 2 AFG nicht angenommen werden. Zwar steht dem Bund bei der hier in Frage stehenden Beitragsübernahme gemäß § 166b S.l AFG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Nr. 12 GG zu, danach erstreckt sich diese unter anderem auf das Gebiet der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung. Von dem Sachgebiet Arbeitslosenversicherung ist sicherlich auch eine Bestimmung gedeckt, die für Bezieher von Leistungen der BAfA eine Übernahme der Beiträge für die Altersversorgung durch die Anstalt festlegt. Hingegen kann das Sachgebiet Arbeitslosenversicherung nicht für die in § 166b I S. 2 AFG getroffene Befreiungsregelung als Kompetenzgrundlage angesehen werden. Denn damit hat der Gesetzgeber eine unmittelbare Regelung im Bereich der berufsständischen Pflichtversorgung durch Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse getroffen, die für sich keinen spezifischen Bezug zum Sachgebiet Arbeitslosenversicherung hat. Eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit hinsichtlich der Befreiungsregelung kann auch nicht kraft Sachzusammenhang mit dem Gebiet Arbeitslosenversicherung angenommen werden. Der Sachzusammenhang kann eine Zuständigkeit des Bundes nur dann begründen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie 321 . Der mit § 166b I S. 2 AFG gegebene Eingriff in den Bereich der berufsständischen Pflichtversorgung ist nicht unerläßliche Voraussetzung, um die Alterssicherung während des Bezuges von Leistungen im Sinne von § 166b I AFG auf Kosten der BAfA sicherzustellen. Dasselbe Ziel hätte der Gesetzgeber nämlich auch in Form von Beitragserstattungsregelungen zugunsten der betreffenden Personen erreichen können, wovon die Beitragsverpflichtung der Mitglieder gegenüber ihren jeweiligen Einrichtungen unberührt geblieben wäre 322 . BVerfGE Bd. 15, S. 1ff. (20); Bd. 3, S. 407 ff. (421). In anderen Bereichen hat der Gesetzgeber solche Erstattungsregelungen getroffen, siehe § 14b ArbPISchG und § 9a EÜG (dazu oben unter I 6 und 8). 321

322

248

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Steht dem Bundesgesetzgeber somit nicht über das Sachgebiet Arbeitslosenversicherung die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die hier in Frage stehende Befreiungsregelung zu, und zwar auch nicht kraft Sachzusammenhangs, so kann dessen Zuständigkeit dennoch begründet sein, wenn sich aus den Art. 70 ff. GG eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die berufsständische Pflichtversorgung schlechthin ableiten läßt3 23 •

323

Dazu ausführlich im 2. Kap.

Zweites Kapitel

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes I. Überblick über denkbare Kompetenzgrundlagen 1. Allgemeine Abgrenzung zwischen Bundes- und Landeskompetenzen

Die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern ergibt sich aus Art. 70 I GG, danach haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Nach dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Länderkompetenz kann sich eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes in der Regel nur aus einer ausdrücklichen Verleihung im Grundgesetz ergeben 1. Gemäß Art. 7011 GG bemißt sich die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern nach den Vorschriften über die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung, die sich allerdings nicht nur im VII. Abschnitt über die Gesetzgebung, sondern auch außerhalb an anderer Stelle im Grundgesetz finden 2 • Darüber hinaus ist für diese Abgrenzung noch die in Art. 75 GG genannte Rahmengesetzgebung von Bedeutung 3 . Damit kann dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit hinsichtlich des Alterssicherungssystems der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen nur dann zustehen, wenn ihm eine solche durch das Grundgesetz ausdrücklich zugewiesen ist, daß heißt, wenn die Pflichtversorgung einem der im Grundgesetz ausdrücklich genannten Gegenstände der ausschließlichen, konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung zugerechnet werden kann. 2. Denkbare Kompetenzgrundlagen

Da eine Einordnung der berufsständischen Pflichtaltersversorgung unter einen der in Art. 73 GG oder an anderer Stelle im Grundgesetz genannten BVerfGE Bd. 12, S. 205ff. (228). Siehe im einzelnen v. Münch, in: v. Münch, GGK, Bd. 3, Art. 70, Rdn. 14 und 24. 3 "Dreiteilung der Gesetzgebungsarten", Maunz, in: Maunz / Dürig, Komm. z. GG, Art. 70, Rdn. 31; anders v. Münch, in: v. Münch, GGK, Bd. 3, Art. 70, Rdn. 24 unter Hinweis auf das BVerfG: Zweiteilung der Bundesgesetzgebung. 1

