Die meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz: Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten 9783897442573

581 16 4MB

German Pages 98 [179] Year 2007

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz: Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten
 9783897442573

Table of contents :
Cover
Die Collatio Alexandri et Dindimi. Lat./Dt.: Übersetzung und Kommentar
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
EINLEITUNG
DIE COLLA TTO UND DAS LITERARISCHE UMFELD
TEXT, SIMILIENAPPARAT UND ÜBERSETZUNG
LITERA TURVERZEICHNIS
KONKORDANZ
INDEX LOCORUM
INDEX RERUM GRAMMA TICARUM CETERARUMQUE

Citation preview

Mare 5teinmann I

-

Edition

Ruprecht

Die 'Collatio Alexandri et Dindimi' Lateinisch-deutsch

Übersetzt und kommentiert von Mare Steinmann

----



DUEHRKOHP & RAOICKE

Wissenschaftliche Publikationen auf Datenträger Göttingen 2000

-

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

...........................................................................................

Einleitung

VII

............................................................................................

1

Allgemeines ............................................................................... 3 Die Col!atio und das literarische Umfeld ...................................5 Editionsgeschichte ................................................................... 13 Handschriftensiglen ................................... ". .............. ". .......... 15 Abweichungen von Pritchards Text ......................................... 17 Zur Übersetzung .......................................... ................ .......... 18 Text, Similienapparat und Übersetzung ......................................... 21

Col!atio I/Erster Brief Alexanders

......... 22/23

Col!atio 2 /Erste Antwort Dindimus' ................................. 24/25 Col!atio 3 / Antwort Alexanders .................

.

......... 50/51

Col!atio 4 / Zweite Antwort Dindimus' ............................... 52/53 Col!atio 5 / Zweite Antwort Alexanders ................... ......... 54/55 Kommentar ...................................................................................... 65

Vorbemerkung ................

.

.................... ................ .......... 67

Kommentar .............................................................................. 68 Epilog

..............................................................................................

145

Epilog .................................................................................... 147 Literaturverzeichnis, Konkordanz, Indizes .................................. 151

Literaturverzeichnis ............................................................... 153 Konkordanz ............................ .................... ................ ........ 164 Index locorum ........................................................................ 166 Index rerum grammaticarum ceterarumque ............................ 176

VORWORT

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Ende November 1998 im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I und II im Fach Latein dem staatlichen PrLifungsarnt an der Universität Bielefeld unter dem Titel "Die 'Collatio Alexandri et Dindirni'. Textgeschichtliche und sprachlich-exegetische Untersuchungen" eingereichtenExamensarbeit. Für den Druck wurde die Übersetzung revidiert, im Kommentar einige Anmerkungen modifiziert und ergänzt sowie die Indizes und die Konkordanz hinzugefügt. Im übrigen wurde der Charakter der ursprünglichen Arbeit beibehalten, die weiterhin den Regeln der 'alten' Orthographie folgt.

Daß der Col!atio - nicht zuletzt auch durch die hier vorgelegte Übersetzung - etwas mehr wissenschaftliches Interesse zuteil werde als bisher, das hoffe ich durch die vorliegende Arbeit zu bewirken und zu erreichen - zumindest aber sei mein opusculum "et indoctis utile nec doctis inutile".



Großen Dank schulde ich Herrn Prof Dr. W.-L. Liebermann, der die Arbeit während ihres Entstehens gewissenhaft betreute und sie im Rahmen der Ersten Staatsprüfung begutachtete. Ihm und Herrn Sill i.R. Dr. K. Schmidt (Rinteln) verdanke ich zudem wertvolle Vorschläge und Anregungen für die hier vorliegende überarbeitete Über­ setzung. Daß sie nicht in allen Fragen der Übersetzung und Interpretation mit mir überein­ stirnrn(t)en, kann angesichts eines Textes wie der Col!atio nicht verwundern. Es ver­ steht sich, daß ich die Verantwortung für das Vorliegende allein trage.



Daniel Wynenbach in der Vorrede zu Plutarchs Moralia, S. XIII.

VIII

Vorwort

Dank schulde ich auch verschiedenen in- und ausländischen Gelehrten sowie Institu­ ten, die mir Auskünfte erteilten - sie sind suo [oeo namentlich genannt.

Für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe Göttinger Forum filr Altertum.\''vl'is­

sensehalt - Beihefte möchte ich Herrn Prof Dr. Siegrnar Döpp (Göttingen) meinen Dank aussprechen.

Schließlich dürfen alle jene nicht vergessen werden, die diese Arbeit überhaupt erst ermöglicht haben: meine ehemaligen Lehrer arn Gymnasium Ernestinurn in Rinteln, die mein Interesse an der lateinischen Sprache weckten und stärkten, meine akade­ mischen Lehrer an der Universität Bielefeld und natürlich meine Eltern und Groß­ eltern, die mein Studium - nicht nur finanziell - verständnisvoll unterstützt haben und mir jegliche Hilfe angedeihen ließen, sowie - Britta.

Möge dieses Buch eine kleine Gegengabe fLir das von ihnenEmpfangene sein.

Bad Nenndort� 02.02.2000

MARe S TEIm1ANN

EINLEITUNG

ALLGEMEINES

Kleinere literarische Werke laufen oft Gefahr, wegen ihrer Unscheinbarkeit und ihrer vermeintlichen Bedeutungslosigkeit für das große Ganze von der literaturgeschicht­ lichen und philologischen Forschung nicht genügend beachtet zu werden, zurnal wenn weder ihr Autor noch ihre präzise Entstehungszeit bekannt sind und sie zudem in einern Latein verfaßt sind, das im allgemeinen nicht mehr unter den Kunstbegriff 'klassisch' fällt. Alle diese negativen Voraussetzungen erfüllt auch die hier zu behandelnde sogenannte

Col!atio Alexandri et Dindimi. In den letzten 1 1 0 Jahren haben sich nur wenige Forscher ihrer angenommen und noch weniger sie gar der Behandlung in einern Aufsatz fLir wert gehalten. Dabei ist sie vor allem unter sprachgeschichtlichen Gesichtspunkten sehr interessant, und auch dem Textkritiker bietet sie einiges MateriaL

Die vorliegende Arbeit umfaßt zum einen die erste vollständige Übersetzung der

Col!atio in eine moderne westeuropäische Sprache, nämlich ins Deutsche, zum an­ deren wird anhand eines Similienapparates und in einern Kommentarteil versucht, sich der Col!atio vor allem auf sprachlicher (und intertextueller)Ebene zu nähern.

Der poetisierende Sprachgebrauch der Col!atio legte es nahe, nach 'Vorbildern' dieses Textes zu suchen. Da von vornherein keine bestimmten Autoren ausgeschlossen werden sollten, wurde zunächst nahezu die gesamte Latinität bis etwa 200 n. Chr. mithilfe der CD-ROM 5.3 des Packard Humanities Institutes nach 'Parallelen' durch­ sucht. Im Anschluß daran wurden die aufgefundenen Stellen sowie diejenigen Stellen, zu denen keine 'Parallelen' ermittelt worden waren, mithilfe des Thesaurus Linguae Latinae abgeglichen, der in Auswahl das lateinische Sprachrnaterial bis etwa

600 n. Chr. bietet.

4

Einleinmg

In 'Zweifelsfällen' wurden die ermittelten Textstellen mit den Lesarten der im Litera­

turverzeichnis aufgeführtenEditionen verglichen. Nach diesem opus laborum Ilerculeorum haud dissimile wurden mithilfe der ein­ schlägigen grammatischen und literaturgeschichtlichen sowie der wenigen speziell zur

Col!atio erschienenen Spezialliteratur die Übersetzung und der Kommentar erstellt und ausgearbeitet.

DIE COLLA TTO UND DAS LITERARISCHE UMFELD

Als Alexander der Große (geb. 356 v. Chr.) starb, lag ein außergewöhnliches Leben hinter ihm. Als Sohn Philipps II., des Königs von Makedonien, war er unter anderem von Aristoteles unterrichtet worden. Nach der Thronbesteigung im Jahre 336 besiegte er die Barbaren im Norden und Westen und rüstete sich dann zum Kampf gegen die Perser, deren Heer unter König Dareios TIL er in der Schlacht von Issos (333) entscheidend schlug. In Ägypten wurde er zum Pharao erklärt, und er gründete die berühmteste der Städte seines Namens. Um das Perserreich vollends zu vernichten, setzte er 3 3 1 über Euphrat und Tigris, nahm Babyion und Persepolis ein, erbeutete die Schätze der Perser und nahm den persischen Königstitel an, nachdem Dareios von seinen eigenen Satrapen getötet worden war.

327 drang er weiter nach Indien vor, wohl mit dem Gedanken, die (damals bekannte) Welt zu unterwerfen. Nach mehreren militärischen Erfolgen zwang ihn am Fluß Hyphasis jedoch die Meuterei seines Heeres zur Umkehr. Nach seiner Rückkehr erkrankte Alexander und starb, ohne einen Nachfolger zu ernennen, im Juni 323 in Babyion. Bald schon sprach man von Giftmord, und weitere zahllose Geschichten mehr oder minder wahren Inhalts begannen sich auszubreiten. Die Berichte von Alexanders Zeitgenossen und Teilnehmern an seinen Feldzügen - die seines Hofhistoriographen Kallisthenes, die des Onesikritos, Kleitarchos, Nearchos und weiterer - sind nicht erhalten. Unsere ältesten Zeugnisse sind die Schriften Diodors, Plutarchs, Arrians Anabasis sowie die Ilistoriae des Curtius Rufus aus der frühen Kaiserzeit.

Der Einfluß des sog. Alexanderromanes jedoch übertraf alle ebengenannten Werke. Diese Schrift ist im wesentlichen aus zwei Quellen kompiliert, ] und zwar zum einen

I Zum folgenden cf. Merkelbach (1977): 225f.

Einleinmg

6

aus der Alexandergeschichte, die aber neben historischen Fakten bereits romanhafte Schilderungen enthielt, und zum anderen aus einern Konglomerat pseudohistorischer Briefe mit drei Hauptbestandteilen, nämlich einern Briefroman über Alexanders Leben und Taten, Briefen Alexanders über wunderbare Abenteuer in Indien und entlegenen Erdteilen sowie einigen kleineren Sonderschriften. Diese verschiedenen Quellen hat um 300 ll. Chr. ein alexandrinischer Bearbeiter in­ einandergearbeitet und zudem um eigene Erfindungen vermehrt. "Dabei ist der un­ wissende Kompilator ungeschickt vorgegangen; er brachte die Reihenfolge der Er­ eignisse durcheinander und schob Auszüge aus seinen Vorlagen an ganz falscher Stelle ein" [Kirsch (1984): 189]. Trotz dieser Unzulänglichkeiten ist dem Alexander­

roman jedoch ein unglaublicher Erfolg beschieden gewesen. Er beherrschte mit seiner Darstellung der Vita Alexanders über ein Jahrtausend lang die Nachwelt, und si­ cherlich waren die Persönlichkeit des jung verstorbenen Helden, dieses siegreichen Kriegers - und in gewissem Sinne auch Entdeckers -, geradezu prädestiniert, den Stoff für Geschichten zu liefern und die Phantasie der Menschen zu bef1ügeln. In flinfunddreißig Sprachen war der Alexanderroman in etwa zweihundert Versionen 2 verbreitet, wobei wohl jeweils vor allem die mythischen Komponenten sowie die geo­ und ethnographischen Schilderungen und Beschreibungen von Fauna und Flora entlegener Landstriche die größte Faszination auf die Menschen der Spätantike und des Mittelalters ausgeübt haben.

Den alexandrinischen Verfasser des griechischen Alexanderromanes kennen wir niche in Anlehnung an den Hofhistoriographen Alexanders geht das Werk, das in mehreren Rezensionen vorliegt, unter dem Namen des Pseudo-Kallisthenes. Dessen Rezension a wurde Anfang des 4. Jh. von Iulius Valerius erstmals ins Lateinische übertragen. Gelesen wurde im Mittelalter aber hauptsächlich ein Auszug

� Cr. Kirsch ( 1 984): 190. 3

Pfister ( 1 976): 3 1 -34 handelt zwälfnamentlich erwähnte Verfasser ab.

Die Collmio lind das literarische Umfeld

7

daraus, eine Epitome, abgefaßt an der Wende vorn 8. zum 9. Jh.4 Doch auch die Verbreitung dieser Schrift wurde weitestgehend verhindert durch eine lateinische Übersetzung der Rezension *8 des Pseudo-Kallisthenes, die der Archipresbyter Leo zwischen 951 und 959 in Neapel anfertigte. 5 "Seine Ü bersetzung war für die ma. Verbreitung des Alexanderstoffes maßgeblich" [Harich (1996): 458]. Sein "hölzernes dürftiges Werk [... ] wurde im 11. Jahrhundert sprachlich umgearbeitet, in der Komposition geändert und mit vielen Interpolationen aus anderen Quellen versehen" [plister (1976): 23]. Diese bearbeitete Fassung (JI) trägt den Titel Ilistoria de prelüs und ist noch in zwei weiteren Rezensionen erhalten. Um die Wende zum 12. Jh. entstand aus J

I

die

wiederum interpolierte Fassung J2 und im ersten Viertel des 13. Jh. die mit christlichen 6 Sentenzen ausgestattete Fassung J3. Außerdem kursierten vielfältige lateinische und - wie oben bereits erwähnt - auch volkssprachliche Bearbeitungen der Geschichten um Alexander den Großen.

Neben dem Alexanderroman bzw. der Ilistoria de prelüs liefen noch inhaltlich verwandte lateinische Schriften um, in denen "Fremdlandschilderungen oder (auf den Kynismus zurückgehende) Kritik der westL Zivilisation, die vornehmlich durch christL Interpreten formuliert wurde, überwiegen" [Harich (1996): 457]. Namentlich genannt werden sollen hier die Epistola Alexandri ad Aristotelem, "an extremely popular and very fantastic accoLmt of Alexander's Indian adventures" [Ross (1956): 127], durch abenteuerliche Schilderungen von Flora, Fauna und den Bewohnern des fernen Ostens typisch für die Mirabilia-Literatur rund um Alexander, und die dem hL Arnbrosius zugeschriebene Abhandlung .oe moribus Brachmanorum, die ein Gespräch Alexanders mit dem indischen Gymnosophisten Dandamis zum Inhalt hat. Beide Schriften können

4 Cf. Harich ( 1 996): 458. 5 Cf. Pfister ( 1 976): 23. 6 Cf. Harich ( 1 996): 458.

Einleinmg

8

als Übersetzungen von ebenfalls auf uns gekornrnenen griechischen Quellen nach­ gewiesen werden.

Dies ist bei der Col!atio Alexandri et Dindimi nicht eindeutig der FalL Hiervon ist keine griechische Vorlage erhalten. Trotzdem hat man - vor allem im letzten Jahr­ hundert, wo die gesamte lateinische Literatur als sekundär auf die griechische zu­ 7 rLickgeflihrt wurde - ein griechisches Original postuliert. Friedrich Pfister erschien es allerdings zweifelhaft, ob die Col!atio "überhaupt jemals in griechischer Form" vorgelegen habe [Pfister (1921): 571]. 8 Telfryn Pritchard, der letzte Herausgeber dieser Schrift, sieht die Existenz eines griechischen Originals als "quite possible" an.

9

Da bislang jedoch keine griechische Vorlage aufgefunden worden ist, ist es müßig, darüber zu spekulieren, ob eine solche existiert habe. Fest steht, daß die Col!atio von den Alexandererzählungen thematisch beeinflußt ist und daß sich ihr Verfasser die Popularität der Person Alexanders für seine Zwecke zunutze gemacht hat.

10

- Unter anderem von Kübler (1891): 205 und Hecker ( 1 889): 32. - Auch in der Dictys- und Dares­ Forschung z.B. galt ja um die .lahrhundertwende das Hauptinteresse der Frage nach einem griechi­ schen 'Original'. 8

Ebenso Morelli ( 1 920): 6 1 : "senza voler categoricamente negare I' esistenza di codesto originale

.. ]. io affem10 che non abbiamo nessun bisogno, e percio nessun motivo di presupporlo" und - ent­ schiedener - Kurfess, Alfons 1949. "Palladios 5." In: Rh: 18,3: 203-207, hier 206: "Die Collatio I [ . .] ist meines Erachtens Originallatein, nicht aus den1 Griechischen übersetzt, enva aus den1 4. .lhdt." 'I

Pritchard ( 1 995): 257 meint, das lege die teilweise "griechische" Verwendung der Partizipien

nahe. 111

Auf die genauen Interdependenzen der einzelnen Werke, ihre 'Vorlagen', aber auch ihre Re­

zeption kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht genauer eingegangen werden (vgl. Fußnote 17). Einen knappen Überblick mit der wichtigsten Literamr geben zwei Artikel bei Goulet, Richard (ed.) I989ff. Dictionnaire des philosophes a/JIiques. Hd. Iff. Paris: CNRS Editions, und zwar zum einen Muckensmm1, Claire 1 994. "Dandamis." 2, 6 1 0- 6 1 2 und zum anderen Follet, Simone 1989. "Arrien de Nicon1edie. " 1 , 597-604, bes. 603f. - Wichtig fiir die Alexanderliteramr in der Spätantike ist vor allen1 die Arbeit von Ruggini, Lellia 1965. "Sulla cristianizzazione della culmra pagana: il mito greco e latino di Alessandro dall'eta antonina al medioevo." In: Athenaeum 43: 3-80.

Die Collmio und das literarische Umfeld

9

Aufgrund ihres Inhaltes wurde die Col!atio in zahlreichen Handschriften tradiert, exzerpiert und rezipiert. Die ältesten erhaltenen Hss. sind in das 9. Jh. zu datieren. Daneben existiert in einer Bamberger Handschrift aus dem Anfang des 11. Jh. eine umgearbeitete Version der Col!atio (im folgenden: Col!atio 1l), die rhetorisch schlichter gefaßt ist und sprachliche Übergänge zum Italienischen zeigt. Ferner ist die ursprüngliche Col!atio - ebenfalls sprachlich bearbeitet - in die Ilistoria de prelüs eingeflochten

worden, jedoch

nicht

als

ein

komplettes

Stück, sondern

mit

Umstellungen und teilweisen Auslassungen. I I So hat die Col!atio auch in dieser Form noch zusätzlich Verbreitung gefunden.

Zum ersten Male erwähnt wird die Col!atio von Alkuin, der sie zusammen mit einern fiktiven Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca an Karl den Großen sandte.12 Daraus

ergibt

sich für die

Datierung der

Col!atio die Zeit

zwischen

800

(Kaiserkrönung Karls) und 804 (Tod Alkuins) als sicherer terminus ante quem. Zudem kann man aus sprachlichen Abweichungen vorn klassischen Latein darauf schließen, daß der Text sicher nicht vor dem 2. Jh. verfaßt worden ist.13 Innerhalb der verbleibenden Zeitspanne sind verschiedene Präzisierungsversuche unternommen worden. Pelciry meint, die Col!atio sei in der Zeit des Kaisers Gallienus

II

c r.

I�

Allmin verfaßte dazu folgendes Widmungsgedicht [zitiert nach der Ausgabe Küblers, p. XXVII;

zu diesem gesamten Komplex Pritchard (1995): 258 und ausfiihrlicher Pfister ( 1 976): 60-65.

auch bei Kurfess (1941): 138]: Gens Bragmana quidem miris quae moribus extat, hic legimr; lector mente fiden1 videat. [···1 Quae tibi, Magne, decus mundi, et c1arissime Caesar, Albinus misit munera parva mus. 13

Zu einigen sprachlichen Auffalligkeiten äußert sich kurz Becker ( 1 889): 27; envas ausfiihrlicher

Morelli ( 1 920): 62ff., Anm. I . Die sprachlichen Besonderheiten der Collmio II sind envas eingehender untersucht.

Einleinmg

10 (253-268) geschrieben.

14 Hansen setzt die Abfassung "kaum [ ..] nach 400" an.15 Die

Mehrzahl der Forscher hält sich zwar mit genauen Aussagen zur Datierung zurLick, geht aber vorn Zeitraum spätes viertes bis frühes sechstes Jahrhundert aus.

Formal besteht die Col!atio aus flinf einzelnen Briefen, aus dreien von Alexander und zweien von Dindimus, wobei Alexanders Schreiben den Dialog eröffuen und beschließen: Zuerst bittet Alexander, ihm möge die ungewöhnliche Lebensweise der Brahmanen eröffnet geäußert hat, willfährt er dem Wunsch des Makedonenkönigs und preist das einfache und schlichte Leben der Brahmanen vor dem kontrastierenden Hintergrund des eher ausschweifenden hellenistischen Lebensideals. Dindimus' Ausführungen werden von Alexander zweimal - teilweise sehr rigide - kritisiert, und Alexander, der das letzte Wort hat, geht als Sieger aus der Unterredung hervor. Dindimus wird keine Mög­ lichkeit zur Entgegnung mehr gegeben.

