Oden und Epoden: Lateinisch und deutsch
 9783534181438, 3534181433

Table of contents :
Front Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Zu dieser Ausgabe
Einleitung
Oden und Epoden
Epodon Liber
Carminum Liber I
Carminum Liber II
Carminum Liber III
Carmen Saeculare
Carminum Liber IV
Biographische Notiz
E Svetoni Vita Horati/Aus Suetons Leben des Horaz
Zur Verskunst des Horaz
Anmerkungen
Stimmen zu Horaz
Literaturhinweise
Über die Reihe
Über die Herausgeber
Über den Inhalt
Back Cover

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EDI T I O N AN T I K E Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose

HORAZ

Oden und Epoden Lateinisch und deutsch

Nach der Übersetzung von Will Richter überarbeitet und mit Anmerkungen versehen von Friedemann Weitz

Verantwortlicher Bandherausgeber: Thomas Baier Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch den Wilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung: Federica Casolari-Sonders (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2010 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: COMPUTUS Druck Satz & Verlag, 55595 Gutenberg Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-18143-8

Inhalt Zu dieser Ausgabe Einleitung

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VII VII 1

Oden und Epoden

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EPODON LIBER

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CARMINUM LIBER I

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4422

CARMINUM LIBER II

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1022 10

CARMINUM LIBER III

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1400 14

CARMEN SAECULARE

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2066 20

CARMINUM LIBER IV

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2122 21

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Biographische Notiz

E SVETONI VITA HORATI / Aus Suetons Leben des Horaz

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Zur Verskunst des Horaz Anmerkungen

Stimmen zu Horaz

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Literaturhinweise

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Zu dieser Ausgabe Horaz, wenn ich mein Mädchen küsse, Entflammt von unserm Gott, dem Wein, Dann seh ich, ohne krit’sche Schlüsse, Dich tiefer als zehn Bentleys ein. (Gotthold Ephraim Lessing, An den Horaz) So sehr ein antiker Autor bewahrender, emendierender und kommentierender Philologie bedarf, ist gerade Horaz ein Dichter, der zuvörderst gelesen und ‚gelebt‘ werden will, mit dem wir uns „zwanglos unterhalten, als säßen wir mit [ihm] bei Tisch in demselben Zimmer“ (Werner Jaeger). Den vertrauten, ja vertraulichen Umgang mit einem Klassiker in fremder Sprache schafft jedoch erst eine zeitgemäße Übertragung, die nah am Original ist und den Stand der Forschung widerspiegelt, sich aber trotzdem unangestrengt und natürlich gibt. Dieses Kunststück vermochten in ihrer Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts Christian Friedrich Karl Herzlieb, Johann Peter Uz und Christoph Martin Wieland. Deren Übersetzungen haben inzwischen Patina angesetzt und sind selbst zu Klassikern geworden. An späteren Eindeutschungen hat es nicht gefehlt. Vor über vierzig Jahren erschien die Übersetzung der lyrischen Gedichte des Horaz von Will Richter. Sie nähert sich dem Dichter mit leisen Tönen, bestechender Klarheit und anrührender Schlichtheit; sie lässt die Oden und Epoden so erklingen, dass die Balance zwischen Zeitlosigkeit und Distanz, zwischen Lebensfülle und künstlerischer Überformung gewahrt bleibt. Die damalige Erwartung eines Rezensenten, weitere Auflagen würden nicht lange auf sich warten lassen, erfüllt sich nunmehr mit dieser zweisprachigen Ausgabe in der Reihe „Edition Antike“. Der lateinische Text folgt der von Friedrich Klingner besorgten Teubneriana (³1959). Die Richtersche Übersetzung ist behutsam überarbeitet und, wo nötig, korrigiert. Die Gedichte werden entgegen der üblichen Anordnung in derjenigen Reihenfolge vorgelegt, in der sie erstmals ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, und folgen damit gleichsam dem Werdegang des Dichters. Diesen beleuchtet, wenn auch aus der Perspektive des Nachgeborenen, schließlich die ebenfalls zweisprachig beigegebene Kurzbiographie Suetons. Am Ende des Bandes finden sich ein äußerst knapper

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Zu dieser Ausgabe

Kommentar sowie auf das absolut Notwendige beschränkte Erläuterungen zur Metrik. Die vielfältigen Horazischen Versmaße sind mit römischen Ziffern durchnumeriert, die den interessierten Leser am Beginn eines jeden Gedichtes auf das jeweilige prosodische Schema im Anhang verweisen. Es gilt an dieser Stelle Dank auszusprechen: Unter den Initiatoren, Helfern und Wegbegleitern dieses Bandes ist vor allen anderen Friedemann Weitz (Leutkirch im Allgäu) hervorzuheben, der das Vorhaben mit angestoßen, die Übersetzung bearbeitet, die Anhänge erstellt und dieser Ausgabe durch seine Beharrlichkeit und Gründlichkeit ihr Gepräge verliehen hat. Bearbeiter und Herausgeber sind Frau Dr. Reinhilt Richter-Bergmeier und Frau Dr. Korinna Hana-Richter für die Bereitwilligkeit, mit der sie die Übersetzung ihres Vaters zur Verfügung gestellt haben, besonders verbunden. Möge die Neuausgabe das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigen und alte sowie neue Freunde des Horaz in ihren Bann schlagen! Würzburg im November 2009

Thomas Baier

Einleitung Einen wirklichen Dichter in eine fremde Sprache, zumal einen antiken Dichter in eine moderne Sprache übersetzen zu wollen, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Denn was ihn zum Dichter macht, ist gerade die unauflösliche Einheit dessen, was er zu sagen hat, und der Sprache, mit deren hergebrachten und von ihm selbst weitergebildeten Mitteln er es sagt. Alle berühmten Übertragungen dichterischer Werke sind in Wahrheit freie Nachdichtungen, die – bewusst oder unbewusst – eine verwandelnde Aneignung vollziehen und auf das eigentlich Unnachahmliche ihrer Vorlage verzichten. Gilt dies schon grundsätzlich und ganz allgemein, so lässt es sich für Horaz in einem besonderen Maß behaupten. Zwar gehören seine Gedichte zu den meistübersetzten der Weltliteratur (allein an deutschen, englischen, französischen und italienischen Übertragungen gibt es annähernd 350, davon rund 90 deutsche), aber was horazische Kunst ist, erlebt man auch an den besten unter ihnen nicht. Dies hat seinen Grund nicht nur darin, dass in keiner modernen Sprache die eigenartige poetische Technik des Silben messenden Verses (im Unterschied zu unseren auf dem Wortakzent stehenden Versen) nachgestaltet werden kann, dass keine von ihnen die Freiheit einer syntaktisch ungebundenen Wortstellung mit allen dadurch dem Dichter an die Hand gegebenen Möglichkeiten des Betonens, Verschränkens, lautlichen Spielens und figurativen Bauens besitzt, dass die meisten von ihnen schon durch ihren Artikelgebrauch der massiven Dichte der artikellosen lateinischen Aussagen entraten müssen; Horaz war vielmehr auch unter den römischen Dichtern ein so einzigartiges Phänomen, dass er bezeichnenderweise keinen einzigen Nachfolger, ja nicht einmal beachtenswerte Nachahmer in lateinischer Zunge gefunden hat. Wie er sprach, so konnte und kann kein zweites Mal gesprochen werden; wer ihn kennenlernen und erleben will, muss ihn selber lesen, in seiner Sprache, deren Möglichkeiten er ausgeschöpft, ja für die er selbst äußerste Möglichkeiten erschlossen hat, und zwar nur für den Augenblick. Es gibt keinen anderen Weg zu ihm. Die Übersetzung, die hier versucht wird, will dem Rechnung tragen; deshalb verzichtet sie bewusst auf die Nachgestaltung der dichterischen Form und will nicht mehr bieten als das stoffliche Substrat der Gedichte, den äußeren Ablauf ihrer Aussagen, so getreu, wie es eben möglich scheint, und zwar als Hilfe für

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den Leser des Originals, das deshalb jeweils neben die Übersetzung gestellt ist und durch sie nur leichter zugänglich gemacht werden soll. Damit verbietet sich für den Übersetzer jegliche literarische Ambition; das Höchste, was er anstreben kann, ist eine ungefähre Annäherung an Stimmung und Tonlage des Originals; doch wird er auch hierin behutsam und zurückhaltend sein müssen und lieber die Scylla vermeiden, dass er dem Dichter fremde Empfindungen unterschiebt, als die Charybdis, dass er sich allzu nüchtern ans Gegenständliche hält. Die Prosa ist dafür die einzig mögliche Form; sie hat den Vorteil, deutlich genug erkennen zu lassen, dass sie den dichterischen Urtext nicht ersetzen, sondern nur erläutern will. Auch die drucktechnische Abteilung der lyrischen Strophen ist dabei nicht mehr als eine Lesehilfe, die die Orientierung erleichtert. Über das Leben des Dichters hat uns das Altertum eine ziemlich dürftige und zum Teil klatschhafte Darstellung aus der Feder des Suetonius Tranquillus, Hofarchivars bei Kaiser Hadrian, in verstümmelter Form hinterlassen; ihre Übersetzung ist diesem Band beigegeben. Weit wichtiger ist, was Horaz selbst in seinen Gedichten über sich berichtet, und es gibt außer Ovid keinen römischen Dichter, der so viel von sich selbst spricht wie Horaz, und überhaupt keinen anderen, der es mit so viel Ehrlichkeit tut. Das Wichtigste sei hier kurz zusammengefasst. Am 8. Dezember 65 v. Chr. wurde der Dichter in Venusia, einem Landstädtchen Apuliens, als Sohn eines Freigelassenen in bescheidenen Verhältnissen geboren. Nach dem 4. Gedicht des 3. Odenbuches darf man vermuten, dass die Mutter sehr früh gestorben ist. Für Schicksal und Charakter des Knaben allein bestimmend ist der Vater, ein Mann von ungewöhnlichem innerem Adel, strenger Sittlichkeit und überlegener Weitsicht, der sein Gütchen und sein Gemeindeamt aufgab und sich als Auktionskassierer in Rom niederließ, um seinem Sohn die Tore der Bildung zu öffnen. Für das dreifache Erbe, das der Vater ihm hinterlassen hat, nämlich seinen sittlichen Ernst, seinen sicheren Blick für geistige Werte und seine innere Unabhängigkeit von den konventionellen Maßstäben der römischen Gesellschaft, dankte ihm der Dichter ein Leben lang durch eine offen bekannte Verehrung. Ein Studienaufenthalt in Athen brachte den jungen strebsamen Mann nicht nur in Verbindung mit den bedeutendsten Lehrern der Philosophie, sondern auch mit den dort studierenden Söhnen der römischen Aristokratie und zog ihn schließlich in den Kreis des glühenden Republikaners und Caesarmörders M. Junius Brutus, der den Zweiundzwanzigjährigen im Krieg gegen Antonius und Octavianus zum Militärtribunen (etwa vergleichbar einem Regimentskommandeur) ernannte. Aus der Niederlage von Philippi (42 v. Chr.) rettete Horaz nicht viel mehr als seine Haut. Als Sekretär der Quästoren fand er sich in Rom wieder, sicher in menschlicher und politischer Isolierung, und begann nun, Gedichte zu schreiben. Vergil, fünf Jahre

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älter als Horaz, und dessen Freund Varius werden auf sein Talent aufmerksam; eine Empfehlung bei Maecenas, dem Vertrauten und Berater Octavians, in dessen Hause beide verkehrten, führt im Jahre 38 zur Aufnahme des Horaz in dessen engsten Kreis, damit zur Befreiung von der Isolierung und wirtschaftlichen Enge, aber zugleich zu einem nie mehr abreißenden Kontakt mit denjenigen Männern, die damals die Geschicke Roms und des Weltreiches in Händen hatten, zumal mit Octavianus, dem späteren Augustus, der ihn kennen und schätzen lernte und ihm eine dauernde und herzliche Zuneigung schenkte. Das Ereignis, das den Dichter wohl am stärksten bewegt und beglückt hat, war die Verleihung eines Landgutes in den Sabinerbergen durch Maecenas im Jahre 33; es war gewiss auch ein Vermögenswert, aber in viel stärkerem Maße bedeutete es für ihn die Erfüllung eines Lebenstraumes: Nun hatte er den Lebensgrund, auf dem das Glück eines »bäuerlichen« Daseins, wie es Cicero im Cato Maior, Vergil in den Georgica verherrlichten, für ihn persönliche Wirklichkeit werden konnte. Teils dort, teils in Rom im Kreis seiner mächtigen Freunde, lebte er als Junggeselle ohne größere äußere Schicksalswendungen, doch in lebhafter Anteilnahme an den politischen und geistigen Ereignissen der Weltstadt bis zu dem plötzlichen Tode, der den Siebenundfünfzigjährigen am 27. November 8 v. Chr. überraschte und ihm kaum noch Zeit ließ, seinen letzten Willen zu Protokoll zu geben. Horaz hinterließ damals ein Lebenswerk von äußerlich bescheidenem Umfang, aber völliger innerer und formaler Abgeschlossenheit. Die Überlieferung kennt weder Fragmentarisches noch Zweifelhaftes. Die »zehn Bücher« seiner Gedichte – das heißt zwei Bücher Satiren, ein Buch Epoden, vier Bücher Oden, zwei Bücher Episteln und die Ars poetica, als besonderes Buch gerechnet – bilden einen Komplex von rund 300 heutigen Druckseiten, in dem sich die Seele des Dichters und die Atmosphäre seiner Umwelt mit einer im Altertum sonst nirgends begegnenden Klarheit manifestiert. Für die Kultur des augusteischen Rom ist Horaz unsere zuverlässigste Quelle, und zugleich ist er der einzige antike Dichter, der in voller Offenheit und freier innerer Distanz sein eigenes Dasein enthüllt. Wie er selbst bekennt, hat ihn eine persönliche Not, das Leid des Bürgerkriegs und einer Zeit allgemeinen Niedergangs, zum Schreiben gebracht (vgl. epist. II 2,49 ff.). Die Form der Satire, knapp hundert Jahre vorher von Lucilius entwickelt, bot sich als Vehikel kritischer Betrachtung von Welt und Menschen an; Horaz belebt sie neu, entkleidet sie indes sehr bald ihrer Bindung an den aktuellen Fall und erweitert ihren Raum in Richtung auf die Selbstbetrachtung und Selbstkritik; doch auch Besinnung auf den Sinn seines Dichtens fließt mit ein. Daneben drängt es ihn zum direkten Angriff und Eingriff, mit dem der Dichter sich mitten ins Geschehen stellt. Dies ist der Sinn der siebzehn

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Epoden, die nach dem altgriechischen Vorbild des Solon und des Archilochos ihn als Volksführer, Ankläger, Redner, Inspirator zeigen und sein Höchstmaß an Leidenschaft erlauben (das Wort »Epodos« bezeichnet die jeweilige Verbindung eines Kurzverses, meist iambischer Form, mit einem Langvers, ein von Archilochos erfundenes, von Horaz vielfältig variiertes System). Doch wie in die Epoden satirische Elemente hineinragen, so kündigt sich in einigen von ihnen bereits der Lyriker an, als welcher sich der Dichter in den Jahren der Freundschaft mit Maecenas entwickeln sollte – in jenen Jahren der mittleren Epoche, die seine glücklichsten gewesen sind und ihn zum Meister römischer Verskunst heranreifen ließen. Ihr entscheidender Ertrag waren die ersten drei Bücher der Oden (d. h. Lieder), mit denen Horaz die Kunst der großen griechischen Lyriker, vorab des Alkaios und der Sappho, für die lateinische Sprache erschlossen hat. Im Jahre 23 übergab er sie der Öffentlichkeit. Hatte sich der Dichter durch die ersten Satiren und Epoden die Freundschaft des Vergil und des Maecenas verdient, so erwarb er durch seine Oden die Unsterblichkeit. Das wusste er selbst (c. III 30): exegi monumentum aere perennius (»ich habe ein Denkmal errichtet, dauernder als Erz«), non omnis moriar (»nicht völlig werde ich sterben«): Das konnte er ohne Übertreibung sagen; die Oden sind bis heute das unverwelkte und unübertroffene Zeugnis seines Verhältnisses zum Leben und zur Welt, zu den Menschen und Ereignissen, nicht so sehr eruptive Reaktion auf persönliche Situationen, wie etwa bei Catull, als vielmehr eine durch das Filter der ratio und einer von tiefer und breiter Bildung getragenen Humanität geläuterte Spiegelung seelischen Bewegtseins und Beteiligtseins. Sie zeigen den Dichter als Menschen unter Menschen, als Glied einer Gesellschaft, als weltoffenen Geist und Künstler eines weisen Lebens. Reizvoll wäre es, im Einzelnen zu verfolgen, wie er als Verwandlungskünstler jeder Situation einen unerwarteten Aspekt abgewinnt und fast jedes Thema in einer anderen Stimmung entlässt, als er es aufgegriffen hat, wie er Schein-Pathos in Heiterkeit auflöst, Schein-Pose mit spielerischer Geste fallen lässt und dennoch auch im Scherz noch ernsthaft bleibt – dies meinte wohl Friedrich Nietzsche, als er von Horazens »feierlichem Leichtsinn« sprach. Fast unbegreiflich aber bleibt die Leistung, die er mit der Einverwandlung der lyrischen Formen in die lateinische Sprache vollbracht hat; sie wird erst ganz deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Römer rund anderthalb Jahrhunderte (nämlich von Ennius bis Vergil) benötigt haben, um den lateinischen Hexameter zur vollen Entfaltung zu führen, während Horaz die viel komplizierteren lyrischen Systeme auf den ersten Anhieb sogleich in nie wieder erreichter Vollendung bewältigte. Es war also nur natürlich, dass später der Kaiser diesem Meisterlyriker den Auftrag gab, für die Jahrhundertfeier des Jahres 17 das offizielle Kultlied zu

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verfassen, das, von einem Doppelchor aus Knaben und Mädchen vorgetragen, den Abschluss des dreitägigen Festes bilden sollte. Erst in den folgenden Jahren entstand das vierte Odenbuch, dessen wichtigste Stücke mit ihrem Preis der Leistungen des Herrschers deutlich den Einfluss des Augustus auf die Arbeit des Dichters spüren lassen, von dem auch die Biographie berichtet, wenngleich eine Reihe anderer, meist kleinerer Gedichte Themenkreise der früheren Bücher wieder aufleben lassen, nicht ohne die leise Wehmut eines fortgeschrittenen Lebensalters. Diese letzten Lieder sind teils Rückblick und Ausklang, teils Opfergaben der Dankbarkeit an den Mann, der das gefährdete römische Geschick so sichtbar zum Guten gewendet hatte; den bezwingenden Charme der Bücher 1–3 erreichen sie freilich nicht mehr. Bereits vor der Abfassung der meisten Lieder war Horaz ein zweites Mal mit der Abfassung von Satiren beschäftigt gewesen; dieses zweite Buch umfasst einen nahezu geschlossenen Zyklus von »Plaudereien«, nun mit stark philosophischem Einschlag und damit abermals den Raum dieser Kunstgattung erweiternd; und diese Form des dichterischen »Gesprächs« (sermo) hat ihn im Alter erneut und mit großer Intensität in Bann gezogen. Jetzt aber tritt an die Stelle der satirischen Aggression und Skepsis die mehr positive Bekundung einer auf Erfahrung und Nachdenken beruhenden praktischen Lebensweisheit, die in der lockeren Form des poetischen Briefes unaufdringlich und mit leichter Hand den Freunden unterbreitet wird. Und ein letztes Mal verwandelt er in späten Jahren die von ihm so oft erprobte und immer wieder modifizierte Form des dichterischen Gesprächs in ein paar langen »Briefen«, die das zweite Epistelbuch bilden: einem an Julius Florus, in dem er seine Gründe für den Verzicht auf weiteres Dichten von Liedern darlegt und sich zu einem Leben der Meditation bekennt; einem zweiten an die Pisonen (einen Vater und zwei Söhne) über die Kunst des Dichtens, als Anleitung und Maßstab für die Ausübung einer Kunst, die er nun anderen zu überlassen gedenkt (sie hat sich als Ars poetica später sozusagen selbständig gemacht und ihre besondere Rolle in der europäischen Literaturgeschichte gespielt); einem letzten an Augustus über die literarische Situation in Rom. Horaz wurde mit diesen Schöpfungen der Begründer des literarischen Typus des »Literaturbriefes«, der bis in unsere Zeit ein vielfach abgewandeltes Leben bewahrt hat. Einer der kundigsten Interpreten des Dichters, Friedrich Klingner, hat aufgezeigt, wie sich durch die Vielfalt aller dieser Werke eine tiefe menschliche Thematik wie ein roter Faden zieht, der die Sammlung zur inneren Einheit bindet. Horaz war zu allen Zeiten ein Charakter sehr eigener und eigenwilliger Prägung, der einerseits der Welt und den Menschen mit ganzem Herzen zugetan war, andererseits aber lebenslang darum gerungen hat, der Umwelt gegenüber (und zwar den verführerischen wie den abstoßenden Dingen gegen-

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über) seine Freiheit zu bewahren, seine Eigenart nicht preiszugeben. Das war in jener Zeit und in dem Milieu, in dem er stand, kein geringes Unterfangen. Bei den griechischen Philosophen hatte er gelernt, dass die Unabhängigkeit des Geistes die Voraussetzung für das Glück des Lebens sei und dass ihre größte Gefährdung im Sich-Verlieren an Extreme liege. So wird er in seinen Gedichten aus Gründen der inneren Selbstbehauptung zum Verkünder der »goldenen Mitte« (vgl. die aurea mediocritas c. II 10,5) in jedem Bereich, des harmonischen Gleichgewichts der Seele, des regulierenden Ausgleichs der Emotionen, der Beherrschung der Vitalität durch die wägende Vernunft und der Korrektur eines von Zwecken gefesselten Lebens durch gesunde Irrationalität. Wie im Leben, so sieht Horaz auch in der Kunst – und hier in exemplarischer Weise – die vollendete Weisheit im feinfühlig abgewogenen Maß, in Gleichgewicht und Harmonie, im jeweils Angemessenen, im rechten Wechsel von Anspannung und Sich-Gehen-Lassen. Als ein »Genie des gesunden Menschenverstandes von Natur und Bildung« (Walter Wili) wird er nicht nur zu einem Führer der Menschheit zu einer unprätentiösen Lebensweisheit, sondern auch zu einem Klassiker der Kunst im Wort, bei dem mit Recht Jahrtausende zu lernen suchten, was gute Dichtung sei. Dass er trotzdem niemals zu einer »heroischen Gestalt« verfälscht werden konnte, weil er sich immer wieder selbst dem Leser mit sublimer Ironie als einen Menschen wie alle anderen vorstellt, lässt ihn zugleich noch heute so nah und so sympathisch erscheinen, dass der zeitliche Abstand zwischen ihm und uns davor verblasst. Will Richter

Q. HORATI FLACCI CARMINA HORAZ ODEN UND EPODEN

EPODON LIBER epod. 1 (Versmaß i) IBIS LIBURNIS inter alta navium, amice, propugnacula, paratus omne Caesaris periculum subire, Maecenas, tuo: quid nos, quibus te vita si superstite, iucunda, si contra, gravis? utrumne iussi persequemur otium non dulce, ni tecum simul, an hunc laborem, mente laturi decet qua ferre non mollis viros? feremus et te vel per Alpium iuga inhospitalem et Caucasum vel occidentis usque ad ultimum sinum forti sequemur pectore. roges, tuum labore quid iuvem meo inbellis ac firmus parum? comes minore sum futurus in metu, qui maior absentis habet, ut adsidens inplumibus pullis avis serpentium adlapsus timet, magis relictis, non, ut adsit, auxili latura plus praesentibus. libenter hoc et omne militabitur bellum, in tuae spem gratiae, non ut iuvencis inligata pluribus aratra nitantur meis pecusve Calabris ante sidus fervidum Lucana mutet pascuis neque ut superni villa candens Tusculi Circaea tangat moenia. satis superque me benignitas tua ditavit, haud paravero quod aut avarus ut Chremes terra premam, discinctus aut perdam nepos.

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EPODEN Epode 1 Du wirst auf einer Yacht inmitten hoher SchlachtschiffBurgen fahren, Freund, bereit, mit Caesar jegliche Gefahr zu teilen, o Maecenas! Was wird aus mir, der glücklich lebt, wenn du am Leben bleibst, unglücklich aber, wenn es anders kommt? Soll ich zum Müßiggang genötigt werden, der mir nicht behagt, wenn du nicht an ihm teilhast, oder diese Herausforderung annehmen, die ich gern ertragen will, wie sich’s für einen harten Mann geziemt? Ich werde sie annehmen und dich mit tapferem Mut begleiten, sei es über die Alpenkämme und den ungastlichen Kaukasus, sei’s an die fernste Bucht des Westens. Du fragst vielleicht, was mein Bemühen dem deinen nützen kann; denn ich bin kein Soldat und eher schwächlich. Als dein Begleiter schwebe ich weniger in Angst, die die Getrennten stärker hält, so, wie ein Vogel, der bei seinen federlosen Jungen sitzt, zwar auch die anschleichende Schlange fürchtet, doch mehr noch, wenn er jene verlassen hat, obgleich er ihnen nicht mehr helfen kann, wenn er zugegen ist. Gern will ich in diesem und in jedem Feldzug Dienste tun, wobei ich hoffe, deine Gunst zu finden – nicht dass ich noch mehr Stiere mein eigen nennen möchte, um sie vor den Pflug zu spannen, noch dass meine Herden vor der Hundssternzeit die Weideplätze von Calabrien mit denen von Lucanien vertauschen können, noch um ein stolzes Landhaus zu besitzen, das an die Mauern der hochgelegenen Circestadt Tusculum reicht! Genug und mehr als dies hat deine Gunst mich reich gemacht: Ich will mir keinen Schatz erwerben, den ich wie der Geizhals Chremes tief vergraben oder wie ein hemmungsloser Lebemann verprassen muss.

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EPODON LIBER

epod. 2 (i) BEATUS ILLE qui procul negotiis, ut prisca gens mortalium, paterna rura bobus exercet suis solutus omni faenore neque excitatur classico miles truci neque horret iratum mare forumque vitat et superba civium potentiorum limina. ergo aut adulta vitium propagine altas maritat populos aut in reducta valle mugientium prospectat errantis greges inutilisque falce ramos amputans feliciores inserit aut pressa puris mella condit amphoris aut tondet infirmas ovis. vel cum decorum mitibus pomis caput Autumnus agris extulit, ut gaudet insitiva decerpens pira certantem et uvam purpurae, qua muneretur te, Priape, et te, pater Silvane, tutor finium. libet iacere modo sub antiqua ilice, modo in tenaci gramine: labuntur altis interim ripis aquae, queruntur in silvis aves fontesque lymphis obstrepunt manantibus, somnos quod invitet levis. at cum tonantis annus hibernus Iovis imbris nivisque conparat, aut trudit acris hinc et hinc multa cane apros in obstantis plagas aut amite levi rara tendit retia turdis edacibus dolos pavidumque leporem et advenam laqueo gruem iucunda captat praemia. quis non malarum quas amor curas habet haec inter obliviscitur?

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Epode 2 Gesegnet, wer von allen Pflichten frei, wie einst das Urgeschlecht der Menschen, die väterlichen Äcker mit seinen Stieren pflügt, von keinem Zinsendienst belastet, wer nicht als Krieger von rauem Trompetenschall geweckt wird noch die erzürnte See zu fürchten hat, den Marktplatz meidet und die stolzen Schwellen einflussreicherer Bürger! Dann nämlich bindet er die ausgetriebenen Schösslinge der Reben an die schlanken Pappeln oder sieht im abgelegenen Tale nach dem Schweifen seiner Rinderherde und schneidet mit der Sichel überschüssige Zweige ab und pfropft ergiebigere auf oder füllt gereinigte Amphoren mit dem ausgepressten Honig oder schert die sanften Schafe; oder wenn Autumnus auf den Feldern sein mit reifem Obst geschmücktes Haupt erhoben hat, wie freut er sich dann, wenn er Birnen erntet, die veredelt sind, und purpurrote Trauben, womit er dich beschenken kann, Priap, und dich, Vater Silvanus, den Beschützer seiner Grenzen! Mit Freuden liegt man mal unter einer alten Eiche, mal auch im dichten Gras; es gleiten unterdes die Wogen an den hohen Ufern hin; die Vögel klagen in den Wäldern und Brunnen rauschen, wo die Quellen sprudeln, locken einen leichten Schlummer her. Doch wenn die Winterzeit des Donnergottes Jupiter mit Regen und Schnee kommt, dann treibt man grimme Eber mit der starken Meute von allen Seiten in die aufgestellten Fangzäune oder spannt auf glatten Gabeln feine Netze aus zur listigen Täuschung futtergieriger Drosseln und fängt den scheuen Hasen und den ziehenden Kranich in der Schlinge als willkommene Beute. Wer wird bei solchem Treiben nicht die Kümmernisse, die die Liebe schafft, vergessen?

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quodsi pudica mulier in partem iuvet domum atque dulcis liberos, Sabina qualis aut perusta solibus pernicis uxor Apuli, sacrum vetustis exstruat lignis focum lassi sub adventum viri claudensque textis cratibus laetum pecus distenta siccet ubera et horna dulci vina promens dolio dapes inemptas adparet: non me Lucrina iuverint conchylia magisve rhombus aut scari, siquos Eois intonata fluctibus hiems ad hoc vertat mare, non Afra avis descendat in ventrem meum, non attagen Ionicus iucundior quam lecta de pinguissimis oliva ramis arborum aut herba lapathi prata amantis et gravi malvae salubres corpori vel agna festis caesa Terminalibus vel haedus ereptus lupo. has inter epulas ut iuvat pastas ovis videre properantis domum, videre fessos vomerem inversum boves collo trahentis languido positosque vernas, ditis examen domus, circum renidentis Lares. – haec ubi locutus faenerator Alfius, iam iam futurus rusticus, omnem redegit idibus pecuniam, quaerit kalendis ponere.

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epod. 3 (i) PARENTIS OLIM siquis inpia manu senile guttur fregerit, edit cicutis alium nocentius. o dura messorum ilia. quid hoc veneni saevit in praecordiis? num viperinus his cruor

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EPODEN

Doch wenn die züchtige Frau ihrerseits fürs Haus und für die lieben Kinder sorgt, wie die Sabinerin oder die sonnengebräunte Frau eines tüchtigen Apulers, wenn sie auf heiligem Herd die alten Scheite schichtet bei der Heimkehr ihres müden Mannes, die satten Schafe in die astgeflochtenen Hürden sperrt und die gefüllten Euter leert, den Heurigen aus einem süßen Fass bereitstellt und ein Mahl aus eigenen Produkten kocht, dann frag ich nicht nach Austern vom Lucrinersee noch gar nach Steinbutt oder Lippfisch (falls solche über östlichen Gewässern tosend der Wintersturm an unsere Küsten treibt), dann soll kein Perlhuhn mir aus Africa in meinen Bauch gelangen und kein Haselhuhn aus Ionien mir besser schmecken als die Olive, die von den saftigsten Ästen geerntet wird, oder Sauerampfer, der die Wiesen liebt, und Malven, die den überfüllten Leib entlasten, oder auch ein Lamm, zum Fest des Terminus geschlachtet, oder ein dem Wolf entrissenes Böcklein. Wie schön ist’s dann, bei solchem Mahl zu sehen, wie die Schafe von der Weide heimwärts eilen, zu sehen, wie die müden Stiere den umgedrehten Pflug mit schlaffem Nacken ziehen und wie die Sklaven, der Schwarm eines reichen Hauses, um die glänzenden Laren hocken … Als dies der Geldverleiher Alfius gesprochen hatte – schon wäre er fast ein Bauersmann geworden –, da zog er an den Iden alle Außenstände ein und überlegt sich für die Kalenden eine neue Anlage.

Epode 3 Wer jemals seinen alten Vater mit verbrecherischer Hand zu Tode gewürgt, der esse Knoblauch, schädlicher als Schierling! O die harten Bauernmägen! Was ist das für ein Gift, das mir im Magen wütet? Hat mich etwa Schlangenblut, in dies

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incoctus herbis me fefellit? an malas Canidia tractavit dapes? ut Argonautas praeter omnis candidum Medea mirata est ducem, ignota tauris inligaturum iuga perunxit hoc Iasonem, hoc delibutis ulta donis paelicem serpente fugit alite. nec tantus umquam siderum insedit vapor siticulosae Apuliae nec munus umeris efficacis Herculis inarsit aestuosius. at siquid umquam tale concupiveris, iocose Maecenas, precor, manum puella savio opponat tuo extrema et in sponda cubet.

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epod. 4 (i) LUPIS ET AGNIS quanta sortito obtigit, tecum mihi discordia est, Hibericis peruste funibus latus et crura dura compede. licet superbus ambules pecunia, fortuna non mutat genus. videsne, sacram metiente te viam cum bis trium ulnarum toga, ut ora vertat huc et huc euntium liberrima indignatio? ›sectus flagellis hic triumviralibus praeconis ad fastidium arat Falerni mille fundi iugera et Appiam mannis terit sedilibusque magnus in primis eques Othone contempto sedet. quid attinet tot ora navium gravi rostrata duci pondere contra latrones atque servilem manum hoc, hoc tribuno militum?‹

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Gemüse eingesotten, ruiniert? Hat gar Canidia dies Fluchmahl zubereitet? Als einst Medea unter allen Argonauten nur deren strahlenden Anführer bestaunte, da hat sie Iason, der das ungewohnte Joch den Stieren auferlegen sollte, damit eingesalbt; damit getränkte Kleider schenkte sie der Nebenbuhlerin zur Rache und entfloh mit Flügeldrachen. Noch niemals hat sich derart auf das durstige Apulien die Glut des Hundsgestirns gesenkt, und nie hat sich ein Geschenk in die Schultern des gewaltigen Hercules so glühend eingebrannt! Doch wenn du je nach solchem Zeug verlangst, du spöttischer Maecenas, bitte, dann soll dein Mädchen deinem Kuss mit der Hand wehren und am Bettrand schlafen!

Epode 4 Die Feindschaft, welche von Natur die Wölfe und die Lämmer trennt, steht zwischen mir und dir, du, dessen Rippen spanische Peitschen zeichneten und dessen Füße Fesselschwielen tragen! Steig nur einher, voll Stolz auf dein Vermögen: Glück verändert nicht die Herkunft! Und wenn du auf der Heiligen Straße stolzierst mit einer Toga, die zweimal drei Ellen lang ist, siehst du dann nicht, wie die Vorübergehenden sich nach dir drehen mit ganz unverhohlenem Ärger? »Der Kerl mit seinen Peitschenstriemen von der Strafbehörde, dem Büttel selbst zum Überdruss, pflügt tausend Joch Falerneräcker, trabt auf Ponys über die Via Appia, sitzt als hochgestochener Ritter auf dem ersten Platz und pfeift auf das Gesetz des Otho. Was nützt es, eine Menge schwer gerüsteter Schiffe auszusenden, um gegen die Räuber und das Sklavenpack zu kämpfen, wenn ein solcher Kerl Militärtribun ist?«

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epod. 5 (i) ›AT O DEORUM quidquid in caelo regit terras et humanum genus, quid iste fert tumultus? aut quid omnium voltus in unum me truces? per liberos te, si vocata partubus Lucina veris adfuit, per hoc inane purpurae decus precor, per inprobaturum haec Iovem, quid ut noverca me intueris aut uti petita ferro belua?‹ ut haec trementi questus ore constitit insignibus raptis puer, inpube corpus, quale posset inpia mollire Thracum pectora, Canidia brevibus inplicata viperis crinis et incomptum caput iubet sepulcris caprificos erutas, iubet cupressos funebris et uncta turpis ova ranae sanguine plumamque nocturnae strigis herbasque quas Iolcos atque Hiberia mittit venenorum ferax, et ossa ab ore rapta ieiunae canis flammis aduri Colchicis. at expedita Sagana per totam domum spargens Avernalis aquas horret capillis ut marinus asperis echinus aut currens aper. abacta nulla Veia conscientia ligonibus duris humum exhauriebat, ingemens laboribus, quo posset infossus puer longo die bis terque mutatae dapis inemori spectaculo, cum promineret ore, quantum exstant aqua suspensa mento corpora; exsecta uti medulla et aridum iecur amoris esset poculum,

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Epode 5 »Doch bei allen Göttern, die im Himmel über die Länder und die Menschen herrschen, was soll der Aufstand hier? und was die wilden Blicke aller gegen mich allein? Bei deinen Kindern – wenn Lucina dir auf deinen Anruf bei wirklichen Geburten beigestanden hat –, bei diesen – ach so wirkungslosen! – Purpurstreifen bitt’ ich dich, bei Jupiter, der alles dies verurteilt: Was blickst du mich wie eine falsche Mutter an und wie ein wildes Tier, das vom Geschoss getroffen ist?« Mit solcher Klage aus dem bebenden Munde stand ein Knabe da, des Kleiderschmucks beraubt, in kindlicher Gestalt – es hätte ein verruchtes Thrakierherz erbarmen mögen; Canidia aber, kurze Nattern in den Haaren, mit zerzaustem Haupte, lässt wildes Feigenholz, aus Gräbern ausgegraben, lässt den Totenbaum Zypresse und Eier, angemalt mit Blut von einem ekelhaften Frosch, und eine Nachtkauzfeder und Kräuter, die Iolcos und das giftereiche Iberien liefern, und Knochen aus dem Maul einer hungrigen Hündin in die kolchischen Flammen werfen. Doch Sagana, beflissen durch das ganze Haus Avernus-Wasser sprengend, trägt raue Borstenhaare wie ein Seeigel oder ein rasender Eber. Und Veja, die von keinerlei Gewissen angerührt wird, hob mit harter Hacke den Boden aus, vor Mühsal ächzend, dass der eingegrabene Knabe darinnen langsam sterben könnte, am langen Tag zwei- und dreimal ausgewechselte Gerichte vor den Augen, wobei nur noch der Kopf den Boden überragt, so wie der Körper eines Schwimmenden nur bis ans Kinn. Sein ausgelöstes Rückenmark und seine trockene Leber sollten einen Liebestrank ergeben,

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interminato cum semel fixae cibo intabuissent pupulae. non defuisse masculae libidinis Ariminensem Foliam et otiosa credidit Neapolis et omne vicinum oppidum, quae sidera excantata voce Thessala lunamque caelo deripit. hic inresectum saeva dente livido Canidia rodens pollicem quid dixit aut quid tacuit? ›o rebus meis non infideles arbitrae, Nox et Diana, quae silentium regis, arcana cum fiunt sacra, nunc, nunc adeste, nunc in hostilis domos iram atque numen vertite. formidulosis dum latent silvis ferae dulci sopore languidae, senem, quod omnes rideant, adulterum latrent Suburanae canes nardo perunctum, quale non perfectius meae laborarint manus. quid accidit? cur dira barbarae minus venena Medeae valent, quibus superbam fugit ulta paelicem, magni Creontis filiam, cum palla, tabo munus inbutum, novam incendio nuptam abstulit? atqui nec herba nec latens in asperis radix fefellit me locis: indormit unctis omnium cubilibus oblivione paelicum. a a, solutus ambulat veneficae scientioris carmine. non usitatis, Vare, potionibus, o multa fleturum caput, ad me recurres nec vocata mens tua Marsis redibit vocibus: maius parabo, maius infundam tibi fastidienti poculum,

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sobald ihm die auf die verwehrten Speisen starrenden Augen brechen. Dass auch die (sexuell) perverse Folia aus Rimini beteiligt war, davon ist das müßige Neapel und jede Landstadt der Umgebung überzeugt; denn die holt die Sterne, behext von ihrem Zauberlied, und den Mond vom Himmel. Und nun Canidia, wild mit gelbem Zahn am ungeschnittenen Daumennagel kauend – was sagte sie? und was verschwieg sie? »O ihr meines Tuns verlässliche Zeugen, Nox und Diana, die du Schweigen wahrst, sooft geheime Opferhandlungen geschehen, jetzt, jetzt steht mir bei! Jetzt wendet euren Zorn und euren Willen wider das verhasste Haus! Solang die wilden Tiere in den unheimlichen Wäldern tief von süßem Schlaf umfangen sind, sollen die Hunde der Subura zum Gelächter aller Welt den alten Hurenbock verbellen, der so mit Narden parfümiert ist, wie es meine Hände nicht vollkommener vermöchten! – Was soll das heißen? Warum haben die fürchterlichen Gifte der barbarischen Medea keine Kraft? Mit ihnen hat sie doch, eh sie entfloh, die stolze Nebenbuhlerin gestraft, des großen Kreon Tochter, die ein Mantel, ein vergiftetes Geschenk, verbrannte, kaum dass sie vermählt war. Und doch ist mir kein Kraut und keine Wurzel, die an wüsten Orten sich verbirgt, entgangen. Schon schläft er auf dem Bett, das ich mit dem Vergessen aller Buhlinnen bestrichen habe! – O je! Da geht er, durch die Sprüche einer kundigeren Zauberin vom Bann gelöst! Durch Tränke, die du noch nicht kennst, mein Varus (und es soll dich manche Träne kosten), kommst du schon bald zu mir zurück, und keiner marsischen Beschwörung wird dein Sinn mehr folgen: Ich will dir einen stärkeren Kelch kredenzen, einen stärkeren Trunk dir, der mich meidet, in den Becher gießen,

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priusque caelum sidet inferius mari tellure porrecta super, quam non amore sic meo flagres uti bitumen atris ignibus.‹ sub haec puer iam non, ut ante, mollibus lenire verbis inpias, sed dubius unde rumperet silentium, misit Thyesteas preces: ›venena magnum fas nefasque, non valent convertere humanam vicem. diris agam vos: dira detestatio nulla expiatur victima. quin, ubi perire iussus exspiravero, nocturnus occurram furor petamque voltus umbra curvis unguibus, quae vis deorum est Manium, et inquietis adsidens praecordiis pavore somnos auferam. vos turba vicatim hinc et hinc saxis petens contundet obscaenas anus. post insepulta membra different lupi et Esquilinae alites neque hoc parentes, heu mihi superstites, effugerit spectaculum.‹

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epod. 6 (i) QUID INMERENTIS hospites vexas canis, ignavus adversum lupos? quin huc inanis, si potes, vertis minas et me remorsurum petis? nam qualis aut Molossus aut fulvos Lacon, amica vis pastoribus, agam per altas aure sublata nivis, quaecumque praecedet fera; tu, cum timenda voce complesti nemus, proiectum odoraris cibum. cave cave, namque in malos asperrimus parata tollo cornua,

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und eher wird der Himmel unter dem Meer versinken und das feste Land sich drüber breiten, als dass du nicht in Liebesglut so für mich verbrennst wie Pech im dunklen Feuer!« Der Knabe aber suchte nun die bösen Weiber nicht mehr wie zuvor mit sanften Worten zu erweichen, und schwankend noch, womit er jetzt sein Schweigen brechen sollte, stieß er Flüche wie Thyestes aus: »Das Zaubergift vermag wohl Recht und Unrecht umzustoßen, aber nicht die menschliche Vergeltung! Ich will euch fluchen! Und die schreckliche Verwünschung wird von keinem Opfertier getilgt. Doch sollt’ ich sterben müssen und zugrunde gehen, dann will ich euch als Nachtgespenst begegnen, als Schatten mit gekrümmten Fingernägeln das Gesicht zerkratzen – diese Macht hat auch ein Totengeist –, von eurem schuldgequälten Herzen nicht mehr weichen und den Schlaf durch Angst verjagen. Auf euch wird das Volk in jedem Viertel von allen Seiten Steine schleudern, ihr schandbefleckten alten Weiber; dann werden Wölfe und Vögel auf dem Esquilin die unbegrabenen Glieder auseinanderschleppen, und meine Eltern – ach, dass sie mich überleben müssen! – sollen diesen Anblick noch genießen.«

Epode 6 Du Hund, was peinigst du die unschuldigen Gäste? Du hast doch gegen Wölfe keinen Mut! Und weshalb wendest du dein leeres Drohen, wenn du kannst, nicht hierher und greifst mich an, der wiederbeißen wird? Denn so wie ein Molosser oder gelblicher Laconier, der den Hirten treu zur Seite steht, werd’ ich erhobenen Ohres durch den tiefen Schnee jedwedes Tier vor mir verfolgen; du aber füllst den Wald mit schrecklichem Gebell und schnupperst doch sogleich am vorgeworfenen Köder. Nimm dich bloß in Acht! Denn ich senke voll Grimm rasch die Hörner gegen Bösewichter,

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qualis Lycambae spretus infido gener aut acer hostis Bupalo. an si quis atro dente me petiverit, inultus ut flebo puer?

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epod. 7 (i) QUO, QUO SCELESTI ruitis? aut cur dexteris aptantur enses conditi? parumne campis atque Neptuno super fusum est Latini sanguinis, non ut superbas invidae Karthaginis Romanus arces ureret intactus aut Britannus ut descenderet sacra catenatus via, sed ut secundum vota Parthorum sua urbs haec periret dextera? neque hic lupis mos nec fuit leonibus umquam nisi in dispar feris. furorne caecus an rapit vis acrior an culpa? responsum date. tacent et albus ora pallor inficit mentesque perculsae stupent. sic est: acerba fata Romanos agunt scelusque fraternae necis, ut inmerentis fluxit in terram Remi sacer nepotibus cruor.

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epod. 8 (i) ROGARE LONGO putidam te saeculo, viris quid enervet meas, cum sit tibi dens ater et rugis vetus frontem senectus exaret hietque turpis inter aridas natis podex velut crudae bovis. sed incitat me pectus et mammae putres, equina quales ubera,

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wie der verschmähte Schwiegersohn des treulosen Lykambes oder der erboste Feind des Bupalos. Meinst du, ich wollte hilflos flennen wie ein Kind, wenn einer mich mit dunklem Zahn angreift?

Epode 7 Wo, wo treibt ihr hin, ihr Frevler? Warum fassen eure Hände an das Schwert, das in der Scheide steckt? Ist nicht genug Latinerblut schon zu Land und auf dem Meer vergossen worden, und nicht etwa, damit der Römer die stolze Festung des eifersüchtigen Karthago niederbrenne, auch nicht, damit der unbezwungene Britannier in Fesseln auf der Heiligen Straße ziehe, vielmehr dass nach dem Wunsch der Parther diese Stadt durch eigene Hand zugrunde gehe? Dies war auch unter Wölfen, unter Löwen nie der Brauch, die immer nur die fremde Art bekämpfen. Treibt euch ein blinder Wahn? eine höhere Gewalt? ein (ungesühntes) Verbrechen? Gebt Antwort! Nein, sie schweigen. Blässe überzieht ihr Angesicht; ihr Herz ist starr und tief betroffen. So ist’s: Ein bitteres Geschick verfolgt die Römer, das Verbrechen eines Brudermords, seit das Blut des Remus ohne dessen Schuld den Enkeln zum Fluch zur Erde floss.

Epode 8 Dass du, vom langen Leben schon ranzig, fragst, was meine Kräfte auszehrt, obwohl du dunkle Zähne hast, ein hohes Alter deine Stirn mit Runzeln furcht und zwischen dürren Backen dir ein Arsch klafft wie bei einer Kuh mit Durchfall – – – Und doch erregt mich deine Brust, die erschlafften Zitzen, wie die Euter einer Stute,

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venterque mollis et femur tumentibus exile suris additum. esto beata, funus atque imagines ducant triumphales tuum nec sit marita quae rotundioribus onusta bacis ambulet. quid, quod libelli Stoici inter Sericos iacere pulvillos amant: inlitterati num minus nervi rigent minusve languet fascinum? quod ut superbo provoces ab inguine, ore adlaborandum est tibi.

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epod. 9 (i) QUANDO REPOSTUM Caecubum ad festas dapes victore laetus Caesare tecum sub alta – sic Iovi gratum – domo, beate Maecenas, bibam sonante mixtum tibiis carmen lyra, hac Dorium, illis barbarum? ut nuper, actus cum freto Neptunius dux fugit ustis navibus minatus urbi vincla, quae detraxerat servis amicus perfidis. Romanus eheu – posteri negabitis – emancipatus feminae fert vallum et arma miles et spadonibus servire rugosis potest interque signa turpe militaria sol adspicit conopium. at huc frementis verterunt bis mille equos Galli canentes Caesarem hostiliumque navium portu latent puppes sinistrorsum citae. io Triumphe, tu moraris aureos currus et intactas boves? io Triumphe, nec Iugurthino parem bello reportasti ducem neque Africanum, cui super Carthaginem virtus sepulcrum condidit.

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dein weicher Bauch, die dünnen Oberschenkel über vollen Waden. – Du magst so reich sein, wie du willst; man soll dir einen Leichenzug mit triumphalen Ahnenmasken gönnen, und keine Dame mag mit dickerem Perlenschmuck behangen promenieren; ganz zu schweigen von den stoischen Traktaten, die gern zwischen deinen Seidenkissen liegen: Werden davon etwa meine Lenden, die von Büchern nichts verstehen, weniger kalt, mein Schwanz weniger schlaff? Um den von seinen stolzen Hoden hochzutreiben, musst du dich wohl mit dem Mund bemühen.

Epode 9 Wann werde ich den für festliche Gelage reservierten Caecuber, begeistert über Caesars Sieg, mit dir, gesegneter Maecenas, in der hohen Halle (so gefällt es Jupiter) endlich trinken, zur wechselnden Musik der Leier und der Blattflöte (in der dorischen Tonart jene, diese in der lydischen)? So floh vor kurzem erst der Neptunsfeldherr, von der See verjagt, die Schiffe eingeäschert, nachdem er Rom mit Fesseln gedroht, die er ungetreuen Sklaven als Kumpan abgenommen hatte. Der römische Soldat, ach (ihr Nachwelt werdet’s nicht glauben), muss als Sklave für ein Weib Palisaden und Waffen schleppen und ist fähig, runzligen Eunuchen zu gehorchen, und zwischen Feldstandarten blickt die Sonne auf ein peinliches Moskitonetz. Uns aber haben, Caesarlieder auf den Lippen, Gallier zweitausend schäumende Rosse zugeführt, und in dem Hafen liegen Schiffe aus der Feindesflotte, seitlich abgezweigt, verborgen. O Triumphgott, lässt du noch den goldenen Wagen und die unberührten Kühe warten? O Triumphgott – führtest du doch weder vom Jugurthafeldzug einen solchen Feldherrn heim, noch war ihm Africanus ebenbürtig, dem doch seine Tat ein Denkmal auf Karthagos Boden schuf.

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terra marique victus hostis punico lugubre mutavit sagum, aut ille centum nobilem Cretam urbibus ventis iturus non suis, exercitatas aut petit Syrtis Noto aut fertur incerto mari. capaciores adfer huc, puer, scyphos et Chia vina aut Lesbia, vel quod fluentem nauseam coerceat metire nobis Caecubum. curam metumque Caesaris rerum iuvat dulci Lyaeo solvere.

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epod. 10 (i) MALA SOLUTA navis exit alite ferens olentem Mevium. ut horridis utrumque verberes latus, Auster, memento fluctibus; niger rudentis Eurus inverso mari fractosque remos differat; insurgat Aquilo, quantus altis montibus frangit trementis ilices; nec sidus atra nocte amicum adpareat, qua tristis Orion cadit; quietiore nec feratur aequore quam Graia victorum manus, cum Pallas usto vertit iram ab Ilio in inpiam Aiacis ratem. o quantus instat navitis sudor tuis tibique pallor luteus et illa non virilis heiulatio preces et aversum ad Iovem, Ionius udo cum remugiens sinus Noto carinam ruperit. opima quodsi praeda curvo litore porrecta mergos iuverit, libidinosus immolabitur caper et agna Tempestatibus.

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Zu Land und Meer besiegt, hat schon der Feind den Feldherrnmantel mit dem Trauerkleid vertauscht, entweder ist er ohne günstigen Wind auf dem Weg nach Creta, das mit hundert Städten prunkt, oder steuert zu den sturmgepeitschten Syrten, oder er irrt übers ungewisse Meer. So bring denn mächtigere Humpen, Bursch, und Chier- oder Lesbosweine, oder schenk uns Caecuber, der die flaue Seekrankheit in Schranken hält, ins Glas! Wir wollen Sorge und Furcht um Caesars Unternehmungen im süßen Wein zergehen lassen.

Epode 10 Schlecht ist das Zeichen, unter dem das Schiff in See sticht; denn es trägt den Stinker Mevius. Vergiss nicht, Südwind, gegen beide Flanken schauerliche Fluten anzuschleudern! Der finstre Ostwind soll in rollender See die Taue und zerbrochenen Ruder auseinandertreiben; ein Nordsturm stehe auf, wie er auf hohen Bergen bebende Eichen knickt; es soll in schwarzer Nacht, wenn der gefährliche Orion sinkt, kein freundliches Gestirn sich zeigen; auch soll er auf der Fahrt die See nicht stiller finden als das Heer der griechischen Sieger, als Pallas ihren Zorn vom ausgebrannten Ilion zum Schiff des frevelhaften Aias wandte! O wie viel Schweißvergießen haben deine Schiffer zu erwarten, welche bleiche Angst du selbst! Dazu das weibische Gewimmer und das Flehen zum verstockten Jupiter, wenn unterm Regensturm von Süden brüllend das ionische Meer den Kiel zertrümmert! Wenn dann die fette Beute, ausgebreitet am geschwungenen Strand, die Tauchervögel atzt, so soll den Stürmen auch ein geiler Geißbock und ein Lamm geopfert werden.

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epod. 11 (ii) PETTI, NIHIL ME sicut antea iuvat scribere versiculos amore percussum gravi, amore, qui me praeter omnis expetit mollibus in pueris aut in puellis urere. hic tertius December, ex quo destiti Inachia furere, silvis honorem decutit. heu me, per urbem – nam pudet tanti mali – fabula quanta fui, conviviorum et paenitet, in quis amantem languor et silentium arguit et latere petitus imo spiritus. ›contrane lucrum nil valere candidum pauperis ingenium‹ querebar adplorans tibi, simul calentis inverecundus deus fervidiore mero arcana promorat loco. ›quodsi meis inaestuet praecordiis libera bilis, ut haec ingrata ventis dividat fomenta volnus nil malum levantia, desinet inparibus certare summotus pudor.‹ ubi haec severus te palam laudaveram, iussus abire domum ferebar incerto pede ad non amicos heu mihi postis et heu limina dura, quibus lumbos et infregi latus. nunc gloriantis quamlibet mulierculam vincere mollitia amor Lycisci me tenet; unde expedire non amicorum queant libera consilia nec contumeliae graves, sed alius ardor aut puellae candidae aut teretis pueri longam renodantis comam.

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epod. 12 (iii) QUID TIBI VIS, mulier nigris dignissima barris? munera quid mihi quidve tabellas mittis nec firmo iuveni neque naris obesae? namque sagacius unus odoror, polypus an gravis hirsutis cubet hircus in alis, quam canis acer ubi lateat sus. qui sudor vietis et quam malus undique membris crescit odor, cum pene soluto

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Epode 11 Es freut mich nicht mehr, Pettius, wie einst Gedichte zu schreiben, von heftiger Liebe getroffen, von Liebe, die mich mehr als andere ausersieht, für zärtliche Knaben oder für Mädchen entflammt zu sein. Zum dritten Mal schon schüttelt der Dezember, seit ich Inachias Liebe entsagte, die Blätter von den Wäldern. Weh mir, was war ich für ein Gegenstand des Klatsches in der ganzen Stadt! Denn ich schäme mich dieser Peinlichkeit, gedenke ungern der Gelage, auf denen Unlust, Schweigsamkeit und Seufzer aus der tiefsten Brust den Liebenden verrieten. »Ach, dass doch gegen Reichtum auch die glänzendste Begabung eines Armen nichts vermag!«, so klagte ich dir ins Ohr, sobald der indiskrete Gott mit hitzigem Wein mich angewärmt und mein Geheimnis mir entrissen hatte. »Wenn erst die Galle hemmungslos im Leibe wütet, so dass sie all den ungebetenen Trost, der doch das schlimme Weh nicht lindern kann, zum Teufel schickt, dann bringt mich keine Rücksicht mehr dazu, mit Minderwertigen zu streiten.« Und wenn ich dies in allem Ernst vor dir verkündet hatte, wurde ich nach Hause geschickt und ging auf schwankenden Füßen zu einer Haustür, ach, die mir nicht freundlich war, ach, zu einer harten Schwelle, auf der ich mir die Lenden und die Rippen wundrieb. Jetzt fesselt mich die Liebe zu Lyciscus, der sich rühmt, jedwedes Frauenzimmer an Zärtlichkeit zu übertreffen, und davon bringt mich auch kein offenherziger Rat der Freunde, auch kein noch so heftiges Schelten ab; das kann allein ein neuer Herzensbrand, sei’s für ein hübsches Mädchen, sei’s für einen zarten Knaben, der sein langes Haar noch knotet.

Epode 12 Was willst du, Weibsstück, das am ehesten zu schwarzen Elefanten passt? Was schickst du mir Geschenke und Liebesbriefe, mir, der ich weder ein leistungsfähiger Mann bin noch eine schlechte Nase habe? Denn ich wittere weit schärfer, ob ein Polyp oder ein stinkender Bock in den struppigen Achseln hockt, als ein Spürhund merkt, wo eine Sau verborgen ist. Was für ein Schweiß, was für ein scheußlicher Gestank tritt allseits aus den welken Gliedern, wenn sie an dem schlaffen Schwanz

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indomitam properat rabiem sedare neque illi iam manet umida creta colorque stercore fucatus crocodili iamque subando tenta cubilia tectaque rumpit, vel mea cum saevis agitat fastidia verbis: ›Inachia langues minus ac me; Inachiam ter nocte potes, mihi semper ad unum mollis opus. pereat male quae te Lesbia quaerenti taurum monstravit inertem, cum mihi Cous adesset Amyntas, cuius in indomito constantior inguine nervus quam nova collibus arbor inhaeret. muricibus Tyriis iteratae vellera lanae cui properabantur? tibi nempe, ne foret aequalis inter conviva, magis quem diligeret mulier sua quam te. o ego non felix, quam tu fugis, ut pavet acris agna lupos capreaeque leones.‹

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epod. 13 (iv) HORRIDA TEMPESTAS caelum contraxit et imbres nivesque deducunt Iovem; nunc mare, nunc siluae Threicio Aquilone sonant. rapiamus, amici, occasionem de die, dumque virent genua et decet, obducta solvatur fronte senectus. tu vina Torquato move consule pressa meo. cetera mitte loqui: deus haec fortasse benigna reducet in sedem vice. nunc et Achaemenio perfundi nardo iuvat et fide Cyllenaea levare diris pectora sollicitudinibus. nobilis ut grandi cecinit Centaurus alumno: ›invicte, mortalis dea nate puer Thetide, te manet Assaraci tellus, quam frigida parvi findunt Scamandri flumina lubricus et Simois, unde tibi reditum certo subtemine Parcae rupere, nec mater domum caerula te revehet. illic omne malum vino cantuque levato, deformis aegrimoniae dulcibus adloquiis.‹

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die unbezähmte Gier zu stillen sucht! Die nassgewordene Kreideschminke hält nicht mehr an ihr, das Färbemittel, mit Krokodilskot parfümiert, geht ab; in geiler Brunst verwüstet sie das Lager samt dem Himmel; oder sie empört sich wütend über meine Unlust: »Bei Inachia bist du weniger schlapp als bei mir! Inachia kannst du dreimal die Nacht! Bei mir aber bist du immer für einmal schon zu schwach! Zum Teufel mit Lesbia! Ich suchte einen Stier – dich Schlappschwanz hat sie mir gezeigt, als noch Amyntas von Kos bei mir schlief, auf dessen unerschöpften Hoden ein Glied steht, kräftiger als ein junger Baum am Berghang. Wem habe ich denn die Wollsachen, mit Purpurschnecken zweimal gefärbt, geschickt? Natürlich dir, damit sich unter deinen Zechgenossen keiner deines Alters findet, den sein Mädchen heißer liebt als dich! Ich Unglückselige! Du meidest mich, so wie ein Lamm die reißenden Wölfe scheut und die Ziegen die Löwen!«

Epode 13 Schauriges Ungewitter hat den Himmel überzogen, und Regen und Schneegestöber verdecken das blaue Gewölbe. Jetzt brausen das Meer, jetzt die Wälder vom thrakischen Nordost. Freunde, lasst uns die Gunst der Stunde ergreifen, solange noch Kraft in den Knien steckt und noch manches erlaubt ist – mit umwölkter Stirn mag das Alter verwelken! Du aber hol einen Wein herbei, der unter Torquatus, dem Konsul meiner Geburt, gekeltert ist! Von allem Übrigen musst du nicht reden: Möglicherweise bringt es ein Gott mit gütiger Wendung wieder ins Lot. Jetzt haben wir Lust, mit persischer Narde uns zu begießen und mit der cyllenischen Leier das Herz von den drückenden Kümmernissen zu befreien, wie es der edle Zentaur seinem gewaltigen Zögling gesungen hat: »Unbesiegter sterblicher Sohn der Göttin Thetis, dich erwartet die Erde des Assaracus-Landes, durch die das kühle Wasser des kleinen Scamanderflusses und der rasche Simoïs ziehen, und die Parzen haben mit verlässlichem Faden dir die Rückkehr von dort versperrt, und auch deine meerfarbene Mutter wird dich nicht mehr heimbringen. Dort schaffe jegliches Leid mit Wein und Gesang aus der Welt, mit den süßen Tröstungen gegen verzehrenden Gram!«

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epod. 14 (v) MOLLIS INERTIA cur tantam diffuderit imis oblivionem sensibus, pocula Lethaeos ut si ducentia somnos arente fauce traxerim, candide Maecenas, occidis saepe rogando: deus, deus nam me vetat inceptos olim, promissum carmen, iambos ad umbilicum adducere. non aliter Samio dicunt arsisse Bathyllo Anacreonta Teium, qui persaepe cava testudine flevit amorem non elaboratum ad pedem. ureris ipse miser. quodsi non pulcrior ignis accendit obsessam Ilion, gaude sorte tua: me libertina nec uno contenta Phryne macerat.