2

250

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung und die in Art. 75 GG genannte Rahmengesetzgebung ohne weiteres ausscheidet, kann sich eine Bundeskompetenz nur aus dem Bereich konkurrierender Gesetzgebungszuständigkeit ergeben. Während auch hier eine Zuständigkeit aus Art. 74a GG sowie den außerhalb des VII. Abschnitts des Grundgesetzes geregelten Kompetenzen von vornherein ausgeschlossen werden kann, finden sich in Art. 74 GG verschiedene Anknüpfungspunkte, die als Grundlage für eine Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der berufsständischen Pflichtaltersversorgung in Betracht kommen könnten. Insoweit bieten sich aus dem Katalog des Art. 74 GG folgende Sachgebiete an: die Kompetenztitel, welche dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit zur Regelung des Berufsrechts bestimmter Berufe geben, die öffentliche Fürsorge in Art. 74 Nr. 7 GG, das privatrechtliche Versicherungswesen in Art. 74 Nr. 11 GG sowie der Bereich der Sozialversicherung in Art. 74 Nr. 12 GG. Von den vorgenannten Kompetenzbereichen kann allerdings nur das Sachgebiet Sozialversicherung als Zuständigkeitsgrundlage zur Regelung der Pflichtaltersversorgung ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Auch wenn man nämlich davon ausgeht, daß eine berufsrechtliche Gesetzgebungskompetenz gleichzeitig die Zuständigkeit zur Regelung einer öffentlich-rechtlichen Pflichtversorgung des jeweiligen Berufsstandes beinhaltet4, so könnte daraus keine umfassende Kompetenz des Bundes zur Regelung der Pflicht altersversorgung der hier in Frage stehenden freien Berufe 5 abgeleitet werden. Denn insoweit steht dem Bund nicht für jeden dieser Berufe die Kompetenz zur umfassenden Regelung des Berufsrechts zu, so daß sich aus berufsrechtlichen Kompetenzen überhaupt nur eine partielle Zuständigkeit ergeben könnte. So ist der Bund zwar zum Beispiel zur Regelung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Notare und Rechtsberater aufgrund von Art. 74 Nr. 1 GG konkurrierend zuständig, wozu neben der Zulassung zum Beruf unter anderem auch die Zuständigkeit zur Regelung der Berufsausübung einschließlich des Gebührenwesens rechnet 6 • Demgegenüber gehört aber zum Beispiel hin4 So Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe, S. 199ff., im Anschluß an Schneider, H., Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung freier Berufe und das Grundgesetz, S. 47f., der dies für eine Pflichtversorgung auf der Grundlage von Art. 74 Nr.l GG für Rechtsanwälte, Notare und Rechtsberater bejaht; a. A. Schachner, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Pflichtaltersversorgung freier Berufe, S. 62. 5 Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Architekten, Seelotsen, Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater. 6 BVerfGE Bd. 17, S. 287ff. (292).

2. Kap.: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

251

sichtlich der Berufsstände der Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte nur die Zulassung zu diesen Berufen zur konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 19 GG), wovon nur solche Regelungen erfaßt werden, die sich auf die Erteilung, Zurücknahme und den Verlust der Approbation oder auf die Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes beziehen7 . Zumindest für den Bereich der ärztlichen Berufe könnte demgemäß unter dem Gesichtspunkt der Berufsrechtskompetenz keine Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der Pflichtaltersversorgung hergeleitet werden, so daß schon hieraus - ohne noch auf die Gesetzgebungszuständigkeit für das Berufsrecht der anderen freien Berufe näher einzugehen 8 - deutlich wird, daß dem Bund auf der Grundlage von berufsrechtlichen Kompetenztiteln keine Gesetzgebungszuständigkeit für die öffentlich-rechtliche Pflichtaltersversorgung schlechthin zustehen kann. Ebensowenig kann die Kompetenz des Bundes auf das Sachgebiet "öffentliche Fürsorge" in Art. 74 Nr. 7 GG gestützt werden. Zwar unterfällt diesem Begriff nicht nur das Fürsorgerecht im verwaltungsrechtlichen Sinne in Form der heutigen Sozialhilfe (BSHG)9, vielmehr rechnen hierzu alle fürsorgerischen Aufgaben des Staates, soweit sie nach den Grundsätzen einer individuellen und subsidiären Hilfeleistung durchgeführt werden 10 . Unabhängig von der genauen Reichweite dieses Fürsorgebegriffs ist es jedoch wesentliches Merkmal der "öffentlichen Fürsorge" im Sinne von Art. 74 Nr. 7 GG, daß die jeweilige Hilfeleistung von einem öffentlich-rechtlich organisierten (oder beliehenen) Träger mit öffentlichen Mitteln durchgeführt wird l l , mithin die "öffentliche Fürsorge" durch die Freiheit von Beitragslasten gekennzeichnet ist1 2 . Hieraus folgt, daß die öffentlich-rechtliche Pflichtversorgung der freien Berufe nicht dem Kompetenztitel "öffentliche Fürsorge" als zugehörig erachtet werden kann, da ja gerade die im Rahmen dieser Versorgung gewährten Leistungen im wesentlichen durch Beiträge der Versicherten finanziert werden 13 . Das eingangs als weiterer Anknüpfungspunkt für eine Gesetzgebungszuständigkeit genannte Sachgebiet des privatrechtlichen Versicherungswesens in Art. 74 Nr. 11 GG scheidet zwar nicht schon deshalb aus, weil es sich bei der berufsständischen Pflichtversorgung in Form der VersicherungsBVerfGE Bd. 33, S. 125ff. (154f.). Siehe dazu Hahn (Fn. 4), S. 196ff. 9 Maunz, in: Maunz / Dürig, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn. 46. 10 Wannagat, Lb., Bd. I, S. 6. 11 Maunz, in: Maunz / Dürig, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn. 46; Hahn (Fn. 4), S. 202; Schachner (Fn. 4), S. 56; a.A. BSGE Bd. 6, S. 213ff. (223); dagegen zu Recht Hahn (Fn. 4), S. 202 und Schachner (Fn. 4), S. 56f. 12 Bogs, W., Zur Rechtsnatur der Versorgungseinrichtungen freier Berufe, in: Beiträge zur Sozialversicherung, S. 35ff. (37); Schachner (Fn. 4), S. 56. 13 So auch Hahn (Fn. 4), S. 202 f.; Klass, Honorarverteilung durch kassen ärztliche Vereinigungen, S. 60f.; Schachner (Fn. 4), S. 56. 7