Die Sympathie des Verfassers der Collatio liegt ganz offensichtlich 16 Alexanders. Welches Interesse er aber mit der Schrift verfolgt, ist weniger eindeutig und auch in den nicht gerade zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen, die sich 17 mit der Collatio beschäftigen, umstritten.

14

Cf. HihliOlheca Classica Oriell/alis 4 ( 1 959): 249. Breloer, Bemhard/Bämer, Franz 1939.

VOll/es hislOriae re1igiollum llldicarum. Bonn: Rährscheid: 4, datieren den Text "saec. fort. VIIVU".

Mit diesen beiden 'Extren1en' ist der Rahmen fiir die Abfassungszeit gesteckt. 15

Hansen ( 1 965): 373, in Anlehnung an Morelli ( 1 920): 6 1 -75, hier 74f.

16

Daß "er beide Seiten des Briefdialoges zu Sprachrohren fiir seine Überzeugungen gen1acht hat",

\',ie Hansen ( 1 965): 373 meint, sehe ich nicht. Dindimus scheint vielmehr nur die Aufgabe zu haben, Standpunkte und Meinungen zu fon11ulieren, die von Alexander polenüsch verworfen oder als minder­ wertig im Vergleich zu seiner eigenen Position gekennzeichnet werden (können). 17

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist aufgrund der Then1enstellung hauptsächlich die sprach­

lich orientierte Selmndärliteramr zur Collmio ausgewertet worden. Eine umfassende(re) (kommen­ tierte) Arbeitsbibliographie ist in Vorbereimng.

Die Collmio und das literarische Umfeld

11

Zwei grundsätzliche Auffassungen können jedoch unterschieden werden: Während ein Teil der Philologen den Verfasser der Col!atio als Christ sieht und teilweise christliches Gedankengut sowie direkte Beeinflussung durch verschiedene Schriften 18 der Kirchenväter nachzuweisen versucht, postuliert der andere Teil einen nicht­ christlichen Verfasserl9 oder will gar einen "philosophischen Angriff tum" erkennen.2o Die neuesten Aufsätze sind vorsichtig in der Formulierung. Sie referieren entweder nur die bisherige Forschung21 oder äußern sich eher vage: "Überlegungen zur Askese bilden den Kern der Schrift, in der christI. Gedanken eine grundlegende Rolle spielen" [Harich (1996): 460]. Vielleicht kommt man mit einer Synthese der beiden Stand­ punkte

arn

ehesten weiter, da die Ungewißheit über den Autor sowie über den genauen

Zeitpunkt und Kontext der Abfassung keine vollkommen sicheren Schlußfolgerungen auf die Intention der Col!atio zulassen. Ursprünglich könnte also ein nichtchristlicher oder vielmehr kynisch-asketischer Angriff auf Person und Lebensweise Alexanders 22 beabsichtigt gewesen sein. Da aber auch das Christentum stark von Kynismus und Askese beeinf1ußt war, ist es nicht verwunderlich, daß sich christliche Leser mit dem Text identifizieren konnten, und zwar mit der Position des Brahmanen Dindirnus. Zudem waren die Brahmanen des öfteren von den Kirchenvätern als Vorbild gepriesen worden.23

18

Lienard, Cary, Makowsky [nach Pfister (1921): 570].

1 '1

Kurfess, Pfister.

"11

Pelci!)' [nach Bihl. Class. Orie/JI. 4 ( 1 959): 249].

"1

Cf. Pritchard ( 1 995): 256.

n

Das lassen z.B. antichristliche Aussagen \',ie "misericordiam milli Irihuimus" (Collmio Ir 3)

vemlllten. Siehe dazu auch Pfister (1921): 570f. Vielleicht war die bekannte Anekdote um Diogenes und Alexander, die u. a. Cicero TL/sc. 5,92 erwähnt, ein Anstoß fiir eine fiktive literarische Dis]Q\ssion in dieser Richnmg. Unter Voraussetzung einer kynisch-asketischen Provenienz der Collalio könnte man auch noch am ehesten von der Existenz einer griechischen 'Vorlage' ausgehen. n

Cf. z. B. Ca!)' ( 1 954): 1 25f.

Einleinmg

12

So wurde die Col!atio dann - vor allem im Mittelalter - zum nützlichen Text in Sammlungen moralischen und religiösen Charakters. Sie bildete fLir die Christen "an­ other proof of the admirable asceticisrn of the Brahmans" [Cary (1954): 126], "ihre 24 antiasketische Tendenz wurde dabei Libersehen.,, Zweifellos aber ist ein antiasketischer Tenor vorhanden, und nach allem bisher Gesagten könnte sich die Col!atio Alexandri et Dindimi dann ursprünglich vielleicht gegen eine Li b e r t r i e b e n e asketische Einstellung, eine sozusagen kynische Aske­ 25 se der Christen gerichtet haben.

"4

Siehe Harich ( 1 996): 460. Teilweise wurde diese Tendenz bewußt in "abridged and anecdotal

llsage" [Cary ( 1 954): 125] vermscht, wenn Alexanders scharfe Entgegnung entfernt lind die Collmio nach Dindinllls' zweitem Briefbeendet wurde. Gonfried von Viterbo fiigte in seinem Pa/JIheon sogar noch einen sechsten Briefhinzu, in dem er Dindinllls das letzte Wort gab; vgl. Cary ( 1 954): 128. �5

Diese Auffassung vemin - allgemeiner fornllliiert - auch Hansen ( 1 965): 373: "[...] eigentliches

Anliegen war es jedoch, den Auswüchsen einer weltfeindlichen Askese entgegenzutreten." Konkreter die offenbar leider einzige Aussage von Wolfgang Speyer zur Collmio: "Es gibt auch einige christliche Tmgschriften, die zwar unter heidnischer Maske auftreten, aber nicht an die Heiden gerich­ tet sind, sondern innerchristliche Zwecke verfolgen, z. B. [...] das brieflich gefiihrte Streitgespräch zwischen Alexander und Dindimos, die Überarbeinmg eines heidnischen Textes [...] " [Speyer, W . 1 97 1 . Die lilerarische Välschung im heidnischen und chrisllichen Alierium. t-·in Versuch ihrer Dewung. München: Beck (HA W II. I): 240, Anm. 3].

Auch Klaus Karmmen ("Alexander is apparently serving anti-monastic propaganda." [Karmmen, K. 1987. "The country of fabulolls beasts and naked philosophers. India in c1assical and medieval literamre." In: ArclOs 2 1 : 44-52, hier 50]) und - am entschiedensten in der Fornllllienmg - .Iuan Pedro Oliver Segura (das Ziel der Collmio sei

"w

make fim of the extremisms of the Christian monks."

[Oliver Segura, .I. P. 1 990. "Los gimnosofisTas indicos

Con1O

modelos del sabio asceta para cfnicos y

cristianos." In: A/J/igu edad y crislianismo 7: 53-62 (span. mit eng!. Resümee), hier 53]) vertreten diese Auffassung (Die Kennmis des letztgenannten Auf."atzes verdanke ich dem jüngst erschienenen Artikel von Albrecht Dihle über "Indien" [RAC 1 8 ( 1 998): I-56].).

EDITIONSGESCHICHTE

Die Erstausgabe der Col!atio erfolgte durch Bissaeus, dj. Sir Edward Bysshe, in ] 2 dessen Ausgabe des Palladios, London 1665 und 1668 . Zum zweiten Male heraus­ gegeben wurde sie im Anhang der Alkuin-Ausgabe des Frobenius, dj. Johann Michael 26 Forster, Regensburg 1777. Wiederum etwa 100 Jahre später erfolgte die Edition 27 B. Küblers, im Anhang seiner Julius Valerius-Ausgabe, Leipzig 1888. Er zog zur Textkonstitution jedoch lediglich drei schriften

29

28

der heute über 80 bekannten Hand­

sowie seine beiden Vorgängereditionen heran.

1919 veröfe f ntlichte vier Hss. und wies nachdrücklich darauf hin, daß eine neue Ausgabe der Col!atio ein dringendes Desiderat sei, da zu jener Zeit bereits ca. 50 Hss. bekannt waren. Abgesehen von einer textkritischen Anmerkung F. Walters (1930), war es B. Axelson, der in seinen Beiträgen zum Alexanderroman des Julius Valerius 1936 auch der

Col!atio 2Y2 Seiten widmete und einige Vorschläge zur Textgestaltung machte. Nachdem in den nächsten 50 Jahren lediglich die Hss.-Listen von Ross, Hahn und Vorb�j erschienen waren, machte R. Schnell in seiner Ausgabe des 'Pariser Alex­ ander', einern Konglomerat mehrerer verschiedener Alexandertexte, 1989 die Lesarten weiterer Hss. zur Col!atio bekannt. Da der ma. Kompilator des 'Pariser Alexander' die

Col!atio jedoch nur exzerpiert hat, liegen die entsprechenden hs. Lesarten in Schnells Apparat leider auch nur für die jeweiligen Exzerpte vor. Die auch von Schnell "dringend" erwünschte neue Edition

30

der gesamten Col!atio, die

"A revised text" als Untertitel trägt, legte 1995 schließlich T. Pritchard vor. Er stützt "" Dieser Ausgabe folgt der Wiederabdmck in PL 1 0 1 , 1366-1 375 ('Praefatio': 1 3 1 61l- 1 3 1 71l8"'). "' Zu bedauern ist, daß die neue Teubneriana des lulius Valerius die Collmio nicht (mehr) enthält. "8

Eine dieser drei Hss. bietet sogar nur die erste Annvort des Dindimus.

"'I

Siehe Ross ( 1 956), Hahn ( 1 989), Vorbij ( 1 984). Lt. telefonischer Auskunft von Herrn Dr. M. de

IhJiter (Groningen) sind bereits weitere Hss. zur Collmio aufgefimden worden.

Einleinmg

14

seine Ausgabe im wesentlichen auf bis dato nicht zur Textkonstitution herangezogene Hss. (insgesamt 9). In der Tat bietet diese Ausgabe einen 'besseren' Text als Kübler, doch scheint mir Pritchard im Vertrauen auf seine codices meliores teilweise etwas zu weit gegangen zu sein.31 Andererseits kann man aufgrund der derzeitigen Hss.-Lage textkritische Entschei­ dungen größtenteils nur von inhaltlichen Argumenten abhängig machen. Ich bin daher im folgenden an einigen Stellen von Pritchards Text, der im übrigen meiner Arbeit zugrunde liegt, abgewichen. Die Begründungen finden sich in den Anmerkungen zur jeweiligen Stelle.32

Die erstmals von Pritchard eingeführte begrüßenswerte Paragrapheneinteilung der einzelnen Briefe wurde übernommen. Der bei Pritchard nicht weiter untergliederte Brief 3, das zweite Schreiben Alexanders, erhält in der vorliegenden Ausgabe aus Gründen der Stringenz die Paragraphierung '1'; desgleichen wurde dem ersten Brief eine Überschrift beigegeben.

Nachzutragen bleibt noch, daß Martin de Ruiter an einer neuen Edition der Collatio arbeitet.33 Diese Arbeit hat er zwar aufgrund anderer Projekte auf unbestimmte Zeit 34 unterbrochen, aber trotz des Erscheinens von Pritchards Ausgabe nicht aufgegeben. Gleichwohl wird in naher Zukunft voraussichtlich nicht mit einern "revised text" zu rechnen sein.

311

Vgl. Schnell ( 1 989): 72.

31

Er hat "generally, but not ullra sensum, preferred the reading ot:, ApP [Pritchard ( 1 995): 260].

Diesen scheint NM sehr nahe zu stehen,

HeP nahe.

Eine genaue Hss.-Filiation ist bisher allerdings noch

nirgends ausgearbeitet worden. Zu den Hss.-Siglen vgl. den folgenden Abschniu. 3"

Davon ausgenommen sind unerhebliche Abweichungen in der Interpunktion - die Kon1TI1a­

setzung wurde weitgehend den deutschen Gepflogenheiten angeglichen. 33

Siehe Schnell ( 1 989): 72, Anm. 40a.

34

Lt. telefonischer Auskunft von Ur. M. de Ruiter (Groningen) im Juli '98.

HANDSCHRIFTENSIGLEN

Sämtliche Angaben zu handschriftlichen Lesarten im Kommentar sind den - nicht immer widerspruchsfreien - Angaben der bisherigen Ausgaben entnommen. Der leich­ teren Übersicht halber werden die verwendeten Hss.-Siglen im folgenden aufgefLihrt.35 Für Einzelinforrnationen, besonders zu im Kommentar nicht behandelten Textstellen, sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. AP

Aberysnvyth, NLW, ms. 1 1 6 1 1 C, saec. XII, fol. 25'"_32'

sP

Brüssel, SR, ms. 2839-43, saec. IX, fol. 42-66

CM.ScIl München, ms. c1m 1 1 3 1 9, saec. XlII, fol. 97-104

cP

Oxford, Corpus Christi eoll., ms. 82, saec. XII, fol. 83'"_86"

LP

London, BL, ms. RoyaI 1 3 .A.l, saec. Xl, fol. 78"_94"

Mh

Millstan, codex amissus [Lesarten in Küblers Edition nach Rh]

MP

London, BL, ms. RoyaI 1 5 .C.VI, saec. XII, fol. 1241"_ 1 29'-

MScIl

München, ms. c1m 7698, saec. XII, fol. 30-33 [enthält Collmio 1 , 1-2,17 (179, 12h)]

J::M.Seil Erfim, ms. Amplon. Oet. 92, saec. XlII, fol. 20'"_24" [enthält Collmio 1 , 1 -2, 1 9 Minervae36 ]

NM.ScIl Montpellier, Bibi. Intenmiv., ms. H 3 1 , saec. XII, fol. 12a_lS' 3-

oP

Oxford, BL, ms. Laud. misc. 247, saec. XII, fol. 196'-_203'-

OS cll a P ScIl

Oxford, Brasenose ColI., ms. 13, saec. XII, fol. 48-50 Paris, BN, ms. lat. 8501 A, saec. XlIIXlI, fol. 12'"_15'- [enthält Collmio 1 , 1-5,1 ( 1 85, 14h)]

35 Den alphabetisch aufgelisteten Siglen sind die Herausgebemamen als Hoch-Index hinzugefiigt. Es bezeichnet also z.B. AP die Handschrift A in der Ausgabe von Pritchard, XScIl die Handschrift X in der Ausgabe Schnells oder NM.S cll die Handschrift N in der Ausgabe Schnells und der Kollation

Makowskys. - Die Infonnationen zu den einzelnen Hss. wurden nach den Angaben bei Ross ( 1 956), Hahn ( 1 980) und Vorbij ( 1 984) teilweise ergänzt, Diskrepanzen hinsichtlich der Angaben zur Pagi­ nienmgjedoch nicht vem1erkt. 36 Cf. Makowsky ( 1 9 1 9): 37; nach Schnell ( 1 989): 126 endet der Text bereits Collmio 2, 1 8 ( 1 80,9'). 37 "Maximi pretii esse puto Ai, qui codici Millstadtensi, quo usus est Frobenius, propinquus esse videmr" [Makowsky ( 1 9 1 9): 37]. Zur Hss.-Bewemmg vgl. auch Fußnote 3 1 .

Einleinmg

16 ph. Scll

Paris, BN, ms. lat. 1 7569, saec. XII, fol. 30'"_35'"

pP

Paris, BN, ms. lat. 6365, saec. X, fol. 24-35

RP Paris, BN, ms. lat. 683 I, saec. X, fol. 94-104 l Sc o/vl l · Montpellier, BibI. lntenmiv., ms. 384, saec. XllIXlll, fol. 42°ff. l Vh. Scll Wien, ÖNB, ms. 150, saec. XlII, fol. 108'"_1 12'" [enthält Collalio 2,1-2,21] Lh. ScIl Leiden, BR,ms. Voss. lat. Q. 20, saec. IX, foI. I 1 6- 1 2 1 vP ScIl W Wolfenbünel, ms. Guelf. Helmst. 1 024, saec. XII, fol. 69'._78' l Sc X l Rom, Vatikan, ms. Reg. lat. 1 26, saec. XII, fol. 259-264 Bh BISSeIl editio Bissaei, London 1 668 Rh FROScIl editio Frobeni, Regensburg 1 770 =

=

=

Den Kollationen von Makowsky liegt die Ausgabe Küblers zugrunde - es werden also lediglich Abweichungen von dieser notiert. Pritchards Ausgabe weicht an mehreren Dutzend Stellen mehr oder weniger stark von Küblers Text ab. In Schnells Edition des 'Pariser Alexander' ist der Text der Col!atio auf ca. ein Drittel

des ursprünglichen Umfanges zusarnmengekürzt, wobei Col!atio 5, der letzte Brief Alexanders, ganz fehlt.

38

Aus alledem erhellt, daß für die Textkonstitution der vorliegende Ausgabe lediglich auf einen delectus lectionum zurLickgegriffen werden konnte, da keine eigenen Kol­ lationen vorgenommen wurden.

38

Die Auslassungen, zusammen mit der jeweils entsprechenden Seiten- und Zeilenangabe der

Küblerschen Edition, verzeichnet Schnell ( 1 989): 73.

ABWEICHUNGEN VON PRITCHARDS TEXT

Pritchard (1995)

diese Ausgabe

22,01 om. titulum ........................... titulum addidi 22,07 certius ............................................. certior 24,08 profiteri ....................................... profiteris 24,08 valde .................................................. belle 26,03 nurnquarn ................................... non quarn 26,03 alimenta ....................................... elernenta 26,04 producit rnensarn ........... producit. Mensarn 30,11 vilificati ....................................... velificati 32,12 nate ................................................... natae 34,01 corruptio rerurn ........................... corruptio 34,03 non vetarnus ........................... nos vetamus 36,08 Pactoli aquae armis ..... Pactoli atque Hermi 36,12 matrum ............................................ patrum 38,19 expectacula ............................... spectacula 40,11 varie ................................................. variae 42,03 perfectis ....................................... pervectis 44,06 propiatur ................................... propitiatur 44,15 in carne est hanc ............. in carne est. Hanc 46,11 cellam vinariam .............................. cellaria 48,12 obstructum ................................ obstrictum 48,15 diis patirnini esse m. .................diis esse m. 50,02 Persephone ................................. Tisiphone 52,07 proprium ........................................patrium 54,18 tunc ................................................ tu mmc 56,16 nasci ............................................. nancisci 58,09 illas .................................................nostras 58,14 solam .................................................solae 60,14 cohibetur ........................................ conivet 62,04 adulescentia ............................ adulescente 62,11 materiae ...................................... materiam Der Sirnilienapparat unter dem Text umfaßt eine Sammlung von Stellen, die m.E. fLir einen Vergleich mit der Col!atio sprachlich bzw. inhaltlich relevant sein könnten. Es soll damit aber nicht behauptet werden, daß jedesrnal eine unmittelbare oder mittelbare Abhängigkeit besteht.

ZUR ÜBERSETZUNG

Die folgende deutsche Übersetzung der Col!atio, der - mit den oben vermerkten Ausnahmen - die neueste Edition von T. Pritchard zugrundeliegt, stellt zugleich die erste vollständige Ü bersetzung in eine moderne westeuropäische Sprache überhaupt dar. 39 Bisher lagen lediglich eine polnische Übersetzung der Edition Küblers von 1888 40 sowie einige kleinere Auszüge aus jener Edition auf Französisch vor. Die polnische Version scheint von der Forschung (fast) nicht beachtet worden zu sein, denn ich habe sie in der Sekundärliteratur nicht aufgeführt gefunden. Die französische Übersetzung beschränkt sich gemäß dem Titel der zweisprachigen Textsarnrnlung, in der sie erschien, auf einige 'markante' Ausschnitte.

Das größte Problem fLir einen Übersetzer der Co!latio besteht darin, daß weder der genaue historische Kontext noch der Autor und die Intention, die er mit der Co!latio verfolgte, bekannt sind. Diese für die meisten Texte bekannten Voraussetzungen kön­ nen für die Co!latio zunächst nur aus dem Werk selbst gemutmaßt werden.

Da nun aber jede Übersetzung mehr oder minder auch zwangsläufig Interpretation ist, und sich zudem beim Lesen eines Originaltextes bereits ein Bild im Kopf des Lesers entwickelt, zu dem bei jeder erneuten Lektüre einige Farbtupfer hinzukommen mögen, so ist natürlich auch die vorliegende Übersetzung nicht völlig 'neutral'. Es wurde immerhin versucht, die deutsche Übersetzung so 'allgemein' wie möglich bei gleichzeitig möglichst präziser Sinnwiedergabe zu fassen. Das Lösen von der

3'1

Siehe Bojarski et al. (l %6): 240-250.