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epod. 15 (v) NOX ERAT ET CAELO fulgebat Luna sereno inter minora sidera, cum tu, magnorum numen laesura deorum, in verba iurabas mea, artius atque hedera procera adstringitur ilex lentis adhaerens bracchiis, dum pecori lupus et nautis infestus Orion turbaret hibernum mare intonsosque agitaret Apollinis aura capillos, fore hunc amorem mutuum, o dolitura mea multum virtute Neaera: nam siquid in Flacco viri est, non feret adsiduas potiori te dare noctes et quaeret iratus parem, nec semel offensi cedet constantia formae, si certus intrarit dolor. et tu, quicumque es felicior atque meo nunc superbus incedis malo,

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Epode 14 Warum wohl weichliche Trägheit ein solches Vergessen ins Innere meines Herzens goss, als ob ich mit lechzender Kehle die Becher, die uns den Schlaf der Lethe verschaffen, ausgetrunken hätte? Edler Maecenas, mit dieser Frage quälst du mich bis zum Sterben. – Ein Gott, jawohl, ein Gott verbietet mir, die einst begonnenen Iamben, das angekündigte Versbuch, zur Vollendung auszufeilen. Genau so, erzählt man, sei für Bathyllus von Samos Anacreon aus Teos entbrannt, der viele Male zur bauchigen Laute über seine Liebe geklagt hat, doch ohne die Verse zu Ende zu formen. Sterblich verliebt bist du selbst; doch wenn kein schöneres Feuer das eingeschlossene Ilion in Brand gesetzt hat, dann freue dich über dein Los! Denn mich verzehrt die Freigelassene Phryne, der einer nicht genug ist.

Epode 15 Nacht war’s, und am (stern)klaren Himmel leuchtete Luna unter den geringeren Gestirnen, als du, schon bereit, die Hoheit mächtiger Götter zu verletzen, auf meine Worte schworst, enger mit anschmiegsamen Armen an mich geklammert, als der ragende Eichbaum vom Efeu umschlungen wird: Solange der Wolf die Schafe verfolgt und Orion, der Feind der Schiffer, das winterliche Meer aufwühlt und der Wind die unbeschnittenen Haare Apollons flattern lässt, so lange werde die Liebe beiderseits dauern. O Neaera, von meiner Entschlossenheit solltest du bitteres Leid erwarten! Denn wenn etwas von einem Mann in Flaccus steckt, dann wird er nicht dulden, dass du einem Glücklicheren Nächte um Nächte schenkst, und er wird ergrimmt eine Gleichgesinnte suchen; und die Verhärtung des einmal Gekränkten wird auch der Reiz der Schönheit nicht bezwingen, wenn ihn erst ein ernstes Leid ergriffen hat. – Du aber, wer auch immer, der du mehr Erfolg hast und jetzt voll Hochmut mein Missgeschick mit Füßen trittst:

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sis pecore et multa dives tellure licebit tibique Pactolus fluat nec te Pythagorae fallant arcana renati formaque vincas Nirea, heu heu, translatos alio maerebis amores, ast ego vicissim risero.

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epod. 16 (vi) ALTERA IAM TERITUR bellis civilibus aetas, suis et ipsa Roma viribus ruit. quam neque finitimi valuerunt perdere Marsi minacis aut Etrusca Porsenae manus aemula nec virtus Capuae nec Spartacus acer novisque rebus infidelis Allobrox, nec fera caerulea domuit Germania pube parentibusque abominatus Hannibal: inpia perdemus devoti sanguinis aetas ferisque rursus occupabitur solum; barbarus heu cineres insistet victor et urbem eques sonante verberabit ungula; quaeque carent ventis et solibus ossa Quirini, – nefas videre – dissipabit insolens. forte quid expediat communiter aut melior pars, malis carere quaeritis laboribus. nulla sit hac potior sententia: Phocaeorum velut profugit exsecrata civitas agros atque lares patrios, habitandaque fana apris reliquit et rapacibus lupis, ire, pedes quocumque ferent, quocumque per undas Notus vocabit aut protervos Africus. sic placet? an melius quis habet suadere? secunda ratem occupare quid moramur alite? sed iuremus in haec: simul imis saxa renarint vadis levata, ne redire sit nefas; neu conversa domum pigeat dare lintea, quando Padus Matina laverit cacumina, in mare seu celsus procurrerit Appenninus novaque monstra iunxerit libidine

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Wärest du auch noch so reich an Herden und Ländereien, flösse dir auch der Pactolus, wäre dir kein Geheimnis des zweimal geborenen Pythagoras verborgen und wärest du schöner als Nireus, wehe dir trotzdem! Denn einst wirst du trauern, wenn sie ihre Liebe einem andern schenkt; doch ich für mein Teil werde lachen!

Epode 16 Schon reibt sich die zweite Generation im Bürgerkrieg auf und Rom vernichtet sich durch seine eignen Kräfte! Es zu zerstören waren weder die marsischen Nachbarn stark genug noch das Etruskerheer des drohenden Porsenna noch das eifersüchtig-kriegerische Capua noch Spartacus in seiner Wut noch die Allobroger mit ihrer revolutionären Tücke; auch das wilde Germanien hat es nicht mit seinen helläugigen jungen Männern überwunden, auch nicht Hannibal, der unseren Vätern den Untergang geschworen hatte. Doch wir, ein ruchloses Geschlecht verfluchten Blutes, werden es verderben, und unser Land wird wieder Heimat wilder Tiere sein, Barbarenvölker werden, ach, siegreich auf die Asche treten und Reiter klingenden Hufes unsere Stadt durchtraben; und die Gebeine des Quirinus, jetzt vor Wind und Sonnenschein geschützt, man wird sie rücksichtslos zerstreuen – welch ein Grauen, dies zu sehen! Ihr alle – oder wenigstens die Besten unter euch –, ihr werdet vielleicht fragen, was uns helfen kann, dem Elend zu entgehen. Dies wird gewiss der beste Vorschlag sein: Wie einst die fluchbeladene Bürgerschaft Phocaeas die Äcker und die väterlichen Wohnungen verließ und ihre Tempel den Ebern und reißenden Wölfen als Behausung hinterließ, so macht euch auf, wohin die Füße tragen, wohin der Südwind oder der ungestüme Africus uns durch die Wogen treibt! Seid ihr einverstanden? Oder weiß noch jemand besseren Rat? Was zaudern wir, im günstigen Moment zu Schiff zu gehen? Doch lasst uns dies beschwören: Erst wenn die Steine aus dem tiefen Meeresgrund nach oben schwimmen, soll die Rückkehr kein Vergehen sein; und dann erst seien wir bereit, die Segel nach der Heimat umzudrehen, wenn der Po den Gipfel des Matinerbergs bespült, wenn der hohe Apennin ins Meer hinabspringt und ein wunderlicher Trieb die wilden Tiere zu ungewohnter Liebeslust

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mirus amor, iuvet ut tigris subsidere cervis, adulteretur et columba miluo, credula nec ravos timeant armenta leones ametque salsa levis hircus aequora. haec et quae poterunt reditus abscindere dulcis eamus omnis exsecrata civitas, aut pars indocili melior grege; mollis et exspes inominata perpremat cubilia. vos, quibus est virtus, muliebrem tollite luctum, Etrusca praeter et volate litora. nos manet Oceanus circumvagus: arva beata petamus, arva divites et insulas, reddit ubi cererem tellus inarata quotannis et inputata floret usque vinea, germinat et numquam fallentis termes olivae suamque pulla ficus ornat arborem, mella cava manant ex ilice, montibus altis levis crepante lympha desilit pede. illic iniussae veniunt ad mulctra capellae refertque tenta grex amicus ubera, nec vespertinus circumgemit ursus ovile nec intumescit alta viperis humus; nulla nocent pecori contagia, nullius astri gregem aestuosa torret inpotentia. pluraque felices mirabimur, ut neque largis aquosus Eurus arva radat imbribus, pinguia nec siccis urantur semina glaebis, utrumque rege temperante caelitum. non huc Argoo contendit remige pinus neque inpudica Colchis intulit pedem; non huc Sidonii torserunt cornua nautae, laboriosa nec cohors Ulixei Iuppiter illa piae secrevit litora genti, ut inquinavit aere tempus aureum, aere, dehinc ferro duravit saecula, quorum piis secunda vate me datur fuga.

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vereint, derart dass die Tigerweibchen sich den Hirschen ducken, dass die Taube und die Weihe miteinander Unzucht treiben, wenn die Rinder ohne Angst den gelben Löwen trauen und der unbehaarte Bock die salzige Meerflut liebt. Dies, und was uns sonst noch die ersehnte Rückkehr unterbinden kann, dies wollen wir beschwören, alle Bürger, und dann gehen, oder doch der Teil, der besser als die uneinsichtige Masse ist; die mag bequem und hoffnungslos die unheilträchtigen Betten weiter drücken! Ihr, die ihr Männer seid, reißt euch die weibische Trauer aus dem Sinn und fahrt dahin längs der Etruskerküste! Denn uns erwartet der weltumströmende Ozean; wir wollen zu den seligen Gefilden eilen, zu den Gefilden und den reichen Inseln, wo ungepflügt die Erde jedes Jahr Getreide schenkt und ungestutzt die Reben immer wieder blühen und das Reis der nie versagenden Olive keimt und die dunkle Feige ihren eigenen Baum schmückt, der Honig aus der hohlen Eiche fließt, von hohen Bergen muntere Quellen plätschernd herabspringen. Dort kommen ungerufen an das Melkgeschirr die Ziegen, und die Rinderherde bringt die vollen Euter ohne Sträuben heim; kein Bär umbrummt zur Abendzeit den Schafstall, und die Erde ist im Innern nicht von Schlangen trächtig; keine Seuche setzt den Schafen zu, keines Sternbilds fürchterliche Glut lässt die Herde verdursten: Noch vieles andere werden wir voll Glück bestaunen: Weder wird der wasserreiche Ostwind mit einem Übermaß an Regen den Boden wegschwemmen noch wird die üppige Saat von dürren Schollen ausgetrocknet, da der Götterherrscher beides recht in Grenzen hält. Dorthin hat nie ein Schiff mit Argo-Rudern Kurs genommen; nie hat die zuchtvergessene Colchierin dorthin den Fuß gesetzt; nie haben Schiffer aus Sidon ihren Bug dorthin gewendet noch die leidgeprüfte Mannschaft des Odysseus. Jupiter hat diese Küste frommen Menschen vorbehalten, als er einst das Goldene Zeitalter ehern färbte, ehern erst, dann ein Geschlecht aus Eisen härtete, vor dem es für die Redlichen einen Fluchtweg gibt, wenn ich sie führe.

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epod. 17 (vii) Horatius: IAM IAM EFFICACI do manus scientiae, supplex et oro regna per Proserpinae, per et Dianae non movenda numina, per atque libros carminum valentium refixa caelo devocare sidera, Canidia, parce vocibus tandem sacris citumque retro solve, solve turbinem. movit nepotem Telephus Nereium, in quem superbus ordinarat agmina Mysorum et in quem tela acuta torserat, unxere matres Iliae additum feris alitibus atque canibus homicidam Hectorem, postquam relictis moenibus rex procidit heu pervicacis ad pedes Achillei; saetosa duris exuere pellibus laboriosi remiges Ulixei volente Circa membra; tunc mens et sonus relapsus atque notus in voltus honor. dedi satis superque poenarum tibi, amata nautis multum et institoribus: fugit iuventas et verecundus color reliquit ossa pelle amicta lurida, tuis capillus albus est odoribus; nullum a labore me reclinat otium, urget diem nox et dies noctem neque est levare tenta spiritu praecordia. ergo negatum vincor ut credam miser, Sabella pectus increpare carmina caputque Marsa dissilire nenia. quid amplius vis? o mare et terra, ardeo, quantum neque atro delibutus Hercules Nessi cruore nec Sicana fervida virens in Aetna flamma: tu, donec cinis iniuriosis aridus ventis ferar, cales venenis officina Colchicis? quae finis aut quod me manet stipendium? effare: iussas cum fide poenas luam, paratus expiare, seu poposceris centum iuvencos, sive mendaci lyra voles sonare: ›tu pudica, tu proba

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Epode 17 Horaz: Es ist so weit: ich strecke vor der schwarzen Kunst die Waffen und flehe demutvoll beim Reich Proserpinas und bei der Macht Dianas, die man nicht erregen soll, und bei den Büchern voll Zaubersprüchen, die die Kraft besitzen, Gestirne, die am Himmel angeheftet sind, herabzuholen: Canidia, lass endlich ab von deinen Beschwörungsformeln und gib, ich bitte dich, gib den angedrehten Kreisel frei! Es hat sich auch der Nereusenkel des Telephus erbarmt, der übermütig gegen ihn das Myserheer geführt und spitze Pfeile gegen ihn verschossen hatte; es haben Ilions Mütter auch den männermordenden Hector eingesalbt, der schon den wilden Vögeln und den Hunden zugesprochen war, nachdem der König seine Burg verlassen hatte und sich dem ach so halsstarrigen Achill zu Füßen warf. Es haben des Odysseus leidgeprüfte Ruderer die Glieder von der harten Borstenhaut befreit mit Circes Willen, und es kehrte wieder Verstand und Stimme und die alte Würde auf ihr Antlitz. Mehr als genug hab ich vor dir gebüßt, du Vielgeliebte der Matrosen und Hausierer: Die Jugend ist dahin, der Reiz der Farbe hinterließ nur Knochen, die von bleicher Haut umhüllt sind; an deinem Gifthauch ist mein Haar erbleicht; in meinem Leid erquickt mich keine Muße; es drängt die Nacht den Tag, der Tag die Nacht, kein Seufzer bringt dem müden Herzen Linderung. So muss ich Armer glauben, was ich sonst bestritt: dass sabellische Zaubersprüche die Brust behexen, dass durch marsischen Gesang der Kopf zerspringt. Was willst du noch? O Meer und Erde, ich brenne, wie weder Hercules, vom schwarzen Blut des Nessus benetzt, brannte noch im glühenden Aetna die helle sizilische Flamme. Willst du Giftfabrik so lang von colchischen Substanzen glühen, bis ich als trockene Asche von den frechen Winden fortgeblasen werde? Auf welches Ende muss ich warten? Welche Buße? Sag an! Ich werde getreu zahlen, was du verlangst, bereit, deinen Zorn zu sühnen, ob du hundert Stiere zum Opfer forderst oder möchtest, dass zu trügerischer Leier ertöne: »O du Züchtige, du Redliche!

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perambulabis astra sidus aureum.‹ infamis Helenae Castor offensus vice fraterque magni Castoris victi prece adempta vati reddidere lumina: et tu – potes nam – solve me dementia, o nec paternis obsoleta sordibus neque in sepulcris pauperum prudens anus novendialis dissipare pulveres; tibi hospitale pectus et purae manus tuusque venter Pactumeius et tuo cruore rubros obstetrix pannos lavit, utcumque fortis exsilis puerpera. Canidia: Quid obseratis auribus fundis preces? non saxa nudis surdiora navitis Neptunus alto tundit hibernus salo. inultus ut tu riseris Cotytia volgata, sacrum liberi Cupidinis, et Esquilini pontifex venefici inpune ut urbem nomine inpleris meo? quid proderat ditasse Paelignas anus velociusve miscuisse toxicum? sed tardiora fata te votis manent: ingrata misero vita ducenda est in hoc, novis ut usque suppetas laboribus. optat quietem Pelopis infidi pater egens benignae Tantalus semper dapis, optat Prometheus obligatus aliti, optat supremo conlocare Sisyphus in monte saxum; sed vetant leges Iovis. voles modo altis desilire turribus, modo ense pectus Norico recludere, frustraque vincla gutturi nectes tuo fastidiosa tristis aegrimonia. vectabor umeris tunc ego inimicis eques meaeque terra cedet insolentiae. an quae movere cereas imagines, ut ipse nosti curiosus, et polo deripere lunam vocibus possim meis, possim crematos excitare mortuos desiderique temperare pocula, plorem artis in te nil agentis exitus?

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Du wirst als goldenes Gestirn unter den Sternen wandeln!« Auch Castor, durch die Ehrenkränkung Helenas empört, und des großen Castors Bruder ließen sich von Bitten rühren und gaben das geraubte Augenlicht dem Dichter wieder. Und du – es steht ja in deiner Macht – erlöse mich vom Wahn: Nicht bist du durch gemeine Herkunft missgeartet; nicht bist du eine Alte, die auf Armengräbern die Asche nach neun Tagen auszustreuen gelernt hat; dein Herz ist gastlich, deine Hände rein, dein echtes Kind ist Pactumeius, und es war dein eigenes Blut, das die Hebamme aus den roten Laken wusch, wann immer du starke Wöchnerin aus dem Kindbett springst. – Canidia: Was schüttest du Bitten in verschlossene Ohren? Die Klippen sind nicht tauber für die nackten Schiffer, wenn sie Neptun im Winter mit der Salzflut überspült. Wie wäre es möglich, dass du ohne Strafe das Cotytienfest öffentlich verspottetest, die Feier ungehemmter Sinnenlust, dass du als Priester für den giftverseuchten Esquilin die Stadt mit meinem Namen ungestraft erfülltest? Was hätte ich davon, Pälignerweiber reich zu machen und ein Gebräu zu mischen, das noch schneller wirkte? Ein schleichenderes Schicksal, als dir lieb ist, harrt auf dich: Ein Leben ohne Lust wirst du im Elend schleppen, um immer neuen Plagen dich zu stellen. Es sehnt der Vater des perfiden Pelops sich nach Ruhe, der Tantalus, der ewig vom Trost der Speise ausgeschlossen ist; Prometheus wünscht sie, der dem Geier preisgegeben ist, es wünscht auch Sisyphus, den Stein endlich auf den Gipfel des Berges zu bringen; das Gesetz des Jupiter verbietet es. Bald wirst du dich von hohen Türmen stürzen wollen, bald deine Brust mit einem norischen Schwert durchbohren; du wirst umsonst um deinen Hals die Schlinge knüpfen, weil dich die unerträgliche Verstimmung quält. Dann werde ich dir auf den verhassten Schultern reiten; dann wird die Welt sich meinem Übermut ergeben! Ich, die ich Wachsfiguren in Bewegung bringen (wie deine Neugier ausgemacht hat) und vom Himmel den Mond mit meinen Sprüchen niederholen kann, verbrannte Tote wieder ins Leben rufen und Tränke des Verlangens anrichten kann – ich sollte klagend meine Kunst an dir verloren geben?!

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CARMINUM LIBER I c. 1,1 (Versmaß I) MAECENAS ATAVIS edite regibus, o et praesidium et dulce decus meum: sunt quos curriculo pulverem Olympicum collegisse iuvat metaque fervidis evitata rotis palmaque nobilis terrarum dominos evehit ad deos; hunc, si mobilium turba Quiritium certat tergeminis tollere honoribus; illum, si proprio condidit horreo quidquid de Libycis verritur areis. gaudentem patrios findere sarculo agros Attalicis condicionibus numquam demoveas, ut trabe Cypria Myrtoum pavidus nauta secet mare; luctantem Icariis fluctibus Africum mercator metuens otium et oppidi laudat rura sui: mox reficit rates quassas indocilis pauperiem pati. est qui nec veteris pocula Massici nec partem solido demere de die

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spernit, nunc viridi membra sub arbuto stratus, nunc ad aquae lene caput sacrae; multos castra iuvant et lituo tubae permixtus sonitus bellaque matribus detestata; manet sub Iove frigido venator tenerae coniugis inmemor, seu visa est catulis cerva fidelibus, seu rupit teretes Marsus aper plagas.

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ODEN, BUCH I Ode 1,1 Höre, Maecenas, du Spross von Königen alter Zeit, du mein Hort und mein beglückender Schmuck: Manchen begeistert es, Staub von Olympia auf dem Gespann zu sammeln, das Wendemal mit den glühenden Rädern nicht zu berühren, und die ruhmvolle Palme erhebt ihn zu den Göttern, den Lenkern der Welt; den einen erhebt es, wenn die Massen launischer Bürger sich darum reißen, mit dreifachen Ehren ihn zu erhöhen; manchen andern, wenn er im eigenen Speicher geborgen hat, was auf den Tennen Libyens gedroschen wird; wem es aber behagt, die Äcker seiner Ahnen mit seiner Hacke zu lockern, den könntest du selbst mit den Schätzen des Attalos nicht dazu bringen, dass er auf cyprischem Kiel als bangender Seemann das myrtoïsche Meer durchquerte. Der Kaufmann, der den wogenpeitschenden Südwind zu fürchten hat, preist zwar die stillen Gefilde seiner Heimat, dann aber setzt er sein leckes Schiff alsbald wieder instand, weil er nie lernen wird, bescheiden zu leben. So mancher verachtet auch nicht einen Becher voll alten Massikerweins und eine Unterbrechung des wohlgeordneten Tageslaufes, bald unter dem grünen Erdbeerstrauch seine Glieder dehnend, bald am sanften Quell eines heiligen Baches. Viele lieben das Leben im Lager, der Hörner und Trompeten vermischten Klang und die Kriege, die die Mütter verfluchen. Es weilt unter dem kalten Himmelszelt der Jäger und denkt nicht mehr an seine zärtliche Gattin, haben die treuen Hunde einmal eine Hirschkuh erblickt oder hat ein marsischer Eber die gezwirnten Netze durchbrochen.

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me doctarum hederae praemia frontium dis miscent superis, me gelidum nemus Nympharumque leves cum Satyris chori secernunt populo, si neque tibias Euterpe cohibet nec Polyhymnia Lesboum refugit tendere barbiton. quodsi me lyricis vatibus inseres, sublimi feriam sidera vertice.

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c. 1,2 (VI) IAM SATIS TERRIS nivis atque dirae grandinis misit pater et rubente dextera sacras iaculatus arcis terruit urbem, terruit gentis, grave ne rediret saeculum Pyrrhae nova monstra questae, omne cum Proteus pecus egit altos visere montis piscium et summa genus haesit ulmo, nota quae sedes fuerat columbis, et superiecto pavidae natarunt aequore dammae. vidimus flavom Tiberim retortis litore Etrusco violenter undis ire deiectum monumenta regis templaque Vestae, Iliae dum se nimium querenti iactat ultorem, vagus et sinistra labitur ripa Iove non probante uxorius amnis.

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Mich gesellt der Efeu, der Siegespreis auf Künstlerstirnen, den himmlischen Göttern zu, mich trennen der kühle Hain und die beweglichen Chöre der Nymphen samt den Satyrn von der Masse des Volkes, solange weder Euterpe mir die Blattflöte verwehrt noch Polyhymnia sich weigert, die lesbische Leier zu stimmen. Wenn also du mich unter die lyrischen Dichter zählst, dann wird mein hoch erhobenes Haupt die Sterne berühren.

Ode 1,2 Längst genug an Schnee und vernichtendem Hagel hat der Göttervater den Ländern geschickt und Rom erschreckt, da er mit der rotzuckenden Rechten ihre heiligen Burgen traf, die Völker erschreckt, es möchte das furchtbare Zeitalter der Pyrrha, die nie gesehene Ungeheuerlichkeiten zu beklagen hatte, wiederkehren, in welchem Proteus all seine Tiere auf die hohen Berge hinauftrieb und die Fische hoch in den Wipfeln der Ulmen schwebten, die man sonst als Behausung der Tauben kannte, und das Damwild angstvoll durch die überspülenden Fluten schwamm. Wir haben es erlebt, dass die Strömung des fahlen Tiber am etruskischen Ufer sich heftig brach und den Königsbau und den heiligen Bezirk der Vesta wegzuschwemmen drohte, er sich als Rächer der allzu heftig klagenden Ilia aufwarf und schweifend über sein linkes Ufer trat, gegen den Willen des Jupiter zwar, doch seiner Gattin zuliebe.

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audiet civis acuisse ferrum, quo graves Persae melius perirent, audiet pugnas vitio parentum rara iuventus. quem vocet divum populus ruentis imperi rebus? prece qua fatigent virgines sanctae minus audientem carmina Vestam? cui dabit partis scelus expiandi Iuppiter? tandem venias precamur nube candentis umeros amictus augur Apollo; sive tu mavis, Erycina ridens, quam Iocus circum volat et Cupido; sive neglectum genus et nepotes respicis auctor, heu nimis longo satiate ludo, quem iuvat clamor galeaeque leves acer et Marsi peditis cruentum voltus in hostem;

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sive mutata iuvenem figura ales in terris imitaris almae filius Maiae patiens vocari Caesaris ultor, serus in caelum redeas diuque laetus intersis populo Quirini, neve te nostris vitiis iniquum ocior aura tollat: hic magnos potius triumphos, hic ames dici pater atque princeps neu sinas Medos equitare inultos te duce, Caesar.

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Hören wird eine Jugend, die durch die Schuld ihrer Eltern gelichtet ist, die Bürger hätten das Schwert gegeneinander geschärft, an dem viel besser die drohenden Perser zugrunde gingen; hören wird sie von Kämpfen. Wen unter den Göttern soll das Volk anrufen, wenn das Reich in den Fugen kracht? Mit welcher Bitte sollen die heiligen Jungfrauen Vesta bedrängen, wenn sie die Gebete nicht hören will? Wem wird Jupiter das Amt aufbürden, die Frevel zu sühnen? Komm doch endlich, wir flehen dich an, deine leuchtenden Schultern in eine Wolke gehüllt, o Seher Apollo! Oder du, wenn du es lieber tust, lächelnde Göttin vom Eryx, welche Jocus und Cupido umflattern! Oder wirst du, Stammvater, dich des vergessenen Geschlechtes und der Enkel erbarmen, überdrüssig des ach allzu lange betriebenen grausamen Spieles, der du doch Freude hast am Kriegsgeschrei, an blinkenden Helmen und am grimmigen Blick des römischen Kriegers gegen den blutrünstigen Feind? Oder weilst du, in veränderter Gestalt, als Jüngling auf Erden, geflügelter Sohn der gütigen Maia, bereit dich rufen zu lassen als Rächer Caesars? Wollest spät in den Himmel heimkehren und lange mit Freuden beim Volk des Quirinus weilen! Und kein allzu rascher Wind möge dich im Unmut über unsere Übeltaten entführen: Lass lieber hier dir große Siegesfeste widmen, lass hier dich preisen als Vater und Fürsten! Lass nicht zu, dass die Meder ungestraft zum Angriff reiten, solange du regierst, o Caesar!

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c. 1,3 (IV) SIC TE DIVA potens Cypri, sic fratres Helenae, lucida sidera, ventorumque regat pater obstrictis aliis praeter Iapyga, navis, quae tibi creditum debes Vergilium: finibus Atticis reddas incolumem precor et serves animae dimidium meae. illi robur et aes triplex circa pectus erat, qui fragilem truci conmisit pelago ratem primus, nec timuit praecipitem Africum decertantem Aquilonibus nec tristis Hyadas nec rabiem Noti, quo non arbiter Hadriae maior, tollere seu ponere volt freta. quem mortis timuit gradum qui siccis oculis monstra natantia, qui vidit mare turbidum et infamis scopulos Acroceraunia?

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nequiquam deus abscidit prudens oceano dissociabili terras, si tamen inpiae non tangenda rates transiliunt vada. audax omnia perpeti gens humana ruit per vetitum nefas, audax Iapeti genus ignem fraude mala gentibus intulit. post ignem aetheria domo subductum macies et nova febrium terris incubuit cohors semotique prius tarda necessitas

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Ode 1,3 So soll dich die göttliche Herrin Cyperns, so der Helena Brüder, die leuchtenden Gestirne, und der Vater der Winde – alle in Fesseln gehalten außer dem Iapyx – lenken, du Schiff, das du für den dir anvertrauten Vergil die Verantwortung trägst: Gib ihn bitte dem attischen Land wohlbehalten heraus und rette (in ihm) die Hälfte meines eigenen Lebens! Einen dreifachen Panzer aus Eichenholz und Erz hatte der Mann um seine Brust, der zuerst ein zerbrechliches Floß dem tobenden Meer überließ und den niederstürzenden Africus, der die Nordwinde niederkämpft, nicht scheute noch die trüben Regensterne noch das Toben des Südwinds, des mächtigsten Herren der Adria, mag er die Wogen heben oder senken. Welchen Schritt zum Tode konnte noch fürchten, wer einmal mit tränenlosen Augen die schwimmenden Ungetüme, wer das brandende Meer erlebt hat und die verrufenen akrokeraunischen Riffe? Vergebens hat die vorsorgende Gottheit die Länder von dem Weltmeer geschieden, das nie zu ihnen gehören kann, wenn gleichwohl die Schiffe gegen den Willen der Götter die See durcheilen, die sie nimmer berühren sollten. Verwegen drängt sich der Mensch danach, durch verbotene Untat alles zu erproben; verwegen brachte der Sohn des Japetus durch einen schlimmen Betrug das Feuer unter die Völker. Als dann die Flammen aus dem himmlischen Haus geraubt waren, nistete sich die Auszehrung und eine bis dahin nie gesehene Heerschar fiebriger Krankheiten in die Länder ein, und der einstmals zögernd nahende, unvermeidliche

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leti corripuit gradum. expertus vacuum Daedalus aera pinnis non homini datis; perrupit Acheronta Herculeus labor. nil mortalibus ardui est: caelum ipsum petimus stultitia neque per nostrum patimur scelus iracunda Iovem ponere fulmina.

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c. 1,4 (XI) SOLVITUR ACRIS HIEMS grata vice veris et Favoni trahuntque siccas machinae carinas, ac neque iam stabulis gaudet pecus aut arator igni nec prata canis albicant pruinis. iam Cytherea choros ducit Venus imminente luna, iunctaeque Nymphis Gratiae decentes alterno terram quatiunt pede, dum gravis Cyclopum Volcanus ardens visit officinas. nunc decet aut viridi nitidum caput impedire myrto aut flore, terrae quem ferunt solutae. nunc et in umbrosis Fauno decet immolare lucis, seu poscat agna sive malit haedo. pallida Mors aequo pulsat pede pauperum tabernas regumque turris. o beate Sesti, vitae summa brevis spem nos vetat inchoare longam; iam te premet nox fabulaeque Manes et domus exilis Plutonia; quo simul mearis nec regna vini sortiere talis nec tenerum Lycidan mirabere, quo calet iuventus nunc omnis et mox virgines tepebunt.

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Alterstod beschleunigte seinen Schritt. So wagte sich Daedalus mit Flügeln, die dem Menschen nicht gegeben sind, in den leeren Luftraum hinaus; so durchbrach die Kraft des Hercules den Acheron. Nichts ist den Sterblichen zu gewagt: Nach dem Himmel selbst greifen wir in unserer Torheit und hindern Jupiter durch unsere Schuld, die zürnenden Blitze aus der Hand zu legen.

Ode 1,4 Es löst sich der harte Winter auf im willkommenen Einbruch des Frühlings und des Westwinds; die Winden ziehen die trockenen Schiffe (ins Wasser); schon werden dem Vieh die Ställe leid, dem Pflüger der Ofen, und die Wiesen glänzen nicht mehr im weißen Reif. Schon führt Venus Cytherea ihre Chöre unter dem wachsenden Mond heraus, und die anmutigen Grazien, vereint mit den Nymphen, tanzen im Wechselschritt über die Erde, dieweil der feurige Vulcanus die Stätten harter Arbeit der Cyclopen aufsucht. Jetzt ist es an der Zeit, das gesalbte Haupt mit grünen Myrten zu bekränzen oder mit den Blumen, die die befreite Erde schenkt. Jetzt ist’s auch Zeit, dem Faunus in schattigen Hainen zu opfern, sei es, dass er ein Lamm fordert, oder, dass ihm ein Böcklein lieber ist. Die bleiche Todesgöttin freilich stößt mit ihrem Fuß ohne Unterschied gegen die Hütten der Armen und die Paläste der Reichen. O glücklicher Sestius, des Lebens kurze Spanne verbietet uns, Pläne für weit später zu entwerfen: Bald wird dich die Nacht und das Manenreich der Sage ereilen und das wesenlose Haus des Pluto. Sobald du dorthin gegangen bist, wirst du nicht mehr um den Vorsitz beim Gelage würfeln, wirst du den zarten Lycidas nicht mehr bewundern, für den jetzt jeder junge Mann glüht und bald die jungen Mädchen sich erwärmen werden.

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c. 1,5 (III) QUIS MULTA GRACILIS te puer in rosa perfusus liquidis urget odoribus grato, Pyrrha, sub antro? cui flavam religas comam simplex munditiis? heu quotiens fidem mutatosque deos flebit et aspera nigris aequora ventis emirabitur insolens, qui nunc te fruitur credulus aurea, qui semper vacuam, semper amabilem sperat, nescius aurae fallacis. miseri, quibus intemptata nites: me tabula sacer votiva paries indicat uvida suspendisse potenti vestimenta maris deo.

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c. 1,6 (II) SCRIBERIS VARIO fortis et hostium victor Maeonii carminis alite quam rem cumque ferox navibus aut equis miles te duce gesserit. nos, Agrippa, neque haec dicere nec gravem Pelidae stomachum cedere nescii nec cursus duplicis per mare Ulixei nec saevam Pelopis domum conamur, tenues grandia, dum pudor inbellisque lyrae Musa potens vetat laudes egregii Caesaris et tuas culpa deterere ingeni.

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Ode 1,5 Welcher zarte Knabe, triefend von duftenden Salben, wirbt um dich in dichtem Rosenschmuck jetzt, Pyrrha, in der reizenden Grotte? Für wen bindest du dein blondes Haar empor in schlichter Schönheit? Ach, wie oft wird er weinen, dass Treue und Götter nicht mehr dieselben, und unerfahren das Toben des Meeres unter der Gewalt finsterer Stürme anstaunen, er, der jetzt mit dir glücklich ist, weil er dich lauter wie Gold glaubt, er, der hofft, du seiest immer für ihn frei, immer liebenswert, und den trügerischen Windhauch nicht kennt. O ihr Armen, denen du glänzt, ohne dass sie dich durchschauen! Von mir berichtet ein Weihebild an der Tempelwand, wie ich die nassen Kleider dem mächtigen Gott des Meeres geopfert habe.

Ode 1,6 Dich wird Varius preisen, tapferer Mann, Besieger der Feinde, auf den Flügeln des mäonischen Heldenliedes, und alles, was der harte Krieger unter deinem Kommando zu Schiff oder zu Ross geleistet hat; ich aber, Agrippa, wage es nicht, davon zu sprechen noch von dem bitteren Groll des unnachgiebigen Peliden noch von den Seefahrten des verschlagenen Odysseus noch von dem fluchbeladenen Haus des Pelops, nicht gewachsen so erhabenen Stoffen, dieweil mir meine Zurückhaltung und die Muse, nur Herrin friedlicher Lieder, verbietet, den Ruhm des großen Caesar und den deinen durch die Unzulänglichkeit meines Talents zu verdunkeln.

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CARMINUM LIBER I

quis Martem tunica tectum adamantina digna scripserit aut pulvere Troico nigrum Merionen aut ope Palladis Tydiden superis parem? nos convivia, nos proelia virginum sectis in iuvenes unguibus acrium cantamus vacui, sive quid urimur, non praeter solitum leves.

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c. 1,7 (IX) LAUDABUNT ALII claram Rhodon aut Mytilenen aut Epheson bimarisve Corinthi moenia vel Baccho Thebas vel Apolline Delphos insignis aut Thessala Tempe; sunt quibus unum opus est intactae Palladis urbem carmine perpetuo celebrare et undique decerptam fronti praeponere olivam; plurimus in Iunonis honorem aptum dicet equis Argos ditisque Mycenas: me nec tam patiens Lacedaemon nec tam Larisae percussit campus opimae quam domus Albuneae resonantis et praeceps Anio ac Tiburni lucus et uda mobilibus pomaria rivis. albus ut obscuro deterget nubila caelo saepe Notus neque parturit imbris perpetuos, sic tu sapiens finire memento tristitiam vitaeque labores molli, Plance, mero, seu te fulgentia signis castra tenent seu densa tenebit Tiburis umbra tui. Teucer Salamina patremque cum fugeret, tamen uda Lyaeo tempora populea fertur vinxisse corona sic tristis adfatus amicos:

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Wer könnte den Kriegsgott, den ein stählerner Panzer deckt, würdig besingen? Wer den Meriones, den Troias Staub geschwärzt hat? Wer den Tydeussohn, den die Hilfe der Pallas Göttern standhalten ließ? Ich singe von Gelagen, von den Liebeskämpfen junger Mädchen, die sich hitzig, doch mit stumpfen Fingernägeln gegen junge Männer wehren, sei es als ein Außenstehender, sei es als Betroffener, doch nicht ungenierter, als man es gewohnt ist.

Ode 1,7 Andere werden das berühmte Rhodos preisen oder Mytilene oder Ephesos oder die Mauern von Korinth an der Meerenge oder Theben, durch Bacchus, oder Delphi, durch Apollo berühmt, oder Tempe in Thessalien; manch einer hat nur das eine Anliegen, der Stadt der jungfräulichen Pallas durch ein langes Epos Ruhm zu schenken und sich selbst das allenthalben abgepflückte Ölbaumlaub um die Stirn zu winden; sehr viele werden zu Junos Ehren das rossenährende Argos und das reiche Mykene besingen: Mich hat weder das harte Lacedaemon noch das Fruchtland von Larissa so sehr ergriffen wie die Grotte der raunenden Albunea und der niederstürzende Anio, der Hain des Tiburnus und die von munteren Bächen bewässerten Obstgärten. So wie oft der aufhellende Südwind die Wolken wieder vom verdüsterten Himmel fegt und keinen Dauerregen bringt, so sei auch du vernünftig und setze deinem Kummer und dem Leid an deinem Leben mit mildem Wein ein Ende, Plancus, einerlei, ob dich das von Feldzeichen blitzende Kriegslager festhält oder der dichte Schatten deines geliebten Tibur halten wird. Als einst Teucer Salamis und seinen Vater verließ, hat er gleichwohl, wie es heißt, seine weinbefeuchteten Schläfen mit Pappellaub bekränzt und so zu seinen betrübten Freunden gesprochen:

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CARMINUM LIBER I

›quo nos cumque feret melior fortuna parente, ibimus, o socii comitesque, nil desperandum Teucro duce et auspice Teucro. certus enim promisit Apollo ambiguam tellure nova Salamina futuram. o fortes peioraque passi mecum saepe viri, nunc vino pellite curas: cras ingens iterabimus aequor.‹

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c. 1,8 (VII) LYDIA, DIC, per omnis te deos oro, Sybarin cur properes amando perdere, cur apricum oderit campum patiens pulveris atque solis, cur neque militaris inter aequalis equitet, Gallica nec lupatis temperet ora frenis? cur timet flavum Tiberim tangere? cur olivum sanguine viperino cautius vitat neque iam livida gestat armis bracchia, saepe disco, saepe trans finem iaculo nobilis expedito? quid latet, ut marinae filium dicunt Thetidis sub lacrimosa Troiae funera, ne virilis cultus in caedem et Lycias proriperet catervas?

c. 1,9 (VIII) VIDES UT ALTA stet nive candidum Soracte nec iam sustineant onus silvae laborantes geluque flumina constiterint acuto.

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»Wohin auch immer Fortuna, die besser ist als mein Vater, uns lenken wird, dorthin wollen wir gehen, ihr Freunde und Gefährten. Wo Teucer führt und Teucer zu den Göttern betet, gibt es kein Verzagen. Denn der niemals trügende Apollo hat verheißen, dass es in einem neuen Land ein anderes Salamis geben wird. Ihr tapferen Männer, die ihr mit mir oft schon Schlimmeres erduldet habt, verscheucht mit Wein jetzt eure Sorgen; morgen sind wir wieder auf hoher See.«

Ode 1,8 Lydia, sprich! Bei allen Göttern, ich flehe dich an: Warum eilt es dir so, den Sybaris durch Liebe zugrunde zu richten? Warum hasst er, der doch Staub und Sonnenhitze erträgt, das sonnige Sportfeld? Warum reitet er nicht mit seinen Kriegskameraden und lenkt gallische Rosse mit der Kandare? Warum scheut er sich, im gelben Tiber zu schwimmen? Warum meidet er das Öl (der Athleten) ängstlicher als Schlangenblut und trägt keine blauen Male vom Fechten mehr an den Armen – berühmt, dass er oft den Diskus, oft den Wurfspeer über das Ziel warf? Warum verbirgt er sich, wie es der Sohn der Meergöttin Thetis unmittelbar vor dem tränenreichen Sterben vor Troia – so heißt es – getan hat, auf dass ihn nicht die männliche Tracht in den Kampf gegen die lykischen Heerscharen fortriss?

Ode 1,9 Siehst du, wie weiß im tiefen Schnee der Soracte ragt und wie die Wälder ihre Last ächzend kaum noch zu tragen vermögen und die Bäche im klirrenden Frost erstarrt sind?

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CARMINUM LIBER I

dissolve frigus ligna super foco large reponens atque benignius deprome quadrimum Sabina, o Thaliarche, merum diota. permitte divis cetera, qui simul stravere ventos aequore fervido deproeliantis, nec cupressi nec veteres agitantur orni. quid sit futurum cras, fuge quaerere, et quem Fors dierum cumque dabit, lucro adpone, nec dulcis amores sperne puer neque tu choreas, donec virenti canities abest morosa. nunc et campus et areae lenesque sub noctem susurri conposita repetantur hora,

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nunc et latentis proditor intumo gratus puellae risus ab angulo pignusque dereptum lacertis aut digito male pertinaci.

c. 1,10 (VI) MERCURI, FACUNDE NEPOS Atlantis, qui feros cultus hominum recentum voce formasti catus et decorae more palaestrae, te canam, magni Iovis et deorum nuntium curvaeque lyrae parentem, callidum quidquid placuit iocoso condere furto. te, boves olim nisi reddidisses per dolum amotas, puerum minaci voce dum terret, viduus pharetra risit Apollo.

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Vertreibe die Kälte, mein Thaliarch: Leg reichlich Holz ins Feuer und hole nicht zu wenig vom Wein, dem vierjährigen im sabinischen Krug! Das Übrige stelle den Göttern anheim: Wenn sie die Winde, die auf dem brandenden Meere kämpfen, niederschlagen, rühren sich weder die Zypressen noch die alten Eschen. Frage nicht danach, was morgen geschehen wird; zähle jeden Tag, den dir das Schicksal schenkt, als Reingewinn und achte du in deiner Jugend nicht gering die Liebesspiele und die Reigentänze, solange noch dem blühenden Leben das mürrische Grauhaar fern ist. Jetzt soll dich das Marsfeld und die Plätze und gegen Abend das süße Flüstern zu abgesprochener Stunde locken, jetzt auch dein Herz dem verräterischen Lachen des Mädchens gehören, das sich im abgelegenen Winkel verborgen hält, und dem Liebespfand, das du dem Arm oder dem kaum sich wehrenden Finger raubst.

Ode 1,10 Merkur, wortgewandter Atlas-Enkel, der du klug die wilden Sitten der neugeschaffenen Menschen mit dem Wort und mit der Einführung des ehrenvollen Ringkampfes veredelt hast, dich will ich preisen, den Boten des großen Jupiter und der Götter, den Vater der gewölbten Leier, den schlauen Erfinder jeder beliebigen Art von heiterem Diebstahl. Über dich, als einst Apollo dich Knaben mit drohenden Worten anfuhr, ob du gefälligst die listig entwendeten Rinder zurückerstattetest – über dich musste der Gott, der sich plötzlich seines Köchers beraubt sah, lachen.

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quin et Atridas duce te superbos Ilio dives Priamus relicto Thessalosque ignis et iniqua Troiae castra fefellit. tu pias laetis animas reponis sedibus virgaque levem coerces aurea turbam, superis deorum gratus et imis.

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c. 1,11 (V) TU NE QUAESIERIS, scire nefas, quem mihi, quem tibi finem di dederint, Leuconoe, nec Babylonios temptaris numeros. ut melius, quidquid erit, pati. seu pluris hiemes seu tribuit Iuppiter ultimam, quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare Tyrrhenum: sapias, vina liques, et spatio brevi spem longam reseces. dum loquimur, fugerit invida aetas: carpe diem quam minimum credula postero.

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c. 1,12 (VI) QUEM VIRUM aut heroa lyra vel acri tibia sumis celebrare, Clio? quem deum? cuius recinet iocosa nomen imago aut in umbrosis Heliconis oris aut super Pindo gelidove in Haemo? unde vocalem temere insecutae Orphea silvae, arte materna rapidos morantem fluminum lapsus celerisque ventos, blandum et auritas fidibus canoris ducere quercus.

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Ja, unter deinem Geleit vermochte der reiche Priamus, als er Ilion verließ, die stolzen Atriden, die thessalischen Wachtfeuer und das Troia-feindliche Lager zu täuschen. Du bringst die Seelen der Frommen zu den Gefilden der Seligen und lenkst mit goldenem Stab die gewichtlose Schar, ein Freund der Götter droben und drunten.

Ode 1,11 Frage nicht, Leukonoë (denn solches Wissen ist Frevel), welches Ende die Götter mir, welches sie dir beschieden haben, und versuche auch nicht die babylonische Rechenkunst! Besser ist es zu dulden, was immer geschehen wird. Ob Jupiter noch weitere Winter schenkt oder ob dieser der letzte ist, der jetzt das tyrrhenische Meer an den Bimssteinfelsen sich brechen lässt: Zeige Vernunft, kläre den Wein und beschneide langfristige Hoffnungen, denn das Leben ist kurz. Während wir reden, ist vielleicht schon die knapp bemessene Zeit vorbei. Nutze den Tag und verlass dich so wenig wie möglich auf den, der noch kommt!

Ode 1,12 Welchen Mann oder Heros mit der Leier oder der schrillen Blattflöte zu feiern hast du, Klio, im Sinn? Welchen Gott? Wessen Namen wird das neckende Echo ertönen lassen, sei es an den schattigen Hängen des Helikon, sei es am Pindus oder am kühlen Hämus, von dem aus einst die Wälder ohne Zögern dem singenden Orpheus folgten, der mit der Kunst, die er von seiner Mutter gelernt hat, den reißenden Lauf der Flüsse anhielt und die eilenden Winde, der es schmeichelnd verstand, aufhorchende Eichen durch sein klingendes Saitenspiel hinter sich herzuführen!

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CARMINUM LIBER I

quid prius dicam solitis parentis laudibus, qui res hominum ac deorum, qui mare ac terras variisque mundum temperat horis? unde nil maius generatur ipso nec viget quidquam simile aut secundum. proximos illi tamen occupavit Pallas honores

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proeliis audax. neque te silebo Liber et saevis inimica virgo beluis, nec te, metuende certa Phoebe sagitta. dicam et Alciden puerosque Ledae, hunc equis, illum superare pugnis nobilem; quorum simul alba nautis stella refulsit, defluit saxis agitatus umor, concidunt venti fugiuntque nubes et minax, quod sic voluere, ponto unda recumbit. Romulum post hos prius an quietum Pompili regnum memorem an superbos Tarquini fasces dubito an Catonis nobile letum. Regulum et Scauros animaeque magnae prodigum Paulum superante Poeno gratus insigni referam camena Fabriciumque. hunc et incomptis Curium capillis utilem bello tulit et Camillum saeva paupertas et avitus apto cum lare fundus.

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Was soll ich eher besingen als den vielgesungenen Preis des Vaters (Jupiter), der die Welt der Menschen und der Götter, der das Meer, die Länder, die Welt im Wechsel der Jahreszeiten ordnet? Nichts entsteht aus ihm, was größer ist als er selbst, und nichts hat ähnliche oder vergleichbare Kraft; doch den nächsten Rang nach ihm hat Pallas (Athene) erworben, kühn in Kämpfen. Auch von dir will ich nicht schweigen, Liber, noch von dir, Jungfrau, die du die wilden Tiere verfolgst, noch, Phoebus, von dir, gefürchtet wegen deines unfehlbaren Pfeiles. Singen will ich auch vom Alkiden und den Söhnen der Leda, dem einen, der durch seine Rosse, dem andern, der durch Siege im Faustkampf berühmt ist: Wenn den Schiffern ihr schimmerndes Gestirn aufleuchtet, fließt das emporgepeitschte Wasser von den Klippen herab, fallen die Winde in sich zusammen, fliehen die Wolken, und auf dem Meere legt sich die drohende Flut, weil sie es so gewollt haben. Ob ich nach ihnen zuerst den Romulus oder das friedliche Regiment des Pompilius oder die stolze Herrschaft des Tarquinius oder den edlen Tod des Cato nennen soll, weiß ich noch nicht. Den Regulus, die Scaurer und den Paulus, der sein Leben großmütig hingab, als der Punier siegreich war, will ich dankbar im ruhmverheißenden Lied erwähnen, und auch den Fabricius. Ihn und den Curius, ungekämmten Haares zwar, doch tüchtig im Kriege, und den Camillus brachte bittere Armut hervor und der von den Ahnen ererbte Acker samt dem angemessen bescheidenen Wohnhaus.

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CARMINUM LIBER I

crescit occulto velut arbor aevo fama Marcelli: micat inter omnis Iulium sidus velut inter ignis luna minores. gentis humanae pater atque custos, orte Saturno, tibi cura magni Caesaris fatis data: tu secundo Caesare regnes. ille seu Parthos Latio imminentis egerit iusto domitos triumpho sive subiectos Orientis orae Seras et Indos, te minor latum reget aequos orbem: tu gravi curru quaties Olympum, tu parum castis inimica mittes fulmina lucis.

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c. 1,13 (IV) CUM TU, LYDIA, Telephi cervicem roseam, cerea Telephi laudas bracchia, vae meum fervens difficili bile tumet iecur. tum nec mens mihi nec color certa sede manet, umor et in genas furtim labitur, arguens, quam lentis penitus macerer ignibus. uror, seu tibi candidos turparunt umeros inmodicae mero rixae, sive puer furens inpressit memorem dente labris notam.

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Es wächst unscheinbar wie ein Baum im Laufe der Zeit der Ruhm des Marcellus; es strahlt unter allen das Gestirn der Iulier wie der Mond unter den geringeren Himmelslichtern. Vater und Hüter des Menschengeschlechtes, Spross des Saturnus, dir ist vom Schicksal die Sorge um den großen Caesar aufgetragen: Du wirst herrschen, und Caesar an zweiter Stelle. Mag jener die das latinische Land bedrohenden Parther als Besiegte im verdienten Triumph aufführen oder die Serer und Inder, die im äußersten Osten leben: Geringer nur als du, wird er gerecht den weiten Erdkreis lenken, du aber wirst mit deinem schweren Wagen den Olymp erschüttern, du deine zornigen Blitze auf die Haine des Lasters schleudern.

Ode 1,13 Sooft du, Lydia, den rosigen Nacken des Telephus, die wachsfarbenen Arme des Telephus rühmst, gerät mir, ach, die Leber in gallige Wallung und schwillt mir an. Dann bleibt mir weder Kopf noch Hautfarbe an seinem Platze; unvermerkt schießt das Blut in die Wangen und lässt erkennen, welches schleichende Feuer mich innerlich auszehrt. Es brennt mich, ob nun Streitereien, die der Wein übers Maß gesteigert hat, deine weißen Schultern entstellten oder dein Geliebter in seiner Raserei ein blutendes Andenken in deine Lippen gebissen hat —

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CARMINUM LIBER I

non, si me satis audias, speres perpetuum dulcia barbare laedentem oscula, quae Venus quinta parte sui nectaris imbuit. felices ter et amplius quos inrupta tenet copula nec malis divolsus querimoniis suprema citius solvet amor die.

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c. 1,14 (III) O NAVIS, REFERENT in mare te novi fluctus. o quid agis? fortiter occupa portum. nonne vides, ut nudum remigio latus et malus celeri saucius Africo antemnaeque gemant ac sine funibus vix durare carinae possint imperiosius aequor? non tibi sunt integra lintea, non di, quos iterum pressa voces malo. quamvis Pontica pinus, silvae filia nobilis, iactes et genus et nomen inutile: nil pictis timidus navita puppibus fidit. tu nisi ventis debes ludibrium, cave. nuper sollicitum quae mihi taedium, nunc desiderium curaque non levis, interfusa nitentis vites aequora Cycladas.

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Hoffe nur nicht (wenn du auf mich hören willst), dass der dir treu bleibt, der jetzt beim Kuss deine süßen Lippen, die Venus mit einem Fünftel ihres Nektars benetzt hat, barbarisch zurichtet. Dreimal und mehr noch glücklich ein Paar, das ein unauflösliches Band zusammenhält und die Liebe, in hässlichem Zwist zerbrochen, nicht vor dem letzten Tag scheidet.

Ode 1,14 O Schiff, so werden neue Fluten dich in die Weite des Meeres reißen? Was beginnst du? Suche entschlossen den Hafen! Siehst du denn nicht, wie deine Flanke, von Rudern entblößt, wie dein Mast, verletzt vom jagenden Südwind, und deine Rahen ächzen, wie ohne Taue dein Kiel kaum noch die allzu harte Gewalt des Meeres erträgt? Heile Segel hast du nicht mehr und keine Götter, die du ein zweites Mal im Drange der Not anzurufen vermöchtest; bist du auch pontisches Fichtenholz, Tochter eines ruhmvollen Waldes, so schmücktest du dich doch nutzlos mit Herkunft und Namen: In der Angst bietet dem Seemann die Malerei am Heck keinen Schutz. Sollst du kein Spielball der Winde werden, dann sieh dich vor! Du Schiff, das vor kurzem mir noch Kummer und Ärger schuf, dem jetzt mein Sehnen und meine ernste Sorge gehört, hüte dich vor den Gewässern, die zwischen den hellen Kykladen strömen!

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CARMINUM LIBER I

c. 1,15 (II) PASTOR CUM TRAHERET per freta navibus Idaeis Helenen perfidus hospitam, ingrato celeris obruit otio ventos ut caneret fera Nereus fata. ›mala ducis avi domum quam multo repetet Graecia milite coniurata tuas rumpere nuptias et regnum Priami vetus. heu heu, quantus equis, quantus adest viris sudor, quanta moves funera Dardanae genti. iam galeam Pallas et aegida currusque et rabiem parat. nequiquam Veneris praesidio ferox pectes caesariem grataque feminis inbelli cithara carmina divides, nequiquam thalamo gravis hastas et calami spicula Cnosii vitabis strepitumque et celerem sequi Aiacem: tamen heu serus adulteros crines pulvere collines.

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non Laertiaden, exitium tuae genti, non Pylium Nestora respicis? urgent inpavidi te Salaminius Teucer, te Sthenelus sciens pugnae, sive opus est imperitare equis, non auriga piger. Merionen quoque nosces. ecce furit te reperire atrox Tydides melior patre: quem tu, cervus uti vallis in altera visum parte lupum graminis inmemor, sublimi fugies mollis anhelitu, non hoc pollicitus tuae.

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Ode 1,15 Als der hinterhältige Hirte auf idäischen Schiffen seine Gastgeberin Helena über das Meer verschleppte, zwang Nereus die schnellen Winde zu unerwünschter Stille, um zu verkünden grausiges Schicksal: »Unter einem bösen Vorzeichen führst du eine Frau nach Hause, die sich Griechenland mit starker Heeresmacht zurückholen wird, verschworen, deine Ehe zu zerstören und das alte Königreich des Priamus. Weh, weh! Wie viel Schweiß kostet es Ross und Mann! Welches Blutbad bringst du über das dardanische Volk! Schon rüstet Pallas Helm und Panzer, Wagen und Wut. Vergebens wirst du, hoffärtig auf den Schutz der Venus vertrauend, dein Blondhaar kämmen und den Frauen angenehme Lieder auf der unsoldatischen Leier schenken; vergebens wirst du im Schlafgemach die schweren Lanzen und die Spitzen gnosischen Rohres zu meiden versuchen und den Schlachtlärm und den rasch nachsetzenden Aiax: Ach, am Ende wirst du doch die buhlerischen Haare mit Schmutz verschmieren. Siehst du nicht den Laërtessohn, das Unheil deines Stammes? nicht den Pylier Nestor? Furchtlos drängen sie gegen dich heran: Teucer von Salamis, Sthenelus, der Meister der Schlacht, doch auch kein schlechter Wagenlenker, wo es gilt, die Rosse zu beherrschen; auch Meriones wirst du kennen lernen, und dort sucht wutentbrannt der ungestüme Sohn des Tydeus, stärker als sein Vater, dich zu treffen: Vor ihm wirst du wie ein Hirsch, der am andern Hang des Tales einen Wolf erblickt und seine Weide vergisst, knieweich mit letztem Atem fliehen – anders als du es deiner Geliebten versprochen hast!

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CARMINUM LIBER I

iracunda diem proferet Ilio matronisque Phrygum classis Achillei: post certas hiemes uret Achaicus ignis Iliacas domos.‹

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c. 1,16 (VIII) O MATRE PULCRA filia pulcrior, quem criminosis cumque voles modum pones iambis, sive flamma sive mari libet Hadriano. non Dindymene, non adytis quatit mentem sacerdotum incola Pythius, non Liber aeque, non acuta sic geminant Corybantes aera, tristes ut irae, quas neque Noricus deterret ensis nec mare naufragum nec saevos ignis nec tremendo Iuppiter ipse ruens tumultu. fertur Prometheus addere principi limo coactus particulam undique desectam et insani leonis vim stomacho adposuisse nostro. irae Thyesten exitio gravi stravere et altis urbibus ultimae stetere causae, cur perirent funditus inprimeretque muris

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hostile aratrum exercitus insolens. conpesce mentem: me quoque pectoris temptavit in dulci iuventa fervor et in celeres iambos misit furentem: nunc ego mitibus mutare quaero tristia, dum mihi fias recantatis amica opprobriis animumque reddas.

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Die Mannschaft Achills wird in ihrem Groll Ilion und den phrygischen Frauen die Frist verlängern; doch nach gezählten Wintern wird griechisches Feuer die Wohnstätten Ilions niederbrennen.«

Ode 1,16 O du, der schönen Mutter schönere Tochter, den schmähenden Iamben magst du jedes Ende bestimmen, das dir gefällt: in den Flammen oder im adriatischen Meere. Nicht Kybele, nicht der Bewohner von Pytho in seinem Heiligtum erschüttert so die Seele der Priesterinnen, nicht Liber in gleicher Weise, nicht rütteln die Korybanten so die lärmenden Becken wie der verheerende Zorn, den weder ein norisches Schwert erschreckt noch das Meer, das die Schiffe verschlingt, noch wütendes Feuer noch Jupiter selbst, wenn er mit furchtbarem Donnergepolter herabfährt. Es heißt, Prometheus habe, als er genötigt war, dem SchöpfungsSchlamm von allem ein bisschen (abgeschnitten) zuzusetzen, in unsere Eingeweide auch die Wut eines rasenden Löwen eingefügt. Der Zorn ist’s, der Thyestes ein schreckliches Ende gebracht hat und ragenden Städten zum letzten Anlass geworden ist, dass sie in Grund und Boden zerfielen und über ihre Mauern ein mitleidloses Heer den feindlichen Pflug zog. So halte dein Herz im Zaum! Auch mich hat in der wonnigen Jugend der Übermut des Herzens versucht und mich zu raschen Schelteliedern verführt in blinder Wallung: Jetzt aber will ich mir Mühe geben, das Bittere mit dem Sanften zu vertauschen, wenn du mir nur nach solchem Widerruf des Tadels gewogen wirst und wieder deine Liebe schenkst.

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CARMINUM LIBER I

c. 1,17 (VIII) VELOX AMOENUM saepe Lucretilem mutat Lycaeo Faunus et igneam defendit aestatem capellis usque meis pluviosque ventos. inpune tutum per nemus arbutos quaerunt latentis et thyma deviae olentis uxores mariti nec viridis metuunt colubras nec Martialis haediliae lupos, utcumque dulci, Tyndari, fistula valles et Usticae cubantis levia personuere saxa. di me tuentur, dis pietas mea et musa cordi est. hic tibi copia manabit ad plenum benigno ruris honorum opulenta cornu. hic in reducta valle caniculae vitabis aestus et fide Teia dices laborantis in uno Penelopen vitreamque Circen.

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hic innocentis pocula Lesbii duces sub umbra, nec Semeleius cum Marte confundet Thyoneus proelia, nec metues protervum suspecta Cyrum, ne male dispari incontinentis iniciat manus et scindat haerentem coronam crinibus inmeritamque vestem.