8

252

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

und Versorgungseinrichtungen nicht um Versicherung im Sinne dieses Kompetenztitels handeln würde 14 . Jedoch kann die berufsständische Pflichtversorgung nicht dem "privatrechtlichen" Versicherungswesen zugerechnet werden, da hiervon zumindest nicht solche Versicherungsträger erfaßt werden, bei denen die Versicherungsverhältnisse öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind 15 . Genau dies ist aber bei den Rechtsbeziehungen zwischen den Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen einerseits und ihren Mitgliedern andererseits der Fall, diese sind öffentlich-rechtlicher Natur 16 . Das folgt bereits, ohne auf die Ausgestaltung der Beziehungen im einzelnen abstellen zu müssen, aus der Art der Begründung der Rechtsverhältnisse. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ist nämlich davon auszugehen, daß Rechtsverhältnisse, die nicht durch einen privatrechtlichen Akt (Vertrag, einseitige Beitrittserklärung oder kollektive Vereinbarung wie Tarifvertrag), sondern unmittelbar durch Gesetz entstehen, öffentlichrechtlichen Charakter haben 17 . Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, entsteht die Pflichtmitgliedschaft in den Versicherungs- und Versorgungs einrichtungen automatisch bei Vorliegen der entsprechenden, in Gesetz oder Satzung vorgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen, eine Willenserklärung seitens des Berufsstandsmit. glieds ist nicht erforderlich 18 . Können demgemäß berufsrechtliche Regelungskompetenzen sowie die Sachgebiete der öffentlichen Fürsorge und des privatrechtlichen Versicherungswesens nicht als Kompetenzgrundlagen für eine Regelung der Pflichtaltersversorgung herangezogen werden, so bleibt nur die Möglichkeit, eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus dem Sachgebiet Sozialversicherung in Art. 74 Nr.12 GG abzuleiten 19 .

14 Gegenteilig ist diese in Abgrenzung zur Versorgung und Fürsorge als Versicherung anzusehen, so auch Lerche / Pestalozza, Rechtsgutachten, S. 50; ausführlich zu dieser Abgrenzung Hahn (Fn. 4), S. 42ff. und Schachner (Fn. 4), S. 22ff. 15 BVerfGE Bd. 41, S. 205ff. (219); Bd. 10, S. 141ff. (162). 16 So auch Sachverständigenkommission (SVK) Alterssicherungssysteme, Gutachten, Berichtsband 1, S. 111; Lerche / Pestalozza, Rechtsgutachten, S. 51f. 17 BGHZ Bd. 4.• S. 208ff. (212) unter ausdrücklichem Hinweis auf die Bayerische Apotheker- und Arzteversorgung; BVerwGE Bd. 17, S. 74ff. (75); vgl. auch BVerwG in DVBl. 1958, S. 579 (580) sowie in DVBl. 1960, S. 70. 18 Siehe unter A, 3. Kap., I 2 a; bei der freiwilligen Mitgliedschaft hat der betreffende Berufsstandsangehörige zwar einen Antrag zu stellen, das Versicherungsverhältnis selbst wird jedoch durch Verwaltungs akt begründet und damit - wie bei der Pflichtmitgliedschaft - ohne Zutun des Versicherten, siehe unter A, 3. Kap., I 3 a. 19 Dazu ausführlich unter II.

2. Kap.: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

253

11. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus Art. 74 Nr. 12 GG "Sozialversicherung" Gemäß Art. 74 Nr. 12 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf das Gebiet der Sozialversicherung. Für die Frage, inwieweit die berufsständische Pflichtaltersversorgung der freien Berufe zum Bereich der Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG zu rechnen ist, bedarf es zunächst einer Klärung dieses Begriffs. 1. Begriff der Sozialversicherung i.S. v. Art. 74 Nr. 12 GG

Hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG werden unterschiedliche Ansichten vertreten, wobei sich heute zwischen den Extrempositionen einer sehr engen Auslegung (siehe unter a) auf der einen und einer sehr weiten Auslegung (siehe unter b) auf der anderen Seite eine dritte "vermittelnde" Auslegung in der Rechtsprechung und ganz herrschenden Literatur herausgeschält hat (siehe unter c). a) Enge Auslegung