411

Andre/Filliozat ( 1 986): 164-168 enthält die Seiten 1 7 1 , 1 0- 1 75,4 sowie 1 78,9- 1 8 und 1 83,5- 1 9

der Küblerschen Ausgabe, also knapp 1/3 der Collmio.

Zur Übersetzung

19

Grammatik des Originals war dabei des öfteren unvermeidlich, um einen der deut­ schen Sprache angemessenen Ausdruck und gefälligen Stil zu erzielen. In Zweifels­ fällen möge der des Lateinischen kundige Leser das Original vergleichen.

Die überaus häufig vorkommenden pronominalen Anreden Du und 1hr sowie deren oblique Kasus werden im folgenden durchgängig klein geschrieben, um den Lesef1uß nicht durch ungewohnt zahlreiche Majuskeln zu stören.

TEXT, SIMILIENAPPARAT UND ÜBERSETZUNG

ALEXANDRI, REGIS MACEDONUM, ET DINDIMI, REGIS BRAGMANORUM, DE PHILOSOPHIA PER LITTERAS FACTA COLLATIO

I. Prima epistula Alexandri 1. Saepius ad aures rneas fando pervenit rationern vitae vestrae a cornrnuni

omnium qui ubique surrt horninurn discrepare. Narn nec terrae nec pelagi subsidiis uti vos asserunt nuntiantes. Quae res sui novitate rnirabilis, rurnorurn licentia videtur incredula et recte consulere per has te, Dindime, litteras

5

properavi, ut, si verurn est, quod audivimus et si philosophandi causa hoc facitis, incunctanter expedias. Quo certior effectus sectator huius exsistarn.

2. Sernper enim virtuturn studiis ab ineunte aetate dedi operarn traditaque mihi a sapientibus innocentiae rnandata non indiligenter, ut arbitror, conservavi. Quibus

10

tarnen ita inforrnarnur ad bene vivendurn, ut vivendi ornnino causas et remedia non perdarnus. Sed quia vestra excellens, ut fertur, industria praeter illas philosophicas philosophorum notas usitatasque doctrinas cultum quendarn observantiae singularis inducit, quaeso, ut hanc nibil moratus aperias. Narn nec vobis ex hoc aliquid iacturae proveniet et nos aliquid fortasse commodi

15

sortiemur. Libera enim est res communitas et nesciens pati dispendium, cum in

1 Verg. Aen. 2,81 fando ... mas pervenit ad aures; Ov. met. 8,1 33f. ad aures perveniunt mea dicta

ums?; Ov. met. 9,8f. nomine ... suo ... pervenit ad aures Deianira; Ov. met. 1 5,497 fando ... contigit mires; Ov. Pont. 1 ,9,5 ad nostras pervenit ... mires; Ov. Pont. 2,9,3 fama loquax vestras si iam pervenit ad mires; Stat. Theb. 9,34f. [fama] ... , cui maxima fando aures

2 Verg. Aen. 1,601f. quicquid ubique est

damna vehit,

gentis Dardaniae

lapsa est Polynicis ad 3f. S)111TI1. epist. 6,65,1

mmomm licentiam fides scriptionis excludat; Ps.Quint. decl. 1 8,4 (p.356,20) licentia sem10nis humani

BRIEFLICHER MEINUNGSAUSTAUSCH ÜBER DIE PHILOSOPHIE ZWISCHEN ALEXANDER DEM GROSSEN, KÖNIG DER MAKEDONEN, UND DINDIMUS, KÖNIG DER BRAHMANEN

I. Erster Brief Alexanders 1. Des öfteren ist mir gerLichteweise zu Ohren gekommen, daß sich eure Art zu leben

von der üblichen Lebensweise sämtlicher Menschen, wie man sie überall antrifft, unterscheidet. Denn die das berichten, versichern, daß ihr weder Erzeugnisse der Erde noch des Meeres nutzt. Das scheint aufgrund seiner Neuartigkeit erstaunlich, wegen der Gerlichten eigenen Unberechenbarkeit sogar unglaublich, und so habe ich mich darangemacht, dich, Dindirnus, durch diesen Brief um genaue Auskunft zu bitten, damit du - wenn es wahr ist, was ich gehört habe, und wenn ihr dieses eurer Philosophie wegen tut - mich unverzüglich in Kenntnis davon setzest. Wenn ich Genaueres erfahren habe, möchte auch ich - sofern das möglich ist - ein Anhänger jener Lehre werden.

2. Unentwegt nämlich habe ich seit meiner Jugend Mühe auf das Studium der Tugenden verwendet und die mir von den Weisen tradierten Vorschriften für ein rechtschaffenes werden wir in der Weise zum rechten Leben angeleitet, daß wir die Grundlagen für das Leben sowie die Hilfsmittel keinesfalls zerstören. Aber weil eure strenge Lehre die allgemein praktizierten philosophischen Lehren der Philosophen - wie man sagt - überragt und geradezu einen Kult von einzigartiger Regelbefolgung einführt, bitte ich dich, sie mir unzögerlich zu eröffuen; denn euch wird dadurch kein Schaden entstehen, und uns wird es vielleicht von Nutzen sein. Gemeinsamkeit nämlich ist eine frei (zugängliche) Sache, und sie kann keinen Schaden erleiden, wenn sie teilweise an einen anderen abgegeben wird, ebenso wie

11 eic. Mur. 62 vivendi causa; Apul. apol. 5 1 (p.58, 17) suapte doctrina causas moroomm et remedia

novenmt; Serl,'. georg. 4,396 causa mali et remedium

Collmio 1,2 - 2,2

24

alterurn participata transfunditur, sicut ex una face si lumina plura succenderis, nullurn damnum principali rnateriae generabis. Quae quidern facultatern accipit plus lucendi, quotiens causas invenit plus praestandi. Quapropter obsecro, ut praebeas responsa quaesitis.

11. Prima responsio Dindimi regis contra

5

Alexandrum, regem magnum Macedoßum 1. Desiderantern te, Alexander, seire, quid sit perfecta sapientia, licet huius te non

ignarurn profiteris, belle collaudern, quia, quod solurn est Oluni regno praestantius, id assequi rnaluisti - etenim imperator exsors philosophiae non do­ rninari solus creditur, sed servire quarn plurimis -, verurntarnen, quoniarn satis

10

mihi durum e t prope impossibile videtur mme te a d nostra instituta transduci, cum procul aliis quarn noster cultus exigit disciplinis et moribus sis imbutus, statuerarn tacere et a te mihi veniam super his, quae postulas, dari, maxime quia nec mihi ullum suppetit uber eloquii et tibi necessitatibus bellicis occupato parvum temporis ad legendum datur. Sed ne invidiae causa deserere me diceres,

15

expediam, ut potero, quae requiris. Nuntios e nirn de nobis dudum ad te perlatos non irnrnerito farnae incredulus respuisti. Nam solet gaudere figrnentis. Nunc tarnen ex me indubitanter percipe rerum fidem contentus, ad beate vivendum quales habearnur, agnoscere. Sit tui sane iudicii, quae proferimus, utrum

20

sequenda censeas an spernenda.

2. Gens igitur Bragrnanorum pura et simplici vita vivit. Nullius rei capitur illece-

Iff. Enn. Sc.398ff. (

=

lumine accendat facit.

eic. off. 1 , 5 1 ) homo qui erranti comiter monstrat viam

quasi lumen de suo

nihilo minus ipsi lucet, cum illi accenderit; Aug. ev. loh. 20,8 flamma

generat lucem ... ; coaeva est ... flamma generans luci quam generat, nec praecedit ten1pore flamma generans lucem generatam; Ten. apo!. 2 1 , 1 2 nec separamr substantia [sc. solis], sed extendimr, ut lumen de lumine accensum; Lucr. 4, 1 89 (cf. etiam 5,294-30 1 ) subpeditamr enim confestim lumine lumen

1 4 Symm. epist. 3,22, 1 tibi suppetit uber e1oquii; Ennod. epist. 1 , 1 6 (p.27, 16) et carn1.

1 ,7,praef. (p.523,24) uber e10quii

21 Tac. Gern1. 1 9, 1 nullis spectaculomm illecebris ... cormptae

Erster BriefAlexanders - Erste Annvort Dindimus'

25

man der ursprünglichen Materie keinen Schaden zufügt, wenn man an einer Fackel weitere Lichter entzündet. Sie ergreift vielmehr die Möglichkeit, mehr zu leuchten, sooft sie Anlässe findet, mehr zu leisten. Deswegen bitte ich dich inständig, daß du mir Antworten auf meine Fragen gibst.

11. Erste Antwort des Königs Dindimus an

Alexander, Großkönig der Makedonen 1. Daß du, Alexander, zu wissen wünschst, was vollkommene Weisheit sei - obwohl

du zu erkennen gibst, ihrer nicht unkundig zu sein -, muß ich zwar sehr loben, weil du das bevorzugt hast, was als einziges wertvoller als jede Herrschaft ist - ein Imperator, der in der Philosophie nicht bewandert ist, von dem glaubt man nämlich nicht, daß er allein herrsche, sondern daß er so vielen wie möglich diene -, trotzdem aber wollte ich (ursprünglich) schweigen und daß du mir Nachsicht gewährst bezüglich dessen, was du verlangst, da es mir recht schwierig und beinahe unmöglich scheint, dich unter diesen Voraussetzungen an unsere Bräuche heranzuführen, weil du ja von ganz anderen Lehren und Sitten geprägt bist, als unsere Lebensweise sie erfordert; be­ sonders, weil mir nicht ein Übermaß an Beredsamkeit zu Gebote steht und weil du wenig Zeit zum Lesen hast, da du ja mit Kriegsvorkehrungen in Beschlag genommen bist. Doch damit du nicht sagst, ich unterlasse es aus Mißgunst, will ich, so gut ich kann, darlegen, worum du bittest. Die Nachrichten, die dir neulich über uns zugetragen worden sind, hast du - skeptisch gegenüber Gerüchten - nicht zu unrecht zurück­ gewiesen. Denn die Menschen lieben ja gewöhnlich phantastische Geschichten. Nun jedoch vernimm, bar allen Zweifels, verläßliche Nachrichten, gespannt zu erfahren, wie wir uns verhalten, um gli.icklich zu leben. Es bleibt freilich deinem Urteil überlassen, ob du das, was ich erzähle, gutzuheißen oder zu verwerfen gedenkst.

2. Also: Die Gemeinschaft der Brahmanen fUhrt ein reines und einfaches Leben. Verlockungen spielen für sie keinerlei Rolle. Sie verlangt nicht nach mehr, als die

Collmio 2,2 - 2,3

26

bris. Nihil appetit arnplius quarn ratio naturae flagitat. Ornnia patitur ae tolerat illud putans necessariurn, quod seit non esse superf1uurn. Facilis nobis sernper alimonia. Non quarn luxuriae sagacitas per ornnia currens elernenta perquirit, sed quarn tellus ferro inviolata producit. Mensarn epulis onerarnus innocuis. Hinc est, quod nulla genera rnorborurn nurnerarnus et nomina, sed diuturnis gaudiis salutis

5

interneratae perfruimur. Nullus itaque apud nos sanandis corporibus usus herbarurn est nec in alienas pernicies auxiliurn petimus constituti. Opern non precatur alter ab alio, ubi vivitur inter pares. Locus non praebetur invidiae, ubi nullus superior est. Ornnes divites facit paupertatis aequalitas. 3. Iudicia non habernus, quia corrigenda non facimus. Leges nullas tenemus,

10

quae apud vos crirnina pepererunt. Nam dum plerumque severis sanctionibus incognita prohibent, facinora docuerunt. Una genti lex est contra ius non ire naturae. Misericordiarn nulli tribuirnus, quia nec ipsi miseranda cornrnittirnus. Culpas nostras aliorum remittendo peccata non abluirnus nec sparsis divitiis scelera congesta redirnirnus. Quid enirn proficiat in proxirnum depensa

15

2 Quint. decl. min. 274,2 necessarium putatis esse; Eustath. Basil. hex. 9,5 (p.963''') asserit ... nihil superfluum in remm creamra reperiri; Sen. epist. 39,4 magni animi est magna contemnere ac mediocra malle quam nimia; illa enim utilia vitaliaque sunt, at haec eo quod superfluunt nocent sat. 7,4,6 (pA09,24) quam facilis digesm sit unifomüs alimenta

2f. Macrob.

3 Aug. civ. 1 1 ,28 (p.502,3ff.)

tamquam per omnia ... currentes ... vestigia colligamus; Amm. 1 6,5,6 per omnia philosophiae membra ... currebat

4 Varro mst. 2, 1 ,4 ex his rebus, quae inviolata ultro ferret terra; Ov. met. 1 , 1 0 1f. ipsa

quocque immunis rastroque intacta nec ullis

saucia vomeribus per se dabat omnia tellus; Verg. ecl.

4,40 non rastros patiemr humus; Hor. epod. 1 6,43 reddit ... cererem teIhis inarata; Sen. dial. 12,1 0,5 passim iacent alimenta, quae remm namra omnibus locis disposuit; Verg. georg. 4,133 dapibus mensas onerabat inemptis; Verg. georg. 4,378 pars epulis onerant mensas; Ov. met. 8,57 1 f. adpositas nudae vestigia nymphae insffilxere epulis mensas; Verg. Aen. 1 ,706 dapibus mensas onerent; Colum. 7,2,1 mensas ... dapibus exomat; Man. 1,55, 1 1 onerat ... mensas herbamm usumque medendi

maluit

6f. Verg. Aen. 1 2,396f. scire potestates

7 Sen. clen1. 1 , 1 , 1 imminere oculos ... in pemicien1 alienam

7f. Liv. 4,58,3 precantibus opem militibus

8 Ter. Haut. 154 ubi non vere vivimr

463 nihilque leges ... tenet; Ter. Ad. 85f. neque legem putat tenere se ullam (p. 1 70,8ff.) quae res nobis

10 Sen. Herc.O.

1 1 Apul. met. 7,21

crimina pariet; Publil. N45 nocentem qui defendit sibi crimen

Erste Annvort Dindimlls'

27

natürliche Lebensweise erfordert. Sie duldet und toleriert alles, wobei sie nur das für notwendig erachtet, wovon sie weiß, daß es nicht überfli.issig ist. Einfach ist immer unsere Ernährung, und zwar nicht diejenige, die ein alle Elemente durchforschendes Luxusstreben aufspürt, sondern diejenige, die die vorn Eisen unverletzte Erde hervorbringt. Wir decken unseren Tisch mit unschädlichen Speisen. Infolgedessen kennen wir keinerlei Krankheiten, nicht einmal deren Namen, sondern genießen die langanhaltenden Freuden lauterer Gesundheit. Daher werden bei uns keine Kräuter zum Heilen des Körpers verwendet, und wir, die wir in bester Verfassung sind, brauchen nicht einmal gegen fremde Krankheiten Hilfe. Wo man unter Gleichen lebt, erbittet keiner Hilfe vorn anderen. Wo niemand höhergestellt ist, da ergibt sich kein Platz für Neid. Die Gleichheit in der Armut macht alle reich.

3. Gerichte haben wir nicht, da wir nichts tun, was man korrigieren muß. Wir befolgen keine Gesetze, die bei euch stets Verbrechen hervorgerufen haben. Denn indern sie gewöhnlich durch harte Strafen bisher Unbekanntes verhindern (sollen), haben sie erst zu Verbrechen angeleitet. Nicht gegen das Recht der Natur zu verstoßen ist für unsere Lebensgemeinschaft das einzige Gesetz. Wir zeigen niemandem gegenüber Mitleid, weil wir selbst nichts tun, was Mitleid verlangt. Wir waschen uns von unseren Verfehlungen nicht rein, indern wir anderen ihre Vergehen erlassen, und wir kaufen uns von unseren begangenen Untaten nicht durch das Verteilen von Reichti.imern frei. Was nützt denn die dem Nächsten erwiesene Freigebigkeit des Übeltäters, da die Gabe soviel wert ist wie der Täter?

parit

12f. eie. rep. 3,33 onmes gentes ... llna lex ... continebit; eie. inv. 2, 1 6 1 namrae iliS est, qllod

non opinio gemüt, sed qllaedam in namra vis insevit; eie. inv. 2,65 ae namrae qllidem iliS esse

13 Vliig. lob 1 0, 1 2 misericordiam tribllisti mihi; eie. Mil. I I eam miserieordiam tribllatis; eie.

Plane. 3 ei vos ... miserieordiam ... tribllatis

1 4 Vliig. aet. 22, 1 6 abille peeeata ma; Ov. fast. 5,681

abille praeteriti periuria temporis; Plin. nat. 8,43 ea elilpa abillit

abillimr; Ambr. hex. 5,6,23 peeeamm

Collmio 2,3 - 2,5

28

rnuniflcentia noxii, cum sit auctori simile, quod confertur? Et fortassis sincerior est ille, cum quo male conscius raptim parta cornrnunicat et ita fit, ut vitiis largientis par, qui accipit, habeatur. Pravitas enim, quos contingit, exaequat. 4. Laborern non exercernus, qui nutrit avaritiarn. Otiurn turpe devitarnus. Libidini membra debilitanda non tradimus. Nocte non utimur ad gerenda flagitia. Nihil

5

facirnus, quod paenitentia castiget. Nefas est apud nos iuga rnontiurn vulnerare dentibus vel carnporurn nitorern rugare aut gernentibus tauris stridentia plaustra subiungere. Cruentis dapibus uterurn non torquernus. Vescendi causa secreta litorurn retibus non rimarnur. Non aequoreas animantes secreta venatione decipimus aut aeris libertatern captu aviurn verberarnus. Silvarurn incolas non

10

vastarnus indagine neque spolia ferina dornum convehirnus. Ornnia possidernus, quaecurnque non cupirnus. Est enirn ferocissirna pestis cupiditas, quae solet egenos quos capit efficere, durn finern inquirendi non invenit, sed eo rnagis, quo fuerit locupletata, rnendicat. 5. In usurn lavandi turrita culrnina non levarnus. Nec auras salubres arte quadarn

1 Lil,'. 7,14,2 quae fenne auctoribus similis esset

4 Verg. Aen. 8,378 mos l,'olui exercere labores;

6 Verg. ecl. 5,76 iuga montis aper ... amabit; Stat. sill,'.

Colum. 9, 1 5 , 1 totius anni labor exercemr 2,2,58f. ceme iugum discentia saxa

15

iussumque recedere monten1; Suet. Cal. 37,3 complanata

fossuris montium iuga; Petron. 122 (V . 1 3 1 f.) mpta .

7 Ol,'. rem. 172 sauciet ut

. .. montis iuga

duram l,'on1er aduncus humum; Cat. 64,40 non glaebam prono conl,'ellit l,'omere taums; Vulg. deut. 21,3 nec terram scidit l,'omere; Sil. 9, 1 9 1 nullo sulcanmr l,'omere campi

7f. Ol,'. trist. 3, 1 0,59 pecus

et stridentia plaustra; Verg. georg. 3,536 stridentia plaustra; Vulg. Am. 2, 1 3 siCln stridet plaustrum; Vulg. I reg. 6,7l,'accas

iungite in plaustro; Ol,'. met. 1 , 1 24 pressique iugo genlllere iul,'enci; Stat.

rheb. 2,559f. quod l,'ix plena cerl,'ice gementes l,'ertere humo ... l,'aleant ... iul,'enci; Stat. Theb. 10, 5 1 1 f. quanta pariter cerl,'ice gementes profringunt inarata diu Pangaea iul,'enci; Val. FI. 2,458f. quali­ ter implel,'it genüm cum taums acerbo al,'ia

8 Verg. Aen. 3,618 domus ... dapibusque cmentis; Val.

FI. 2,155 letalesque dapes; Tib. 1 ,5,49 sanguineas edat illa dapes; Ol,'. met. 14,2 1 1 f. l,'idens eiectan­ ten1que cmentas ... dapes; Sall. Cat. 13,3 l,'escendi causa terra marique onmia exquirere; Dig. 28,8,7 l,'escendi gratia

8f. Serl,'. Aen. 5,613 secreta et amoena litomm; Ol,'. met. 12,196 secretaque litora

carpens; Lucan. 5,376 secretaque litora; Claud. rapt. Pros. 2, 1 1 7 imaque

secreta profimdi; Stat.