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Ode 1,17 Oft tauscht der bewegliche Faunus den lieblichen Lucretilisberg gegen den Lykaios ein, und immer wieder schützt er meine Ziegen vor dem glühenden Sommer und vor den Regenwinden. Unangefochten suchen sie im sicheren Wald die verborgenen Arbutusbüsche und den Thymian abseits vom Wege, die Weibchen des stinkenden Gatten, und die Kitzlein haben keine grünen Nattern zu fürchten und auch nicht die Wölfe des Mars, liebe Tyndaris, wenn die Täler und die glatten Felsenwände über dem tief sich duckenden Ustica widerhallen vom lieblichen Rohrpfeifenton. Die Götter schützen mich; die Götter lieben meine Frömmigkeit und meine Kunst. Hier wird dir aus dem bis an den Rand gefüllten Horn der ländlichen Gaben üppige Fülle fließen; hier wirst du im verborgenen Tal die Glut des Hundssterns meiden und auf der teïschen Leier von Penelope und der gleißenden Kirke singen, die sich beide nach demselben Manne sehnen; hier wirst du Becher lesbischen Weines, der dir bekommt, im Schatten leeren, denn es wird nicht Thyoneus, der Semele Sohn, im Verein mit Mars Streitereien entfachen, noch wirst du von der Eifersucht des frechen Cyrus fürchten müssen, dass er in übler Weise gegen dich, die du ihm unterlegen bist, die unbeherrschte Hand erhebt, den Kranz in deinen Haaren und dein unschuldiges Kleid zerreißt.

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CARMINUM LIBER I

c. 1,18 (V) NULLAM, VARE, SACRA vite prius severis arborem circa mite solum Tiburis et moenia Catili. siccis omnia nam dura deus proposuit neque mordaces aliter diffugiunt sollicitudines. quis post vina gravem militiam aut pauperiem crepat? quis non te potius, Bacche pater, teque, decens Venus? ac ne quis modici transiliat munera Liberi, Centaurea monet cum Lapithis rixa super mero debellata, monet Sithoniis non levis Euhius, cum fas atque nefas exiguo fine libidinum discernunt avidi. non ego te, candide Bassareu, invitum quatiam nec variis obsita frondibus sub divum rapiam. saeva tene cum Berecyntio cornu tympana, quae subsequitur caecus amor sui et tollens vacuum plus nimio gloria verticem arcanique fides prodiga, perlucidior vitro.

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c. 1,19 (IV) MATER SAEVA CUPIDINUM Thebanaeque iubet me Semelae puer et lasciva Licentia finitis animum reddere amoribus. urit me Glycerae nitor splendentis Pario marmore purius, urit grata protervitas et voltus nimium lubricus adspici. in me tota ruens Venus Cyprum deseruit nec patitur Scythas et versis animosum equis Parthum dicere nec quae nihil attinent. hic vivum mihi caespitem, hic verbenas, pueri, ponite turaque bimi cum patera meri: mactata veniet lenior hostia.

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Ode 1,18 Pflanze, Varus, keinen Baum eher als die heilige Rebe auf den sanften Fluren Tiburs und um die Mauern des Catilus. Denn den Nüchternen lässt der Gott alles beschwerlich erscheinen, und anders weichen nicht die quälenden Kümmernisse. Wer schwätzt nach Weingenuss vom harten Waffendienst oder von der Armut? Wer nicht lieber von dir, Vater Bacchus, von dir, anmutige Venus? Doch dass niemand das Maß der Gaben Libers überschreite, warnt der Streit der Kentauren mit den Lapithen, über dem Weine ausgebrochen, warnt der Rauschgott, der schwer auf den Sithoniern lastet, wenn sich ihnen die Grenze verwischt zwischen Recht und Unrecht in ihrer Lustbegier. Ich will dich nicht, herrlicher Bassareus, aufstören, wenn es dir nicht gefällt, und, was du unter allerlei Laub verbirgst, ans Licht des Tages ziehen: Behalte die wilden Tamburine samt dem berecyntischen Horn, denen blinde Selbstverehrung folgt und eine Ruhmsucht, die das törichte Haupt über Gebühr erhebt, und eine Verschwiegenheit, die das Geheimste verrät, durchsichtiger noch als Glas.

Ode 1,19 Der Liebesgötter grausame Mutter, der Sohn der thebanischen Semele und die hemmungslose Licentia heißen mich, mein Herz vergangener Liebe wieder zu öffnen. Es brennt in mir der Glanz der strahlenden Glycera, reiner als parischer Marmor; es brennt in mir die beglückende Frechheit und das Gesicht, allzu verführerisch anzusehen. Venus hat Cypern verlassen und sich völlig auf mich gestürzt; und sie erlaubt mir nicht, von Skythen zu singen, von Parthern, die ihren Mut auf wendige Pferde stützen, oder was sonst mich gar nicht berührt. Hier, ihr Knaben, breitet mir frische Rasenstücke aus! Hier stellt Verbenen und Weihrauch mit einer Schale zweijährigen Weines auf: Ist erst ein Opfertier geschlachtet, wird die Göttin mir gnädiger sein.

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CARMINUM LIBER I

c. 1,20 (VI) VILE POTABIS modicis Sabinum cantharis, Graeca quod ego ipse testa conditum levi, datus in theatro cum tibi plausus, clare Maecenas eques, ut paterni fluminis ripae simul et iocosa redderet laudes tibi Vaticani montis imago.

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Caecubum et prelo domitam Caleno tu bibes uvam: mea nec Falernae temperant vites neque Formiani pocula colles.

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c. 1,21 (III) DIANAM TENERAE dicite virgines, intonsum pueri dicite Cynthium, Latonamque supremo dilectam penitus Iovi. vos laetam fluviis et nemorum coma, quaecumque aut gelido prominet Algido nigris aut Erymanthi silvis aut viridis Gragi, vos Tempe totidem tollite laudibus natalemque, mares, Delon Apollinis insignemque pharetra fraternaque umerum lyra. hic bellum lacrimosum, hic miseram famem pestemque a populo et principe Caesare in Persas atque Britannos vestra motus aget prece.

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Ode 1,20 Billigen Sabinerwein wirst du in bescheidenen Bechern trinken, den ich selbst, nachdem er abgezogen ward, im griechischen Tonkrug versiegelt habe, damals, als dir im Theater solcher Beifall rauschte, Maecenas, ruhmbedeckter Ritter, dass zugleich die Ufer deines Heimatflusses und das neckende Echo des Vatikans dein Lob nachhallen ließ. Du wirst Caecuberweine schlürfen und Trauben, gepresst in Keltern von Cales: Meine Becher mischen weder die Rebenstöcke von Falernum noch die Weinhänge von Formiae.

Ode 1,21 Singt von Diana, ihr zarten Mädchen! Ihr Knaben, singt vom langgelockten Cynthius und von Latona, die der höchste Jupiter von Herzen liebte! Preiset ihr die Göttin, die die Flüsse liebt und das Laub der Wälder, mag es am kühlen Algidus sprießen oder in den dunklen erymanthischen Forsten oder in den grünen Cragushainen, erhebet, ihr Jünglinge, mit rühmenden Liedern das Tempetal nicht minder und Delos, die Stätte von Apolls Geburt, und seine Schulter, welche Köcher und die vom Bruder erfundene Leier schmücken! Er wird den tränenreichen Krieg, er den bitteren Hunger und die Pest von unserem Volk und seinem Fürsten Caesar auf Perser und Britannier werfen, durch euer Gebet bewogen.

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c. 1,22 (VI) INTEGER VITAE scelerisque purus non eget Mauris iaculis neque arcu nec venenatis gravida sagittis, Fusce, pharetra, sive per Syrtis iter aestuosas sive facturus per inhospitalem Caucasum vel quae loca fabulosus lambit Hydaspes. namque me silva lupus in Sabina, dum meam canto Lalagen et ultra terminum curis vagor expeditis, fugit inermem, quale portentum neque militaris Daunias latis alit aesculetis nec Iubae tellus generat, leonum arida nutrix.

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pone me pigris ubi nulla campis arbor aestiva recreatur aura, quod latus mundi nebulae malusque Iuppiter urget, pone sub curru nimium propinqui solis, in terra domibus negata: dulce ridentem Lalagen amabo, dulce loquentem.

c. 1,23 (III) VITAS INULEO me similis, Chloe, quaerenti pavidam montibus aviis matrem non sine vano aurarum et siluae metu.

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Ode 1,22 Wer redlich lebt und frei von Schuld ist, der bedarf der maurischen Schleudern nicht und nicht des Bogens noch eines Köchers voll giftiger Pfeile, Fuscus, möchte er auch durch glühende Syrten wandern oder durch den unwirtlichen Kaukasus oder durch die Länder, die der Sagenfluss Hydaspes bespült. Denn vor mir ist im Sabinerwald ein Wolf, dieweil ich meine Lalage besang und unbekümmert etwas in die Weite schweifte, entwichen, obwohl ich keine Waffe hatte – ein Ungetüm, wie es das kriegerische Daunien in seinen weiten Eichenwäldern nicht ernährt noch Jubas Land, der Löwen dürre Heimat, gebiert. Versetze mich dorthin, wo auf erstarrten Feldern nie ein Baum vom Sommerhauch erfrischt wird, an den Rand der Welt, den der Nebel und der Regengott (Jupiter) bedrücken; versetze mich dorthin, wo allzu nah der Sonnenwagen kreist, in jenes Land, das keine Häuser kennt: Von Lalages liebem Lachen werde ich singen, von ihrem lieben Plaudern.

Ode 1,23 Du gehst mir aus dem Wege, Chloë, wie ein Rehkitz, das seine scheue Mutter in unwegsamem Bergland sucht, nicht ohne törichte Angst vor Wind und Wald.

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nam seu mobilibus veris inhorruit adventus foliis seu virides rubum dimovere lacertae, et corde et genibus tremit. atqui non ego te tigris ut aspera Gaetulusve leo frangere persequor: tandem desine matrem tempestiva sequi viro.

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c. 1,24 (II) QUIS DESIDERIO sit pudor aut modus tam cari capitis? praecipe lugubris cantus, Melpomene, cui liquidam pater vocem cum cithara dedit. ergo Quintilium perpetuus sopor urget; cui Pudor et Iustitiae soror incorrupta Fides nudaque Veritas quando ullum inveniet parem? multis ille bonis flebilis occidit, nulli flebilior quam tibi, Vergili. tu frustra pius, heu, non ita creditum poscis Quintilium deos. quid? si Threicio blandius Orpheo auditam moderere arboribus fidem, num vanae redeat sanguis imagini, quam virga semel horrida non lenis precibus fata recludere nigro conpulerit Mercurius gregi? durum: sed levius fit patientia quidquid corrigere est nefas.

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Denn wenn der erste Frühlingshauch durch bewegte Blätter schauert, wenn grüne Eidechsen durch den Brombeerbusch hindurchschlüpfen, dann beben ihm Herz und Knie. Ich aber folge dir nicht, um dich wie eine furchtbare Tigerin oder ein gätulischer Löwe zu reißen: So höre doch endlich auf, dich an die Mutter zu hängen; denn du bist reif für den Mann.

Ode 1,24 Welche Hemmung, welches Maß kennt der Schmerz um ein so heiß geliebtes Haupt? Stimme das Lied der Trauer an, Melpomene, denn dir hat der Vater eine helle Stimme nebst dem Saitenspiel verliehen! So hat denn ewiger Schlummer den Quintilius begraben: Wann werden Pudor und der Iustitia unbestechliche Schwester Fides und die unverhüllte Veritas je einen zweiten finden, der ihm gleicht? Sein Tod entlockt so vielen edlen Menschen Tränen, doch keinem mehr als dir, Vergil. Ach, du hängst an ihm; doch forderst du vergebens den Quintilius von den Göttern wieder, als sei er uns nicht unter diesem Vorbehalt gegeben. Selbst wenn du schmeichelnder als der Thraker Orpheus die Leier schlügest, die sogar die Bäume hören – könnte wohl das Blut dem wesenlosen Schatten wiederkehren, wenn ihn einmal mit dem fürchterlichen Stabe Mercurius, der nicht gewillt ist, auf Bitten das Geschick zu unterbinden, in die dunkle Schar gewiesen hat? Hart ist’s; doch wird durch duldende Ergebung leichter, was zu ändern unrecht wäre.

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c. 1,25 (VI) PARCIUS IUNCTAS quatiunt fenestras iactibus crebris iuvenes protervi nec tibi somnos adimunt amatque ianua limen, quae prius multum facilis movebat cardines. audis minus et minus iam: ›me tuo longas pereunte noctes, Lydia, dormis?‹ in vicem moechos anus arrogantis flebis in solo levis angiportu Thracio bacchante magis sub interlunia vento, cum tibi flagrans amor et libido, quae solet matres furiare equorum, saeviet circa iecur ulcerosum, non sine questu, laeta quod pubes hedera virenti gaudeat pulla magis atque myrto, aridas frondes hiemis sodali dedicet Euro.

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c. 1,26 (VIII) MUSIS AMICUS tristitiam et metus tradam protervis in mare Creticum portare ventis, quis sub Arcto rex gelidae metuatur orae, quid Tiridaten terreat, unice securus. o quae fontibus integris gaudes, apricos necte flores, necte meo Lamiae coronam,

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Ode 1,25 Seltener erschüttern dreiste junge Männer deine verschlossenen Fensterläden mit ihrem Steinchenhagel und stören deinen Schlaf, und deine Tür liebt ihre Schwelle, die einst so oft die willigen Angeln drehte. Immer seltener hörst du rufen: »Lydia, verschläfst du die langen Nächte, während ich, dein Liebling, hier verschmachte?« Stattdessen wirst du als verschmähte Alte in einsamer Gasse über den Hochmut der Buhlenden heulen, wenn der Nordwind zur Zeit des Neumonds heftiger tobt, wenn die brennende Gier nach Liebesfreuden, die die Stuten rasend macht, dir um die geschwollene Leber wütet; klagen wirst du, dass das geile junge Volk das satte Grün des Efeus mehr liebt als das matte Grün der Myrte und das dürre Laub dem Südwind, dem Kumpan des Winters, überlässt.

Ode 1,26 Als Freund der Musen will ich Kummer und Ängste den ungestümen Winden lassen, dass sie sie ins Meer von Creta fegen: Vor welchem König man an kalter Küste unter dem Nordstern zittert, was den Tiridates ängstigt, das alles lässt mich gänzlich unberührt. O du, die du die klaren Quellen liebst, binde sonnenfrohe Blumen, binde meinem Lamia einen Kranz,

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Piplei dulcis. nil sine te mei prosunt honores: hunc fidibus novis, hunc Lesbio sacrare plectro teque tuasque decet sorores.

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c. 1,27 (VIII) NATIS IN USUM laetitiae scyphis pugnare Thracum est: tollite barbarum morem verecundumque Bacchum sanguineis prohibete rixis. vino et lucernis Medus acinaces immane quantum discrepat: inpium lenite clamorem, sodales, et cubito remanete presso. voltis severi me quoque sumere partem Falerni? dicat Opuntiae frater Megyllae, quo beatus volnere, qua pereat sagitta. cessat voluntas? non alia bibam mercede. quae te cumque domat Venus, non erubescendis adurit ignibus, ingenuoque semper amore peccas. quidquid habes, age depone tutis auribus. a miser, quanta laborabas Charybdi, digne puer meliore flamma. quae saga, quis te solvere Thessalis magus venenis, quis poterit deus? vix inligatum te triformi Pegasus expediet Chimaera.

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süße Göttin von Pipleia! Wertlos wäre ohne dich mein Kompliment. Ihn mit neuem Saitenspiel, ihn mit lesbischer Musik zu ehren, steht dir wohl an und deinen Schwestern.

Ode 1,27 Mit Trinkgefäßen, die zur Freude geschaffen sind, zu kämpfen ist thrakischer Brauch: Lasst ab von der barbarischen Unart und schützt den ehrwürdigen Bacchus vor blutiger Rauferei! Den Wein und die Lampen trennt eine Welt vom medischen Schwert! Mäßigt das lästerliche Geschrei, Kameraden, und bleibt in Ruhe auf eurem Lager! Wollt ihr auch mich als Zechgenossen beim herben Falerner unter euch haben? Es gestehe der Bruder der Megilla aus Opus, welche Wunde ihn glücklich macht, welcher Pfeil ihn tötet. Will er es nicht? Um keinen anderen Preis werde ich trinken! Welche Venus dich auch beherrschen mag: Der Flamme, mit der sie dich versengt, musst du dich nicht schämen, und immer ist es edle Liebe, in die du dich verstrickst. Was es auch sei, vertraue es verlässlichen Ohren an! – Ach du Bedauernswerter! Auf welchen Vamp bist du hereingefallen, junger Mann! Man möchte dir ein besseres Verhältnis gönnen. Welche Hexe, welcher Magier wird dich mit thessalischem Gegengift befreien können, welcher Gott? Selbst Pegasus wird schwerlich dich aus der Umklammerung der dreigestaltigen Chimaera lösen.

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c. 1,28 (IX) TE MARIS ET TERRAE numeroque carentis harenae mensorem cohibent, Archyta, pulveris exigui prope litus parva Matinum munera, nec quicquam tibi prodest aerias temptasse domos animoque rotundum percurrisse polum morituro. occidit et Pelopis genitor, conviva deorum, Tithonusque remotus in auras et Iovis arcanis Minos admissus, habentque Tartara Panthoiden iterum Orco demissum, quamvis clipeo Troiana refixo tempora testatus nihil ultra nervos atque cutem morti concesserat atrae, iudice te non sordidus auctor naturae verique. sed omnis una manet nox et calcanda semel via leti. dant alios Furiae torvo spectacula Marti, exitio est avidum mare nautis: mixta senum ac iuvenum densentur funera, nullum saeva caput Proserpina fugit. me quoque devexi rapidus comes Orionis Illyricis Notus obruit undis. at tu, nauta, vagae ne parce malignus harenae ossibus et capiti inhumato particulam dare: sic, quodcumque minabitur Eurus fluctibus Hesperiis, Venusinae plectantur silvae te sospite, multaque merces, unde potest, tibi defluat aequo ab Iove Neptunoque sacri custode Tarenti. neglegis inmeritis nocituram postmodo te natis fraudem conmittere? fors et debita iura vicesque superbae te maneant ipsum: precibus non linquar inultis, teque piacula nulla resolvent. quamquam festinas, non est mora longa: licebit iniecto ter pulvere curras.

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Ode 1,28 Dich, der du Meer und Land und den unzähligen Sand gemessen hast, Archytas, beherbergt eine kleine Gabe knappen Staubes, nahe der matinischen Küste, und es hilft dir nichts, dass du die himmlischen Räume erkundet und mit deinem Geist, dem sterblichen, den kreisenden Pol umschritten hast. Gestorben ist auch der Vater des Pelops, der Tafelgenosse der Götter, und Tithonos, der in die Lüfte Entführte, und Minos, der in Jupiters Geheimnisse Eingeweihte, und der Tartarus umschließt auch den Panthussohn, der schon zum zweiten Mal den Weg zum Orkus gehen musste, ob er gleich auf dem abgehängten Schild die Zeit von Troia bezeugen konnte und dem finsteren Tod nichts außer Sehnen und Haut zu eigen erklärte, wie du gestehen wirst, kein schlechter Kenner der Natur und Wahrheit. Doch alle erwartet dieselbe Nacht und die Straße zum Tode, die man nur einmal geht: Die einen bestimmen die Furien zur Augenweide des grimmig blickenden Mars; zum Verhängnis wird das gierige Meer den Seeleuten; es drängen sich die Leichenfeiern für Greise und Jünglinge in buntem Gemenge, und kein Haupt hat die grimme Proserpina übergangen. – So hat auch mich der reißende Gefährte des sinkenden Orion, der Südwind, unter illyrische Wogen getaucht. Du aber, Seemann, weigere dich nicht in Missgunst, meinen Gebeinen, meinem unbestatteten Haupt ein bisschen unsteten Sandes zu spenden! Dann mag Eurus mit allen hesperischen Wellen drohen: Er soll die Wälder von Venusia peitschen, aber dich verschonen, und es werde dir reicher Gewinn zuteil, woher er immer kommen kann, wenn Jupiter dir und Neptun, der Schutzherr des heiligen Tarent, gewogen sind! – Machst du dir kein Gewissen, einen Frevel zu begehen, der nach dir noch deinen unschuldigen Söhnen schaden wird? Dann sollst du selbst ein schlimmes Geschick und ein wohlverdientes Gericht und strenge Vergeltung gewärtigen: Nicht unerhört bleibt mein Gebet, wenn du mich nicht beachtest, und keine Opfer werden dich entsühnen! – Drängt es dich auch weiter, so kostet’s dich doch wenig Zeit: Wirf dreimal Staub, dann magst du gern enteilen.

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c. 1,29 (VIII) ICCI, BEATIS nunc Arabum invides gazis et acrem militiam paras non ante devictis Sabaeae regibus horribilique Medo nectis catenas? quae tibi virginum sponso necato barbara serviet, puer quis ex aula capillis ad cyathum statuetur unctis doctus sagittas tendere Sericas arcu paterno? quis neget arduis pronos relabi posse rivos montibus et Tiberim reverti, cum tu coemptos undique nobilis libros Panaeti Socraticam et domum mutare loricis Hiberis, pollicitus meliora, tendis?

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c. 1,30 (VI) O VENUS REGINA Cnidi Paphique, sperne dilectam Cypron et vocantis ture te multo Glycerae decoram transfer in aedem. fervidus tecum puer et solutis Gratiae zonis properentque Nymphae et parum comis sine te Iuventas Mercuriusque.

c. 1,31 (VIII) QUID DEDICATUM poscit Apollinem vates? quid orat de patera novum fundens liquorem? non opimae Sardiniae segetes feracis,

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Ode 1,29 Iccius, begehrst du plötzlich nach Arabiens hochgeschätzten Kostbarkeiten? Hast einen schneidigen Feldzug gegen die nie besiegten Herrscher von Sabaea im Sinn? Schmiedest für schreckliche Meder schon Ketten? Welche Jungfrau aus fremdem Land wird deine Sklavin sein, nachdem ihr Verlobter gefallen ist? Und welcher höfische Knabe wird mit salbentriefendem Haar dir zum Gelage aufwarten, der einst gelernt hat, serische Pfeile vom Bogen des Vaters zu schießen? Wer möchte bestreiten, dass fallende Bäche zu den hochragenden Bergen rückwärtsströmen, der Tiber seinen Lauf verkehren könne, wenn du die Bücher des edlen Panaitios, von überall her gesammelt, und die sokratische Schule gegen spanische Kettenpanzer auszutauschen trachtest, obwohl du einst doch Besseres erwarten ließest?

Ode 1,30 O Venus, Herrin von Knidos und Paphos, lass das geliebte Cypern fahren und begib dich in das schöne Haus der Glycera, die dich mit reichlichem Weihrauch ruft! Kommen mögen mit dir der leidenschaftliche Knabe, die locker gegürteten Grazien und Nymphen, auch Juventas, die ohne dich allzu Herbe, und Merkur!

Ode 1,31 Worum bittet der Sänger den Apoll bei seiner Tempelweihe? Was wünscht er, wenn er neuen Wein aus der Schale gießt? Nicht die fruchtbaren Felder des gesegneten Sardiniens,

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non aestuosae grata Calabriae armenta, non aurum aut ebur Indicum, non rura, quae Liris quieta mordet aqua taciturnus amnis. premant Calenam falce quibus dedit fortuna vitem, dives ut aureis mercator exsiccet culillis vina Syra reparata merce, dis carus ipsis, quippe ter et quater anno revisens aequor Atlanticum inpune. me pascunt olivae, me cichorea levesque malvae. frui paratis et valido mihi, Latoe, dones et precor integra cum mente nec turpem senectam degere nec cithara carentem.

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c. 1,32 (VI) POSCIMUS, SI QUID vacui sub umbra lusimus tecum, quod et hunc in annum vivat et pluris, age dic Latinum, barbite, carmen, Lesbio primum modulate civi, qui ferox bello tamen inter arma, sive iactatam religarat udo litore navim, Liberum et Musas Veneremque et illi semper haerentem puerum canebat et Lycum nigris oculis nigroque crine decorum. o decus Phoebi et dapibus supremi grata testudo Iovis, o laborum dulce lenimen mihi cumque salve rite vocanti.

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nicht kostbare Rinder aus dem heißen Calabrien, nicht Gold und Elfenbein aus Indien, nicht Ländereien, wie sie der lautlose Liris(strom) mit ruhigem Wasser benagt. Mögen die mit ihrer Sichel Calener Reben ernten, denen das Glück sie gegeben, damit ein reicher Geschäftsmann aus goldenen Bechern Weine schlürfe, die er mit syrischer Ware bezahlt, von den Göttern selber begünstigt – befährt er doch drei- und viermal jährlich ohne Verlust das atlantische Meer –. Ich aber nähre mich nur von Oliven, Cichorie, leichten Malven. Gewähre mir, Sohn der Leto, an schlichten Dingen Gefallen zu finden, an dem, was mir bekommt; und lass mich, darum flehe ich dich an, gesunden Sinnes ein Alter erleben, das weder ehrlos ist noch die Leier entbehrt.

Ode 1,32 Wenn je ich mit deiner Hilfe im Schatten ganz entspannt mich vergnügt, so fordere ich jetzt von dir ein römisches Lied, das dieses Jahr und weitere noch überdauert, du Saitenspiel, das in der Hand eines lesbischen Bürgers zum ersten Mal erklungen ist. Der war gewiss ein wilder Kriegsmann, doch zwischen den Waffengängen, oder wenn er einmal sein sturmgepeitschtes Schiff am feuchten Strand vertäut hatte, dann sang er von Liber, von den Musen, von Venus und dem Knaben, der stets an ihr hängt, auch von dem schönen Lycus mit den schwarzen Augen und dem schwarzen Haar. O Leier, Schmuck des Phoebus, geachtet beim Gelage des höchsten Jupiter, der Leiden süßer, heilender Balsam mir, der dich gebührend anruft, sei gegrüßt!

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c. 1,33 (II) ALBI, NE DOLEAS plus nimio memor inmitis Glycerae, neu miserabilis decantes elegos, cur tibi iunior laesa praeniteat fide. insignem tenui fronte Lycorida Cyri torret amor, Cyrus in asperam declinat Pholoen; sed prius Apulis iungentur capreae lupis, quam turpi Pholoe peccet adultero. sic visum Veneri, cui placet inparis formas atque animos sub iuga aenea saevo mittere cum ioco. ipsum me melior cum peteret Venus, grata detinuit compede Myrtale libertina, fretis acrior Hadriae curvantis Calabros sinus.

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c. 1,34 (VIII) PARCUS DEORUM cultor et infrequens, insanientis dum sapientiae consultus erro, nunc retrorsum vela dare atque iterare cursus cogor relictos. namque Diespiter igni corusco nubila dividens plerumque, per purum tonantis egit equos volucremque currum, quo bruta tellus et vaga flumina, quo Styx et invisi horrida Taenari sedes Atlanteusque finis concutitur. valet ima summis

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Ode 1,33 Albius, gräme dich nicht zu sehr, wenn du an die grausame Glycera denkst, und frage nicht in klagenden Elegien, warum sie die Treue gebrochen, warum ein Jüngerer Vorrang (vor dir) hat! Die hübsche Lycoris mit ihrer zarten Stirn verglüht in Liebe zu Cyrus, doch Cyrus neigt sich der spröden Pholoë zu, doch eher wird man die Rehe mit Wölfen Apuliens paaren, als dass Pholoë sich dem ruchlosen Buhlen ergibt. So ist’s der Wille der Venus, so macht es ihr Freude, ungleiche Leiber und Herzen in ihr ehernes Joch zu spannen mit grimmiger Laune. Als mir selbst eine bessere Liebe sich anbot, hielt mich Myrtale mit einem gerne getragenen Fußeisen fest, eine Freigelassene nur, doch stürmischer als die Woge der Adria, die Calabriens Buchten höhlt.

Ode 1,34 Einst ein karger und seltner Verehrer der Götter, während ich als Adept einer wahnvollen Weisheit Irrwege ging, drängt es mich jetzt, die Segel herumzuwerfen und den verlassenen Kurs von neuem zu suchen. Denn Jupiter, der ansonsten mit seinem zuckenden Blitz die Wolken zu teilen pflegt, trieb nun am heiteren Himmel die donnernden Rosse an und den geflügelten Wagen, wodurch die massige Erde, die gleitenden Flüsse, der Styx und die schaurige Stätte des ungeliebten Tänarus, ja der Saum des Atlas erschüttert wird. Er hat die Kraft, das Unterste mit dem Höchsten

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mutare et insignem attenuat deus obscura promens: hinc apicem rapax Fortuna cum stridore acuto sustulit, hic posuisse gaudet.

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c. 1,35 (VIII) O DIVA, GRATUM quae regis Antium, praesens vel imo tollere de gradu mortale corpus vel superbos vertere funeribus triumphos: te pauper ambit sollicita prece ruris colonus, te dominam aequoris quicumque Bithyna lacessit Carpathium pelagus carina; te Dacus asper, te profugi Scythae urbesque gentesque et Latium ferox regumque matres barbarorum et purpurei metuunt tyranni, iniurioso ne pede proruas stantem columnam neu populus frequens ad arma, cessantis ad arma concitet imperiumque frangat. te semper anteit saeva Necessitas, clavos trabalis et cuneos manu gestans aena nec severus uncus abest liquidumque plumbum;

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te Spes et albo rara Fides colit velata panno nec comitem abnegat, utcumque mutata potentis veste domos inimica linquis, at volgus infidum et meretrix retro periura cedit, diffugiunt cadis cum faece siccatis amici ferre iugum pariter dolosi:

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zu vertauschen, und den Herausragenden erniedrigt der Gott, während er Unbekanntes ans Licht bringt. Hier nimmt die räuberische Fortuna mit schwirrendem Flügelschlag die Krone, dort beliebt’s ihr, sie jemandem aufzusetzen.

Ode 1,35 O Göttin, Herrin deines geliebten Antium, bereit, einen Sterblichen von der untersten Stufe emporzuheben oder auch einen stolzen Triumph in einen Leichenzug zu verwandeln, dir naht sich mit besorgter Bitte der arme Landmann, dich ruft als Herrscherin der See, wer immer mit bithynischem Kiel das karpathische Meer auf die Probe stellt, dich scheuen die wilden Daker, die flüchtigen Skythen, Städte und Völker, das gefürchtete Latium, die Mütter barbarischer Könige, die purpurgeschmückten Tyrannen, du könntest mit gehässigem Fuß die ragende Säule stürzen, es könnte das Volk versammelt zu den Waffen die Zögernden, auf zu den Waffen rufen und ihre Herrschaft zerbrechen. Vor dir stets wandelt einher die strenge Notwendigkeit, führt in eherner Hand die Balkennägel und Keile, und es fehlen ihr nicht die unbiegsame Klammer und flüssiges Blei; dir dient auch die Hoffnung und die seltene Treue, in weißes Laken gehüllt, und meidet dich nicht als Gefährtin, wann immer du mächtige Häuser mit gewechselter (Trauer-)Kleidung feindlich verlässt (doch der treulose Pöbel und die meineidige Dirne gehen dir aus dem Weg, und es fliehen die Freunde, wenn der Krug bis zur Hefe geleert ist – sie alle viel zu gerissen, dein Joch solidarisch zu tragen):

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serves iturum Caesarem in ultimos orbis Britannos et iuvenum recens examen Eois timendum partibus Oceanoque rubro. heu heu, cicatricum et sceleris pudet fratrumque. quid nos dura refugimus aetas? quid intactum nefasti liquimus? unde manum iuventus metu deorum continuit? quibus pepercit aris? o utinam nova incude diffingas retusum in Massagetas Arabasque ferrum.

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c. 1,36 (IV) ET TURE ET FIDIBUS iuvat placare et vituli sanguine debito custodes Numidae deos, qui nunc Hesperia sospes ab ultima caris multa sodalibus nulli plura tamen dividet oscula quam dulci Lamiae, memor actae non alio rege puertiae mutataeque simul togae. Cressa ne careat pulcra dies nota, neu promptae modus amphorae neu morem in Salium sit requies pedum, neu multi Damalis meri Bassum Threicia vincat amystide, neu desint epulis rosae neu vivax apium neu breve lilium. omnes in Damalin putris deponent oculos, nec Damalis novo divelletur adultero lascivis hederis ambitiosior.

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Erhalte uns den Caesar, wenn er demnächst ans Ende der Welt gegen die Britannier zieht, und die frische Heerschar junger Männer, vor der die östlichen Länder und das rote Meer erbeben sollen! Ach, ach, mit Scham nur denken wir der Narben, der Verbrechen, unserer Brüder. Wovor sind wir hartes Geschlecht zurückgeschreckt? Was haben wir Ruchlosen unberührt gelassen? Wovon hat die Jugend (von damals) die Hände aus Scheu vor den Göttern ferngehalten? Welche Altäre hat sie verschont? O möchtest du auf neuem Amboss unser stumpfes Schwert von neuem schmieden, nun aber gegen Massageten und Araber!

Ode 1,36 Mit Weihrauch, Saitenspiel und Kalbsblut, das man ihnen schuldet, wollen wir die Götter ehren, die den Numida beschützten, der jetzt heimgekehrt vom fernsten Westland seinen lieben Freunden viele Küsse verteilt, doch keinem mehr als dem geliebten Lamia, der Jugendzeit gedenkend, die er unter demselben Leiter mit ihm zugebracht, und der gemeinsam mit ihm ausgetauschten Toga. Dieser schöne Tag soll nicht ohne weißes Zeichen bleiben; der aufgetischte Weinkrug soll kein Ende haben, die Füße keine Ruhe finden, so wie die der Salier, und die trinkgewohnte Damalis soll auch den Bassus nicht im thrakischen Kannenleeren übertreffen und dem Tisch der Rosenschmuck nicht fehlen noch der immergrüne Eppich und kurzlebige Lilien. Alle sollen schmelzende Blicke auf Damalis werfen, doch von dem neugewonnenen Geliebten soll nichts mehr Damalis zu trennen fähig sein, die anschmiegsamer ist als geiler Efeu.

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c. 1,37 (VIII) NUNC EST BIBENDUM, nunc pede libero pulsanda tellus, nunc Saliaribus ornare pulvinar deorum tempus erat dapibus, sodales. antehac nefas depromere Caecubum cellis avitis, dum Capitolio regina dementis ruinas funus et imperio parabat contaminato cum grege turpium morbo virorum, quidlibet inpotens sperare fortunaque dulci ebria. sed minuit furorem vix una sospes navis ab ignibus mentemque lymphatam Mareotico redegit in veros timores Caesar ab Italia volantem remis adurgens, accipiter velut mollis columbas aut leporem citus venator in campis nivalis Haemoniae, daret ut catenis

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fatale monstrum: quae generosius perire quaerens nec muliebriter expavit ensem nec latentis classe cita reparavit oras, ausa et iacentem visere regiam voltu sereno, fortis et asperas tractare serpentes, ut atrum corpore conbiberet venenum, deliberata morte ferocior: saevis Liburnis scilicet invidens privata deduci superbo non humilis mulier triumpho.

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Ode 1,37 Jetzt heißt es trinken, jetzt mit befreitem Fuß die Erde stampfen; jetzt, Kameraden, wäre die Zeit gekommen, mit dem Festmahl der Salier das Polster der Götter zu rüsten. Bislang verbot es sich, den Caecuberwein aus Kellern der Ahnen zu holen, solange noch die Königin das Capitol in ihrem Wahnsinn mit Untergang, das Reich mit dem Tode bedrohte, umgeben von einer verschnittenen Horde krankhaft entarteter Männer, maßlos in unbegrenzter Erwartung, trunken vom süßen Erfolg: Ihr Wahn ist zusammengebrochen, denn kaum ein Schiff blieb ihr vom Feuer verschont, und ihren Sinn, von mareotischem Weine berauscht, hat Caesar in wahren Schrecken versetzt, als er die von Italien Flüchtende mit seinen Rudern bedrängte – wie ein Habicht sanfte Tauben oder den Hasen ein rascher Jäger auf den verschneiten Feldern Hämoniens –, um sie an Ketten zu legen, das tödliche Ungeheuer. Sie aber wollte stolzer zugrunde gehen; sie zitterte nicht wie ein Weib vor dem Schwert und suchte nicht auf eilender Flotte entlegene Küsten auf, entschlossen, auch auf ihren zerstörten Palast mit gelassener Miene zu blicken, tapfer genug, mit gefährlichen Schlangen umzugehen, damit ihr Leib das schwarze Gift empfange, und grimmiger noch, da sie den Tod mit klaren Sinnen herbeirief. Ja, sie hat den wilden liburnischen Schiffen das Glück missgönnt, dass sie als Entthronte im stolzen Triumphzug geschleppt ward – gewiss keine unbedeutende Frau.

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CARMINUM LIBER I

c. 1,38 (VI) PERSICOS ODI, puer, adparatus, displicent nexae philyra coronae, mitte sectari, rosa quo locorum sera moretur. simplici myrto nihil adlabores sedulus curo: neque te ministrum dedecet myrtus neque me sub arta vite bibentem.

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ODEN, ERSTES BUCH

Ode 1,38 Zuwider ist mir persischer Aufwand, Knabe; bastumwundene Kränze kann ich nicht leiden; suche nicht lang, ob irgendwo noch eine späte Rose zurückblieb. Mir liegt daran, dass du der schlichten Myrte nichts in geschäftigem Eifer hinzufügst; denn die Myrte ist weder für dich als Mundschenk zu schlecht noch für mich als Zecher unter dem dichten Weinlaub.

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CARMINUM LIBER II c. 2,1 (Versmaß VIII) MOTUM EX METELLO consule civicum bellique causas et vitia et modos ludumque Fortunae gravisque principum amicitias et arma nondum expiatis uncta cruoribus, periculosae plenum opus aleae, tractas et incedis per ignis suppositos cineri doloso. paulum severae musa tragoediae desit theatris: mox ubi publicas res ordinaris, grande munus Cecropio repetes coturno, insigne maestis praesidium reis et consulenti, Pollio, curiae, cui laurus aeternos honores Delmatico peperit triumpho. iam nunc minaci murmure cornuum perstringis auris, iam litui strepunt, iam fulgor armorum fugacis terret equos equitumque voltus.

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audire magnos iam videor duces non indecoro pulvere sordidos et cuncta terrarum subacta praeter atrocem animum Catonis. Iuno et deorum quisquis amicior Afris inulta cesserat inpotens tellure, victorum nepotes rettulit inferias Iugurthae.

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ODEN, BUCH II Ode 2,1 Den Bürgerzwist, der im Konsuljahr des Metellus ausgebrochen ist, des Krieges Gründe, Verbrechen, Führungsformen, das Spiel Fortunas, die drückenden Bündnisse mächtiger Männer, die Waffen, die mit immer noch ungesühntem Blute befleckt sind – ein Werk (voll) von gefährlichem Wagemut nimmst du in Arbeit und schreitest über Gluten, die sich unter tückischer Asche bergen. So mag eine Weile die Muse der ernsten Tragödie den Theatern fehlen; doch dann, wenn du die Geschehnisse des politischen Lebens dargestellt hast, wirst du dem attischen Kothurn deine bedeutenden Dienste wieder schenken, den bedrückten Angeklagten deinen starken Schutz, dem Senat deinen Rat, um den er dich bittet, Pollio, du, dem der Lorbeer im dalmatischen Triumph unsterblichen Ruhm verliehen hat. Ja, schon lässt du den drohenden Hörnerschwall an die Ohren dringen, schon schmettern die Trompeten, schon schreckt das Blitzen der Waffen die flüchtigen Pferde und ihrer Reiter Mienen; schon meine ich die großen Feldherren zu vernehmen, die ehrenvoller Staub geschwärzt hat: Die ganze Welt ist schon bezwungen, doch nicht der trotzige Mut des Cato. Juno und alle den Africanern gewogenen Götter, die hilflos das ungerächte Land verlassen mussten, haben die Enkel der Sieger dem Jugurtha zum Totenopfer bestimmt.

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CARMINUM LIBER II

quis non Latino sanguine pinguior campus sepulcris inpia proelia testatur auditumque Medis Hesperiae sonitum ruinae? qui gurges aut quae flumina lugubris ignara belli? quod mare Dauniae non decoloravere caedes? quae caret ora cruore nostro? sed ne relictis, Musa, procax iocis Ceae retractes munera neniae; mecum Dionaeo sub antro quaere modos leviore plectro.

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c. 2,2 (VI) NULLUS ARGENTO color est avaris abdito terris, inimice lamnae Crispe Sallusti, nisi temperato splendeat usu. vivet extento Proculeius aevo notus in fratres animi paterni; illum aget pinna metuente solvi Fama superstes. latius regnes avidum domando spiritum quam si Libyam remotis Gadibus iungas et uterque Poenus serviat uni: crescit indulgens sibi dirus hydrops nec sitim pellit, nisi causa morbi fugerit venis et aquosus albo corpore languor. redditum Cyri solio Prahaten dissidens plebi numero beatorum eximit Virtus populumque falsis dedocet uti

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ODEN, ZWEITES BUCH

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Welches Feld legt nicht, von Latinerblut gedüngt, durch Gräber Zeugnis von den ruchlosen Kämpfen ab, vom Getöse des abendländischen Untergangs, das bis zu den Medern zu hören war? Welcher Strudel oder welche Flüsse haben nicht den entsetzlichen Krieg erlebt? Welches Meer hat nicht das Morden Dauniens verfärbt? Welche Küste hat nicht unser Blut getrunken? Dennoch, Muse, lass nicht die heiteren Scherze, die dich ergötzen, beiseite und widme dich nicht (dem Feld) der keïschen Totenklage! Wähle mit mir in der Grotte Diones Weisen von leichterem Saitenschlag!

Ode 2,2 Farblos ist das Silber, das man im Geiz in der Erde vergräbt, Sallustius Crispus, du Gegner des Ungemünzten, wenn es nicht Glanz erhält durch den Gebrauch im rechten Maß. Weiterleben wird für lange Zeiten Proculeius, wohlbekannt durch sein väterliches Herz für seine Brüder; ihn wird der überdauernde Ruhm auf unzerstörbaren Schwingen tragen. Weiter wird deine Herrschaft reichen, wenn du den Drang des Geizes bändigst, als wenn du Libyen mit dem entfernten Gades vereinigtest und beide punischen Völker dir allein zu Füßen lägen: So wächst die zerstörerische Wassersucht nur an, wenn sie sich nachgibt, und kann den Durst nicht löschen, wenn die Ursache der Krankheit nicht aus den Adern gewichen ist, die wassergierige Schlappheit nicht aus dem bleichen Körper. Den Phraates, der zum zweiten Mal auf Cyrus’ Thron gelangt ist, weist doch die Tugend, die dem Pöbel unverständlich bleibt, aus der Zahl der Glücklichen, und sie lehrt das Volk, die falschen Wörter

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CARMINUM LIBER II

vocibus, regnum et diadema tutum deferens uni propriamque laurum, quisquis ingentis oculo inretorto spectat acervos.

c. 2,3 (VIII) AEQUAM MEMENTO rebus in arduis servare mentem, non secus in bonis ab insolenti temperatam laetitia, moriture Delli, seu maestus omni tempore vixeris, seu te in remoto gramine per dies festos reclinatum bearis interiore nota Falerni. quo pinus ingens albaque populus umbram hospitalem consociare amant ramis? quid obliquo laborat lympha fugax trepidare rivo? huc vina et unguenta et nimium brevis flores amoenae ferre iube rosae, dum res et aetas et sororum fila trium patiuntur atra. cedes coemptis saltibus et domo villaque flavos quam Tiberis lavit, cedes et exstructis in altum divitiis potietur heres. divesne prisco natus ab Inacho nil interest an pauper et infima de gente sub divo moreris, victima nil miserantis Orci:

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ODEN, ZWEITES BUCH

zu meiden, wenn sie sichere Herrschaft und Diadem und den verdienten Lorbeer nur dem einen zuweist, der kein Auge nach gehäuften Schätzen rückwärts wendet.

Ode 2,3 Bewahre im Unglück ein gelassenes Herz, nicht minder im Glück einen Sinn, der die ausgelassene Freude dämpft, mein Dellius; denn sterben musst du ja doch, ob du allezeit in Trauer gelebt hast, ob du, auf abgeschirmtem Rasen gelagert, dich an festlichen Tagen mit köstlichen falernischen Weinen erquickt hast. Wozu belieben die stattliche Fichte, die helle Pappel mit ihren Ästen gemeinsam gastlichen Schatten zu werfen? Wofür bemüht sich das strömende Wasser, in fallendem Lauf dahinzueilen? Hierher lass Weine und Salben und die ach so vergänglichen Blüten lieblicher Rosen bringen, solange noch die Verhältnisse, das Alter und die schwarzen Fäden der drei Schwestern es dulden. Verlassen wirst du einst die aufgekauften Täler, dein Haus, dein Landgut, das der gelbe Tiber bespült; verlassen wirst du dies alles, und dein Erbe wird sich der hochgetürmten Schätze bemächtigen. Einerlei ist’s, ob du als reich geborener Nachfahr des alten Inachus oder als armer Spross aus der Hefe des Volkes unter dem freien Himmel lebst, ein Opfer des unbarmherzigen Orcus:

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CARMINUM LIBER II

omnes eodem cogimur, omnium versatur urna serius ocius sors exitura et nos in aeternum exilium inpositura cumbae.

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c. 2,4 (VI) NE SIT ANCILLAE tibi amor pudori, Xanthia Phoceu: prius insolentem serva Briseis niveo colore movit Achillem, movit Aiacem Telamone natum forma captivae dominum Tecmessae, arsit Atrides medio in triumpho virgine rapta, barbarae postquam cecidere turmae Thessalo victore et ademptus Hector tradidit fessis leviora tolli Pergama Grais. nescias an te generum beati Phyllidis flavae decorent parentes; regium certe genus et penatis maeret iniquos. crede non illam tibi de scelesta plebe dilectam neque sic fidelem, sic lucro aversam potuisse nasci matre pudenda. bracchia et voltum teretesque suras integer laudo – fuge suspicari – cuius octavum trepidavit aetas claudere lustrum.

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Uns allen ist derselbe Weg bestimmt; unser aller Los wird in der Urne geschüttelt: früher oder später wird es aus ihr fallen und uns in die ewige Verbannung des Charonsnachens schicken.

Ode 2,4 Schäme dich nicht der Liebe zu einer Sklavin, Xanthias aus Phokis! Vor dir hat schon den herrischen Achill die Sklavin Briseïs mit ihrer schneeweißen Haut erregt; erregt hat die Schönheit der Sklavin Tekmessa ihren Gebieter Aiax, des Telamon Sohn, und es entbrannte mitten im Sieg der Atride für ein erbeutetes Mädchen, als die Scharen der Barbaren unter der Hand des thessalischen Siegers gefallen waren und der Tod des Hektor den abgekämpften Griechen Troia zur leichteren Beute hat werden lassen. Weißt du denn, ob nicht die Eltern der blonden Phyllis so reich sind, dass sie dem Schwiegersohn Ansehen gäben? Sicher entstammt sie einem Königsgeschlecht und leidet unter dem Haus, das ihrem Rang nicht entspricht! Sei überzeugt: Sie ist dir nicht aus gemeinem Pöbel erwählt, und keine Mutter, die deinen Stolz verletzte, hätte ein Mädchen von solcher Treue, von solcher Selbstlosigkeit gebären können. Ihre Arme, ihr Antlitz und ihre zarten Waden rühme ich, ohne an mich zu denken – nur keinen Argwohn! –, da doch mein Leben in schrecklicher Eile das vierte Jahrzehnt schon zu beschließen sich anschickt.

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CARMINUM LIBER II

c. 2,5 (VIII) NONDUM SUBACTA ferre iugum valet cervice, nondum munia conparis aequaere nec tauri ruentis in venerem tolerare pondus. circa virentis est animus tuae campos iuvencae, nunc fluviis gravem solantis aestum, nunc in udo ludere cum vitulis salicto praegestientis. tolle cupidinem inmitis uvae: iam tibi lividos distinguet autumnus racemos purpureo varius colore.

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iam te sequetur: currit enim ferox aetas et illi quos tibi dempserit adponet annos; iam proterva fronte petet Lalage maritum, dilecta, quantum non Pholoe fugax, non Chloris albo sic umero nitens ut pura nocturno renidet luna mari Cnidiusve Gyges, quem si puellarum insereres choro mire sagacis falleret hospites discrimen obscurum solutis crinibus ambiguoque voltu.

c. 2,6 (VI) SEPTIMI, GADIS aditure mecum et Cantabrum indoctum iuga ferre nostra et barbaras Syrtis, ubi Maura semper aestuat unda:

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Ode 2,5 Noch hat sie nicht die Kraft, das Joch auf ihrem gebeugten Nacken zu tragen, noch vermag sie nicht dasselbe zu leisten wie ihr Partner im Gespann und dem Gewicht des Stieres standzuhalten, der sich zur Begattung über sie stürzt. Nur dem grünen Gefilde gehört das Herz deiner Jungkuh, die bald im Fluss sich gegen die drückende Schwüle schützt, bald mit den Kälbern in tauigen Weidenbüschen umhertollt. Lass die Begier nach der herben Traube fahren! Schon bald wird dir die grünlichen Beeren der farbenspendende Herbst mit Purpur bemalen. Schon bald wird sie dich suchen. Denn es enteilt die ungestüme Zeit, und was sie dir an Jahren nimmt, wird sie ihr geben. Dann wird dich Lalage mit kühner Stirn zum Mann begehren, so heiß geliebt wie nie die flüchtige Pholoë, wie nie die Chloris, deren weiße Schulter glänzte, wie der reine Mond auf nächtlichem Meere schimmert, oder der Gnidier Gyges, der, einem Kreis von Mädchen zugesellt, die findigsten Gäste erstaunlich irrezuführen vermöchte, da er durch seine fallenden Haare und seine zwitterhaften Züge den Unterschied der Geschlechter verdunkelt.

Ode 2,6 Septimius, der du mit mir bis nach Gades reisen würdest, bis zu den Cantabrern, die nie gelernt haben, unser Joch zu tragen, und zu den Syrten der Barbaren, wo ewig die maurische Woge brandet:

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CARMINUM LIBER II

Tibur Argeo positum colono sit meae sedes utinam senectae, sit modus lasso maris et viarum militiaeque.

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unde si Parcae prohibent iniquae, dulce pellitis ovibus Galaesi flumen et regnata petam Laconi rura Phalantho. ille terrarum mihi praeter omnis angulus ridet, ubi non Hymetto mella decedunt viridique certat baca Venafro,

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ver ubi longum tepidasque praebet Iuppiter brumas et amicus Aulon fertili Baccho minimum Falernis invidet uvis.

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ille te mecum locus et beatae postulant arces: ibi tu calentem debita sparges lacrima favillam vatis amici.

c. 2,7 (VIII) O SAEPE MECUM tempus in ultimum deducte Bruto militiae duce, quis te redonavit Quiritem dis patriis Italoque caelo, Pompei, meorum prime sodalium, cum quo morantem saepe diem mero fregi coronatus nitentis malobathro Syrio capillos? tecum Philippos et celerem fugam sensi relicta non bene parmula, cum fracta virtus et minaces turpe solum tetigere mento:

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Tibur, von einem argivischen Bauern gegründet – das sollte der Sitz meines Alters sein, das sollte meinen Mühen auf Meeren, Straßen und Schlachtfeldern ein Ende setzen! Doch wenn die Parzen in Missgunst mir dies verwehren, dann will ich an den Fluss Galaesus, den die wolligen Schafe lieben, und zu den Fluren ziehen, die der Lakonier Phalantus einst beherrscht hat. Von allen Ländern behagt mir dieser Winkel am meisten, wo der Honig dem vom Hymettus in nichts nachgibt und die Olive mit dem grünen Venafrum in Wettstreit tritt, wo Jupiter einen langen Lenz und milde Winter schenkt und Aulon, das dem Früchtespender Bacchus lieb ist, keinen Neid auf die Falerner Trauben kennt. Diese Stätte, diese gesegneten Höhen erwarten dich mit mir: Dort wirst du einst mit angemessenen Tränen die heiße Asche deines Dichter-Freundes netzen.

Ode 2,7 O du, der du so oft mit mir unter dem Kommando des Brutus in äußerste Gefahr dich führen ließest, wer hat dich den heimischen Göttern, dem Himmel Italiens als Bürger wiedergeschenkt, Pompeius, du erster meiner Jugendgefährten, mit dem ich so oft den sich hinziehenden Tag zechend verkürzte, einen Kranz auf dem Haupthaar, das von syrischer Salbe glänzte? Philippi habe ich mit dir erlebt und die eilige Flucht, bei der ich schmählich den Schild zurückließ, als die Widerstandskraft zerbrochen war und die ehedem drohenden Helden mit dem Kinn besiegt den Boden berührten.

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CARMINUM LIBER II

sed me per hostis Mercurius celer denso paventem sustulit aere, te rursus in bellum resorbens unda fretis tulit aestuosis. ergo obligatam redde Iovi dapem longaque fessum militia latus depone sub lauru mea nec parce cadis tibi destinatis.

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oblivioso levia Massico ciboria exple, funde capacibus unguenta de conchis. quis udo deproperare apio coronas curatve myrto? quem Venus arbitrum dicet bibendi? non ego sanius bacchabor Edonis: recepto dulce mihi furere est amico.

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c. 2,8 (VI) VLLA SI IURIS tibi peierati poena, Barine, nocuisset umquam, dente si nigro fieres vel uno turpior ungui, crederem: sed tu simul obligasti perfidum votis caput, enitescis pulchrior multo iuvenumque prodis publica cura. expedit matris cineres opertos fallere et toto taciturna noctis signa cum caelo gelidaque divos morte carentis.

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Mich freilich trug der schnelle Mercurius mitten durch das feindliche Heer – er hatte mich samt meiner Angst in dichten Nebel gehüllt –; dich aber riss die Woge erneut in die Schlacht und trug dich auf tobendem Meer dahin. Drum weihe dem Jupiter nun das schuldige Mahl; lagere deinen in langem Kriegszug ermatteten Leib im Schatten meines Lorbeerbaumes und spare die Becher nicht, die dir bestimmt sind! Fülle die geschliffenen Kelche mit Massikerwein, der uns Vergessen schenkt; gieße aus geräumigen Schalen das Salböl! Wer übernimmt es, eilend Kränze herbeizuschaffen aus feuchtem Eppich oder aus Myrten? Wen wird der Venuswurf zum Herrn des Gelages ernennen? Ich will nicht nüchterner feiern als edonische Bacchusdiener: Jetzt, da der Freund mir wiedergekehrt ist, mag ich ganz ausgelassen sein.

Ode 2,8 Wenn dich je eine einzige Strafe für einen Meineid getroffen hätte, Barine, wenn nur ein einziger schwarzer Zahn oder Fingernagel deine Schönheit entstellte, gerne würde ich’s glauben. Du aber brauchst nur dein meineidiges Haupt mit einem Schwur zu belasten, schon erstrahlst du viel schöner noch und gehst als angebeteter Schwarm aller jungen Männer daraus hervor! Erfolgreich täuschst du die bestattete Asche deiner Mutter, die schweigenden Sterne der Nacht am ganzen Himmel und die Götter, die den kalten Tod nicht erleiden.

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CARMINUM LIBER II

ridet hoc, inquam, Venus ipsa, rident simplices Nymphae ferus et Cupido semper ardentis acuens sagittas cote cruenta. adde quod pubes tibi crescit omnis, servitus crescit nova nec priores inpiae tectum dominae relinquunt saepe minati.

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te suis matres metuunt iuvencis, te senes parci miseraeque nuper virgines nuptae, tua ne retardet aura maritos.

c. 2,9 (VIII) NON SEMPER IMBRES nubibus hispidos manant in agros aut mare Caspium vexant inaequales procellae usque nec Armeniis in oris, amice Valgi, stat glacies iners mensis per omnis aut Aquilonibus querqueta Gargani laborant et foliis viduantur orni: tu semper urges flebilibus modis Mysten ademptum nec tibi vespero surgente decedunt amores nec rapidum fugiente solem. at non ter aevo functus amabilem ploravit omnis Antilochum senex annos nec inpubem parentes Troilon aut Phrygiae sorores flevere semper. desine mollium tandem querellarum et potius nova cantemus Augusti tropaea Caesaris et rigidum Niphaten,

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Es lacht darüber – ich sag es – selbst Venus; es lachen die schlichten Nymphen und auch der wilde Cupido, der unaufhörlich seine brennenden Pfeile mit grausamem Wetzstein schärft. Ja noch mehr, die gesamte Jugend wächst dir zu; es wachsen neue Sklaven dir zu, und auch die alten verlassen nicht das Haus ihrer schändlichen Herrin, obwohl sie oft damit drohten. Mütter zittern vor dir für ihre halberwachsenen Söhne; es fürchten dich um ihr Vermögen besorgte Väter, und bekümmert bangen die neuvermählten jungen Frauen, dass ihre Männer sie warten lassen, wenn sie deinen Hauch gewittert haben.

Ode 2,9 Nicht immer ergießt sich der Regen aus den Wolken auf unbestellte Äcker; nicht immer peitschen aufwühlende Böen das kaspische Meer, und an den Küsten Armeniens, mein Valgius, starrt nicht in jedem Monat das regungslose Eis oder leiden die Eichenwälder am Garganus unter nördlichen Stürmen und werden die Blätter von den Eschen gerissen. Nur du beschwörst ohne Ende mit klagenden Liedern den Mystes, der dir hinweggenommen ist, und deine Liebe kommt nicht zur Ruhe, mag der Abendstern aufgehen, mag er vor der brennenden Sonne weichen. Doch auch der Greis, der drei Menschenalter durchlebt hat, trauerte um seinen lieben Antilochus nicht alle Jahre hindurch, und auch den kindlichen Troïlus haben die Eltern und phrygischen Schwestern nicht immer beweint. So lass denn endlich das weibische Klagen, und lass uns lieber die neuen Siege des Caesar Augustus besingen, den eisbedeckten Niphates,

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CARMINUM LIBER II

Medumque flumen gentibus additum victis minores volvere vertices intraque praescriptum Gelonos exiguis equitare campis.

c. 2,10 (VI) RECTIUS VIVES, Licini, neque altum semper urgendo neque, dum procellas cautus horrescis, nimium premendo litus iniquum. auream quisquis mediocritatem diligit, tutus caret obsoleti sordibus tecti, caret invidenda sobrius aula. saepius ventis agitatur ingens pinus et celsae graviore casu decidunt turres feriuntque summos fulgura montis. sperat infestis, metuit secundis alteram sortem bene praeparatum pectus: informis hiemes reducit Iuppiter, idem submovet; non, si male nunc, et olim sic erit: quondam cithara tacentem suscitat Musam neque semper arcum tendit Apollo. rebus angustis animosus atque fortis adpare, sapienter idem contrahes vento nimium secundo turgida vela.

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den Mederfluss, der, den besiegten Völkern angegliedert, nun geringere Wirbel dreht, und die Geloner, die in streng begrenztem Gebiet über spärliche Steppe reiten.

Ode 2,10 Richtiger wird dein Leben sein, Licinius, wenn du nicht immer zur hohen See hinausdrängst, aber auch nicht ängstlich die Stürme scheust und allzu nahe der tückischen Küste treibst. Wer den goldenen Weg der Mitte liebt, meidet ohne Gefahr die Niedrigkeit einer kläglichen Hütte und ohne falschen Stolz den Palast, der den Neid erregt. Allzu oft wird die riesige Fichte von Stürmen geschüttelt; in allzu wuchtigem Sturz brechen ragende Türme zusammen, und in die höchsten Berge schlagen die Blitze. Es hofft im Unglück und es wartet bangend im Glück ein wohlbereitetes Herz auf den Wechsel des Schicksals: Immer wieder bringt Jupiter garstige Winterstürme, und Jupiter nimmt sie auch wieder hinweg. Es muss nicht, wenn es jetzt schlecht steht, auch später so sein; es weckt einmal mit seiner Kithara die verstummte Muse Apoll und hält nicht allezeit den Bogen gespannt. In der Not bewähre ein kühnes und tapferes Herz; doch sind die Segel von allzu günstigem Wind gebläht, sei auch weise genug, sie einzuziehen!