Nach dieser Ansicht ist unter dem verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung nur die Versicherung der sozial schwächeren Schichten, insbesondere der Arbeitnehmer, zu verstehen. Der Begriff sei nach dem herkömmlichen Sinn dieses Ausdrucks zu bestimmen und umfasse daher nur die Zweige der klassischen Sozialversicherung (Kranken-, Unfall-, Altersund Invalidenversicherung)20 einschließlich der Arbeitslosenversicherung 21 . Für diese, an die klassische Bedeutung des Begriffs Sozialversicherung anknüpfende Auffassung wird im wesentlichen zur Begründung angeführt, der Begriff Sozialversicherung werde in Art. 74 Nr. 12 GG in unmittelbarem Zusammenhang mit den Worten "Arbeitsrecht einschließlich ... des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung" gebraucht. Schon daraus sei zu folgern, daß mit Sozialversicherung - ebenso wie in Art. 7 Nr. 9 Weimarer Reichsverfassung (WeimRV) - die Versicherung sozial schwächerer Schichten, insbesondere der Arbeitnehmer, gemeint sei, nicht aber eine Versicherung, die sämtliche Angehörige eines freien Berufes ohne Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse erfasse 22 . Siehe Wannagat, Lb., Bd. I, S. 20. Bay. VerfGH Bd. 12, S. 14ff. (17f.); Schmitt-Lermann, Die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft bei der Bayerischen Ärzteversorgung, S. 55; Hamann, Deutsches Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 174; Adler, DVZ 1953, S.200ff. (204); v. Hippel, Eike, Rechtsgutachten, S. 5; Peters, Rechtsgutachten, S. 9; Hamann / Lenz, Komm. z. GG, Art. 74, Anm. 23. 20

21

254

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Neben dieser Gesamtbetrachtung von Art. 74 Nr. 12 GG wird als weiteres Argument für ein enges Verständnis dieser Bestimmung angeführt, daß es der Grundgesetzgeber für notwendig erachtete, den Begriff "Sozialversicherung" durch den Zusatz "einschließlich der Arbeitslosenversicherung" näher zu erläutern 23 . Daraus sei zu folgern, daß der Verfassungsgeber von einem engen Begriff der Sozialversicherung ausgegangen sei, denn dieser begrifflichen Zuordnung der Arbeitslosen- zur Sozialversicherung hätte es nicht bedurft, wenn die Arbeitslosenversicherung ohne weiteres als Bestandteil der Sozialversicherung angesehen worden wäre 24 . Da es sich hierbei um eine schrittweise Erweiterung des klassischen Sozialversicherungsbegriffs von Seiten des Verfassungsgebers handele, würde gerade durch die Einbeziehung des Begriffs Arbeitslosenversicherung in die Sozialversicherung eine weitere Ausdehnung auf andere Bereiche von vornherein ausgeschlossen 25 . Dieser engen Begriffsbestimmung von Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG kann nicht gefolgt werden. Zwar spricht die Gesamtbetrachtung des Wortlauts von Art. 74 Nr. 12 GG für die oben dargestellte enge Auslegung des Begriffs Sozialversicherung. Denn die übrigen in diesem Kompetenztitel genannten Gebiete weisen eine enge Verknüpfung mit dem Arbeitsleben des unselbständig erwerbstätigen Arbeitnehmers auf. Dem kann jedoch auf der Grundlage der historischen Auslegung entgegengehalten werden, daß der Grundgesetzgeber gerade keine Beschränkung auf das klassische, arbeitnehmerbezogene Verständnis des Begriffs Sozialversicherung im Grundgesetz festschreiben wollte. Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind im Grundgesetz im Hinblick auf die WeimRV formuliert worden, so daß zur Auslegung der Zuständigkeitsnormen auf das Verständnis der Bestimmungen der WeimRV zurückgegriffen werden kann 26 . Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 7 Ziff. 9 der WeimRV27 von Bedeutung, wonach dem Reich die Gesetzgebung über "das Arbeitsrecht, die Versicherung und den Schutz der Arbeiter und Angestellten sowie den Arbeitsnachweis" zustand 28 . Während hier also die Reichskompetenz ausdrücklich auf die Versicherung der Arbeiter und Angestellten beschränkt war, ist der Verfassungsgeber des Grundgesetzes 22 Bay. VerfGH Bd.12, S. 14ff. (17f.); siehe auch Schmitt-Lermann (Fn. 21), S. 55; Peters, Rechtsgutachten, S. 9 - 1l. 23 Bay. VerfGH Bd. 12, S. 14ff. (18). 24 Lerche / Pestalozza, Rechtsgutachten, S. 36. 25 Lerche / Pestalozza, Rechtsgutachten, S. 36. 26 BVerfGE Bd. 3, S. 407ff. (414f.); Bd. 33, S. 52ff. (61); Bd. 42, S. 20ff. (29); Leibholz / Rinck, Komm. z. GG, Vor Art. 70 - 82, Rdn. 6. 27 RGBl. 1919 S. 1383. 28 Schneider, H. (Fn. 4), S. 50.