AchilI. 1 , 137 secretis ... fretis; Tac. ann. 6,3,4 onmium secreta rimanten1; Verg. georg. 1 ,383f. l,'ariae

Erste Annvort Dindimus'

29

Und vielleicht ist der rechtschaffener, Erworbene teilt. Und so kommt es, daß de.t:jenige, der nimmt, auf gleicher Stufe steht mit den Vergehen des Gebenden. Die Verkehrtheit nämlich macht alle, die mit ihr in Berührung kommen, gleich. 4. Wir gehen keiner Arbeit nach, die Habsucht nährt. Schändlicher Muße enthalten wir uns. Wir geben unsere Glieder nicht der Lust hin, so daß sie kraftlos werden. Wir nutzen nicht die Nacht, um Schandtaten zu begehen. Wir tun nichts, was uns reuen müßte. Als Frevel gilt es bei uns, die Bergrücken mit der Pflugschar zu verletzen oder den Glanz der Felder zu durchfurchen oder aufstöhnende Stiere vor ächzende Lastkarren zu spannen. Wir quälen unsere Eingeweide nicht mit blutigen Speisen. Zum Nahrungserwerb durchkämmen wir nicht die Tiefen vor den Küsten mit Netzen. Wir überlisten die Meerestiere nicht mit geheimer Jagd oder verletzen durch das Fangen von Vögeln die Freiheit der Luft. Wir rotten nicht mit einer Treibjagd die Waldtiere aus und nehmen nicht die Felle des Wildes mit nach Hause. Wir besitzen alles, was wir nicht begehren. Gier ist nämlich die übelste Seuche, die gewöhnlich die, die sie befällt, bettelarm macht, weil sie kein Ende des Raffens sondern um so mehr erbettelt, je mehr sie gestillt worden ist. 5. Zum Baden errichten wir keine turmhohen Häuser. Weder erhitzen wir kunstfertig

pelagi volucres ... rimanmr prata; Ov. hai. 77 quae ... rimanmr ... auras [auram HaupI]; Colum. 8,15, I quae stagna et paludes rimanmr [sc. anates et sim.]

9f. Sil. 14,262f. seu silvis sectere feras seu

retibus aequor verrere seu caelo libeat traxisse volucrem

1 0 Flor. Verg. I , I mihi ... aeris libertate

recreanti; Greg. M. moral. 1 6,67 (L8f.) botri ... in ... aeris libertate pendebant; Auson. 1 6 (=20Pr.), 1 7 libera ... aura; Verg. Aen. 5,377 [cf. et 1 O,892f.] verberat ... auras; Verg. Aen. 1 1,756 aethera verberat; Sen. Phaed. 922 silvamm incola; Curt. 4,7,20 incolae nen10ris

1 1 0v. her. 4,100 ferae spolium;

Lucr. 5,954 spoliis corpus vestire feramm; Cic. Verr. 2, 1 , 1 57 spolia donllIm suam referre; Liv. 3,23,3 praedam ... Antium convehit; Verg. Aen. 7,749 convectare iuvat praedas

11f. Val. Max. 4,4,praef.

onmia nimimm habet, qui nihil concupiscit; Vulg. Ir Cor. 6, I 0 tamquam nihil habentes et omnia possidentes; Sen. benef. 7,2,6 tanmm illi deest, quanmm cupit Zephyris auraque salubri

15 O\'. ars 3,693f. lenibus inpulsae

frondes; Fronto epist. 3,8,1 auras salubris ... accipit; Porph. sat. 1 ,8,7

Maecenas salubritatem aeris ... expemls

15f. Val. FI. 2,333 coquimrque vaporibus aer

Collmio 2,5 - 2,6

30

decoquimus nec gelidos aquarurn cursus ferventi statione concludimus. Cur autern nos lavacra poscarnus, quorum corpus irnrnundis contactibus non sordescit? Sole calescirnus, rore urnectarnur, sitim rivo frangimus. Torurn rni­ nistrat humus, sornnurn sollicitudo non rurnpit, mentern cogitatio non fatigat. In 5

homines nostri similes superbiae non agitarnus imperium. Nec quernquarn vel minima servitute exigimus praeter corpus, quod solurn animo farnulari debere censernus. Alioquin saevitia est in obsequiurn cogere, quos nobis fratres eadern natura progemlit et quibus ab uno Deo patre cornrnuniurn bonorurn spondetur hereditas. 6. In extruendis dornibus igne saxa non solvirnus. Nec limurn rursus in lapides

10

subacturn fornacibus reforrnarnus nec adrnixtione velificati pulveris caernenta duriora conficirnus. Fundarnenta non iacirnus in profundo, ne cui nostrum vetus

1 Verg. georg. 4,136 cursus frenaret aquamm; Ov. Pont. 4,1 5,28 cursus euntis aquae; Plin. epist. 10,61,4 expedimm tamen erat cataractis aquae cursum temperare; Sen. nat. 3,12, I (L299) flumen nempe facit copia cursusque aquae perennis

2f. Verg. Aen. 3,227f. contacmque omnia foedant

immundo; Plin. epist. 4, 1 1 ,9 foedumque contacmm ... reiecit

3 Plin. nat. 20,239 calescitque in eo

sole; Vitr. 1,4,1 sole exoriente calescit; Plin. nat. 18,339 umescens rore; Claud. rapt. Pros. 2, 1 2 1 f. umectat

Lucifer agros

roranti praevecms equo; Lucr. 2,663 ex unoque sitim sedantes flumine

aquai; Verg. ec!. 5,47 dulcis aquae saliente sitim restinguere rivo; Ov. trist. 4,8,26 nec siccam Getico fonte levare sitim; Apu!. met. 4,23 (p.92, 1 2f.) rivulo proximo sitim lenio

3f. Curt. 3,2, 1 5 humus

cubile est; Tac. Genl1. 46,3 cubile humus; Ov. met. 10,556 datque torum caespes; Lucr. 5,81 6f. herba cubile praebebat; Ov. her. 1 5 , 1 43f. invenio silvam, quae saepe cubilia nobis praebuit; Ov. her. 5,14 praebuit herba tomm; Ov. ars 2,475 silva donllls fherat, cibus herba, cubilia frondes; Lucan. 9,841 congestae Sffilxere cubilia frondes

4 Vulg. Sirach 42,9 sollicimdo

auferet somnum; Verg. Aen.

7,458 somnum ingens mmpit pavor; Sen. epist. 5 1 , 1 2 quidni mallet ... somnum ... mmpi; Si!. 1 6 , 1 62 menten1 ... fatigat; Hist. Aug. Gord. 16,3 (U 4 1 ,20) lucms ... mentem atque animum fatigaret Cat. 9,5 imperium agitabant; Flor. epit. 1 , 1 8,3 imperium orbis agitabat

5 Sall.

6 Cic. rep. 3,37 ut animus

corpori dicimr imperare; Sall. epist. 2, I 0,6 sicuti corpus animo oboedit; Sen. epist. 92, I puto ... corpus

Erste Annvort Dindimus'

31

die gesunde Luft noch schließen wir kalte Wasserströme in einern Heißwasserbecken ein. Warum sollen wir, deren Körper nicht durch unreine Einflüsse schmutzig wird, auch nach Bädern verlangen? Die Sonne erwärmt uns, der Tau benetzt uns, Durst stillen wir am Fluß. Das Bett stellt die Erde zur Verfügung, unseren Schlaf stört keine ängstliche Sorge, unseren Verstand ermüdet kein (nutzloses) Nachdenken. Über uns ähnliche Menschen üben wir keine hochmütige Herrschaft aus. Für niemanden setzen wir auch nur die geringste Knechtschaft fest, außer für unseren Körper, der unserer Ansicht nach als einziger dem Geiste dienen muß. Im übrigen ist es Barbarei, diejenigen, die ein und dieselbe Natur uns als Brüder erschaffen gemeinsamen Güter versprochen wird, zum Gehorsam zu zwingen. 6. Zum Häuserbau brechen wir Steine nicht mit Feuer. Weder geben wir dem in

Steinform gebrachten Lehm im Ofen eine neue Gestalt noch härten wir Backsteine durch Beimischung eines dafür förderlichen Pulvers. Wir legen keine Fundamente in die Tiefe des Meeres, um zugunsten jemandes von uns

in honorem animi coli; Sen.

e1em.

1,3,5 tomm corpus animo deservit

133,14) qui senamm ad obsequium cogerent

7 Hist. Aug. Did. 6,7 (l

8 Cic. fin. 1,23 nos namra genlüt et conformavit; Cic.

de oral. 2,2 1 9 namra enim fingit homines; Colum. 2, I ,5 herbis, quas ... namra progenerabat; Ser. 56f. noxia .

progenlüt namra; Lucr. 5,958 nec commune bomlm poterant spectare; Verg. Aen. 1 1 ,435

tanmmque bonis conmnmibus obsto; Ov. trist. 4,4, 1 6 et de conmnmi pars quoque nostra bono est; Sen. dia!. 8, 1 ,4 non desinenllls communi bono operam dare decorandis domibus; Lucan. 3,504ff. ignis . 7,1 07f. am ubi ... silices ... solmi terrae igni

l O Sen. contr. 2, 1 , 1 2 in extnlendis et

nec solum silvas sed saxa ingentia sohit; Ov. met.

concipiunt ignem

10f. Stat. sill,'. 3, I, 120f. coquimr pars umida

protecmra hien1es atque exclusura pminas; Verg. ec!. 8,80f. limus

durescit

1 1f. Plin. nat. 36,176 minamm urbis ea maxume causa, quod filrto calcis sine femmine suo

caen1enta componunmr; Liv. 2 1 , I I ,8 caementa non calce durata erant

12ff. Hor. cam1. 3, I ,33f.

contracta pisces aequora sentiunt iactis in almm molibus: huc frequens caementa diminit; Hor. cam1. 2, 18,20f. marisque Hais obstrepentis urges submovere litora; Sen. episl. 89,21 ubicumque in aliquen1 sinum lims curvabimr,

'lOS

protinus fimdamenta iacietis, nec contenti solo, nisi quod manu feceritis,

mare agetis introrsus; Lucan. 3,651 bracchia nec licuit vasto iactare profimdo

Collmio 2,6 - 2,7

32

Oceani possessio rnutiletur nec ibi cubicula nobis aprica sirrt, ubi fuerat quondarn procellosa navigatio, durn terrarurn dilatare quodarn modo rnolimur angustiora et defectui Creatoris velut quaedarn supplernenta praebernus. Quin potius in defossis telluris speluncis aut concavis rnontiurn latebris capaciter habitarnus. Nullos ibi ventorurn frernitus, nullius ternpestatis turbines forrnidarnus. Tutius

5

nos defendit ab imbre spelunca quarn tegula, cuius gerninus nobis usus est: rnansioni durn vivirnus proficit, durn rnorimur sepulturae. 7. Nullus apud nos pretiosus arnictus est, nulla vestis fucato colore contexitur.

Membra papyri tegrnine vel, quod est verius, pudore velantur. Ferninae nostrates non ornantur, ut placeant. Quae quidern ornarnentorurn culturn rnagis oneri

10

deputant quam decori. Etenirn nesciunt in augenda pulchritudine plus affectare quarn natae sunt. Narn quis potest opus naturae corrigere? Quod cum fuerit, aut infructuosum est, quia vincitur, aut crirninosum, quia praesumitur. Nullus apud

1 Tac. ann. 1 3,37,4 vetere Arn1eniae possessione depelleremr; Cic. leg. 1 ,55fin. depasci veterem possessionem

2 Plin. nat. 1 1 ,81 ex angusto dilatans; Sen. benef. 2,15,2 exiguum dilatabo

3 Apu!.

apo!. 36 (p.42,8) cur mrpe sit ... defecta supplere?; Ambr. hex. 5 , 1 0,27 deficit terra hominibus ... et . spatia maris sibi vindicant

4ff. Curt. 7,4,4 tot montium latebris; Lucr. 5,955 cavos montis

colebant; Si!. 17,617 petit

montes unasque latebras; Ambr. hex. 3,3,14 concava montium; ibid.

6,9,62 in concavis montium; Eustath. Basil. hex. 9,5 (p.%3 1l) non satis admiror

speluncamm

cavationes, quia non solum ventomm frenüms evitare solen!, sed ... ; Sen. nat. 6,1,6 (Z.46f.) adversus tonimla et minas caeli subterraneae donllls et in almm acti [defossi in almm alii] specus ren1edia sunt; I'ac. Gern1. 16,3 solent et subterraneos specus aperire; Verg. georg. 3,376f. ipsi in defossis specubus secura sub aha

otia agunt terra; Culex 274 defossasque domos [nec timuitJ ; Mela 2, 1 0 demersis in

humum sedibus, specus am suffossa habitant; Plin. nat. 19,9 defossae [sc. feminae] atque sub terra id opus [sc. vela texere] agunt; Serv. Aen. 1,6 ibi lamerant incolae, qui ... in cavis montium vel occuhis caventes sibi a

tempestatibus habitaverint

5 Ov. trist. 1 ,2,25 fremunt inmani nmrnlllre venti;

Eustath. Basi!. hex. 6,4 (p.92S''') ventomm frenüms; Eustath. Basi!. hex. 7,5 (p.9421l) sciunt ventomm frenümm concitandum

6 Ov. met. 4,526 defendit ab imbribus; Veg. mi!. 4,26,3 (L50I ff.) in quibus

[sc. mguriolis] vigiles ... ab imbribus ... defendanmr; Lucan. 10,5 1 2 duci geminos ... praestitit usus; I'er. Maur. VI 329 (V 1 29) quae geminum ministret usum

8 Cic. Phi!. 2,66 fiIit ... pretiosa vestis;

Curt. 5,6,7 pretiosissima vestium indmi; Cic. fin. 2,69 pulcherrimo vestim et ornam regali; Hor. epist. 1 , 1 8,32 vestimenta dabat pretiosa; Verg. georg. 4,334f. vellera .

samro fhcata colore; Rhet. Her. 4,

Erste Annvort Dindimus'

33

den alten Besitz des Ozeans zu verkleinern oder um dort sonnenbeschienene Zimmer zu haben, wo vordem stürmische Seefahrt stattfand, indern wir auf irgendeine Weise versuchen, kleinere Landstücke zu verbreitern, und der Unvollkommenheit des Schöpfers sozusagen Ergänzungen bieten. Vielmehr wohnen wir geräumig in ausgehobenen Erdunterkünften oder in ausgehauenen Berghöhlen. Dort fürchten wir kein Heulen von Winden, kein Dröhnen eines Unwetters. Sicherer als ein Ziegeldach schützt uns unsere Unterkunft gegen Regen, deren Nutzen für uns ein zweifacher ist: Solange wir leben, dient sie als Wohnung, wenn wir tot sind, als Grab. 7. Bei uns gibt es keine prachtvolle Kleidung, kein Kleidungsstück wird mit exquisiter

Farbe gewebt. Unsere Gliedmaßen verhüllen wir mit einern Überwurf aus Papyrus bzw. - was der Wahrheit näher kommt - mit unserem ScharngeflihL Unsere Frauen schmücken sich nicht, um zu gefallen. Sie halten den Luxus von Geschmeide sogar eher für eine Last als für eine Zier. Außerdem können sie beim Unterstreichen ihrer Schönheit nicht mehr erreichen, als von Geburt aus da ist. Denn wer könnte das Werk der Natur verbessern? Wenn das geschähe, wäre es entweder unnütz, weil man (sowieso) besiegt wird, oder es wäre frevelhaft, weil man anmaßend handelt.

60 palla inaurata indu[clms, cum c1amyde purpurea coloribus variis intexta; Petron. 1 1 8,5 intexto vestibus colore niteant

9 luv. 4,23f. hoc m succincms patria quondam, Crispine, papyro?; Phaedr.

4,16,5 namrae panis veste quas celat pudor; Prop. 1 , 1 3 , 1 8 quae deinde meus celat ... pudor

9f. Plaut.

Most. 293 me exomo, ut placeam; Liv. 34,7,9 munditiae et omams et culms, haec feminarum insignia sunt, his gaudent et glorianmr; Cypr. hab. virg. 12 (p.1 95,25ff.) ornamentomm ac vestium insignia et lenocinia fom1amm non nisi prostimis et impudicis fenünis congnnmt et nullamm fere pretiosior culms est quam quamm pudor vilis est qui ... auget; Ov. met. 2,57f. plus etiam .

1 1 Apul. Asc. I I (p.5 1 ,2f.) eius [sc. mundil pulchrimdinen1 ... adfectas

12f Cypr. hab. virg. 1 5 (p.1 98,6ff.) puto et

omnes omnino feminas admonendas, quod opus Dei ... adulterari nullo modo debeat adhibito flavo colore vel nigro pulvere vel mbore aut quolibet denique liniamenta nativa comlmpente medicamine; Cypr. hab. virg. 1 5 (p.1 98, I I ff.) et audet quisquam mutare et convenere quod Deus fecit! manus Deo infenmt, quando id quod ille fonnavit refonnare et transfigurare contendunt, nescientes quia opus Dei est omne quod nascimr, diaboli quodcumque mutamr

Collmio 2,7 - 2,8

34

nos incestus, nullurn adulteriurn, nulla corruptio norninatur. Ad concubiturn non adrnonet nos libido, sed subolis amor. Non novimus arnorern nisi piurn. Abortivis haustibus procedere feta nascentia nos vetarnus nec intra vivurn corpus mortern investigarnus alterius. In horninibus concipiendis sterilitatis obitu rninirne Deurn SUD

illre privarnus nec in rapienda vita superstiturn gladiis urgernus rnorantia fila

5

Parcarulll. 8. Arrna non surnimus, beUa non gerimus. Pacern rnoribus, non viribus COll­

firrnarnus. Sola Fortuna est, adversus quarn saepe pugnarnus et sernper vincimus. Quae terneritatern suarn nos experta deplorat. De Fatis nihil quaerimus, quia potestatern illis contra nos recte agendo non darnus. Mortern non patirnur, nisi

10

quarn aetas affecta portaverit. Nerno denique parens filiorurn cornitatur exse­ quias. Nulla nos exstruirnus instar ternplorurn sepulcra defunctis. Nec in gern­ rnatis urnis funera cornbusta recondirnus, quod non honori potius dixerirn, sed poenae. Quid enirn rniserabilius his ossibus, quae, ne genetrix terra cornplectenda 15

recipiat, concrernantur?

If. Vulg. Tob. 6,22 amore filiomm magis quam Iibidinis ducms; Hist. Aug. trig. tyr. 30, 1 2 (U 128, 14ff.) cuius ea castitas flüsse dicimr, m ne vimm suum quidem scieret nisi temptandis con­ ceptionibus; Plin. nat. 10,105 amor utrique subolis aequalis; Vulg. Tob. 8,9 accipio sororem meam . sola posteritatis dilectione

2f. Ambr. hex. 5 , 1 8,58 in mero proprios negant fems et parricidalibus

sucis in ipso genitali alvo pignera sui ventris extinguunt vo

3f. Ov. her. 1 1 ,60 vive nec unius corpore perde duos!

hominen1 concipi ... facit

3 Lucr. 2,703 egigni corpore vi­

4 Macrob. somn. 1 ,6,62 (p.30, I ff.) qui

5f. Stat. silv. 3 , 1 , 1 7 1 Parcamm fila; Verg. Aen. 10,815 Parcae fila legunt;

Ov. am. 1,3, 1 7 quos dederint annos mihi fila soromm; Si!. 17,36 1 f. nil fila soromm adversus posco; Hor. cam1. 2,3,1 5f. dum.. soromm

fila trium patiunmr; Lucan. frg. 1,2 (FPL p.322) delatis [di­

Haehre/Js] haesenmt ... filis; Stat. rheb. 1,632f. mors fila soromm ense metit; Sall. lug. 24,3 ferro . urgear; Flor. epit. 1,4,2 amüs

urglleret; Verg. Aen. 7,241 iussisque ingentibus urget; Plin. nat.

14,142 rapere se ita vitam praedicant pacem confim1aret

7f. Tac. ann. 2,64,1 pacem sapientia fim1averat; Liv. 45, 1 1 ,3

8 eic. fin. 4,17 posset repugnari obsistique fommae; Sen. epist. 74, 1 9 nullus

amen1 contra fornmam inexpugnabilis mums est [cf. et epist. 82,5]

9 Lucan. 6,8 1 2 m famm ne

quaere mum; Lucan. 8,49 quaerere nec quidquam de fato coniugis audes; Ov. her. 2 1 ,232 quaerimr a

Erste Annvort Dindimus'

35

Bei uns kOlnrnt keine Unzucht, kein Ehebruch, keine Perversion vor. Zum Beischlaf bringt uns nicht die Wollust, sondern unser Verlangen nach Nachwuchs. Wir kennen einzig die Gott wohlgefällige Liebe. Bei uns ist es verboten, daß heranwachsende Föten durch die Einnahme abortiver Getränke abgetrieben werden, und wir suchen nicht im Innern eines lebenden Körpers den Tod eines anderen. In (Fragen der) Empfängnis nehmen wir Gott durch den Einsatz von Verhütungsmitteln keinesfalls sein Recht, und wir gehen nicht mit dem Schwert auf die säumigen Fäden der Parzen los, um den Ü berlebenden das Leben zu nehmen. 8. Zu den Waffen greifen wir nicht; wir fUhren keine Kriege. Den Frieden stärken wir

durch unsere Lebensweise, nicht durch MachtrnitteL Nur Fortuna ist es, gegen die wir oft kämpfen und stets siegen. Und sie bedauert dann ihre Unbesonnenheit, wenn sie uns auf die Probe gestellt hat. Nach dem Fatum fragen wir nicht, weil wir ihm keine Macht gegen uns geben, da wir immer recht handeln. Den Tod erleiden wir nicht, außer den, den das betagte Alter mit sich bringt. Folglich geleitet kein Elternteil seine toten Kinder zu Grabe. Wir errichten für die Verstorbenen keine tempelgroßen Grabmäler. Auch setzen wir keine verbrannten Leichen in edelsteinverzierten Urnen bei, was ich nicht für eine Ehre, sondern vielmehr für eine Strafe halte. Was ist nämlich beklagenswerter als diese Gebeine, die zu Asche verbrannt werden, so daß Mutter Erde sie nicht umarmend aufuehmen kann?