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c. 2,11 (VIII) QUID BELLICOSUS Cantaber et Scythes, Hirpine Quincti, cogitet Hadria divisus obiecto, remittas quaerere nec trepides in usum poscentis aevi pauca. fugit retro levis iuventas et decor, arida pellente lascivos amores canitie facilemque somnum; non semper idem floribus est honor vernis neque uno luna rubens nitet voltu: quid aeternis minorem consiliis animum fatigas? cur non sub alta vel platano vel hac pinu iacentes sic temere et rosa canos odorati capillos, dum licet, Assyriaque nardo potamus uncti? dissipat Euhius curas edacis. quis puer ocius restinguet ardentis Falerni pocula praetereunte lympha? quis devium scortum eliciet domo Lyden? eburna dic age cum lyra maturet, in comptum Lacaenae more comam religata nodum.

c. 2,12 (II) NOLIS LONGA FERAE bella Numantiae nec durum Hannibalem nec Siculum mare Poeno purpureum sanguine mollibus aptari citharae modis

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Ode 2,11 Was die angriffslustigen Cantabrer und die Skythen, durch das adriatische Meer (von uns) getrennt, im Schilde führen, Quinctius Hirpinus – lass es auf sich beruhen und bange nicht um die Notdurft des Lebens, das mit Wenigem genug hat. Rasch entweicht die bartlose Jugendzeit mit ihrem Reiz, sobald das dürre Grauhaar die lockeren Liebesfreuden und den leichten Schlaf vertreibt; nicht immer stehen Frühlingsblumen in gleicher Gunst, und nicht allzeit glänzt der rötliche Mond mit demselben Antlitz: Wozu quälst du deinen Kopf mit Plänen für ewige Zeiten, denen er nicht gewachsen ist? Warum strecken wir uns nicht einfach unter der hohen Platane oder hier unter dieser Pinie aus, das angegraute Haar mit Rosenduft – solange es geht – und syrischen Narden gesalbt, und zechen? Bacchus zerstreut die nagenden Sorgen. Wer von den Sklaven wird uns rasch die Humpen voll feurigen Falernerweins mit dem vorüberfließenden Quell mildern? Wer wird das Hürchen Lyde aus ihrem Haus im Winkel holen? Los, sag ihr, sie solle schleunigst mit der Elfenbeinlyra kommen, das Haar nach lakonischer Mode zu einem Knoten gesteckt!

Ode 2,12 Fordere nicht, dass lange Kriege gegen das wilde Numantia, dass der unbeugsame Hannibal und das sizilische Meer, das von Punierblut gerötet ist, den sanften Weisen einer Kithara sich fügen

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nec saevos Lapithas et nimium mero Hylaeum domitosque Herculea manu Telluris iuvenes, unde periculum fulgens contremuit domus Saturni veteris, tuque pedestribus dices historiis proelia Caesaris, Maecenas, melius ductaque per vias regum colla minacium. me dulcis dominae Musa Licymniae cantus, me voluit dicere lucidum fulgentis oculos et bene mutuis fidum pectus amoribus; quam nec ferre pedem dedecuit choris nec certare ioco nec dare bracchia ludentem nitidis virginibus sacro Dianae celebris die.

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num tu quae tenuit dives Achaemenes aut pinguis Phrygiae Mygdonias opes permutare velis crine Licymniae plenas aut Arabum domos, cum flagrantia detorquet ad oscula cervicem aut facili saevitia negat quae poscente magis gaudeat eripi, interdum rapere occupet?

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c. 2,13 (VIII) ILLE ET NEFASTO te posuit die, quicumque primum, et sacrilega manu produxit, arbos, in nepotum perniciem opprobriumque pagi; illum et parentis crediderim sui fregisse cervicem et penetralia sparsisse nocturno cruore hospitis; ille venena Colcha

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noch die tobenden Lapithen und Hylaeus in seinem Rausch noch die Söhne der Erde, die des Herakles Arm bezwang, vor deren drohender Macht das strahlende Haus des alten Saturnus zitterte: wirst du doch, Maecenas, viel besser in Prosabüchern die Kämpfe des Caesar beschreiben, die Nacken feindlicher Herrscher, die (im Triumph) durch die (römischen) Straßen geführt wurden. Mir gebietet die Muse, von meiner Herrin Licymnia süßen Liedern zu singen, von ihren hell strahlenden Augen, von ihrem Herzen, das im Glücke wechselseitiger Liebe die Treue wahrt; der es nicht übel anstand, in Chören mitzuschreiten, um die Wette zu scherzen und, mit lieblichen Mädchen tanzend, die Arme zu schwingen, als man den heiligen Tag der gefeierten Diana beging. Wärest du denn bereit, die Besitzungen des reichen Achaemenes oder die mygdonischen Schätze des fruchtbaren Phrygiens oder die überfüllten Paläste Arabiens einzutauschen gegen die Locken Licymnias, wenn sie den Nacken zu brennenden Küssen zurückbiegt oder mit leicht zu besiegender Spröde verwehrt, was sie mit größerer Freude noch sich rauben lässt, als sie der Fordernde fühlt, ja was sie zuweilen noch vor ihm raubt?

Ode 2,13 Wer dich zuerst gepflanzt hat, Baum, der tat es an einem verbotenen Tag und pflegte dich mit frevelnder Hand zum Schaden der Enkel, zur Schmach für die Gegend; zutrauen möchte ich ihm, dass er auch dem eigenen Vater das Genick gebrochen, sein Haus des Nachts mit dem Blut seines Gastes besudelt hätte; der Mensch hat mit kolchischen Giften

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et quidquid usquam concipitur nefas tractavit, agro qui statuit meo te, triste lignum, te caducum in domini caput inmerentis. quid quisque vitet, numquam homini satis cautum est in horas. navita Bosphorum Poenus perhorrescit neque ultra caeca timet aliunde fata, miles sagittas et celerem fugam Parthi, catenas Parthus et Italum robur: sed inprovisa leti vis rapuit rapietque gentis.

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quam paene furvae regna Proserpinae et iudicantem vidimus Aeacum sedesque discretas piorum et Aeoliis fidibus querentem Sappho puellis de popularibus, et te sonantem plenius aureo, Alcaee, plectro dura navis, dura fugae mala, dura belli. utrumque sacro digna silentio mirantur umbrae dicere, sed magis pugnas et exactos tyrannos densum umeris bibit aure volgus. quid mirum, ubi illis carminibus stupens demittit atras belua centiceps auris et intorti capillis Eumenidum recreantur angues? quin et Prometheus et Pelopis parens dulci laborem decipitur sono nec curat Orion leones aut timidos agitare lyncas.

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und allem hantiert, was an verbotenen Dingen man denken kann, der dich auf meinen Acker gesetzt hat, du unseliges Stück Holz, dich, der du dem unschuldigen Besitzer aufs Haupt fällst! Was einer zu meiden hat, das hat kein Mensch von Stunde zu Stunde genügend bedacht. Den Bosporus fürchtet der phönizische Seemann, doch was ihm sonst an blinden Zufällen von irgendeiner Seite droht, bedenkt er nicht; es fürchtet der Legionär die Pfeile und den fliegenden Rückzug des Parthers, der Parther die Ketten und das italische Fußvolk; und doch ist’s der unerwartete Zugriff des Todes, der Völker getroffen hat und noch treffen wird. Wie nahe war ich daran, das Reich der finsteren Proserpina zu schauen, den richtenden Aeacus, die abgesonderten Sitze der Frommen und Sappho, die auf äolischer Leier über die Mädchen aus ihrer Heimat klagt; dich auch, Alcaeus, der mit goldenem Saitenkiel in stärkeren Tönen die Härten der Seefahrt, die Nöte der Flucht, die Leiden des Krieges besingt. Verwundert hören die Schatten beide von Dingen berichten, die heiligen Schweigens würdig sind, doch gieriger trinkt mit dem Ohr die Menge, Schulter an Schulter gepresst, die Kunde von Kriegen und von Tyrannenvertreibungen. Ist es ein Wunder, da doch vor solchen Liedern das hundertköpfige Ungeheuer staunend die dunklen Ohren senkt und die Schlangen, die sich in den Haaren der Eumeniden ringeln, an ihnen sich freuen? Ja selbst Prometheus und der Vater des Pelops vergessen ihre Qual bei dem bezaubernden Klang, und auch Orion vergisst, Löwen oder scheue Luchse zu jagen.

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c. 2,14 (VIII) EHEU FUGACES, Postume, Postume, labuntur anni nec pietas moram rugis et instanti senectae adferet indomitaeque morti, non si trecenis quotquot eunt dies, amice, places inlacrimabilem Plutona tauris, qui ter amplum Geryonen Tityonque tristi conpescit unda, scilicet omnibus, quicumque terrae munere vescimur, enaviganda, sive reges sive inopes erimus coloni. frustra cruento Marte carebimus fractisque rauci fluctibus Hadriae, frustra per autumnos nocentem corporibus metuemus Austrum: visendus ater flumine languido Cocytos errans et Danai genus infame damnatusque longi Sisyphus Aeolides laboris,

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linquenda tellus et domus et placens uxor, neque harum quas colis arborum te praeter invisas cupressos ulla brevem dominum sequetur. absumet heres Caecuba dignior servata centum clavibus et mero tinguet pavimentum superbo, pontificum potiore cenis.

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Ode 2,14 Ach wie eilig, Postumus, Postumus, gleiten die Jahre dahin, und selbst ein frommes Gemüt vermag die Runzeln und das nahende Alter nicht aufzuhalten, auch nicht den Tod, den niemand bezwingt, selbst wenn du, mein Freund, an jedem Tage, der uns erscheint, mit dreihundert Stieren Pluto begütigst, den keine Träne rührt, der den dreifachen Riesen Geryon und Tityos mit seiner dunklen Flut umschließt, durch welche wir alle, die uns die Erde mit ihren Gaben ernährt, zu fahren haben, mögen wir Könige, mögen wir ärmliche Bauern sein. Es nützt uns nichts, dass wir den blutigen Krieg und die sich brechenden Wogen der donnernden Adria meiden; es nützt auch nichts, im Herbst sich vor dem Südwind zu hüten, der die Gesundheit gefährdet: Einmal ist uns bestimmt, den schwarzen Cocytus zu sehen, der sich mit trägen Wassern windet, das fluchbeladene Geschlecht des Danaus und den zu endloser Mühe verdammten Sisyphus, den Aeolussohn; zu verlassen die Erde, das Haus, die geliebte Frau; und auch von den Bäumen hier, die du hegst, wird keiner seinen vergänglichen Herrn begleiten außer den ungeliebten Zypressen. Ein Erbe, der sich würdiger dünkt, wird die Caecuberweine schlürfen, wenn du sie auch mit hundert Schlüsseln gesichert hast, und den Boden besudeln mit einem kostbaren Tropfen, der höher geschätzt wird als Priestergelage.

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c. 2,15 (VIII) IAM PAUCA ARATRO iugera regiae moles relinquent, undique latius extenta visentur Lucrino stagna lacu platanusque caelebs evincet ulmos. tum violaria et myrtus et omnis copia narium spargent olivetis odorem fertilibus domino priori,

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tum spissa ramis laurea fervidos excludet ictus. non ita Romuli praescriptum et intonsi Catonis auspiciis veterumque norma: privatus illis census erat brevis, commune magnum; nulla decempedis metata privatis opacam porticus excipiebat arcton nec fortuitum spernere caespitem leges sinebant, oppida publico sumptu iubentes et deorum templa novo decorare saxo.

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c. 2,16 (VI) OTIUM DIVOS rogat in patenti prensus Aegaeo, simul atra nubes condidit lunam neque certa fulgent sidera nautis, otium bello furiosa Thrace, otium Medi pharetra decori, Grosphe, nec gemmis neque purpura venale nec auro.

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Ode 2,15 Bald werden die Riesenbauten mächtiger Herren dem Pflug nur wenige Joch des Ackerlandes noch übrig lassen; von allen Seiten wird am Lucrinersee der Blick über weiter ausgedehnte Wasserflächen gleiten, und die nutzlose Platane wird die Ulmen verdrängen. Dann werden Veilchenbeete, Myrten, jede Menge duftender Blüten ihr Aroma durch Olivenhaine verbreiten, die dem früheren Herrn noch fruchtbar waren; dann wird das Lorbeerdickicht mit seinen Zweigen die glühenden Strahlen (der Sonne) fernhalten. So war es nicht der Wille des Romulus und nicht die Vorschrift in den Zeiten des rauen Cato und der Ahnen: Bescheiden war ihr persönlicher Besitz und groß das allgemeine Gut. Noch keine Säulenhalle, in Riesenmaßen für Privathand abgesteckt, nahm damals den schattigen Nordhimmel auf, und selbst den irgendwo sich bietenden Rasenabhub zu verschmähen erlaubten jene Regeln nicht, nach denen es geboten war, aus öffentlichen Mitteln nur Gemeindebauten und Göttertempel mit frisch gehauenen Platten auszustatten.

Ode 2,16 Ruhe erfleht von den Göttern der Schiffer, der mitten im ägäischen Meer überrascht wird, wenn die finstere Wolke den Mond verbirgt und keine sicheren Sterne dem Seemann leuchten; Ruhe das kriegsdurchtobte Thrakien; Ruhe der köchergeschmückte Meder, mein Grosphus: Ruhe, die sich weder mit Geschmeiden noch mit Purpur und Gold erkaufen lässt.

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non enim gazae neque consularis submovet lictor miseros tumultus mentis et curas laqueata circum tecta volantis. vivitur parvo bene, cui paternum splendet in mensa tenui salinum nec levis somnos timor aut cupido sordidus aufert. quid brevi fortes iaculamur aevo multa? quid terras alio calentis sole mutamus? patriae quis exsul se quoque fugit?

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[scandit aeratas vitiosa navis Cura nec turmas equitum relinquit, ocior cervis et agente nimbos ocior Euro.] laetus in praesens animus quod ultra est oderit curare et amara lento temperet risu: nihil est ab omni parte beatum. abstulit clarum cita mors Achillem, longa Tithonum minuit senectus: et mihi forsan, tibi quod negarit, porriget hora. te greges centum Siculaeque circummugiunt vaccae, tibi tollit hinnitum apta quadrigis equa, te bis Afro murice tinctae vestiunt lanae: mihi parva rura et spiritum Graiae tenuem Camenae Parca non mendax dedit et malignum spernere volgus.

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Denn weder kostbare Güter noch die Amtsdiener des Konsuls halten das zermürbende Pochen des Herzens fern und die Sorgen, die um getäfelte Decken flattern. Trefflich lebt’s sich von wenigem, wem auf bescheidener Tafel ein Salzfass aus Väterhausrat glänzt und wem nicht Furcht und niedere Gier den leichten Schlummer davonträgt. Was jagen wir in unserem kurzen Leben allem Möglichen so entschlossen nach? Wozu suchen wir Länder auf, die von einer anderen Sonne glühen? Welcher Mensch, der seiner Heimat entfloh, ist auch sich selber entflohen? Es steigt die verzehrende Sorge mit auf die erzbeschlagenen Schiffe, sie bleibt nicht hinter berittenen Schwadronen zurück; schneller ist sie als Hirsche und als der Ostwind, der die Wolken vor sich hertreibt. Ein Herz, das sich am Augenblick erfreut, soll sich nicht um das Weitere bekümmern und das Bittere durch ein gelassenes Lächeln mildern: Nichts ist in jeder Hinsicht vollkommen. Den ruhmgekrönten Achill hat ein früher Tod entrafft; ein langes Alter zehrte an Tithonus; und mir wird vielleicht die Stunde gewähren, was sie dir versagt. Dich umbrüllen hundert Herden sizilischer Rinder, vor dir erhebt die Stute, die für das Rennen geschult ist, wiehernd ihr Haupt; dich kleidet Wolle, die zweimal in africanischen Purpur getaucht ist: Mir hat die Parze ohne Hinterlist ein kleines Gütchen und den schlichten Atem der griechischen Muse verliehen, dazu die Gabe, den schnöden Pöbel gering zu achten.

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c. 2,17 (VIII) CUR ME QUERELIS exanimas tuis? nec dis amicum est nec mihi te prius obire, Maecenas, mearum grande decus columenque rerum. a, te meae si partem animae rapit maturior vis, quid moror altera, nec carus aeque nec superstes integer? ille dies utramque ducet ruinam. non ego perfidum dixi sacramentum: ibimus, ibimus, utcumque praecedes, supremum carpere iter comites parati. me nec Chimaerae spiritus igneae nec si resurgat centimanus Gyges divellet umquam: sic potenti Iustitiae placitumque Parcis. seu Libra seu me Scorpios adspicit formidolosus pars violentior natalis horae seu tyrannus Hesperiae Capricornus undae,

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utrumque nostrum incredibili modo consentit astrum: te Iovis inpio tutela Saturno refulgens eripuit volucrisque Fati tardavit alas, cum populus frequens laetum theatris ter crepuit sonum: me truncus inlapsus cerebro sustulerat, nisi Faunus ictum dextra levasset, Mercurialium custos virorum. reddere victimas aedemque votivam memento: nos humilem feriemus agnam.

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Ode 2,17 Warum tötest du mich mit deinen Klagen? Es wollen weder die Götter noch ich, Maecenas, dass du vor mir stirbst, du hoher Glanz und Krone meines Lebens! Ach, wenn dich, die Hälfte meiner selbst, ein allzu frühes Geschick hinwegnimmt, was soll ich, die andere Hälfte, dann noch hier? Wäre ich mir doch weit weniger wert und nur als Torso noch vorhanden! Nein, dieser Tag, er würde unser beider Ende bringen. Es ist kein falscher Eid, den ich da schwöre: Wir werden gehen, wir werden gehen, sobald du vorangehst, bereit, den letzten Gang zusammen zu nehmen. Mich wird weder der Chimaera Feueratem noch, wenn sich der hundertarmige Gyges wieder erhebt, jemals (von dir) trennen: So haben es die mächtige Justitia und die Parzen beschlossen. Ob auf mich die Waage blickt oder der schreckenerregende Skorpion, der schlimmere Anteil meiner Geburtsstunde, oder auch der Steinbock, der Beherrscher des Meeres im Westen: Unser beider Sterne stimmen unbegreiflich überein. Dich hat Jupiters Schutz mit seinem Strahl dem bösen Saturn entwunden und des Todes gefiederte Schwingen gebremst, als das versammelte Volk im Theater dreimal fröhlichen Jubel erschallen ließ; mich hätte fast der Baumstamm, der mir aufs Haupt fiel, umgebracht, wenn Faunus nicht den Schlag mit seiner Rechten aufgefangen hätte, der Schützer der Merkur verbundenen Männer. So lasse du es deine Sorge sein, die Opfer und die Tempelstiftung zu entrichten; ich will ein bescheidenes Lämmchen schlachten.

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c. 2,18 (XII) NON EBUR neque aureum mea renidet in domo lacunar, non trabes Hymettiae premunt columnas ultima recisas Africa neque Attali ignotus heres regiam occupavi nec Laconicas mihi trahunt honestae purpuras clientae. at fides et ingeni benigna vena est pauperemque dives me petit: nihil supra deos lacesso nec potentem amicum largiora flagito, satis beatus unicis Sabinis. truditur dies die novaeque pergunt interire lunae: tu secanda marmora locas sub ipsum funus et sepulcri inmemor struis domos marisque Bais obstrepentis urges

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submovere litora, parum locuples continente ripa: quid quod usque proximos revellis agri terminos et ultra limites clientium salis avarus? pellitur paternos in sinu ferens deos et uxor et vir sordidosque natos. nulla certior tamen rapacis Orci fine destinata aula divitem manet erum. quid ultra tendis? aequa tellus

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Ode 2,18 Kein Elfenbein und keine vergoldete Kassettendecke erglänzt in meinem Hause, keine Balken vom Hymettus lasten auf Säulen, die am Rande Africas gebrochen wurden; auch habe ich nicht als unbekannter Erbe den Palast des Attalus an mich gebracht, noch weben Frauen von Klienten ehrend für mich lakonische Purpurtuche. Doch Herzenstreue und eine starke Ader des Künstlertums besitze ich wohl, und mancher Reiche besucht mich Armen; mehr verlange ich nicht von den Göttern, und auch den mächtigen Freund bitte ich nicht um weitere Gaben; denn mein sabinisches Gut allein genügt für mein Glück. Ein Tag verdrängt den andern und fort und fort von neuem schwindet der Mond. Du aber gibst Auftrag, Blöcke aus Marmor zu schneiden, am Rande des Grabes, und Häuser zu bauen, ohne des Todes zu denken, und lässt voll Ungeduld die Küste des Meeres, das gegen Baiae brandet, hinausschieben, noch immer nicht reich genug mit dem Strand des Festlands. Was soll es, dass du immer und immer den nächsten Markstein aus seinem Boden herausreißt und über die Grenzen deiner Klienten gierig hinüberspringst? Vertrieben werden, die Ahnengötter in ihrem Gewand tragend und ihre ärmlichen Kinder, die Frau und der Mann. Doch keine Halle erwartet ihren reichen Besitzer – steht das Ende ja fest – sicherer als die letzte Station des verzehrenden Orcus. Was erstrebst du noch mehr? Die gleiche Erde

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pauperi recluditur regumque pueris, nec satelles Orci callidum Promethea revexit auro captus. hic superbum Tantalum atque Tantali genus coercet, hic levare functum pauperem laboribus vocatus atque non vocatus audit.

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c. 2,19 (VIII) BACCHUM IN REMOTIS carmina rupibus vidi docentem, credite posteri, Nymphasque discentis et auris capripedum Satyrorum acutas. euhoe, recenti mens trepidat metu plenoque Bacchi pectore turbidum laetatur, euhoe, parce Liber, parce gravi metuende thyrso. fas pervicacis est mihi Thyiadas vinique fontem lactis et uberes cantare rivos atque truncis lapsa cavis iterare mella, fas et beatae coniugis additum stellis honorem tectaque Penthei disiecta non leni ruina Thracis et exitium Lycurgi. tu flectis amnis, tu mare barbarum, tu separatis uvidus in iugis nodo coerces viperino Bistonidum sine fraude crinis. tu, cum parentis regna per arduum cohors gigantum scanderet inpia, Rhoetum retorsisti leonis unguibus horribilique mala;

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öffnet sich für den Armen und für die Söhne von Königen, und der Knecht des Orcus hat auch den schlauen Prometheus nicht, durch Gold bestochen, zurückgebracht. Den überheblichen Tantalus und des Tantalus Samen hält dieser unter Verschluss, und auch den Bedürftigen abzuholen, der nur Mühsal zu tragen hatte, ist er, gerufen und ungerufen, bereit.

Ode 2,19 Den Bacchus hab ich gesehen, wie er in abgelegenen Felsen seine Lieder lehrte (glaubt mir, ihr Nachgeborenen!), und die Nymphen, wie sie ihm lauschten, und die spitzigen Ohren der ziegenhufigen Satyrn. Ohe! Noch voller Bangen erbebt mein Herz und freut sich erregt in bacchuserfüllter Brust. Ohe! Sei gnädig, Liber! Sei gnädig, du Schrecklicher mit dem furchtbaren Thyrsus! Mir ist’s erlaubt, von den lebenerfüllten Thyiaden, vom Quell des Weines, von den reichen Strömen der Milch zu singen, vom Honig, der aus hohlen Stämmen quillt, zu berichten; erlaubt auch, von dem Brautschmuck seiner beglückten Gemahlin, den er unter die Sterne versetzte, vom Haus des Pentheus, das er in schrecklichem Einsturz zertrümmerte, und vom Tode des Thrakiers Lykurg zu erzählen. Dir sind Ströme, dir das Meer der Barbaren untertan; du bindest berauscht auf entlegenen Bergen mit Schlangenknoten das Haar der Mänaden, doch ohne ihnen ein Leid zu tun. Als einst auf steilem Pfad die ruchlose Schar der Giganten zur Residenz deines Vaters emporstieg, da zwangest du den Rhoetus durch die Krallen und das fürchterliche Gebiss deines Löwen zum Rückzug,

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quamquam choreis aptior et iocis ludoque dictus non sat idoneus pugnae ferebaris; sed idem pacis eras mediusque belli. te vidit insons Cerberus aureo cornu decorum leniter atterens caudam et recedentis trilingui ore pedes tetigitque crura.

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c. 2,20 (VIII) NON USITATA nec tenui ferar pinna biformis per liquidam aethera vates neque in terris morabor longius invidiaque maior urbis relinquam. non ego, pauperum sanguis parentum, non ego, quem vocas, dilecte Maecenas, obibo nec Stygia cohibebor unda. iam iam residunt cruribus asperae pelles et album mutor in alitem superne nascunturque leves per digitos umerosque plumae. iam Daedaleo notior Icaro visam gementis litora Bosphori Syrtisque Gaetulas canorus ales Hyperboreosque campos; me Colchus et qui dissimulat metum Marsae cohortis Dacus et ultimi noscent Geloni, me peritus discet Hiber Rhodanique potor. absint inani funere neniae luctusque turpes et querimoniae; conpesce clamorem ac sepulcri mitte supervacuos honores.

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ob man auch sagte, du eignetest dich eher für Chorgesänge, Scherze und Spiel, und dich für einen minder befähigten Krieger hielt; doch warst du genauso bewandert im Krieg wie im Frieden. Dich erblickte im Schmuck deines goldenen Horns der Cerberus, ohne zu toben, berührte dich leicht mit dem Schwanz und leckte, als du zurückgingst, mit seiner dreifachen Zunge dir Füße und Waden.

Ode 2,20 Mit ungewohnter, mächtiger Schwinge werd ich als Dichter in zweifacher Gestalt durch den lauteren Äther gleiten; nicht länger werd ich auf Erden weilen; unerreichbar den Neidern werd ich die Städte verlassen; doch nicht als der Sohn der armen Eltern, nicht als der, den du, geliebter Maecenas, zu Tisch lädst, werde ich sterben und auch nicht vom Wasser des Styx umschlossen sein. Sieh, schon bildet sich an den Beinen schuppige Haut; von oben an verwandle ich mich in einen Schwan; aus Schulter und Fingern sprießt ein seidiger Flaum. Bald werde ich, ruhmbedeckter als Icarus, des Daedalus Sohn, auf die Küsten des tosenden Bosporus blicken, auf Gaetuliens Syrten und auf die hyperboreischen Ebenen als ein singender Vogel. Die Kolchier werden mich kennen lernen, die Daker, die ihre Furcht vor den Marserkolonnen noch unterdrücken, auch die Geloner am Ende der Welt, dazu die gebildeten Völker an Ebro und Rhône. Drum seien vom leeren Sarge die Trauergesänge, erbärmliches Heulen und Klagen verbannt! Heiße schweigen den Ruf des Jammers und spare dir überflüssige Totengeschenke!

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CARMINUM LIBER III c. 3,1 (Versmaß VIII) ODI PROFANUM volgus et arceo. favete linguis: carmina non prius audita Musarum sacerdos virginibus puerisque canto. regum timendorum in proprios greges, reges in ipsos imperium est Iovis, clari Giganteo triumpho, cuncta supercilio moventis. est ut viro vir latius ordinet arbusta sulcis, hic generosior descendat in campum petitor, moribus hic meliorque fama contendat, illi turba clientium sit maior: aequa lege Necessitas sortitur insignis et imos, omne capax movet urna nomen. destrictus ensis cui super inpia cervice pendet, non Siculae dapes dulcem elaborabunt saporem, non avium citharaeque cantus

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somnum reducent: somnus agrestium lenis virorum non humilis domos fastidit umbrosamque ripam, non Zephyris agitata tempe. desiderantem quod satis est neque tumultuosum sollicitat mare nec saevus Arcturi cadentis impetus aut orientis Haedi,

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ODEN, BUCH III Ode 3,1 Ich will nichts wissen vom gemeinen Pöbel: er bleibe fern! Schweigt in Andacht! Denn noch nie gehörte Lieder singe ich, der Musen Priester, für die Mädchen und die Knaben. Mit Schrecken gebieten die Fürsten den eigenen Horden; den Fürsten selber gebietet Jupiter, der leuchtende Gigantenbesieger, der das Weltall mit dem Wink seiner Braue bewegt. Gewiss, so mancher Mann setzt seine Bäume in weiterer Ordnung auf die Furchen als ein anderer; mancher stellt sich als Bewerber von höherem Adel zur Wahl auf dem Marsfeld, ein anderer überragt ihn an Charakter und Ruf, einen anderen umgibt ein stattlicheres Klientengefolge: doch nach gleichen Maßen holt sich das Verhängnis die Hohen und Niedrigsten, und jeden Namen enthält die geräumige Urne. Wem das blanke Schwert über dem ruchlosen Nacken schwebt, dem werden auch sizilische Tafeleien keinen köstlichen Genuss bereiten, auch Vogelsang und Kitharaklang den Schlaf nicht wiederbringen; doch dem sanften Schlummer der Bauern ist keine ärmliche Hütte, kein schattiges Ufer, kein zephyrdurchwehtes Tal zu gering. Wer nur begehrt, was ihm genügt, den kümmert nicht das tobende Meer noch der drohende Sturm beim Sinken des Bärenhüters oder beim Aufgang des Böckleins;

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non verberatae grandine vineae fundusque mendax, arbore nunc aquas culpante, nunc torrentia agros sidera, nunc hiemes iniquas. contracta pisces aequora sentiunt iactis in altum molibus: huc frequens caementa demittit redemptor cum famulis dominusque terrae fastidiosus; sed Timor et Minae scandunt eodem quo dominus, neque decedit aerata triremi et post equitem sedet atra Cura.

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quodsi dolentem nec Phrygius lapis nec purpurarum sidere clarior delenit usus nec Falerna vitis Achaemeniumque costum, cur invidendis postibus et novo sublime ritu moliar atrium? cur valle permutem Sabina divitias operosiores?

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c. 3,2 (VIII) ANGUSTAM AMICE pauperiem pati robustus acri militia puer condiscat et Parthos ferocis vexet eques metuendus hasta vitamque sub divo et trepidis agat in rebus. illum ex moenibus hosticis matrona bellantis tyranni prospiciens et adulta virgo suspiret, eheu, ne rudis agminum sponsus lacessat regius asperum tactu leonem, quem cruenta per medias rapit ira caedes.

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ihn kümmert nicht der Hagelschlag im Weinberg noch der Misswuchs auf den Äckern, wenn die Bäume bald vom Regen, bald von äckerversengenden Gestirnen, bald von schlimmen Wintern klagendes Zeugnis geben. Schon erleben die Fische, dass ihnen mit Molen, die man in die Tiefe baut, das Meer verengt wird: ein Heer von Unternehmern nebst Sklaven und dem Herrn, dem sein Land nicht mehr genügt, senkt dort steinerne Blöcke hinab; doch Angst und Bedrohung folgen dem Herrn auf Schritt und Tritt, und Sorge, die finstere, lässt sich vom gepanzerten Kriegsschiff nicht vertreiben und hockt hinter dem Reiter zu Pferd. Wenn aber einem Menschen in Not kein phrygischer Edelstein, kein Purpur, und leuchte er prächtiger als die Sterne, keine falernische Rebe und keine achämenische Kostwurzsalbe Linderung bringt, wozu soll ich mir dann ein hohes Atrium mit neiderregenden Säulen und unerhörtem Luxus bauen? Wozu soll ich mein Sabinertal eintauschen gegen Schätze, die nur die Mühen vermehren?

Ode 3,2 Karges Entbehren ohne Murren zu tragen lerne der kräftige Bursch im harten Soldatendienst, und er verfolge die wilden Parther, mit seiner Lanze ein gefürchteter Reiter, und führe sein Leben im Freien und in Gefahr. Wenn ihn aus feindlichen Burgen die Frau, die erwachsene Tochter des Königs erblickt, der im Feld steht, soll ihr, oh, der Atem stocken in Furcht, es möchte der königliche Verlobte, der nie zu kämpfen gelernt hat, den grimmigen Löwen berühren und reizen, den sein Blutdurst ins Gemetzel hineinreißt.

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CARMINUM LIBER III

dulce et decorum est pro patria mori: mors et fugacem persequitur virum nec parcit inbellis iuventae poplitibus timidoque tergo. virtus repulsae nescia sordidae intaminatis fulget honoribus nec sumit aut ponit securis arbitrio popularis aurae:

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virtus recludens inmeritis mori caelum negata temptat iter via coetusque volgaris et udam spernit humum fugiente pinna. est et fideli tuta silentio merces: vetabo, qui Cereris sacrum volgarit arcanae, sub isdem sit trabibus fragilemque mecum solvat phaselon: saepe Diespiter neglectus incesto addidit integrum; raro antecedentem scelestum deseruit pede Poena claudo.

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c. 3,3 (VIII) IUSTUM ET TENACEM propositi virum non civium ardor prava iubentium, non voltus instantis tyranni mente quatit solida neque Auster, dux inquieti turbidus Hadriae, nec fulminantis magna manus Iovis: si fractus inlabatur orbis, inpavidum ferient ruinae. hac arte Pollux et vagus Hercules enisus arcis attigit igneas, quos inter Augustus recumbens purpureo bibet ore nectar,

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Köstlich und ehrend ist der Tod für die Heimat – der Tod, der doch auch den fliehenden Mann ereilt und weder die Kniekehlen kriegsferner Jugend noch einen ängstlichen Rücken verschont. Wahre Mannheit, die keine entehrende Abweisung kennt, erstrahlt in fleckenlosen Ehren und nimmt nicht die Macht oder legt sie nieder nach der Willkür und Gunst der Massen. Wahre Mannheit erschließt den Himmel denen, die nicht verdienen zu sterben; sie wandelt auf Pfaden, die andern versagt sind, und blickt mit entfliehenden Flügeln verachtend auf das Volksgetümmel und die feuchte Erde herab. Doch gibt es auch für schweigende Treue einen sicheren Lohn: Ich wünschte nicht, dass einer, der das heilige Geheimnis der Ceres preisgibt, mit mir unter einem Dache lebt und auf gebrechlicher Yacht mit mir in See sticht: Oft hat Jupiter, wenn er missachtet wurde, einen Unschuldigen in das Verbrechen verwickelt; und selten hat Poena einen Frevler, der vor ihr herlief, lahmen Fußes verschont.

Ode 3,3 Wer rechtlich denkt und fest das Ziel im Auge behält, den kann keine Leidenschaft der Bürger, die Verkehrtes fordern, und kein drohender Tyrannenblick in seinem festen Sinn erschüttern, nicht der Südwind, der wirbelnde Beherrscher der erregten Adria, noch die Riesenfaust des blitzeschleudernden Jupiter: und wenn der Erdkreis krachend einstürzt, wird er unbewegt sich von den Trümmern zerschmettern lassen. Auf diese Tugend gestützt hat Pollux, hat der schweifende Hercules die Ätherhöhe erklommen; und so wird einst Augustus, in ihrer Mitte ruhend, mit purpurnen Lippen Nektar trinken;

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hac te merentem, Bacche pater, tuae vexere tigres indocili iugum collo trahentes, hac Quirinus Martis equis Acheronta fugit, gratum elocuta consiliantibus Iunone divis: ›Ilion, Ilion fatalis incestusque iudex et mulier peregrina vertit

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in pulverem, ex quo destituit deos mercede pacta Laomedon, mihi castaeque damnatum Minervae cum populo et duce fraudulento. iam nec Lacaenae splendet adulterae famosus hospes nec Priami domus periura pugnaces Achivos Hectoreis opibus refringit, nostrisque ductum seditionibus bellum resedit: protinus et gravis iras et invisum nepotem, Troica quem peperit sacerdos, Marti redonabo. illum ego lucidas inire sedes, discere nectaris sucos et adscribi quietis ordinibus patiar deorum. dum longus inter saeviat Ilion Romamque pontus, qualibet exsules in parte regnanto beati; dum Priami Paridisque busto insultet armentum et catulos ferae celent inultae, stet Capitolium fulgens triumphatisque possit Roma ferox dare iura Medis.

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durch sie erlangtest du deinen Ruhm, Vater Bacchus, von deinen Tigern gefahren, die mit ungebändigtem Nacken den Wagen zogen; durch sie entging Quirinus mit den Rossen des Mars dem Acheron, als Juno den beratenden Göttern versöhnlich zurief: »Ilion, Ilion hat ein unheilbeladener, zuchtloser Schiedsmann und ein Weib aus der Fremde in Schutt und Asche gelegt; es war, seitdem Laomedon die Götter um den versprochenen Lohn geprellt, von mir und von der keuschen Minerva zum Untergang bestimmt samt seinem Volk und wortbrüchigen Fürsten. Längst nicht mehr strahlt der berüchtigte Gastfreund der spartanischen Ehebrecherin, und auch das meineidige Haus des Priamus wirft die kämpfenden Griechen nicht mehr mit der Streitmacht Hektors zurück; der Krieg, den meine Empörung in die Länge zog, ist zur Ruhe gekommen. Von nun an will ich die feindselige Wut und auch den verhassten Enkel, den eine troische Priesterin geboren hat, dem Mars vergeben. Gestatten will ich es, dass jener das leuchtende Reich betritt, den Nektar zu trinken lernt und sich den unbekümmerten Reihen der Götter zuzählt. Solange ein gewaltiges Meer zwischen Ilion und Rom brandet, mögen die Flüchtigen glücklich herrschen, wo es ihnen beliebt; solange auf den Gräbern des Priamus und des Paris die Rinder tollen und das Wild noch unverfolgt seine Jungen birgt, stehe das Kapitol im Glanz und habe ein gefürchtetes Rom die Macht, den besiegten Medern sein Gesetz zu diktieren.

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horrenda late nomen in ultimas extendat oras, qua medius liquor secernit Europen ab Afro, qua tumidus rigat arva Nilus. aurum inrepertum et sic melius situm, cum terra celat, spernere fortior quam cogere humanos in usus omne sacrum rapiente dextra, quicumque mundo terminus obstitit, hunc tanget armis, visere gestiens, qua parte debacchentur ignes, qua nebulae pluviique rores. sed bellicosis fata Quiritibus hac lege dico, ne nimium pii rebusque fidentes avitae tecta velint reparare Troiae.

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Troiae renascens alite lugubri fortuna tristi clade iterabitur ducente victrices catervas coniuge me Iovis et sorore. ter si resurgat murus aeneus auctore Phoebo, ter pereat meis excisus Argivis, ter uxor capta virum puerosque ploret.‹ non hoc iocosae conveniet lyrae. quo, Musa, tendis? desine pervicax referre sermones deorum et magna modis tenuare parvis.

c. 3,4 (VIII) DESCENDE CAELO et dic age tibia regina longum Calliope melos, seu voce nunc mavis acuta, seu fidibus citharave Phoebi.

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Weithin furchterregend trage es seinen Namen bis an die äußersten Küsten, wo das Meer Europa von Africa scheidet, wo der schwellende Nil die Fluren bewässert. Das unentdeckte Gold (und so besser verwahrt, wenn es die Erde noch birgt) zu verachten eher entschlossen, als es mit Händen, die alles göttliche Eigentum an sich reißen, zu menschlichem Nutzen zu zwingen, möge es mit seinen Waffen jegliche Grenze der Welt erreichen, zu sehen begierig, wo Sonnengluten, wo Nebel und Regengüsse wüten. Doch diese Bedingung stelle ich vor das Schicksal der kriegserprobten Quiriten: Nie sollen sie in übertriebener Ahnenverehrung und Selbstgewissheit die Häuser Troias, der Stadt ihrer Väter, erneuern wollen! Sonst wird das troische Schicksal, das unter düsteren Zeichen von neuem anhebt, sich auch in schrecklichem Unheil wieder vollenden, und ich, die Gattin Jupiters und Schwester, werde die siegreichen Heerscharen führen. Und mag die eherne Mauer auch dreimal nach Phoebus’ Willen sich wieder erheben, so wird sie dreimal von meinen Argivern zerstört und vernichtet werden, und dreimal wird die Frau gefangen um ihren Mann und ihre Söhne weinen.« – Dies wird sich freilich nicht zur heiteren Leier fügen. Wohin nur strebst du, Muse? Lass ab, verstiegen von Götterreden zu berichten und dem Erhabenen durch so bescheidene Weisen die Würde zu nehmen!

Ode 3,4 Wohlan, steige vom Himmel herab, Herrin Calliope, und lass auf der Blattflöte ein langes Lied erklingen, wenn ihr schriller Ton dir gefällt, oder auch auf der Harfe oder der Kithara des Phoebus!

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CARMINUM LIBER III

auditis? an me ludit amabilis insania? audire et videor pios errare per lucos, amoenae quos et aquae subeunt et aurae. me fabulosae Volture in Apulo nutricis extra limina Pulliae ludo fatigatumque somno fronde nova puerum palumbes texere, mirum quod foret omnibus, quicumque celsae nidum Aceruntiae saltusque Bantinos et arvum pingue tenent humilis Forenti, ut tuto ab atris corpore viperis dormirem et ursis, ut premerer sacra lauroque conlataque myrto, non sine dis animosus infans.

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vester, Camenae, vester in arduos tollor Sabinos, seu mihi frigidum Praeneste seu Tibur supinum seu liquidae placuere Baiae. vestris amicum fontibus et choris non me Philippis versa acies retro, devota non extinxit arbor nec Sicula Palinurus unda. utcumque mecum vos eritis, libens insanientem navita Bosphorum temptabo et urentis harenas litoris Assyrii viator, visam Britannos hospitibus feros et laetum equino sanguine Concanum, visam pharetratos Gelonos et Scythicum inviolatus amnem.

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Hört ihr es? Oder täuscht mich ein liebenswürdiger Wahn? Ich glaube zu hören und durch heilige Haine zu schweifen, die liebliche Bäche und Winde durchziehen. Am apulischen Voltur haben mich, den Knaben, der fern der Schwelle der märchenkundigen Amme Pullia vom Spielen ermüdet eingeschlafen war, die Tauben mit frischem Laub bedeckt; ein Wunder sollte es sein für jeden, der im hochgelegenen Aceruntia haust und in den Tälern von Bantia und auf den fetten Flachlandäckern von Forentum wohnt, wie ich sicher vor schwarzen Schlangen und vor den Bären schlief, wie ich unter heiligem Lorbeer und aufgehäufter Myrte ruhte, ein nicht ohne Götter beherztes Kind. Als euer Eigentum, Camenen, euer steig ich empor zu den steilen Sabinerbergen, sei es, dass mich das kühle Praeneste, der Hang von Tibur oder Baiae mit seinen Quellbädern lockten. Da ich ein Freund bin eurer Quellen und Reigenspiele, vermochte mich nicht die Niederlage und Flucht bei Philippi, nicht der verfluchte Baum und nicht Palinurus im sizilischen Meer zu töten. Sofern nur ihr an meiner Seite verweilt, will ich mit Freuden als Schiffer dem tobenden Bosporus, als Wanderer dem glühenden Sand der assyrischen Küste mich anvertrauen, will ich die fremdenfeindlichen Briten besuchen und den Concaner, der Pferdeblut genießt; besuchen will ich die köchertragenden Geloner und den skythischen Strom, ohne Schaden zu leiden.

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CARMINUM LIBER III

vos Caesarem altum, militia simul fessas cohortes abdidit oppidis, finire quaerentem labores Pierio recreatis antro;

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vos lene consilium et datis et dato gaudetis, almae. scimus, ut inpios Titanas immanemque turbam fulmine sustulerit caduco, qui terram inertem, qui mare temperat ventosum et urbis regnaque tristia, divosque mortalisque turmas imperio regit unus aequo. magnum illa terrorem intulerat Iovi fidens iuventus horrida bracchiis fratresque tendentes opaco Pelion inposuisse Olympo. sed quid Typhoeus et validus Mimas aut quid minaci Porphyrion statu, quid Rhoetus evolsisque truncis Enceladus iaculator audax contra sonantem Palladis aegida possent ruentes? hinc avidus stetit Volcanus, hinc matrona Iuno et numquam umeris positurus arcum,

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qui rore puro Castaliae lavit crinis solutos, qui Lyciae tenet dumeta natalemque silvam, Delius et Patareus Apollo. vis consili expers mole ruit sua, vim temperatam di quoque provehunt in maius, idem odere viris omne nefas animo moventis.

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Ihr seid es, die den erhabenen Caesar in der piërischen Grotte erquickt, wenn er die Mühen des Krieges beenden will und die kampferschöpften Kohorten in die Garnisonen verlegt hat. Ihr seid es, die behutsamen Rat verleihen und sich daran erfreuen, ihr Gütigen. Wissen wir doch, wie (jener Gott) die frevlerischen Titanen und ihre ungebärdige Schar mit seinem niederstürzenden Blitz vernichtet hat, der die ruhende Erde, das stürmische Meer, die Städte, das Reich der Trauer regiert und die Scharen der Götter und Menschen allein mit wohlgemessener Herrschaft lenkt. Beträchtlichen Schrecken hatten dem Jupiter jener armgewaltig verwegene Nachwuchs (der Gaia) und die Brüder eingejagt, die es versuchten, den Pelion auf den schattenreichen Olymp zu türmen. Doch was hätten Typhoeus und der starke Mimas oder was Porphyrion in seiner trutzigen Haltung, was Rhoetus und mit seinen entwurzelten Bäumen Enceladus, der verwegene Schleuderer, vermocht, wenn sie gegen den klirrenden Panzer der Pallas stürmten? Da stand auf der einen Seite beflissen Vulcanus, auf der anderen die Herrin Juno und der Gott, der nie von den Schultern den Köcher nimmt, der die losen Haare im reinen Wasser der Castalia gebadet hat, der in den Büschen Lykiens und in dem Hain seines Geburtsortes wohnt, Apollo von Delos und Patara. Kraft ohne Klugheit stürzt durch eigene Wucht; beherrschte Kraft aber steigern die Götter selber noch, und sie auch hassen jede Gewalt, die nichts als Unheil im Schilde führt.

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CARMINUM LIBER III

testis mearum centimanus Gyges sententiarum, notus et integrae temptator Orion Dianae virginea domitus sagitta. iniecta monstris Terra dolet suis maeretque partus fulmine luridum missos ad Orcum; nec peredit inpositam celer ignis Aetnen incontinentis nec Tityi iecur reliquit ales, nequitiae additus custos; amatorem trecentae Pirithoum cohibent catenae.

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c. 3,5 (VIII) CAELO TONANTEM credidimus Iovem regnare: praesens divus habebitur Augustus adiectis Britannis imperio gravibusque Persis. milesne Crassi coniuge barbara turpis maritus vixit et hostium – pro curia inversique mores! – consenuit socerorum in armis, sub rege Medo Marsus et Apulus, anciliorum et nominis et togae oblitus aeternaeque Vestae, incolumi Iove et urbe Roma? hoc caverat mens provida Reguli dissentientis condicionibus foedis et exemplo trahenti perniciem veniens in aevum, si non periret inmiserabilis captiva pubes: ›signa ego Punicis adfixa delubris et arma militibus sine caede‹ dixit

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Wie wahr meine Ansicht ist, das beweist der hundertarmige Gyges und der bekannte Orion, der die keusche Diana bedrängte und vom Pfeil der Jungfrau getroffen ward. Es trauert die Erde, auf ihre eigenen Ungeheuer gestürzt, und weint um ihre Kinder, die vom Blitz in den lichtlosen Orcus geschleudert sind; und den Ätna, der auf ihnen lastet, verzehrte das rasche Feuer nicht; der Leber des unbeherrschten Tityos ließ der Vogel, der der Bosheit zum Wächter gesetzt war, keine Ruhe; dreihundert Ketten fesseln den liebesdurstigen Pirithous.

Ode 3,5 Im Himmel, glaubten wir, herrscht Jupiter mit seinem Donner. Hier auf Erden wird als Gott Augustus gelten, wenn er dem Reich die Briten und die bedrohlichen Perser unterworfen hat. Hat wirklich je ein Legionär des Crassus in schimpflicher Ehe mit einer Barbarengattin gelebt und ist – o armer Senat! entartete Sitten! – alt geworden unter den Waffen des Schwiegervaters, des Feindes? Hat wirklich unter medischer Herrschaft ein Marser, ein Apulier zu leben und die heiligen Schilde, den Römernamen, die Toga, die ewige Vesta zu vergessen vermocht, während Jupiter herrschte und Rom noch stand? Dies hatte die weise Voraussicht des Regulus zu verhüten versucht, als er sich den entehrenden Bedingungen und einem Beispiel widersetzte, das Unheil für alle Zeiten nach sich gezogen hätte, wenn nicht die gefangene junge Mannschaft ohne Erbarmen dem Tod überliefert würde: »Ich habe«, sprach er, »römische Standarten gesehen, die an punischen Tempeln befestigt sind, und Waffen, die man den Legionären ohne Blutvergießen

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CARMINUM LIBER III

›derepta vidi, vidi ego civium retorta tergo bracchia libero portasque non clausas et arva Marte coli populata nostro. auro repensus scilicet acrior miles redibit: flagitio additis damnum. neque amissos colores lana refert medicata fuco nec vera virtus, cum semel excidit, curat reponi deterioribus; si pugnat extricata densis cerva plagis, erit ille fortis, qui perfidis se credidit hostibus, et Marte Poenos proteret altero, qui lora restrictis lacertis sensit iners timuitque mortem. hic unde vitam sumeret inscius, pacem duello miscuit: o pudor! o magna Carthago probrosis altior Italiae ruinis!‹

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fertur pudicae coniugis osculum parvosque natos ut capitis minor ab se removisse et virilem torvus humi posuisse voltum, donec labantis consilio patres firmaret auctor numquam alias dato interque maerentis amicos egregius properaret exul. atqui sciebat, quae sibi barbarus tortor pararet: non aliter tamen dimovit obstantis propinquos et populum reditus morantem,

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abgenommen hat; ich habe die Arme römischer Bürger auf freiem Rücken gefesselt gesehen, Tore, die nicht geschlossen waren, Felder, von unseren Waffen verwüstet und dennoch wieder bebaut. Meint ihr denn, Soldaten, die mit Gold zurückgekauft sind, kehrten mutiger heim? Nein, zur Schande fügt ihr noch den Schaden! Wolle, die ihre Farbe verloren hat, gewinnt sie nicht durch künstliche Tönung wieder, und wahrer Mannesmut, der einmal fortgeworfen ist, lässt sich nicht gern in den Entwerteten neu erwecken. Wenn eine Hirschkuh, die dem dichten Netz entronnen ist, sich neu zum Kampf stellt, dann wird auch der ein tapferer Krieger sein, der sich in die Hände heimtückischer Feinde gegeben hat, und es wird in einem neuen Krieg die Punier niederwerfen, wer ohne Widerstand die Riemen um seine eingeschnürten Arme gespürt und vor dem Tod gebangt hat. Denn wer nicht weiß, wie er sein Leben zu verdienen hat, der wirft auf diese Weise Kampf und Frieden durcheinander. O welche Schande! Wie groß ist da Karthago, erhoben durch die schmählichen Trümmer Italiens!« Man sagt, er habe den Kuss der züchtigen Gattin und seine Kinder wie ein Entehrter von sich abgewehrt und sein männliches Antlitz finster zur Erde geneigt, bis er die schwankenden Senatoren mit seinem Rat, wie niemals einer zuvor gegeben war, bestärkte und aus dem Kreis betrübter Freunde als ein Verbannter von überlegenem Rang enteilte. Wohl war ihm bewusst, was ihm der Feind an Folterungen bereithielt. Und doch schob er die Nächsten, die ihn hindern wollten, das Volk, das seine Rückkehr aufzuhalten suchte, nicht anders zur Seite,

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CARMINUM LIBER III

quam si clientum longa negotia diiudicata lite relinqueret tendens Venafranos in agros aut Lacedaemonium Tarentum.

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c. 3,6 (VIII) DELICTA MAIORUM inmeritus lues, Romane, donec templa refeceris aedisque labentis deorum et foeda nigro simulacra fumo. dis te minorem quod geris, imperas. hinc omne principium, huc refer exitum: di multa neglecti dederunt Hesperiae mala luctuosae. iam bis Monaeses et Pacori manus inauspicatos contudit impetus nostros et adiecisse praedam torquibus exiguis renidet; paene occupatam seditionibus delevit urbem Dacus et Aethiops, hic classe formidatus, ille missilibus melior sagittis. fecunda culpae saecula nuptias primum inquinavere et genus et domos: hoc fonte derivata clades in patriam populumque fluxit.

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motus doceri gaudet Ionicos matura virgo et fingitur artibus iam nunc et incestos amores de tenero meditatur ungui. mox iuniores quaerit adulteros inter mariti vina neque eligit cui donet inpermissa raptim gaudia luminibus remotis,

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als ob er nur nach einem Urteil des Gerichts den langen Händeln seiner Klienten den Rücken kehrte und sich auf seine venafrischen Güter oder in die Lakedämonierstadt Tarent zurückzog.

Ode 3,6 Ohne eigene Schuld wirst du die Sünden deiner Väter büßen, Römer, bis du die Tempel, die zerfallenden Heiligtümer der Götter und ihre rauchgeschwärzten Statuen wieder erneuert hast. Herrschen wirst du nur, solange du dich den Göttern unterwirfst! Dies sei dir aller Beginn, und dies das Ziel. Weil die Götter vergessen sind, haben sie dem schwergeprüften Westen viele Leiden auferlegt. Zweimal schon hat das bewaffnete Volk des Monaeses und des Pacorus die ohne Auspizien begonnenen Angriffe unserer Truppe zurückgeschlagen und freut sich, zu den bescheidenen Halsketten reiche Beute errungen zu haben. Beinahe hätten die Daker und Aethiopier die vom Parteienstreit beherrschte Stadt vernichtet, die einen ihrer Flotte wegen gefürchtet, die anderen überlegene Bogenschützen. Ein schuldbeladenes Jahrhundert hat zuerst die Ehen, Sippen und Familien beschmutzt. Hier ist die Quelle, aus der das Unglück über unsere Heimat und unser Volk sich ergossen hat. Mit Lust erlernt die reifende Jungfrau ionische Tänze, frühzeitig wird sie zur Kunst des Verführens erzogen und träumt schon im zarten Jugendalter von den Lüsten der Liebe. Bald hält sie selbst nach jüngeren Buhlen auf den Banketten ihres Gatten Ausschau und ist nicht wählerisch dabei, wem sie in Eile verbotene Freuden schenkt, sobald die Lichter hinausgetragen sind;

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sed iussa coram non sine conscio surgit marito, seu vocat institor seu navis Hispanae magister, dedecorum pretiosus emptor. non his iuventus orta parentibus infecit aequor sanguine Punico Pyrrhumque et ingentem cecidit Antiochum Hannibalemque dirum, sed rusticorum mascula militum proles, Sabellis docta ligonibus versare glaebas et severae matris ad arbitrium recisos

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portare fustis, sol ubi montium mutaret umbras et iuga demeret bubus fatigatis, amicum tempus agens abeunte curru. damnosa quid non inminuit dies? aetas parentum peior avis tulit nos nequiores, mox daturos progeniem vitiosiorem.

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c. 3,7 (III) QUID FLES, ASTERIE, quem tibi candidi primo restituent vere Favonii Thyna merce beatum, constantis iuvenem fide Gygen? ille Notis actus ad Oricum post insana Caprae sidera frigidas noctis non sine multis insomnis lacrimis agit. atqui sollicitae nuntius hospitae, suspirare Chloen et miseram tuis dicens ignibus uri, temptat mille vafer modis.

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doch aufgefordert in aller Offenheit und mit dem Wissen des Mannes geht sie vom Tisch, einerlei ob ein Geschäftsvertreter sie bittet oder ein spanischer Schiffskapitän, der die Schande mit hohem Preis bezahlt. Nicht eine Jugend, die von solchen Eltern stammt, hat das Meer mit punischem Blut gefärbt und Pyrrhus, den gewaltigen Antiochus und den schrecklichen Hannibal geschlagen, sondern der männliche Nachwuchs ländlicher Krieger, gelehrt, mit sabellischen Hacken die Schollen zu wenden und nach dem Geheiß einer strengen Mutter geschnittenes Scheitholz nach Hause zu schleppen, wenn die Abendsonne die Schatten der Berge verlängert und den müden Stieren das Joch vom Nacken nimmt, auf ihrem entgleitenden Wagen willkommene Stunden bringt. Was hat eine Zeit voll Entartung verschont gelassen? Die Generation der Väter, minder wertvoll als die der Ahnen, hat uns noch schlechter geschaffen; bald werden wir ein noch erbärmlicheres Geschlecht erzeugen.

Ode 3,7 Warum weinst du, Asteria, da dir doch mit dem Anfang des Lenzes der heitere Westwind deinen in Treue erprobten jungen Gyges mit bithynischer Ware beladen zurückbringt? Er, der vom Südsturm nach Oricum verschlagen ward, nachdem das rasende Gestirn der Ziege aufgegangen, verbringt die kalten Nächte schlaflos unter vielen Tränen. Doch ein Werber seiner Wirtin, der das Blut in Wallung geht, stellt ihn tückisch tausendfältig auf die Probe, sagt ihm, Chloë seufze verliebt und verzehre sich elend in einer Liebe, die dir gehört.

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ut Proetum mulier perfida credulum falsis inpulerit criminibus nimis casto Bellerophontae maturare necem refert, narrat paene datum Pelea Tartaro, Magnessam Hippolyten dum fugit abstinens, et peccare docentis fallax historias movet,

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frustra: nam scopulis surdior Icari voces audit adhuc integer. at tibi ne vicinus Enipeus plus iusto placeat cave, quamvis non alius flectere equum sciens aeque conspicitur gramine Martio nec quisquam citus aeque Tusco denatat alveo. prima nocte domum claude neque in vias sub cantu querulae despice tibiae et te saepe vocanti duram difficilis mane.

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c. 3,8 (VI) MARTIIS CAELEBS quid agam kalendis, quid velint flores et acerra turis plena miraris positusque carbo in caespite vivo, docte sermones utriusque linguae: voveram dulcis epulas et album Libero caprum prope funeratus arboris ictu. hic dies anno redeunte festus corticem adstrictum pice dimovebit amphorae fumum bibere institutae consule Tullo.

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Auch erzählt er, wie den arglosen Proetus sein ungetreues Weib mit erlogenen Beschuldigungen antrieb, den allzu keuschen Bellerophon sofort zu töten; sagt ihm auch, wie Peleus beinah in die Unterwelt geschickt ward, als er der Magnesierin Hippolyte enthaltsam aus dem Wege ging, und erinnert ihn mit List an Geschichten, die zur Sünde locken – vergeblich! Denn er hört die Versucherstimme mit tauberen Ohren als die Felsen des Icarus und ist noch ohne Schuld. Doch du nimm dich in Acht, dass dir der Nachbar Enipeus nicht besser gefällt, als es erlaubt ist, auch wenn man keinen anderen findet, der ebenso geschickt sein Pferd auf dem Marsfeldrasen voltigieren lässt, und niemand sonst so schnell das tuskische Flussbett durchschwimmt. Schließe die Tür, wenn die Nacht beginnt, und blicke nicht auf die Straße hinaus, wenn eine Blattflöte klagend singt! Bleib unzugänglich für ihn, wie oft er dich auch grausam nennt!

Ode 3,8 Was ich da treibe, unbeweibt, wie ich nun einmal bin, am ersten März? Was die Blumen sollen und das Kästchen voll Weihrauch und die Kohle auf grünem Rasenaltar? Da bist du verwundert, der du doch beide Sprachen zu sprechen gelernt hast! – Ich hatte dem Liber ein köstliches Mahl und einen weißen Bock gelobt, als mich beinahe ein Baum erschlug. Dieser Tag, durch Ablauf eines Jahres geheiligt, wird den pechversiegelten Kork entfernen von einem Krug, der unter dem Konsul Tullus bereits der Räucherung ausgesetzt war.

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sume, Maecenas, cyathos amici sospitis centum et vigiles lucernas perfer in lucem: procul omnis esto clamor et ira. mitte civilis super urbe curas: occidit Daci Cotisonis agmen, Medus infestus sibi luctuosis dissidet armis,

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servit Hispanae vetus hostis orae Cantaber sera domitus catena, iam Scythae laxo meditantur arcu cedere campis. neglegens, ne qua populus laboret, parce privatus nimium cavere et dona praesentis cape laetus horae: linque severa.

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c. 3,9 (IV) DONEC GRATUS ERAM tibi nec quisquam potior bracchia candidae cervici iuvenis dabat, Persarum vigui rege beatior. ‹donec non alia magis arsisti neque erat Lydia post Chloen, multi Lydia nominis Romana vigui clarior Ilia.› me nunc Thressa Chloe regit, dulcis docta modos et citharae sciens, pro qua non metuam mori, si parcent animae fata superstiti. ‹me torret face mutua Thurini Calais filius Ornyti, pro quo bis patiar mori, si parcent puero fata superstiti.›

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Nimm, Maecenas, hundert Becher von deinem geretteten Freund und halt im Lampenlicht bis an den Morgen aus! Fern bleibe jeglicher Lärm und Aufruhr! Lass die Sorgen des Politikers um die Stadt zuhause! Tot ist das Heer des Dakers Cotiso; mit leidbringenden Waffen stehen die Meder im Bürgerkrieg; als Sklave liegt der Cantabrer, der alte Feind an der spanischen Küste, spät bezwungen in Ketten; schon denken die Skythen daran, mit entspannten Bogen das Schlachtfeld zu verlassen. Frag nicht danach, wo etwa das Volk der Schuh drückt! Gib dich zwanglos als Mann ohne Pflichten und nimm mit Freude die Gaben der jetzigen Stunde: Fort mit dem Ernst!

Ode 3,9 Als ich dir noch willkommen war und kein Jüngling an meiner Statt die Arme um deinen weißen Nacken schlang, da schwelgte ich in höherem Glück als der König der Perser. – Als du noch in keine andre verliebter warst und Lydia nicht hinter Chloë zurückstand, strahlte der Name Lydia hell und ich schwelgte in höherem Ruhm als die Römerin Ilia. – Mich beherrscht zur Zeit die thrakische Chloë, die süße Lieder kennt und die Kithara zu spielen weiß, für die ich ohne Furcht den Tod erlitte, wenn das Schicksal dafür ihr Leben verschonte. – Mich versengt mit wechselseitiger Glut Calaïs, der Sohn des Thuriers Ornytus, für den ich zweimal zu sterben bereit bin, wenn das Schicksal dafür den Jüngling am Leben erhält. –

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CARMINUM LIBER III

quid si prisca redit Venus diductosque iugo cogit aeneo, si flava excutitur Chloe reiectaeque patet ianua Lydiae?