2. Kap.: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

255

durch die Formulierung in Art. 74 Nr.12 GG von dieser Beschränkung abgewichen, so daß dies gegen eine enge Auslegung ins Feld geführt werden kann. Somit führen die Gesamtbetrachtung einerseits und ein Vergleich mit Art. 7 Ziff. 9 WeimRV andererseits zu unterschiedlichen Ergebnissen, woraus zumindest zu folgern ist, daß die auf eine Gesamtbetrachtung von Art. 74 Nr. 12 GG abstellende enge Ansicht nicht zwingend ist 29 • Ebensowenig überzeugend ist das weitere Argument für die Begründung der engen Auslegung, das auf die Formulierung "Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung" in Art. 74 Nr. 12 GG abhebt. Obwohl die Arbeitslosenversicherung nicht zu den klassischen Bereichen der Sozialversicherung gehört, soll sie nach dem Willen des Grundgesetzgebers von dem Begriff Sozialversicherung im Sinne des Kompetenztitels mit eingeschlossen werden, um zu verdeutlichen, daß mit diesem Begriff hier nicht nur die klassischen Zweige der Sozialversicherung gemeint sind 30 . Denn während von den klassischen Zweigen der Sozialversicherung Risiken erfaßt werden, die sich in dem Ausfall der menschlichen Arbeitskraft als Existenzgrundlage verwirklichen , wird mit der Arbeitslosenversicherung auf ein Risiko abgestellt, das zwar ebenfalls den einzelnen betrifft, seinen Entstehungsgrund aber außerhalb des Individuums, nämlich in der Lage des Arbeitsmarktes hat 31 . Ordnet nun Art. 74 Nr. 12 GG dieses neue Risiko ebenfalls dem Bereich Sozialversicherung zu, so ergibt sich daraus, daß dieser Begriff nicht auf das herkömmliche Verständnis - die klassischen Zweige der Sozialversicherung - beschränkt ist 32 • Damit läßt sich gerade die ausdrückliche Einbeziehung der Arbeitslosenversicherung in die Sozialversicherung gegen eine restriktive Interpretation anführen 33 . Entscheidend gegen die enge Auslegung von Art. 74 Nr. 12 GG spricht jedoch die Funktion der Kompetenznorm, davon ausgehend, daß die Systematik des Grundgesetzes weder eine weite noch eine enge, sondern eine sachgemäße und funktionsgerechte Auslegung der Kompetenzvorschriften verlangt 34 . Schneider, H. (Fn. 4), S. 5l. BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (112). 31 Bogs, W., Zum verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung, in: Neue Wege der Fürsorge, S. 47ff. (49f.). 32 Bogs, W. (Fn. 31), S. 47 ff. (50). 33 So auch Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 44; Nipperdey I Säcker, Zur verfassungsrechtlichen Problematik von Finanzausgleich und Gemeinlast in der Sozialversicherung, S. 17. 34 Rinck, Zur Abgrenzung und Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern, in: Festschrift für Gebhard Müller, S. 289ff. (300); im Anschluß daran ebenso BVerfGE Bd. 36, S. 193ff. (209). 29

30

256

Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Diese Funktion ist gerade darin zu sehen, dem Gesetzgeber in Hinblick auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen "einen bestimmten Wirklichkeitsausschnitt" zur rechtlichen Gestaltung zuzuweisen 35 . Aufgrund der zukunftsbezogenen Zielsetzung der Kompetenznormen muß den in ihnen genannten Sachverhalten "immer der Umfang zuerkannt werden, in dem sie sich dem Gesetzgeber zu einer beliebigen Zeit unter beliebigen sozialen Voraussetzungen darbieten"36. Diese unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Dynamik zu fordernde "Offenheit" von Kompetenznormen in dem Sinne, daß diese einem Bedeutungswandel unterliegen können 37 , findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Auslegung von Zuständigkeitsnormen nicht zu einer "Versteinerung" dieser Bestimmungen und damit zu einer Festschreibung des jeweiligen Kompetenzumfangs, der bei Entstehung der Verfassung anerkannt wurde, führen darf38 . Denn es wäre nur schwer mit dem Gesamtsinn einer bundesstaatlichen Verfassung zu vereinbaren, wenn sich die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern mit jeder technischen, wirtschaftlichen und sozialen Neuerung zuungunsten des Bundes verschieben würde 39 . Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die historische Auslegung unter Anknüpfung an die Verfassungs tradition zu einem wesentlichen Auslegungskriterium für Kompetenznormen gemacht 40 , das heißt, zur Auslegung der jeweiligen Zuständigkeitsnormen werden als Maßstab Kompetenzvorschriften früherer Verfassungen (insbesondere der WeimRV) und die hierzu ergangene Gesetzgebungspraxis herangezogen 41 . Jedoch kann dieses Kriterium der traditionellen Kompetenzinterpretation als ein - wenn auch wichtiger - Auslegungsgrundsatz nicht dahingehend aufgefaßt werden, den Umfang der Zuständigkeitsnormen in ihrer Bedeutung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes zu begrenzen und damit einen "Endzustand der kompetenziellen Entwicklung" herbeizufühNipperdey / Säcker (Fn. 33), S. 18. Schneider, H. (Fn. 4), S. 52. 37 Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, S. 54. 38 üssenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 33; Leisner, Von der Verfassungs mäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, in: Recht und Staat, Heft 286/287, S. 45, spricht davon, daß eine völlige "Sperre" des Gesetzgebungszustandes von 1949 vermieden werden muß; siehe demgegenüber die Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, der auf der Grundlage einer "Versteinerungstheorie" unter Abstellen auf den Wortlaut der Kompetenzbestimmungen diesen allein diejenige Bedeutung beimißt, welche ihnen nach der Rechtsauffassung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung zukam; dazu m. N. Bullinger (Fn. 37), S. 52 f. 39 Bullinger (Fn. 37), S. 52. 40 Siehe Fn. 26. 41 Scholz, Ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz Bd. II, S. 252ff. (265); üssenbühl (Fn. 38), S. 32. 35 36