Delphis fata canente Deo

10 Aug. civ. 1 0,24 (p.438, 1 3 ff.) monem

trist. 1,2,4 ne mihi mors ... patienda fiIit 2,4,95 aetate tam adfecta

1 1 Cic. de orat. 1 ,200 adfectaque iam aetate; Cic. Verr.

1 1 f. Plin. nat. 1 1 ,64 comitanmr exsequias; Ov. Pont. 1,9,47 fimera non

pomi comitare; Bias Lat. 1036 saltem saeva pater conütaoor fimera nati condidit uma

esse ... perferendam; Aug.

13 Lucan. 2,333f. postquam

suprenlOs cineres; Ov. met. 4,166 quodque rogis superest, una requiescit in uma

13f. Cic. Rab. perd. 3 laude potiliS et honore quam poena et supplicio dignum iudicare

14 Fliig. mit.

3,2 (p. 62,9) terram omnium genetricen1; Claudian cam1. min. 53,1 2f. fervida

genetrix [sc.

I'erra]; CLE 89,4 amica TeIhis ut det hospitium ossibus

14f. Sen. nat. 2,6, I (L99) quidquid terra in

alimenmm caelestium misit, recipit; Lucr. 5,3 1 9f. si procreat [sc. quod continet amplexu terram] ex se onmia ... recipitque peren1pta

Collmio 2,9 - 2, 1 0

36

9. Sed haec vestra sunt argurnenta, divitiae, quae nec satietatern viventibus

concessistis et rnortuis suprernarn requiem sustulistis. Invenit, ut video, vester furor in homine et post fata, quod torqueat. Non enim sinitis grernio

SUD

tellurern

cineres fovere, quos edidit, durn rnunifici specie rninisterii iucundarn rniseris eripitis sepulturarn. Discant homines, qualern vicissitudinern arnatoribus vestris

5

exhibetis. Vos estis rnalorurn omnium causa rnortaliurn. Vos Asiarn et Libyarn brevibus concludi finibus affirrnastis. Vos solis rneaturn trepidare facitis, durn cursus sui terminos arrnis disquirit Alexander. Vos Pactoli atque Herrni rutilos auro rneatus decolores reddidistis. Vos Nilurn videndurn rnonuistis. Vos pontern navalern rnoliri docuistis. Vos horribilem Oceanum navigabilem demonstrastis. Vos

Tartareum

custodem

sopiri

posse

pretio

suggessistis.

Vos

10

omnia

consumentes vultum semper ieiunum geritis. Vos pias patrum dexteras natorum iugulis scelerastis. Vos in maternum concubitum verecundos iuvenes ipso cupidine stupentes duxistis. Vos in superbiarn reges mitissirnos incitastis, quibus cum terrarum spatia minirne sufficere suadetis, poli quaerere sedes hortarnini.

15

1 0. Licet nec deos vestros morbi dirniseritis exsortes. Narn et per ipsos nefanda

cornrnittitis. Testes sunt Iupiter et Proserpina, ille, quod pudicarn mulierem fefellit auratus, illa, quod vivum corpus in Tartarum non aliter nisi auro suscepit

3f. Auson. 1 2(=5 PI.),21, I tenet gremio intima tellus; Ov. her. 1 7,56 quae ... gremio ... fovit; Stat. sill,'. 2, 1 , 1 2 1 et gremio ... fovebat; Auson. 1,4(= 1 3 PI.), 1 5 in gremio fovete uno; Ov. met. 1,436 [tellus] edidit innumeras species; Sen. Octavia 239 Tellus edidit

5 Amm. 1 7,4, 1 2 discant qui ignorant;

AmbI. hex. 5, 1 6,54 et 5, 18,58 discant homines ... ; Sen. nat. 2,43,2 discant hi, .

7 Lucr. 1 , 1 28 solis

lunaeque meams; LucI. 5,76 solis cursus lunaeque meams; Lucr. 5,774 solis ... varios cursus lunaeque meams; Plin. nat. 2,35 solis meamm

8 Sen. benef. 7,2,6 extra namrae tenninos am1a proferret; Curt.

4,4,20 nova et extema donücilia armis ... quaerere Flor. epit. 1,45,14 navali ponte transgredimr

9f. Amm. 2 1 ,7,7 Eufrate navali ponte transcurso;

1 1 Verg. Aen. 6,395 Tartareum ... custoden1 in vincla

petivit; Gloss. IV p.466,9 Tarteareum custodem canen1 tricerberium [sic]; Apul. met. 6,20 (p. 143, 1 8f.) offulae cibo sopita canis horrenda rabie; Verg. Aen. 6,41 9ff. cui [sc. Cerbero] . medicatis frugibus offam pomi sopire draconen1

meile soporatam et

obicit; Ov. met. 7,149 superest herbis sopire draconem; Ov. her. 1 2 , 1 7 1 12f. Verg. Aen. 3,42 parce pias scelerare manus; HoI. sat. 2 , I ,54 nil faciet

sceleris pia dextera; Stat.

rheb. 9,666 quicumque nefandam

insontis pueri scelerarit san-

Erste Annvort Dindimlls'

37



9. Das aber sind eure Maximen, Schätze, die ihr den Lebenden niemals Zufriedenheit

gebt und den Toten die letzte Ruhe nehmt. Es findet, wie ich sehe, euer wahnsinniges Wüten am Menschen sogar nach dem Tode etwas, was es quälen kann. Ihr laßt nämlich nicht zu, daß die Erde in ihrem Schoß die Asche hegt, die sie einst her­ vorgebracht hat, weil ihr unter dem Anschein eines pflichtschuldigen Dienstes den Armen ihre angenehme Bestattung nehmt. Lernen sollen die Menschen, wie ihr es den euch Ergebenen vergeltet. Ihr seid der Grund aller Übel für die Menschen. Ihr habt beteuert, Asien und Libyen würden durch zu enge Grenzen umschlossen. Ihr macht die Bewegung der Sonne schwanken, indern Alexander die Grenzen ihrer Bahn mit Wafe fn schimmernden Läufe des Pactolus und des Hermus farblos gemacht. Ihr habt dazu gedrängt, man müsse den Nil sehen. Thr habt gelehrt, eine Schifsf brücke habt gezeigt, daß der furchteinf1ößende Ozean schiffbar sei. Thr habt eingegeben, der Wächter des Tartarus könne durch Bestechung eingeschläfert werden. Obwohl ihr alles verschlingt, tragt ihr stets ein verlangendes Gesicht. Ihr habt fromme Vaterhände mit dem Blut der Kinder besudelt. Ihr habt sittsame junge Männer zum Beischlaf mit der Mutter verleitet - starr vor Schrecken über ihr eigenes Verlangen. Thr habt die sanftmütigsten Könige zum Hochmut angestachelt; weil ihr ihnen weismacht, die Ausmaße ihrer Länder seien viel zu gering, treibt ihr sie, nach einern Hirnrnels­ thron zu streben. 10. Ja nicht einmal eure Götter habt ihr von dieser Krankheit ausgenommen. Denn

auch in ihrem Namen begeht ihr Freveltaten. Zeugen dafür sind Jupiter und Proserpina, er, weil er vergoldet eine sittsame Frau getäuscht hat, sie, weil sie einen lebenden Körper nicht anders als durch Bestechung mit Gold in den Tartarus aufge-



Angeredet sind die diviliae; vgl. Kommentar zur Stelle.

glline dextram

13 Ov. met. 7,386f. Cllm matre Menephron

concllbimms erat

15 Cllrt. 4,14,7 tot

terramm spatia; Cllrt. 9,2, 1 0 spatia terramm; Sen. nat. 6,2 1 , 1 (L644) magna spatia terramm; Sen. benef. 7,1 0,5 vasta spatia terramm

16f. Liv. 29,2 1 , 1 0 nefanda commissa [pro certo habet]

Collmio 2 , I 0 - 2, 1 3

38

oblato. Vos liberos homines honestate privatis, vos servos nobilitate donatis, vos captivos triurnphis extollitis. Vos leges facitis non posse, quod volunt, vos iudices integritate nudatis. Vos virtutern vitiis, fortitudinern rniseriis subiugatis. Ornnia tenetis et omnibus vos habentibus imperatis. Sola sapientia Bragrnanorurn

5

vos superat non arnando considerans earn vos matrem genuisse, quae lapides.

1 1 . Sed bis satis; mme reliqua percurrarnus. Pestilentiarn Bragrnani non patimur, neque enim foedis actibus caeli ternerarnus ternperiern. Tenet apud nos cum ternporibus natura concordiarn et vices suas elernenta non offensa custodiunt. Medicinae remedium nobis parsimonia est, quae non solurn in lapsos potest

10

curare languores, sed etiarn procurare, ne veniant.

12. Nulla nos ludicra spectacula nec equina certamina nec scaenicas turpitudines affectamus. abhorremus. Quid enirn mimus hic faciet, ubi nullum praestigium, quod ridendum de nobis possit exhibere, reperiat? Quid enim tragicus agat nihil inveniens, quod lugeat cum damore? Cur iuvenes bestiis obiciantur immanibus,

15

cum nullius noxam talis poena respiciat? Nos theatrum spectare cum volumus, vestrorum operum monumenta relegimus, quae, cum sint maxime ridenda, deflemus.

13. Alia porro nobis spectacula diversasque voluptates exhibet mundi machina, 5 O'l. met. 14,64 1 f. superabat amando hos quoque

7 Curt. 4,7, 1 7 caeli quoque mira temperies; O'l.

Pont. 2,7,71 temperie caeli corpusque animusque iu'lamr; Cic. nat. deor. 2, 1 3 [con1TI1Oda] percipiunmr 7f Eustath. Basi!.

caeli temperatione; Plin. nat. 3,41 talis caeli temperies [cf. et 7,2 1 , 1 1 ,20, 14,55]

hex. 3,3 (p.892c) 'laleant ... tenere concordiam; Flor. epit. 2, 1 3 , 1 3 concordiam ... tenebat 1 5,237f. quae nos elementa 'locamus

quasque 'lices peragant,

doeebo

8 O'l. met.

1 1 Curt. 3,7,5 edito

spectaculo ludicro; ColuTI1. 1 2,2,4 quod [sc. dispositionem atque ordinem] etiam ludicris spectaculis lieet saepe cognoscere; Arnob. nat. 5,42 (p.2 1 1 , 1 4f.) quem in spectaculis ludicris ... no'lerunt; Sen. dia!. 4,2,3 ludicra scaenae spectacula

12 Verg. Aen. 12,35f. recalent .

fluenta

sanguine; Pmd.

cath. 12, 1 37f. (p.909A) sangllinis fluenta; Potam. tract. 2 (p. 1 4 1 6A) fontis fluenta purpurei S. Rosc. 7 1 feris corpus obicere

15 Cic.

bestiis; Varro Men. 24 'lOS non barbari, quod noxios obicitis 17 Pmd. c. S)111TI1. 2,1 83f. (p. I 94A) negat

bestiis?; Sen. dia!. 5,3,6 bestiamm immanium ca'leae interimra meomm

monumenta opemm

1 9 Lucr. 5,96 machina mundi; Rutin. Adam. 4,8

Erste Annvort Dindimus'

39

nommen hat. Thr beraubt freie Menschen ihrer Ehre, ihr schenkt Sklaven Ansehen, Gefangene erhöht ihr in Triumphzügen. Ihr bewirkt, daß die Gesetze nicht das ver­ mögen, was sie wollen, Richter entkleidet ihr ihrer Integrität. Die Tugend unterwerft ihr den Lastern, die Beherztheit den Nöten (des Lebens). � Alles habt ihr in der Gewalt, und allen, die euch besitzen, befehligt ihr. Einzig die Weisheit der Brahmanen überwindet euch, indern sie euch verschmäht, immer daran denkend, daß euch dieselbe Mutter gebar wie auch die Steine.

1 1 . Doch davon genug; laß uns nun das Übrige durchgehen. Wir Brahmanen leiden nicht unter Seuchen; wir verschmutzen nämlich nicht durch schändliche Taten das milde Klima des Himmels. Die Natur befindet sich bei uns in Harmonie mit den Jahreszeiten, und die unversehrten Elemente bewahren ihren (geregelten) Ablauf. Ein Heilmittel der Medizin ist für uns die Beschränkung. Sie kann nicht nur Entkräftungen bei den Betrofe f nen

12. Wir verlangen weder nach spektakulären Spielen noch nach Pferdewettkämpfen noch nach den Schändlichkeiten der Bühne. Die Arena bringt uns kein Vergnügen, wir schaudern zurück vor Sturzbächen von Blut. Was wird denn ein Possenreißer hier tun, wo er keine Eitelkeit findet, die eine Möglichkeit bietet, uns zu verlachen? Was soll denn ein Tragöde tun, der nichts findet, worüber er lauthals jammern kann? Warum sollen junge Märmer grausamen wilden Tieren vorgeworfen werden, obwohl eine solche Bestrafung dem Vergehen keines einzigen angemessen ist? Wenn wir ein Theaterstück sehen wollen, gehen wir die Dokumente eurer Werke durch, die wir dann beweinen, obwohl man darüber laut lachen müßte.

13. Andere Schauspiele und vielfältiges Vergnügen bietet uns dagegen das Welten•

Siehe die vorherige Anmerkung.

huius mundi a deo machina peromata; Lucan. 1 ,79f. totaque discors machina divulsi mrbabit foedera mundi [mundi verisim. elTTo KOLVOÜ legendum eSI]; Amob. nat. 1 , 2 (pA,7ff.) numquid in contrarias qualitates prima illa elementa mutata sum, ex quibus res omnes consensum est esse concretas? numquid machinae huius et molis ... parte est in aliqua relaxata am dissolma consffilctio?; Manil. 2,807 dissociata fluat resolmo machina mundo

Colla/io 2, 1 3

40

in qua vidernus polurn pulchre forrnaturn signorurn varietatibus stellarurnque fulgoribus rutilare, solern puniceis invecturn iugalibus crines per orbern radiantes effundere. Tempora spiceis ae parnpineis cincta redirniculis cornitantur, dies quoque volubiles et hOIae volubiliores antecedunt. Cernimus etiarn pelagus eolore

5

purpureo venustaturn, quod placidis et amicis exciturn sernper fluctibus non ferire gerrnanarn terrarn creditur, sed arnplecti. Cuius rnultiforrnes pisces vagique delphini aequoreas rnadidas undas usque saltatus innocenter exercent. Carnporurn quin etiarn laeta virentiurn specie delectarnur, ex quibus odor gratissimus florurn suavitate exhalans oculos simul pascit et animurn. Nemorumque nobis et fontium

10

opaca scilicet arridet arnoenitas, quam variae sirnul alites musicis concentibus personantes melos duke componunt. Haec sunt naturae spectacula, quae et irnitari difficile est et refutare culpabile.

lf. Plin. nat. 18,352 stellamm fhlgor

2 0v. met. 5,661 sacros agitare iugales; Verg. Aen. 7,280

[iussit duci] geminosque iugales; Verg. Aen. 1 2,77 puniceis invecta rotis Aurora effilsis stellams crinibus aether; Anth. 466,5 signa effilsa per orbem

2f Val. FI. 2,42

3 Manil. 3,546f. venit .

exactis bis sex iam solibus annus; Laus 20 bis senis revocabit mensibus astra

5ff. Ambr. hex. 3,5,21

pulchra sit species huius elementi [sc. maris], ... cum aequore crispanti c1ementioribus auris et blando serenae tranquillitatis purpurescentem praefert colorem, qui eminus spectantibus frequenter offundimr, quando non violentis fluctibus vicina nmdit litora, sed velm pacificis ambit et salutat amplexi­ bus

6 Val. FI. 1,265 placido

currere flucm; Lucan. 4,13 placidis praelabimr undis; Ov. met.

13,899 placidisque natant Nereldes undis ludentes ms

8 Verg. Aen. 9,6 1 f. agni

7f. Ambr. hex. 5 , 1 1,34 adde pisces salientes et delphinas balamm exercent; Verg. georg. 1 ,403 exercet

8f. Lucr. 1 , 1 8 [per] camposque virentes

can­

9 Claudian 1 0,240 grams odor; Plin. nat. 3 1 ,68

prodest ... et sapore grato et odore; Plin nat. 3 1 ,90 odore ... ingrato ... dissentiens

9f. Serv. Aen.

3,442 m exhalans inde ... odor ... aves necaret; Ov. met. 7,581 hic illic ... exhalantes

10 Lucr. 2,4 1 9

oculos qui [sc. colores] pascere possunt; Cic. Verr. 2,5,65 pascere oculos animumque exsamrare vellent; Ov. am. 3,2,6 oSClilos pascat merque suos; I'er. Phom1. 85 restabat aliud nil nisi oculos pascere; Suet. Vit. 14,2 velle se dicens pascere oculos; Verg. georg. 2,285 non animum modo mi pascat prospecms inanem; Verg. Aen. 1 ,464 animum picmra pascit; Ov. met. 14,728 lumina pascas;

Erste Annvort Dindimus'

41

wunder, worin wir das wohlgestaltete Himmelsgewölbe mit seiner Mannigfaltigkeit an Sternbildern und dem Glanz der Sterne schimmern, die von purpurnen Rossen gezogene Sonne glitzernde Strahlen über die ganze Welt ausbreiten sehen. Ihr folgt das wiedererwachte Jahr, sich über zweimal sechs Monate erstreckend. Die mit Ketten aus Ähren und Weinlaub bekränzten Jahreszeiten begleiten sie; auch der f1i.ichtige Tag und die noch flüchtigeren Stunden gehen mit ihr einher. Wir betrachten auch das Meer, lieblich von rotem Glanz, das - stets von sanften zärtlichen Wellen gekräuselt - seine Schwester, die Erde, nicht zu schlagen, sondern zu umarmen scheint. Dessen vielgestaltige Fische und die lebhaften Delphine vollflihren in den klaren feuchten Fluten unentwegt unbefangen ihre Tänze. Ja auch der frohe Anblick der grünenden Wiesen begli.ickt uns, denen ein von lieblichen Blumen höchst angenehmer Duft entströmt und die Augen und das Gemüt zugleich weidet. Der schattige Liebreiz der Haine und Quellen lacht uns entgegen, den die verschiedenen Vögel erschafe f n, singen. Das sind die Schauspiele der Natur, die nachzuahmen schwierig und abzulehnen verwerf1ich ist.

Ov. Pont. 1,4,21 animus quoque pascimr illis [sc. otiis] ; Ambr. hex. 3,8,36 in quibus [sc. floribus] nescias umm1 species amplius flomm an vis odora delectant

10r. Stat. Theb. 1,376 opaca legens

nemorum; Colum. 6,22,2 aestate amem opacissima nemomm [desiderat] ; Stat. rheb. 5,186 fhsi nemomm per opaca sacromm

1 1 Apu!. met. 6,6 (p.1 32,25) aves melleis modulis suave resonantes;

Apu!. flor. 3 (pA,2f.) concenmm musicum miscuit; Virr. 1 , 1 ,9 [vasal ad symphonias musicas sive concenms con1ponunmr; Verg. georg. 1 ,422 ille avium concenms in agris; Ov. fast. 1 , 155 tepidum volucres concentibus aera mulcent

1 2 Sacerd. VI 538,26 refer, Musa, ... dulce melos voce sonans;

Cassiod. in psalm. 22 conc!. (L21 2f.) dulce melos ... cantaverit; Laus 176 dulce melos ... exmdit; Stat. sill,'. 2,7,88 cantibus

personaoo; Sen. dia!. 1 1 ,9,3 namrae spectaculo fmimr; Sen. epist. 65, 1 6

philosophia ... [corpus] respirare remm namrae spectaculo iussit

13 Tib. 3,6,33 difficile est imitari

gaudia falsa; Serv. Aen. 1 , 7 1 6 difficile est enim imitari vemm ... adfecmm

Collmio 2,14 - 2, 1 5

42

14. Nos rnercandi gratia ponturn classibus non sulcarnus nec sub alio iacentes

sole provincias fastidio terrae alterius expetirnus. Quod tarn cornrneantibus saeva pericula, quarn solet pervectis rnagna rniracula praebere. Nurnquarn nos peregrina species ardore suae pulchritudinis inf1arnrnavit, quibus nihil decentius esse creditur quarn visio propriorurn. Nec farnulos nos sibi faciet multis casibus opum

5

devincta rnateries, quos liberos edidit absoluta pauperies. 15. Nos artern bene loquendi non discimus neque facundiae rhetorurn et oratorurn

darnus operarn, cuius officiurn est phaleratis serrnonibus figrnentare rnendacia et innocentiae fidern conferre criminibus ae parricidii reos assignare piissimos. Qui, durn putant se alienae laudis fructurn per iniquarn victoriarn rapuisse, nesciunt

10

munimentum suae conscientiae perdidisse. Simplex apud nos eloquentia cornrnunisque cum omnibus, solum praecipiens non mentiri. Philosophorum scholas minime frequentarnus, quorum doctrina discordia, nihil stabile certumque definiens, semper sequentibus placita priora scindentibus. Quorum una pars bonum in honestate, alia in voluptate constituit, et, quod asserunt, unde scire ipsi

15

potuerunt, demonstrare non possunt, sed audent opinionibus arnbiguis non comperta firmare. Nostra philosophia expedita est, quae iuvare non nisi iuste novit, nocere nec iuste. Nec aliis id inferendum censet, quod nobis maerorem gene rat, c um infertur.