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‹quamquam sidere pulcrior ille est, tu levior cortice et inprobo iracundior Hadria, tecum vivere amem, tecum obeam lubens.›

c. 3,10 (II) EXTREMUM TANAIN si biberes, Lyce, saevo nupta viro, me tamen asperas porrectum ante foris obicere incolis plorares Aquilonibus. audis, quo strepitu ianua, quo nemus inter pulcra satum tecta remugiat ventis et positas ut glaciet nives puro numine Iuppiter? ingratam Veneri pone superbiam, ne currente retro funis eat rota: non te Penelopen difficilem procis Tyrrhenus genuit parens. o quamvis neque te munera nec preces nec tinctus viola pallor amantium nec vir Pieria paelice saucius curvat, supplicibus tuis parcas, nec rigida mollior aesculo nec Mauris animum mitior anguibus: non hoc semper erit liminis aut aquae caelestis patiens latus.

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Nun, wenn aber die alte Liebe wiederkehrte und die Getrennten mit ehernem Joch verbände? Wenn die blonde Chloë verstoßen würde und die Tür der verschmähten Lydia sich öffnete? – Gewiss ist der andere schöner als ein Stern, und du bist leichter als Kork und unbeherrschter als die schreckliche Adria – trotzdem lebte ich gern mit dir, stürbe ich gern mit dir.

Ode 3,10 Auch wenn du das Wasser des Don im äußersten Norden tränkest, Lyce, als Gattin eines grimmigen Mannes, würdest du doch mit Tränen erleben, wie ich, dem Nordsturm deiner Heimat ausgesetzt, auf deiner unnahbaren Schwelle liege. Hörst du, wie es an deiner Haustür rüttelt, wie die Bäume, die zwischen den hübschen Häusern gepflanzt sind, unter den Winden ächzen, wie Jupiter den gefallenen Schnee unter dem klaren Himmel zu Eis erstarren lässt? Gib den Stolz auf, den doch Venus nicht liebt! Sonst möchte das Seil bei rollendem Rad nach rückwärts gleiten. Dich hat dein tyrrhenischer Vater nicht als eine Freiern gegenüber spröde Penelope gezeugt. Wenn dich schon Geschenke und Bitten nicht rühren, auch nicht das veilchenfarbige Blass der Verliebten, auch nicht die Gier deines Gatten nach der piërischen Nebenbuhlerin, dann verschone wenigstens die, die zu dir um ihr Leben flehen, du Harte – härter als Eichenholz! du grausames Herz – grausam wie maurische Schlangen! Denn nicht ewig wird dieser Leib Schwelle und Regen ertragen!

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CARMINUM LIBER III

c. 3,11 (VI) MERCURI – NAM TE docilis magistro movit Amphion lapides canendo – tuque testudo resonare septem callida nervis, nec loquax olim neque grata, nunc et divitum mensis et amica templis: dic modos, Lyde quibus obstinatas adplicet auris, quae velut latis equa trima campis ludit exsultim metuitque tangi nuptiarum expers et adhuc protervo cruda marito. tu potes tigris comitesque silvas ducere et rivos celeres morari; cessit immanis tibi blandienti ianitor aulae; [Cerberus, quamvis furiale centum muniant angues caput eius atque spiritus taeter saniesque manet ore trilingui;]

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quin et Ixion Tityosque voltu risit invito; stetit urna paulum sicca, dum grato Danai puellas carmine mulces. audiat Lyde scelus atque notas virginum poenas et inane lymphae dolium fundo pereuntis imo seraque fata, quae manent culpas etiam sub Orco: inpiae – nam quid potuere maius? –, inpiae sponsos potuere duro perdere ferro.

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Ode 3,11 Merkur (du warst ja der Lehrer des gelehrigen Amphion, der mit seinem Gesang die Steine bewegte), und du, mein Schildkrötenpanzer, der du mit sieben Saiten zu klingen verstehst, früher weder gesprächig noch sehr geschätzt, doch jetzt an den Tafeln der Reichen und in den Tempeln willkommen: Lass Weisen tönen, denen Lyde ihr sprödes Ohr leiht, sie, die einem dreijährigen Füllen gleich auf den weiten Feldern tollend umherspielt und sich vor jeder Berührung scheut, noch ohne alle Liebeserfahrung und bis heute von keinem zudringlichen Mann erobert. Du vermagst es, Tiger und Bäume auf deinem Wege zu führen und eilige Bäche aufzuhalten, und wenn du locktest, wurde der Pförtner der schrecklichen Halle gefügig; [Cerberus, mag ihm auch das Furienhaupt mit hundert Schlangen bewehrt sein und aus seinem dreizüngigen Maule stinkender Atem und Geifer triefen;] ja es lächelten wider Willen sogar Ixion und Tityos; ein Weilchen ruhte die Urne ohne Wasser, während du die Danaustöchter mit deinem schmeichelnden Lied betörtest. Hören möge Lyde von der Schuld und der berühmten Buße der Mädchen, von dem Fass, das ewig leer bleibt, weil unten auf dem Grund das Wasser entschwindet, und von dem späten Verhängnis, das die Schuldigen noch im Orcus erwartet. Ruchlos – denn was hätten sie Schlimmeres sonst vermocht! –, ruchlos brachten sie es zuwege, ihre Verlobten mit dem harten Stahl umzubringen.

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una de multis face nuptiali digna periurum fuit in parentem splendide mendax et in omne virgo nobilis aevom, ›surge‹ quae dixit iuveni marito, ›surge, ne longus tibi somnus unde non times detur; socerum et scelestas falle sorores,

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quae velut nactae vitulos leaenae singulos eheu lacerant: ego illis mollior nec te feriam neque intra claustra tenebo. me pater saevis oneret catenis, quod viro clemens misero peperci, me vel extremos Numidarum in agros classe releget: i pedes quo te rapiunt et aurae, dum favet nox et Venus, i secundo omine et nostri memorem sepulcro scalpe querelam.‹

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c. 3,12 (XIII) MISERARUM EST neque amori dare ludum neque dulci mala vino lavere, aut exanimari metuentis patruae verbera linguae. tibi qualum Cythereae puer ales, tibi telas operosaeque Minervae studium aufert, Neobule, Liparaei nitor Hebri, simul unctos Tiberinis umeros lavit in undis, eques ipso melior Bellerophonte, neque pugno neque segni pede victus,

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Eine nur von den vielen, der Hochzeitsfackel würdig, täuschte herrlich den eidvergessenen Vater, und ewiger Ruhm gebührt dieser Jungfrau, die – »Steh auf!« – ihren jungen Gatten also ansprach: »Steh auf, damit dir nicht ein langer Schlaf gegeben wird, woher du ihn am wenigsten erwartest! Täusche deinen Schwiegervater und meine verbrecherischen Schwestern, die je ihren Mann ach zerfleischen, als wären sie Löwinnen, die sich auf Kälber stürzen! Ich bin nicht hart wie sie; so kann ich dich nicht töten noch in der verschlossenen Kammer halten. Mag mein Vater mich an grausame Ketten hängen, weil ich aus Erbarmen einen armen Mann verschonte; mag er mich mit seinen Schiffen an den fernsten Rand Numidiens verbannen: Flieh, wohin dich deine Füße und die Winde tragen, solang die Nacht und Venus dich beschützen! Flieh unter gutem Vorzeichen und meißle auf mein Grab ein Klagelied zu meinem Angedenken!«

Ode 3,12 Wie arm sind Mädchen dran, die weder der Liebe freien Lauf gewähren noch ihr Leid im süßen Wein ertränken dürfen oder andernfalls die scheltenden Worte des Onkels fürchten müssen! Dir stiehlt der geflügelte Sohn der Aphrodite den Wollkorb, den Webstuhl und die Neigung zu der arbeitsliebenden Minerva aus dem Herzen, Neobule, die strahlende Schönheit des Hebrus von den liparischen Inseln, sobald er seine geölten Schultern in die Fluten des Tibers taucht – ein Reiter, besser als selbst Bellerophon, im Faustkampf und im Wettlauf unbesiegt;

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CARMINUM LIBER III

catus idem per apertum fugientis agitato grege cervos iaculari et celer arto latitantem fruticeto excipere aprum.

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c. 3,13 (III) O FONS BANDUSIAE, splendidior vitro, dulci digne mero non sine floribus, cras donaberis haedo, cui frons turgida cornibus primis et venerem et proelia destinat – frustra, nam gelidos inficiet tibi rubro sanguine rivos lascivi suboles gregis. te flagrantis atrox hora Caniculae nescit tangere, tu frigus amabile fessis vomere tauris praebes et pecori vago. fies nobilium tu quoque fontium me dicente cavis inpositam ilicem saxis, unde loquaces lymphae desiliunt tuae.

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c. 3,14 (VI) HERCULIS RITU modo dictus, o plebs, morte venalem petiisse laurum Caesar Hispana repetit penatis victor ab ora. unico gaudens mulier marito prodeat iustis operata sacris et soror clari ducis et decorae supplice vitta

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auch versteht er trefflich die Hirsche, wenn sie über die Wildbahn fliehen, mit der aufgescheuchten Meute zu erjagen und den Eber, der sich im Dickicht des Unterholzes birgt, mit raschem Zugriff aufzuspießen.

Ode 3,13 O Bandusia, du glasklarer Quell, süßen Weins und blühender Blumen würdig, morgen sollst du ein Böcklein haben, dem die Stirn schon von den ersten Hörnern schwillt und Liebeslust und Kämpfe verheißt – vergebens freilich, denn der Spross der geilen Herde wird mit seinem roten Blut deine kühlen Wellen verfärben. Von der schrecklichen Stunde des sengenden Hundssterns wirst du nie berührt; du schenkst den müden Stieren nach dem Pflügen und den weidenden Schafen sanfte Kühle. Unter die berühmten Quellen wirst auch du gehören, wenn ich die Eiche über den ausgehöhlten Felsen rühme, von denen deine murmelnden Wasser niederspringen.

Ode 3,14 Caesar (dies erfuhren wir vor kurzem) hat wie Hercules den Lorbeer, den man nur mit dem Einsatz seines Lebens verdient, errungen; jetzt, ihr Bürger, kehrt er als Sieger von der Küste Spaniens heim. Die Gattin gehe als Erste freudig dem einzig geliebten Manne entgegen, wenn sie die schuldigen Opfer gespendet hat, mit ihr die Schwester des strahlenden Feldherrn, und, im Schmuck der Opferbinden,

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CARMINUM LIBER III

virginum matres iuvenumque nuper sospitum; vos, o pueri et puellae iam virum expertae, male nominatis parcite verbis. hic dies vere mihi festus atras exiget curas: ego non tumultum nec mori per vim metuam tenente Caesare terras. i pete unguentum, puer, et coronas et cadum Marsi memorem duelli, Spartacum siqua potuit vagantem fallere testa.

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dic et argutae properet Neaerae murreum nodo cohibere crinem: si per invisum mora ianitorem fiet – abito. lenit albescens animos capillus litium et rixae cupidos protervae: non ego hoc ferrem calidus iuventa consule Planco.

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c. 3,15 (IV) VXOR PAUPERIS IBYCI, tandem nequitiae fige modum tuae famosisque laboribus; maturo propior desine funeri inter ludere virgines et stellis nebulam spargere candidis. non, siquid Pholoen satis, et te, Chlori, decet: filia rectius expugnat iuvenum domos, pulso Thyias uti concita tympano. illam cogit amor Nothi lascivae similem ludere capreae:

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die Mütter der Mädchen und der eben geretteten jungen Männer; ihr Knaben aber und ihr jungen Frauen, die ihr auch schon einen Mann erfahren habt, hütet euch, unglückbringende Worte zu sprechen! Dieser Tag, ein wirklicher Festtag, wird mich von düsteren Sorgen erlösen: nun, da Caesar die Welt in Händen hält, werde ich weder Aufruhr noch Tod durch Gewalt zu fürchten haben. Los, Bursche! Hol mir Salböl, Kränze und einen Weinkrug, der noch den Marserkrieg erlebt hat – falls überhaupt ein Gefäß den Plünderzügen des Spartacus zu entgehen vermochte! Sag auch der sangeskundigen Neaera, sie soll rasch ihr dunkelblondes Haar zum Knoten binden! Sollte dich aber der mürrische Pförtner anzuhalten versuchen, dann gehe still deines Weges! Denn das ergrauende Haar besänftigt mein Gemüt, das sonst auf Zank und gewagten Streit versessen war; wäre ich heute noch hitzig-jung und wäre noch Plancus Konsul, ich würde es nicht ertragen!

Ode 3,15 Gattin des armen Ibycus, setze endlich deinem schlimmen Treiben und deinen stadtbekannten Bemühungen ein Ende! Einem zeitgerechten Tode bist du nicht mehr so fern; drum höre doch auf, unter den jungen Mädchen zu flanieren und unter die leuchtenden Sterne einen Nebel zu mischen! Wenn sich etwas für Pholoë ziemt, liebe Chloris, so ziemt es sich nicht auch für dich; mit besserem Recht erobert sich deine Tochter die Häuser junger Männer wie eine wilde Thyiade mit lärmendem Tamburin; die Liebe zu Nothus treibt sie, wie ein munteres Reh zu springen;

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te lanae prope nobilem tonsae Luceriam, non citharae decent nec flos purpureus rosae nec poti vetulam faece tenus cadi.

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c. 3,16 (II) INCLUSAM DANAEN turris aenea robustaeque fores et vigilum canum tristes excubiae munierant satis nocturnis ab adulteris, si non Acrisium virginis abditae custodem pavidum Iuppiter et Venus risissent: fore enim tutum iter et patens converso in pretium deo. aurum per medios ire satellites et perrumpere amat saxa potentius ictu fulmineo; concidit auguris Argivi domus ob lucrum demersa exitio; diffidit urbium portas vir Macedo et subruit aemulos reges muneribus; munera navium saevos inlaqueant duces. crescentem sequitur cura pecuniam maiorumque fames: iure perhorrui late conspicuum tollere verticem, Maecenas, equitum decus.

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quanto quisque sibi plura negaverit, ab dis plura feret: nil cupientium nudus castra peto et transfuga divitum partis linquere gestio, contemptae dominus splendidior rei, quam si quidquid arat inpiger Apulus occultare meis dicerer horreis, magnas inter opes inops.

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zu dir dagegen passt die Wolle, die man bei dem hochedlen Luceria geschoren hat, aber nicht die Kithara und die purpurne Rosenblüte, auch nicht bis zum Grund geleerte Krüge; denn du bist ein altes Weib!

Ode 3,16 Ein Turm aus Erz, ein kräftiges Tor und das grimmige Lauern wachsamer Hunde hätten genügt, die eingeschlossene Danaë gegen nächtliche Buhlen zu sichern, hätten nicht den Acrisius, den ängstlichen Wächter des verborgenen Mädchens, Jupiter und Venus genarrt. Sie wussten ja: Ungefährlich und frei werde der Zugang dem Gott, wenn er sich erst in Gold verwandle. Gold pflegt mitten durch jede Leibwache zu gelangen und Steine zu durchdringen, denn es ist mächtiger als der Blitzschlag. So ist das Haus des Sehers von Argos um des Gewinnes willen ins Verderben gestürzt; so hat der Mann aus Mazedonien Stadttore gesprengt und seinen Gegnern im Kampf um den Thron durch Geschenke den Boden entzogen; so umgarnen Geschenke gefährliche Flottenführer. Ein wachsendes Vermögen zieht Sorge und Gier auf mehr Besitz nach sich; mit guten Gründen scheute ich mich, das Haupt zu weithin sichtbarer Höhe zu recken, Maecenas, bester der Ritter! Je mehr sich einer versagt, umso mehr wird er von den Göttern erhalten. Nackt und bloß eile ich ins Lager derer, die nichts begehren, und lasse als eifriger Überläufer die Partei der Reichen hinter mir; denn über mein geringes Gut herrsche ich mit größerem Stolz, als wenn man von mir rühmen könnte, dass ich alles, was der fleißige Apuler ackert, in meine Scheuern sammle – mitten im Reichtum ein armer Mann.

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purae rivos aquae silvaque iugerum paucorum et segetis certa fides meae fulgentem imperio fertilis Africae fallit sorte beatior. quamquam nec Calabrae mella ferunt apes nec Laestrygonia Bacchus in amphora languescit mihi nec pinguia Gallicis crescunt vellera pascuis, inportuna tamen pauperies abest nec, si plura velim, tu dare deneges. contracto melius parva cupidine vectigalia porrigam,

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quam si Mygdoniis regnum Alyattei campis continuem. multa petentibus desunt multa: bene est cui deus obtulit parca quod satis est manu.

c. 3,17 (VIII) AELI VETUSTO nobilis ab Lamo – quando et priores hinc Lamias ferunt denominatos et nepotum per memores genus omne fastus auctore ab illo ducit originem, qui Formiarum moenia dicitur princeps et innantem Maricae litoribus tenuisse Lirim late tyrannus – : cras foliis nemus multis et alga litus inutili demissa tempestas ab Euro sternet, aquae nisi fallit augur annosa cornix: dum potes, aridum conpone lignum: cras genium mero curabis et porco bimenstri cum famulis operum solutis.

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Ein Bach mit lauterem Wasser, ein Wald von wenigen Joch und der sichere Verlass auf meinen Acker bleibt dem, der sich der Herrschaft über das reiche Africa rühmt, als größeres Glück verborgen. Freilich sammeln für mich keine calabrischen Bienen den Honig, wird mir kein Wein in laestrygonischen Krügen reif, wächst mir nicht üppige Wolle auf gallischen Weidegründen; aber quälende Armut kenne ich nicht, und wenn ich mehr zu besitzen wünschte, so würdest du es mir nicht versagen. Da ich den Drang nach Besitz begrenze, werde ich meinen bescheidenen Gewinn leichter vermehren, als wenn ich in der mygdonischen Ebene ein ganzes Königreich wie Alyattes beherrschte. Wer allzu viel will, dem wird vieles fehlen. Glücklich ist, wem ein Gott mit sparsamer Hand gewährt, was ihm genügt.

Ode 3,17 Aelius, großer Spross des alten Lamus – denn es heißt, dass alle früheren Lamier von ihm ihren Namen hatten und die ganze Familie, wie sie die gedächtniswahrenden Listen der Nachfahren verzeichnen, ihren Ursprung von ihm herleite als ihrem Stammesgründer, der zuerst als weithin herrschender Tyrann die Festung Formiae und den zur Küste der Marica strömenden Liris besessen haben soll – : Morgen wird ein Sturm, von Südosten einbrechend, den Wald mit massenhaft Blättern, den Strand mit wertlosem Tang übersäen, wenn der Regenprophet nicht trügt, die alte Krähe. So staple trockenes Holz, solange du noch kannst; morgen wirst du Geburtstag feiern mit Wein und einem Ferkel von zwei Monaten im Kreise deiner arbeitsfreien Sklaven!

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c. 3,18 (VI) FAUNE, NYMPHARUM fugientum amator, per meos finis et aprica rura lenis incedas abeasque parvis aequus alumnis, si tener pleno cadit haedus anno larga nec desunt Veneris sodali vina creterrae, vetus ara multo fumat odore.

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ludit herboso pecus omne campo, cum tibi nonae redeunt Decembres; festus in pratis vacat otioso cum bove pagus; inter audacis lupus errat agnos, spargit agrestis tibi silva frondes, gaudet invisam pepulisse fossor ter pede terram.

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c. 3,19 (IV) QUANTUM DISTET ab Inacho Codrus pro patria non timidus mori, narras et genus Aeaci et pugnata sacro bella sub Ilio: quo Chium pretio cadum mercemur, quis aquam temperet ignibus, quo praebente domum et quota Paelignis caream frigoribus, taces. da lunae propere novae, da noctis mediae, da, puer, auguris Murenae: tribus aut novem miscentur cyathis pocula commodis.

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Ode 3,18 O Faunus, der du lüstern nach fliehenden Nymphen jagst, dein Kommen und dein Gehen über meine Flur und meine sonnigen Äcker sei sanft und voll Huld für deine kleinen Zöglinge; denn immer fällt dir nach Ablauf eines Jahres ein zartes Böcklein; auch fehlt’s dem Zechkrug, der zu Venus gehört, nicht an reichlichen Weinen, und der alte Opferstein dampft von vielerlei Düften. Jegliches Vieh freut sich an den kräuterreichen Auen, wenn dein fünfter Dezember wiederkehrt; festlich feiert auf den Wiesen der Gau mit den Rindern, die von der Arbeit befreit sind; unter unbekümmerten Lämmern streift der Wolf, gern streut dir der Wald sein ländliches Laub auf den Weg, und mit Vergnügen stampft der Ackersmann seine Quälerin Erde im dreiteiligen Takte.

Ode 3,19 Wie viele Jahre zwischen Inachus und Codrus liegen, der tapfer für seine Heimat starb, davon erzählst du uns, und wer zum Geschlecht des Aeacus zählt und welche Kämpfe man vor dem heiligen Ilion ausfocht; aber wie viel wir für einen Krug voll Chierwein bezahlen sollen, wer das Wasser am Feuer erhitzen soll, wer uns gastlich sein Haus eröffnet und wann, damit ich dem pälignischen Frost entgehe, davon sagst du kein Wort! – Schnell, mein Junge, gieß mir einen Becher für den neuen Mond, einen für die Mitternacht, einen für den Augur Murena ein! Denn aus drei oder auch aus neun wohlgemessenen Bechern mischt man einen Humpen:

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qui Musas amat imparis, ternos ter cyathos attonitus petet vates; tris prohibet supra rixarum metuens tangere Gratia nudis iuncta sororibus: insanire iuvat: cur Berecyntiae cessant flamina tibiae? cur pendet tacita fistula cum lyra?

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parcentis ego dexteras odi: sparge rosas. audiat invidus dementem strepitum Lycus et vicina seni non habilis Lyco. spissa te nitidum coma, puro te similem, Telephe, Vespero tempestiva petit Rhode: me lentus Glycerae torret amor meae.

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c. 3,20 (VI) NON VIDES, QUANTO moveas periclo, Pyrrhe, Gaetulae catulos leaenae? dura post paulo fugies inaudax proelia raptor, cum per obstantis iuvenum catervas ibit insignem repetens Nearchum, grande certamen, tibi praeda cedat, maior an illa. interim, dum tu celeris sagittas promis, haec dentis acuit timendos, arbiter pugnae posuisse nudo sub pede palmam

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Der Dichter, der die Musen mit ihrer ungeraden Zahl verehrt, wird in seiner Begeisterung dreimal drei Becher verlangen; mehr als drei zu nehmen verbietet aber die Grazie, die Zank und Streit verabscheut, gemeinsam mit ihren nackten Schwestern. Ausgelassen wollen wir sein – wo bleibt das Blasen der berecyntischen Blattflöte? Warum hängt die Pfeife noch samt der schweigenden Leier an der Wand? Sparsame Hände sind mir verhasst: Los, streue Rosen aus! Voller Neid soll Lycus das tolle Lärmen vernehmen, und auch die Nachbarin, die zu dem alten Lycus ja gar nicht passt. In dich, mein Telephus, mit deinen dichten Haaren schön wie der leuchtende Abendstern, ist Rhode, ihrem Alter gemäß, verliebt; an mir aber zehrt die anhaltende Sehnsucht nach meiner Glycera.

Ode 3,20 Pyrrhus, siehst du denn nicht, wie gefährlich es ist, der gätulischen Löwin die Jungen zu stehlen? Schon bald wirst du nach harten Kämpfen als eingeschüchterter Räuber die Flucht ergreifen, wenn sie mitten durch die feindlichen Jungscharen schreitet, um ihren schönen Nearchus zurückzuholen, und die schwere Entscheidung naht, ob dir die Beute gehört oder ob sie sich behauptet. Unterdessen freilich, während du deine schnellen Pfeile hervorholst und sie ihre schrecklichen Zähne wetzt, tritt er selber, der den Ausgang entscheidet, mit nacktem Fuß auf die Siegespalme –

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fertur et leni recreare vento sparsum odoratis umerum capillis qualis aut Nireus fuit aut aquosa raptus ab Ida.

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c. 3,21 (VIII) O NATA MECUM consule Manlio, seu tu querellas sive geris iocos seu rixam et insanos amores seu facilem, pia testa, somnum, quocumque lectum nomine Massicum servas, moveri digna bono die descende Corvino iubente promere languidiora vina. non ille, quamquam Socraticis madet sermonibus, te neglegit horridus: narratur et prisci Catonis saepe mero caluisse virtus. tu lene tormentum ingenio admoves plerumque duro, tu sapientium curas et arcanum iocoso consilium retegis Lyaeo, tu spem reducis mentibus anxiis virisque et addis cornua pauperi post te neque iratos trementi regum apices neque militum arma. te Liber et si laeta aderit Venus segnesque nodum solvere Gratiae vivaeque producent lucernae, dum rediens fugat astra Phoebus.

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wie man so hört – und lässt sich die Schulter unter den duftenden Haaren vom sanften Windhauch befächeln – ganz wie ehedem Nireus oder wie der am quellreichen Ida geraubte Knabe.

Ode 3,21 Du treuer Tonkrug, der du zugleich mit mir im Konsulat des Manlius entstanden bist – magst du nun Klagen enthalten oder Scherze, Streit und hemmungslose Verliebtheit oder einen erquickenden Schlaf, wie immer auch der Massikerjahrgang heißen mag, den du verwahrst, du bist es wert, an einem Glückstag angebrochen zu werden. So komm denn herab, dieweil Corvinus befiehlt, einen milderen Wein hervorzuholen! Zwar fließen ihm sokratische Reden von den Lippen, doch ist er nicht so starren Gemüts, dich zu verachten; oft soll ja auch die Strenge des alten Cato am Wein sich begeistert haben. Du unterwirfst einen Geist, der sich sonst nicht gerne beugt, einem sanften Zwang; du bringst die Gedanken der Weisen und manche geheime Absicht durch einen heiteren Lösetrunk ans Licht; du gibst verzagten Herzen neue Hoffnung, dem Mittellosen Kräfte und frischen Mut, dass er in deinem Schutze weder den grimmigen Hochmut von Königskronen noch die Waffen der Kriegsknechte fürchtet. Dich werden Liber und Venus (falls sie mit ihrem Lächeln kommt) und die Grazien, die ein geknüpftes Band nur ungern lösen, und auch die lebhaft brennenden Lampen bei uns verweilen lassen, bis die wiederkehrende Sonne die Sterne verscheucht.

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c. 3,22 (VI) MONTIUM CUSTOS nemorumque, virgo, quae laborantis utero puellas ter vocata audis adimisque leto, diva triformis, imminens villae tua pinus esto, quam per exactos ego laetus annos verris obliquom meditantis ictum sanguine donem.

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c. 3,23 (VIII) CAELO SUPINAS si tuleris manus nascente Luna, rustica Phidyle, si ture placaris et horna fruge Lares avidaque porca, nec pestilentem sentiet Africum fecunda vitis nec sterilem seges robiginem aut dulces alumni pomifero grave tempus anno. nam quae nivali pascitur Algido devota quercus inter et ilices aut crescit Albanis in herbis victima, pontificum securis cervice tinguet; te nihil attinet temptare multa caede bidentium parvos coronantem marino rore deos fragilique myrto. inmunis aram si tetigit manus, non sumptuosa blandior hostia, mollivit aversos Penatis farre pio et saliente mica.

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Ode 3,22 Hüterin der Berge und Wälder, Jungfrau, die du den in Wehen liegenden jungen Frauen, wenn sie dich dreimal rufen, Gehör schenkst und sie vor dem Tode bewahrst, du dreigestaltige Göttin, dir gehöre die Pinie, die über mein Landhaus ragt; ich will sie heiteren Sinnes nach je abgelaufenem Jahr mit dem Blut eines jungen Ebers beschenken, der schon auf Stöße von der Seite sinnt.

Ode 3,23 Wenn du bei Neumond betend die Hände zum Himmel hebst, Bäuerin Phidyle, wenn du mit Weihrauch, mit heuriger Feldfrucht und einem gefräßigen Ferkel die Laren verehrst, wird die trächtige Rebe den tödlichen Südwind nicht verspüren noch die Saat den Rost, der die Keime zerstört, noch die süßen Lämmer die drückende Zeit des reifenden Obstes (im Herbst). Denn ein geweihtes Opfertier, das am schneereichen Algidus zwischen den Eichen und Ilexbäumen oder auf den Wiesen von Alba heranwächst, wird die Beile der Priester mit dem Blut seines Nackens färben. Deine Sache ist’s nicht, mit einer Massenschlachtung von Schafen den kleinen Göttern zu nahen, wenn du sie mit Rosmarin und zerbrechlicher Myrte schmückst; wenn eine bloße Hand den Altar berührt, dann wohnt auch in den üppigsten Opfern kein stärkerer Anreiz, den Zorn der Penaten zu glätten, als in dem fromm gespendeten Mehl und einem Körnchen Salz.

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c. 3,24 (IV) INTACTIS OPULENTIOR thesauris Arabum et divitis Indiae caementis licet occupes terrenum omne tuis et mare publicum: si figit adamantinos summis verticibus dira Necessitas clavos, non animum metu, non mortis laqueis expedies caput. campestres melius Scythae, quorum plaustra vagas rite trahunt domos, vivunt et rigidi Getae, inmetata quibus iugera liberas fruges et Cererem ferunt nec cultura placet longior annua defunctumque laboribus aequali recreat sorte vicarius. illic matre carentibus privignis mulier temperat innocens nec dotata regit virum coniunx nec nitido fidit adultero;

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dos est magna parentium virtus et metuens alterius viri certo foedere castitas, et peccare nefas, aut pretium est mori. o quisquis volet inpias caedis et rabiem tollere civicam, si quaeret pater urbium subscribi statuis, indomitam audeat refrenare licentiam, clarus postgenitis, quatenus, heu nefas, virtutem incolumem odimus, sublatam ex oculis quaerimus invidi.

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Ode 3,24 Reicher als Arabiens ungehobene Schätze und die des unerschöpflichen Indien, magst du jegliches Fruchtland und auch das allen gehörige Meer mit deinen Bauten belegen: Wenn die unerbittliche Notwendigkeit die eisernen Nägel in den obersten Giebel schlägt, wirst du weder das Herz der Angst noch deinen Kopf der Schlinge des Todes entziehen. Ein besseres Leben führen die skythischen Steppenvölker, deren Wagen nach Landesbrauch die wandernden Behausungen mit sich führen, und die zähen Geten, denen die noch unvermessenen Ländereien zu freier Verfügung Früchte und Getreide schenken, die nicht länger als ein Jahr das Feld bebauen und bei denen jeder, wenn er von der Arbeit müde wird, sich erholen kann, weil ein Ersatzmann ihn mit gleichem Anteil ablöst. Dort behandeln die redlichen Frauen auch Stiefkinder, die ihre Mutter verloren haben, mit Schonung; dort beherrscht nicht die Gattin kraft ihrer Mitgift den Mann und gibt sich in die Hand eines schmucken Geliebten; dort ist die größte Mitgift die Leistung der Väter und eine Keuschheit, die in zuverlässiger Treue dem Nebenbuhler aus dem Wege geht: Sich zu vergehen ist verpönt, oder es wird mit dem Tode bezahlt. Ja, wer immer das ruchlose Blutvergießen und den Wahnsinn des Bürgerzwistes beenden will, wenn er auf Ehrensäulen der Städte als »Vater« bezeichnet zu werden begehrt, der habe den Mut, die ungebändigte Willkür zu zügeln – ruhmvoll freilich erst bei den Nachgeborenen, da wir, leider, die Tugend hassen, solange sie unter uns lebt, doch neidvoll vermissen, sobald sie unseren Augen entschwunden ist.

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quid tristes querimoniae, si non supplicio culpa reciditur, quid leges sine moribus vanae proficiunt, si neque fervidis pars inclusa caloribus mundi nec Boreae finitimum latus durataeque solo nives mercatorem abigunt, horrida callidi

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vincunt aequora navitae, magnum pauperies opprobrium iubet quidvis et facere et pati virtutisque viam deserit arduae? vel nos in Capitolium, quo clamor vocat et turba faventium, vel nos in mare proximum gemmas et lapides aurum et inutile, summi materiem mali, mittamus, scelerum si bene paenitet. eradenda cupidinis pravi sunt elementa et tenerae nimis mentes asperioribus formandae studiis. nescit equo rudis haerere ingenuus puer venarique timet, ludere doctior, seu Graeco iubeas trocho seu malis vetita legibus alea, cum periura patris fides consortem socium fallat et hospites indignoque pecuniam heredi properet. scilicet inprobae crescunt divitiae, tamen curtae nescio quid semper abest rei.

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Was nützt wehleidiges Klagen, wenn man der Bosheit nicht das Haupt abschlägt? Was fruchten unwirksame Gesetze, die keine Sitte mehr trägt, wenn weder der von der glühenden Sonnenhitze umschlossene Teil der Welt noch das Gebiet, das an den Nordwind grenzt, und ewig den Boden bedeckender Schnee den Händler abzuschrecken vermögen, wenn die Meister der Seefahrt gefährliche Meere bezwingen, wenn die lastende Schande, die die Armut begleitet, uns alles Erdenkliche tun und ertragen heißt und den steilen Weg der Tugend hinter sich lässt? So lasst sie uns denn zum Capitol hinbringen, wo das Rufen und Drängen des beifallspendenden Volkes sie willkommen heißt, oder ins nächste Meer versenken – alle die Edelsteine und das wertlose Gold, den Ursprung jeglichen Übels, sofern wir echte Reue über unsere Schuld empfinden! Es gilt, die ersten Spuren verkehrter Habgier auszurotten und die allzu verzärtelten Gemüter mit strengeren Übungen zu erziehen. Denn ein verzogenes Jüngelchen weiß sich nicht auf dem Pferd zu halten, weil es dies nie gelernt hat, und fürchtet sich vor der Jagd, weil es besser versteht zu spielen, sei’s mit dem griechischen Schellenrad, sei’s mit den Würfeln, die das Gesetz verbietet, während sein Vater mit Hinterlist seinen Geschäftsfreund und seine Gäste betrügt und nach Geld für einen unwürdigen Erben jagt: Gewiss, das ruchlos erworbene Gut wächst an; doch immer fehlt noch irgendetwas dem knappen Besitz.

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c. 3,25 (IV) QUO ME, BACCHE, RAPIS tui plenum? quae nemora aut quos agor in specus velox mente nova? quibus antris egregii Caesaris audiar aeternum meditans decus stellis inserere et consilio Iovis? dicam insigne, recens, adhuc indictum ore alio. non secus in iugis exsomnis stupet Euhias Hebrum prospiciens et nive candidam Thracen ac pede barbaro lustratam Rhodopen, ut mihi devio ripas et vacuum nemus mirari libet. o Naiadum potens Baccharumque valentium proceras manibus vertere fraxinos, nil parvum aut humili modo, nil mortale loquar. dulce periculum est, o Lenaee, sequi deum cingentem viridi tempora pampino.

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c. 3,26 (VIII) VIXI PUELLIS nuper idoneus et militavi non sine gloria: nunc arma defunctumque bello barbiton hic paries habebit, laevom marinae qui Veneris latus custodit: hic, hic ponite lucida funalia et vectis et arcus oppositis foribus minacis.

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Ode 3,25 Bacchus, der du mich ganz erfüllst – wohin entführst du mich? Ein neuer Geist beflügelt mich – zu welchen Hainen, welchen Höhlen? In welchen Grotten wird mein Lied erklingen, wenn ich des herrlichen Caesars unsterblichen Glanz unter die Sterne und in Jupiters Rat zu versetzen bemüht bin? Denn etwas Großes, Neues, nie von anderem Mund Gesagtes werde ich künden. Nicht anders steht auf den Höhen gebannt die schlaflose Bacchantin, wenn sie auf den Hebrus, auf das schneebedeckte Thrakien, auf das Rhodopegebirge blickt, in das allein Barbarenfüße dringen, als es mir beliebt, abseits vom Wege staunend auf die menschenleeren Ufer und Wälder hinzublicken. Du Gebieter der Najaden und Mänaden, die mit starken Händen ragende Eschen zu entwurzeln fähig sind: Nichts Geringes will ich singen, nichts in schlichter Weise, nichts Vergängliches. Ein köstliches Wagnis ist es, o Lenaeus, dem Gott zu folgen, die Schläfen mit grünem Weinlaub bekränzt.

Ode 3,26 Vor kurzem noch war ich ein Mann, der den Mädchen gefallen konnte, und habe nicht ohne Ruhm »gekämpft«; jetzt aber werden meine Waffen und die Leier, die im Felde ihre Pflicht getan hat, an dieser Mauer hangen, die die linke Seite der meerentsprossenen Venus beschützt: hier, hier legt sie nieder, die leuchtenden Fackeln und Stangen und Bögen, die den verschlossenen Türen drohten!

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o quae beatam diva tenes Cyprum et Memphin carentem Sithonia nive, regina, sublimi flagello tange Chloen semel arrogantem.

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c. 3,27 (VI) INPIOS PARRAE recinentis omen ducat et praegnans canis aut ab agro rava decurrens lupa Lanuvino fetaque volpes; rumpat et serpens iter institutum, si per obliquom similis sagittae terruit mannos. ego cui timebo providus auspex, antequam stantis repetat paludes imbrium divina avis imminentium, oscinem corvum prece suscitabo solis ab ortu. sis licet felix, ubicumque mavis, et memor nostri, Galatea, vivas teque nec laevos vetet ire picus nec vaga cornix. sed vides, quanto trepidet tumultu pronus Orion? ego quid sit ater Hadriae novi sinus et quid albus peccet Iapyx. hostium uxores puerique caecos sentiant motus orientis Austri et aequoris nigri fremitum et trementis verbere ripas.

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O Göttin, die du das glückliche Cypern bewohnst und Memphis, das den sithonischen Schnee nicht kennt, du Königin, triff mit erhobener Peitsche nur einmal noch die eigenwillige Chloë!

Ode 3,27 Mag den Frevlern der Unglücksruf des Spechtes gelten, eine schwangere Hündin oder eine fahle Wölfin, die von der lanuvischen Flur daherstreicht, und eine säugende Füchsin! Mag eine Schlange die begonnene Reise jäh unterbrechen, wenn sie gleich einem Pfeil quer über den Weg schießt und die kleinen Zugpferde schreckt! Für die ich aber fürchte als ein achtsamer Vogelschauer, für die will ich, noch ehe der Vogel, der kommenden Regen verkündet, wieder die Weiher bevölkert, mit Bitten den prophetischen Raben von Sonnenaufgang rufen. Glücklich sollst du sein, wo immer du lieber willst, und meiner gedenken, Galatea; und weder ein Buntspecht zur Linken noch eine schweifende Krähe soll dich daran hindern, deiner Wege zu gehen. Aber siehst du denn, welchen Aufruhr Orion im Untergang verheißt? Ich weiß genau, was die finstere Bucht der Adria bedeutet und welche Tücken der wolkenlose Iapyxwind verbirgt. Mögen die Weiber und Kinder unserer Feinde die blindwütenden Stöße des aufkommenden Südwinds, das Brüllen der schwarzen Fluten, das Beben der Ufer bei ihrem Aufprall erleben!

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sic et Europe niveum doloso credidit tauro latus et scatentem beluis pontum mediasque fraudes palluit audax. nuper in pratis studiosa florum et debitae Nymphis opifex coronae nocte sublustri nihil astra praeter vidit et undas. quae simul centum tetigit potentem oppidis Creten, ›pater – o relictum filiae nomen pietasque‹ dixit ›victa furore! unde quo veni? levis una mors est virginum culpae. vigilansne ploro turpe conmissum an vitiis carentem ludit imago

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vana, quae porta fugiens eburna somnium ducit? meliusne fluctus ire per longos fuit an recentis carpere flores? siquis infamem mihi nunc iuvencum dedat iratae, lacerare ferro et frangere enitar modo multum amati cornua monstri. inpudens liqui patrios penates: inpudens Orcum moror. o deorum siquis haec audis, utinam inter errem nuda leones; antequam turpis macies decentis occupet malas teneraeque sucus defluat praedae, speciosa quaero pascere tigris.

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So hat doch auch Europa ihren schimmernden Leib dem tückischen Stier anheimgegeben und wurde blass vor dem von Ungeheuern erfüllten Meer und den Gefahren rings um sie her, die Verwegene. Eben hatte sie noch auf Wiesen Blumen gepflückt und den Nymphen Kränze geflochten, wie sich’s gehört – nun erblickte sie in der schimmernden Nacht nichts als Sterne und Wellen! Doch sobald sie Creta erreichte, die Insel der hundert Städte, rief sie aus: »O Vater – nein, ich verdiene den Namen Tochter nicht mehr; ein Wahn hat meine Demut überwältigt! Wo war ich? Und wo bin ich hingekommen? Zu wenig wiegt ein einziger Tod als Sühne für vergeudete Jungfrauschaft. Bin ich denn wach und klage über ein schändliches Vergehen, oder narrt mich Unschuldsvolle ein Trugbild, das aus elfenbeinernem Tor entweichend mir einen Traum schickt? War es richtiger durch die weite Flut zu reisen oder junge Blüten abzupflücken? O wenn jemand jetzt den verruchten Stier meinem Zorn überließe! Ich wollte ihn mit dem Schwert zerfleischen und ihm, den ich eben noch glühend liebte, die Hörner zerbrechen, dem Ungeheuer! Schamlos verließ ich das Vaterhaus, schamlos lasse ich den Orcus auf mich warten. O wenn einer der Götter dies hört –: Nackt will ich unter Löwen irren dürfen, ich möchte, ehe hässliche Abgehärmtheit meine reizenden Wangen verzehrt und der Saft der zarten Beute vertrocknet, als stattliches Weib die Tiger füttern.

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CARMINUM LIBER III

vilis Europe, pater urget absens, quid mori cessas? potes hac ab orno pendulum zona bene te secuta laedere collum.

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sive te rupes et acuta leto saxa delectant, age te procellae crede veloci; nisi erile mavis carpere pensum regius sanguis dominaeque tradi barbarae paelex.‹ aderat querenti perfidum ridens Venus et remisso filius arcu. mox ubi lusit satis, ›abstineto‹ dixit ›irarum calidaeque rixae, cum tibi invisus laceranda reddet cornua taurus. uxor invicti Iovis esse nescis. mitte singultus; bene ferre magnam disce fortunam: tua sectus orbis nomina ducet.‹

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c. 3,28 (IV) FESTO QUID POTIUS die Neptuni faciam? prome reconditum, Lyde, strenua Caecubum munitaeque adhibe vim sapientiae. inclinare meridiem sentis et, veluti stet volucris dies, parcis deripere horreo cessantem Bibuli consulis amphoram? nos cantabimus invicem Neptunum et viridis Nereidum comas: tu curva recines lyra Latonam et celeris spicula Cynthiae:

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Wertloses Mädchen Europa! Der Vater bedrückt dich, auch wenn er fern ist. Warum zauderst du noch zu sterben? Sehr zupass ist der Gürtel mit dir gekommen – nun kann er, an dieser Esche hangend, deinen Hals zusammenschnüren. Wenn dir aber Klippen und tödlich kantige Felsen besser behagen – los, so stürze dich in den rasenden Sturmwind … es sei denn, du willst doch lieber am Rocken einer Gebieterin spinnen als Königstochter und einer Barbarenherrin als Kebsweib untertan werden.« – Wie sie so klagte, erschien ihr Venus mit zweideutigem Lächeln, dazu ihr Knabe mit entspanntem Bogen. Als sie das Mädchen lange genug verspottet hatte, sprach sie: »Hüte dich ja vor Wutausbrüchen und hitzigem Zank, wenn der verhasste Stier dir seine Hörner zum Zerfetzen bietet! Gattin des unbesiegten Jupiter sein, das ist dir noch fremd. Nun lass das Schluchzen, lerne ein großes Geschick mit Würde ertragen: Ein ganzer Weltteil wird deinen Namen führen.«

Ode 3,28 Was könnte ich Besseres tun am heiligen Tag Neptuns? Geh, Lyde, hol doch rasch Caecuberwein aus dem Keller und überwinde deine gewappnete Besonnenheit! Du spürst doch, dass der Mittag sich neigt – und dennoch, gleich als ob der Flug der Stunde innehielte, zauderst du, die zögerliche Amphora aus dem Bibulusjahre vom Regal zu reißen? Im Wechsel wollen wir dann singen: ich von Neptun und von den grünen Locken der Nereïden, du zur geschwungenen Leier von Latona und den Pfeilen der schnellen Cynthia;

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summo carmine, quae Cnidon fulgentisque tenet Cycladas et Paphon iunctis visit oloribus, dicetur merita Nox quoque nenia.

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c. 3,29 (VIII) TYRRHENA REGUM progenies, tibi non ante verso lene merum cado cum flore, Maecenas, rosarum et pressa tuis balanus capillis iamdudum apud me est: eripe te morae, ne semper udum Tibur et Aefulae declive contempleris arvom et Telegoni iuga parricidae. fastidiosam desere copiam et molem propinquam nubibus arduis: omitte mirari beatae fumum et opes strepitumque Romae. plerumque gratae divitibus vices mundaeque parvo sub lare pauperum cenae sine aulaeis et ostro sollicitam explicuere frontem. iam clarus occultum Andromedae pater ostendit ignem, iam Procyon furit et stella vesani Leonis sole dies referente siccos; iam pastor umbras cum grege languido rivomque fessus quaerit et horridi dumeta Silvani caretque ripa vagis taciturna ventis:

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ihr gilt das höchste Lied, die über Knidos und die leuchtenden Kykladen herrscht und Paphos auf dem Schwanengespann besucht. Doch einen Abgesang hat auch die Nacht verdient und soll ihn haben.

Ode 3,29 Maecenas, Königsspross aus dem Tyrrhenerland, ein mildes Weinchen in einem noch unberührten Tonkrug, dazu Rosenblüten und ein Behennuss-Öl, das eigens für dein Haar gepresst ist, warten auf dich seit langem bei mir. So reiß dich los von dem, was dich festhält, und starre nicht immerzu auf das nasse Tibur, auf die hängenden Fluren von Aefula und die Höhen des Vatermörders Telegonus. Lass hinter dir den Überfluss – er weckt ja doch nur Überdruss – und den Palast, der fast bis zu den hohen Wolken reicht, und hänge dein Herz nicht an den Qualm und Prunk und Lärm der reichen Stadt! Gerade reichen Leuten ist ja oft ein Wechsel lieb; ein appetitliches Gericht unter dem bescheidenen Dach einfacher Leute, ganz ohne Wandbehang und Purpurdecken, hat so manche sorgenvolle Stirn geglättet. Schon zeigt der leuchtende Vater der Andromeda seinen bislang verborgenen Glanz; schon wütet Procyon und das Gestirn des hemmungslosen Löwen, wenn die Sonne trockene Tage bringt; schon sucht der müde Hirte samt der lechzenden Herde den Schatten und den Bach, und über das Gebüsch des struppigen Silvanus und das schweigende Ufer fächelt kein Lufthauch.

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tu civitatem quis deceat status curas et urbi sollicitus times, quid Seres et regnata Cyro Bactra parent Tanaisque discors. prudens futuri temporis exitum caliginosa nocte premit deus ridetque, si mortalis ultra fas trepidat. quod adest memento conponere aequos: cetera fluminis ritu feruntur, nunc medio alveo cum pace delabentis Etruscum in mare, nunc lapides adesos stirpisque raptas et pecus et domos volventis una, non sine montium clamore vicinaeque silvae, cum fera diluvies quietos

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inritat amnis. ille potens sui laetusque deget, cui licet in diem dixisse ›vixi‹. cras vel atra nube polum pater occupato vel sole puro; non tamen inritum quodcumque retro est efficiet neque diffinget infectumque reddet quod fugiens semel hora vexit. Fortuna saevo laeta negotio et ludum insolentem ludere pertinax transmutat incertos honores, nunc mihi nunc alii benigna. laudo manentem: si celeris quatit pinnas, resigno quae dedit et mea virtute me involvo probamque pauperiem sine dote quaero.

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Du aber mühst dich um die rechte Verfassung des Staates und überdenkst voll banger Sorge für die Stadt, was die Serer und das einst von Cyrus beherrschte Baktrien und das in sich selbst zerrissene Land am Don im Schilde führen. In weiser Voraussicht hat ein Gott der Zukunft Ausgang mit dunkler Nacht verhüllt und lächelt nur, wenn ein Sterblicher über das erlaubte Maß sich ängstigt. Was der Augenblick beschert, das bringe mit gelassenem Sinn in Ordnung! Alles andere nimmt doch seinen Lauf gleich einem Fluss, der manchmal in der Mitte seines Betts behäbig ins etruskische Meer hinausfließt, manchmal aber ausgewaschene Steine, hinweggeschwemmte Stämme, Vieh und Häuser mit sich reißt, nicht ohne das Gedröhn der Berge und des Waldes an seinen Ufern, wenn ein verheerender Wolkenbruch die stillen Wasserläufe anschwellen lässt. Nur der wird als sein eigener Herr und heiter leben, der nach jedem Tag zu sprechen weiß: »Ich habe gelebt.« Mag morgen dann der Göttervater den Himmelspol mit finsterem Gewölk verhängen oder auch die Sonne scheinen lassen: doch er wird nicht aus der Welt verbannen, was bereits geschehen ist, nichts widerrufen oder ungeschehen machen, was die flüchtige Stunde einmal schenkte. Fortuna, der ein grimmiges Geschäft beliebt und die sich fort und fort ihr unverschämtes Spiel erlaubt, tauscht ihre unzuverlässigen Gaben aus und schenkt sich heute mir und morgen anderen. Bleibt sie mir treu, so sei mir’s recht. Doch wenn sie ihre lockeren Schwingen regt, dann buche ich ihre Geschenke ab, dann hülle ich mich in meine eigene Herzensstärke und lasse mir redliche Armut ohne Mitgift gefallen.

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non est meum, si mugiat Africis malus procellis, ad miseras preces decurrere et votis pacisci, ne Cypriae Tyriaeque merces

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addant avaro divitias mari: tunc me biremis praesidio scaphae tutum per Aegaeos tumultus aura feret geminusque Pollux.

c. 3,30 (I) EXEGI MONUMENTUM aere perennius regalique situ pyramidum altius, quod non imber edax, non aquilo impotens possit diruere aut innumerabilis annorum series et fuga temporum. non omnis moriar multaque pars mei vitabit Libitinam: usque ego postera crescam laude recens, dum Capitolium scandet cum tacita virgine pontifex: dicar, qua violens obstrepit Aufidus et qua pauper aquae Daunus agrestium regnavit populorum, ex humili potens princeps Aeolium carmen ad Italos deduxisse modos. sume superbiam quaesitam meritis et mihi Delphica lauro cinge volens, Melpomene, comam.

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Es ist nicht meine Art, dann, wenn der Mast unter den Stößen des Südwinds ächzt, zu kläglichem Flehen mich herabzulassen und die Götter durch Gelübde zu verpflichten, dass nicht Warenladungen aus Cypern und aus Tyrus die Schätze der gierigen See vermehren. Nein, mich wird im Schutz eines Nachens mit zwei Rudern mitten durch das Toben der Ägäis sicher eine günstige Brise tragen – und der Zwilling Pollux.

Ode 3,30 Ein Denkmal hab ich aufgerichtet, unvergänglicher als Erz und ragender als königliche Pyramiden, das der nagende Regen, der unbeherrschte Nordsturm nicht zerstören kann, auch nicht die Reihe der Jahre ohne Zahl noch auch die Flucht der Zeit. Nicht völlig werd’ ich sterben; und ein gut Teil meiner selbst wird Libitina nicht erfassen; ja verjüngt im Preis der Nachwelt werd’ ich wachsen fort und fort, solange noch zum Capitol der Priester mit der schweigenden Vestalin steigt; man wird mich rühmen, wo der wilde Aufidus dahinrauscht und wo einst der wasserarme Daunus über Bauernstämme herrschte, darum dass ich, von niedriger Herkunft, als Erster fähig war, äolischen Gesang in Weisen aus Italien zu übertragen. Sei stolz, Melpomene! Du hast es dir verdient. Und bekränze willig mein Haar mit dem Lorbeer des Apoll von Delphi!

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CARMEN SAECULARE (Versmaß VI) PHOEBE SILVARUMQUE POTENS Diana, lucidum caeli decus, o colendi semper et culti, date quae precamur tempore sacro, quo Sibyllini monuere versus virgines lectas puerosque castos dis, quibus septem placuere colles, dicere carmen. alme Sol, curru nitido diem qui promis et celas aliusque et idem nasceris, possis nihil urbe Roma visere maius. Rite maturos aperire partus lenis, Ilithyia, tuere matres, sive tu Lucina probas vocari seu Genitalis: diva, producas subolem patrumque prosperes decreta super iugandis feminis prolisque novae feraci lege marita,

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certus undenos deciens per annos orbis ut cantus referatque ludos ter die claro totiensque grata nocte frequentis. Vosque, veraces cecinisse Parcae, quod semel dictum est stabilisque rerum terminus servet, bona iam peractis iungite fata.

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SAEKULARLIED Phoebus und Diana, Herrin der Wälder, leuchtender Schmuck des Himmels, ihr immer Verehrungswürdigen, immer Verehrten, gewährt, worum wir bitten in heiliger Stunde, in der die Sibyllenverse verlangen, dass auserlesene Mädchen und makellose Jünglinge für die Götter, die an den sieben Hügeln Gefallen finden, ein Preislied sprechen. Gütige Sonne, die du mit strahlendem Wagen den Tag heraufführst und wieder verbirgst und von neuem geboren wirst, eine andere und doch dieselbe: nichts, worauf du blicken kannst, sei größer als Rom! Ilithyia, die du helfend die reife Leibesfrucht zur rechten Stunde freigibst, behüte die Mütter – oder willst du lieber als Lucina oder als Genitalis gerufen werden –: Göttliche, bringe Kinder hervor und segne die Senatserlasse über die zur Vermählung bestimmten Frauen und das Ehegesetz, das den jungen Nachwuchs zu mehren sucht, auf dass ein fester Kreis von zehnmal elf Jahren die Lieder und Spiele wiederbringt, dreimal am hellen Tag und dreimal in freundlicher Nacht gut besucht. Und ihr Parzen, Sängerinnen der reinen Wahrheit, die einmal gesprochen ist und die der unverrückbare Grenzstein der Dinge festhalte: fügt zu dem, was vergangen ist, eine glückliche Zukunft!

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CARMEN SAECULARE

fertilis frugum pecorisque Tellus spicea donet Cererem corona; nutriant fetus et aquae salubres et Iovis aurae. condito mitis placidusque telo supplices audi pueros, Apollo; siderum regina bicornis, audi, Luna, puellas. Roma si vestrum est opus Iliaeque litus Etruscum tenuere turmae, iussa pars mutare lares et urbem sospite cursu,

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cui per ardentem sine fraude Troiam castus Aeneas patriae superstes liberum munivit iter, daturus plura relictis: di, probos mores docili iuventae, di, senectuti placidae quietem, Romulae genti date remque prolemque et decus omne. Quaeque vos bobus veneratur albis clarus Anchisae Venerisque sanguis, impetret, bellante prior, iacentem lenis in hostem. iam mari terraque manus potentis Medus Albanasque timet securis, iam Scythae responsa petunt, superbi nuper et Indi. iam Fides et Pax et Honos Pudorque priscus et neglecta redire Virtus audet adparetque beata pleno Copia cornu.

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SÄKULARLIED

Ergiebig an Früchten und Herden wolle Tellus der Ceres die Ährenkrone schenken! Mögen gesunde Gewässer und die Lüfte des Jupiter reichen Nachwuchs nähren! Birg in Sanftmut und Gnade dein Geschoss, Apollo, und erhöre die flehenden Knaben! Zweigehörnte Sternenkönigin Luna, erhöre die Mädchen! Wenn Rom wirklich eurem Willen entsprang und Scharen aus Ilion sich an der Küste Etruriens festgesetzt haben, jener Teil, der den Auftrag hatte, die Laren und die Heimat nach rettender Fahrt zu wechseln, dem der fromme Aeneas, ohne eigene Schuld seine Vaterstadt überlebend, durch das brennende Troia den freien Rückzug gesichert hat, um ihm mehr noch zu bieten, als er zurückließ: Ihr Götter, dann gebt einer fügsamen Jugend redliche Sitten, ihr Götter, gebt einem freundlichen Alter Frieden, gebt dem Romulusvolk Besitz und Kinder und jegliche Zierde! Und worum zu euch beim Opfer weißer Stiere der herrliche Spross des Anchises und der Venus betet, das soll er erhalten: dem widerspenstigen Feind überlegen, dem niedergekämpften gnädig. Schon zittern die Meder vor der Macht seiner Truppen zu Wasser und Land und den Beilen von Alba, schon bitten die Skythen um seine Entscheide wie auch, jüngst noch voll Stolz, die Inder. Schon wagen es Fides und Pax und Honos, der altehrwürdige Pudor und die missachtete Virtus zurückzukehren, und es lässt sich die üppige Copia mit ihrem Füllhorn blicken.

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CARMEN SAECULARE

Augur et fulgente decorus arcu Phoebus acceptusque novem Camenis, qui salutari levat arte fessos corporis artus, si Palatinas videt aequos aras, remque Romanam Latiumque felix alterum in lustrum meliusque semper prorogat aevum, quaeque Aventinum tenet Algidumque, quindecim Diana preces virorum curat et votis puerorum amicas adplicat auris. Haec Iovem sentire deosque cunctos spem bonam certamque domum reporto, doctus et Phoebi chorus et Dianae dicere laudes.

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Phoebus, der Zukunftsseher, im Schmuck des strahlenden Bogens, von den neun Camenen geliebt, der mit heilender Kunst die leidenden Glieder des Körpers genesen lässt: wenn er in Gnaden auf die Altäre des Palatin niederblickt, lässt er den römischen Staat und das glückliche Latium von einem Lustrum zum andern in immer wachsendem Glück fortdauern, und Diana, die auf dem Aventin und am Algidus waltet, kümmert sich um die Gebete der fünfzehn Männer und leiht den Bitten der Knaben ein freundliches Ohr. Dass dies Jupiter und die anderen Götter vernehmen, diese gute und sichere Hoffnung nehme ich mit nach Hause als ein Chor, der das Lob des Phoebus und der Diana zu singen gelernt hat.

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CARMINUM LIBER IV c. 4,1 (Versmaß IV) INTERMISSA, VENUS, diu rursus bella moves? parce precor, precor. non sum qualis eram bonae sub regno Cinarae. desine, dulcium mater saeva Cupidinum, circa lustra decem flectere mollibus iam durum imperiis; abi, quo blandae iuvenum te revocant preces. tempestivius in domum Pauli purpureis ales oloribus commissabere Maximi, si torrere iecur quaeris idoneum. namque et nobilis et decens et pro sollicitis non tacitus reis et centum puer artium late signa feret militiae tuae, et quandoque potentior largi muneribus riserit aemuli, Albanos prope te lacus ponet marmoream sub trabe citrea.

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illic plurima naribus duces tura lyraque et Berecyntia delectabere tibia mixtis carminibus non sine fistula; illic bis pueri die numen cum teneris virginibus tuum laudantes pede candido in morem Salium ter quatient humum.

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ODEN, BUCH IV Ode 4,1 Lässt du, Venus, deine Gefechte, die so lange schon ruhten, von neuem entbrennen? Lass ab, ich bitte dich sehr! Ich bin nicht mehr derselbe, der ich unter der Herrschaft der lieben Cinara war. Hör auf, du unbarmherzige Mutter süßer Begierden, den schon verhärteten Fünfziger noch am weichen Halfter lenken zu wollen. Dorthin wende dich lieber, wo die lockende Bitte der Jungen dich hinruft! Eher ist’s an der Zeit, dass du, beflügelt von deinen Purpurschwänen, im Hause des Paulus Maximus Einzug hältst, wenn es dich treibt, ein geeignetes Herz zu entflammen. Denn er ist edel und wohlgeraten, für seine besorgten Klienten nicht faul mit dem Wort, auch sonst ein Bursch von hundert Fertigkeiten; also wird er in deinem Dienst weithin erfolgreich kämpfen. Und wenn er dann als Sieger der Gaben seines reichen Rivalen zu spotten vermag, wird er am Albanersee dein Marmorbild unter einem Gebälk aus Citrusholz errichten. Dort wirst du Weihrauch in Mengen durch die Nase atmen, dich an Liedern zur Leier und zur berecyntischen Blattflöte freuen, aber auch Rohrpfeifen nicht vermissen; dort verehren zweimal am Tage die jungen Männer, vereint mit den zarten Mädchen, deine Hoheit und treten die Erde auf Salierweise mit blanken Füßen im Dreitakt.

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CARMINUM LIBER IV

me nec femina nec puer iam nec spes animi credula mutui nec certare iuvat mero nec vincire novis tempora floribus. sed cur heu, Ligurine, cur manat rara meas lacrima per genas? cur facunda parum decoro inter verba cadit lingua silentio? nocturnis ego somniis iam captum teneo, iam volucrem sequor te per gramina Martii campi, te per aquas, dure, volubilis.