2. Kap.: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

257

ren 42 . Vielmehr ist die vorbeschriebene offene Auslegung gerade in den Bereichen erforderlich, wo technische und soziale Entwicklungen stattfinden und der Verfassungsgeber nicht von abgeschlossenen unterverfassungsrechtlichen Normenkomplexen ausgehen durfte, wobei hierfür als Beispiel auf den Kompetenzbereich von Art. 74 Nr. 12 GG verwiesen werden kann 43 . Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß eine enge Auslegung des Begriffs Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG auch nicht aus dem Grundsatz der "Stringenz" als Interpretationsgesichtspunkt für die Art. 73 ff. GG begründet werden kann 44 . Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden, daß nach dem Grundsatz der Länderkompetenz (Art. 30, 70 I GG) eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes in der Regel nur auf eine ausdrückliche Verleihung im Grundgesetz gestützt werden kann und bei Zweifeln über die Zuständigkeit keine Vermutung zugunsten einer Bundeskompetenz gegeben sei; vielmehr verlange die Systematik des Grundgesetzes eine " strikte Interpretation" der Art. 73 ff. GG45. Darüber hinaus nimmt das Bundesverfassungsgericht sogar eine Vermutung für die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder an 46 . Abgesehen davon, daß das Gericht an anderer Stelle ausführt, daß im Hinblick auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern nicht eine "möglichst enge, sondern eine dem Sinn gerecht werdende Auslegung von Bundeskompetenzen geboten (sei)"47 und damit den Interpretationsgesichtspunkt der " Stringenz " schon selbst relativiert, kann auch eine "strikte Interpretation" auf der Grundlage einer Vermutung der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder (unterstellt, eine solche Vermutung könnte tatsächlich aus dem Grundgesetz abgeleitet werden)48 nicht dazu führen, bei Zweifeln über die Zuständigkeit des Bundes diese unter Rückgriff auf die Vermutungsregel abzulehnen 49 . Denn eine solche Vorgehensweise würde - ebenso wie das maßgebende Abstellen auf die historische Interpretation - eine "Versteinerung des Kompetenzsystems" zur Folge haben 50 , was aber gerade für die Kompetenznorm des Art. 74 Nr. 12 GG abgelehnt werden muß51. Ossenbühl (Fn. 38), S. 33; Leisner (Fn. 38), S. 42ff. Scholz (Fn. 41), S. 252ff. (266). 44 So aber Lerche / Pestalozza, Rechtsgutachten, S. 39. 45 BVerfGE Bd. 15, S. 1ff. (17); Bd. 12, S. 205ff. (228); Bd. 26, S. 281ff. (297f.). 46 BVerfGE Bd. 26, S. 281ff. (297); Bd. 42, S. 20ff. (28). 47 BVerfGE Bd. 15, S. 126ff. (139). 48 Zur überzeugenden Kritik an dieser Vermutungsregel siehe Rinck (Fn. 34), S. 289ff.; Scholz (Fn. 41), S. 252ff. (254ff.). 49 Ossenbühl (Fn. 38), S. 33. 50 Ossenbühl (Fn. 38), S. 33. 51 Siehe oben. 42

43

17 Boecken

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Teil B: Die Stellung des Bundesgesetzgebers

Aus den vorgenannten Gründen kann deshalb einer engen Auslegung nicht gefolgt werden, welche den Begriff Sozialversicherung allein im Sinne seiner herkömmlichen, zum Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes maßgebenden Bedeutung und damit beschränkt auf die klassischen Sozialversicherungszweige, verstanden wissen Will 52 .

b) Weite Auslegung Auf der anderen Seite ist aber auch eine Auslegung des Begriffs Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG abzulehnen, welche hierin eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für "die soziale Sicherheit" schlechthin sieht. So hat die Bu.ndesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen 53 die Auffassung vertreten, der Begriff. "Sozialversicherung" habe einen schon bei Entstehung des Grundgesetzes bekannt gewesenen Bedeutungswandel erfahren, weswegen die Formulierung Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung "die soziale Sicherheit" insgesamt meine 54 . Einer solch extensiven Interpretation sind das Bundesverfassungsgericht und mit diesem übereinstimmend die Literatur zu Recht entgegengetreten, da die Auslegung im Sinne einer sozialrechtlichen Generalklausel nicht mit Wortlaut und Sinn der Kompetenzregelung zu vereinbaren ist 55 . Unter den in die deutsche Sozialpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg als Übersetzung des internationalen Begriffs "Securite sociale" eingeführten Begriff der "sozialen Sicherheit"56 fallen nicht nur der Bereich der Sozialversicherung, sondern als weitere Teilbereiche auch die Gebiete der Fürsorge und Versorgung57 . Würde man nun über das Gebiet "Sozialversiche52 Ebenso: Isensee (Fn. 33), S. 44; Zacher, Sozialpolitik und Verfassung im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland, S. 58f.; Schneider, H. (Fn. 4), S. 52; Nipperdey / Säcker (Fn.33), S.17; Leibholz / Rinck, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn.5; BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (111f.); Maunz, in: Maunz / Dürig, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn. 83; Giese / Schunck, Komm. z. GG, Art. 74, Anm. 12; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd.lI, Art. 74, Anm. XXVI, 2 a; Wannagat, Lb., Bd. I, S. 20; Bogs, W. (Fn. 31), S. 47ff. (49). 53 Kindergeldgesetz vom 13. 11. 1954, BGBL 1954 I S. 333. 54 Zitiert nach BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (111). 55 BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (l1lf.); Bd.62, S.354ff. (366); Bogs, W. (Fn.31), S. 47ff. (49); Nipperdey / Säcker (Fn. 33), S. 16; Krohn, Die soziale Unfallversicherung im System des Rechts, in: Grundsatzfragen der sozialen Unfallversicherung, S. 23ff. (24f.); Köttgen, Der soziale Bundesstaat, in: Neue Wege der Fürsorge, S. 19ff. (38); Isensee (Fn. 33), S. 44; Zacher (Fn. 52), S. 52; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn. 31. 56 Krohn (Fn. 55), S. 23ff. (24f.).