1 eic. rep. 2,9 mercandi causa [Poeni maritimi erantJ; Verg. Aen. 5,158 longa sulcant vada salsa carina; Verg. Aen. 10,197 longa sulcat maria alta carina; Ov. Pont. 1,4,35 vasmm sulcavimus aequor; Si!. 1 5,239 sulcarant caemla puppes; Si!. 1 7 , 1 5 5 propulsa sulcant vada salsa carina; Sen. Phaed. 530 secabant ... ponmm rates

If. Verg. georg. 2,5 1 2 alio patriam quaenmt sub sole iacenten1; Lucan.

2,583f. tota tenemr terra ... quocumque iacet sub sole eic. Mur. I I quae [sc. Asia] ... expetita est silv. 3,2, If. di, quibus ... amor est .

2 Ov. her. 7,14 quaesita est altera terra tibi;

2f. Ov. her. 20, 175 subis tam saeva pericula vitae; Stat.

saevaque ventosi mulcere pericula ponti

3 Si!. 6,54 talia dum

praebet ... miracula; Lucan. 3,634 praebuit ... miracula; Lucan. 4,425 praebet miracula; eic. nat. deor. 2,155 spectaculum ... praebent 1 , 1 1 4 ardore aliquo inflammati

3f. Vulg. Sirach 9,8 non circumspicias specien1 alienam 8 Ter. Phon11. 500 me ... phaleratis ducas dictis

4 eic. div.

10 Plin. epist.

43

Erste Annvort Dindimus'

14. Wir durchfahren das Meer nicht mit Flotten, um Handel zu treiben, und wir suchen

nicht aus Ü berdruß unter einern anderen Himmelsstrich liegende Provinzen eines anderen Landes auf. Denn das hält gewöhnlich ebenso schreckliche Gefahren für die Reisenden wie schier Unglaubliches für die ans Ziel Gelangten bereit. Niemals entflammt uns, die wir glauben, nichts sei reizvoller als der Anblick von bekannten Dingen, eine fremde Erscheinung durch das Feuer ihrer Schönheit. Der von den vielen Zufällen der Mächte abhängige Reichtum wird uns, die die völlige Armut frei macht, nicht zu seinen Dienern machen. 15. Wir

erlernen nicht die Redekunst

und verwenden keine Mühe

auf die

Beredsamkeit der Rhetoren und Redner, deren Aufgabe es ist, mithilfe schönklin­ gender Reden Unwahrheiten zu erdichten sowie den Glauben an die Unschuld den Verbrechen einzureihen und des Vatermordes Angeklagte als lammfromme Menschen darzustellen. Solange sie glauben, den Genuß eines fremden Lobes durch ungerechten Sieg errungen zu haben, (so) wissen sie nicht, daß sie den Schutzwall ihres Gewissens preisgegeben haben. Schlicht ist bei uns die Beredsamkeit und allen gemeinsam, nur gebietend, nicht zu li.igen. Philosophenschulen besuchen wir überhaupt nicht, denn deren ganze Lehre ist die Zwietracht, die nichts Festes und Beständiges kennt; und immer heben die folgenden die früheren Lehrmeinungen wieder auf. Ein Teil dieser Philosophen macht das Gute in der Ehrenhaftigkeit, ein anderer im Vergnügen fest, und was sie versichern, von dem können sie nicht darlegen, woher sie es wissen, sondern sie versteigen sich dazu, nicht gesichertes Wissen mit mehrdeutigen Meinungen zu untermauern. Unsere Philosophie ist einfach; sie versteht einzig gerecht zu helfen, zu schaden nicht einmal gerechtfertigterweise. Sie schreibt vor, nicht anderen das zuzufügen, was - wenn es uns widerfährt - auch uns Leid bringt.

1,8,6 alienae quoque laudes ... aeeipi solent; Cie. Sest. 87 hune laudis fruemm ... impertiam; Cie. Verr. 1,54 laudis fmemm ... vesmm1 ... puto esse

13 Sen. contr. 3,praef., 1 5 iuvenes seolas frequentant

Collmio 2, 1 6 - 2, 1 7

44

1 6. In honorem divinurn pecudes innocuas non rnactarnus nec delubra rnetallis

argenteis incrustata fundarnus nec altaria auro et gernrnis splendentia dedicarnus. Quae si ut non habenti Deo largiaris, superiorern te asseris; si ut habenti, parern. Quod utrurnvis feceris, conturnelia est. Narn quisquis caelestia pretiis invitat, offendit. Non suscipit Deus sacra sanguinea, culturn diligit incruenturn, spernit

5

funesta libarnina. Verbo propitiatur orantibus, quod solurn ei cum homine est suaque nirnis similitudine delectatur. Narn verbum Deus est. Hoc rnundurn creavit, hoc regit atque alit ornnia. Hoc nos venerarnur, hoc diligimus, ex hoc spiriturn trahimus. Siquidern Deus ipse spiritus atque rnens est, atque ideo non terrenis divitiis nec largitate rnunifica, sed religiosis operibus et gratiarum aetione

10

plaeatur. 1 7. Quapropter nirnium vos exeordes et miserabiles iudieamus, qui originem

vestram non suseipitis esse eaelestem magnamque eum Deo habere eognationem, sed splendorem generis vestri rebus vilissirnis offuseatis, quippe quibus maxirna voluptas in earne est. Hane plaeatis, hane fovetis, hane eolitis, hane amatis, euius

15

et eontreetatio viventis horrenda est et eontagio morientis ineesta. I n euius usibus emolumenta vexantur, et mundus exhibitis laborat obsequiis. Et, quod est vehementius, audetis etiam Deum eaesis earnibus expiare, eultumque religionis

1 Lucr. 3,52 mactant pecudes; Si!. 1 3,429 mactari pecudes iubet donaria gemmis

2 Lucan. 9,5 1 6 nec Eois splendent

3 eic. Verr. 2,4,45 te superioren1 fingis; Sen. benef. 6,27,2 superiorem te facis; eic.

Flacc. 74 te superiorem esse putabas; eic. Mi!. 53 superioren1 se fore putabat im'itat pretiis animos

7 Vulg. loh. 1 , 1 et deus erat verbum

4 Verg. Aen. 5,292

7f Vulg. loh. 1,3 omnia per ipsum

facta sunt: et sine ipso facmm est nihil; Vulg. loh. I , I 0 mundus per ipsum facms est

8f. Sen. nat.

2,45, I f. loven1 intellegllnt ... animum ac spirimm mundi ... hic est ... cuius spirim vivimus; Serv. Aen. 4, 1 0 1 spirimm trahere dicimus; Sen. benef. 4,6,3 unde tibi ismm, quen1 trahis, spirimm?; Sen. dia!. 5, 1 9,4 liceat ultimum spirimm trahere mr

9 Min. Fe!. 19,2 deus ... mens et ratio et spirims praedica­

10 Aug. civ. 5 , 1 8 (p.223,30f.) felices ... nos ... non divitiae terrenae faciunt; Aug. civ. 1 , 1 0

(p. 1 9, 1 9) qui Domino

oboedierant, . . . nec ipsas terrenas divitias . . . amisenmt

4,776 etsi caelestis origo est; Verg. Aen. 6,730f. (= Zeno tract. 1 ,2,26 caelestis origo senünibus

=

12f. Stat. Theb.

Serv. Aen. 2,64 1 ) est .

13 Plin. nat. 15,108 his omnibus ... magna cognatio; Plin. nat. 2,235 huic

Erste Annvort Dindimus'

45

1 6. Zur Ehre Gottes schlachten wir kein unschuldiges Vieh, und weder errichten wir

mit silbernen Metallen verzierte Heiligtümer noch weihen wir von Gold und Edelsteinen glänzende Altäre. Wenn man solche Dinge einern Gott als einern, der so etwas nicht hat, schenkt, gibt man vor, höher zu stehen; wenn man sie einern Gott als einern, der so etwas auch hat, schenkt, stellt man sich auf die gleiche Stufe. Was von beidem man auch tut, es ist FreveL Denn wer die Götter mit Geschenken angeht, der beleidigt sie. Gott nimmt keine blutigen Opfer an, er liebt einen unblutigen Kult, er verachtet blutbef1eckte Opfergaben. Er wird von den Bittenden durch das Wort gnädig gestimmt, was allein ihm und dem Menschen eignet, und über diese seine große Ähnlichkeit freut er sich. Denn Gott ist das Wort. Es hat die Welt erschaffen, es lenkt und nährt alles. Wir verehren es, wir lieben es, es ist unsere Atemluft. Denn Gott selbst ist Geist und Verstand, und deswegen wird er nicht durch irdische Schätze und großartige Freigebigkeit, sondern durch fromme Werke sowie Taten des Dankes besänftigt. 1 7. Deshalb halten wir euch für äußerst dumm und bemitleidenswert, die ihr nicht

erkennt, daß eure Herkunft göttlich ist und daß ihr eine enge Verwandtschaft mit Gott habt, sondern den Glanz eures Geschlechts mit nichtigen Dingen verdunkelt, weil ja für euch die größte Lust im Fleische liegt. Dieses befriedigt ihr, um dieses kümmert ihr euch, dieses pf1egt ihr, dieses liebt ihr, dessen Berührung, wenn es noch lebt, verabscheuungswürdig, und wenn es tot ist, verwerf1ich ist. Zu dessen Nutzen werden die Segnungen mißbraucht, und die Welt leidet unter der (ihm) erwiesenen Willfährigkeit. Und was noch schlimmer ist

-

ihr

wagt es sogar, Gott mit

geschlachtetem Fleisch zu besänftigen, und ihr leistet euren Religionskult nicht einern

[sc. naphthae] magna cognatio ignium; Ambr. hex. 3,7,32 non agnoscis opus esse te Christi? M. epist. 156,3 (p. I 1 301l) quodam contagio splendorem vestrae serenitatis offhscant

1 4 Leo

18 Cassiod. in

psalm. 49, I 0 (L226f.) se crederet pecudum immolationibus expiare; Val. Max. 1,6, 1 3 culmi religionis ... vacasse; Val. Max. 2,4,4 in ... novo culm religionis ... posimm

Collmio 2, 1 7 - 2, 1 9

46

non uni, qui solus est, sed plurirnis, qui non habentur, exsolvitis, et in hoc scilicet a carne decepti. 18. Narn horninern rnundurn esse parvurn dicimus, et, sicut in eo rnultiplicia sunt

membra disposita, ita varios deos fingitis in caelo consistere. Quorum unicuique divisas partes vestri corporis deputatis et farniliares singulis victimas irnrnolatis

5

et vocabula illis exquisita tribuitis, asserentes Minervarn capitis arc ern utpote sapientiarn tenere; Iunonern iracundiae praesidentern praecordia possidere; Martern bellorurn praesulern pectora vulneribus apta distinguere; Mercuriurn facundiae repertorern linguae ianuas obsidere; Herculern lacertos sibimet utpote pugilern vindicasse; Cupidinern iecoris secretariurn coercere; Bacchurn ebrietatis

10

auctorern cellaria gutturis obtinere; Cererem frumenti datrieem horrea ventris ineolere; Venerem matrem libidinis fernorum oeeupasse eubieula; lovern quasi aerium spiritum in naribus habere praetorium; Apollinern medieinae ae musieae praeeeptorem palmarum habitaeula possidere. Totaque hominis fabriea diis, quos dieitis, vestris dominando eontraditur nulla parte eorporei domieilii vestris

15

sedibus reservata. Qui tarnen nee gratiarn vobis debitarn ut liberis hospitibus referunt, sed ut inquilinis obnoxiis solvendum veetigal irnponunt atque alius alia tributa prof1igat. 19. Itaque Marti aper eaeditur, Baeeho dieatur hireus, lunoni pavo maetatur, lovi

taufL1S dueitur, Apollini eyenus offertur, Veneri eolumba deeernitur, Minervae

20

noetua eonseeratur, Cereri farra libantur, Mereurio mella panduntur, aras Hereuleas populea eorona eireumdat, fanum Cupidinis rosea serta eondeeorant.

3 Amob. nat. 2,25 (p.68,1 7ff.) homo ... mundus minor

dieimr et totius in speeiem similimdinis

fabrieams atque fom1ams; Macrob. somn. 2,12, I I (p.132, 1 5f.) physiei ... hominem brevem mundum esse dixenmt

6 Ov. fast. 5,73f. hine sua maiores tribuisse voeabula Maio tangor; Ov. met. 14,621

tribuitque voeabula monti

6f. Apul. Plat. 1 , 1 3 (L21 1f.) hane ait eapitis areem tenere;

9,4,3 avaritia ... praeeordia possedit

7 Val. Max.

8 Hist. Aug. Prob. 12,7 (U 2 1 2 , 1 8f.) vimmm1 praesul Minerva;

Verg. Aen. 1 1 ,483 praeses belli, I'ritonia virgo

9 Apul. apol. 7 (p.8,20f.) os

esset animi

vestibulum et orationis ianua et eogitationum eomitium; Petr. Chrys. senn. 86, I (LI 2f.) sensit linguae ... vineula ... ianuam c1ausisse sennonis

16f. Cie. Halb. 59 iustam et debitam gratiam refero; Cie. de

Erste Annvort Dindimus'

47

einzigen Gott, wie es üblich ist, sondern vielen, die nicht für Götter gehalten werden, und bei alledem seid ihr natürlich vorn Fleische irregeführt. 18. Denn wir sagen, der Mensch sei eine kleine Welt, und wie an ihm vielfältige

Glieder unterschieden sind, so bildet ihr euch verschiedene Götter im Himmel ein, von denen ihr einern jeden jeweils einen Teil eures Körpers zuweist. Thr opfert jedem einzelnen persönliche Opfertiere und teilt ihnen ausgesuchte Namen zu - versichernd, daß Minerva die hohe Burg des Kopfes sei, weil ihr ja die Weisheit unterstehe, daß Juno als Vorsteherin des Jähzornes den Bauch beherrsche, daß Mars als Herr des Krieges die für Wunden taugliche Brust ziere, daß Merkur als Erfinder der Redekunst sich im Munde niedergelassen habe, daß Herkules als Boxer die Muskeln für sich beanspruche, daß Cupido über den geheimen Ort der Leber herrsche, daß Bacchus als Begründer der Trunkenheit die Vorratsräume der Kehle beherrsche, daß Ceres als Spenderin des Getreides die Speicher des Bauches bewohne, daß Venus als Mutter der Wollust die Gemächer der Schenkel besetzt halte, daß Jupiter einern Geist der Luft gleich seine Zelte in der Nase aufgeschlagen habe, daß Apoll als Herrscher über Medizin und Musik die Hände als Wohnsitze beanspruche. Der ganze kunstvolle Körper des Menschen ist euren sogenannten Göttern zum Beherrschen übergeben, wobei kein einziger Teil eurer Körper-Wohnung für euren eigenen Sitz übriggelassen ist. Dennoch zollen diese Götter euch nicht den gebührenden Dank wie freien Gastgebern, sondern erlegen euch wie abhängigen Sklaven Tribut auf� und ein jeder fordert andere Gaben. 19. Deshalb wird für Mars der Eber getötet, Bacchus der Ziegenbock geopfert, Juno

der Pfau geschlachtet, Jupiter der Stier vorgesetzt, Apoll der Schwan dargeboten, Venus die Taube bestimmt, Minerva die Eule geweiht, Ceres Opfermehl dargebracht, Merkur Honig vorgesetzt, ein Pappelkranz um den Altar des Herkules gewunden, und

orat. 3 , 1 5 meritam gratiam debitamque referamus mr

19 Verg. georg. 2,380f. Baccho caper .

19f. Ov. fast. 1,579 immolat ... taumm tibi, luppiter

caedi­

21f. Si!. 2,237 Herculeae CliStoS ... arae;

Serv. Aen. 8,542 suscitavit aras Herclileas; Hor. cam1. 1 ,7,23 tempora populea fermr [sc. l'eucer] vinxisse corona; Lucan. 2,41 1 poplilea fluvium ripas umbrasse corona

Collmio 2, 1 9 - 2,21

48

Nec patiuntur idern, si necessitas exegerit, cornrnune sibi pulvinar offerre, sed unusquisque deus proprios f1arnines et sorte sibi datum rnunus assequitur, si tarnen dii appellandi sunt, quibus potestas nisi in certis sibimet offerendis animalibus non est data. Digna vota vel potius digna torrnenta vestris erroribus 5

exhibetis! 20. Re enim vera non opitulatores deos, sed carniflces taeterrirnos invocatis, qui

viscera vestra suppliciorurn diversitate discerpunt. Necesse est enim tot in eorpore vestro poenas constitutas esse, quot dii sunt, durn singuli suis vos cogunt inservire ludibriis. Unus trahit ad bellum, alter eundern ducit ad luxurn. Ille lucrandi causas hortatur inquiri, hic desideriurn suggerit epulandi. Ornnes

10

imperant, exigunt, urgent, spatium quiescendi nullus indulget. E t hoc modo sensibus vestris latenti seductione sopitis miserum corpus obstrictum in officia numerosa marcescit. Atque ita fit, ut malorum vestrorum semina, dum per socordiam non valetis abicere, colatis ut numina. Et sane miror vos, quia cum sitis cupidi opibus et avaritiae studiosi, frustra tot diis esse munificos, praesertirn

15

omnia execranda iubentibus. Qui si vos sacrificantes exaudierint, conscientiae vestrae damna contrahitis; si non exaudierint, facultatum. Ergo, sive irati, sive propitii fuerint, semper nocent. 2 1 . Hae sunt illae Furiae scelerum vindices, haec illa cruciamenta Tartarea

poetarum vestrorum carminibus decantata, quae vos velut iam mortuos propter irnpiam

profanamque

superstitionem

atque

contemptum

verae

20

religionis

excruciant. Etenirn si miserias vestras volueritis intentius intueri, nihil inaniter re-

1 Colum. 2,9,4 si necessitas exigat

4 Plin. paneg. 67,4 digna vota, quae semper ... solvanmr; 7 Tac.

Gern1. 12, I diversitas supplicii; Arnob. nat. 2,41 (p.8 1 , 14) discerperent viscera; Ov. fast. 6,137 carpere dicunmr [sc. striges]

viscera; Ov. Ibis 460 viscera carpat

11 Val. FI. 2,356 deus ipse moras spatiumque indulget sensus

13 Cic. div. 2,33 senüna malomm

9 Liv. 10,13,3 traxerint ad bellum;

12 Verg. Aen. 1 0,642 sopitos deludunt .

1 7 0v. Pont. I , I O,29 contraxi damna; Cic. fin. 5,91

aliquid damni contraxerit; Scaev. dig. 26,7,57,pr. damnum contraxenmt \index; Cic. ad Smt. 1 ,24,4 scelemm vindex

1 9 Lucan. 9, 1 7 scelemm

21 Suet. Tib. 2,2 per contempmm religionis

Erste Annvort Dindimus'

49

das Heiligtum Cupidos wird mit Rosengebinden geschmückt. Diese Götter dulden es nicht - wenn die Notwendigkeit es erfordert -, daß ihnen ein gemeinsamer Tempel geweiht wird, sondern ein jeder Gott bekommt eigene Priester und eine seinem Rang entsprechende Opfergabe - wenn denn überhaupt diejenigen Götter genannt werden können, die keine Macht haben, außer wenn ihnen persönlich bestimmte Tiere dargebracht werden. Angemessene Opfer, oder besser würdige Qualen, bringt ihr euren Verfehlungen dar! 20. In Wahrheit nämlich ruft ihr keine hilfebringenden Götter, sondern abscheulichste

Henker an, die eure Eingeweide durch verschiedene Strafen vernichten. Not­ wendigerweise sind nämlich so viele Strafen gegen euren Körper verhängt, wie es Götter gibt, weil jeder einzelne von ihnen euch zwingt, seiner Kurzweil zu dienen. Einer zerrt euch zum Krieg, ein anderer verfUhrt euch zur Prasserei. Jener stachelt euch an, der Profitgier nachzugehen, dieser flüstert euch das Bedürfnis nach Festgelagen ein. Alle befehlen, fordern, treiben, kein einziger gewährt ein bißchen Ruhe. Und so siecht euer armer Körper, wenn eure Sinne durch die unmerkliche Verführung eingelullt sind, in zahllose Verpflichtungen verstrickt, dahin. So kommt es, daß ihr die Keime eurer Übel als Götter verehrt, weil ihr sie ob eurer Sorglosigkeit nicht loswerden könnt. Ich staune in der Tat, daß ihr - weil ihr (doch) nach Reichtum lechzt und euch in Habsucht übt - so vielen Göttern gegenüber vergeblich freigebig seid, zumal solchen gegenüber, die euch befehlen, alles zu verwünschen. Wenn sie euch beim Opfern erhören, beladet ihr euer Gewissen mit Schuld; wenn sie euch nicht erhören, vermindert ihr eure (Geld-)MitteL Also können sie zornig sein oder auch versöhnt, immer schaden sie euch. 21. Das sind die Furien, Vergelter eurer Verbrechen, das sind die Tartarus-Martern,

von euren Dichtern in ihren Liedern besungen, die euch, die ihr gleichsam schon tot seid, für euren gottlosen unheiligen Aberglauben und eure Verachtung der wahren Religion foltern. Wenn ihr nämlich eure Leiden eingehender betrachten wollt, so fm-

Collmio 2,21 - 3, I

50

laturn de inferis invenitis. Ornnia enim, quaecurnque finguntur apud eos esse simulacra, vos estis. Igitur Eurnenides sunt foedissimae cogitationes, Tisiphone prava conscientia, umbra exsanguis vestra corpora mentis sanitate carentia. Poenae infernae sunt curarurn pro delicti continuitate vigiliae. Tantalus est 5

inexplebilis sernperque sitiens cupiditatis aviditas, Cerberus rnala ventris edacitas, cui, quia non sufficit unurn rostrurn, terna ora collata sunt. Hydra est vitiorurn post satietatern renascentiurn foeditas, viperina corona est actuurn sordidorurn squalor horribilis. Pluton est animus hurnani corporis rector ignavus, qui, quoniarn caelestibus bonis ultro caruit, rnerito sedibus est darnnatus inferni. Pallentes sunt dii, quos sirre ratione colitis. 0 vos felicissimos, quorum et religio

10

crimen est e t vita supplicium!