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c. 4,2 (VI) PINDARUM QUISQUIS studet aemulari, Iulle, ceratis ope Daedalea nititur pinnis, vitreo daturus nomina ponto. monte decurrens velut amnis, imbres quem super notas aluere ripas, fervet inmensusque ruit profundo Pindarus ore, laurea donandus Apollinari, seu per audacis nova dithyrambos verba devolvit numerisque fertur lege solutis, seu deos regesque canit, deorum sanguinem, per quos cecidere iusta morte Centauri, cecidit tremendae flamma Chimaerae,

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ODEN, VIERTES BUCH

Mich lockt kein Weib mehr, auch kein Knabe, keine Hoffnung, die auf Gegenliebe rechnet, kein Trinken um die Wette, kein neuer Blütenkranz um meine Schläfen. Und dennoch – ach, Ligurinus, warum rinnt mir eine einsame Träne über die Wangen? Warum fällt die wortgewohnte Zunge mitten im Gespräch in peinliches Schweigen? Mal fasse ich dich in nächtlichen Träumen und drücke dich an mich, mal jag ich dir nach, wie du über den Rasen des Marsfelds fliegst, durch die rollenden Fluten, du Erbarmungsloser!

Ode 4,2 Wer mit Pindar in Wettstreit tritt, Iullus, schwingt sich auf Flügeln empor, die nach Daedalus-Manier aus Wachs gebildet sind, und muss gewärtigen, seinen Namen einem gläsernen Meer zu geben. Einem Wildbach gleich, der vom Gebirg herabströmt, wenn ihn Regenfälle über die vertrauten Ufer schwellen lassen: so rauscht Pindar einher und bricht in unermesslicher Fülle aus dem tiefen Quellmund hervor; er verdient den Lorbeer Apolls: wenn er in kühnen Dithyramben neue Wörter rollen lässt und in Rhythmen ohne feste Bindung sich bewegt; wenn er von Göttern und Königen singt, von Göttersöhnen, mit deren Hilfe die Centauren den verdienten Tod erlitten und die Flamme der gefährlichen Chimaera erlosch;

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CARMINUM LIBER IV

sive quos Elea domum reducit palma caelestis pugilemve equomve dicit et centum potiore signis munere donat,

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flebili sponsae iuvenemve raptum plorat et viris animumque moresque aureos educit in astra nigroque invidet Orco. multa Dircaeum levat aura cycnum, tendit, Antoni, quotiens in altos nubium tractus: ego apis Matinae more modoque, grata carpentis thyma per laborem plurimum, circa nemus uvidique Tiburis ripas operosa parvos carmina fingo. concines maiore poeta plectro Caesarem, quandoque trahet ferocis per sacrum clivum merita decorus fronde Sygambros, quo nihil maius meliusve terris fata donavere bonique divi nec dabunt, quamvis redeant in aurum tempora priscum;

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concines laetosque dies et urbis publicum ludum super inpetrato fortis Augusti reditu forumque litibus orbum. tum meae, si quid loquar audiendum, vocis accedet bona pars et ›o sol pulcer, o laudande‹ canam recepto Caesare felix.

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ODEN, VIERTES BUCH

wenn er von dem Boxer, von dem Renner spricht, den die himmlische Palme von Elis nach Hause begleitet und mit einem Preis beschenkt, der schwerer wiegt als hundert Marmorbilder; wenn er den Jüngling beweint, der seiner klagenden Braut entrissen ist, und Kraft und Mut und goldenen Charakter zu den Sternen emporhebt und dem dunklen Orcus nicht vergönnt. Ein mächtiger Luftstrom trägt den Schwan von Dirce in die Höhe, Antonius, sooft er hoch in die wolkigen Gefilde strebt. Ich aber, nach der Art und Weise der matinischen Biene, die mit unendlichem Fleiß den geliebten Thymian aberntet, forme, ein bescheidenes Wesen, im Wald und an den Ufern des feuchten Tibur mühsam meine Lieder. Du wirst als Dichter mit schwererem Saitenschlag Caesar besingen, wenn er die wilden Sygambrer über den Heiligen Hang emporschleppt, geschmückt mit wohlverdientem Lorbeer – er, das kostbarste Geschenk, das je das Schicksal und die gnädigen Götter der Erde gegeben haben und je geben werden, selbst wenn die Zeiten zum Gold der frühesten Zeit zurückkehren –; singen könntest du von fröhlichen Tagen und öffentlichen Spielen in Rom zu Ehren der gnädig gewährten Heimkehr des tapferen Augustus, von einem Forum ohne Streitigkeiten. Dann möchte auch von meiner Stimme – wenn überhaupt mein Wort Gehör verdient – ein guter Teil mit einstimmen und singen: »O schöner Tag, du rühmenswerter!«, beglückt darüber, dass uns Caesar wieder gehört.

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teque, dum procedis, io Triumphe, non semel dicemus, io Triumphe, civitas omnis dabimusque divis tura benignis. te decem tauri totidemque vaccae, me tener solvet vitulus, relicta matre qui largis iuvenescit herbis in mea vota, fronte curvatos imitatus ignis tertium lunae referentis ortum, qua notam duxit, niveus videri, cetera fulvos.

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c. 4,3 (IV) QUEM TU, MELPOMENE, semel nascentem placido lumine videris, illum non labor Isthmius clarabit pugilem, non equos inpiger curru ducet Achaico victorem, neque res bellica Deliis ornatum foliis ducem, quod regum tumidas contuderit minas, ostendet Capitolio: sed quae Tibur aquae fertile praefluunt et spissae nemorum comae fingent Aeolio carmine nobilem. Romae, principis urbium, dignatur suboles inter amabilis vatum ponere me choros, et iam dente minus mordeor invido.

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ODEN, VIERTES BUCH

Und wir, die Bürger alle, werden dich, o große Siegesfeier, in deinem Fortgang immer wieder rühmen: O große Siegesfeier! – und den wohlgesonnenen Göttern Weihrauch spenden. Du wirst mit zehn Stieren und zehn Kühen dein Gelübde zahlen, ich mit einem zarten Kälbchen, das eben erst das Muttertier verlassen hat und in saftigen Gräsern meinem Opfer entgegenwächst; es gibt auf seiner Stirn die Linie des gekrümmten Lichtes wieder, das zum dritten Mal den neuen Mond erscheinen lässt, von weißer Farbe dort, wo es das Zeichen trägt, im Übrigen hellbraun.

Ode 4,3 Wen du, o Muse, bei seiner Geburt nur einmal freundlichen Auges angeblickt hast, den wird kein isthmischer Wettkampf als Boxer verherrlichen, kein unermüdliches Ross als Sieger auf dem achäischen Wagen ziehen und kein Kriegserfolg als Feldherrn im Schmuck des delischen Lorbeers – da er das aufgeblasene Drohen fremder Könige zerschlagen hat – das Capitol ersteigen lassen: nein, das Wasser, das am gesegneten Tibur vorüberfließt, das dichte Laub seiner Wälder werden ihn zu einem gepriesenen Dichter äolischer Weisen heranwachsen lassen. Das Volk von Rom, der Fürstin der Städte, erweist mir die Gunst, mich unter die liebenswürdigen Chöre der Dichter zu reihen, und auch der Zahn des Neides nagt nur noch wenig an mir.

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CARMINUM LIBER IV

o testudinis aureae dulcem quae strepitum, Pieri, temperas, o mutis quoque piscibus donatura cycni, si libeat, sonum,

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totum muneris hoc tui est, quod monstror digito praetereuntium Romanae fidicen lyrae; quod spiro et placeo, si placeo, tuum est.

c. 4,4 (VIII) QUALEM MINISTRUM fulminis alitem, cui rex deorum regnum in avis vagas permisit expertus fidelem Iuppiter in Ganymede flavo, olim iuventas et patrius vigor nido laborum propulit inscium vernique iam nimbis remotis insolitos docuere nisus venti paventem, mox in ovilia demisit hostem vividus impetus, nunc in reluctantis dracones egit amor dapis atque pugnae, qualemve laetis caprea pascuis intenta fulvae matris ab ubere iam lacte depulsum leonem dente novo peritura vidit: videre Raetis bella sub Alpibus Drusum gerentem Vindelici; quibus mos unde deductus per omne tempus Amazonia securi

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ODEN, VIERTES BUCH

O piërische Muse, die du den süßen Klang der goldenen Leier stimmst, die du den stummen Fischen sogar, wenn du es wolltest, die Stimme von Schwänen zu geben vermagst, deiner Gnade allein verdanke ich es, wenn die Vorübergehenden mit dem Finger nach mir weisen als nach dem Sänger der römischen Lyra; wenn ich atme und gefalle (wenn ich gefalle), so ist es dein Werk.

Ode 4,4 Wie den geflügelten Boten des Blitzes, dem der König der Götter die Herrschaft über die schweifenden Vögel verlieh, da er, Jupiter, ihn an dem blondlockigen Ganymedes treu erfand, einst die Jugend und die vom Vater ererbte Kraft aus seinem Nest hinausstieß – er ahnte noch nicht, was ihm zu leisten bevorstand – und die Frühlingswinde, als sie die Wolken vertrieben hatten, ihn, den Bangenden, lehrten, ungewohnte Schwünge zu tun; wie ihn dann der Drang des Lebens als Feind zu den Hürden der Schafe niederstoßen ließ und dann wieder sein Verlangen nach Nahrung und Kampf gegen sich wehrende Schlangen trieb; oder wie ein Reh, das die üppige Weide genießt, einen Löwen erblickt, der eben vom Euter der goldgelben Mutter, der Milch verstoßen ward, und dem Tod von unbekannten Zähnen entgegensieht: so erblickten am Fuß der rätischen Alpen die Vindelizier den Drusus als Feldherrn. Ihnen bewaffnet ein Brauch seit ewigen Zeiten die rechte Hand mit amazonischen Äxten

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CARMINUM LIBER IV

dextras obarmet, quaerere distuli, nec scire fas est omnia; sed diu lateque victrices catervae consiliis iuvenis revictae sensere, quid mens rite, quid indoles nutrita faustis sub penetralibus posset, quid Augusti paternus in pueros animus Nerones. fortes creantur fortibus et bonis; est in iuvencis, est in equis patrum virtus neque inbellem feroces progenerant aquilae columbam. doctrina sed vim promovet insitam rectique cultus pectora roborant; utcumque defecere mores, indecorant bene nata culpae. quid debeas, o Roma, Neronibus testis Metaurum flumen et Hasdrubal devictus et pulcher fugatis ille dies Latio tenebris

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qui primus alma risit adorea, dirus per urbis Afer ut Italas ceu flamma per taedas vel Eurus per Siculas equitavit undas. post hoc secundis usque laboribus Romana pubes crevit et inpio vastata Poenorum tumultu fana deos habuere rectos, dixitque tandem perfidus Hannibal: ›cervi, luporum praeda rapacium, sectamur ultro quos opimus fallere et effugere est triumphus.

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ODEN, VIERTES BUCH

(woher er stammt, will ich nicht fragen; auch steht uns nicht zu, alles zu wissen); doch haben die so lange schon weithin siegenden Scharen, von der Klugheit des Jünglings zurückgeworfen, endlich erfahren, was ein regelrecht ausgebildeter Geist, ein Talent, das in glückverheißendem Hause geformt ist, zu leisten vermag, mit welcher Macht des Augustus Vatererbe die jungen Neronen beseelt. Tapfere, treffliche Väter erzeugen tapfere Söhne; es lebt in den Stieren, es lebt in den Rossen die Kraft ihrer Väter, und streitbare Adler bringen nicht sanfte Tauben zur Welt. Doch die Belehrung fördert die angeborenen Gaben, und die Pflege der Tugend festigt das Herz; und immer, wo es an guter Erziehung gebricht, entehren Vergehen das edle Blut. Was du, o Rom, den Neronen verdankst, bezeugt der Metaurus, bezeugt der vernichtete Hasdrubal und jener herrliche Tag, an dem vom Land der Latiner die Finsternis wich und erstmals wieder freundlich das Kriegsglück winkte, als der Africaner verheerend durch die Städte Italiens ritt, so wie die Flamme durch Fichtenwälder, der Ostwind über die Wellen des sizilischen Meeres stürmt. Danach mehrte sich fort und fort das Glück und die Leistung der Römermannschaft, und in den Tempeln, die der ruchlose Punierkrieg verwüstet hatte, standen die Götter wieder aufrecht; und schließlich erklärte der tückische Hannibal: »Wie Hirsche, die den reißenden Wölfen zur Beute werden, laufen wir denen noch nach, denen mit List zu entgehen bereits einen stattlichen Sieg bedeutet!

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CARMINUM LIBER IV

gens, quae cremato fortis ab Ilio iactata Tuscis aequoribus sacra natosque maturosque patres pertulit Ausonias ad urbis,

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duris ut ilex tonsa bipennibus nigrae feraci frondis in Algido, per damna, per caedis ab ipso ducit opes animumque ferro.

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non hydra secto corpore firmior vinci dolentem crevit in Herculem monstrumve submisere Colchi maius Echioniaeve Thebae. merses profundo, pulcrior evenit; luctere, multa proruet integrum cum laude victorem geretque proelia coniugibus loquenda. Carthagini iam non ego nuntios mittam superbos: occidit, occidit spes omnis et fortuna nostri nominis Hasdrubale interempto. nil Claudiae non perficient manus, quas et benigno numine Iuppiter defendit et curae sagaces expediunt per acuta belli.‹

c. 4,5 (II) DIVIS ORTE BONIS, optume Romulae custos gentis, abes iam nimium diu: maturum reditum pollicitus patrum sancto concilio, redi.

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Dieses Volk, das mutig aus dem verbrannten Ilion durch die Stürme des tuskischen Meeres seine Götter(figuren) und Kinder und greisen Väter bis zu den Städten Ausoniens brachte: gleich einer Eiche, von harten Doppeläxten gestutzt, auf dem von dunklem Laubwald reich bewachsenen Algidus, gewinnt es bei allen Opfern an Gut und Blut aus den Wunden sogar noch Kraft und Mut. Nicht kräftiger wuchs die Schlange, als ihr Körper zerschnitten wurde, gegen Hercules nach, der sich schon sorgte besiegt zu werden, und nie hat Colchis oder das Theben Echions ein größeres Ungeheuer ausgeheckt. Versenk es ins tiefste Meer: herrlicher taucht es wieder empor! Ringe es nieder: mit mächtigem Ruhm wird es den ungeschlagenen Sieger zu Boden werfen und Schlachten schlagen, von denen sich ihre Frauen erzählen. Nach Karthago werde ich keine stolzen Meldungen mehr versenden; dahin, dahin ist alle Hoffnung und das Glück unseres Namens, seit Hasdrubal nicht mehr lebt. Nichts gibt es, was nicht Claudierhände vollbrächten; sie stehen unter dem Schutz des gnädig helfenden Jupiter, und wacher Scharfsinn macht sie auch in schwersten Nöten des Krieges erfolgreich.«

Ode 4,5 Der du von guten Göttern stammst, bester Beschützer des Romulusvolkes, allzu lange schon weilst du fern. Da du dem heiligen Rat der Väter baldige Rückkehr versprochen hast, so kehre zurück!

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CARMINUM LIBER IV

lucem redde tuae, dux bone, patriae. instar veris enim voltus ubi tuus adfulsit populo, gratior it dies et soles melius nitent. ut mater iuvenem, quem Notus invido flatu Carpathii trans maris aequora cunctantem spatio longius annuo dulci distinet a domo, votis ominibusque et precibus vocat curvo nec faciem litore dimovet, sic desideriis icta fidelibus quaerit patria Caesarem. tutus bos etenim rura perambulat, nutrit rura Ceres almaque Faustitas, pacatum volitant per mare navitae, culpari metuit fides,

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nullis polluitur casta domus stupris, mos et lex maculosum edomuit nefas, laudantur simili prole puerperae, culpam poena premit comes. quis Parthum paveat, quis gelidum Scythen, quis Germania quos horrida parturit fetus incolumi Caesare? quis ferae bellum curet Hiberiae? condit quisque diem collibus in suis et vitem viduas ducit ad arbores; hinc ad vina redit laetus et alteris te mensis adhibet deum. te multa prece, te prosequitur mero defuso pateris, et Laribus tuum miscet numen, uti Graecia Castoris et magni memor Herculis.

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Bringe deiner Heimatstadt, trefflicher Führer, wieder das Licht zurück! Denn sobald dein Antlitz wie der Frühling über dem Volk erglänzt, tritt der Tag willkommener hervor, und heller leuchtet die Sonne. Wie eine Mutter den jungen Sohn, den der Südwind mit missgünstigem Blasen jenseits des karpathischen Meeres von der geliebten Heimstatt fernhält, so dass er mehr als ein Jahr in der Fremde verweilt, mit Gelübden und Zeichen und Gebeten ruft und den Blick nicht vom geschwungenen Strande wendet, so verlangt es die Heimat, von treulicher Sehnsucht gestachelt, nach ihrem Caesar. Denn in Sicherheit schreitet das Rind über die Äcker, lassen Ceres und die gütige Faustitas die Felder gedeihen, eilen die Schiffer über das friedlich gewordene Meer und sorgt sich das Versprechen um seine Einlösung; kein Ehebruch befleckt die Zucht des Hauses; Sitte und Gesetz sind über schändlichen Frevel Herr geworden; man preist die Mütter, wenn die Kinder ihnen gleichen, und dem Vergehen folgt die Strafe auf dem Fuße. Wer hätte einen Parther noch zu fürchten, wer einen Skythen aus dem Norden, wer die Brut, die das kältestarrende Germanien zeugt, solange Caesar unverletzt ist! Wen bekümmert noch ein Krieg im wilden Spanien! Jedermann verbringt den Tag auf seinen eigenen Hügeln, bindet die Reben empor an die noch freien Bäume, kehrt dann heiter wieder zurück zum Wein und betet beim Nachtisch zu deiner Gottheit; dient dir mit häufigem Anruf, mit einem Weinguss aus der Schale, verbindet deinen Namen mit den Laren, wie die Griechen des Castor und des großen Hercules gedenken:

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CARMINUM LIBER IV

›longas o utinam, dux bone, ferias praestes Hesperiae‹ dicimus integro sicci mane die, dicimus uvidi, cum sol Oceano subest.

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c. 4,6 (VI) DIVE, QUEM PROLES Niobaea magnae vindicem linguae Tityosque raptor sensit et Troiae prope victor altae Pthius Achilles, ceteris maior, tibi miles inpar, filius quamvis Thetidis marinae Dardanas turris quateret tremenda cuspide pugnax – ille, mordaci velut icta ferro pinus aut inpulsa cupressus Euro, procidit late posuitque collum in pulvere Teucro; ille non inclusus equo Minervae sacra mentito male feriatos Troas et laetam Priami choreis falleret aulam, sed palam captis gravis, heu nefas, heu nescios fari pueros Achivis ureret flammis, etiam latentem matris in alvo,

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ni tuis flexus Venerisque gratae vocibus divom pater adnuisset rebus Aeneae potiore ductos alite muros: doctor argutae fidicen Thaliae, Phoebe, qui Xantho lavis amne crinis, Dauniae defende decus Camenae, levis Agyieu.

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ODEN, VIERTES BUCH

»Wollest, großer Held, Hesperien eine lange Friedenszeit gewähren!« So sprechen wir beim ersten Morgengrauen nüchtern, und so sprechen wir nach dem abendlichen Trunk, wenn schon die Sonne unter dem Weltmeer liegt.

Ode 4,6 Du Gott, den einst die Kinder der Niobe als Rächer an der prahlenden Zunge erlebten, den der Räuber Tityus fühlte und auch der Mann, der fast das erhabene Troia bezwungen hätte, der Phthier Achilles, ein größerer Kämpfer als alle die anderen, doch dir unterlegen, ob er gleich als Sohn der Meergöttin Thetis die Dardanus-Türme mit schrecklicher Lanze streitbar erzittern ließ – gleich der Fichte, die das beißende Beil getroffen hat, oder einer Zypresse, die der Südwind anfällt, stürzte Achill der Länge nach hin und begrub seinen Nacken im Staub von Troia; er hätte nicht, eingeschlossen in das Pferd, dem vermeintlichen Weihgeschenk der Minerva, die schlecht beratenen feiernden Troer und den fröhlich tanzenden Hof des Priamus listig überfallen; nein, er würde unter den in offenem Kampf Besiegten wüten und – o Graus! – die unmündigen Kinder in der achivischen Flamme versengen, ja selbst das Ungeborene im Leibe der Mutter, hätte nicht der Vater der Götter, bestrickt durch deine und die Bitten der reizenden Venus, dem Geschick des Aeneas eine feste Stadt beschieden, die unter glücklicheren Vorzeichen gegründet würde – du Meisterspieler der helltönenden Leier Thalias, Phoebus, der du die Haare im Xanthus badest, schütze den Meister der Muse Italiens, du junger Agyieus!

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CARMINUM LIBER IV

spiritum Phoebus mihi, Phoebus artem carminis nomenque dedit poetae: virginum primae puerique claris patribus orti, Deliae tutela deae, fugacis lyncas et cervos cohibentis arcu, Lesbium servate pedem meique pollicis ictum,

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rite Latonae puerum canentes, rite crescentem face Noctilucam, prosperam frugum celeremque pronos volvere mensis.

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nupta iam dices ›ego dis amicum, saeculo festas referente luces, reddidi carmen docilis modorum vatis Horati.‹

c. 4,7 (X) DIFFUGERE NIVES, redeunt iam gramina campis arboribusque comae; mutat terra vices, et decrescentia ripas flumina praetereunt. Gratia cum Nymphis geminisque sororibus audet ducere nuda choros. inmortalia ne speres, monet annus et almum quae rapit hora diem. frigora mitescunt Zephyris, ver proterit aestas, interitura, simul pomifer autumnus fruges effuderit, et mox bruma recurrit iners. damna tamen celeres reparant caelestia lunae: nos ubi decidimus quo pius Aeneas, quo dives Tullus et Ancus, pulvis et umbra sumus.

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Phoebus hat mir den Künstlergeist, Phoebus die Kunst des Liedes, den Namen des Dichters verliehen. Ihr hochedlen Mädchen, ihr Jünglinge aus dem Samen bedeutender Ahnen, Schutzbefohlene der delischen Göttin, die die flüchtenden Luchse und Hirsche mit ihrem Bogen beherrscht, achtet mir auf den lesbischen Takt und auf den Schlag meines Daumens, wenn ihr nach rechter Ordnung den Sohn der Latona feiert, nach rechter Ordnung die Nachterleuchterin mit dem wachsenden Lichte, die die Feldfrucht segnet und den eilenden Monaten ihren raschen Lauf gibt. Bald schon vermählt wirst du sagen: »Als das Jahrhundert den festlichen Tag bescherte, habe auch ich das Lied, das den Göttern gefiel, gesungen, das Lied des weisenkundigen Sängers Horaz.«

Ode 4,7 Geschmolzen ist der Schnee, es sprießen von neuem die Gräser auf den Fluren, an den Bäumen die Blätter. Die Erde wechselt ihr Antlitz, und allmählich abnehmend gleiten die Flüsse an den Ufern entlang. Schon wagt es die Grazie mit den Nymphen und ihren beiden Schwestern nackt im Reigen zu tanzen. Doch hoffe nicht, dass etwas ewig währt! Es warnt der Lauf des Jahres, der Flug der Stunde, die den freundlichen Tag entführt. Fröste lösen sich im westlichen Wind; den Frühling unterdrückt der Sommer, der selbst zugrunde gehen wird, sobald der Früchtebringer Herbst das Obst verstreut; und alsbald kehrt der starre Winter wieder. Freilich, die raschen Monde ersetzen bald ihr Schwinden am Himmelszelt; wir aber – sind wir einmal hinabgesunken, wo der fromme Aeneas, wo der reiche Tullus und Ancus weilen, so sind wir ein Staub und ein Schatten.

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CARMINUM LIBER IV

quis scit an adiciant hodiernae crastina summae tempora di superi? cuncta manus avidas fugient heredis, amico quae dederis animo.

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cum semel occideris et de te splendida Minos fecerit arbitria, non, Torquate, genus, non te facundia, non te restituet pietas. infernis neque enim tenebris Diana pudicum liberat Hippolytum nec Lethaea valet Theseus abrumpere caro vincula Pirithoo.

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c. 4,8 (I) DONAREM PATERAS grataque commodus, Censorine, meis aera sodalibus, donarem tripodas, praemia fortium Graiorum, neque tu pessuma munerum ferres, divite me scilicet artium quas aut Parrhasius protulit aut Scopas, hic saxo, liquidis ille coloribus sollers nunc hominem ponere, nunc deum. sed non haec mihi vis, nec tibi talium res est aut animus deliciarum egens: gaudes carminibus; carmina possumus donare, et pretium dicere muneri. non incisa notis marmora publicis, per quae spiritus et vita redit bonis post mortem ducibus, [non celeres fugae reiectaeque retrorsum Hannibalis minae

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Wer weiß, ob die himmlischen Götter zu der heute erreichten Zahl morgen noch weitere Tage fügen? Alles aber, was du deinem lieben Ich gönnst, wird den gierigen Händen des Erben entgehen. Bist du einmal dahin und hat über dich Minos seinen feierlichen Spruch gefällt, dann wird dich, Torquatus, weder dein Adel noch deine Wortgewalt noch dein frommer Sinn hierher zurückversetzen. Denn aus dem Dunkel der Unterwelt kann Diana den keuschen Hippolytos nicht mehr erlösen, und auch Theseus hat nicht die Kraft, dem geliebten Pirithous die Fesseln der Lethe zu sprengen.

Ode 4,8 Gerne schenkte ich meinen Gefährten Trinkgefäße und kostbare Schmiedewerke, Censorinus, schenkte Dreifüße, wie man sie tapferen Griechen als Preis gab; und du solltest von diesen Geschenken nicht die schlechtesten Stücke erhalten, vorausgesetzt, ich sei so reich an künstlerischen Fähigkeiten, wie sie Parrhasius oder Scopas entwickelt haben, dieser aus Marmor, jener aus fließenden Farben bald einen Menschen, bald einen Gott zu erschaffen geschickt. Solches aber vermag ich nicht; auch deine Verhältnisse und dein Herz haben an solchen Kostbarkeiten keinen Bedarf. Was du liebst, sind Gedichte, und Gedichte kann ich verschenken – und den Wert des Geschenkes bezeichnen: Nicht mit amtlichen Zeichen beschriftete Marmortafeln, mittels deren den wackeren Feldherrn nach ihrem Tode Atem und Leben wiedergeschenkt wird, [nicht die rasche Flucht des Hannibal, sein auf ihn selbst gewendetes Drohen,

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CARMINUM LIBER IV

non incendia Karthaginis inpiae eius qui domita nomen ab Africa lucratus rediit] clarius indicant laudes quam Calabrae Pierides, neque

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si chartae sileant quod bene feceris, mercedem tuleris. quid foret Iliae Mavortisque puer, si taciturnitas obstaret meritis invida Romuli? ereptum Stygiis fluctibus Aeacum virtus et favor et lingua potentium vatum divitibus consecrat insulis. [dignum laude virum Musa vetat mori] caelo Musa beat. sic Iovis interest

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optatis epulis inpiger Hercules, clarum Tyndaridae sidus ab infimis quassas eripiunt aequoribus ratis, [ornatus viridi tempora pampino] Liber vota bonos ducit ad exitus.

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c. 4,9 (VIII) NE FORTE CREDAS interitura quae longe sonantem natus ad Aufidum non ante volgatas per artis verba loquor socianda chordis: non, si priores Maeonius tenet sedes Homerus, Pindaricae latent Ceaeque et Alcaei minaces Stesichorique graves Camenae, nec, siquid olim lusit Anacreon, delevit aetas; spirat adhuc amor vivuntque conmissi calores Aeoliae fidibus puellae.

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ODEN, VIERTES BUCH

nicht die Verbrennung des verruchten Karthago durch den, der bei der Heimkehr seinen Namen von dem Sieg über Africa erworben hatte,] zeugen leuchtender vom Ruhm als die calabrischen Musen, und wenn die Bücher verschweigen, was du an Großem geleistet hast, findest du keinen Lohn. Was wäre aus dem Sohne der Ilia und des Mars geworden, wenn missgünstiges Schweigen die Verdienste des Romulus in den Schatten stellte? Den Aeacus entriss die Kraft und Gunst und Wortgewalt bedeutender Dichter den stygischen Fluten und weihte ihn für die Inseln der Seligen. [Einen lobenswürdigen Mann lassen die Musen nicht sterben.] Ja mit dem Himmel beschenkt die Muse. Darum weilt an Jupiters hochbegehrter Tafel der unermüdliche Hercules; und das leuchtende Tyndariden-Sternpaar rettet angeschlagene Schiffe aus den Tiefen des Meeres. Liber [um die Schläfen mit grünem Weinlaub geschmückt] führt die Gebete zum guten Ende.

Ode 4,9 Du sollst nicht etwa glauben, die Worte würden vergänglich sein, die ich, der ich am weithin tönenden Aufidus geboren bin, mit einer bisher unbekannten Kunst zum Klang der Saiten spreche. Wenn auch der Mäonier Homer den Vorrang hat, so lebt doch auch die Muse Pindars und des Keërs und die kriegerischen Weisen des Alcaeus und die ernsten Lieder des Stesichorus nicht im Verborgenen, und was dereinst Anacreon gesungen, hat die Zeit noch nicht getilgt; es atmet noch die Liebe, es leben noch die Gluten, die das äolische Mädchen dem Saitenspiel vertraute.

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CARMINUM LIBER IV

non sola comptos arsit adulteri crinis et aurum vestibus inlitum mirata regalisque cultus et comites Helene Lacaena, primusve Teucer tela Cydonio direxit arcu, non semel Ilios vexata, non pugnavit ingens Idomeneus Sthenelusve solus

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dicenda Musis proelia, non ferox Hector vel acer Deiphobus gravis excepit ictus pro pudicis coniugibus puerisque primus. vixere fortes ante Agamemnona multi; sed omnes inlacrimabiles urgentur ignotique longa nocte, carent quia vate sacro. paulum sepultae distat inertiae celata virtus. non ego te meis chartis inornatum silebo totve tuos patiar labores inpune, Lolli, carpere lividas obliviones: est animus tibi rerumque prudens et secundis temporibus dubiisque rectus, vindex avarae fraudis et abstinens ducentis ad se cuncta pecuniae, consulque non unius anni, sed quotiens bonus atque fidus iudex honestum praetulit utili, reiecit alto dona nocentium voltu, per obstantis catervas explicuit sua victor arma.

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Es war nicht nur die Laconierin Helena, die voll Bewunderung für das wohlgekämmte Haar des Ehebrechers, die goldbemalten Tuche, den königlichen Prunk und das Gefolge in Liebe entbrannte; nicht Teucer war der Erste, der die Pfeile vom cydonischen Bogen versandte; nicht ein Mal nur ward Ilion zerstört; nicht nur der Held Idomeneus oder Sthenelus vollbrachten Waffentaten, die des Sanges würdig waren, und nicht der grimme Hector oder der hitzige Deiphobus erlitt als Erster schwere Wunden im Kampf für ihre keuschen Gattinnen und ihre Kinder. Viele tapfere Streiter haben vor Agamemnon gelebt, doch alle werden unbeweint und unbekannt von ewiger Nacht bedeckt, weil ihnen der berufene Dichter fehlt. Gering nur ist der Abstand zwischen begrabener Nichtigkeit und ungerühmtem Heldentum. Ich will in meinen Blättern dich nicht ehrenlos verschweigen, nicht gestatten, dass deine vielen Leistungen, mein Lollius, von neidischem Vergessen ungestraft vernichtet werden: Dein Herz vermag die Dinge klug zu wägen, ist im Glück und in Gefahren aufrecht, bekämpft die Habgier und die Hinterlist, und unbestechlich vor dem Geld, das alles an sich reißt, warst du der Consul nicht nur eines Jahres, sondern immer, wenn ein redlicher und treuer Richter dem Gebotenen vor dem Nützlichen den Vorrang gab, mit stolzer Miene die Geschenke Schuldiger von sich wies und durch die Massen auf der Straße siegreich seinen Weg ging und das Feld behauptete.

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CARMINUM LIBER IV

non possidentem multa vocaveris recte beatum; rectius occupat nomen beati, qui deorum muneribus sapienter uti duramque callet pauperiem pati peiusque leto flagitium timet, non ille pro caris amicis aut patria timidus perire.

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c. 4,10 (V) O CRUDELIS ADHUC et Veneris muneribus potens, insperata tuae cum veniet pluma superbiae et quae nunc umeris involitant, deciderint comae, nunc et qui color est puniceae flore prior rosae, mutatus, Ligurine, in faciem verterit hispidam, dices ›heu‹, quotiens te speculo videris alterum, ›quae mens est hodie, cur eadem non puero fuit, vel cur his animis incolumes non redeunt genae?‹

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c. 4,11 (VI) EST MIHI NONUM superantis annum plenus Albani cadus, est in horto, Phylli, nectendis apium coronis, est hederae vis multa, qua crinis religata fulges; ridet argento domus, ara castis vincta verbenis avet immolato spargier agno; cuncta festinat manus, huc et illuc cursitant mixtae pueris puellae, sordidum flammae trepidant rotantes vertice fumum.

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Du wirst nicht den, der viel besitzt, für wahrhaft glücklich halten; eher schon verdient den Namen eines Glücklichen ein Mensch, der die Göttergaben weise zu nutzen und bittere Armut zu ertragen weiß, der die Schande mehr fürchtet als den Tod und sich nicht scheut, auch für die teuren Freunde oder für das Vaterland sein Leben hinzugeben.

Ode 4,10 Immer noch unbarmherzig bist du und immer noch mächtig durch die Gaben der Venus – doch unverhofft wird deinem Hochmut der Bartflaum sprießen; fallen werden die Locken, die jetzt noch auf deine Schultern flattern, und deine Farbe, Ligurinus, die jetzt noch jede Purpurrose aus dem Feld schlägt, wird verschwinden und einem Stoppelantlitz weichen. Wenn du dann im Spiegel diesen Verwandelten ansiehst, wirst du sagen: »Ach, wie anders denke ich heute! Warum tat ich es nicht als Knabe schon? Warum kehren heute, wo ich so anders denke, meine Wangen nicht unverändert zurück?«

Ode 4,11 Ich habe einen Krug voll Albanerwein, der älter als neun Jahre ist; ich habe Eppich im Garten, Phyllis, um Kränze zu binden; ich habe eine stattliche Menge Efeu, mit dem du prächtig dein Haar umwindest; von Silber strahlt mein Haus; der Hausaltar, mit geweihten Verbenen bekränzt, ist schon bereit, mit dem Blut des Opferlammes besprengt zu werden; in Aufruhr ist die ganze Dienerschar: Knaben, Mädchen durcheinander rennen hin und her; es züngeln die Flammen und schicken aus ihren Spitzen Säulen schwarzen Qualms empor.

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CARMINUM LIBER IV

ut tamen noris, quibus advoceris gaudiis, Idus tibi sunt agendae, qui dies mensem Veneris marinae findit Aprilem, iure sollemnis mihi sanctiorque paene natali proprio, quod ex hac luce Maecenas meus adfluentis ordinat annos.

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Telephum, quem tu petis, occupavit non tuae sortis iuvenem puella dives et lasciva tenetque grata compede vinctum. terret ambustus Phaethon avaras spes et exemplum grave praebet ales Pegasus terrenum equitem gravatus Bellerophontem, semper ut te digna sequare et ultra quam licet sperare nefas putando disparem vites. age iam, meorum finis amorum – non enim posthac alia calebo femina –, condisce modos, amanda voce quos reddas: minuentur atrae carmine curae.

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c. 4,12 (II) IAM VERIS COMITES, quae mare temperant, inpellunt animae lintea Thraciae, iam nec prata rigent nec fluvii strepunt hiberna nive turgidi. nidum ponit Ityn flebiliter gemens infelix avis et Cecropiae domus aeternum opprobrium, quod male barbaras regum est ulta libidines.

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Indes, damit du weißt, zu welchen Freuden du gerufen wirst: Du sollst die Iden feiern, die den April, den Monat der Venus aus dem Meere, in zwei Hälften teilen, für mich mit gutem Grund ein Festtag, heiliger fast als mein eigener Geburtstag; denn von seinem Erscheinen an zählt mein Freund Maecenas die heranströmenden Jahre. Den jungen Telephus, den du begehrst, hat schon ein Mädchen in Beschlag, das anderen Verhältnissen entstammt als du, ein reiches und recht ungehemmtes, und es hält ihn angenehm gefesselt. Es dämpft versengt Phaëthon verstiegene Hoffnungen, und eine ernste Warnung bietet auch der geflügelte Pegasus, der den irdischen Reiter Bellerophon zu tragen hatte, dass du nur erstreben sollst, was dir entspricht, und den, der unerreichbar ist, nicht ansiehst, weil du es für unrecht hältst, mehr zu erwarten, als dir zusteht. Nun denn, du letzte meiner Amouren (denn nach dir wird keine Frau mehr mich entzünden), lass dich Melodien lehren, die du mit deiner süßen Stimme wiedergeben magst: Gesang wird düstere Sorgen lindern.

Ode 4,12 Schon blähen die Frühlingstrabanten, die das Meer besänftigen, thrakische Lüfte, die Segel; die Auen starren nicht mehr im Frost, die Flüsse rauschen nicht mehr geschwellt von Winterschnee. Ihr Nest baut wieder (die Schwalbe), kummervoll nach Itys rufend, der trauernde Vogel, die ewige Anklage des Cecrops-Hauses, weil sie barbarische Königslüste übel gerächt hat.

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CARMINUM LIBER IV

dicunt in tenero gramine pinguium custodes ovium carmina fistula delectantque deum, cui pecus et nigri colles Arcadiae placent. adduxere sitim tempora, Vergili. sed pressum Calibus ducere Liberum si gestis, iuvenum nobilium cliens, nardo vina merebere. nardi parvus onyx eliciet cadum, qui nunc Sulpiciis accubat horreis, spes donare novas largus amaraque curarum eluere efficax.

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ad quae si properas gaudia, cum tua velox merce veni: non ego te meis inmunem meditor tinguere poculis, plena dives ut in domo. verum pone moras et studium lucri nigrorumque memor, dum licet, ignium misce stultitiam consiliis brevem: dulce est desipere in loco.

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c. 4,13 (III) AUDIVERE, LYCE, di mea vota, di audivere, Lyce: fis anus; et tamen vis formosa videri ludisque et bibis inpudens et cantu tremulo pota Cupidinem lentum sollicitas: ille virentis et doctae psallere Chiae pulcris excubat in genis. inportunus enim transvolat aridas quercus et refugit te, quia luridi dentes, te quia ruges turpant et capitis nives.

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ODEN, VIERTES BUCH

Die Hüter wohlgenährter Schafe lassen im jungen Gras Lieder zur Pfeife erschallen und erfreuen den Gott, der das Vieh und die dunklen arkadischen Hügel liebt. Die Jahreszeit hat auch den Durst gebracht, Vergilius. Wenn du jedoch einen Wein zu schlürfen begehrst, der in Cales gekeltert ist, du Gefolgsmann adliger junger Herren, musst du den Wein dir mit Nardenöl verdienen. Ein winziges Büchschen Narde macht einen Weinkrug locker, der jetzt noch in den sulpizischen Speichern lagert, reichlich genug, um frische Hoffnungen zu wecken, und wirksam, um bittere Sorgen hinwegzuspülen. Wenn es dich zu solchem Vergnügen treibt, dann komme schleunigst samt deiner Ware: Ich denke gar nicht daran, dich unentgeltlich mit meinen Humpen zu tränken wie ein Reicher in einem vollen Haus. Fort denn mit allen Bedenken und aller Gewinnsucht! Denke, solange noch Zeit ist, an die Flammen des Todes! Zwischen dein Planen schieb eine kurze Torheit ein: es ist so herrlich, gelegentlich toll zu sein!

Ode 4,13 Erhört haben die Götter, Lyce, meine Gebete! Ja, die Götter haben sie erhört, Lyce: eine Vettel wirst du! Und dennoch willst du gefallen, spielst und trinkst ohne Scham und willst, von tremulierendem Geleier trunken, den zögernden Cupido reizen! Der aber sitzt auf den hübschen Wangen der jungen kitharakundigen Chia. Missmutig nämlich flattert er an verdorrten Eichen vorüber; er will auch von dir nichts wissen, weil dich gelbe Zähne, weil dich Runzeln und Schnee auf dem Kopf entstellen.

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CARMINUM LIBER IV

nec Coae referunt iam tibi purpurae nec cari lapides tempora, quae semel notis condita fastis inclusit volucris dies. quo fugit venus, heu, quove color, decens quo motus? quid habes illius, illius, quae spirabat amores, quae me surpuerat mihi,

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felix post Cinaram notaque et artium gratarum facies? sed Cinarae brevis annos fata dederunt, servatura diu parem cornicis vetulae temporibus Lycen, possent ut iuvenes visere fervidi multo non sine risu dilapsam in cineres facem.

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c. 4,14 (VIII) QUAE CURA PATRUM quaeve Quiritium plenis honorum muneribus tuas, Auguste, virtutes in aevum per titulos memoresque fastus aeternet, o qua sol habitabilis inlustrat oras, maxime principum, quem legis expertes Latinae Vindelici didicere nuper, quid Marte posses. milite nam tuo Drusus Genaunos, inplacidum genus, Breunosque velocis et arces Alpibus inpositas tremendis deiecit acer plus vice simplici, maior Neronum mox grave proelium conmisit immanisque Raetos auspiciis pepulit secundis,

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ODEN, VIERTES BUCH

Weder Purpur aus Kos noch kostbare Steine bringen dir die Jahre zurück, die unwiederbringlich die flüchtige Zeit, verzeichnet in bekannter Chronik, verschlossen hat. Ach, wohin bist du, Anmut, entflohen? Wohin du, Farbenpracht? Wohin du, leichte Beweglichkeit? Wie viel hast du noch von jener, jener, die einstmals Liebe hauchte, die mich mir selber entführte, die nach Cinara glücklich war, weithin bekannt durch ihre kunstvoll gesteigerte Schönheit? Doch der Cinara hat das Schicksal nur wenige Jahre gegönnt, Lyce lange zu erhalten gewillt, genau wie eine alte Krähe in der Lebenserwartung, damit die feurigen Burschen nicht ohne großes Hohngelächter beobachten können, wie eine Fackel zu Asche zerfällt.

Ode 4,14 Welche Entschlüsse könnten Senat und Bürgerschaft fassen, um durch ehrende Gaben deine Verdienste, Augustus, in Ruhmesurkunden und gedächtnisbewahrenden Fasten für ewige Zeiten zu erhalten, wo immer die Sonne über bewohnbare Küsten blickt, du größter der Fürsten, den die Vindelizier, bis dahin unberührt vom Römergesetz, soeben kennen gelernt haben in deiner Kriegsgewalt? Mit deinem Heer hat nämlich Drusus das ungebärdige Volk der Genauner, die flinken Breuner und ihre Festungen hoch auf schaurigen Alpengipfeln mehr als einmal kraftvoll zu Boden geworfen, danach der ältere Nero eine bedeutende Schlacht geschlagen und die wilden Rätier unter glücklichen Zeichen besiegt.

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CARMINUM LIBER IV

spectandus in certamine Martio devota morti pectora liberae quantis fatigaret ruinis, indomitas prope qualis undas

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exercet Auster Pleiadum choro scindente nubis, inpiger hostium vexare turmas et frementem mittere equum medios per ignis. sic tauriformis volvitur Aufidus, qui regna Dauni praefluit Apuli, cum saevit horrendamque cultis diluviem meditatur agris, ut barbarorum Claudius agmina ferrata vasto diruit impetu primosque et extremos metendo stravit humum sine clade victor, te copias, te consilium et tuos praebente divos. nam tibi quo die portus Alexandrea supplex et vacuam patefecit aulam, Fortuna lustro prospera tertio belli secundos reddidit exitus laudemque et optatum peractis imperiis decus adrogavit.

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te Cantaber non ante domabilis Medusque et Indus, te profugus Scythes miratur, o tutela praesens Italiae dominaeque Romae. te fontium qui celat origines Nilusque et Hister, te rapidus Tigris, te beluosus qui remotis obstrepit Oceanus Britannis,

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ODEN, VIERTES BUCH

Ein großes Schauspiel bot er im Ringen des Mars, wie er die Männer, die selbst zum Freitod entschlossen waren, mit fürchterlicher Vernichtung zermürbte, so ungefähr, wie auf die ungebändigten Wogen der Südwind schlägt, wenn der Chor der Pleiaden die Wolken aufreißt – unermüdlich im Angriff auf die feindlichen Scharen, entschlossen, das wiehernde Ross mitten ins Feuer zu jagen. Der stiergestaltige Aufidus, der am Reich des apulischen Daunus dahinfließt, wälzt sich so einher, wenn er wütet und den wohlbestellten Äckern schreckliche Sintflut androht, wie Claudius die gepanzerten Heere der Barbaren in gewaltigem Ansturm warf und die Ersten wie die Letzten mähend zu Boden streckte, ein Sieger ohne Verluste; du aber gabst ihm die Truppen, du den Rat und deine schützenden Götter. Denn an dem Tag, da dir Alexandria in Demut den Hafen und die verlassene Hofburg übergab, verlieh Fortuna, schon im dritten Lustrum dir gewogen, einen glücklichen Ausgang des Krieges und gab den Ruhm und erwünschten Glanz mit dem Ende des Feldherrnamtes in deine Hände. Bewundernd blickt auf dich der bisher nie besiegte Cantabrer, der Meder und der Inder, auf dich der flüchtige Skythe, du stets bereiter Schützer Italiens und der Herrin Roma. Es hört auf dich der Nil, der seine Quelle verbirgt, die untere Donau, der reißende Tigris; es hört auf dich der Ozean mit allen seinen Ungeheuern, der gegen das ferne Britannien brandet;

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CARMINUM LIBER IV

te non paventis funera Galliae duraeque tellus audit Hiberiae, te caede gaudentes Sygambri conpositis venerantur armis.

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c. 4,15 (VIII) PHOEBUS VOLENTEM proelia me loqui victas et urbis increpuit lyra, ne parva Tyrrhenum per aequor vela darem. tua, Caesar, aetas fruges et agris rettulit uberes et signa nostro restituit Iovi derepta Parthorum superbis postibus et vacuum duellis Ianum Quirini clausit et ordinem rectum evaganti frena licentiae iniecit emovitque culpas et veteres revocavit artis, per quas Latinum nomen et Italae crevere vires famaque et imperi porrecta maiestas ad ortus solis ab Hesperio cubili. custode rerum Caesare non furor civilis aut vis exiget otium, non ira, quae procudit ensis et miseras inimicat urbis; non qui profundum Danuvium bibunt edicta rumpent Iulia, non Getae, non Seres infidique Persae, non Tanain prope flumen orti;

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es hören auf dich die Länder Galliens, das den Tod nicht fürchtet, und des harten Spaniens; und die mordbegierigen Sygambrer senken ihre Waffen und verehren dich.

Ode 4,15 Als ich von Schlachten und besiegten Städten zur Leier singen wollte, fuhr mich Phoebus unwirsch an: Ich sollte nicht mit meinem kleinen Segel mich auf das tyrrhenische Meer hinausbegeben. Deine Ära, Caesar, ließ die Felder wieder reiche Früchte tragen, brachte unserem Jupiter die Feldzeichen wieder, die du von den stolzen Tempelpfosten der Parther herabgerissen hast, versperrte, da es keinen Krieg mehr gab, das Tor des Janus Quirinus, zwang die Willkür, die die Schranken überstieg, ins Joch der rechten Ordnung, verbannte das Verbrechen und rief die alten Tugenden zurück, durch die der Name Latiums gewachsen ist, die Kraft Italiens, das Ansehen, die Hoheit unseres Reiches, die vom Nachtlager der Sonne im Westen bis zu ihrem Aufgang reicht. Solange Caesar über den Dingen wacht, wird uns kein Bürgerkrieg, kein Ausbruch der Gewalt den Frieden stören und kein Hass, der Schwerter schmiedet und Städte zu ihrem Unglück verfeindet; weder die Völker, die das Wasser der tiefen Donau trinken, werden julische Erlasse übertreten noch die Geten noch die Serer und die hinterlistigen Perser noch die Söhne des Landes am Don.

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CARMINUM LIBER IV

nosque et profestis lucibus et sacris inter iocosi munera Liberi cum prole matronisque nostris rite deos prius adprecati virtute functos more patrum duces Lydis remixto carmine tibiis Troiamque et Anchisen et almae progeniem Veneris canemus.

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ODEN, VIERTES BUCH

Wir aber werden an gemeinen und an festlichen Tagen zu den Gaben des heiteren Liber mit unseren Kindern und mit unseren Frauen zuerst nach rechtem Brauch den Göttern unsere Gebete sprechen, danach mit einem Lied zur lydischen Blattflöte die Feldherren, die nach Vätersitte ihre Tapferkeit bewiesen haben, und Troia und Anchises und den Sohn der gütigen Venus feiern.

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Biographische Notiz 8.12.65 v. Chr.

Geburt in Venusia (Apulien)

zwischen 58 und 55 Übersiedlung der Familie nach Rom. Besuch mehrerer Schulen, unter anderem des Orbilius um 45

Studium in Athen

42

Teilnahme an der Schlacht von Philippi als Militärtribun auf Seiten des M. Junius Brutus

41 (?)

Rückkehr nach Rom; Eintritt in die Korporation der Schreiber

Frühjahr 38

Empfehlung an Maecenas durch Vergil

Ende 38

Aufnahme in den Freundeskreis des Maecenas

um 35

Veröffentlichung des ersten Satirenbuches

33 (?)

Beschenkung mit einem Landgut in den Sabinerbergen

um 30

Veröffentlichung der Epoden und des zweiten Satirenbuches

23

Veröffentlichung der ersten Liedersammlung (Oden Buch 1–3)

um 19

Erscheinen des ersten Epistelbuches

17

Abfassung des Jahrhundertliedes

bis 14

Abfassung des zweiten Epistelbuches

bis 13

Abfassung der zweiten Liedersammlung (Oden Buch 4)

27.11.8 v. Chr.

Tod (Sterbeort unbekannt)

E SVETONI VITA HORATI

Aus Suetons Leben des Horaz

E SVETONI VITA HORATI Q. Horatius Flaccus Venusinus, patre, ut ipse tradit, libertino et exactionum coactore, ut vero creditum est, salsamentario, cum illi quidam in altercatione exprobasset ‘quotiens ego vidi patrem tuum bracchio se emungentem’, bello Philippensi excitus a M. Bruto imperatore tribunus militum meruit; victisque partibus venia inpetrata scriptum quaestorium conparavit. ac primo Maecenati, mox Augusto insinuatus non mediocrem in amborum amicitia locum tenuit. Maecenas quantopere eum dilexerit satis testatur illo epigrammate: ni te visceribus meis, Horati, plus iam diligo, tu tuum sodalem † nimio videas strigosiorem, sed multo magis extremis iudiciis tali ad Augustum elogio: Horati Flacci ut mei esto memor. Augustus epistularum quoque ei officium obtulit, hoc ad Maecenatem scripto significat: ante ipse sufficiebam scribendis epistulis amicorum: nunc occupatissimus et infirmus Horatium nostrum a te cupio abducere. veniet ergo ab ista parasitica mensa ad hanc regiam et nos in epistulis scribendis adiuvabit. ac ne recusanti quidem aut succensuit quicquam aut amicitiam suam ingerere desiit. exstant epistulae, e quibus argumenti gratia pauca subieci:

sume tibi aliquid iuris apud me, tamquam si convictor mihi fueris; recte enim et non temere feceris, quoniam id usus mihi tecum esse volui, si per valetudinem tuam fieri possit. et rursus: tui qualem habeam memoriam, poteris ex Septimio quoque nostro audire; nam incidit ut illo coram fieret a me tui mentio. neque enim si tu superbus amicitiam nostram sprevisti, ideo nos quoque ἀνθυπερηφανοῦμεν.

Aus Suetons Leben des Horaz Quintus Horatius Flaccus aus Venusia, Sohn eines Freigelassenen, eines Auktionskassierers, wie er selbst angibt, eines Marinadenhändlers, wie man gemeint hat, weil ihn im Streit jemand mit den Worten beschimpft hat: »Wie oft habe ich deinen Vater gesehen, wie er sich mit dem Arm die Nase putzte!« Zum Krieg von Philippi [42 v.Chr.] war er vom Feldherrn Marcus Brutus eingezogen und diente als Militärtribun; als seine Partei die Schlacht verloren hatte, erhielt er Amnestie und erwarb ein Schreiberamt beim Quaestor. Dann gewann er zuerst die Zuneigung des Maecenas, später die des Augustus, und nahm im Freundeskreis beider einen beachtlichen Platz ein. Wie sehr ihn Maecenas schätzte, geht hinreichend aus folgendem Epigramm hervor: Wenn ich dich, mein Horaz, nicht höher schätze als mein eigenes Herz, so magst du deinen Freund noch struppiger sehn als ein Mähre;1 noch deutlicher aber aus dem letzten Urteil in dem folgenden lobenden Hinweis an Augustus: »Behalte den Horatius Flaccus in Erinnerung wie mich selbst.« Augustus trug ihm auch das Amt eines Geheimsekretärs an, wie aus folgendem Schreiben an Maecenas hervorgeht: »Früher hatte ich selbst genügend Zeit, an meine Freunde zu schreiben; jetzt, wo ich aufs stärkste beschäftigt und kränklich bin, wünsche ich dir meinen lieben Horaz zu entziehen. So mag er also von deiner Parasitentafel an meine königliche Tafel kommen und mich in der Abfassung von Briefen unterstützen.« Und auch als dieser es ablehnte, nahm es ihm Augustus in keiner Weise übel und hörte nicht auf, ihm seine Freundschaft zu erweisen. Es liegen noch Briefe vor, aus denen ich einiges als Beleg anführe: »Nimm dir ruhig bei mir etwas heraus, so als wärest du mit mir aufgewachsen; dann handelst du richtig und keineswegs unangemessen. Denn ich wünsche, dass du so mit mir verkehrst, sofern es deine Gesundheit erlaubt.« Und bei anderer Gelegenheit: »In welcher Gesinnung ich an dich denke, magst du auch von meinem verehrten Septimius erfahren; denn es ergab sich, dass 1

Weder der Text noch der Sinn dieser Stelle ist geklärt.

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E SVETONI VITA HORATI

praeterea saepe eum inter alios iocos ‘purissimum pene’ et ‘homuncionem lepidissimum’ appellat unaque et altera liberalitate locupletavit. scripta quidem eius usque adeo probavit mansuraque perpetua opinatus est, ut non modo saeculare carmen conponendum iniunxerit, sed et Vindelicam victoriam Tiberii Drusique privignorum suorum, eumque coegerit propter hoc tribus carminum libris ex longo intervallo quartum addere, post sermones vero quosdam lectos nullam sui mentionem habitam ita sit questus: irasci me tibi scito, quod non in plerisque eiusmodi scriptis mecum potissimum loquaris. an vereris ne apud posteros infame tibi sit, quod videaris familiaris nobis esse? expressitque eclogam ad se, cuius initium est: cum tot sustineas et tanta negotia solus, res Italas armis tuteris, moribus ornes, legibus emendes, in publica commoda peccem, si longo sermone morer tua tempora, Caesar. habitu corporis fuit brevis atque obesus, qualis et a semet ipso in saturis describitur et ab Augusto hac epistula: pertulit ad me Onysius libellum tuum, quem ego ut accusantem quantuluscumque est boni consulo. vereri autem mihi videris ne maiores libelli tui sint quam ipse es. sed tibi statura deest, corpusculum non deest. itaque licebit in sextariolo scribas, quo circuitus voluminis tui sit ὀγκωδέστατος, sicut est ventriculi tui.

ad res venereas intemperantior traditur; nam specula to cubiculo [scorta] dicitur habuisse disposita, ut quocumque respexisset ibi [ei] imago coitus referretur. vixit plurimum in secessu ruris sui Sabini aut Tiburtini domusque ostenditur circa Tiburni luculum.

AUS SUETONS LEBEN DES HORAZ

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ich in seiner Gegenwart von dir sprach. Wenn du auch so stolz warst, meine Freundschaft zu verschmähen, so vergelte ich es doch nicht mit gleicher Reserviertheit.« Außerdem nennt er ihn öfters unter anderen Späßen einen »blitzsauberen Schwanz« und ein »possierliches Kerlchen«, und er beschenkte ihn mit mancher großzügigen Gabe. Seine Werke aber schätzte er so hoch ein und hielt sie für so unsterblich, dass er ihn nicht nur mit der Abfassung des Festliedes für die Jahrhundertfeier [17 v.Chr.] betraute, sondern auch mit der Darstellung des Sieges seiner Stiefsöhne Tiberius und Drusus in Vindelicien, und ihn nötigte, aus diesem Grund seinen drei Odenbänden nach langer Zwischenzeit einen vierten anzufügen, dass er sich ferner nach der Lektüre einiger seiner Satiren darüber beklagte, nirgends darin erwähnt zu sein: »Du sollst wissen, dass ich dir böse bin, weil du in fast allen Dichtungen dieser Art nicht mit mir sprichst. Hast du etwa Angst, es könnte dir bei der Nachwelt Schande einbringen, wenn man merkt, dass du mit mir befreundet bist?« Und tatsächlich brachte er ihn dahin, ein Gedicht an seine Adresse zu schreiben, das so beginnt: Da du allein die Last unzähliger Pflichten bewältigst, unseren Staat militärisch verteidigst, moralisch erneuerst, ordnest durch besseres Recht, so wär’ es ein Raub am Gemeinwohl, wollt’ ich, Caesar, die Zeit dir mit langen Gesprächen verkürzen. Seine äußere Erscheinung war kurz und korpulent; so wird er von sich selbst in seinen Satiren und von Augustus in dem folgenden Brief dargestellt: »Onysius hat mir dein Schreiben überbracht, und da es eine Anklage enthält, will ich trotz seiner Kürze mit ihm zufrieden sein. Aber mir scheint, du fürchtest, deine Briefe könnten größer sein, als du selber bist. Indes fehlt es dir nur am hohen Wuchs, nicht am Leibesumfang. Deshalb darfst du gern auf einen Schoppenbecher schreiben, damit der Umfang deiner Schreibrolle ordentlich massiv wird, so wie es der deines Bauches ist.« In seinem Liebesleben soll er ziemlich ausschweifend gewesen sein; man behauptet, er habe in seinem Schlafzimmer überall Spiegel anbringen lassen, um in jeder Blickrichtung sich selbst beim Beischlaf zusehen zu können. Er lebte zumeist in der Abgeschiedenheit seines Landbesitzes im Sabinerland oder in Tibur. In der Umgebung des Haines des Tiburnus wird ein Haus gezeigt …2 2 Es folgt eine größere Lücke im Text, in der nach dem uns bekannten Schema des Sueton eine Aufzählung der echten Werke des Dichters gestanden haben muss. Ihr mögen noch weitere Angaben über die persönlichen Lebensumstände des Dichters, insbesondere über das von Maecenas geschenkte und in den Gedichten häufig er-

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E SVETONI VITA HORATI

… venerunt in manus meas et elegi sub titulo eius et epistula prosa oratione quasi commendantis se Maecenati, sed utraque falsa puto; nam elegi volgares, epistula etiam obscura, quo vitio minime tenebatur. natus est VI idus decembris L. Cotta et L. Torquato consulibus (8. dec. 65), decessit V kal. decembris C. Mario Censorino et C. Asinio Gallo consulibus (27. nov. 8) post nonum et quinquagesimum annum herede Augusto palam nuncupato, cum urgente vi valetudinis non sufficeret ad obsignandas testamenti tabulas. humatus et conditus est extremis Esquiliis iuxta Maecenatis tumulum.

AUS SUETONS LEBEN DES HORAZ

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… stieß ich auf Distichen unter seinem Namen und einen Prosabrief, mit dem er sich gewissermaßen dem Maecenas empfiehlt. Beides halte ich für unecht; denn die Distichen sind primitiv, der Brief sogar unverständlich, ein Mangel, der dem Horaz am allerwenigsten eigen ist. Geboren wurde Horaz am 6. Tag vor den Iden des Dezember im Konsulatsjahr des Lucius Cotta und Lucius Torquatus [das heißt am 8. Dezember 65]; er starb am 5. Tag vor den Kalenden des Dezember im Konsulatsjahr des Gaius Marcius Censorinus und Gaius Asinius Gallus [das heißt am 27. November 8 v.Chr.], 59 Tage nach dem Tode des Maecenas, im 57. Lebensjahr, nachdem er Augustus mündlich vor Zeugen zu seinem Erben eingesetzt hatte, da er unter der Einwirkung seiner Krankheit nicht mehr die Kraft zur Unterzeichnung eines schriftlichen Testamentes besaß. Er wurde am Außenrand des Esquilin neben dem Grab des Maecenas beigesetzt.

wähnte sabinische Landgut, vorausgegangen sein; denn Sueton nennt es auffallenderweise dort nicht, wo er Beweise für die Freundschaft zwischen Horaz und Maecenas gibt.