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rung" in Art. 74 Nr. 12 GG dem Bundesgesetzgeber eine Kompetenz zur Regelung des gesamten Bereichs der "sozialen Sicherheit" geben, so hätte dies zur Folge, daß davon auch die Bereiche erfaßt würden, die nicht im Wege der Versicherung durchgeführt werden 58 . Aus Wortlaut und Sinn des in Art. 74 Nr. 12 GG verwendeten Begriffs Sozialversicherung folgt jedoch, daß hier nur der Teilbereich der "sozialen Sicherheit" erfaßt werden soll, der in versicherungsmäßiger Form, das heißt, unter Durchführung eines Solidarausgleichs zwischen den an einer Solidargemeinschaft Beteiligten, die zur Beitragsentrichtung verpflichtet sind, durchgeführt wird 59 • Weiterhin ergibt sich aus der Systematik des Kompetenzkatalogs in Art. 74 GG, daß der Begriff Sozialversicherung in Nr. 12 nicht deckungsgleich ist mit der "sozialen Sicherheit" als Oberbegriff für Sozialversicherung, Versorgung und Fürsorge. Denn in Art. 74 Nr. 7 und Nr. 10 GG werden mit den Kompetenzgebieten "öffentliche Fürsorge" (Nr. 7) sowie Kriegsopferversorgung (Nr. 10) andere Teilbereiche der "sozialen Sicherheit" gesondert aufgeführt, was unverständlich wäre, wenn mit dem Begriff Sozialversicherung bereits der gesamte Bereich hätte abgedeckt werden sollen 6o . Gerade aus dieser Gegenüberstellung der verschiedenen in Art. 74 GG genannten Kompetenzgebiete des Gesamtbereichs der "sozialen Sicherheit" wird deutlich, daß für die Auslegung und Abgrenzung der einzelnen Regelungen nicht auf die Zielrichtung - der Schaffung "sozialer Sicherheit" abgestellt werden kann, sondern auf die Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht werden so1l61. Damit kann aber unter Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG nicht eine Generalklausel verstanden werden, welche dem Bund die umfassende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der "sozialen Sicherheit" schlechthin verleihen würde. c) Vermittelnde Auslegung

Kann demgemäß weder einer engen Auslegung des Kompetenztitels Sozialversicherung in Art. 74 Nr. 12 GG im Sinne einer Beschränkung auf das bei Entstehung des Grundgesetzes vorhandene Verständnis noch der Auffassung von einer allumfassenden Generalklausel für das Gebiet der "sozialen Sicherheit" schlechthin gefolgt werden, so ist im Anschluß an das Bundesverfassungsgericht der kompetenz rechtliche Begriff der Sozialversi57 Nipperdey / Säcker (Fn. 33), S. 16; zur Abgrenzung dieser Teilbereiche vgl. Wannagat, Lb., Bd. I, S. 31ff. SB BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (111). 59 Bogs, W. (Fn. 31), S. 47ff. (49). 60 Nipperdey / Säcker (Fn. 33), S. 16; Isensee (Fn. 33), S. 44. 61 Isensee (Fr).. 33), S. 44.

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cherung vielmehr als "verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff"62 zu verstehen, unter den alle die Lebenssachverhalte eingeordnet werden können, die sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellen 63 . Dies ist der Fall, "wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprechen, das durch die "klassische" Sozialversicherung geprägt ist"64. In dieser Beschreibung des Kompetenzbegriffs Sozialversicherung kommt einerseits die Ablehnung einer generalklauselartigen Bedeutung im Sinne von "sozialer Sicherheit" zum Ausdruck, indem nämlich die Einordnung neuer Lebenssachverhalte unter den Kompetenztitel an dem prägenden Vorbild der "klassischen" Sozialversicherung zu messen ist, andererseits wird mit dieser Beschreibung jedoch auch deutlich gemacht, daß es sich um einen entwicklungsfähigen, für die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte "offenen" und nicht auf das bei Entstehung des Grundgesetzes vorhandene Verständnis von Sozialversicherung beschränkten Begriff handelt. Zum Wesen der Sozialversicherung gehört nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts "jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit"65. Ausgehend von dieser Wesensbestimmung, wobei mit der Formulierung "jedenfalls" zum Ausdruck gebracht worden ist, daß es sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung der Strukturelemente handelt6 6, nimmt das Gericht zu zwei Begriffselementen näher Stellung, und zwar dem des gemeinsam zu deckenden Bedarfs sowie der organisatorischen Bewältigung. Danach erfordert das Begriffsmerkmal der Deckung eines gemeinsamen Bedarfs das Vorhandensein eines sozialen Bedürfnisses nach Ausgleich besonderer Lasten 67 . Ein solches soziales Schutzbedürfnis ist nicht nur bei Vorliegen einer Notlage sowie begrenzt auf die gesellschaftliche Gruppe der Arbeitnehmer zu bejahen, wie es bei Entstehung der Sozialversicherung der 62 Kritisch gegenüber dieser Begriffsbildung v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz Bd. II, Vorbem. zur Gesetzgebung des Bundes, III 6 d. 63 So das BVerfG in gefestigter Rechtsprechung: BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (111 f.); Bd. 62, S. 354ff. (366); Bd. 63, S. 1ff. (34f.); ebenso die herrschende Lehre: Maunz, in: Maunz / Dürig, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn.83; Leibholz / Rinck, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn. 5; v. Münch, in: v. Münch, GGK, Bd. 3, Art. 74, Rdn. 62; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Komm. z. GG, Art. 74, Rdn. 31; Bogs, W. (Fn. 31), S. 47ff. (50); Nipperdey / Säcker (Fn. 33), S. 13 ff. m. w. N. 64 BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (112); Bd. 62, S. 354ff. (366); Bd. 63, S. 1ff. (34f.). 65 BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (112) im Anschluß an BSGE Bd. 6, S. 213ff. (227); diese vom BVerfG und BSG zugrunde gelegte Definition stammt ursprünglich von Manes, s. Bogs, W. (Fn. 31), S. 47 ff. (51, Fn. 5). 66 Isensee (Fn. 33), S. 45. 67 BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (113); Bd. 63, S. 1ff. (35).