III. Responsio Alexandri 1. Si haec ita sunt, ut asseris,

0

Dindime, soli, quantum video, Bragrnani

hominum numero tenentur solique exsortes corporeae creduntur esse substantiae. Qui vitiis omnibus carere dicuntur, qui concessis a natura voluptatibus non

15

utuntur, qui scelus putant esse, quod nascimur, qui nefas existimant omne, quod agimus, qui

beneficia

emolumentorum

depensa

mortalibus

molesta

pro

necessariis iudicant, qui artium diversarum ministeria scelerata pronuntiant, qui

3 Ov. met. 4,443 errant exsangues ... umbrae; Verg. Aen. 6,400f. (= Sen. epist. 82, 16) licet ingens ianitor .

. .. exsangllis terreat umbras; Ov. Ibis 142 exsanguis mores oderit umbra mos; Si!. 1 3,476 a

mensis exanguen1 haud separat umbram; Stat. Theb. 1,308 [Atlantiades] exangues animare adsueverat umbras; Sen. epist. 83,26 exasperamrque sanitas mentis; Sen. epist. 94,60 compositae mentis habimm et sanitaten1 plausus excutiat [vox]

4 Aug. civ. 20, 1 5 (p.442,18) [diabolus] est auctor infemammque

poenamm; ·J'en. apol. 1 1 , I I quen1 [sc. ·J'atamm] carcerem poenamm infernamm ... affim1atis nato 1 1 ,283 inexplebili aviditate [esurireJ ; Min. Fe!. 2,3 aviditatem desiderii frequens plesset

8 Cic. Cato 77 credo deos ... sparsisse animos in corpora humana

dominus caelestia sua bona ... neglexit exmlerat ... deae pallentis habenas

1 0 Sen. Oed. 583f. pallentes deos

13 Cat. 28, I I sed, quanmm video, .

5 Plin. usus in­

9 Zeno tract. 1 , 1 5,8 et vidi; Stat. Theb. 6,26 14 Gell. 1 9,8, I I quadri-

Erste Annvort Dindimus' / Annvort Alexanders

51

det ihr nichts, was grundlos von den Unterweltgöttern berichtet ist. Alle Trugbilder, die bei ihnen erdacht werden, seid ihr nämlich selbst: Die Eumeniden sind eure schändlichsten Gedanken, Tisiphone euer perverses Gewissen. Blutlose Schatten sind eure Körper, bar allen gesunden Verstandes. Die Strafen der Unterwelt sind eure eifrige Sorge um die Fortdauer eures Vergehens. Tantalus ist eure unersättliche, immer dürstende Raffgier. Cerberus, dem drei Mäuler verpaßt wurden, weil ihm eine Schnauze nicht genügte, ist die üble Gefräßigkeit eures Bauches. Hydra ist die Schändlichkeit eurer nach einer Sättigung aufs neue entstehenden

Laster,

der

Schlangenkranz

ist

der

gräßliche

Schmutz

eurer

abscheulichen Taten. Pluto, der - weil er freiwillig auf himmlische Güter verzichtet hat - zu Recht in die Unterwelt verdammt worden ist, ist der träge geistige Lenker eures menschlichen Körpers. Blutleer sind die Götter, die ihr ohne Ü berlegung verehrt. o ihr Gli.ickseligen, deren Gottesverehrung ein Verbrechen und deren Leben eine

Marter ist!

III. Antwort Alexanders 1. Wenn es sich so verhält, wie du angibst,

0

Dindirnus, zählen - soviel ich sehe -

allein die Brahmanen zu den Menschen, und sie allein scheinen ohne körperliche Substanz zu sein. Sie enthalten sich angeblich aller Verfehlungen, geben sich den von der Natur gegebenen Vergnügungen nicht hin, sie halten es für ein Verbrechen, daß wir geboren werden, sie sehen alles als Frevel an, was wir tun, sie betrachten die den Menschen vergönnten segensreichen Wohltaten als lästig angesichts des Notwendigen, sie bezeichnen das Ausüben der verschiedenen Künste als verbrecherisch, sie heben

gae

multimdinis tamen numero tenenmr

16 Tac. ann. 13,2,1 quo facilius [principen1]

voluptatibus concessis retinerent; Tac. ann. 14,21,3 nec

grave aures

voluptatibus concessis

impertire; Paneg. 3 , 1 3,3 concessis et legitimis voluptatibus; Paneg. 7,4,1 concessis bus

1 7 Eustath. Basil. hex. 9,4 (p.961 Il) men10ria ... erga depensum sibi beneficium

voluptati-

Collmio 3, I - 4,2

52

ornnino destruunt iura vivendi. Aut deos esse profitentur aut invidere Deo, cuius tarn pulcherrimarn vituperant creaturarn. Haec iudicio rneo dernentiae potius quarn philosophiae nurneranda sunt.

IV. Altera responsio Dindimi 1. Nos, inquit Dindimus, non surnus incolae huius rnundi, sed advenae. Nec ita in

5

orbern terrarurn venimus, ut in eo libeat consistere, sed transire. Properarnus enim ad larern patriurn nullis delictorurn ponderibus degravati nec aliquibus illecebrarurn tabernaCLllis cornrnorantes nec f1agitiorurn cauponibus obligati. Nihil enim indecorurn poenae contegimus, nulla cupiditaturn furta sub vestibus occultarnus, quippe qui nuda conscientiae fronte progredimur, ut expediti ac

10

faeiles spatium propositi decurrarnus itineris. 2. Deos autern nos esse non dieimus. Nee imrnensitate eaelestis operis, ut

insimulas, invidiose detrahimus, sed asserimus bonitate nos Dei male non uti. Nee omnia lieere seimus, sed deeere firmarnus. Sed ea, quae voluntas sibi vindieat, honestate plerumque negarnus admittere. Deus enirn rerum eonditor

15

varias species firmavit in mundo, quia nullatenus poterat sine earum diversitate subsistere. Quarum usum humano permisit arbitrio diseernendum. Quisquis ergo deterioribus omissis meliora seetatur, non ipse quidem Deus est, sed Dei arnieus efficitur. Cur autem, quaeso, visum est tibi nos eontinenter et pie viventes dieere

1 Sen. epist. 1 1 9, 1 5 [mundi ereator] vivendi iura deseripsit

2 Vulg. ludith 1,9,17 deus ... dominus

totius ereamrae; Eustath. Basi!. hex. 9,5 (p.963A) remm ereamra

5 Cassiod. Didym. 1 , 1 (p.1755A

=

psalm. 38,13) peregrinus ego in terra et advena; Cie. Tuse. 5,108 [Socrates] totius enim mundi se ineolam ... arbitrabamr; Cassiod. Didym. 1 , 1 (p. 1755 1l) animae ... advenae sunt in terram, sed magis assimilanmr indigenis

6 Vulg. sap. 14,14 venit in orbem terramm

suopte pondere degravams nlmlm oceultaremr

7 Apu!. met. 7,28 (p. 1 76,6)

8 Vulg. l par. 2,53 in tabemaClilis eonm1Orantes

9f. Liv. 6,14,13 ubi .

13 Cie. nat. deor. 3,84 mi se eomm [sc. deomm] bonitate velle dieebat; Va!.

Max. l ,ext.3, 1 9 mi se eorum [sc. deomm] bonitate velle praedieavit

14 Sen. dia!. 5 , 1 2,7 vis onmia

lieere; Sen. benef. 7,7,3 non omnia lieere; Sen. dia!. 1 1 ,6,3 volebas tibi omnia lieere

1 5 Zeno tract.

1,2, 1 6 rerum onmium eonditoris ... sit usus ... adserere; Plin. nat. 7, I I I Athenienses ... remm eon-

Annvort Alexanders / Zweite Annvort Dindimus'

53

überhaupt das Recht zu leben auf Entweder geben sie vor, selbst Götter zu sein oder Gott zu beneiden, dessen wunderschöne Schöpfung sie tadeln. Das ist meiner Meinung nach eher dem Schwachsinn als der Philosophie zuzurechnen.

IV. Zweite Antwort Dindimus' 1. Wir, sagt Dindimus, sind keine Bewohner dieser Welt, sondern Ankömmlinge. Wir

kommen nicht in diese Welt, um darin bleiben zu können, sondern um durchzureisen. Wir eilen nämlich zum Lar unserer Väter, von keinen schwerwiegenden Verfehlungen bedrückt, und wir verweilen nicht in den Jahrmarktsbuden der Verführung, sind nicht den Wirten des Lasters verpflichtet. Wir verdecken nichts Unehrenhaftes vor einer Strafe, wir verbergen die Heimlichkeiten unserer Begierden nicht unter unseren Kleidern, weil wir ja mit reinstem Gewissen auftreten, so daß wir bequem und leicht den vorgegebenen Weg abschreiten können. 2. Wir behaupten jedoch nicht, Götter zu sein. Auch schmälern wir nicht - wie du

unterstellst - neidvoll die Herrlichkeit des göttlichen Werkes, sondern versichern, daß wir die Güte Gottes nicht mißbrauchen. Daß nicht alles erlaubt ist, (was es gibt,) wissen wir, aber daß sich alles schickt, (was wir tun,) das versichern wir. Mit Unterstützung der Tugend jedoch lassen wir meistens nicht zu, was der Wille verlangt. Gott, der Erschaffer weil sie ohne deren Vielfalt keinesfalls bestehen könnte. Über deren Verwendung zu entscheiden, überließ er dem menschlichen UrteiL Wer also die minderwertigen Güter fahrenläßt und sich an die besseren hält, der ist zwar nicht selbst ein Gott, aber er wird ein Freund Gottes. Warum jedoch, so frage ich, ist es dir recht erschienen zu sagen, daß wir, die wir enthaltsam und gottesfürchtig leben, Götter seien oder sicherlich Gott beneideten,

ditorem revocavere

17 Plin. nat. 29,53 humani sit arbitrii

Val. FI. 7,225f. neu me meliora secutam

18 Verg. Aen. 3,188 meliora sequamur;

argue; Apul. Plat. 2,23 (L252f.) sciat se terrenis relictis

consecummm esse meliora; Zeno tract. 2,4, 1 8 meliora sequamur Dei amicus effecms est

18f. Vulg. ludith 8,22 [Abraham]

1 9 Cic. off. 1 , 1 06 sit ... vivere ... honesmm ... continenter; Cic. Mur. 1 2 con­

tinenter vixisse laudandum est

Collmio 4,2 - 5, I

54

deos esse vel certe invidere Deo? Siquidern iustius in vos cadit ista suspectio. Narn cum superbiarn vestrarn nimiae felicitatis tumor inf1averit, obliti, quod ex horninibus estis, affirrnatis Deurn non curare rnortalia. Vobisrnet ipsis ternpla fundatis atque aras erigitis, et imrnolationibus pecudurn laetarnini vos vocari. Hoc patri videlicet, hoc avo tuo cunctisque parentibus certurn est fieri; hoc etiarn

5

tibi pyrarnidurn forsitan perrnittat exstructio.

3. Quapropter verius ego furiosos vos esse dixerim, qui, quod agitis, ignoratis aut, si Deurn scientes conternnitis, sacrilegii reatu tenernini. Cur ergo caecitatis vestrae tenebras recte cernentibus applicatis et animurn nostrurn tali convicio sauciantes non sinitis, ut rniseriis vestris lacrirnas saltem, quod est extremum rnunus

pereuntiurn,

dependarnus?

Valde

enirn

larnentandi

10

estis, quibus

inexpiabiles poenae pro divinitatis iniuria praeparantur. Quarum eertissirnurn doeurnenturn est Salrnonei iusta darnnatio, qui fulgorern superni lurninis aernulatus, quod irnitabatur, expertus est, vel Eneeladi sepultura, qui violentis ausibus aggredi eaelurn rnanibus voluit: prernitur turnulo rnontis igniti. Talibus

15

rernunerantur honoribus, qui se non agnoseunt esse mortales.

v. Altera responsio Alexandri

1. Tu mme ideo beatum te dieis,

0

Dindirne, quia in ea rnundi parte sedern vobis

natura eonstituit, in qua nee aeeessus advenis nee exitus indigenis aperitur. Sed

1 Cic. haI. resp. 37 multi ... sunt ..., in quos ... suspicio cadat

3 Verg. ecl. 8,35 nec curare deum

credis mortalia quemquam; Serl,'. Aen. 2,689 secundum Epicuros, qui dicunt deos non curare mortalia; Serl,'. ecl. 8,35 credis nullum deomm curare mortalia: quam ren1 secundum Stoicos dixit

4 Lucan.

9,988 erexit ... aras; Zeno tract. 1 , 13,4 [reges] erigentes aras; Val. FI. 8,224 ipse ... erigit aras; Cassiod. in psalm. 49, 1 0 (L226f.) se crederet pecudum immolationibus expiare

1Of. Verg. ecl. 8,60

extrenlllm ... nnlTIUS morientis; Lucan. 6,724 extremum ... mortis munus; Verg. Aen. 4,429 extremum miserae det munus; Ciris 267 extremum lacrimas

nnlTIUS morientis; Lucan. 7,617f. inpendisse pudet

mortibus innumeris; Ol,'. am. 1 ,7,57 suspensaeque diu lacrimae

inexpiabilis poenas impendere; Cic. inl,'. 1,46 impiis . . . poenas esse praeparatas quae quiden1 certissimum sui documenmm ... exhibuit

12 Cic. rep. 3 , 1 9 12f. Val. Max. 4,5,1

1 9 Lucr. 6,226 constimit namra; Sen. dial.

Zweite Annvort Dindimus' / Zweite Annvort Alexanders

55

wenn dieser Verdacht richtiger auf euch fällt? Denn weil der Stolz Liber euer allzu großes GlLick euren Hochmut hat anschwellen lassen, habt ihr vergessen, daß auch ihr zu den Menschen gehört, und ihr versichert, Gott kLimmere sich nicht um die Belange der Sterblichen. FLir euch selbst baut ihr Tempel und errichtet Altäre, und es freut euch, daß ihr durch die Opferung von Tieren (als Gott) angerufen werdet. Das geschieht natLirlich fLir den Vater, den Großvater und alle Vorfahren, und möglicherweise sichert dies auch dir die Errichtung von Pyramiden.

3. Deshalb möchte ich eher euch fLir wahnsinnig halten, die

ihr nicht wißt, was ihr tut,

oder, wenn ihr Gott wissentlich verachtet, in der SLinde des Religionsfrevels befangen seid. Warum tragt ihr also die finsteren Schatten eurer Verblendung uns recht Urteilenden an und verhindert, unser Empfinden durch eine derartige Schmähung schwer verletzend, daß wir wenigstens unsere Tränen, die das letzte Geschenk fLir Sterbende sind, hingeben fLir euer Elend?

Thr seid nämlich tief zu bedauern, ihr, denen fLir das Verbrechen gegen die Gottheit unversöhnliche Strafen vorbereitet werden. Sicherstes Zeugnis dafLir ist die gerechte Verurteilung des Salrnoneus, der, weil er den Blitz des himmlischen Lichtes nachahmte, am eigenen Leib erfuhr, was er imitieren wollte, oder das 'Begräbnis' des Enceladus, der in ungestLimem Wagemut den Himmel mit seinen Händen greifen wollte: er wird erdrLickt durch den GrabhLigel eines Vulkans. Mit solchen 'Ehren' werden die belohnt, die nicht anerkennen, daß sie sterblich sind.

V. Zweite Antwort Alexanders 1. Du nennst dich nun also deshalb glLicklich,

0

Dindimus, weil die Natur euren

Wohnsitz in einen Teil der Welt setzte, in dem weder ein Zugang fLir Fremde noch ein Ausgang fLir die Einheimischen offensteht. Aber obwohl ihr erdrLickt werdet von die-

4, 1 1 ,4 ita namra constimit; Sen. dia!. 8,5,7 quod namra constimit; Cassiod. Didym. 1 , 1 (p.1755 1l) animae ... advenae sunt in terram, sed magis assimilanmr indigenis; /Jola: Curt. 8,2, 1 4 ubertas terrae [Scythicae] non indigenas modo detinet, sed etiam advenas im'itat

Collmio 5, I - 5,2

56

excubiis appositae difficultatis obsessi, quoniarn vitare non valetis, vestrarn patriarn collaudatis et, quod darnnationis causa patimini, continentiae studio rneruisse iactatis. Itaque secundurn vestrarn sententiarn et illi beati dicendi sunt, qui perpetuis innexi vinculis et diuturno squalore rnarcentes vitarn poenalern sibi consenescentern producunt. Neque enim discrepat ab eis vestra philosophia. Narn

5

vobis ita bonorurn usus interdictus, ut illis est cruciatus. Quod crirninosis apud nos iura sanxerunt, vobis lex naturalis adhibuit, et praecepta, quae vobis continentiae vestrae necessitas dedit, illis carcer instituit. Ita fit, ut qui a vobis philosophi vocantur, rei pronuntientur a nobis. 2. Et sane convenit vestras potius rniserias vos lugere proque tantis malis trahere

10

profunda suspiria. Quid e nirn afflictius, quid calamitosius hornine, cui libere vivendi negata potestas est interim, quicquid de vestris moribus deus auctor praesenserit? Quos noluit Tartareis post obiturn reservare suppliciis, sed vivos perferre statuit inopiarn mortuorum, quam vos philosophiae falso vocabulo concinnatis. Nec tarnen ex hoc aliquis vobis fructus laudis exquiritur. Nullum

15

enim virtutis meritum est id nancisci, quod mutare non poteris, nec gloria censenda est, quam sibi quisque non dederit. Verius ergo non beatitudinis, sed castigationis esse confirmo, quod vivitis.

1 Verg. Aen. 9,1 59f. vigilum excubiis obsidere portas dicendi sim beati

cura damr

3 eic. Tusc. 5,29 videamus, qui

4 Fronto eloqu. 4, 1 0 discipulus ... vincms perpemis quibusdam vinculis; Apul.

met. 9, 1 7 (p.2 1 5,25f.) perpema vincula ... conmünams; Suet. Tib. 37,3 in perpema vincula coiecit; Ov. met. 1 1 ,252 [Inetin] vincloque innecte mm

6 Phaedr. app. 5,9f. quos circumfluit

usus bono­

7 eic. nat. deor. 1,36 Zeno ... namralem legem divinam esse censet; Tert. coron. 6 (p.83 1l)

legen1 namralen1 suggerit

10 eic. fam. 5,1 6,4

llt

eomm

miserias lugeas

1Of. Sil. 1,530

penimsque trahens suspiria; Ov. met. 2,753 traxit suspiria; Val. FI. 8,457 traherent suspiria epit. 2,6,5 quid hac c1ade tristius? quid calamitosius?