Zur Verskunst des Horaz Lateinische Dichtung ist, metrisch betrachtet, die geregelte Abfolge von langen und kurzen Silben; im Deutschen wurde daraus die Abfolge von betonten und unbetonten Silben – eine für deutsche Dichtung(en, besonders der deutschen ‹Klassik›) hoch bedeutsame Verschiebung. Die folgende Übersicht soll veranschaulichen, welche metrischen Vorgaben Horaz für sein Dichten wählte, und im Idealfall bei aller Unzulänglichkeit und Verkürzung etwas hohe Kunst aufscheinen lassen, ohne durch falsch verstandene Gelehrsamkeit zu verwirren oder abzuschrecken. (Die Akzente der Beispiele sind nach der deutschen Schulaussprache gesetzt und spiegeln auf ihre Weise das spannungsreiche Verhältnis von antiker Vorlage und ihrer Aufnahme bzw. Umsetzung.) Im Lateinischen werden auslautende Vokale sowie die Endungen -am, -em bzw. -um vor Vokal im Anlaut ausgestoßen oder ‹verschluckt› (umgekehrt bei folgendem est) – so liest man c.III 2,13 (dulce et decorum est pro patria mori) fünfsilbig: dul - c’et de - co - rum’st … Als Grundbausteine der Metrik sind anzusprechen: – der Jambus (jambisch: kurz-lang): ∪ – – der Trochäus (trochäisch: lang-kurz): – ∪ – der Daktylus (daktylisch: lang-kurz-kurz): – ∪∪ mit einer zweiten Länge als sog. Spondäus: – – Sechs Daktylen (der letzte stets zweisilbig: – x) ergeben den Hexameter. Eine sogenannte syllaba anceps (»x«) am Versende oder vor einer Zäsur kann kurz oder lang sein.

Epoden Epoden 1–10: i. ∪ – ∪ – ∪ |– ∪ be- á- tus íl- le quí pro∪ – ∪ – ∪ – ut prí- sca géns mor- tá-

– ∪ – ∪ x cúl ne- gó- ti- ís, ∪ x li- úm …

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Zur Verskunst des Horaz

Epode 11: ii. ∪ – ∪ – ∪ ⎜ – ∪ – ∪ – ∪ x Pet-tí, ni-híl me síc-ut án-te- á iu-vát – ∪ ∪ – ∪ ∪ x |∪ – ∪ – ∪ – ∪ x scrí-be- re vér-si-cu-lós a-mó-re pér-cus-súm gra-ví … Epode 12 (vgl. u. IX ‹Erstes archilochisches Maß›): iii. – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪ ∪ – x ó e-go nón fe- líx, quam tú fu-gis, út pa-vet á-cris – ∪ ∪ – ∪∪ – ∪ ∪ – x á - gna lu-pós ca-pre-aé-que le- ó- nes. Epode 13: iv. – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – x nó-bi-lis út gran-dí ce-ci-nít Cen-taú-rus a-lúm-no: ∪ – ∪ – ∪ – ∪ x | – ∪∪ – ∪ ∪ x In- víc- te, mór-ta-lís de-á ná-te pu-ér The-ti-dé … Epoden 14–15: v. – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪ ∪ – x nóx e-rat ét cae- ló ful- gé- bat Lú- na se-ré-no ∪ – ∪ – ∪ – ∪ x in-tér mi- nó- ra sí- de-rá … Epode 16: vi. – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – x ál- te- ra iám te-ri- túr bel- lís ci-ví- li- bus aé-tas ∪− ∪ – ∪ – ∪ | – ∪ – ∪ – su-ís et íp- sa Ró- ma ví- ri- bús ru- ít. Epode 17: vii. ∪ – ∪ – ∪ ⎜– ∪ – ∪ – ∪ x quid ób-se-rá-tis aú-ri-bús fun-dís pre-cés?

Oden Versmaße bzw. Strophenformen sind nach großen (griechischen) Dichtern benannt (Asklepiades, Sappho, Alkaios, Archilochos, Hipponax); in den Oden werden folgende Schemata gebraucht:

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Zur Verskunst des Horaz

I:

‹Erstes asklepiadeïsches Maß› (asklepiadeïscher Vers) – – – ∪ ∪ ∪ ⎜– ∪ ∪ – ∪ x Maé- ce- nás a- ta- vís é- di- te ré-gi-bús … c. I 1; c. III 30; c. IV 8

II :

‹Zweites asklepiadeïsches Maß› (asklepiadeïsche Strophe) – – – ∪ ∪ ∪ | – ∪ ∪ – ∪ x Scrí- be- rís Va- ri- ó fór- tis et hó- sti- úm – – – ∪ ∪ ∪ | – ∪ ∪ – ∪ x víc- tor Maé- o- ni- í cár- mi- nis á- li- té, – – – ∪ ∪ ∪ | – ∪ ∪ – ∪ x quám rem cúm- que fe- róx ná- vi- bus aút e- quís – – – ∪ ∪ – ∪ x mí- les té du- ce gés- se- rít. c. I 6; 15; 24; 33; c. II 12; c. III 10; 16; c. IV 5; 12

III : ‹Drittes asklepiadeïsches Maß› (Strophe) – – – ∪ ∪ ∪ |– ∪ ∪ – ∪ x Quís mul- tá gra- ci- lís té pu- er ín ro- sá – – – ∪ ∪ ∪ | – ∪ ∪ – ∪ x pér- fu- sús li- qui- dís úr- get o- dó- ri- bús – – – ∪ ∪ – x grá- to, Pýr- rha, sub án- tro? – – – ∪ ∪ – ∪ x cuí fla- vám re- li- gás co- mám … c. I 5; 14; 21; 23; c. III 7; 13; c. IV 13 IV : ‹Viertes asklepiadeïsches Maß› (Strophe) – – – ∪ ∪ – ∪ x Síc te dí- va po- téns Cy- prí, – – – ∪ ∪ ∪ | – ∪ ∪ – ∪ x síc fra- trés He- le- naé, lú- ci- da sí- de- rá, – – – ∪ ∪ – ∪ x vén- to- rúm- que re- gát pa- tér – – – ∪∪ ∪ ⎜ – ∪ ∪ – ∪ x ób- stric- tís a- li- ís praé- ter I- á- py- gá … c. I 3; 13; 19; 36; c. III 9; 15; 19; 24; 25; 28;

c. IV 1; 3

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Zur Verskunst des Horaz

‹Fünftes asklepiadeïsches Maß› (größerer asklepiadeïscher Vers) – – – ∪ ∪ – ⎜ – ∪ ∪ – ⎜ – ∪ ∪ – ∪ x Tú ne quaé- si- e- rís, scí- re ne- fás, quém mi- hi, quém ti- bí … c. I 11; 18; c. IV 10

VI : ‹Sapphisches Maß› (sapphische Strophe) – ∪ – – – | ∪ ∪ – ∪ – x Iám sa- tís ter- rís ni- vis át- que dí- rae – ∪ – – – | ∪ ∪ – ∪ – x grán- di- nís mi- sít pa- ter ét ru- bén- te – ∪ – – – | ∪ ∪ – ∪ – x déx- te- rá sa- crás ia- cu- lá- tis ár- cis – ∪ ∪ – x tér- ru- it úr- bem … c. I 2; 10; 12; 20; 22; 25; 30; 32; 38; c. II 2, 4; 6; 8; 10; 16; c. III 8; 11; 14; 18; 20; 22; 27; carmen saeculare; c. IV 2; 6; 11 VII : ‹Größeres sapphisches Maß› (Strophe) – ∪ ∪ – ∪ – x Lý- di- a, díc, per óm- nis – ∪ – – – | ∪ ∪ – | – ∪ ∪ – ∪ – x té de- ós o- ró, Sy- ba- rín, cúr pro- pe -rés a- mán- do – ∪ ∪ – ∪ – x pér- de- re, cúr a- prí- cum – ∪ – – – ⎜ ∪ ∪ – | – ∪ ∪ – ∪ – x ó- de- rít cam- púm pa- ti- éns púl- ve- ris át- que só- lis. c. I 8 VIII : ‹Alkäisches Maß› (alkäische Strophe) ∪ – ∪ – – | – ∪ ∪ – ∪ x Vi- dés ut ál- ta stét ni- ve cán- di- dúm ∪ – ∪ – – | – ∪ ∪ – ∪ x So- rác- te néc iam sús- ti- ne- ánt o- nús ∪ – ∪ – – – ∪ – x sil- vaé la- bó- ran- tés ge- lú- que – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ – x flú- mi- na cón- sti- te- rínt a- cú- to. c. I 9; 16; 17; 26; 27; 29; 31; 34; 35; 37; c. II 1; 3; 5; 7; 9; 11; 13; 14; 15; 17; 19; 20; c. III 1–6; 17; 21; 23; 26; 29; c. IV 4; 9; 14; 15

Zur Verskunst des Horaz

267

IX : ‹Erstes archilochisches Maß› (archilochische Strophe) – ∪∪ – ∪∪ – ⎜ ∪∪ – ∪∪ – ∪ ∪ – x Laú- da- búnt a- li- í cla- rám Rho- don aút My- ti- lé- nen – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – x aút E-phe-són bi-ma- rís- ve Co- rín- thi – ∪∪ – ∪∪ – ⎜∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – x moé- ni-a vél Bac- chó The- bás vel A- pól- li- ne Dél- phos – ∪∪ – ∪∪ – ∪∪ – x ín- si- gnís aut Thés- sa- la Tém- pe. c. I 7; 28 (vgl. o. iii. zu ep.12) X:

‹Zweites archilochisches Maß› (Strophe) – ∪∪ – ∪∪ – | ∪∪ – ∪∪ – ∪ ∪ – x Díf- fu- gé- re ni- vés, red- e- únt iam grá- mi- na cám- pis – ∪ ∪ – ∪ ∪ x ár- bo- ri- bús- que co- maé; – ∪∪ – ∪∪ – | ∪∪ – ∪∪ – ∪ ∪ – x mú- tat tér- ra vi- cés, et dé- cre- scén- ti- a rí- pas – ∪ ∪ – ∪∪ x flú- mi- na praé- ter- e- únt. c. IV 7

XI : ‹Drittes archilochisches Maß› (Strophe) – ∪ ∪ – ∪∪ – | ∪∪ – ∪ ∪ ⎜ – ∪ – ∪ – – Sól- vi- tur á- cris hi- éms gra- tá vi- ce vé- ris ét Fa- vó- ni ∪ – ∪ – – | – ∪ – ∪ – – tra- húnt- que síc- cas má- chi- naé ca- rí- nas, – ∪∪ – ∪∪ – | ∪∪ – ∪ ∪ ⎜ – ∪ – ∪ – – ác ne- que iám sta- bu- lís gau- dét pe- cus aút a- rá- tor í- gni – – ∪ – – | – ∪ – ∪ – – nec prá- ta cá- nis ál- bi- cánt pru- í- nis. c. I 4

268

Zur Verskunst des Horaz

XII : ‹Hipponakteïsches Maß› (hipponakteïsche Strophe) – ∪ – ∪ – ∪ x Nón e- búr ne- qu(e) aú- re- úm ∪ – ∪ – ∪ ⎜ – ∪ – ∪ – x me- á re- ní- det ín do- mó la- cú- nar, – ∪ – ∪ – ∪ x nón tra- hét Hy- mét- ti- aé ∪ – ∪ – ∪ | – ∪ – ∪ – x pre- múnt co- lúm- nas úl- ti- má re- cí- sas … c. II 18 XIII : ‹Jonisches Maß› (jonische Strophe; nach der Silbenfolge ∪ ∪ – –, einem sog. Ionicus) ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – – Mi-se-ra-rum (e)st ne-qu(e) a-mo-ri da-re lu-dum ne-que dul-ci ma-la vi-no la-ve-r(e) aut ex- a-ni-ma-ri me-tu-en-tis pa-tru-ae ver- be-ra lin-guae. (undsoweítér, undsoweítér …) c. III 12

Orthographische Besonderheiten Die Schreibung des hier zugrundegelegten lateinischen Textes weicht zuweilen von der Schulgrammatik ab. Am häufigsten ist die Endung ‹-īs› für den Akkusativ Plural der Dritten Deklination (für ‹-ēs›, z. B. ep.1,18 ‹absentis› statt ‹absentes›), daneben ‹-os› statt ‹-us› (z. B. ep.6,5 ‹fulvos›) für den Nominativ und ‹-om› statt ‹-um› (z. B. c.I 2,13 ‹flavom›) für den Akkusativ Singular der o-Deklination sowie archaisierendes ‹-o-› statt ‹-u-› (z. B. ep.5,4 ‹voltus› statt ‹vultus›); übliche Lautangleichungen (Assimilationen) werden nicht durchgeführt (z. B. in der ersten Epode v.16 ‹inbellis› statt ‹imbellis› oder v.19 ‹adsidens› statt ‹assidens›).

Anmerkungen Kürzel: ep. = Epode c. = carmen cs = carmen saeculare sat. = satirae epist. = epistulae

Epoden 1,

1 3 4 27 28 30

33

2,

18 21 22 41

42

Yacht: ein kleines, schnelles Kriegsschiff, wie es an der Küste von Liburnien (heute Kroatien) üblich war Caesar: hier (wie meist bei Horaz) Octavian, der spätere Kaiser Augustus Gaius Cilnius Maecenas (um 70–8), Gönner (‹Mäzen›) des Horaz und gewichtiger Gefolgsmann des Octavian / Augustus Calabrien: der ‹Absatz› des italienischen Stiefels Lucanien: in Unteritalien (die ‹Sohle› des Stiefels) Circestadt: Die Stadtsage behauptete, Tusculum sei von Telegonos, dem Sohne des Odysseus und der Kirke, gegründet worden; s. auch zu c.III 29,8 Chremes: eine typische Figur der antiken Komödie (etwa bei Terenz; vgl. sat.I 10,40 f.) Autumnus: der Herbst als göttliche Personifikation Priap(us): bäuerlicher Fruchtbarkeitsgott, meist als Holzstandbild in den Gärten aufgestellt (vgl. sat.I 8) Silvanus: altrömischer Waldgott, der als solcher über die Grenzen der bäuerlichen Rodung wacht die Sabinerin: Die Sabiner bewohnen das italische Kernland nordöstlich Roms (dort auch das Landgut des Horaz, das Sabinum – sein ‹Lebenstraum›: vgl. sat.II 6,1 ff. oder c.II 18,14). eines tüchtigen Apulers: s. zu ep.3,16

270

Anmerkungen (Epoden)

49

51 54 59 66 69

3,

8

13 16 17

4,

1 f.

7 13 14 16

17 f.

Lucrinersee: künstlich eingedämmte Lagune bei Baiae im mittelitalischen Campanien (vgl. zu c.II 18,20), berühmtes Austerngewässer über östlichen Gewässern: adjektivisch (Eois) nach Eos, der Göttin der Morgenröte aus Ionien: an der Westküste Kleinasiens (der heutigen Türkei) Fest des Terminus: der 23. Februar. Terminus ist die Grenzmark, personifiziert der Gott, der sie bewacht. Laren: Hausgötter (als Kleinfiguren am Herd gegenwärtig) an den Iden: Monatsmitte (13. bzw. 15. Tag) gegenüber dem Monatsersten, den Kalenden Canidia: eine Zauberin, sicher eine historische Person, gegen die Horaz in Satiren (sat.I 8; II 1 und 8) und Epoden (vgl. ep.5 und 17) mehrfach scharfe Angriffe richtet Nebenbuhlerin: Glauke, die Tochter des Korintherkönigs Kreon (vgl. ep.5,64) Apulien: in Unteritalien (die ‹Ferse› des Stiefels) ein Geschenk: das mit dem Blut des Kentauren Nessos getränkte Gewand, das Deianeira dem Herakles gab und ihn damit in den Tod trieb (vgl. ep.17,31 f.) Feindschaft ... von Natur: so schon bei Homer (Ilias 22,263 f.) Achilleus zu Hektor: »und wie auch Wölfe und Schafe nichts miteinander gemein haben, sondern sich unausgesetzt Schlechtes zudenken« auf der Heiligen Straße: eine Hauptstraße des alten Rom (Via Sacra), führte vom Palatin über das Forum zum Capitol Falerneräcker: Gebiet im mittelitalischen Campanien mit berühmtem Wein (Falernum) Via Appia: Die ‹Königin der Straßen› verbindet Rom über Capua mit Brindisi. Gesetz des Otho: Die Lex Roscia, i. J. 67 vom Volkstribunen L. Roscius Otho eingebracht, reservierte die 14 ersten Reihen im Theater den römischen Rittern freier Geburt. schwer gerüsteter Schiffe: Ihr ‹Gesicht› (ora) sind die Schiffsschnäbel (rostra) aus Erz.

Anmerkungen (Epoden)

271

5,

5 f.

bei wirklichen Geburten: also nicht vorgetäuschten, wie es in Rom öfter vorkam (s. zu ep.17,50) 6 Lucina: eine Geburtsgöttin (cs 15 mit Diana-Ilithyia assoziiert; vgl. c.III 22) 7 Purpurstreifen: am Gewand freigeborener Knaben, aber ohne besondere Rechtsbedeutung 15 Canidia: s. zu ep.3,8 21 Iolcos: Ortschaft in Thessalien, einem für Zauberei bekannten Lande (s.u. zu v.45) Iberien: Gegend am Kaukasus (Georgien), offenbar aufgrund der Nähe zu Kolchis (s. nächste Anmerkung zu v.24) 24 die kolchischen Flammen: nach der aus Kolchis am Schwarzen Meer stammenden Zauberin Medea synonymisch für Magie und Hexerei 25 ff. Sagana, Veia, Folia: Gehilfinnen der Canidia 26 Avernus-Wasser: vom Avernersee in Campanien (mit sagenhaftem Eingang zur Unterwelt) 45 Zauberlied: das Hexenwerk der ‹thessalischen Stimme› (s.o. zu Iolcos v.21) 58 Subura: verrufener Stadtteil Roms in der Niederung zwischen Quirinal, Viminal und Esquilin mit Läden, Werkstätten und Bordellen 76 keiner marsischen Beschwörung: Das Volk der Marser im latinischen Kernland westlich Roms galt auch als zauberkundig. 86 wie Thyestes: Atreus setzte seinem Bruder dessen eigene Kinder zum Essen vor. 87 Das überlieferte (unübersetzte) magnum ergibt keinen Sinn. 94 Totengeist: Die Manen sind Unterweltsgottheiten (Ggs. di superi, epist. II 1,138) oder auch die Seelen Verstorbener. 100 Esquilin: Anhöhe im Osten der Stadt, wo sich der Schindanger befand

6,

5 13

Molosser oder ... Laconier: Hunderassen aus Epirus in Nordwestgriechenland bzw. Sparta Lycambes: Vater der Neobule, die mit dem Dichter Archilochos verlobt war. Der Vater löste das Verlöbnis wortbrüchig auf und wurde von Archilochos mit Schmähgedichten verfolgt, bis er sich das Leben nahm.

272

7,

Anmerkungen (Epoden)

14

Bupalos, der den Dichter Hipponax wegen seiner Hässlichkeit verspottet hatte, soll ebenfalls von diesem durch Schmähgedichte in den Selbstmord getrieben worden sein.

3 5

auf dem Meer: in Gestalt seines Herrschers Neptun Karthago: Karthago, die große Rivalin Roms in Nordafrika (beim heutigen Tunis), wurde in drei (sog. Punischen) Kriegen (264–241, 212–201, 149–146) niedergerungen. auf der Heiligen Straße: als Weg des Triumphzuges (s. zu ep.4,7) Parther: seit der Niederlage des Crassus bei Carrhae i. J. 53 der Angstgegner der Römer; ohne scharfe Abgrenzung zu den benachbarten Persern bzw. Medern (südlich des Kaspischen Meeres) das ‹Feindbild› im Osten (vgl. c.III 5)

8 9

8,

15 f.

zwischen deinen Seidenkissen: vgl. zu c.I 12,56

9,

1

Caecuber: Wein aus Latium südlich von Rom (ein weiteres Mal v.36) Neptunsfeldherr: Sextus Pompeius, der Sohn des großen Gnaeus Pompeius, i. J. 36 bei Naulochos zur See besiegt, hatte sich propagandistisch als Sohn des Poseidon (Neptunus) gepriesen. ein Weib: Kleopatra, an der Seite Marc Antons die große Gegnerin Octavians (vgl. c.I 37) Gallier: Der Galaterkönig Amyntas wechselte vor der Schlacht bei Aktium auf die Seite Octavians. Jugurthafeldzug: i. J. 106 von C. Marius siegreich beendet (über den Numiderkönig Jugurtha wissen wir insbesondere vom Historiker Sallust) Africanus: wohl der jüngere Scipio als Sieger im 3. Punischen Krieg (149–146) Feldherrnmantel: ‹punisch› für die nordafrikanische Herkunft des Purpurs, der Farbe des Kommandierenden (‹der Feind› ist – der ungenannte – Marcus Antonius) zu den sturmgepeitschten Syrten: der stürmische Wind wie oft bei Horaz mit eigenem Namen (Notus; vgl. ep.10 zusätzlich Auster, Eurus und Aquilo); die Syrten an der nordafrikanischen Küste zwischen Karthago und Kyrene

7 f.

12 18 23 f.

25 27

31

Anmerkungen (Epoden)

34 38

10,

2 10 13

19

273

Chier- oder Lesbosweine: nach den (griechischen) Herkunftsinseln Chios bzw. Lesbos vor der kleinasiatischen Küste Wein: ein sprechender Beiname des Bacchus (Lyaeus: ‹Löser›) für die Sache selbst Mevius: Ekloge 3,90 ein Gegner Vergils, sonst nicht weiter bekannt Orion: die bekannte Sagengestalt (vgl. c.III 4,70 ff.) als Sternbild des ‹Schützen› Pallas Athene, im trojanischen Kriege Feindin Troias, wandte nach dessen Zerstörung ihren Zorn auf Aias, den Sohn des Oileus, weil er die trojanische Seherin Kassandra von Athenes Altar weggerissen hatte, und sandte der Griechenflotte einen Seesturm. vom ausgebrannten Ilion: Name Troias nach dem legendären Stadtgründer Ilos (die homerische Ilias als ‹Lied vom Kampf um Troja›) das ionische Meer: vgl. zu ep.2,54

11,

13

der indiskrete Gott: Bacchus, der durch seinen Wein die Menschen geschwätzig macht

12,

18 21

Kos: Insel der Ägäis vor der Südwestküste Kleinasiens mit Purpurschnecken: Tyros, die phönizische Handelsstadt, als Herkunftsort des Farbstoffs

13,

2

das blaue Gewölbe: der Himmels- und Wettergott Jupiter hier wie öfter für die Sache selbst (an dieser Stelle meist als Hinabsteigen der Gottheit gedeutet) Lucius Manlius Torquatus, Konsul i. J. 65 (das Geburtsjahr des Dichters zur Datierung wie c.III 21,1) mit persischer Narde (Duftpflanze): ‹achaemenisch› nach dem Begründer der Dynastie der Achämeniden, Achaemenes (um 650 v.Chr.) mit der cyllenischen Leier: der Sage nach von Hermes erfunden (hergestellt aus dem Panzer einer Schildkröte), der auf dem arkadischen Berg Kyllene geboren war der edle Zentaur: der weise Ch(e)iron, Achills Lehrer Assaracus-Land: die Troas, nach dem Urgroßvater des Aeneas

6 8 f.

9

11 13

274

14,

Anmerkungen (Epoden)

15

die Parzen: Schicksalsgöttinnen (den griechischen Moiren – Klotho, Lachesis, Atropos – gleichgestellt), die an und mit den Lebensfäden arbeiten

3 8

den Schlaf der Lethe: Fluss der Unterwelt (griech. ‹Vergessen›) zur Vollendung auszufeilen: Den Abschluss einer antiken Buchrolle bildet ein Stab, der offenbar nach seinen abgerundeten Enden umbilicus (‹Nabel›) genannt wurde. von Samos: Insel an der Küste Kleinasiens vor Ephesos Anacreon aus Teos: Lyriker des 6. Jh. mit Heimat an der Küste Kleinasiens nordwestlich von Ephesos zur bauchigen Laute: nach dem Schildkrötenpanzer (testudo) als Resonanzkörper (vgl. zu ep.13,9 und c.III 11,3 f.) das eingeschlossene Ilion: s. zu ep.10,13 Phryne ist (auch) der Name einer berühmten Hetäre im Athen des 4. Jh. (vgl. Properz II 6,1 ff.), die dem Bildhauer Praxiteles für seine ‹Aphrodite von Knidos› Modell stand.

9 10 11 14 16

15,

7 11

12 20 21

22

16,

3 4

Orion: s. zu ep.10,10 Neaera ist (ähnlich der Phryne, s. zu ep.14,16) auch der Name einer durch einen Skandalprozess bekannt gewordenen Hetäre des 4. Jh. (vgl. auch c.III 14,21). in Flaccus: Der volle Name des Dichters lautet Quintus Horatius Flaccus. Pactolus: lydischer Fluss mit goldhaltigem Kies (Sagenhaftes dazu von König Midas in Ovids Metamorphosen 11,85 ff.) des zweimal geborenen Pythagoras: Angeblich hat Pythagoras behauptet, eine Wiederverkörperung des (von Menelaos vor Troia getöteten) Euphorbos, eines Sohnes des Panthus, zu sein (so bei Ovid, Metamorphosen 15,160 ff.; vgl. c.I 28,9 ff.). Nireus: nach Achill der schönste Mann des griechischen Heeres vor Troia (Homer, Ilias 2,673 f.) die marsischen (s. zu ep.5,76) Nachbarn: im sog. Bundesgenossenkrieg i. J. 91–88 Porsenna: Der etruskische König belagerte in der sagenhaften Frühzeit Rom, um die vertriebenen Tarquinier(könige) wiedereinzusetzen (vgl. Livius 2,9–15).

Anmerkungen (Epoden)

5

6 7

8 13 17

19 23 f. 28

41

43 57 58 59 66

17,

6 8

275

Capua: Die Hauptstadt Campaniens unterstützte Hannibal während des 2. Punischen Krieges (211 erobert). Spartacus: der Anführer des großen Sklavenaufstandes 73–71 die Allobroger: ein gallischer Volksstamm, der i. J. 61 das römische Joch abzuschütteln versuchte Germanien: Die Bedrohung durch die germanischen Volksstämme der Kimbern und Teutonen wurde 102/101 von Marius erfolgreich abgewehrt. Untergang geschworen: meist passivisch gedeutet (‹der von unseren Vorfahren verwünschte Hannibal›) Quirinus: Name des vergöttlichten Romulus Phocaeas: kleinasiatische Küstenstadt, deren Bewohner i. J. 534 nach Korsika auswanderten, um die Unterwerfung unter die Perser zu vermeiden (vgl. Herodot 1,165) die väterlichen Wohnungen: stellvertreten durch die Laren (s. zu ep.2,66) im günstigen Moment: in Gestalt eines günstigen (Vogel-)Vorzeichens den Gipfel des Matinerbergs: ein Höhenzug unsicherer Lage (c.I 28,3 legt Calabrien, c.IV 2,27 Apulien als Heimat des Horaz näher) zu den seligen Gefilden: Für eine frühe Darstellung eines ‹Goldenen Zeitalters› (und ‹Inseln der Seligen› am Rande der Welt beim Okeanos) vgl. Hesiod, Erga 106 ff. Getreide: Benennung Ceres wie für die Göttin des Ackerbaus (griech. Demeter) ein Schiff mit Argo-Rudern: die sagenhafte ‹Fichte› (pinus) der Argonauten Colchierin: Medea (vgl. zu ep.5,24) Schiffer aus Sidon: phönizische Hafen- und Handelsstadt ich: als Dichter wie als Seher und Prophet (vates; vgl. ähnlich poetisch-religiös den ‹Musen-Priester› c.III 1,3 Musarum sacerdos) Canidia: s. zu ep.3,8 Nereusenkel: Achilleus, Sohn der Nereus-Tochter Thetis

276

Anmerkungen (Epoden)

Telephus: arkadischer Held, der einen Einfall der Griechen im kleinasiatischen Teuthranien (Mysien), wo er sich angesiedelt hatte, abzuwehren half und dabei von Achill verwundet, aber nicht getötet, nach einer Sagenversion sogar von ihm geheilt wurde 11 Ilions Mütter: s. zu ep.10,13 13 der König: Priamos 28 sabellische Zaubersprüche: süditalischer Volksstamm, zu dem Horaz offenbar auch sich selbst rechnet (vgl. Sabellus epist.I 16,49) 29 durch marsischen Gesang: s. zu ep.5,76 35 von colchischen Substanzen: s. zu ep.5,24 40 O du Züchtige, du Redliche: das horazische o pudica, o proba vor dem Hintergrund von Catulls c.42 (v.24 pudica et proba) 42 ff. Ehrenkränkung Helenas: Nach einer Legende hat der Dichter Stesichoros (s. c.IV 9,8) in einem Gedicht Helena geschmäht, obwohl sie unter die Götter versetzt worden war, und wurde deshalb von Kastor und Polydeukes mit Blindheit bestraft. Stesichoros widerrief daraufhin die Schmähungen und erhielt das Augenlicht zurück. Ebenso will auch Horaz ‹widerrufen›. 50 Pactumeius: sicher eine historische Person, die offenbar von Canidia als eigenes Kind ausgegeben, aber von anderen als untergeschoben betrachtet wurde 56 Cotytienfest: ein orgiastischer Kult für die thrakische Göttin Kotyto, der zwar nach Athen, aber nie nach Rom übertragen wurde. Hier bezeichnet der Name nur einen bestimmten Typus des Feierns. 58 Esquilin: s. zu ep.5,100 60 Pälignerweiber: als Hexen (nach dem Volksstamm der Päligner in Mittelitalien) gedacht, die Canidia in ihren Dienst stellt 65 des perfiden Pelops: Um die Hand der Hippodameia zu erringen, hatte Pelops den Rennwagen ihres Vaters Oinomaos manipuliert und seinen Helfershelfer Myrsilos um seinen Lohn gebracht (sprich: umgebracht). 71 mit einem norischen Schwert: Alpengegend (als Provinz Noricum) mit offenbar guten Eisenwaren (s. auch c.I 16,9 f.) 77 deine Neugier: sat.I 8,23 ff. schildert eine entsprechende Szene (vidi egomet … Canidiam …).

Anmerkungen (Oden I)

277

Oden, Buch I 1,

7

8

12 14

15

19 21 28 33 34 35

2,

2 6

7 15

Bürger: Quirites als offizielle Anrede der römischen Bürger (etwa durch Cicero in der Volksversammlung: ‹Bürger von Rom›) mit dreifachen Ehren: der Beifall im Theater (vgl. c.II 17,25 f.) oder drei Stufen der römischen Ämterlaufbahn (cursus honorum: Quästur oder Ädilität, Prätur, Konsulat) mit den Schätzen des Attalos: König von Pergamon, setzte i. J. 133 die Römer zum Erben seines Reiches ein das myrtoïsche Meer: östlich der Peloponnes als südwestlicher Teil der Ägäis (zwischen Attika und Kreta; Myrto heißt eine kleine Insel an der Südspitze Euböas) den wogenpeitschenden Südwind: Der namentlich genannte Wind (Africus; s. zu ep.9,31) ringt im südöstlichen Teil der Ägäis ‹mit ikarischen Fluten› (das ‹Meer des Ikarus› zwischen Chios und Samos). voll alten Massikerweins: nach dem Berg Massicus zwischen Latium (s. zu c.I 12,53) und Campanien Erdbeerstrauch: Arbutus Unedo L., auch Hagapfelbaum, Meerkirschenbaum genannt ein marsischer Eber: s. zu ep.5,76 weder Euterpe … noch Polyhymnia: zwei (der neun) Musen lesbische Leier: nach Lesbos, der Heimat(insel) von Sappho und Alkaios vor der kleinasiatischen Küste unter die lyrischen Dichter: die neun ‹Klassiker› des griechischen Kanons (sechs davon – Pindar, Simonides, Alkaios, Stesichoros, Anakreon, Sappho – c.IV 9,6–12 sowie Alkman, Bakchylides und Ibykos) der Göttervater: Jupiter Pyrrha: Gattin des Deukalion. Die beiden sind das einzige Menschenpaar, das nach der griechischen Sage die Sintflut überlebte (greifbar in Ovids Metamorphosen 1,313 ff.). Proteus: ein Meergott, der sich beliebig verwandeln kann; oft als Hirte der Robben dargestellt (vgl. Homer, Odyssee 4,413) den Königsbau: die Königsburg (Regia) des Numa (s. zu c.I 12,34) auf dem Forum (wie der Vestatempel)

278

Anmerkungen (Oden I)

17

22 27 33

36 39

43 44

46 51 3,

1 2 3 4 6 14 15 20 27 36

4,

5

Ilia: Tochter des Aeneas, Schwester des Iulus. Horaz deutet auf eine Sage hin, nach der Ilia die Gattin des Tiber, aber vom Flussgott Anio geraubt war. die drohenden Perser: vgl. zu ep.7,9 die heiligen Jungfrauen: die Vestalinnen, die Priesterinnen der Göttin Vesta (vgl. c.III 30,9) lächelnde Göttin vom Eryx: Venus mit Kultstätte auf dem Berg im Westen Siziliens, über ihren Sohn Aeneas (Anchisae Venerisque sanguis, cs 50) Stammmutter der Römer allgemein wie insbesondere der Julier (nach dem Enkelsohn Iulus) Stammvater: Mars des römischen Kriegers: die Marser (s. zu ep.5,76), vielleicht als klangliche Anlehnung an den (unausgesprochenen) Stammvater Mars Sohn der gütigen Maia: Merkur (vgl. c.I 10) Rächer Caesars: hier der ‹geläufige› (Gaius Iulius) Caesar (ermordet i. J. 44), v.52 aber (o Caesar!) Octavian/Augustus (s. zu ep.1,3) Quirinus: s. zu ep.16,13 (sein Volk entsprechend die Römer) die Meder: s. zu ep.7,9 Cypern: Heimat des Venus-(Aphrodite-)Kultes der Helena Brüder: Castor und Pollux (Polydeukes), als Zwillings-Gestirn Schutzgottheiten der Seefahrer (vgl. c.I 12,27 ff.) der Vater der Winde: Aeolus (Aiolos) Iapyx: Wind, der von Apulien (s. zu ep.3,16) nach Griechenland weht, also den italischen Orientreisenden günstig ist Vergil: wohl der Dichter(freund; vgl. sat.I 6,54 f.) auf sonst unbekannter Fahrt nach Griechenland die trüben Regensterne: Die Hyaden sind ein Siebengestirn im Zeichen des Stieres. Adria: das Meer an der Ostküste Italiens die verrufenen akroceraunischen Riffe: Vorgebirge (Kap Glossa) an der Küste von Epirus (heute Albanien) Japetus: ein Titan und Vater des ‹Feuerbringers› Prometheus Acheron: Fluss der Unterwelt als Grenze zum Totenreich Venus Cytherea: die Insel Kythera an der Südspitze der Peloponnes als Geburtsstätte der Göttin (vgl. zu c.III 26,5)

Anmerkungen (Oden I)

14 16 17

279

Lucius Sestius Quirinus, Konsul i. J. 23 (das ‹Stichjahr› für die Veröffentlichung der drei Oden-Bücher) das Manenreich der Sage: s. zu ep.5,94 Pluto: der Herrscher der Unterwelt (griech. Hades)

5,

16

Gott des Meeres: Neptun (ein für den Text vorgeschlagenes deae führte zu Venus)

6,

1

Lucius Varius Rufus, Dichter(freund) aus dem Maecenas-Kreis (uns praktisch verloren, so etwa eine Tragödie Thyestes aus dem ‹Haus des Pelops›, vgl. v.8) des mäonischen Heldenliedes: das klassische Epos Homers (Ilias und Odyssee, vgl. v.5 ff.) nach dessen kleinasiatischer Herkunft (Mäonien = Lydien mit den mutmaßlichen Geburtsorten Smyrna oder Kolophon) Marcus Vipsanius Agrippa (64/63–12), wichtiger Gefolgsmann des Octavian (so etwa Sieger bei Aktium) des unnachgiebigen Peliden: Achilleus, der Sohn des Peleus Kriegsgott: Ares (Mars) in buchstäblich römischem Gewande (tunica) Meriones: neben Idomeneus Anführer der Kreter vor Troia (Homer, Ilias 2,645–652) Pallas: (Beiname der) Athene (Minerva) Tydeussohn: Diomedes

2

5 6 13 15

16 7,

4 5 10 11 12

19

21 22 f.

Tempe in Thessalien: Talschlucht des Peneios am Fuß des Olymp Stadt der jungfräulichen Pallas (Athene): Athen das harte Lacedaemon: Sparta das Fruchtland von Larissa: in Thessalien die Grotte der raunenden Albunea: Quell(nymph)e bei Tibur am Anio im mittelitalischen Latium, vom sagenhaften Tiburnus (v.13) gegründet Lucius Munatius Plancus, Konsul i. J. 42 (d.h. im Jahr der Schlacht von Philippi), schlug i. J. 27 den Titel Augustus für Octavian vor Teucer: als Sohn des Telamon Bruder des ‹großen› Ajax, sagenhafter Gründer von Salamis auf Zypern (vgl. v.29) seine weinbefeuchteten Schläfen: s. zu ep.9,38

280 8,

Anmerkungen (Oden I)

4

6 f. 12 13 f. 16

das sonnige Sportfeld: das Marsfeld (campus Martius) als Treffpunkt Roms für Sport (hier) und Spiel (s. c.I 9,18), aber auch Ort der Wahlversammlungen (s. zu c.III 1,11) mit der Kandare: Zaumzeug mit (wolfszahnartigem) Stachelgebiss expedito: ein unklares Detail des antiken Speerwurfs (unübersetzt) der Sohn der Meergöttin Thetis: Achilleus die lykischen Heerscharen: das kleinasiatische Lykien (im Südwesten der heutigen Türkei) unter seinem König Sarpedon (Sohn des Zeus und von Patroklos – in der Rüstung Achills – getötet, vgl. Homer, Ilias 16,419 ff.) als Bundesgenosse der Trojaner

9,

2 7 f.

Soracte: Berg in Etrurien, 37 km nördlich von Rom im sabinischen Krug: s. zu ep.2,41

10,

1

Atlas-Enkel: als Sohn der Maia (vgl. c.I 2,43), einer Tochter des Atlas (nach Homer, Odyssee 1,52 ff. Träger des Himmelsgewölbes) die stolzen Atriden: die Söhne des Atreus Agamemnon und Menelaos Ilion: s. zu ep.10,13 die thessalischen Wachtfeuer: Thessalien als Heimat des Achilleus und seiner Myrmidonen

13 14 15

11,

5 f.

das tyrrhenische Meer: an der Westküste Italiens

12,

2

Klio: eine (der neun) Muse(n; Pindar fragt zu Beginn der zweiten Olympischen Ode: ‹Leierbeherrschende Hymnen, welchen Gott, welchen Heros, welchen Mann sollen wir besingen?›) Helikon: Berg in Böotien mit Apollontempel und Musenhain Pindus: Berg im Westen Thessaliens Hämus: thrakisches Gebirge südlich der Donau am Schwarzen Meer (Balkan) von seiner Mutter: Kalliope, die ‹Königin› (regina, vgl. c.III 4,2) der Musen

5 6

9

Anmerkungen (Oden I)

22

25

34

34 f.

37

38

39 40 f.

42

281

Liber: italischer Vegetationsgott, später mit Bacchus (Dionysos) gleichgesetzt Jungfrau: Diana (Artemis), Schwester des Phoebus (v.24, sc. Apollo; vgl. cs 1) vom Alkiden: hier Enkel des Alkeus, d.h. Herakles / Hercules Leda: Gattin des spartanischen Königs Tyndareus, von Zeus Mutter des Kastor (‹Pferde›) und Polydeukes / Pollux (‹Fäuste›) sowie der Helena und Klytaimnestra Numa Pompilius, der zweite König Roms, »führte das an wilde Kriege gewöhnte Volk auf friedfertige Bahnen« (Ovid, Metamorphosen 15,483 f.). Herrschaft des Tarquinius: Die Rutenbündel (fasces) begleiteten die Amtsträger der Republik als Zeichen der Macht; der Name Tarquinius lässt an den fünften (T. Priscus) wie an den siebten (T. Superbus; zugleich letzten) König Roms denken. Marcus Porcius Cato der Jüngere, 95–46, der unversöhnlichste Gegner Caesars, später oft wegen seiner charakterlichen (stoischen) Unbeugsamkeit gerühmt, beging nach seiner Niederlage gegen Caesar Selbstmord. Marcus Atilius Regulus, i. J. 255 im 1. Punischen Krieg von den Karthagern gefangen; als Unterhändler nach Rom geschickt, widerriet er den Römern den von Karthago gewünschten Waffenstillstand, ging seinem Eid gemäß nach Karthago zurück und wurde dort getötet (vgl. Cicero, de officiis 3,99 f. und c.III 5,13 ff., die sog. Regulus-Ode). Scaurer: Marcus Aemilius Scaurus trieb den eigenen Sohn durch seine Reaktion auf dessen Flucht im Kampf gegen die Kimbern (i. J. 102) in den Selbstmord. Lucius Aemilius Paul(l)us, Konsul i. J. 216, suchte bei der Niederlage von Cannae gegen die Karthager unter Hannibal (‹Punier›) freiwillig den Tod in der Schlacht. im ruhmverheißenden Lied: Camena (vgl. zu c.II 16,38) wie c.IV 9,8 metonymisch für carmen Gaius Fabricius Luscinus und Manius Curius Dentatus waren im 3. Jh. gegen die Samniten und den griechischen König Pyrrhus erfolgreich. Marcus Furius Camillus, legendärer Held des 4. Jh. gegen Etrusker und Gallier (nach Livius 5,49,7 als ‹zweiter Gründer der Stadt› gefeiert)

282

Anmerkungen (Oden I)

43

44 46

47 50 53

56

bittere Armut: hier wie auch sonst missverständlich, wenn mit paupertas und verwandten Begriffen zunächst einmal eingeschränkte Verhältnisse bezeichnet werden sollen (vgl. die proba pauperies c.III 29,55 f.) Wohnhaus: wie c.III 29,14 unter dem Namen der Gottheit Lar (s. zu ep.2,66) Marcus Claudius Marcellus (nach Poseidonios bei Plutarch ‹das Schwert Roms› gegen Hannibal) eroberte i. J. 212 Syrakus; die mögliche Rolle des früh (42–23!) verstorbenen gleichnamigen Neffen und Schwiegersohns Octavians wirft viele Fragen auf. der Iulier: die Familie Caesars (Gaius Iulius!) bzw. die Octavians /des Augustus Spross des Saturnus: Jupiter (analog zu Zeus als Sohn des Kronos) Parther: s. zu ep.7,9 das latinische Land: Latium als (mittel-)italisches Kernland um Rom Serer: Volk im Osten der Inder (Chinesen?)

13,

6

das Blut: sonst ganz überwiegend als Träne gedeutet, die verstohlen die Wangen hinabrinnt

14,

1

O Schiff: bereits in der Antike (nach einem Vorbild bei Alkaios) als Allegorie des Staates gelesen: »jene ganze Stelle bei Horaz, wo er Schiff statt Gemeinwesen, Wellen und Unwetter statt Bürgerkriege, Hafen statt Friede und Eintracht sagt« (Quintilian 8,6,44) pontisches Fichtenholz: von Pontus südlich des Schwarzen Meeres zwischen den hellen Kykladen: Inselgruppe der Ägäis bei Delos

11 19 f.

15,

1 f.

5 10 f.

auf idäischen Schiffen: Schiffe der Trojaner, aus dem Holz vom nahen Idagebirge gebaut; der trojanische Königssohn Paris, der mit ihnen fuhr, war zugleich Hirte am Ida Nereus: ein Meergott das dardanische Volk: nach Dardanus, dem Ahnherrn des trojanischen Königshauses

Anmerkungen (Oden I)

11 17 21 22 ff. 28 33 34 35 f.

16,

4 5 6 7 8 9 f. 17

17,

1 2 5 11 18 21 23

18,

1

283

Panzer: Schutzwehr (Schild?) der Athene (die aegis) mit dem Haupt der Gorgo Medusa gnosischen Rohres: Pfeil (aus Knos[s]os auf Kreta); die Kreter waren weltberühmte Bogenschützen den Laërtessohn: Odysseus Nestor, Teucer, Meriones: vgl. zu c.II 9,14 bzw. c.I 7,21 bzw. c.I 6,15 der Sohn des Tydeus: Diomedes (wie c.I 6,16; sein Wagenlenker Sthenelus v.24) Ilion: s. zu ep.10,13 den phrygischen Frauen: das kleinasiatische Phrygien stellvertretend für Troia griechisches Feuer: nach den Achäern bei Homer (und als römische Provinz Achaia) im adriatischen Meere: s. zu c.I 3,15 Kybele: die ‹Große Mutter› Kleinasiens verehrt als Dindymene nach dem Berg Dindymos in Phrygien der Bewohner von Pytho: der Apoll von Delphi (mit einer Pythia als Priesterin des Orakels) Liber: s. zu c.I 12,22 Korybanten: Priester der Göttin Kybele, die ihren Kult mit Musik, Beckenlärm und ekstatischen Tänzen ausübten ein norisches Schwert: s. zu ep.17,71 Thyestes: vgl. zu ep.5,86 Lucretilis: Berg im Sabinerland (Monte Gennaro; vgl. zu ep.2,41) Lykaios: Gebirge im Südwesten Arkadiens auf der Peloponnes, Heimat des Gottes Pan, mit dem Faunus gleichgesetzt wird die verborgenen Arbutusbüsche: s. zu c.I 1,21 Ustica: ein Talhang im Sabinerland (s. zu ep.2,41) teïsche Leier: s. zu ep.14,10 lesbischen Weines: s. zu ep.9,34 Thyoneus: Bacchus als Sohn der Thyone (ein Beiname der vergöttlichten Semele) womöglich der Dichter(freund) Quintilius Varus (gestorben i. J. 24/23), vgl. auch c.I 24

284

Anmerkungen (Oden I)

2 7 8

9

11 13 f.

19,

1 2 3 6 10

11 f. 14 20,

1 5 f. 7 f.

Catilus (sonst auch Catillus): sagenhafter Gründer von Tibur (vgl. zu c.I 7,12) Liber: s. zu c.I 12,22 der Streit der Kentauren mit den Lapithen: bei der Hochzeit des Lapithen-Königs Peirithoos (vgl. zu c.III 4,80), knapp in Ilias (1,260–272) und Odyssee (21,295–304), breit später in Ovids Metamorphosen (12,210–537) Sithonier: Thrakier, nach dem mythischen König Sithon vom thrakischen Chersonnes; zu deren Trink(un)sitten vgl. c.I 27,1 f. der Rauschgott: Euhius als vom Jubelruf eu(h)oe abgeleiteter Beiname des Bacchus Bassareus: Bacchus, nach dem thrakischen Wort Bassarai = Mänaden (die ‹rasenden› Anhängerinnen des Dionysos) berecyntisches Horn: nach dem phrygischen (s. zu c.I 15,34) Berg Berekynthos benanntes gekrümmtes Blasinstrument, das im Kybele-Kult verwendet wurde Der Liebesgötter grausame Mutter: aufgegriffen c.IV 1,5 und als Venus identifiziert der Sohn der thebanischen Semele: Bacchus / Dionysos, der Gott des Weines Licentia: die personifizierte ‹Lizenz› (Ungebundenheit, Ausgelassenheit – sozusagen das antike Lust-Prinzip) parischer Marmor: von der Kykladeninsel Paros, der Heimat des Archilochos (vgl. zu c.I 14,19 f.) Cypern: s. zu c.I 3,1 Skythen: Völkerschaft am Schwarzen Meer zwischen Donau und Don die schnelle Flucht der Parther (s. zu ep. 7,9; vgl. c.II 13,17 f.) als Militärtaktik (der ‹Skythen›!) bereits bei Platon (Laches 191a) Verbenen: das Eisenkraut Sabinerwein: s. zu ep.2,41 die Ufer deines Heimatflusses: der Tiber (Maecenas’ Vorfahren waren nach c.I 1,1 und c.III 29,1 etruskische Könige) Echo des Vatikans: Erhebung am Westufer des Tibers (gegenüber den klassischen sieben Hügeln Roms)

Anmerkungen (Oden I)

9

10 f. 11 f.

21,

2 6 7 8 9 12 15

22,

2 4 5 6 f. 8 9 14 15 23

23,

10

285

Caecuberweine: s. zu ep.9,1 von Cales: in Campanien, der mittelitalischen Landschaft südlich von Latium Rebenstöcke von Falernum: s. zu ep.4,13 Weinhänge von Formiae: Küstenstadt in Latium (s. zu c.I 12,53) Cynthius: Apollo, nach dem Berg Kynthos auf Delos, auf dem er geboren war Algidus: Höhenzug in Latium (s. zu c.I 12,53) Erymanthus: Gebirge in Arkadien auf der Peloponnes Cragus: Gebirge in Lykien (südwestliches Kleinasien) Tempe: s. zu c.I 7,4 die vom Bruder erfundene Leier: Merkur (Hermes) als ‹Vater der gewölbten Leier› (c.I 10,6) Perser: s. zu ep.7,9 der maurischen Schleudern: nach den Mauren (Mauretanien) im Nordwesten Afrikas Aristius Fuscus, ein Freund des Horaz (vgl. sat.I 9,61 und 10,83; Adressat von epist.I 10) durch glühende Syrten: s. zu ep.9,31 durch den unwirtlichen Kaukasus: wörtliche Wiederaufnahme (per inhospitalem Caucasum) von ep.1,11 f. Hydaspes: indischer Fluss (Djelun?) im Sabinerwald: s. zu ep.2,41 Daunien: Apulien (s. zu ep.3,16), nach dem sagenhaften König Daunus benannt Iuba: König Numidiens an der Nordküste Afrikas (gefallen i. J. 46) liebem Lachen: Durch die wörtliche Übernahme (dulce ridentem) aus Catull c.51,5 wird eine Brücke zu dessen Vorlage Sappho (alle drei Gedichte in ‹sapphischer› Strophe) geschlagen. ein gätulischer Löwe: nordafrikanischer Landstrich an den Syrten (s. zu ep.9,31)

286 24,

Anmerkungen (Oden I)

3

5 6 f.

25,

11 f. 20

26,

3

5

8

9 11

27,

5 10

19 21 f. 23 f.

Melpomene: Muse der tragischen und lyrischen Kunst und Tochter des Zeus / Jupiter (pater) (vgl. an exponierter Stelle c.III 30,16 und c.IV 3,1) Quintilius: s. zu c.I 18,1 ‹Scham› (pudor, vgl. v.1), ‹Gerechtigkeit› (iustitia), ‹Treue› (fides) und ‹Wahrheit› (veritas) als personifizierte Größen wenn der Nordwind ... tobt: Der thrakische Wind wütet wie eine Anhängerin des Dionysos, eine Bakchantin (bacchante). dem Südwind: Anstelle des Eurus bietet die handschriftliche Überlieferung den thrakischen Fluss Hebrus (Hebro; vgl. c.III 25,10) als ‹Winter-Kumpan›. unter dem Nordstern: das Sternbild des (Großen) ‹Bären› (genau genommen: ‹Bärin›, griech. Arktos; vgl. [Ant-]Arktis für die Polgebiete) Tiridates: General des Partherkönigs Phraates IV., der sich i. J. 33 gegen den Herrscher erhob, aber um 27 vor diesem fliehen musste und sich unter den Schutz des Augustus begab Lamia: Die Familie (Aelius) wohl dieses Freundes (vgl. c.I 36,7) wird c.III 17 auf den Lästrygonenkönig Lamos (aus der Odyssee) zurückgeführt, der dann über Formiae (s. zu c.I 20,11) geherrscht habe. Pipleia: Musenquelle am Olymp mit lesbischer Musik: das ‹Produkt› metonymisch an Stelle des Instruments bzw. des Schlegels (plectrum), mit dem die Leier angeschlagen wird; zu Lesbos s. zu c.I 1,34 vom medischen Schwert: s. zu ep.7,9 beim herben Falerner: s. zu ep.4,13 Opus: Hauptstadt des mittelgriechischen Lokris im Norden Böotiens auf welchen Vamp: im Bilde eines alles verschlingenden Strudels, der Charybdis aus der Odyssee (z.B. 12,104) mit thessalischem Gegengift: s. zu ep.5,21 der dreigestaltigen Chimaera: Das sagenhafte Ungeheuer – »vorne Löwe, hinten Drachen, in der Mitte Ziege [griech. Chimaira]« (Homer, Ilias 6,181) – wurde von Bellerophontes mit Hilfe des geflügelten Pferdes Pegasos besiegt (vgl. c.IV 11,26 ff.).

Anmerkungen (Oden I)

28,

2 3 7 8

10

21 22 26

29

287

Archytas: tarentinischer Staatsmann, Philosoph und Mathematiker, 1. Hälfte des 4. Jh. v.Chr. nahe der matinischen Küste: s. zu ep.16,28 der Vater des Pelops: Tantalus Tithonos: ein Bruder des Priamos; er wurde von den Göttern mit Unsterblichkeit, aber nicht mit ewiger Jugend begabt und schließlich in eine Zikade verwandelt der Tartarus: Name für eine Unterwelt (bei Homer in der Ilias 8,479 ff. ‹Kerker› für Titanen) Panthussohn: s. zu ep.15,21 des sinkenden Orion: s. zu ep.10,10 unter illyrische Wogen: die Adria (s. zu c.I 3,15), an deren Ostküste Illyrien liegt mit allen hesperischen Wellen: nach dem Abendstern Hesperus allgemein westlich (‹abendländisch›) die Wälder von Venusia: Geburtsort des Horaz zwischen Apulien (s. zu ep.3,16) und Lukanien (vgl. sat.II 1,34 f.) des heiligen Tarent: Kolonie der Spartaner im unteritalischen Calabrien (so c.III 5,56), der sagenhafte Gründer und Namensgeber Taras ist ein Sohn des Poseidon / Neptun

29,

1 3 4 9 14

Iccius: wohl auch der Adressat von epist.I 12 Sabaea: Land der arabischen Sabäer, heute Jemen für schreckliche Meder: s. zu ep.7,9 serische Pfeile: s. zu c.I 12,56 Panaitios von Rhodos, stoischer Philosoph des 2. Jh. v.Chr. (auf einer nicht erhaltenen Schrift von ihm basiert Ciceros de officiis; vgl. Briefe an Atticus 16,11,4)

30,

1

Knidos und Paphos: Kultstädte der Aphrodite an der kleinasiatischen Küste (Karien) nördlich von Rhodos bzw. auf Zypern (vgl. zu c.I 3,1) der leidenschaftliche Knabe: Amor oder Cupido (Eros) als ständiger Begleiter der Liebesgöttin (vgl. gleichfalls ohne Namensnennung c.I 32,9 f. und c.III 27,68)

5

31,

1

bei seiner Tempelweihe: auf dem Palatin i. J. 28 als Dank für göttlichen Beistand insbesondere in der Schlacht bei Aktium (vgl. Apollo Actius bei Vergil, Aeneis 8,704)

288

32,

Anmerkungen (Oden I)

5 7 9 f. 18

aus dem heißen Calabrien: s. zu ep.1,27 Liris: campanisches Flüsschen Calener Reben: s. zu c.I 20,9 Sohn der Leto: Apollo(n; zur Mutter Latona vgl. c.I 21,3 f.)

5

eines lesbischen Bürgers: Alkaios (als Erfinder der Leier oder eher als der für Horaz maßgebende Begründer lyrischer Dichtung?) dem Knaben: s. zu c.I 30,5 Phoebus: Beiname des Apollo, des musischen Gottes (vgl. cs 1) Leier: s. zu ep.14,11

10 13 14 33,

1 7 f. 15 16

34,

5 10

11

35,

1 7 f. 8 9

10

Albius Tibullus (ca. 54/50–19), der Dichter(freund und Adressat von epist.I 4) mit Wölfen Apuliens: s. zu ep.3,16 die Woge der Adria: s. zu c.I 3,15 Calabriens Buchten: s. zu ep.1,27 Diespiter (wie c.III 2,29) ein besonderer Name des Göttervaters Styx: sagenhafter Fluss in der Unterwelt Tänarus: lakonisches Vorgebirge an der Südspitze der Peloponnes mit einer Höhle, die als ein Tor zur Unterwelt galt den Saum des Atlas: Lokalisierung des ‹Atlas› (vgl. zu c.I 10,1) unsicher; der gleichnamige Gebirgszug im Nordwesten Afrikas weist wie die sagenhaften Säulen des Herakles bei Gibraltar die Richtung, wo die Antike das ‹Ende der Welt› sah Antium: latinische Küstenstadt (Anzio) mit berühmtem Fortuna-Tempel mit bithynischem Kiel: nach dem kleinasiatischen Bithynien am Schwarzen Meer (als Schiffsholzlieferant vgl. zu c.I 14,11) das karpathische Meer: Mittelmeergebiet um die Insel Karpathos zwischen Kreta und Rhodos die wilden Daker: der thrakische Volksstamm am Unterlauf der Donau, als potentielle Bedrohung wahrgenommen (vgl. sat.II 6,53 und c.III 6,13 ff.) die flüchtigen Skythen: s. zu c.I 19,10; 11 f. das gefürchtete Latium: s. zu c.I 12,53

Anmerkungen (Oden I)

36,

31 f. 40

die östlichen Länder: s. zu ep.2,51 Massageten: skythisches Volk östlich des Kaspischen Meeres

4 7 9

vom fernsten Westland: s. zu c.I 28,26 dem geliebten Lamia: vgl. zu c.I 26,8 der gemeinsam mit ihm ausgetauschten Toga: Anlegen der toga virilis als Eintritt in die Erwachsenenwelt mit ca. fünfzehn Jahren ohne weißes Zeichen: ‹kretisch› (Cressa) markiert den Glückstag (dies albus gegenüber dies ater buchstäblich wie unser ‹schwarz-weiß›) über den Gleichklang von Insel und ‹Kreide› (lat. creta). der Salier: ein altrömisches Priesterkollegium, dessen jährliche Prozessionen mit üppigem Festschmaus und einer Götterspeisung verbunden waren Bassus: vielleicht der in Ovids Tristien IV 10,47 (unmittelbar vor Horaz, v.49!) erwähnte Jambendichter im thrakischen Kannenleeren: vgl. c.I 27,1 f.

10

12

14

37,

2 5 7 9 14 20 30

38,

289

1

Salier: s. zu c.I 36,12 den Caecuberwein: s. zu ep.9,1 die Königin: Kleopatra (im gesamten Gedicht ungenannt) von einer verschnittenen Horde: orientalische Eunuchen als Gefolge der Kleopatra von mareotischem Weine: aus der Landschaft Mareotis bei Alexandria Hämonien: stellvertretend für Thessalien (das thrakische Haemus-Gebirge [s. zu c.I 12,6] führte nach Makedonien) den wilden liburnischen Schiffen: s. zu ep.1,1 persischer Aufwand: Persischer Luxus war nachgerade sprichwörtlich (vgl. etwa Herodot 9,82 oder Nepos, Pausanias 3,2).