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Fall war, vielmehr haben Krieg und Inflation sowie die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen dazu geführt, daß der von der Sozialversicherung erfaßte Personenkreis zum Zwecke des Ausgleichs der durch die gesellschaftlichen Entwicklungen entstehenden Belastungen immer mehr ausgeweitet wurde 68 . Gehörten bereits den "klassischen" Zweigen der Sozialversicherung auch Arbeitnehmer mit höheren Einkommen und Selbständige an 69 , so hat sich die Entwicklung der Sozialversicherung von einer zunächst auf die sozial schwache Gruppe der Arbeitnehmer bezogenen Sicherungseinrichtung zu einer auch andere gesellschaftliche Gruppen, unter anderem auch Selbständige, erfassenden Sicherungseinrichtung bis in die jüngste Zeit hinein in immer stärkerem Maße vollzogen 7o • Beispielhaft genannt für diese Entwicklung seien hier nur die Einführung der Handwerkerpflichtversicherung im Jahre 1938 71 , womit der "Grundsatz der ,Arbeiterversicherung' entscheidend durchbrochen"72 wurde, weiterhin die Einbeziehung der Landwirte durch das GAU 3 , die sogenannte "Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung" durch das RRG 1972 74 , welche Selbständigen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Pflichtversicherung kraft Antrags (§ 2 I Nr. 11 AVG) sowie der freiwilligen Versicherung (§ 10 AVG) eröffnete sowie als vorläufiger Schlußpunkt das Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (KSVG)15. Neben dem Element des sozialen Bedürfnisses nach Ausgleich besonderer Lasten ist das Bundesverfassungsgericht auf die Frage der organisatorischen Bewältigung näher eingegangen und haf in diesem Zusammenhang als für die Sozialversicherung charakteristisches Element herausgestellt, daß es sich bei den Trägern um selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt, deren Leistungen durch Beiträge finanziert werden 76 . Während für die Wesensbeschreibung des Begriffs Sozialversicherung mit der Formulierung der "gemeinsamen Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (112f.); Bd. 28, S. 324ff. (348); Bd. 63, S. 1ff. (35). BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (113). 70 Bogs, W. (Fn. 12), S. 35 ff. (51f.); v. Maydell, Das Sozialrecht in der Rechtsprechung des BVerwG, in: Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, S. 405ff. (408). 71 Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk vom 21. 12. 1938 (RGBl. 1938 I S. 1900). 72 Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, S. 56. 73 Vom 20. 4.1957, BGBl. 1957 I S. 1063. 74 Vom 16. 10. 1972, BGBl. 1972 I S. 1965. 75 Vom 27.7.1981, BGBl. 1981 I S. 705. 76 BVerfGE Bd. 11, S. 105ff. (113); Bd. 63, S. 1ff. (35). 68

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Vielheit" einerseits die versicherungsmäßige Bewältigung unerläßliche Bedingung für die Einordnung eines Lebenssachverhalts als Sozialversicherung ist, so erfährt der damit zugrundeliegende Versicherungsgedanke im Rahmen der Sozialversicherung durch den für diese charakteristischen Grundsatz des sozialen Ausgleichs eine Modifizierung 77 . Dieser soziale Ausgleich besteht darin, daß unter Zurückdrängung des versicherungsrechtlichen Prinzips der Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung die soziale Lage der Versicherten sowohl auf der Beitrags- als auch der Leistungsebene Berücksichtigung findet7 8 . Als Beispiele seien hier die für die Sozialversicherung (mit Ausnahme der Unfallversicherung) typische einkommens- und nicht risilmbezogene Beitragserhebung sowie - auf die gesetzliche Rentenversicherung bezogen - die damit in Zusammenhang stehende Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung genannt, ohne daß hierfür entsprechend höhere Beiträge aufgewendet werden müßten 79 . Mit dem der Sozialversicherung wesentlichen Gedanken des sozialen Ausgleichs verbindet sich schließlich als weiteres charakteristisches Merkmal der Versicherungszwang 8o • Dieser ist erforderlich, um einen sozialen Ausgleich überhaupt