1 1 Flor.

11 f. Ter. Andr. 52 liberius vivendi ... potestas;

Serv. ecl. 1 ,44 pennisit libere vivere; eic. parad. 5,34in. potestas vivendi

llt

velis

15 eic. Sest. 87

Zweite Annvort Alexanders

57

sen euch auferlegten MLihen, denen ihr ja nicht zu entgehen vermögt, lobt ihr euer Vaterland, und was ihr aufgrund eurer mißlichen Lage erduldet, durch eifrige Enthaltsamkeit verdient zu haben, dessen rLihmt ihr euch. Deshalb mLissen eurer Meinung nach selbst die als gli.icklich bezeichnet werden, die - auf ewig in Ketten geworfen - durch den tagtäglichen Schmutz dahinsiechen und ein Leben in Strafe dahinschleppen, das mit ihnen alt wird. Von deren Lebensphilosophie weicht die eure nämlich nicht ab. Denn genau wie jene Qualen leiden, so ist euch der Genuß alles Guten versagt. Was bei uns durch Gesetze fLir Verbrecher festgesetzt ist, erlegt euch das Gesetz der Natur auf� und die Vorschriften, die euch die Notwendigkeit eurer Enthaltsamkeit gemacht hat, setzt fLir jene der Kerker fest. So kommt es, daß die, die von euch als Philosophen bezeichnet werden, von uns Verbrecher genannt werden. 2. Und es wäre in der Tat angebrachter, daß ihr euer Elend bedauert und angesichts

solcher Übel tiefe Stoßseufzer von euch gebt. Was ist nämlich mißlicher und elender als ein Mensch, dem die Möglichkeit, frei zu leben, einstweilen versagt ist, ganz gleich was Gott der Schöpfer von euren Sitten im voraus gewußt hat? Er wollte euch die tartareYschen Strafen nicht fLir die Zeit nach dem Tode aufbewahren, sondern bestimmte, daß ihr die Mittellosigkeit der Toten, der ihr mit der irrigen Bezeichnung 'Philosophie' eine neue Fassung gebt, als Lebende erduldet. Aber trotzdem wird euch daraus keinerlei Lob zuteiL Es ist nämlich kein Verdienst der Tugend, zufällig das zu erlangen, was man sowieso nicht ändern kann, und man kann auch nicht Ruhm nennen, was einer sich nicht selbst erworben hat. Ich behaupte also nachdrLicklich, daß eure Art zu leben demnach eher ein Zeichen von Strafe als von Gli.ickseligkeit ist.

hune laudis fruemm ... impertiam; eie. Verr. 1,54 laudis fruemm ... vestmm ... puto esse

16 Serv.

Aen. 8,187 merita vimnis dederint ... dignitatem; Ov. met. 8,387 [putamr] 'merimm' dixisse 'feres vimnis honorem'; Symm. epist. 1 ,20,8 merita vimnis

Collmio 5,3 - 5,4

58

3. Et, si placet, institutionurn vestrarurn partes singulas percurrarnus. Ais non habere Bragrnanos consuetudinern semina mandare telluri nec arbores vitibus decorare nec plantariis nuda vestire carnporurn nec aedificia pulchra construere. Harurn rerurn rnanifesta ratio est, quod ferri rnetallurn vobis indignatio naturae non praebuit, quo cuncta, quae nurneravimus, excoluntur. Aliunde autern

5

assurnere negotiatione navigii non potestis, atque ideo vos necesse est herbis palmitibusque depastis vitarn horribilern pecorurn more transigere. Aut non idern lupi faciunt, quibus cum carnern praeda non suggerit, terreno eibo rabiern famis coguntur explere? Quod si liceret vos in nostras migrare terras, profecto philosophia vestrae penuriae nullatenus requireretur, sed in suis deserta finibus

10

inhaereret. Aut si nos in vestras sedes transire possemus, sapientes inopes redderemur. Quem exulem non statirn comitatur continentia? Quae si vernt ex arbitrio, virtus est, si ex irnperio, poena. Ergo non in angustiis et egestate, sed in opulentia temperanter vixisse laudandum est. Alioquin caecitas et paupertas solae virtutum gloriarn sortiuntur, illa, quia non videt, ut cupiat, ista, quia non habet, ut

15

faciat. 4. Feminarum igitur vestrarum nullus, ut asseris, decor augetur ornatibus.

Assensio quippe nec ars officium nec materia ulla suppeditat. Nemo apud vos incestuum vel adulterii f1arnmatur ardore. Miranda res esset, si proprio, non necessitatis iudicio viveretis, si anirnum vestrum ab illicitis arnoribus pudicitiae

20

2 Colum. arb. 3,3 semina ... terrae mandare convenit; Ov. her. 5, 1 1 5 quid harenae semina mandas?; 4 Serv. Aen. 2,779 cur ... sit, manifesta est ratio; Manil. 3,269f. quomm ratio manifesta per artem coUecta est

6f. Serv. Aen. 12,412 eaque [sc. herba] depasta tela corpore dicanmr excmere; Ambr.

hex. 6,3, 1 0 cur noctes et dies cibo intenms pecorum more terrena depasceris?; Vulg. Esth. 13,2 vitam silentio transigentes; SaU. Cat. 2,8 vitam sicmi peregrinantes transiere [-igere alii] ; SaU. hist. frg. 3,48,6 more pecomm; Curt. 5 , 1 3 , 1 9 pecudum more; Plin. nat. 9,41 pecudum more; Sen. Ag. 974 more pecudum; Vell. 2,1 19,2 more pecudum; Flor. epit. 1,5, 1 3 more pecudum; Stat. I'heb. 5,349 pecudum 12f. ColuTI1. 6,24,2 neque ex imperio ... sed sua sponte; I'ert. ieiun. 2 (p.956A)

am fhgientium more

ex arbitrio, non ex imperio novae disciplinae; SaU. hist. frg. 2,87C ex imperio datis cenmm obsidibus

59

Zweite Annvort Alexanders

3. Laß uns - wenn's beliebt - die einzelnen Arten eurer Einrichtungen durchgehen. Du sagst, die Brahmanen haben weder die Angewohnheit, Samen in die Erde auszusäen noch Bäume mit Weinreben zu umwinden noch unbewachsene Stellen in Wiesen mit Baumschulen zu bepflanzen noch schöne Bauwerke zu errichten. Der ofe f nkundige Eisenrnetall gegeben hat, womit alles, was ich (gerade) aufgezählt habe, bearbeitet wird. Anderswoher könnt ihr es aber über den Seehandel nicht bekommen, und des­ halb müßt ihr - wenn Kräuter und Schößlinge abgeweidet sind - ein schreckliches Leben nach Art des Viehs zubringen. Machen es nicht die Wölfe genauso, die ge­ zwungen sind, ihren Heißhunger mit Futter vorn Boden zu stillen, wenn ilmen ihre Jagdbeute kein Fleisch bringt? Wenn es euch aber vergönnt wäre, in unsere Landstriche einzuwandern, wäre die Philosophie eures Mangels wahrlich überhaupt nicht gefragt, sondern würde vielmehr einsam in ihrem Gebiet zuri.ickbleiben. Wenn aber wir in eure Heimat hinüberkommen könnten, würden wir die enthaltsamen Weisen. Welchen Verbannten begleitet nicht sogleich die Enthaltsamkeit? Sie ist, ist sie aus freien Stücken gewählt, eine Tugend, ist sie aber durch Zwang auferlegt, ist sie eine Strafe. Folglich ist es nicht lobenswert, unter Bedrückung und Mangel, sondern im Überf1uß maßvoll zu leben. Ohnehin ver­ schafe f n sie nicht sieht, was sie wünschen kann, diese, weil sie keine Mittel hat, etwas zu tun. 4. Der Liebreiz eurer Frauen wird nicht durch Putz hervorgehoben, wie du versicherst.

Freilich ist ja auch weder die Zustimmung noch

die Kunstfertigkeit noch

irgendwelches Material für diese Aufgabe vorhanden. Niemand entf1ammt bei euch durch die Glut der Unzucht oder des Ehebruchs. Das wäre eine bewunderungswürdige Sache, wenn ihr nach eurem eigenen, nicht nach dem Gebot der Notwendigkeit lebtet,

13f. eie. MareeIl. 27 angustiis, quas namra nobis ad vivendum dedit, eontenms fuit eontinenter vixisse laudandum est

1 5 His!. Aug. trig. t)T. 19, 1 (U 1 1 9, 16f.) eivilium vimmm1 gloria;

19 eie. div. 1 , 1 1 4 ardore aliquo inflammati; Sil. 1 1 ,3 1 0 esset miranda ... libido 2,6 nihil proprio iudieio agit

14 eie. Mur. 1 2 19f. Rufin. Adam.

Collmio 5,4 - 5,5

60

conternplatio, non deforrnitatis arceret aspectio, si castitas non coactis indicta ieiuniis testimonium voluntatis eriperet. Etenim nulla saevior potest rnortalibus pestis evenire quarn haec res, quae quidern non desideria libidinis solet de sensibus hurnanis auferre, sed factum, id est non mentern ab scelere prohibere, sed corpus ab opere, non reprimere iubentis imperium, sed tollere farnulantis

5

obsequiurn. Manet igitur causa peccati, cum vel praesto, etiarn si posset, non subiret. 5. Dicitis leges et iudicia non habere, litteris non studere, rnisericordiarn neque

petere neque tribuere. Ornnia haec cum beluis vos constat habere cornrnunia, quibus ut facultas sentiendi non suppetit, ita voluptas fruendi sublata est. Nobis,

10

id est rationabilibus hominibus, qui nullius inediae lege perstringirnur, qui ad bene vivendum libero incitamur arbitrio, ut voluntariarn eontinentiam digna remuneratio eonsequatur, dedit multas natura blanditias, quibus plerumque virtus sopita eonivet. Impossibile est enirn, ut tantarn mundi magnitudinem non alieuius temperarnenti moderatio gubernans faeeret tristibus laeta sueeedere. Siquidem

15

variis easibus voluntas humana e t mortalium mens ipsa diversa fit a e pro vi­ cissitudine temporum motibus eausarum semper aptatur. Anirnorum quin etiarn speeies eum eaeli mutatione vertuntur, et liquida quidem die nitent, eoaeta vero nube fatiseunt.

2 Serv. Aen. 3,214 nee saevior ulla pestis

6 Cie. inv. 2,32 causam peeeati intercedere leve est;

Hirtius BG 8,22,2 [seit] se eausam peeeati ... delegari; Rhet. Her. 2,5 ut ad eam causam peeeati ... vita hominis possit aeeomodari; Cie. Cluent. 80 causa enim manet eadem tribuatis; Cie. Plane. 3 miserieordiam

tribuatis

8f. Cie. Mil. 92 miserieordiam

9 Sen. episT. 48,3 omnia enim eum amieo

communia habebit; Sall. Cat. 1,2 [eorporis servitium] eum heluis eommune est; Gell. 1 9,2,3 gusms atque taems faCliltas

sunt hominibus eommunes eum beluis

10 Suet. Tit. 8,4 opimlando

suppeteret

13f. Cie. Cael. 4 1 multa enim nobis blandimenta namra ipsa genuit, quibus sopita vimls

coniveret interdum

1 4 Cie. I'use. 4,37 eui ... mundi nota sit magnimdo

1 5 Fronto epist. 2,2,3

moderaberis ... temperamentoque optimo; Ambr. hex. 4,6,28 quid autem de tanto loquar temperamento et moderamine eonditoris ... ?; Cypr. epist. 55,6 (p.627, 1 7f.) ten1peramenmm salubri moderatione libravimus

16 Cie. nat. deor. 1,86 mortalium mentes esse perterritas; Val. Max. 7,2,ext.1 tenebris

involuta mortalium mens; Cie. div. 2,127 mentes mortalium ... eoneitare

17f. Verg. georg. 1,420

Zweite Annvort Alexanders

61

wenn die Rücksicht auf das Schamgeflihl, nicht der Anblick von Häßlichkeit euch von unerlaubten

Liebschaften fernhielte, wenn

eine

durch

erzwungenes

Entsagen

auferlegte Keuschheit euch nicht den Beweis für einen freien Entschluß entzöge. Kein schlimmeres Unheil kann nämlich den Menschen widerfahren als diese Sache, die für gewöhnlich nicht das Verlangen nach sinnlicher Lust aus dem menschlichen Sirm beseitigt, sondern die Tat, das heißt nicht den Geist am Verbrechen hindert, sondern den Körper an der Ausführung, nicht die Herrschaft des Befehlenden unterdrückt, sondern die Willfährigkeit des Dienenden aufhebt. Bestehen bleibt folglich die Ursache der Sünde, obwohl sie - zwar vorhanden -, selbst wenn sie es könnte, euch nicht überkäme.

5. Thr sagt, ihr habt keine Gesetze und Gerichte, widmet euch nicht den Wissen­ schaften, verlangt kein Mitleid und erweist auch keines. Fest steht, daß ihr das alles mit den wilden Tieren gemein habt, denen ebenso die Fähigkeit zu Empfindungen ab­ geht wie das Verlangen zu genießen. Uns, das heißt vernünftigen Menschen, die durch keines Mangels Zwang einge­ schränkt werden, die wir aus freien Stücken uns dem guten Leben zuwenden, damit auf eine freiwillige Entsagung ein angemessener Ausgleich erfolgt, hat die Natur viele Annehmlichkeiten gewährt, angesichts derer die eingeschläferte Tugendhaftigkeit sehr häufig beide Augen zudrückt. Unmöglich ist es nämlich, daß nicht das rechte Maß einer ausgewogenen Mischung eine solch riesige Welt lenkt und also dafür sorgt, daß auf schlechte Zeiten gli.ickliche folgen. Denn unter verschiedenen Umständen verändert sich auch der menschliche Wille sowie selbst der Geist der Sterblichen und paßt sich den sich ändernden Zeiten und wechselnden Geschicken stets an. Ja sogar die Gemütszustände ändern sich mit einern Wetterumschwung, und zwar strahlen sie an einern klaren Tage, an einern wolkenverhangenen aber verfinstern sie sich.

vemmmr speeies animomm

18f. Symm. epist. 1 ,37, 1 praedieant mentes hominum nitere liquida die,

coaeta nube fatiscere; Amob. nat. 2,37 (p.78, 1Of.) ex eoaetis ... nubilis ... deeident imbres; Sen. nat. 1 , 1 2,2 (L725) sie eoaems aer ..., ut .

Collmio 5,5

62

-

5,6

Ipsorurn quoque sensuurn ratio non minus instabilis videtur esse quarn multiplex, et non solurn rerurn qualitatibus, sed etiarn aetatibus imrnutatur. Hinc est, quod simplicitate gaudet infantia, terneritate iuventus exultat, canities imbecillitate tardatur. Quis enim aut astutiarn requirit in puero aut in adulescente constantiarn 5

aut rnobilitatern poscat in vetulo? 6. Multa sunt, quae visui nostro, alia, quae auditui, nonnulla, quae odori vel tactui

vel

sapori

voluptuosa

succurrunt, quibus

aerurnnarurn, quas

ex

labore

contrahimus, rnulceatur asperitas. Et ita modo saltationibus, modo cantibus oblectarnur. Nonnurnquarn etiarn suavitate odoris vel gustu dulcedinis aut contactus blanda rnollitie refovernur. Quorum omnium suggerunt nobis elernenta

10

rnateriarn, quae etiarn vitae nostrae creduntur esse principia, quorum permixtione contraria humani generis structura conditur. Et unum quodque suis partibus satisfaciens sub dispensatione nobis tribuit farnulatus subsidium, quo moles corporea

sapienter

fabricata

consistat.

Si

ergo

fructus

nobis

seminum

ministrantur e terra, copiae piscium conferuntur e mari, avium catervae largiuntur

15

ex aere, his si utendo volueris abstinere aut superbiae notaberis, quia donata repudias, aut invidiae, quod a meliore praestantur.

8f. Phaedr. app. 12,6 aures oblectasset cantibus dulcedinis sumant

9 Rutin. Orig. in cant. 2 (p. 1 3 9A) gusmm

IOff. Serv. georg. 2,336 inhaerent ei [sc. munda] elementa, e quibus generanmr

materiae; Amob. nat. 1,2 (pA,7ff.) numquid in contrarias qualitates prima illa elementa mutata sunt, ex quibus res omnes consensum est esse concretas?; Sen. epist. 1 1 7,23 elen1enta, quibus hic mundus administramr

1 1 Gloss. I p.96, 14 pemüstio elen1entomm

Zweite Annvort Alexanders

63

Auch die Gefühlswelt der Menschen scheint nicht weniger instabil als vielschichtig zu sein, und nicht nur durch äußere Einflüsse, sondern auch mit dem Alter wird sie anders. Daran liegt es, daß die Kindheit sich über das Einfache freut, die Jugend vor Leichtfertigkeit überschäumt, das Alter durch Entkräftung geschwächt wird. Wer verlangt denn verschlagene Kühnheit vorn Knaben, Beständigkeit beim Jüngling oder fordert Beweglichkeit beim Greis? 6. Viele Dinge gibt es, die unserem Anblick, andere, die unserem Gehör, einige, die

unserem Geruchs-, Tast- oder Geschmackssinn höchst angenehm sind, so daß durch sie die Härte der Mühsale, die uns die Arbeit bringt, gemildert wird. Und so erfreuen wir uns bald an Tanzdarbietungen, bald an Gesängen. Bisweilen erquickt uns auch die Annehmlichkeit eines Geruches, der Genuß einer Leckerei oder die zarte Sanftheit einer Berührung. Die Grundlage all dieser Genüsse gewähren uns die Elemente, die auch als Grundpfeiler unseres Lebens angesehen werden, durch deren gegenseitige Vermischung der Bau der menschlichen Rasse zustandekommt. Und indern es seinem jeweiligen Körperteil Genüge leistet, gewährt ein jedes Element unter gleichmäßiger Verteilung der Aufgaben uns seinen helfenden Anteil, aus dem die wohli.iberlegt zusammengesetzte Körpermasse besteht. Wenn uns also die Erde die Erträge der Samen bietet, das Meer riesige Mengen an Fisch zukommen läßt, die Luft Scharen von Vögeln schenkt (und) wenn du dich des Gebrauches all dieser Dinge enthalten willst, wird dir entweder Hochmut vorgeworfen werden, weil du Gaben verschmähst, oder Mißgunst, weil sie von einern besseren gewährt werden.

KOMMENTAR

sudavimus [sed] [...] restant loca rnendosa rnultaeque difficultates quibus in superandis alii quid valeant ostendant. (E. Kübler in praefatione editionis suae, pag. :x::x:r:x: )

VORBEMERKUNG

Der folgende Kommentar soll in erster Linie dazu dienen, den Sprachgebrauch des 41 Autors der Col!atio zu beleuchten sowie textkritische Entscheidungen zu begrLinden. Darüber hinausgehende Erklärungen dienen größtenteils dazu, das unmittelbare Text­ verständnis zu fördern bzw. die entsprechende Stelle in einen größeren Kontext ein­ zuordnen.

Die den Anmerkungen vorangestellten Zahlen verweisen auf die jeweils behandelte Textstelle der Col!atio, wobei die Zahl vor dem Komma die entsprechende Textseite der vorliegenden Ausgabe, die Zahl nach dem Komma die entsprechende Zeile auf jener Seite bezeichnet. Querverweise erklären sich durch ein vorgesetztes 'Anm.' bzw. 'Fußnote' von selbst.

Literatur wird mit Verfasser, Jahres- und Seitenzahl angeführt, Kommentare zu anti­ ken Autoren jedoch nur mit dem entsprechenden Verfassernarnen, z.B. 'Bömer zu Ov. met.' nebst der entsprechenden Stelle aus dem Werke Ovids.

41

Bei Anmerkungen zu Wärtern und Wendungen, zu denen noch kein Eintrag im I'LL vorliegt,

werden bisweilen mehr Parallelen im Wortlaut angefiihrt als sonst.

KOMMENTAR

22, Titel Im

allgemeinen ist eine C'o!latio ein Vergleich verschiedener Ansichten; im

vorliegenden Falle also der Meinungsaustausch über unterschiedliche Arten der Lebensführung. Darüber hinaus wird der Begriff C'o!latio auch fLir einige Termini technici in den arte.\' verwendet: m:IYKpwLS' (Rhetorik), avaAoy[a (Philosophie), C'omparatio (Grammatik), proportio (MathernatikJMusik).42 LVYKp[aEL