290

Anmerkungen (Oden II)

Oden, Buch II 1,

1 4 12

14

24 28 31 32 34 38 39

2,

3

5 11

17

3,

4

Quintus Caecilius Metellus Celer, Konsul i. J. 60 Bündnisse mächtiger Männer: insbesondere das sog. (1.) Triumvirat zwischen Caesar, Pompeius und Crassus dem attischen Kothurn: hier für das Theater als attische Erfindung (nach dem sagenhaften König Kekrops). Der Kothurn ist eigentlich ein seinen Träger vergrößernder hochsohliger Schuh, wie ihn die Schauspieler bei der Aufführung von Tragödien trugen. Gaius Asinius Pollio, 76 v. – 5 n.Chr., Politiker, Dichter und Verfasser einer (nicht erhaltenen) Geschichte der römischen Bürgerkriege, die hier gerühmt wird; als Prokonsul i. J. 39 erfolgreich gegen die Parthiner in Dalmatien (im dalmatischen Triumph, v.16) Cato: s. zu c.I 12,34 f. Jugurtha: vgl. zu ep. 9,23 zu den Medern: s. zu ep. 7,9 Getöse des abendländischen Untergangs: s. zu c.I 28,26 Daunien: s. zu c.I 22,14 der keïschen Totenklage: nach dem griechischen Meister des Klageliedes Simonides von Keos in der Grotte Diones: hier statt ihrer Tochter (vgl. Homer, Ilias 5,370 f.) Aphrodite (Venus) Gaius Sallustius Crispus, Großneffe und Adoptivsohn des Historikers gleichen Namens (nach Tacitus, Annales 3,30,3 nächst und nach Maecenas ein enger Vertrauter des Augustus) Gaius Proculeius, Schwager des Maecenas (zu seinem Bruder Licinius vgl. c.II 10) Gades: im Südwesten Spaniens (heute Cádiz) beide punischen Völker: die Karthager in Nordafrika und in Spanien auf Cyrus’ Thron: der Gründer des Perserreichs (gest. i. J. 529) Phraates IV., von 38 bis 2 König des Partherreiches, vorübergehend von Tiridates (s. zu c.I 26,5) verdrängt Quintus Dellius, nach wechselvollem Vorleben Gefolgsmann und Vertrauter des Augustus

Anmerkungen (Oden II)

8

15 f. 21 24 28

4,

2 7 10 12 15 24

291

mit köstlichen falernischen Weinen: s. zu ep.4,13 (die ‹Lagerung weiter drinnen›: interiore nota, weist auf eine höhere Qualität) der drei Schwestern: für die Parzen vgl. zu ep.13,15 Inachus: ältester mythischer König von Argos des unbarmherzigen Orkus: nach dem Namen des Totenreiches auch für dessen Herrscher Pluto des Charonsnachens: der sagenhafte Fährmann in der Unterwelt aus Phokis: Landschaft in Mittelgriechendland (mit dem Hauptort Delphi) der Atride: Agamemnon, der sich Kassandra (v.8) als Beute nahm des thessalischen Siegers: Achilleus aus Phthia (vgl. Pthius Achilles c.IV 6,4) in Thessalien Troia: die ganze Stadt nach ihrer Burg Pergamon (meist wie hier pluralisch Pergama) unter dem Haus: nach den Penaten, Schutzgottheiten des Hauses und der Familie das vierte Jahrzehnt: nach römischer Rechnung der ‹achte Fünfjahreszeitraum› (lustrum)

5,

20

der Gnidier: s. zu c.I 30,1

6,

1

Septimius: vielleicht der in der epist.I 9 empfohlene und/oder in der Horaz-Vita genannte Vertraute des Augustus nach Gades: s. zu c.II 2,11 zu den Cantabrern: Volksstamm im Norden Spaniens (nach vorlaufenden Siegen erst i. J. 19 auf Dauer von Agrippa unterworfen) Syrten: s. zu ep.9,31 die maurische Woge: s. zu c.I 22,2 von einem argivischen Bauern: Tibur als griechische Kolonie nach den sagenhaften Städtegründern (s. zu c.I 7,12) aus Argos (auf der Peloponnes) die Parzen: s. zu ep.13,15 Galaesus: Fluss bei Tarent im unteritalischen Calabrien (s. zu ep.1,27)

2

3 5

9 10

292

Anmerkungen (Oden II)

12 14 16 18 19 7,

2

3 10

21 25 27

9,

5 7 14

16 19

20 21

Phalanthus: aus Sparta (Lakonien), angeblicher Gründer von Tarent um 700 v.Chr. (vgl. auch zu c.I 28,29) Hymettus: Berg südöstlich von Athen Venafrum: Stadt in Campanien nahe dem heutigen Monte Cassino Aulon: Ort unbekannter Lage (aus dem Gedicht kann man auf eine Weingegend bei Tarent schließen) auf die Falerner Trauben: s. zu ep.4,13 Marcus Iunius Brutus, der Caesar-Mörder und i. J. 42 Verlierer der Schlacht von Philippi (in Makedonien), an der auch Horaz als Offizier teilgenommen hat als Bürger: s. zu c.I 1,7 ‹schmählich den Schild verloren› bereits Archilochos (»Über den Schild freut sich irgendein Saier – ich ließ ihn im Gebüsch zurück, den tadellosen, nicht freiwillig –, rettete aber mein Leben. Was soll mir dieser Schild? Sei’s drum; ich werde mir wieder einen besorgen, der nicht schlechter ist«) und Alkaios (s. Herodot 5,95). mit Massikerwein: s. zu c.I 1,19 Venuswurf: höchster Wurf im Knöchelspiel, 30 Augen zählend edonische Bacchusdiener: nach dem thrakischen Volksstamm der Edoner, in deren Gebiet auch Philippi liegt Gaius Valgius Rufus, ein Dichterfreund, auf dessen Urteil Horaz Wert legt (sat.I 10,82) am Garganus: bewaldeter Berg in Apulien (s. zu ep.3,16) der Greis: Nestor, »dem waren bereits zwei Geschlechter sterblicher Menschen / dahingeschwunden, die mit ihm vormals aufwuchsen und geboren wurden / im hochheiligen Pylos, und er herrschte unter den dritten« (Homer, Ilias 1,250 ff.) Troilus: jugendlicher Sohn des Priamos, von Achill erschlagen; zu seinen ‹phrygischen› Schwestern vgl. zu c.I 15,34 die neuen Siege des Caesar Augustus: in Gestalt der Siegeszeichen, erbeuteten Waffen u. dgl. (‹Trophäen›); der neu geschaffene Ehrentitel Augustus wurde Octavian im Januar 27 verliehen Niphates: Gebirge in Südarmenien den Mederfluss: wohl der Euphrat (vgl. auch zu ep.7,9)

Anmerkungen (Oden II)

10,

23

Geloner: ein skythischer Volksstamm am ‹Ende der Welt› (c.II 20,18 f.: ultimi – Geloni)

1

vielleicht Lucius Licinius Murena, Konsul i. J. 23 (22 in eine Verschwörung gegen Augustus verwickelt und auf der Flucht gestorben), als Bruder der Terentia Schwager des Maecenas (vgl. zu c.II 2,5) in die höchsten Berge: lateinisch auch als ‹in die Gipfel der Berge› deutbar

11

11,

1 2

17 19 23

12,

1

6 7 8 f. 13 21 22

13,

293

8 18

die angriffslustigen Cantabrer und die Skythen: s. zu c.II 6,2 bzw. zu c.I 19,10 Quinctius Hirpinus: vielleicht der weiter nicht bekannte Adressat von epist.I 16 das adriatische Meer: s. zu c.I 3,15 Bacchus: Euhius als (Bei-)Name des Gottes wie c.I 18,9 voll feurigen Falernerweins: s. zu ep.4,13 nach lakonischer Mode: Lakonien auf der Peloponnes (mit Hauptort Sparta) das wilde Numantia: Stadt in Spanien, nach langer Auseinandersetzung vom jüngeren Scipio Africanus (auch: Numantinus) i. J. 133 erobert Hylaeus: einer der Kentauren, die gegen die Lapithen kämpften (vgl. zu c.I 18,8) die Söhne der Erde: die Giganten (als Kinder der personifizierten Erdgottheit Tellus) das strahlende Haus des alten Saturnus: die olympischen Götter unter Zeus nach dessen Vater Kronos / Saturnus Licymnia: (nicht unstrittiges) Pseudonym für Terentia, die Gattin des Maecenas Achaemenes: s. zu ep.13,8 Mygdonier: Stamm im fruchtbarsten Teil des kleinasiatischen Phrygien mit kolchischen Giften: s. zu ep.5,24 des Parthers: s. zu ep. 7,9 und vgl. zu c.I 19,11 f.

294

Anmerkungen (Oden II)

24

34

36 37 39 14,

7 8

13 14 18

25 15,

3 11

16: 16,

6 7

auf äolischer Leier: nach dem griechischen Volksstamm der Aiol(i)er im Nordwesten Kleinasiens (inklusive Sapphos Heimatinsel Lesbos) das hundertköpfige Ungeheuer: der Unterweltshund Kerberos / Cerberus, dem bereits Pindar einmal 100 Köpfe zugeschrieben haben soll (vgl. auch c.III 11,17 ff.) der Eumeniden: der buchstäblich ‹wohlmeinende› Name der Rachegöttinnen (Erinnyen / Furien) der Vater des Pelops: Tantalos (wie c.I 28,7) Orion: s. zu ep.10,10 Pluto: s. zu c.I 4,17 Die Rinder des Geryon(es) ‹herbeizuschaffen› war eine (der zwölf) Aufgabe(n) des Herakles, der dabei das aus drei Körpern bestehende Ungeheuer tötete. Tityos: Riese, der sich an Leto vergreifen wollte und dessen Leber in der Unterwelt ständig von zwei Geiern angefressen wurde (vgl. Homer, Odyssee 11,576–581) den blutigen Krieg: in Gestalt seines Gottes Mars der donnernden Adria: s. zu c.I 3,15 den schwarzen Cocytus: Fluss in der Unterwelt das fluchbeladene Geschlecht des Danaus: Die Danaïden töteten (mit einer rühmlichen Ausnahme, vgl. c.III 11,22 ff.) in der Hochzeitsnacht ihre Männer und hatten deshalb in der Unterwelt ein durchlöchertes Fass zu füllen. die Caecuberweine: s. zu ep.9,1 Lucrinersee: s. zu ep.2,49 Marcus Porcius Cato, 234–149, ist hier gleichzeitig als gefürchteter Sittenrichter und als Verfasser des ältesten (erhaltenen) landwirtschaftlichen Lehrbuches der Römer genannt Nordhimmel: s. zu c.I 26,3

der köchergeschmückte Meder: s. zu ep.7,9 Pompeius Grosphus ist uns nur durch Horaz (vgl. epist.I 12,22 f.) bekannt 21–24 Der Übersetzer hält die Strophe für echt (vgl. so oder so c.III 1,37–40) 30 Tithonus: s. zu c.I 28,8

Anmerkungen (Oden II)

38 39 17,

13 14 16 20 24

18,

3 5 7 12 14 20

34 19,

5 7 8 9 13 14

16 20

295

der griechischen Muse: in der lateinischen Bezeichnung ‹Camene› die Parze: s. zu ep.13,15 Chimaera: s. zu c.I 27,23 f. Gyges: einer der drei hundertarmigen Riesen, die sich gegen die Götter erhoben die Parzen: s. zu ep.13,15 des Meeres im Westen: s. zu c.I 28,26 des Todes: zum Fatum (‹Schicksal, Verhängnis›) als geflügeltem Wesen vgl. sat.II 1,58 mors atris circumvolat alis (‹der Tod fliegt mit dunklen Flügeln um [sc. mich]›) Hymettus: s. zu c.II 6,14 Attalus: s. zu c.I 1,12 lakonische Purpurtuche: s. zu c.II 11,23 den mächtigen Freund: Maecenas mein sabinisches Gut: s. zu ep.2,41 gegen Baiae: Badeort in Campanien (vgl. epist.I 1,83: nullus in orbe sinus Bais praelucet amoenis ‹keine Bucht in der Welt überstrahlt das reizvolle Baiae›) der Knecht des Orkus: der Unterweltsfährmann Charon Ohe!: s. zu c.I 18,9 (wie sich c.I 18 überhaupt zum Vergleich anbietet) Liber: s. zu c.I 12,22 mit dem furchtbaren Thyrsus: der efeuumrankte Stab des Dionysos und seiner Anhänger Thyiaden: wie Bacchantin oder Mänade für Anhängerinnen des Dionysos / Bacchus Brautschmuck seiner beglückten Gemahlin: Ariadne Pentheus: thebanischer König, Verächter des Bacchusdienstes, deshalb von Bacchantinnen (darunter seiner Mutter und seinen Schwestern) zerrissen Lykurg(os): König der thrakischen Edoner, verbot den Bacchusdienst und wurde von den Panthern des Gottes zerrissen der Mänaden: nach den Bistonen im häufig mit dem Weingott assoziierten Thrakien

296

20,

Anmerkungen (Oden III)

29

Cerberus: zum hier dreiköpfigen Hund der Unterwelt vgl. zu c.II 13,34

8 15 16

vom Wasser des Styx: s. zu c.I 34,10 auf Gaetuliens Syrten: s. zu ep.9,31 und c.I 23,10 auf die hyperboreischen Ebenen: nach dem sagenhaften Volk der Hyperboreer ‹jenseits des Boreas (Nordwind)› die Kolchier: s. zu ep.5,24 Marserkolonnen: s. zu ep.5,76 die Daker: s. zu c.I 35,9 die Geloner: s. zu c.II 9,23

17 18 19

Oden, Buch III 1,

11 17 24 41 43 44

47

stellt sich: Der Amtsbewerber ‹steigt hinab› auf das Marsfeld (s. zu c.I 8,4) in der Tibersenke das blanke Schwert: des Damokles (etwa in Ciceros Tusculanen 5,61 f.) kein zephyrdurchwehtes Tal: zum Tempe-Tal s. zu c.I 7,4 (der Zephyrus ist ein Westwind; vgl. zu ep.9,31) kein phrygischer Edelstein: vgl. zu c.I 15,34 falernische Rebe: s. zu ep.4,13 achämenische (= persische, s. zu ep.13,8) Kostwurzsalbe: Costus Arabicus L., ein indischer Strauch, aus dessen Wurzel eine wertvolle Salbe hergestellt wurde mein Sabinertal: s. zu ep.2,41

2,

3 19

die wilden Parther: s. zu ep.7,9 nimmt die Macht: in Gestalt der Beile (securis) der Liktoren, der Begleiter der römischen Amtsträger (vgl. zu c.I 12,34 f.) 26 f. das heilige Geheimnis der Ceres (s. zu ep.16,43): berühmt zumal der Mysterienkult der Demeter in Eleusis 29 Jupiter: hier (wie c.I 34,5) unter dem Namen Diespiter 32 Poena: »Strafe«, von Horaz als Gottheit personifiziert

3,

5 10

der erregten Adria: s. zu c.I 3,15 die Ätherhöhe: Die Sitze der Götter reichen als ‹feurige Burgen› bis an die mit Feuer assoziierten Himmelsregionen.

Anmerkungen (Oden III)

15 16 18 19

22

27

32

44 57 67

4,

297

Quirinus: s. zu ep.16,13 Acheron: s. zu c.I 3,36 Ilion: s. zu ep.10,13 Schiedsmann: Paris, Sohn des Priamos, als Schönheitsrichter zwischen Hera, Athene und Aphrodite; Helena als Weib aus der Fremde und spartanische Ehebrecherin (v.25; für ihre lakonische Herkunft vgl. zu c.II 11,23) Laomedon: erster König von Troia; nach der Sage ließ er sich die Mauern der Stadt von Apollon und Poseidon erbauen, prellte aber beide um den vereinbarten Lohn die kämpfenden Griechen: nach dem Volksstamm der Achiver bzw. Achaier (seit 146 v.Chr. auch als römische Provinz Achaia) eine troische Priesterin: die von dem Trojaner Aeneas abstammende Vestalin Ilia (Rhea Silvia) als Mutter der mit Mars gezeugten Zwillinge Romulus und Remus den besiegten Medern: s. zu ep.7,9 Quiriten: s. zu c.I 1,7 von meinen Argivern: nach der Hauptstadt Argos in der Argolis auf der Peloponnes, Sitz des Königs und Oberbefehlshabers der Griechen vor Troia Agamemnon

14 ff. Aceruntia, Bantia, Forentum: Orte bei Venusia, der apulischen Heimat des Dichters 21 Camenen: s. zu c.II 16,38 22 zu den steilen Sabinerbergen: s. zu ep.2,41 23 f. Praeneste: Stadt in Latium südöstlich von Rom; für Tibur s. zu c.I 7,12, für Baiae zu c.II 18,20 26 bei Philippi: s. zu c.II 7,2 27 der verfluchte Baum: vgl. c.II 13 28 Palinurus: lucanisches Vorgebirge bei Velia, angeblich nach dem dort verunglückten Steuermann des Aeneas benannt (vgl. Vergil, Aeneis 5,833 ff.) 32 der assyrischen Küste: je nach Verortung der ‹Assyrer› für den bzw. im Nahen Osten 34 Concaner: ein spanischer Volksstamm, dem hier wie auch sonst öfter Ähnlichkeit mit den Sitten der Skythen (s. zu c.I 19,10) nachgesagt wird 35 Geloner: s. zu c.II 9,23

298

Anmerkungen (Oden III)

36 40

51

57 60

61 64 69 71 76 77 80

5,

4 5 7 9 11 13 24 55 56

den skythischen Strom: der Tanais (Don; vgl. zu c.I 19,10) in der piërischen Grotte: Musengrotte, nach Pierien, einer makedonischen Küstenlandschaft, und dem dort beheimateten Pierios, dem Vater der Musen (vgl. Ovid, Metamorphosen 5,300 ff.) die Brüder: Otos und Ephialtes planten über eine Bergesleiter mit Pelion, Ossa und Olymp einen Himmelssturm, wurden aber vorher von Apollon getötet (Homer, Odyssee 11,305–320) Panzer der Pallas: s. zu c.I 15,11 der nie von den Schultern den Köcher nimmt: als Formulierung ständiger Kampfbereitschaft (oft »der nie ... den Bogen ablegt« o.ä. wiedergegeben) der Castalia: eine dem Apollon und den Musen geweihte Quelle am Parnass bei Delphi Patara: Stadt an der Südspitze von Lykien (im Südwesten Kleinasiens) mit berühmtem Apollon-Orakel Gyges: s. zu c.II 17,14 Orion: s. zu ep.10,10 Ätna: dient in vielfältiger Überlieferung den Göttern, feindliche Ungeheuer unter sich zu begraben Tityos: s. zu c.II 14,8 Pirithous: König der Lapithen (vgl. zu c.I 18,8); er drang lebend in die Unterwelt ein, wollte sich an Proserpina vergreifen und wurde gefesselt in der Unterwelt festgehalten (vgl. c.IV 7,27 f.) die bedrohlichen Perser: s. (wie für v.9 unter medischer Herrschaft) zu ep.7,9 Marcus Licinius Crassus, i. J. 53 bei Carrhae von den Parthern besiegt und getötet o armer Senat: nach seinem Sitzungsort (curia) ein Marser, ein Apulier: s. zu ep.5,76 bzw. ep.3,16 die ewige Vesta: Ihre Priesterinnen wachen über das (Herd-)Feuer im Tempel auf dem Forum Regulus: s. zu c.I 12,37 von unseren Waffen: wie in einem neuen Krieg (v.34) in Gestalt des zuständigen Gottes Mars auf seine venafrischen Güter: s. zu c.II 6,16 Lakedämonierstadt Tarent: s. zu c.II 6,12

Anmerkungen (Oden III)

6,

8 9

14 21 24

35 36 38

7,

3 4 5 15

17 18 21 26 28

8,

7 12 18 19

299

dem schwergeprüften Westen: s. zu c.I 28,26 Monaeses: Partherfeldherr, der i. J. 36 ein Römerheer besiegte Pacorus: ein Partherprinz, der (wohl i. J. 40) das Heer des L. Decidius Saxa besiegte die Daker: s. zu c.I 35,9 ionische Tänze: ein verschrieener Teil griechischer Kultur (vgl. zu ep.2,54) im zarten Jugendalter: ‹vom weichen Nagel (des Kindes) an›, eine griechische Redensart (vgl. Cicero, Briefe an Freunde 1,6,2) König Pyrrhus von Epirus unterlag den Römern letztlich trotz seiner Erfolge (‹Pyrrhus-Siege›) zu Beginn des 3. Jahrhunderts. Antiochus III. der Große von Syrien schützte Hannibal und zog selbst zu Beginn des 2. Jahrhunderts gegen Rom zu Felde. mit sabellischen Hacken: nach dem Volksstamm der Sabeller in Mittelitalien mit bithynischer Ware: s. zu c.I 35,7 in Treue: lateinisch in einer Sonderform des Genitivs (fide) Oricum: Hafenstadt in Epirus im Nordwesten Griechenlands Bellerophon(tes): Sohn des Glaukos von Korinth, Enkel des Sisyphos, ritt auf dem geflügelten Pferd Pegasus in den Kampf gegen die Chimaira (s. zu c.I 27,23 f.) in die Unterwelt: der Singular Tartaro offenbar unterschiedslos zum Plural Tartara (s. zu c.I 28,10) der Magnesierin: nach der Landschaft Magnesia im Osten Thessaliens die Felsen des Icarus: s. zu c.I 1,15 Marsfeldrasen: s. zu c.I 8,4 das tuskische Flussbett: der Tiber mit seinem etruskischen Ursprung (die heutige Toscana) Liber: s. zu c.I 12,22 (zum Baum vgl. neben c.II 17,27 ff. und c.III 4,27 erneut c.II 13) Lucius Volcatius Tullus, Konsul des Jahres 66 bzw. (sein gleichnamiger Sohn!) 33 des Dakers Cotiso: Der genauere historische Hintergrund bleibt unklar. die Meder: s. zu ep.7,9

300

9,

Anmerkungen (Oden III)

22

der Cantabrer: s. zu c.II 6,2; wie c.II 11,1 zusammen mit den Skythen (s. zu c.I 19,10)

4

als der König der Perser: der persische Großkönig als Kontrast schon in der Apologie Platons (40d; vgl. analog c.I 38,1), zu seiner Glückseligkeit Cicero, Tusculanen 5,35 als die Römerin Ilia: vgl. zu c.I 2,17 bzw. c.III 3,32 des Thuriers: aus der griechischen Kolonie Thurii in Unteritalien die schreckliche Adria: s. zu c.I 3,15

8 14 23 10,

12 15 18

11,

3 21

23 47 12,

4 5 f. 8

dein tyrrhenischer Vater: Verweis auf Etrurien und die als ausschweifend verschrieenen Etrusker nach der piërischen Nebenbuhlerin: s. zu c.III 4,40 maurische Schlangen: s. zu c.I 22,2 Schildkrötenpanzer: s. zu ep.13,9 Ixion: wie Tityos (s. zu c.II 14,8) ein ‹Sünder› in der griechischen Unterwelt (vgl. dazu klassisch den elften Gesang der Odyssee sowie Ovids Metamorphosen 4,432 ff. und 10,11 ff.) Danaustöchter: s. zu c.II 14,18 an den fernsten Rand Numidiens: s. zu c.I 22,15 der geflügelte Sohn der Aphrodite: Eros / Amor (zur Kult-Insel Kythera s. zu c.I 4,5) von den liparischen Inseln: Inselgruppe nördlich Siziliens als Herkunft des sonst unbekannten ‹Mädchentraums› Hebrus Bellerophon: s. zu c.III 7,15

14,

3

kehrt … heim: unter Rückgriff auf die Penaten als Heimatgötter (vgl. zu c.II 4,15) 5 die Gattin: (des Augustus) Livia nebst (v.7) Schwester Octavia 18 f. Marserkrieg und Spartacus in Kombination wie ep.16,3 ff. (s. dort) 28 Plancus: s. zu c.I 7,19

15,

10 14

eine wilde Thyiade: s. zu c.II 19,9 Luceria: Landstädtchen in Apulien (s. zu ep.3,16), einem wichtigen Schafzuchtgebiet; »hochedel« ist reine Ironie

Anmerkungen (Oden III)

301

16,

1

Danaë: Tochter des Akrisios, Königs von Argos, dem ein Orakel den Tod durch einen Sohn der Danaë verkündete. Diese, vom Vater in einen Turm gesperrt, gebar von Zeus (als goldenem Regen) den Perseus 11 f. Seher von Argos (vgl. zu c.III 3,67): Amphiaraos. Seine Gattin Eriphyle, von Polyneikes durch einen kostbaren Halsschmuck bestochen, veranlasste ihn zur Teilnahme an einem Feldzug, aus dem er nicht zurückkehren sollte. Eriphyle wurde dafür von ihrem Sohn Alkmaion getötet; auch dieser fand später wegen des Schmuckes den Tod 14 der Mann aus Mazedonien: König Philipp II., der Vater Alexanders des Großen, dessen mächtigste ‹Waffe› gegen innen- und außenpolitische Feinde Bestechungsgelder waren 33 keine calabrischen Bienen: s. zu ep.1,27 34 in laestrygonischen Krügen: Wein (in Person seiner Gottheit Bacchus) von Formiae in Campanien, das von Horaz (wie schon von Cicero, Briefe an Atticus 2,13,2) mit dem Sitz des homerischen Laistrygonenkönigs Lamos (s. zu c.III 17,1) gleichgesetzt wird 41 in der mygdonischen Ebene: s. zu c.II 12,22 Alyattes: Vater des Kroisos, Begründer des Lyderreiches

17,

1

7

Lamus: Bei Homer (Odyssee 10,81) König der menschenfressenden Laistrygonen, dessen Stadt manche im campanischen Formiae wiedererkennen wollten. Daraus macht Horaz einen genealogischen Scherz über die Herkunft der Familie der Lamiae, die aus Minturnae (unweit von Formiae) stammen. Marica: altitalische Göttin, deren Kulthain bei Minturnae der Liris (s. zu c.I 31,7) durchfloss, ehe er ins Meer mündete

18,

10

dein fünfter Dezember: nach römischer Rechnung der neunte Tag (Nonae) vor den Iden eines Monats (hier: dem 13. Dezember)

19,

1 2

Inachus: s. zu c.II 3,21 Codrus: letzter König von Athen; nach der Überlieferung hat er die Heimatstadt im Jahr 1068 durch Opferung seines Lebens vor einem Einfall der Dorer gerettet Aeacus: Sohn des Zeus und der Aigine, König von Ägina, Stammvater zahlreicher Helden der griechischen Sage

3

302

Anmerkungen (Oden III)

4 5 8 11 18

vor dem heiligen Ilion: s. zu ep.10,13 voll Chierwein: s. zu ep.9,34 dem pälignischen Frost: s. zu ep.17,60 Murena: s. zu c.II 10,1 der berecyntischen Blattflöte: s. zu c.I 18,13

20,

2 15 16

der gätulischen Löwin: s. zu c.I 23,10 Nireus: s. zu ep.15,22 der ... geraubte Knabe: Ganymedes, den Zeus vom kleinasiatischen Idaberg weg als seinen Mundschenk und Geliebten von einem Adler (vgl. c.IV 4,3 f.) entführen ließ

21,

1 5 7

im Konsulat des Manlius: s. zu ep.13,6 der Massikerjahrgang: s. zu c.I 1,19 Marcus Valerius Messalla Corvinus, Konsul i. J. 31, Feldherr und Freund vieler Dichter Cato: s. zu c.II 15,11 Lösetrunk: s. zu ep.9,38 Liber: s. zu c.I 12,22 die wiederkehrende Sonne: in Person der Lichtgottheit Phoebus (sc. Apollo, vgl. cs 1)

11 16 21 24

22,

4

dreigestaltige Göttin: Diana als Lucina (Geburtshelferin), Trivia (Göttin der Straßenkreuzungen) und Luna (Mond); so bei Catull c.34,13–16

23,

4 9 11 19 20

Laren: s. zu ep.2,66 Algidus: s. zu c.I 21,6 auf den Wiesen von Alba: nach der Mutterstadt Roms (Alba Longa) am Albanersee im Südosten der berühmten Tochter Penaten: s. zu c.II 4,15 Körnchen Salz: das im Opferfeuer zu springen (salire) beginnt

9 11 13

die skythischen Steppenvölker: s. zu c.I 19,10 die zähen Geten: thrakischer Volksstamm an der unteren Donau Getreide: s. zu ep.16,43

24,

Anmerkungen (Oden III)

303

25,

9

die schlaflose Bacchantin: für die Benennung Euhias s. zu c.I 18,9 10 Hebrus: größter Fluss in Thrakien, dem Heimatland des Bacchuskultes 12 auf das Rhodopegebirge: im Westen Thrakiens 14 f. Najaden und Mänaden: die weibliche Gefolgschaft des Dionysos (Wassergottheiten und verzückte Frauen) 19 Lenaeus: griechischer Beiname (‹Kelterer›) des Bacchus (Dionysos)

26,

5

10

27,

3 18 19 20 41

49 68 28,

1 3 8 10 12

der meerentsprossenen Venus: Die Meer-Geburt der Liebesgöttin (ihr griechischer Name Aphrodite heißt ‹die Meerschaumgeborene›; vgl. Hesiod, Theogonie 188 ff.) ist durch das Gemälde Botticellis weltberühmt geworden. Memphis: Stadt in Unterägypten südlich des Nildeltas mit Kult der der Venus gleichgesetzten Isis (für den sithonischen Schnee s. zu c.I 18,9) von der lanuvischen Flur: nach der alten Latinerstadt Lanuvium am Albanerberg südöstlich von Rom Orion: s. zu ep.10,10 die finstere Bucht der Adria: s. zu c.I 3,15 Iapyxwind: s. zu c.I 3,4 aus elfenbeinernem Tor: nach Homer (Odyssee 19,562–567) Ausgangspunkt für bedeutungslose Träume (gegenüber dem aus Horn für ‹Wahr›träume) das Vaterhaus: unter Rückgriff auf die Penaten als Hausgötter (vgl. zu c.II 4,15) ihr Knabe: s. zu c.I 30,5 am heiligen Tag: ein Fest zu Ehren Neptuns (Neptunalia) am 23. Juli Caecuberwein: s. zu ep.9,1 Marcus Calpurnius Bibulus war (zusammen mit Caesar) Konsul i. J. 59 Nereïden: die (fünfzig) Töchter des Meergottes Nereus (s. c.I 15,5) der schnellen Cynthia: Beiname der Diana, vgl. zu c.I 21,2

304

Anmerkungen (Oden III)

13 f. die … herrscht: Umschreibung der Venus / Aphrodite mit ‹ihren› griechischen Inseln 29,

1 6

8

14 17 18 23 27 28

60 64 30,

7 9 10 11 13 16

aus dem Tyrrhenerland: s. zu c.III 10,12 sowie zu c.I 20,5 f. Tibur: s. zu c.I 7,12 Aefula: Ortschaft am Westhang des Sabinergebirges in Latium südlich von Tibur Telegonus: Sohn des Odysseus und der Kirke, Gründer von Tusculum (s. zu ep.1,30). Nach der Sage hat er seinen Vater in Ithaka getötet, ohne ihn zu erkennen. Dach: wie c.I 12,44 unter dem Namen der Gottheit Lar (s. zu ep.2,66) Vater der Andromeda: Sternbild des Kepheus; sein Spätaufgang (in Alexandria): 23. Juli Procyon: ‹Vor-Hund›, Sternbild des Kleinen Hundes; sein Spätaufgang (in Italien): 15. Juli Silvanus: s. zu ep.2,22 Serer: s. zu c.I 12,56 Baktrien: hier für den Ostteil des Partherreiches (für diese s. zu ep.7,9, für Cyrus zu c.II 2,17) am Don leben die Skythen (vgl. c.III 4,36 und zu c.I 19,10) aus Tyrus: s. zu ep.12,21 Pollux: s. zu c.I 3,2 Libitina: Göttin der Friedhöfe Vestalin: zur Keuschheit verpflichtete Priesterin der Göttin Vesta (s. zu c.III 5,11) Aufidus: Fluss in Apulien (s. zu ep.3,16), der Heimat des Dichters Daunus: s. zu c.I 22,14 äolischen Gesang: die altgriechische Lyrik zumal des Alkaios und der Sappho (s. zu c.II 13,24) Melpomene: s. zu c.I 24,3

Anmerkungen (Saekularlied – Oden IV)

305

Saekularlied 5

Sibyllenverse: Ein Orakel aus dem Jahr 249 gebot ein hundertjährlich zu wiederholendes Sühnefest für Dis und Proserpina; seit 149 war es nicht mehr gefeiert worden. Im Jahr 17 griff Augustus darauf zurück, nachdem das Priesterkollegium der Fünfzehn Männer (vgl. v.70 quindecim […] virorum) dem Senat einen »Sibyllenspruch« vorgelegt hatte, wonach in diesem Jahr und danach alle 110 Jahre das Fest zu begehen sei; er enthielt auch Anweisungen für die Durchführung des Festes. 7 Sprichwörtlich geworden als Stadt mit den sieben Hügeln: Rom 14–16 Ilithyia, Lucina, Genitalis: Beinamen der Diana (vgl. zu c.III 22,4) 25 ihr Parzen: s. zu ep.13,15 29 Tellus: die personifizierte Mutter Erde (vgl. zu c.II 12,7) 30 Ceres: s. zu ep.16,43 37 Scharen aus Ilion: s. zu ep.10,13 39 Laren: s. zu ep.2,66 54 Meder: s. zu ep.7,9 den Beilen von Alba: s. zu c.III 2,19 bzw. zu c.III 23,11 55 Skythen: s. zu c.I 19,10 57–60 Fides (Treue), Pax (Friede), Honos (Ehre), Pudor (Schamhaftigkeit), Virtus (Mannhaftigkeit), Copia (Fülle): allegorische Gottheiten, die seit dem 3. Jh. in zunehmendem Maß im staatlichen Kult Raum gewannen (vgl. auch zu c.I 24,6 f.) 62 Camenen: s. zu c.II 16,38 66 das glückliche Latium: s. zu c.I 12,53 67 von einem Lustrum: s. zu c.II 4,24 69 am Algidus: s. zu c.I 21,6

Oden, Buch IV 1,

6 10 f. 12 19

den schon verhärteten Fünfziger: nach römischer Rechnung ‹zehn Jahrfünfte› (lustra wie c.II 4,24) Paul(l)us Fabius Maximus, Konsul i. J. 11, zur Zeit des Gedichts etwa 28 Jahre alt ein geeignetes Herz: die ‹Leber› (iecur) galt als Sitz der starken Emotionen am Albanersee: s. zu c.III 23,11

306

Anmerkungen (Oden IV)

20 22 28 39 f. 2, 2

4 13 f.

16 17 25

27 31 35 36 3, 1 3 5 10 12 17 18

aus Citrusholz: weithin als ‹Zeder›(nholz, cedrus) gefasst und wiedergegeben zur berecyntischen Blattflöte: s. zu c.I 18,13 auf Salierweise: s. zu c.I 36,12 des Marsfelds: s. zu c.I 8,4 Iullus Antonius (v.26), Sohn (geb. 44/43) des Triumvirn Marcus Antonius, über seine Stiefmutter Octavia, die Schwester Octavians, dessen Haus besonders verbunden seinen Namen: Ikaros, der Sohn des Daidalos, stürzte bei dem Flug ins Meer, das danach Ikarisches Meer hieß (vgl. zu c.I 1,15) Göttersöhnen: Beim ‹Blut der Götter›, das Kentauren straft, wäre zumal an Herakles zu denken, doch die sprachlich-gedanklichen Bezüge scheinen nicht ganz klar. Chimaera: s. zu c.I 27,23 f. von Elis: im Westen der Peloponnes die ‹Heimat› von Olympia den Schwan von Dirce: auf Pindar gemünzt, bei dessen Heimat Theben das Flüsschen Dirke fließt. Das Wunder des Schwanengesangs war sprichwörtlich der matinischen Biene: s. zu ep.16,28. Das Bild des fleißig sammelnden Insekts geht auf Horaz selbst Tibur: s. zu c.I 7,12 über den Heiligen Hang: im Triumphzug die Via Sacra (s. zu ep.4,7) hinauf Sygambrer: germanischer Stamm an Sieg, Ruhr und Lippe o Muse: Melpomene, die Adressatin auch von c.I 24 (s. dort zu v.3) und c.III 30 kein isthmischer Wettkampf: die Landenge (der Isthmos) von Korinth beherbergte Spiele zu Ehren des Poseidon alle zwei Jahre. auf dem achäischen Wagen: s. zu c.I 15,35 Tibur: s. zu c.I 7,12 äolischer Weisen: s. zu c.III 30,13 der goldenen Leier: s. zu ep.14,11 O piërische Muse: s. zu c.III 4,40

Anmerkungen (Oden IV)

4, 4 17 18

20

38

40 42 53 54 56 58 61

63

64

5, 1 3 f.

307

Ganymedes: s. zu c.III 20,16 am Fuß der rätischen Alpen: nach den keltischen Rätiern als römische Provinz Raetia (Graubünden, Tirol) Nero Claudius Drusus, Stiefsohn des Augustus, von diesem i. J. 15 als Dreiundzwanzigjähriger zur Unterwerfung der keltischen Vindelizier (zwischen Donau und Alpen) nach Norden geschickt. Gleichzeitig operierte sein Bruder (und nachmalige Kaiser) Tiberius Claudius Nero (v.28: Nerones, v.73 als Claudier) vom Bodensee aus und schlug die Rätier entscheidend. mit amazonischen Äxten: nach der Bewaffnung der sagenhaften Amazonen; antike Kommentare lassen die Vindelizier von diesen vertrieben sein oder sich herleiten. Metaurus: Flüsschen in Umbrien, wo Hasdrubal, der Bruder Hannibals, 207 von den Konsuln Marcus Livius Salinator und Gaius Claudius Nero mit seinem Heer vernichtet wurde (vgl. Livius 27,43 ff.) Land der Latiner: s. zu c.I 12,53 der Afrikaner: Hannibal aus dem verbrannten Ilion: s. zu ep.10,13 des tuskischen Meeres: vgl. zu c.III 7,28 zu den Städten Ausoniens: erlesene Bezeichnung für ‹Italien› (vgl. v.42: per urbis – Italas) auf dem ... Algidus: s. zu c.I 21,6 Der neunköpfigen Hydra (einer der Aufgaben des Herakles) wuchsen abgeschlagene Köpfe nach, die zum guten Beschluss ausgebrannt werden mussten Colchis: Land am Schwarzen Meer, Heimat der Medea. Die Argonautensage erzählt von Abenteuern, die Iason dort gegen einen feuerspeienden Stier, gegen einen Drachen und gegen Männer, die aus der Saat von Drachenzähnen entstanden, bestehen musste Echion: einer der »Sparten« (Männer aus der Drachenzahnsaat des Königs Kadmos von Theben), aus denen der thebanische Adel hervorgegangen sein soll Der du …: Der Adressat dieser Ode, Octavian bzw. Augustus, wird nicht genannt (vgl. v.16: Caesarem) Rat der Väter: der römische Senat (wie c.III 5,45, cs 17 und c.IV 14,1)

308

Anmerkungen (Oden IV)

10 18 25 34 35 38 6, 2 4 7 12 25 26 27 28 33

35 37 7, 15 21 23 26

27 28

des karpathischen Meeres: s. zu c.I 35,8 Faustitas: »Glück«, eine von Horaz gebildete göttliche Allegorie (hier neben Ceres, s. zu ep.16,43) einen Parther … einen Skythen: s. zu ep.7,9 bzw. zu c.I 19,10 mit den Laren: s. zu ep.2,66 Castor: s. zu c.I 3,2 Hesperien: s. zu c.I 28,26 Tityus: s. zu c.II 14,8 der Phthier: s. zu c.II 4,10 Dardanus-Türme: die Mauern von Troia, s. zu c.I 15,10 im Staub von Troia: nach Teucer (Teukros), dem ersten König der Troas und Schwiegervater des Dardanos (Thalia): eine (der neun) Muse(n) im Xanthus: lykischer Strom, an dessen Mündung Patara liegt (s. zu c.III 4,64) der Muse Italiens: zur ‹Camene Dauniens› s. zu c.II 16,38 bzw. c.I 22,14 Agyieus: »Wegegott«, einer der zahlreichen Beinamen Apollons der delischen Göttin: Diana (Artemis) nach ihrem Geburtsort Delos in der Ägäis; in v.38 ist sie als »Nachterleuchterin« (Mond) bezeichnet auf den lesbischen Takt: s. zu c.I 1,34 den Sohn der Latona: wie c.I 31,18 Apollo Tullus Hostilius, Ancus Martius: der dritte bzw. vierte der sagenhaften (sieben) altrömischen Könige Minos: der Sohn des Zeus und der Europa als einer der Richter in der Unterwelt Ein Torquatus ist auch der Adressat von epist.I 5. Hippolytos: Der Sohn des Theseus verweigerte sich seiner Stiefmutter Phaidra, wurde von dieser beim Vater verleumdet, daraufhin von diesem verflucht und von den eigenen Pferden zu Tode geschleift. Fesseln der Lethe: s. zu ep.14,3 Pirithous: s. zu c.III 4,80

Anmerkungen (Oden IV)

309

8, 2 6

Gaius Marcius Censorinus, Konsul in Horazens Todesjahr 8 Parrhasius von Ephesos, Maler in Athen um 400 v.Chr. (legendär sein Wettstreit mit Zeuxis von Heraklea in Plinius’ Naturgeschichte 35,65) Scopas von Paros, Bildhauer eingangs des 4. Jh. 15b–19a Diese Verse werden aufgrund ihrer Vermengung von älterem und jüngerem Scipio (Africanus der eine als Sieger über Hannibal bei Zama 202, der andere als Zerstörer Karthagos 146) für unecht gehalten 20 die calabrischen (s. zu ep.1,27) Musen: Umschreibung für den großen altrömischen Dichter Ennius (239–169); für die Benennung Pierides s. zu c.III 4,40 22 aus dem Sohne der Ilia: Romulus (v.24!); vgl. zu c.III 3,32 25 den stygischen Fluten: s. zu c.I 34,10 Aeacus: s. zu c.III 19,3 31 Tyndariden-Sternpaar: Kastor und Polydeukes (Pollux) als Söhne des Tyndareus; s. zu c.I 3,2 34 Liber: s. zu c.I 12,22

9, 2 5 7

8 9 13 17 18 20

22

Aufidus: s. zu c.III 30,10 der Mäonier Homer: s. zu c.I 6,2 des Keërs: Simonides von Keos, Elegiker der 2. Hälfte des 6. Jh. Alcaeus von Lesbos, Lyriker des 6. Jh., Zeitgenosse der Sappho (das äolische Mädchen v.12, s. zu c.II 13,24) Stesichorus von Himera (Sizilien), Lyriker um 600 (seine ernsten Lieder in der Gestalt von ‹Camenen›, s. zu c.II 16,38) Anacreon: s. zu ep.14,10 des Ehebrechers: Paris (für v.16 die Laconierin Helena vgl. zu c.II 11,23) Teucer: s. zu c.I 7,21 (sein cydonischer Bogen nach Kydon auf Kreta; vgl. zu c.I 15,17) Ilion: s. zu ep.10,13 Idomeneus: kretischer Heerführer vor Troia Sthenelus: Wagenlenker des Diomedes vor Troia (vgl. c.I 15,24– 26) Deiphobus: ein Sohn des Priamos

310

Anmerkungen (Oden IV)

33

Marcus Lollius Paullinus, Konsul i. J. 21, unterlag i. J. 16 den Sygambrern (s. zu c.IV 2,36)

11, 2 8

Albanerwein: s. zu c.III 23,11 spargier ist eine altertümliche Form des Infinitivs Passiv (spargi). die Iden: Maecenas hatte also am 13. April Geburtstag. Venus aus dem Meere: s. zu c.III 26,5 Phaëthon: Sohn des Sonnengottes, der sich eine Fahrt mit dem Sonnenwagen ausbat und die Welt dabei versengte; schließlich stürzte er in den Eridanus (Po; bei Ovid in den Metamorphosen 1,750 ff.) Bellerophon: s. zu c.III 7,15

14 15 25

28 12, 5

6 11 14 18

Itys: Sohn der attischen Königstochter Prokne, von dieser getötet, nachdem ihr Gatte Tereus ihre Schwester Philomele vergewaltigt und verstümmelt hatte (‹barbarische Königslüste› meinen Tereus als thrakischen Fürsten). Prokne wurde in eine Rauchschwalbe, Philomele in eine Nachtigall (oder umgekehrt), Tereus in einen Wiedehopf verwandelt (bei Ovid in den Metamorphosen 6,421 ff.) Cecrops-Haus: die attische Königsfamilie nach dem sagenhaften Stadtgründer und König Kekrops (vgl. auch zu c.II 1,12) den Gott: Pan Cales: s. zu c.I 20,9 Wein: in Gestalt des Liber (s. zu c.I 12,22) in den sulpizischen Speichern: schwer greifbare Anspielung auf das Weinlager eines Sulpicius (Galba)

13, 13

Purpur aus Kos: s. zu ep.12,18 (für koische Gewänder als ‹nichts› und wie nackt vgl. sat.I 2,101 f.)

14, 1 4

Bürgerschaft: s. zu c.I 1,7 (Senat als Versammlung der ‹Väter›) Fasten: Aufzeichnungen offiziellerer Natur (etwa zu Kalenderfragen oder Konsularlisten) Vindelizier: s. zu c.IV 4,18 in deiner Kriegsgewalt: in Gestalt des zuständigen Gottes Mars

8 9

Anmerkungen (Oden IV)

10

15 25 35 37 41 f. 51 15, 7

9

16 22 f. 24 26 32

311

Drusus: s. (wie v.14 für den älteren Nero bzw. v.29 Claudius, also den späteren Kaiser Tiberius) zu c.IV 4,18 Genauner, Breuner: illyrische Stämme im Inntal die wilden Rätier: s. zu c.IV 4,17 Aufidus: s. zu c.III 30,10 (für v.26 den apulischen Daunus zu c.I 22,14) Alexandria in Demut: Sieg Octavians über Marcus Antonius und Kleopatra i. J. 31/30 Lustrum: s. zu c.II 4,24 Cantabrer, Meder, Skythe: s. zu c.II 6,2 bzw. zu ep.7,9 bzw. zu c.I 19,10 Sygambrer: s. zu c.IV 2,36 Die an die Parther bei Carrhae verlorenen Feldzeichen (vgl. zu ep.7,9) konnten i. J. 20 auf dem Verhandlungswege nach Rom zurückgeholt werden. das Tor des Janus Quirinus: Seine Öffnung bzw. Schließung geben bei Livius (1,19,2) Auskunft über Krieg oder Frieden (index pacis bellique) im Westen: s. zu c.I 28,26 Geten, Serer, Perser: s. zu c.III 24,11 bzw. zu c.I 12,56 bzw. zu ep.7,9 die Söhne des Landes am Don: die Skythen (vgl. c.III 4,36) Liber: s. zu c.I 12,22 den Sohn der gütigen Venus: Aeneas (als Vater des Iulus zugleich Ahnherr der Julier und somit des Augustus)

Stimmen zu Horaz Utiles tragoediae: alunt et lyrici, si tamen in his non auctores modo, sed etiam partes operis elegeris: nam et Graeci licenter multa et Horatium in quibusdam nolim interpretari. Nützlich ist auch die Tragödie; förderlich auch die Lyrik, falls man in ihr eine Auswahl nicht nur der Dichter, sondern auch innerhalb ihres Werkes vornimmt; denn in der griechischen gibt es sehr viel Lockeres, und auch den Horaz möchte ich an manchen Stellen nicht erklären. Quintilian, Institutio Oratoria 1,8,6 Iambus non sane a Romanis celebratus est ut proprium opus, aliis quibusdam interpositus: cuius acerbitas in Catullo, Bibaculo, Horatio, quamquam illi epodos intervenit, reperiatur. At lyricorum idem Horatius fere solus legi dignus: nam et insurgit aliquando et plenus est iucunditatis et gratiae et varius figuris et verbis felicissime audax. Der Jambus ist ja freilich von Römern nicht als eigenes Dichtwerk gepflegt worden, sondern nur eingeschoben zwischen anderen Gedichten; seine beißende Schärfe mag man bei Catull, Bibaculus und Horaz – obwohl er hier mit Epoden durchsetzt auftritt – aufsuchen. Dagegen ist von den Lyrikern ebenfalls Horaz es wohl als einziger wert, gelesen zu werden; denn zuweilen erhebt er sich im Ton, ist auch voll von Munterkeit und Anmut, ferner abwechslungsreich in seinen Redefiguren und äußerst glücklich in der Kühnheit seines Wortgebrauches. Quintilian, Institutio Oratoria 10,1,96 Tote Sprachen nennt ihr die Sprachen des Flaccus und Pindar. Und von beiden nur kommt, was in der unsrigen lebt. Johann Wolfgang von Goethe, Tabulae votivae 62

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Stimmen zu Horaz

»November 1806. Horaz. Sein poetisches Talent anerkannt nur in Absicht auf technische und Sprachvollkommenheit, d. h. Nachbildung der griechischen Metra und der poetischen Sprache, nebst einer furchtbaren Realität, ohne alle eigentliche Poesie, besonders in den Oden.« Friedrich Wilhelm Riemer, Mitteilungen über Goethe Gram ist Erkenntnis. – Wie gern möchte man die falschen Behauptungen der Priester, es gebe einen Gott, der das Gute von uns verlangte, Wächter und Zeuge jeder Handlung, jedes Augenblickes, jedes Gedankens sei, der uns liebe, in allem Unglück unser Bestes wolle, – wie gern möchte man diese mit Wahrheiten vertauschen, welche ebenso heilsam, beruhigend und wohltuend wären, wie jene Irrtümer! Doch solche Wahrheiten gibt es nicht; die Philosophie kann ihnen höchstens wiederum metaphysische Scheinbarkeiten (im Grunde ebenfalls Unwahrheiten) entgegensetzen. Nun ist aber die Tragödie die, dass man jene Dogmen der Religion und Metaphysik nicht glauben kann, wenn man die strenge Methode der Wahrheit im Herzen und Kopfe hat, andererseits durch die Entwickelung der Menschheit so zart, reizbar, leidend geworden ist, um Heil- und Trostmittel der höchsten Art nötig zu haben; woraus also die Gefahr entsteht, dass der Mensch sich an der erkannten Wahrheit verblute. Dies drückt Byron in unsterblichen Versen aus: Sorrow is knowledge: they who know the most must mourn the deepst o’er the fatal truth, the tree of knowledge is not that of life. Gegen solche Sorgen hilft kein Mittel besser, als den feierlichen Leichtsinn Horazens, wenigstens für die schlimmsten Stunden und Sonnenfinsternisse der Seele, heraufzubeschwören und mit ihm zu sich selber zu sagen (c.II 11,11 ff.): quid aeternis minorem consiliis animum fatigas? cur non sub alta vel platano vel hac pinu iacentes – Sicherlich aber ist Leichtsinn oder Schwermut jeden Grades besser, als eine romantische Rückkehr und Fahnenflucht, eine Annäherung an das Christentum in irgendeiner Form: denn mit ihm kann man sich, nach dem gegenwärtigen Stande der Erkenntnis, schlechterdings nicht mehr einlassen, ohne sein intellectuales Gewissen heillos zu beschmutzen und vor sich und Anderen preiszugeben. Jene Schmerzen mögen peinlich genug sein: aber man kann

Stimmen zu Horaz

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ohne Schmerzen nicht zu einem Führer und Erzieher der Menschheit werden; und wehe dem, welcher dies versuchen möchte und jenes reine Gewissen nicht mehr hätte! Friedrich Nietzsche, Menschliches-Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Erster Band. Drittes Hauptstück. Das religiöse Leben, 109 Was ich den Alten verdanke Zum Schluss ein Wort über jene Welt, zu der ich Zugänge gesucht, zu der ich vielleicht einen neuen Zugang gefunden habe – die alte Welt. Mein Geschmack, der der Gegensatz eines duldsamen Geschmacks sein mag, ist auch hier fern davon, in Bausch und Bogen ja zu sagen: er sagt überhaupt nicht gern ja, lieber noch Nein, am allerliebsten gar nichts … Das gilt von ganzen Culturen, das gilt von Büchern, – es gilt auch von Orten und Landschaften. Im Grunde ist es eine ganz kleine Anzahl antiker Bücher, die in meinem Leben mitzählen; die berühmtesten sind nicht darunter. Mein Sinn für Stil, für das Epigramm als Stil erwachte fast augenblicklich bei der Berührung mit Sallust. Ich habe das Erstaunen meines verehrten Lehrers Corssen nicht vergessen, als er seinem schlechtesten Lateiner die allererste Censur geben musste –, ich war mit einem Schlage fertig. Gedrängt, streng, mit so viel Substanz als möglich auf dem Grunde, eine kalte Bosheit gegen das »schöne Wort«, auch das »schöne Gefühl« – daran erriet ich mich. Man wird, bis in meinen Zarathustra hinein, eine sehr ernsthafte Ambition nach römischem Stil, nach dem »aere perennius« im Stil bei mir wiedererkennen. – Nicht anders erging es mir bei der ersten Berührung mit Horaz. Bis heute habe ich an keinem Dichter dasselbe artistische Entzücken gehabt, das mir von Anfang an eine Horazische Ode gab. In gewissen Sprachen ist das, was hier erreicht ist, nicht einmal zu wollen. Dies Mosaik von Worten, wo jedes Wort als Klang, als Ort, als Begriff, nach rechts und links und über das Ganze hin seine Kraft ausströmt, dies minimum in Umfang und Zahl der Zeichen, dies damit erzielte maximum in der Energie der Zeichen – das alles ist römisch und, wenn man mir glauben will, vornehm par excellence. Der ganze Rest von Poesie wird dagegen etwas zu Populäres, – eine bloße Gefühls-Geschwätzigkeit … Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophiert

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Stimmen zu Horaz

[Sie geht ab, Claudio birgt sein Gesicht in den Händen. Unmittelbar nach ihrem Abgehen tritt ein Mann ein. Er hat beiläufig Claudios Alter. Er trägt einen unordentlichen, bestaubten Reiseanzug. In seiner linken Brust steckt mit herausragendem Holzgriff ein Messer. Er bleibt in der Mitte der Bühne, Claudio zugewendet, stehen.] DER MANN Lebst du noch immer, Ewigspielender? Liest immer noch Horaz und freuest dich Am spöttisch-klugen, nie bewegten Sinn? Mit feinen Worten bist du mir genaht, Scheinbar gepackt von was auch mich bewegte… Hugo von Hofmannsthal, Der Tor und der Tod »Der Ausspruch, daß es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben, kann nur als Zweckpropaganda gewertet werden. Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bett wie auf dem Schlachtfeld, am meisten gewiß jungen Menschen in der Blüte ihrer Jahre. Nur Hohlköpfe können die Eitelkeit so weit treiben, von einem leichten Sprung durch das dunkle Tor zu reden und auch dies nur, solange sie sich weitab von der letzten Stunde glauben. Tritt der Knochenmann aber an sie selbst heran, dann nehmen sie den Schild auf den Rücken und entwetzen, wie des Imperators feister Hofnarr bei Philippi, der diesen Spruch ersann.« Bertolt Brecht, Ich bin aus den schwarzen Wäldern. Seine Anfänge in Augsburg und München. 1913–1924, © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1994 »Wenn Horaz den gewöhnlichsten Gedanken und das trivialste Gefühl ausdrückt, schaut es herrlich her. Das kommt, weil er in Marmor arbeitete. Wir heute arbeiten in Dreck.« Bertolt Brecht nach Lion Feuchtwanger BEIM LESEN DES HORAZ

Selbst die Sintflut Dauerte nicht ewig. Einmal verrannen Die schwarzen Gewässer. Freilich, wie wenige Dauerten länger! Bertolt Brecht, Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Band 12, Gedichte 2, © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1989

Literaturhinweise BO, Dominicus: Lexicon Horatianum. (Alpha – Omega I) Hildesheim 1965/66. BRUNSCH, Wolfgang H.-J.: Die Oden (Carmina) des Horaz: Bücher I–IV und Carmen Saeculare (in neuer Nachdichtung). Aachen 1996. Siehe dazu die Rezension von Friedemann Weitz in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 4 (2001) 1067–1072. CANCIK, Hubert: »carmen und sacrificium. Das Saecularlied des Horaz in den Saecularakten des Jahres 17 v.Chr.« in: DERS., Verse und Sachen. Kulturwissenschaftliche Interpretationen römischer Dichtung. Herausgegeben von Richard Faber und Barbara von Reibnitz. Würzburg 2003, 83–99. FINK, Gerhard: Q. Horatius Flaccus: Oden und Epoden. ‹lateinisch/deutsch› Herausgegeben und übersetzt von G. F. (Sammlung Tusculum) Düsseldorf – Zürich 2002. HEINZE, Richard: Q. Horatius Flaccus – Oden und Epoden. Erklärt von Adolf Kießling. Achte Auflage besorgt von R. H. Mit einem Nachwort und bibliographischen Nachträgen von Erich Burck. Berlin 1955. KILLY, Walther / SCHMIDT, Ernst A.: Horaz: Glanz der Bescheidenheit – Oden und Epoden. Lateinisch und deutsch. Übersetzt von Christian Friedrich Karl Herzlieb und Johann Peter Uz. Eingeleitet und bearbeitet von W. K. und E. A. S. Zürich 21987. KOCH, G.(eorg) A.(enotheus): Vollständiges Wörterbuch zu den Gedichten des Q. Horatius Flaccus mit besonderer Berücksichtigung der schwierigeren Stellen für den Schul- und Privatgebrauch. Zweite Auflage in theilweise neuer Bearbeitung. Hannover 1879. KYTZLER, Bernhard (Hrsg.): Quintus Horatius Flaccus: Sämtliche Werke. Lateinisch / Deutsch. Mit den Holzschnitten der Straßburger Ausgabe von 1498. Mit einem Nachwort herausgegeben von B.K. Verbesserte und ak-

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Literaturhinweise

tualisierte Neuausgabe. Stuttgart 2006. Nach: Oden und Epoden. Lateinisch / Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von B. K. Stuttgart 51990. DERS.: Horaz. Eine Einführung. Stuttgart 1996. LEFÈVRE, Eckard: Horaz. Dichter im augusteischen Rom. München 1993. LOHMANN, Dieter: »‘Dulce et decorum est pro patria mori’. Zu Horaz c. III 2« in: Schola Anatolica. Freundesgabe für Hermann Steinthal. Herausgegeben von Kollegium und Verein der Freunde des Uhland-Gymnasiums Tübingen. Tübingen 1989, 336–372. DERS.: »Horaz carmen III 2 und der Zyklus der ‘Römer-Oden’« in: Der Altsprachliche Unterricht 34,3 (1991) 62–75. DERS.: »Bild und Bedeutung in den Oden des Horaz, dargestellt am Beispiel des Carmen I 9: Vides ut alta stet …« in: NEUMEISTER, Christoff (Hrsg.): Antike Texte in Forschung und Schule. Festschrift für Willibald Heilmann zum 65. Geburtstag. (Schule und Forschung. Schriftenreihe für Studium und Praxis: Altsprachliche Abteilung) Frankfurt am Main 1993, 181–201. DERS.: »Tu sapiens Plance … – Zu Horaz I 7« in: Gymnasium 101 (1994) 429– 454. MAAS, Paul: »Korruptelen in Horazens Oden« in: DERS.: Kleine Schriften. Herausgegeben von Wolfgang Buchwald, München 1973, 603–604. MAURACH, Gregor: Horaz. Werk und Leben. (Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern) Heidelberg 2001. Siehe dazu die Rezension von Friedemann Weitz in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 5 (2002) 1115–1134. MENGE, Hermann: Die Oden und Epoden des Horaz für Freunde klassischer Bildung besonders für die Primaner unserer Gymnasien bearbeitet von Dr. H.M. Fünfte, durch erklärende Anmerkungen vermehrte Auflage. Berlin 1910 (Vorwort 1. Auflage 1892). NISBET, Robin G. M. / HUBBARD, Margaret: A Commentary on Horace: Odes Book I. Oxford 1970. DIES.: A Commentary on Horace: Odes Book II. Oxford 1978. NISBET, Robin G. M. / RUDD, Niall: A Commentary on Horace: Odes Book III. Oxford 2004.

Literaturhinweise

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NUMBERGER, Karl: Horaz. Lyrische Gedichte. Kommentar für Lehrer der Gymnasien und für Studierende. 3., neu bearbeitete Auflage. Münster 1997. PÖSCHL, Viktor: Horazische Lyrik. Interpretationen. (Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften: Reihe 2; N.F., Bd.85) 2., erweiterte Auflage. Heidelberg 1991. RADKE, Anna Elissa: Mein Marburger Horaz. (Marburger Drucke 4) Marburg 1990. SCHMIDT, Ernst A.: Zeit und Form. Dichtungen des Horaz. (Supplemente zu den Schriften der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse; Bd. 15) Heidelberg 2002. SCHRÖDER, Rudolf Alexander: Vergil / Horaz. Deutsch. (Gesammelte Werke in fünf Bänden. Fünfter Band) Berlin – Frankfurt a.M. 1952. SCHULTESS, Friedrich: Horazische Lieder und Briefe erklärt von Friedrich Schulteß nach dessen Tode herausgegeben von Carl Schulteß. Gotha 1920. SYNDIKUS, Hans Peter: Die Lyrik des Horaz. Eine Interpretation der Oden. Band I: Erstes und zweites Buch. Band II: Drittes und viertes Buch. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Darmstadt 2001. TILMANN, Winfried: Horaz: Oden und Epoden. Lateinisch und deutsch. Ausgewählt, neu übertragen und kommentiert von W.T. Frankfurt a.M. – Leipzig 1992. WATSON, Lindsay C.: A Commentary on Horace’s Epodes. Oxford 2003.

Über die Reihe Edition Antike Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose Die neue Reihe zweisprachiger Textausgaben bei der WBG bietet wichtige Texte der antiken Literatur mit modernen Übersetzungen und in einer zeitgemäßen Ausstattung. Es sind Leseausgaben – auf einen umfangreichen kritischen Apparat wurde bewusst verzichtet. Die Einleitung stellt jeweils Autor und Werk in ihrer Zeit vor und gibt auch einen kurzen Überblick über das Nachwirken des Textes. Thomas Baier ist Professor für Klassische Philologie (Latinistik) an der Universität Würzburg Kai Brodersen ist Professor für Alte Geschichte und Präsident der Universität Erfurt Martin Hose ist Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der LudwigMaximilians-Universität München

Über die Herausgeber Will Richter (1910–1984) war Professor für Klassische Philologie an der Universität Göttingen und gehörte nach seiner Emeritierung 1975 bis zu seinem Tod dem Gründungssenat der Universität Bayreuth an. Friedemann Weitz ist Klassischer Philologe und Lateinlehrer am HansMultscher-Gymnasium in Leutkirch/Allgäu.

Über den Inhalt Quintus Horatius Flaccus (65 – 8 v. Chr.) ist einer der bedeutendsten Dichter lateinischer Sprache und Zeitgenosse der politisch dramatischen Jahre zwischen Caesars Ermordung und dem Beginn des Prinzipats unter Augus tus. Die Oden – oder carmina – gehören zu den bekanntesten Dichtungen des Horaz. Literarisch stellen sie eine formal und inhaltlich vollendete Meisterleistung dar, die mit Recht den Ruhm des Horaz mitbegründeten und seinen Rang als Weltliteratur rechtfertigen. Themen der vier Bücher sind wie schon bei den Griechen vor allem Liebe und Politik – insbesondere bei den RomLiedern –, aber auch Freundschaft, Alltäglichkeiten des Lebens und Fragen aus der Philosophie.